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A. W. Kyder
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DIE
SÜTM'8 DES VEBÄNTA.
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Von demselbeu Verfasser sind früher erschienen:
COMMEBTATIO DE PLATONIS SOPHISTAE COMPOSITIONE AC
DOCTRINA. (Bonn, A. Marcus, 1869.) 1 M. 20 Pf.
DIE ELEMENTE DER METAPHYSIK, als Leitfaden zum Gebrauche bei
Vorlesungen sowie zum Selbststudium. (Aachen, J. A. Mayer, 1877.) 4 M.
DAS SYSTEM DES VEDANTA, nach den Brahma - Sutra's des Badar
räyana und dem Commentare des Qankara über dieselben, als ein
Compendium der Do^matik des Brahmanismus vom Standpunkte des
Qankara aus dargestellt. (Leipzig, F. A. Brockhaus, 1883.) 12 M.
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DIE
SÜTRA'S DES VEDÄNTA
ODER DIE
CÄRtKAKA-lil&NSÄ DES BÄDABHYANA
NBB8T DSU VOLLSTEN Dl OBN
GOMMENTäRE des (ANKARA.
ADS DEM SANSKRIT ÜBERSETZT
Db. PAUL DEUSSEN,
ZWEITE AUFLAGE.
ARABTATIBCHEB DBlfOK.
LEIPZIG:
A. BBOCKHAUS
Mit Vorbehalt %ller Beohto.
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VORREDE.
Die Philosophie der Inder hftt — wie so oft das Grofse,
wenn es neu in den Zusammenhang eines fertigen Kultur-
ganzen fa^ereintritt — im Abendtaude zunächst das Schicksal
'erfahren, mehr besprochen und beurteilt als gekannt, mehr
überschätzt und unterschätzt als verstanden zu werden. Wie
aber auch immer das endgültige Urteil über ihren Wert oder
Unwert ^ch gestalten mag, jedenfalls werden wir in ihr ein
Stück der Entwickelungsgeschichte des menschlichen Geistes
zu respektieren haben, welches um so interessanter und lehr-
reicher ist, je mehr es den Vorzug völliger ürsprünglichkeit
in Anspruch nehmen kann, und je weniger es auf unsere von
der biblischen und griechischen Gedankenwelt abhängigen re-
ligiösen und philosophischen Anschauungen bis auf dieses Jahr-
hundert herab irgend einen nennenswerten Einflufs hat aus-
üben können.
Gesetzt, es gäbe — was ja wohl möglich ist — auf
einem der andern Planeten unseres Sonnensystems, vielleicht
auf dem &tars oder der Venus, Menschen oder menschenartige
Wesen, die es, wie wir, zu einer Kultur und, als höchster
Blüte derselben, zn einer Philosophie gebracht hätten, imd
es würde uns die Möglichkeit gegeben (etwa, indem es gelänge,
von dort ein Projektil bis in den Bereich der überwiegenden
Erdanziehung zu schleudern) von dieser Philosophie Kenntnis
zu nehmen, so würden wir ohne Zweifel den ^Erzeugnissen
derselben ein grolses Interesse zuwenden. Mit Aufmerksam-
keit würden wir sowohl Übereinstimmung als Verschiedenheit
iv!3i935
VI Vorrede.
jener traaslunareu Weltanschauung mit der unsrigeu prüfen.
Jede Abweichung in den £rge|)ni8sen würde zu einer Unter-
suchung darüber anregen auf wessen Seite die Wahi'heit sei,
jede Zusammenstimmung wurde uns daran erinnern, dafs es
eine Gewähr für die Richtigkeit der Rechnung zu sein pflegt,
wenn zwei Rechner unabhängig von einander zu demselben
Facit gelangen, — wiewohl auch hierbei der Kantische Gedanke
von den natürlichen und unvermeidlichen „Sophisticationen,
nicht der Menschen, sondern der reinen Vernunft selbst'* in
Erwägung zu ziehen sein würde.
Nicht Iganz, aber doch annähernd werden die Hoffnungen,
die wir an eine solche „vom Himmel gefallene** !Philo8ophie
knüpfen würden, erfüllt durch dasjenige, was die Philosophie
der Inder uns thatsächlich bietet. Denn während alles, was
an philosophischen Gedanken diesseits des Hindukusch hervor-
gebracht worden ist, von Mose und Zoroaster, von Pythagoras ^
und Xenophanes an durch Hatonismus, Christentum und Kan-
tianismus hindurch bis auf die Gegenwart herab in einem ein-
zigen grofsen Zusammenhange steht, durch welchen unser
Denken mehr als wir es oft ahnen abhängig ist von uralten
Traditionen, Einseitigkeiten der Auffassung und Irrtümern, —
%(} haben die Inder, indem sie von ihren Bruderstämmen schon
in vorhistorischer Zeit abgetrennt wurden, gegen die ursprüng-
lichen Bewohner aber. des Industhaies und der Gangesebene
sich selbst auf das strengste absonderten, bis zu den Zeiten
der vollen Ausgestaltung ihrer Weltanschauung — so weit
bis jetzt zu erkennen — keinen Einflufs auf ihr Glauben und
Denken irgendwoher empfangen, und als die Stürme der
griechischen, skythischen, mohammedanischen und mongoli-
schen Invasionen über Indien hereinbrachen, trafen sie, allem
Anscheine nach, die indische Gedankenwelt schon in einer
Erstarrung und schulmäfsigen Geschlossenheit an, in welcher
sie dieselbe nicht mehr erheblich zu iuquinieren vermochten^
während vielmehr umgekehrt die fremden Eroberer zu dem
geknechteten Indien vielfach in eine fast ebenso grofse gei-
stige Abhängigkeit traten, wie das Römerreich zu dem er-
oberten Griecbenlande.
Diebe Verhältnisse sind es, welche den Erzeugnissen des
Vorrede. vn
indisclien Denkens eine Originalität sichern, wie sie bis zu
einer so hohen Stufe der Entwicklung hinauf nicht zum zweiten
Male in der AVeltgescjhichte bewahrt wurde; und an diesem
Vorzuge, die Dokuineute einer durchaus ursprünglichen, nur
in sich selbst ruhenden Uildung zu sein, nehmen, bis zu einer
gewissen Grenze hin, die spätem Schriften ebenso gut teil, wie
die früheren. Mag daher auch z. B. Qankara, der grofse Re-
formator und Wiederhersteller der Upanishadlehre, dessen
Hauptwerk wir hier in der Übersetzung vorlegen, erst 800
p. C. gelebt haben *, seine Gedanken sind darum doch nicht
weniger, als wenn sie tausend Jahre älter wären, eine ganz
unmittelbare Fortbildung der in den Upanishad's vorliegenden
Keime, womit nicht ausgeschlossen ist, dafs nebenbei Qankara
in ähnlicher Weise unter dem Einflüsse des von ihm bekämpften
und perhorrescierten (vgl. z. B. Sütram 2, 2, 32, S. 365) Buddhis-
mus stehen mag, wie der Katholicismus unserer Tage unter
4em der lutherischen Beformation.
Je deutlicher ^ber sich in dieser Weise die völlige Ursprüng-
lichkeit der indischen Gedankenwelt herausstellt und, wie wir
vermuten, mit der Zeit immer noch mehr herausstellen wird**,
um so überraschender ist es, auf indischem Boden ganz
* Ober (afikara's Zeitalter vgl. mein „System des Vcdänta'' 8.37. Mit
dem dort aus dem Äryavidyasudhakara mitgeteilten Geburtsjahre Eali-
yaga 8889 = 787 — 78i) p. C. stimmt flberein Pathak im Indian Antiqoary
XI, 174, der gaBkara's Lebenszeit auf Kaliyuga 3889 — B92I ansetzt;
während hingegen Telang im Ind. Ant. XIII, 95 auf 590 p. C. als spätesten
Termin fQr ^ankara's Blüte gelangt, und, von ihm unabhängig, Fleet den
nepalischen König Vrisbadeva, gegen Ende von dessen Regierung (nach
Wright, History of Nepal, p. 118 fg., 123) ^afikara nach NepM gekommen
sein und dessen Sohn und Thronfolger von ihm den- Namen Qankaradeva
erhalten haben soll, um spätestens 6'fO bis 6r)5 p. C. ansetzt. Vgl. darQber
Fleet im Indian Antiquary, Januarheft 1887, p. 41 fg.
** Gegenüber dem Bestreben von Weber, Lorinser. Seydel, v. Schröder
u. a., teils indische Gedanken aus occidentalischen (biblischen und grie-
chischen), teils Occidental ische aus indischen abzuleiten, wollen wir hier
nur bemerken, dafs uns bis jetzt auf beiden Gebieten noch, kein Gedanken-
moment begegnet ist, welches sich nicht leichter aus seinen natürlichen
Voraussetaungen. als au» einem solchen internationalen Aubtausche ableiten
lieüse, der für die alte Zeit gcwil's gröfsere Schwierigkeit hat, als man
vielfach sich vorstellen mng.
vm Vorrede.
analogen Gebilden zu begegnen, wie wir sie aus der abend-
ländifichen Religion und Philosophie her kennen. So y ollzieht
sich z. B. in der indischen Religion ebenso wie anderweit
der Übergang vom Polytheismus zum Honismus (der nicht
eben ein Monotheismus zu sein braucht); aber während dieser
Schritt auf hebräischem Gebiete durch Verstofsung aller an-
dern Götter aufser dem Nationalgotte, in Ägypten durch
mechanische Gleichsetzung der yerschiedensten Göttemamen er-
folgt, so vollzieht er sich in dem philosophischer angelegten In-
dien in der Art, dafs man durch die mannigfaltigen Gestalten
des vedischen Pantheons hindurch und ohne diese' zunächst an-
zutasten, die ewige Einheit gewahrt, auf der alle Götter und
alle Welten beruhen (eiatn sad viprä bahudhä vadafiti), um
sodann, auf einer weitem Stufe der Entwicklung, mit nicht zu
überbietendem Tiefsinne diese ewige Einheit wiederzufinden in
dem eigenen Innern (tat tvam (isi). — So finden wir, um ein wei-
teres Beispiel anzufahren , als den Angelpunkt wie der christ-
lichen, so auch der brahmanischen und buddhistischen Reli-
gion die Frage nach der Erlösung; nur dafs diese Erlösung
nach christlicher Anschauung wesentlich eine solche von der
Sünde , nach brahmanischer vom Irrtume, nach buddhistischer
vom Leiden des Daseins ist; und fast scheint es; als wenn es
hier ein und das nämliche Phänomen sei, welches von den
drei grofsen Weltreligionen abwechselnd von der Seite des
WoUens, des Erkennens und des Empfindens ins Auge gefafst
wird. — So endlich, um nur noch eines zu erwähnen, steht
das hier in der Quelle vorliegende System der Yedäntalehre
in der merkwürdigsten Beziehung zu der gänzlich von ihr un-
abhängigen Philosophie Kants, der Art, dafs die Consequen-
zen der Kantischen Grundlehren geraden Weges zu den Haupt-
sätzen der Philosophie des Qankara fahren, während umge-
kehrt die Lehre des letztem in der Kritik der reinen Vernunft
ihren eigentlichen wissenschaftlichen Unterbau finden würde.
Wie nun auch immer diese und andere Parallelen bei
näherer Beleuchtung sich gestalten mögen, jedenfalls beweisen
sie, welch tiefdringende Fragen von den Indern aufgeworfen
und in ihrer Weise beantwortet worden sind, und wie unbe-
rechtigt es ist, aus dem Kreise der philosophischen Disciplinen,
Vorrede. ix
*
wie si6 in Lehrbüchern und Vorlesungen vorgetrageai werden,
die Philosophie der Inder auazuschliefsen. Dieser Zustand
mnfs und wird sich mit der Zeit änduru. Er ]ianu sich aber
erst ändern — da eine Kenntnis des Sanskrit nicht wie die
des Griechischen von den Vertretern der Philosophie wird ge-
fordert werden können — wenn es gelingt, alle hauptsäch-
lichen Denkmäler der Philosophie der Inder in anerkannt
zuTerlässigen . deutschen Übersetzungen allgemein zugänglich
zu machen. Eine Zusammenfassung derselben mtifste zunächst
die philosophisch wichtigen Abschnitte des Veda, also nament-
lich die Upanishad's und was ihnen vcrwaildt ist, enthalten,
sodann die Sutra's der sechs philosophischen Ilauptsysteme
nebst den erforderlichen Commcntaren, endlich was von son-
stigen Schriften für die indische Philosophie von Bedeutung
ist Eine Sammlung dieser Art würde, wenn man von der
Litteratur ller Bauddha's und Jaina's zunächst noch absähe,
nicht mehr als vier Bände etwa von dem Umfange des vor-
liegenden fällen, nach folgender Anordnung:
Band I. Die Upanisbad's nebst den Vorstufen derselben
aus den Samhita's und Brähmana^s.
Band IL Die Sutra^s des Vedanta nebst dem Commen-
tare des Qankara, also das, was im gegenwärtigen Bande
vorliegt.
Band III. Die Sütra*s der übrigen Systeme: Sänkhyam
und Yogay Myaya und Vai^eshikam nebst den je ältesten
oder besten Comment^ren. Von der Mimansa. würde es viel-
leicht genügen nur Auszüge des philosophisch Wichtigen
aufzunehmen, da sie un Wesentlichen nur der Form, nicht
dem Inhalte nach, ein philosophisches System bildet.
Band IV. endlich würde die übrigen, für' die Philosophie
wichtigen Schriften befassen, also namentlich: Bhagavad-
gitä nebst Auszügen aus andern Abschnitten des Mahabha-
ratam und aus Manu; Säiikhya-kärikä, Sänkhya-sära; Ve-
dänta-sara, Bälabodhani; Qäudilya-sütram; Prabodha-can-
drodaya; Sarva-dar^ana-samgraha u. s. w.
Ob es mit einzelnen oder vereinten Kräften möglich sein
wird, eine solche Bibliothek der indischen Philosophie in deut-
scher Übertragung in den nächsten Jahrzehnten zu Stande
X "Vorrede.
2u bring6Dv miifs dahingestellt bleiben. Einstweilen haben wir
die Befriedigung, mit Dank gegen die Königliche Akademie
d0r Wissenschaften zu Berlin, welche durch ihre Unterstüt^sung
den Druck des vorliegenden Werkes ermöglichte, dem Publi-
kum dasjenige Torzulegen, was den zweiten Band einer . solcheu
Sammlung bilden würde, aber auch für sich allein eine selbst-
ständige Bedeutung hat: das Hauptwerk derjenigen Lehre,
welche, wie keine andere, im Mittelpunkte der. religiösen und
philosophischen Weltanschauung der ludet steht: die Sütra's
dQS Vedänta mit Qankara's Commentare, welche beide hier zum
ersten Male vollständig in eine europäische Sprache übersetzt
worden sind.
Indem wir es wagen (aus Gründen, welche zu erörtern
hier nicht weiter von Belang ist), zunächst gerade dieses Werk
in einer Übersetzung, deren Treue die Sanskritgelehrten prüfen
mögen, deren Klarheit» wie wir denken, in keiner Zeile des Bu*
ches etwas zu wünschen übrig läfst, dem philosophischen und
theologischen Publikum vorzulegen, etöffnen wir dem occidenta-
lischen Leser den Einblick in eine Halle des Heiligtumes indi-
scher Metaphysik, welche allerdings in absonderlichem, auf den
ersten Blick wenig einladendem Stile gebaut ist. Von vom
herein werden die meisten sich abgestofsen fühlen von der
scholastischen Trockenheit und doch keineswegs in unsesm Sinne
wissenschaftlichen Haltung des Ganzen: weder die änigmaiiache
Kürze der Sutra's noch die Prolixität des Auslegers wird ihren
an den Mustern der Griechen gebildeten Sinn ansprechen,
und wenn sie Vollends sehen, wie unser Autor weniger mit
Gründen als mit Citaten aus dem Veda seine Sache fuhrt,
wie er an diese als höchste und letzte Instanz appelliert und
nicht selten mit. Wortklaubereien und Ausführungen, die uns
teils ohne Belang, teils sclbstvei'ständlich, ja stellenweise höchst
verschroben vorkomn^en, lange Seiten füllt, so werden viele
ihre Zeit als zu edel erachten, um sie einem Buche dieser Art
zu widmen.
Und doch wird, wer Geduld und Sammlung genug hat,
um das Gunze bis zu Ende durchzugehen — etwa, indem er
alles Bemerkenswerte zum Zwecke künftiger Rekapitulation
anstreicht — sich füi* seine Mühe reichlich belohnt finden.
Torrede. zi
Er wird sehr bald inne werden, dafs die jedem zunächst sich
aufdrängende Ähnlichkeit der indischen Scholastik mit der
abendländischen des Mittelalters nur eine äufsere ist. Letztere
ist bestrebt, eine historische und schon darum unphiloso*
phische Grundlage mit einer ganz heterogenen Philosophie
zu contäminieren , indefs der Veda nicht Geschichten sondern
nur Ideen darreicht, und zwar solche, welche gar sehr in die
Tiefe führen, ohne im übrigen der freien Entwicklung des philo-
sophischen Gedankens erhebliche Fesseln anzulegen. Und so
wird aus dem wunderlichen Rahmen exegetischer Erörterungen
und Kontroversen dem hingebenden Leser eine religiös -philo-
sophische Weltanschauung entgegentreten, wie sie in dieser
Tiefe, Folgerichtigkeit und Durchbildung ihres Gleichen in der
Welt nicht leicht finden dürfte, — : eine Weltanschauung, welche
namentlich ih der durchgeführten Unterscheidung einer exote-
risoh-mythischen und einer esoterisch-philosophischen Auffassung
gleichmäfsig den Bedürfnissen des Volkes und den Anforde-
rungen des denkenden Geistes Rechnung trägt und in tÜe^sem
Sinne vielleicht noch einmal berufen sein wird, für die Fort-
bildung unserer eigenen Theologie vorbildlich zu werden. —
Doch wir wollen es der Sache selbst überlassen, auf Geist
und Gemüt zu wirken was sie vermag, indem wir den Freun-
den theologischer und philosophischer Studien ein Werk in
unverkürzter und möglichst urkundlicher Form zugänglich
machen, welches die bedeutendste und in Indien selbst angese-
henste Zusammenfassung derjenigen Gedanken enthält, welche
viele Jahrhunderte hindurch einer grofsen und gebildeten Na-
tion der Angelpunkt ihres DenkQus und Treibens, der Trost
im Leben und im Sterben gewesen sind.
Mancherlei wäre hier noch, zur Einführung in das Werk
des Badarayana und Qaiikara vorauszuschicken, hätten wir
nicht alles, was zu einem volleren Verständnisse desselben zu-
nächst erforderlich ist, zusammengefafst in unserer vor vier
Jahren veröffentlichten Darstellung des Vedantasystemes. *
* Das System des Yed&nta, nach den Brabmasfttras des Bidar&-
yana und dem Commentare des ^aflkara über dieselben, als ein Compen-
dium der Dogmatik ^e& Brabmanismus vom Standpunkte des ^afikara aus
dargestellt (Leipzig 1863;.
xn Torrede.
Beide Arbeiten, jene Darstellung und die gegenwärtige Über-
setzung ergänzen sich gegenseitig, sofern die' Übersetzung die
Quelle darbietet, auf welcher, neben den Upanisbad -Texten,
die Darstellung beruhte, und dadurch auch den des Sanskrit
nicht kundigen Leser instandsetzt, über unsere Auffassung
des Systemes sich aus eigener Anschauung ein Urteil zu bil-
den, während hinwidcrum unser früheres Werk durch'seine ein-
leitenden Betrachtungen, Analysen und Übersichten als eine Art
fortlaufenden Clommentaires angesehen werden kann, welcher
die Lehre des Qankara aus dem Zusammenhange des Systemes
heraus von Punkt zu Punkt erläutert. Insbesondere sind dort
auch die Upanishad-Te!xte, so weit auf ihnen das System des
Badar&yana und Qafikara beruht, mitgeteilt und bearbeitet
worden. Eine vollständige deutsche Übersetzung^ der üpani-
shad's, so weit dieselben uns erhalten sind, ist in Arbeit und
wird hoffentlich in einiger Zeit erscheinen können. Eine eng-
lische. Übersetzung derselben hat 'Max Müller für die Sacred
BooJcs of the East unternommen und in Band I und XV dieser
Sammlung zum gröfseren Teile bereits geliefert. Der erste
Band (1870) enthält Chändogya, Kena, Aitareya, KaushStaki
und tqky der zweite (1884 erschienene) Käthaka, Mundaka,
Taittiriya, Brihadäranyaka, Qvet&^vatara, Pragna und Maitra-
yaua; so dafs nahezu alle Upanishad's, so weit sie von Qan-
kara^s Werk -vorausgesetzt werden (vgl. System des Vedanta,
S. 32 fg.), in dieser Übersetzung mit Einleitungen und Anmer-
kungen versehen vorliegen. Die Arbeit MüDer's ist in man-
chen Punkten nicht ohne Grund angegriffen worden; indessen
ist zu wünschen, dafs das Bessere, welches zu hoffen und «i-
zustrebcn uns freisteht, nicht der Feind des schon vorhande-
nen Guten werde.
Eine weitgehende Erörterung würde die Polemik gegen
andere philosophische Schulen erfordern, welche das ganze
Werk des Badarayana und ^nkara durchzieht, namentlich
aber in Päda II, 2 zusammengefafst ist. Doch wird ein Ein-
gehen auf diese Fragen am besten bis dahin aufgeschoben,
wo auch die Hauptwerke der andern Schulen in Übersetzungen
vorliegen werden. Auch die mit dem Ritual sich berührenden
Teile, wie namentlich Pada III, 3, sind noch mancher Auf-
Vorrede. xiu
hellang beäürftig;. yielleicht regt unsere ÜbersetzuDg mit da-
za aa» diesen Fragen weiter nachzugehen.
Der Text, welcher der Übersetzung zu Grunde liegt, ist
der in der Bibliotheea Indica 18C3 herausgegebene, mit welchem
in zweifelhaften Fällen die ältere Ausgabe Ton 1818 ver-
glichen wurde. Neues handschriftliches Material wurde nicht
benutzt. Ebenso wurde von einer durchgehenden Verwertung
der unter dem Texte der Bibliotheea Indica abgedruckten
tikä oäer Glosse des Govindananda (für III, 4 des Anandagiri)
Abstand genommen, nachdem eine Prüfung derselben ergab,
dafs sie geeignet ist, das Verständnis, durch Hinleitung auf
spätere Vorstellungen, irre zu führen. Sie wurde daher nur
da, wo der Text des ^aiikara einen weiteren Aufschlufs wün-
schenswert machte, mit Vorsicht zu Rate gezogen, in der Re-
gel freilich ohne Erfolg, da sie meist alles erklärt mit Aus-
nahme dessen, was, für- uns wenigstens, einer Erklärung ge-
rade bedürftig ist. Somit beschränkte -sich unser Verfahren
wesentlich darauf, alle Aufmerksamkeit auf den Text des Qan-
kara, in welchem jede Wortstellung, jedes eva und iti von
Bedeutung ist*, zu concentrieren, nicht zu ruhen bis sich von
hier aus der Gedanke in voller Klarheit darstellte, und dann
diesen, so weit es der grundverschiedene Periodenbau beider
Sprächen gestattete,, in möglichst engem Anschlüsse an das Ori-
ginal deutsch wiedei*zugeben. Hierbei waren manche Ver-
besserungen des Textes unumgänglich, welche, so weit sie sich
nicht von selbst ergeben, in Klammern angemerkt wurden.
Ebenso wurden alle von uns herrührenden erkläi*enden Zu-
sätze in eckige Klammern eingeschlossen. Die fortläufenden
Zahlen am Rande sind die Seitenzahlen der Ausgabe in der
Bibiiothe.m Indica; es wäre zu wünschen, dalB dieselben, um
eine einheitliche Weise des Citierens zu gewinnen, auch von
künftigen Herausgebern und Übersetzern berücksichtigt würden;
mit p. wurde auf sie, mit S. auf die Seiten unserer Ober-
* Wie genau es damit hält, mag (neben System des Vedftnta, S. 31,
Anm. 20) als eines unter zahlreichen Beispielen p. 1129, 14 lehren, wo
nicht leicht jemand (wie auch wir System des Yediinta S. 120 noch nicht)
in dem anscheinbaren iatah gßshena eine Hinweisang auf die. auch p. 754, 4
vorkommende Smritistelle erkennen wird.
XIV Vorrede.
Setzung verwiesen. Alle übrigen Abkürzungen sind die im ,,87-
steme des Yedänta^' gebrauchten und dort S. VII und 615
erklärten. Indem wir die ebendaselbst S. 41 fg. gegebene
Inhaltsübersicht hier wieder abdrucken lassen, wollen wir, zum
Vergleiche mit derselben, noch die Inhaltsangabe hier über-
setzen, welche Mctähusüdana-Sarasvatt in seinem Prcisthäna'
bheäa (Weheres Indische Studien, I, p. 19) von dem vorliegen-
den Werke giebt:
„Itie aus vier Adhyäya^s bestehende Qäriraka-Mtmän8&,
„wie sie beginnt mit den Worten: «nunmehr daher die Brah-
„maniorschung » und endigt mit den Worten: «keine Wieder-
„kehr nach der BdhriJFt», hat als Zweck, die Einheit des Brah-
„man undrder Seele vor Augen zu stellen, sowie die Regeln
„aufzuzeigen, welche die Betrachtung der sogefiannten Schrift-
„Offenbarung lehren*, und ist verfafst von dem verehmngs-
„würdigen Badarajana.'*
„Hierbei wird die ÜbereiMtimHimg (samattvaifa)^ mit wel-
;^,cher alle Vedäntatexte unmittelbar oder mittelbar auf das in-
„nerliehe, unteilbare, zweitlose Brahman abzwecken, im ersten
„Adhy&ya nachgewiesen. — Im ersten Päda desselben- werden
„diejenigen Stellen besprochen, in welchen deutliche Merkmale
„des Brahman vorkommen. — Im zweiten. Päda hingegen die-
,Jenigen, welche undeutliche Merkmale des Brahman enthalten
„und sich auf das Brahman als Gegenstand deir Verehrung be-
„ziehen. — Im dritten Pädä solche, welche gleichfalls undeut-
„liche Merkmale des Brahman enthalten, jedoch zumeist sich
„auf Brahman als Gegenstand der Erkenntnis beziehen. — Nach-
„dem in dieser Weise die Untersuchung der Textfitellen durch
„die drei ersten P&da's zum Abschlüsse gebracht ist, so werden
„hingegen im vierten Päda gewisse Schriftworte, bei denen
„es zweifelhaft sein kann, ob sie sich nicht auf das Pradhänam
„(die. Urmaterie der Sänkhya's) beziehen, z. B. das von dem
yjavyakUHnj von der ajä u. s. w., in Erwägung gezogen.'^
* Besser zu lesen: cravana-ddya-vicdra-pratipiidakän^ „welche die
„Betrscbtuiig [jener Einheit] mittels Anhören des Schriftwortes u. s. w.
„(▼gl. Ved&uUs&ra 196 Boehti.) lehren.''
11
Vorrede, xv
„Nachdem in dieser Weise die Übereinstimmang der Ve-
„dantatexte in Betreff des zweitlosen Brahman erwiesen wor-
,,den, so wird weiter, in Erwartung eines Einspruches ant
„Grund der Argumente, wie sie von der in Anstehen stehen-
„den Smpti, Reflexion u. s. w. vorgebracht 'werden, die Be-
„seitigung dieses Einspruches unternommen, und somit im
„zweiten Adhyäya die Unwiderd]pre€hliehkeit (avirodha) dar-
gelegt. — Hierbei wird im ersten Päda der Einspruch gegen
die Übereinstimmung des Yedänta widerlegt, welcher aus den
Smriti^s des Sankhyam, des Yoga, der Kanadianer u. s. w.,
„sowie aus den Ton den Sänkhya's u. s. w. vorgebrachten Re-
„flexionen herrührt. — Im zweiten Pada wird die Verfehlt-
„heit der Lehrsätze der S&nkhya^s u. s. w. dargelegt, so dais
„diese Betrachtung aus zweien , einerseits der Befestigung der
„eigenen, anderseits der Bestreitung der fremden Lehre die-
„nenden Teilen besteht. — Im dritten Päda wird der gegen-
„seitige Widerspruch der Schriftstellen in Betreff der Schö-
,j[)fung u. s. w. der Elemente im ersten Teile gehoben, im
„rweiten Teile hingegen der in' Betreff der individuellen 8eele.
„ — Im vierten Päda wird der Widerspruch der auf die Sinnes-
„organe bezüglichen Schriftstellen gehoben.*'
„Im dritten Adhyäya folgt die Erörterung der Mittel
^^(sädkafiam), — Hierbei wird im ersten Päda durch Betrach-
„tung des Hingehens der Seele in die andere Welt und ihres
„Wiederkommens die Entsagung [als das Mittel, der Seelen-
„wanderung zu entgehen, vgl. p. 740, 3, S. 474] in Betracht
„gezogen. — Im zweiten Päda wird in der ersten Hälfte der
„Begriff des „Du", (der Seele) und in der zweiten Hälfte der
„Begriff des „Das" (des Brahman) ins Reine gebracht [wie sie
„in der Formel tat tvam asi „Das bist Du", Chänd. 6, 8, 7,
„identisch gesetzt werden]. — Im dritten Päda wird in Betreff
„des attributlosen Brahman eine Zusammenfassung der in den
„verschiedenen ^äkhä's vorkommenden, so weit nicht tautolo-
„gischen, Ausspiüche vorgenommen, und bei dieser Gelegen-
„heit wird erörtert, in wie weit in Betreff dor attributhaften
„sowohl als attributloseu Lehren die in verschiedenen (jJäkhä's
„vorkommenden Attribute zusammenzufassen oder nicht zu-
„sammenzufassen sind. — Im vierten Päda werden die Mittel
XVI Vorrede,
„der Erkenntnis des Brahman und zwar sowohl die aufsen-
„seitigen (unwesentlichen) Mittel, wie Lebensstadien, Opfer
„u. s. w., als auch die inuenseitigen (wesentlichen) Mittel, wie
„Beruhigung I Bezähmung, Überdenkung u. s. w. in Betracht
„gezogen."
„Im vierten Adhyaya erfolgt die Darlegung der besonderen
„Fmeht (phälam) der attributhaften und der attributloseii
„Wissenschaft. — Im ersten P&da wird ausgeführt, wie, nach-
„dem durch wiederholtes Anhören der Schrift u. s. w, das
„attributlose Brahman vor Augen gestellt worden, für den
„noch Lebenden schon die durch Nichtanhaftung der bösen
„und guten Werke gekennzeichnete Erlösung-bei-Lebzeiten
„eintritt. — Im zweiten Pada wird die Art, wie die Seele des
„Sterbenden auszieht, überdacht. — Im dritt.en Päda wird der
„weitere Weg des das attributhafte Brahman Wissenden nach
„dem Tode auseinandergesetzt. — Im vierten P&da wird in
„der ersten Hälfte gezeigt, wie der das attributlose Brah-
„man Wissende die körperlose [erst mit dem Tode eintretende]
„Absolutbeit erlangt, während die zweite Hälfte zeigt, wie der
„das attributhafte Bralunan Wissende in der Brahmanwelt
„seine bleibende Stätte findet/^
„Dieses Lehrbuch ist unter allen das hauptsächlichste; alle
„andern Lehrbücher dienen nur zu seiner Ergänzung. Darum
„sollen es hochhalten die nach Erlösung verlangen; und zwar
„in der Auffassung, wie sie Ton des erlauchten Q!ankara ver-
„ehrungswürdigen Füfsen dargelegt wordän ist."
„So viel über die Geheimlehre."
Berlin, im Juli 1887.
F.D.
Inhaltsverzeichnis
der Partraka-Mlmansa nach Adhyaya, Päda und Adhikaranaui.
»
IM« Zahlen sn AnfanK c^r Zeilen bedeyt«n die tbi Sütra's des W^rkeg, ihre ZuMmmeo-
fusangen die AdbikArana*« ^iler Ki(]Htel, deren wir uaeh der angeh&nffteir AdbikAraoa-
inklA 192 (niobt mit Colebrook« 191) i&blen.
^'> ^' . Seite
Eiuleitunf;;: über die AvidySi uud die Vidy& 3
1. Voraossetziingen des Yed&nta. 6
2. Das, woraus die Welt entsprungen ist, ist Brabman ... 10
3. Yerbältnis des Drabman zum Veda 18
4. Verhältnis des Ved&nta zur Mnn&Asä 14
5- '11. Das Princip der Welt ist erkennend, nicht, wie die Sdf^hhya^H
lehren, erl^enntnislos . . .'IS
12 — Id. Per änandamaya Taltt. 2, 5 ibt Brahnmn 40
20 -21. Der antar tiditye Vhknä. 1, 0, (> ist Brabman ...... 60
22. Der dJta^a Cb&nd. 1, 9, 1 ist Ürahnian . . (>4
23. Der präna Chänd. 1, 11, 5 ist Brabman G(i
24—27^ Das paro divo jyoiUi Cbänd. 8, 10, 7 ist Brabman 69
28—31. Der prana ICaush. 3, 2 ist Brabman .... 77
I '>
1—8. Der mcmomaya priinarartra Ch^ind. 3, 14, 2 ist Brabman . . 86
9—10. Der attar K^li. 2, 25 ist Brabman 95
It— 12. Die guhäm pravishtau K&tb. 3, 1 sind Brabman und Jlva . 97
13— 17. Der antara CMnd.' 4, 15, 1 ist Brabman 102
18—20. Der antaryätnin Brib. 3, 7, 3 ist Brabman . . 1(»8
^1—23. Das adre^am Mund. 1, 1, G ist Brabman ... 112
24-32 r>er ätman vaiQväitara Cb&nd. 5, 11, (> ist Brabman ... 119
I, 3.
1—7. Das äijaianam Mund. 2, 2, 5 ist Braliman . 129
8 9. Der 5A^itiaw i'b&nd.*7, 23 ist Brabman 136
10—12. Das aksharam Brib. 3,8,8 ist Brabman 142
13 Der Gegenstand des om Pra^na 5, 5 ist Brabman 144
JhroMaH, TediAta. *■
xvin InhaltSTerzeicbnis.
Seit«
14— IB. Der dahara Chand. 8, 1, 1 ist BrabmaD 147
19—21. Der aampratada Chänd. 8, 12, 3 beieieht sich auf Brahman . 154
22->23. Das na taira nüryo bhati Mund. 2, 2, 10 bezieht sich aaf
Brahman Ißl
24—26. Der afk^sJUka-rndtra K&th. 4, 12 ist Brahman 164
26— as. Beruf der Götter zur Vidy&. Ewigkeit des Yeda 166
34-88. Ausschliefsung der (;tdTA's von der Vidyä 188
39. Der präna K&tb. 6, 2 ist Brahman 193
40. Das jyotis Cb&nd. 8, 12, 3 ist Brahman 196
41. Der äkaga Chitnd. 8, 14 ist Brahman 197
42—43. Der ffijndnamaya Brib. 4, 3» 7 ist Brahman 198
1. 4.
1—7. Das avyakthn K&th. 3, 11 Ist nicht die Materie der SUfikhya's
(pradhänam), sondern ^der feine Leib'' (sukshmam ^a-
Hram) '. . . 203
9_1Q, Die ajd (^ret 4, 5 ist nicht die S&nkhja-Mftterie, sondern die
Nator .,.>../. 218
11-13, Die paüca paHea-jandh Brih. i, 4» 17 sind nicht die 25 Prin-
cipien der Sfcnkhya's, sondern Odem, Auge, Ohr, Speise
und Manas 222
14-;3^15. Widerspruchslosigkeit des Yed^ta» Das Nichtseiende , aus
dem nach Taitt 2, 7 die Welt entstanden, ist nur ein
relatives ..227
16—18. Der kartar Kaush. 4, 19 ist Brahman 233
19—22. Der dtman Brih. 2, 4, 5 ist Brahman 237
23—27. Brahman ist die catissa efßciene und caussa materialis der
Welt 246
28. Die Bek&mpfung der S&nkhya-Materie gilt auch den Atomisten 251
II, 1.
l-*2. Warum die S&nkhya's das Brahman nicht erwähnen .... 255
3. Dies auch auf den Toga bezogen 261
4~-ll. Brahman ist auch die caussa tnateriaUs der Natur. Einwürfe
der Reflexion zurückgewiesen 26H
12. Diese Zurückweisung auch auf die Atomisten u. a. ausgedehnt 278
13. Subjekt (bhoktmr) und Objekt (hhogyam) eins in Brahman . 279
14—20. Identität von Ursache und Wirkung, Brahman und
Welt. 2H<)
21—23. Woher das Böse? Die Seele, obwohl nicht Schöpfer, trägt
alle Schuld daran. Illusorischer Charakter des iSainsära 298
24—25. Brahman schafft ohne Werkzeuge, obwohl er reiner Geist ist 301
26 —29. Brahman wandelt sich in die Welt und bleibt doch ganz und
ungeteilt, wie ein Träumender, ein Zauberer Ge-
stalten schafft und doch einer bleibt 303
30—31. Brahman als Schöpfer hat viele Kräfte und ist doch unter-
schiedslos 308
lahaltsTerzeichais. xxx
8«ito
32—33. Motiv der Schöpfuug : Brahman, allgenugsam, schafft aar 211m
Spiele 309
•*U— 36. Brahroan weder imgerccbt ooch grausam *, die Ungleichheit der
Geschöpfe durch sie selbst ia frühera Datieiosformen
verschuldet. Anfangslosigkeit des Sawsnra 311
37. Rekapitulation über Brahman als Schöpfer - 314-
II, 2.
1—10. Widerlegung der Sänkhyas, Physikotheologischer Beweis . 316
11 ". Ein Einwurf der Vai^eshika's beantwortet 330
rJ— 17. Widerlegung der Vav^tshika's. Unraüglicbkeit der Atome . 333
18—27. W'iderlegung der Buddhifttett realistischer Richtung; Be-
harren von Subjekt und Substanz 345
•JH— 3*2 y^ider\eQi\n^ der Buddhisten idealistischer Richtung; die Rea-
lität der Aufsenwelt erwiesen 357
33— 3ö- Widerlegung der /a»na's; wie grofs die Seele zu denken? . 365
37—41. Widerlegung der Pägupata-H 371
42—45. Widerlegung der Pdncarätra^s 375
II, 3.
1—7. Der u^a^a ist entstanden. Nicht so Brahman. Cogito, ergo sum 379
8. Aus dem dkdga entstand der vdgu 892
9. Brahroan ist nicht entstanden; kosmologischer Beweis . 393
10. Aus dem vd^u entstand agni ... 394
11. Aus dem agni die dpas 396
12. Aus den dpas das anitam d. i die Erde 396
13. Niebt die Elemente, sondern Brahman in ihnen ist das Schaf-
fende 39K
14. Reabsorption der Welt in umgekehrter Ordnung 399
15. Enttitehung der Seelenorgane; indriyaSj mafuts, buddhi. . . 400
1^'. Nicht entstanden ist die individuelle Seele. Moralische Gründe 402
17. Gegengründe erwogen. Identität der Seele mit Brahman. Nur
ihre upddJn^^ entstehen und rergehen 403
18. Die Seele ist wesentlich (wie die Sänkhya's), nicbt acci-
dentieil (wie die Vaic^eshika's lehren) erkennend . . . 400
19—32. Verhältnis der Seele zum Leibe: sie ist nicht ant4, somleru
rib?tu ......* 408
33— 39. tJber das kartritvam (Thäter-sein) der Seele 421
40. Ihr kartritvam ist nicht svdbhdctkam, souderu Hpadhi-nimi-
I ttam . ... 424
41—42. Die Seele ist unfrei und wird beim Thun von Gott (i^vara)
gemäfs ihrem frühem Thuti gelenkt 429
43—53. Die Seele mit Brahman identisch und nicht ideatiscU. lila-
Surtscher Charakter aller individuellen Existenz und ihrer
Schmerzen 432
II, 1.
1 — 4. Auch die prätKis (Organe der Uolation^ sind ans Biahraan
entstanden . . 414
*
XX Inhaltsverzeichnis.
5—6. Ihrer sind elf: 5 buddh%'indriya% 5 karma-indriya\ 1 wanas 44$)
^ 7. Über ihre räumliche Gröfse 458
8. Auch der mukhya prdna (Organ der Kutrition) ist erschaffen 454
9—12. Über sein Wesen und seine fünf Funktionen 455
13. Über seine räumliche Gröfse ....... .f 459
14—15: Verbindung der präna^s mit der Seele. Mitwirkung der Götter 460
17—19. Verhältnis des mukhya prdna zu den übrigen prdna*» . . . 46B
20— 2^. Verhältnis des Leibes und seiner Organe z^ den Elementen 465
III, 1.
1—7. Auswauderung der Seele mit ihren Organen beim Tode . . . 473
8—11. Warum sie wieder in einen neuen Leib eingehen mufs? . . 482
12—21. Bestrafung der Übelthäter; verschiedene Schicksale der Seele
nach dem Tode. Die vier Klassen der (organischen)
Wesen 490
22. Rückkehr durch dJcd^a u. s. w. Verhältnis au diesen das eines
Gastes . . : 495
23. Über die Zeitdauer des Weilens auf diesen Zwischenstationen 496
24—27. Beseeltheit der Pflanzen. Rflckkehr der Seele durch Pflanzen,
Speise, Same, MütterschoÜB zur Verkörperung . . . . ^ 497
III, 2,
1 — 6. Vom Wesen des Traumes;, unterschied vom Wachen . . 5<'2
7—8. Wesen des Tiefschlafes; er ist ein Eingehen in Brahman 510
9. Warum der EnK-^achende mit dem Entschlafenen identisch ist? 515
10. Die Ohnmacht; Unterschied von Tiefschlaf und Tod. Me-
taphysisdie Bedeutung des Todes 517
11—21. Brahman ist ohne alle Unterschiede, Bestimmungen und Attri-
bute 520
. 22 — BO. Brahman ist nie Objekt, weil ewig Subjekt (säkshin), . . . 532
'd\ — 37. Über einige bildliche, von Brahman gebrauchte Ausdrücke . 540
88— il. Die Frucht der Werke kommt von Qott, der dabei die frühem
Werke berücksichtigt. Über das apurram 546
m, 3.
1 — 4. Auch in den Sagund VidyüJi ist Einheit der Erkenntnis.
Widerspruchslosigkeit der Vedäuta-Texte 550
5. Daher Zusammenfassung der verschiedenen yijhdna''B erfor-
derlich 566
mm ^^ _
6—8. Über Differenzen beim prana-samvada Obänd. 1, 3, Brih 1, 3 557
9. Verhältnis zwischen om «nd ud(ßtha Cliänd. 1, 1, 1 501
10.' Die Parällelstellen Brih. 6, 1, li, Ch&nd. \ 1, i:), Kaush. 2, 14
über den prdna-samvada sind zu verbinden .563
11 — 13. Qualitäten des Hralfinan von allgemeiner und solche von stellen-
weiser (lültigkeit, erläutert an Taitt. 2 Wo
14—15. In Ivath. 3, 10 -11 ist keine Stufeufüljfc(e der Vermögen, son-
dern nur Trimat des Purnsha beabbichtii»! 567
/'
Ijibaltsver/ok'huib. xxi
Helte
16 -17. Auf BraljTnan geht Ait. 1, 1 [oder Brih, 4, 3, 7—4, 25 und CÜ&nd.
.6, 8-lGl ; 569
1«. thäüd. 5,2, Brih. 6, 1 wird maovij^Cinam ^ nicht d«M«(iw<«w
befohlcu 574
li>. Die {'atulilya-vidt/il Cat Br. 10, 6, 3 ißt mit IWh. 5, « zu vcr-
biudon f»77
2C)— ^2. HiJigegea Brih. 5, 5 siiid ahar uud aham auseinander zu
}ialtei> ." 57^
23. Ebenso die vibhüti^s in den R4n&yaniya-KhiU's und Gh&nd.
3, li , . . .' 581
24. Ebenso der purtisha'yajna der T^ndin's Paingin^s und Taittiri-
yaka's 582
25. Diverac Eingangaatellen von Upauishad^ die* nicht zor Vidyä>
gehören r»8ö
26. Ch&nd, K, 13, Mun^* 3, 1, 3 u. s. v. durch Kaush. 1, 4 zu er-
gänzen ..:..... 587
27^^8. Die AbschQttelung der guten und bösen Werke beim Sterben 591
29-30., Der decaydna ist nur in den sagima cidyuh gültig .... 5:)3
31. In diesen aber allgemein. ^ Über die Differenz von satyam
(Biih. 6, 2, 15) and tapas (Chlind. 5, 10, 1) in der Faü-
cägnl'Vidyä 594
32. Möglichkeit eines neuen Leibes bei Erlösten, zum Zwecke einer
Mission, — Unmittelbare Gewifsheit der Erlösong . . . 596
Itö. Die Stellen über dus aksharam (Brih. 3, 8, 8, äonc}. 1, 1, 6)
ergänzen sich gegenseitig 600
34. Die Stellen ritam pthantau (Katfa. 3, 1) imd dtä supartid
(Mun^. 3, 1) gehören zusammen 601
35-36. Ebenso Brih. 3, 4 uud 3, 5. Brahman 1) kaosaliUtlos,
2) loidlos. 603
37. Brahman and der Verehrer zum Zwecke der Meditation ge-
trennt 605
38. Brih. 5, 4 uud 5, 5 [nicht Brih. 5, 4. 5 und Gbänd. 1, 6.-7] sind
eine Vidyä * 606
30. Einheit uud Unterschied von Ohänd. 8, 1, J.5 und Brih. 4,
4, 22 - 607
40—4 1. Rituelle Fragen betreffend die Vai^vänara-vidya Chänd, 5,
11—24 609
42. Verhältnis der Vorstellungen wie Chänd. 1, 1, 1 zu den Werken 612
43. Brih. I. 5, 21—23 und Ch&ud. 4, 3 sind (^dhyatmam und adhi-
daicaM zum Zwecke der Verehrung zu trennen . . . .611
44—52. Im Aprnirahasyam gehört i^-at. Br. 10, 5 maniHtcit u. s. w. zur
Vidyä 617
.53—54. Episode über die Unsterblichkeit der Seele 624
55—56. Mit Werken verknüpfte Vorstellungen wie ('händ. 1, 1, 1. 2,2, 1.
Ait. är. 2, 1, 2, 1. (^ivi. Br. 10, 5, 4, 1 gelten nicht nur für
die eigene ^tlkhä, i^underu, wie auch die Mautra's und
ähnliches, allgeinciu 627
57. Ch&nd. 5, II — 24 ist der snmasta^ nicht der rydsta zu verehr<'n 030
58. Stellen, wo Einheit d«K zu Lohrendon, Verschiedenheit dor
Lehre ... Ö32
xxii InhaltSYerzeichnis.
Seite
59. Bei letzterer findet Wahl, nicht Zusammenfassung statt 634
60. Nur auf WücHche bezugliohe Lehren können zu.samm^ngefarBt
werden . 635
<l l — fiC). Bei den 55 --56 erwähnten i»t Z u s a m m e u fa 8 s u n g oder
- Wahl 636
III , 4.
1-17. Die Upanisliad- Lehre ohne Werkthätigkeit führt den Men-
schen zum Ziele. Stellung des Wissenden zu den Werken 639
18—20. Kontroverse zwischen Jainiini und B&dar&yana ober die Ävra-
wia'b . , ' 649
21 -22. Stellen wie Ch&nd. l, 1, 3. 1, 6, L Catap. Br. 10, 1, 2, 2. Ait. Hr.
2, 1\ 2, 1 sind nicht blofs siuti^ sondern Teil des upästwatn 055
•j3— 24. Be:$chränkte Gültigkeit der Legenden Krih. 4, 5, Kaush. 3, 1,
Chand. LI... . . ' 057
25. Resume von 1—17: Wissen ohne Werke führt zum Ziel . . 058
26— 27. l'ajwa, ddnam, tapas u. s. w. als Mittel zur Wissenschaft ." . 658
28—31. In Lebenbgefahr ist VernachlÄssigung der Speisegesetze statt-
haft . . : 661
32—35. Auch wer nicht nach Wissen begehrt, mufs die d^rama-Jcaf'
mani betreiben, da sie das Wiissea nur fordern, nicht er-
zeugen 664
36—39. Auch die aus Armut A^rama-losen siod zur Vidy^ berufen . 067
40, Character indelebilis des Ürddhiinttati-iieMUhäniS . . . . 669
41 — 42. Inwieweit für den gefallenen Brahmacorin Bufse möglich V . 670
43. Ausschliefsung desselben hei wdhäpätaka'^ und upd^pätaka^^ 672
44—46. Ob die updaana^i», Sache des yajamdna oder ritvti sind? . 672
47—49. Inwieleru Brih 3, 5, 1 die ^1 fra »ki-s zu verstehen sind . . . 674
IM). .„tav jjtf) ;t'vT)ji:.- (Li TÖt TT^'öCa ..." — „Xate ^twaa;" .... 677
' 51. Das ^Wissen als Frucht dieser Mittel erfolgt hier, wenn kein«
stärkere aüudriyd r.aWh da ist, sonst im nächsteh
Leben . •>79
52. Ein Mehr und Minder, infolge der verächiedenen Kraft der
bddhanas besteht nur bei den sayunä vidydh , nicht in
der Tiirgund vidyd . . 680
IV, 1.
1—2. Der pratyaya Ata jlnuin ist zu üben, bis Intuition erreicht
ist . ^ 685
3. Dann erfolgt IdeotitiU von Ich niu\ Braliman; für den Er-
wecklf-u jriebt es kein T bei, k.ine Wahrnehmung, keinen
Veda mehr . 691
4. ..Du «ollst dir kein Hildiiis tj^rutthmu^ machen!" . . . . 693
5. ( liäud. Ti, 1*.». i / ,n,lit}n\ hrahvhv'i wird bruhmnn von ddttya
prädi eiert 694
6. Hingegen (band 1. .'J. l \vir<l dUittfu von uU^Üha prudieiert. 697
7 — 1(>. Das 7fpä>aiunn nl»e jimu »^iti-eutl, nirht liogeud oder stehend . 700
lAhaltsverzeichniB. . xxiu
BeitA
11. [m übiig^Q ist Ort, Zeit und Himmelsrichtung gleichgültig,
nur ToUige Ungestdrtheit erforderlich 701
12. Die up/JUfanä'9 bezwecken teils samyagdarfanmny teils abh^i-
daya; erstere sind, bis der Zweck erreicht ist, letztere
bis zum Tode zu Oben 702
13. Bei erreichter Erkenntnis erfc^lgt die Yemiehtong frflherer,
Unmöglichkeit kOnftiger Sünden. (Die Kraft des karman
ist paralysiert.) 704
14. Vemiehtoug auch der guteu Werke. Warum ? 706
12j. Fortbcstehen des Leibes trotz der Erlösung bis lor Tilgung
der angebrochenen Werkfrucht T'>pferscbeibe; Doppel-
mond 707
16—17. Opfer u. s. w. sind nicht mehr für den Brahmavid, wohl aber
noch für den Sctgunavid verbindlich 709
18. Lantemde Wirkung von Opfer u. s. w. mit, aber auch ohne
Wissen 710
19. Nach Abbttfsung des karviuiHi Tod uz|d mit ihm Kaivalyam 712
IV, 2.
1-^2. (JLparavidyä.) Beim Tode i^eheu die indriyd'B in das mona^f
ein . . 714
3. Das manas in den prana 716
4 — 6 Der prdtia in den rrijndnätman ijfi'a), dieser in die Elemente 717
7. Von hier gelaugt der Amdron zur YerkOrpemng, der Vidtm
zur Unsterblichkeit. Dieses, amriiatvam ist äpekshikam 719
s — II. Fortdauer des „feiuen Leibet«'^ Sein Wesen beschrieben . . 721
12—14. (PnraridydJ Für den Akiimayamäna (Parabrahmarid)
giebt es keinen Auszug der Seele; er ist schon Brahman 722
15. Seine pfäna'fi gehen anf in Brahman, das Grobe wird zu Erde
u, 8. w. ^ .725
16. Sein Aufgehen geschieht ohne Rest, nicht, wie sonst, mit
Rest . .« 726
17. (Äparavidyd.) Der Vidrän (nxoterisch Wissende) geht aus
durch die 101'^^ Ader (die andern durch andere) . 727
18—19. Von da durch einen Sonnenstrahl, der bei Tag und Nacht, . 728
20— 2i. im Sommer wie im Wiuter vitrhanden hi, (Anders Sdükhya-
Yoga) 730
IV, 3.
1. Stationen des Weges: ndäi, — rui^tm, — arcia, — . . . 732
2. ahaVy — dpuryamduapakshn^ — ythi t^hud udah eti, --- saai'
vatsara, — vatfu, — dditya. - . . ... . 734
3. eandra, — vidyut, varunoloku, - indra^ - prajdpatt 736
4—6. Diese sind Führer der Seele, den*n Organe, weil sie eingepackt
sind, nicht funktionieren i:]{\
7—^14. Endstatiou : Brahnuui, nicht das aligegenwärtige /iamw hrahina,
sondern das aparatOy sayunam ifrahnuLf welches als Kdr-
yam vergänglich ist. Kramnmukti ... . 739
XXIV [nhaltsyerzeichms.
»eile
15—16. Die aber Brahman uoter einem pratikam verehren, haben
andern Lohn 75(>
IV, 4.
1—3. (Paravidpii,) Ideutitüt der erlösten mit der in Unwissen,
Leiden, Vergänglichkeit {gebundenen Seele . . . . 752
4. Unio myatica 754
Cy—1, (Apararidi/d:) (-harakteristik des (unvollkommen) Erlösten. 755
8-9. Die „Wünsche" (C)hJind. 8, 2) des Erlösten. Freiheit desselben 758
10— 14, Ob der Erlöste Orfrane (manas u. s.w.) besitze? 759
15—16. Wnnderkr&fte desselben: Beseelung mehrerer Leiber zugleich 761
17-22. Sein atQvaryam und dessen Schranken. Schilderung von
Brahmaloka, Nachdem ihm dort das Samyagäarganatn
zu TcH geworden, geht auch er in das ewige, voll-
kommene Nirvanam ein 763
Aussprache.
Li indischen Wörtern ist
c^ ch wie tsch^ techh
j, jh wie d8eh^ dsehh
zu sprechen.
ERSTER ADHYÄYA.
I>aiJSniM, VedAuta.
Des ersten AdhyAya
ERSTER PlDA.
Omi Varahmng dem bfliligcn YAavAeTftl
. Einleitung. »"• ^
I Objekt (vishaya) und Subjekt (tiahayin), wie sie als 5
ihren Bereich die Vorstellung des „Du^' [Nicht-Ich] und des „Ich'^
haben, sind so entgegengesetzter Natur wie FLastemis und Licht.
I Steht es nun fest, dafs das Sein des einen in dem andern nicht 6
zutrifft, so folgt um so mehr, dafs auch die Qualit&ten (dharma)
I des einen bei dem andern nicht statthaben. Hieraus ergiebt sich, 7
dafs die Übertragung (adhyäsa) des als seinen Bereich | die 8
Vorstellung des „Du*' habenden Objektes und seiner Qualitäten auf
das als seinen Bereich die Vorstellung des >,Ich** habende, rein
geistige Subjekt, | und umgekehrt, dafs die Übertragung des Sub- 9
jektes und seiner Qualitäten auf das Objekt folgerichtigerweise
falsch ist. — Und doch ist den Menschen dieses , auf falscher Er-
kenntnis beruhende (miihf^d-jndna'nimüta). Wahres und Unwahres
[d. h. Subjektives und Objektives] paarende Verfahren angeboren
(naisargika)^ dafs sie die Wesenheit und die Qualitäten des einen
auf das andere übertragen, Objekt und Subjekt, obgleich »ie ab-
solut verschieden (atpanta-vivikta) sind, nicht voneinander unter-
scheiden I und so z. B. sagen „das bin ich*', „das ist mein". | — 10 11
I 'Aber was ist unter dieser „Übertragung" zu verstehen?* — 12
Wir antworten : sie ist das auf Erinnerung | beruhende Erscheinen 13
eines früher Gesehenen an einem anderen. — Manche hingegen de-
finieren sie als die Übertragung der Qualitäten, die der einen Sache
zukommen, auf eine andere; — | einige wiederum als einen Irrtum, 14
der dadurch bedingt sei, dafs man den Unterschied der Sache nicht
auffasse, auf welche die Übertragung geschehe; — wieder andere
erklären sie als die Annahme von Qualitäten au dem Gegenstande
4 Q&rtraka-mlm&Dsft
der Übertragung) welche seinem Wesen entgegengesetzt seien. —
Wie dem auch sei, darin ist Übereinstimmung, dafs sie das Er-
scheinen der Qualität der einen Sache an einer anderen
ist. Und so zeigt sie sich auch in der Wahrnehmung des gemeinen
Lebens, wenn z, B. die Perlmutter als Silber, oder der Mond,
wiewohl er einer ist, als zwei erscheint.
— ^Aber wie ist es mögUch, auf das innere Selbst, da es doch
'nicht Objekt ist, die Qualitäten von Objekten zu übertragen? Denn
^ein jeder überträgt doch nur auf ein vor ihm stehendes Objekt |
16 'ein anderes Objekt; und du selbst sagtest [oben], dafs das der
^Vorstellung des „Du" entbehrende innere Selbst kein Objekt sei
^(avisha^atvam)?* — Wir antworten: dasselbe ist doch nicht in
jedem Sinne Nicht-Objekt; denn es ist das Objekt der Vorstellung
des Ich; und nur darum nimmt man ja auch allgemein ein inneres
Selbst an, weil es der Wahrnehmung nicht unzugänglich ist. Auch
besteht eben keine Notwendigkeit, dafs man nur auf ein vor uns
stehendes Objekt ein anderes Objekt übertragen könne; indem z. B.
auf den Weltraum (akäga)^ wiewohl er nicht wahrnehmbar ist,
Unerfahrene die dunkle Farbe des Grundes und dergleichen über-
16 tragen. | Ebenso ist es nicht ausgeschlossen, dafs man auch auf
das innere Selbst überträgt, was nicht das Selbst ist.
Diese so beschaffene Übertragung erklären die Philosophen
für ein Nichtwissen (avidyä) und bezeichnen im Gegensatze
dazu die genaue Bestimmung der Natur eines Dinges als das
Wissen (vidyä), Ist dem aber so, dann folgt, dafs der Gegen-
stand, auf welchen eine [derartige,, falsche] Übertragung stattfindet,
durch eine in ihr begründete Fehlerhaftigkeit oder Beschaffenheit
nicht im mindesten betroffen wird.
Diese, „Nichtwissen" genannte, das Selbst und das Nicht-
Selbst miteinander verwechselnde Übertragung bildet nun die
17 Voraussetzung, unter welcher alle Beschäftigung mit Beweisen | oder
zu Beweisendem, und zwai* auf weltlichem wie auf vedischem Ge-
biete ^ stattfindet; und ebenso beruhen auf ihr alle Lehrbücher,
mögen sie nun Gebote und Verbote oder auch die Erlösung be-
treffen. — *Aber wie ist es möglich, dafs die Erkenntnismittel,
'wie Wahrnehmung u. b. w., und auch die Lehrbücher sich auf den
'Bereich des im Nichtwissen Beruhenden beziehen?* — Antwort:
weil mau ohne den Walin, dafs in Leib, Sinnesorganen u. s. w.
das „Ich" und das „Mein** bestehe, kein Erkennender sein kann,
und folglich eine Bethätigung der Erkenntnismittel nicht möglich
ist. Denn ohne die SinrciHorgane zur Hülfe zu nehmen, findet
eine Thätigkeit des Wahrnebmens u. s. w. nicht statt; die Verrich-
tung der Sinnesorgane aber wiederum ist nicht möglich ohne einen
18 Standort [den Leib]; ( keinerlei Aktion des Leibes aber i^t mög-
lich, ohne dafs man auf ihn das Sein des Selbstes (der Seele,
dtwan) übertrüge; und ohne dafs dieses alles stattfindet, d. h. bei
Einleitung. 5
der [von der Luiblichkeit] unabhängigen Seele ist eine Erkennt-
oistbätigkeit gar nicht möglich. Ohne Erkenntnisthätigkeit aber
geht das Erkennen nicht vor sich. Folglich beziehen sich die
Erkenntnisn^ittel , Wahrnehmung u. s. w. sowie die [erw&hnten]
Lehrbücher auf den Bereich des im Nichtwissen Beruhenden. —
Femer auch deswegen [gehört die weltliche und die vedische Er-
kenntnis in den Bereich des Nichtwissens], weil [dabei] ein Unter:
schied von den Tieren nicht stattfindet. Denn sowie die Tiere,
wenn z. B. ein Ton ihr Ohi' berührt, | falls die Erkenntnis durch 19
diesen Ton u. s. w. f&r sie von unangenehmer Art ist, sich davon
wegwenden, und, falls sie angenehm ist, sich hinzuwenden, — wif?
sie z. B., wenn ü)ie einen Menschen mit einem aufgehobenen Stocke
in der Hand vor sich sehen, in der Meinung: „der will mich
flchlagcn^S ^^ fliehen suchen, und wenn sie ihn mit einer Hand
▼oll frischen Graset^ sehen , sich zu ihm hinwenden : — ebenso
pflegen auch die Menschen, wiewohl ihre Erkenntnis entwickelter
ist (vputpantia-cittäh) , - wenn sie Starke von grausigem Ansehen
schreiend und mit gezückten Schwertern iu den Händen wahr-
nehmen, sich von ihnen abzuwenden und zu den Entgegengesetzten
sich hinzuwenden. -«~ Sonach ist, iu Bezug auf Mittel und Gegen-
stände des Erkennens, das Verfahren bei Menschen und Tieren
das gleiche. Allerdings geht bei den Tieren die auf das Wahr-
nehmen u. s. w. folgende Th&tigkeit ohne vorheriges Urteilen (vi'
Deka) vor sich; aber, wie man au der Gleichheit damit ersieht,
ist auch bei den [geistiger] Entwickelnng teilhaften {yyutpaiUmatäm)
Menschen ..die auf das Wahrnehmen u. s. w. folgende Thätigkeit
für jene Zeit [der falschen Erkenntnis, vgl. p. 449,3] entschieden
die nämliche; | und wenn hingegen zu einer Werkthätigkeit gemäfs ^
dem Schriftkanon nur ein solcher, der vorher die [erforderliche]
Einsicht (buddhi) ei-worben hat, und keiner, der nicht die Verbin-
dung der Seele mit der andern Welt erkannt hat, zugelassen wird,
so ist doch zu dieser Zulassung nicht erforderlich, dafs man die
vom Ved&nta zu lehrende, den Hunger und die Übrigen [Begierden]
hiüter sich lassende, von den Unterschieden zwischen Brahmanen,
Kriegern u. s. w. Abstand nehmende Wahrheit Über die vom Süigi^
sdra (der Seelen Wanderung) freie Seele [erkannt liabe]. Denn
diese kommt bei der Betrauung [mit dem Opferwerke] nicht zur
Anwendung, ja, sie steht mit derselben in Widerspruch. Und in-
dem der Kanon der Vorschriften [nur] vor der sothanen Erkennt-
nis der Seele in Wirkung steht, so cratreckt er sich nicht über
den Bereich des im Nichtwissen Beruhenden hinaus. So z. B. wenn
es heifst: „der Brahmane soll opfern^', so sind diese und ähnliche
kanonische Vorschriften nur möglich, sofern mau Kasten, AgrarMC%
(Lebensstadien), Lebensalter und andere unterschiedliche Zustände
auf das Selbst überträgt. Diese Übertragung aber ist, wie wir
baheu, die Annahme einer Sache da, wo nie nicht ist. So wie
6 (&riraka*in)niän&ft
daher jemand, wenn es seinem Sohne, seiner Gattin und dergleichen
21 schlecht oder gut geht, | zu sagen pflegt, „es geht bei mir
schlecht oder gut^^, . und damit Qualitäten von Aufseudingen auf
das Selbst (die Seele) überträgt: ebenso auch übei*trägt er auf
dasselbe Qualitäten des Leibes, wenn er denkt: „ich bin fett, ich
bin mager, ich bin weifs, ich stehe, gehe, springe;" und ebenso
Qualitäten der Sinnesorgane, wenn er denkt: „ich bin stumm,
„entmannt, taub, einäugig, blind"; und ebenso die Qualitäten des
Innenorgans [an(ahJcarav<Ji^n ^ d. h. des Monas], Verlangen, Ent-
Bjiiheidung, Zweifel, Entschlufa u. s. w. [vgl. Biih. 1,6)3]; — - so
also überträgt er den Vorsteller des Ich (ahampratyayin = Monas)
auf die seinen Verrichtungen lediglich als Zuschauer (säkshift)
gegenüberstehende innere Seele, und umgekehrt die allem als Zu-
schauer beiwohnende innere Seele auf das lunenorgan u. s. w.
[d. h. auf die Sinnesorgane, den Leib und die Gegenstände der
Aufsenwelt].
So steht es mit dieser anfanglosen, endlosen, angebomen
32 Übertragung, welche ihrem Wesen nach eine falsche | Annahme
ist, alle Zustände des Thuns und des Geiiiefsens [oder Leidens]
hervorbringt und die Sinneswahrnelunung aller Menschen bcfafst.
Sie, welche die Ursache des Unheils ist, zu beseitigen und das
Wissen von der Einheit der .Seele zu lehren, — das ist der Zweck
aller Vedäntatexte [d. h. der Upanishad's]. Und wie dieses den
Gegenstand aller Vedäntatexte ausmacht^, so wollen auch w^ir den-
23 selben in dieser | ^äriraka'mimän^ [Erforschung der verkörperten
Stiele] darlegen.
Erstes Adhikaranam.
In dtim L(jhrbuche der Vedänta-mimä'fieä [Erforschung der Upa-
niiihad'sj, welches wir erklären wollen, lautet das erste Sütram
wie folgt : '
1, atha ato hrahma'jijnäsäy iti
rmnmehr daher die Brahmanforschung.
Das Wort atha (nunmehr) bedeutet hier unmittelbare Folge,
oicht einen Vorsatz, da dieBrahmanforschung [wörtlich: derWunsch,
Brahman zuerkennen] nicht Gegenstand eines Vorsatzes sein kann;
da ferner dafür, [das Wort atha] als Segenswunsch zu fassen, im
Inlialtp des Satzes keine Berechtigung liegt; denn nur wo es einem
schon anderweit ausgedrückten Inhalte sich anschliefst, liegt dem
Worte atha dnß Motiv zu Grunde, dadurch, dafs man es zu Gehör
Sütram 1. i. 1. 7
bringt, ei neu SegenBunansch auszusprechen. | Hier aber, wo es sich 24
um die Erfüllung einer vorher rege gemachten Erwartung handelt,
kann es in seiner Bedeutung einer „unmittelbaren Folge" nicht ent-
behrt werden. Steht nun die Bedeutung „unmittelbare Folge" fest,
so fragt sich: so wie die Pflicht -Forschung [die Karma-mimänsä
des Jaimini] notwendigerweise das Veda*Studium zur Voraussetzung
hat, was ist in diesem Sinne die Voraussetzung der Brahmanforschung,
auf die sie sich notwendigerweise bezieht? Das ist zu erklären.
Die Voraussetzung nies Veda-Studiums nun ist beiden gemeinsam. {
Liegt also der Unterschied vielleicht darin, dafs hier [bei der 26
Brahmanforschung] eine Kenntnis der Werke vorausgesetzt wird? —
Mit nichten! Denn auch vor der Pflichtforschung ist für den, wel-
clier den Vedanta studiert hat, eine Erfoi'schung des Brabman zu-
lässig. Und so wie [beim Tieropfer] für die Zerstückelung des
Herzeus u. s. w. eine bestimmte Folge erfordert wird, indem der
Gang vorgezeichnet ist, in derartiger Weise ist hier kein Gang |
vorgezeichnet. Denn für die Annahme, dafs sich Pfiichtforschung 26
und Brahmanforschi^ng verhielten wie Grund und Folge, oder wie
Gebot und Gebotenes, ist kein Beweis vorhanden; auch sind beide
verschieden, sowohl was ihre Frucht als was den Gegenstand der
Forschung betrifft. Nämlich die Erkenntnis der Pflicht bringt als
Frucht Beglückung (ahhyudaya) | und bezieht sich auf Observanz; 27
die Erkenntnis des Brahman hingegen hat als Frucht das höchste
Gut {in^eyasaniy d. h. Erlösung] und bezieht sich nicht auf irgend
eine weitere Observanz. Femer: die zu erforschende Pflicht ist
ein Zukünftiges, zur Zeit der Erkenntnis noch nicht Vorhandenes,
welches von dem Thuu des Menschen abhängig ist; hier hingegen
ist das- ^u erforschende Brahman ein schon Vorhandenes, weil schon
von Ewigkeit her Bestehendes, ' welches nicht von irgend einem
Thun des Menschen abhängig ist. Ein weiterer Unterschied liegt
in der Art, wie die Aufforderung zu beiden stattfindet. Denn die
Aufforderung, wie sie ein Merkmal der Pflicht bildet, beschränkt
sich darauf, innerhalb ihres Bereiches den Menschen anzutreiben,
ohqe dafs sie ihn belehrte. Die auf das Braihman bezügliche Auf-
forderung hingegen will lediglich den Menschen belehren; und da
es eine [blofse] Belehrung ist, welche hier aus der Aufforderung
resultiert, so wird der Mensch, | bei dieser Belehrung nicht ver- 28
])flichtet, sondern es verhält sich dabei ähnlich, wie wenn man sich
über eine Sache dadurch belehrt, dafs man sie dem Auge nahe
bringt. — 'Aber da dem so ist, was sollen wir denn annehmen,
'als dessen unmittelbare IB'olge die Brahmanforschung bezeichnet
*wjrd?' ^ — Wir antworten: [I.] die Unterscheidung der
ewigen und der nichtewigen Substanz; [II.] Verzichtung
auf einen Geuufs des Lohnes seiner Bemühungen, hier
und im Jenseits; [III.] Erlangung der [sechs] Mittel, Ge-
mütsruhe, Bezähmung u. s. w. [Entsagung, geduldiges Ertragen,
R Clti1raka-mfniltns&
Meditation, Glaube]; [IV.] das Verlangen nach Erlösung.
Wenn diese vorbanden sind, so kann auch vor der PHichtfurschuug
ebenso gut wie nach ihr das Brahman erforscht und erkannt wer-
den; nicht aber umgekehrt. Somit wii'd duroh das Wort cMa die
unmittelbare Folge auf die Erlangung der erw&hnten Mittel an-
gedeutet.
DaB Wort atas (daher) bezeichnet einen Grund: weil nämlich
der Veda erklärt, dafs das Feueropfer und die sonstigen [Werke],
29 welche zum Glücke dienen, | eine Frucht bringen, die vergänglich
ist, — denn es heifst: „darum, gleichwie hienieden die durch
,. Werke gewonnene Welt vergeht, also auch vergeht im Jenseits
„die durch heiligen Wandel gewonnene Welt" u. s. w. (Chänd.
8, 1, 6), weil femer das höcliste Ziel dcR Menschen als durch die
Erkenntnis des Brahman zu erreichen bezeichnet wird durch die
Worte: „wer Brahman kennt, erlangt das Höchste" u. s. w. (Taitt.
2, 1), — darum ist unmittelbar nach Erlangung der erwähnten
Mittel die Brahmanforschung ins Werk zu setzen.
Die Brahmanforschung (brahfna-jijndsd) bedeutet die Erforschung
des Brahman; Brahman aber ist, wie weitoriiin erklärt werden
wird, dasjenige, „woraus Ursprung u. s. w. dieses [Weltalls] ist" \
30 (Sütram 1, 1,2). Darum darf man bei dem Worte Brahman nicht
an eine andere Bedeutung, wie z. B. etwa an die Brahmanen-Kaste,
denken. Der Genitiv „des Brahman" bedeutet eine [auf Brahman
als Objekt bezügliche] Thäiigkeit, nicht eine blofse Ergänzung
[des Begriffs der Forschung, unbestimmt in welchem Sinne]; denn
die Erforschung findet statt in Hinsicht auf ein zu Erforschendes,
ein andres Objekt der Forschung aber liegt nicht vor. — 'Aber',
könnte mau sagen, ^dafs das Brahman der Gegenstand der Forschung
4st, wird dadurch nicht ausgeschlossen, dafs man den Genitiv als
*den der Ergänzung ansieht; du in der Allgemeinheit der Verbin-
\lung [mit einem Genitiv, der blofs zur Ergänzung, unbestimmt in
* welchem Sinne, dient] die besonderen Fälle [also auch der hier er-
'forderliche Genitivus objcctivus] enthalten sind.' — Wenn man
dies auch zugeben wollte, so würde es doch eine zwecklose £r-
schweiomg sein, auf das deutliche Objektsein des Wortes „des
Brahman" zu verzichten, um vermittelst der Allgemeinheit [und
Unbestimmtheit der Genitiv Verbindung] ein undeutliches Objektsein
desselben anzunehmen. — *Sie ist doch nicht zwecklos, denn siu
'bat den Zweck , sämtliche mit dem Brahmanbegriü' zusammen-
31 ^hängende | Untersuchungen [über seine Merkmale, div* Beweis-
^methodiiu, Beweisgründe, Mittel und Frucht seiner Erkenntnis] als
^berechtigt anzuerkennen.' — Das bestreiten wir, weil durch Be-
fassung der Hauptsache auch dasjenige, was sich auf dieselbe be-
zieht, als Zweck schon mit einbegriffen ist. Die nauptsache näm-
lich ist das Brahman, sofern seine Erlangung durch die Erkenntnis
das dabei am meisten Gewünschte au:jmacht. Ist nun diese Haupt*
/
Süktram I. i. 1. 9
sache unter dem Gegenstände der Forschung befafst^^eo ist damit
zugleich dasjenige als Zweck mit einbegriffen, ohne dessen Er-
forschung die Erforschung des Brahman nicht möglich ist; daher
es nicht noch erst besonders erwähnt zu werden braucht; ähnlich
wie durch die Worte „der König kommt'* angedeutet wird, dafs
der König mitsamt seinem Gefolge kommt. Ebendasselbe crgiebt
£(ich auch aus dem Zusammenhange der Schrifttexte; denn wenn
es z. B. in Stellen wie: „Dasjenige, fürwahr, woraus diese Wesen
„entspringen" u. s. w. (Taitt. 3,1) weiter heifst: „das erforsche,
„das ist das Brahman", so beweisen diese Worte offenbar, dafs
Brahman der Gegenstand der Forschung ist; und dem entspricht
das Sütrara, wenn man den Genitiv „des Brahman" im Sinne der
Thätigkeit ninmit.
Die Forschung (j^näsd) bedeutet den Wunsch zu erkennen;
denn das Erkennen, welches als sein Endziel das Erlangen | hat, 32
ist der Gegenstand des dabei ausgedruckten Wunsches, indem ein
Wunsch sich bezieht auf einen gewünschten Erfolg. Es wird also
gevrünscht, das Brahman durch die Erkenntnis als Mittel zu er-
langen; denn das Erlangen des Brahman ist das Endziel des Men-
schen, weil durch seine Erlangung das Nichtwissen und das übrige
Unheil, welches den Samen der Seelenwandei*ung (samsära) bildet,
völlig ausgerottet wird. Darum also ist das Brahman zu erforschen.
— 'Ist nun dieses Brahman bekannt oder unbekannt? Wenn
'es bekannt ist, so braucht man es nicht zu erforschen, ist es aber
'unbekannt, so kann man es nicht erforschen ! * — | Auf diese Ein- 33
Wendung antworten wir: was zunächst das Brahman betrifft, so
ist es ein seiner Natur nach ewiges, reines, weises und freies, all-
wis9endes und mit Allmacht ausgestattetes Wesen; denn diese
Eigenschaften der Ewigkeit, Reinheit u. s. w. ergeben sich, wenn
man das Wort Brahman analysiert, indem man der Bedeutung der
Wurzel hrih („ausrcifsen") nachgeht. Die Existenz des Brahman
aber wird daraus erwiesen, dafs es das Selbst (die Seele) von
allem ist; denn ein jeder nimmt die Existenz seines eignen
Selbstes an, indem er nicht sagen kann: „ich bin nicht." Würde
nämlich nicht die Existenz dos eignen Selbstes allgemein ange-
nommen, so könnte alle | Welt sagen: „ich bin nicht." Das Selbst 34
aber ist das Brahman. — 'Aber, wenn das Brahman wirklich als
'das Selbst allgemein anerkannt wird, so ist es doch schon bekamit,
'und hieraus folgt wieder, dafs es nicht erst erforscht zu werden
'braucht?* — Dem ist nicht so, weil in Bezug auf seine Merkmale
Uneinigkeit besteht. So z. B. behaupten das ungebildete Volk und
die Materialisten, das Selbst sei nur der mit Geistigkeit ausge-
stattete Leib; andre wiederum sehen dos Selbst in den die Er-
kenntnis bewirkenden Sinnesorganen; andre in dem Manas; wieder
andre in der blofsen Vorstellung des jedesmaligen Augenblicks:
wieder andi-e in dem Nichts (QÜnyam)', einige behaupten, es sei
10 (jj!&riraka-mimllLn8&
die den Leib u. a. w. überdauernde, umwandemde, handelnde und
leidende Seele; etwelche sagen, ee sei nur die leidende, nicht die
handelnde Seele; wieder andre, es sei der von ihr verschiedene,
35 allwissende und allmächtige Gott (tgvara); \ noch andre, es sei
das [walire] Selbst der gouiefsenden (individuellen) Seele. So
stehen viele einander entgegen und stützen sich dabei auf Argu-
mente und Schriftworte oder d<3n Schein derselben. Wollte man
nun unbedacht das eine oder das andre annehmen, so könnte
man an seiner Seligkeit Schaden nehmen und in Unheil geraten.
36 Darum I ibt eine Vornahme der Brahmanforschung und, infolge
derselben, eine Untersuchung der Yedantatexte , unterstützt durch
eine ihr nicht widersprechende Keflexion, als ein Mittel zur Selig-
keit zu empfehlen.
Ztoeites Adhikaranam.
Das Brahman ist, wie wir fanden, zu erforschen. Welcher
Beschaffenheit ist nun dieses Brahman? Darauf antwortet der
verekrangswürdige Verfasser des Sütram, es ist dasjenige,
2. janma-ddi dsya yata\ iti
woraus Ursprung u. s. w. dieses [Weltalls] ist.
Janman, der Ursprung, der Anfang. Das Bahuvrlhi - Com-
positum [janma-ddii Ursprung u. s. w.], cliont um die Bosohaffcn-
heiten dessen zu kennzeichnen, was unter dem Worte asjfa [diebe»
Weltalls] zu verstehen ist; der Sinn des Compositums ist: „Ur-
37 Sprung, | Bestand und Vorgang.^* Dafs der Ursprung den Anfang
macht, folgt aus der Autorität der Schrift und aus der Natur dci-
Sache. Aus der Autorität der Sclirifl; deim es heifst: „dasjenige,
„fürwahr, woraus diese Wesen entspringen, [wodurch sie, ent-
„ Sprüngen, leben, und worein sie dahinscheidend wieder eingehen]'*
(Taitt. 3,1). In dieser Stelle wird für Ursprung, Bestand und
Vergang eine bestimmte Reihenfolge gelehrt. Weitoi- folgt das-
selbe auch aus der Natur der Sache: denn ein Ding kann nui'
bestehen und vergehen, sofern es [vorher] durcli den Ursprung
Wesenheit empfangen hat. Das Wort asifa „dieses [Weltalls]"
weist, sofern es ein Pronomen demonstrativum ist, auf einen in
unmittelbarer Wahrnehmung u. s. w. vorliegenden Eigenschaftsträger
38 hin; | und sofern es im Genitiv steht, besagt es, dafs janma-ädf
„ das Entspringen u. s. w. '^ • als Eigenschaften mit ihm zu verbin-
den sind.
Sütrani I. i. 2 IJ
Yata\ ifi ((liv^eiiige woraus) weist auf eitio Ursache hin und^ ist
so zu ergänzen: die Ursache, aus welcher Ursprung, Bestand und
Vorgang dieser in Namen und Formen ausgebreiteten, viele Han-
delnde und (Tenlefsende beschliefseuden, die nach Baum, Zeit und
Ursache speciell bodtimmte Frucht der "Werke enthaltenden, in
einer auch für den Gedanken unfafsbaren Anordnung gestalteten
Welt [herrührt], — diese allwissende und allmächtige Ursache ist
das Drahman. Ursprung, Bestand und Untergang werden hier
erwähnt, sofern alle andren Wandlungen des Seins | in diesen 39
dreien inbegriffen sind. Wollte man hier hingegen die von Yäska
(p. 31, 15 ed. Roth) aufgestellten [Phasen der Existenz] : „er ent-
steht, ist", u. B.w. [„wächst, wandelt sich, schwindet, vergeht"]
verstehen, so könnte, da diese auch während des Bestehens der
Welt wahrgenommen werden, dadurch Ursprung, Bestand und
Vorgang der Welt aus der Wurzelursache nicht ausgedrückt zu
sein scheinen; um diesen Schein zu vermeiden, werden diejenigen
[Phasen] erwähnt, welche besagen, dafs, so wie der Ursprung aus
dem Brahmau ist, ebenso der Bestand und der Vergang in eben-
demselben stattfinden. '£s läfst sich nämlich für die wie bezeich-
net beschaffene Welt eine andre Ursache als den wie bezeichnet
beschaffenen Gott nicht annehmen, indem sich weder aus einer
ungeistigen Urmaterie, | noch aus Atomen, noch aus dem Nichtsein, 40
noch aus der Wändersjeele der Ursprung u. s. w, der Welt begrei-
fen läfst, und ebensowenig aus ihrer eignen Natur, sofern alle
die besonderen Zustände des Raumes, der Zeit, und der Ursache
das [zu erklärende] Gegebene bilden. Dieses ist nur eine Schlufs-
folgerung, welche jedoch von den an der Gausalität Gottes Fest-
baltenden als beweiskräftig angesehen wird für die Existenz u. s. w.
eines über die Wanderseele hinausliegcnden Gottes. — *Wird
^nun vielleicht auch hier, in unserem Sütram, nur auf diese Schlufs-
^folgerung hingedeutet?* — Doch nicht! Denn der Zweck der
Sütra^s ist vielmehr der, die Upanishadworte zu einem Blumen-
kranze zusammenzureihen , indem es Upanishadworte sind, welche
in den Sütra^s citiert und betrachtet werden. Denn allein dadurch,
dafs man den Sinn der heiligen Worte betrachtet und hierbei
stijhen bleibt, wird | die Erlangung des Brahman vollbracht, nicht 41
aber dadurch, dafs man Schlufsfolgerungen und sonstige Beweis-
mittel anwendet. Sind aber einmal solche Vedantatexte , welche
die Ursache für Ursprung u. s. w. der Welt anzeigen, vorhanden,
so ist weiterhin auch ein Schlufs verfahren, welches zur Bestätigung,
dafb man den Sinn der Schriftwortc wirklich erfafst hat, dient
und mit denselben nicht in Widerspruch tritt, als ein Beweismittel
nicht unzulässig. Denn auch von der Schrift selbst wird die Re-
flexion herbeigezogen. So, wenn es heifst: „man soll ihn hören,
„soll ihn verstehen", (Brih. 2, 4, 6); und ferner: „wie jener be- 42
„lehrt und verständig zu den Gandhareru heimgelangt, also auch
12 ^lirlraka-m)m&n$li
,y\et ein Mann, der hienieden einen Lehrer gefanden, sich hewufst**
(Ch4nd. 6, 14, 2). In diesen Worten weist die Schrift sich selbst
zur Gefährtin die menschliche Erkenntnis zu. Auch sind nidit so
wie bei der Pflichtforschung die Schriftworte die alleinige Autorität
auch bei der Brahmanforschung; vielmehr haben hier die Schrift-
argumente und, je nachdem es kommt, auch die aus der Wahr-
nehmung u. 8. w. geschöpften Argumente Beweiskraft, und zwar
weil die Brahmanforschung in der unmittelbaren Wahrnehmung
ihr Endziel findet, und weil sie sich auf einen thatsäohlich vor-
handenen Gegenstand richtet. Denn wo es sicli um Pflichterfüllung
handelt, kommt die Wahrnehmung nicht in Betracht, und sind
mithin die Sehriftworte die einzige Autorität; auch schon deswegen,
weil eine zu erfüllende Pflicht in ihrer Verwirklichung von dem
Menschen abhängig ist; denn ein weltliches wie ein vedisches
Werk kann gethan werden oder nicht gethan werden oder anders
gethan werden, sowie man zu Pferde reisen kann^ oder zu Fufs,
43 oder sonstwie, | oder überhaupt nicht. So z. B. wenn es heifit:
„er benutzt beim Übernachtsopfer die sechzehnteilige [Strophe]^*,
— „er benutzt nicht beim übemachtsopfer die sechzehnteiUge
„[Strophe]", (vgl. p. 370, 1. 483, 1); oder: „er opfert nach Sonnen-
aufgang" T- „er opfert vor Sonnenaufgang" (Ait. br. 5, 31 , 1), so
han*delt es sich dabei um Vorschriften und Verbote, und hierbei
hat es einen Sinn, von einer Wahlfreiheit, von Regeln und *von
Ausnahmen zu reden. Ein wirklicher Gegenstand hingegen läfst
keine Wahlfreiheit darüber zu, ob er so oder so ist oder nicht
ist. Mag immerhin, wo es sich um ein Auswählen handelt, dieses
44 von dem Dafürhalten des Menschen | abhängig sein, so ist doch
die Erkenntnis der Wesen sbeechaffenheit eines Gegenstandes nicht
von dem Dafürhalten des Menschen abhängig, sondern allein
von dem Gegenstande selbst. Wenn z. B. der Gegenstand ein
Baumstamm ist, so kann er nicht nach der wahren Erkenntnis ein
Baumstamm oder ein Mensch oder sonst etwas sein; denn dafs es
ein Mensch oder sonst etwas sei, ist eine falsche Erkenntnis, und
nur dafs es ein Baumstamm ist, ist die wahre Erkenntnis, indem
dieselbe von dem Gegenstande abhängig ist. Wo es sich also um
irgendwie beschaffene Gegenstände handelt, da wird die Richtig-
keit der Erkenntnis bedingt durch das Objekt. Ist dem so, dann
mufs aucli die Erkenntnis des Brahman nur durch das Objekt
bedingt sein, weil es sich dabei um einen wirklich vorhandenen
Gegenstand handelt. — 'Aber, wenn es sich bei Brahman um einen
^wirklich vorhandenen Gegenstand handelt, mufs dann derselbe
^nicht ein blofses Objekt der andern [weltlichen] Erkenntnismittel
'sein, und ist somit die Untersuchung der Upanishadworte nicht
'überflüssig?' — Doch nicht! Denn da Brahman kein Objekt der
Sinne ist, so würde sich sein [Kausal-] Nexus mit der Welt nicht
[mit Sicherheit] ergreifen lassen. ^ Näinlich: die Sinne haben ihrer
Sütram I. i. 2. 13
Natur nach als Objekt die Aufsendinge und nicht das Brahman.
I Wftte nun Brahman ein Objekt der Sinne, so würde man diese 46
Welt aU eine mit Brahman verknüpfte Wirkung wahrnehmen.
Nun man aber die Wirkung allein wahrnimmt, so läfst sich [ohne
Offenbarung] nicht ausmachen, ob sie mit Brahman oder yielleicht
mit sonst etwas [als Ursache] verknüpft ist, [da dieselbe Wirkung
verschiedene Ursachen haben kann]. Somit hat unser Sütram nicht
den Zweck, eine Schlufsfolgerung darzulegen, sondern vielmehr,
auf das Yedäntawort hinzuweisen. Welches ist nun dasjenige *
Yedäntawort, auf welches durch unser Sätram hingedeutet wird?
In der Stelle, die anhebt mit den Worten: „Bhrigu, fürwahr, der
,,Sobn des Yaruna, trat vor seinen Vater Varuna und sprach:
„ « Lehre mich, Verehrungswürdiger, das Brahman» ", heifst es wei-
terhin: „dasjenige, fürwahr, woraus diese Wesen entspringen, wo-
„durch sie, entsprungen, leben, und worein sie dahinscheidend
„wieder eingehen, das suche zu erkennen, das ist das Brahman"
(Taitt. 3, 1), und das Resultat dieser Forschung wird angegeben
in den Worten: | „die Wonne wahrlich ist es, aus wekher diese 46
„Wesen entspringen, die Wonne, durch welche sie, entsprungen,
„leben, die Wonne, in welche sie dahinscheidend wieder eingehen^'
(Taitt. 3, 6). Und so liefsen sich noch manche andere derartifi^e
Stellen anführen, welche das seiner Natur nach ewige, reine, weise,
freie, allwissende Wesen als die Weltursache bezeichnen.
Drittes Adhikaranam,
l>as Brahman wurde, indem es als Weltursache aufgezeigt
wurde, für allwissend erkläi't. Dieses zu bestätigen, sagt [der
Lehrer] weiter:
3. Qastra-yoni-tvM , iä 47
wegen des Gruud-seiiis des [Schrift-] Kanon's.
Der grofse vom Jüigveda anfangende Schrifbkanon , welcher,
durch mancherlei Wissensdisciplinen vorstärkt, wie eine Lampe
alle Dinge beleuchtet und gewissermafsen allwissend ist, hat als
Grund, als Ursache das Brahman. Denn nicht kann ein solcher
Kanon wie der Bi^vcda u. s. w., der mit der Eigenschaft der All-
wissenheit ausgestattet ist, von einem andern als einem Allwissen-
den I herrühren. Denn auch sonst, wenn irgend ein ausführ- 48
lich(Ȋ Lehrbuch von einem ausgezeichneten Manne hervorgebracht
1 4 (,''äriraka-ml;aliDS&
«
worden ist, wie z. B. das dei Grammatik \ou l\i«/n«, wiewohl
»ich dieses nur erst auf «iu eiiizelneti Gi^V.iet des Wisäcus bezieht,
so niiomt mau doch allgomeiu an, dals der Urheber noch mehr
wisse, als es enthält; um wieviel mehr mula man [wo eS sich um
ein so universelles Werk wie den Veda liaudeltj aunt^hmen, dafs
das grofso Wetou, welche» den in viele Zweige ({'äkha) ausein-
andergehenden, der £inteiluog in Götter, Tiere, Menschen, Kasten,
A^rama^^ u. s. w. zu Grunde Hegenden, Ri^veda u. s. w. genannten
Schacht alles Wissens muhelos, zum Spiele, dem Aushauche eines
Menschen vergleichbar, aus sich liervorgebritchb hat, — wie die
Schrift sagt: „aus diesem grofsen Wesen ausgehaucht worden ist
„der pigvedn^^ u. s. w, (ßrih. 2, 4, 10),. — dafs dieses grofse Wfesen
eine überschwengliche AllwisHenlieit und Allmacht besitzen mufs.
Oder auch [man kann das ^ütram folgendermafscn erklären]:
49 das erwähnte Lehrbuch des Higveda u. s. w. | ist der Grund, der
Erkeuntnisgrund , die Ursache für die Annahme jenes Brahman,
wenn man anders sein Wesen in gebührender W^eise erforscht;
denn das Brahman, welches die Ursaclie für Ursprung u. s. w. des
Weltalls ist, kann, das ist die Mtiinung [des Siitram], nur aus dem
Schrifbkanon als Beweisgrunde erkannt werden. Daher der Schrift-
kanon schon im vori;^cn Süti'am [als Beweisgrund] herangezogen
wurde in den Worten: ,.füi*wahr, woraut« diese Wesen entspringen"
u. s. w. (Taitt. 3, 1). — 'Aber wozu noch das gegenwärtige Sütram,
50 ^da doch der Autor schon im vorigen Sütram | damit, dafs er den
^Schriftkanon [als Beweisgrund] heranzog, das Grundsein des Schrift-
^kanons für die Annahme des Brahman anerkannte V^ — Wir ant-
■
Worten: dort war in dem Wortlaute des Sütram der Schriftkanon
nicht in deutlicher Weise herangezogen, und so körnte man auf
die Meinung kommen, als werde der Ursprung u, s. w. der Welt
[aus Brahman] als eine blofse [weltliche] Schlufsfolgerung vorge-
bracht. Diese Meinung zu beseitigen, ist der Zweck des vorlie-
genden Sütram: „wegen des Grundseins des Schriftkanous.'*
Viertem Adhikaranam,
'Aber' [so könnten hier die Anhänger des Jaimini einwenden]
'wie kann man behaupten, dai's der Schrifbkanon die Bestimmung
'habe, als Beweisgrund für das Brahman zu dienen? Denn es
'hiefs doch: „dieweil der Zweck der heiligen Lehre die Werke sind,
',,so ist zwecklos, was diesem Zweck nicht dient" (Jaim. 1, 2, 1);
'in diesen Worten wird als Zweck des Schriftkanons das [rituelle]
&l ^Work gelehrt; | folgt daraus nicht, dafs die Yedäntatexte
'zwecklos sind, da sie keine Werke als Zweck haben? Oder soll
'man annohmen, dafs sie bezwecken, über den Handelnden, die
S6traiil I. ]. 4 15
^Gottheiten n. s. w. aufzuklären, und aomit einen besonderen
*Teil der Werk- Vorschriften bilden? Oder etwa, dafs sie
^besEwecken, Yerehrungen u. s. w. als eine neae Art von Werken
Vorzuschreiben? Denn, eine traditionelle Belehrung über die Natur
^eines fertig vorhandenen Gegenstandes ist doch nicht denkbar, da
^ein fertig vorhandener Gegenstand in den Bereich der Wahr-
^nehmung u. s. w. gehört. Und eine traditionelle Belehrung über
'ihn, ohne dafs es sich dabei um zu Thuendes und zu Meidendes
'handelte, kann doch nicht das Ziel des Menschen sein. Wendet
'man ein, dafs demzufolge auch Worte wie „er weinte'' | u, s.w. 52
'(Taitt. Saiph. 1, 5, 1, 1) zwecklos seien, so ist das nicht zuzugeben;
'denn nach der Kegel: „'mit Vorschriften zu eins verbunden, be-
'„ zwecken sie der Vorschriften Anpreisung'' (Jaim. 1, 2, 7), sind
'sie zweckdienlich, nämlich zur Anempfehlung. Und was die Man-
'tra*s [Hymnen und Spräche] : „Zur Labung dich" und wie es weiter
'geht (Taitt. Saiph. 1, 1, 1, 1), betrifft, so wurde ihre Zusammen-
'gehorigkeit zu den Werken dahin erklärt, dafs sie bei den Cere-
'monien als Mittel der Vollbriugung in Anwendung kommen.
'Überhaupt ist nicht zu ersehen oder zii erweisen, welchem Zwecke
'irgendwelche Texte des Veda, abgesehen von ihrem Zusammenhang
'mit den Ceremonial- Vorschriften, dienen könnten. | Überall nun, 53
'wo es sich nur um die Natur eines fertig vorhandenen Gegenstan-«
'des handelt, findet eine Vorschrift nicht statt, weil alle Vorschriften
'sich auf ein Thun beziehen. Folglich mufs man annehmen, dafs
'die Vediintatexte den Zweck haben, tiöer die Natur der bei den
'Werken in Betracht kommenden Thäter, Gottheiten u. s. w. auf-
*zukl&ren, und somit nur einen besonderen Teil der Werk-
'Vorschriften bild'^n. Wollt ihr aber dies, aUs Scheu davor,
^einem fremden Ressort untei*stellt zu werden, nicht zugeben, so
^müfct ihr doch wenigstens annehmen, dafs sie auf die Thätig-
'keit der Verehrung u. s. w. dessen, worauf sich ihre Lehren
* beziehen, abz wecken. Somit folgt, dafs ein „Grandsein des Schrift-
'kanons'^ für das Brahman nicht statthat.'
Auf diese Einwendung «itworten wir wie folgt:
4. tat tUy samanvayät
jenes viel mehr, wegen der Übereinstimmung.
Das Wort tu (vielmehr) be/Aveckt, die Einwendung des Gegners
abzulehnen. Tat (jenes), d. h. jenes allwissende, allmüchtige Brah-
man, wird als Ursache für Ursprung, Bestand und Vergang der
Welt aus dem Kanon des Vedanta erkannt. Warum? sanianvaf/ät,
„wegen der Übereinstimmung"; denn in allen Ved&ntatexten finden
sich Worte, welche, indem sie eben nur diesem Zwecke dienen,
in der Darlegung dieser Sache | miteinander übereinstimmen. So, 64
16 Q&iiraka>m)oi&usä
wenn es heilst: „Seiend uur, o Teurer, war dieses am Anfang,
„eines nur und ohne zweites" (Ch&nd. 6, 2, 1); — „Wahrlich,
«, diese Welt war zu Anfang der Atman. allein" (Ait. 1, 1, 1); —
„Dieses Brahnian ist ohne Früheres und ohne Späteres, ohne Inneres
^i5 ,. und ohne Äufseres; diese Seele ist 'das Brahman, das I allver-
„ni^hmende" (Rrih. 2, 5, 19); — „Brahmau allein ist jenes Unsterb-
„licho im Osten, [Brahman im Westen, Brahmau im Süden und
„im Norden I" {Mund. 2, 2, 1}), — Wenn man die unverkenn-
bare Übereinstimmung beachtet, mit welcher sich Stellen wie
diese auf die Naturwosenheit des Brahman beziehen, so ist es un-
möglich, ihnen einen andren Zweck unterzulegen, wenn man nicht
den Fehler begehen will, was dasteht anfser Acht zu lassen und
ihm was nicht dasteht unterzuschieben. Auch ist es nicht zu er-
weisen, dafs diese Vedantaworte den Zweck haben, über die
Natur des Handelnden, der Gottheiten u. s. w. zu be-
iehren. Denn wenn die Schrift sagt: „[wo aber einem alles zum
„eigenen Selbste geworden ist, . . .] wie sollte er da irgend wen
„sehen?" u. s. w. (Brih. 2, 4, 14), so hebt sie damit die Werke,
die Thäter und die Belohnungen derselben auf. Auch folgt daraus,
dafs es sich um die Naturbestimmung eines wirklich vorhandenen
Gegenstandes handelt, noch nicht, dafs derselbe in den Be-
reich der Sinneswahrnehmung und der übrigen [weltlichen
Erkenntnismittel] gehören müsse. Denn Worte wie „das bist du*^
(Ch2^nd. 6, 8, 7), welche lehren, dafs die Seele Brahman ist, können
ohne den Schnflkanon nicht erkannt werden. Wenn aber be-
hauptet wurde, dafs, wo es sich nicht um ein zu Meidendes oder
zu Thuendes handele, eine Unterweisung zwecklos sei, so ist
dieser Einwurf nicht zutreffend. Denn gerade dadurch, dafs man
die Seele als das allem Meiden und Thun enthobene Brahman
(Tkennt, wird man frei von aller Not und des Endzweckes des
56 Menschen teilhaftig. | Anders steht es, wo es sich um eine Be-
lehrung Ober die Gottheiten [des Opferknltus] u. s. w. handelt.
Eine solche ist olme Widerspruch auch da möglich, wo eine an
die betreffende Stelle geknüpfte Verehrung den eigentlichen Zweck
bildet. Nicht aber [lies: natu] kann in dieser Weise das Brahman
im Gefolge einer Vorschrift der Verehrung vorkommen. Denn wo
[wie bei Brahman] nur eine Einheit besteht, da fallt alles Meiden
und Thun fort, und das ganze Bewufstsein der Zweiheit von Werk,
Thäter u. s. w. wird zunichte. Denn nachdem das Bewufstsein
der Zweiheit durch die Erkenntnis der Einheit des Brahman auf-
gehoben worden, kann es nicht wieder Platz greifen, etwa in der
Art, dafs ein Zugehörigsein zu Vorschriften der Verehrung in
07 Bi'zug auf das Bnihman behauptet würde. | Wenn auch im übrigen
bi^treffs der Vedatexte ein Hichtschuursein derselben ohne Zusam-
mophung mit den Ritualvorschriften nicht zu konstatieren ist, so
ist doch, weil die Erkenntnis des Ätman das letzterreichbare Ziel
SOtram I. i. 4. 17
ist. dem auf sie gerichteten Teile des Schrifikanons die Beweis-
kraft nicht abzusprechen. Und diese Beweiskraft des Schriftkanons
beruht nicht etwa auf einer blofsen Folgerung, so dafs sie noch
anderweitiger Belege aur Stütze bedürfte. — Somit ist bewiesen,
dafs der Schriftkanon den Erkenntnisgrund för das Brahman
ausmacht.
Da aber stehen andere gegen uns auf und sagen: ^wenn auch
^das Brahman seine Bewahrung in dem Schriftkanon hat, so wird
'doch das Brahman nur deswegen von dem Kanon gelehrt.
*weil es in den Bereich der Verehrungen Und der Vor-
^schriften gehört; so wie ja auch über Opferpfosten, Opferfener
und andere nicht weltliche Dinge Ton dem Kanon Belehrung er-
^teilt wird, weil sie zu den Yorschriften mitgehören. | Warum dieses? 58
'Weil der Sehrifikanon nur den Zweck hat, zu Handlungen anzu»
'treiben und tou ihnen abzuhalten. Denn also heifst es bei den
'Schriftkundigen: ,, ersichtlich ist ja dessen Zweck, nämlich über
'„die Werke Belehrung*' ; auch bedeutet ja das Wort „Aufforderung"
'(rodanä) die Antreibung zu einer That. Und eben zur Erkennt-
'nis desselben [was als Pflicht gefordert wird] dient die Unter-
'Weisung. Auch heifst es: „die dabei vorkommenden [Begriffe]
%, werden zugleich mit einem [imperativen] Verbalbegriffe vorge-
%, bracht^* (Jaim. 1,1,2^), und: „dieweil der Zweck der heiligen
'„Lehre | die Werke aind, so ist zwecklos, was diesem Zweck nicht d9
S,di»mt" (Jaim. 1, 2, 1). Somit hat der Schriftkanon seinen Zweck
'darin, dafs er den Mensich en zu gewissen Dingen antreibt und von
'gewissen Dingen abhält, und nur als Ergänzung dazu schliefst
'sich Weiteres an. Weil nun die Vedäntateicte mit ihm [dem
'übrigen Kanon} von gleicher Art sind, so mufs man annehmen,
'dafs auch sie demselben Zwecke dienen. Steht aber die Vor-
'schrift als Zweck fest, so folgt, dafs, ebenso wie für den^ der nach
'himmlischem Lohne u. s. w. begehrt, das Feueropfer u s. w. als
'Mittel befohlen wird, ebenso auch für den, welcher nach Uusterb-
'lichkeit begehrt, die Erkenntnis des Brahman befohlen wird.' —
Aber wurde nicht oben gesagt, dafs dabei doch eine Wesensver-
schiedenheit des zu Erforschenden statthat, sofern es .jiofa im
Werkteile des Veda uni die Erforschung einer zukünftigen Pflicht
handelt, hier hingegen um das schon bestehende und ewig vor-
handene Brahman? Mufs somit nicht angenommen werden, dafs
von der Frucht der P^rkenntnis der Pflicht, welche erst erfiüllt
werden soll, die Frucht der Erkenntnis i^.es Brahman wesensver-
schieden ist? — 'Dies braucht nicht angenommen zu werden-,
'denn nur w^eil es mit einer zu erfüllenden Vorschrift verknüpft
'ist, wird das Brahman überhaupt gelehrt. Denn wenn es heifst
*„den Ätman fürwahr roU man sehen" (Brih.- 2, 4, 5); — „der
'„Atman, der | vom Übel fiei ist, . . . den soll man erforschen, den 60
'„soll man suchen zu erkennen" (Chänd. 8, 7, 1); — „darum soll
18 Qftrtraka-mlfliltnsft
'„man ihn allein als den Atman verehren". (Bfih. 1,4,7); — ,,den
S,Ätman allein soll mau als die Welt verehren." (Brih. 1, 4, 16);
^ — »wer Brahman kennt, der wird seihst zu Brahman". [frei nach
*Mund. .% 2, 9], — so sind das Vorschriften, auf Grund deren sich
'die PVage erheht, wer denn dieser Atman, dieses Brahman, sei?
'und als Antwort unternehmen es alle Vedäntatextb , seine Natur
'darzulegen^ indem sie ihn als das ewige, allwissende, allgegen-
'wärtige, ewig bedürfnislose, ewig reine, weise, freie Wesen, als
'„die Erkenntnis, die Wonne, das Brahman" (Brih. ;5, 9, 28) u. s. w.
'schildern. Und als die aus seiner Verehrung erfolgende Frucht
'kann die nur aus dem Schriftkanon, nicht durch Sinneswahr-
'nehmung erkennbare Erlösung angesehen werden. Wollte man
^lingegen das Bralunan nicht zu den zu erfüllenden Vorschriften
'rechnen, so dafs dabei nur die Erklärung des Gegenstandes und
'kein Thun oder Meiden stattfände, so würden die Vedantaworte
'solchen Sätzen wie „die Erde besteht aus sieben Weltteilen" oder
'„der König kommt" vergleichbar und wie sie zwecklos sein/ —
Aber könnte nicht auch bei der blofseii Erklärung eines Gegen-
standes, z.B. wenii es heifst „dieses hier ist ein Strick und keine
„Schlange" ein Zweck bestehen, nämlich die Beseitigung der durch
den Irrtum erzeugten Furcht? Könnte nicht ebenso hier bei der
Erklärung des Wesens des von der Seelenwanderung freien Atman
ein Zweck bestehen, nämlich die Beseitigung des Irrtums, als oh
die Seele eine wandernde sei? — 'Dem möchte so sein, wenn,
'ebenso wie die Wahnvorstellung der Schlange nach Erklärung des
'Wesens des Strickes, so auch die Wahnvorstellung der Seelen-
' Wanderung durch die blofse Erklärung der Natur dos Brahman
'beseitigt würde. Nun aber wird dieselbe nicht beseitigt, denn
'auch an dem, welchem das Brahman mitgeteilt worden ist, zeigen
61 'sich ebenso gut wie vorher | Lust, Schmerz und die übrigen der
'Seele im Stande der Wanderung zukommenden Eigenschaften.
'Und auch wenn es heilst: „ihn soll man höreu, soll man verstehen
'„soll man überdenken" (Bnh. 2, 4, 5), so folgt daraus, dafs auch
'in der auf das Hören folgenden Zeit ein Vorstehen und Cberdcn-
'ken des Atman noch zu betreiben ist. Somit hat man anzunehmen,
'dafs das Brahman nur darum von dem Schriftkauou gelehit wird,
'weil es in den Bereich der Verehrungen und der Vorschriften
'gehört.'
Auf diese Einwendung antworten wir, dafs dem nicht so
ist, und zwar, weil zwischen den Werken und dem Brah-
man, sowohl was das Wissen um dieselben, als auch was
die beiderseitige Frucht desselben betrifft, Wesensver-
schiedenheit besteht. Nämlich, unter dem Namen Pfliclit
begreift man gewisse aus der Schrift und Smriti h^^kanute, in
Werken, Worten und Gedanken bestehende Leistungen, deren
Erfor.««chung durch das Buch, welches anfangt mit den Worten:
Sfttram I. i. 4. 19
„Nunmehr daher die Pflichtforschung" (Jaim. 1, 1, 1) u. s. w. in .
Sütra's gefafst wurde; und ebenso war in demselben das Gegen-
teil der Pflicht, das Unrecht u. s. w., da auch das Verbot den
Charakter der Aufforderung hat, zu erforschen, damit man es ver-
miede; und als Frucht dieser beiden, welche den Charakter der
Aufforderung . tragen und Heil und Unheil bewirken , der Pflicht
und der Yers^ündigung, liegen zu Tage Lust und Leid, wie sie
gleichfalls in That-eii, Worten und Gedanken empfunden werden,
aus der Verbindung der Sinne mit den Sinnesobjekten resultieren
und von Brahman [inusc, mythologisch personificiert] an abwärts
[durch die Menschen- und Tiei^welt hindurch] bis hinein in die
Pflanzenwelt sich erstrecken. Hierbei herrscht, nach der Schrift-
ofl:enbamng, unter den verkörperten ^ Seelen vom menschlichen
Dasein aufwärts bis zum Brahman hin | ein Mehr oder Minder ß^
von Lust, aus welcliem auf ein Mehr oder Minder von geübter
Pflicht als Ursache zu schliefsen ist. Aus diesem Mehr oder Min-
der der geübten Pflicht läfst sich weiter zurückschliefsen auf ein
Mehr oder Minder des Betraut-worden-seins [mit dem Opferwerke],
und dieses Mehr oder Minder des Betrautseins wiederum ist be-
kanntlich abhängig von der Bedürftigkeit, der Würdigkeit und
andern Bedingungen. Hierbei gelangen diejenigen, welche zwar
auch nur das Opferwork u. s. w. betreiben, jedoch durch Wissen
und Meditatioh sich dabei auszeichnen, auf dem nordwärts führen-
den Pfade [dem Deva/yäna, Götterwege] ins Jenseits; diejenigen
hingegen, welche nur Opfer, fromme Werke und Almosen [ohne
Wissen und Meditation] geübt haben, gehen durch den Rauch [des
Leichenfeuers] u. s. w. den südlichen Weg [den J^itriyäna, Väter-
weg; vgl. über beide Wege die Abschnitte III, 1 und IV, ;ij; und
auch für diesen letztem Weg ergiebt sich ein Mehr oder Minder
von Lust, sowie ein Mehr oder Minder der sie bedingenden Mittel
[der Werkthätigkeit] aus Schriftstellen wie: „Nachdem sie daselbst
„verweilt haben, solange ein Kest bleibt" u. s. w. (Chand. 5, 10, 16).
ICbenso wird von der Menschenwelt abwärts bis hinein in die
Hölle und in die Pflanzenwelt jedes Teilchen von Lust | nur be- 63
wirkt durch Erfüllung der vom Gebote vorgeschriebenen Pflicht,
^o dafs auch hier ein Mehr oder Minder stattfindet. In ähnlicher
Weise läfst sich daraus, dafs die empörgestiegenen und herab-
gesunkenen verkörperten Seelen ein Mehr oder Minder von Schmerz
•:deiden, schliefsen auf ein Mehr oder Minder der ihn bedingenden,
durch Unterlassungsgebote gekennzeichneten ijbertretungen und
solcher, welche sie begangen haben. In dieser Weise wird für
diejenigen, welche noch mit den Schwächen des Nichtwissens u. s. w.
behaftet sind,- ein Mehr oder Minder von Tugend und Untugend,
ein durch sie bedingtes Knipfaugen eines bestimmten Leibes und
ein aus ihm folgendes, zeitweiliges Mehr oder Minder von Lust
und Schmerz, wie e» naturgemäA* der Wanderung der Seele zu-
20 gfcrtraka-zntmlöflft
kommt, nach den Lehren der Schrift und Sm;*iti allgemein nnge-
nommen. Und dem entsprechend sagt die Schrift: „denn weil er
„bek(Vrpert ist, ist keine AWehr möglich der Lnst und des
„ Schmerzes*' (Ghfl^d. 8, 12, 1). Mit diesen Worten char/^kterisiert
sie die Natur der Seelenwanderung so wie sie oben angegeben
wurde. Dann aber fahrt sie fort: „den Körperlosen aber berühren
„Lust und Schmers nicht" (Chänd. 8, 12, 1). Indem die Schrift
in diesen Worten dem Körperlosen ein Berührtwerdenkön-
nen durch Lust und Schmerz abspricht, so folgt, dafs sie
für seinen körperlosen, Erlösung genannten, Zustand die Bewirk-
barkeit durch eine auf Befehl geübte Pflicht in Abrede stellt.
Denn wo es sieh um die Wirkungen von Pflichtgeboten liandelt,
da läfst sich ein Berührt werden durch Lust und Schmerz [als
Wirkungen der erfüllten oder verletzten Pflicht] unmöglich in
Abrede stellen. Behauptet ihr, dafs die Körperlosigkeit eben
eine Folge der Pflichterfüllung sei, so bestreiten wir das,
und zwar, weil die Körperlosigkeit der ursprüngliche Zu-
64 stand [der Seele] ist. j Denn es heifst (Kfttb. 2, 22):
„Den Körperlosen in den Körpern,
„Den Dauernden im Wechselnden,
„Den grofsen, weiten Geist, wer diesen
„Als Weiser kennt, der leidet nicht; ^
— tJ^er odemlose, wünschelose, lichte^' (Mun^. 2, 1, 2); — „denn
„diesem Geiste haftet nichts an" (Bfih. 4, 3, 15). Aus Schrift-
stellen wie diesen ergiebt sich, dafs jener, „Erlösung" genannte.
Zustand der Körperlosigkeit von der Frucht der Pflichterfüllung
wesensverschieden y und dafs er ein ewiger ist« Mag immerhin
sonst auch dasjenige ewig genannt werden, was sich nur unmerk-
lich ändert, in der Art, dafs, welche Wandlungen auch daran vor
sich gehen, doch die Erkenntnis, dafs es dieselbe Sache wie vor-
her sei, nicht umgestofsen wird, — wie z. B. die Erde u. s. w. in
der Meinung derer, welche die Welt für ewig halten, oder wie
die 6una*8 der Sänkhyaphilosophen, — hier handelt es sich [nicht
um ein solches, sondern] um das absolut reale, allerhabene, ewige,
wie der Äther alldurohdringende, von aller Veränderung freie,
allgenugsame, unteilbare, sich selbst als Licht dienende Sein; und
dieses körperlose Sein, in welchem weder Gutes noch Böses, noch
eine Wirkung, noch die Dreiheit der Zeiten statthaben, dieses
heifst die Erlösung;
„Tom Guten frei nnd frei vom Bösen,
„Von ürsach' und von Wirkung frei,
„Frei von Vergangoem und Ziikünftgem ",
wie die Schrift (Käth. 2, 14) sagt. Darum ist er [der Zustand
65 der Erlösung] eben jenes Brahman, dessen Erforschung | hier aur
Sütram I. i. 4. 21
Sprache gebracht wurde. Wäre das Brahman als ein Bestandteil
der Pflicfatlehre zu betrachten, und würde somit die Erlösung
als etwas aufzufassen sein, was sich durch irgendein
Thun verwirklichen liefse, so würde sie nicht ewig sein;
denn die Erlösung wäre in diesem Falle nur ein besonders hoher
Grad der erwähnten Werkfrüchte, welche in einem Mehr oder
Minder bestehen und vergänglich ' sind. Dafs aber die Erlösung
ein Ewiges ist, das wird von allen, die überhaupt eine Erlösung
lehren, angenommen. Es- ist somit unberechtigt, die Belehrung
über das Brahman als einen Teil der Pfiichtlehre zu betrachten.
Auch heifst es: „wer Brahman erkennt, [ wird ztr Brahman" 66
(Mupd. 3, 2, 9); — „zunichte werden dessen Werke, der jenes
„Höchst' und Tiefste schaut" (Mund. 2, 2, 8); — „wer dieses Brah-
„ man' Wonne kennt, dem macht es alle Angst verschwinden" (Taitt.
2, 9); — „o Janaka, du hast den Frieden erlangt" (Bfih. 4, 2, 4);
— „dieses wufste allein sich selbst; und es erkannte: «ich bin
„Brahman 1»; dadurch ward es zu diesem Weltall" (Bfih. 1,4, 10);
— „wo wäre Irrtum, wo Kummer für einen' der die Einheit schaut?"
(Iga 7); — diese und andere Schriftstellen beweisen, dafs sofort
auf di^ Erkenntnis des Brahman die Erlösung erfolgt,
und gestatten nicht, eine andere Wirkung, die dazwischen läge,
anzunehmen. Und auch die - Stelle : „dieses erkennend hub Yäma-
,,deva, der Riahi, an: «ich war einst Manu, ich war einst die
„Sonne»'' (ßrih. 1,4,10), — läfst sich zum Beweise dafar an-
ftihren; dafs zwischen dem Scheuen des Brahman und dem Werden
zur Seele des Weltalls nichts zu Vollbringendes in der Mitte
liegt; ähnlich wie, wenn man sagt: „er steht und singt", zwischen
dem Stehen und dßm Singen keine andere Wirkung, die letzteres
bewirkte, zwisehenliegt. Femer, wenn es heifst: „denn du bist
„unser Vater, der du uns aus unserm | Nichtwissen zu dem Jen- 67
„seitigen Ufer hipüberführst" (Pra^na 6, 8); — „denn ich habe
„von solchen, die dir gleichen, gehört, dafs, wer den Atman kennt,
„über den Kummer hinaus ist; ich aber, o Herr, bin bekümmert;
„führe du mich hinaus über den Kummer" (Chänd. 7, 1, 3), und
wie es nachher heifst: „so zeigte ihm, dessen Verdunkelung ge-
„wichen war, das Ufer jenseit der Finsternis der heilige Sanat-
„kumära'' (Chänd. 7, 26, 2), — so beweisen Schriftstellen dieser
Art, dafs die Frucht der Erkenntnis des Atman nur darin be-
steht, dafs die Hemmnisse der Erlösung zunichte wer-
den; und dafür spricht auch das von dem Lehrer [Gotama] voraus-
geschickte und durch die [ganze, nachfolgende] Nyäya- Lehre be-
stätigte Sütram: „indem von Schmerz, Geburt, Tbätigkeit, Sünde,
„Irrtum durch Schwinden des jedesmal folgenden das unmittelbar
„vorhergehende schwindet, erfolgt die Erlösung'* (Nyaya-sütra 1,1» 2);
I das Schwinden des Irrtums aber wird bewirkt durch die Er- 66
kenntnis der Einheit des Brahman und der Seele. Dies^
22 r^'äi'iraka-inimilkusll
ErkenntDis der Einheit von Brahman und Seele ist nicht etwa
eine blofRe Parallelsetzung, wie sie z. B. Htatthat in den
Worten: „denn unendlich ist das Manas, unendlich sind die Vi^ve
„dev&h, unendlich ist die Welt, die er durch dieses erwirbf*
(Brih. 3,1,9); sie ist auch keine symbolische Yorstellungs-
weise, etwa wie wenn in den Worten: ^als Brahmaii soll man
„das Manas Terehren" (Chänd. 3, 18, 1), „als Brahman lehre man
„die Sonne begreifen^^ (Chand. 3, 19, 1), auf Manas und Soune die
symbolische Yorstellungswoi^e derselben aU Brahman übertragen
wird" weiter ist sie auch nicht veranlafst durch die An-
schickunrg zu einem bestimmten Thun [ab wäre Brahman
z. B. nur darum die Seele, weil er das Wachstum des Leibes be-
förderte], etwa wie es heifst: „wahrlich, der Wind ist der an sich
„Raffer** [der übrigen Elemente beim Weltuntergang, Chand. 4, 3, 1],
„wahrlich der Lebenshauch ist der an sich Kaffer" [der Leibes-
organe im Schlafe) Chand. 4, 3, 2] ; sie ist endlich auch nicht, etwa
wie das Beschauen des Opferschmalzes [durch die Gattin ' des
Opferbringers] eine zii den Werken gehörige, besondere Art
der Weihe. Wäre nämlich die Erkenntnis der Einheit von
Brahman und Seele nur aufzufassen als eine Art Parallelsetzung
69 u. s. w., I so würde bei Stellen wie: „das bist du" (Chand. 6, 8, 7);
— „ich bin Brahman" (Brih. 1, 4, 10); — „diese Seele ist das
„Brahman" (Brih. 2, 6, 19), die Verknüpfung der W^orte, welche
die Einheit von Brahman und Seele als eine Thatsache aussprechen
will, uicht zu ihrem Rechte kommen. Auch würde das. was als
Frucht der Vernichtung des Nichtwissens verheifsen wird in der
Stelle „dem spaltet sich des Herzens Knoten, dem lösen alle
„Zweifel sich" (Mund. 2,2,8), sich nicht [mit einer blofs figür-
lichen Gleichsetzung von Brahman und Seele] , vertragen. Endlich
würden auch Stellen wie „wer das Brahman erkennt, wird zu
„Brahman" (Mund. 3, 2, 9), welche einen Übergang in das Sein
des Brahman ausdrücken, bei Annahme einer blofseu Parallel-
seizung u. s. w. nicht vollständig zutreffen. Somit ergicbt stich,
dafs die Erkenntnis der Einheit von Brahman und Seele nicht
eine blofse Art der Parallelsetzung u. s. w. ist. — Hieraus folgt,
dafs das Erkennen des Brahman nicht von irgend einer Thä-
tigkeit des Menschen abhängig ist, sondern vielmehr, ge-
rade so wie die Erkenntnis eines Gegenstandes, der in den Bereich
der Sinneswahrnehmung und der übrigen Erkeimtnismittel gehört,
abhängig ist lediglich von dem Gegenstande selbst.
Da dem t;o ist, so kann das Brahman oder auch die Erkennt-
nis desselben auf keine Weise unter den Begriff eines
Bewirkbaren gebracht werden. Und auch dadurch nicht, dafs
man es als eine Wirkung der Thätigkeit de» Erkennen»
70 auffafst, läfst sich | Brahman unter den Begriff eines Bewirkbaren
bringen. Denn durch Worte wie: „verschieden isVs von allem,
Sütram I. i. 4. 23
,,wa8 wir kennen, und. höher als das Unbekannte auch'^ (Kena 1, 3)
wird seine Bewirkbarkeit durch eine Thätigkeit des Erkennens *
verneint; sowie auch durch die Stelle: „durch welchen er dieses
alles erkennt, wie sollte er den erkennen?" (Brih. 2, 4, 14). —
Ebenso unstatthaft' aber ist es weiter, die Erkeiintnis Braliman*s
als eine Wirkung der Thätigkeit de» Verehrens aufzu-
fassen. Denn nachdem in den Worten.: „was unaussprechlich durch
„das Wort , wodurch das Wort aussprechlich wird " (Kena 1 , 4)
hervorgehoben worden, dafs Brahman überhaupt kein Objekt [der
Erkenntnis oder der Verehrung] sei, so heifst es weiter: „das
„i^oUst du wissen als das Brahman, nicht jenes, was man dort
„verehrt."
Meint ihi , wenn Brahman kein Objekt sei , so sei auch das
„Grundsein des Schriftkanons" für dasselbe unmöglich, so gebeu
wir das nicht zu. Denn der Schriftkanon hat nur den Zweck,
dafs er die von dem Nichtwissen aufgestellte Trennung [zwischen
Brahman und Seele] aufhebt. Der Schriftkanon nämlich verfolgt
keineswegs die Absicht, das Brahman als ein so und so beschaffe-
nes Objekt hinzustellen, sondeni er lehrt vielmehr, dafs das
Brahman unser inneres Selbst' und darum kein Objekt
ist, und in diesem Sinne ist er bemülit, die von dem Nichtwissen
aufgeatellte Spaltung in Subjekt des Wissens, Objekt des Wissens
und Wissen zu beseitigen. Darum sagt der Kanon: „wer nicht
„begreift, nur der begreift es, und wer begreift, der weifs es nicht;
„nicht erkannt vom Erkennenden, erkannt vom Niphterkennenden"
(Kena 2, ll);x — und: „nicht | sehen kannst du den Seher des 71
„Sehens, nicht hören kannst du den Hörer des Hörens, . . . nicht
„erkennen kannst du den Erkenner des ^kennens" u. s. w. (Brih.
3, 4, 2).
Die Erlösung besteht also nur darin, dafs das von dem Nicht-
wissen behauptete Wanderersein der Seele vernichtet und dadurch
die Natur der Seele als des ewigen und freien Wesens erkannt
wird. Bei dieser Auffassung der Erlösung kann man nicht ein-
wenden, dafs dieselbe dadurch zu etwas Vergänglichem werde.
Wer hingegen die Erlösung ansieht als etwas Bewirkbares,
der mufs sie folgerichtigerweise betrachten als bedingt durch
Wirkungen von Gedanken, WorteTi oder Werken; und ebenso steht
68, wenn man sie als eine Umwandlung auffafst; in beiden Fällen
aber folgt unweigerlich, dafs die Erlösung etwas Vergängliches ist.
Denn die Erfahrung zeigt, dafs weder die Produkte einer Um-
wandlung, wie z. B. saure Milch, noch die Produkte einer Wirkung,
wie z. B. Gef^fso, ewig .sind. Und auch in dem Sinne ist nicht
an eine Wirkung zu denken, dafs die Erlösung ein zu Er-
langendes wäre; denn da sie als das eigentliche Wesen des
eignen Selbstes bereits besteht, so braucht sie nicht erst erlangt
zu werden. Und wenn das Brahman auch unser eignes [indivi-
24 ^"ArirakA-iiiimansa
dueiies] W^sen überragt, so ist es darum- doch nicbt etwas, was
' erst erlangt werden müfste. Denn wegen seiner Allgegenwari ist
das Brahman, ähnlicli wie der Raum, von solcher Art, dafs es
von jedem immer schon thatsächlich besessen wird.
Aber auch insofern ist die Erlösung durch kein Tlmn bedingt,
als sie durch [moralische] Besserung (aaiiiskdra) nicht
erreichbar ist. Denn alle Besserung geschieht an dem zu
Bessernden durch Zulegung von Tugenden oder Ablegung von
Fehlern. Durch Zulegung von Tugenden kommt Erlösung nicbt
zu Stande; denn sie besteht in der Identität (svarüpatvam) mit
72 dem keiner Zulegung von Vollkommenheit fähigen Brahman; | und
ebensowenig durch Ablegung von Fehlern: denn das Brahman,
in der Identit&t mit welchem die Erlösung besteht, ist ein ewig
reines Wesen. — *Aber wenn sonach die Erlösung nur eine Be-
*schaffenhcit (dharma) des eignen Selbstes ist, nur dafs dieselbe
^uns verborgen bleibt, kann sie nicht dadurch sichtbar gemacht
'werden, dafs man das Selbst durch eigne Thätigkeit läutert, ebenso
Svie der Glanz als Beschaffenheit des Spiegels dadurch, dafs man
'denselben durch die Thätigkeit des Putzens reinigt?' — Das geht
nicht an, weil das Selbst {uinian) kein Objekt der Thätigkeit sein
kann. Denn eine Thätigkeit kann sich nicht anders verwii-klichen,
als indem sie das Objekt, auf welches sie sich bezieht, verändert.
Würde nun das Selbst, der Ätman, durch eine Thätigkeit verän-
dert, 80 wäre er nieht ewig, und Worte wie „unwandelbar wird
„er genannt'' (ßhag. G. 2, 25) wären unrichtig, was nicht annehm-
bar ist. Folglich kann es keine Thätigkeit geben,' die sich auf
das Selbst als Objekt bezieht; bezieht sie sich aber auf ein andres
Objekt, so wird eben das Selbst nicht von ihr betroffen und folg-
lich auch nicht gebessert. — 'Aber lehrt nicht die Erfaliiiing,
'dafs durch Thätigkeiten, welche sich auf den Leib beziehen, durch
'Waschen, Mundausspülen, Tragen der Opferschnur u. s. w., auch
'die Seele als Träger des Leibes geläutert wird?' — Mit uichten!
sondern dasjenigOi was dabei geläutert wird, ist nur das aus Loib
u. 8. w. zusammengesetzte, von dem Nichtwissen angenommene
Selbst. Denn dafs Waschungen, Mundausspülen und dergleichen
vom Leibe unabtrennbar sind, lehrt der Augenschein; und liieraus
folgt, dafs durch derartige, den Leib zur Voraussetzung habende
fCeremonien] nur ein gewisses, aus ihm bestehendes und vom
73 Nichtwissen als das Selbst aufgcfafstes [loh] geläutei-t wird. | So wie
nämlich mittels der auf den Leib bezüglichen Heilkunst das Gleich-
gewicht unter den Körperstoffen hergestellt und hierdurch für das-
jenige, welches aus ihnen zusammengesetzt ist und als sie gilt,
die Frucht der Gesundheit erzielt wird und zwar in Bezug auf
dasjenige, von welchem der Satz ,.ich bin gesund" gilt, ebenso
beziehen sich Waschungen, Mundausspülen, Tragen der Opferschnur
und derartige Verrichtungen auf die Läutejivng desjenigen , wovon
Sütnun L 1. 4. 25
der Satz gilt „ich bin rein, bin geläutertes ud<^ d*9 ^^^ ^^^ ^^s
durch den Leib bedingte [individuelle Ich]. Denn nur aus diesem,
ans dem das Ich-Bewufstsein bewirkenden und zugleich das Objekt
der Ich -Vorstellung bildenden [individuellen] Bewurstseinstrftger
gehen alle Werke hervor, und er allein ist es, welcher auch ihre
Fracht genicfst. Denn es heiXst in einem Liedverse der Schrift:
„der eine ilst die süfse Beere, der andre schaut nicht essend zu''
(Mund. 3, 1, 1); — und femer: „aus Manas, Sinnen und dem
„Leib verbunden, benennen «den Geuiefser» ihn die Weisen"
(Käth. 3, 4). — X Hingegen wenn es heifst (Qvet. 6, 11):
„Der eine Gott in allen Wesen weilend,
,^ Durchdringend alle, aller innere Seele,
„Des Werks Aufseher, alles Sein erfüllend,
„Zuschauer, reiner Geist, | bestimmnngsloser" ; 74
— sowie auch (t^k 8):
„Alloberall weilt £r, als reines Wesen,
„Als leiblos, unverwundbar uud gelenklos,
„Als lauter und von Übel unbetroffen '^, —
so beweisen diese beiden Yersstellen, dafs das Brahman eine kei-
ner Steigerung fähige Übersohwenglichkeit, und dafs es eine un-
wandelbare Reinheit besitzt. Die Erlösung aber ist das Sein als
Brahman. Folglich ist auch die Erlösung nicht durch eine Läute-
rung zu vollbringen. Und deshalb kann auch kein Mensch irgend
eine sonstige Möglichkeit ausfindig machen, die Werke in die
Erlösung hereinzubringen. Somitsteht fest, dafs nur und
allein die Erkenntnis, und im übrigen keine Spur von
Werken hierher gehört und zulässig ist.
'Aber ist nicht auch die Erkenntnis eine That des
'Geistes?* — Mit nichten! weil sie von einer solchen wesentlich
verschieden ist. Denn eine That nehmen wir da an, wo es sich
nicht um die Naturbeschafifenheit eines Dinges handelt, sondern
vielmehr etwas befohlen wird, und dieses von der intellektuellen
Bethätigung des Menschen abhängig ist. So, wenn es heifst: „die
„Gottheit, für welche | man die Opfergabe bereitet hat, an die 75
„ denke man, wenn man den Opferruf sprechen will" (Ait. Br. 3, 8, 1),
und: „während der Dämmerung soll man im Geiste meditieren",
— so findet zwar auch in derartigen Fällen ein Meditieren, d. h.
ein geistiges Denken statt, aber dasst^lbe kann doch von dem
Menschen vollzogen werden oder nicht vollzogen werden oder au-
dsis vollzogen werden, weil es eben von dem Menschen abhängig
if<t. Die Erkenntnis hingegen wird erzeugt durch einen Beweis,
und der Beweis bezieht sich auf einen wirklich vorhandenen Gegen-
stand; darum, kann man von der Erkenntnis nicht sagen, dafs sie
vollzogen werden, oder nicht vollzogen werden, oder anders voll-
26 - Q:\ri raka-mimäiisi)i
zogen werden könne; 'vielmehr ist Bio nur abhängig vun dem
Gegenstande allein; dieser- aber ist weder von einer Auffurderung
noch von einem Menschen abhängig; und darunr besteht, wiewolil
auch die Erkenntnis ein geistiges Thun ist, doch ein grof^er
Unterschied. Und wenn es z. 13. heifst: „der Mann fürwahr, o
,)Gautama, ist ein Fener;** — „das Weib fürwahr, o Gautama,
„ist ein Feuer'* (Chäud. 5, 7, 1. 8, 1), so ist hier das Auffassen
des WtiibeS und des Mannes als ein Feuer zwar ein intellektueller
Akt, aber weil derselbe durch eine blofse Aufforderung veraulafst
wird, so ist es ein blofses Werk und darum vom Menjicheu ab-
hängig. Hingegen wo es sich darum handelt, das wirkliche Fouer
als Feuer aufzufassen, da ist die Erkenntnis des Feuers nicht von
einer Auffordeioing abhängig, noch atich von einem Mcnbchcn ab-
hängig, sondern sie ist abhängig allein von dem zur Sinneswahr-
nehmuiig gehörigen Gegenstände, und darum ist sie eine blofse
Erkenntnis und kein Werk; und ebenso hat es mit allen Gegen-
76 ständen, die ein Objekt de^ Beweises s«ind, j seino Bewandtnis.
l)a dem so ist, so folgt, dufs auch die auf das als Seele schon
wirklich vorhandene Brahman bezügliche Erkenntnis nicht von
einer Aufforderung nbhängig ist. Darum werden alle auf
dasselbe bezüglichen Impeiative, auch wenn si^ aus der Schrift
stammen, weil der Gegenstand ein nicht befehlbarer ist, au ihm
ebenso stumpf wie die Schneide eines Schermessers an einem Steine,
und zwar, weil sie sich auf einen Gegenstand beziehen, welcher
keinem Thun und Lassen ui. erworfcn ist.
'Aber welchen Sinn haben dann solche Worte wie: „den Aiiuan
*„färwahr soll man sehen, soll, man höi*en" (Brih. 2,4,5), welche
*dach dem x\nscheine nach eine Vorschrift enthalten?' —
Wir antworten: sie haben den Zweck, von den Gegenständen d^T
natürlichen Bestrebungen abzuwenden. Denn der den Aufsendingen
nachstrebende Mensch geht von dem Grundsatze aus: „ich will
„das Erwünschte erlangen, das Nichterwünschtc meiden;'* und auf
diesem Wege kann er das letzte Ziel des Menschen nicht eri'eichen.
Um nun denjenigen, der das letzte Ziel des Menschen zu erreichen
})egehrt, von der Sphäre der natürlichen, dem. Aggregate tler
Wirkungh. Organe [d. h. dem Leibe] eignen Bestrebungen abzuwen-
77 den | und ihn der Sti'ömung nach auf die innere Seele hinzulenken,
dazu dienen solche Worte wie: „den Atman fürwahr soll man
„ sehen " u. s. w.^ (Bph. 2,4, 5). Nachdem er aber auf die Er-
forschung des Atman [d. h. seines eignen Selbstes] hingewendet
worden ist, .so wird ihm die weder ablehnbare noch bewirkbaro
Wesenheit des Atman (Selbstes) aufgezeigt in Worten wie: „dieses
„ist das Weltall, was «liose Seele ist'' (Brih. 2, 4 , 6) ; — „wo aber
„einem alles zum eignen Selbste geworden ist, wie sollte er da
„irgendwen sohen, . . . irgendwcn erkennen, , . . wie sollte er
„den Erkenuer erkennen?'* (Brih. 4, 5, 15); — „diese Seele ist
Sütram I. i. 4. 27
„das Brahman" (Brih. 2, 5, 10), u. s. w. — Wenn ihr behauptet,
dafd die Erkenntnis des Ätman nicht unter die Rubrik der Pflicht-
vorschriften gehöre, weil sie sich ebensowenig vermeiden wie be-
wirken labse, 60 ist das ganz und gar auch unsere Meinung. Denn
dat« ist eben unsere Krone und unser Stobs, dafs, nachdem die
Erkenntnis der Seele als des Brahman erfolgt ist, alle Pflichtvor-
schriften ein Ende haben und ein Zustand der Verwirklichung
aller Zwecke eintritt. Und so sagt auch die Schrift (B|rih. 4, 4, 12):
*
„Wer als den Ätman sich erfafst hat in Gedanken,
„Wie mag der wünschen noch, dem Leibe nachzukra&ken!^'
und die Smriti lehrt (Bhag. G. 15, 20):
„Wer dieses weifs, der ist der wahrhaft Weise,
„Der hat, o Bh&raia, das Ziel erreicht.*^
Darum kann das Brahman weder \inter den Gegenständeu der
Verehrung noch unter denen der Vorschrift mitbefafst werden.
Wenn femer von einigen [den Anhängern des Prabh&kara]
behauptet wird, ^aufser den Vorschriften des Gebotes und Verbotes
'und dem, was als Anhang zu ihnen gehöre, sei eine Abteilung
*des Veda, welche nur der Erklärung eines Gegenstandes
'diente, nicht vorhanden,' so geben wir das nicht zu; denn
der von den Upanishad's gelehrte Geist | gehört nicht als Anhang 78
zu einem andern Teile. Denn der nur aus den Upanishad's zu .
erkennende, der Wanderung nicht tinterworfene Geist, das Brahman,
ist von der vierfachen Substanz [vgl. Sutram 3,1, 20] , wie sie
dem Entstehen u. s. w. unterworfen ist, wesensverschieden, bildet
seine eigne Abteilung und gehört nicht als Anhang ku einer
andern. Auch kann man nicht von ihm behaupten, dafs er nicht
sei oder nicht erreichbar sei: denn die Schrift in den Worten:
„er aber, der Atman, ist^ nicht so und ist nicht so" (Bf ih. 3, 9, 26),
bezeichnet ihn als den Atman (das Selbst), das eigne Selbst aber
kann man nicht leugnen. — 'Aber, wenn der Atman der Gegen-
'stand dos Selbstbewufstseins ist, ist es dann nicht nnstatt-
'haft, zu behaupten, dafs er nur aus den Upanishad's
'erkannt werden könne V* — Doch nicht! Vielmehr liegt die
Antwort auf diese Einvendung darin, dafs er ein [blofser] Zu-
schauer (säkshin) ist. Denn nicht läfst sich über die handelnde
Seele, welche Objekt des Selbstbewufstseins ist, hinaus derjenige,
4er als ihr Zuschauer in allen Wesen wohnt, der mit sich iden-
tische, eine, allerhöchste, ewige Geist aus dem Werkteile des Veda
oder aas irgend einem Systeme der Reflexion von irgend jemandem
erkennen, obgleich er das Selbst von allem ist; darum aber läfst
er sich auch von niemandem | leugnen oder zd einer Beigabe des 79
Werkteiles verdrehen; denn wer ihn leugnet, eben dessen Seele
28 Qärtraka-miinänB&
ist er; und gerade weil er die Seele von allem ist, darum kann
man ihn weder Üiehen noch auch suchen. Denn alles, was ▼ergeht,
ist durch Umwandlung entstanden und vergeht, indem es sein
Ende findet in dem Geiste; der Geist aber ist, weil keine Ursache
des Vergehens da ist, unvergänglich, und weil keine Ursache der
Veränderung da ist, darum ist er der allerhabene und ewige, und
darum eben seiner Katur nach ewig rein und frei [oder erlöst].
Darum heifst es (Kätli. 3, 11):
«
„Über dea Geist ist nichts erhabeu,
„£r ist Endziel nud höchster Gang";
— „nach diesem von den Upanishad's gelehrten Geiste frage ich
.,dich" (Brih. 3, 9, 26); — diese Bezeichnung des Geistee als „des
„von den Upanishad's gelehrten^' ist nur dann zutreffend, wenn
er in den Upanishad*s als deren eigentlicher Gegenstand dargelegt
wird. Somit beruht die obige Behauptung, dafs es keinen Teil
des Veda gebe, der sich auf einen fertJg vorhandenen Gegenstand
bezöge, auf einer blofsen Übereilung.
Was ferner die Berufung auf die Kenner des Sinnes der
Schiiftlehre betrifft, wenn sie z. B. sagen: „ersichtlich ist ja dessen
„Zweck, nämlich über die Werke Belehrung", so ist festzuhalten,
60 dafs dieses Wort sich auf die Pflichtforschung bezieht, | mithin
nur von dem Teile des Kanon zu verstehen ist, welcher von Ge-
- boten und Verboten handelt; und wenn es ferner bei ihnen heifst:
„dieweil der Zweck der heüigen Lehre die Werke sind, so ist
„zwecklos, was diesem Zweck nicht dient*^ (Jaim. 1, 2, 1), so würde
freilich aus diesem Worte, wenn man es in strengem Sinne ver-
stehen wollte, folgen, dafs die Unterweisung über ein wirklich
Vorhandenes zwecklos wäre ; aber wenn nun doch der Schriftkanon,
abgesehen von den Vorschriften der Gebote und Verbote und dem
was zu ihnen gehört, auch noch über ein wirklich Vorhandenes
Belehrung erteilt, mit welchem Rechte schliefst man aus seiner
Abzweckung auf das, was sein soll, dafs er nicht auch Belehrung
erteilen könne über die allerhabene und ewige Natur dessen.
Hl was ist? I Und eine Belehi*ung über das, was ist, ist doch kein
Werkgebot. — 'Aber wenn das, was ist, auch kein Werkgebot ist,
*so kann es doch als Hülfsmittel bei einem Werkgebote dienen,
<und somit würde die Belehrung über das, was ist, doch immer
'das Werkgebot als Zweck haben.' — Diese Einwendung trifft
nicht zu. Gewifs ist das Werkgebot der Zweck, und doch wird
die Belehrung erteilt über das Wesen, welches die Kraft besitzt,
das Werkgebot aufzuheben. Daffe Aber das Werkgebot der Zweck
ist, diis gerade veranlafst diesjc Belehrung. Und damit, dafs dem
ibo ist, bleibt die Belehrung über jenes Wesen um nichts weniger
Belehrung. — ^\be^ diese Belehrui^g zugegeben, was hast du denn
Sütram 1. l 4. 29
'von ihr [da sie doch nicht zu Werken führt] ? ' — Wir antworten ;
gerade so [wie mit der Belehrung zum Zwecke der Werke] ver-
hält es sich auch mit der Belehrung über das Wesen des [vorher]
unbekannten Atman. N&mlich durch ihre Erlangung wird die
falsche Erkenntnis^ welche die Ursache der Seelenwanderung ist,
zunichte, und hierin liegt der Grund für diese Belehrung; sie
hat daher ebenso gut ihren Zweck wie eine Belehrung über Dinge,
die als Mittel zu den Werken dienen. — Und auch sonst kommt
es ja vor, dafs eine Belehrung erteilt wird über ein blofs passives
Verhalten, z. B. wenn es heifst: ,, einen Brahmunen soll man nicht
tüten." Hier ist weder TOn einem Werke noch von einem Mittel
zu Werken die Rede. | Wäre die . Unterweisung über alles , WaR 82
nicht dem Zwecke der Werke dient, zwecklos, so würde folgen,
dafd solche Anweisungen zu einem i^assiven Verhalten, wie diese:
«.einen Brahmanen soll man nicht töten'S zwecklo» wären, und das
könnt ihr selbst nicht wollen. Und das kann man dcch auch
nicht behaupten, dafs durch blofse Anhängung , der Negationspar-
tikel an das in seinem natürlichen Sinne genommene Wort „töten^^
eine noch nicht vollbrachte [noch zu vollbringende] Handlung
bezweckt werde, mit Ausnahme des passiven Verhaltens, welchef»
in der Enthaltung von der Handlung des Tötens liegt. Denn
das ist der natürliche Sinn der Negationspartikel, dafs sie | ein 83
Nichtsein dessen, womit sie verbunden ist, zu verstehen gieht, und
die Erkenntnis dieses Nichtseins [d. h. Nichtsein soll ens] wird zur
Ursache eines passiven Verhaltens und kommt, dem Feuer ähnlich,
w-enn kein Brennstoff da ist, aus sich selbst zum Erlöschen. Es
ist somit nur ein passives Verhalten in Betreff der in Rede
stehenden That, was wir als Sinn solcher Verbote wie: „einen
Brahmanen soll man nicht töten*^ erkennen, zum Unterschiede von
dem Zeugungsgelübde u. a. [welche zwar auch der Form nach
negativ sind, jedoch ein positives Verhalten involvieren]. Folglich
ist anzunehmen, dafs jeuer Ausspnich [Jaimini*s] von „der Zweck-
„losigkeit** auf das [im Vedanta gelehrte] Ziel des Menschv^n keine
Anwendung findet | und sich nur auf Legenden und sonstige [in 84
den Br&hmana's vorkommende] Erklärungen vorhandener Sachen
b(izicht.
Wenn weiter behauptet wurde, dafs die Erklärung einer
blofsen Sache ohne Verwendung derselben für ein zu
erfüllendes Gebot zwecklos sei, wie Sätze von der Art wie:
„die Erde besteht aus sieben Weltteilen^*, so ist das schon abge-
wiesen worden. Denn auch wo es sich um die Erklärung einer
blofsen Sache handelt, wie in dem Satze: „dieses ist ein Strick
„und keine Schlange", ist der Zweck ersichtlich. — 'Aber wurde
^nicbt bereits darauf hingewiesen, dafs eine solche Zweckraäfsigkeit
Vic bei der Belehrung über die Natuj* des Strickes hier nicht
^vorliegt, indem auch bei demjenigen, welchem das Brahnian
30. (^&rlraka-mlm&n8&
'mitgeteilt worden ist, der Zustand der Seeleiiwanderung
*so wie vorher fortdauert?' — Darauf antworten wir: Man
darf nicht behaupten, dafs für den, welcher erkannt hat, dafs die
Seele Braliman ist, der Satfisära wie bisher fortbestehe, weil er
mit dem Brahmaiisein der Seele in Widerspruch st^^ht. Denn weil
die Eiiahrung zeigt, wie derjenige, welcher in dem Wahne lebt,
der Leib n. s. w. sei das Selbst, dem Schmerz, der Furcht und
andern [Affekten | unterworfen ist, darum folgt noch nicht, dafs
ebenderselbe, nachdtnn er auf Grund der Autorität des Veda sein
Selbst als das Brahman erkannt und dadurch jenen Wahn ver-
nichtet hat, auch noch weiterhin den auf falscher Erkenntnis be<
ruhenden [Affekten] dos Schmerzes, der Furcht u. s. w. unterwor-
fen bleibe. Denn wenn die Erfahrung z. B. lehrt, dafs ein rei-
cher Hausherr, der dem Wahne des Reichtums huldigt, über den
Verlust seines Reichtum« Schmerz empfindet, so folgt daraus nicht,
dafs eben derselbe, nachdem er, [dem brahmanischen Brauche ge-
mäfs, im Alter als Vi^naprastha] in den Wald gezogen ist und
sich von dem Wahne des Reichtums befreit hat, ebenso wie vor-
her noch über den Verlust dos Reichtums Schmerz empfinde. Und
wenn einer, der Ohninge trägt, an der Vorstellung, Ohrringe zu
tragen, Lust empfindet, so kommt für ebendenselben, nachdem er
sich der Ohrringe entäufsert hat und von der > Vorstellung, sie zu
tragen, frei geworden ist, doch auch jene aus dem Tragen der
Ohrringe cntspringondo Lust in Wegfall. Dies meint die Schrift,
wenn sie sagt: „AVahrlich, das Unkorperliche wird von Lust und
„Schmerz nicht berührt" (('hand. ft, 12, 1). Behauptet ihr, dafs
erst nach Hinfall des Körp(!rs die Unkörperlichkeit er-
85 langt werde, nicht bei Lebenszeiten, | so geben wir dies nicht
zu, weil die Behiiftung mit dem Körper [nur] auf der falschen
Erkenntnis boruht. Denn das Behaftetseiu des Selbstes mit einem
Körper läfst sich gar nicht ander« begreifen, als indem man es
auffafst nls eine irrige Ej*knniiinia, entspringend aus dem Wahne,
als bestände das Selbst in dem liOibe. Denn wir haben gezeigt,
dafs [für das Selbst | der Zustand der Körperlosigkeit ein ewiger
int, und zwar, weil er nicht durch Werke bedingt wird [nur was
zur Frucht der Werke gehört, ist vergänglich], l^hauptet ihr
etwa, A'äi'fi die Körperlichkeit die Folge der von ihm [dem
körperlosen AtmanJ vollbrach tcrn guten und bösen Werke
sei, so bcr^troHcn wir das; denn weil seine Verbindung mit dem
Leibe unwahr ist, deswegen ist auch die Behauptung, dafs der
Ätman Gates und Böses gethan habe, unwahr. Denn die Be-
hauptungen, dafs er mit einem Körper behaftet sei, und dafs er
venuittelst desselben gute und böse Werke vollbracht habe, stützen
sich wechselseitig immer eine auf die andre [bilden einen circuiu^i
vitiüsus], und folglich ist die Behauptung einer Anfanglosigkeit
[jene«? wochselsr iticen Sichl)pdingenrv| eine blofse Kette von lanter
Sfttram r. i. 4. 31
blinden Gliedern; denn eine Behoftnng des Atman mit Werken
ist unmüglicH, weil ein Thätersein von ihm ausgeBchloasen i^t. —
^iber vidleicht benteiit sein Thätersein, ähnlich wie bei Königen
*uud dergleichen, in .seinem biornen Zugegensein V * — Auch da.s geht
nicht an. | Denn liei Königen und dergleichen ist ein derartiges 86
Thäteryein niöglifch zufolge ihres auf 8pendung d^s Unterhaltes u. s. w.
bernlienden Verbundenseins mit den Dienern; iji Betreff des Atman
hingegen lufst sich nichts antifindig machen, was, wie dort die
Spendung des Unterhaltes u. s. w., eine Verbindung desscilbeu mit
den Leibcsgliedern als ihres Herrn verursachen könnte; vielmehr
ist die Ursache dieser Verbindung offenbar, nämlich, dafs sie auf
einem falschen Wahne beruht. Hiermit . ist auch schon die Mei*
nung abgefertigt, als »ei es der. Atman, welcher die Opfer [durch
die Leibesorgane als seine Diener] veranstalte.
Nun könnte man sagen: ^dafs man den dem Selbste angehörigen
*Leib u. 8. w. für das von I^eib u. s. w. verschiedene Selbst (atman)
^ansieht, das ist eine uneigentliche, aber nicht eine falsche
'Auffassung.' Aber dem ist nicht so; denn Un eigentlichkeit und
Eigejitlichkeit der Auffassung kommen nur da in Frage, wo zwei
Dinge von anerkannter Verschiedenheit vorliegen. Ist nämlich die
Verschiedenheit der beiden Dinge anerkannt, — wie denn z. B.
ein andres diejenige, mit Mähneu u. s. w. ausgestattete, nach ihren
allgemeinen und besondern Merkmalen speciell bestimmte Gestalt
ist, welcher Name und Vorstellung eines Löwen im eigentlichen
Sinne zukommen, und ein andres ein Mann, der mit den ^e.wöhn-
licheu Eigenschaften des Löwen, mit (.ürausamkeit, Heldenmut u. s. w.
begabt ist, -- so sind .bei einem solchen Manne Name und Vor-
stellung eines Löwen uneigentlich zu nehmen; hingegen wo es
sich nicht um zwei anerkaimt verschiedene Dinge handelt, da sind
Name und Vorstellung des einen, wenn sie dem andern zugeschrie-
ben werden, zurückzuführen auf einen Irrtum und nicht als un-
eigentlich anzusehen. So wenig man es daher als eine uneigent-
liche Auffassung bezeichnen wird, wenn einer in anbrechender
Dunkelheit auf einen Baumstamm, dessen Unterscheidungsmerk-
male als Baumstamm er nicht wahrgenommen, Namen und Vor-
stellung eines Menrfchen übei^rägt, oder wenn einer auf die Perl-
mutter ohne weiteres, indem er sie für Silber hält, dessen be-
stimmte Benemmng und Vorstellung überträgt, | ebensowenig kann 87
es eine nneigt*ntliche Auffassung genannt werden, wenn einer auf
das Aggregat von Leib und [Organen | unbedachterweise und 'infolge
einer mangelnden Unterscheidung zwischen dem, was das Selbst,
und dem, was nicht das Selbst ist, den Namen und die Vor-
stellung des „Ich" überträgt. Und selbst von Gelehrten, welche
den Unti'rscliied zwischen dem Selbste und dem, was nicht das
Selbst ist, kennen, werden [im praktischen Gebrauche] Naipe und
Vorstellung derselben so wenig auseinandergehalten wie von Ziegen-
32 v^^^^^°)^n^^Ä9^
und Schafhirten. — Aus ät^xa (i-esagten crgiebt sich, dafs von ftllen
denjenigen, welche überhaupt die Existenz eines über den Leib
u. 8. w. hiuausliegenden Selbstes annehmen, die Vorstellung, als
sei der Leib u. a. w. das Ich, nicht als eine aneigentliche, sondern
als eine falsche anzusehen ist. Folglich beraht das Behafletsein
Wt dem Körper nur anf einer falschen Vorstellung, und damit
ist bewiesen, dafs der Wissende schon bei Lebzeiten kör-
jp erlös ist. Und dem entsprechend sagt eine auf den Brahman-
wissenden bezügliche Schriftstelle: „wie eine Schlangenhaut tot
„und abgeworfen auf einem Ameisenhaufen liegt, also liegt dann
^,dieser Körper; aber das Körperlose, das Unsterbliche, das Leben
„ist lauter Brahman, ist Uuter Licht" (Brih. 4, 4, 7); und: ;,mit
„Augen, als wäre er ohne Augen, mit Ohren, als wäre er ohne
„Ohren, mit Rede, als wäre er ohne Rede, mit Manas, als wäre
„er ohne Münas, mit Leben, als wäre er ohjie Leben"; und auch
. die Smriti zeigt in der Stelle: „Was ist das Wesen des im Wissen
„Festen?", u. s. w. (Bhag. G, 2, 54), wo sie die Merkmale des in
der Erkenntnis feststehenden Wissenden aufzählt, wie er von allem
Thun und Treiben entbunden ist. — Somit besteht für den, wel-
cher das ßrahmansein der Seele erkannt hat, das Wanderersein
derselben nicht wie vordem weiter, und bei wem das Wanderersein
88 noch wie vordem weiter besteht, | der hat ebeix^noch nicht erkannt,
dafs die Seele das Brahman ist; das ist gewifs.
Wenn endlich noch behauptet wurde, dafs das Brahman zu
der Abteilung von den Vorschriften gehören müsse, und dafs die
Bestimmung seiner Natur nicht Selbstzweck sein könne, weil
(Brih. 2.4, 5). auch nach erfolgtem Hören noch weiterliin
ein Meditieren und Erforschen desselben gefordert
werde, so bestreiten wir das, indem [an der betreflFenden Stelle]
das Meditieren und Erforschen nur ein Erkennen bedeuten. Ja,
wenn das erkannte Brahman noch zu einem anderweitigen Zwecke
in Anwendung gebracht würde, so möchte seine Zugehörigkeit zu
den Vorschriften ihre Richtigkeit haben; dem aber ist nicht so,
weil das Meditieren und Erforschen [keine weiteren /wecke bilden,
simdem| ebenso wie das Hören nur ein Erkennen bedeuten.
Somit steht fest, dafs das Brahman nicht als ein
Gegenstand der Verehrung oder der Vorschrift vom
Schriftkanon gelehrt wird, dafs somit das Brahman um
seiner selbst willen vom Schriftkanon gelehrt wird; und
89 dieses wird erwiesen | aus „der Übereinstimmung" der
Vedantatexte.
Da dem so iet, so ist es berechtigt, dafs [im Anschlüsse an
die Sutra's der Karma-mimänsa} mit den Worten „Nunmehr daher
„die Brahmanforschung" (Sütram 1, 1, 1), ein [neues] Lehrbuch
beginnt. Wäre der Zweck Verehrung oder Vorschrift, so würde,
nachdem angefang'^n worden war: „Nunmehr daher die Pflicht-
SAtram 1. i. 4. 3-J
„foiv^churigV (Jaim. 1, 1, 1), kein neues Lehrbach mehr anzufangen
sein; <lenn in dieBem Falle würde noch einmal angefangen werden
wap schon angefangen war; es würde dann nur heif^en dürfen:
„Niinmehr daher die übrige Pflichtforschiing'*, ähnlich wie es [bei
/ainiini 4, 1, 1] heifst: ,, Nunmehr daher die Forschung nach dem
,,Z wecke des Opfers und dem Zwecke des Menschen/' Weil aber
vi»^lmehr die Erkenntnis der Einheit von Brahman und Seele [bei
Jaintini] noch nicht als Thema angekündigt wurde, so ist es in
Ordnung, dafs mit den Wort-en: „Nunmehr daher die Brahman-
,,forschung'^ ein neues, diesem Zwecke dienendes Lehrbuch anhebt.
Somit wird durch die Erkenntnis: „ich bin Brahman" (Brih.
1>4,10) allen Ritualgesetzen und allen andern [d.h. weltlichen]
Erkennt nisioitteln ein Ende gemacht, denn nachdem die unfliehbare
und unsuchbare Erkenntnis des zweiheitlosen Atman eingetreten
ist, können, nach Aufhebung der Objekte wie des Subjekts der
Erkenntnis, die Erkenntnismittel nicht weiter bestehen. Und es
heifst ja [in dem Gedichte eines B rahman^yiss enden] :
„Nicht kann ouneigentUrh» der Atman heiPäen,
..Weil er den Wahn verdrängt, in Leib und Kindern
„Und Ähnlichem das eigne Selbst zu sehen.
„Wer sich erkannt hat als das Seiende,
„Wer sich als Brahman^ als den Atman weifs,
„Wie sollte dem ein Werk zu thun noch bleiben? —
„Bevor zum Wissen führt die Ätraanforsckung,
„Bestehet ein Erkennersein des Atman.
„Ist er orforseht, so bleibt nur der Erkeuner,
„Von Schuld und allen Mängeln frei, nichts weiter,
„lind wie der Wahn, als sei der Leib das Selbst,
„Erzeugt wird auf dem Wege des Beweises,
„So steht's mit aller weltlichen Beweiskunst.
,,Bei uns hingegen wurzelt der Beweis
„Nur in des eignen Selbstes Urgewifsheit*'
Fünftes Adhikarauam,
I Wir haben im Bisherigen auseinandergesetzt, wie die Yedantji- i><>
vrorte, indem sie den Zweck verfolgen, die Seele als das nrahmaa
zu lehren, und vermöge dieses Zweckes in der Aufi'ttb>?ung der
Seele als das Brahman übereinstimmen, bei der Darlegung des
Brahman srtehen bleiben, ohne dasselbe weiter zu irgend einer
Wirkung in Anwendung zu bringen. Das Brahman aber ist, wie
wir sagten, die allwissendr- -und alljuäclitige Ursache für Ursprung,
UKüsaaii, Vaäiato. 3
34 ClLrtraka-mlmiiÄs&
Bestand und Vergang der Welt. Die SänhJ^ä'B hingegen und
andre, in der Meinung, daOs [die Weltursache, als] ein wirklich vor-
handener Gegenstand, sich auch durch andre [d. h. weltliche] Erkennt-
91 nismittel | begreifen lassen müsse, geraten bei ihren Schlüssen auf
andre Weltursachen, wie z. B. auf die Urmaterie (pradhänam) n. & w.;
und in diesem Sinne legen sie dann auch die Yed&ntaworte ans.
'Auch in allen Yed&ntaworten aber% so meinen die SAtikhya^^f
^welche von der Weltschöpfung handelten, werde nur mittels
^Schlufsfolgerung aus der Wirkung auf die Ursache geschlossen,
'und was die Verbindungen der Urmaterie mit d,en Purusha*s [indi-
'yiduellen Seelen] betreffe, so würden dieselben [ganz ohne Offen-
'barung] lediglich durch Schlufsfolgerung erkannt\ — *- Die Anhänger
des Katfäda hingegen schliefsen auf Grund der nämlichen Schrift-
texte auf einen Gott (i^,vara) als die bewirkende Ursache und auf
die Atome als die inhärierende Ursache. Und so giebt es noch
andre Anhänger der Beflexion, welche sich auf den Schein von
Schriftworten und den Schein von Argumenten stützen und im
gegenwärtigen Falle ala die Vertreter der zu bekämpfenden Mei-
nung betrachtet werden können. Darum werden von dem der
Wortbedeutungen, Schriffctexte und Argumente kundigen Iielirer,
um zu beweisen, dafs die Vedäntatexte als Zweck die Erkenntnis
des Brahman haben, jene Aufstellungen von scheinbaren Schrift-
zeugnissen und Argumenten als gegnerische Meinung vorangestellt
und widerlegt.
Die 8äfMyä*B also, indem sie als die Ursache der Welt die
mit den drei Gutj^'s (Qualitäten) ausgestattete, ungeistige Urma-
92 terie (pr<idkänafn) \ ansehen, sagen wie folgt: 'Die Vedantatexte,
'von denen du behauptetest, dafs sie für* das allwissende und all-
'mächtige Brahman als Ursache der Welt Zeugnis ablegten, die
'lassen sich auch für die Ansitht, • dafs die Urmaterie die Ursache
^der Welt sei, verwenden. Eine Allmacht zunächst läfst. sich auch
'von der Urmaterie hinsichtlich dessen, was eine Umwandlung der-
'selben ist, annehmen; und ebenso läfst sich die Allwissenheit auf-
'recht halten. — Du willst wissen, wie? — Nun, was du unter
'Wissen verstehst, das ist nur eine Beschaffenheit des Satfvaw
'[einer der drei Guna'B der Urmaterie], denn die Smriti sagt:
'„das Sattvam bringt hervor das Wissen" (Bhag. G. 14, 17). Und
'mit dieser Beschaffenheit des Sattoam^ dem Wissen als Organ des
'Wirkens ausgerüstet, werden gewisse FurushiC» allwissend, nämlich
'die bekannten Yogin'%, Denn die Allwissenheit besteht nur in
'einem keiner Steigerung mehr f&higen Grade des Sattvam. Und
Won einem blofsen [der Urmaterie und ihrer Gund's entbehrenden]
^Purusha, welcher keine Organe des Wirkens besitzt und aus
'blofser Perception besteht, kann mau doch nicht behaupten, dafs
'er allwissend sei, oder auch nur, dafs er irgend etwas wisse.
Sütram I. i. 5. 35
'Die Urmaterie hingegen enth<, vermdg^ ihres Bestehens aus den
'drei Gu^a's, auch das die Ursache all^s Erkennens 'bildende Sat-
^toam im ürzastande in sich, und so kann anch der Urmaterie
'selbst, obwohl sie ein Ungeistiges ist, doch eine Allwissenheit in
'aneigenÜichom Sinne von den Ved&ntatexten zogescluieben werden.
'Und auch do, der du ein allwissendes Brahman annimmst, kiumst
'die ihm zugeschriebene Allwissenheit doch nur dahin Terstehan,
'dafs sie in einer blofsen F&higkeit, alles wissen zu können, be-
istehe ; denn das Brahman kann doch nicht so . gedacht werden,
'dafs es beständig ein auf alles bezügliches Erkennen tliatsächlich
'ausübte. Denn in diesem Falle, bei einer beständigen Ausübung
'des Erkennens, | Mrürde die Freiheit des Brahman in Betreff der d3
^Thätigkeit des Erkennens aufgehoben werden. Gebt ihr aber zu,
'dafs die Ausübung nicht beständig stattfinde, nun so wird bei
'einem Ruhen der Thätigkeit des Erkennens auch das Brahman
.'ruhen; dann aber folgt, dafs seine Allwissenheit nur in einer
^Fähigkeit, alles wissen zu können, besteht. — Hierzu kommt,
'dafs, nach deiner eignen Annahme, das Brahman vor der Welt«
'Schöpfung von allem dem, was zu einem Thun erforderlich ist,
'entblöfst ist. Und dafs auch ohne die Mittel des Erkennens,
'ohne Leib, Sinnesorgane u. s. w., von irgend jemandem eine Er-
'kenntnis zu Stande gebracht würde, das ist undenkbar. — End*
'lieh ist zu bemerken, dafb wohl die Urmaterie, weil sie ihrer
'Natur nach vielheitlich und somit, gleichwie Thon und dergleichen,
'einer Umwandlung fähig ist, zur Weltursache sich eignet, nicht
'aber das nnzusammengesetzte und seinem Wesen nach einheitliche
'Brahman.'
Gegen diese Behauptungen [der Srf/üb^^a's] ist das folgende
Sütram gerichtet :
5. iksJuiter na, oQahdam
wegen des Erwägens nicht; scliriftwidrig !
«
Es geht nicht an, für die von den Rankliyd'B als Ursache der
Welt aufgestellte ungeiritige Urmaterie in den Vedäntaworten eine
Stütze zu finden; denn dieselbe ist „Bchriftwidrig"; — inwiefern
Hchriftwidrig? „wegen des Erwägens"; d. h. weil die Weltursache
als einer, der erwägt, von der Schrift hingestellt wird. Wie das ?
Nun, weil es in ihr heifst: „Seiend nur, o Teurer, war dieses am
„Anfang, eines nur und ohne zweites"; und weiterhin: „dasselbige
„erwog: «ich will vieles sein, will mich fortpflanzen»; da schuf
„es das Feuei*" (Chänd. 6. 2); — diese Worte behaupten, dafs die
durch das Wort „dieses" bezeichnete, in Namen und Gestalten
ausgebreitete Welt vor ihrem Ursprünge nur als „das Seiende"
3*
36 C^&rlnka-iiilmlülksIL
Torhaadeo war, und Eeigen, wie eben dieses in Rede Stehende
nnd als „das Seiende^^ Bezeichnete nach vorhergehendem Erwägen
da« Feuer u. s. w. schnf. Und ebenso heifst es an einem andern
Orte: „Wahrlich diese Welt war au Anfang der Aiman allein; es
M „war nichts andres da, die Augen aufsuschlagen. | Er erwog: «ich will
„nun Welten schaffen»; da schuf er diese Welten** (Ait. 1, 1, 1);
— auch diese Worte besagen, dafs der Schöpfung ein Erwägen
vorangegangen sei. Und an einem andern Orte, wo die Bede ist
von dem „sechsehnteiligen Geiste^*, heifst es von ihm: „er erwog;
„da schnf er den Odem" (Pra^na 6, 3). Wenn das Sätram sagt:
„wegen des Erwägens*', so kommt es hierbei, ähnlich, wie wenn
es [bei Jaimini] heifst: „wegen des Opferns", auf den Sinn der
Wurzel, nicht auf die Wurzel (iksk) selbst an. Wenn es daher
heifst: „der alles kennt (jna) und alles weifs (vid)^ des Bufse
„ganz Erkenntnis ist, aus diesem ist Brahman [Hirai^paffarbha] ent-
„standen, Name, Gestalt und Nahrungskeim'* (Mu^d. 1, 1, 9), so.
kann man auch Worte wie diese, welche sich auf den allwissenden
Gott als die Ursache beziehen, zum Belege [des Sültram] anfUireii.
Wenn hingegen behauptet wurde, dafs auch die Urmaterie,
vermöge des Wissens als einer Beschaffenheit des SaUvam^ für
allwissend gelten könne, so geht dies nicht an; denn in dem Zu«
Stande als Urmaterie besteht, vermöge des [in ihm herrschenden
Gleichgewichts der [drei] Gtmä'B [Sattvatn, Bajas und Tatnas
das Wissen als eine Beschaffenheit des Saitvam noch nicht. —
* Aber wir sagten doch, dafs dieselbe vermöge der Fähigkeit, alles
*zu wissen, för allwissend gelten könne?' — Auch das geht nicht
an. Denn will man der Urmaterie, auf Grund der im Gleich-
gewichtsstande der Guna*% dem Satlvam einwohnenden Fähigkeit
95 des Wissens, eine Allwissenheit beilegen, nun, | so mufs man
ihr auch, auf Grund der dem Rajas und Tainas einwohnenden
Fähigkeit, das Wissen zu hemmen, zugleich ein eingeschränk-
tes Wissen beilegen. Hierzu kommt ^ dafs die blofse Funktion
des Sativam, ohne dafs .ihm ein [Purushu als] Zuschauer (säkshin)
zur Seite stünde, noch kein Wissen genannt werden kann. Die
Urmaterie aber kann, weil .ungtdstig, nicht den Zuschauer dabei
bilden. Folglich ist eine Allwissenheit der Urmaterie unmöglich.
Bei den Yoffin's hingegen ist, weil sie geistig sind, eine Allwissen-
heit, soweit sie in einem alles überragenden Grade [des Wissens]
besteht, möglich, daher man sich auf sie dabei nicht berufen dar!
Oder wollt ihr, dafs das „Erwägen*' der Urmaterie durch einen
[ihr einwohnenden Purusha als] Zuschauer bedingt sei, ähnlich wie
z. B. das Brennen der Eisenkugel durch das [sie durchglühende]
Feuer bedingt ist? In diesem Falle ist die Sache in Ordnung;
denn eben jenes [der Urmaterie als Zuschauer einwohnende Princip],
worauf das „Erwägen** derselben beruht, das ist das, im eigent-
lichen Sinne des Worts, allwissende Braliman als Ursache der Welt.
BAtnun I. i. 6. 37
Wenn hingegen behauptet wurde, dafa aach dem Brahman eine
Allwissenheit im eigentlichen Sinne nicht beigelegt werden könne,
weil bei einer fortwährenden Bethätigung des Erkennens die Frei-
heit hinsichtlich der Thatigkeit des Erkennens aufgehoben werde,
so wollen wir darauf antworten. Vorher aber müssen wir den
geehrten Gegner fragen, ob er wohl behaupten kann, dafs auch
bei Annahme einer fortwährenden Bethätigung des Erkennens der
Allwissenheit nicht [im strengsten Sinne] Genüge geleistet werde?
Was nämlich die Auffassung derselben als ein fortwährendes Wissen
betrifft, sofern dasselbe [blofs potentiell] im Stande ist, alle Ob-
jekte 2U beleuchten, so steht diese mit dem Begriff eines Allwissen-
den in Widerspruch. Denn da sie kein [wirklich] fortwährendes
Wissen ist, sofern sie manchmal erkennt und manchmal wieder
nicht, so ist selbst sie noch keine [wahre] Allwissenheit. Dieser
Fehler fUlt weg, wenn man [mit uns] eine ununterbrochene Fort-
dauer des [aktuellen] Erkennens annimmt. — ^Aber bei einer
^solchen ununterbrochenen Fortdauer des Erkennens läfst sich doch
'nicht die Freiheit [des Brahman] hinsichtlich des Erkennens auf-
brecht haltenl* — Das bestreiten wir, denn auch bei der wärmen-
den und leuchtenden Sonne läfst sich, obwohl sie ohne Unterlafs
wämat und leuchtet, doch von einer Freiheit derselben hinsichtlich
dieser Wirkungen reden. — 'Aber die Sonne wärmt und leuchtet
'doch nur darum, weil ein zu erwärmendes und zu erleuchtendes
'Objekt mit ihr yerbunden ist ; | für das Brahman hingegen besteht 9€
'vor der Weltschöpfung keine solche Verbindung mit einem Werke
*[d. h« Gegenstand] des Erkennens; daher der Vergleich nicht pafst.' .
- Wenn auch kein Werk [zu beleuchtender Gegenstand] vorhan-
den ist, so kann man doch sagen, die Sonne leuchte, und ihr somit
ein Thätersein beilegen. Ebenso geht es an, dafs dem Brahman,
selbst wenn kein Werk seines Erkennens vorhanden sein sollte,'
durch di? Worte: „dasselbige erwog'S ein Thätersein beigelegt wird;
daher dtr Vergleich nicht unpassend ist. Nun sind aber jene
Schriftstellen, die von einem Erwägen des Brahman reden, um so
mehr angemessen, als sie wirklich ein Werk des Brahman dabei
im Auge haben. — 'Aber was könnte das wohl für ein Werk sein,
'welches vor der Weltschöpfung für das Erkennen Gottes ein
'Objekt bilden könnte?' — Wir antworten: es sind die weder als
seiend noch als nicht -seiend definierbaren, noch nicht entfalteten,
zur Entfaltung drängenden Namen und Gestalten [der Sinnen weit].
Denn dasjenige, durch dessen Gnade, wie die Anhänger des Yoga-
Systems annehmen, auch die Yogin's ein anschauliches Wissen von
Vergangenem und Zukünftigem haben, um wie viel mehr mufs
diesem, nämlich dem ewigen reinen Gotte, ein auf Ursprung, Be-
stand und Vergang der Welt bezügliches, unaufhörliches Wissen
zugeschrieben werden!
8$ giilrAka-DiirainBft
Wenn weiter behauptet wurde, dafs vor der Weltschdpfung^
dem Brahman, ohne dafs es mit einem Leibe n. s. w. behaftet
w&re, ein Erwftgen nicht möglich sei, so h< auch das nicht gegen
97 das . Vorbemerkte Stand. | Ben^ wie def Sonne das Leuchten, so
kommt dem Brahman als ewige Wesensbeschaffenheit das Erkennen
su^ daher es keiner Organe des Erkennencr bedarf* Ja, bei der
im Nichtwissen befangenen, wandernden Seele mag das Entstdien
einer Erkenntnis durch den Leib u. s. w. bedingt sein, nicht aber
bei Gott, f&r welchen eine Ursache der Hemmung des Wissens
nicht l>esteht. Und dafs Gott keines Leibes u. s. w. bedarf, und
dafs sein Erkennen ohne jedes Hemmnis' vor sich geht, das be-
zeujßfen auch folgende beiden SchriftTerse (^et. 6, 8 und 3, 19):
„An ihm ist keine Wirkung, kein Organ;
„Nicht ist ihm jemand gleich noch ftberlegen.
„Sein höchstes Können geht nach allen Seiten,
„Ureigen ist ihm Wissen, Kraft und Wirken."*
„Ohn* H&nde greift er, ohne Fafse läuft er,
„Schaut ohne Augen und hört ohne Ohren;
„Er weifs was vifsbar, aber ihn weifo Niemand,
„Er keifst der grofse Geist, der allerhöchste."
08 I — 'Aber es giebt ja doch gar keine, eine Ursache der Hemmung
^des Wissens in sich enthaltende und von Gott verschiedene, wan-
^demde Seele; denn die Schrift sagt: „nicht giebt es aulser ihm
'„einen Sehenden, . . . nicht giebt es aufser ihm einen Erkennen-
'„den** (Brih. 3,7, 23); was soll es also heifseii, wenn behauptet
'wurde, dafs bei der wandernden Seele das Entstehen des Wissens
'an die Bedingung eines Leibes u. s. w. geknüpft sei, bei Gott
' 'hingegen nicht?* — Darauf antworten wir: allerdings giebt es
keine von Gott verschiedene, wandernde Seele; gleichwohl aber
nimmt man die Verbindung [des Ätman] mit den UpäähVn (Be-
stimmungen) des aus Leib u. s. w. bestehenden Aggregates an,
ähnlich wie die Verbindung des Raumes mit deii UpddhpB von
Töpfen, Krügen, Berghöhlen u. s. w. ; und durch sie zeigt sich der
Sprachgebrauch des gemeinen Lebens nach Wort und Vorstellung
bedingt, indem man von einer Höhlung des Topfes, des Kruges'
u. B. w. redet, wiewohl dieselben unabhängig vom Weltraum gar
nicht bestehen ; und hierdurch veranlafst kommt auch die falsche
Erkenntnis zum Vorschein, alß gebe es in dem Welträume einen
von ihm verschiedenen Raum innerhalb des Topfes. Ganz ebenso
steht es auch im vorliegenden Falle mit der falschen Erkenntnis,
als gebe es eine von Gott verschiedene, wandernde ^Seele^ und
dieser Irrtum wird bewirkt dadurch, dafs man [den Atman] von
seiner Verbindung mit den Upddhi^B des Aggregates von I^eib a. s. w.
nicht unterscheidet. Und so gewinnt es den Anschein, als wenn
Süiram I. i. 5. 39
das Seiende, numlicli das Solbat, in das Aggregat, von Leib u. s. w.,
welche utc^ht das Selbst sind, mit seiner Selbutheit eingegangen
wäre, I und zwar nur infolge einer jedesmal [bei jeder neuen t)9
Verkörperung] als Vorauesetsong vorli ergegangenen falsehen Er-
kenntnis. Steht aber einmal in dieser Weise das Wanderersein
[der Seele] als Voraussetzung fest, so ist als eine weitei*e Folge-
rung berechtigt, dafs das Erkenner- sein dieser wandernden Seele
durch den Leib u. s. w. bedingt ist.
Wenn endlich noch gesagt wurde, dafs man wohl die aus
vielerlei znsammengesetzte Urmaterio als Weltursache annehmen
könne, so wie den [aus vielen Teilen bestehenden] Thon [als Ur-
sache der Gef&fse], nicht aber das unzusammengescizte Hrahmau,
8o ist diese Einwendung damit schon beantwortet, dafs eine iTi^
materie schriftwidrig ist» Dafs man aber auch durch die blofso
Ueflexion das Brahman, nicht aber die Urmaterie und dergleichen,
als Weltnrsache einweisen kann, das wird der Autor weiter unten
ansführen, von der Steile an, wo es heifst: „nein! wegen Wesens-
„ Verschiedenheit von dieser [Welt]*' u. s. w. (Sütram 2, 1, 4).
— liier könnte man einwenden: *Wenn gesagt wurde, daft^
'die ungoistige Urmaterie nicht Ursache der Welt sein könne,
'weil die Schrift von einem „ Erwägen '' rede, so Iflfst sich das
^auch anders auffassen. Denn auch ein Ungeistiges wird in bild-
lichem Sinne als ein Geistiges vorgestellt, etwa wie man mit
'Bezug auf den bevorstehenden Einsturz eines Ufers sagt: „das
S,Ufer will eii^stürzen'^ ; hier wird das, wiewohl ungeistige, Ufer
4n bildlichem Sinne als ein geistiges vorgestellt. Pjbenso kann
*die, wiewohl ungeistige, Urmaterie, indem die Schöpfung aus der-
*selbcn bevorsteht, in bildlichciu Sinne als ein Geistiges vorgestellt
'und von ihr gesagt werden, dioKolbige „erwog'" (Chand. 6, 2, 3).
'Wie nämlich im Leben ein Mensch, dei ein geistig«- ist, nachdem
er gebadet und gcgcs8<m hat, orwilgt: „den Nachmittag will ich
S.ins Dorf fahren", und sodann dem entsprechend als Determinierter
'handelt. | -ebenso handelt auch die Urmaterie, indem sie in die \0<t
'Gestalten des Mahad u. s. w. eingeht, als Determinierte, und wird
'daher in bildlichem Sinne als ein Geistiges aufgcfafst.' -— Aber
mit welchem Kochte verläfst man den eigentlichen Sinn des Er-
wägens und nimmt den bildlichen an? — 'Deswciü^cn weil, wenn
'es weiter heifst: „dieses Feuer ei-wog", „dieses Wflsser erwog'-
'(Chand. 6,2,3. 4), auch Wasser und Feuor, wiewohl sie doch
'ungeistig sind, in bildlichem Sinne als ein Geistiges aufgefafst
*werden. Darum mufs man aucli da, wo von der Thätigkeii des
'Seienden die Kede ist, das Erwägen in bildlichem Sinne auffassen,
'weil doch einmal alles Reden [der Schrift] vorwiegend in Bildern
'sich bewegt.' —
Gegen diese Behauptung ist das folgende SiUram gerichtet:
6. gaunag cen? na! dtma-^bdät
bildlich, meint ihr? Nein! wegen des Wortes Atman.
Wenn behauptet viirde, dafa die ungeistige Urmaterie unter
dem Worte „das Seiende" (Ch&nd. 6, 2, 1) zu verstehen sei, und
dafB das ihr zugeschriebene „Erwägen" (Gh&nd. 6, 2, 3), ebenso
wie bei dem Wasser und Feuer, bildlich zu nehmen sei, so ist
das unzulässig. WaruniV „wegen des Wortes Atman." Denn
Tiachdem es zu Anfang hiefs (Ghaud. 6, 2, 1): „Seiend- nur, o Ten-
,,rer, war dieses am Anfang", und weiter „dasselbige erwog, . . .
„da schuf es das Feuer"; und nachdem die Schöpfiuig von Feuer,
Wasser und Nahrung berichtet worden ist, so werden jenes .vor-
erwähnte, erwägende „Seiende" und die Genannten, Feuer, Wasser
und Nahrung, unter der Benennung als (lottheiten zusanunengefafst,
worauf es hcifst: „jene Gottheit [das Seiende] erwog: «wohlan,
„ich will in diese drei Gottht^iton [Feuer, Wasser, Nalurung] mit
„diesem leb<'nden Atman [der individuellen Seele] eingehen und
„au^einanderbreiten Namen und Gestalten»" (Ghänd. 6, S, 2).
Wäre hier die ungeistige Urmaterie in bildlichem Sinne unter dem
Erwägenden zu verstehen, so mtifste man auf eben dies^be, ak
das in Rede Stehende, auch die Worte „diese Gottheit" u. s. w.
beziehen, und dann könnte die Gottheit nicht die individuelle
Seele (Jiva) als ilu-en Atman (ihr Selbst) bezeichnen. Denn das
Wort Jiva [individuelle, eigentlich: lebendige Seele] bedeutet den
geistigen Aufseher des Leibes und den Träger der Lebensorgane,
wie der Sprachgebrauch und die Etymologie [von jiv leben] be-
weist. Wie könnte dieser „der Atman" der ungeistigen Urmaterie
heifben? Denn Atman (Selbst) bedeutet ja die eigentliche Natur;
101 I die geistige individuelle Seele kann aber nicht die eigentliche
Natur der ungeistigen Urmaterie sein. Vielmehr mufs man hier
das Erwägende im eigentlichen Sinne auffassen als das geistige
Brahmau, denn bei diesem ist, wo es sich um die individuelle
Seele handelt, die ßezeiclmung derselben als der Atman (das Selbst)
des Bvahman zulässig. So wenn es heifst: „Was jenes Feine ist,
„dessen Wesens ist dieses Weltall, das ist das Reale, das ist der
„Atman, das bisl du, o ^vetaketu!" (Chänd. 6, 8, 7), so bezeichnet
hier die Schrift in den Worten „das ist der Atman" mit dem
Worte „Atman" das vorhererwahn l'eine als den Atman, \md
diesen weist sie in den Worten: „uas bist du, o Qvetaketu" als
die Seele (ä^mati) des geistigen (^vetaketu auf. Was hingegen das
Wasser und das Feuer betrifft, m» ergiebt sich ihre Ungeistigkeit
daraus, dafs sie Objekte sind, sowie aucli daraus, dafs sie bei der
AuseinanderbreitULig zu Namen und Gehtaltcn u. s. w. nur ah
Mittel 55nr Verwendung kommen, so dafs hier ijicht, wie dort durcli
S^^tram I. i. 6. 41
das Wort Atman, irgend ein Grund vorliegt, das ihnen zuge-
schriebene „Erwägen-*' im eigentlichen Sinne und nicht vielmehr,
wie bei dem Ufer [welchen einstürzen will] im übertragenen Sinne
ftufzufansen. Übrigens wird diesen beiden das Erwägen auch nur
mit Rücksicht darauf beigelegt, dafs sie von dem „Seiendeu^*
regiert werden, während hingegen bei dem „Seienden'^ das Erwä-
gen, wie bemerkt, wegen des Wortes Ätman nicht uneigentlich
aufgeCafst werden darf.
Hier konnte man [von Seiten der Säökhya's] einwenden: 'auch
^bei der ungeistigen | Urmaterie ist das Wort Ätman zulässig, so- 103
'fern sie es ist, welche [nach der Theorie der Sankhya's] alle
'Zwecke des Atman vei^wirklicht ; ähnlich wie ein Miuister, der alle
'Zwecke eines Monarchen verwirklicht, dessen Ätman (Selbst) ge-
^nannt werden kann, indem der Füret sagt: „Bhadraseua ist mein
'„Selbst [mein andres Ich]." Denn die Urmaterie ist, indem sie
'für den Purusha^ den Ätman [der Sankhyalehrc], sowohl- das üe-
*niefsen [der Frucht seiner Werke] als auch die Erlösung verwirk-
'lioht<, demselben ebenso behülflich, wie es dorn Fürsten in den
'Oeschttften des Kriegs und des Friedens der Minister ist. — Oder
'auch man kann sag^n, das eine Wort Ätman kann sich auf Gci-
'Rtiges und auch auf Ungeistiges beziehen, wie letzteres z. B. in
'den Ausdrücken „das Selbst der Elemente", „das Selbst der Sinne"
'geschieht; ähnlich wie ja auch das eine Wort „Licht" das Opfer
'[den Jpotishfoma] und das Brennen bezeic}inet. Mit welchem
'Rechte also behauptet man auf Grund des Wortes Ätman, dafs
'das Erwägen nicht im bildlichen Sinne verstanden werden könne ?^
Auf diese Einwendungen antwortet der Lehrer:
7. tan-nishthasya moksha-upade^t
weil von dem in ihm Stehenden Erlösung gelehrt wird.
Unmöglich kann die ungeistige Urmaterie auf das Wort Atman
gestützt werden. Denn die Schrift, nachdem sie (Chand. 6, 8, 7)
mit den Worten: „das ist die Seele (ätmany^ das vorerwähnte
Seiende, Feine wieder aufgenommen, zeigt durch die Worte: „das
,,bi8t du, o Qvetaketu!" von dem geistigen Qvetaketu, der erlöst
stehe und lehrt dann
die Erlösung erlange,
werden soll, dafs er in ihm [dem Atman
weiter, wie ein solcher [in ihm stehender
indem sie sagt: „ein Mann der hienieden einen Lehrer gefunden
„hat, ist sich bewufst: «diesem [Welttreiben] werde ich nur so
.,lange angehören, bis ich erlöst sein werde; darauf werde ich
„heimgehen»" (Chand. 6, 14, 2). Würde nämlich unter dem
Seienden die ungeistige Urmaterie verstanden, und auf sie mit
dem Worte „das bist du" verwiesen, so hiefse dieses so viel, als
42 ^4riraka-min\ftnsä
^ wenn dorn nach Erlösung verlangenden GoMttgeu gefragt würde:
,,du bist ein Ungeistiges"; dann aber würde der Kanon, der das
^ 103 Gegenteil versichert, | den Endzweck des Mentichen nicht förderp
und mithin ohne Autorität sein. Dem unfehlbaren Kanon aber die
^ Autorität absprechen, — das geht nicht. Und wenn der Kanon
f seine Autorität dazu benutzen wollte, lun dem Unwissenden, nach
Erlösung Suchenden, ein Ungeistiges, welches nicht Seele ist, als
die Seele aufzuzeigen, so würdo dieser, indem er sich in gläubigem
Vertrauen an diese Aiifl^sung der Seele, wie der Blinde an den
Kuhschwauz, hielte, die von ihr verschiedene [wahre] Seele nicht
kennen lernen; er würde somit den Weg zum Ilcile verfehlen und
in Unheil geraten. Wie daher der Kanon dem, der nach himm-
lischem Lohne u. h. w. begelirt, als Mittel hierzu das Feueropfer
u. B. w. der Wahrheit gemufs zu wissen giebt, so, mufs mtün an-
nehmen, giebt er auch dem, der nach Erlösung begehrt, in den
Worten: --„das ist die Seele, das bist du, o Qvetaketu*' (Chand. 6, 8, 7)
der Wahrheit gemäfs das Wesen des Atman (Seele) zu wissen.
Steht es so, dann hat es auch seine Richtigkeit mit dem Gleich-
nisse von der Freisprechung nach Anfassen der glühenden Axt
(Chand. 6, 16), durch welches gelehrt wird, dafs, wer die Wahr-
heit aussagt, zur Erlösung gelangt. Im andern Falle uämlidi,
wenn hier nur in uneigentlichem Sinne die Wesenheit der Seolu
als „das Seiende" gelehrt würde, so hätten wir es, älmlich wie in
Worten, wie: „ich bin der Hymnus, so soll er denken*' (Ait. är.
2, 1, 2, 6), mit einer blofsen Pitrallelsetzung zu thun, eine solchn
aber könnte nur vergänglichen Lohn bringen; daher sie keine An-
weisung zur Erlösung sein würde. Somit ist das Wort Atntau
von dem Seienden, dem Feinen, nicht in blofs bildlichem Sinne 7u
verstehen. — Anders ist es in dem Beispiele vom Minister. Ilitr
liegt die Verschiedenheit von Fürst und Minister vor Angen, und
darum kann [ohne Mifsverätündiiis zu besorgen | in dem Ausdrucke
,,Bhadrasqna ist mein Selbst" das Wort Selbst (dtmnn) in unoigent-
lichem Sinne gebraucht werden. Aber deswegen, weil ein Wort
104 irgendwo in bildlichem Sinne gebraucht wird, | ht man nicht be-
rechtigt, die Bildlichkeit auch da anzunehnion , wo das Wort zu
dem Beweise einer Sache dient; weil man sich sonst auf nichts
mehr verlassen könnte. — Wenn aber weiter behauptet wurde,
dafs das Wort „Atman*' eine gemeinschaftliche Bezeichnung für
(leistiges und Ungeistiges sei, so wie das W(nt „Licht'* für das
Opfer und das Brennen, so geben wir das nicht zu. weil eint*
solche Annahme zweier Bedeutungen gegen die Rege) ist. Somit
bezieht sich das Wort Atmun im eigentlichen Sinne nur auf Gei-
stiges und kann bei den Elementen u. s. w. nur, sofeni man sie
bildlich als ein Geistiges auffafst, angewendet werden in Aus-
drücken wie „das Selbst (dtman) der Elemente ^S „das Selbst der
„Sinne^^ Wäre aber auch das Wort Atman [für Geistiges und
SAtmm I. L 7. 43
ÜDgcUtiges] gemeinsam, so dürfte doch nicht, ohne eine [entspre*
chende] Titelüberschrift oder irgend ein dafür entscheidendes
Zttsatewort, beliebig die eine oder andere Bedeutung angenommen
werden. Im vorliegenden Falle nun liegt kein entscheidender -
Grund Tor, es auf Ungeistiges zu beziehen. Vielmehr ist die
Rede von dem als ein Erw&gendes erwähnten Seienden, und mit
diesem wird in Verbindung gesetst der geistige ^>vetaketu. Denn
dafs dem geistigen Qvetaketu nidit ein ungeistiges Selbst beige-
legt werden kann, haben wir bereits gesehen. Somit steht fest,
dafs das Wort Atman hier ein Geistiges bedeutet. Und auch das
Wort Licht bedeutet in der Anwendung des gewöhnlichen Lebenn
nur das Brennende und wird auf das Opfer nur angewendet wegen
seiner sur Erl&uterung herbeigezogenen Analogie mit dem Brennen-
den. Daher das Beispiel nicht pafst.
Eine andre Erklärung [von Sütram 6 — 7] geht dahin, dafs
schon im erstem Sütrar^i das Wort Atman durch Ausschliefaung
alles Denkens an eine Bildlichkeit oder [für Geistiges und Un-
geistiges] Gemeinsamkeit desselben | klargelegt werde, und dafs 105
fiodann in den Worten: „weil von dem in ihm Stehenden Erlösung
„gelehrt wird^^ ein selbständiger Grund für die Ablehnung der
Urmaterie als Weltursaohe folge.
Somit ist nicht die ungeistige Urmaterie unter dem „Seienden**
zu verstehen. Und warum weiter kann das „ Seiende '* nicht die
Urmaterie [der Sankhja's] sein? Antwort:
8. heyatvchavacamc ca
auch, weil ein Abgehen nicht befohlen wird.
Gesetzt, es wäre nur die nicht der Atman seiende Urmaterie,
welche unter dem „Seienden*' zu veratehen wäi'e und durch die
Worte: „das ist die Seele (Atman), das bist du" (Ch&nd. 6, 8, 7)
hier gelehrt würde, so würde die Schrift, da einer nach Anhören
dieser Unterweisung erst« was nicht Atman ist, kennen würde, ihn
hierbei nicht stehen lassen, sondern weiter, um den eigentlichen
Atman zu lehren, ein Abgehen davon befehlen. Ähnlicli wie einer,
wenn er die Arvndhali [einen kleinen Stern in der Nähe des
Siebengestims] zeigen will, zuerst auf einen gi'ufsen Stern, den er
nicht meint, als wäre dieser die Arundhati^ hinlenkt, dann aber
von demselben abgeht und die Ärundhati selbst zeigt, ebenso
würde die Schrift [in unserm Falle] sagen, dafs [das bisher Ge-
lehrte] noch nicht der Atman sei. So aber drückt sie sich keines-
wegs aus. I Vielmehr durch den ganzen sechsten Abschnitt [der 106
ChändostyO'üpanishad] bleibt sie dabei, den Atman nur als jenes
„Seiende" zu lehren. — Das Wort „auch" [im Sütram] hat den
-- --rv
44 ^&riraka-inlm&n3&
Zweck, Doch einen weitern Grund anzudeuten, nämlich, dafs das
gegebene V^csprechen unerfüllt bleiben würde [wenn das Seiende
nicht der Atman wäre]. Wenn auch ein Abgehen befohlen vrürde
[und somit der obige Grund wegfiele], so würde doch, [als ^in
damit nicht gehobenes Bedenken gegen die Auffassung des „Seien-
den" als Urmaterie] bestehen bleiben, dafs das gegebene Verspre-
chen unerfüllt bliebe. Denn es war [zu Anfang der Stelle] ver-
sprochen worden, dafs damit, dafs die Ursache erkannt würde,
alles [wegen seiner Identität mit der Ursache] erkannt worden
sein solle. Nämlich es hiefs (Chänd. 6, 1, 3 fg.): ,>Ha8t du denn
.,auch der Unterweisung nachgefragt, durch welche [auch] das
„Ungehörte ein [schon] Gehörtes, das Unverstandene ein Yerstan-
„denes, das Unerkannte ein Erkanntes wird? — Wie ist denn, o
„Ehrwüi-diger, diese Unterweisung? — Gleichwie, o Teurer, durch
„einen Thou klumpen alles, was aus Thon besteht, erkannt ist, auf
„Worten beruhend ist die Umwandlung, ein blofser Name, Thon
„nur ist es in Wahrheit, . . . also, o Teurer, ist diese Unterweisung."
107 I Gesetzt . nämlich, dafs durch die Erkenntnis der als das „Seiende"
aufzufassenden Urmaterie der Inbegriff der Welt der Objekte, de-
ren Ursache sie ist, erkannt wäre, — sei es unter Anbefehlung
eines Abgehens davon oder nicht [d. h. provisorisch oder definitiv],
— so würde damit doch nicht der Inbegriff der erkennenden und
geniefsenden Subjekte erkannt sein, weil diese keine blofse Um-
wandlung der Urmaterie sind.
Darum ist es unstatthaft, unter dem „Seienden" die Urmaterie
zu verstehen.- — Und warum weiter ist dies unstatthaft? Antwort:
9. sva-apyayät
wegen des Eingehens in sich.
In Bezug auf eben jene, unter dem „Seienden^* zu verstehende
Weltursache sagt die Schrift (Chand. 6, 8, 1): „wenn der Mensch
„schläft, so ist er eingegangen in das Seiende; weil er dabei in
„sich selbst eingegangen ist (svam apito bhavoH), darum
„hcifst es: er schläft (soapiii).^^ — Diese Schriftstelle will den
von dem Menschen [in einem gewissen Zustande] gebräuchlichen
Ausdruck svapiti „er schläft" erklären. Dabei ist unter dem
Worte svam (in sich selbst) der Atman zu verstehen, von dem als
„dem Seienden" vorher die Rede war. In' diesen ist [der Schla-
fende] apita. d. h. „er ist eingegangen". Die Wurzel i mit der
Präposition api bedeutet ein Vergehen, wie daraus zu ersehen,
dal's prabhava-apyapau für „das Entstehen und V^jrgehen" gebraucht
werden. Nämlich wenn die Seele, durch die vom l^fanas ausgehen-
den Upädhi'ß [d. h. durch die Sinnesorgane] mit den Bestimmungen
Sütram L i. 9. 45
[der Objekte] m Varbindung gesetzt, | die Objekte der Sinnes- 108
Organe ergreifend, ihre [der Objekte] Bestimmungen auffal'st, so
sagt man, sie wache; wenn sie hingegen, nur dnrch frühere Ein-
drücke (väsa9fä) derselben bestimmt, Traumbilder schaut, so wird
sie [in der Stelle Chftnd. 6,8,2, nach C^ankara^s Auffassung der-
selben] „Manas^^ genannt; wenn sie endlich, im Tiofschlafe, wo
beide Arten der Upddki^n [Sinnesorgane und Manas] zur Ruhe
kommen, unter Weglall der durch diese Upadhi'% bedingtem Be-
stimmungen in ihr eigenes Selbst (äiman) gleichsam zergangen ist,
so heilst es von ihr (Chänd. 6, 8, 1), sie sei „eingegangen in sich
selbst^' (svam aptia). Es ist hierbei ähnlich, wie wenn die Schrift
z. B. die Etymologie des Wortes hriäayaw (Herz) erklärt und
dabei sagt: „wahrlich dieser Atman ist im Herzen (hrifli); und
„dieseB ist seine Auslegung: hfidi apatn (im Herzen ist er), darum
„heifat es kfidapam*^ (Chänd. 8, 3, 3); oder wie wenn sie die Ur^
Sache jier a^cwäyd-udanyä (Hünger und Durst) genannten Zuetände
anzeigt, indem sie sagt: „die Wasser führen das Gegessene weg^S
„die Glut fahrt das Getrunkene weg^' [und somit a^andifd von ar
und nty ud^^n^d von udam und nl e^mologisierend ableitet, Ohänd.
6,8,3. 5]. Ähnlich verfahrt die Schrift hier, wenn sie, um zu
lehren, dafs [der Schlafende] in sich, d. h. in den Atman, in das
„Seiende^' eingegangen sei, diese Sache durch die Etymologie des
Wortefi Süapiti erläutert. Dafs aber der geistige Atman in die
nngeistigo Urmaterie seiner Wesenheit nach eingehe, ist unmöglich.
Wollte man hingegen die Urmaterie auch unter dem Subjekte des
Satzes [„er ist in sich eingegangen'^] wegen der reflexiven Form
(ätmiyatvdt) desselben verstehen, so würdo auch dann der Wider-
Hpruch statthaben, dafs ein Geistiges in ein Ungeistiges einginge.
Auch sagt eine andre Schrifbstelle: „von dem erkenntnisartigen
„Selbste umschlungen weifs er nicht, was draufsen und was drinnen
„ist'' (Bph. 4, 3, 21); hieimit wird gelehrt, dafs im Zustande des
Tief schlafe» | ein Eingang in ein Geistiges [nämlich in das er- 109
kenntni Bartige Selbst] stattfinde. — Nur jenes Geistige also, in
welches alle geistigen Wesen [im Tiefschlafe] eingehen, darf als
die durch das Wort „das Seiende" bezeichnete Weltursache ver-
standen werden, nicht aber die Urmaterie [der Sänkhya^s].
Und warum weiter kann die Urmaterie nicht die Weltursache
sein? Antwort:
1 0. gati-säm anya t
wegen der Gleichheit des Ganges.
Läge, wie in der Anschauungsweise der Reflexionsphilosophen,
auch in den Yedäntatexten eine zwiespältige Auffassung der WeH-
46 Cftrlraka-iii!mi&8&
Ursache Tor, so dafe manclunal das geistige Brahman als Ursache
der Welt vorkäme, manchmal die ungeistige TJrmaterie and maadi-
mal wieder etwas andres, so könnte vielleicht daran gedacht wer»
den, im Sinne deijenigen Schrifbstellen, welche die Urmaterie für
die Weltursache erklärten, auch die Stelle von dem „Erwägen'^
(Chänd. (>, 3, 3) zu deuten; nun aber ist dem nicht so; vielmehr
itit in allen Yedantatexten der Gedankengang, dafs die Weltursache
ein Geistiges ist, der gleiche. Denn es heifst a. B.: „gleichwie
„aus dem flammenden Feuer nach allen Seiten sprähend die Ynn-
„keu entspringen, ebenso entspringen aus diesem Atmaii alle Le-
- „bcnsorgane, je nach ihrem Standorte; aus den Lebensorganen die
„Götter, aus den Göttern die Welten'^ (Kaush. 3, 3); — „fürwahr,
„aus diesem Atman ist der Äther entstanden" (Taitt. 2, 1); —
,,kurz, aus dem Atman her rührt diese ganze Welt*' (Ghänd.
7, 26, 1); — „aus dem Atman wird dieses Leben geboren^* (PraQua
3) 3); — in dieser Weise lehren alle Yedantatexte, dafs der Atman
die Weltursache ist. Das Wort Atman aber bedeutet, wie wir
sahen, ein Geistiges. Und darin liegt eine grofso Gewähr für die
Wahrheit, dafs alle Yedftntastellen in der Auffassung der Welt-
Ursache als ein Geistiges eine ähnliche Gleichheit des Ganges ein-
halten, wie das Auge, wenn es immer nur die Gestalten [das Ohr,
1 10 wenn es immer nur die Töne] auffafst u. s. w. Also, | „wegen der
„Gleichheit des Ganges" mufs das allwissende Brahman als die
Weltursache gelten.
Und warum weiter mufs das allwissende Brahman als Welt-
ursache gelten? Antwort:
11. {Tutatväc ca
auch wegen der Offenbarung.
Aber auch nach seinem eigentlichen Namen wird der allwissende
Gott als Ursache der Welt von der Schrift offenbart, wenn es
in der Vers-Upanishad der (Joetäcvatara^a von dem vorher genann-
ten allwissenden Gotte heifst (^Vet. 6, 9):
„Iirsache ist er, Herr des Ilerm der Sinne,
„Kein Herr ist über ihm und kein Erzeuger.'*
Somit steht es fest, dafs das allwissende Brahman die Ursache
der Welt ist, nicht aber die ungeistige Urmaterie oder irgend,
etwos anderes.
Sfttram I. i. 11. 47
Die Yedantivtexte , welche iu den Sütra's „woraus llrspran^
,.u. 8. w. dieses [Weltalls] hV^ bis ,^auch wegen der Offenbarung^^
(Suiram 1, 1, 2 — 11) citiert worden aind, von denen wurde, auf
Grund einer Analysis derselben, dargethan, dafs sie den Zweck
lLHl)en, den allwissenden tuid alhnäcLtigcn Gott als die Ursache
für Ursprung, Bestand und Vergang der Welt darzulegen. | Ferner 111
wurde, durch Hinweisuug auf „die Gleichheit des Ganges'^ (Sfttram
], 1, 10) erklärt, dafs alle Ved&ntatexte eine geistige Weltursache
lehren. Worin nun die Veranlassung des weiter Folgenden liegt,
das wollen wir erörtern. — Etf" wird nämlich das Brahman erkannt
in zwei Formen: [erstlich] als charakterisiert durch Beilegungen
(upddhOy welche ans der Mannigfaltigkeit seiner tJuiwandlungen
in [d^'e Welt der] Namen und Gestalten entspringen; und [zweitens]
im Gegensalze dazu als frei von allen Beilegungen. Denn die
Schrift sagt: „Denn wo eine Zweiheit gleichsam ist, da sieht einer
„den andern, ... wo aber einem alles zum eignen Selbste gewor-
„den ist, wie sollte er da irgendwen sehen?" (Bfih. 4, 5, 16); —
„wenn einer [aufser sich] kein andres sieht, kein andres hört, kein
„andres erkennt, das ist die Unbeschränktheit (hhüman); wenn er
„aber ein andres sieht, ein andres hört, ein andres erkennt, das
„ist das Beschränkte (cUpam); die Unbeschränktheit fürwahr ist
„das TJnsterbliche , das Beschränkte aber ist sterblich" (Ch&nd.
7, 24, 1); — „wenn alle Formen, überdenkt der Weise und sie als
„Namen blofs begreifend dasitzt" (Taitt. &r. 3, 13, 7); — „ohne
„Teile, ohne W^erkc, ruhig, ohne Fleck und Makel, Brücke der
„Unsterblichkeit, ausgebranntem Feuer gleich" (^Jvet. 6, 19); —
„es ist nicht so und ist nicht so" (Brih. 2, 3, 6); — | „es ist 112
„nifht grob und i»t nicht fein, nicht kurz und nicht lang" (Brih.
3, 8, 8); — „Mangel ist der eine Ort, Fülle der andre." — In
dieser Weise wird von den Schrifttexten an tausend Stellen darauf
hingewiesen, dafs das Brahman, je nachdem es ein Objekt des
Wissens oder des Nichtwissens ist, zwei Formen besitzt. Was
dabei den Standpunkt des Nichtwissens betrifft, so hat auf ihm
alle Beschäftigung mit dem Brahman das Merkmal, dafs sie das
Objekt der Verehrung u. s. w. von dem verehrenden Subjekte
unterscheidet. Dabei bezwecken manche VerehrungcMi des Brahman
Ikglückung (ahhytidaya) y andre hingegen stufenweise Erlösung
(hramamükti) y und wieder andre Gedeihen des Opferwerkes; und
diese ilire Verschiedenheit richtet sich nach der Verschiedenheit
di.T Beilegung der besondem Attribute. Obgleich es nämlich einer
und derselbe höchste Ätman und Gott ist, welcher, bald durch
diese bald durcli jene besoudern Atti-ibute gekonnzeichnet, den
(iegenstand der Verehrung bildet, so sind doch, je nach den ver-
ehrten Attributen, die Früchte der Verehrung verschiedene; denn
die Schrifb sagt: „je nachdem er ihn verehrt, demgemäJ's wird ob
.,roit ihm", und „wie sein Wille (kndti) ist in dieser Welt, danach
48 ^'üHrakA-mtmaiisä
,,wirA der Mensch, wenn er dahingeschieden iat** (Chand. 3,14, 1);
und die Smriti lehrt (Bhag. G. 8, 6):
„An welches Sein er denkend hier auis diesem Leibe scheidet,
„In dieses Sein wird jedesmal er drüben eingekleidet/*
U3 J Freilich ist es einer und derselbe Atman, welcher in allen Krca*
toreu, den unbeweglichen [Pflanzen] wi« den beweglichen [Tieren.
Menschen, Göttern], eingehüllt steckt; doch aber wii'd, je nachdem
ihm im eineolnen [behufs seiner Verehrunf* unter einer hestimint^^n
Form] ein mehr oder weniger hoher Grad der Geistigkeit [die sein
eigenUiches Wesen ausmacht] beigelegt wird, das Wesen dea,^ wif-
.wolil [an sieh] allerhab^nen , ewigen und eingestnltigen , Atnuin
höher und höher hinauf durch die speciellcu [ihm beigelegten)
Kräfte der Göttlichkeit deutlicJior und immer deutlicher offenhart,
wie denn die Schrift sagt: „wer desselbigen Selbst deutlicher er-
,,kenut." Und auch in der Smriti heifst es darüber (Bhag. G. 10, 41):
„Alles was mächtig ist und schön und Üppig,
„ Das, wisse, ist ein Teil von meiner Kraft/*
Überall nämlich, wo sich ein besonders hoher Grad seiner Macht-
entfaltung u. 8. w. zeigt, da wird diese als [persönlicher] Gott zur
Verehrung anbefohlen. In 'dieser Weise wird auch unser Autor
darlegen, wie z. B. unter dem goldenen Mann in der Sonnenscheibo
(Chdnd. 1, 6, 6) wegen des Merkmals seiner Erhabenheit über
114 alles € bei | [nicht irgend eine individuelle Seele, sondern] nur die
höchste verstanden worden darf (Sütram 1, 1, 20—21); und das-
selbe läfst sich in den Sütra's: „der Äther, weil seine Merkmale-'
(1, 1, 22) u. s. w. verfolgen. Weil nun in dieser Weise die Er-
kenntnis des Atman, welche allerdings [wo sie rein ist |. die sofor-
tige Erlösung bewirkt, doch auch wiederum [zum Zwecke der Ver-
ehrung, die noch keine Erlösung bewirkt] auf dem Umwege sol-
cher besondern Beilegungen [von Attributen] mitgeteilt wird, so
könnte, wenn nicht die specielle Verbindung mit den Beilegungen
hinsichtlich ihrer Beziehung auf die höchste oder auf eine niedere
[individuelle] Seele klargelegt würde, ein Zweifel darüber, ob bie
auf die höchste oder auf eine niedere Seele sich beziehen, obwal-
ten; und dieser Zweifel mufs durch Untersuchung des Zusammen*
hanges der betreff endep Schvifts4:ello ins Klare gebracht werden;
wie dies z. B. schon gleich in der Stolle „der Wonneartige, wegen
,,der Uäufigkeif (Sütraui 1, 1. 12) der Fall ist. — Weil also in
dieser Weise das, wiewohl einheitliche, Brahmun bald als mit Bei-
legungen verbunden, bald ohne alle Verbindung mit Beilegungen,
dort zum Zwecke der Verehrung, hier aiim Zwecke der Erkenntnis,
in den Ved&ntatexten vorgeführt wird, so ist die nächstfoigende
Sutirua L t. li. 49
Reihe von Sütra's [bis 1,4,22] beetunnit, dieses im Einzelnen
darsulegen. Und wenn in dent Sütram „wegen der Gleichheit des
„Ganges" (1, 1, 10) die Unznlässigkeit andrer, nicht geistiger Welt-
orsachen ausgesprochen wurde, so wird auch dies, bei Besprechung
weiterer, auf Brfdunan bezüglicher Schriftstellen, durch Ausschliefsung
andrer Weltursachen als des Brahman seiuü nähere Ausführung
finden.
Sechstee AdkUcaranam.
9
12. änandamayo 'hhyäsdt
der Woimeartige, wegen der Häufigkeit.
Im Taittiriyakam werden [um den Kern des Menschen, den
Atman, der sein eigentliches Selbst ist, zu finden, vier andre Selbste,
in denen jenes wie in Schalen steckt, nach und nach in Abzug
gebracht, und nachdem in dieser Weise] der Keihe nach der
nahrungsartig'e, odemartige, manasartige und erkennt-
uiäartige [Atman] durchgegangen (Taitt. 2, 1 — 4), so heilst es
weiter : „wahrlich von diesem erkenntnis artigen verschieden ist in-
,. wendig in ihm der wonneartige Atman" (Taitt. 2, 5)- Hier er-
hebt sich die Frage: wird an dieser Stelle mit dem Worte „der
wonueartige" | das höchste Brahman bezeichnet, von dem vorher 115
in den Worten „Wahrheit, Erkenntnis, Unendlichkeit ist das Brah-
„man'* (Taitt. 2, 1) die Rede war, oder hat man unter dem Wonne-
artigen ebenso wie unter dem Nahrungsartigen u. s. w. etwas von
Brahman Verschiedenes zu verstehen?
Angenommen also, 'der Wouneartige sei von Brahman verschie-
'den und heifse nur im uneigentlichen Sinne der Atman. Warum?
*Weil^ er mit dem Nahrungsartigen u. s. w., die nur uneigentlich
'als Atman bezeichnet werden, in einer Linie steht.^ — Das mag
ja sein, aber darum kann doch der Wonneartige, als der innerste
von allen, der eigentliche Atman sein! — 'Doch nicht! denn erst-
4'ich ist er [nicht wie der eigentliche Atman unteilbar, sondern]
'mit dem „Lieben'' u. s. w. als mit seinen Teilen behaftet sodann
'lehrt auch die Schrift sein Verkörpertsein. Wäre unter ihm der
'eigentliche Atman zu verstehen, so könnte keine Behaftung des-
'selben mit dem „Lieben" u. s. w. stattfinden; es heifst aber von
'ihm: „sein Haupt ist das Liebe" u. s. w. (Taitt. 2, 5). Und auch-
'sein Verkörpertsein wird gelehrt, wenn es heifst: „sein verkörper-
'„teB Selbst ist eben dasselbe wie das des vorherigen" (Taitt. 2, 5);
'das heifst: das körperliche Selbst des vorigen, nämlich des Er-
BnrtMv, YtdAixta. 4
50 Q&i1rakft-iDtin&ns&
^kenntnisartigeo, ist eben daaiielbe wie bei dem Wonneariigen
*(änandamaife). Hat er aber einen Körper, so ist es nicht möglich,
'ron diesem die [nur der individuellen Seele eigene] Berühmng
'mit Liebem und Unliebem fernzuhalten. Somit ist unter dem
S,wonneartigen Ätman" nur die wandeVnde Seele en verstehen.^
Auf diese Annahme wird [im Sütram] erwidert: „der Wonne-
„artige, wegen der Häufigkeit"; d. h. der Wonneartige mufi der
höchste Atman sein; warum? „wegen der Häufigkeit*'; nämlich
nur bei dem höchsten Atman geschieht es, dafs. das Wort „Wonne'S
und zwür häufig, gebraucht wird. So heifst es von dem Wonne-
116 artigen, | „fürwahr, er ist die Essenz" (TaitL 2, 7); und nachdem
er für die Essenz erklärt worden, heifst es weiterhin: „denn wer
„die Essenz erlangt hat, den erf&Ut Wonne; denn wer möchte
„atmen und wer leben, wenn in dem Weltenraume [oder: wenn
„der Weltenranm, vgl. p. 136, 7] nicht diese Wonne wäre? —
„Denn er ist es, der Wonne schaiFet. . . . Dieses ist die Er*
„forschung der Wonne. . . . Der gehet ein zu diesem wonnearti-
„gen Selbste. . . • Wer dieses Brahman' Wonne kennt, dem macht
„es alle Angst yerschwinden'* (Taitt. 3, 7 — 9) und: „da erkannte
„er, dafs Brahman die Wonne ist'* (Taitt. 3, 6). Und auch an
einer andern Schriftstelle wird in den Worten: „Brahman ist
„Wonne und Erkenntnis" (Brih. 3, 9, 28) das Wort „Wonne" von
Brahman gebraucht. Wegen dieser Häufigkeit also, mit der das
WoH „Wonne" von. Brahman gebraucht wird, ist zu schliefsen,
dafs der „wonneartige Atman" dos Brahman bedeutet. Wenn aber
behauptet wurde, dafs, weil^ or mit dem „nahrungsartigen" und
den flbrigen uneigentlichen Atman's in einer Linie stehe, auch der
„wonneartige" nicht der eigentliche Atman sein könne, so ist das
nicht stichhaltig, weil dabei der wonneartige von allen der innerste
ist. Denn nur um dvn eigentlichen Atman aufzuzeigen, erwähnt
die Schrift, indem sie sich dem menschlichen Erkenntnisvermögen
anpafst, zuerst den „nahrungsartigen", nämlich den Leib, welcher
nicht der Atman ist und nur vou ganz Verblendeten für den
Atman gehalten wird, und dann weist sie, ähnlich wie bei einer
in den Schmelzticgcl gev/orfenen Metallstatue das Kupfer h. s. w.
abfliefst, von diesem auf einen innerlicliercn und abermals itmer-
lieberen hin, und indem sie mittels des jedesmal vorhergehenden
in gleicher Weise immer auf den jedesmal folgenden, wiewuhl
auch dieser noch nicht der Atman ist, um der leichteren Fafslich-
117 keit willen hinleitct, | so fuhrt sie zuletzt, als nuf den inneixtcn
von allen, auf dt^n eigentlichen Atman, nämlich den i^onneartigen,
hin. Dies ist die natürlichste Auffassung der Sache. Ähnlich
nämlich wie bei dem [oben, zu Sütram 1, 1, 8 gebrauchten] Gleich-
nisse von der Anmdhati Rui allerlei Sterne, welche nicht im
eigentlichen Sinne die Af*undhati sind, hingezeigt werden kann,
der Stern aber, auf den zuletzt liingeieitet wird, die eigentliche
SAtram l. i. V2. 51
Ärundhati sein mnfs, so folgt auch hier, dafs der „wonnoartige^S
weil er der innerste von allen ist, der eigentliche Ätman sein
mnfs. Wenn du aber Joben] behauptetest, dafs es unangemessen
sei, dem eigentlichen Atman das „Liebe'' n. s. w. als sein Haupt
U.S.W, beizulegen, so ist darauf Ssu entgegnen, dafs diuse Bei-
legung durch die Bestimmungen der unmittelbar vorhergogangoneii
Atman*s, nicht aber durch die eigne Natur des innerstem Atiuan
veranlafst wurde. Und auch was das Verkörpertsein des woune-
artigen Atman betrifft, so wurde dasselbe nur im Zusammenhange
mit der Reihe der Körper des nahrungsariigen u. s. w. erwähnt,
daher man ihm um deswillen doch nicht geradezu ein Yerk('»rpert-
sein, wie es bei der wandernden Seele stattßndet, zuHchreibon
darf. Somit folgt, dafs der „wonneartige'* nur der höchste Atman
sein kann.
/"
13. mkära-^ahdan fui! iti ceti? na! prävuryät
wegen des Umwtindlungs -Wortes nicht, meint ihr?
Nein, wegen der Reichliebkeit.
Man könnte sagen: *der wonneai*tige kann doch nicht der
^höchste Atman sein; waram? „wegen des Umwaudlungswortes*^;
*denn wenn ich sage änanda-vhatja , wonne-aiiig, so habe ich hier
'ein von dem, was das Erststehende [anandn^ Wonne] ausdrückt,
Verschiedenes Wort, welches eine Umwandlung besagt, indem das
'Suffix 'fiwya (-artig) eine Umwandlung bedeutet; somit weist,
'ebenso wie die Worte „nahrungsai*tig*' u. s. w., auch das Wort
'„wonneartig '^ auf den Bereich des Umgewandelten hin/ — Auf
diese Einwendung ist zu erwidern, dafs dem nicht so ist, indem
das Suffix 'imaya auch im Sinne der Reichliebkeit stehen kann.
Denn wo ^maya einem ihm vorgesetzten Worte angeh&ngt wird,
da kann | nach der [grammatischen] Smriti -maya auch im Sinne 118
der Reichlichkeit stehen; wie z. B. ein nahrungsartiges (mina-niaya)
Opfer ein an Nahrung reiches Opfer bedeutet. So kann auch das
Brahman, weil es reich an Wonne ist, das „wonneartige'' genannt
werden. Wte reich aber das Brahman an Wonne ist, das wird
dadurch angezeigt, daf» (Taitt. 2, 8; vgl. Brih. 4, 3, 33), von der
Menschenwelt anfangend, für die jedesmal höhere Region eine
Verhnndertfachung der Wonne angenommen, für das Brahman aber
eine Unsteigerborkeit der Wonne <felehrt wird. Folglich ist -maya
im Sinne der Reichlichkeit zu nohmen.
•""TVPf
52 Q&rtraka-mtmftn8&
14. taddrhetU'-vyapade^Ac ca
auch, weil er als ihre Ursache bezeichnet wird.
Auch dämm mnls man -maya im Sinne der Reichlichkeit
neiimen, weil die Schrift das Brahman als die Ursache der Wonne
bezeichnet, wenn sie sagt: „denn er ist, der die Wonne schaffet*'
(Taitt. 2, 7), d. h. der die Wonne schafft. Denn wer andern Wonne
schafft, der mnfs natürlich reich an Wonne sein, sowie im Leben
der, welcher andern Reichtum schenkt, selbst viel Reichtum be-
sitzen mufs« Also, weil -maya auch im Sinne der Reichliohkeit
verstanden werden kann, darum mul's der Wonneartige der höchste
Atman sein.
15. mäntra-varnikam eva ca giyate
auch wird es als Schriftlied gesungen.
Auch darum mufs der „wonneartige'* der höchste Atman sein,
weil, nachdem es hiefs: „wer Brahman kennt, erlangt das Höchste**,
und weiter: „Wahrheit, £rkennfcnis, Unendlichkeit ist das Brahman''
(Taitt. 2, 1), das Brahman, von welchem in diesem Liede die Rede
ist, und welchem als Merkmale die Wahrheit, die Erkenntnis und
die Unendlichkeit beigelegt werden, aus welchem vermittelst
des Äthers u. s. w. die beweglichen und unbeweglichen Wesen
entstanden sind, und welches, nachdem es die Wesen erschaffen,
U9 in eben dieselben | eingegangen, in der Höhle [des Herzens] wohnt,
und zu dessen Auffindung zu dem jedesmal „andern, innerlichem
„Atman" (Taitt. 2, 5) fortgeschritten wird, — weil dieses Brahman
hier in einem Schriftliede besungen wird als „der von ihm ver-
* Bchiedene, innerlichere Atman, der wonneartige." Es ziemt sich
aber, die Mantrd'B [Lieder und Sprüche des Yeda] mit den Brak"
mana's [theologischen Erklärungen] für eines Sinnes zu halten,
weil beide sich jucht widersprechen; denn sonst würde [in den
Bräkmaf!ia\'\ Aufgebung des in Rede Stehenden [der Mautra's^ auf
die sie sich beziehen] und Übergang zu einem nicht in Rede
Stehenden eintreten. Auch wird nicht so wie von dem „nahrungs-
''artigen" u. s. w. auch von dem „wonneartigen" noch ein anderer,
innerlicherer unterschieden. Und in ihm wurzelt auch »,jenes
„Wissen des BhjrigUy Sohnes des Varuna^\ (Taitt. 3, 6) [von dem
der folgende Teil der Taittiriya-Upanishad handelt], denn e«
heifst [in ihm, Taitt. 3« 6]: „da erkannte er, dafs das Brahman
,^die Wonne ist." — Somit kann der „wonneartige" nur der höchste
Atman sein.
Sütram I. x. 16. 53
16. na itaro^ ^nupapaüeh
nicht der andere, weil unzutreffend.
Auch aus folgendem Grande rnufs der „wonneartige^' d«r höchste
Atoian sein und „nicht der andere"; — der andere, d. h. die von
Gott Terschiedene, wandernde individuelle Seele. Nicht die indi-
vidnelle Seele also kann durch das Wort „wonnoartig'* beaeichnet
werden;- warum? „keil es unzutreffend ist.'^ Denn von dem wonne-
artigen heifst es weiterhin: „er begehrete:- «ich will vieles sein,
„wUl mich fortpflansen»;^ er hülste BuTse; nachdem er Bufse ge-
„bftlst» sdiuf er dieses Weltall, was immer vorhanden ist" (Taitt.
2, 6). Hier wird etwas erwähnt, was vor der' Schöpfung der Kör-
per a. s. w. I vorhanden war, nämlich der Zustand, wo die er- 120
schaffenen Umwandlungen noch nicht als verschieden von dem
Schöpfer bestanden. Es würde aber unzutreffend sein, die Schöpfung
aller Umwandlungen aus einem andern als dem höchsten Atman .
abauleiten.
17. bheda-vyapadeiäc ca
und wegen der Hervorhebung des UnterBchiede».
Aueh darum kann der „ wonneartige *^ nicht der wandernde
Ätman sein, weil es von dem wonneartigen heifst: „fürwahr er ist
„die Essenz; denn wer die Essenz erlangt bat, den erfüllt Wonne'*
(Taitt. 2, 7). Hier wird der Unterschied zwischen dem indivi-
duellen und dem wonneartigen Atman hervorgehoben. Denn der-
jenige, welcher erlangt wird, kann nicht derselbe sein wie der,
welcher erlangt. — 'Aber wie kann dann befohlen werden, den
'Ätman zu erforschen, und wie können Schrift und Smriti be-
'haupten, dafs es nichts Höheres gebe als die Erlangung des
'Atoan [d. h. unseres eignen Selbstes], wenn, wie du sagst, der-
'Jentge, welcher erlaugt wird, nicht derselbe ist wie der, welcher
'erlangt?* — Schon recht! aber gleichwohl ist von dem Selbste
(Atman), obgleich es darum unabänderlich das Selbst bleibt, die
Wesenheit unbekannt, und infolgedessen wird von dem Volke der
Leib u. s. w., obwohl er nicht das Selbst ist, zuversichtlich für das
Selbst angesehen. Obgleich daher das Selbst schon als der Leib
u. s. w. vorliegt, so ist doch das Selbst dieses Selbstes nicht er-
forscht und zu erforschen, nicht erlangt und zu erlangen, nicht
vernommen und zu vemelunen, nicht begriffen und zu begreifen,
nicht erkannt und zu erkennen; daher eine Hervorhebung des
Unterschiedes in diesem Sinne statthaft ist. Allerdings aber ist
64 Qftrlraka*inimliÄs&
68 im Sinne der höchsten Realität (parama-arihalcut) nicht gestat-
tet, einen von dem allwiasenden höchsten Gotte verschiedenen
Sehenden oder Hörenden anzunehmen, denn es heifst „nicht giebt
,,es aufser ihm einen Sehenden*' u. s. w. (Bfih. 3, 7, 23); während
hingegen anderseits dieser höchste Gott von dem durch das Nicht-
wissen aufgestellten, verkörperten, handelnden und geniefsenden
Erkenntnis-Selbste (v^iidnäifHan) vi schieden ist, ebenso gut wie
von dem Zauberer, welcher mit Schild und Schwert in der Hand
an einem Faden in die Hohe zu klimmen scheint, eben derselbe
131 Zauberer 9 | indem er dabei in Wirklichkeit auf der Erde stehen
bleibt, verschieden ist; oder wie von dem Räume rn den GefUfseo,
wie er durch deren Bestimmungen (upddbi) abgegrenzt wird, der*
selbe Raum, sofern ,er durch diese Bestimmungen nicht abgegrenzt
wird, verschieden ist. Auf diese Verschiedenheit des individuellen
und des höchsten Ätman bezieht es sich, wenn gesagt wurde:
„nicht der andere, weil unzutreffend^*, sowie: „und wegen der Her-
„vorhebung des Unterschiedes" (SAtram 1, 1, 16 — 17).
18. Kdtndc ca na anumdna-apdcshd
auch ist, wegen des Begehrens, kein Gedanke
an das Erschlossene.
Von dem Wonneartigen heifst es: „er begehrete, ich will vieles
„sein, will mich fortpflanzen *' (Taitt. 2,6). Weil er in diesen
Worten als ein Begehrender geschildert wird, so ist. ferner auch
nicht daran zu denken, das Erschlossene, d. h. die von den Sdfikh$fa*s
angenommene ungeistige Urmaterie für den Wonneartigen und die
Weltursache zu halten. Obwohl diese Urmaterie schon in dem Sh-
tram „wegen des Erw&gens nicht; schriftwidng!^^ (1, 1, 5) abgelehnt
worden war, so wird sie doch hier, mit Beziehung auf das in
einem der vorigen Sütra^s citierte Wort vom Begehren, gelegentlich
nochmals widerlegt, um „die Gleichheit des Ganges" (1,1,10)
noch weiter darzuthnn.
19. asmin asya ca tad-yogam gästi
auch lehrt er in ihm seine Verbindung mit selbigem.
Auch darum darf man das Wort „wonneartig** nicht von der
Urmaterie oder der individuellen Seele verstehen, weil er, d. h.
der Schriftkanon, in ihm, in dem wosneartigen Atman, von dem
die Rede ist, seine, nämlich des erweckten individuellen Atman,
Sdtram I. i. 19.
55
■Verbiudang mit selbigem lehrt; | die „Verbindung mit selbigem '^ 132
iBt die Verbindimg mit dem Atmuu desselben, d. b. der Übergang
in seine Wesenheit, mit andern Worten, die Erlösung. Nämlich
die Schrift sagt: „denn wenn er in jenem Unsichtbaren, Unkörper-
„liehen, Unaussprechlichen, Unergründlichen den Frieden^ den •
„Standort findet, dann ist er zum Frieden eingegangen; wenn er
,, hingegen in ihm [wie in den vier ersten noch] eine Höhlung,
„ein andres annimmt, dann hat er Unfrieden** (Taitt. 2, 7); das
heifst: wenn einer in jenem, dem Wonneartigeu , ein noch so ge-
ringes andres, nicht mit^ihm Identisches, erblickt, dann wird er
von dem Unfrieden der Seelen Wanderung nicht frei; wenn er hin-
gegen in jenem, dem Wonueartigen, unterschiedlos in Identität mit
ihm verharrt, dann«^ wird er von der Furcht der Seelen Wanderung
frei; und dieses pafst, wenn man e» auf den höchsten Atman,
nicht aber, wenn man es auf die Urmaterie. bder die individuelle
Seele bezieht. Folglich ist erwiesen, dafs der wonneartige nur
der höchste Atman sein kann.
Hier nun aber ist Folgendes zu bemerken. Nachdem in den
Ausdrücken: ,>fürwdur, dieser Mensch ist nahrungssaftortig; . . . von
„diesem^nahrungssaftartigen verschieden, innerlicher ist der ödem-
„artige Atman, . . '. von ihm verschieden, innerlicher ist der manas-
„artige Atman, . . 4 von ihm verschieden, innerlicher ist der erkennt-
„nisartige Atman" (Taitt. 2, 1 — 4), -^ nachdem hier fortwährend
-majfti (-artig) im Sinne einer Veränderung gebraucht war, so
geschieht es ohne Grund und heifst sein Futter nur* halb verdauen,
wenn man 'bei dem Wonneartigen in gezwungener Weisa -maya
im Sinne der Reichlichkeit nimmt und unter dem wonneartigen
Atman das Brahman versteht. Beruft ihr euch darauf, dafs in
dem Liederverse an der Spitze des Abschnittes [„Wahrheit, £r-
„kenntnis, Unendlichkeit ist das Bi*ahman", Taitt. 2, 1] das Brah-
man erwähnt wird, | nun dann müfst ihr auch den Nahrungsartigen 123
u. s. w. auf das Brahman beziehen. — Zwar könnte einer sagen:
'dafs man den Nahrungsartigen und die folgenden nicht auf das
/Brahman bezieht, ist in der Ordnung, weil von jedem derselben jcdes-
^mal auf einen andern innerlichorcn Atman verwiesen wird; von
*dera Wonneartigen hingegen wird auf keinen andern innerlicheren
^Atmaii mehr verwiesen; somit ist der Wonneai'tige das Brahman,
*weil sonst von dem [zufolge des Mantra\ im Anfang der Stelle]
'in' Rede Stehenden [in dem folgenden Brdhmimam] abgegangen
^und auf ein nicht in Rede Siehendes übergegangen werden würde.*
— Barauf antworten wir: wenn auch von dem Wonneartigen nicht
so wie von dem Nahrungsartigen u. s. w. auf einen andern innor-
licheren Atman verwiesen wird, so kann doch der Wonneartigo
56 ^äriraka-mlm&n8&
nicht das Brahman sein, und zwar, weil es in Bezug auf den
Wonueat'iigen heifRt: „Liebes ist sein Haupt, Freude seine redite
„Seite, Freudigkeit seine linke Seite, Wonne sein Leib, Brahman
„sein Unterteil, seine Grundlage" (Taitt, 2, 5). Hier wird ja das
Brahman , von dem in der Mantrastelle zu Eingang die Rede ist,
wo es hiefs: ,.Wahrheit,_Erkenntni8, Unendlichkeit ist das Brah-
,jnan'* (Taitt. 2, 1), dieses Brahman wird hier bezeichnet als „das
„Unterteil, die Grundlage", und nur um seine AuüQndung zu er-
leichtem, werden von dem Nahrungsartigen an bis zu dem Wonne-
artigen hin fünf Hüllen (Ärofa> desselben aufgestellt; wie kann man
also behaupten, dafs hier von dem [nach jener Mantrastelle] in Rede
Stehenden [im folgenden Brahmanam] abgegangen und auf ein
nicht in Rede Stehendes übergegangen werde V — *Ab.er wird
'nicht hier das Brahman nur, sofern es einen Teil des Wonnc-
124 ^artigen bildet, als * Unterteil und Grundlage | bezeichnet, ebenso
'wie es auch bei dem Nahrungsartigen u. s. w. hiefs, dies oder das
^sei sein Unterteil, seine Grundlage; wie kann man also hier
*„Brahman" [statt in ihm — etwa in der Bedeutung „Gebet" —
'eine Nebenbestimmung des „Wonneartigen" zu sehen] für die
'eigentliche Hauptsache erklären?* — Deswegen, eö antworten wir,
weil das Brahman als Thema vorangestellt worden war. — 'Aber
^dafs das Brahman noch in einem [besonderxi] Teile des Wonne-
^artigen wiedererkannt wird, das würde doch nicht hindern, dafs
'von Brahman als Thema die Rede ist, nur dafs schon der [ganze]
^ Wonneartige das Brahman ist!* — Darauf erwidern wir: in diebem
Falle würde eben dasselbe Brahman einerseits der wonneartige
Atman, an dem die Teile sind, und andrerseits sein Unterteil,
seine Grundlage, d.h. ein Teil desselben sein, und dieses wäre
eine Ungereimtheit. Muls man sich aber einmal für das eine oder
das andre entscheiden, so ist es angemessen, erst in den Worten:
„Brahman ist sein Unterteil, seine Grundlage" die Hinweisung auf
Brahman zu finden, weil hier das Wort „Brahman" vorkommt,
nicht aber schon in der Erwähnung des Wonneartigen, weil das
Wort „Brahman" dabei nicht vorkommt. Auch heifst es, nachdem
Brahman als das Untei*teil, die Grundlage, bezeichnet worden ist
(Taitt. 2, 6): „Darüber ist auch dieser Vers:*
„Der ist nur ein nicht Seienden der Brahman als nicht seiend weiEs*,
„Wer Brahman weifs als Seiendes, wird dadurch selbst ein Seiender."
In diesem Verse wird, ohne Heranziehung des Wonneartigen, viel-
mehr in Bezug auf das [eben als Unterteil und Grundlage er-
wähnte] Brahman Vorzug und Mangel des Bewufstseins von seinem
Sein oder Nichtsein erörtert, und daraus folgt, dafs in den Worten
„Brahman ist das Unterteil, die Grundlage" allerdings von Brah-
man als der eigentlichen Hauptsache die Rede ist. Auch kann ja
Sttram I. l 19. 57
über das Sein oder Nichtsein des wonneariigen Atman kein solcher
Zweifel [wie ihn der Vers bespricht] bestehen, indem der Wonne-
artige vermöge seiner M^kmale des Lieben, der Freude u. s. w.
allgemein bekannt ist. — ^Aber wie kann es geschehen wenn
S,6rahman^' hier fiir die eigentliche Hauptsache gelten soll, | dafs 125
^dieses Brahman in den Worten : „Brahman ist sein Unterteil« seine
^,Grundlage" als das [blofse] Unterteil des wonneartigen bezeich*
^netwird?^ — Das hat nichts zu bedeuten, weil damit nur gesagt
werden soll, dafs die Wonne des Brahman, nach Art eines Unter-
teils, „das Unterteil, die Grundlage 'S d.h. die letzte Basis, der
eigentliche Ursitz aller weltlichen, gewordenen Wonne ist, nicht
aber, dafs erstere nur ein Teil der letztem sei. Denn eine andre
Schriftstelle sagt: „von einem Teilchen dieser Wonne haben ihr
„Leben die andern Kreaturen'* (Brih. 4, 3, 32). Auch könnte,
wenn der Wonneartige das Brahman w&re, wegen seiner Gliederung
in Liebes u. s. w., nur an das unterschiedhafte [niedere] Brahman
gedacht werden: dafs aber hier von dem unterschiedloson [hohem]
Brahman die Rede ist, ergiebt sich aus dem Folgenden, wo die
Unerreichbarkeit desselben durch Rede und Verstand hervorgehoben
wird, indem es heifst (Taitt. 2, 9): '
„Vor dem die Worte kehren um
„Und die Gedankoi ohne ihn zu finden;
„Wer dieses Brahman' Wonne kennt,
„Dem macht es alle Angst verschwinden.^'
Auch würde, wenn das Brahman [durch das Wort „wonneartig'']
nur als „reich an Wonne'' bezeichnet werden sollte, auch auf ein
Vorhandensein von Leid in dem Brahman zu schliefsen sein, weil
orfahrungsm&fsig jede Reichlichkeit an einer Sache eine 'Spärlich-
keit an dem Gegenteile derselben voraussetzt. Wäre dem aber so,
so würde die Schriflstelle : „wenn einer [aufser sich] kein andres
„sieht, kein andres hört, kein andres erkennt, das ist die Unbe-
„schränktheit" (Chand. 7, 24), welche besagt, dafs in Brahman als
der Unbeschränktheit das ihr entgegengesetzte [Beschränkte oder
Spärliche, alpam] nicht vorhanden sei, widersprechend sein. Hierzu
kommt, dafs, da „das Liebe" u. s. w. je nach den Leibern, ver-
schieden ist, auch der [aus ihm bestehende] „wonneartige" Atman
I ein verschiedener sein mufs; das Brahman aber ist nicht je nach 126
den Leibern verschieden, denn die Schriftstelle „Wahrheit, Er-
„kenntnis, Unendlichkeit ist das Brahman" (Taitt. 2, 1) bezeugt
seine Unendlichkeit, und auch eine andre Schriftstelle sagt von
ihm (gvet. 6, 11):
„Der eine Gott, in allen Wesen weilend,
„Durchdringend alle, aller innere Seele."
58 • (^ärlraka-mliit&a8& ,
Weiter ist zu bemerken, dafs „die Häufigkeit", mit der der Wonne-
artige von der Schrift erwähnt werden soll (Sütram 1, 1, 12), gar
niclit statthat. Vielmehr ist es nur das ''dem Snfiix vorangehende
Woi*t [änandaj Wonne], welches allenthalben- häufig erwähnt wird ;
z. B. wenn es heifst: „fürwahr, er ist die Essenz; denn wer die
„Essenz erlangt, den erfüllt Wonne; denn wer .mochte «tmen und
„wer leben, wenn in dem Weltenraume nicht diese Wonne wärc V
„ — Denn er ist es, der die Wonne schafi*et" (Taitt. 2, 7); —
„dieses ist die Erforschung der Wonne" (Taitt. 2, 8); — „wer
„dieses Brahniau' Wonne kennt, dem macht es alle Angst ver-
„schwinden" (Taitt. 2, 9); — „da erkannte er, dafs das Brahman
„die Wonne ist" (Taitt. 3, 6). Ware es ausgemacht, dafs man
das Wort wouneartig auf Brähman bezichen müsse, so würde auch
weiterhin, wo die .„Wonne" allein genannt wird, der „Wonneartige"
wieder vorkommen müssen. Es steht also viebnehi* so, dafs der
„Wonneartige" * noch gar nicht das Brahman ist, wie wir dies
daraus, dafs „Liebes sein Haupt" ist, und aus andern Gründen er-
wiesen haben. Darum heilst es auch in einer andern Schriftstclle :
„Brahman ist Wonne und Erkenntnis" (Brih. 3, 9, 28); wo also
nur das dem Suffix vorangehende Wort „Wonne" auf das Brah-
man bezogen wird; und ebenso liegt in der Stelle: „wenn in dem
„Weltenraume nicht diese Wonne wäre" u. s. w. (Taitt. 2, 7 fg.)
eine' auf Brahman bezügliche Anwendung [des Wortes „Wonne '-J,
nicht aber eine öftere Wiederholung des „Wonneartigen" vor.
Was aber die noch weiterhin vorkommende Wiederholung des
Wortes „Wonne" in Verbindung mit dem Suffixe j,-artig" betiifft
in der Stelle: „zu jenem wonneartigen Ätman zieht er sich empor**
(Taitt. 2, 8), so bezieht sich dies gar nicht auf das Brahman,
127 I weil es in einer Linie steht mit dem Sich -emporziehen zu den
andern Ätman^s, dem nahrungsartigen u. s. w., welche blofs durch
Umwandlung entstanden und noch gar nicht der [eigentliche] Atman
sind. — 'Aber wenn in dem Wonneaiiigen, zu dem [der Wissende
'nach dem Tode] sich emporziehen soll, ebenso wenig wie in dem
'Nahrungsartigen das Brahman zu finden ist, so würde dann über-
'haupt nicht gesagt werden, dafs der Lohn des Wissenden die £r-
'langung des Brahman ist?' — Dieser Einwand ist untriftig, dn,
in dem Emporziehen zu dem Wonneartigen zugleich ausgedrückt
liegt, dafs der Wissende das „sein Unterteil, seine Grundlage'',
bildende Brahman als Lohn erlangt, was dann weiter ausgeführt
wird in den Worten: „Dartiber ist auch dieser Vers: Vor dem die
„Worte kehren um" u. s. w. (Taitt. 2, 9). Wenn aber (Sütram
1, 1, 18) darauf verwiesen wurde, dafs das Schriftwort: „er be-
„gehrete, ich will vieles sein, will mich fortpfianzen" (Taitt. 2, 6)
in Zusammenhang stehe mit der Erwälinung des „Wonneartigen",
so ist zu bemerken, dafs dasselbe vielmelu* sich bezieht auf da^
„Brahman", welches in noch viel unmittelbarerem Zusammenhang
Sötram I. i. Id. 5f>
mit ihm erwähnt wurde in den Worten: „Brahman ist sein Ünter^
„teil, seine Grandlage/^ Somit beweist jenes Schriftwort keines-
wegs, dafff der „Wonneartige^^'da» Brohmau ist; dann aber dürfen
auch die weitem Ausführungen, „fürwahr, er ist die Essenz" u. s* w.
(Taitt. 2, 7), da sie auf jenes Schriftwort zui'ückweisen ^ nicht auf
den „Wonneartigen ^' bezogen werden. — ^Aber ist nicht die Be-
'Zeichnung des Brahman durch das Maskulinum in den Wbrten:
'„er begehrete" u. 8. w. (Taitt. 2, 6) unstatthaft?' — 0 nein! denn
auch in den Eingangsworten: „tTürwahr, aus diesem Atman ist der
,,Äther entstanden" (Taitt 2, 1), wurde das Brahman unter der
inaskulineu Bezeichnung aU$ der Atman eingefOlirt. Was aber die
„Lehre des Bhriguj Sohnes dos Varw*a^^, betrifft: „da erkannte
„er, dafs das Brahman die Wonne ist^^ (Taitt. 3, 6), so kommt
hier weder das Suffix -waya vor, noch ist auch davon, dafs das
Liebe sein Haupt u. s. w. sei, die Rede; daher hier mit Recht die
Wonne für das Brahman erkl&rt wird. Es iat somit festzuhalten,
dafs ohne ein, -wenn auch noch so geringes, Greifen zu unter-
schiedlichen Bestimmungen von dem Brahman, wie es an sich
(svatas) ist, nicht gesagt werden kann, dafs das Liebe sein Haupt
u. &• w. aei. Au unserer Stelle nun aber besteht nicht die Absicht,
I das untei*8chiedhafte [niedere] Brahman zu lehren, weil dabei 138
von Brahman gesagt wird, dafs es den Bereich der Worte imd
Gedanken übersteige. Es steht somit fest, dafs, ebenso wie bei
dem Nahrungsartigen u. s. w., auch bei dem Wonneartigen das
Suffix -matfa im Sinne einer Umwandlung und nicht im Sinne
der Reichlichkeit zu fassen ist.
Was aber die Sütra*s betrifft, so mufs man sie in folgender
Weise auslegen. — Die Frage ist, ob man in den Worten: „Brah-
„man ist das Unterteil, die Grundlage^' das Brahman, sofern es
einen Teil des wonneartigen bildet, oder sofern es selbst die
eigentliche Hauptsache ist, zu verstehen hat? Angenommen also,
*es sei hier, wegen des Wortes „Unterteil", als ein blofser Teil
^[des. Wonneaxtigen] anzusehen', so antwort-en wir: »der wonne-
„artige, wegen der Häufigkeit^* (Sütram 1, 1, 12); d.h. in
der Besprechung des wonneartigen Atman ist das in den Worten
„das Brahman ist sein Unterteil, seine Grundlage'' vorkommende
Brahman als die eigentliche Hauptsache anzusehen, „wegen der
„Häufigkeit", d. h. weil in dem abschliefsenden Verse „der ist nur
„ein Nichtseiender** (Taitt. 2. 6) das Brahman für sich allein [und
nicht als Teil eines andern] mehrfach erwähnt wird. - — „Wegen
„des Umwandlungs-Wortes nicht, meint ihr? Kein, we-
ngen der Reichlichkeit" (Sütram 1, 1, 13). 'Was einen Teil
'bezeichnet, das bezeichnet in der Regel eine Umwandlung [etwas
'Gewordenes]; das Unterteil bezeichnet einen Teil; somit kann
'hier ,, Brahman" nicht als die eigentliche Hauptsache [als das
'weltschdpferische Princip, von dem die ganze Stelle liandelt] auf-
60 g&riraka-mtmiMi
^gefaffft werden.' — Dieser Behauptung ist entgegensiitretaa. Wir
bestreiten dieselbe auf Grund davon, dafs auch ,,weg<ni der Beich-
),lichkeit^* [mit der hier flberaU Teile erwähnt werden] die Be*
Zeichnung Brahman's als eines Teiles denkbar ist. Nteüidi die
„Beichlichkeit'* ist das Vorkommen einer Rctgel nach und bedeutet
eine regelmäfsige Erwähnung von Teilen. Naohdem n&mUdi bei
dem Nahrungsartigen u. s. w. gewisse Teile als sein Haupt u. s. w.
aufgezählt worden waren, und nun auch bei dem Wonneartigeii
andre Teile als sein Haupt u. s. w. su erwähnen waren, so be-
zeichnet die Schrift, um des regelmälidgen Vorkommens der Tmle
willen, das Brahman als „sein Unterteil, seine Grundlage*', nicht
aber, als wollte sie hier [wirkliche] Teile erwähnen, da ja ,,wegen
„der Häufigkeit*' des Vorkommens, wie es hiefs, bereits festgestellt
worden war, dala „Brahman" hier im eigentlichen Hauptsinne
stehe. — „Auch, weil er als ihre Ursache bezeichnet
129 „wird** (Sütram 1, 1, 14). | Nämlich als Ursadie von all^n durch
Umwandlung Entstandenen, mit EiBschlnfs des Wonneartigen, wird
Brahman [in dem Weiterfolgenden] bezeichnet, wo es heifst: „die-
„ses alles schuf er, was immer vorhanden ist** (Taitt. 2,6); und
weil das Brahman die Ursache [von allem] ist, deswegen kann es nicht
im strengen Sinne des Worts als ein Teil des Wonneartigen,
dessen Ursache es ist, bezeichnet werden. — Auch die Übrigen
Sdtra's mufs man, je nachdem es sich trifft (tßiUhdsainbhavam)^ so
auffassen, dafs sie nur das unter dem Worte „Unterteil** zu Ter-
stehende Brahman zu erklären bezwecken.
Siebentes Adhikaranam.
20. antas, tad-dharma-upadefät
der im Innern, wegen Aufzeigung seiner Eigenschaften.
Ein heiliger Text sagt: „aber der goldene Mann (purusha)^
„welcher im Innern der Sonne gesehen wird, mit goldenem Bart
„und goldenem Haar, bis in die Nagelspitzen ganz von Golde, —
„seine Augen sind wie die Blüten des fop^asa-Lotus, sein Name
130 ,,i8t «Hoch» (ud)t denn | hoch über allem Übel ist er; hochhebt
„sich über alles Übel , wer solches weifs.** So heifst es in kosmo-
logischem Sinne; darauf ebenso in psychologischem Sinne: „aber
„der Mann, welcher im Innern des Auges gesehen wird** u. b.w.
(Ghänd. 1, 6 — 7). Es erhebt sieh die Frage, ob hier irgend eine,
zufolge eines Übermafsez ron Wissen und Werken erhobene, wan-
dernde [individuelle] Seele in der Sonnenscheibe und im Auge
Sütram I. i. 20. Gl
som Zwecke der Verehrung hingeatellt wird, oder vielmehr der
ewig vollkommene, höchste Gott?
Angenommen also, 'es sei vbn einem wandernden [individuellen]
^\traan hier die Rede. Warum? weil von ihm gesagt wird, dais
'er eine Gestalt hahe. Denn was den Fu/uska (Mann, Geist) in
^der Sonne hetrifft, so wurden die Worte, die ihm eine Gestalt
'„mit goldenem Barte'' u. s. w., «beilegen, bereits erwähnt; und
'weiter wird auch auf den Purusha im Auge ebendieselbe Gestalt
'mittels Verweisung bezogen, indem es heifst: „die Gestalt, welche
S jener hat. die^ hat auch dieser" (Chänd. 1, 7, 5). DsSh aber
'der höchste Gott eine Gestalt besitze, kann man nicht behaupten,
'weil die Schrift sagt, er sei: „unhörbar, unborührbar, ungestaltet,
'„unvergänglich" (Kath. 3, 15). Ferner deswegen, weil [in der
'fraglichen Stelle] von einem Standorte die Rede ist; denn es heifst,
'der Pwrusha sei „im Innern der Sonne", „im Innern des Auges".
'Dem höchsten Gotte aber kann als dem Standortlosen, nur auf
'seine eigne Majestät Gegründeten und Alldurchdringenden ein
'Standort nicht zugeschrieben werden, denn die Schrift sagt:
'„worauf, o Herr, gründet er sich? -^ Er gründet sich auf seine
'„eigne Majestät" (Chiind. 7, 24, 1), und in einer andern Stelle
'beifst es von ihm, er sei „dem Äther gleich allgegenwärtig ewig"
'(^gl- P- 172, 5). Femer [kann in unserm Texte der Manu in
'Sonne und Auge nicht der höchste Gott sein], weil von einer
'Grenze seiner Herrschaft die Rede ist, denn es heifst: | ,.die 131
',, Welten, welche von jener [Sonne] aufwärts liegen, über die
*„herrBcht er und über die Wünsche der Götter" (('band. 1, 6, 8).
'Diese Worte bezeichnen eine Grenze der Herrschaft des Sonnen-
^Purunha, sowie weiter -eine solche für den Puntsha im Augo in
'den Worten liegt: „die Welten, welche von jener abwärts liegen,
'„über die herrscht er und über die Wünscha der Menschen"
'(Chand. 1, 7, 6). Von dem höchsten Gotte aber läfst sich nicht
'annehmen, dafs seine Herrschaft eine beschränkte sei; denn die
*Schrift sagt von ihm ganz allgemein : „er ist der Herr des Weltalls,
S,er ist der Gebieter der Wesen, er ist der Hüter der Wesen; er
'„ist die Brücke, welche diese Welten auseinanderhält, dafs sie
'„nicht verflifcfsen" (Brih. 4, 4, 22). Folglich kann der Purusha
'im Innern des Auges und der Sonne nicht der höchste Gott sein.'
Hierauf antworten wir: „der im Innern, wegen Aufzeigung
„seiner Eigenschafben"; d. h. der Purusha, der im Innern der
Sonne und im Innern des Auges von der Schrift angenommen
wird, mufs der höchste Gott und nicht eine wandernde Seele sein.
Warum? „wegen Aufzeigung seiner Eigenschaften''; nämlich seine,
des höchsten Gotiesi, Eigenschaften werden hier aufgezeigt. So,
Wenn es heifst: „sein Name ist «Hoch»", und weim weiterhin die-
ser Name des Sonnten -Purnsha in den Worten: „dt^nn hoch über
,,allem Übel ist er" aus seiner Erhabenheit über alles Übel abgc
*/
62 C^riika-mini&ns6,
leitet wird, und ebendieser so erklärte Name wird dann weiter
auch auf den - Punisha im Auge überwiesen durch die Worte
,^enes Name ist sein Name". Die Erhabenheit über alles übel
aber wird von der Schrift^ nur dem höchsten trotte araerkannt,
indem sie z. B. sagt: „der Atman, der sündlose" n. s. w. (Ch&nd.
132 8, 7, 1). I Weiter wird von dem Purusfia im Auge mit den Worten:
„er ist die l?w, er das SAmant »er das Preislied, er der Opfer-
„»pruch, er das Gebet ^' (Chänd. 1,7,5), versichert, dafs er das
Selbst von Jfic, Säman u. s. w. sei , was auf den höchsten Gott
zutrifH, sofern er die allgemeine Ursache und das Selbst in allem
ist. Und nachdem fic und Sdman in kosmologischer Besiebnng
für das Selbst der Erde und des Feuers und in psychologischer
Beziehung för das Selbst der Rede und des Odems erklärt worden
sind, so heifst es weiter von dem kosmologischen Puruslu»: «,8eine
„Gelenke [oder: Gesänge?. ^£«^ate] sind Bic und Sdman^^ (Chand.
1, 6, 8); und dann ebenso von dem psychologischen: „jenes Ge-
„lenke sind auch seine Gelenke" (Chänd. 1, 7, 5); nnd dies ist
nur möglich, sofern er das Selbst von allem ist. Femer in den
Worten: „darum die, welche hier zur Laute singen, die besingen
„ihn; deswegen wird ihnen Gut zu teil" (Ch&nd. 1, 7, 6), liegt
ausgesprochen, dafs auch in den weltlichen Gesängen immer nur
jeuer [Ptirusha] besungen wird; auch, das pafst zu der Auffassung
desselben als den höchsten Gott, von dem die Bhagavad-QUäh
sagen (Bhag. G. 10, 41):
„Alles, was kräftig ist nnd schön nnd üppig,
„Das, wisse, ist e^n Teil von meiner Kraft."
133 I Auch die ihm zugeschriebene, schrankenlose Willkür - Herrschaft
über die Welt weist auf den höchsten Gott hin. Wenn aber be*
hauptet wurde, dafs die Erwähnung der Gestalt in den Worten
„mit goldenem Bart" u. s. w. auf den höchsten Gott nicht passe,
so erwidern wir, dafs auch bei dem höchsten Gotte eine auf Wunsch
zur Begnadigung eines Verehrers angenommene Scheingestalt (niäffä"
rmyam rupam) wohl denkbar ist; denn die Smriti sagt (Mahäbhä-
ratam 12, 12909):
„Ein Schein ist es, von mir bewirkt, dafs du mich schaust, o Närada,
„In aller WeseL Eigenschaft; sonst war' ich nicht zu scheu ja."
Ferner ist zu bemerken, dafs da, wo die Natur (rüpam) des hoch*
sten Gottes unter Feruhaltung aller Unterschiede gelehrt wird, der
Sohriftkanon Ausdrücke gebraucht wie: „nicht hörbar, nicht föhl-
„bar, nicht gestaltet, unvergänglich" (Käth. .3, 15). Anderseits
aber kaim auch der höchste Gott, Weil er "von allem die Ursache
ist, znm Zwecke der Verehrung vorgestellt werden als charakteri*
S6tram I. i. 20. 63
Biert durch gewisse Qualitäten der Umwandlung [der Seh6pfung,
die eine Umwandlung von ihm ist], z.B. wenn es heifst, er sei
},allwirkend , allwflnschend , aliriechend, allschmeckend '^ (Chand.
3,14,2), und ebenso wird es mit seiner Bezeichnung als der
Mann „mit goldenem Barte ^^ stehen. Wenn weiter behauptet
wurde, dafs der höchste Gott nicht gemeint sein kdqno, weil von
einem bestimmten Standorte die Rede sei, so ist zu bemerken, dafi^
auch dem nur in seiner eignen Majestät stehenden höchsten Gottc
zum Zwecke der Verehrung ein bestimmter Standort wohl zuge-
schrieben werden kann, weil Brahroan wie der Kaum allgegenwärtig
ist und daher als das innere Selbst jedes Wesens aufgefafst werden
kann. Auch die Erwähnung der Grenzen seiner Herrschaft ge-
schieht nur mit Rücksicht auf die Unterscheidung eines kosmischen
uad eines psychischen Gebietes, wie sie hier sum Zwecke der Ver-
ehrung aufgestellt wird. Somit steht fest, dafs es der höchste
Gott ist, welcher hier als „der im Innern '* des Auges und der
Sonn? [wohnende Purusha] aufgewiesen wird.
21, hheda-^vyapade^iXc ca anyah i34
auch wegen Hervorhebung der Verschiedenheit
zu untersclieiden.
Auch ini von den individuellen Seelen, wie sie der Somie und
äen übrigen Körpern zugeschrieben werden, zu unterscheiden der
Hin innerlich lenkende (aniarydmin) Gott, denn seine Verschieden-
heit von ihnen wird in einer and(ni) Schriftstelle hciTorgehoben,
wo es heiff^t: „der in der Sonne wohnend, von der Sonne ver-
,,schieden ist, den die Sonne nicht kennt, dessen Leib die Sonne
„ist, der die Sonne innerlich regiert, der ist deine Seele, dein
„innerer Lenker, dein Unsterbliches'' (ßrih. .^,7, 9). Wenn hier
von dem „iniiern Lenker'^ gesagt wird, derselbe sei von der Sonue
verBohieden, und die Sonne kenne ihn nicht, so liegt darin deutlich
ausgesprochen, dafs er [nämlich der höchste Gott als der innere
Lenker] von dt*r Sonne als einer bewulsten, individuellen Seele
/n unterscheiden ist. Ebenderselbe aber muls auch an unserer
Stelle, wegen der Gleichartigkeit beider Texte, unter dem Furusha
„im Innern^* dor Sonne verstanden werden. Daher es unzweifel-
Juift nur der höchste Gott sein kann^ der dabei gemeint ist.
64 gMnJEVmlm&fM
A^tes Adhikarananu
22. dkäfos, taUlihgät
der Äther, weil seine Merkmale.
Im Ckändoffjfam kommt folgende Stelle vor: „Welches ist der
„Ausgangspunkt dieser Welt? — Der Äther, so sprach er, denn
„der Äther allein ist es» aus dem alle diese Wesen hervorgehen,
135 „ I und in welchen sie wieder untergehen, der Äther ist <er als
„sie alle, ier Äther ist das höchste Ziel*' (ChAnd. 1, 9, 1).
Hier erhebt sich die Frage, ob mit dem Worte „Äther" das
höchste Brahman oder das Naturelement des Äther^ gemeint ist.
Woher diese Frage? Weil das Wort in beiderlei Sinne verwendet
wird. Denn als Bezeichnung eines besondem Elements ist das Wort
Äther im Gebrauche des Lebens wie im Veda ja sehr üblich.
Zuweilen jedoch vrird es auch von Brahman gebraucht, in der Art,
dafs aus dem Zusammenhange der Rede oder wegen Erwähnung
von Eigenschaften, die nicht beiderseits gemeinsam sind, die Be-
siehung auf Brahman eine unzweifelhafte ist. So z. B. wenn es
heifst: „wenn in dem Äther [Weltenraume] nicht diese Wonne
„wäre" (Taitt. 2, 7), oder „der Äther, wahrlich, ist es, welcher die
„Namen und Oestalten auseinanderdehnt; worin diese beiden sind
„[oder: was in diesen beiden ist], daseist das Brahman" u. s. w.
(Ch&nd. 8| 14). Daher also obiger Zweifel. • Aber welches ist nun
hier das Richtige?
Man könnte denken: 'das Element des Äthers. Warum? Weil
'dieses wegen des häufigem Gebrauches sich zunächst im Bewufst-
'sein einstellt. Denn es kann nicht behauptet werden, dafs das
'eine Wort ,J(.ther" eben wohl für beide [das Element und Brah-
'man] gebraucht werden könne; weil dann bei dem Worte [der
'Fehler der] Doppelsinnigkeit eintreten würde. Man mufs also
'annehmen, dafs das Wort „Äther" von Brahman nur in übertra-
^genem Sinne vorkommt, sofern das Brahman in vielen Stücken,
'z. B. in der Alldurchdringung u. s. w., allerdings dem Äther ähnlich
'ist. Wo aber der eigentliche Sinn eines Wortes ausreicht, da
'hat man kein Recht, zu dem uneigentliohen Sinne zu greifen.
'Und an unserer Stelle ist es ja doch möglich, den eigentlichen
'Äther za verstehen.* — Aber zu der Annahme, dafs das Element
des Athere gemeint sei, pafst doch nicht das Folgende, wo es
heifst: „denn der Äther ist es, aus dem alle diese Wesen hervor-
„gehen" u. s. w. (Ch&nd. 1, 9, 1). — 'Das ist kein Fehler, weil
'auch das Element des Äthers als die Ursache angesehen • werden
'kann, welche durch die Zwischenstufen des Windes u. ä. w. zur
äAivam I. l 82. 65
^^Telt sieh entwickelt hat. Denn es heifat bekaimtlicL : ^JP^rwahr,
*^yJMB diesem ) Äimaa ii«t der Äther enttftandenf. ana dem Äther der 13€
*„Wind, HOB dem Winde das Feuer" o. s. v. (Taitt. 2, 1). Aaeb
'dafs der Äther na isneerer Stelle (Chand. 1, 9^ 1) ^^.der älteste
*;,iind allervortrefflichste'^ genannt wird,. läM sich von dem. Ele^
^ent des Äthei*s, sofern man ihn mit den andern Elementen ver-
gleicht, verstehen. Somit ist unter diem. Worte .^Äther^^ das £W«
^ent dps Äthers zu verstehen/
Anf diiesc Behauptung erwidern, wir: „der Äther »..weil seine
nMeriuBsle-^, d. h. unter dem Worte Äther mni^ man hier das
Brahioan vecstehen; wanun? weil! seine Merkmale dabai vorkom-
mea; demt wenn es hellst: ,^dar Äther ist es, aas de» alle diese
^Wesan hervorgehen", sa ist diese» ein Merkmal das höchsteoi
Btahman; denn nach' den Gnmdsitaen der Yedaetatexta ist es das
hüchste Bfeahman, aus vrelehem die Sntstehung d^ Wesen statthaL
— -**Ab«r wurde nicht gecaigt,^ dafe auch das Elc-meni des Äthers
^s die Ursache angesehen werden kann, welche dordi die Zwi*
*a«heastnfen des Windes u. s. v. sich zur Weh entwickelt hat?*
— Alferdings ja, das wurde geteigt. Aber gleichwohl darf man
Ider mar die Wurzel Ursache d. h. das Brahman verstehen, weil
aonat der Ausdruck : ^er Äther allein ist efi.*-', und dss den Wesen
^ig^^^ne Adjektham |,alle^ nicht passend sein würden. lind
wenn es weiter von den Wesen heifst, der Äther sei es », in wel-
schen sie wieder «ntergelien*^, so liegt auch hier ein Merkmal des
Brahman vor; t/nd auch in den folgenden Worten: ^der Äther ist
„Alter als sie aUe^ der Ätlier ist das höchste Ziel", ist von einem
Älter-sein die Rede, wie es in dieser Unbedingtheit nur dem hdch-
■tan Atman allein beigelegt werdon kaun, wie dies z. B. geschieht
in der Stelle: „er ist älter als die Erde, ftlter als der Luftraum,
„filter als der Himmel, älter als diese Welten" (Chand. 3, 14, 3)-
Ferner ist auch die Bezeichnung als .,das hdchsto Ziel'^ nur auf
den höchsten Äünan, weil er die letzte Ursache ist, gani zutreffend ;
wiü denn auch eine Schriftstelle sagt: „Brahman ist Wonne und
„Verstand, des Oaben- Spenders höchstes Ziel" (Bfih. 3,9,28).
Hierzu kommt, dafs [von den drei Männern, die sich an unserer
Stelle Ch&nd. 1, 8 — 9 über den letzten Urgrund des Vdgtfhn un-
terreden] Jaiealij nachdem er gegen die Auffassung des ^äldvatya
den Vorwurf der Endlichkeit [seines Erklärungsgrundes] erhoben
hat, I etwas Unendliches bezeichnen will und als solches don 137
f,Äther*^ nennt; und indem er diesen Äther mit dem üdgitha in
Znsammenhang bringt, so schliefst er mit den Worten: „dieser
„Allervortrefflichste ist der UdffUha, er ist der Unendliche"
(Chänd. 1,9,2); diese Unendlichkeit aber ist ein Merkmal des
Brahman. Was ferner die obige Bemerkung betrifft, dafs mtin b^i
dem Worte „Äther'* zunächst an das Element als das bekanntere
denke, so entgegnen wir darauf: wenn man auch yamächst daran
66 Q&i1raka-miinkQ8&
denkt, so kann man doch dabei nicht stehen bleiben, wenn man
die im weitern Verlaufe vorkommenden, dem Brahman eigenen Be-
stimmungen zu Gerichte bekommt. Dafs aber das Wort „Äther"
auch von Brahman gebraucht wird, wiesen wir »chon oben au8
der Stolle nach: „der Äther, wahrlich, ist es, welcher die Namen
„und Gestalten auseinauderdehnt*^ (Ghand. 8, 14). Und in der-
selben Weise werden auch die mit „Äther" synonymen Worte von
138 Brahman gebraucht, | wenn es z. B. heifst: „des Liedes Laut, auf
„den im^h ochsten Räume die Götter allesamt sich niederliefscn^'
(Kigv, 1, 164, 39); — „dieses ist die Lehre des Bhfigu, Sohnes
„des Varuffa, die in dem höchsten Räume gegründet steht'*
(Taitt. 3,6); — „Gm! Brahman ist Freude, Brahman ist Weite,
„die uranfängliche Weite" (Brih. 5, 1, 1 vermengt mit
Chand. 4, 10, 5) u. s. w. — Hieraus ergiebt sich, dafs man auch
ächon zu Anfang unserer Stelle, da wo das Wort „Äther" vor-
kommt, dieses um des weiter Folgenden willen auf das Brahman
beziehen mufs; ähnlich wie man in der Stelle: „Agni studiert die
„Lektion" auch schon unter dieser zu Anfang vorkommenden Be-
zeichnung als „Agni" den Brahmanenschüler zu verstehen bat.
Somit ist bewiesen, dals (Ghli.nd. 1, 9, 1) unter dem Worte „Äther"
clas Brahman zu verstehen ist.
Neuntes Adhikaranam*
23. ata' eva pt^tnah
aus eben dem Grunde der Präna (Odem, Leben).
Bei der Besprechung des Udffitha heifst es: „die Gottheit ^ o
„Preisrufer, auf welche sich der Preisruf bezieht", — und weiter:
„Welches ist diese Gottheit? — Der Präna y so antwortete er:
„denn alle diese Wesen (hhiUa) gehen ein in den .Prikna und aus
„dem Prana [wöi*tlich: in Bezug auf den Präna] entspringen sie;
„dieses ist die Gottheit, auf welche sich der Preisruf bezieht"
(Chand. 1, 10, 8 — 1,11,5). Hier sind Frage und Klarstellung
ebenso wie im Vorigen zu behandeln. Nämlich in Stellen wie:
„denn das Leben (prdna) ist die Bindungsstätte des Manas^^
(Chftnd. 6, 8, 2) oder „des Odems (prdna) Odem" (Brih. 4, 4, 18),
139 wird ( das Wort „Prana" von Brahman gebraucht; hingegen be-
deutet es gewöhnlicher im Leben und im Yeda eine Abart des
Windes; daher die Frage sich erhebt, welches von beiden hier
unter dem Worte Pröna zu verstehen ist. Was ist also hier das
Richtige?
' Sütram I. i. 23. 67
Man könnte sagen:, 'das Richtige ist hier, unter Präi^ den
'eine Abart des Windes bildenden, in fänf Funktionen [als IVd^a,
'Apäna, Vyäna^ Samäna^ Udäna] sich bethfttigendea Lebensodem
'zu ▼ erstehen; denn in dieser Bedeutung wird das Wort Präna^
*wic bereits bemerkt, am gewöhnlichsten gebraucht/* — Aber muls
mau nicht hier ebensp wie im vorigen [Adhikara^am] das Brahman
verstehen, „weil seine Merkmale*^ vorkommen? Denn auch hier
konmit doch im Verlaufe der Stelle das Eingehenlassen und Her-
vorgehenlassen der Wesen vor, welches als die Sache des höchsten
Gottes anzusehen ist. — 'Dem ist nicht so, weil lEIingehen und
'Hervorgehen der Wesen auch in Bezug auf den Mukhpa Prdpa
'(llauptlebensodem) von der Schrift gelehrt wird. Denn in diesem
'Sinne heilst es: „wahrlich, wenn der Mensch schl&ft, dann gehet
S,in das Leben ein die Rede, in das Leben das Auge, in das Le-
S,ben das Ohr, in ' das Leben das Manas; wenn er aufwacht, so
'„werden sie aus dem Leben wiederum geboren" (^tapatha-br&h-
'manam 10, 3, 3, 6). Und das ist ja auch dureh blofse Wahr*
'nehmuBg zu erkennen, dafs zur Zeit des Schlafes die Funktion
'des Präna nicht unterbrochen wird, während die Funktionen der
'Sinnesorgane unterbrochen werden und erst zur Zeit des Erwa-
'chens, wieder in die Erscheinung treten. Und auch darum, weil
'die Sinnesorgane [Gehör, Gefühl, Gesicht, Oesohmaok, Geruch^ den
'eigentlichen Kern der Wesen [bhüta^ hi«r „der Elemente**: Äther,
'Luft, Feuer, Wasser, Erde] bilden, l&fst sich das im Verlaufe der
'Stelle vorkommende Eingehen und Hervorgehen der Elemente
'(bknia) auch von dem Mukhya Präna ohne Widerspruch verstehen.
'Hierzu kommt, dafs an unserer Stelle (Gh&nd. 1, 11, 6 — 9) sofort
'nach Erwähnung des Prana als der Gottheit des Prastäva (Vor-
'gesanges) die Sonne und die Nahrung als die Gottheiten des Üd'
^gUha (Hauotgesanges) und Pratikdra (Zwischengesanges) | genannt 140
'werden; diese aber können nicht das Brahman sein, und wegen
'der Analo^fie mit ihnen kann auch der Pr&na nicht das Brahman
'sein.' —
Auf diese Behauptung erwidert der Verfasser der Sütra's:
„aus eben dem Grunde der Prana"; nämlich, wie es im vorher-
gehenden Sütram hiefs: „wegen seiner Merkmale". Aus diesem
Grunde, weil auoh hier wieder seine Merkmale vorkommen, mufs
das höchste Brahman auch unter dem Worte „Präna" verstanden
werden, indem auch dem Prä^a hier von der Schrift Merkmale
beigelegt werden, welche dem Brahman angehören; nämlich es
heifst: „denn alle dieso Wesen gehen ein in den Prä^a, und aus
„dem Präna entspringen sie" (Ghänd. 1, 11, 5); wenn hier für d^i
Ursprung und Untergang aller Wesen als Ursache der Präna an-
gegeben wird, so beweist dies, dafs der Präna das Brahman sein
muls. — 'Aber wir sagten doch, dafs, auch wenn man unter dem
'Präna den Mukhya Präna verstehe, das Kingehen und Hervorgehen
5*
68 C^iraka-mlm&ÄBlL
^der Wesen ohne Widenpracb bestehen Icönne, indem wir dabei
*aaf die Erscheinungen des Einschlafens und Erwachens hinwiesen.*
«— Darauf dient zur Antwort: beim Einschlafen und Erwachen
sind es nur die Sinnesorgane allein, welche in den Pr&na eingehen
und wieder aus ihm hervorgehen; an unserer Stelle hingegen redet
die Schrift nicht nur von allen Sinnesorganen, sondern von allen
Wesen mitsamt ihren Leibern und den in sie eingegangenen indi-
viduellen Seelen, wenn sie sagt: „alle diese Wesen (bkutah^'^ Und
selbst wenn man hier unter den Wesen (^bküta) nur die [fünf]
Elemente (mahäbMta) verstehen will, so bleibt auch dann wahr,
dafs dem Pr&na Merkmale beigelegt werden, welche nur dem Brah*
man eigen sind. — 'Aber lehrt nicht die Schrift, dafs die Sinnes*
'organe mitsamt den Sinnendingen beim Einschlafen und Etwachen
Hn den Pr&na ein- und aus ihm wieder hervorgeben; denn es
^heifst doch: „wenn einer so eingeschlafen ist, -dafs er kein Traiim-
141 *„bild I schaut, so ist er eins geworden in jenem Pranaj dann
\,gehet in ihn ein die Rede mitsamt .allen Namen, [das Auge mit-
'„saint allen Gestalten, das Ohr mitsamt allen Tdnen}^^ n. s. w.
'(Kaush. 8, 3)?* -'— Auch an dieser Stelle iat ea, weil seine Merk-
male vorkommen, Brahman allein, welches unter dem Pr&via ver»
standen werden kann. Wann aber weitar behauptet wurde, . dafs
das Wort Prft^ nicht Brahman bedeoten könne, weil daneben die
Nahrung und die Sonne erwfihnt wftrden, eo ist das 'ungereimt;
denn wenn einmal ans dem Zusammenhange die Beziehung des
Wortes Prfina auf das Brahman festgestellt worden ist, so tbut es
gar nichts aur Sache, was aufserdem noch daneben erwähnt wird.
Wenn ferner geltend gemacht wurde, dafs das Wort „Präna" am
gewöhnlichsten den f&uffaoben Lebenshaueh bedeutet, so ist dieser
Punkt ganx ebenso zu behandeln wie es bei dem Worte, „Äther**
[im vorigen Adhikaranam] geschah. Somit steht fest, dafs der als
die Gottheit des Prasf^va erwähnte Prana (Ghand. 1, 11, &) das
Brahman bedeutet.
Einige wollen dieses Suiram beziehen auf die Stilen
„des Odems Odem*' (pränasya prä^nh^ Brih. 4, 4. 18) und: „das
„Leben (präna) ist die Bindungsstätte des Manüs*^ (Chand. 6, 8, 2);
aber beides ist unpassend, weil au diesen Stellen, wegen des
Zweimalstehens des Wortea {.prdi^asyti p^dnah] und wegen des in
Rede stehenden Thema's ein Zweifel [daräber, dafs Brahman ge-
meint ist] nicht obwalten kann. Denn wie in dem Ausdrucke
„der Vater des Vaters" ein anderer der im Genitiv stehende Va-
ter, und ein anderer der im Nominativ stehende Vater des Vaters
sein mufs, ebenso ist in dem Ausdrucke „der Odem des Odems '%
wegen des Zweimalstehens, der „Odem des Odems" offenbar ein
Anderer als der gewöhnliche Odem. Denn eine und dieselbe Sache
kann nicht nebeneinander als Nominativ und Genitiv von sich
selbst unterscliieden werden. Und ebenso versteht es sich [betreffs
S&tram I. u 23. 69
der zweiten Stelle, Chand. 6, 8, 2J von selbet, dafs, wenn von
einer Sache als Thema die Rede ist, und sie dabei einmal unter
anderm Namen vorkommt, eben jene in Rede stehende Sache ver-
standen werden mufs. Denn wenn z. B. vom Lichtopfer- die Rede
ist, und es hei (st dabei: ,pnit jedem neuen Frühling toll man das
„Licht darbringen", so bedeutet hier das Wort „Licht" dasselbe
wie „Lichtopfer". Ebenso steht es, wenn von dem höchsten
Brahman ala Thema die Rede ist, und es heifst dabei: „denn das
,4^ben (prdfjka) ist die Bindungsst&tte | des Manas" (Ch&nd. 6, 8, 2); ^^^
hier ist ja nicht daran zu denken, dafs das Wort „Leben" (präfta)
eine blolse Abart des Windes bedeuten könne. Weil somit bei
diesen Stellen kein Zweifel obwalten kann, so ist die Heranziehung
derselben [zum gegenwärtigen Sütram] unpassend. Was hingegen
den (Ch&nd. 1, 11, 6) als Gottheit des Prastäva erwähnten Präna
betrifft, so haben wir die Frage, die gegnerische und die endgül-
tige Meinung darüber durchgegangen.
>»
Zehntes Adhikaranam,
^4* jyotig, caranor-abhidhAnät
das Licht^ wegen Erwähnung der Füfse.
£s heifst in der Schrift: „nun aber das Licht, weiches jenseits
des. Himmels dort erglänzt, auf dem Rücken von allem, auf dem
,»Rücken von jedem, in den höchsten, allerhöchsten Welten, das
„ist gewifslich dieses Licht inwendig hier im Menscbfln" (Gh&nd.
3, 13, 7). Hier erhebt sich die Frage, ob unter dem Wcnrte „Licht"
ein Licht wie das der Sonne und dergleichen, oder aber das höchste
Brahman zu verstehen ist? Dafs auch solche Worte, welche zu-
nächst eine andre Sache bedeuten, sich auf das Brahman beziehen
können, „weil seine Merkmale" dabei vorkommen, sahen wir be-
reits. Es fragt sich daher, ob an unserer Stelle ein Merkmal des
Brahman sidi vorfindet oder nicht.
Angenommen also, 'unter dem Worte Licht sei hier das der
^Sonne oder dergleichen zu verstehen; warum? wegen des Gebrau-
'ches; indem die beiden Worte „Finsternis" und „Licht" gebräuch-
'lich sind, um zwei im Gegensatz zu einander stehende Dinge zu
^bezeichnen« Daarjenige, was die Verrichtung des Auges hemmt,
'wie z.B. das ' nächtliche Dunkel (cärvaram)^ wird „Fiustemis"
'genannt; was hingegen dieselbe befördert, | wie die Sonne und 143
'dergleichen, ist das „Licht"« Ebenso ist auch der von der Schrift
1
70 C^rlrftka-mlmlüäei
^branohte Aoadruck „erglAnst^ von der Sonue und Derartigem
^üblich. Ton dem BrahnoAn hingegen, welches der Sichtbarkeit
'u. t. w. ermangelt, könnte die Sohrilt nicht im eigentlichen Sinne
'sagen, dafs es „ergUnxt^'. Femer [kann das Brahman nicht ver-
'standen werden] , weil die Schrift dem „Lichte'' den Himmel als
'Grenze setst. Denn das Brahman, welches der Same allee Beweg-
'liehen nnd Unbeweglichen ist und alles als Seele erfallt, kann
'nicht den Himmel als die Grenze [jenseits deier ek ist] haben*
'Das erschaffene Licht hingegen ist räumlich begrenzt, so dafs der
'Himmel seine Grenze bilden kann, und der Text redet ausdrück-
'lieh Ton dem „Licht, welches jenseits des Himmels" sei.' — Aber
ist nicht auch das erschaffene Licht allerwftrts verbreitet, so dafs
seine Abgrenzung auf den Raum jenseits des Himmels unpassend
ist? Sollen wir somit nicht lieber an das ursprüngliche, noch
nicht [durch Zumischung von Wasser und Nahrung, Ch&nd. 6, 2 — 4]
dreifadi gemachte Feuer denken? — 'Doch nicht! denn jenes
'noch nicht dreifkch gemachte Feuer findet [in der Welt] keine
'Vwwendung/ — Kann denn die Verwendung nicht eben darin
bestehen, dafs es zur Verehrung empfohlen wird? — 'Nein! denn
'nur solche Dinge, welche toch anderweite Verwendung finden,
'z. B. die Sonne und dergleichen, werden von der Schrift zur Ver-
'ehrung empfohlen. Auch lehrt die Schrift in den Worten: „jede
'„einzelne Ton ihnen aber will ich dreifach machen" (Ch&nd. 6, 3, 3);
'dafs alles Feuer ohne Ausnahme ein dreifach gemachtes sei. End-
'lieh ist auch nicht zu erweisen, dafs das noch nicht dreifach ge-
'machte Feuer auf den Baum jenseits des Himmels eingeschränkt
144 *8ein müsse/ | — Nun gut, es mag also unser schon dreifach ge-
mischtes Feuer sein, welches unter dem „Lichte" zu verFcehen ist.
Aber vrie steht es dann damit, dafs, wie wir bereits erinnerten,
dieses „Licht" sich auch, als Herdfeuer u. s. w., diesseits des Him-
mels Yorfindet? — 'Das schadet nichts. Denn wenn sich auch
'das „Licht" allerwärts hin erstreckt, so steht damit doch nicht
'in Widerspruch, dafs es, zum Zwecke der Verehrung, au irgend
'einem bestimmten Orte, also, wie es hier heifst, „jenseits des
'„Himmels" angeschaut wird. Nicht aber ist ebenso auch bei dem
'Brahman, weil dasselbe orüos (nishpradeca) ist, die Verlegung an
^einen bestimmten Ort berechtigt. Auch die Vielumfassung, welche
'in den Worten „auf dem Bücken von jedem, in den höchsten,
'„allerhöchsten Welten" ausgesprochen liegt, wird passender von
'dem natürlichen Lichte verstanden. Und wenn es weiter' [mittels
einer in den Upanishad's häufigen Identifikation des Kosmischen
und des Psychischen] 'heifst, jenes Licht jenseits des Himmels sei
'„gewifslich dieses Licht inwendig hier im Menschen" (Chänd.
^3, 13^ 7), so haben wir hier eine bildliche Übertragung des Jen-
'seitigen Lichtes auf das Licht im Bauche [die, gewöhnlich jäthara
^Offni genannte, Feuerkraft der Verdauung]. Es bemhen aber
SÜtTAIR I. I. 24. ' 71
'derartige Übertragungen auf einer gewissen Gleichartigkeit^ wie
'diese z. B. auch statthat, wenn es heiM „[der Mann, der in
S Jener Sonnenscheibe ist,] dessen Haupt ist Mur (Erde); das eine
\,Haupt ist diese eine Silbe'' (B)-ih. 5, 5, 3). Dafs aber das
'Bauchlicht nicht Brahman sein kann, steht fest, weil die Schrift
'da, wo es heifst: „dieses ist seine Anschauung, . . . dieses ist
'„seine H5rung", die [Körper-] W&rme und das [Ohren-] Sausen als
'seine Merkmale angiebt (Ch&nd. 3, 13, 7. 8). Ferner auch, weil
'es weiter heifst: „darum soll man dieses [Licht] verehren als
'„etwas, welches man siehet und höret" (Chänd. 3> 13, 8). Bafs
'hier nicht Brahman gemeint sein kann, ist endlich auch noch
'daraus ersichtlich, dafs die Schrift in dsn Worten: „der wird an-
'„gesehen und gehört, wer solches weifs" (Ohd.nd. 3, 13,8), nur
'einen gelingen Lohn yerheifst, während die Verehrung des Brah-
'man, wie man annehmen darf, einen grofsen Lohn bringt. Hierzu
'kommt anderseits, dafs weder im Zusammenhange der Stelle selbst
'dem „Lichte'S irgendein Merkmal, aus dem sich, wie bei dem
'„Prtoa" und dem „Äther", auf Brahman schliefsen liefse, beige-
'legt wird, noch auch in dem vorhergehenden Zusammenhange
'irgendwie Ton Brahman die Rede ist. Denn wenn es [im Yorher-
'gelienden Chänd. 3, 12, 1] heifst: „wahrlich, diese, ganze ent-
'„standene Welt ist die ^rdya^rl", so ist hier nig: von einem Me^
'trum die Rede. Aber selbst zugegeben, dafs | in der vorher- 145
'gehenden Stelle irgendwie von Brahman die Rede sei, so liegt,
'doch an unserer Stelle kein Kenuzsichen vor, an dem man däs-
'selbe wiedererkennen könnte. Denn dort hiefs es: „Drei [Füfse]
'.„sind Unsterblichkeit im Himmel droben" (Oh&nd. 3} 12, 6)^ —
'wo also der Himmel als der eigentliche Gegenstand, — hier hin-
'gegen: „das Licht, welches jenseits des Himmels" (Chand. 3, 12, 7), ^
' — wo der Himmel als die Grenze erwähnt wird [jenseits deren
'erst der Gegenstand sich vorfindet]. Somit ist es nur das natür-
'liche Licht, welches man an unserer Stelle zu verstehen hat.' —
Auf diese Annahme erwidern wir, dafs unter dem Liciite hier
das Brahman verstandeu werden mufs; warum? „wegen Erwähnung
„der Füfse" (carana)^ wobei caratta soviel bedeutet wie päda
(Fufs). Nämlich in der vorhergehenden Stelle (ChUnd. 3, 12, 6)
war das Brahman als vierföfsig geschildert worden mittels der
[aus dem Pwrfi5Äff-Liede, Rigv. 10, 90, 3 entlehnten] Verse:
„So grofs die Majestät ist der Natur,
„So ist doch gröfser noch der Geist erhoben;
„Ein Fufs von ihm sind alle Wesen nur,
„Drei sind Unsterblichkeit im Himmel droben."
I Die drei Füfse des vierfüfsigen Braliman, welche hier als unsterb- 146
lieh und zum Himmel gehöng aufgezeigt werden, eben diese
72 ^iknniika-miniftlteli
sind ftuch an unserer Stelle wiflydenso^rkennen und zwar daran,
dafs [aaeh das Licht, von dem unsere Stelle redet] als zam
Himmel gehörig bezeichnet wird. Wer dies verwerfen uad "hier
an ein na^Arliches Licht denken w.ollte, der würde sich eines Ab-
gehen» Vvcm dem Thema and Übersprhigena auf ein Nicbtiibema
schuldig machen. Und nicht mxr in der Stelle von dem Lichte
[von der wir reden] kehrt das 3i*ahman wieder, soadera auch
noch weiterhin in der unmittelbar darauf (Ch^nd. 3, 14) folgenden
(Jaf^/Z/^a* Lehre sehen wir es wiederkehren; daher man auch an
unserer Stelle unter dem Lidite das Brahman verstehen mufs.
Wenn aber geltend gemacht wurde, dafs die beidmi Ausdruoke
„ Licht ^* und „erglänzt^' gewöhnlich von dem erschaffenen lichte
gebraucht würden, so stehtT das UAserer Auffassung nicht im W^g»,
weil, wenn einmal auf Grund deeseo, was vorhergeht, die Beziehimg
auf Brahman festgestellt worden, jene beiden Attsdr&oke «ich ganz
wohl auch von Brahman verstehen laasen, sofern dasselbe bildlioh,
. wegen seiner Ähnlichkeit mit demseibea, als ein glänzendes, wiik-
liches Licht vorgestellt werden kaan« Wie denn auch «in Mantra-
Vers [von „dem grofsen Geiste^*] sagt (TaitL br. 3, 12, 9, 7):
1 ^Durch den die Senne kudilet glntentflammU'
' Oder a«ch darum; weil das Wort „Li<!lit^^ nicht ansschliefslich von
dem die Yerrichtung des Ao^es ermöglichendeit Lichtelemente ver^
standen su werden brauditi da es auch anderweit gebraucht wird,
z.B. wenn ee heilst: ^jdenn bei dem Lichte der Rede sitzt er"
(Brih. 4, 3, 5) cäatz „deä Geistes Licht soll sich [des Opferscbmal-
„zes] freuen'* (Taitt. samh. 1, 5, 3| 2). Also alles, was einem eine
147 Sache } offenbart^ d.as kann als ein ,, Licht" bezeichnet worden.
Ist. dem so, dann ist auch bei Brahman, weil es vermöge seiner
G^stigkeit die Ursache ist, welche die ganze Welt offenbar macht,
der Gebranch des Wortes „ Licht'' am Platze. Daher auch die
Schrift von ihm sagt: ,kihm, dem Glänzenden, glUnzt alles naeh,
„von seinem Glänze ergl&nzt diese ganze Welt'' (Kä(h. 5, 15) und :
„ihn ehren als imsterblich Leben die Götter, als der Lichter Licht"
(Bfih. 4, 4, 16). Wenn weiter behauptet wurde, dafis die Be»
schrAnknng auf den Raum jenseits des Himmels auf das allgegen-
wärtige Brahman nicht passe, so ist darauf zu erwidern, dafs mit
der Allgegenwart des Brahman eine zum Zweck der Verehrung
unternonunene Anschauung desselben an einem bestimmten Orte
nicht streitet. — 'Aber wir sagten doch, dafs das Brahman ortlos
'sei, dafs somit die Verlegung desselben an einen bestimmten Ort
'nicht angehet * — • Das hat nichts zu sagen. Denn wenn auch
das Brahman ortlos ist, so kann es doch, zufolge seiner Ver-
knüpfung mit bestimmteu Beilegungen (upddhi) an einen bestimm-
ten Ort verlegt werden. So z. B. kommen in der Schrift Ver-
Sütam I. I. 24. 73
chrungen vor, bei denen das Brabman in der Sotme, im Ange, im
Herzen aufgefafist wird, also als an einen beetittuaten Ort gebun-
den erscheinf. Damit erledigt sich denn 9xudi der Einwurf, der
aas der Yielamfassnng, wie eie in den Worten: „auf dem Rücken
„von jedem" 4RisgesproGhen liegt, entnommen wurde. Wenn weiter
behauptet wurde, dafs, wegen seiner Übeilnagung auf das ajis dier
[Körper-] WüTBie und dem [Ohren-] Sausen «rkennbare, Bstfirlifihe
Bauchlichtj a«ioh -das Licht jenseits des Hinmels nur ein Baturlicbee
sein könne, so iei arnjch das unzutraffead^ weil auch da« hdobBt«
Bi-abman, so gut wie es den „Namen'' «l s« w. als sein Symbol hjct
(vffi. Cband. 7, 1, ö fg.), auch da« fiaiiditicht als sein Sjnibol
haben kann; wenn as aber dabei heilst: ^ darum soll man dieses
^Licht] verehren da etwas, welches man sidiet und höret" (Ghaad.
.% 18, 8), so mufs diese Sichtbarkeit md Höii>axkeit auf RechnuBg
des Symbols gesetzt werden. | Wenn femer wegen der Yerheifsung ^^^
^ines nur geringen Lehnen die Beziehung auf Brahman bestritten
wurde, so ist auch daa unzutreffend. Denn es ist kein Grund, als
Begel aufsustellen, dafs man nur bei einer gewissen Höhe des
-Lohnes an Brahman und bei einer gewissen nicht an dasselbe zu
d<9nken habe. Denn wo das von aller Verbindung mit Unterschie-
den (vigesba) freie, höchste Brahman (param hrahma) als Seele
nadigewiesen wird, da giebt es, wie [aus der Schrift] zu ersehen,
nur eine einsige Frucht, nämlich die Erlösung; wo hingegen das
Bralunan in einer Verbindung mit unterschiedlichen Attributen
(gtUfa-vi^esKa) oder in einer Verbindung mit unterschiedlichen
Symbolen (prattka^vi^esha) vorkommt, da werden hohe und niedi-ige,
Jtfdoch nur auf den Safitsära beschränkte (satfisdra-ffocarä^i eva)
Belohnungen von der Schrift verheifsen; so in Stellen wie: „er ist
„eS) Welcher die Nahrung geniefst und der Geber des Guten, ist.
.,Der findet Gutes, wer Solches weifs'^ (Brih. 4,4, 24). Wenn
endlich auch in dem Zusammenhange der Stelle selbst kein Merk-
mal des Lichtes vorkommt, welches auf Brahman hinwiese, so liegt
doch ein solches in den vorhergehenden Worten vor und mufs von
dort her auf unsere Stelle mitbezogen werden. Dieses meint der
Verfasser der S&tra's, wenn er sagt: „das Licht wegen Erwähnung
„der Füfse." — *Aber wie darf man deswegen , weil Brahman in
^einem andern Zusammenhange in der Nähe vorkommt, die Stelle
^vom Lichte entgegen ihrer eigentlichen Beziehung umdeuten?' —
Dieser Einwand ist. nicht begründet; denn wenn es heifst: „das
„Lichty weiches jenseits des Himmels" fyad atak paro dwo jjfotih)^
so wird hier durch das voranstehende Pronomen yacf (welches)
krafk der ihm eignen Bedeutung das vorher erwähnte und an der
Zugehörigkeit [des Lichtes] ^um Himmel [als dieses] wiedei-zuer-
kennende Brahman wieder aufgenommen; daher mit gutem Grunde
auch daa Wort „Liclit*^ auf Brahman bezo^n wird. Somit ist unter
dem au unserer Stelle erwähnten „Lichte" daa Brahman zu verstehen.
74 Qirlrakvmtmftnsä
149 25. chando *bhidhdnän na. iti cm? na! iathd ceto-
'fTpam-fügadät, tathä M darfanam
wegen der Erwähnung des Metrums nichts meint ihr?
0 nein! weil dadurch die Fixierung der Gedanken
ausgedrückt, indem dies erweisbar.
Noch wurde behauptet, dafs auch in dem Vorhergehenden
nicht von Brahman die Rede sei, indem in den Worten f „fürwahr
,,die Gäyatri ist alles dieses Gewordene, was immer vorhanden ist'%
(Chand. 3, 12, 1) nur das Gäyairi genannte Metrum erwähnt
werde; dieses bleibt noch zu widerlegen.
Aber wie kann man nur bestreiten, dafs in der Erwähnung
des Metrums das Brahman gemeint sei, da doch in dem Verse:
„So grofs die Majestät ist der Natur^^ u. s. w., das Brahman [ent*
sprechend dem Gr%a<r(-Metrum , welches aus dreimal vier iamhi-
scheu FüJIsen ^-^ ^^ ^J- y^^ besteht] als vierfüfsig hingestellt
worden war? — 'Dem ist nicht. so\ könnte man sagen, 'vielmehr
^st in den Worten „fürwahr die GäyaiH ist alles dieses" von der
^[wirklichen] Qayairi die Rede, und nachdem eben diese ihrer
^Beschaffenheit nach durch die [sechs] Bestandteile [des Natur-
'ganzen, nämlich:] Wesen, Erde, Leib, Herz, Rede und Odem
^[richtiger: Erde und Wesen, Leib und Prdna^H (Sinnesorgane),
^Herz und Fräfj^a^s (die fQnf Lebenshauche)] erläutert worden, so
'heifst es weiter (Chänd. 3, 12, 5 — 6): „dieses ist di^ viei-füfsige,
S,sechsfache^ Guyatri ; eben dieses wird dargelegt durch den Vers :
S,«so grofs die Miyestät ist der Natur»;" hier wird dev Vers mit
'Beziehung auf die eben ihrer Beschaffenheit nach erklärte Gäyairi
^angeführt; wie kann man denselben also ohne Veranlassung auf
^das vierfüfsige Brahman beziehen? Und wenn das Wort „Brah-
Sfi^&i^'' dabei vorkommt, indem es [im Anschlnfs an den citierten
'Vers] heifst: „Fürwahr was dieses Brahman ist" (Ghänd. 3, 12, 7),
'so ist auch dieses, weil von dem Meknm die Rede ist, nur [etwa
'indem brahman „Gebet" bedeutet] auf das Metrum zu beziehen.
'Denn auch an der [kiirz vorhergehenden] Stelle: „wer also diese
'„Brahman-Upanishad weifs" (Chänd. 3, 11, 3), bedeutet dies soyiol
'wie „Veda-Upanishad", Somit ist „wegen Erwähnunj^ des Metrums"
'auzunehmen, dals hier. nicht von Brahman die Rede ist/ — Auf
diese Einwendung entgegnen wir, dafs dieselbe ohne Grund ist,
„weil dadurch die Fixierung der Gedanken ausgedrückt" wird:
d. h. : dadurch, nämlich durch das Gäyatrt genannte Metrum, wird
eine Fixierung der Gedanken, ein Concentrieren des Denkens, auf
das in jenem Metrum angeschaute Brahman von unserm Texte
150 ausgedrückt, | indem er sagt: „fürwahr die Gäyairi ist diese ganze
Sütram I. i. 25. 75
„Welt" (Ch&nd. 3^ 12, 1). Denn yon der Oäpairi als einer blofsen
Anordnung von Silben kann nicht behauptet werden, dafs sie das
Selbst (die Seele) von allem sei. Es ist somit das Brahman als
Weltareiaohd, welches hier, aufgef&fst als die aus ihm entstandene
Gdyairiy bezeichnet wird als dasjenige, welches „diese ganze Welt"
sei; ebenso wie es [im Folgenden, Ch&nd. 3, 14, 1] heifst: „für-
wahr „das Brahman ist diese ganze Welt." Dafs aber alles Ent-
standene der Weltursache immanent ist, werden wir zeigen bei
den Worten: „Identität mit ihm, wegen des Schriftwörts von dem
„Sich-anklammem und anderen" (Sütram 2, 1. 14). „Indem dies"
[wie die Schlufsworte unseres Sütram lauten] auch anderweit „er-
„weisbar*^ ist, dafs Brahman in Gestalt einer seiner Umwandlungen
verehrt wird, denn es heifst z. B.: „er ist es, den die Bahvfica^s
„[Priester des piffvedä] als das gi'ofse Preislied, er, den die
^^Ädhcaryu's [Priester des Yajurvedd] als das Opferfeuer, den die
^ßhandoga^ [Priestor des Sämavedd] als das groDse Gelübde über-
„denken** (Ait. &r. 3, 2, 3, 12). Somit ist auch unter der Erwäh-
nung des Metrums im Vorhergehenden das Brahman zu verstehen;
und eben&o wird dieses an unserer Stelle als „das Licht" bezeich-
net, um noch eine weitere Art seiner Verehrung vorzuschreiben.
Ein anderer [Erklärer] behauptet: Brahman wird hier
geradezu als die Gäyatri bezeichnet, wegen der Gleichheit der
Zahl. Denn so wie die Gäyatri aus vier Füfsen zu je sechs Sil-
b',in [in welche hier die dreimal acht Silben der Gäyatri unbe-
recüügterwei&e zerlegt werden] besteht, j so ist auch das Brah- l&l
man vierfufsig. „Indem dies erweisbar" daraus ist, dafs auch
anderweit Worte, welche ein Metrum bedeuten, wegen der Gleich-
heit der Zahl von andern Dingen gebraucht werden. So z. B. an
der Stelle* ,4)eide, die einen fünf [die {Elemente) und die andern
„fünf [die Sinnesorgane], welche zehn machen, sind das ITnYam"
der bachste Wurf beim Würfelspiele, zehn Augen zählend
leifst es weiter: „tlieses ist die Viräj [ein zehnsilbiges Metrum'
„die Speiseesserin" (Chänd. 4, 3, 8). — Nach dieser Auffassung
wird das Brahman selbst [als die Gäyatri] bezeichnet, und liegt
eine „Erwähnung des Metrums" überhaupt nicht vor, weil im
Vorhergehenden schon von Brahman die Rede war.
36. hhiAa-ddv^ädorvyapadeQa-upapatteQ ca evam
ebenso auch, weil Bezeichnung der Wesen u. s. w. als
seiner Füfse möglich.
Und auch aus folgendem Grunde mufs man es „ebenso" auf-
fassen« In der vorhergehenden Stelle ist das Brahman gemeint,
«r^
76 Qluriraka-m1iBims&
weil di« Wesen tu «. w« bIjb seine Füll» l»ezeidmet werden. Denn
nachdem TfaMü, £rd«, Leib and Herz [dhee haffentlicb doch nicht
als die vier f^be! Tgl. auch p. 149, 9] genannt worden, heilst
es weiter: ,,die8i» ist die vierföTsige, sechsüache GdyatrV^ (Chind.
3, 12, 5). Dean ohne dieses auf Brahinan zu beliehen [lies 151, IG
ebenso wie 151, 11 brahtulndgrayat^e], bei dem blofsen Metmm
wären die Wesen n. s. w/ als seine FüXse nicht „mdglich^^ Auch
könnte nicht, wenn es nicht auf Brahman bezogen werden sollte,
der Yers dabei stehen: „So grofs die Majeet&t ist der Katar*' u. s. w.
Denn in diesem Verse wird Brahman seiner eignen Essenz nach
bezeichnet; denn nnr von ihm ist die in den Worten: „ein Fufs
„von ihm sind alle Wesen nur, drei sind Unsterblichkeit im Hini-
„mel droben*^ liegende Allbeseelung zutrl^ffend, und auch schon im
152 Purushch I Liede [dem Liede Rigv. 10, 90, welchem dieser Vers
ursprünglich angehört] kommt dieser Vers so vor, dafs man ihn
nur Yon Brahman verstehen kann. Und auch die Smpti lehrt von
Brahman ebendieselbe Wesensbeschaffenheit [wie dieser Vers], wenn
sie sagt (Bhag. G. 10, 42):
„Nachdem ich schuf aus einem Teil von mir
,^as Weltenall, steh' ich doch ganz vor dir.*'
Aach wird in den [unmittelbar auf obigen Vers folgenden] Worten:
„Fürwahr, was dieses Brahman ist'^ auf dasselbe hingewiesen; und
unter den obwaltenden Umständen mufs man hier an Brahman im
eigentlichen Sinne [nicht in irgend einem andern Sinne dieses
Wortes, wie oben p. 149, 12 behauptet wurde] denken. Auch
die in den Worten: „Fürwahr dieses sind die fünf Mannen des
Brahman" (Ch^nd. 3, 13, 6) auftretende Auffassung der fünf Bohr-
löcher des Herzens als der fünf Mannen des Brahman ist nur
möglich, sofern es das [eigentliche] Brahman ist, zu welchem eine
Beziehung derselben ausgedrückt werden soll. Hieraus folgt, dafs
in der [unserer Stelle vom „Lichte**] vorhergehenden Stelle wirk-
lich von Brahman die Rede ist. Und eben dieses Brahman ist
weiter auch unter dem „Lichte^* zu verstehen, indem man aus der
Zugehörigkeit desselben zum Himmel in ihm das Brahman wieder*
erkennt; dabei bleibt es.
Ü7 upadega-bhedan na, iH cen, na! uhhaydsmin
api amrodhät
wegen der Verschiedenheit der Bezeichnung nicht, meint
ihr? Nein! weil in beidem kein Widerspruch.
Wenn endlich noch [p. 146, 1 fg.] behauptet wurde, dafs in
dei* vorhergehenden Stelle in den Worten „drei sind Unsterblich-
86trau I. i. 37. 77
,)keit im Himmel droben*^ (Cb&nd. d, 12, 6) der Himmel bezeichnet
werde im Lokativ als der Ort, wo, hingegen in unserer Stelle
in den Worten j^dtka Licht welches jenseits des Himmels" (Ch&nd.
3, 13, 7) im Ablativ al» der Ort, jenseits deKsen der fragliche
Gegenstand sich befinde, > und dafs „wegen dieser Verschiedenheit
„der Beaeichnnng" das dort Gemeinte nicht als das hier Gemeinte
wiedererkannt werden dürfe, so bleibt das noch | xu widerlegen. ^^
Wir bestreiten die Gültigkeit dieses Einwandes, weil in betdem
ein Widerspruch nicht liegt. I>enn es ist „kein Widerspruch", in
beiden Beaeiclmungen, der lokativen und der ablativen,. das selbe
als gemeint anauerkennen. Denn so wie im SpradigiebraoGhe des
gemeinen Liä>ena bei einem Palken seine VerbLndun^ mit einer
Baumspitae aaf beide Art beeeichnet werden kanjfi» iadem man
sagen kann, der Falke befinde sich auf der I^um&ptixo und er
befmde sich oberhalb der Banmspitee, elienso kann aneb von ßrah»
man, wiewohl es sich in dem Himmel befindet ^ dock auch gesagt
werden, es befinde !;icli jenaeits des Himmels.
Ein anderer [Erklirer] behauptet: so wie im Sprachge»
brauche des gemeinen I^ebens von einem Falken» anch wenn er
nicht mit der BaumspitBo verbunden ist, beides gesagt werden
kann^ er befinde sich auf der Baumspitae, | und er befinde sidi ^^
über der Baumspitze, ebenso kann auch von dem Brahman, wie-
wohl es sich jenseits das Himmels befindet, dooh auch gesagt
werden, es befinde sich in dem Himmel.
Ans diesen Gründen also hat man das in der vorhergehenden
Stelle in Rede stehende Brahman auch an unserer Stelle wieder-
zuerkennen, und somit steht fest, dafs auch unter dem Worte
„r^icht^* nur das höchste Brahman verstanden werden darf.
Elftes AiUnkorayam,
28. pränas, tathä anugamit
der Präna (Leben, Odem), 'weil man dies ersieht.
Es findet sich in der Kauahttaki-hmhitaita-upamshad eine Le-
gende von Indra und Pratardana, welche anflingt mit den Worten :
„Pratariana, flUw^ahr, der Sohn des Divodasa, ging ein zu der
,,)iebeu Wohnung des Indra durch Kampf und durch Tapferkeit^'
(Kaush. 3, 1). Im Verlaufe dieser Erzählung heifst es: „Kr [Indra]
,, sprach tu ihm: Ich bin der Odem (pravia)^ bin das Erkenntnis-
,,Selb8t {pTOJffüi'dimau)] als diese», als imsterblichos Leben verehre
78 rär)raka-mlm4ns&
„mich" (Kaush. 8, 2); und weiterhin: „aber flkrwahr das Leben
,/praiia) nar, das Erkonntnis- Selbst umspannt diesen Leib und
„richtet ihn auf'^ (Kaush. 3, 3), nnd sodann: „nicht die Rede soll
„mau erforschen, sondern erkennen den, der da redet" (Kaush. 3, 8),
und zum Schlüsse: „dieser Pr^na allein ist das Erkentttnis-Selbst,
„ist die Wonne ; er altert nicht und stirbt nicht" u. s. w. (Kaush.
155 3, 8). — I Hier erhebt sich die Frage, ob an diesen Stellen mit
dem Worte „Präna" blofa der Wind bezeichnet wird oder die
Seele der Gottheit [Indra] oder die individuelle Seele oder das
höchste Brahman? — 'Aber haben wir nicht schon in dem Sütram
S,au8 eben dem Grunde der Pr£lna" (1, 1, 23) dargelegt, dafs das
^Wort Prana sich auf Brahman beziehen kann, und findet sich
^nicht auch hier wieder ein Merkmal des Brahman, wenn es heilst:
*„er ist die Wonne, er altert nicht und stirbt nicht?" Woher
*also jetzt wieder der Zweifel?' — Darum, so antworten wir, weil
an unserer Stelle yei'schicdenaiüge Merkmale vorliegen. Es findet
sich nämlich an derselben nicht nur ein Merkmal des Brahman,
sondern auch noch andere lulerkmale. Denn wenn Indra sagt „so
„erkenne micli^', so ist das ein Merkmal dafür, dafs nur von einer
Götterseele die Rede ist; und wenn es heifst „er umspannt diesen
„Leib und richtet ihn. auf", so liegt hierin ein Merkmal des
[Muhhifa] Präna; endlich heifst es auch wieder: „nicht die Rede
„soll man erforschen, sondern erkennen den, der da redet" u. s. w. :
dieses ist ein Merkmal der individuellen Seele. Somit ist der
Zweifel berechtigt.
Angenommen also, ^der „Pr&na" sei der gewöhnliche Wind'. —
Darauf antworten wir, dal's man unter dem Worte Prä^a das
Brahman verstehen mufs; warum? „weil man dies ersieht"; d. L
weil, wenn die Stelle nach dem, was vorhergeht und nachfolgt, in
Betracht gezogen wird, der Zusammenhang als auf Brahman ab-
zweckend ersichtlich ist. Zunächst nämlich sagt Indra am Anfange
156 zu Pratardana: „wähle ein Geschenk"; | und nachdem Pratardana
das höchste Ziel des Menschen als das vorzüglichste Geschenk
bezeichnet hat, fügt er hinzu: „wähle du für mich was du als das
„Beste für den Menschen erachtest." Hierauf wird ihm als das
Beste der Präna gelehrt; wie sollte er also nicht der höchste
Atman sein? Denn die Erlangung des Besten ist^ nicht anders
möglich als durch die Erkenntnis des höchsten Atman; dieses
beweisen Schriftstellen wie (Qvet. 3, 8):
„Wer diesen kennt, geht zar Unsterblichkeit;
„Nicht giebt es einen andern Weg zum Geben";
auch heifst es (Kaush. 3, 1): „wer mich erkennt, dessen Stätte
„[im Himmel] wird durch keinerlei Werk geschmälert, nicht durch
„Diebstahl, nicht durch Tötung der Leibesfrucht"; dieses pafftt
Sfttram I. l 28. 79
uor, wezm man es von firabman versteht > indem, wie bekannt,
nach Erkenntnitt des Brahman alle Werke zu nichte werden, wie
(!enn die Schrift z. B. sagt (Mun^* 2, 2, 8) :
„Za nichte werden dessen Werke,
,yDer Jenes Höchst' und Tiefste schant"
Aach dafs er das Erkenntnis-Selbst ist, pafät nnr auf Brahman;
denn von dem ungeistigen Winde kann man nicht sagen, er sei
das Erkenntnis-Selbst. Und ebenso , wenn es am Schlüsse . heifst
„er ist die Wonne, er altert nicht und stirbt nicht", so passen
diese Bezeichnungen als Wqnne u. s. w. im vollen Sinne nur auf
Brahman allein; ebenso wie das Folgende: „er wird nicht höher
>,darch gute Werke und nicht geringer durch böse [d. h. er ent-
„hält sich aller Werke]; denn er allein läfst das gute Werke thun
„den, welchen er aus diesen Welten emporführen will, und er allein
„läfst das böse Werke thun den, welchen er aus diesen Welten
„abwärts f&hren will", und „er ist der Welten -Hüter, er ist der
„Welt-Gebieter, er ist der Welten-Herr" (Kaush. 3, 8). Alles die-
ses kann man verstehen > wenn man es auf das höchste Brahman,
nicht aber, wenn' man es auf den Mukh^a Präß^a bezieht. Somit
ist der. iV^tk> bier das Brahman.
29. na, vaktur (Uma-wpadeQädj iä ced? adhyatma- 157
samhandha-bhümd M asnUn.
nicht, weü der Redende sich selbst bezeichnet, meint
ihr? Aber es ist ja darin eine Menge von Beziehungen
auf die innere Seele.
Auf die Behauptung, dafs ier Pr&na das Brahman sei, wird
eingewendet, ^dafs man bei dem Worte Präna „nicht" das höchste '
'Brahman verstehen düife ; weshalb ? „weil der Redende sich selbst
S,bezeichnet". Nämlich der Redende, d. h. Indra, ist eine be-
istimmte, individuelle Gottheit, und diese erklärt dem Pratardana
'sich selbst, denn es heifst: „so erkenne mich", und weiter: „ich
S,bin der Präna, bin das Erkenntnis-Selbst"; hier wird der Präna
'durch das Wort „ich" als das Selbst des Redenden bezeichnet:
^wie kann er also das Brahman sein? Denn dem Brahman kommt
^doch kein Reden zu, indem die Schrift von ihm sagt, dafs er
S,ohne Rede, ohne Verstand" (Brih. 3,8,8) sei. Hierzu kommt
'weiter^ dafs ludru von sich nur solche Eigenschaften zu rühmen
^weifs, die zwar wohl auf individuelle Wesen, nicht aber auf das
80 Q'üirakA-mtiiilüQgl^
^Brahman pasBen; so z. B. weniL es sagt: „lA ersoblug den drei-
S,köpfigen Tüdshfraf ich gab die BOfser, ireiclie sich dem Yeda-
SfWorie abgewandt [so erkl&rea die Yedanlatkeologeii das aas
^tarurmagJMy «UDfreigebig» Ait. br. 7, 28 zurechtgelegte artm^
\ymükha]^ dcit wilden Hunden" (Kaush. 3^^ 1). Die Be^ieichncBg
*ala Ptäna ist auf Indra passend wegen seiner KraHigkeit; denn
*es bellst „fürwahr, die Kraft ist Leben (prd^y\ Indra aber gilt
'f&r die Gottheit der Kraft, und alles, was Kraltftofserung ist, das
4att wie in an sagt, ein Werk des Indra. Auch dafii der Priaa
Sias Erkenntnia-Selbet Iteifst, pafst 2iii> einer GSttecseele, wegen der
^{Jngeheranitheit ihrer Erkenntnis; denn die Giüter haben, wie man
Suigt, eine ungehemmte Erkenntnis. Steht es abmr einmal fest,
^dai» die Seele dee Gottes [Indra], ^meiut sei« so. mufs man die
^Worte, welche üib för das Beste tt. s. w. erkl&ren, so gut es gofat,
i&S «I eben darauf he»^«. Damm also, weil dar Rodende, n&miicb
^ladra^ sich selbst bcseichnet, kajcm der Pr&^ nicht das BrahoMin
*aein. ■ — •
Dieser Einwurf wird ins Gleiche gebraeki durch die Worte
[des Sütram]; n^ber es ist ja darin eine Menge Ton Besiehiugco
„auf die innero S>eele.^* — Beaiehungen auf die innere Seele, d. h»
auf das innere Selbst; von solchen ist eine Menge, eine grolsse
Anzahl dario^ in dem betreienden Abschnitte, zu bemerken. So
^wenn es hei/st: so lange in diesem Leibe der PriLna weilt,, »o lange
weilt das Leben" (Kaush. 3^ 2). Nur auf den Prana, das Elrkennt-
nis-Selbst im Innern, pafst die Freiheit, das I^ben au gehmot und
zu nehmen, von der hier die Rede ist, nicht aber auf irgoid eine
bestimmte Gottheit, welche selbst [vom Priina] abhängig ist« Ferner
wird durch die Worte: „und die Seligkeit der Lebensorgane liegt
,,in dem, was sie sind^'^ (Kaush. 3, 2) auf den das innere Selbst
bildenden Pr&na als auf den Trager der Sinnesorgane hingewiesen.
Weiter heifst es: „der Pra^a (Leben) nur, das Erkenntnis «Selbst,
„umspannt diesen Leib und richtet ihn auf" (Kaush. 3, 3); und:
„nicht die Rede soll man erforschen, sondern erkennen den, der
),da redet"; und weiter: „wie bei einem Wagen der Radkranz an
• „den Speichen, und die Speichen an der Nabe befestigt sind, so
„sind diese Wesenselemente an den Erkenntniselementen und die
160 „Erkenntniselemente | an dem Präna befestigt. Dieser Pr&^a allein
„ist das Erkenntnis -Selbst, ist di^ Wonne; er altert nicht und
„stirbt nicht" (Kaush. 3, 8); — wap hier iUr alle Beschäftigung
der Sinnesorgane mit den Sinnendingen als die Nabe aller Speichen
hingestellt wird, das ist nur das innere Selbst (prafyag-diman),
und von eben demselben heifst es (Kaush. 3, 8) zum Schiasse:
„n er ist meine Seele!», so soll man begreifen." Diese Worte
passen nur, wenn man sie von dem innern Selbste, nicht wenn
man sie von einer, selbst wieder von anderm abhängigen, Indivi-
dualgestalt [des Indra] versteht. Und auch eine andre Schrift
Sdlram L i. 29. 81
■
stelle s^: „das Brahman ist diese Seele", die . allvemehmende'*
(Brih. 2, 5, 19). Somit ist, wegen der .«Meoge von Besiehungen
,,aaf die innere Seele", hier eine Belehrung über Brahman und
nicht eine solche über eine Götteraeele zu Terstehen.
^Aber wie kommt ee dann, dafs der Redende [Indra] doch von
*sic)i eelbtt redet?' — Antwort:
30. ^ästra-drishti/ä tu upadego, Vämadeva-vat
venaöge einer Schrift- Anschauung vielmehr [geschieht]
die Bezeichnung, wie bei Vamadeva:
■
Die Öötterseele, weiche den Namen Indra führt, bezeichnet
ihren Atman als den hdohsten Atman, weil sie, vermöge - einer,
nach dem 2ieugiiis der Schrift, den Heiligen (rishi) eignen An-
schauung, sich selbst als das höchste Brahman anschaut und daher
sagen kann: „so erkenne michl*' Dies geschieht ebenso, wie wenn
es heifst: „Dieses erkennend hub Ydmadeva, der Bishi, an (Kigv.
„4, 26, 1): «Ich war einst Manu, ich war einst die Sonne»" (Brih.
1, 4, 10); denn die Schrift sagt [ebendaselbst]: „und wer Immer
„von den Göttern dieses [durch die Erkenntnis: f<icb bin Brahman»]
„mne ward, der ward eben zu demselbigen/^ Wenn aber femer
bemerkt wurde, dafs Indra nach den Worten: „so erkenne mich!^*
sich selbst wegen individueller Vorzüge, wegen der Tötung des
Trdshira u. s. w^ rühme, so hüben wir darauf Folgendes xa ent-
gegnen. Die Erwähnung der Tötung des Tväshfra u. s. w. ge-
schieht liier gar nicht, um das Objekt der Erkenntnis, den Indra^
zu verherrlichen, so als wollte er sagen: „weil ich solche Werke
„vollbracht habe, darum erkenne mich!", sondern vielmehr, um
die Erkenntnis zu verherrlichen. Dies ergiebt sich daraus, dafs
noeh Erw&lmung der Tötung des Tväskfra und anderer Gewält-
thsten I im Folgendon eine Hoohpreisung der Erkenntnis sich an^ i60
schliefst, indem es heifst: „die weil ich dieses that, so wurde mir
„doch dabei kein Haar geschmälert (loma miyale); darum auch,
„wer mich erkennt, dem wird durch keinerlei Werke [die er be-
„gabgen haben mag] seine Stätte im Himmel geschmälert (loko
jjnUyaUy''^ u. s. w. (Kaush. 3, 1). Das heifst mit andern Worten:
weil mir, obwohl ich derartige Greuelthaten beging, doch, wegen
meines Werdens zn Brahmau, kein Haar geschädigt wurde, darum
auch jeder änderte, der mich erkennt, dem mrd seine Stättt im
Himmct durch keinerlei Werke, welclie sie auch immer sein m^gen,
geschädigt. Was er aber zu diesem Zwecke erkannt haben mufs,
das ist das'Brahihan, wie es weiterhin dargelegt wird in den
Worten: „ich bin der Odem (präna)^ bin das Erkenntnis- Selbst'
(Kaush. 3, 2). — Folglich handelt diese Stelle von Brahman.
>i*
82 Q&rlrftka-mlmltnsa
31. jiva'-mtüiliyapräna-lmgän na, iti een? nd! upAsä-
' traividhyäd^ ä$ritatvddy iha tiul-yogät
wegen der Merkmale der individuellen Seele un4 des
Mukhya Präna nicht, meint ihr? O nein! wegen der
Dreifachheit der Verehrung, wegen des Beziehens,
und weil auch hier Verbindung mit ihm.
Man konnte einwenden: 'wenn auch, wegen der Menge von
^Beziehungen auf das innere Selbst, eine Götterseele, die selbst
'wieder von andBren abhängig ist, nicht gemeint sein kann, so
'kann die Stelle doch auch nicht auf das Bralimou gehen. Warum?
'weil ein Merkmal der individuellen Seele, und weil ein solches
'des Mukhya l^&na dabei vorkommt. Was zunächst die indivi-
'du^le. Seele betrifft, so liegt offenbar ein Merkmal derselben vcr,
'wenn es heifst: ,^icht ,dio Rede soll man erforschen, sondern er-
161 ^„kennen den\ der da redet" (Eausb. 3» 8); hier wird offenbar | ^e-
'boten, die individuelle Seele, wie sie durch die Organe der Rede
'u. s. w. cdch bethätigt und der Aufseher der Organe des Wii*kens
4st, t\k erforschen. Ebenso findet sich ein Merkmal des Muhhya
^Pränüy wenn es heifst: „aber fürwahr das Loben nur, das £r-
'„kenntnis-Selbst umspannt diesen Leib und richtet ihn auf^'
'(Kaush. 3, 3)« Das Aufrichten des Leibes nämlich ist die Saclio
'des Mukhya Prä^. Auch wird in der Stelle von dem Rangstreite
'der Organe (Pra^na 2, 3) von den Lebensorganen gesagt: „zu
%,ihnen sprach der edelste Präfta: «Irret euch nicht; ich bin e.%
'„der ich, mich fünffach teilend, dieses Rohrgewächs stütze und
'„aufrecht halte.»" Diejenigen, welche (Kaush. 3, 3) lesen: iniafii
^garirat}* parigjihya^ müssen so erklären: „indem er diesen, näm-
'„lich den individuellen Atman oder auch den Komplex der Organe,
^«umspannt, richtet er den Leib auf." Auch die Bestimmung, dafs
'der Prana das Erkenntnis- Selbst sei, pafst sowohl auf die indi-
viduelle Seele, wegen ihrer Geistigkeit, als auch auf den Mukhi/a
'Präna, sofern er die Stütze der übrigen, die Erkenntnis bewirken-
'den, Organe ist. Auf die individuelle Seele und auf den MnJcJfffn
'Präna pafst es ferner, dafs einerseits zwischen dem Präna und
*dem Erkenntnis- Selbste venuöge der Gemeinsamkeit ihres Wirkens
'NichtVerschiedenheit und anderseits der eignen Natur nach Vor-
'schitidenheit, beides nebeneinander, behauptet wird, indem es so-
'wohl heifst „der Präna ist die Erkenntnis und die Erkenntnis
'„ist der Präna"^ (Kaush. 3, 3), als auch: „zusammen wohnen beide
S,iii diesem Leibe, und zusammen ziehen beide aus" (Kaush. 3, 4).
'Denkt man hingegen an Brahman, was sollte sich da unterschei-
Satram 1. l 31. 83
i
'den und von wem? Somit ist hier an die indiyiduelle Seele und
'den Mtikhya Präftaf eei es an eines von beiden, sei es an beide
'zugleich, zu denken, nicht aber an das Brahman/
Auf diese Einwendung heilst es [im S&tram]: dem ist nicht so,
„wegen der Dreifachheit der Verehrung". Ware dem nämlich so,
dann würde hier . eine dreifache Verehrung stattfinden , d. h. eine
Verehrung der individuellen Seele, eine Verehrung des Mükhya
Präna und eine Verehrung des Brahman. | Dieses aber läfst sich 163
für eine und dieselbe Stelle nicht annehmen, und dafs unsere
Stelle eine einheitliche ist, ergiebt sich sowohl aus dem Eingange
als auch aus dem Schlüsse derselben. Denn zu Eingang hiefs es :
„so erkenne mich", und weiter: ,,ich bin der Präna, bin das Er-
.jkenntnis-Selbst; als dieses, als unsterbliches Leben, verehre mich;"
und zum Schlüsse: „dieser Präna allein ist das Erkenntnis^Selbst,
„ist die Wonne, er altert nicht und stirbt nicht." Hieraus ist
ersichtlich, dafs Anfang und Ende übereinstimmen, dafs man somit
einen einheitliche^ Gegenstand anzunehmen hat. Auch läfst sich
gerade das Merkmal des Brahman, welches dabei vorkommt, nicht
so umdeuten, dafs e^ sich auf etwas anderes bezieht, indem das
Befestigtsein der zehn Wesenselemente und Erkenntniselemente in
ihm [als der Radnabe] von einem anderen als Brahman nicht ver-
standen werden kann. — Femer mufs Brahman verstanden werden
„wegen des Beziehens", d. h. weil auch anderweit das Wort Prä^,
wegen dabei vorkommender Merkmale des Brahman, sich auf das
Brahman bezieht. „Und weil auch hier", z. B. wegen der Er-
wähnung, dafs [ihn zu erkennen] das Erspriefslichste sei, eine
„Verbindung mit ihm", d. h. mit einem Merkmale des Brahman,
vorliegt, deswegen mufs die ganze Unterweisung auf das Brahman
bezogen werden. Wenn aber [vom Gegner] auf das Merkmal des
Mnkhtfa PrCmn verwiesen wurde, sofern es heifst: „er umspannt
„diesen Leib und richtet ihn auf", so beweist dies nichts, Weil
die Funktion des Prana, wegen seiner Abhängigkeit von dem
höchsten Atman, bildlich auch auf den höchsten Atman übertragen
werden kann. Denn die Schrift sagt (Kath. 5i 5):
„Nicht lebt durch Einhauch oder Aushauch irgend wer;
„Durch eiuen andern leben beide, der sie trägt."
Wenn weiter auf da« Merkmal der individuellen Seele hingewiesen
wurde, welches in den Worten liegt: „nicht die Rede soll mau
„erforschen, sondern erkennen den, der da redet" (Kaush. 3, 8),
so reicht auch das nicht hin, um die Auffassung [des Präna] als
Brahman zu widerlegen; denn das, was man „individuelle Seele''
nennt, ist im absoluten Sinne gar nicht von Brahman verschieden,
wie dies Sclirifts teilen wie: „das bist du'' (Chänd. 6i 8, 7), „ich
„bin Brahman" (Brih. 1, 4, 10) u. s. w. beweisen. Vielmehr ist es
6*
84 ^ttrtraka^mlinknflit
das Brahmaa selbst, welches, indem es in die darch die UpAdkpB
der BuddM (Intellekt) n. s. w. bedingte Bestimmtheit eingebt, als
163 die | handelnde und leidende individuelle Seele bezeichnet wird.
iHTenn es daher, tun auszudrücken, dafs diese, nach Aufhebung
der durch die UpädhC» gesetzten Bestimmungen, mit Brahman
identisch ist, an unserer SteUe (Kaush. 3,8) heifst: „nicht die
„Rede soll man erforschen, sondern erkennen den, der da redet*^
so liegt in einer derartigen, zur Yergegenwäitigung des innem
Selbstes dienenden Aufweisung [der individuellen Seele als Brah*
man] kein Widerspruch. Und auch eine andere Schriftstelle be-
weist, dafs eben jenes Selbst, welches die Thätigkeiten des Spre-
chens u, 8. w. ausübt, das Brahman ist, wenn es heifst (Eena 1, 4):
„Was unaussprechlich durch das Wojrt,
„Wodurch das Wort ausspreehlich ist,
„Das sollst du wissen als das Brahman,
„Nicht jenes, was man dort verehrt.^
Wenn weiter noch mit Beziehung auf die Worte „zusammen weilen
„diese beiden in dem Leibe und zusammen ziehen sie aus** (Kaush.
3j i) eingewendet wurde, dafs diese Erwähnung der Versohieden-
heit des Pr&na und des Erkenntnis -Selbstes zu der Behauptung,
dafs hier Brahman gemeint sei, nicht stimme, so hat das nichts
zu sagen,* indem eine solche Hervorhebung der Verschiedenheit
von BuddM (Intellekt) und Präita (Leben), als zweier Upädhi^s
der innem Seele, welche in ihren beiden Krftften (gakti) des £r-
kennens und des Wirkens wurzeln, wohl zulässig ist. Und damit
steht nicht in Widerspruch, dafs die mit der Zweiheit jener
UpädhfB behaftete innere Seele ihrem eigentlichen Wesen nach
einheitlich ist, und dafs demgemäfs in den Worten „der Präi^a ist
„die Erkenntnis^^ (Kaush. 3, 3) diese beiden wiederum zur Einheit
zusammengefafst werden.
Man kann aber auch die Worte [des Sütram]: „0 nein!
„wegen der Dreifachheit dei* Yerehruug, wegen des Beziehens, und
„weil auch hier Verbindung mit ihm", anders erklären, nämlich
so: auch wenn Brahman gemeint ist, so widersprechen dem die
dabei vorkommenden Merkmale der individuellen Seele und des
Mükhya JPräna nicht; warum? „wegen der Dreifachheit der Yer-
„ehrung", dl h. ' weil hier von einer dreifachen Verehrung des
Brahman die Rede ist, nämlich in seiner Eigenschaft als Präna, in
seiner Eigenschaft als Erkenntnis und seiner eigentlichen Beschaffen-
heit nadi. Denn wenn es he^.fst: „als das unsterbliche Leben
„verehre mich; Leben ist Odem" (Kaush. 3, 2) und „ er umspannt
„diesen Leib und richtet ihn auf, darum soll man ihn verehren
164 „als die Erbauung*^ (Kaush. 3, 3), | so erscheint hier Brahman in
seiner Eigenschaft als Prana. Weiter, wenn es heifst: „wir woUen j
Sütriun I. I. 31. 36
„auBlegen, Wi^ in dieser Erkenatnii alle Wesen eins sind'' (Kaush.
3, 4) und sodann: „die Bede molk aus ihr einen Teil heraus; ihr .
„nach aufsen versetstes Wesenselameni ist der Name'* (Kaush. 3, 6)
Und : „ durch die Erkenutnis besteigi^ er die Bede und erlangt
„mittels der Bede alle Namen^ (Kaush. 3, 6), so erscheint Brahman
hier in seiner Eigenschaft als Erkenntnis. Endlich wenn es heifst:
„diese aehn Wesenselemente beaiehen sich auf die Erkenntnis und
,idie zehn Erkenntniselemente auf die Wesei^; denn wären die
„Wesenselemente nicht, so wären auch die Erkenntniselemente
„nicht, und wären die Erkenntniselemente nicht, so wären auch
„die Wesenselem^nte nicht; denn durch eins ohne das andere
„kommt keine Ei-scheinung (rüpam) zu Stande; auch ist dies nicht
„ I eine Vielheit [von Aufsendingen und Organen], sondern wie bei 165
„einem Wagen der Badkranz an den Speichen und die Speichen an
„der Nabe -befestigt sind, so sind diese Wesenselemente an den
„Erkenntniselementen und die Erkenntniselemente an dem Präna
„befestigt; dieser Präi^a ist das Erkenntnis -Selbst" (Kaush. 3, 8),
so ist hier [von dem Präi^] die Bede in seiner Eigenschaft als
Brahman. Somit wird hier die einheitliche Verehrung des Brahman,
sofern dasselbe in seiner Eigenschaft als jene beiden üpddhi^B und
dann noch seiner eigentümlichen Natur nach vorkommt, als eine
dreifache dargelegt. [Dies ist statthaft „wegen des Beziehens",
d. h. weil] auch an andern Oi-ten, z. B. in Stellen wie „Geist ist
„seilt Stoff, Leben sei|i Leib" u. s. w. (Ghänd. 3,14, 2) da» Be-
ziehen einer Verehrung auf Brahman in Gestalt seiner Upädhi*B
vorkommt; „und weil auch hier Verbindung mit ihm" [d. h. eine
solche Verbindung des Brahman mit einem UpädM] anzunehmen
ist, indem aus Anfang und Ende der Stelle sich ergiebt, dafs hier
überall nur von demselben Gegenstande gehandelt wird, und doch
dabei Merkmale des Präna, der Erkenntnis und des Brahman zu
Tage treten.
Somit ist bewiesen, dafs diese Stelle als eine solche, die von
Brahman handelt, | aufzufassen ist. 166
Bo lautet iu dem Kommtntore vur srhAbeuen (TartraJb«-mfm«iu«, dem Werke der
Terebnwgewttrdigen Fftfie det erleuehten (Toüftiira, im ersten AMpaifa der erete Paäa,
IteH ersten AdhyAya
ZWEITER PADA,
Verehrung dem höchsten Atmait ?
Schon im ersten Päda wurde in der Stelle „woraus Ursprung
,^u. 8. w. dieses [Weltalls] ist" (Sütram 1,1,2) gelehrt, äaSa die
Ursache für das Entstehen u. s. w. der ganzen Welt vom^ther
an abwärts das Brahman ist. Auch dafs dieses, die Ursache der
ganzen Welt bildende, Brahman seiner Wesensbeschaifenheit nach
Alldurchdringung, Ewigkeit, Allwissenheit, Allbeseelnng- und ähn-
liche Eigenschaften besitze, ist bereits auseinandergesetzt worden.
Hierbei wurden gewisse Texte, deren Beziehung auf Brahman
[obgleich sie^ wie der Glossator anmerkt, deutliche Merkmale
des Brahman enthielten] zweifelhaft sein konnte, weil dabei gewisse,
in der Regel von andern Gegenständen gebräuchliche Ausdrücke
[wie Äther, Licht u. s. w.] vorkamen, durch Darlegung der örtinde,
warum sie auf Brahman zu beziehen seien, als auf das Brahman
bezüglich erwiesen. Nun giebt es aber noch andere Stellen, bei
denen es, weil sie undeutliche Merkmale des Brahman enthalten,
zweifelhaft sein kann, ob sie von dem höchsten Brahman oder
etwa von einem andern Gegenstande handeln. Zu ihrer Klar-
legung sind der zweite und dritte Päda bestimmt [wobei, nach
dem Glossator, der zweite Päda das Brahman vorwiegend als Ge-
genstand der Verehrung, der dritte als Gegenstand der Erkenntnis
behandeln soll].
Erstes Adhikaranam.
1 . sarvatra-prasiddhchupadeQät
weil sie das allerwärts Angenommene lehren.
In der Schrift heifst es wie folgt: „Gewifslich dieses Weltall
„ist Brahman; ab Tajjalän [in ihm werdend, vergehend, atmend]
Sütram I. ii. 1. 87
„Holl man e» ehren in der Stille. -^ Fürwahr, aus Willen (hratu)
„ist der Mensch gebildet ; wie sein Wille ist in dieser Welt, \
„ I danach wird der Mensch, wenn er dahingeschieden; darum 167
„möge man trachten nach [gutem] Wiillen. - — Monas (Geist) ist
„sein Stoff, Odem sein Leib'^ u. s. w/ (Ghftnd. 3, 14)/ — Es erhebt
sieh die Frage, ob hier nicht, weil das Bestehen a^s Manas als
Sto£f u. s. w. als Qualit&ten vorkommen , irgend eine verkörperte
Seele als G^enstand der Terehrang angewiesen wird, oder ob das
höchste Brahmfm damit gemeint ist? "
Angenommen also, ^es handele sich um eine Terkörperte Seele;
'warum? weil eine solche, als der Oberherr über die Organe des
^Wirkens, anerkauntermafsen mit Manas u. s. w. verbunden ist,
^nicht aber das höchste Brahman, welches vielmehr von der Schrift
%,der odemlose, »wafia^lose, reine" (Mund. 2, 1,2) genannt wird/ —
Aber wurde nicht in den Worten „gewifslich dieses Weltall ist
„Brahman** das Brahman mit seinem eignen Namen erwähnt? Wie
kann man also auf den Gedanken kommen, dafs es sich hier um
die Verehrung eines verkörperten Atman handele? — 'Das hat
'nichts zu sagen, indem der Zweck dieser Stelle gar nicht der ist,
'eine Verehrung des Brahman vorzuschreiben, sondern vielmehr
^nur, die Stille [des Gemütes] zu empfehlen; daher es heifrtt:
Sfgewifslich dieses Weltall ist Brahman; als Tajjalän soll man es
'„ehren in der Stille." Das heifst mit andern "Worten: weil diese
'ganze, durch Umwandlung entstandene Welt in Wahrheit nur
'Bi-ahman ist, indem sie aus ihm geboren (tajja)^ in ihm vergehend
^(taUa) und in ihm atmend (tadan) ist, und weil, sofern das
'Weltall nur diese eine Seele ist, alle Leidenschaften u. s. w. un-
'angemessen sind, darum soll man die Verehrung in der Stille
'[des Gemütes] üben. Ist aber der Zweck dieser Stelle nur die
'Vorschrift der Gemütsrulie, so kann man nicht aufrecht halten,
'dafs die eine Verehrung des Brahman enthalte; vielmehr wird die
'Verehrung, um die es sich hier handelt, durch die Worte: „darum
'„möge man trachten nach Willen" vorgeschrieben. | „Wille", (kratu) 168
'bedeutet Entschlufs, Absicht, und mit Bezug auf ihn heifst es:
\^Manas ist sein Stoff, Odem sein Leib", worin ein Merkmal der
'individuellen Seele liegt Wir behaupten also, dafs sich diese
'Verehrung auf die individuelle Seele bezieht; und wenn es weiter
'heifst: „all wirkend ist er, allwünschend" (Chänd. 3, 14, 2), so
'läfst sich auch dieses Schriftwort, zufolge des Wechsels [ihrer
'Wanderungen], auf die individuelle Seele beziehen. Femer wenn
'es heifst: „dieser ist meine Seele iin innem Herzen, kleiner als
%,cin Reiskorn oder Gerstenkorn" (Chftnd. 3, 14, 3) » so pafst das
'Wohnen 1h dem Herzen und das Sehrkleiusein wohl auf die, eine
^Nadelspitze gi'ofse (vgl. (^vet. 6, 8), individuelle Seele, nicht aber
'auf das unBegrenzte Brahman.' — Aber heifst es nicht weiter:
„er ist gröfser als die Erde" u. s. w. ; und würde dieses niclit,
88 (;&rtraka-mtm&ft8&
von d«r begrenzten [individuellen Seele] gesagt, unpassend aein? —
^Darauf erwidern wir, dafs die überm&fsige Kleinheit und die
**überm&fBige Grdfse nicht beidö auf das Nämliche bezogen werden
^können, weil sie sich widersprechen; mufs man aber bei einem
^on beiden atehen bleiben,' so ist es billig, bei der Kleinheit
'stehen zu bleiben, weil sie zuerst erw&hnt wurde. Die Grölae
^hingegen mag sich auf das Brahman-sein derselben beziehen.
'Steht es nun also fest, dafs von der individuellen Seele die Bede
4st, so darf man auch die Erwähnung des Brahman am Schlüsse:
^^dieses ist das Brahman'* (ChUnd. 3, 14, 4) gleichfalls, um sie im
'Sinne des Themas aufzufassen, nur- auf die individuelle Seele
'beziehen. Somit ist es. die individuelle Seele, deren Verehrung
'auf Grund ihrer Bescha£fenheiten, sofern „Üfanos ihr StofP' u. s. w.
'ist, hier befohlen wird.*
Auf diese Annahme erwidern wir, dafs es nur das höchste
Brahman sein kann, welches hier in seinen Qualitäten: „JITanas
„ist sein Stoff" u. s. w. der Verehrung empfohlen wird; warum?
„weil sie das allerwärts Angenommene lehren"; d. h.: die in allen
Ved&ntatexten angenommene, durch das Wort „Brahman" bezeich-
169 nete Weltursache, welche | auch hier zu Anfang der Stelle durch
die Worte : „gewifsUch dieses Weltall ist Brahman", erw&hnt wurde,
eben jdieee wird, als bestimmt durch die Qualitäten, nach denen
,yMan(i$ ihr Stoff" n. s. w. ist, hier zur Sprache gebracht. Und
auf diese Weise braucht kein Aufgeben des Themas und Obergehen
auf ein Nichtthema hier angenommen zu werden. — 'Aber wir
'sagten doch, dafs das Brahman im Eingange der Stelle nur um
'der Vorschrift der Gemütsruhe willen, nicht aber um seiner selbst
'willen erwähnt werde?'' — Darauf antworten wir: wenn auch
das Brahman um der Vorschrift der Gemütsruhe willen erwähnt
wurde, so steht es doch in unmittelbarer Nachbarschaft der Aus-
sprüche, dafs y^Manas sein Stoff" u. s. w. sei; die individuelle
Seele lüngegen kommt weder in der Nähe dieser Aussprüche vor,
noch wird sie überhaupt nur nach ihrem eigentlichen Namen er-
wähnt, [während für Brahman beides der Fall ist;] das ist der
Unterschied.
170 2. vivcdcshUa-gumi-upapiUteg ca
und weil die beabsichtigteu Eigenschaften zutreffen.
„Beabsichtigt'* bedeutet hier das, was zu sagen gewünscht wird.
Zwar ist der Veda kein Werk von Menschenhand, ist nicht etwas,
das uns irgend jemand sagte ; daher auch bei ihm ein [derartig^
Sfttram f. II. 2. ^9
Wunsch al» Zweck nicht angeuommen werden kann. Inzwischen
kann doch hildlioh .von einem solchen die Rede »ein, sofern als
Fracht [des Wunsches] dabei beateht, dafs wir etwas [im Veda
Vorkommendes] uns zi| eigen machen. Denn auch im gemeinen
Leben nennen wir das, was in den Worten so dargelegt wird,
dafs wir es uns va eigen machen sollen , das Beabsichtigte , und
was wir uns nicht zu eigen machen sollen das Nicht-Beab sichtigte.
Ebenso bildet auch im Yeda das, was ausgesprochen 'wird, damit
wir es uns aneignen, das Beabsichtigte, das Übrige das Nicht-
Beabsiefatigie. Aneignung und l^ichtaneignung aber richten sich
bei einem Yedatexte danach , ob etwas als Zweck vorliegt oder
nicht vorli^.
So bedeuten auch hier [in unserm Stitram] „die beabsichtigten
„Eigenschaften^* diejenigen, welche hingestellt werden, damit wir
aie zum Zwecke der Verehrung acceptieren. Biese also, nämlich
djkfs „sein Batschlufs Wahrheit ist u. s. w., treffen zu auf das
höchste Brahman. Denn dafs sein Batschlufs Wahrheit ist, palBt
auf den höchsten Ätman, sofern derselbe in Bezug auf Schöpfung,
Erhaltung und Vernichtung der Welt eine unbegrenzte Machtvoll-
kommenheit besitzt. Ond als Eigenschaften des höchsten Ätman
werden ja auch an der Stelle „das Selbst, das sündlose ^' u. s. w.
(Ch&nd. 8, 7, 1) erwähnt, dafs „sein Wünschen wahrhaft, wahrhaft
yjsein Batschlufs" sei (Ch&nd. 8,7,1). Und die weiteren Worte
[an unserer Stelle ChlLnd. 3, 14, 2] „sein Selbst die Unendlichkeit*^
[wörtlich: sein Selbst ist der dJcd^a, Äther, Raum] u. s. w. besagen,,
dafs sein Selbst dem [unendlichen] Räume vergleichbar ist.
Die Ähnlichkeit aber des Brahman mit dem Räume besteht darin,
dafs beide unter anderm die Eigenschaft der Allgegenwart (sarva-
gaialvam) besitzen. Und eben darauf weisen auch die Worte:
„er ist gröfaor als die Erde" u, s. w. (Ch&nd. 3, 14, 3) hin. Aber
auch wenn man die Stelle dahin erklärt, dafs sein Seihst dem
Baume [nicht vergleichbar, sondern] gleich sei, so pafst auch
dieses zu dem die ganze Welt hervorbringenden und alles beseelen-
den Brahman, dafs der Raum sein Selbst ist ; und aus eben diesem
Grunde heifst es weiter von dem Ätman, er sei: „allwirkend"
u. B.w., [„allwünschend, allriechend, allschmeckend, das All um-
„fassend, schweigend, unbekümmert"]. In dieser Weise treffen die
hier zum Zwecke der Verehrung „beabsichtigten Eigenschaften"
auf das Brahman zu. Wenn aber hehauptet wurde, dafs die Stelle
„ManOB ist sein Stoff, Odem sein Leib" | ein Merkmal der indivi- 171
duellen ^^Aa enÜialte, welches auf das Brahman nicht passe, so
erklären wir, dafs auch dieses [Merkmal] auf Brahman pafst, so*
fem die der individuellen Seele zukommenden Qualitäten wie
y^Manas ist sein Stoff" u. s. w. auoh dem Brahman zukommen,
we.l dasselbe die Seele von allem ist. Und in diesem Sinne heifst
68 von Brahman in der Schrift (Qvet. 4, 3):
90 Cärlraka-mlmiftsi
„Du bist das Weib, du bist der Mann, das Mädchen und der Knabe,
„Geboren, wächst dxL allerwärts, da wankst als Greis am Stabe*/'
nnd die Smriti sagt (Bhag. G. 3, 13) :
„Nach allen Seite^i streckt es FOfs' und Hände, .
„Nach allen Seiten Augen, Haupt und Mund ;
„Nach allen Seiten hört es in den Räumen,
„Umhüllend allerwärts das Weltenrand.'*
Wab' aber die Schriftstelle „der odemlose, manaslose, reine",
(Mund. 2, 1, 2) betrifft, so bezieht sich dieselbe auf das reine
[d. h. atiributloee] Brahman; die gegenwärtige Stelle hingegen,
^^Manas ist sein Stoff, Odem sein Leib", bezieht sich auf das
attributhafte Brahman; das ist der Unterschied. Also, „weil die
„beabsichtigten Eigenschaften zutreffen", darum ist es das höchste
Brahman, auf welches hier zum Zwecke der Verehrung hinge-
wiesen wird.
3. anupapattes tu na ^Arirah
wegen Unzutreftendheit hingegen nicht die verkörperte.
Im vorigen Sütrani wurde gesagt, dafs „die beabsichtigten
„Eigenschaften" auf das Braliman zutroffen; im gegenwärtigen wird
die Unzutreffendheit derselben auf die individuelle Seele ausge-
drückt, wobei das Wort „hingegen" zur Bekräftigung dient. Nur
auf das Brahman alRo passen, wie gesagt, die Eigenschaften
„Manns ist sein Stoff" u. s. w., nicht aber auf die verkörperte,
172 individuelle Seele, | weil man Eigenschaften wie: „sein Wünschen
„ist wahrhaft, sein Selbst die Unendlichkeit", — „schweigend,
„unbekümmert", — „gi'öfser als die P^rde" (Ch&nd. 3, 14, 2 — 3)
so ohne weiteres der verkörperten Seele nicht beilegen kann.
Der Ausdruck „verköi-perte " bedeutet das Sein in einem Körper.
— 'Aber ist nicht auch Gott in dem Köi-per?' — Allerdings ist
er in dem Körper; aber er ist nicht blofs in dem Körper; denn
die Schriftstellen „gröfser als die Erde, gröfser als der Luitrauni"
(Chänd. 3, 14, 3) und „dem Äther gleich allgegenwärtig, ewig",
beweisen, dafs er alles durchdringend ist. Die individuelle Seele
hingegen ist blofs in dem Körper, indem ohne einen Körper als
Standort des Geniefscns ein^ Wirksamkeit derselben unmöglich ist.
8ütram I. ii. 4. 91
4. karnia'-kartri'Vjfapadeguc ca
und wegen der Unterscheidung als Thatobjekt
und Thäter.
Auch darum können die Qualitäten j,Manets ist sein StofT*'
u. 8. w. sich nicht auf die verkörperte Seele beziehen, weil dabei
eine Unterscheidung zwischen Thatobjekt und Thäter stattfindet,
riämlich in der Worten: „zu ihm werde ich von hier abscheidend,
„eingehen** (Ch4nd. 3, 14, 4). „Zu i^im^S d. h. zu dem in Rede
stehenden, Mancts als Stoff u. s. w. habenden, zu verehrenden
Atman, welcher hierdurch als Gegenstand der That, als das zu
erlangende Objekt, unterschieden wird; während die Worte
„ich werde eingehen" die verehrende, verkörperte Seele als Thäter,.
als das erlangende Subjekt bezeichnen. „Ich werde zu ihm
„eingehen" bedeutet: „ich werde ihn erlangen" (lies: präptd asmi).
Wo aber von einem Hingehen zu jemandem die Rede ist,' da kann
es nicht ein und derselbe sein, welcher als Thatobjekt und als
Thäter von einander unterschieden wird. Und ebenso ist das Ter-
liältnis zwischen einem Objekte der Verehrung und dem verehren-
den Subjekte nur möglich, wenn der Standort beider ein verschie-
dener ist. Auch darum also kann es nicht der verkörperte Atman
sein, der hier durch die Eigenschaften, dai's ^^Manas sein Stoff"
u. 8. w. sei, charakterisiort wird.
5. (iobda-nu^Mt \n
■
wegen Vei-schiedenheit des Wortes.
Auch darum ist der, welcher das ^yManas als Stoff" u. s. w.
zu Eigenschaften hat, von der verköi*perten Seele zu unterscheiden,
weil eine „Verschiedenheit des Wortes" vorliegt, sofern es bei
Behandlung desselben Themas an einer andern Schriftstelle heifst:
„wie ein Reiskorn oder Gerstenkorn oder Hirsekorn oder eines
„Hirsekornes Kern, also ist dieser goldige Geist inwendig in der
„Seele" (Qatap. br. 10^6,3,2); hier ist es ein anderes Woi*t,
welches zur Bezeichnung der verkörperten Seele dient, nämlich
das im Lokativ stehende „in der Seele", und ein anderes, von
diesem unterschiedenes Wort, nämlich das im Nominativ stehende
Wort „Geist" (purueha), weldies zur Bezeichnung desjenigen Atman
dient, dem als Qualitäten ^^Manas als Stoff" u^s. w. beigelegt
werden. Hieraus ergiebt sich, dafs die beiden [Atman's] ausoin*-
anderzuhalten sind.
92 Qirtrmka-mlmk&slL
6. smrite^ ca
auch wegen der Smriti.
Auch die Smpti lehrt die Venchledenheit des verkörperten
und des höchBten Atman, wenn sie -sagt (Bhag. G. 18, 61):
„Im Heraen aller Wesen wohnet Gott,
„Wie Wurfgeschosse künstlich sie regierend/'
— 'Aber*, so könnte man fragen, Ver ist denn diese verkörperte
'Seele, welche von der höchsten Seele verschieden sein soll und
'mit den Worten „wegen Unzutreffendheit hingegen nicht die ver-
'„körperte" (Sutram 1, 2, 3) hier ausgeschlossen wird ? Lehrt nicht
'die Schrift, wenn sie sagt ,püdit giebt es aufser ihm einen Sehen«
'„den, nicht giebt es aufser ihm einen Hörenden'' .(Bpih. 3, 7, 23)»
'dafs es eine von der höchsten Seele verschiedene Seele gar nicht
'giebt? Und auch die Smriti sagt: ,^Ä.ls Leibeskenner wisse mich
'„in allen Leibern, Bh&rata!" O^hag. 0. 13, 2.)' — Hierauf ist
zu antworten: allerdings ist es wahr, dafs es nur die höchste
Seele ist, welche, durch die Upädfifü von Leib, Sinnesorganen,
Manas und Buddhi abgegrenzt, von Unwissenden als die ver-
körperte Seele aufgefafst wird, ähnlich wie wenn der Raum, ob-
gleich er ohne Grenzen ist, doch vermöge der Vpädhi^^ von
Töpfen, Krügen u. s. w. erscheint, als. wäre er [durch dieselben]
abgegrenzt. Und in Anbetracht dessen- ist eine Befassung mit
der Zweiheit von Thatobjekt und Th&ter nicht unzultadg, so lange
174 noch nicht | durch die Worte „das bist du" (Gh4nd. 6, 8, 7) die
Lehre von der Einheit der Seele begriffen ist. Ist aber die Ein-
heit der Seele begriffen worden, so tritt allerdings für alle Th&tig'
keit des Bindens, Lösens u. s. w. ein völliges Aufhören ein.
7. arhhakorokaS'tvät tad^yapadeQäc ca na^ iti cen? na!
nicAyyatväd evam^ vyomavac ca
weil seine Behausung winzig und auch [von ihm] dies
aufgewiesen, nicht, meint ihr? O nein^ weil er auf
diese Weise bemerklich gemacht werden soll, und es
ist wie bei dem Baume.
„Winzig" bedeutet klein; „ Behausung '^ die Wohnst&tle. —
'Weil nach den Worten: „er ist meine Seele im innem Herzen'^
^(Ch&nd. 3, 14,4), sein Standort ein engbegrenzter ist, und weil
Summ I. II. 7. 93
*
^iioch in den eigens dazu bestimmten Worten: „kleiner -als ein
^Reiskorn oder Gerstenkorn" (Ghänd. 3, 14, 3) seine Kleinheit auf-
^gewiesen wird, deswegen/ so könnte man meinen, ''ist es nur die
^nadelspitzegrofse, verkörperte Seele, ^welche hier besprochen wird,
^nicht der allgegenwärtige höchste Atman.' — Diese Behauptung
ist zu entkräften. Wir entgegnen darauf, dafs der Einwand ohne
Grund ist. Allerdings kann von demjenigen, was räumlich begrenzt
ist, unter keinen Umständen behauptet werden, dafs es allgegen-
wärtig sei; hingegen ist bei dem Allgegenwärtigen, weil es an
allen Orten sich befindet, auch die Aufseigung desselben in einem
begrenzten Baume bx gewissem Sinne statthaft, ähnlich wie der,
welcher Beherrscher der ganzen £rd^ ist, dooh auch ids Beherr-
scher der Stadt Ayoikyä bezeichnet werden kann. — 'Aber in
'welchem Sinne wird denn von Gott, der doch allgegenwärtig ist,
'ausgesagt, dafs seine Behausung eng, und dafs er kleiner [als ein
'Reiskorn und Gerstenkorn] sei?' — „Weil er", so erwidern wir,
„auf diese Weise bemerklich gemacht werden soll." Denn auf
diese Weise, nämlich sofern er mit jener Gruppe von Eigenschaften
der Kleinheit u. s. w. behaftet erscheint , wird Gott dort, in der
Lotosblume des Herzens, bemerklich gemacht, als vorstellbar auf-
gezeigt, ähnlich wie Bari [Vishnu] in dem ftv/er^dma- Steine;
denn dort ist er für das erkennende Bewufstsein ergreifbar, | indem 175
Gott, obgleich allgegenwärtig, dort als Gegenstand der Verehrung
seinen Sitz hat. Und es ist dieses anzusehen „wie bei dem Baume".
Wie n&mlich der Raum, der doch allgegenwärtig ist, mit Beziehung
auf ein Nadelöhr u, s. w. als in enge Behausung eingeschlossen
und sehr klein bezeichnet werden kann, ebenso auch das Brahman.
Diese Enge der Behausung und Kleinheit des Brahman dienen,
um ihn auf diese Weise bemerklich zu machen, und sind nicht im
Sinne der höchsten Realität zu verstehen. — Wollte jemand wegen
dieses Wohnens des Brahman im Herzen behaupten, dafs was im
Herzen wohne in die einzelnen Leiber verteilt sein müsse, das
seinem StMidort nach Verteilte aber, ähnlich wie die Papageien
u. s. w. [in den verschiedenen Käfigen], den Mängeln der Vielheit-
lichkeit, Teilbarkeit und Vergänglichkeit anheimfalle, und dafs
dieses dann auch auf Brahman seine Anwendung finden müsse, —
80 ist auch diese Behauptung [durch das Gesagte] bereits widerlegt.
8. sambhoga-präpUrj Ui cen? na! vaigeshyät
dafs er mitleide, meint ihr, folge? O ndn! wegea
der Unterschiedlichkeit.
Man konnte einwenden: ^wenn das wie der Raum allgegenwär-
'tige Brahman mit dem Herzen- alles Lebenden verbunden ist, und
J
94 ^•^rtraka-mim^si
'sich auch insofern, als es geistiger Natar ist, von der verkdrper-
'ten Seele nicht unterscheidet, so mufs es doch ebenso wie diese
'auch an dem Genüsse von Lust und Schmerz teilnehmen; und dies
^scheint lEiuch «aus der Einheit [des Ätman] sich zu ergeben. Denn
'es giebt ja aufser der höchsten Seele gar keine andere, wandernde
'Seele, indem die Schrift sagt: „nicht giebt es aufser ihm einen
'„Erkennenden" (Brih. 3, 7, 23). Folgt nicht hieraus, dafs die
'h()ch3te Seele an den Leiden der Seelen Wanderung teilnehmfn
'mufs?' — Auf diese Meinung entgegnen wir: „0 nein, wegen der
„Unterschiedlichkeit." Denn zunächst folgt daraus, daib Brahman
mit dem Herzen alles Lebenden verbunden ist, keineswegs, d^fs
es ebenso wie die verkörperten Seelen an den Leiden teilnimmt,
176 I „wegen der Unterschiedlichkeit"; d.h. weil gleichwohl ein Unter-
schied besteht zwischen der verkörperten Seele und dem höchsten
Gotte; die eine ist handelnd und geniefsend, vollbringt Gutes und
Böses und erleidet Lust und Schmerz ; der andere hingegen besitzt
die Eigenschaften der Freiheit von allem übel u. s. w. Darum
also, weil die beiden verschieden sind, leidet die eine, der andere
aber nicht. Folgte aus dem blofsen Zugegensein und ohne weitere
Teilnahme an dem Thatvermögen einer Sache eine Teilnahme nii
ihren Wirkungen, so würde z. B. der Raum auch mit den Körpern
verbrennen müssen. Übrigens ist uns* diese Schwierigkeit sowie
auch ihre Hebung gemeinsam mit allen denen, welche [wie die
Sänkh^a*s u. a.] eine Vielheit der Seelen und dabei eine Allgegen-
wai't derselben lehren. Wenn aber weiter behauptet wurde, dafs
wegen der Einheit des Brahman, und weil es eine andere Seele
nicht giebt, das Brahman an dem Leiden der verkörperten Seele
teilnehmen müsse, so ist darauf Folgendes zu erwidern. Zunächst
müssen wir dich, du Freund der Götter, fragen, mit welchem
Rechte du behauptest, dafs es keine andere Seele aufser Brahman
gebe? Willst du dich etwa berufen auf Schriftstellen wie: „das
„bist du" (Chand. 6, 8, 7), «ich bin Brahman" (Brih. 1, i, 10),
„nicht giebt es aufser ihm einen Erkennenden" (Brih. 3,7, 23)?
Nun, dann mufst du den Sinn der Schriftworte auch in ^chrift-
mäfsiger Weise auffassen und darfst es nicht bei einer halben
V^erdauung bewenden lassen. Die Schrift aber, sofern sie durch
das Wort „das bist du", das von allem Übel u. s. w. freie Brahman
als das Selbst der verkörperten Seele aufweist, bestreitet überhaupt
sogar, dafs die verkörperte Seele das Leiden empfinde. Wie kannst
du also schliefsen, dafs darum, weil sie leide, auch das Brahman
Irtiden müsse! — Oder aber du nimmst die Einheit der verkörper-
ten Seele mit dem Bruhroan nicht an : nun dann trifft das auf dem
- falschen Wahne [der empirischen Anschauung] beruhende Leiden
die verköri)crtc Seele; das Brahman hingeuon wird, weil.es seinem
Wesen nach die jüber Jonen Wahn crhabciiej absolute Realitiit iM,
von dem Leiden nicht berfthit. Denn deswegen, weil Unerfahrene
Sütram I. ii. 8. 95
die blaue Farbe des Grandes u. s. w. dem Himmeisraume andichten,
kann das Merkmal der blauen Farbe u. a. w. nicht im Sinne der
absoluten | Realität dem Himmelsraume beigelegt werden. — In 177
diesem [idealistischen, aufsor in dem oben angenommenen
realistischen] Sinne sagt unser Sütrani: „0 nein, wegen di;r
„Unterschiedlichkeit/^ I). h. auch wem: man die Einheit annimmt,
so braucht man nicht zuzugeben, dafs bei dem Leiden der ver-
körperten Seele das Brahman mitleide, „wegen der Unterschiod-
„lichkeit^ ; niimlich es besteht ein Unterschied zwischen der falschen
]!!rkenntnis und der vollkommenen Erkenntnis; auf der falschen
Erkenntnis beruht das Leiden, auf der vollkommenen Erkenntnis
die Anschauung der Einheit; durch das von der falschen Erkonnt-
nis angenommene Leiden wird die durch die vollkommene Erkennt-
nis angeschaute Kealität nicht berührt. Somit lafst sieh nicht
behaupten, dafs Gott von dem Leiden auch nur im geringsten
betroffen weMe.
Zweites Adhikaranam.
9. attd, cara-acara-grahanat
der Esser, wegen Befassung des Beweglichen und
Unbeweglichen.
In den VallVs [„Ranken*^ genannten Textabteilungen] der
Knfha'a heifst es (Kath. 2, 25):
„Dem Krieger imd Brahmanen sind wie Brei,
„Den mit des Todes Brühe er hegiefst, ■—
„Wer ist der Maun, der weifs, wo dieser ist?"
Hier ist, wie die Worte „Brei" und „Brühe" zeigen, von einem
„Esser*' die Rede, und es kann zweifelhaft sein, ol) dieser Esser
das Feuer ist, oder die individuelle Seele oder die höchste Seele,
indem ein entscheidendes Merkmal nicht hervorgehoben wird, und
alle drei, das Feuer, die individuelle Seele und die höchste Seele,
in dem betreffenden Textbuche sowohl in den [von Nacik^tas ge-
stellten] Fragen als auch in den [von Yavm gegebenen] Antwor-
ten vorkommen.
I Angenommen also etwa, *der Esser sei das Feuer; warum? 178
•weil dafür sowohl die Schrift, z. B. in der Steile „das Feuer int
*der Speiseesser" (Brih. 1, 4, 6), als auch die Erfahrung sprechen.
'Oder, det Esser mag die individuolle Seele sein, wie in der
^Stelle: „der eine ifst die süfse Beere", niclit aber der höcliste
'Atman, von dem es eben daselbst heifst: „der and're schaut niclit
',, essend zu" (Mund. ;i, 1, 1).' —
Y - -,• J^.*
96 C&riraka-müBÄj^
Auf diese Aunahme erwidei-n wir, dafs der Estjer hier der
höchste Ätman sein- mafB; warum? „wegen Befassung des Beweg-
„lichen und ünheweglic&en^** N&mlich „das Bewegliche und Un*
„bewegliehe 'S d« h. die Pflanzenwelt und die der beweglichen
Wesen, werden hier unter dem befafst, was, nadidem es mit der
Brühe des Todes übergoBsen worden, gegessen werden solL Bei
einer' derartigen Speise aber kann im vollen Sinne ein anderer
als der höchste Atman nicht der Easa: sein; auf den höchsten
Ätman aber paust es, dafs er alles esse, sofern er es ist, der alles
durch Umwandlung Entstandene wieder yemichtet. •— 'Aber in
^unserer Stelle ist eine Befassung alles Beweglichen und Unbe-
^weglichen doch nicht ersichtlich; wie kapn man also dieae „Be-
Sifassung des Beweglichen und Unbeweglichen '^ als wäre sie eine
'ausgemachte Sache , als Beweisgrund aufgreifen ? * Dieser Ein-
wand ist nichtig, indem man daraus, dafs der Tod die Brühe ist,
auf den ganzen Komplex der lebenden Wesen [Pflanzen, Tit:re,
Menschen] schliefsen mufs, wobei Brahmanen und Krieger, weil
sie die' höchste Stelle einnehmen, passend dem Zwecke entsprechen,
als Beispiele zu dienen. Wenn aber mit Berufung auf die Stelle:
„der andVe schaut nicht essend zu'' (Mund. 3, 1, 1) bestritten
wurde, dafs der höchste Aünan der Esser sein könne, so bemerken
wir, dafs jenes Gleichnis ihm nur den Genufs der Frucht der
Werke abspricht, da von dieser dort die Rede ist, nicht aber
das Vernichten alles Erschaffenen, indem in allen Yed&ntatexteu
das Brahman als die Ursache des Entstehens, Bestehens niid Yer«
gehens der Dingo allgemein angenommen wird. Darum kann der
,,Esser" hier nur der höchste Atman sein.
17^ 10. prakaranclc ca
auch wegen der Voi'anstellung.
Auch darum muTs man unter dem Esser hier den höchsten
Atman verstehen, weil in den Eingangsworten: „Nicht wird ge-
,^boren oder stirbt der Weise ^' u. s. w. (Kath. 2, 18) der höchste
Atman als das zu Behandelnde vorangestellt wird. Es ist aber
regelrecht, an das Vorangestellte zu denken. Übrigens ist auch
die Schwer-Erkennbarkeit, welche ausgedrückt liegt in den Worten:
„wer ist der Mann, d»r weils, wo dieser ist", ein Merkmal des
höchsten Atman.
Sfttram I. n. U. 97
Drittes Adhikaranam,
11. giiMm pravLshtau; Mnutnau M, tad^-darganät
dio beiden in die Höhle eingegangenen; denn zwei
Seelen [sind gemeint], wie erBichtlich.
Ebenfalls in den VaUVs der Katha's heifst es (Kath. 3, 1):
„Erftlllung trinkend ihres Thnns im Leben
„Sind beide eingegangen in die Höhle,
„Im Höchsten, das des HAchsten eine H&lfte [d. h. im Herzen]*,
„Schatten und Licht nennt sie wer Brahman kennet,
„Und wer, der Fener FOnlzahl unterhaltend,
„Das Naeiketas-Fener dreimal zflndet."
Es erhebt sich die Frage, ob unter den „beiden '* hier die
Buddhi und die individuelle Seele oder die individuelle und die
höchste Seele gemeint sind. Gesetzt, es sei von der Buddhi und
der individuellen Seele die Rede, so wtU*de hier gelehrt werden,
dafs die individuelle Seele von dem Aggregate der Organe des
Wirkens, an deren Spitse die Buddhi steht, wesensverschieden sei;
dies konnte hier sehr wohl als Zweck der Belehrung vorschweben,
weil vorher die Frage aufgewgrfen worden war (K&th 1, 20):
„Ein Zweifel waltet, wenn der Mensch gestorben;
„«Er ist», so sagen einige, und andre, «er ist nicht» :
„Das möchte ich von dir belehrt erkennen,
„Das ist die dritte der versprochenen Gaben/'
I Oder aber man mufs die individuelle und die höchste Seele ver- 180
titehen; dann würde hier gelehrt werden, dafs die höchste Seele
von der individuellen Seele wesenaverschieden sei; aucli dieses
konnte hier als Zweck der Belelurung vorschweben, weil vorher
die Frage aufgeworfen worden war (Kath. 2, 14):
„Vom Guten frei und frei vom Bösen,
„Von Ursach' und von Wirkung frei,
„BYei von Vergting'nem und Zuktiuft'geni, —
„Das sage mir, was dieses sci!^^
Da kommt nun einer und wirft uns ein, 'dafs alle beide Au-
fnahmen nicht zulässig sind; warum? weil das Erfüllung Trinken
Men Gennfs der Frucht der Werke bedeutet, wie au» dem Zusatae
S^hres Thuns im Leben ^' ersichtlich ist; und das pafst zwar auf
'den geistigen Kshetrajna (die individuelle Seele), nicht aber auf
'die ungeistige Buddhi; hier hingegen redet die Schrift, wie der
'Dual pibaniau (trinkend) beweist, dayon, dafs es zwei sind, die
DsvitB«, VcdAftU. 7
9«
^&rlraka-mim&ii8ft
181
*da trinken. Aus dieüem Grunde ist es zunüchst nicht zuläsaig,
'hier an die Bnddhi und den Kshetrajna zu denken. Aus dem-
*ftelben Grunde aber gebt es weiter nicht nn, an unserer Steile
*den Kshetra^ita und den höchsten Ätman zu verstehen ; denn wenn
^auch der höchste Ätman geistig ist, so paist doch nuf ihn das
'Trinken der Erfüllung nicht; denn ein Uedervers sagt von ihm:
'pder andre schaut nicht essend zu"* (Miiud. 3, 1, 1). — Auf diese
Einwendung erwidern wir, dafs dieselbe nicht zulässig ist; indem
z. B. in dem Ausdiiicke: „die Leute gehen mit Sonnenschirmen '',
auch wenn in Wirklichkeit nur einer einen Sonnenschirm trägt,
in übertragenem Sinne von einem Tragen mehrerer geredet werden
kann; in ähnlicher Weise kann hier, wiewohl in Wirklichkeit nur
der eine der Trinkende ist, doch die Kede davon sein, dafs beide
trinken. Oder auch man kann sagen : die Seele allein trinkt, Gott
aber macht sie trinken, und weil er sie trinken macht, heifst es
auch von ihm: „er trinkt", wie man ja auch ganz gewohnlich von
einem, der backen läfst, sagt, „er bäckt." Anderseits wiederum
wäre es auch möglich, hier an die BuddM xm(\. den K^ietrajm
zu denken, soferii dabei dem Organe [d. h. der Buddki] in über-
Tagenem Sinne ein Thätersein beigelegt würde, ähnlich wie wenn
man zu pagen pflegt: „das Holz heizt" [anstatt: das Feuer heizt |.
Auch kann es sich, da hier von psychologischen Verhältnissen die
Rede ist, um keine andern zwei, welche die Erfüllung trinken, als
die einen oder die andern der beiden geuiuinteu handeln; daher
die Frage gerechtfertigt ist, ob man hier die Bnddhi und die in*
dividuelle Seele, oder aber die individuelle und die höchtse Seele
zji verstehen habe.
Angenommen also, Mie Buddhi und die individuelle Seele
^(ksheirajna) seien zu verstehen; warum? weil sie als „die beiden
S,in die Hohle eingegangenen" geschildert werden. Mag man unter
'der Höhle den Leib oder das Herz verstehen, in beiden Fällen
'kann man sagen, dafs die Buddhi und dei' KsJidrqjtki in diese
*Höhlo eingegangen seien. Wns hingegen das allgegenwärtige
'Brahman betrifft, so zierat es sich nicht, so lange ein anderer
'Au.iweg ist, dasselbe als an einen bestimmten Ort gebiuiden auf-
^zufassen. Femer auch die Worte „ihres Thuns im Leben" be-
'weisen, dafs man hier über die Sphäre der Werke nicht hinaus-
'zugehen hat. Der höchste Atmun aber bewegt sich nicht in der
^Sphäre der guten oder bösen Werke, denn die Schrift sagt von
*ihra, „daist er nicht wächst durch Werke oder minder wird"
'(Brih. 4, 4, 23). Auch die Bezeichnung: „Schatten und Licht"
4st zutrefiend, wenn man annimmt, dafs ein tieifttiges [der Kshe-
Hrajnd] und ein Nichtgeistiges [die Buddhi, als Organ der Seele]
^gemeint sei, indem diese einander wie Schatten und Licht ent-
^gegengesetzt sind. Somit ulso wären hier die Buddhi und der
^Kshetrajna zu verstehen.'
Sfttram I. ii. 11. 99
Auf diese Annahme entgegnen wir, dafs man yielmehr hi^r die
indiyiduelle und die höchste Seele yerstehen mufs; warum? ,tdenn
,,zwei Seelen", beide geistig und von gleichartiger Natur, müssen
hier gemeint sein; denn wo eine Zahl yorkommt, da kann jeder
doch nur an gleichartige Dinge denken, und wenn es z. B. heifst:
„zu diesem | Ochsen mufs man einen zweiten suchen 'S ^^ ^^t der 182
zweite, den man sucht, natfirlich ein Ochse und nicht etwa ein
Pferd oder ein Mensch. So auch hier; da. zun&chst aus dem •
Merkmale des Trinkens der £rfiillung feststeht, dafs an das be-
wufste Selbst [die individuelle Seele, vijfiäfiäiman\ zu denken ist,
und es sich weiter darum handelt, den zweiten zu ermitteln, so
kann unter diesem nur ein Oleichartiges, mithin nur der ebenfalls
geistige höchste Atman verstanden werden. — 'Aber wir bemerkten
'doch, da^ wegen des Eingegaugenseins in die Höhle 'an den
'höchsten Atman nicht gedacht werden dflrfe?' — Darauf haben
wir zu erwidern, dafs vielmehr sowohl in der Schrifb als in der
ßmriti mehr als einmal von einem solchen Eingegangensein des
hödisten Atman in die Höhle [des Herzens] die Rede ist. So
z. B., wenn es heifst : „tief in der Höhle weilt versteckt der Alte"
(Kath. 2, 12); — »wer es als dieses weifs verborgen in der Höhle
„und im höchsten Räume'' (Taitt. 2, 1); — „den Atman suche auf,
„der in die Höhle einging" (Smriti) u. s. w. Dafs nämlich das,
wiewohl allgegenwärtige, Brahman zum Zwecke seiner Auffassung
ohne Widerspruch auch an einem bestimmten Orte angewiesen
werden könne, haben wir bereits oben (S. 92 %.) gesehen. Das
Weilen in der Welt der guten Werke aber kann, ähnlich vrie das
Tragen des Sonnenschirmes, wenn es auch eigentlich nur von einem
der beiden gilt, doch auch beiden ohne Widerspruch beigelegt
worden. Und auch die Bezeichnung derselben als „Schatten und
„Licht" ist nicht unzulässig, weil in der That das Wanderersein
und Nicht wanderersein der Seele einander in ähnlicher Weise ent-
gegengesetzt sind, wie der Schatten und das Licht; indem nämlich
dtiü WandererHein der Seele auf dem Nichtwissen beruht, wäht*end
Hie im Sinne der höchsten Realität keine wandernde ist. Somit
hat man unter den beiden in die Höhle Eingegangenen die indivi-
duelle und die höchste Seele zu verstehen. Und warum weiter
mufs man unter ihnen die individuelle und die höchste Seele ver-
stehen? — Antwort;
12. vigeshandc ca
auch wegen der Scheidung.
Auch, weil eine Scheidung eben zwischen der individuellen und
der höchsten Seele gemacht wird, wenn weiterhin | in demselben 183
Werke, da wo es heifst (Käth. 3, 3):
7*
100 Qlrtrakft-mlm&&8i
y^li Wa^senleaker wi^se dich,
„Als einen Wagen deinen Leib** u. s. w^
in dieser Parabel vom Wagenlenker, Wagen u. s. w., von der
Schrift die individnelle Seele einem zur Wanderang und Erloming
dahinfahrenden^Wagenlenker yergliclien wird, während sie bingcgon
den höchsten Atman mit dem Endziele, zu dem derselbe liitii^hri,
vergleicht, in den Worten (KUth. 3, 9):
„Der Mann erreicht das Ziel des W^es,
„Das, was des Vishnu höchster Schritt^'
Und eben diese Unterscheidung findet sich auch im yorhcrgehen-
den Teile-dea Werkes, da wo es heifst (Kftäi. 2, 12):
„Schwer zu erschauen, in Dunkel eingegangen,
„Tief in der Höhle wellt versteckt der Alte;
„Ihn weils als Qoti durch innigste Verbindung
„Der Weise und irird frei von Leid und Freude*,*'
auch hier werden beide, die individuelle und die höchete Seele,
ahl Subjekt und Objekt des Wissens voneinander unterschieden.
Hierzu kommt, dafs 4^r Gegenstand, von dem unsere Stelle han-
delt, der höchste Atman ist. Denn wenn es (K&th. 3, 1) heifat:
„Die Brahmanwisser sagen'*, so ist diese nähere Bestimmung derer,
die das Folgende sagen^ nur dann gerechtfertigt, wenn es sich in
ihm um den höchsten Atman handelt. Somit sind es die indivi-
duelle und die höchste Seele, von denen unsere Stelle redet.
Dieselbe Methode ist anzuwenden bei der Stelle (Mund. 3, 1 , 1):
„Zwei Freunde schön befiedert wisse
„Auf ehiem Baum verbunden du;** —
auch hier können, weil von psychischen Verhältnissen die Rede iat,
nicht zwei natürliche Vögel verstanden werden. Vielmehr zeigt
das Weiterfolgende:
„Der eine ilkt die sQfse Beere,
„Der andre schaut nicht essend zu**,
dafs unter ersterem, wie das Merkmal des Essens beweist, die
individuelle Seele, unter letzterem, wie sich aus dem Nichtessen
und blofsen Zuschauen ergiebt, der höchste Atman zu verstehen
ist. Auch sind ea diese beiden, welche als Subjekt und Objekt
des Erkennens von der Schrift unterschieden werden in dem darauf
folgenden Mantra (Mu^d. 3, 1, 2):
Sütram I. ii. 12. lOl
,,Zu solchem Baom yersank und liegt gebannt
,411 Unfreiheit der Geist und Wahn und Schmerzen;
y,Wohl ihm, wenn er | als Gott in sich erkannt 184
„Den andern hat; dann weicht das Leid vom Herzen 1"
Andere Meinung: „Zwei Freunde schön befiedert'^ u. s. w.;
dieser Vers ist nicht für den Siddh^nta (die endgültige Ansicht)
dieses Abschnittes verwendbar, weil er im Painffi-räkasf/a-bräh'
mafMim anders erklärt wird, nämlich folgendermafsen : „«der eine
„ifst die süfse Beere», — das ist das Sattvam; «der andre schaut
,,nichtes8end zu r>, — nichtessend blickt auf ihn herab der Geist
iiijna); diese beiden sind das Saitvam und der Kshctrajfia (Seele)."
Mau könnte denken, dafs in dieser Stelle das Wort Sativam die
individuelle Seele und das Wort Ksheirajfia den höchsten Ätman
bedeute; aber dies geht nicht an, nicht nur, weil Sativam und
K^ielrajna ganz überwiegend gebräuchlich sind, um das Innenorgan
antahkaranam^ d. h. das Manas] und die verkörperte Seele zu
)ezRiühnen, sondern weil -sie auch als solche ebendaselbst [im
Taingi^ahasyarhrahnianain] erklärt werden, wenn es weiter heifst:
„Dasjenige ist das Sattvam^ womit man das Traumbild schaut;
,,aber die im Körper befindliche [oder: verkörperte, ^äHra^y zu-
„schauende Seele, die ist der Kshetrajm; beide zusammen sind
„das Sativam und der KshetrajnaJ'^ — Ebensowenig aber kann
man die obige Stelle für den Pürvapaksha (die gegnerische Mei-
nuog) in dieseni Adhikaranam verwenden. Denn es ist hier nicht
die Ilede von dem verkörperten Atman, dem Kshetrajnay sofern
er mit den Eigenschaften des Sarnsära, dem Thätersein, Geniefser-
sein u. s. w., behaftet ist; sondern vielmehr, sofern er, über alle
Eigenschaften des Sarihsära erhaben, seinem Wesen nach das Brah-
man und rein geistiger | Natur ist; denn die Stelle [im Faifigi- 185
rahasi/a^hrähmanam] erklärt ihn durch die [ebenfalls metrischen]
Worte: „nichtessend blickt auf ihn herab der Geist (jüa).^^ und
andere Stellen der Schrift und Smriti sagen: „das bist du" (Gh&nd.
(6, 8, 7); — „auch als den Eshetrajna sollst du mich wissen"
(Bhag. G. 13, 2), u. s. w. Nur auf diese Weise kommt auch die
Zusanunenfassung der Lehre zu ihrem Rechte, welche sich zeigt
in den Worten [des Painsri'rakasya'bruhmanam] : „beide zusammen
„sind das Sativam und der Kshetrajna, — Fürwahr, an dem, der
„Solches weifs, bleibt kein Staub hängen" u. s. w. — *Aber wie
'ist es, bei dieser Auffassung, zu erklären, dafs in den Worten
'[des Paingi-ralKisyarbrahmatiamI „«der eine ifst die süTse Beere»,
S/las ist das .SatU:am^'' dem nichtgeistigen Sativam ein Geniefser-
•sein zugeschrieben wird?' — Wir antworten: diese Schriftstelle
hat gar nicht die Absicht, dem ungeistigen Sativam ein Geniefser-
soin zuzuschreiben, sondern iln-e Absicht ist vielmehr zu zeigen,
dafs der geistige KshetrajFui [in Wahrheit] Nicht-Geniefser und
• • » • 4 •
• • « •
. . . •- ; • : .• . jQg- -' girlraka-mimftnsll
seinem Wesen nach Brahman ist. Zu diesem Zwecke legt sie
dem SattvafHy sofern dasselbe [z. B. nach der Sänkht^a'ljehve] als
Modifikationen die Lust u. s. w. hat, das Geniefsersein in über-
tragenem Sinne bei. Nämlich das ganze Thätersein und Geniefser-
sein^ wird dem Sattvam und Kshetrc^na nur beigelegt, sofern man
ihre beiderseitigen Wesenheiten nicht unterscheidet. Der höchsten
Realit&t nach hingegen kommt es weder dem ein^n noch dem
andern zu, weil das Sattvam ein ungeistiges, der Kshetrajna aber
ein unmodificierbares Princip ist. Und wenn man bedenkt, dafs
das ganze Sattcam seiner Natur nach nur von dem Nichtwissen
(avidifä) aufgestellt wird, so kommt ihm jenes [Thätersein and
Geniefsersein] erst recht nicht zu. Und in diesem Sinne sagt aach
die Schrift: „Nämlich wo gleichsam ein anderes ist, da sieht der
„eine das andere ^^ u. s« w. (Brih. 4. 3^ 31, vgl. B|*ih. 4, 5, 15);
diese Worte besagen, dafs, vergleichbar der Beschäftigung mit
dem im Traum gesehenen Elefanten und dergleichen (Brih. 4, 3, 20),
die ' ganze Beschäftigung mit dem Thätersein u. s. w. nur dem
Bereiche des Nichtwissens angehört. Und wenn es heifst: „wo
„aber einem alles zum eigenen Selbste geworden ist, wie sollte da
„einer den anderen sehen *S v. s. w.' (Brih. 4, 5, 15), so besagen
diese Worte , dafs für den , welcher die Unterscheidung (mveka)
erlangt hat, die ganze Beschäftigung mit dem Thätersein u. a. w.
aufgehoben ist.
Viertes Adhikaranajn,
*. •
186 13, antara* upapcuteh
der innere, wegen der Zutreftüng.
Die Schrift sagt: „der Mann, den man in dem Auge sieltet,
,.dcr ist der Atman, so sprach er, der ist das Unsterbliche, das
,. Furchtlose, der int das Brahman. Dainim auch, wenn man Feit
,,odcr Wasser ins Auge bringt, so flicfsct es ab nach den Ilanderu^-
(Chänd. 4, 15, 1). — Ks eVhobt sich die Frage, ob hier, wo vom
Auge die Rede ist, das Spiegelbild in demselben gememt ist, oder
die individuelle Seele, oder die dem betreffenden Orgaue vor-
stehende Götterseele, oder etwa ob Gott hier zu verstehen ist?
Abgenommen zunächst, *es sei das Abbild, wie es den Menschen
'widerspiegelt, gemeint. Warum? Weil dieses, wie allbekannt,
Sich im Auge zeigt, und weil die Worte „der Mann, den man in
*.,dem Auge siebet" auf etwas allgemein Bekanntes hinweisen. -
S6tram I. ii. 18. 103
'Oder maii mnfs die:»p Tliiiweisung auf die individuelle Seele be-
'ziehen, indem die»«, sofern sie durch daif Alige die GMialten biekt,
-in dem Auge | gegenwärtig ist; auch spricht für diese Annahme 1S7
*da8 Wort Atman. — Oder es i8<; der Ptirusha (Mann, Geist) der
'Soone gemeint, indem diener das Auge unterstützt; denn die
'Schrift sagt: „jener fulst durch die Strahlen in diesem" (Brih.
*5, f>, 2): und auch die Bestimmungen der Unsterblichkeit u. .s. w.
*^ind in gewissem Sinne auf eine (röttertfccle zutreffend. Hingegen
^kanii Gott hier nicht gemeint sein, weil dabei ein bestimmter
*Ort bezeichnet wird.'
Auf diese Axmahmc erwidern wir, dafs es allerdings der höchste
Gatt ist, welcher hier unter dem Manne im Innern de» Auges zu
verstehen ist; warum V „wegen der Zutrpffung", d. b., weil auf
den höchsten Gott die hier vorkommenden Eigensehaft^n zutreffen.
Denn schon dies, dafs er der Atman genannt wird, trifft im
eigentlichen Sinne nur auf den. höchsten Gott zu, von dem es
heifst „das ist der Atman, das bist du'' (Chand. $, S> 7). Und
auch die Unsterblichkeit nnd Furclitlosigkeit werden als diesem
eigen mehr als einmal von der Schrift erwälint. Dazu kommt,
dufs dieser Ort im Auge ein für den höohsten Gott angemessener
ist; denn so wie der höchste Gott durch keinen Fehler befleckt
wird, da die Schrill iliu als sündlos u. s. w. sehildbrt, ebenso wird
aach von dorn Orte im Auge gesagt, dafs er von alter Befleckung
frei bleibe, indem es heilst: „darum auch, wenn man Fett oder
„Wasser ins Auge bringt, so Hief^et es ab. nach den Rändern''
(Chand. 4) 15, 1). Auch die weiteren Bestiuuuun gen ,' dafs er der
Liebesliort u. s. w. sei, passen auf Gott: und es heifst ja [im Ver-
laufe unserer iStelleJ . „ihn nennet man den Liebeshori, denn er ist
,.ein Hort alles Lit»ben: . . . er heifset auch der l^iebesfürst [wört-
,,lich: liiebesführcr] , denn alles Liebt; füJirct er; . . . vy lieif'set
.,auch der Glauzesfüri^i, denn in all^n Welten erglänzet er" (Chand.
4,15, 2 — 1). Darum also, „wegen der Zntrefiung'S ist „der-innere"'
der höclujte Gott.
]4, stMmirädi'VyapaJe^äc ca i88
auch \fvM ihui StÄiidorte luid anderes beigelegt werden.
^\ber wie kann dem Bralmian, welclies wie der Äther allgegen-
•würtig Ist, iler kleine Standort im Auge zugeschrieben werden?'
— Wir antworten: es würde dieses eine Ungehörigkeit sein, m^oBn
ihm nur dieser eine Standort zugeschrieben würde; es werden ja
abor auch andere Standorte desselben, z. T). die Erde u. s. w.,
erwähnt, wenn *^ß heif«t: „der in der Erde wohnend*' u. s. w.
(Brih. 3, 7, 3), und unter diesen Standorten wird auch das Auge
_VT
B.
104 QiHrakft-iiiim&nfllt
genannt, dann es heifst: „der in dem Auge wohnend'^ u. s. w.
(Brih. 3, 7, 18). Wenn unser Sütram sagt: .,attch weil ihm Stand-
„orte und anderes beigelegt werden", so bedeutet der Zusatz „und
„anderes", dafs es nicht nur ein bostinunter Standort ist, welcher
uhangemessenerweise dem Brahman beigelegt wird, sondern auch
Namen und Gestalten werden ihm zugeschrieben; und obgleich
Derartiges bei dem namenlosen und gestaltlosen Brahman unange-
messen ist, so sagt doch die Schrift z. B. von ihm „sein Name ist
„<rhoch»" (Ch&nd. 1,6,6) und schildert ihn ab den Mann „mit
.jgoldenem Barte" u. s. w. (ChS,nd. 1, 6, 6). Obgleich nämlich das
Brahman eigentlidi attributlos ist^ so wird es doch hier und da
von der Schrift, indem sie ihm Namen und Gestalten als Attribute
beimifst, zum Zwecke der Verehrung als attributhaft hingestellt,
wie wir dies ja bereits auseinandergesetzt haben. Und audi das
sahen wir schpn, dafs das Brahman, obwohl es allgegenwärtig ist,
doch, um der Auffafsbarkeit willen, ohne Widerspruch an einen
speciellen Standort verlegt werden kann, ähnlich wie Yishi^u in
den (^dtaffräma-Siün.
15. st^ha-vigisJUa-^bhidhäfUld eva ca
auch 8chon wegen seiner Erwähnung als specificierte Lust.
Auch schon darum kann hier kein Zweifel darüber sein, ob
Brahman in diesem Texte erwähnt werde oder nicht, weil die Be-
ziehung auf das Brahman sicher steht „schon wegen seiner Er-
„wähnung als specificierte Lust." Nämlich das Brahman, welches
zu Anfang des Textes als eine specificierte Lust auftrat in den
Worten j^Brahnuin ist Leben, Brahman ist Freude, Brahman ist
„Weite" (Chänd. 4, 10, 6), eben dieses wird auch an unserer Stelle
[als der Mann im Auge] erwähnt; denn es ist billig, dafs man an
189 dem, was als Thema vorangestellt worden, festhält. | Hierzu
kommt, dafs in den [zwischen beiden zwischenliegenden] Worten
„den Weg zu ihm aber wird dir der Lehrer zeigen" (ChÄnd.
4,14,1) [keine Belehrung über Brahman, weil diese schon im'
Vorherigen gegeben war, sondern] nur eine Beschreibung des
Weges zu ihm in Aussicht gestellt wurde. — ^Aber was soU es
^heifsen, dafs Brahman zu erkennen sei in der zu Anfang des
Textes vorkommenden „specificierten Lust?"' — Wir wollen darauf
antworten. Zunächst also sagen die Feuer: „Brahman ist Leben,
,,Brtfhman ist Freude, Brahman ist Weite", worauf Upakogala er-
widert: „Ich weifs, daf^ Brahman das Leben ist; aber die Freude
„tind die Weite, die weifs ich nicht." Hierauf wird ihm entgegnet:
,, Wahrlich, die Weite, das ist die Freude, und die Freude, das
„ist die Weite." Das hier vorkommende Wort „Weite" ('kha%n)
Sütram I. ii. 15. 105
bedeutet zttn&chst and gewöhnlich das Element des Äthers (dka^a).
Würde nun 2ur Specifikation desselben das eine Lust ausdrückende
Wort „Freude" (kam) nicht hinzngenommen , so müfste m«a an-
nehmen, dafs hier das Wort Brahman mit dem Element des Äthers
nur verbunden werde um auszudrücken, dafs der Äther, so wie
anderwärts (Gh&nd. 7, 1, 6) der Name u. s. w., ein Symbol (pratl-
Jcam) des Brahman sei. Ebenso steht es mit dem Worte „Freude^*
(kam)f welches gewöhnlich die allbekannte, aus der Berührung
der Sinnesorgane mit den Sinnendingen entspringende . Lust be-
deutet. Würde an unserer Stelle nicht zur Specifikation der
„Freude" das Wort „Weite" hinzugefügt, so müfste man annehmen,
dafs hier die weltliche Lust als das Brahman bezeichnet werde.
Nun sich aber die Worte „Freude" und „Weite" gegenseitig spe-
cifieieren, so bedeuten beide zusammen das seinem -Wesen nach
Lust seiende Brahman. Wäre hier das Wort „Brahman" nicht
zweimal | gesetzt, hiefse es blofs: „Brahman ist die Weite, die 190
„Freude", sb würde das Wort „Freude" nur zur Specifikation des
Wortes „Weite" dienen, und man müfste die „Freude", als eine
blofse qualitative Bestimmung auffassen. Um dies zu verhindern,
wird bei beiden Worten, Weite und Freude, das Wort Brahman
als HauptbegrifF {^iras^ d. h. Subjekt] beigefügt, und es heifst:
„Brahman ist Weite, Brahman ist Freude." Dies geschieht, damit
man auch bei der „Lust" [nicht an diese als Qualität, sondern]
an den Träger der Qualität denken soll. In dieser Weise also
wird zu Anfang der Stelle das Brahman „als specificierte Lust"
bezeichnet. Wenn femer die Feaer, Gärhapatya u. s. w., nachdem
ein jedes seine eigentümliche Wichtigkeit dargelegt hat, hinzusetzen :
„nun weifst du, o Teurer, die Lehre von uns und die Lehre
„vom Atman", so geben sie durch dieses rückblickende Wort zu
erkennen, dafs das Brahman ächon im Vorherigen dargelegt sei.
Und wenn sie hinzufügen: „den Weg zu ihm eben wird dir der
„Lehrer zeigen", so wird hier nur die Darlegung des Weges zu
Brahman in Aussicht gestellt, mithin die Absicht, noch etwas an-
deres mitzuteilen, [nämlich das Brahman selbst, eben weil Brahman
schon im Vorhergehenden mitgeteilt war,] ausgeschlossen. Wenn
es daher [in den Worten, mit welchen der Lehrer darauf seine
Belehrung anhebt] heifst: „wie an dem Blatte der Lotosblüte das
„Wasser nicht haftet, so haftet keine böse That an dem, der Sol-
„ches weifs", so beweisen diese Worte, indem sie dem, der den
„Mann im Auge" | kennt, Unantastbarkeit durch das Böse beilegen, 191
dafs unter dem Mann im Auge das Brahman zu verstehen ist.
Es ist somit das schon vorher in Rede stehende Brahman, von
welchem der Standort im Auge und die Eigenschaften, dafs er der
Liebeshort u. r. w. sei, ausgesagt werden. Und um sodann für
den, welcher es kennt, den Weg zu ihm durch die FPamme [des
I^eichenfeuers] u. s. w. zu schildern, zu diesem Zwecke heifst es
7-
106 ^IkHraka-mlm&usri
vorweg: „der Mann, dou man in dem Auge Blähet. , der ist der
„Atnian, so sprach er" (Chänd. 4, 16, 1).
16. Qruta'Upafvishatka-gati-ahhidhd/näc ca
auch weil der Weg des Üpanishad-Hörers [als zu ihm
führend] erwähnt wird.
. Auch darum ii^t unter dem Mann im Auge der höchste Gott
zu verstehen, weil der Weg, welclier für den Upanishad- Hörer,
d. h. für den Hörer des Wissens der Geheimlehre [lies: gnUa-
rahast/a-vtjnänastfd], für den Brahmanwisser, unter dem Namen
des „Güiiei*weges** von .der Schrift und Smpiti gelehrt wird, —
denn die Schrift sagt: „aber auf dem nördlichen Pfade werden
„diejenigen, welche durch Bufse, dui*ch Leben als Brahmanenschüler,
„durch Glauben und. durch Wissenschaft den Ätman erforscht
„haben, befördert (ahhijäyante) in die Sonne; dieses fürwahr ist
„der Ruhepunkt der Lebensgeister, dieses ist das Unsterbliche, das
„Furclitlose, dieses ist das höchste Ziel, von diesem kehren sie nicht
„mehr zurück ^^ (Pra^na 1, 10); und auch in der Smriti heifst es
(Bliag. G. 8, 24):
1»2 „Dturch Feuer, Licht und Tag und helle Hälfte
„Des Monats and die Jahreshälfte, wo
„Gen Nord die Sonne zielit, durcli diese wandernd,
„Geh'u ein in Brahman die das Brahmau wissen^^,
— weil dieser Weg hier erwähnt wird als bestimmt für diejenigen,
welche d^m Mann im Auge kennen; denn es heifst von ihnen [ani
Schlufs der Stelle, Ohänd. i, 15, 5]: „darum [wenn solche gestor-
.fbenj, mag man sie nun bestatten oder auch nicht, so gehen sie
„ein in die Flamme [des fieichenfeuers]", und weiterhin [nach Ytv-
wähnung mehrerer Zwischen Stationen] „aus der Sonne in den
„Mond, aus dorn Monde in den Blitz; daselbst ist ein Mann, der
„ist nicht wie ein Mensch; der führet sie hin s&u Brahman. Drh
,>i»t der Götterweg, der Brahmanweg. Üio den gehen, für die iat
„/.n diei?em irdisclien Strudel keine Wiedurkehr." Da es feststeht,
diUs; dor liier geschilderte Weg der ilev Brahmanwisser ist, so folgt
diiraiUh, dafB der seinen Standort im Au^fo habende Mann, von dem
uusert; Stellii redet, das Brahman ist.
17, avdraathiter asambhaodc ca na itarah
Wiegen ihr Unbeständigkeit und der ünzutrefleiidheit
nicht ein anderer.
Wenn oben behauptet wurde, dafs der im Auge Weilende auch
das Spiegelbild oder eine individuelle oder eine göttliche Seele
Sutram I. ii. 17. 107
sein könni*, so entgegnen wir darauf, dafs ,; nicht ein anderer'*,
z. B. das Spiegelbild oder dergleichen, vci^ntanden werden darf;
warum? ;, wegen der Unhesiändigkcit.^* Denn was zunächst das
Spiegelbild betnfiTt, so befindet sich dieses nicht bestiindig im
Auge. Nämlich nur wenn eine Person an das Auge herantritt,
zeigt sich im Auge daH Bild dieser Person, entfernt sie sich aber,
so ist es nicht mehr zu sehen. Auch besagen die Worte, ,>der
„Mann, welchen man im Auge siebet", wie au» der Ncboneinander-
stellung hervorgeht, dafs hier ein Mann, welcher im eigenen Auge
[niclit in einem fremden] zu sehen ist, zur Verehrung empfohlen
wird; man darf aber die Stelle nicht so auffassen, als müfste man
zur Zeit der Andacht irgend einen andera Menschen zur Hervor-
bringung eines Spiegelbildes sich vor Augen bringen und diesen
dann verehren. Und auch die Stelle: „mit diesem Leibe gehet es
„zugleich zu Grunde" (Chänd. 8, 9, 1), | zeugt, für die „ünbe- 103
„ständigkeit" eines solchen Spiegelbildes. Weiter auch kann dus
Spiegelbild nicht gemeint sein, „wegen der ünzutrefFendheit", d. h.,
weil die [hier vorkommenden] Eigenschaften der Unsterblichkeit
u. s. w. auf das Spiegelbild nicht zutreffen. — Ebensowenig aber
kann man von der individuellen Seele behaupten, dafs sie sich aus-
schliefslich im Auge befinde, da sie vielmehr allgemein mit dem
ganzen Leibe und den Sinnesorganen verbunden ist; wälu*end hin-
gegen bei dem Brahmas, obwohl es alldurchdnngend ist, eine zum
Zwecke der Auffassung angenommene Verbindung desselben mit
dem Herzen und andern speciellen Orten in der Schrift vorkommt.
(Jbrigens gilt ebenso gut [wie für das Spiegelbild] auch für die
individuelle Seele, dafs die Eigenschaften der Unsterblichkeit u. s. w.
1>ei ihr ..unzutreffend" sind. Denn wenn auch der individuelle
Atman von dem höchsten Ätman eicrentlich nicht verschieden ist,
so wird demselben doch in Folge des Nichtwissens, der Begierden
und der Werke eine Sterblichkeit in uneigentlichem Simie beige-
legt und ebenso die Furcht, so dafs die Unsterblichkeit und Furcht-
losigkeit auf ihn nicht passen; und ebenso sind audi die Bezeich-
nungen als I^iebeshort u. s. w. auf denselben, da er der Gottheri'-
liehkeit faicvari/am) ermangelt, nicht anwendbar. — Was endlich
die Annahme betrifft, dafs eine Götterseele hier gemeint sei, so
könnte einer solchen zwar nacli der Stelle „jener fufst durcli die
„Strahlen in diesem" (Brih. 5, 5, 2) das Weilen im Auge beigelegt
werden, aber es pafst nicht auf sie, dafs der Mann im Auge „der
„Ätnmn" genannt wird, weil sie eine Gestalt der Aufsenwelt ist.
Und auch die Eigenschaften der Unsterblichkeit u. s. w. würden
nicht auf eine Göttersecle passen, weil eine solche, nacli der
Schrifllehre, entstanden und vergänglich ist. Denn wenn auch
von einer „Unsterblichkeit" der Götter die Rede ist^ so bedeutet
diea doch nur ein Bestehen derselben durch lauge Zeit; und auch
ihre Gottherrlichkeit (ai^varyam) ist keine ursprüngliche, sondern
108 9^raka-iiiiinlLn6&
eine solche, welche von dem höchsten Gotte abhängig ist. Denn
ein SchrifUied sagt (Taitt. 2, 8): .
9,AiiB Furcht vor ihm geht iMif die Sonne,
^QS Furcht Tor ihm fthrt hin der Wind,
„Ans Furcht Tor ihm nur tummeln sich
„Mond, Feuer und zuf&nft der Tod.^
194 I Somit kann unter dem, der im Auge weilet, nur der höchste
Gott verstanden werden. Wenn aber derselbe dabei durch den
Ausdruck „den man im Auge siebet" als etwas Bekanntes ange-
führt wird, so bezieht sich dieses auf die SchriftofiPenbarung, be-
trifft den Wissenden und ist zu betrachten als eine Yerheirliclmng
des Wissens.
Fünftes Adhikaranam,
18. antaryämt, adhida/iva-ddishu^ tad-dharma-vyapadefät
der innere Lenker in der Göttersphäre u. s. w., wegen
Nachweisung seiner Eigenschaften.
In einem Schrifttexte (B}*ih. 3, 7, 1) wird gefragt nach , jenem
„innem Lenker, der diese Welt und die andere Welt und alle
„Wesen innerlich regiert", und als Antwort darauf heilst es: „der
„in der Erde wohnend von der Erde verschieden ist, den die Erde
„nicht kennt, dessen Leib die Erde ist, der die Erde innerlich
„i^egiert, der ist deine Seele, der innere Lenker, der unsterbliche"
u. s. w. (Brih. 3, 7, 3 fg.)* Hier ist die Rede von einem, der in
der Göttersphäre, der Weltsphäre, der Yedasphäre, der Opfer-
sphäre, der Wesensphäre und der Ätmansphäre, inwendig darinnen
wohnt und, weil er dieselben regiert, ihr „innerer Lenker'^
(antary&min) genannt wird. Da dies ein neu auftretender Name
ist, so erhebt sich die Frage, was unter demselben zu verstehen
ist, etwa eine die Göttersphäre u. s. w. repräsentierende Götterseele,
oder ii'gend ein mit den [acht] Machtvollkomm enheiten, sich atom-
klein u. 8. w. zu machen, begabter Yogin^ oder der höchste Atman,
oder irgend etwas anderes?
195 Was I sollen wir also zunächst annehmen? Etwa dieses, dafs,
*weil der Name [Antaryaniin] ein unbekannter ist, auch der Träger
'desselben irgend etwas anderes Unbekanntes sei?' — Aber ein
ganz fremdes Wesen^ welches eiue roch nie gesehene Gestalt hätte,
mnm L u. 18. 109
ist doeh in die^r Weise aasranehmen nicht möglich; auch ist das
Wort Aniarffämk^ „innerer Lenker^S sofern es von der Thätigkeit
eines Lenkens voA innen heraus hergenommen ist, nicht so völlig
anbekannt. — 'Angenommen also, der innere Lenker bedeute
4rgend eine die Erde u. s. w. repräsentierende Naturgottheit; denn
'in diesem Sinne sagt die Schrift: „der die Erde als Grundlage,
S^das Feuer als Reich, den Verstand als Licht hat'' u. s. w. (Brih.
'3, 9, 10); eine solche Naturgottheit, welche, mit Organen des
'Wirkens begabt, die Erde u. s. w. von innen heraus lenkte, könnte
'füglioh für jenen . innem Lenker gelten. Oder auch irgend ein
^Tapin^ welcher, der YoUendung teilhitftig geworden, in alles inncr-
'lich einzudringen vermag, könnte darum der innere Lenker ge-
'nannt werden« Hingegen voii dem höchsten Ätman kann dies
'nicht verstanden werden, weil derselbe keine Organe des Wirkens
'be^jitzt.'
Auf diese Einwendung antworten wir wie folgt. Der, welcher
hier als „der innere Lenker in der Göttersphäre u. s. w." geschil-
d<^rt wird, kann nur der höchste Atman und kein anderer sein;
warum? „wegen Nachweisung seiner Eigenschaften"; d.h., seine,
des höchsten Atman Eigenschaften werden hier von der Schrift
nachgewiesen. Deim dafs er die ganze durch Umwandlung ent-
standene und in die Göttersphäre u. s. w. sich , zerlegende Welt,
die Erde u. s. w., von innen heraus lenke, dieses innerliche Lenken
läfst sich nur als eine Eigenschaft des höchsten Atman denken;
denn wenn er wirklich die Ursache alles Entstandenen ist, so
können auch alle Kraftäufserungen als von ihm ausgehend gedacht
werden; | die Worte aber „der ist deine Seele (ätmanh der innere 196
„Lenker, der unsterbliche", reden von einem Seelesein und Un-
sterblichsein, welches im vollen Sinne nur auf den höchsten Atman
sutrifft. Und wenn es heifst : „den die Erde nicht kennt^', so be-
weisen diese Worte, indem sie den innem Lenker als der Erd-
gottheit unbekannt schildern, dals dieser innere Lenker von der
[die Erde repräsentierenden] Götterseele verschieden ist; denn
sich selbst kennt doch diese Erdgöttheit, indem sie sich bewufst
ist: „ich bin die Erde". Ebenso pafst auch die Nachweisung des-
selben als „unsichtbar", „unhörbar'^ u. s. w. (Brih. 3, 7, 23) auf
den von Gestalt u. s. w. freien höchsten Atman. Wenn aber be-
hauptet wurde, dafs der höchste Atman nicht innerlich lenken
könne, weil er keine Organe des Wirkens besitze, so ist das nicht
richtig; deiin eben durch die Wirkungsorgane derjenigen, welche
er lenkt, ist er im Besitz von Organen des Wirkens. Dafs aber,
wenu man Gott als den innem Lenker auffasse, dieser selbst
wiederum einen andern innem Lenker haben müsse und so fort,
dafs somit ein regressua in if^niium eintrete, diese Einwendung
läfst sich darum nicht machen, weil in Gott keine Yielheitlichkeit
statthat. Wäre auch in ihm Yielheitlichkeit, so würde allerdings
110 gftrlraka-mlmkikBlL
der r^€8SU8 in infimtum anvenneidlich sein. — Somit ist unter
dem „Tunern Lenker" der höchste Ätman zu yerstehen.
19. na ca smArtamy artadräharma-abhüapät
niclifc aber das Überlieferte, weil erwähnt wird was
ihm nicht zukommt.
^Das mag ja sein, könnte man einwenden,' *aber die £igen-
'Schäften der Unsichtbarkeit u. s. w. kommen doch auch der von
*der Smriti der Sänkhya^h angenommenen tJrmaterie zu, indem
'auch diese von ihnen als ein von Gestalt u. s. w. Freies aufgefafst
^wird. Denn es heifst bei ihnon (Manu 1, 5):
'„Unerfonchbar und unerkennbar,
^Gleichsam im Schlafe ganz und gar."
197 'Auf diese würde auch das innere Lenken passen, | weil sie die
'Ursache alles Erschaffenen ist. Somit könnte es filso die Urma-
'terie sein, welche als „der innere Lenker'' von der Schrift be-
'zeichnet würde; und wennschon diese durch die Worte, „iiregen
'„des £rwägen8 nicht; schriftwidrig!" (Sütram 1» 1, Ö) abgewiesen
'wjorden ist, so könnte sie doch hier, weil die Bestimmungen
'der Unsiohtbarkeit u. s. w. auf sie passen, wieder in Frage kom-
'men.' — Hierauf dient zur Antwort, dafs luiter dem innern
Lenker „nicht das Überlieferte", d. h. die Urmaterie, verstanden
werden kann; warum? „weil erwähnt wird, was ihm niclit zu-
„kommt". Denn wenn auch die Bezeichnungen als das Unsichtbare
u. s. w. auf die Urmaterie passen, so dooh nicht die [daneben-
stehenden] Bezeichnungen als der Sehende u. s. w., indem die Ur-
materie, wie sie von jenen [Sankhyaphilosophen] aufgefafst wird,
ein ungeistiges Wesen ist. Hier aber [bei der Darstellung des
„innern Lenkers"] heifst es im weitem Verlaufe der Stelle: „er ist
„sehend nicht gesehen, hörend nicht gehört,, verstehend nicht ver-
„standen, erkennend niclit erkannt" (Bfih. 3, 7, 23). Und auch
dafs er „der Ätraan" genannt wird, ist aui die Urmaterie [aus den
zu Sütrani 1} 1, 6 entwickelten Gründen] nicht zutreffend.
'Aber wenn die Urmaterie nicht unter dem innern Lenker
'verstanden werden kaim, weil ihr die Eigenschafben des Atman-
'seins und des Sehens nicht zukommen, so ist vielleicht mit dem
'innern Lenker die verkörperte Seele gemeint; denn diese ist iu-
'folge ihrer Geistigkeit sehend, hörend, verstehend und erkennend.
'Aucb ist sie^ als das Innere in uns, der Atman und auch unsterb-
'lich, sofern sie [nach jedem Leben wieder aufs neue] die YergeL-
Sfttram I. ii. 19. lU
'lang für ihre guten uud böseu Werke empfängt. Und auch dio
'Eigciiscliaften der UuBiclitbarkuit u. s. w. passen »ehr gut auf die
'innere Seele, sofern es ein Widerspruch sein würde, dafs die
'Thätigkeiten des Sehens u. s. w. sich auf den Th&ter selbst be-
'zögen, wie denn ja auch die Schrift sagt: „nicht sehen kannst
*„da den Seher des Sehens" u. s. w. (Ilfih. 3,4, 2). Auch ist es
'die innere Seele, welcher, sofern sie der Geniefser ist, das
'Vomiögen eigen ist, den Komplex der Organe des Wirkons von
'iancu heraus zu regieren. Es ist somit die verkörperte Seele,
'weiche hier unter dem „innern Lenker" verstanden werden mufs.'
Auf diese Behauptung antwortet [der Lehrer]:
20. gäriraQ ca, uhluiye \n hi hhedena enam ddhiyate i98
und die verkörperte, denn beide losen so, dafs jene
unterschieden.
„Und^* auch nicht — dieses „nicht" hat man aus dem vorigen
SQtram zu ergänzen — „die verkörperte" Seele darf unter dem
innern Lenker verstanden werden. Denn wenn auch die Eigen-
schaften des Sehens u. s. w. ihr zukommen, so kann sie doch nicht,
sofern sie durch die LjjädhfB, wie der Raum durch die Gefäfse,
abgegrenzt ist, allgemein als der inwendig in der Erde u. s. w.
weilende und dieselben regierende Geist bezeichnet werden. Hierzu
kommt, dafs „beide" Vedaschulcu, die Jiänva*» uud die MädhyaU'
dina^B, an der Stelle „so lesen, dafs jene", dio verkörperte Seele,
von dem innern Lenker „unterschieden" wird, indem auch sie,
ebenso wie die Erde u. s. w., einer der Standorte desselben ist
und von ilun innerlich gelenkt wird. Denn die Känva*a lesen
(ßrih. 3, 7, 22): „Der in der Erkenntnis wohnend" u. s. w... und
die Mddhf/andina^s lesen [an der entsprechenden Stelle, Qatap. br.
14, 6, 7, 30] „der in dem Selbste wohnend". Liest man [mit ihnen]
„der in dem Selbste wohnend", so ist unter dem Worte „Selbst"
hier die verkörperte Seele zu verstehen; aber auch wenn man liest
„der in der Erkenntnis wohnend", so kann hier das Wort „Er-
„kenutnis" ebenfalk nur die verkörperte Seele bedeuten, denn der
„erkenntnisartige" Atman [riplänamaj/a, vgl. Taitt. 2, 4; gewöhn-
licher vijnänätnian genannt] ist die verkö]*perte Seele. Somit
steht 08 fest, dafs man unter dem innern Lenker nicht die ver-
körperte Seele, sondern Gott zu verstehen hat, — *Aber wie kann
^roan in dem einen Leibe zwei Sehende annehmen, nämlich Gott
'aln den innern Lenker und die von ihm verschiedene verkörperte
*Seele? Worin | die Unanf^eraeKsenheit liege, fragt ihr? nun darin, 199
^dafs das Schriftwoit: „nicht giebt es auiser ihm einen Sehenden"
112 C'&iiraka«>inlm£iii6ä
*(Bfih. 3, 7, 28) dieser Aimahme entgegen ist. Denn nach Üiiu
^giebt es ftuiser dem in Rede stehenden innem Lenker keinen an-
'deren. Behenden, hörenden, denkenden and erkennenden Ätman.
'Und dafs die Stelle nur den Zweck habe, einen zweiten inner»
^Lenker aaseuschliefsen, Iftfst sich nicht annehmen, indem an einen
'solohen z« denken keine Veranlassung ist, auch das Schriftwort
'ganz allgemein sich aasdrückt.' — Hieraaf erwidern wir: diese
Bezaiohnang des Unterschiedes ZMrischen der verkörpert-en Seele
und dem innem Lenker beruht nur auf den Upä^Vs der, Organe
des Wirkens, wie sie vom Nichtwissen aufgestellt w.erden, and ist
nicht im höchsten Sinne real. Denn es giebt in Wahrheit nur
eine innere Seele und nicht zwei, die Auffassung dieser einen als
zwei aber wird, ebenso wie die des [besonderen] Raumes im GefiLTse
innerhalb des grofsen Raumes, nur bedingt durch die Tfpddh^H,
Und auf diesen Upädhi^B beruht es, dafs solche Schriftstellen,
welche Subjekt und Objekt der Erkenntnis unterscheiden , daA
femer die Erkenntnismittel wie Wahrnehmung u. s. w., das Be»
wufstsein des Samsära und der Sohriftkanon der Gebote und Ver-
bote, alles dieses miteinander möglich ist. — Und in diesem Sinne
sagt die Schrift: „denn wo eine Zweiheit gleichsam ist, da sieht
„einer den anderen''; mit diesen Worten läfst sie für den Bereich
des Niditwissens alles Thun und Treiben bestehen; wenn es aber
weiter heifst: „wo aber einem alles zum eigenen Selbste geworden
„ist, wie sollte da einer den anderen sehen" (Bfih. 4, 6, 16), so
erkl&rt die Schrift, mit diesen Worten , dafs in dem Bereiche des
Wissens alles Thun und Treiben [des Samsära] nicht mehr besteht.
SeeliMea Adhikarana$n*
^^00 21. adric^va-ädi-gunako, dharma-uktel^
der mit deu £igen»chaften der Unsichtbarkeit ü. 8. w.,
wegen Nennung seiner Qualitäten.
Die Schrift nagt: „aber die höhere [Wissensohaft] ist die« durch
„welche jenes Unvergängliche erkannt wird, das Unsichtbare, Un-
„greifbare, Namenlose, Farblose, ohne Augen und Ohren, ohn'
„Hand' und Füfsc, ewig, alldurchdringend, allgegenwärtig, sehr
„fein, unvergänglich, was als der Wesen Mntterschofs die Weisen
„schauen'* (Mund. 1, 1, 5). — £s erhebt sich die Frage, ob unter
dreflem, „mit den Eigenschafken der Unsichtbarkeit u. s.w." ans-
Sütram L n. 2L 113
geätatteten MutterBchofse der Wesen die Urmaterie zu Terstehen
ist, oder die verkörperte Seele, oder vielmehr der höchste Gott?
Man könnte denken, dafs es das Richtige sei, *hior unter dem
'Mutterschoise der Wesen die ungeistige Urmaterie zu verstehen,
^sofern auch in dem hinzugefügten Gleichnisse nur Ungeistiges
'vorkommt, wenn es [a. a. 0. weiter] heifst: „Wie eine Spinne
'„auslälst und zurücknimmt [den Faden], wie die Pflanzen aus der
S,£rde, wie aus dem Lehenden die Haare wachsen, 90 aus dem
S,UnvergängUchen das Weltall" (Mund. 1,1, 7).' — Aber sind
nicht die Spinne und der Mensch, die hier in dem Gleichnisse
vorkommen, geistige Wesen? — 'Doch nicht, so antworten wir,
'denn aas einem blofsen Geiste kann nicht der Faden, können
^nicht die Haare hervorgehen; vielmehr ist der zwar von einem
'Geiätigen bewohnte, selbst aber ungeistige Leib der Spinne die
'Ursache des Fadens, sowie der Leib de& Menschen die der Haare.
^Hierzu kommt, dafs wir zwar an früheren Stellen, wiewohl die
'[dort erwähnt«^] Unsichtbarkeit u. s. w. dazu gepafst hätten, doch
'nicht die Urmaterie verstehen durften, weil die [daneben stehende]
^Bezeichnung als das Sehende u. s. w. auf dieselbe nicht pafste;
^1 dais hier hingegen die Eigenschafben der Unsichtbarkeit u. s. w. 201
^auf die Urmaterie passen, und auch dabdi von keiner Eigenschaft
'die Rede ist, die ihr widerspräche.* — Aber es heifst doch wei-
terhin (Mund. 1, 1, 9) ,)der alles kennt und alles weifs'S ^^^ diese
Fortsetzung pafst doch nicht auf die ungeistige Urmaterie! Wie
kann man also unter dem Mutterschofse der Wesen die Urmaterie
verstehen? — 'Darauf erwidern wir: wenn es heilst: „die [Wissen-
S,8chaft}, durch welche jenes Unvergängliche erkannt wird, das
'„Unsichtbare" u. s. w., so wird hier der mit den Eigenschaften
Mer Unsichtbarkeit u. s. w. ausgestattete Mutterschofs der Wesen
'ab „das Unvergängliche'' bezeichnet, und mit demselben Namen
'wird er benannt, wenn es weiter unten heifst: „noch höher als
'„das höchste Unvergängliche" (Mund. 2, 1, 2); wohingegen der-
'jenige, welcher hier „noch höher'' als dieses Unvergängliche ge-
'nannt wird, eben jener „der alles kennt und alles weifs'^ sein
'mag, während der daneben als „das Unvergängliche" erwähnte
'Mutterschofs der Wesen nur die Urmaterie sein kann. — Soll
^aber unter dem Worte „Mutterschofs" [nicht die materielle son-
'dernj die bewirkende Ursache verstanden werden, nun, so könnte
'auch die verkörperte Seele der Mutterschofs sein, sofern sie durch
'ihre guten und bösen Werke alle Wesen, welche entstehen, mit
'schaffen hilft.'
Auf diese Annahme antworten wir, dafs unter dem ..Jiiit den
„Eigenschaften der Unsichtbarkeit u. s. w." ausgestatteten Mutter-
schofse nur der höchste Gott und kein anderer verstanden werden
kann. Woraus schliefsen wir dasV „wegen Nennung seiner Quali-
„t&tcu", d. h., weil hier eine Qualität des höchsten Gottes genannt
üfkumaM, VvdAutiL 8
114 Q&rlraka-mtmlknsa
wird, wenn es heifst: „der alJos kennt und alles weifß" (Mund.
1, 1, 9); denn es kann weder von der nngeistigen ürmaton«, noch
auch von der verkörperten Seele, deren Gosichtskrräs durch die
UpCulki^H eingeschränkt ist, behauptet werden, dafs sie alles kennen
und alles wissen. — 'Aber wir wiesen doch darauf hin, dafs diese
^Eigenschaft des AUkennens und Allwissens erst demjenigen hei-
*gelegt wird, was hier „höher als" der unter dem „Unvergäng-
202 *„lichen** S5U verstehende Mutterschofs der Wesen heifst, | dafs sie
*8ich somit nicht auf diesen Muiterscliofs der Wesen seihst beziehen
*kann!' — Darauf erwidern -wir, dafs das nicht angeht; weil die
Sclirift, nachdem sie durch die Worte: „So aus dem ünvergang-
„ liehen das Weltall" den vorerwiilinten Mutterschofs der Wesen
als die materiale Ursache alles Entstandenen bezeichnet hat, sofort
darauf als eben diese materiale Ursache des Entstandenen jenes
allwissende Wesen nennt, indem sie sagt (Mui^d. 1, 1, 9):
„Der alles kennt und alles weifs, des Bufse ganz Erkenntnis ist»
„Aus diesem ist Brahman entstanden, Name, Gestalt und Nahnmgskeim^'*
Da somit aus . der Gleichheit der Schilderung zu ersehen, dafs hier
von demselben wie vorher die Bede ist, so ergiebt sich, dafs e^
nur das in Rede stehende Unvergängliche, als Mutterschofs der
Wesen, sein kann, als dessen Qualitäten hier das Allkennen und
All wissen genannt werden. Und wenn es weiter unten heifst:
„noch höher als das höchste Unvergängliche" (Muiid. 3, 1, 2), so
ist auch dies nicht von etwas zu verstehen, welches noch höher
als das in Rede stehende, den Mutterschofs der Wesen bildende.
Unvergängliche wäre. Mit welchem Recht wir das behaupten,
fragt ihr? Weil in den funmittelbar vorher Mund. 1, 2, 13 stehen*
den] Wollten;
„Durch die man kennt das Unvergängliche, den Geist, die Wahrheit,
„Die Wissenschaft vom Brahman legte er ihm aus mit Klarheit", —
nur das vorhererwähnte, den Mutterschofs der Wesen bildende,
„mit den Eigenschaften der Unsichtbarkeit u. s. w." ausgestattete
Unvergängliche als dasjenige bezeichnet wird, worüber eine Be-
lehrung durch das Folgende in Aussicht gestellt wird. Warum
dieses [im Folgenden Mitgeteilte] aber trotzdem „noch höher als
„das höchste Unvergängliche '^ (Mund. 2,1,2) genannt wird , dae
werden wir in einem späteren Sütram erklären. Hierzu kommt,
203 I dafs es [im Eingänge der Upanishad] hiefs, zwei Wissenschaften
müsse man kennen, die höhere und die niedere; und nachdem' als
die niedere Wissenschaft der liigveda u. s. w. bezeichnet worden
war, so wurde weiter gesagt: „Aber die höhere ist die, durch
„welche jenes Unvergängliche erkannt wird'* u. s. w. Hier wird
das „Unvitrgängliche" hIs der Gegenstand der höheren Wissenschaft
Sfttram I. u. 21. 115
*
bezeichnet. Würde nun aber dieses mit den Eigenschaften der
Unsichtbarkeit u. s. w. ausgestattete Unvergängliche für etwas an-
deres als den höchsten Gott gehalten, so könnte die Wissenschaft
von ihm nicht die höhere heifsen. Nämlich diese Einteilung der
Wissenachaft in eine niedere und höhere wird darum gemacht,
weil die eine als ihre Frucht Beglückung, die andere hingegen
das höchste Gut [d. h. Erlösung] bringt. Dafs aber die Wissen-
schaft von der Urmaterie das höchste Gut als Frucht habe, wird
niemand behaupten wollen. Bestünde hier die Absicht, den höch-
sten Atman, wie oben behauptet wurde, als ein höheres gegen das
den Mntterschofs der Wesen bildende Unvergängliche hinzustellen,
80 müfsten [in der Eingangsstelle] drei Wissenschaften in Auasicbt
genommen werden. Es werden aber vielmehr nur .zwei Wissen-
schaften als zu wissen aufgestellt. Und auch die vorhergehende
Frage: „was ist das, o Ehrwürdiger, mit dessen Erkenntnis die
„ganze Welt erkannt ist?" (Mund. 1, 1, 3), welche auf die eine
Erkenntnis abzweckt, die der Inbegriff aller Erkenntnis sei, ist
nur dann am Platze, wenn von dem alles b')8eelenden Brahman
die Rede sein soll, nicht aber, wenn es sieh van di^ blofs für das
Ungeistige den Ausgangspunkt bildende Urmaterie oder um die ,
ein zu Geniefsendes aufser sich habende, ' geniefsende [individuelle]
Seele handelt. Auch helfet es [in den Eingangsversen Mund.l, 1, 1]:
,J)er lehrte seinem ältesten Sohn Atharva <
,)üas Brahmanwissen, | alles Wissens Grundstein.'* ^OA
Wenn hier das Brahmanwissen als Thema aufgestellt und sodann,
nach Unterscheidung des niedem und hohem Wissens, als Gegen-
stand des höhern Wissens das „Unvergängliche" bezeichnet wird,
so folgt daraus, dafs das Wissen von ihm jenes Brahmanwissen
ist. Und diese Bezeichnung als „Brahmanwissen" würde, wenn
das durch dasselbe zu erlangende Unvergängliche nicht das Brah-
man wäre, hinföUig werden. Die niedere Wissenschaft aber, d.h.
die auf den Rigveda u. s. w. bezügliche Werkwissenschsft wird
hier zu Eingang der Wissenschaft von Brahman erwäimt, um das
Brahmanwissen zu verherrlichen. Denn wenn es [im weitem Yer-
laufe, Mund. 1, 2, 7] heifst:
„Doch wandelbar und unbeständig sind
„I^ie achtzehn, die sich auf das Opfer stützen,
„In denen ausgedrückt das niedere Werk liegt. —
,^er Thor, der dieses als das Heil begrüfst,
„Verfällt dem Alter und dem Tod aufs ueue^S u- ^- v*»
5^0 wird hier eine Verwerfung jener niedem Wissenschaft ausge-
sprochen; und nachdem sie verworfen worden, so wird gezeigt,
wie der, welchei' sich von ihr abwendet , für die höhere Wissen-
schaft berufen sei, in den Worten (Mund. 1, 2, 12):
8*
116 C'^I'^^'BlI^^l'^^
^Betrachtend diese Welt, gebaut durch Werke,
„Soll Yon ihr ab sich wenden der Brahmane!
,,Wa3 anTollbringlich ist, yoUbringt kein Werk;
„Dies zu erkenuen soll mit Brennbok er
„Zu einem Lehrer gehen, der die Schrift kennt
„Und in dem Brahman festgewurzelt steht**
Wenn weiter bemerkt wurde, dafs deswegen, weil in dem Gleich-
nisse von ungeistigen Dingen, wie Erde u. s. w., die Rede ist, auch
das Verglichene, n&mlich der Mutterschofs der Wesen, ein Ungei-
stiges sein müsse, so ist das unzutreffend, weil keine Regel yer-
langt, dafs das Gleichnis und das Verglichene absolut gleich sein
205 [lies: sämtßcnä] müssen, | wie denn z. B. deswegen, weil die im
Gleichnisse yorkommenden , Erde u. s. w., grobmateriell sind, der
verglichene Mutterschofs der Wesen nicht grobmatenell 2u sein
braucht. Somit kann also unter dem „mit den Eigenschaften der
„Unsichtbarkeit u. s. w." ausgestatteten Mutterschofse der Wesen
nur der höchste Gott verstanden werden.
23. viQ€shana-'bheda-'Vi/apade(äbhyän ca na itarau
nicht die beiden andern, wegen der Kennzeichnung
und der Bezeichnung der Verschiedenheit.
Und auch aus folgendem Grunde mufs der Mutterschofs der
Wesen den höchsten Gott uud „nicht die beiden andern", die ver-
körperte Seele oder die Urmaterie, bedeuten; aus welchem? „wegen
„der Kennzeichnung und der Bezeichnung der Verschiedenheit.'*
Nämlich uubere Stelle kennzeichnet den in Rede stehenden Mutter-
schofs der Wesen durch Merkmale, die der yerkörperten Seele
nicht zukommen, wenn sie sagt: „denn himmlisch ist der Geist,
„der ungestaltete, der draufsen ist uud drinnen, ungeboren, der
„odemlose, wünschelose, reine^' (Mund. 2, 1, 2). Diese Kennzei^-
nung als der „himmlische" u. s. w. pafst nicht auf die vom Nicht-
wissen aufgestellte, dem Wahne eines Umgreuztseins nach Name
und Gedtalt hingegebene und die Qualitäten derselben auf ihr
eigenes Selbst beziehende, verkörperte Seele. Es springt also in
die Augen, dafs hier derjenige Geist gemeint ist, welcher den
Gegenstand der Upatiishaä'a bildet. — Ebenso aber bezeichnet die
Schrift auch die Verschiedenheit des in Rede stehenden Mutter-
schofses der Wesen von der Urraaterie, wenn sie sagt: „noch höher
„als das höchste Unvergängliche." Das „Unvergängliche" bedeutet
hier [allerdings nicht etwa diese Urmaterie, pondem vielmehr nur]
206 den noch nicht entfalteten, alle Namen | und Gestalten der Samen-
Sütram I. ii. 22.
117
kraft DAch in sieb enthaltenden feinen Leib derWesen (bhAkh
suksJmfam)y wie er Gott als Grundlage [der Schöpfung] dient und
nichts weiter als ein Upddhi [eine Nebenbestimmung an dem Yfe-
sen] Gottes ist. Dieser [feine Leib, das ,, Unvergängliche^'] steht
als unerschaffen höher als alles Erschaffene. Wenn nun die Schrift
mit „Bezeichnung der Verschiedenheit'* von einem redet, der ,^och
.»höher als dieses Höchste^' stelle, so ist [fürs erste] klar, dafs hier
der höchste Atman gemeint ist. Man darf [aber femer] nicht meinen,
dafs hier [von der Schrift] an irgend eine selbständige Wesenheit,
au eine sogenannte Urmaterie [im Sinne der Sänkhya's] gedacht
[lies: abhpupaffanif/a]y und dann die Bezeichnung der Verschieden-
heit [Gottes] von dieser zum Ausdrucke gebracht werde, sondern
CS ist vielmehr so: wollte man selbst eine solche Urmaterie, wie
sie der Schrift nicht widerspräche, aufstellen, indem man annähme,
dafs es der „feine Leilr' sei, welcher unter den [von der Urmaterie
üblichen] Worten „das Unoffenbare" u. s. w. | zu verstehen wäre, 207
so kann man das thun: aber auch dann ist, wegen „der Beseich-
„nung der Verschiedenheit" [auch] von dieserr [im Sinne des Ve-
danta umgedeuteten Urmaterie], als der [letzte] Mutterschofs der
Wesen [nicht sie sondern] der höchste Gott anzusehen; — das ist
es, waa hier [im Sütriun] gelehrt wird.
Und warum weite?: mufs der Mutterschofs der Wesen der
höchste Gott sein? Antwort:
23. rüpa-upanyäsäc ca
auch wegen der Schilderung seiner Gestalt.
Hierzu kommt, dafs, nachdem in den auf die Stelle „noch
.,höher als das höchsi/O Unvergängliche" unmittelbar folgenden
Worten: „aus ihm entsteht der Odem" (Mund. 2, 1, 3), die Schöpfung
der Wesen vom Odem abwärts bis zur Erde hin gelehrt worden,
die Gestalt joben jenes Mutterschofses der Wesen, wie sie aus
allem Ei*schaffenen zusammengesetzt ist, in anschaulicher Weise
geschildert wii'd, indem es heifst (Mund. 2, 1, 4):
,.Seiu Haupt ist Feuer, seine Augen Mond und Sonne,
„Die Himmelsgegenden die Ohren, seine Stimme ist des Veda Offcnbarang.
„Wind ist sein Hauch, sein Herz die Welt, aus seinen Füfsen Erde; ^
„Er ist das inn*re Selbst In allen Wesen."
Diese Schilderung palst nur au^ den höchsten Gott, weil er die
Ursache aller seiner Umwandlungen ist, nicht auf die individuelle
Seele, deren Machtgröfse eine beschränkte ist; und ebensowenig
118 C^i^akA-inim&n8&
ist diese Schilderung der Gestalt bei der Urmaterie zuläsaig, weil
auf sie nicht pafst, dafs sie das innere Selbst der Wesen sei. Somit
ergiebt sich, dafs unter dem Mutterschofso der Wesen nur der
höchste Gott and nicht die beiden anderen verstanden werden
können. Aber woher wissen wir, dafs die hier geschildeiiie Ge-
stalt auf den Mutterschofs der Wesen -sich bezieht? Daher, weil
von diesem vorher die Rede war, und weil die Worte „aus ihm"
auf dieses Vorhergehende zurückweisen. Da in diesem von dorn
Mutterschofso der Wesen gehandelt würde, so folgt, dafs auch die
Worte: „aus ihm entsteht der Odem" — „er ist das innere Selbst
„in allen Wesen" u. s. w. nur auf den Mutterschofs der Wesen
sich beziehen können;' ähnlich wie, wenn von einem Lehrer die
Rede war, und es weiter heifst: „von ihm lafs dich belehron, er
„hat die Yeda'B und die Yedanga^s durchstudiert", dieses Wort
208 sich nur auf den Lehrer | bezichen kann. — 'Aber wie kann dem
*mit den Eigenschaften der Unsichtbarkeit u. s. w. ausgestatteten
'Mutterschofse der Wesen eine individuelle Gestalt zugeschrieben
'werden?' — Hierin liegt kein Fehler, weil die Stelle nur be-
zweckt, die Allbeseelung durch denselben zu lehren, nicht aber
ihm einq individuelle Gestalt zu geben; und es steht damit ähnlich
wie mit der [auch nicht buchstäblich zu nehmenden] Stelle: „ich
„bin die Kahrung, ich bin die Nahrung, und ich bin der Esser
„der Nahrung" (Taitt. 3> 10, 6).
Andere hingegen meinen, dafs diese Schilderung der Ge-
stalt sich gar nicht auf den Mutterschofs der Wesen beziehe, weil
sie mitten unter solchen Dingen vorkommt, die entstanden sind;
denn vorher hiefs es (Mund. 2, 1, 3):
„Ans ihm entsteht der Odem, der Verstand und alle Sinne,
„Aus ihm entstehen Äther, Wind und Feuer
„Das Wasser und, alltragende, die Erde;" —
hier werden die Wesen vom Odem an bis zur Erde hin ihrer Ent-
stehung nach geschildert; und ebenso ist wieder in dem, was auf
die fraglichen Worte folgt, von einem Entstehen die Rede, von
den Worten an: „aus ihm entsteht das Feuer, dcasen Holz die
„Sonne ist" (Mund. 2,1,4) bis zu den "V^orten „aus ilim die
„Kräuter all' mit ihren Säften" (Mund. 2, 1, 9). Wie kann zwi-
schen diesen beiden Stellen, die beide von Entstandenem reden,
plötzlich ohne Veranlassung eine Schilderung der Gestalt des
Mutterschofses der Wesen zwiächencingeschoben werden? Aucb
die Lehre von der Allbeseelung [braucht hier noch nicht verstan-
den zu werden, denn sie] wird erst nach Abschlufs der Darstel-
lung von der Schöpfung ausgesprochen in den Worten „Geist nur
„ist dieses All, das Werk" u. s. w. (Mund. 2,1, 10). Nun sehen
wir aber weiter, wie von Schrift und Smriti die Entstehung des
Sütram I. ii. 23. 119
Prajäpati als der im UniverBam verköi'pei'tün Seelo geschildert
wird; z. B. wenn es heifst (Bigv. 10, 121, 1):
„Als gold'uer Keim ging er hervor sstt Anfang;
„Geboren, war er einziger Herr der Schöpfung;
„Er stOtzt die Erde und den Himmel droben:
„Wer ist der Gott, dafs wir ihm opfernd dienen?"
Die Worte „ging er hervor" bedeuten soviel wie, „ward er gebo*
ren." Ähnlich heifst es (Märkandeya-pnranam 45, 64):
„Er ist der Erste der Verkörperten,
„Er heifst der Gellst, | der Wesen Anfangsschöpfer, ^^^
„Er giiig hervor am Anfang als der Brahm&n.'*
Auf diesen erschaffenen Purusha [wenn wir uns entschliefsen, ihn
und nicht den höchsten Ätman in der Schilderung Mund. 2, 1, 4
zu erkennen] würde es auch passen, dafs er „das innere Selbst in
allen Wesen^^ ist, sofeni er als Lebensliauch im Innern aller Wesen
seinen Standort hat. — Wer diese Auffassung teilt, der znofs das
Sütram so erklären, dafs erst die spater in den Worten „Geist
„nur ist dieses All, das Werk" u. s. w. (Mund. 2, 1, 10) folgende
„Schilderung seiner Gestalt" als des Allgcstaltigen dem Zwecke
dient, den höchsten Gott zu lehren.
Siebentes Adhikaranam,
24. vaigvdnarahy sMhäranorQaMcinViQc^lutt
der All verbreitete, wegen Specificierung der
allgemeinen Ausdrücke.
„Was ist unsere Seelo, was das Brahman? . . . Diesen allver-
„breiteten (vai^vänara) Ätman, den du jetzt studierst, | mögest du 210
,.uns mitteilen" ; nach diesen Worten, und nachdem Hinunel, Sonne,
Wind, Äther, Wasser und Erde nls mit den Eigenschaften der
Wohlkräftigkeit u. s. w. verbunden, und, unter Verworfung der
Verehi'ung des einen oder andern von ihnen, als das Haupt u. s. w.
des allverbreiteten Ätmun bezeichnet worden, heifst es: „wer aber
„diesen Ätman Vaigvänara (den allverbreitoten) so, — als eine
„Spanne laug — und als unmefsbar grofs verehrt, der isset Nahrung
„in allen Welten, in allen Wesen, in allen Leibern. An diesem
120 ^liXriraka-inimaiisa
„Atman Vaigviinara ist das Haupt Wohlkraft, sein Auge ist Allfomi,
„sein Odem Souderweg, mm Leib die weite Zusamnienkittung,
211 „I sein Eingeweide der Reichtum; die Erde ist seine Füfse, seine
„Brust das Opferbett, seine Haare die Opferstreu, sein Herz ist
„das (rarÄ^^pa^yrt-Feue^, sein Mauas das Anvahdrffapacafta-Vener,
„sein Mund das ^ÄaföMj/ya-Feuer** u. s. w. (Chand. 6, 11 — 24). —
Hier erhebt sich die Frage, ob unter dem Ausdrucke Vaicvänara
(all verbreitet) das Verdauungsfeuer zu verstehen ist oder daa
Element des Feuers oder die dasselbe repräsentierende Gottheit,
oder eine verkörperte Seele, oder endlich der höchste Gott? Wo-
her nun wieder dieser Zweifel? Weil das Wort Vaicvänara als
gemeinsamer Ausdruck für das Verdaunngefeuer, das Feuerelement
und die' Gottheit^ [-A-gni] verwendet wird , und weil [das dabei
stehende Wort] Aiman sowohl die verkörperte Seele als auch den
höchsten Gott bezeichnen kann. Welches von diesen also soll
man hier verstehen und welches nicht? das ist die Frage.
Angenommen zunächst, '[der Atman Vai^v&nara] bedeute das
* Verdauungsfeuer (jafhara agni). Warum? weil das Wort zuweilen
'speciell in dieser Verwendung vorkommt, z. B. wenn es heifst:
'„dieses ist das Feue^ Vai^xanara^ welches hier inwendig im Men-
S,schen ist, durch welches diese Nahrung verdaut [wörtlich: ge-
*„kocht] wird, die man so isset" (Brih. 6,9, 1). — Oder Vaf^ä-
'nara ist kurzweg das Feuer, weil der Ausdruck [nicht nur spe-
*ciell sondern] selbst allgemein in diesem Sinne gebraucht wird;
'z. B. in der Stelle (Rigv. 10, 88, 12):
'„Bern Weltall von den Göttern ist das Feuer
*jyVaigvdnara verliehn als Tageszeichen."
< — Oder es ist die Gottheit, deren Leib das Feuer ist, denn auch
'von dieser [d. h. von Agni]* kommt Yaigvänara vor, denn die
'Schrift sagt z. B. (Rigv. 1, 98, 1):
212 '„liafst in der Huld Vat^vilnara^s ans | bleiben,
'„Denn er ist ja der Wesen Farst and Segner/*
■
'In dieser und ähnlichen Stellen bedeutet das Wort die mit Macht-
^icrrlichkeit u. s. w. ausgestattete Gottheit [des Agni]. — Oder
'vielleicht mufs man, weil das Wort mit dem Worte At*nan koor-
'diniei*t steht, und weil in den Eingangsworten: „was ist unser
'„Atman, was das Brahman?" das Wort Atnian allein vorkommt,
'das Wort Vaicvänara in der Uindeutung als Atman verstehen?
'In diesem Falle könnte^ es aber nur die verkörperte Seele bedeu-
'ten, indem diese, vermöge ihres Geniefserseins dem Vai^väwwii
'fdem Feuer als dem Verzehrenden] nahe steht; wie denn aach
'die Bestimmung als „eine Spanne lang" auf sie zufolge ihrer
Sfttram I. u. 24. 121
^ÜmgrenzoDg durch die UpädhfB padsen würde. Somit darf nicht
*Gott unter dem Vaicvänara verstanden werden.'
Auf diese Behauptung^ erwidern wir, dafs vielmehr der Vaigvd-
nara hier den höchsten Ätman bedeuten mufs; warum? „wegen
Specificierung der allgemeinen Ausdrücke^*, d. h. weil die beiden
allgemeinen Ausdrücke hier specificiert werden. Denn wenn auch
die beiden hier gebrauchten Ausdrücke, Alman und Yaicvdnara^
von allgemeinerer Art sind, sofern Vaigvänara dreierlei und Ätman
asweierlei bedeuten kann, so findet sich doch hier eine specificie-
rende Bestimmung, aus der ihre Beziehung auf den höchsten Gott
erhellt; denn wenn es heifst: „fürwahr an diesem Atman Yaii^vanara
„ist das Haupt Wohl kräftigkeit" u. s. w. (Chänd. 5, 18, 2), so
kann es doch nur der höchste Gott sein, | dem der Himmel als 213
Haupt o. s. w. zugeschrieben wird, und der sodann in einem an-
deren Zustande als das innere Selbst, zum Zwecke der Meditation,
geschildert wird; dies ergiebt sich daraus, dafs er die Ursache •
[von allem] ist. Denn weil die Ursache in allen Zuständen der
Wirkung der Träger dieser Zustände ist, deswegen können [an
Gott] die Himmelswelt u. s. w. als seine Glieder bezeichnet werden.
Femer wenn es heifst : „der isset Nahrung in allen Welten, in allen
y^Wesen» in allen Leibern^- (Chand. 5, 18, 1), so paXst diese Er-
wähnung eines Lohnes, der in allen Welten u. s. w. seine Ver-
wirklichung findet, nur, wenn man dabei an die höchste Ursache
denkt. Auch wird in den Worten „so verbrennen alle 6ünden"
u. 8. w. (Chänd. 5, 24, 3) gelehrt, dafs alle Sünden desjenigen, der
dieses weifs, verbrennen. Endlich auch die Zusammenstellung der
Worte Atman und Brahmnn zu Anfang, wo es hiefs: „was ist
„unsere Seele, was das Brahman?^^ — alles dieses miteinander sind
Merkmale des Brahman, welche dafür sprechen, dafs hier der
höchste Gott zu verstehen ist. Somit kann der Vai^.vänara nur
den höchsten Gott bedeuten.
25. smaryamämm anuniänam syädy iti
auch sofern das Smritiwort zur Bestätigung dienen mag.
Auch darum mufs der Vaigvdnara der höchste Gott sein, weil
die Smriti eben mit Bezug auf den höchsten Gott eine ähnliche
Gestalt, deren Mund Feuer und deren Haupt der Himmel sei, als
die aus allen drei Welten bestehende Gestalt desselben erwähnt,
wenn es heifst (Mahäbh. 12, 1656):
„Des Mimd das Feuer, dessen Haupt der Himmel, '
, J)es Nabel Äther, dessen Fülse Erde,
„Des Aug' die Sonne, dessen Ohr die Pole,
„Verehrung zollet diesem Geist der Weiten!"
122 C^{^aka-mliii&n8&
■
Indem dicscB „Smptiwort*^ über Oottos Gestalt auf ein Schriftwort
als seine ursprüngliche Quelle zurückschliefsen läfst, kann es „Eur
„Bestätigung dienen^S ^* h. es kann als ein Kennzeichen und Be-
weisgrund dienen, welclier jene Meinung, dafs unier dem Worte
Vaicvänara der höchste Gott zu verstehen sei, bestätigt. Das
Wort „sofern" (Ui) bedeutet eine Ursache, und besagt, dafs, weil
ein derartiger Beweisgrund vorliegt, auch darum der Vai^wänari'
214 (Jor liüchste Gott sein mufs. Wenn auch die Worte | „Verehrung
„zollet diesem Geist der Welten" auf eine Lobpreisung abzwecken,
so sprechen sie doch, sofern ein als ihre Quelle dienendes Voda-
wori daneben nicht fehlt, dafür, dafs sich die Sache in Wirklich-
keit so verhält. Und auch das folgende Smritiwort läfst sich hier
anführen :
„Des Haupt der Himmel, wie die Weisen sagen,
„Des Nabel Äther ist, dem Mond und Sonne
„Als Augen dienen, dessen Ohr die Pole,
„Und dem die Erde Füfse ist, den wisse
„Als unbegreiflich Selbst, als Wesensförd'rer."
^6*. Qobda'ädibhyOy ^fdahiyratishthän&n na^ üi cen? na!
üithd drishü'Upadegdd, asambhavM, pun^Juim ajpi ca
enam adhiyate
wegen des Wortes u. s. w. und wegen der Einwohnung
nicht, meint ihr? 0 nein! weil so Aufzeigung in -der
Ad schauung, und weil sonst Unmöglichkeit; ja, sie
lesen ja auch von ihm als einem Menschen.
Man könnte sagen: 'der Vai^änara kann doch nicht der
'höchste Gott sein; warum? „wegen des Wortes u. ä. w. und wegen
S,dcr Einwohnung." Was zunächst das Wort angeht, so ist das
*Wort Vaicvänara auf den höchsten Gott nicht passend, weil 6&
•von einer anderen Sache gehräuchlich ist; und dasselhe gilt von
*dem [in der zu Chänd. 6, 11 — 18 parallelen Stelin des Affniraha-
^syam vorkommenden] Worte „Feuer", wenn es heifst: „diesos ist
*„das Feuer Vaii'cänara^'' (?atap. hr. 10, 6, 1, 11). Der Zusatz
'„u. s. w." [im Sutram] bezieht sich auf die Ausdeutung der drei
*Opferfeuer, des Gärhapatyafeuers als des Herzens u. s. w. [des
^ Vaicvänara^ siehe Chuud. 5, 18, 2], so wie aucli auf die [nicht
Mem liöchston Atman, sondern] dem Leben darzubringenden Spen-
^dim, wie sie von den Worten an: „das Erste, Beste, was gegessen
•wird, das ist gleicli als ein Opfer" (Chfuid. 5. 19, 1) das Thema
Sütram L it. 2G. 12:^
^der SiclU) bildeu. Aus diesen Gründen also mufs* man unter dem
^Vai{;vdnara das Verdauungsfouer verstehen; und hierzu kommt
^noch die „Einwohnung^*, deren die Sclirift gedenkt, wenn sie sagt: ^
SjWer es als dem Menschen einwohnend weifs" (^'atap. br. 10, 6, 1, 1 1);
*auch diese pafst zu der Annahme, dafs das Verdau ungsfeuer |
'gemeint sei. Wenn aber behauptet wurde, dafs wegen der I>e- 315
'Stimmung „sein Haupt ist Wohlkräftigkeit", der Vai^cdnara der
'höchste Atman sein müsse, so fragen wir, woher die Zuversicht der
^Forschung stammt, mit der man, wo doch Merkmale für beide
'Annahmen vorliegen, nur an dasjenige Merkmal sich hält, welches
'für den höchsten Gott, und nicht an dasjenige, welches für das
'Yerdauungfifeuer spricht ? — Oder auch , es könnte hier eine Be-
'zeichnung des aufserhalb und innerhalb [des Menschen, vgl. Ohand.
'6, 7) 6] bestehenden Elementes des Feuers vorliegen; denn auch
'von ihm lüfst sich die Verbindung mit der Himmelswelt u. s. w.
'begreifen nach dem Verse (Rigv. 10, 88, 3): *
'„Der durch sein Glänzen ausgebreitet hat
'„Die Erde drunten und den Himmel droben,
'„Die beiden Ufer und was zwischen ihnen."
' — Oder auch, man kann annehmen, dafs die Bezeichnung der
'Himmelswelt u. s. w. als die Glieder auf die Gottheit [Agni] sich
'bezieht, welche dieselben vermöge ilirer Gottherrlichkeit zum
'Leibe hat. Somit ist unter dem Vai^änara nicht der höchste
'Gott zu verstehen.'
Darauf antworten wir: „0 nein! weil so Aufzeigung in der
„Anschauung"; d. h.: es geht nicht an, aus den angefühi*ten Grün-
den, „wegen des Wortes** u. s. w., den höchsten Gott hier abzu-
lehnen; warum? „weil so", d. h. indem man das Vcrdauungsfouor
als [zunächst] gemeint gelten läfst, „Aufzeigung in der Anschauung"
stattfindet; nämlich der höchste Gott wird hier in der Anschauung
[symbolisch] als das Verdauungsfeuer Vai^vänara aufgezeigt, älio-
lich wie in der Stelle (Chand. 3, 18, 1) „das Manas r.oil man
„verehren als das Brahman" [Manas u. h. w. Symbole des Brahman
sind]. Oder auch man kann annehmen, dafs der Upiidhi des Ver- .
dauungsfeuers Vai^vänara hier dem höchsten Gotte zu seiner Ver-
anschaulichung beigelegt wird; ahnlich wie es Isich nicht um
Symbole sondern um Upädhi's des Brahman handelt, wenn es]
z. B. heifst: „Manaa ist sein Stoff, Odem sein Leib, Licht seine
„Gestalt" (Chand. 3, -14, 2). | Hierzu kommt weiter, dafs „sonst", 21C
d. h: wenn hier der höchste Gott nicht gemeint wäre, mithin das
Verdauungsfeuer schlechtweg verstanden werden müfste, in der
Bestimmung „sein Haupt ist Wohlkrivftigkeit" u. s. w. eine ^^X'in-
„möglichkeit" liegen würde. Dal's übrigens diese Bestimmung
ebensowenig mit der Annahme, dafs hier die Gottlieit [Agni]' oder
124 ^ärlraka-mimäÄsft.
das Element des Feuers gemeint sei, sich in Einklang bringen
läfst, das werden wir im nfichsten Sütram zeigen. Endlich könnte,
. wenn das blofse Verdauungsfener gemeint wäre , von demselben
nur gesagt werden, dafs es dem Menschen einwohne, nicht aber,
dafs es selbst Mensch (purtisha) sei. Nun aber „lesen sie ja
„von ihm als einem Menschen"; nämlich die Schule der Yäjasa-
neyin^s liest [an der parallelen Stelle des ^atapaiha-hrähmanam]:
„dieses Feuer Vai^tänara ist das, was der Mensch ist;, wer also
,.dieses Feuer Vai^änara als Menschen, als menschenartig dem
„Menschen innerlich einwohnend weifs" u. s. w. (^"Jatap. br. 10, 6,
1, 11). Dies pafst nicht auf das Yerdauuugsfeuer. Auf den höchsten
Grott aber pafst, weil er die Seele von allem ist, beides, dafs er
Mensch sei, und dafs er dem Menschen einwohne. — Diejenigen
hingegen, welche in unserm Sütram die Lesart haben: purMsha-
vidluim api ca enam adhiyate^ ,ga, sie lesen ja auch von ihm als
,^einem Menschenartigen", müssen dies folgendermafsen erklären.
Wenn man das blofse Verdauungsfener versteht, so könnte nur
von ihm gesagt sein, dafs es dem Menschen einwohne, nicht aber,
dafs es selber menschenartig sei. Nun aber lesen die Yäjasaneyin's
ja auch von ihm als einem Menschenartigen, denn es heifst, wer
es, ,.als menschenartig dem Menschen innerlich einwohnend weifs"
(Qatap. br. 10, 6, 1, 11). Dafs der Vaigvänara aber „menschen-
„artig" heifst, beruht auf dem Vorhergehenden, wo er geschildert
wird in kosmologischer Hinsicht von dem Himmel als seinem
Haupte an bis herab zu der Erde als dem, wodurch er steht
(^""atap. br, 10,6,1, 4 — 9) , und in psychologischer Hinsicht von
dem gewöhnlichen [Kopfe] als seinem Haupte an [lies: prasiddha^
mttrdh€Uva'ädt] bis herab zu dem Kinne als dem, wodurch er steht
(^^'atap. br. 10, 6, 1, II). Dieses wird [in seiner Bezeichnung als
, ,men8chenartig"] zusammengefafst«
37. ata* eva na devatd hhütan ca
ebendarum nicht die Gottheit oder das Element.
Wenn hingegen (p. 215, 5) behauptet wurde, dafs die in den
Worten „sein Haupt ist Wohlkräftigkeit" liegende Vorstellung
von Oliederu auch auf das Element des Feuers passe, weil es in
dem citierten Verse mit der Himmelswelt u. s. w. in Beziehung
317 erscheine, | oder auch auf die Gottheit [Agni], welche die Himmels-
weit u. s. w. vermöge ihrer Gottherrlichkeit als Leib besitze, so
bleibt das noch zu widerlegen. Wir entgegnen: „eben darum ^%
aus den genannten Gründen, kann der Vaigvänara nicht die Gott-
heit und auch nicht das Element des Feuers sein. Denn auf da«
Element des Feuers, dessen Wesen blofs in der Wärme und dem
Lichte besteht, pafst die Annahme des Himmels als seines Hauptes
Sütram L il 27. 125
u. s. w. nicht; denn oIb ein Erschaffenes kann es nicht das Seihst
(älfnan) eines andern Erschaffenen sein. Ebensowenig pafst die
Annahme des Himmels als Haupt a. s. w. auf die GotÜieit des
Feuers, ungeachtet der ihr zukommenden Gottherrlichkeit; denn
sie Lst nicht die Welt Ursache [ist gleichfalls nur ein Erschaffenes],
und ihre Gottherrlichkeit ist ron dem höchsten Gotte abhangig. —
Dafs endlich auch das Wort „Atmau'* nicht asulüssig ^sein würde,
ist allen den genannten Annahmen entgegenstehend.
28, saJcshäd api ävtrodhafn Jaiminih
aach wenn geradezu, Bei kein Widerspruch, ßo Jaimini«
Im Vorherigen wurde gelehrt, dafs der höchste Gott, sei es
unter dem Symbole des Terdauungsfeuers, sei .es durch den
IJpädhi des Verdauungsfeuers, hier zur Verehrung aufgestellt
iKrerde, um den Bestimmungen von dem innerlich Einwohnen u. s. w.
gerecht zu werden; jetzt aber heifst es: auch ohne | die Annahme 21S
«ines Symboles oder eines Uplldhi's könne man hier „ geradezu ^^
eine Verehrung des höchsten Gottes vorgeschrieben finden, ohne
dafs dadurch ein Widerspruch entstünde; uSo'^ meint der Lehrer
„Jaimini". — 'Aber steht mit einem solchen Absehen von dem
'Verdauungsfeuer nicht der Ausspruch der Schrift von dem innern
'Einwohnen in Widerspruch, sowie auch die in dem Ausdrucke
SiV^c'i^ des Wortes u. s. w.'* (Sütram 1, 2, 26) angedeuteten Gründe?'
— Darauf ist zu erwidern : was zunächst das Schriftwort von dem
innern Einwohnen betrifft, so steht dasselbe nicht damit in Wider-
spruch; denn in den betreffenden Worten: „wer es als menschen-
„arlig dem Menschen innerlich einwohnend weifs" (Qatap. br; 10,
6, 1, 11) liegt gar keine Beziehung auf das Verdauungsfeuer vor,
indem dieses weder das Thema bildet noch auch mit Namen ge"
nannt wird; vielmehr steht es so, dafs dasjenige, welches das Thema
der Stelle bildet und als menschenartig mittels menschlicher Kör-
perteile vom Schädel an bis zum Kinne hin vorstellig gemacht
wird, dafs dieses auch gemeint ist, wenn es heifst: „wer es als
„menschenartig dem Menschen innerlich einwohnend weifs'', ähnlich
etwa, wie man den Ast [die äufsere Gestaltung des Baumes] dem
Baume [auch] innerlich befestigt sieht. — Oder auch man kann
sagen: der höchste Gott, von dem hier die Rede ist, und welcher
in psychologischem wie in kosmologischem Sinne nur als Upädhi
[als eine nur vom verehrenden Subjekte ihm beigelegte Bestimmung]
auch die -Menschenartigkeit besitzt, dieses höchsten Gottes [nicht
durch die Upadhi's bedingte, sondern von ihnen] freie Gestalt als
des innern Zuschauers (säkshin) ist es, mit Beziehung auf welche
CS heifst: „wer ihn als menschenartig dem Menschen innerlich
„einwohnend weifs". Steht aber durch Betrachtung des Vorher-
126 C^ral(A-ml]ii&)i8&
gehenden und des Nachfolgenden fest, dafs man an den höchsten
Atman za denken hat> so wird sich auch das Wort Vaif;vdnara
219 in irgend einer Weise von ihm | verstehen lassen; also etwa, weil
er alles und jeder (vifva^ ca narag ca) ist, oder weil er der eine
(nara) in allen (vigve) ist, oder weil alle Menschen (m^üe naräh)
sein eigen sind, darum heifut der höchste Gott Vicvänara als der
allheseeletfde; denn Vai^vänara ist nur so viel wie Vigvänaraf in-
dem die Derivativbildung ebenso wie b^i räkshasa und väyasa
[statt rakihas und vaya8\ den Sinn nicht modifioiei*t. Und auch
das daneben vorkommende Wort agni (Feuer) mag sich, etwa in-
dem man zur ErkläiTing desselben als (igrani (,)der oberste Führer*^)
oder dergleichen seine Zuflucht nimmt ^ auf den höchsten Atman
beziehen. Endlich auch die Auffassung desselben als das Gärha-
patya-'Fener u. s. w. (Chftnd. 5, 18» 2) und die [sich daran an-
schliefsende] Besprechung der dem Leben (prä$f<i) darzubringenden
Spenden (Chand. 5, 19 — 24) lassen sich daraus, dafs der hödiste
Atman die Seele in allem ist, erklären.
Aber in welchem Sinne ist es, wenn man die Stelle auf den
höchslen Atman bezieht, zu verstehen, dafs die Schrift ihn (Chand.
6, 18, 1) „eine Spanne lang'* nennt? — Um dieses zu erklären
heifst es:
29. ahhivyaktery üi Agmarathyah
wegen der Offenbarung, so Agmarathya.
Obwohl der höchste Gott eine alles Mais übersteigende Gröfse
hat, so kann doch seine Bezeichnung als eine Spanne lang ihren
Gmind haben in dem Zwecke „der Offenbarung". Nämlich der
höchste Gott offenbart sich als der Gröfse nach eine Spanne lang
zum Frommen seiner Verehrer, denen er sich an besonderen Orten,
z. B. im Herzen u. s. w., als an den Stätten seiner Wahmehmbar-
keit auf besondere Weise offenbart. Daher würde auch auf den
höchsten Gott die Schnftstelle von der Spannenlänge passen- „we-
„gen der Offenbarung"; — „so" meint der Lehrer „Agmarathya".
220 30. anusrnriter. Bädarih
wegen der Erinnerung [des sich-Denkens], meint BädarL
Oder er wird eine Spanne lang genannt, weil er in Erinnerung
gebracht wird von dem Manas, welches in dem eine Spanne grofsen
Herzen wohnt; die Ausdrucksweise ist dabei ähnlich, wie wenn
man so viel Gerste, als in einen Scheffel geht, einen Scheffel Gerste
nennt. Denn wenn auch bei der Gerste das eigentliche Quantum
durch die Einfüllung in den Scheffel angezeigt wird, während es
SAtram I. n. 30. 127
hier an dem höchsten Gotte keinerlei Quantum giebt, welches
durch die EinfQllnng in das Herz angezeigt werden könnte, so ist
diese Auffassung doch auf Grund der angezogenen Schriftstelle
für zulässig zu erachten, ähnlich wie ja auch zuweilen die Erin-
nerung an einen Gegenstand [uneigentlich] als eine [wirkliche]
Umklammerung (älambanam) desselben bezeichnet wird (Tgl. K&th.
2, 17). — Oder auch man mufs den höchsten Gott, obwohl er
nicht eine Spanne lang ist, doch als eine Spanne lang „sich den-
„ken^^ (anu87Haratti^afy) y damit das Schnftwort von seiner Span-
nenlange- nicht unverwirklicht bleibe [also, iva i] Ypoc^i) TcXiQpu^!.].
In dieser Weise dient die Stelle yon der Spanneulänge beim höch-
sten Gotte zum Zwecke „der Erinnerung" ; — so meint der Lehrer
„Bädari/*
31. sampatter, Ui Jaiminis, tathd M darq^yati
m
wegen der Gleichsetzung , meint Jaimini, weil sie es
80 erklärt.
Oder die Schriftstelle von der Spannenlänge bezweckt eine
,fGleic&setzung'^ ; warum? „weil die Schrift es so erklärt"; nämlich
in dem ^rahmanam der Yäjasaueyin's , wo derselbe Gegenstand
behandelt wird, werden die Glieder des VaiQvänara^ welche, sofern
derselbe die Seele des Weltganzen ist, sich vom Himmel an bis
zur Erde hin | erstrecken, in psychologischer Hinsicht gleichgesetzt 221
den Teilen des Leibes, die sich von der Schädeldecke an bis zum
Kinne hin erstrecken, und hierbei erklärt die Schrift, dafs der
höchste Gott einer Spanne an Länge gleichgesetzt werde, indem
sie sagt: „die Götter, leicht erkennbar, haben sich gleich gemacht
„gleichsam einer Spanne an Länge; und ich will sie dir also er-
„klären, dafs ich sie dem Mafse einer Spanne gleichsetze. — Und
„er sprach, indem er auf den Schädel wies: dieses ist der über-
tragende Vaiyvanara; und indem er auf die Augen wies: dieser
„ist der wohlkräftige Yai^v&nara; und indem er auf die Nase wies :
„dieses ist der Sonderweg habende Yaiyvänara; und indem er auf
,,den Hohlraum im Munde wies: dieses ist der weite Vai^'v&nara;
„und indem er -auf das Wasser im Munde wies: dieses ist der
„reiche Vaiyvanara: und indem er auf das Kinn (cuvukam) wies:
,. dieses ist der wolilgegründete Vai^vänara*^ ((,'atap. br. 10, 6, 1,
10 — 11). Unter cuvnJcam (Kinn) ist der flache Knochen unterhalb
des Mundes zu verijlehen. Allerdings werden im Yäjasaneyakam
dem Himmel die Eigcuschaft der Üben*agung | und der Sonne die .222
Kigenschuft der Wohlkruftigkeit zugeschrieben, wahrend hingegen
im Cfaändogyam dem Himmel die Wohlkräftigkeit und der Sonne
12S C^rtrakft-mimHÄEä
die AUgestaltigkeit beigelegt werden; aber diese Abweiehoug ändert
an der Sache nichts, da die Stelle von der Spannenl&nge ohne
Unterschied in allen Qakhä^s anerkannt wird. — Es ist der Lehrer
„Jaimini", welcher die Meinung vertritt , dafs die Stelle von dör
Spannenlänge am passendsten als eine solche „Gleiohsetzung*^ be-
zweckend aufgefafst werde.
32. ämananü ca enam asniin
auch überliefern sie, dafs er hier.
„Auch überliefern sie", nämlich die Jäbdla*s, „dafs er^\ der
höchste Gott, „hier", d. h. swiaehen Schädel und Kinn aufzufassen
sei; denn es heifst bei ihnen (Jäbäla-Upanishad 2. p. 438): , Jener
„unendliche, verborgene Atman wohnt in dein Unabgetrennten ;
„darum heifst er der Unabgetrennte. — Wo wohnt er denn? —
„Er wohnt zwischen Varai^ä und Nd^*^ [eigentlich Namen zweier
Flüsse in der Nähe von Fidrd^o^, Benares]. — 9)Wer ist dit; Va-
„rairi(S und wer die Nd^'^*' — Auf diese Frage werden sie bestimmt
als der Augenbrauenbogen (varaii^) und die Nase (näsikä)^ und
zur Erklärung der Yarai^ nnd Nci^ wird gesagt: weil sie alle
von den Sinnesorganen begangenen Sünden abwende (väräyati)^
darum heifse sie Varasiä^ und weil sie alle von den Sinnesorganen
begangenen Sünden vernichte (nä^ayati)^ darum heifse sie Nä^;
223 worauf es weiter heifst (Jäb&la-Üp. 2, p. 440): | ,tUnd welches
fjist sein Standort? — Es ist der Bindepunkt zwischen den Augen-
,,brauen und der Nase; dieses ist derselbe Bindepunkt wie der
„zwischen der Himmelswelt und dem Höchsten." — Somit ist der
Schriftausdruck „eine Spanne lang" bei dem höchsten Gotte an-
gemessen.
Auch der (Chand. 5, 18, 1) daneben vorkommende Ausdruck
ahhivimäna (etwa: „übermefsbar") hat Beziehung darauf, dafs er
die innere Seele ist. Äbhivimärfn heifst esr, weil er von allen
lebenden Wesen als die innere Seele CLbhüdmiyate (als sich gegen-
überstehend ermessen, erkannt wird); oder er heifst Ahhivimäna^
weil er als die innere Seele dbhigata (zugänglich) und, wegen
Mangels eines Mafsstabes viniäna (unmefsbar) ist', oder auch, weil
er die ganze Welt als ihre Ursache ahhivimin^te (ermifst).
Somit ist bewiesen, dafs der Vaigvänara den höchsten Gott
bedeutet.
Sü laut«i in dem K-nvotneuUre inr erhabenen ^aKraJLa - mfmaiba, dem Werke der
vrrehrungswUrdige^ Vflfiie des erlauchten gahkura , im ersten Ailiffaya der zweite Fad«.
Des ersten Adhyftya
DRITTEE PADA.
VeMlirQiiit dem hüehstSR Atniftnl
Erstes Adhikaranam.
1. äyur-hhü-adi-ayatanam, sva-^abdät 324
der Stutzpunkt von Himmel, Erde u. s. w., wegen des
ihm eigentümlichen Wortes.
Es heilst in der Schrift (Mund. 2, 2, 5) :
y^er Ort, in welchem Himmel, Erd' and Luftraum,
,,yer8taiid und aUe Sinne sind gen^pben,
,,Den wifet ihr als den Einen, als den Atman;
„Die andern Reden lasset ihr beiseite; —
„Dies ist die Brücke der Unsterblichkeit.*'
Hier wird auf etwas hingewiesen, was für den Himmel u. s. w.,
sofern dieselhen ihm eingewoben sind, „der Stützpunkt" ist; und
es erhebt sich die Frage, ob dieser Stützpunkt das höchste Brah-
man oder etwas anderes sei?
Angenommen also, 'der Stützpunkt bedeute irgend etwas anderes;
Vanun?' weil es heifst: „er ist dit) Brücke der Unsterblichkeit."
'Zu einer Brücke gehören, nach weltlichen Begriffen, Ufer; man
'kann aber nicht behaupten, dafs das liöchste Brahman Ufer habe ;
'I denn die Schrift sagt von ihm es sei „das £ndlose, Uferlose" 225
*(Brih. 2,4,12). Mufs man aber ciurnal unter dem Stützpunkte
*etwas anderes als Brahman verstehen so liefse sich ja an die in
Bkussiv, Ved&nto, 9
130 Qariraka-mimänsil
Mer Smriti vorkommende Urmaterie denken, welche, sofern sie die
'Ursache der Welt ist, als deren Stützpunkt bezeichnet sein könnte.
* — Oder es könnte der in der Schrift vorkommende Wind sein,
*vou dem es heifst: ,.der Wind, fürwahr, o Gnutaroa, ist jener
S,Faden; denn durch den Wind als Faden sind diese Welt und
', jene Welt und alle Wesen zu einem Büschel zusammengebunden"
*(Brih. 3, 7, 2); in dieser Stelle sagt die Schrift auch von dem
^Winde aus, dafs er [die Welten] auseinanderhalte. — Oder auch,
*es ist vielleicht die vorkörperto Seele zu verstehen, sofern diese,
Vermöge ihres Gcniefserseins , für die zu geniefsende Weltausbrci-
'tung eine Art Stützpunkt bildet.'
Auf diese Annahmen erwidern wir: „der Stützpunkt von Him-
„mel, Erde u. s. w."; dyn-hlmvau sind dyaus (der Ilimmel) und
bhüs (die Erde); dyu^hhü-adi [im Sütram] bedeutet die [Reihe von
Wesen], in welcher diese beiden den Anfang machen. Also der
Himmel, die Erde und der Luftraum, das Manas und die Pranas,
d.h. die aus ihnen bestehende, ganze Welt ist es, von der unsere
Schriftstelle sagt, sie sei eingewoben: der Stützpunkt aber, in
weichem diese eingewoben ist, kann nur das höchste Brahman sein;
watum? „wegen des ihm eigentümlichen Wortes'S d.h. wegen des
Wortes „Ätman^'; denn es steht das Wort „Atman^* dabei, indem
es heifst: „den wifst ihr als den Einen, als den Ätman'^ (Mund.
226 2, 2, 5). Das Wort „Ätmau" | aber ist völlig angemessen nur, wo
es sich um den höchsten Atman, nicht wo es sich um eine andere
Sache handelt. Auch wird öfter unter Nennung eines gerade ihm
eigentümlichen Namens das Brahman von der Schrift 'als dieser
Stützpunkt bezeichnet; so wenn es heifst : „alle diese Kreaturen haben
„das Seiende als Wurzel, das Seiende als Stützpunkt, das Seiende
„als Grundlage" (Chd,nd. 6,8,4); und auch an unserer Stelle wird
sowohl vorher als nachher das Brahman mit seinem eigentlichen
Namen genannt; denn es heifst [vorher, Mund. 2,1, 10]: „Geist
„nur ist dieses All, das Werk, die Bufse, Brahman und das Höchst-
„unsterbliche", und [nachher, 'Mund. 2, 2, 11]: „das Brahman, das
„Unsterbliche, ist diese Welt im Osten und im Westen, das Brah-
„man im Süden und im Norden." Wenn nun aber hierbei die
Rede ist von einem Stützenden und einem Gestützten, und in dem
Satze „das Weltall ist Brahman", beide in demselben Casus mit-
einander verbunden werden , so könnte man auf den Gedanken
kommen, dafs, ähnlich wie ein mannigfach zusammengesetzter
Baum aus Asten, Stanun und Wurzel besteht, so auch vieUeicht
der Atman ein mannigfacher, aus mancherlei Essenzen bestehender
sei. Um diesem Zweifel zu begegnen, fügt die Schrift noch
eine [dem Atman] eigene, besondere Bestimmung hinzu, indem sie
sagt: „den wifst ihr als den Einen, als den Atman"; das be-
deutet: man darf nicht meinen, als wenn für den Atman die Aus-
breitung seiner Wirkungen charakteristisch wäre, als wenn er somit
Sütram I. in. 1. 131
als ein mannigfacher gedacht werden müfsie; sondern viebnehr
diese Ausbreitang der Wirkungen ist dae Werk des Nichtwissens;
und indem ihr dieselbe durch das Wissen aufhebt, so erkennt ihr
jenen Einen, der ihr Stützpunkt ist, den seiner Essenz nach ein-
heitlichen Atman. | Denn wie einer, wenn man zu ihm sag^ „hole 9i7
„das her, worauf Devadatta sitzt", den Sitz holt, nicht aber den
Deradatta, so wiM auch hier gefordert,^ dafs man nur den ak
StQtzpunkt bezeichneten einwesentlichen Atman erkenne, wfthrend
hingegen eine Verknüpfung desselben mit der Unwahrheit der
Umwandlungen Ton der Schrift in Abrede gestellt wird, wenn sie
sagt (K»th. 4, 10):
„Von Tod zu Tode wird verstrickt,
„Wer eine Vielheit hier erblickt''
Die Satzverbindung: „das Weltall ist Brahman" hingegen bezweckt,
die Vielheit aufzuheben, nicht aber das Brahman als aus vielerlei
Essenzen bestehend darzulegen; denn dafs dasselbe seiner Essenz
nach einheitlich ist, beweisen die Worte: „gleichwie der Salzblock
„kein [unterschiedliches] Innere oder Äufsere hat, sondern durch
„und durch ganz aus Geschmack besteht, so, fürwahr, hat auch
„dieser Atman kein [unterschiedliches] Innere oder Äufsere, son-
„dern besteht durch und durch ganz aus Erkenntnis" (Brih. 4, 5, ISjk
Somit ist der Stützpunkt' von Himmel, Erde u. s. w. das höchste
Brahman. Wenn aber behauptet 'wurde, dafs wegen des Wortes
von der Brücke, und weil eine Brücke zwei Ufer zu haben pflege,
der Stützpunkt von Himmel, Erde u. s. w. etwas anderes als Brah-
man sein müsse, so erwidern wir, dafs die Erwähnung der Brücke
hier nur bedeuten soll, dafs [der Atman das Weltgebäude] ausein-
anderhalte, nicht aber, dafs er [aufser sich] Ufer und was sonst
[einer Brücke zukommt] haben müsse. Denn wenn z. B. eine ge-
wöhnliche Brücke aus Erde und Holz besteht, so braucht man
darum doch nicht anzunehmen, dafs auch hier von einer Brücke
aus Erde und Holz die Rede sei. Übrigens liegt auch in dem
Begriffe des Wortes setu (Brücke) nur das Auseinanderhalten,
I nicht aber das Hliben von Ufern und dergleichen; denn seiner 2f8
Etymologie nach stammt seht von der Wurzel s/, welche „binden"
bedeutet.
Nach einer andern Auffassung wäre es ^nur das in den
Worten: „den wifst ihr als den Einen, als den Atman" erwähnte
Wissen vom Ätman sowie das in den Worten: „die andern
1, Reden lasset ihr beiseite" geforderte Beiseitelassen der
Worte, welches beides hier, weil es die Unsterblichkeit bewirkt,
als „die Brücke der Unsterblichkeit" von der Schrift erwähnt
würde, nicht aber der Stützpunkt des Himmels und der Erde
selber. Daher die Behauptung, dafs wegen Erwähnung der Brücke
9*
k. "^
*-*^v
132 ^&r1raka-intmäns&
der Stützpunkt des Himmela und der Erde etwas anderes sein
müsse als BrahmaB) angereimt sein würde.
2, inukta-upasripya-vyctpadefät
wegen Bezeichnung als der Zufluchtsort der Erlösten.
Auch dämm mufs der Stützpunkt des Himmels und dir Erde
das höchste Brahman sein, weil er bezeichnet wird „als der Zu*
„flüchtsort der Erlösten*^ d. h. als der Zufluchtsort ftir die Eriösten.
Nämlich [um diese nfiher zu charakterisieren]: da ist zunftohst das
Nichtwissen» welches den Leib und [seine Organe], obwohl sie
nicht das Selbst (iiman) sind, in dem Bewufstsein: ^dies bin ich"
für das Selbst h< sodann die Liebe zu dem, der diese [unsere
Leibliehkeit] achtet u. s. w», der Hafs gegen den, der sie Terad^
tet u. 8. w., die Furcht vor allem, was sie schädigt, der Wahn,
— kura diese ganze Heerschar des Unheils, wie sie in UDend-
licher Terzweigung sich ausbreitet und an uns allen zu Tage tritt.
Im Gegensatxe dazu stehen diejenigen, welche von dem Nichtwissen,
der Liebe, dem Hasse und den übrigen Oebrechen erlöst sind;
und diese Erlösten sind es, als deren Zufluchtsort und Eingangs-
Stätte dasjenige bezeichnet wird, was vorher als Stataponkt des
Himmels und der Erde geschildert worden war; denn die Schrift
sagt weiterhin (Mund. 2, 2, 8): '
2Sd ( „Wer jenes Höchst' und TiefiGrt;e schaut,
„Pem spaltet sich des Herzens Knoten ,
„Dem lösen alle Zweifel sich,
„Und seine Werke werden nichts: .
. und sodann heifst es (Mund. 3, 2, 8):
„So geht, erlöst Ton Name und Gestalt,
„Der Weise ein zum göttlich-höchsten Qeiste.'^
Dafs aber dieser Zufluchtsort der Erlösten kein anderer als das
Brahman ist, steht aus der Schrift fest, wenn sie z. B. sagt
(Brih. 4, 4, 7):
„Wenn alle Leidenschaft verschwunden,
„Die iu des Menschen Herzen nistend schleicht,
„Dann hat der Sterbliche Unsterblichkeit gefunden,
„Dann hat das Brahman er erreicht/'
Dafs hingegen die Erlösten zur Urmaterie oder dergleichen als
ihrem Zufluchtsorte eingingen, davon ist nirgendwo die Rede.
Sa^m I. ui. 2. 133
Aach wird in den Worten: „ihn wüst ihr als den Einen, als den
„Ätman, die andern Redeh lasset ihr beiseite" (Mu94- 2, 2, 6),
hervorgehoben I dafs man den Stützpunkt des Himmels und der
Erde nur erkennen könne, nachdem man die Reden beiseite ge«
li^ssen, und eben dies wird in einer andern Schriftstelle in Bezug
auf daa Brahman gelehrt, wenn te heifst (Brih. 4, 4, 21) :
„Ihm foraehet nach, die Weisheit zu erringen,
„Nicht Worten viel, die nur Beschwerde bringen*';
I anch darum also kann der Stützpunkt von Himmel, Erde u. s- w. 230
nur das höcbste Brahman sein.
3. na anumänamj a4aC'Chabddd
nicht das Gefolgerte, weil nicht Rede von ihm.
Dafs hier von Brahman die Rede ist, dafüi* wurde ein specieller
Grand angegeben; dafär aber, dafs hier von etwas anderem die
Rede sei, lifst sich nicht in dief^er Wmse ein specieller Grund
angeben. Damm heifst es: „nicht das Oefolgerte^S d. h. die von
der Smpti der Stekhya's aufgestellte Urmaierie, darf hier unter
dem Stützpunkte des Himmeld und äer Erde verstanden werden.
Warum? f,weU nicht Rede von ihm"; die „Rede von ihm'' ist eine
auf J6ne_ ungeistige Urmaterie hinweisende Rede ; von dieser also
ist „nidit Rede^* d.. h. keine Rede. Denn es kommt an unserer
Stelle kein Wort vor^ welches auf diese ungeistige urmaterie hin-
wiese, ao dafs man sie unter der Ursache und dem Stützpunkte
der Welt verstehen dürfte. Wohl aber findet sich hier ein Wort,
welches auf das ihr entgegengesetzte Geistige hinweist, wenn es heifst:
^^der alles kennt und alles weifs'^ u. s.w. (Mund. 1, l^ 9). Aus
eben diesem Grunde darf man hier auch nicht auf den Wind als
den Stfitspunkt von Himmel, Erde u. s. w. zurückgehen.
4. prdna-bhric ca
noch auch der Lebensträger.
Wenn es auch auf den Lebensträger, d. h. auf ^die individuelle
Seele, passen würde, dafs der Stützpunkt der „Atmau'* genannt
und als ein Geistiges geschildert wird, | so pafst auf die indivi- 931
dueUe Seele, welche nur eine durch die Up&dhi^s eingeschränkte
Erkenntnis hat, doch nicht die Bestimmung des Allkennens und
Ailwissensi und darum, weil such von ihm- „nicht Bede^^ ist, l&At
134 9^i1raka-mim&ä8i
•■ .
sicli auch der Lebenstrager nicht unter dem Stützpunkte des
mels und der Erde yerstehen. Und noch viel weniger pafst dieses
selbst) dafs er der Stützpunkt des Himmels und der Erde sein
soll, auf den durch die Up&dhi's eingeschränkten , nicht alldurch-
dringenden Lebensträger« Dafs um seinetwillen ein neues Sütram
gemacht wurde, geschah wegen des Folgenden. Denn warum dati
man weiter nicht auf den Lebensträger als auf den Stützpunkt
des Himmels und der Erde zurückgehen? Antwort:
5. bheda-Vifapadefät
wegen Hin Weisung auf die Verschiedenheit.
Auch findet sich hier eine „Hinweisung auf die Vei-schiedenheit^',
sofern in den Worten: „den wifst ihr als den Einen, als den
„Atman'* eil) Objekt und ein Subjekt der Erkenntnis erwähnt
wird. Das Subjekt der Erkenntnis ist, wegen seines Bedürfnissee
nach Erlösung, der Lebensträger, und somit bleibt übrig, dafs
das durch das Wort „Atman" bezeichnete Brahman, das Objekt
der Erkenntnis, der Stützpunkt des Himmels und der Erde isei. —
Und warum weiter kann nicht der Lebensträger unter dem Stütz-
punkte des Himmels und der Erde verstanden werden? Antwort:
ff, prakaranät
wegen des Vorhabens.
Auch ist das gegenwärtige Vorhaben auf den höchsten Atman
gerichtet; denn wenn es [zu Anfang der üpani^ad] heifst: „Waa
„ist das, o Ehrwürdiger, mit dessen Erkenntnis diese ganze Welt
„erkannt ist?" (Mun^. 1,1,3), so liegt hier die Absicht vor, in
einer Erkenntnis alle Erkenntnis zu befassen; denn allerdings
ist durch die Erkenntnis des alles beseelenden höchsten Atman
diese ganze Welt erkannt, nicht aber durch die blofse Erkenntnis
des Lebensträgers. — Und warum weiter ist nicht der Lebens-
träger unter dem Stützpunkte des Himmels und der Erde zu ver-
stehen? Antwort:
7. sthitirodanähhyän ca
auch wegen des Dabeistehens und des Essens.
Im Verlaufe der Stelle von dem Stützpunkte des Himmels und
der Erde, bei den Worten: „zwei Freunde schön befiedert
Sütram I. ui. 7. 135
„WMse auf einem Baum verbunden da" (Mun^* 3, 1« 1), ist weiter-
hin I von einem Dabeistehen und einem Essen die Rede, indem es 232
heilst: „der* eine ifst die süfse Beere" — dies bedeutet das Essen
[lies a^nam] der Frucht der Werke, --r „der and're schaut nicht
essend ^" — dies bedeutet ein müfsiges Dabeistehen, — und
dieses beides, nämlich das Dabeistehen und das Essen, mufs man
hier von Gott und von dein Kshetrajäa (der. individuelleil Seele)
verstehen. Wird nun unter dem Stützpunkte des Himmels und der
Erde Crott verstanden, so ist es in der Ordnung, dafs dieser, näm-
lich Gott} weil von ihm die' Kode war, als von dem Kshetrajna
verschieden hervorgehoben wird ; im andern Falle wüi'de die Er-
wähnung Gottes, von .dem doch keine Bede gewesen, unmotiviert
und zusammenhanglos sein. — 'Aber folgt nicht bei deiner Auf-
'fassung hinwiderum, dafs es unmotiviert ist, dafs der Kshetrajn^
*als von Gott vcröchieden hervorgehoben wird.' — Docli nicht,
weil eine solche Hervorhebung überhaupt nicht in der Ablaicht der
Schrift liegt« Denn der Kshetrajna, wie er als Thäter und Ge-
niefser in den einzelnen Leibern, mit dem Up&dhi der Buddhi ver-
bunden, besteht, wird nur von Seiten der Erfahrung angenommen
[worin eben das Motiv seiner Erwähnung liegt], um seiner selbst
willen aber von der Schrift überhaupt nicht erwähnt. Gott hin-
gegen wird, weil er von der Erfahrung nicht angenommen wird,
van der Schrift um seiner selbst willen gelehrt; daher bei ihm
eine unmotivierte [nur gelegentliche] Erwähnung nicht angemes-
sen sein würde. Übrigens haben wir schon bei dem Sütram: „die
„beiden in die Höhle eingegangeneu, denn zwei Seelen" (1, 2, 11),
bewiesen, dafs unter den beiden Yögeln in diesem Verse Gott und
der Eshetrajüa zu verstehen sind: und wenn darunter, gemäfs der
aus der Painffi-UpaniShad geschöpften [oben, S. 101 fg- schon be-
sprochenen] Auslegung das Sattvam und der Kshetrajna verstanden
werden sollen, so geht auch das ohne Widerspruch an. Wie das?
Nun, weil von dem Lebensträger, wie er, dem Räume in den Ge-
fäfsen vergleichbar, unter der Vorstellungsform seiner Upadhi's, des
Sattvam u. s. w., in den einzelnen | Leibern sich der AutfaHi$ung dar- 233
bietet, durch unsere Stelle ausgeschlossen wird, dafs er der Stütz-
punkt von Him^nel und Erde sein könne; während hingegen der-
jenige, welcher allerdings auch [als der Kshetrajna] in allen Leibera
wohnt, sofern man ihn in seiner Befreitheit von den Üpädhi's in
Betracht zieht, kein anderer als der höchste Atmaii ist. So wie
nämlich die Iläunio iii den Gefafsen u. s. w., sofern man sie in
ihrer Bofreitheit Von den Upadlü^s der GefÜfse in Betracht zieht,
nichts anderes sind als der grofse Weltraum, ebenso ist auch der
Lebensträger [d. h. di^r Ksltetrajfta^ die individuelle Seele], sofern
er von dem liöchsten Atman nicht verschieden gedacht werden
kann, nicht [als der Stützpunkt des Himmels und der Erde] abzu-
weisen; ebenderselbe hingegen, sofern er unter der Vorstellungsform
136 QMraka-inimlläBa
des Saitvam u. s. w. aufgefaÜBt wird, darf nicht als d^ ßtfitspuakt
des Himmels und der Erde betriurhtet werden. Somit kann der
Stütsptinkt des 'Himmels und der Erde nur das höchste Brahman
sein. Übrigens iat dies schon durch das Sötram .^der mit den
„Eigenschaften der Unsichtbarkeit u. s. w., wegen Nennung seiner
„Qualitäten^* (1, 2, 21) als bewiesen eu erachten, da mitten in der
dort besprochenen Stelle von dem Mutterschofse der Wesen die
gegenwärtig uns beschäjtigenden Worte: ,,Der Ort in welchem
Himmel, Erd' nad Luftraum" u. s. w., sich vorfinden. Nor dafs
sie, behufs ausführlicherer Betrachtung, hier nochmals vorgenom-
men wurden.
Zweites Adhikaranam.
'8. bhumd^ safHprasäddd adhi upadefät
die Uhbeschränktbeit, wegen der Höherstellung über
die Vollberuhigung.
Die Schrift sagt: „Die Unbeschränktheit (hhüman) aber mafa
„man suohen zu erkennen. • — Ja, die Unbeechränktheit, Verehmugs-
„würdiger, möchte ich ex^ennen. — Wenn einer [aofser sich] keia
^anderes sieht, kein anderes hört, kein anderes erkennt, das ist
„die Unbeschränktheit; wenn er hingegen ein anderes sieht, ein
S^4 „anderes hört, ein anderes erkennt, t das ist die Beschränktheit
t/olpam)'^ n. «. w. (Chand. 7 , 23—24} — Hier erhebt sich die
Frage, ob unter der Unbeschränkthcii der Präna (das Leben) 2a
▼erstehen ist> oder der höchste Ätman. — 'Woher diese Frage?* —
Kon, was sunftchBt das Wort „Unbeschrftnktheit'*, bhüm^mi hetriffky
so bezeichnet dasselbe einen Zustand der Grofse, da nach der
Smfiti-Regel: ^fbahor lopo i^lm ca bahoh^^ — „bei hahu [mit Hman\
„AnefaU [des /] und hhii etott bahu^^ (Panini 6, 4, 168), da« Wort
bhuman auf ein Zustand-Suffix endigt. Welcher Art ist nnn dieser
Zustand der GrÖfse? Das ist n&her zu bestimmen. Sofern in der
NAhe das Wort vorkommt: „Der Pr&^a, fürwahr, ist grofser (tM§dn)
als die HoShung'' (Ch&nd. 7, 15, 1), kann es scheinen« als sei unter
dem Bhüman der Pr4i^a zu verstehen. Anderseits jedoch kann es
scheinen, wenn man die Aufstellung des Themas in den Fiingwiga-
werten erw>: „denn ich habe von solchen, die dir gleiohen^ ge*
„hört, dais, wer den Ätman kennt, über den Kammer hinaus ist;
„ich aber, o Herr, bin bekümmert; führe du mich hinaus über den
yyKnmmer*' (Ch&nd. 7, l» 3), dafs der Bhüman vielmehr den höebsten
SOtram I. ui. 8. 187
Atman bedeutet. Welches soll man nun davon aanehmeD und
weldies aufgeben? Das ist hier die Frage.
'Angenommen also, der Bhüman bedeute den Pr&^^u Worum?
*Weü ilber ihn hinaus die Kette von Fragen und | Antworten' 235
{welche Chänd. 7, 1 — 15, jedesmal nach dem, was gröfser sei,
forschend, vom Namen zu Rede, Manas, Entschlufs, Gedanken,
Xeditation, Erkenntnis, Kraft, Nahrung, Wasser, Glut, Äther,
Erinnerung, Hoffnung und endlich zum Pr^^a weiter schreitet]
'nicht weiter fortgeführt wird. Denn wfthrend es hiefs: „Giebt es,
*„o Herr, ein Gröfseres als den Namen?" — „Ja, die Rede ist
Sigi'ofser als der Name 'S und ebenso: ,^.Oiebt es, o Herr, ein
'„Gröfseres als die Bede?" — „Ja, das Manas ist gröfser als die
^„Rede'S und in dieser Weise die Reihe der Fr£gen und Antworten
*vom Namen Au bis zum Vrkna, hin immer weiter fortschreitet, so
^findet sicli über den Pr&i^a* hinaus weiterhin keine derartige Frage
*und Antwort mehr, so als wexm es hiefse: „Giebt es, o Herr, ein
'„Grdiseres als den Pr&na" und geantwortet wurde: „Ja, dies und
S,das ist gröfser als der Prfina." Vielmehr, nachdem der Präna
^f&r gi'dfser als [alle PrinoipienJ vom Namen an bis zur Hoffnung
^bin in den Worten: „Ja, der Pr^a ist gröfser als die Hoffnung^'
*u. 8. w. (Chand. 7, 15, 1) ausführlich erklärt worden, und nachdem
'demjenigen, der den Präi^a kenne, das Pr&dikat eines Absprechend
*^(ativddin) zuerkannt worden in den Worten: „[Fürwahr, wer also
*„8ieht und denkt und erkennt, der ist ein Abspreoher; und wenn
S,mxn Bu ihm sagt:] du bist ein Absprecher! so soll er es zuge-
\iben und nicht leugnen'* (Chftnd. 7, 15, 4), — so heÜst es weiter:
'„Der aber nur ist der rechte Absprecher> welcher durch die Wahi*-
S,heit abspricht'* (^Chand. 7, 16); hier wird das Absprechersein
'dessen, der dem PrlLna huldige, wieder aufgenommen und, ohne
'dafs jder Pr4na fallen gelaasen würde, schreitet die Bede weiter
'fort durch die Reihenfolge von Wahrheit u. s. w. bis zum Bhüman
'iun p^ahrheit, Erkenntnis^ Verstand, Glaube, Gewifsheit, That,
'Lust, Bhüman, ChÄnd. 7, 16^24]i worau9 folgt, dafs die Sefarifi
'dea Pr&9a eben für den Bh^an hält/ *— Aber wenn der Pr&na
üSr den Bh&man erklärt wird, wie soll man dann das Wort ver-
stehen, welches als Charakter des Bhüman angiebt: „wenn einer ~
„[aufser sich] kein anderes sieht" u. s. w.? — * Hierauf erwidern
'wir: weil im Zustande des TiefsdJafes, wo die Sinnesorgane in
'den Prä^a eingehen, keine Thätigkeit des Sehens u. s. w. statt-
'findet, I deswegen kann man die in den Worten „wenn einer kein 236
'„anderes sieht^' liegende Charakterisierung auch auf den Pr&^
'beziehen, und so sagt auch die Schrift, nachdem sie in den Worten
'„er sieht nicht, er hört nicht" u. s. w. (Pragna 4, 2) den Zustand
'd«8 Tiebchlafes als einen solchen geschildert hat, in welchem die
'Thätigkeit alier Organe zur Ruhe kommt, weiter: ,,daiin halten
',,iiQr die Wachtfeuer des Pr&na in dieser Stadt Wacht" (Pia^na 4, 3).
1 38 ^'iirti;aka-mi mA i'isa
'Indem diese Stelle eben in jenem Zustande [des Tiefschiafes] dem
'fünffachen Pra^a ein Wachen zuschreibt, lehrt sie, dafs der Pr&na
4m Tiefschlafe die Oberhand hat. Und auch die Last, welche
'dem Bhüman in den Worten: „fürwahr der Bhüman ist die Luat'^
'(Ch&nd. 7, 28) beigelegt wird, läfst sich damit wohl vereinigen;
'denn auch die Stelle: „daselbst siebet dieser Gott keine Träume,
'„dann herrscht in diesem Leibe ganz die Lusi'f. (Prayna 4, 6),
'lehrt eben für den Zustand des Tiefschiafes das Vorherrschen der
'Lust. Femer auch die Stelle: „der Bhüman ist das Unsterbliche"
'(Ch&nd. 7| 24, 1) spricht nicht gegen den Prft^a; denn die Schrift
'sagt: „der Präna ftür^ahr ist das Unsterbliche" (vgl. Kaush. 3, 2).'
— Aber wie läfst sich mit der Auffassun|^ des Bhüman als Prftna
die Stolle in Einklang bringen : „wer den Atman kennt, ist über den
„Kummer hinaus'^ (Chand. 7,^1, 3), in welcher als Moüv des Vor-
habens das Verlangen, den Atman zu erkennen, bezeichnet wird?
*- 'Daduroh, so antworten wir, dafs hier unter dem Atman eben
'der Pr&i^ verstanden wird. Dem entspricht es, dafs die Stelle:
'„der Prai^a ist Vater, der Präna Mutter, der Präna Bruder, der
'„Prana Schwester,' der PrAna Lehrer und Brahmane" (Chand. 7, 15, 1)
'den PriLna für den Atman (die Seele) in allen Wesen erklärt, so
'wie auch, dafs es weiter heifat: „wie die Speichen eingefügt sind
'„in die Nabe, so ist alles in diesen Präna eingefügt" (Chand.
^7, '15, 1). Aus dieser Stelle von der Allbeseelung und aus dem
'Oleichnisse von den Speichen und der Nabe erkläit sich auch,
'warum dem Prftna die den Bhüman charakterisierende unermefs-
'liehe Gröfse beigelegt wird. Folglich ist der Bhüman der Prana;
'dieses ist unsere Annahme.'
Hierauf erwidern wir wie folgt. Nur der höchste Atman und
nicht der Prlli^a kann hier unter dem Bhüman verstanden werden.
237 I Warum? „Wegen der Höherstelluug über die Vollberuhigung",
Die „Vollberuhigung" (samprtisdda) bedeutet hier den Zustand des
Tiefschlafes, wie sich schon aus der Worterklärung, sofern man in die-
sem vollständig zur Ruhe kommt (samyah prasidati)^ ergiebt, sowie
auch daraus, dafs im Brihadaranyakam die VoUberuliigung (satnprd^
sdda) mit den Zuständen des Träumens und des Wachens zusammeu
erwähnt wird (Brih. 4, 3, 15). Und weil nun in diesem Zustande der
Vollberuhigung der Prana wach bleibt, darum ist hier [in den Worten
des Sütram] unter der Vollbemhigung der Prana zu verstehen,
und der Sinn der Worte ist: „weil der Bhüman höher gestellt
„wird als der Prana." Wäre nun der Prana auch wieder unter
dem Bhüman zu verstehen, so würde er höher gestellt werden als
er selbst, was widersinnig ist; denn es heifst ja nicht im VorKeri-
gen: „der Name ist gröfser als der Name", so dafs der Name
höher als er selbst gestellt würde, sondern es wird vielmehr von
dem Namen auf ein anderes [als das Gröfaere] hingewiesen, näm-
lich auf die Rede, denn es heifst: „ja, die Rede ist gröfser als
Sütram I. in. 8. 139
„der Name'% und in derselben Weine wird auch von der Rede a. s. w.
bis zum Pr4na hin das Nächstfolgende jedesmal als das Höhere
hingestellt; in eben derselben Weise aber wird der BhOunan höher
gestellt als der Fr&na, und folglich mufs er von dem Prft^a ver-
schieden sein. — 'Aber hier kommt doch nicht mehr weiter die
'Frage vor, „giebt es, o Herr, ein Gröfseres als den Prfti^a", und
'ebensowenig die Antwort, „ja, dies und das ist gröfser als der
^„Pr&na'^; wie kann man also behaupten, dafs der Bhüman höher
'gesteht werde als der Pr&^a? Auch wird ja das auf den Präna
'bezügliche Absprechersein weiterhin wieder aufgenommen, denn es
^heifst: „der aber nur ist der rechte Absprecher, welcher durch die
'„Wahrheit abspricht", so dafis | eine Höherstellung über den Prana *238
^hinaus doch überhaupt gar nicht stattfindet!* — Hierauf erwidern
wir: Bun&chst ist es nicht richtig, dafs jene Herbeiziehuug des.
Absprecherseins so geschieht, dafs dasselbe sich auf den Prai^
bezöge; vielmehr wird ein Unterschied [von dem Absprecbersein
auf Grund der Erkenntnis des Präna] hervorgehoben in den Worten
„welcher durch die Wahrheit abspricht." — 'Aber kann sich
jjiicht, auch jene Hervorhebung des Unterschiedes auf den Prana .
'beziehen? Nämlich, so wie, wenn man sagt: „der ist der rechte
'„Opferer, welcher die Wahrheit spricht", hiermit nicht gemeint
'ist, dafs jeder, welcher die Wahrheit spricht, auch ein Opferer
'sei, sondern nur dei jenige, welcher wirklich opfert, das Sprechen
'der Wahrheit aber als ein Merkmal des Opferers hervorgehoben
'wird, ebenso liegt auch in den Worten: „der aber nur ist der
'„rechte Absprecher, welcher durch die Wahrheit abspricht", nicht,
'dafs jeder, der die Wahrheit spricht, ein Absprecher sei, sondern
'nur dafs deijeuige es sei, welcher die in Rede stehende Erkennt-
'nis des Prä^a besitzt, wobei als Merkmal dessen, der den Prana
'kennt, das Sprechen der Wahrheit angegeben wird.* — Diese .
Auffassung lasten wir nicht zu, weil sie vom Schrifbsinne abweicht;
denn die Schrift fafst hier das Absprecbersein so auf, dafs dasselbe
durch das Sprechen der Wahrheit erlangt wird, indem sie erklärt,
dafs deijenige der rechte Absprecher sei, welcher durch die Wahr-
heit abspreche. Hierbei ist von der Erkenntnis des Prana gar
keine Rede. Vielmehr würde es nur um des Vorhergehenden
willen geschehen, wenn man die Erkenntnis des Präna damit in
Verbindung brächte. Dann aber würde dem Vorhergehenden zu
Liebe vom Schriftsinne abgegangen werden. Aufserdem würde
dann auch das Wörtchen „aber" nicht passen, welches ein Abgehen
von dem Vorhergehenden anzeigt; denn wenn es heilst: „der aber
„nur ist der rechte Absprecher", und weiter: „die Wahrheit aber
„mufs man somit erforschen" (Chänd. 7, 16, 1), so wird in diesen
Worten ein neuer Anlauf genommen, und dies beweist, dafs von
einer neuen Sache | die Rede sein soll. Es ist damit ähnlich, wie 239
weim es sich z. 6. um die Verherrlichung eines solchen handelt.
140 ^MriMca-miinänslL
der einen der vier Yeden kannt, und dann weiter gesagt wird;
„der aber iBt ein grofser Brahmane, welcher alle Tier Veden kennV;
hier handelt es eich nicht mehr um die Kenner eines Veda^ son-
dern um etwas Neues, namlioh um die Verherrlichung desjenigen,
welcher aUe vier Veden kennt. Auch braucht der Übergang zu
einer neuen Sache hier nicht notwendig in der Form von Frage
und Antwort stattaufinden; vielmehr kann ein solcher Übergang
zu etwas Neu^n auch dadurch bewirkt werden, dafs mit dem Vor-
hergehenden kein Zusammenhang stattfindet; so hier, wo Nftrada,
nachdem er die bei dem Präna abschliefsenden Anpreisungen an-
gehört bat, stille schweigt, und nun Sanatkumära ihn ans freien
Stücken weiter fördert. Weil nämlich das Abaprechersein durch
die Erkenntnis des PrÄna, welcher in den Bereidi dei^ Unwahrheit
der Umwandlungen gehört, kein wahres Absprechersein ist, darum
heifst es weiter: „der aber nur ist d^ rechte Abspreoher, welcher
„durch die Wahrheit abspricht«* (Chänd. 7, 16, 1). Die Wahrheit
bedeutet hier das höhere Brahmani weil es die hödiste Beaütät
ist, und weil eine andere Schrift sagt: „Wahrheit, Erkenntnis,
„Unendlichkeit ist da» Brahman«' (Taitt 2, 1). Hierdurch angeregt
sagt N&rada: „ich mödite, o Herr, durch die Wahrheit absprechen*^,
und darauf hin wird er durch eine Reihe von Mittelgliedern, wiö
Erkenntnis u. s. w., auf den Bhäman hingef&hrt. Also die Wahr*
S40 heit, welche höher steht als der Pr&^a, | und deren Mitteilung
hier verheifsen wird, diese eben liegt in dem Bhüman; dieses er^
giebt sich als der Sinn der Schrift. Der Bhäman wird somit
höher gestellt als der Pr&i^a, ist folglich von ihm verschieden und
mufs als der höchste Atman aufgefafst werden. Hierzu stimmt es
auch, dafs zu Anfang als Motiv des Vorhabens der Wunsch aa«
(gegeben wurde, den Atman zu erkennen. Dafs hierbei unter dem
Ätmao der PriLna zu verstehen sei [wie p. 236, 11 behauptet
wurde], l&fst sich nicht annehmen; denn der Pr&na ist nicht der
Atman im eigentlichen Sinne. Hierzu kommt, dafs das Aufhören
des Kummers nicht anders aIs durch die Erkenntnis des höchsten
Atihan möglich ist; denn eine andere Schriftstelle sagt: „es ist
„kein anderer Weg zum GFehen** (Qvet. 6, 16). Es hiels aber zu
Eingang unserer Stelle: ^fOhte du mich, o Herr, hinaus über den
„Kummer*' (Ch&nd. 7, 1, 8), und zum Sdilusse heifst es: „sq zeigte
„ihm, dessen Verdunkelung gewichen war, da« Ufer jenseits der
„Finsternis der heilige Sanatkumara*' (Gh&nd. 7, 26, 2). Unter
der Finsternis ist hier das Nichtwissen zu verstehen, welches die
Ursache des Kummers u. s. w. ist. Wftre hingegen der Pt&^B der
letzte Zweck der Anpreisung, so könnte ferner auch nicht die
Abhängigkeit des Pr^a von einem andern hervorgehoben w^den;
nun aber sagt das Brähmanam (Ch&nd. 7i 26, 1): „von dem Atman
„rührt her der Pr&^a." Wollte endlich jemand behaupten, data
zwar am Schlüsse des Abschnittes der höchste Atman gemeint sein
Sfttram L ni. 8. 141
möge, dafa aber unter dem Bhümao nooh der Frftna verstatiden
werden müsse, so ist das nicht zuzugeben, weil von den Worten
an: „aber worauf gründet denn er sich, o Herr? — Er gründet
„sich auf seine eigne Majest&i*^ (Ghftnd. 7, 24, 1) bis zum Ende
des Abschnittes immerfort nur von dem Bhüman die Rede ist.
Auch was die {von dem Gegner p. 236, 16 für den Pr&na geltend
gemachte] unermefslicfae Gröise der dem Bhüman beigelegten Ge-
stalt betrifii, so pafst dieselbe noch viel besser auf den höchsten
Atman, sofern dieser die Ursache von allem ist.
9. dkarma-upapatfeg ca 24 1
auch wegen des Zutreffens der QualitäteD.
Hierzu kommt, dals auch die dem Bhüman zugeschriebenen
Qualitäten auf den höchsten Ätman zutreifen; denn wenn es heilst:
wenn einer kein anderes sieht, kein anderes hört, kein anderes
erkennt, das ist der Bhüman** (Gh&nd. 7, 24, 1), so wird hier von
dem Bhüman ein Aufhören der Th&tigkeiten des Sehens u. s. w.
gelehrt, und dieses Aufhören der Thätigkeiten des Sehens u. s. w.
ist bekanntlich ein Merkmal des höchsten Ätman, sofern eine an-
dere Schriftstelle aagt: „wo aber einem alles zum eignen Selbste
,,geworden ist, wie sollte er da irgend wen sehen '^ u. s. w. (Brih.
4, 6, 15). Und auch was jenes [aus Pra^na 4, 2 — 3 geltend
gemachte] Aufhören der Th&tigkeiten des Sehens u. s. w. im Zu-
stande des Tiefschlafes betrifft, so ist auch dies nur bestimmt, die
Unberührbarkeit des Atman [von den Eindrücken der Sinnenwelt],
nicht aber die Wesenheit des Fr&na zu schildern, da an der be-
treffenden Stelle [vgl. Pra^^. 4, 7] von dem höchsten Atman die
Rede ist. Und auch die Lust, welche als in diesem Zustande
herrschend ^bezeichnet wurde, soll nur dienen um zu lehren, dafs
eben der Atman seinem Wesen nach Lust ist; denn die Schrift
sagt [von der Wonne des Brahman]: „dieses ist seine höchste
„Wonne; durch ein kleines Teilchen nur dieser Wonne haben ihr
,^Leben die andern Kreaturen" (Brih. 4,3, 32); und so hoifst es
auch an unserer Stelle „die Unbeschränktheit (hhuman), das ist
„die Lust; in der Beschränktheit ist keine Lust; darum ist die
„Unbeschränktheit die Lust*^ (Chand. 7, 23, 1); wenn liior die
mangelhafte (sämapa) Lust [der Beschränktheit] ausgeschlossen
wird, so beweist dies, dafs der als Lust aufgefafste Bhüman das
Brahman ist. Auch die Erwähnung der Unsterblichkeit in den
Worten „die Unbeschränktheit ist das Unsterbliche" (Chänd. 7, 24, 1)
weist auf die höchste Ursache hin, indem die Unsterblichkeit alles
Erschaffenen nur eine relative ist, wie denn auch eine andere
Schriftstelle sagt: „was von ihm verschieden, das ist leidvoll"
142 Qlliriraka-mtinaits&
(Brih. 3, 4, 2). Ebenso steht es mit den übrigen Qualitäten, dafs
er die Wahrheit ist, dafs er auf seine eigene Migestät sich grün-
det, dafs er allgegenwärtig und die Seele von allem ist; alle diese
342 I dem Bhüman Ton^der Schrift beigelegten Qualitäten passen nur
auf den höchsten Atman und auf nichts anderes. Somit ist be-
wiesen, dafs der Bhüman den höchsten Ätman bedeutet. -
Drittes Adkikaranam.
10. aksharam, ambara-anta-dkriteh
das Unvergängliche, wegen der Befassung bis zum
Äther hin.
Es heifst: „aber worin ist denn der Äther eingewoben und
„angewoben? — Er antwortete: es ist das, o Gärgi, was die
„Brahmanen das Unrergängliche (aksharam) nennen; es ist nicht
„grob und nicht fein*^ u. s. w. (Bph. 3, 8, 7 — 8). Hier erhebt
sich die Frage, ob unter dem „unvergänglichen" (olksharam) der
Buchstabe [welcher, als das nicht weiter auflösliche Urelement der
Rede, Ton den Indem aksharam genannt wird] oder aber der
höchste Gott zu vei*stehen ist.
Man könnte denken: 'da in Ausdrücken wie akst^ara-samä--
^vmaya (Buchstabenverzelchnis, Alphabet) das Wort ak^haram für
SjBuchstabe" gebräuchlich, und von dem Gebräuchlichen abzuwei-
'chen nicht ziemlich ist, da ferner auch in andern Schriftstellen,
'wie : „dieses Weltall ist nur der Laut Om" (Chänd. 2 , 23, 4) die
'[drei in Om enthaltenen] Buchstaben zum Zwecke ihrer Ver-
mehrung für die Seele des Weltganzen erklärt werden, so sei auch
'an unserer Stelle unter dem aksharam nur der Buchstabe zu rer-
'stehen.'
Auf diese Annahme ist zu erwidern, dafs das Wort aksharam
hier nur den höchsten Atman bedeuten kann; warum: „wegen der
„Befassung bis zum Äther hin", d. h. weil er alles durch Um-
wandlung Entstandene von der Erde an bis zum Äther hin in
sich befafst. Nämlich die Gesamtheit alles Umgewandelten, Erde
u. 8. w. , wie es durch die Dreiheit der Zeiten [Vergangenheit,
Gegenwart, Zukunft] sich verteilt, wird durch die Worte: „das
„ist angewoben und eingewoben in dem Äther" (Brih. 3, 8, 7) als
in dem Äther gegründet nachgewiesen ; und auf die weitere Frage :
„aber worin ist denn der Äther eingewoben und angewobeh?^'
243 wird zur Antwort auf jenes | Unvergängliche (aksharam) hinge-
Sütrani L m. 10. 143
wiesen; und ebenso heilst es ^um Beschlüsse: „fürwahr in diesem
„Unv4^r<?änglichen ist der Äther einj^ewobon und ungewoben, oGTirgl"
(Brih. liy 8, 11). Diese „Befnssung alles Seienden bis zum Äther hin"
kann von keinem andern als von Brahman ausgesagt werden, und
auch wenn es (Chand. 2/ 23, 4) heifst: „dieses Weltall ist nur der
„Laut OiM*S so wird auch hier der Laut Om als ein Mittel der
ßrlangung des Brahman der Anpreisung halber erwähnt. Darum,
und weil in dem Worte akshnram liegt, dafs es nicht vergeht
(na ksharati)y und dafs es durchdringt (acnute), also wegen der
Ewigkeit und der Alldurchdringung, bedeutet aksharam das höhere
Brahman.
*Das mag ja sein', könnte man einwenden, *aber wenn die Bo-
'fassung voll allem bis zum Äther hin als die Abhängigkeit alles
'Gewordenen von seiner Ursache verstanden wird, dann kann diese
^Befassung von allem bis zum Äther hin auch von denen geltend
^gemacht werden, welche die Urmaterie für die Weltursache halten;
'mit welchem Rechte also findet man in dieser Befassung eine
'Darlegung des Brahman?^ — Darauf dient zur Antwort:
11. sä ca praQasanM
und eine solche, wegen des Geheifses.
„Und eine solche^' d. h. ein Werk des höchsten Gottes ist die
Befassung von allem bis zum Äther hin „wegen des Geheifses";
denn von einem Geheifse ist hier die Rede, wenn es heifst: „auf
„dieses Unvergäiiglichou Oeheifs, o Gargi, stehen auseinanderge-
„halten Sonne und Mond" u. s. w. (Brih. 3 , 8, 9). Dieses Geheifs
kann nur eine Wirkung des höchsten Gottes, nicht aber eines
Ungeistigen sein. Denn ungeistigen Dingen, welche, wie z. B. der
Tbon, die Ursache der Gefäfse u. s. w. sind, kommt ein auf die
Gefäfse u. s. w. bezügliches Befehlen nicht zu.
12. anya-bhava-vjfävritteQ ca 244
auch wegen der Ausschliefsung anderer Möglichkeit,
„Auch wegen der Ausschliefsung anderer Möglichkeit", — auch
aus diesem Grunde mufs man unter dem Worte dksharam das
Brahman verstehen, so dafs die Befassung von allem bis zum
Äther hin seih Werk und nicht das eines andern ist. Aber was
heifst das: „wegen der Ausschliefsung anderer Möglichkeit?" —
f^Andere Möglichkeit" ist die Möglichkeit eines andern; die Aus-
schliefsung einer solchen ist die „Ausschliefsung anderer Möglichkeit."
^^Ti
144 C^r'^^^^'^^i^^^sü
Das heifst mit andern Worten: das anderej von Brahman Verschie-
dene, welches man hier als unter dem Worte ak^iaram zu verstehen
mutmafsen könnte, dessen Möglichkeit schliefst die Schrift selbst von
diesem alles bis zom Äther hin befassenden Uiivergänglichem aus,
wenn sie sagt: „wahrlich dieses Unvergängliche, o Gärgi, ist sehend
„nicht gesehen, hörend nicht gehört, denkend nicht gedacht, erken-
y,nend nicbt erkannt" (Bnh. 3, 8, 11); hier würden die Bezeichnung
gen als „nicht gesehen" u. s. w. auch auf die Urmaterie passen, hin-
gegen die Bezeichnungen als ),8ehend" u. s. w. passen nicht auf sie,
wegen ihrer Ungeistigkeit. Und wenn es ebendaselbst weiter heilst:
„nicht giebt es anfser ihm ein Sehendes, nicht giebt es aufser ihm
„ein Hörendes, nicht giebt es aufser ihm ein Denkendes, nicht
„giebt es aufser ihm ein Erkennendes*' (Brih. 3, 8, 11), so darf
man, wegen der in^ dieser Stelle vorliegenden Bestreitung einer
Yielheitlichkeit des Ätman, unter dem Worte ahiharam auch nicht
die mit den Up&dhi*s behaftete verkörperte Seele verstehen, da
durch die [vorhergehenden] Worte: „es ist ohne Auge, ohne (Hu*,
„ohne Rede, ohne Manas" • (Brih. 3, 8, 8) jede Behaftung mit
Up&dhi*s [von dem hohem Brahman] ausgeschlossen wird. Ohne
solche Up&dhi's aber kann es gar keine verkörperte Seele geben.
Darum ist [nicht sie, sondern] nur das höchste Brahman luiter
dem „Unvergänglichen" 'zu verstehen; das ist gewifs.
Viertes Adhikaranam.
S45 13. iksh(Ui'Jcarma'Vyapade(ät sah
weil als Werk (Objekt) des Schauens bezeichnet, er.
„Fürwahr, o Satyak&ma, der Laut Om ist das höhere und das
„niedere Brahman. Darum . erlangt der Wissende, | wenn er sich
„auf denselben stützt, das eine oder das andere" (Pra^na 6, 2).
Im Verlaufe dieser Stelle heifst es: „wenn er hingegen durch alle
„drei Elemente des Lautes Otn den höchsten Geist meditiert^ u. s. w.
(Pra^na 5, 5). Hier entsteht die Frage, ob in dieser Stelle von
einer Meditation des höhern oder des niedem Brahman die Bede
ist, indem ja nach den Eingangsworten der Wissende, wenn er
sich auf den Laut Om stützt^ ^von dem hohem und niedem [Brah-
man] das eine oder das ändert erlangt.
Angenommen also, 'es sei hier von dem niedem Brahman die
^Rede; warum? weil in den Worten „nachdem er in das Licht, in
'„die Soime eingegangen" und „von den Säman-hiedem wird er
do'tnim I. in. 18. 145
/,»0mporge£ahrt aar Bralunanwelt^' (Pragna 5, 6) demjenigen, der
'solebeg weifs, eine räumlich begrenzte Belohnung yerheifsen wird.
*Denn wer das höhere Brahman erkannt hat, der kann nicht eine
^ftnmlich hegrenste Belohnung erlangen, weil das höhere Brahman
'allgi^^nwftrtig ist. Man darf nicht einwenden, dafa hei der Auf-
^faseuttg als das niedere Brahman die Bezeichnung, dala er „den
^„höchsten Geiat^' meditiere, nicht paese, indem, im Vergleich mit.
4em I^eihe, der Pr&na [d. h. das niedere Brahman als Prinoip des
individuellen Lebens] als das Höhere besseichnet werden kann/
Auf diese Einwendung antworten wir, dafs es nur das höhere
Brahman sein kann, welches hier zur Meditation empfohlen wird;
warum? „weil er als Werk (Objekt) des Schauens be2eichnet [
„wird/' Das Schauen bedeutet ein Sehen, da der Begriff des 24G
Schauens unter dem ^[allgemeineren] des Sehens befafst (daixana*
^äpyam) wird. Der hier aur Meditation empfohlene Geist wird)
nämlich im weiteren Verlaufe als ein Objekt der Thätigkeit des
Schauens bezeichnet, denn es heifst (Pra^na 5, Ö): ;,dann schaut er
„ihn, der höher ist als dieser höchste Komplex des Lebens, den
„in der Burg [des Leibes] wohnenden Geist (purü^ayonn purusham).^*
Die Th&tigkeit des Meditierens könnte sich auch auf ein Objekt
beziehen, welches in Wirklichkeit nicht so ist, indem man auch
einen Gegenstand des blofsen Wunsches meditieren kann; die
Th&tigkeit des Schauens hingegen mufs als Objekt einen Gegen-
stand haben, Welche^ wirklich in der Erfahrung ebenso vorhanden
ist; darum kann nur der höchste Atman, weil nur er der Gegen*
stand der vollkommenen Erkenntnis ist, hier, unter dem Objekte
der Thfitigkeit des Schauens verstanden werden. Und eben der-
selbe ist anzuerkennen als deijenige, welcher vorher mit den Worten
„der höchste Geisf als Gegenstand der Meditation bezoichnet
wird. — *Aber bei der Meditation hiefs es doch „ der höchste
S,€ki8t*^, und bei dem Schauen heifst es „höher als der höchste";
Vie kann also hier der 'nämliche an beiden Stellen verstanden
^werden?* — Wir antworten: zunächst sind die Worte: „der höchste^'
und „Geist" an beiden Stellen gemeinsam, und unter dem „Kom-
plexe des Lebens^' ist nicht etwa der vorher erwähnte, zu medi-
tierende Geist zu verstehen, so dafs der zu schauende Geist noch
hoher als dieser höchste, und ein anderer wäre. — ^Aber was ist
denn der „Komplex des Lebens*'?* — Wir antworten: „Komplex^''
bedeutet eine Kompaktheit, welche, auf das Leben bezogen, ein.
,;Komplex des Lebens" heilst, | der so atts Leben besteht wie der 247
Salzklumpen aus Salz; nämlich deijenige Zustand des höchsten
Atman, in welchem er, zufolge der Upädhi's, als die' solidarische
Gesamtheit der individuellen Seelen [d. h. alu H%ranyagarhha\ er-
sdieint, und welcher höher steht als die Siimendinge und Sinnes-
organe, dieser ist hier unter dem {^Komplexe des Lebens" zu ver>
stehen. — Andere Meinung: es heifst onmittelbar vorher: „von
, V^däBtft. 10
248
146 C^^i'^^-iA^inUlsIt
„den S&miui-Liedeni wird er emporgefährt zur Brahmanwclt*'; diese
Braliinanwelt wird, weil sie höher steht als die anderen Welten,
hier der „Komplex des Lebens" genannt. Weil nämlich alle Le-
benden (indiridtiellen Seelen^, wie sie mit den Organen umhüllt sind,
in dem aUe Oi^ane beseelenden und die Brahmanwelt bewohnenden
Hiranyagarhha su einem Aggregate vereinigt sind, darum heifst
die Brahmanwelt der „Komplex des Lebens". — Der noch höher
als dieser Komplex stehende höohste Ätman, welcher das Objekt
des Schauens bildet, dieser ist konsequenterweise auch schon als
das Objekt, um das es sich bei dem Meditieren handelt, anzu-
nehmen. Auch pafst die [schon beim Meditieren yorkommende]
Bezeichnung als der „höchste Geist" nur dann, wenn man sie auf
den höchsten^ Atmau bezieht; denn der „höchste Geist" ist eben
der 'höchste Atman, „höher als der kein andVes ist vorhanden"
(vgL Qvet. 3, 9); ¥rie auch eine andere Schriftstelle sagt (K&^h. 3, 11):
„Über den Geist ist nichts erhaben,
„Er ist Endziel und höchster. Gang."
Denn wenn zu Anfang der Laut Om auf Grund seiner Zerlegung
in die drei Buchstaben o-ff-m] für das höhere und niedere Brah-
man erklärt, sodann aber, als der Gegenstand, welcher durch den
[ungeteilten] Laut Om zu meditieren sei, der „höchste Geist" be-
zeichnet wurde, so folgt hieraus, dafs mau unter dem höchsten
Geiste das höhere Brahman zu verstehen hat. Femer auch wenn
es heifst: „gleich wie ein BauchfÜfsler (Schlange) von seiner Haut,
„also wird selbiger befreit von dem Übel" (Pra^na 5, 5), so be-
weisen diese Worte, indem sie als Lohn eine Befreiung von dem
Übel verheifsen, dafs es sich hier um die Meditatjion des höchsten
Atman handelt. Wenn endlich behauptet wurde, dafs für die
Meditation des höchsten Atman eine räumlich begrenzte Belohnung
nicht angemessen sei, so entgegnen wir, dafs allerdings für den-
jenigen, welcher den höchsten Atman meditiert, indem er sich
dabei auf den dreiteiligen Laut Om stützt, als Frucht die Er-
langung der Brahmanwelt und, durch sie als Zwischenstufe, die
vollkommene Erkenntnis (Mtnyog-dari^anam) erreicht wird, so dafs
wir hier eine Hinweisung auf die Stufenerlösung (kramamukti)
anzunehmen haben, daher der Einwand unbegründet ist. [Doch
nicht so ganz; da nach dem System eben diese Stufenerlösung die
Frucht der Meditation des niedern Brahman ist, während die des
höhern unmittelbar zur Erlösung führt.]
S&tram t. m. l4 141
Fünftes Adkikaranam.
14. dahara\ uttarebhyah ^^
der kleine [Baum], wegen des Folgenden.
Die Schrift sagt: „bier in dieser Brahmansiadt [dem Leibe]
„ist ein Haue, eine kleine Lotosblume [das Herz]; inwendig darin-
,,nen ist ein kleiner Raum (Äther); was in dem ist, das soll man
„erforschen, das wahrlich soll man suchen zu erkennen*^ u. s, w.
(Gh&nd. 8, 1, 1). Hier fragt es sich, ob der kleine Raum (Äther)
in der kleinen Lotosblume des Herzens das Element des Äthers
bedeutet oder die individuelle Seele oder die höchste Seele? Woher
diese Frage? Wegen der Worte: „Raum** (älcä^a) und „Brahman-
„stadt'S Das Wort äkäQa (Raum, Äther) wird nämlich in der
Schrift sowohl von dem Elemente des Äthers als auch von- dem
höchsten Brahman gebraucht; daher es sich fragt, ob der „kleine
„[Raum]^* das Element des Äthers oder der Allerhöchste ist. Ebenso
fragt es sich bei dem Worte „Brahmanstadt^S ob hier mit dem
Namen „Brahman" die individuelle Seele bezeichnet wird, so dafs
der Leib als ihre Stadt die „ Brahmanstadt " heifst, oder ob die
Brahmanstadt die Stadt des liöchsten Brahman selbst bedeutet;
daher der Zweifel sich erhebt, ob es der individuelle oder der
höchste Atman sei, welchem, sei es dem einen oder dem andern,
als dem Herrn der Stadt, der Besitz des „kleinen Raumes" zuzu-
sprechen ist.
Angenommen also, ^weil das Wort äkd^a gewöhnlich das Ele-
*ment des Äthers (Raumes) bezeichnet, der „kleine" bedeute hier
*das Ätherelement; diesem würde im Hinblick auf den kleinen
^Bezirk desselben [im Herzen] jene | „Kleinlieit" beigelegt werden; -260
4n der Stelle: „wahrlich so grofs dieser Weltraum ist, so grofs
S,ist dieser Raum inwendig im Herzen" (Chänd. 8, 1, 2), hätten
^wir auf Grund der Unterscheidung seines Vorhandenseins in der
^Aufsenwelt und im Innern eine Gegenüberstellung beider als Muf»-
^stab und Gemessenes; und die weitere Behauptung, dafo Hinunel
'und Erde inwendig in [jenem kleinen Räume] beschlossen seien
^(Chand. 8, 1, 3), wäre dahin zu verätehen, dafs der Raum [im
'Herzen mit dem Welträume] vermöge seiner Natur als die Mög-
*lichkeit des Erfulltwerdens (avakäga-ätnianä) eine Einlieit bilde.
' — Oder auch man könnte annehmen, der „kloine [Raum]" sei,
^weil er als die „Brahmanstadt" bezeichnet wird, die individuelle
'Seele; denn der Leib könnte die Brahmanstadt lieifsen als die
'Stadt der individuellen Seele, sofern er von dieser durch ihre
'eignen Werke fin einem früheren Dasein] erworben worden ist;
'dals er aU die Stadt des Brahman bezeichnet würde, müfsto bild-
10*
r%:t
148 giiriraka-iDtiiilUUik
'lieh ventandeti werden; denn f^iiich hat das höchste Brahman
^zü dem Leihe nicht die Beziehong eines Besitzers zu dem Besits-
*htme, Dae Yenreilen des Besitzers der Stadt an einem einaelnen
*Orte derselben geach&he so wie bei einem Könige [der aaeb nur
'an einer bestimmten Stelle seines Beiches residiert]. Da nAtpHch
^die individuelle Seele m ihrem Up&dhi das Hanas hat, das Uanas
'aber seinen Sitz vorwi^end im Herren hat, so konnte auch von
*der indiTidttellen Seele gesagt werden^ dafs sie inwendig im Herzen
Srohne. Die ihr beigelegte ,,Kleinh0il'' würde dazu stimmen^ dafs
'sie {Qvet. 6, 8) „eine Nadelspitze groXIs'* genannt wird> und ihre
'Oteichsetznng; mit dem Welträume wiederum erklärt sich aus der
'Absicht, ihre Identität mit Brahman cu betonen. Übrigens ist
'auch gar keine Rede davon, dafs man den kleinen Raum er*
forschen und zu erkennen suchen solle , sondern dieser wird nur
'vorgenommen, um das, „was darinnen ist", wie es heifst, mithin
'ein von ihm selbst Verschiedenes näher su bestimmen.'
2^1 Hierauf | geben wir zur Antwort, dafe unter dem ,,kleinen
f^Raume" nur der höchste Gott verstanden werden kann und nicht
das Element des Äthers oder die individuelle Seele. Warum?
„wegeo des Folgenden", d. h. wegen der aus dem weiteren Fort-
gange der Stelle sich ergebenden Gründe. Denn nachdem der
kleine Raum als zn betrai^ten angegeben worden, und es sodann
weiter hieis; „wenn sie zu ihm sagen, ... was ist denn dort, daa
i,man erforschen soU^ das man soll suchen zu erkennen", so folgt
auf diesen Einspruch die Begleidmqg in den Worten: „dann soll
,yer sagen* wahrlich so gvofs dieser Weltraum ist, so grofs ist
^dieser Raum inwendig im Herzen; in ihm sind beide, der Himmel
•,und die Erde beschlossen" u. s. w. ;(Chltnd. 8, 1, 2 — 3). Wenn
hier die Schrift yen dorn Baume, welcher um der Kleinheit der
Lotosblume willen selbst klein erschien, diese Kleinlieit durch
Gloichsetziuig m.it dem allgemeinen Räume abwehrt, so folgt daräuB^
dafs sie zugleich die Vorstellung, als sei der kleine Raum der ele-
mentare Raum (Äther), abwehrt. /Denn wennschon das Wort dkäga
(Äther, Raum) ursprunglich den . elementaren Raum (Äther) bedeu-
tet, so geht es doch nicht an, dafs dieser [in obigen Worten] sich
selbst gleichgesetzt werde; daher der Gedanke an das Element des
Baumes (Äthers) ausgeschlossen wird. — ^ Aber wir sagten Aoch.
schon, dafs der Raum, obwohl er einer sei, doch auf Grund der
in ihm angenommenen Unterscheidung des Äuisern ,und des Innern
252 .'als Mafsstab und Gemessenes | einander entgegengestellt werden
*könne!' — So geht es ni^ht! Denn das ist kein zulässiger Aus-
iBireg. dafs man sich auf eine blofs pcünatHch] angenommene Ver-
sohiedenheit beruft. Ab^ selbst wenn man auf Grund einer Beli-
ehen blofs angenommenen Verschiedenh^t den Gegensatz des
Mafsfitabes und des Gemessenen sich ausmalt, so ergiebt sich, dafs
der Innenraum, weil er begrenzt ist, nicht den Aufsenraom als
SiUram I. ui. 14. 1^
Mafs haben kamt. — 'Aber auch- wenn man e» von dem hdchsteii
^Goite Torsteht, so kann, weil eine andere Schriftstelle von diesem
'sagt, er sei.^ygrdfser als der Rauni'''(Qatap. br. lO, 6, 3, 2), der
'Riuim doch auch nicht als Mafs diMien!* -:- Dieser Einwand ist
nicht triftig; denn unsere Schhftstelle will nur die infolge der
Umkleidung mit der Lotosblume sich ergebende Kleinheit von
Gott abwehren, nicht aber «von ihm l^ren, dafs er so oder so
grofs sei. Wollte sie beides zugleich hier lehren, so wurde die
Stelle ihre Einheit einbüTsen. Auch könnte nicht, bei der ange-
nommenen Unterscheidung [von Aufsentanm und Innenraum] gesagt
werden, dafia in der von der Lotosblume umschlossenen einaelnen
Stelle des Weltraumes Himmel und Erde^ beschlosBeD seien. End-
lich auch, wenn es hei/st: „das ist der Ätman, der sfindlose, frei
„vom Alter, frei vom Tod und frei vom Leiden, ohne Hunger und
„ohne Durst; sein Wünschen ist wahrhaft, wahrhaft sein RatschlaÜB**
(Chlknd. 8, 1, 5), so können die hier erwähnten Eigenschaft^en des
Atmauseins, der Sündlosigkeit u. s. w. dem Elemente des Baumes
unmöglich zukommen. Und wenn anderseits auch das Wort Atmao
auf die individuelld Seele passen würde, so bleibt doch der Ge-
danke an die individuelle Seele | um der andern Gründe willen 25^;
ausgeschlossen; denn von der durch die Upftdhi^s eingeschränkten,
der Gröfse einer Nadelspitze gleichgesetzten, individuellen Seele
Iftfst sich die durch die Umkleidung mit der Lotosblume bedingte
Kleinheit nicht [wie in unserer Stelle geschieht] aufheben. Meint
ihr, die Allgegenwart werde der individuellen Seele beigelegt, um
ihre Identit&t mit Brahman anzuzeigen, so wollen wir doch lieber
sagen, dafs dasjenige, durch Identität mit welchem die Allgegen-
wart der individuelle^ Seele angezeigt werden soll, nämlich dafs
das Brahman geradezu hier ab das allgegenwärtig;e u. s. w. be-
zeichnet werde. Wenn weiter behauptet wurde, dafs, wenn es
heifse: „die Brahmanstadt^S die bildliche Bezeichnung als Stadt
.durch die individuelle Seele veranlafst sei, und dafs es somit die
individuelle Seele sein müsse, welcher wie einem Könige, als dem
Herrn dieser Stadt, der Aufenthalt an einer einzelnen Stelle der-
selben zugeschrieben werde, so erwidern wir darauf, dafs hier der
Leib, weil er wirklich eine Stadt des höchsten Brahman ist, ab
die „Brahmanstadt*^ bezeichnet wird, indem das Wort „Brahman'^
im eigentlichen Sinne zu nehmen ist; nämlich auch Brahman ist
mit dieser Stadt verbunden, sofern sie die Stätte . seiner Wahr-
nehmbarkeit ist; denn die Schrift sagt: „dann schaut er ihn, der
„höher ist als dieser höchste Komplex des Lebens, den in der
„Burg [des Leibes] wohnenden Geist*' (Pragna 5, 6)> und: „das
^^Bt fürwahr jener Purusha (Geist), welcher in allon Burgen (pünfku)
„als Burgbewohner weilt'' (Brih. 2, 5, 18). Oder auch , die Stadt
gehört der individuellen Seele, und das Brahman wird als in die-
ser Stadt gegenwärtig erkannt; ähnlich wie wenn man sagt, dafs
150 (^iLrlrAka-mlm&nslk
254 I Yighnu in dem (^MagrämO'Steme gegenw&rtig sei; Hierzu kommt,
dafs es weiter in unserer Stelle heifst: „und gleichwie hienieden
„der Genufs, den man durch die Arbeit erworben^ dahinschwindet,
„Ro schwindet auch im Jenseits der durch die guten Werke er*
„worbene GenuTs dahin**, und nachdem hiermit ausgesprochen, dafs
die Frucht der Werke eine endliche sei, so heifst es weiter: n^er
„aber von hinnen scheidet, nachdem er die 'Seele (äiman) erkannt
„hat und jene wahrhaften Wünsche, dem wird zu Teil in allen
„Welten ein Leben in Freiheit"; hier wird gesagt, dafs die Frucht
der Erkenntnis des in Rede stehenden kleinen Raumes eine un-
endliche sei, und dies beweist, dafs der höchste Ätman darunter
zu verstehen ist. Wenn aber endlich noch behauptet wurde, dafs
der kleine Raum gar nicht das lU Suchende und zu Erforschende
sei, dafs derselbe vielmehr nur erwfthnt werde, um ein anderes
[nämlich das, was in ihm sei] n&her zu bestimmen, so antworten
wir: handelte es sich nicht um die Erforschung des Raumes selbst,
so Vürde nicht mit den Worten „wahrlich so grofs dieser Welt-
„raum ist, so grofs ist dieser Raum inwendig im Herzen'* u. u. w»
noch eine besondere Auseinandersetzung über die Natur des Rau-
mes beigefugt werden. — *Aber dient nicht vielleicht auch diese
'Auseinandersetzung nur, um auf das Vorhandensein der inwendig
• 4n dem Räume befindlichen Dinge hinzuweisen? Denn es heifst
*ja: „wenn man zu ihm sagt: hier in dieser Brahmanstadt ist ein
*,.Hau8, eine kleine Lotosblume; inwendig darinnen ist ein kleimsr
*„Raum; was ist denn dort [in dem Räume], was man erforschen
*„8oll, was man soll suchen zu erkennen?** — uhd um die hier
'aufgeworfene Frage zu beantworten wird, nach erfolgter Gleich-
'setzung mit dem Welträume, dargelegt, dafs Himmel und Erde u. s. w.
*in dem kleinen Räume beschlossen seien [woraus folgt, dafs es
*sich nicht um den Baum, sondern um dessen Inhalt handelt].' —
255 Aber dem ist nicht so; denn wäre dem so, | so würde dasjenige als
das zu Erforschende und zu Erkennende angegeben werden, was, wie
z. B. der Himmel und die Erde, inwendig in dem Räume beschlossen
ist; dem entspricht aber nicht das Folgende, wo es heifst: „in ihm
„sind beschlossen die Wünsche, er ist der Atman der sündlose**
(Ch&nd. 8, 1, 5); hier wird jener in Rede stehende, Himmel und Erde
als Inhalt in sich befassende Raum [selbst, nicht blofs sdn Inhalt]
wieder herangezogen, und sodann heifst es : „wer aber von hinnen
„scheidet, nachdem er die Seele erkannt hat und jene wahrhaften
„Wünsche** (Ch&nd. 8, 1, 6); diese Fortsetzung beweist, wie sich
aus dem eine Zusammenfassung anzeigenden Wörtchen „und** er-
giebt, dafs es sich sowohl um eine Erkenntnis des die Wünsche
befassenden Ätman als auch um die der von ihm befafsten Wünsche
handelt; und hieraus folgt, dafs auch schon im Anfange der Stelle
dazu aufgefordert wird, ebenso wohl den in der Lotosblume des
Herzens befindlichen kleinen Raum wie die inwendig in ihm be-
i
Sütram I. iii. 14. 151
echloBscnen waliren Wünsche, den Himmel und die Erde u. s. w.,
zu erkennen. Es isi also dieser Raum, welcher, aus den ausge-
führten Gründen, als der höchste Gott aufzufassen ist.
15. gati'Qobdäbhyämy tathä hi drishtam, Ungan ca
wegen des Q ehens und des Wortes ; denn dafs dem so,
ist ersichtlich, und dies ein Anzeichen.
Es war gesagt worden, dafs der kleine Raum wegen der im
Folgenden liegenden Gründe der höchste Gott sein müsse. Diese
Gründe sollen jetzt im Einzelnen dargelegt werden. Und zwar
mufs der kleine Raum darum der höchste Gott sein, weil im Ver-
laufe der Stelle „das Gehen und das Wort** vorkommen, welche
auf den höchsten Gott hinweisen. | Denn erstens heifst es : „ehenso 256
„finden alle Kreaturen diese Brahmanwelt nicht, ohwohl sie tag-
„taglich [im tiefen Schlafe] in sie eingehen'^ (Chand. 8, 3, 2). Wenn
hier von dem in Rede steheAden und als die Brahmanwelt be-
zeichneten kleinen Räume gelehrt wird, dafs die unter den Krea-
turen zu yerstehenden individuellen Seelen in denselben eingehen,
80 beweist dies, dafs der kleine Raum, das Brahman ist. Denn
„dafs dem so ist", dafs die individuellen . Seelen tagtäglich im Zu-
stande des' Tiefschlafes in das Birahman eingehen, „ist ersichtlich"
aus einer andern Schriftstelle (Gh^nd. 6, 8. t), wo es heifst: „als-
„dann ist er, o Teurer, eingegangen in das Seiende«" Auch sagt ,
man ja im Gebrauche des gewöhnlichen Lebens von einem tief
Schlafenden „er ist Brahman geworden" oder „er ist zu dem
„Brahmansein eingegangen". Zweitens aber beweist auch „das.
„Wort", nämlich das Wort „Brahmanwelt" in seiner Anwendung
auf den in Rede stehenden kleinen Raum, indem es den Gedanken
an die individuelle Seele und das Ätherelement ausschliefst, dafs
derselbe das Brahman bedeutet. — ^Aber kann das Wort „Brah-
S,manwelt" nicht auch die Welt des Kamaläsana [des persönlich
^gedachten Drahm4n] bedeuten?^ — Allerdings, wenn das Compo-
situm als ein Compositum im Genitivverhältnis aufgefafst und auf-
gelöst wird als „die Welt des Brahman". Löst man es aber so
auf, dafs di^ beiden Glieder coordiniert sind, so dafs die Brahman-
welt „Brahman als Welt" bedeutet, so kann es nur auf das höchste
Brahman sich beziehen. Und eben jenes [aus Chand. 6, 8, 1] „er- .
„sichtliche" tagtägliche Eingehen in die Brahmanwelt | ist „ein An- 257
„zeichen" dafür, dafs man [auch an unserer Stelle, Ch4nd. 8, 3, 2] den
Ausdruck „Brahmanwelt" im Sinne der Coordination [der beiden in
ihm enthaltenen Begriffe] zu fassen hat. Denn dafs die Kreaturen
tagtäglich in die, Sattfaloka genannte, Himmelswelt des erschaffenen
[niedern] Brahman eingingen, daran ist doch nicht zu denken.
/
152 C&rlrakft-mimftnai
16. dhriteg ca^ mähimno ^sya asmin upalabdheh
auch wegen des Haltens, weil von ihm solche Gröfse
bezeugt.
,,Anoh wegen ded Haltens" ma|s der kleine Banm der höchste
Gott sein. Nämlich, nachdem nach den Worten ,, inwendig darin-
„nen ist ein kleiner Raum" und nach YorausBchicknng der Gleieh-
setznng desselben mit dem Welträume das Beschlossensein des
Weitganzen in dem kleinen Räume sowie die Bestimmung desselben
dufch das Wort ^tman" und durch die Eigenschaften der Sund-
losigkeit u. 8. w. vorhergegangen, so heilst es von eben diesem
kleinen Räume, und ohne dafs der Gegenstand der Betrachtung
gewechselt hätte: „der Ätman, der ist die Brücke, welche diese
„Welten auseinanderhält-, dafs sie nicht verfliefsen'^ (Chänd. 8, 4, 1);
die Worte „welche auseinanderhält^^ (pidkriti) bedeuten, wegen
ihrer Coordination mit dem Worte Atman^ einen, der die Thätig-
keic des Auseinanderhaltens übt (mdhärayitat)^ da nach der Smriti
[der Grammatikei"] ktic [d. h. das Suffix -4% in p%dknt%\ den Thäter
anzeigt. Wie nämlich im gemeinen Leben bei einer [zur Be-
wässerung über die Felder geleiteten] Wassermasse die Brücke
[der Damm zwischen den Feldern] zum Auseinanderhalten dient,
damit die richtigen Verhältnisse der Grundstücke nicht verfliefsen,
• 00 hält auch der Atman die zur Yiellieit der Individualität u. s. w.
^I>8 zeräpalten^i Welteu | gemäfs ihrer Einteilung in Kasten, Agrama^fi
(Lebensstadien) u. s. w. als Brücke (Damm) auseinander, „dafs sie
nicht verfliefsen ^S d. h. damit sie sich nicht vermengen« Die in
diesem Auseinanderhalten liegende „Ghröfse" wird hier dem vorher-
erwähnten „kleinen Räume'* beigelegt; und eine „solche GrcSrae-*^
kommt nur dem höchsten Gotte zu, wie es eine andere Schriftst^lle
„bezeugt", in der es heifst: „auf dieses Unvergänglichen Geheilt,
„o Gärgl, stehen auseinandergchnlten Sonne und Mond^' u. s. w.
(ßrih. 3, 8, 9); und ebenso sagt eine <»ndere Stelle, deren Beziehung
auf den höchsten Gott aufser Zweifel steht: „er ist der Herr der
„Welt, er ist der Gebieter der Wesen, er ist der Hüter def Wesen,
„er ist die Brücke, welche diese Welten au<9einanderfialt , dafs sie
„nicht verfliefsen" (Brih. 4, 4, 22). So folgt „auch wegen des Haltens",
dafs der kleine Raum den höchsten Gott bedeuten mufs.
1 7. prasiddheg . ca
auch wegen der Üblichkeit,
Auch darum ist der höchste Gott unter dem kleinen Räume
inwendig im Menschen zu verstehen, weil das Wort dkdgä (Raum,
Satram I. iit 17. 153
«
Äther) bei dem höchsten Gotte üblich ist, wie num aus seinem
Gebrauche ersieht in den Stellen: „der Äther isi es, welcher Na-
,^en nnd Gestalten auseinanderd^nt*^ (ChÄnd. 8, 14), — „alle
„diese Wesen gehen herrcM: aas dem Äther** (Ch&nd. 1, 9, 1). Von
der individuellen Seele hingegen wird niemals das Wort äMca
gebraucht. Was endlich das Element des Äthers (Ranmes) betrifft^
so ist zwar von diesem das Wort äkäga allgemein üblich, doch
ist dasselbe hier nicht anzunehmen, namentlich weil es, wie wir
sahen, nicht möglich ist, dafs der Äther (Baum) zu gleicher Zeit
der Mafsstab und das Gemessene sein könne.
JA itara-parämarf(U 8a\ Ui cen? na! asanibJiavät 259
wegen tieräbrung des andern, dieser, meint ihr? Nein!
wegen der Unmöglichkeit.
•
— ^Aber wenn unter dem kleinen Baume um des weiter Folgen-
'^en willen der höchste Gott verstanden werden soll, so ist zu
'bemerken, dafs in dem weiter Folgenden ebenso gut auch die
individuelle Seele berührt wird; denn es heifst: „und was diese
%,YoIlberuhigung (samprasäda) ist, die erhebt sich aus diesem
^„Leibe, steigt empor zu dem höchsten lachte und tritt hervor in
Sfihrer eigenen Gestalt; das ist die Seele, so sprach er" (ChlUad. 8, 3, 4).
'Das Wort „Yollbertihigung*^ welches in einer andern Schriftstelle
'(Brih. 4*, 3, 15) den Zustand des Tief schlaf es bezeichnet, kami
'hier nichts anderes als den Träger dieses Zustandes, nämUch die
^individuelle Seele, bedeuten; denn nur von dem, welcher in dem
'Leibe wohnt, d. h. von der individnellen Seele, kann gesagt wer-
'den, dafs sie sich in dieser Weise Über den Leib erhebe; fthnlioh
'wie (Gh&nd. 8, 12, 3) von dem Winde u. s* w., weil sie in dem
'Baume wohnen, ein Erheben über den Baum gelehrt wird. Und
'wenn femer das Wort „Äther (Raum)", obwohl es nicht im ge-
' wohnlichen Gebrauche den höchsten Gott bedeutet, doch wegen
'Miterwähnung von Eigenschaften, die dem höchsten Gotte zakom-
'men, s. B. in der Stelle: „der Äther ist es, welcher Namen und
'„Gestalten auseinanderdehnt" (Chand. 8, 14), auf den höchsten
'Gott bezogen wird, so kann es mit demselben Bechte auch einmal
'[nämlich an unserer Stelle] auf die individuelle Seele bezogen
'werden. Also ,, wegen Berührung des andern" ist dieser, d. h.
'die individuelle Seele auch schon unter dem kleinen Baume in-
'wendig im Menschen zu verstehen.*
IMese Annahme | bestreiten wir; warum? „wegen der Unmög- 260
„lichkeit"; denn die individuelle Seele, wie sie durch den Wahn
des Begrenttseins von den Upädhi's der Buddhi u. s. w. entsteht.
154 (^Äriraka-mlmäiiis&
kann nicht dorn Welträume gleichgesetzt werden. Aach könn^i
dem, welcher in dem Wahne, die Upidhi's als Eigenschaften zu
besitzen, befangen ist, die Eigenschaften der Sündiosigkeit u. s. w.
nicht zugeschrieben werden, wie wir dieses bereits im ersten Sütram
[dieses Adhikaranams 1, 3, 14] dargelegt haben, hier aber wieder-
holen, um' dem fortgesetzten Zweifel zu begegnen. Auch wird es
weiter unten wieder vorkt>mmen in dem Sütram: „und um des
.,andei*n willen [geschieht] die Berührung" (1, 3, 20).
Sechstes Adkikaranam.
m
/
19. tdtaräc. ced? ämr-bhuta-svarüpas tu
wegen des Spätem, meint ihr? Ja, aber in seiner
offenbar gewordenen Natur!
Die Meinung, dafs [unter dem kleinen Räume, Ch&nd. 8, 1, 1}
„wegen Berührung des andern" die individuelle Seele zu verstehen
sei, wurde „wegen der Unmöglichkeit" abgewiesen; jetzt aber wii*d,
durch Besprcngung des Toten mit dem Nektar [der Rede] eine
Auferstehung des Zweifels, ob nicht doch die individuelle Seele
gemeint sei, bewirkt *„ wegen des Spätem", d. h. wegen der
*[Chand. 8, 7 — 12 nachfolgenden] Erzähluug^ von Prigäpati. Nach-
*dem nämlich hier mit den Worten: „der Atman, der sündlose",
'u. s. w. das Suchbu und Erforschen des mit den Eigenschaften
261 *der Sündiosigkeit ausgestatteten Ätmau | in Aussicht gestellt wor-
'den, sof weist die Schrift zunächst durch die Worte: „der Mann,
S,der in dem Auge gesehen wird, der ist der Atman", auf den im
*Auge als das Sehende weilenden individuellen Atman hin, und
'indem sie auf eben diesen immer wieder mittels der Formel
'(Ch&nd. 8, 9, 3. 10, 4. 11, 3) „diesen aber will ich dir weiter
'„erklären", zurückgreift, so giebt sie dadurch zu erkennen, dafs
*in den [auf jene Formel folgenden] Stellen: „der in dem Traume
*„hen'lich daliin wandelt, das ist der Atman** (Chand. 8, 10, 1), —
^jdarum, wenn einer so eingeschlafen ist ganz und gar und völlig
*„zur Ruhe gekommen, dafs er kein. Traumbild sieht, das ist der
'„Atman" (Chand. 8, 11, 1), immer nur die in einen andern Zu-
'stand übergegangene individuelle Seele verstanden werden müsse.
'Und wenn sie sodann eben dieser die Eigenschaften der Sünd-
'losigkeit u. s. w. in den Worten: „dieses ist das Unsterbliche, das
%,Furchtlo8e, dieses ist das Brahman" (Chand. 8, 11 1 1) beilegt
l
N
Sütram I. m. 19. ' 155
^and hierauf, — nachdem sie mit den Worten: „fürwahr, hiermit
S,hat er den Atman noch nicht erkannt, und dafs er es selbst ist,
S,no€h auch diese Kreaturen *S die Mangelhaftigkeit des Zustandes
*des Ti«fschlafe8 ins Auge gefafst hat, — mit der Formel : „diesen
S,aber will ich dir weiter erklären'* und den nachfolgenden Worten :
S,denn es ist nicht | anderweit zu finden, als in diesem** dazu 262
*öbergeht, die Verbindung mit dem Leibe als das Verwerfliche
Einzustellen und im Anschlüsse daran fortfährt: „so auch erhebt
*„Bich diese VoUberuhigüng (samprasäda) aus diesem Leibe, gehet
*„ein in das höchste Licht und tritt dadurch hervor in eigener
*„6e8talt; dieses ist der h5chste Geist** (Chänd. 8« 12, 3), — so
*i8t es keine andere als die individuelle Seele, welche hier, in
*ihrer Erhebung über den Leib von der Schrift fü'r den „höchsten
*„ Geist*' erklärt wird. Somit ist es nicht „unmöglich^' [wie das
'vorige Sütram behauptete], dafs die individuelle Seele die Eigen-
'Schäften des höchsten Gottes besitze, und folglich hat man auch
'in der Stelle „inwendig darinnen ist ein kleiner Raum*' (Chänd.
*6, 1, 1) keine andere als die individuelle Seele zu verstehen.^
Wenn einer so kommt, dann soll man ihm antworten: ^,Ja,
i,aber in seiner offenbar gewordenen Natur!** Das Wort „aber**
dient zur Widerlegung der gegnerischen Behauptung und bedeutet,
dafs mau auch nicht „wegen des Späteren** hier an die individuelle
Seele denken darf; wai*um? weil dort von der individuellen Seele
nach ihrer offenbar gewordenen Natur die Rede ist. „In seiner
„offenbar gewordenen Natur** bedeutet, dafs ihre, nämlich der in-
dividuellen Seele, Natur offenbar geworden ist. Die Benennung
als „individuelle Seele" erhält sie in Anbetracht dessen, was sie
vorher gewesen ist. Der Sinn [dieser Sütraworte] aber ist folgen-
der. Nachdem die Schrift mit den Worten: ;,der Mann, den man
„im Auge siehet** (Chänd. 8, 7, 4), auf den im Auge gesehenen
Sehenden hingewiesen und diesen durch die Stelle von dem Wasäer-
eimer (Gb^nd. 8, 8, 1 — 3) als nicht mit dem Leibe identisch hin-
gestellt hat und sodann durch die Formel: „diesen aber will ich
„dir'* u. s. w. eben diesen immer wieder und wieder als das zu
Erklärende herangezogen hat, so geht sie durch die Mittelstufen
der Erwälmung des Traumschlafes und des Tiefschlafes endlich
dazu Über, mittels der Worte „er gehet ein in das höchste Licht
„I und tritt dadurch hervor in eigener Gestalt" eben jene indivi- 263
daelle Seele nicht nach dem, was sie als individuelles Wesen ist,
sondern nach dem, was ihre absolut reale Natur ist, d. h. als das
höchste Brahman zu erklären. Nämlich das „höchste Licht *^ in
welches sie nach dieser Schriftstelle eingehen soll, ist eben das
höchste Brahman; dieses aber besitzt die Eigenschaften der Sünd-
iosigkeit u. s. w., und eben dieses ist im Sinne der höchsten Rea-
lität nach kanonischen Aussprüchen wie „das bist du** (ChÄnd. 6, 8, 7)
da« eigentliche Wesen der individuellen Seele, nicht aber jenes
a ■
1Ö6
(kiiraka-mlm4Ä8ä
andere, welches durch die Up&dhi'e bedingt wird. Solange man
n&mlieh das die Yielheitlichkeit als Merkmal habende Nichtwissen,
welches dem Halten eines Baumstammes für einen Menschen ver-
gleiofabar ist» nicht beseitigt und das allerhöchste, ewige, seinem
Wesen nach schauende Selbst durch die Erkenntnis „ich bin
,3i'Abman'' (Bfih. 1, 4, 10) noch nicht erlangt hat, so lange ist
die individuelle Seele individuell. Wenn man sich aber durch
das Schriftwort erheben läfst über das Aggregat von Leib, Sinnen,
Manas und Buddhi und von der Schrift darüber belehrt wird,
dafs man nicht ein Aggregat von Leib, Sinnon, Manas und Buddhi,
nicht eine wandernde Seele, sondern vielmehr jenes ist, von dem es
heifst (Chänd. 6, 8, 7): „das ist das Reale, das ist die Seele'' —
aus reiner Erkenntnis bestehend — »das bist du*', dann erkennt
man das höchste, ewige, seinem Wesön nach schauende Selbst, und
indem man sich dadurch über den Wahn seines Leibes u. a* w.
264 I erhebt, so wird man zu eben jenem allerhöchsten, ewigen, seinem
Wesen nach schauenden Selbste; denn so sagt dio Schrift: „für*
„wahr, wer dieses höchste Brahman kennt, der wird selbst au
„Brahman" (Mund. 3, 2, 9), und dieses ist eben die absohit wahre
Natur der individuellen Seele, in der sie, aus dem Leibe sich er-
hebend, hervortritt in ihrer eigenen Gestalt. — 'Aber wie ist es
'möglich, dafs das Allerhöchste und Ewige seine eigene Gestalt
'schon habe und doch in dieser seiner eigenen Gestalt erst hervor-
'trete? Denn anders ist es mit Gold und ähnlichen Stoffen. Bei
'diesen ist, wenn ihre eigene Gestalt durch die Yermengung mit
'fremden Stoffen überwältigt wurde, so dals die verschiedenartigen
'Merkmale derselben an ihnen sich zeigten, dadurch, dafs man sie
'durch Zusatz von ätzenden Materien und andere Mittel reinigt,
'ein Hervortreten in ihrer eigenen Gestalt allerdings möglich. Und
'ebenso ist z. B. bei den Sternen, deren Glanz am Tage überwältigt
'worden war, nach Beseitigung dessen, was ihn überwältigt hatte,
• 'in der Nacht ein Hervortreten in ihrer eigenen Gestalt möglich.
'Hingegen bei dem das Geistige .als Licht Habenden, Ewigen ist
'eine derartige Überwältigung durch irgend ein anderes nicht mög-
lich, weil [das Geistige] so wenig wie der Baum [von den Vor-
'gangen in der Körperwelt] betroffen wird, sowie auch 5 weil die
'Wahrnehmung dem widerstreitet. Denn Sehen, Hören, Denken
'und Erkennen, das ist die Natur der individuellen Seele, und
'diese tritt an ihr, wie die Wahrnehmung zeigt, auch ohne dafs
265 'sie sich über den Körper erhöbe, | allezeit hervor; denn jede indi-
'viduelle Seele kann nur handeln, indem sie sieht, hört, denkt und
'erkennt, da ohne dieses ein Handeln nicht möglich ist. Träten
'diese Eigenschaften an der Seele erst dann hervor, wenn sie sich
'über den Leib erhöbe, so würde das [durch sie bedingte] Handeln
'vor der Erhebung, wie es doch die Wahrnehmung zeigt, unmöglich
'sein. Welcher Art soll also jenes Erheben über den Leib und
Sdtram I. m. 19, 157
^welcher Ai*t jenes Hervortreten in eigener Gestalt sein?* — Uieranf
dient zur Antwort: ehe die Erkenntnis der Getrenntheit (livfhi)
eintritt, ist die da9 Sehen o. s. w. als I^cbt habende Naturbe-
schaffenheit dw individuellen Seele voh den DpMhij des Leibes,
der OrganQ, des Maaas, der Buddhi. der Objekte und der £mpfiu«
dnng gleichsam unabgetrennt; — ähnlich Mrie bei einem reinen
Bergkrystalle die Pnrchsichtigkeit und Klarheit ab seine Natorbe«
schaffenheit vor der Auffassung seiner Getrenntheit von den UpMhi^s
der roten oder blauen Farbe gleichsam unabgetrennt ist, wfthrend
hingegen, nachdem die Anlfassong seiner Getrenntheit mittels der
Erkenntnis hervorgebracht worden , für die Folgeeoit der Berg-
krystall , wie er dann weiter fortbesteht , ib . der Dnrcbsichügkeit
und Klarheit als in seiner eigenen Nat9r so au sagen erst hei-vor^i
tritt, wiewohl er auch schon vorher ebenderselbe war; -<— ebenso
entsteht bei der von den DpAdhi's des Leibes u. s. w. noch nicht
abgetrennten individttellen Seele die durch das Schriftwort be-
wirkte JBrkenntnis der Getrenotheit und als Frucht dieser £«rkennt-
nis der G^trenntheit die Erhebnng über den Leib { und das Her- 266
vortreten in eigener Gestalt, d. h. die Erkenntnis der eigenen Katar
als blofse Seele. Also nur auf der Getrenniheit und Ungetrennt'
heit beruht die Uakörperbohkeit und Körperlichkeit der indivi-
dnellen Seele; denn das Schriftlied sagtv dar ohne Körper in
„den Kdrpem^^ (K&th. 2, 22). Und auch die Smpti lehrt in den
Worten (Bfaag. G. 13, 31):
„A^cb wSÜirend er Im Leibe weilt, Kaunteya,
„Ist er nicht handelnd und wird nicht befleckt^,
dafs die 'Körperlichkeit und Unkorperlichkeit keinen Unterschied
an dem Atmön begründet. So lange also die Erkenntnis der Ge- *
trenntheit nicht stattfindet, ist die Sefele ihrer eigenen Natur nach
nicht offenbar nnd durch die Erkenntniä der Getrenntheit wird,
so 'lu sagen, ihre eigene Natur oßfenbar, denn ein anderes 0£f\3n-
barwerden und Nichtoffenbarwerden ihrer eigenen Natur ist nicht
denkbar^ weil es sich eben dabei nur um ihre eigene Natur handelt.
Somit beruht die .ünteriKsheidung zwischen der individuellen Seele
uiad dem höchsten Gotte nur auf der falschen ESrkenntnis und ist
in Wirklichkeit gar nioht vorhanden, indem die eine wie der an-
dere, ymlich wie der Raum, [von den körperlichen Vorgängen]
onbetroffen bleiben« Und warum muTs man dieses so annehmen?
Weil nach den Worten: ,^der Mann, der in dem Auge gesehen
„wird^*, es weiter heilst: j^das ist das Unsterbliche, das Furchtlose,
„das Brahman** (Ghind. 8, 7, 4). W&re hier tmter dem als der
Sehende im Ad^s Rekannten und um des Sehens willen Angenom*
menen ein anderer sa verstehen als das die Merkmale der Un-
sterWchkeit und Furchtlosigkeit tragende Biahman, so könnte
jen^ nioht ab Subjekt mit dem nnsterbliohen und furchtlosen.
158 ^Ariraka-mimMs^
Brahman als Prädikat in demselben Satze Terbonden vorkomtaen.
Auch darf man nicht etwa denken, dafs hier von dem im Ange
gesehenen Spiegelbilde die Rede sei, weil in diesem Falle Pr^i-
pati [indem er es unsterblich i;. s, w. nennt] eine Unwahrheit ge-
sagt haben würde. Ebenso das zweite Mal, wo es heifst: „er, der
„in dem Traume herrlich dahergeht" (Chänd. 8, 10, 1), darf man
nicht an einen andern denken als an den das erste Mal «ufge-
267 zeigten sehenden Geist im Auge. | Denn es heifst in den Torher-
gehenden Worten: „diesen aber will ich dir weiter erklären"
(Ch&nd. 8, 9, 3), und [dasselbe lehrt die Erfahrung; dehn] wenn
einer sagt, „diese Nacht habe ich im Traume einen Elefanten ge-
„sehen, und sehe ihn doch jetzt nirgendwo", so verwirft er nach
dem Erwache^i das besehene Objekt, das sehende Subjekt hingegen
erkennt er als das nämliche an, denn er sagt: „eben ich, der ich
„das Traumbild gesehen habe, ich als ebenderselbe sehe jetzt im
„wachen Zustande." — Ebenso^ist es beim dritten Male, wo es heifst:
„fürwahr, damit hat er den Atman noch nicht erkannt und dafs
er es selbst ist, noch auch diese Kreaturen" (Ch&nd. 8, 11, 1);
hier lehrt die Schrift, dafs im Zustande des Tiefschlafes die Er-
kenntnis der Unterschiede aufhört, nicht aber, dafs der Erkennende
aufhöre. Und wenn es dabei heifst: „er ist eingegangen zur Yer-
mchtung^^ (Chand. 8, 11, 1), so soll auch dies nur eine Vernichtung
der [individuellen] Erkenntnis der Unterschiede, nicht aber eine
Yernichtung des erkennenden Subjektes bedeuten, von dem eine
andere Schriftstelle sagt: „denn nicht giebt es für den Erkenner
„eine Unterbrechung des Erkennens wegen s^ner Unverganglich-
„keit" (Brih. 4, 3, 30). Ebenso steht es endlich, wenn es zum
vierten Male heifst: „diesen will ich dir weiter erkl&ren^ denn es
„ifit nicht anderweit zu finden als in diesem" (Chand. 8, 11, 3);
nämlich nachdem mit den Worten : „sterblich, fürwahr, o Mächtiger,
„ist dieser Leib" u. s.'W. (Chänd. 8, 12, 1) die Verbindung mit
den Upädhi's des Leibes u. s. w. eingehend widerlegt worden, so
heifst es von der mit dem Worte „Yollberuhigung" bezeichneten
individuellen Seele: „sie tritt hei-vor in ihrer eigenen Gestalt"
(Ghänd. 8) 12, 3); wenn die Schrift sich dieses Ausdrucks bedient,
268 um den Übergang der Seele in die | Wesenheit des Brahman an-
zuzeigen, so giebt sie hierdurch zu verstehen, dafs es eine von
dem unsterblich und furchtlos gearteten Brahman verschiedene
individuelle Seele gar nicht gebe.
Einige Ausleger allerdings, welche sich daran stoliien,
dafs hier, wo doch der höchste Atman gelehrt werden soll, mit
den Worten : „diesen will ich dir weiter erklären^^ die individuelle
Seele herbeigezogen werde, nehmen au, dafs damit vielmehr auf
den zu Eingang erwähnten, Sündlosigkeit u. s. w. besitzenden At-
man als denjenigen, welchen die Schrift weiter erklären wolle,
hingewiesen werde. Aber hierdurch sehen sie sich genötigt, das
Sfttram I. m. 19. 159
von der Schrift gebrauchte Pronomen „diesen 'S welches doch nur
auf ein in der Nähe Stehendes gehen kann, auf ein Fernstehendes
zu beziehen; und ebenso steht damit das Wort „wieder** nicht in
Einklang, indem [bei dieser Annahme] das zweite Mal nicht das
Nämliche verstanden werden dürfte-, welches das erste Mal ver-
standen wurde. Wenn wirklich unter den Worten „diesen will
„ich dir weiter erklären" bis zum vierten Male hin jedes Mal
etwas anderes zu verstehen wäre, so wOrdö folgen, dafs Prajäpati
ein Betrüger sei. Man muTs also vielmehr annehmen, dafs die
nur vom Nichtwissen aufgestellte, nicht absolut reale Natur der
individuellen Seele, nach welcher sie als handelnd und geniefsend,
als mit Liebe, Hafs und andern Mängeln besudelt und mancherlei
Unheil anheimgegeben erscheint, dafs diese Natur durch das Wissen
att%ehoben, und an ihrer Statt die entgegengesetzte, sündlose u. s. w.
Natur des höchsten Gottes [als das wabre Wesen der Seele] gelehrt
wird; ähnlich wie man einen Gegenstand, durch Aufhebung des
Wahnes, dafs er eine Schlange sei, als blofsen Strick [erkennt]
u. dgl. — Andere Erklärer wiederum halten die individuelle
Natur der Seele für absolut real, und ihnen stimmen einige
der unsrigen bei. Gegen sie alle, welche Widersacher der voll-
konunenen Erkenntnis von der Einheit des Atman sind, | richtet ^^9
sich, um sie zu widerlegen, das gegenwärtige ffäriraka-BTich, wel-
ches lehrt, dafs nur der einheitliche höchste, Gott die oberste und
ewige intellektuelle Wesenheit ist, welche infolge des Nichtwissens,
ähnlich wie der Zauberer infolge des Zaubers, als eine vielfaltige
[der individuellen Seelen] erscheint, während doch [in Wahrheit]
keinerlei intellektuelle Wesenheit aufser Gott JBxistieift. Wenn
aber nichtsdestoweniger der Verfasser* der StLtra's bei Stellen, die
vom höchsten Gotte handeln, die Meinung, als wäre in ihnen die
individuelle Seele zu verstehen [die doch gar' nicht existiert] ^ be-
kämpft, wie es z.B. gleich in den Worten: „nein, wegen der
„Unmöglichkeit" (Süiram 1, 3, 18) geschehen, so ist seine Absicht
dabei folgende. Da auf den seiner Natur nach ewigen, reinen,
weisen, freien imd wahrhaftigen, allerhöchsten und ewijgen, [von
der Körperwelt] unberührten und gestaltlosen höchsten Atman die
ihm entgegengesetzte, individuelle Natur, ähnlich wie die Blauheit
des Grundes auf den Weltraum, fälschlich übertragen zu werden
pfl^^ so will unser Autor durch Schriftworte, welche, wenn man
sie nur richtig versteht, die Einheit des Atman lehren und jene
Yielheitlichkeit widerlegen, diesem Irrtume steuern, und^ zu diesem
Zwecke erhärtet er die Verschiedenheit des höchsten Atman von
der individuellen Seele; hierbei aber ist es nicht etwa seine 'Absicht,
diese Verschiedenheit der höchsten Seele von der individuellen
seinerseits zu lehren, sondern er referiert nur die vom Nichtwissen
aufgestellte und im gemeinen Leben angenommene Vielheit der
Seelen. Seine Absicht ist dabei keineswegs, die nur unter Voraus-
160 ^Mrakft-mlmftndä
Setzung dieses natürlichen Thätorseins und GemefserseinB möglichen
WerkyorBchrifteu [des Yeda] zu bestreiten; aber als den eigent-
lichen Endzweck der Schrift bezeichnet er, [durch Jene Accommo-
dationen an den empirischen und rituellen Standpunkt hindurch]
die Einheit der Seele zu lehren ^ wie dies z.3. au Stellen wie
,,yermög& einer Schriftanschauung vielmehr [geschieht] die Bezeich-
„nung, wie bei V^madeya*^ (SüLtram 1,1, 30) hervortrat. Übrigens
haben wir bereits auseinandergesetzt, wie man den Widerspruch
mit den Werkvorschriften dadurch zu vormeiden hat, dafs man
zwischen dem Wissenden und dem Nichtwissenden [fUr den die
Werkvorschriften bestimmt sind] unterscheidet.
370 30. anya^-arthag ca pardmargah
und um des andern willen [geschieht] die Berührung.
^Die Berührung der individuellen Seele, welche im Veriaufe
^der Stelle von dem kleinen Baume in den Worten „nun aber
S,diese Yollberuhigung^* u. s. w. (Ch&nd. 8, 3, 4) sich zeigt, kann,
'wenn der kleine BMun auf den höchsten Gott gedeutet wird,
'weder den Zweck haben, eine Verehrung der individuellen Seele
^zu lehren, noch auch, eine Bestimmung des in Jtede stehenden
'[höchsten Oottes] darzulegen. Somit scheint zu folgen, dafs diese
'Berührung swecUos ist.' --* Darauf dient zur Antwort: „um des
„andern willen [geschieht] die Berührung" der individuellen Seele;
also nicht, um bei der Katur der individuellen Seele stehen zu
bleiben, sondern um bei der Natur des höchsten Gottes anzulangen.
Nfimliofa so. Die hier unter dem Worte „Vollberuhigung" zu ver»
stehende individuelle Seele, welche in der Th&tigkeit des Wachens
der Aufs^er in dem Käfige des Leibes und der Sinnesorgaoe ist,
und welche [im Schlafe], in den Adern' umherschweifend, die aus
den VoTBiellungen des Wachens gezimmerten Traumbilder schaut,
eben diese erhebt sich, einer inneren Zuflnclit begehrend, über
den zweifachen Wahn der Leiblichkeit [im Wachen und Tr&umen],
indem sie im Tiefsohlafe in das unter dem „höchsten Lichte" und
dem ,3aame" zu verstehende höchste "^rahman eingeht, die Mög-
lichkeit des individuellen Erkennens hinter sich l&fst und dadurch
in eigener Gestalt hervortritt. Das höchste Licht, in welches sie
dabei eingeht, und durch das sie in eigener Gestalt hervortritt,
dieses ist als jler mit den Eigenschaften der Sündlosigkeit u. s. w.
ausgestattete Ätman zu verehren. Dies ist der Z veck, „um deaeen
„willen" die Berührung der individuellen Seele geschieht, welche
man daher, auch wenn man die Stelle auf den höchsten Gott be-
zieht, hier zugeben kann.
SAtram T. in. 21. 161
21. älpa-grutery iti cet? tad uktam
wegen der Stelle, wonach er klein, meint ihr?
Darüber war die Bede.
Wenn endlich noch behauptet wurde,* dafs die in der Stelle
,4nwondig darinnen iM; ein kleiner Raum" hervorgehobene Kleinheit
des Raumes auf den h(>ohBten Gott nicht padse, wohl aber auf die
(^Vet. 5, 8) mit einer Kadelspitzs yerglichene indiyiduelle Seele,
I so bliebe das noch zu widerlegen. Aber diese Widerlegung ist 271
schon gegeben worden da, wo wir auseinandersetzten, dafs die
Erwähnung der Kleinheit des höchsten Gottes einer bestimmten
Absicht diene, n&miich in dem Sütram: ,,weil seine Behausung
„winzig und auch [von ihm] dies aufgewiesen, nicht, pneint ihr?
„0 nein! weil er auf diese Weise bemerklich gemacht werden soll,
„und es ist wie bei dem Raume^' (1)2, 7). Die dort gegebene
Widerlegung ist, wie unser Sütram andeutet, hierher zu beziehen.
Übrigens wird jene Kleinheit von der Schrift selbst widerrufen
(pratifUlUa) durch die Gleiohsetznng mit dem Welträume, welche
in den Worten liegt: „wahrlich so grofs wie der Weltraum ist, so
„grofs ist dieser Raum inwendig im Herzen" (Ghand. 8, 1, 3).
Siebentes AdJiikaranam.
22. anukrites; tasya ca
. wegen der Nachmachung; und „von seinem" —
Die Schrift sagt (Mund. 2, 2, 10 = Käth. 5, 15):
„Dort leuchtet nicht die Sonne, nicht Mond und Sterne,
„Noch leuchten jene Blitze, viel weniger irdisches Feuer,
„Ihm, der da leuchtet, leuchtet alles nach,
„Das Ganze hier erglänzt von seinem Lichte."
Hier ist zweifelhaft, ob untAr dem, der da leuchtet, dem alles
nachleuchtet, und von dessen Lichte die ganze Welt hier erglänzt,
irgend eine Lichtmaterie oder der erkenntuisartige Atraau \prajfia'
ätmd^ d. h. die höchste Seele] zu verstehen ist.
Angenommen also, ^es sei unter dem, „der da leuchtet'S eine
^Lichtmaterie zu verstehen; warum? weil er das Leuchten der
^Sonne u. s. w., welche gleichfalls Lichtmaterien sind, aufhebt. {
'Denn die Erfahrung zeigt , wie die natürlichen Lichtcjuelleii des 272 '
'Mondes, der Sterne n. ?. w. bei Tage, während die gleiohialls
DsuttBv, VediD^a. 11
162 ClLrtraka*mtn4n84.
*natarltche Lichtquelle der Sonne leuchtet» nicht leuchten. Hieraue
*iet SU Bchliefsen, dafs daqenige, in deeeen Oegenwart Mond und
'alle Sterne miteamt der Sonne nicht leuchten, gleicfaüalls eine
^natürliche Lichtquelle sein tnudi. Auch da£i demeelhen die tkbrigea
S,nachleuchten'S ist nur daon» wenn ee sdbet eine natfbrliche Licht-
'quelle ist, sutreffend ,' indem ein Nachahmen nur unter Wesen
^gleicher Art stattfindety s. B. wenn der eine das Oehen des andern
'nachahmt. Somit mufs hier irgend eine Lichtmaterie gemeint »ein.*
Auf diese Annahme erwidern wir, dafs nur der erkenntnisartige
Ätman (Gott) gemeint sein kann. Warum? „wegen der Nach-
^,machung^S d. n. wegen des Nachahmens; n&mlich die Worte y^hm^
„der da leuchtet, leuchtet alles nach'' reden yen einem Nachleuch-
ten, welches, wenn man den £rkenntQisarti|fen versteht, ganz pas
send ist, denn von dem erkenntnisartigen Aiman sagt die Schrift
„Licht ist seine Gestalt, sein Ratschlufs ist Wahrheit" (Chändl
3, 14, 3); während hingegen, wie die Erfahrung beweist, ni^t
behauptet werden Irann, dafs die Sonne u, s. w. irgend einer andern
Lichtmaterie nachleuchteten. . Und auch darum , weil alle Licht-
materien ihrem Wesen nach gleichartig sind, können die Sonne
u. s« w. nicht von einer andern Lichtmaterie abh&ngig sein , auf
deren Leuchten hin sie nadileuühteten: denn man kann 2. B. nicht
273 eegen, dafs die eine Lampe | der andern Lampe nachleuchte. Wenn
weiter behauptet wurde, dafs ein Nachahmen nur unter gleich-
artigen Dingen statthabe, so ist dieses kein unbedingtes Gesetz,
indem auch verschiedenartige Dinge einander nachahmen; wie z. B.
eine glühende Eisenkugel dem Feuer nachahmt, indem sie dem
brennenden Feuer nachbrennt; oder wie dei^ Staob dec Erde dem
dahinfahrenden Winde nachfälirt. Wenn unser Sütram'sagt: „we-
,^en der Nachmachung", so deutet es damit auf das Nachleuchten
hin, w&hrend in den weitem Worten „und von seinem" auf die
vierte Zeile des in Rede stehenden Verses hingewiesen wird, wo
es heifst: „das Ganze hier erglänzt von seinem Lichte." Indem
diese Worte besagen, dafs die Sonne u. s. w. jenes Licht als Ur-
sache ihres Glanzes haben, ^so nötigen sie zu schliefsen, dafs das-
selbe der erkenntnisartige Atman ist. Denn von diesem sagt eine
andere Schriftstelle: „ihn ehren als unsterblich Leben die. Götter,
„als der Lichter Licht" (Bfih. 4, 4« 16). Dafs hingegen das Licht
der Sonne u. s. w. durch ein anderes Licht leuchte, ist unerweis-
lich und auch gegen die ESrfahrung, nach welcher vielmehr dem
einen Lichte durch das andwe [z. B. dem des Mondes durch die
Sonne] Abbruch gethan wird. — Oder auch man kann annehmen,
dafs es nicht nur die im Verse erwähnten Lichtbr der Sonne u. s. w.
sind, von denen das durch jenes Licht bedingte Glänzen ausgesagt
wird, sondern es heifst vielmehr ausnahmslos: „das Ganze hier
,terglänzt von seinem Lichte]"; d. h. die Offenbarung dieser gan-
zen, in Namen und Gestalten zur Vergeltung der That an dem
SOtniü I. HI. 98. 163
Thftter enistaodnien Welt wird bedingt durch das Yoriumdenseui
dee Brahmanlichtes, Ähnlich wie die Offenbarung aller Oeetaltan
doreh das Vorhandensein des Sonnenlichtes bedingt wird. [Dafs
nnter dem Lichte Brahman zu Terstehen istj ergiebt sich auch
aas dem in dem Verse: JDort leuchtet nicht | die Sonne^' gebrauch- 974
ten Worte „dorb', weldias anzeigt, dafs man an das Vorhererw&hnte
EU denken hat; vorher aber war Von Brahman die Rede, denn es
. hiefs: „der Ort, in welobem Himmel, Erd' und Luftraum gewoben
,;ist" u. s.w. (Mu94' S, 2, 5), und gleich darauf: „in goldener,
„höchster Halle liegt staublos das Brahman ungeteilt; das ist das
„Beine, ist der Lichter Licht, ist was die wissen, die den Ätman
„kennen'^ (Hu^d. 2, % 9) , worauf, um den hier gebrauchten Aus»
druck „der 'Lichter Licht ^* zu erklären, es weiter heifst: „dort
„leuchtet nicht die Sonne" u. s. w. Wenn ferner noch behauptet
wurde, dafs die Aufhebung des Leuchtens der Lichter wie Sonnt
tt. 8« w. nur mdgUch sei dadurch, dafs eine andere Lichtmaterie
leuchte, ähnlich wie die Aufhebung des Leuchtens der übrigen
Gestirne dadurdb, dafs die Sonne leuchte, so machten wir hingegen
bereits geltend, dafs jenen Effekt des „Nachleuchtens" [der Sonne
u. s. w.] eine eben solche, andere Lichtmaterie nicht zu bewirken
im Stande sein würde (na samhkavaH). Auf Brahman pafst auch,
dafs das Leuchten aller jener andern Lichter £in jenem einen Uchte]
aufgehoben sei; denn alles, was wahrgenommen^ wird, > kann * nur
dtttdi das Brahman als Lieht wahrgenommen werden, während
hingegen das Brahman durch kein anderes Licht wahrgenommen
wird« weil es seiner Natur nach Selbstlioht ist, so .dafs die Sonne
u. s. w. in ihm leuchten; denn das Brahman offenbart alles andere,
I wird aber selbst durch nichts anderes offenbart; indem die Schrift 275
sagt: „dann dienet er sich selbst als Licht" (Brih. 4, 3, 6) und;
„er ist ungreifbar, denn er wird nicht ergriffen" (Brih. 4, 2, 4).
^3. api ca smaryate
wie auch die Smriti ßagt.
Und auch die Smriti gedenkt jener Natur des erkenntnisartigen
Attnaii, wenn es in den BhagavddgiiCC^ heifst (Bhag. G. 15, 6):
„Dort leuchtet Sonne nicht noch Mond noch Feuer ;
„Die dorthin gehen, kehren nicht zurdck; -
„Das ist die höchste St&tte, wo ich wohne^';
und femer (Bhag. G. 16, 12):
„Das Licht, das von der Sonne aus die ganze W^t
„Erhellt, das Licht des Mondes und des Feuers Licht,
„Das alles, sollst du wissen, ist mein eigen Licht."
11*
164 Qlirlrakft-miiniiksfl
Achtes Adhikaranam,
24, fdhdäd eva prämitah
m
'wegen des Wortes schon der Gemessene.
Die Schrift sagt: „zoUhodi steht in des Leihes Mitte der Ptt-
„rasha" (K&th. 4, 12), und: „der Pomsha, sollhoch an Lange, wie
„eine Flamme ohne Rattch, der Herr des, das da war und sein
976 „I wird, er ist es hent' nnd morgen anoh; -^ wahrlich dieses ist
„das" (Kftth. 4, 13). Hier fragt sich, ob unter dem EoUhohen
Pumsha die individuelle Seele oder dw höchste Atman zu ver*
stehen ist.
Man könnte denken^ *es sei die individuelle Seele gemeint, weil
'ein bestimmtes Ma(s dabei angegeben wird; denn von der höchsten
*Seele, welche sich in unendlicher Ausdehnung erstreckt, könnte
'nicht gesagt werden, dafs sie als Umfang die Gröfse eines Zolles
'habe, während bei der individuellen Seele, zufolge ihrer Behaftung
'mit den Upadhi^s, die zollhohe Gröfse in gewissem Sinne passen
'würde; wie auch die Smriti sagt (Mahäbh4ratam 3, 16763):
'„Da zog gleichwie an Stricken aus deu^ Leibe
'„Des Satyavant, an Länge einen Zoll hoch,
'„Den Pomsha, gehorchend seinem Willen,
'„Tkma, der Todesgott, mit Kraft heraus."
'Der höchste Gott kann es nicht sein, den Yama hier mit Kraft
'herauszieht; steht es aber fest, dafs hier unter dem „an Länge
'„einen Zoll hohen Purusha" die wandernde Seele zu verstehen ist,
'so liegt nahe anzunehmen, dafs diese auch an unserer Stelle ge-
'meint sei.'
Hierauf erwidern wir: der (Käth. 4, 12^—13) als zollhoch „ge-
„messene" Purusha mufs der höchste Atman sein; warum? „wegen
„des Wortes", welches lautet: „der Herr, des das da war und sein
„wird" (K&th. 4, 13); denn kein anderer als der höchste Gott
kann ohne Einschränkung als der Herr des Vergangenen und Zu-
künftigen bezeichnet werden. Femer auch wegen des Wortes:
„wahrlich diesos ist das" (Kath. 4, 13) ; hier bezieht sich die Schrift
377 auf eine vorher aufgeworfene Frage, | und der Sinn ist : „wahrlich,
„dieses ist das, wonach du fragtest^S nämlich das Brahman. Denn
nach dem Brahman war hier gefragt worden mit den Worten
(Kath. 2, 14):
„Was frei vom Guten und vom Bösen, ron Ursach^ und von Wirkung frei,
„Frei vom Vergangenen und Zukünftigen, das sage mir, was dieses sei.
IC
Sittram I. m. 24. 165
„Wegen des Wortes scbon'' [^Bg^ unser SAiram], d. b. schon wegen
unserer Schriftstelle selbst, die Qm mit Namen bezeicbnet als „den
„Herrn [den das da war und sein wird]'', muTs man hier auf den
höchsten Gott echliersen.
'Aber wie kann dem allgegenwärtigen höchsten Atman in dieser
'Weise ein beschränkter Umfang beigelegt werden?* — Darauf
antworten wir:
25., hridij ap^shayä tu, manushya-adhikdratvdt
im Herzen ,. doch mit Bücksicht, weil die Menschen
berufen.
Obwohl der höchste Ätman allgegMiwftrtig ist, so wird „doch
„mit Rücksicht" auf sein Weilen „im Heraen^', gesagt, cUfs er
einen Zoll grofs sei , ähnlich wie man von dem [an sieh unend-
lichen] Baume, mit Rücksicht auf [den Raum zwischen zwei] Elno-
ten eines Rohres, sagt, dafs er eine Elle lang sei. Denn 'geradezu
[und ohne diese Rücksichtnahme] kann es doch nicht yon dem
aU^ Mafs überstöigenden Atman heifsen, er sei einen Zoll hoch;
ein anderer aber als der höchste Atman kann hier nicht rerstan*
den werden, wie wir an seinen Bezeichnungen als „der Herr" u. s. w,
erkannten. — 'Aber der Umfang der Herzen ist doch je nach der
'Verschiedenheit der lebenden Wesen eine variable Gröfse, so dafs
'sich auch nicht einmal mit Rücksicht auf sie die zollgro&e Länge •
'I auirechthalten läfst?' — Auf diesen Einwurf wird im Sütram 978
geantwortet: „weil die Menschen berufen/' Obwohl nämlich der
Schriftkanon ohne Unterschied der Person Torgeht, so wendet er
sich doch ausschliefslich an die Menschen, sofern diese der Er-
lösung sowohl fähig als auch bedürftig sind, auch [mit Ausnahme
der QAdrä*ti] von dem durch das [Sakrament des] Upanapanam
[der Einflihrung bei einem Lehrer unter Umgürtung mit der Opfer-
schnur] bedingten Oebrauche der Schrift nicht ausgeschlossen sind,
wie dieses in dem Abschnitte über die Berufiing (Jaim. 6, 1, 26 fg.)
ausgeführt wurde. Der Leib der Menschen nun aber ist von einem
bestimmten Umfange, und diesem entsprechend ist auch ihr Herz
Ton einem bestimmten Umfange, nämlich von der Oröfse eines
Zolles. Weil also ,,die Menschen" zum Oebrauche des Schrift-
kanons „berufen" sind, so ist, „mit Rücksicht" auf das Weilen des
höchsten Atman „in dem Herzen" der Menschen, die Bezeichnung
desselben als „zollhoch" eine angemessene. Wenn weiter behaup-
tet wurde, dafs wegen der Bezeichnung des Umfanges und wegen
der angeführten Smptistelle unter dem ZoUgrofsen nur die wan-
dernde Seele Terstanden werden könne, so haben wir darauf zu
166 giclnka*iDliii4fiBil
erwidern, dafs Uermit, ähnlich wie durch die Worte „du ist die
879 „Seele^ das bist du^^ (Ch&nd. 6, 8, 7), | Ton dem, obwohl in der
wandernden Seele TorKegenden, sollhohen [Ätman] gelehrt werden
■oll, dafB er das Brahman iai. Nftmlidi den TedUjitatexten iat ein
xweifaches Verfahren eigen: eritena bezwecken sie, die Vfatnr des
höchsten Atman dannl^gen, nnd aweitens bezwecken sie, die indi-
Vidaelle Seele als mit dem höehaten Atman identisch nai^uweisen.
An unserer Stelle nun liegt nur die Absicht ror, die Identitftt der
individuellen Seele mit dem höchsten Atman, nicht aber den zoll-*
grofsen Umfang, sei es des einen oder andern, zu erweisen. Dafe
dieses allein der Zweck ist, bekundet die Schrift durch die weiter
folgende Stelle (KAth. 6» 17):
„ZolUioch, als innVe Seele, weilet stets
„Der Porosha im Herz der Kreaturen;
„Ihn ziehe aus dem Leibe mit Bedacht,
„Wie ans dem Schilfgras einen Halm man auszieht,
„Dm wisse als unsterblich, als das Beine.^
Neuntes Adhikaranam*
SSO 36. tad-^upari api Bddaräyanah y sambhavät
auch die über ihnen , lehrt Bädarajana, wegen des
Zutreffens.
Wir fanden, dafs die zollhohe Oröfse des Purusha von der
Schrift erwähnt werde „mit Rücksicht'* auf die Gröfse des Men-
schenherzens, „weil iüe Mensehen'* ron dem Schriftkanon „berufen**
werden.
■ Bei dieser Gelegenheit ist Folgendes zu bemerken. Zugegeben,
dafs es die Menschen spd, welche Tom Schriftkanon berufen wer«
den, so liegt doch hier, wo es sidi um die Erkenntnis des Brah-
man handelt, kein Orund vor zu der Annahme, dafs nur die Men-
schen allein zu ihr berufen seien. Vielmehr sind zur Erkenntnis
„auch die über ihnen** Stehenden, n&mlioh die Götter u. s. w.,
berufen; 8o meint der Lehrer B4dar&yana; warum? „wegen des
„Zutreffens", d. h. weil die Bedingungen der Bedürftigkeit u. s. w.,
welche die Ursache der Berufung sind, auch auf die Götter u. s. w.
zutreffen. Was nämlich, zunächst die Bedürftigkeit zur Erlösung
betrifft, so trifft diese auch auf die Götter u. s. w. zu, indem die«
selbe bei ihnen vornehmlich ans der Einsicht entspringt, dafs ihr
stumm I. lu. 26. 167
Haektyermögeo, weil es dem Bereiche des Erschaffenün angehört,
ein Yergängliohes ist. Weiter aber trifft es auch aaf sie xu^ dafs
sie aar Erlösung fllhig sind, weil sie, nach dem ttbereinstimmenden
Zeiignisae der Mantra*8 und ihrer Auslegungen, der epischen und
der. mythologischen Gedichte sowie anch der Erfahrung,- | Indivi- 981
doalit&t u. s. w. besitzen. Auch werden dieselben nirgendwo aus-
geschlossen, und auch der das Upanapanam u. s. w. zur Bedingung
machende Heilskanon steht ihrem Berufensein nicht entgegen ; denn
das Upanoi^anam geschieht zum Zwecke des Yedastudiums; den
Göttern aber ist der Veda schon von selbst [und ohne Studium]
offenbar. Übrigens ist aus der Schrift zu elrsehen, wie auch Oötter,
um der Wissenschaft teiihaft zu werden, sich der Brahmanenschü-
lerschaft unterwerfen, denn es heifst a,B.: „hundert und ein Jahr
„wohnte der Mächtige [Indra] als BFafamanenschüIer bei Praj&pati*'
(GhÄnd. 8, 11, 3), und: „Bhrigu, fQrwahr, der Sohn des Varuna,
„trat Tor seinen Vater Yarona und sprach: t lehre mir, Yerehrungs-
„würdiger, das Brahman »" (Taitt. d, 1); und wenn auch in Bezug
auf die Werke eine Ursache angegeben wurde, warum die Götter
u. s. w. zu ihnen nicht berufen sein können, indem es hiefs: „nicht
„die Götter, weil keine andern Gottheiten [denen sie opfern könn-
„ten] vorhandenes — „nicht die Risbi's, weil keine andere Rishischaft
„vorhanden** (^abarasvämin zu Jaim. 6, 1. 5» p. 605, 19. 20), so steht
es dooh anders bei dem Wissen. Denn -wo es sich um die Berutu..|f
des Indra u. s. w. zum Wissen handelt, liegt kein Werk zu thun vor,
welcdies an den Indra u. a. w. gerichtet wäre,. und wo es sich jim
die des Bhrigo u, s. w. handelt, kein solches, welches um der Zu-
gehörigkeit zum Stamme des Bhrigu u. s. w. willen [diesem] dar-
Buhringen wäre; folglich ist kein Grund vorhanden, worum zum
Wissen nicht auch die Götter und Bishi^s berufen seiQ könnten.
[Und auch die Schriftstelle von der zollhohen [eigentlich: eines 282
Daumens Breite hohen] Grefse des Pumsha steht mit der Berufung
der Götter nicht in Widerspruch, sofern bei ihnen die. Breite ihres
eigenen [göttlichen] Daumens den Mafsstab bildet.
27. virodhah karmani, iti cen? na! mieha-pratipatter
darQanät
Widerspruch in Betreff des Werke«, meint ihr? O neinl
wegen Annehmung verschiedener, weil die« ersichtlich.
^Nun gut*, könnte man sagen, *aber wenn man sich die Be-
*rafung der Götter zum Wissen dadurch begreiflich macht, dafs
'man ihnen Individualität u. s. w. zuschreibt, so mui's man um eben
^dieser Individualität willen weiter auch annehmen, dafs Indra u. s. w.
168 g&rlraka-mtm&osA
'ebenso gut wie die Opferpriester und andere mit ihrer leibhaftigen
'Gegenwart an der Opferhandlung beteiligt sind; daraus aber würde
'ein „Widerspruch in Betreff des Werkes^' folgen; denn dafs Indra
^. 8. w. an dem Opfer mittels leibhaftiger Gegenwart teilnehmen,
'ist gegen den Augenschein, und ist auch nicht möglieh; denn
'wenn dem einen Indra gleichzeitig viele Opfer dargebracht werden,
'so ist es nicht möglich, dafs er bei allen leibhaftig gegenwärtig sei.*
. Darauf erwidern wir, dalk hier kein Widerspruch vorliegt;
283 warum? „wegen Annehmung verschiedener"; | d. h. weil ein, wie-
wohl einheitliches, Götterwesen gleichzeitig verschiedene Gestalten
annehmen kann. Woher wissen wir das? „weil dies ersichtlich"
ist; n&mlich aus einer Schriftstelle, welche zuerst auf die Frage:
„wie viel Götter giebt es?" zur Antwort giebt: „drei und drei
„hundert und drei und drei tausend" (3306), und auf die weitere
Frage: „welches sind diese?" erwidert: „das sind nur ihre Kräfte;
„Götter aber giebt es nur drei und dreifsig" (Brih. 3, 9, 1 — 2);
aus dieser Schriftstelle ist ersichtlich, dafs jedes einzelne Götter-
wesen gleichzeitig mehrere Gestalten annehmen kann. Weiter
aber lehrt -dieselbe Schriftstelle von den drei und dreifsig Göttern,
[indem sie dieselben] durch Vermittlung von sechs u. s. w. [zuletzt
auf einen zurückführt], in den Worten: „welches ist der eine Gott?
„ — Das Leben, so sprach er" (Bfih. 3, 9, 9), — dals alle Götter
als einheitliches Wesen den Präna (Leben) haben, und dafs dieser
einheitliche Präna gleichzeitig mehrere Gestalten annehmen kann«
Ferner sagt auch die Smriti (Mahllbh. 12, 11062):
„0 Fürst, viel tausend Leiber kann der Yogin
„Sich schaffen nach erlangtem Kraftvermögen
„Und auf der Erde wandeln durch sie alle.
, „In einigen geniefst er Sinnesfreuden,
„In andern übt er furchtbarliche Bufse,
„Und wieder fafst er alle sie zusammen,
„Gleichwie die Sonne ihrer Strahlen Scharen."
284
Stellen wie diese lehren, dafs sogar die Yogin's, nachdem sie die
acht] Machtvollkommenheiten, sich atomklein u. s. w. zu machen,
erlangt haben, gleichzeitig in verschiedene Leiber eingehen können ;
um wie viel mehr mufs dies von den Göttern gelten, welche von
Geburt an jene YoUkommenheiten schon besitzen! Mittels dieser
Fähigkeiten also, verschiedene Gestalten anzunehmen, zerteilt sich
jede einzelne Gottheit in viele Gestalten und nimmt auf diese
Weise gleichzeitig an vielen Opfern teil; dafs sie aber dabei von
andern nicht gesehen wird, beruht auf dem ihr zukommenden
Vermögen, sich unsichtbar zu machen.
Die Worte des Sütrams „wegen Annehmung verschiedener,
„weil dies ersichtlich", lassen sich auch noch anders erklä-
ren, nämlich folgendermafsen. Auch bei individuellen Wesen ist,
Sütram I. m. 27. 169
wo es sieb am Gebote bandelt, die ein [f&r sie zu vollbringendes]
Werk betreffen, eine „Annehmnng verscbiedener^* [Gaben] „ersiobt-
„licb^'. In manchen Fällen freilich kann das eine Individunm
nicht gleichzeitig an vielerlei teilnehmen; so wie z. B., wenn viele
Speise darbringen, der eine Brahmane nicht gleichzeitig von ihnen
gespeist werden kann; in andern Fällen aber kann das eine Indi-
viduum gleichzeitig an vielerlei teilnehmen; wie z. B. indem viele
Verehrung zollen, der eine Brahmane gleichzeitig von ihnen allen
diese Verehrung entgegennimmt. In ähnlicher Weise steht es auch
hier; denn das Opfer beruht wesentlich in [den beiden Momenten]
der Vermachung (uddega) und der Verzichtung (pairityäga)*y es ist
aber wohl möglich, dafs viele gleichzeitig auf das, was ein jeder
besitzt, . verzichten und dasselbe einer einzigen, wennschon, indivi-
duellen, Gottheit vermachen. Somit tritt, auch wenn diu Götter
Individualität haben, durchaus kein „Widerspruch in Betreff des
„Werkes" ein.
28. gabda', iti cen? na! atah prabhaväty pratyitkshor 285
anumän&Vhydm
in BetrefiF des Schrift Wortes, meint ihr? Nein, weil
aus diesem ihr Ursprung, nach der Wahrnehmung
und Folgerung,
«
Man könnte einwenden: *mag auch durch Annahme der Indivi-
^dualität der Götter u. s. w. kein „ Widerspruch in Betreff des
'„Werkes" eintreten, so ist doch ein solcher unvermeidlich „in
S,Betreff des Schriftwortes". Nämlich [bei Jaimini 1, 1, 5] wird,
^mit Berufung darauf, dafs „die Verbindung des Wortes mit der
'„[betreffenden] Sache eine ursprüngliche" ist, die Autorität des
'Vedawortes als eine „unbedingte" [nicht vom Entstehen und Ver-
'gehen der betreffenden Sachen abhängige] hingestellt. Im vor-
^liegenden Falle nun aber folgt aus der Auffassung der Gottheiten
'als individueller Wesen, dafs dieselben, wenn sie auch vermöge
^ihrer Machtvollkommenheit gleichzeitig die Spenden verschiedener
'Opferwerke entgegennehmen können, doch, um eben jener ihnen
'beigelegten Individualität willen, ebenso gut wie unser einer ge-
'boren werden und sterben müßsen. Da uun zwischen dem ewigen
'Vedaworte und dem niehtewigen Gegenstande, von dem es redet
'[nämlich den Göttern], eine ewige Verbindung unmöglich ist, so
,8cheint hierdurch „in Betreff des Scliriftwortes", eine Erschütterung
'der ihm zuerkannten Autorität herbeigeführt zu werden.' —
Auf diese Behauptung erwidern wir, dafs auch in dieser Hinsicht
170 ^ir1nka-]&!m&te4
[d. h. „in Betreff des Schriftwories^t« welobes ewig »t und dock Tön
nic&tewigen Ödttern redet] kein Widersprach besteht, und der
Grund ist, „weil aus diesem ihr Ursprung'^; d. b. weil „aus diesem",
aus dem vedisdien Worte, die ganxe Welt mit Einsohlufs der
Götter «nisprungen ist. — 'Aber wurde nicht in dem S&tram
S,wx>raus Ursprung u. s. w. dieses [Weltalls] ist" (1,1)2) gelehrt»
^afs die Welt aus Brahman entsprungen sei? Wie kann es also
'hisjl: heifsen, sie sei aus dem Schriftworte entsprungen? Gesetst
!286 *aber auch, | der Ursprung dieser Welt aus dem Yedaworte werde
^sugegeben, wie kann dadurch der gegenwärtige „Widerspruch in
'„Betreif des Sdliriftwort^s" vermieden werden? Denn [die Götter,
'wie z. B.] die Fosif's, Stidra's, Ädiipd'ß, Vigve devä^, Mamfs
^sind s&mtlich, weil sie entstanden sind, nicht ewige Wesenheiten.
• *Sind dieselben aber nicht ewig, so folgt anTenneidlich, dafs auch
'die von ihnen, von den Vasu*H u. s. w., handelnden Yedastellen
ebenfalls nicht ewig sind. Denn die Erfahrung lehrt allgemein,
'wie 2. B. erst dann, wenn dem Devadatta ein Sohn geboren woi>
'den, diesem ein Name, «. B. Tajnadatta, gegeben wird. Somit
'ist allerdings jener „Widerspruch in Betreff des Schriftwortes'* vor-
'handen.' — Hierauf entgegnen wir, dafs dem nicht so ist, weil die
Verbindung zwischen dem Worte, z. B. dem Worte „Kuh", und
der entsprechenden . Sache sich als eine ewige erweist. Denn wenn
auch die Individuen (v;yaiM, wörtlich: Kfinifestationen) der Kühe
u. 8. w. entstehen, so folgt daraus doch nicht, dafs auch die Gat-
tungen (äkrüi^ wörtlich: Gestalt, c?5o(, species) derselben entstan-
den sind; vielmehr sind es bei Substanzen, Qualitäten und Aktio-
nen immer nur die individuellen Erscheinungen (v^kti)j nicht aber
die Gattungen (dkriti), welche entstehen. Nun sind aber die
Yedaworte mit den Gattungen, nicht mit den Individuen, vei*bun*
den ; denn wegen der Zahllosigkeit der Individuen ist eine Verbin-
dung des Vedawortes mit ihnen nicht zu bewerkstelligen. Wenn
also auch die Individuen erst in der Zeit entstehen, so bleiben
doch die Gattungen ewig bestehen, und darum liegt in der Be^
nennuBg derselben dui*ch die ewigen Vedaworte, Kuh u. s. w., kein
•287 Widerspruch. | Ganz ehciso steht es auch bei den Göttern. Wenn
auch zuzugeben ist, dafs die individuellen Erscheinungen derselben
entstanden sind, so bleiben doch ihre Gattuns^en ewig bestehen,
und darum liegt kein Widerspruch darin, dafs diese mit den im
Veda ewig vorhandenen Worten, Vasti u. a, w. , verbunden sind.
Was aber bei den Göttern u. s. w. die nähere Bestimmung der
Gattungen betrifft, so hat man dies€> aus den in den Mantra's und
Arthavüda's (Erläuterungen) vorliegenden individuellen Bestimmungen
zu entnehmen. Nämlich solche Worte wie Indra u. s. w. bedeuten^
ähnlich wie z. B. das Wort „Generalis nur das Innehaben eines
bestimmten Postens. Wer also gerade den betreffenden Posten
bekleidet . der "fülirt den Titel Indra u, s. w. , so dafs hier kein
SHtram I. m. ^. 171
Anfliofs zu finden ist. Übrigens ist dieses EntsUndensein der
Welt aus dem Vedaworte nicht in dem Sinne in nelunen, als ban-
delte es sieb, wie bei dem Entstandensein ans Brabauun, ttm eine
materielle Ursaebe; Boadern es ist Tielmehr so m verstehen, daüs,
w&hrend das Yedawort, als der Aasdmck des beharrlichen Seins
ewig und für ewig mit der entsprechenden Sache terbnnden ist,
nnr das dem Ansdmidce ' des Tedawortes konforme HenroiifeheB
der Individnan der Dinge ein Entspringen dersell^en an^ dem
Yedaworte genannt wird. Aber woher wissen wir, dafs di> Welt
aus dem Yedaworte entsprangen ist? Wir wissen es „nach der
,y Wahrnehmung und Folgerung". Die „Wahrnehmung*^ bedeutet
hier die QruH (Schriftoffenbamng) , weil sie keines Beweisgründe»
«uTser ihr bedarf, und die „Folgerung'' bedeutet dieSiNfi^i, weil diese
noch eines Beweisgrundes aufser ihr bedfUilig ist. Di<^e beiden
also lehren, dafs vor der Sch&pfung schon das Yedawort bestand;
denn eine Schriftstelle sagt [in einer allegorischen Auslegung von
Rigv« 9, 62,' 1 : „Da rannen Tropfen durch das Sieb schnell lun zu .
„aUem Glücksgenufs"] : „«Da», | nach diesem Worte schuf Pn^- 2S8
„pati die Götter, «rannen», nach diesem die Menschen, cTropfens,
.„nach diesem die Yäter, a durch das Sieb», nach diesem die
„D&monen (grahü)^ «schnell hini, nach diesem den Lobgesang,
„«zu allem», naih diesem das Preislied, nGlücksgenufs», nac^
„diesem die übrigen Kreaturen*' [nach der Glosse aus einem Chan^
dog€^bTähmanam\ Ebenso sagt eine andere Stelle: „da genofs er
„in seinem Geiste die Bede [das vorweltliche Yedawort] als Be-
„gattung*' (Brih. 1, 2, 4). In dieser Weise wird an manchen
Stellen von der Schrift gelehrt, dafs vor der Schöpfung . schon das
Yedawort da war. und ebenso sagt die Smriti (MaliÄbh. 12, 8534):
,J>er durch sich selbst ist liefs zuerst ausströmen
„Das Wort, das ewige, oho' Eud' und Anfang,
„Bas göttliche, das wir im Yeda lesen,
, »Yon welchem alle Weltentwicklong ansang."
Das Ausströmenlassen des Wortes bedeutet hier [nickt eine
Schöpfung desselben, sondern nur] dafs er seine Fortüberlieferung
in Gang brachte, indem eine andere Art der Ausströmung (Schöpfung)
für etwas, was „ohn' End' und Anfang'^ ist, sich nicht annehmen
läfBt; denn so heifst es weiter (Mah&bh. 12, 8535):
„Es schuf der Wesen Name und Gestalt
^Und ihrer Werke fortgesetztes Treiben
„Gem&rs dem Yedaworte Gott su Anfang";
und ebenso heifst es (Manu 1, 21): 2}^9
„Er schuf die Kamen aller Wesen
„Und ihrer Werke Einzelheit
„Dem Yedawort gernftH» su Anfang
„Und die Zustände mannigfach.**
172 g&rlimka-mlm&uB&
Dftfs man übrigens, wenn man sich anschickt, irgend eine Sache
hervorzubringen, zaerat an das Wort denkt, welches sie ausdrückt,
und emi dann sich an die Sache begiebt, das ist uns allen aus
der Erfahrung bekannt. In ähnlicher Weise schwebten dem (reiste
des Weltschöpfers PnJÄpati vor der Schöpfung die Vedaworte
vor, und erst darauf schuf er die ihnen entsprechenden Dinge.
Und so sagt auch die Schrift: „dieses ist die Erde, so sprach er^
„und schuf die Erde*' u. s. w. (Taitt. br. 2, 2, 4, 2). Diese Stelle
beweist, dafs entsprechend den seinem Geiste vorschwebenden
Worten, Erde u. s. w., die ihm vorschwebenden Welten, Erde u. s« w.,
erschaffen worden sind.
Aber wie sollen wir uns das Wort vorstellen, welchem gemftfs
die Dinge geschaffen worden sind?
*Man mufs', so spricht einer [ein Gegner], 'darunter ^nicht die
* Summe der einzelnen Buchstaben des Wortes, sondern] den Sphofa
'[das Aufplatzen, das plötzliche BewuTstwerden beim Anhören der
'Buchstaben des Wortes] verstehen; denn bei der Annahme, dafs die
'Buchstaben [des Wortes die Träger seiner Bedeutung seien], ist,
'da diese, [kaum] entstanden, zerstieben, ein Entstehen der Lidivi-
'duen, wie Gatter u. s. w., aus dem ewigen [Veda-] werte nicht
'möglich. Dazu kommt, dafs die, [kaum] entstanden, zerstiebenden
'Buchstaben je nach der Aussprache anders und wieder anders ver-
290 'nommen wcorden. | So ist es z. B. möglich, einen bestimmten
'Menschen,^ auch ohne dafs man ihn sieht, indem man ihn vorlesen
'hört, an dem Tone mit Bestimmtheit zu erkennen und zu sagen
'„Devadatta liest" oder „Yajnadatta liest". Und diese entgegen-
'gesetzte Auffassung der [nämlichen] Buchstaben beruht doch nicht
'auf Irrtum, indem keine Auffassung vorhanden ist, welche sie
'widerlegte. — Überhaupt kann man nicht annehmen» dafs der
'Sinn eines Wortes aus den [biofsen] Buchstaben erkannt werde,
'denn [erstlich] Iftfst sich nicht annehmen, dafs Jeder einzelne
'Buchstabe für eich den Sinn kund macht, weil sie von einander
'verschieden sind; [zweitens] ist auch [der Wortsinn] keine [blofse]
'Vorstellung der Summe der Buchstaben, weil dieselben der Reihe
'nach folgen [wobei die einen schon zerstoben sind, wenn die an-
'deren ausgesprochen werden]. Steht es nun vielleicht [drittens]
'so, dafs der letzte Buchstabe, unterstützt von dem Eindrucke
^(saifiskdra) , den die Ferception der vorhergehenden Buchstaben
'erzeugt hat, den Sinn kund macht? Auch das geht nicht. Denn
nur] das Wort selbst, unter Voraussetzung der Auffassung der
Buchstaben -] Verbindung , thut, aufgefafst, den Sinn kund, wie
'der Rauch [dessen zerstiebende und immer neu sich erzeugende
'Teilchen itir sich allein die Vorstellung des Rauches nicht zu
'geben vermögen]. Auch ist eine Auffassung des „letzten Buch-
'„stabens, unterstützt von dem Eindrucke, den die Ferception der
'„vorhergehenden Buchstaben erzeugt hat", nicht möglich, weil die
Sütram I. ni. 28. 173
'Eindrücke nichts Wahrnehmbares [mehr] sind. — Ist es denn nun
* vielleicht [viertens] der letzte Buchstabe, unterstützt von den
4n ihrer Nachwirkung percipierten Eindrücken [der vorhergehen-
den], welcher den Sinn kund macht? — Auch nicht; denn auch
'das Sicherinnem, wie es die Nachwirkung der Eindrücke ist, ist
'eine Beihe [von Yorstellungen in der Zeit, — was oben, zweitens,
'schon besprochen wurde]. — <8onaoh bleibt nur übrig , dafs das
*Wort [als Ganzes, d. h. sein Sinn] ein Sphofa [ein Aufplatzen] ist,
'welcher dem Percipierenden , | nachdem dieser durch Fereeption 291
*der einzelnen Buchstaben den Samen der Eindrücke empfangen
^ and denselben mittels der Fereeption des letzten Bu«hstabenB zur
'Reife gebracht hat, in seiner Eigenschaft als eine einheitliche
'Vorstellung plötzlich einleuchtet. Und diese einheitliche Yorstel-
'lung ist keine Rückerinnerung, die sich auf die Buchstaben be-
'sdge; denn die Buchstaben sind mehrere und können daher nicht
'das Objekt der einheitlichen Vorstellung sein. Dieser [Sphofa^
^e Wortseele, wie man sagen könnte], wird bei Gelegenheit der
^Aussprache [nur] wiedererkannt [nicht erzeugt], und ist daher
'ewig, [sowie auch einheitlidi,] indem die Vorstellung der Vielheit
'sich nur auf die Buchataben bezieht. Somit ist das Wort [d. h.
'sein Sinn] in Gestalt des Sphofa ewig, und aas ihm als Benennen-
^dem entspringt als zu Benennendes ^e zum Behuf der Vergeltung
*der Werke an dem Th&ter entstandene Welt.'
Hingegen erkl&rt der ehrvrürdige Upavarsha [ein alter IflimäAsa-
und F6(ian^- Lehrer]: nur die Buchstaben sind das Wort — •
[Gegner:] 'Aber ich habe doch gesagt, dafs die Buchstaben, sowie
'sie entstehen, zerstieben.' — [Upavarsha:] Dem ist nicht so, denn
man erkennt sie wieder als die nämlichen. — [Gegnern] 'Dafs man
'sie wiedererkennt, beruht bei ihnen darauf, dafs aie den [früheren]
'ähnlich sind, etwa so wie bei den Haaren.' — [Upavarsha:'] 0
nein! denn dafs es ein Wiedererkennen [der näB^hchen, nicht blofs
ähnlicher] ist, wird durch keine andere Erkenntnis widerlegt. —
[Gegner:] 'Das Wiedererkennen hat nur in den Gattungen (ükriii)
'seinen Grund [wenn ich wiederholt a spreche, so ist es nicht das
'Individuum a, sondern die Gattung a, welche in den verschiede-
'nen Individuen wiederkehrt].' — [Uptwarsha:] Nein, sondern es
ist ein Wiedererkennen der Individuen. Ja, wenn man beim Spre-
chen, wie 0OB8t bei Individuen, z. B. bei Kühen, | immer andere 392
und andere Buchstaben-Individuen vernähme, so würde das Wieder-
erkennen in den Gattungen seinen Grund hüben: dem aber ist
nicht so; denn es sind die Buchstaben -Individuen selber, welche
beim Sprechen [immer wiederkehr/en und] wiedererkannt werden,
und [wenn einer das nämliche Wort, z. B. „Kuh", wiederholt, so]
nisont man an, dafs er zweimal das Wort „Kuh", nicht aber dafs
er zwei Worte „Kuh'* ausgesprochen habe. — [Gegner:] 'Aber die
'Buchstaben werden doch [wie oben geltend gemacht] je nach der
174 gMrAka*mlmftfi8&
'Yersohiedenlieit d«r Aussprache als Tersohie^eiie Ternommea, da
'man, wie schon gesagt, ddn Unterschied zwischen Devadatta and
^Yajnadatta ans itUß blolsen Tone ihres Torlesens heraoshören
• ^kann. ' [Das Wiedersrkennen eines Buchstaben mnfs' also ein sol-
'ches der Species, nicht des je nach der Aussprache Terschiedenen
^Individuums 6«n.]' — [Upßvarsha:] Unbeschadet der genauen
Bestiionitheit des auf die Buchstaben sich beziehenden Erkennens,
lassen sich doch die Buchstaben [mehr] verbunden oder [mehr]
getrennt aussprechen; und sonach hat die verschiedene Auffassung
der Bttchstal^en in der Verschiedenheit des Aussprechenden ihren
Orund, nicht aber in der Natur der Buchstaben. i>^emer: auch
der, welcher die Verschiedenheit in die Individuen der Buchstaben
[statt in die Art ihrer Aussprache] verlegt, mufs^ wenn eine Er-
kehntnie m^Uch werden soU^ {zunlUshst] Gattungen für die Buch-
staben ansetzen und dann annehmen, dafs diese [Gattungen] durch
S93 fremde Einfifisse verschieden auifgefafst werden; | und da ist doch
die Annahme als einfacher vorzu^ixehen, dafs bei den Individuen
der Buchstaben durch fk'emde Einflftsse die Auflassung der Ver-
schiedenheit, durch ihre eigene Natur hingegen das Wiedererkennen
derselben bedingt iet. Denn dadurch eben, wird die Annahme, * als
läge eine Verschiedenheit in den Buchstaben, widerlegt, dafs ein
Wiedererkennen derselben stattfindet. — [Gegner:] 'Aber wie kann
^es geschehen, dafs der Laitt pa, welcher doch einer ist, zugleich
'ein verschiedenartiger ist, wenn zur selben Zeit mehrere ihn ana-
^sprechen, und [ebenso] wenn er mit dem Akut, dem Gravis, dem
<3ircumflex, mit dem Nasal, ohne Nasal ausgesprochen wird?
'Willst du etwa diesem Einwände dadurch entgehen, dafii du be-
^hanptest, diese Verschiedenheit der Auffassung werde nicht durch
*die Buchstaben, sondern durch den Ton (dhvant) veranlafst, so
'möchte ich fragen, was denn das ist, was du unter „Ton'' ver-
'stehst?' — [Upamrsha:] Es ist dasjenige, welches, wenn man es
aus der Feme hört und den Unterschied der Buchstaben nicht
auffallt, an das Ohr schlägt, und welches die nahe Sitzenden ver-
anlafst, die Unterschiede der Tiefe [lies mandraiva^] und Höhe
[des Tones] den Buchstaben aufzuhängen. Und allerdings ist es
dieser [Ton], durch welchen die Unterschiede der. Betonung mit
dem Akut u. s. w. bedingt sind, nicht aber durch die eigene Natur
294 der Buchstaben. | Denn die Buchstaben werden, [unabhängig vom
Ton] so wie sie ausgesprochen werden, wiedererkannt. Nimmt
man dies, an, so haben die Wahrnehmungen der Accentuation eine
Basis, im anderen Falle nicht; denn was die Buchstaben betri£Ffc,
so werden sie nur wiedererkannt und sind [ein jeder von sich]
nicht verschieden; man müfste also annehmen, dafs die Untei'-
schiede der Accentuation in ihrer Verbindung und Trennung lägen;
Verbindung und Trennung aber sind nichts Wahrnehmbares, und
man kann sich nicht auf sie stützen , um zur Erklärung der Unter-
Satram I. in. 28. 175
fldhieda bei den BachBiaben stehen so bleiben; fcäglicl^ würden die
Wahrnehmangeu der Aceentoation u. s. w. keine Basis haben [ohne
Annahme des Tones]. Auch darein darf man sich nicht verrennen^
daTs, weil die Aceentuation Terschieden ist, auch die su erkennen*
den Bncfaitaben Terschieden seien. Denn weil die eine Sache Spal*
tnngen aeigt, daroin brancht sie eine andere, nicht mitgespiUtene,
nicht anch su zeigen; wie man denn z, B. deswegen, weil die.'In-
diTidaen unter sich verschieden sind, noch nicht annimmt, dafs
auch die Gattung Terschieden sei. Und da es somit möglich ist,
aus den I^nchstaben den Sinn lu erkennen, so ist die Hypothese
des Sphofa unnötig. -^ [Gegner:] ^Aber der Bpho{a ist gar keine
'Hypothese, sondern ein Gegenstand der Wahrnehmung. Denn in
'der Erkezmtnis \p%iddlu]^ nachdem sie [verschiedene] Eindrücke
'durch Auffassen der einseilnen Buchsitaben empfangen hat, | leuchtet. 295
'urpl^tslich [der Sinn des Wortes] auf.* *-^ [XJpavarsha:^ Dem ist
nicht so: denn auch diese Erkenntnis [des Sinnes des Wortes] be-
zieht sich auf die Buchstaben. Nachdem nämlich die Auffassung
der einzelnen Buchstaben \z, B. des Wortes „Kuh'^] der Zeit nach
Torhergegangen ist, so folgt ihnen diese einheitliche Erkenntnis
(buddki) ,4^uh^S deren Gegenstand die Gesamtheit der Buchstaben
und sonst nichts weiter ist. — [Gegner:] ^ Womit beweisest du
*das?' — [üpavarskai] Damit, dafs auch der so entstandenen Er-
kenntnis [„Kuh**] die Buchstaben K. u. s. w. , nicht aber die Buch«
Stäben T. u. s. w. anbauen; denn wenn der Gegenstand dieser Er-
kenntnis ein Spkofa^ ein von dem Buchstaben K. u* s. w. ver-
schiedenes Ding w&re, so würden ebenso wenig wie die Buchstaben
T. u. 8. w. auch die Buchstaben K. u. s. w. mit ihm etwas zu thun
haben; dem aber ist nicht so; und darum ist diese einheitliche
Erkenntnis [des Begriffes nicht ein Sphofay sondern] nur eine auf
die Buchstaben sich beziehende Erinnerung (varna-visJtayä
smritih), — [Gegner:] 'Aber wie ist es möglich, dsfs die ver-
'schiedenen Buchstaben der Gegenstand einer einheitlichen Erkennt*
'nis sind?' — [Upavarsha:] Darauf erwidern wir: auch ein Nicht-
Einheitliches kann Gegenstand einer einheitlichen Erkenntnis sein,
wie man ersieht an Beispielen wie: eine Reihe, ein Wald, ein
Heer, zehn, hundert, tausend u. s. w. Denn die Erkenntnis des
Wortes „Kuh" als einer Einheit ist, indem sie bedingt wird durch
die Aussonderung des einen Sinnes in den vielen Buchstaben, eine
accessorische {aupacdriki) j so wie die Erkenntnis Ton Wald, Heer
u. s. w. es ist. — [Gegner:] 'Aber wenn | die blofsen Buchstaben 206
'dadurch, dafs sie in ihrer Gesamtheit in die Sphäre einer ein-
*heitlichen Erkenntnis eintreten, das Wort ausmachten, so würde
'zwischen Worten wie: järä (die Liebhaber) und rdjä (der König),
^kapi (der Affe) ufid pika (der Kuckuk) ein Unterschied nicht ge-
'macht werden, denn es sind dieselben Buchstaben; und doch ge-
'ben sie in anderer Verbindung einen anderen Sinn/ — [üpaveur-
176 ' C^trakarin)Tn!tns&
sha:] Barauf antworten wir: auch wenn eine Betastung Hämtlicher
Buchstaben stattfindet» so können doch, so wie Ameisen nur,
, wenn sie ihre Aufeinandexfolge einhalten, zur Vorstellung eitler
Reihe werden , auch die Buchstaben nur dann, wenn sie ihre Auif-
einanderfolge einhalten, zur Vorstellung des Wortes werden, [wo-
mit dem Einwände des Gegners aber nur ausgewichen ist,] und
darin, dafs, auch bei Nicht -Verschiedenheit der Buchstaben, zu-
folge der Verschiedenheit ilirer Reihenfolge, eine Verschiedeiibeit
der Worte aufgafafst wird, liegt kein Widerspruch. Indem also
bestimmte Buchstaben, in ihrer Reihenfolge u. s. w. aufgefafst, nach
dem überlieferten Spracbgebrauche mit einem bestimmten, [durch
sie] aufgefafeten , Sinne verbunden sind, so kommen sie, wiewohl
in ihrem eigenen Gebrauche als einzelne Buchstaben aufgefafst,
sofort in der das Ganze umtastenden Erkenntnis gerade als die
297 -und die zum Bewufstsein | und übermitteln dadurch ohne Fehl den
und den bestimmten Sinn. — Somit ist die Annahme, dafs die Buch-
staben [der Träger des Sinnes] sind, die einfachere, wohingegen
die Annahme des Spkota da» Sinnfällige verlaust und ein Über-
sinnliches hypostasiert, wobei angenommen wird, dafs diese be-
stimmten Buchstaben, der Reihe nach aufgefafst, den Sphofa offen-
baren, und dieser Spkota dann erst den Sinn offenbart, was doch
eine ziemlich schwierige Annahme ist. Zugegeben also, dafs die
Buchstaben, je nachdem man sie ausspricht, andere and wieder
andere sind, so mufs man doch unweigerlich annehmen, dafs als
das, worauf sich das Wiedererkennen stützt , ein Identisches in den
Buchstaben vorhanden ist, und dafs bei den Buchstaben die vor-
gesetzte Absicht, den Sinn mitzuteilen, in diesem Identischen über-
mittelt wird.
Somit ist es kein Widerspruch, anzunehmen, dafs die Indivi-
duen der Götter u. s. w. aus den ewigen Vedaworten entstan-
den sind.
^9. ata' eva ca nityatvam
und gerade darum die Ewigkeit.
Gegen die Ewigkeit des Veda, welche schon dadurch feststeht,
däfs der durch sich selbst Seiende beim Schaffen [der Dinge an
die entsprechenden Worte] sich erinnern mufs, war wegen <h»r
Annahme des Entstanden^eins der individuellen Erscheinungen der
Götter u. s. w. ein Widerspruch zu befürchten. Um diesen zu be-
seitigen hiefs es [im vorigen Sütram] : „weil aus diesem ihr ür-
298 „Sprung/* | Jetzt nun wird jene schon feststehende Ewigkeif de*'
Sütram L in. 29. 177
Veda noch des weiteren erh&riet durch die Worte: ),iind gerade
„daram die Ewigkeit'^; d. h. [nicht nur obgleich die Götter ent-
standen sind, sondern] gerade darum, weil die Welt mit Göttern
u. 8. w. um der festbestimmten Formen willen, welche sie seigt,
nur aus dem Yedaworte entstanden sein kann, mufs man die Ewig-
keit des Yedawortes annehmen. Und dieses lehrt auch der Schrift-
vers (RigT. 10, 71, 3):
„Mit Andacht folgten sie der Rede Spuren
„Und fanden sie einwohnend in den Rishi's.'*
Aus dem hier erwähnten Finden der Rede folgt, dafs dieselbe
schon vorhanden sein mufste. Hiermit stimmt auch die Smfiti des
Vedavy&sa überein, wenn er sagt (Mahäbh. 12, 7660):
„Die Veden und die epischen Gedichte,
„Die beim Weltende sieh ?erborgen hatten,
„Empfingen bQfsend nun zuerst die Weisen
„Durch dessen Gnade, der da durch sich selbst ist.*'
30. samäna-näma-rüpatväc ca ävrittau api avirodho,
dar^anM smriteg ca
und wegen der Gleichheit der Namen und Gestalton
ist auch bei der Wiederkehr kein Widerspruch, wegen
der Offenbarung und der Smriti.
^Nun-ja', könnte man sagen, *dem möchte wohl so sein, wenn
'die Individuen der Götter u. s. w. , ähnlich wie wir es bei den
'Individuen der Tiere u. s. w. sehen, in ununterbrochener Reihen-
'folge entstünden und vergingen ; dann würde in Bezug auf Namen, -
*Namenträger und Namengeber eine Uuunterbrochenheit des Welt-
'treibens bestehen, der Zusammenhang [der Welt] würde ein ewi-
*ger sein, und der „Widerspruch in Betreff des Schrifbwortes "
'[welches die neu entstehenden Götter immer wieder mit denselben
'Namen belegt] wäre vermieden. Aber wie nun, wenn eimniil das
'ganze Universum, alle seine Namen und Gestalten verlierelnd,
'spurlos zu Grunde geht und sodann wieder aufs neue entsteht, -^
'wie Schrift und Smriti es versichern , — wie. läfst sich dann | dem 290
'Widerspruche [dafs die im Yeda gelehrten Götter als dieselben
'wieder neu erstehen sollen] entgehen?'
Hierauf dient zur Antwort: „wegen der Gleichheit der Namen
„und Gestalten". Zunächst nämlich mufs man auch für diesen
DcuuJUi, VedAnt». 12
178 C'^rlraka-mtmlin8&
Fall daran festhalten, dafs der Sams&ra ein anfangsloser ist. Und
diese Anfangslosigkeit ^es Samsara wird der Lehrer darlegen in
dem.Sutram: „und diese ergieht sich, und sie wird auch ver-
„nommen" (2^ 1, 36). Ist aber der Saqis&ra anfangslos, dann steht
es so damit, dafs , gleichwie in Bezug auf Euischlafen und Er-
wachen, obgleich dieselben von der Schrift als ein Untergehen
und Neuentstehen geschildert werden, doch, weil das Treiben in
dem folgenden Zustande des Wachelis dasselbe ist wie in dem vor-
hergehenden , kein Widerspruch stattfindet , — ebenso die Sache
sich verhält bei dem Untergehen und Nouentstehei\ einer ganzen
Weltperiode (fta(pa>. Dafs nämlich das Einschlafen und Wieder-
erwachen ein Untergehen und Neuentstehen int, lehrt die Schrift,
wenn sie sagt: „wenn einer so eingeschlafen ist, dafs ^ er kein
„Traumbild schaut, so ist er eins geworden in jenem Präna; dann
„gehet in ihn ein die Rede mitsamt allen Namen, das Auge mit-
„samt allen Gestalten, das Ohr mitsamt allen Tönen, das Manas
„mitsamt allen Gedanken; und wenn der Mensch wieder erwacht,
„dann geschieht es, dafs, gleichwie aus einem brennenden Feuer
„nach allen Seiten die Funken entspringen, ebenso auch aus die-
„sem Atman alle Lebeusorgane, ein jedes zu seinem Standorte hin,
„entspringen, aus den Lebensorganen die Götter, aus den Göttern
„die Welten" (Kaush. 3, 3). -r- Man könnte einwenden: ^f&r den
^Schlaf mag dies .ja gelten: denn da während desselben das Trei-
'ben der übrigen Menschen ununterbrochiin fortbesteht, und auch
'das Treiben des Eingeschlafenen und Wiedererwachenden selber
'an dasjenige des früheren Wachezustandes anknüpfen kann, so
'liegt hier kein Widerspruch vor. Anders aber ist es bei dem
300 ^grofsen Weltuntergauge; | hier wird das ganze Welttreiben auf-
'gehoben, und daher ist es nicht möglich, dafs, entsprechend dem
'Treiben in der vormaligen [ Welt-]Geburt , das Treiben der neuen
'Weltperiode wiederanknüpfen könne/ — Dieser Einwurf ist nicht
zutreffend. Denn wenn auch der alles Treiben zu nichte machende
grofse Weltuntergang einmal eintritt, so ist es doch möglich, dafs,
mit Bewilligung des höchsten Gottes (i^vara), die Götterherren
(igvaräh) wie Hiranyagarhha u. s. w. an das Treiben der vorigen
Weltperiode wieder anknüpfen. Denn wenn auch die gewöhn-
lichen Lebewesen, wie die Erfahrung zeigt, nicht im Stande sind,
an ihr eigenes Treiben in einer vormaligen Geburt wiederanzu-
knüpfen, so braucht dies doch nicht ebenso wie bei gewöhnlichen
Wesen sich bei den Götterherren zu verhalten. Denn so wie, ob-
gleich alle ohne Unterschied Lebewesen (Seelen, pränin) sind, doch
vom Menschen an bis herab zur Pflanze eine mehr und mehr zu-
nehmende Hemmung der Erkenntnis und Machtvollkommenheit
sich wahrnehmen läfst, ebenso findet vom Menschen nach aufwärts
zu bis zu Hiranyagarbha hin [welcher, das oberste Götterwesen,
das persönlich gedachte Brahman, der Brahman ist] eine mehr
Sfttnm L m. ao. 179
und mehr annehmend« EDtfaltnng der Erkenniaiii nnd Macht*
Tollkommonheit statt, und dieae höchste MachtTollkommeiiheit jener
[swar nicht, wie daa Br4hman, schlechthin unvergänglichen, aher
doch] mehr als einmal in der nächsten Weltperiode (antdcälpa)
XL. 8. w. zum Vorschein kommenden [Oötterherren] wird ron Schrift
und Smriti ausdrücklich bezeugt und läfst sich daher nicht in Ab-
rede stellen. Und hieraus folgt, | dafs von jenen Oötterherren, 301
Hiraftyagarhha u. s. w., indem sie, zufolge ihrer in der vergange-
nen Weltperiode bewährten Ausgezeichnetheit an Wissen und Wer«
ken, in der gegenwärtigen Weltperiode wieder zum Vorschein kom-
men, mit Bewilligimg des höchsten Gottes, eine Wiederanknüpfung
an das Treiben der vorherigen Weltperiode, ähnlich wie bei dem
Einschlafenden und Wiedererwachenden, bewirkt werden kann. Und
so sagt die Schrift (Qvet. 6, 18):
,J>er Gott,, der einst den Brahmän [Hiranyagarbka] hat erschaffen,
„Und ihm die Veden flbergeben hat,
yfiet sieh als Gott im Selbstbewuistsein zeigt,
„Bei ihm find' ich, Erlösung suchend, Zuflucht^*
Und die Suiriti des Qaunaka und der andf'rn [Verfasser von Pra-
ti^äkh3ra's] lehrt, dafs die Dekaden [des Kigveda, nachdem sie zu-
nächst dem Hirca^ißaparbha übergeben worden waren, darauf] von
Madhucehandas [dem Verfasser der Anfangshymnen im Rigveda]
nnd den Übrigen ^ishi*» geschaut worden sind. Und in der«
selben Weise werden für jeden Veda [als Schauer desselben] die
Rishi's der einzelnen Abteilungen nebst dem Übrigen [was zum
Studium desselben erforderlich ist] überliefert. Ja, die Schrift
lehrt, dafs man nur nach vorausgehender Kenntnis des [betreffen-
den] Rishi mit einem Mantra (Hymnus, Spruch) sich beschäftigen
daif; denn es heifst: „wer einen Mantra zum Opfer oder Studium
„verwendet, bhne dafs er von ihm Rishischaft, Metrum, Gottheit
„und rituelle Verwendung kennt, | der stöfst an einen Baumstamm 302
„oder Wlt in eine Grube ^* [föhrt in #lne Pflanze oder kommt in
die Hölle, — wie die Vedäntatheologen dies erklären]; und wei-
ter: „darum soll man .bei jedem einzelnen Mantra diese kennen.*'
(Ärshepa-'brähmanam p. 3, ed. Bumell.) Weiter aber [folgt aus
dieser Identität des Veda in den verschiedenen Weltperiöden die
„Gleichheit der Namen und Gestalten** in denselben; nämlich im
Veda] wird die Pflicht geboten, damit die Lebewesen der Lust teil-
haft werden, und die Pflichtverletzung verboten, damit sie sich
vor Unlust bewahren. Nun beziehen sich die Zuneigung und Ab-
neigung [zu Lust und Unlust, wie sie vom Ritualgesetze zu Trieb-
federn des Handelns gemacht werden], auf eine der Erfahrung ge-
roäfs von der Schrift gelehrte Lust und Unlust (dfishta-ätii^ravika-
^ukha^'dufjjcha) y nicht auf eine solche, welche von dieser wesens-
12*
180 Ctolraka>inlmlA8&
tronidiieden wäre; and hieraus folgt, dafs die lar Vergeltung der
Pflichterföllnng und Pflichtverletcung [auch nach dem grofsen Welt-
untergänge] immer wieder neaentstehende Weltschöpfung von fthn-
lichem Charakter wie die vorherige Schöpfung sein muTs. Und
eine Srnpüstelle (Mah4bh. 12, 8525 fg.; vgl. Manu 1, 28 --29) sagt
[indem aie nicht nur das Leiden, sondern auch das Thun des
Menschen von seinen Werken in der vorhergehenden Geburt ab«-
h&ngig sein läTst]:
i^IMe Werke, welche in der frftheren Schöpfung Jeder
y,Sich auserw&hlt, zu diesen strebt er hin,
„Indem et immer wieder wird geboren;
„Ob Haft ob Liebe, Mitleid oder Hftite,
„Recht oder unrecht, Loge oder Wahrheit, —
,jZa allem sind im voraus sie gestaltet;
„Daher yerschiedenheit der Neigung waltet'^
dos I Diese Welt also geht swar au Grrunde, aber so, dafs die
Krifte (^akÜ) von ihr abrig bleiben, und diese Kr&fte sind die
Wnrsel, aus der sie wieder hervorgeht; denn sonst würden wir
eine Wirkung ohne Ursache haben. Nun kann man nicht an-
nehmen, dafs die Krftfte [aus denen die Welt neu hervorgeht]
verschiedener Art [von denon, ans welchen sie früher hervorging]
seien« Darum muTs man angeben, dafs, trota der immer wieder*
holten Unterbrechung [des Weltumlaufes], für die [neu] entstehen-
den Reihen der Welträume, wie Erde u. s. w., fftr die Reihen der
Gruppen der lebenden Wesen, Götter, Tiere und Menschen, und
fOi" die verschiedenen Zust&nde der Kasten, A^ama's, Pfliohten
und Belohnungen in dem anfangslosen Sams&ra eine notwendige
Bestimmtheit (nipatatvam) vorhanden ist, ähnlieh der notwendi-
gen Bestimmtheit in der Verbindung der [fünf] Sinnesorgane mit
den fünf] Elementen; denn auch bei diesen Ufst sich nicht für
die jedesmalige Schöpfung die Möglichkeit einer Verschiedenheit,
etwa eo, dais es ein sechstes Sinnesorgan und Element gäbe, ab-
sehen. Indem somit das Treiben ein ähnliches ist, und es mög-
lich macht, [bei einer Neu -Schöpfung] an das Treiben in der
früheren Weltperiode wieder anxuknüpfen, so schweben bei der
jedesmaligen Schöpfung den [dieselbe bewirkenden] Götterherren
(iQvaräi^) solche Bestimmtheiten vor, welche gleiche Namen und
Gestalten [mit den vormaligen] haben, und zufolge dieser „Gleich-
„heit von Namen und Gestalten" geschieht es, dafs „auch bei der
304 „Wiederkehr", | d. h. auch wenn man eine totale Neuschöpfung nach
totaler Vernichtung der Welt annimmt, dennoch „kein Widerspruch'^
gegen die Autorität u. s. w. des Vedawortes sich erheboi läfsi.
Diese „Gleichheit der Namen und Gestalten" beaeugen die Schrift
uiid die Smriti; so in den Worten (Rigv. 10, 190, 3):
'^n-^^
S6tram L m. 80. 181
,,Wie vordem (! — ffothd pikream) schaf der Schöpfer Mond and Sonne,
,,Den Laftraom nnd dts Licht, und Erd'nud Himmel;*'
das beifst [vermeintlich]: so wie der höchste Gott die Welt mit
Sonne, Hond u. s. w. in der vorhergehenden Weltperiode gebildet
bat, ebenso bat er sie auch wieder in der gegenwärtigen Welt-
penode gebildet. Ebenso beifst es in der Stemopfer- Ordnung
(Taitt. br. 3, 1, 4, 1): „4^^' (Oott des Feners) begehrte, der Speise^
„esser der Götter zu sein; da bot er dem Affni, wie er in Gestalt
„der KrUtikälj^ [Sternbild der Plejaden] besteht, einen Opferkochen
„in acht Schalen dar.^* Hier haben der .^^t, welcher darbietet,
und der Agni, welchem er es darbietet, gleiche Namen nnd Gor
stalten; daher man sich auch [freilich wohl mit Unrecht] auf diese
Schrütstelle berufen kann. Und auch die Sipriti sagt [die beiden
ersten Yerse Mahftbh. 12, 8636. 8660]:
„Die Rishi's, die der Ewige am Ende
,,Der grofsen Welteanacht hervorgebracht,
„Denen verlieh er abermals die Namen
„Und ihre Schannngen des Yedaworts.'^ —
i „Wie in des Jahres Kreislanf , mannigfach 305
„Gestaltet, immer als dieselben sieh
„Der Jahreszeiten Glieder wiederholen,
„So in den Weltenaltem alle Wesen. —
„Nach ihren Stellen sind die frahem Götter
„Gleichartig denen, welche jetzt wir haben,
„Ein jeder Gott sich selbst an Form und Namen.'^
Hl. madhih4dishu osanAhavdd anodUkäram Joiminih
wegen der Unmöglichkeit bei der Honiglehre u. s. w.
lehrt ihre Nichtberufung Jaimini.
Hier wird das, was wir über das Beruf ensein auch der G5tter
zum Brahmanwissen angenommen haben, umzustürsen versucht.
Nämlich der Lehrer Jaimini meint, ^dafs die Götter nicht zur
^Wissenschaft berufen seien; warum? „wegen der Unmöglichkeit
%,bei der Honiglehre u. s. w." Wären dieselben nämlich zum Brah-
^manwissen berufen, so würde- folgen, dafs sie auch zur „Honig*
■lehre" {Madhumdyä^ Chänd. 3, 1 — 11) und ähnlichen Lehren be-
*rttfen seien, da auch diese zum Lehrinhalte [der Upanishad's]
^gehören; das aber ist unmöglich aus folgendem Grunde. Wenn
*e8 beifst: „fürwahr diese Sonne ist der Honig der Götter^- (Chänd.
'3, If 1), so können es nur die Menschen sein, welche hier den
182 C'fcrtraka-inlm&i»s&
'Sonnengott (Adüya) unter der Änffaesung als Honig verehren
'sollen; denn wären auch die Götter u. b. w. mit unter den Ver-
'ehrem zu verstehen, so würde der Sonnengott einen andern Sonnen-
306 'gott verehren müssen, was unmöglich ist. | Und wenn weiter [eben*
^daselbst] die fünf am die Sonne sich sammelnden Nektartrfinke,
'das Rote u. r. w., durchgegangen werden [lies anukraniya\ und
'dabei gezeigt wird, wie der Reihe uach.f^f Götterklassen, näm-
'lieh die Fo^t^'s, Budra'^^ Adityä'Bi Marut^B und Sddki/a's von
'je einem dieser Nektartränke leben, und wenn es dann weiter
'heifst: „wer diesen Nektar also kennt, der wird zu einem der
'„Fasu's, schaut durch den Agni als Haupt jenen Nektar und sät-
'„tijy^ sich an ihm" u. s. w. (ChUnd. 3, 6, 3 fg.)? so wird hier ge-
'lehrt, dafs diejenigen, welche den Nektar erkennen, von dem die
^Vüsü'b u. 8. w. leben, die Machtherrlichkeit der Volsu^b u. s. W. er-
'langen. Wie steht es aber mit den V<iSU^B u. s. w. selbst, [wenn
'auch sie zu dieser Wissenschaft berufen sein sollen?] Welche
'andern, von dem Nektar lebenden, Vosu^b u. s. w. sollen sie er-
'kennen, und welche andere Machtherrlichkeit der Va^B u. s.w.
'sollen sie erlangen? — -Ferner wetm es heifst: ».'^^i ^^^ ^^ Fufs,
'„Vayu ist ein Fufs, Aditya ist ein Fufs, die Himmelsgegenden
'„sind ein Fufs [des Brahman]^' (Ch&nd. 3, 18, 2), — oder: „Väyu
'„(der Wind) fürwahr ist der an sich Raffer*' (Ch&nd. 4, 3, 1), —
'oder: „Aditya ist das Brahman, das ist die Lehre" (Chand. C3,
*19, 1), — PO können doch zu den derartigen Yerehrangen der
'Götterwesen unmöglich die Götterwesen selbst berufen seint —
'Und ebenso wenig kann in Stellen wie: „diese beiden [Ohren] hier
'„sind [die Rishi's] Gotama und Bharadväja^ dieses nämlich ist
\,Gotamay und dieses Bharadväja" (ßrih 2, 2, 4), die zu einer |
307 'Verehrung der Rishi's . in Beziehung stehen , eine Berufung eben
'dieser Rishi's zu derartigen Lehren angenommen werden.'
'Und warum weiter können die Götter .u. s. w. nicht zur Wissou-
schafb berufen sein? Antwort:
32, jyoüshi hhdvdc ca
'auch weil im Lichte ihr Sein'.
'Jene am Himmel befindliche Lichtscheibe, welche, Tag und
'Nacht mächtig schweifend, die Welt erleuchtet, auf diese [und
'die entsprechenden anderen Naturerscheinungen] beziehen sich die
'von Göttern, wie Aditya [dem Sonnengott] u. s. w., redenden Schrift-
•Worte, wie der gewöhnliche Gebrauch der Worte, sowie auch das
*in der augeführten Stelle weiterhin Folgende [Chand. 3, 6, 4: „so
'„lange Aditija im Osten aufgehen und im Westen untergehen wird^*]
Sfttram L ui. 32. 183
^boweifit; und es geht nicht an, der Liehtscheibe, als hätte sie ein
^Herz u. 8. w. , Individualität, und, als hätte sie Gisdanken, die
^fbeim Brahman wissen vorauszusetzende] Bedürftigkeit u. s. w. bei-
^zumessen, da sie offenbar ebenso wenig wie der Lehm und der«
^artige Dinge Oedanken besitzt. Dasselbe gilt auch von Agni
^[Feuer und Gott des Feuers] und den übrigen.* — Nun ja, könnte
man sagen, aber doch bleibt unsere Meinung imwiderlegt, da die
Individualität u. 's. w. der Götter u. s. w. sich aus den Mantra^B
(Hynmen und Sprüchen) und Arihavddä*s (theologischen Erklärun-
gen in den Brahmana^s), aus den Iiihä$a*B und 'Purdna*B (epischen
und mythologischen Gedichten) sowie aueh aus der Erfahrung er-
giebt. «— 'Diese Behauptung bestreiten wir. Denn was zunächst
'die Erfahrung betrifft, so kommt dieser gar keine selbständige
'Beweiskraft zn; denn durch Erfalfrung feststehend heifst eine
^Sache, welche nur aus den [weltlichen] Beweismitteln wie Wahr-
'nehmung u. s. w., sofern deren Bestimmungen keinem Bedenken
'unterliegen, sich ergiebt. In unserm Falle aber | kommt keinem 308
'der [weltlichen Beweismittel wie] Wahrnehmung u- s. w. Beweis-
'kraft zu. Auch die Itihäsa'B und Puräna^B erfordern, weil sie nur
^menschlichen Ursprungs sind, immer noch das B^gnindetsein durch
'eine weitlsre Autorität. Und was femer die Arthaväda^B betrifft,
'so stehen diese im einheitlichen Zusammenhange mit den [rituel-
*len] Vorschriften und dienen zu derMi Anempfehlung, daher sie
'nicht für siöh allein bei der Frage nach der Individualität u. s. w.
'der Götter eine Ursache der Entscheidung abgeben können. Die
^Manira*B aber endlich, wie sie vom Schriftkanon u. s. w. zur Ver-
' Wendung [bei den Geremonien] anbefohlen werden, bilden einen
'integrierenden Teil der [rituellen] Verrichtungen, dienen zum Aus-
'drucke [des dabei Vorkommenden] und können daher in keiner
*Saohe Beweiskraft haben', — wie jene [Anhänger des Jaimini] be-
haupten. ^Folglich*, schliefsen sie, 'ist es unmöglich, dafs die Göt-
'ter u. s. w. zum Bralmianwissen berufen seien.*
SB. bhdvan tu Bddaräyam; 'sti ki
sie sind es doch, lehrt Bädaräyana; denn sie ist
Thatsache.
Das Wort „doch" dient, um die gegnerische Meinung abzu-
lehnen. Nämlich der Lehrer Bädaräyana nimmt an, dafs auch die
Götter u. s. w. trotzdem berufen dind; denn wenn auch zu solchen
Lehren., bei denen, wie z. B. bei der „Honig1ehre'\ eine Ein-
mischung der Götter vorkommt, eine Berufung dieser selbst frei-
184 QIMraka-mtinJ^8&
lieh uamögUch ist, so iat die Berufung der Götter cur reinen
309 Brabmanwissentichaft doch. „Thatsache", sofern eine solche Beru-
fang dorch die Bedürftigkeit und Fähigkeit [cur Erlösung], durch
das Kichtausgeschlossensein von' derselben u. s. w. bedingt wird.
Denn wenn auch diese Eemfong fEir gewisse Lehren unmöglich '
ist, so ist sie danun doch nicht für d\e Fälle, in welchen sie
möglioh ist, in Abrede su stellen. £9 können ja auch nicht alle
Menschen, ja nicht einmal die ßrahmanen, su allen [heiligen Bräu-
chen] berufen sein, wie z. B. nicht zur., Königsweibe; und was dort
gilt, das mufs auch hier gelten. Dafs aber die Götter u. s. w.
zur Brahmanlehre berufen sind, dafür haben wir ein sprechendes
Anzeichen in der Schrift, wenn es heifst: „Wer immer von den
„Göttern dieses [durch die Erkenntnis: *^ich bin Brahman'*] inne
„ward, der ward eben zu demselbigen, und eben&o von den Ri-
„shi's, und ebenso von den Menschen** (Brih. 1,4, 10). Femer
auch in der Stelle: „Da sprachen sie [die Götter und Dämonen]:
"wohlan lafst uns den Atman erforschen, durch dessen Erkenntnis
*'man al)'^ Welten erlangt und alle Wönsche! Da machte von den
„Göttern Indra sich auf den Weg und von den Dämonen Yiro-
„cana" (Chäud. 8, 7, 2). Und auch die Smriti berichtet unter an-
derm die Uoterredung des Yäjiiavalkya mit dem Gandharva [nach
dem Glossator im Mokshadharma^ Mahäbh. 12]. Wenn aber be-
liauptet wurde: „auch weil im Lichte ihr Sein" bestehe, deswegen
seien die Götter nicht berufen, so antworten wir: obgleich die
zur Bezeichnung der Gottheiten dienenden Worte [lies: ^übäxi^y
wie AäAtya u. s. w. , sich auch auf das Licht u. s. w. beziehen, so
bedeuten sie doch [zugleich] die entsprechenden, mit Geistigkeit,
Gottherrlichkeit u. s. w. begabten Götterwesen; denn in diesem
Sinne werden sie in den Ifan^ra's und ATtha%>äAa^f^ gebraucht;
310 und I die Götter haben, kraft ihrer Gottherrlichkeit, das Ver-
mögen, entweder als Selbst (ätman) des Lichtes u. s. w. zu ver-
harren oder auch nach Belieben die entsprechende Individualität
(vigraha) anzunehmen; den^ also sagt die Schrift bei Erklärung
der «Su^raAman^^- Formel {Shadvmga^br. 1, 1): „«o Widder des
^^Medhätitkiy)^ nämlich als Widder einstmals raubte Indra den Käi^va-
„Spro/s mdhätitkV\ Und die Smpti erzäUt (Mahabh. 1, 4397),
wie Äditya in Mannesgestalt die Kunti besuchte. Ja, auch der
Lehm und ähnliche StofiFe haben nach der Schriftlehre geistige
Vorsteher, denn es heifst: „der Lehm sprach^' — „die Wasser
„sprachen*' (Qatap. br. 6, 1,3, 2. 4). Was aber die [fünf] Natur-
elemente, wie das Licht u. s. w., betrifft, so ist zuzugeben, dufb
dieselben auch als Sonne u. s. w. ungeistige Wesen sind; aber auch
sie haben als Vornteher geistige Götterwesen; denn so erscheinen
»ie, wie bereits bemerkt (p. 287, 3) in den Mantrd*B und Ärtha-
väda'n.' — Wenn aber weiter behauptet wurde, dafs die Manira's
und Arthai äda*9, weil ihr Zweck ein anderer sei, nicht als Beweis
Öfttram I. in. 83. 185
für die IndividuaUt&i der Gotter u. s. w. gelten köDnten, so haben
wir zu bemerken, dafs es beim Beweise des Seins oder Nicht-
seins nur auf die Glaabwürdigkeit der Quelle, nicht aber darauf
ankommt, ob sie diesen oder jenen Zweck v«^rfolgt. Denn auch
wenn z. B. einer zu einem andern Zwecke ausgegangen ist, so
kann er darum doch bemerken« ob sich auf dem Wege zufällig
Gras, Blätter und dergleichen | befinden. — ^Aber', so könnte 311
^an* einwenden« ^in dem erw&hntezi Beispiele liegt die Sache doch
^anders. Denn dort ist es die Wahrnehmung, auf Grund deren
^wir das Vorhandensein von Gras, Blättern u. dgU annehmen; hier
^hingegen ist der zur Anempfehlung beigefiigte Arthaväda mit der
^angeordneten Vorschrift zu einem Zusammenhange verbuhden,
'daher man in ihm nicht eine besondere, auf Thatsächliches be-
'züglicho Ättfserung Aehen darf. Denn wenn ein ganzer Batz bin-
^dende Kraft hat^ so braudit ein in ihm Torkommender Neben*
^satz darum für sich allein noch nicht bindende Kraft zu haben.
^So z. B. wenn es in der Schrift heifst: „keinen Branntwein trinkt i**
'so ist, weil diese drei Worte in dem negativen Satze miteinander
'verbunden stehen, als einziger Sinn das Verbot des Branntwein-
'trinkens zu verstehen , nicht aber darf man , weil dabei die bei-
'den Worte: „Branntwein trinkt'' miteinander verbunden stehen,
'zugleich ein Gebot, Branntwein zu trinken, darin finden.* — Hier-
auf ist zu erwidern, dafs in diesem Beispiele allerdings die Sache
anders liegt. Es ist richtig, dafs man bei dem Verböte des Brannt-
weintrinkens,' wegen der Einheit des Wortzuscunmenhangs , nicht
einem Teile dieser Wortverbindung noch einen Sinn beilegen darf;
wo hingegen eine angeordnete Vorschrift und ein Arthaväda (Er-
klärung) zusammenstehen, da ergeben die Worte des Artliaväda
für sich allein einen auf ein Thatsächliches bezüglichen Zusammen-
hang, und sodann erst werden diese Woirte, sofern sie den Zweok
der Vorschrift klarlegen, zu einer Anempfehlung derselben. So
sind z. B. in der Stelle: „£in dem Väyu heiliges weifses Gefäfs
„soll ergreifen, wer nach Wohlstand begehrt" (Taitt. saiph. 2, 1, 3, 1)
diese zu der angeordneten Vorschrift gehörigen Worte: „Ein dem
j.Väyu heiliges" u. s. w., durch die Vorschrift miteinander ver-
bunden. Ander» aber | steht es mit den darauffolgenden, einen 312
Atihat äda bildenden Worten: „Wahrlich, der Väyu (Wind) ist die
„schnellste Gottheit; und an den Vä.yu wendet er [der Solches
„thut] sich mit dem ihm gebührenden Anteile; der führet ihn hin
„zu dem Wohlstande." Hier heifst es nicht mehr [in der Form
einer Vorschrift]: „der Väyu soll ergreifen" oder: „die echuellsto
„Gottheit soll ergreifen*' u. dgl., sondern die Ärthavdda-W orte bil-
den, indem sie die Natui* des Väyu rühmen, einen zwischeneinge-
schobenen Zusammenhang für sich, und indem sie besagen: „so
„ausgezeichnet ist die Gottheit, auf die sich dieses Werk bezieht",
so dienen sie dazu, die vorhergehende Vorschrift anzuempfehlen.
136 (^ärirftka-mim&üad.
Wenn dabei der Inhalt der [als Arthavdda zwischen die Vorschriften]
eingesohobeneii Stelle eine Sache ist, die schon ans andern Er-
kenntnisgründen festsieht [z. B. aus der Wahrnehmung; so in dem
Satze Väj. samh. 23, 10: „Agni (das Feuer) ist Arzenei gegen die
,,K<e^^] , so besteht der Ärthaväda in der blofsen Nachsagung
(anuväda) derselben [und ist, im Sinne Qankara's, ein Vidpamäna'
ärthaväda]. Wo er hingegen mit andern SrkenntnisgrOnden in
Widerspruch steht [z. B. in dem Satze: „der Opferpfosten ist die
„Sonne"], da besteht der Ärthaväda in einem Gunavdda [in einer
uneigentlichen, figürlichen Aussage]. Wo aber weder das Eine noch
das Andere stattfindet [also wenn es sich um Aussagen handelt,
die von der Erfahrung weder best&tigt noch widerlegt werden,
— und auf solche kommt es, wenn die Autorität der Schriftoffen-
barung erwogen werden soll, vor allem an], sollen wir da, weil
kein anderer Erkenntnisgrund vorhanden ist, einen blofsen Gu^w
vdda^ odet sollen wir, weil kein anderer Erkenntnisgrund der
Sduriftaussage widerspricht, <3inen Vidyamäna-arthaväda annehmen?
Hier mufs jeder, dem es um Überzeugungen zu thun ist. einen
VidyaifnAna-arthuc^da [die Offenbarung einer transscendenten That-
Sache] nicht aber einen Gunacäda [so statt gu^iänutäda zu lesen]
annehmen.* Alles dies gilt auch von den Muntra'». — Ja, noch
mehrl Auch die Vorschriftfin selbst, sofern sie zu Opfern auf-
fordern, die dem ludra und den andern Göttern darzubringen sind,
setzen die [individuelle] Gestalt des ludra u. s. w. voraas; denn
es ist nicht möglich , den Indra u. s. w. , wenn sie keine solche
313 Gestalt haben, im Denken vorzustellen; | ohne sie aber im Den-
ken vorzustellen;» kann einer bestimmten Gottheit ein Opfer nicht
dargebracht wei'deu. Und auch die Schrift läfst sich vernehmen:
„die Gottheit, für welche man die Opfergabe bereitet hat, an die
„denke man, wenn man den Opferruf sprechen will'* (Ait. br. 3, 8, 1).
Dafs aber die Natur einer Sache in dem blofsen Namen bestehe,
kann man nicht annehmen, indem Name und Sache zweierlei sind.
Somit muCs die Gestalt des Indra u. s. w.^, ebenso wie sie in den
Mantra's und Arthavada's vorkommt, von jedem, der die Schrift
überhaupt als Autorität festhält, angenommen werden. In der
erwähnten Weise können nun auch weiter die Itihäsa^n und Pu-
ränä^B^ sofern s^ie auf den dafür mafsgebenden Mantra's und Ar-
thavada's fufsen , al& Zeugnisse für die Individualität der Gatter
* (Jankar a ucterscheidet also, wie es scheint, nur zwei Unterarten
des Arthavdda, den Gvnaväda und den Vidyamdna' arthavdda. Letz-
terer wird voii Späteren weiter zerlegt in den Änuvdda^ der die empiri-
schen, und den Bhuta-arthaväda ^ der die transscendenten Thatsachen
begreift, üie im Veda mitgeteilt werden (vgl. Moäkttfudana in Webers
Indischen Studien l, S. 15).
Sfttram I. iii. 38. 187
benutzt werden. Ja, möglicherweise fufses dieselben sogai' auf
der Wahrnehmung; denn wenn etwan auch tur uns nicht wahr-
nehmbar ist, 80 konnte es doch für die Altvordern wahniehmhar
sein. Und dem entsprechend wird z. B. von der Smriti über-
liefert, dafs Vyäsa [der Autor des Miihdbhäratam] und andere mit
den Göttern und [Rishi's] in der Wahi*nehmung Verkehr gepflogen
haben. Wer aber behaupten wollte, dafs es, so wie für die jetzt
Lebenden, auch für die Altvordern nicht möglich gewesen sei,
mit Göttern u. s. w. zu verkehren, der würde | die Mannigfaltig- 'Mi
keit der Welt leugnen; er könnte auch behaupten, dafs es, so wie
jetzt, auch zu andern Zeiten keinen weltbeherrschenden Fürsten
gegeben habe, und somit würde er die auf die Königsweihe be-
züglichen Gebote [an denen ihr Anhänger des Jaimini doch fest-
haltet] nicht gelten lassen: er könnte femer annehmen, dafs, so
wie jetzt, auch zu andern Zeiten die Pflichten der Kasten und
A^rafna*B keine feststehende Regel gehabt hätten f imd somit müfste
er den Gesetzes -Kanon, welcher die Regeln dafür angiebt, für
zwecklos erklären. Man mufs daher festhalten, dafs die Alt-
vordern, zufolge hervorragender Verdienste, ^mit Göttern und
[Rishi^s] sichtbarlich verkehrt haben; so stimmt es zusammen.
Auch sagt die Smriti (Yogasütra 2, 44): „durch Studium [wird er-
langt] mit der geliebten Gottheit Vereinigung '\ Und wenn dieselbe
weiter lehrt, dafs der Yopa als Lohn die Herrschaft über die Natur
verleihe, bestehend [in der Freiheit von der Körperlichkeit und
ihren Gesetzen, nnd dadurch] in der Fähigkeit, sich atomklein zu
machen u. 6. w. , so ist auch das nicht durch einen blofsen Macht*
Spruch von der Hand zu weisen. Und auch die Schrill läfst die
Maditvollkommenheit des Yoga gelten, wenn sie sagt (Qvet. 2, 12):
„Aus Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther
„Entspringt und bildet sich, fünffachen Wesens,
„Die Yio^ -Tugend. Wer zu ihr gelangt,
„Für den giebt es nicht Krankheit mehr noch Alter,
,9Noch auch den Tod; weil ihm zu Teil geworden
„Ein Leib gebildet aus dem Y<>.9a-Feucr.'*
Auch die Fähigkeiten der Rishi*B, dieser Schauer der Mantra^s und
Brähmana'Sy darf mau nicht nach unsern | Fähigkeiten bemessen. 315
Somit folgt, dafs, was die liihäsa*» und Puräi^^B [über die Natur
der Götter] enthalten, wohlbegründet ist. Und auch die An-
schauungen der gewöhnlichen Menschen hat man nicht, soweit es
angeht, als unbegründet * von der Hand zu weisen.
Somit ist es berechtigt, auf Grund der Mantra's u. s. w. die
Individualität der Götter anzunehmen, und da, aus demselben
Grunde, auch die Bedürftigkeit u. s. w. auf dieselben zutrifft, so
folgt, dafs auch die Götter u. 6. w. zur Braiimanwissonschaft bo-
rmfen aind. Und aaA die Ansduurangei) von der Stofeiwrlfiaaiig
(IcramarmMi) atiiiiinmi hiennit raummen [Bofem du Daaeio «b
Gott ein« Totvtafe der Midgfiltigen Erldmiig bilden kann].
Zehnte» Adhikara^am.
.34. i-ujf asya, tad-anädara-Qravatiät tad-ädrava^,
sücycUe ki
denn auf den Kummer desselben, «eil er, ihre Miie-
achtung vernehmend, zu ihm hinlief, wird dadurch
angeepielt.
Die BeacbrftnkuDg des Bemfeoiseins auf die Menschan wurde
Temeint, indem dugelegt wnrde, dafa «och di« GStter n. ■. w.
zur WJMentchftft beraf«n sind. Ist, nun «benio weiter die Be-
aclirftnkuDg des Bernfennins »nf die Zwiegeborenen [die Hitglie?
der der drei obem Kasten, Brähmana'B, Kshatri^a'o und Fdifya's]
zu verneinen, und eine lierufutig such der Qücira'» [der Anga-
bürigen der rierten, untenten Kute] anzunehmen? — Diesen Zwei-
fel zu heben, dient das gegenwärtige Adhikoranam.
Angenommen also, 'auch der Qftdra sei zur Wissenschaft be-
'rufen, da die Merkmale der Bedürftigkeit unä der F&higkeit auf
'ihn zutreffen; daher auch, w&hrend es z.B. heifst; „der ^ftdra
'„ist zum Opfer nicht tuzulaesen" (Taitt. saiph. 7, 1, 1, 6), in ent-
316 'sprechender Weise | ein Verbot wie etwa: „dar ^dra ist zur
'„Wissenschaft nicbt zniulaBsen", sich in der Schrift nicht findet.
'Hierzu kommt, dafs der Grund, welcher den Qüdra von der Be-
'rufung SQ den Werken ansHchliefst, n&mlich seine Nichtznlfiasig-
'keit zum Opferfener, eine Berufung zur Wissenschaft nicht oo-
'möglich macht; denn auch bei einem solchen, der [die heiligen
'Feuer] Aiiavanlya u. b. w, nicht besitzt, ist es nicht unmäglicb,
'dafx er zur Wissenschaft gelangt. — Hierzu kommt ein Anzeichen,
'welchen das Berufensein des ^üdra be^tigt. Nbmlicb in^ der
'Lehru vom Satttvarga [dem Winde als dem an sich Baffer], fee-
'zeicbnct die Schrift den nach der Erkenntnis begehrenden Jiifia-
'rruli, den Enkelsofan, mit dem Worte „Qädra", denn es heibt [in
'der Autwort, die ibni liaikva giebt]: „Oho! ftir ein Geschmeide
-„und Gefahr, du ((kdra? Behalte sie für dich mitsamt den Eli-
Sfttrftm I. in. d4. 189
*^ea^^ (Ghftnd. 4, 2, 3). Ebenso lehrt die Smriti, dafs Vidura
'und andere, obwohl ans einem (/ädra-Schofse entsprungen, doch
*cn bestimmten Wissenschaften gelangt sind. Sonach folgt, dafs
'der Qüdra aar Wissenschaft bemfen ist.*
Aof diese Annahme antworten wir wie folgt. Der Qüdra ist
nicht berufen, weil er den Yeda nicht lesen darf. Denn nur der-
jenige, welcher den Teda gelesen und den Inhalt des Yeda er-
kannt hat, ist zu dem, was dieser Inhalt darbietet, | berufen. 317
Der QÄdra aber darf den Yeda nicht lesen, weil das Studium des
Yeda zur Yoraüssetzung das Upanayanam [die Einführung bei
einem Lehrer] hat, das Upanayanam aber sich nur auf die drei
[obem] Kasten erstreckt. Was aber die Bedürftigkeit betrifft, so
ist diese, wo die Fähigkeit mangelt, kein zureichender Grund zur
Berufung; und auch die Fähigkeit im. blofs weltlichen Sinne reicht
dazu noch nicht hin,, indem für eine geistliche Sache eine geist-
liehe Fähigkeit erforderlich ist. Die geistliche Fähigkeit aber ist
durch die Ausschliefsung des Yedastudiums mit ausgeschlossen. Was
endlich den Spruch: „der Qüdra ist zum Opfer nicht zuzulassen'S
betrifft, so bedeutet derselbe, weil er aus einer allgemeinen Regel
[dafs nur der Yedakundige zu dessen Inhalt an Werken und» Leh-
ren berufen ist] abfliefst, zugleich die Nichtznlässigkeit zum Wis-
sen, indem die Regel allgemein [für Werke und Wissen] gilt. Wenn
du endlich die Erwähnung des Wortes „Qüdra" in der Saij/^varga-
Lehre für ein Anzeichen seines Berufenseins hältst, so bemerken
wir, dafs darin kein Anzeichen dafür liegt, weil keine Regel da-
bei vorkommt, denn ein Anzeichen wird bedeutsam etat durch den
Ausspruch einer Regel, eine Regel aber liegt hier nicht vor.
Übrigens würde | das hier vorkommende Wort Qüdra höchstens 318
eine Berufung des ^üdra aHein zu der Sfai^var^a-Lehre bedeuten,
weil es auf sie Bezug hat, nicht aber zu, allen Lehren. Da aber
das Wort dabei nur in einem Arthavdda [nicht in der Yorschrift
eines Vidki] vorkommt, so ist es vielmehr aufser Stande, die Be-
rufung des Qüdi-a, wozu es auch immer sein möge, zu begründen.
Hierzu kommt, dafs man das Wort Qüdra an dieser Stelle so auf- .
fassen kann, dafs es sich [nicht auf einen Qüdra, sondern] auf
einen Berufenen bezieht. Nämlich folgendermafsen. Wenn (Chand.
4, 1, 3) die Gans spricht: „wer ist denn der, von dem du redest,
„als wäre er ein Raikva mit dem Ziehkarren ^S so empfindet Jana-
gmti, der Enkelsohn, indem er die in diesem Worte der GanR
liegende „Mifsachtung'^ seiner selbst vernimmt, darüber Kummer;
und auf diesen Kummer (quo) wird von dem Rishi Raikva durch
jenes Anreden mit dem Worte cü-dra „angespielt", indem er näm-
lich dadurch das ihm eigene übernatürliche Sehervermögen [wel-
chem jenes nächtliche Zwiegespräch der Gänse sc^on bekannt wäi*]
bekunden will. So erklärt sich die Sache; denn ein geborener
Qüdra würde unmöglich berufen sein können. Aber inwiefern wird
190 C^lTlraka-intiii&nsIl
daroh das Wort rü-dra auf jenen Kummer angespielt? — „Weil
„er*^, so lautet' die Antwort, „zu ihm hinlief"; d. h. weil J&na^.rati
zu dem Kummer (^) hinlief (du-drchva)^ oder Yon dmn Kumm^
fiberlaufen wurde, oder aus Kummer au dem lUdkra lunlief; —
in dieser Weise läfst sich ^-dra hier in seiner e^mologischen
Bedeutung verstehen, da es in der traditionellen Bedeutung nn-
aulässig ist. Und dafs dies die richtige Etymologie ist, offenbart
die Schiifk in der besprochenen Erzählung.
319 35. kshatriyatva-gatef ca uttaratra Caitrarathena ling&t
und weil für den Schlafs, dafs er ein K&hatriya, wei-
terhin ein Indiciiim, dafs er mit einem Caitraratha
[zusammen erwähnt wird].
Dafs J^na^ruti kein Qüdra von Geburt ist, folgt ferner auch
daraus, dafs „weiterhin ^S in der Ausführung des Gegenstandes,
„ffir den Schlufs, daCs er ein Kshatriya" sei, „ein Indicium*' vor^
liegt darin, „dafs er mit einem Caitraratha", nämlich mit dem
Ähhipratärin^ der ein Kshafcriya ist, zusanunen erwähnt wird.
Nämlich weiterhin bei Ausfährung der Samvarga-Ijehre kommt der
aus der Familie des Gitraratha stammende Kshatriya Ahhipratärin
vor; denn es J^eifst: „Es geschah einmal, dafs dt^r Sohn des (^n-
,)naka, ein Käpepa, und ,der Sohn des Kakshasena, Äbhipratdnn^
„als sie sich von ihrem Koche auftischen liefsen, von einem Brah-
„manenschüler angebettelt wurden" (Chänd. 4, 3, 5). Dafs aber
AbhiprcUdrin Aus der Familie des Gitraratha stammt, mufs man
daraus schliefsen, dafs er mit einem K&peya verbunden erscheint;
denn dafs der Sohn des Gitraratha mit den Kdpepa'u verbunden
war, ist aus der Stelle: „da nun vollbrachten f^r den Sohn des
„Gitraratha die Käpeifa^B das Opfer" (Paiicavinya-br. 20, 12, 5)
ersichtlich; wo aber die Opferpriester desselben Namens sind, da
pflegen auch die Veranstalter des Opfers desselben Namens zu sein.
Dafs ferner Abhiprafärin ein Kshatriya ist, mufs man wiedei*um
daraus schliefsen, dafs aus der Stelle: „darum ward der Abkomm-
„ling des Gitraratha der einige Meister der Kriegerschaft" (Pan-
cavin^a-br. 20, 12, 5) die Zugehörigkeit [der Abkömmlinge des
Gitraratha] zur Kriegerkaste sich ergiebt. Mit diesem Kshatriya
320 Abhipratdrin zusammen also wird Jdnagnäi in demselben | Lehr-
abschnitte erwähnt, und dies deutet darauf hin, dafs auch er ein
Kshatriya ist. Denn es ist das Gleichartige, was in der Regel
zusammen erwähnt zu werden pflegt. ** Und auch daraus , dafs
JdfMgruti als mit königlicher Macht, die sich in der Aussendung
Sütram l. m. 35. 191
des TmchseMes u. b. w. zeigt, auBgerüstet erBcheiot, ist auf seine
Zagehörigkeit zur Kahatnyakast« zu schliefsen. — Somit mnfs man
[weil in dieser £rzfthlang das Wort ^üdra in etymologischem Sinne
zu nehmen ist] schliefsen, dafs ein wirklicher Cüdra nicht zur
Wissenschaft berufen sein kann.
36. sarnskära-parämargäty tad-abhäva-ahhilApäc ra
auch wegen Bofassung der Sakramente, und weil
diese ihm nicht zuerkannt.
Auch darum ist der Qüdra nicht berufen, weil, bei den [im
Veda Yorliegeuden] Fällen von Mitteilung einer Wissenschaft, die
Sakramente, das Upanayanain (die Einführung bei dem Lehrer) u. s. w.,
mitbefafst werden; denn es heifst z. B: „da führte er ihn ein''
(^tap. br. 11, 5, 3, 13); — „«belehre mich, o Herr», mit die-
„sen Worten trat er bei ihm in di^ Lehre** (Ch&nd. 7, 1, 1); —
„Brahman als Ziel, Brahman als Grundlage habend, das höchste
„Brahman suchend sprachen sie: «er wird uns dieses alles er-
„klären» und traten, mit Brennholz in der Hand, an den ver-
„e^ngswürdigen Pippalslda | heran** (Prayna 1, 1); — und auch 321
weim es heifst: „zu ihnen sprach er, ohne sie erst einzuführen**
(Ch&nd. 5, 11, 7), so ergiebt sich [aus dem Vorhergehenden], dafs
die Betroffenden die Einfühlung bereits erlangt hatten.. — Bern
^'üdra nun werden diese Sakramente „nicht zuerkannt**, denn in
den Worten: „Der Qddra als vierter bildet die nur einmal ge-
„borene Kaste** (vgl. Manu 10, 4) erklärt 'die Smriti, dafs der
Cttdra nur einmal [nicht durch das Upanayanam zum zweiten MalcJ
geboren sei; auch heifst es z. B. (Manu 10, 126):
„Der ^üdra kann kein Efsverbot verletzen;
„Noch ist der Sakramente würdig er.**
37. tad-abMva-nirdharanc ca pravritteh
auch weil [erst] nach Bestätigung, dafs er kein solcher,
der Übergang.
Auch darum ist der Qüdra nicht berufen, weil [in der Erzäh-
lung von Hntyakäma^ dem Sohne der Jabälä^ Ohand. 4, 4 fg.]
Gautama erst dazu übergeht, den Sohn der Jahdlä einzuführen
192 g&rlraka-mh&äAslL
und za belehren, nachdem «r darin, dafs derselbe die Wahrheit
sprach, eine „Bestätigung, dafs er kein solcher'', kein ^üdra, sei,
gefunden hatte; denn die Schrift l&fst ihn sagen: „nur ein Brah-
„mane kann so offen sprechen; hole dag Brennholz herbei, mein
„Lieber, ich werde dich einführen, weil du nicht von der Wahr-
„heit abgewichen bist" (Chlind. 4, 4, 5).
382 38. ^avana-adht^ayafia'artha-praUahedhdt srnrüec ca
und weil die Smriti ihn von Hören, Lesen und Inhalt
ausschliefst.
Auch darum ist der ^üdra nicht berufen, „weil die Smriti ihn
„von Hören, Lesen und Inhalt ausBchliefst" ; denn die Smriti lehrt,
dafs der Qudra auszuschliefaen sei vom Hören des Yeda, aussu-
schliefsen vom Lesen des Yeda und auszuschliefsen von der Er«
kenntnis und Befolguilg seines Inhaltes, Zunilchst also wird er
ausgeschlossen vom Hören des Yeda durch die Worte: „wenn er
„aber den Yeda mit. anhört, so soll man ihm die Ohren mit Zinn
„oder Lack voUgiefsen", und: „der Qudra ist wie eine Leichen-
„statte, die man betritt; darum soll man in Gegenwart eines Qü>>
„dra nicht studieren.*' — Schon hieraus folgt, dafs der Q^dra
ferner auch vom Lesen des Yeda ausgeschlossen ist; denn wenn
die Schrift schon nicht einmal in seiner G-egenwart gelesen werden
darf, 8o ist noch viel weniger statthaft, dafs er selbst die Schrift
lese; heifst es ja doch sogar: „Auf Aussprechen steht Zung-
„abschneidüng; auf Behalten vom Leibe Scheidung.'* — Aus eben
diesen Gründen folgt endlich das Ausgeschlossensein des ^^ddra
von dor Erkenntnis und Befolgung des Yeda-Inhaltes; auch heifst
es: „dem ^'ildlra öffne nicht den Sinn!'' (Manu 4, 80) und: „der
„Zwiegeborenen Yorrechte sind: Yedastudium, Opfer und Sehen-
„ken.'* — Wo hingegen, wie bei Vidura [dem Sohne des Vpdsa
von einem ^!üdraweibe], bei den Dltarmav^äda^B [als Jäger wieder-
geborenen Brahmaneu] u. s. w. in Folge der früher [in einer vor*
maligen Geburt] vollzogenen Sakramente die Erkenntnis [auch ohne
Yedastudium] zu Tage tritt, da ist nicht zu hindern, dafs auch
die Frucht der Erkenntnis [d. h. die Erlösung] erlangt wird, da
die Erkenntnis nur eine einartige Frucht bringt. [Dafs aber in
solchen Ausnahmefallen ein (^üdra auch ohne Yedastudium zur Er-
kenntnis gelangt, erkl&rt sioli daraus, dafs,] wie die Smriti in
den Worten: „man soll sie den vier Kasten lehren" (Mah&bh. 13,
323 12360) anordnet, zum Lesen der Itihäsa's und Furäna'n \ alle
Sütram I. ui. 38» 193
vier Kasten berafen sind. Was hingegen die Berafimg betrifit,'
sofern sie den Yeda Btir Voranssetznng hat, so bleibt es dabei,
dafs von dieser die Qüdra^s ausgeschlossen sind.
Elfte» Adhikarananik
39. kampandt
wegen deB Bebens.
Hiermit ist die gelegentliche Untersuchung über die Berufung
beendigt, und wir wenden uns nunmehr wieder zu den uns ob-
liegenden Erörterungen über den Sinn der Schrifbtexte zurück. —
Es heifst (K&tli. 6, 1) :
* ■ #
„Der Prftna ist's, in dem die ganze Welt,
„Was immer ist, entsprungen, zitternd gebt;
„Gar furchtbar ist er, ein gezückter Blitzstrahl;
,9 Wer diesen weifs, dem wird Unsterblichkeit."
Auf dieses Wort weist unser Sütram hin, indem das in der
Stelle vorkommende Wort „zittern" (^) durch das im Sütram ge-
brauchte Wort „beben" (Icamp) erklärt wird. Die Stelle besagt
also, dafs das ganze Weltleben pulsiert, indem es den Prana alä
Grundlage hat; und dabei ist von einem groiseu und furchterre-
genden „Blitzstrahl", wie es heifst, die Bede, welcher gezückt sei,
und durch dessen Erkenntnis, wie die Schrift sagt, Unsterblich-
keit erlangt werde. Wer ist nun dieser Präna, und wer dieser
furchtbare Blitzstrahl? Das ist nicht deutlich und daher zu unter-
suchen.
Angenommen also, 'unter dem „JPrdiHi" (Hauch,. Leben) sei,
^dem Sprachgebrauche gemäfs, der [entsprechend den fünf Lebens-
^hauchen] fünffache Weltwind, und unter dem „Blitzstrahle" sei,
^ebenfalls dem Sprachgebrauche gemäfs, der Donnerkeil zu ver-
'stohen, welcher hier als Machtzeichen des [Gottes des] Windes
'erwähnt werde. Nämlich diese ganze Welt wurzelt und geht zit-
*ternd in dem fünffachen, | durch das Wort y'^Prdfia^'' bezeichneten, 324
'Winde (Windgotte), und aus dem Winde als Ursache geht a^ch
•der grofee, schreckliche Blitzstrahl hervor. Denn aus dem Winde,
'indem er sich zum Gewitter [lies: parjanya] fortentwickelt, ent-
'wickeln sich, wie man annimmt, Blitz, . Donner, Regen und
^Donnerkeil. Aus der Erkenntnis des Windes aber folgt die be-
Daouui«, VedAut». 13
194 ^/ärh^aka-iMimStnsft
'sa^te UuBterbliclikeit; denn so sagt eine andere Schriftstelle :
S;<^^i^iiui ist der Wind die Besonderheit [als Lebenshauch], und der
*„"Wind die Allgemeinheit [als Weltodem]: der wehrt dorn Wieder-
*„tode, wer Solches weifs." (Brih. 3, 3, 2). Dieser Wind also ist
^an onBerer Stelle zu verstehen.'
Auf diese Annahme erwidern wir, dals man hier vielmehr das
Brahman verstehen mnfe; warum? weil dabei das Vorhergehende
und das Nachfolgende zu berücksichtigen ist. Nämlich sowohl in
dem vorhergehenden als in dem J nachfolgenden Teile des Werkes*
ist, wie der Augenschein zeigt, von Brahman die Rede, und es
läfst sich nicht annehmen, dafs hier auf einmal mitten dazwischen
vom Winde gehandelt werde. Was also zunächst das Vorher-
gehende betrifft, so heifst es [unmittelbar vorher, KAth. 6, 1]:
„Dies eben ist das Reine, dies das Brahman,
„Dies eben heifset das Unsterbliche.
„Auf dieses lehnen sich die Welten alle,
„Und dieses Oberschreitet keine je;" —
hier ist die Rede von dem Brahman, und das selbe mufs man
auch in unsern Worten verstehen, erstlich, weil sie unmittelbar
nachfolgen, und sodann, weil man an der in den Worten: „der
„rräna ist's, in dem die ganze Welt .. . zitternd geht'^ liegenden
Befassung ' des Weltganzen das Brahman wiedererkennt. Dazu
325 kommt, dafs das Wort Prd^a (Odem, Leben) | auch von dem höch-
sten Atman gebraucht wird; denn es heifst z. B. von ihm, er sei:
„des Odems Odem^^ (Brih. 4, 4., 18), und auch das zitternde Gehen,
wie es hier vorkommt, pafst nur auf den höchsten Atman, nicht
auf den blofsen Wind [sei es als Weltodem oder als Lebensodem],
denn es hiefs ja (Käth. 5, 5):
„Nicht lebt durch Einhaach oder Anshauch irgend wer;
„Durch einen andern leben alle Sterblichen,
„In welchem diese beiden sind gegründet."
— Was ferner das [auf unsere Stelle] Nachfolgende betrifft, so
heifst es weiter (Käth. 6, 3):
„Aus Furcht vor diesem brennt das Fener,
„Aus Furcht vor ihm die Sonne brennt ,
„Aus Farcht vor diesem rennen Indra
„fJud Vdyu und der Tod zufünft."
Auch hier kann nur das Brahman und nicht der Wind gemeint
sein, weil es heifst, dafs die Welt mit Einschlufs des Väf^u (Win-
des) sich vor ihm fürchte. Ebendasselbe Brahman aber mufs an
unserer Stelle verstanden werden, erstlich, weil sie unmittelbar
Sütram I. in. 39. 195
vorhergeht, und sodaon, weil man an dem in den Worten: „gar
,,farchtbar ist er, ein gezückter Blitzstrahl" liegenden Zuge, dafs
vor ihm sich alles fürchtet, das Brahman wiedererkennt. Und
auch das Wort „Blitzstrahl^^ wird hier gebraaoht, weil die Furcht
vor Brahman eine ähnliche wie die Furcht vor dem Blitzstrahle
ist. Denn gleichwie ein Mensch denkt: „ein gezückter Blitzstrahl
„könnte [gleichsam] mein Haupt treffen, wenn ich seinem Befehle
„nicht nachk&me", und durch diese Furcht getrieben den Befehl
eines Königs u. s. w. vollzieht, so vollzieht diese ganze Welt, das
Feuer, der Wind, die Sonne u. s. w., durch die Furcht vor dem
Brahman getrieben, die ihr obliegenden Verrichtungen, und darum
heifst das Brahman furchtbar und wird mit einem Blitzstrahle
verglichen.. Und in ähnlicher ^yeise sagt eine andere auf Brah-
man bezügliche Schriftstelle (Taitt. 2, 8):
0
m
„Aus Furcht vor ihm geht auf die Sonne,
„Aus Furcht vor ihm iährt hin der Wind,
,^U8 'Furcht vor ihm nun tummeln sich
„Mond, Feuer und zufünft der Tod."
I Dafs an unserer Stelle das Brahman zu verstehen ist, ergiebt 326
sich weiter auch daraus, dafs die Unsterblichkeit aU Frucht [sei-
ner Erkfnntnis] verheifsen wird; denn es ist das Brahman, diirch
dessen Erkenntnis die Unsterblichkeit erlangt wird; indem ein
Schriftvers (Qvet. 6, 16) sagt:
„Wer ihn erkannt hat, übersteigt den Tod;
„Nicht giobt es einen, andern Weg zum Gdien."
Wenn hingegen an einer andern Stelle (Bph. 3, 3, 2) als Jjohn
der Erkenntnis den YAyu Unsterblichkeit verheifsen wird, so kanti
diese nur eine relative sein. Denn an demselben Orte heifst es,
unter Wechsel des Themas, in Bezug auf den höchsten Atman:
„was von ihm verschieden, das ist leidvoll" (Brih. 3, 4, 2), wo«
mit ausgesprochen ist, dafs VAyu und [die übrigen Gottoi*] dein
Leide unterworfen sind. Endlich folgt auch aus dem [in de)* Ka-
thaka-Upanishad] behandelten Thema mit Gewifsheit, dafs an un-
serer Stelle der höchste Atman zu verstehen ist. Denn nach die-
sem war zu Anfang gefragt worden, in den Worten (K&th. 2, 14);
„Vom Guten frei und frei vom Bösen,
„Von Ursach* und. von Wirkung frei,
„Frei von Vergangenem imd Zukünftigem ,
„l>as sage giir was dieses sei.'^
13
\
^
196 Värtraka-mlmftBSl
ZwolfU» Adkdkaraf^ann.
40. Jyathrj darganät
das Licht, weil dies ersichtlich.
Die Schrift sagt: „diese VoUbemhigiuig erhebt sich aas dte-
^,8em Leibe, gehet ein in das höchste Licht und tritt dadurch
^jhervor in eigener Gestait^^ (Gh&nd. 8, 12, 3). Hier ist fraglidi,
.ob unter dem Worte „ Lieht ^' das auf das Auge bezügliche, die
Finsternis veradieuGhende Lichtelement oder aber das höchste Brah-
man zu verstehen ist
399 I Angenommen also, 'unter dem „Lichte" sei das gewöhnliche
'Lichtelement au verstehen; warum? weil das Wort Licht bei die-
^sero ftblich ist. Allerdings sahen wir in dem Sütram: „das Licht,
Sf^eSeA Erw&hnung der Füfse'^ (1, 1, 24) , wie, um des Themas
'willen, das Wort Licht unter Aufgebnng seines eigentlichen Sin-
*nes auf Brahman zu beziehen war. Aber in unserer Stelle ist
'nicht so wie dort ein Grund- vorhanden, von dem eigentlichen
'Sinne abzugehen. Und ebenso heifst es ja auch in dem [kurz
'vorbeigehenden] Kapitel, das von den Adern handelt (Gh&nd. 8, 6):
'„wenn er nun so aus diesem Leibe heranstritt, dann steigt er
'„an diesen Strahlen in die Höhe" (Ghand. 8, 6, 5). Auch hier
'wird von dem nach Erlösung^ Verlangenden gesagt, dafs er zur
'Sonne gelange. Somit ist unter dem Lichte nur das gewohnliche
'Lichtelement zu verstehen.'
Auf diese Annahme erwidern wir, dafs mit dem „Lichte", nur
das höchste Brahman gemeint sein kann; warum? „weil dies er-
sichtlich" ist; d. h. aus dem Thema der Stelle ist ersichtlich, dafs
Brahman als Gegenstand der Kede vorschwebt. Denn in den Ein-
gangsworten „der Ätman, der sündlose" (Ch&nd. 8, 7, 1), wird der-
jenige Atman, welcher die Eigenschaften der Sundlosigkeit u. s. w.
besitzt, als Thema vorangestellt und als der Gegenstand, welchen
man erforschen und zu erkennen suchen müsse, hervorgehoben, j
328 und hieran wird im Folgenden durch die Formel: „diesen nber will
„ich dir weiter erklaren" (Chand. 8, 9, 3. 10, 4. 11, 3) immer
wieder angeknüpft. Fenier wird in den Worten: ,.den Körper-
„losen aber berühren Lust und Schmerz nicht'* (Chänd. 8, 12, 1)
gesagt) dafs jener Eingang in das hochrote Licht stattfinde, um
dadurch die Körperlosigkeit zu erlangen; eine andere Körperlosig-
keit aber als die durch das Werden zu Brahinan ist nicht denkbar.
Endlich wird auch -^ i jenes „höchste Licht" näher bestimmt
durch die Worte; „dieses ist der höchste Geist** (Ch&nd. 8, 12, 3).
— Wenn hingegen geltend gemacht wurde, dafs der nach Er-
SCktram I. in. 40. 197
Idsiuig Verlangend« snr Sonne bingehe, [so beweist das nichts;]
auch bedeutet dieses Eüngehen zur Sonne nicht eine endgültige
Erlösung, weil damit ein Ausziehen und Hingehen [der Seele] ver-
bunden ist, w&hrend bei der endgültigen Erlösung [auch bei dem
„Eingänge'^ in das höchste Licht, vgl. Sütram 4, 4, 1 — 3] kein
Ausziehen oder Hingehen stattfindet, wie wir dies weiter unten
sehen werden.
DreizAnte^ Adkikaranam.
4L äkägo^ 'Hha'antaraiva-ädU-vyapadefäl
der Haum (Äther), wegen der Bezeichnung seiner
Anderwesenheit u. s. w.
Die Schrift sagt: „der Akd^a (Äther, Baum) ist es, welcher
„die Namen und Gestalten auseinanderdehnt; was in diesen bei-
f^den ist, das ist das Brahman, das ist das Unsterbliche, das ist
„der Atcian<< ((Mnd. 8, 14). ~
Wenn man sich fragt, ob. unter dem Yfo]^ Äkäea das höchste
Brahman oder nur das bekannte Element des ÄkäQa zu verstehen
sei, so kann es angemessen scheinen, 'sich für das Element zu
^entscheiden y | weil das Wort AM^ gewöhnlich von diesem ge-> 399
^bram^t wird, und weil auch das Auseinanderdehnen der Namen
*und Gestalten sich von eben demselben verstehen lalst, sofern
^der Ahäga (Raum) es ist, welcher die Möglichkeit der Raum-
'erföUung (avakäga) darbietet. Hierzu kommt, dafs ein deutliches
'Merkmal des Brahman, wie etwa das Schöpfersein u. dgl., nicht
•vorliegt,'
Auf diese Annahme erwidern wir, idafs vielmehr das höchste
Brahman hier unter dem Worte Akä^a verstanden werden mufs;
warum? „wegen der Bezeichnung seiner Anderwesenheit u. s. w/%'
denn wenn die Schrift sagt: „was in diesen beiden [den Namen
„und Gestalten] ist, das ist das Brahman", so bezeichnet sie da-
durch, dafs der Akäga andern Wesens als die Namen und Ge«
stalten ist. Es giebt aber aufser Brahman nichts, was andern
Wesens als die Namen und Gestalten sein könnte; denn^allea was
durch Umwandlung entstanden [d. h. alles was nicht ursprünglich,
nicht Brahman] ist, ist eben als die Namen und Gestalten aua-
einandergebreitet. Und auch das Auseinanderdehnen der Namen
,r
198 Ql^riraka-mimausA
und Gestalten kommt iu unbeBchränktem Sinne niemandem aiulei'S
- als dem Brahman zu; denn die Schrift lehrt in den Worten: „ich
„will mit diesem lebenden Selbste in sie [Feuer, Wasser und Erde]
„eingehen und auseinanderbreiten Namen und Gestalten" (Chänd.
6, 3, 2)f dafs dieses Auseinanderbreiten ein Werk des Brahman ist.
— ^Aber wird nicht iu diesen Worten das Auseinaodordehnen der
'Namen und Gestalten offenbar auch dem lebenden Selbste (der
Hndividuellen Seele*) zugeschrieben?' — Allerdings, aber nur, um
daduv*ch ihre Identität mit Brahman anzuzeigen. Übrigens liegt
schon darin, dafs einem das Auseinanderdchnen der Namen und
Gestalten zugeschrieben wird, ausgesprochen, dafs er der Schöpfer
u. B. w. derdelben ist, mithin ein Merkmal des Bralmian. Und auch
ZZO wenn es dabei heifst: „das | ist das Brahman, das isi das Unsterb-
„liche, das ist der Ätman^S bo ist auch das ein Beweis dafür, dafs
Ton Brahman geredet wird. — Schon oben hiefs es: „der Äther
„(äkäga), weil seine Merkmale" (Sütram 1, 1, 22), wovon das Gegen-
wärtige eine weitere AusfEÜirung ist.
Vie^'zehntes Adhikaranam.
42. sttshupti'-iiikränty&r bhedena
wegen derjenigen als versohii^den bei Tiefschlaf und
Auszag.
D. h. „wegen der Bezeichnung", wie man [aus dem vorigen
Sütiram] herübernehmen mufs. — Im sechsten Abschnitte des J3re-
hadäranyakam heifst es: „was ist das für ein Selbst? — Es ist
„unter den Lebensorganen* der aus Erkenntnis bestehende, in dem
„Herzen innerlich leuchtende Geist" (Bph. 4, 3, 7); mit diesen
Worten beginnt eine längere Auseinandersetzung, die sich auf das
Selbst (den Atman, die Seele) bezieht. Es fragt sich, ob dieselbe
imr den Zweck hat, die Natur der wandernden Seele darzulegen,
oder ob sie den Zweck hat, die Natur der nichtwandernden mit-
zuteilen? —
Angenommen also, 'es handele sich nur um die l^atur der
'wandernden Seele; warum? wegen des Anfangs und wegen des
'Schlusses. Zu Anfang nämlich heifst es: „es ist unter den Lebens-
SfOrganen der aus Erkenntnis bestehende" (Brih. 4, 3, 7); dies
Sütrrtm I. m. 42. 199
weist auf die verkÖrpei*te Seele hin; und da in den SchlufswortxMt :
S,wfthrlich dieses grofse, uogeborene Selbst, dos ist unter den
'„Lebensorganen jener aus Erkenntnis bestehende '^ (B^-ih« 4, 4, 22),
^das Thema das näinlicho geblieben ist, so mufs man annehmen,
'dafs auch in dem mittleren Teile durch Besprechung der Zustände
'des Wachens u. s. w. eben dasselbe [d. h. die Natur der verkörper-
ten Seele] auseinandergesetzt werden soll.'
Auf diese Annahme erwidern wir, dafs der in Rede stehende
Abschnitt vielmehr den Zweck hat, über den höchsten Gott zu
belehren, und nicht blolB von .der verkörperten Seele zu erzählen;
I warum V „wegen der Bezeichnung'^ des höchsten Gpttes „als ver^ 331
„schieden" von der verkörperten Seele „bei Tiefschlaf und Aus-
2u^«<. Was also zunächst den Tiefschlaf betrifft, so heifst es:
„so auch hat dieser Geist, von dem erkenntnisartigen Selbste um<
„schlungen, kein Bewufstseiii von dem, was aufsen oder innen
„ist" (Biih. 4, 3, 21). Hier bezeichnet die Schrift den höchsten
Gott als von * der verkörperten Seele verschieden. Unter dem
„Geiste" muis hier die verkörperte Seele verstanden werden, weil
es ihre Sache ist, „Bewufstsein" von etwas zu haben; denn nur
wo die Möglichkeit besteht^ ein „Bewufstsein von dem, was aufsen
„oder innen ist", zu haben, konnte von einem Aufhören dieser
Möglichkeit [im Tiefschlafe] die Rede sein. Unter dem „erkennt-
„nisartigen Selbste" hingegen ist der höchste Gott zu verstehen, weil
nur er von der als Allwissenheit sich zeigenden Erkenntnis ewig
ungeschieden *ist. — Ebenso heifsi es weiter in der Stelle, die
vom „Auszuge" der Seele handelt: „also auch gehet dieses körper-
„liche Selbst, von dem erkenntnisartigen Selbste belastet, knar-
„rend" (Brih. 4, 3, 35); auch hier wird der höchste. Gott als von
der individuellen Seele verschieden bezeichnet; nämlich unter dem
„körperlichen Selbste" ist die individuelle Seele als der Hert des
Körpers zu verstehen, wohingegen das „erkenntnisartige Selbst"
wiederum den höchsten Gott bedeutet. Somit ergiebt sich, dafs
„wegen der Bezeichnung als verschieden bei Tiefschlaf und Aus-
„zug", der Zweck der ganzen Stelle in der Belehrung über den
höchsten Gott besteht. Wenn l^gegen behauptet wurde, dafs
der Zweck der Stelle vielmehr auf die körperliche Seele gerichtet
sei, weil zu Anfang, Mitte und Ende Merkmale derselben vor-
kommen, so bemerken wir zunächst was den Anfang betrifft, dafs
die Worte „es ist unter den Lebensorganen der aus Erkenntnis
bestehende" (Brih. 4, 3, 7) nicht dazu dienen sollen, die Natur der
wandernden Seele darzulegen, | sondern vielmehr, nach Erwähnung 332
der Natur der wandei-nden Seele, ihre Identität mit dem höchsten
Brahmt^n darzulegen; denn wenn es daselbst weiter heifst: „es
„ist als ob sie sänne, es ist als ob sie schwankend sich be-
„wegt^j" (Brih. 4, 3, 7), so zeigt diese Fortsetzung deutlich, dafs
es sich daruu) liandeli, die Eigenschaften der wandernden Seele
200 QMraka^mim^BlL
[als nur seheinbar] auBsascbliefiieii. Und gans diesem Anfange
entsprechend heilst es zusammenfassend am Schlüsse: „wahrlich«
^,die8es greise ungeboreae Selbst, das ist unter den Lebensorganen
j Jener ans. Erkenntnis bestehende'* n. s. w. (Brih. 4, 4, 22), das
heilst: daqenige, was unter den Lebensorganen als die ans Er-
kenntnis bestehende, wandernde Seele angesehen wird, das wahr-
lich ist ftls dieses grofse angeborene Selbst, als der höchste GFOtt,
von uns erkannt worden. Wer aber in dem mittleren Teile, weil
darin von den Znst&nden des Wachens n. s. w. gehandelt wird,
«ine Darlegung der Natur der wandernden Seele «tu finden meint,
fär den wird es auch möglich sein, sich nach Osten 2U bewegen
und dabei nach Westen su kommen. Denn wenn die Bchxift hier
der Zustfinde des Wachens u. s. w^ gedenkt, so geschieht es ja
nicht in der Absicht, das Be&ngensein in' diesen Zuständen und
das Wanderersein der Seele zu lehren, sondern vielmehr gerade
umgekehrt, um zu zeigen, dafs die Seele [in Wahrheit] ron diesen
Zuständen frei und dem Wanderersein nicht unterworfen ist. Dies
ergiebt sich daraus, dafs in der Stelle [nicht etwa nach den Zu-
ständen des Wachens, Traumes, Tiefechlafes gefragt wird, sondern]
Schritt fEür Schritt die Bitte sich wiederholt: „rede weiter von dem,
„was zur Erlösung dient '* (Bph. 4, 3, 14. 15. 16), und Schritt fßr
Schritt in Erwiderung derselben gesagt wird: ,| davon wird er
„nicht berührt; denn diesem Oeiste haftet nichts an*' (Bfih. 4, 3,
16. 16. vgl. 18), wie es denn auch weiterhin heiüit: „dann ist Un-
„berührtheit vom Guten und Unberührtheit Tom Bösen, dann hat
333 ^,er überwunden alle | Qualen seines Herzens'* (Bpih. 4, 3, 22).
Hieraus ergiebt sich, dais der Zweck der Stelle darin besteht, die
Natur der niqht [d. h. nur scheinbar] der Wanderung unterworfenen
Seele darzulegen.
wegen der BenennungeiL als Herr u. s. w.
Auch danoB, so ist das Sütram «oüsufassen, besteht der Zweck
unserer Stelle darin, die Natur d«r nicht der Wanderung unter-
worfenen Seele su lehren, weil in derselben solche „Benennungen
„als Herir u, e. w.*^ von ^ der Seele iporkommen, welche ihre nicht-
wandernde Nater beweisen, ihre wandernde ^Natur hingegen »us-
Rchlief&en. Denn wenn es z. B. heifst, der Atraan sei „aer Herr
„des Weltalis, der Gebieter des Weltalls, der Fürst des WeLtaUs*'
(Btik. 4, 4, %), so bezwecken derartige Aussprüche, das nioht-
Sfttram I. m. 43. 201
wandernde Wesen der Seele darzulegen; und wenn eu [ebenda*-
selbst weiter] heiTst: „er wird nioht höher dnrcli gute Werke, er
.,wird nicht geringer durch böse Werke ^S so bezwecken derartige
Aussprüche y die Natur eines wandernden Wesens von ihr ans-
zuschUefsen. — Somit ergiebt sich, dafs es der nicht wandernde
höchste Oott ist, von welchem unsere Stelle handelt.
So Iftatet in dem Kommentar* sur «trhftbenen (^iriraia • mhnaAMii , dem Werke der
▼erebnuigtwttrdiseu Tflfse dei erlauehtea ^ankara ,' im ereten Adhya*fa der dritte Pada.
• i
Des ersten Adhyftya
VIERTER PADA.
Omt ^Vereliruiig dem höchHten Ätm»ül
Erstes Adhikaranam.
m
334 i. (hmmdnikam api ekesMmj üi cen? m! garlra-rupaka-
vinyasta-grihtter, darQuyati ca
auch das Gefolgerte sei nach einigen [Texten schrift-
gemäfß], meint ihr? Nein! weil unter dem in dem
Gleichnisse Versinnbildlichten der Leib verstanden
wird, wie auch ersichtlich.
Nachdem (Si\tran) 1, 1, 1) „die Brahmanforschung^^ in Auseicht
genoniiiien und als Merkmal des Brahraan (Sutram 1 , 1 , 2) an-
gegeben worden war, es sei dasjenige, „woraus Ursprung n. b. w.
„dieses [Weltalls] ist", so stieg das Bedenken auf. dafs dieses
Merkmal zugleich auch der Urmatcrie [der S&nkhya's] zukommen
könne; daher dieselbe durch die Worte: „wegen des Erwägens
,^icht; schriftwidrig" (Sütram 1, 1, 5) als schriftwidrig verworfen
wurde; und sodann wurde gezeigt, dafs eine „Gleichheit des Gau*
„ges" (Sütram 1, 1, 10) in Bezug auf die Behauptung des Brahman
als Weltursache, nicht aber in Bezug auf die Behauptung der Ur-
materie aU Wcltursachc in den Vedan tatexten vorliege. Dieses
>V!irde in dem bisherigen Teile des Werkes weiter ausgefilhrt. Nun
aber bleibt folgendes Bedenken noch bcHtchen. Man könnte sa-
gen*, ^die Behauptung, dafs die Unnaterie schriftwidrig sei, ist
Sfttram l. iv. 1. ' 203
'nicht lialtbftr; A^inn es giebt in einigon Vedascbulon Texte, welche
'allem Anscheine nach die Urmaterie lehren; and daher kommt es,
'dafs die Urmaterie als Weltursache , eben weil sie aus dem Yeda
'sich erweisen l&fst, von grofsen und. erhabenen Weisen, von Ka-
^pila I und andern, angenommen worden ist/ Daran also konnte 335
man sich anklammem. Und in der That, so lange nicht dar-
gethan wird, dafs jene Teztstellen sich auf etwas anderes als die
Urmaterie beziehen, so lange ist der Satz, dafs das allMrissende
Brahman die Weltursache ist,, wenn auch bewiesen, doch noch
nicht Yollkommen ins Reine gebracht. Um dah^r zu beweisen,
dafs jene Stellen sich auf etwas anderes beziehen, wird die nun-
mehr folgende Auswahl derselben zur Sprache gebracht. •
'„Auch das Gefolgerte" als6\ könnte man sagen, 'd. h. auch
'die durch blofse Schlufsfolgerung erkannte Urmaterie, ist „nach
'einigen" Vedaschulen für schriftmäfsig zu halten. Denn es lieifst
'im Kdfhükam : „den Grofsen überragt das Unerschlofsne, das Uner-
'„schlofsne überragt der Geist" (KS.th. 3, 11). Hier werden der Grofso,
'das Unerschlofsne und der Geist, also dieselben Principion, mit
'denselben Namen und in derselben Stufenfolge anerkannt, vrie sie
'auch in der Smpti [der Sänkhya^B] vorkommen. Hier mufs das
^Unerschlossene (avyaMam)^ weil es in der Smriti so vorkommt,
'und weil das Unerschlossene etymologisch sich ausweist als das-
'jenige, welches, als der Sinnes walirnehmung unzugänglich, ver«
^schlössen ist,' die von der Smriti aufgestellte Urmaterie bedeuten.
'Und eben wegen ihrer Offenbarung durch die Schrift (^ahdavaU
Hvam) ist ihre Unwahmehmbarkeit durch die Sinne (a^abdatvam)
'kein Grund gegen sie. Diese also ist als die Weltursache an-
'zuerkennen, weil Schrift und Smfiti sowie auch die Befiexion für
'sie eintreten.'
Hierauf ist zu erwidern, dafs dem nicht so ist, weil jene Kd-
/^a^a* Stelle gar nicht den Zweck hat, die Existenz des Grofsen
und des Unerschlossenen, wie sie von der Smriti aufgestellt wer-
den, zu lehren. Denn von einer selbständigen Weltursache, wie
sie die Smriti in ihrer aus den drei Guna's bestehenden | Urmaterie 33C
annimmt, von einer solchen ist hier keineswegs die Rede; und nur
der Name, welchen sie ihm giebt, liegt hier in dem Worte „das
„Unerschlossene" vor. Dieser Name aber kann, weil er nach seiner
Etymologie, als dasjenige, welches nicht erschlossen ist, aufgefafst
werden 'mufs , auch für irgendein anderes feines und schwererkenn-
bares Wesen gebraucht werden. Denn dieses Wort ist diu'chaus
nicht durch den Sprai:hgebrauch für eine bestimmte Sache sank-
tioniert; diejenige Sanktion durch den Sprachgebrauch aber, welche
die Anhänger der Urmaterie ihm l^eimessen, beruht eben nur auf
der von ihnen beliebten Terminologie und kann bei einer auf den
Inhalt des Veda gerichteten Untersuchung nicht von Einflufs sein.
Die Gleichheit der Reihenfolge aber [der di'ei Ausdrücke mahad,
204 QMraka-miin&nBfc
ßvyokiam^ pwrmhd\ beweist niohts fOr die Gleichheit der Sachen
^o lange nicht die Wiedererkeanung ihrer Natorbeschaffenheit hin-
Eutritt, and wenn man im Pferdestalle einen Ochsen stehen sieht,
jo wkd ihn kein Verständiger dämm f&r ein Pferd halten. Be-
trachtet man aber, wt)Ton luer geredet wird, so zeigt sich, dafs
4iid8 keineswegs die von den Gegnern aufgestellte Urmaterie ist,
'„weil unter dem in dem GlMohnisse Yersinnbildlichten der Leib
..verstanden wird^*; d« h. M ist der in dem [yoriiergehenden] Oleich-«
nisse ab der Wagen vendnnlHldliohte Leib, welcher hier, an iüd-
serer Stelle, von der. Schrift unter dem Worte „das Unersddos*
337 „sene*^ [ verstanden wird. Warum? wegen des Themas und wegen
dessen, was sonst dabei vorkommt. Denn so ist es „ersichtUdi**
<kU8 dem tinmittelbar vorhergehenden Teile des Werks, in welchem
der Atman, der Leib u« s. w. unter dem Gleichnisse eines Wagen-
fahrers, Wagens u. s« w, vorstellig gemacht wird. Beün es heilst
(KÄth. 3, 3—4):
,J)er Atman, wisse, ist ein Wagenfahrer/
„Sein Wagen ist der Leib, die Buddhi ist
„Der Wagenlenker, Zflgel ist das Manas.
,^e Sinne sind den Rossen zn vergleicban,
„Die Sinnendinge bilden ihre Bahn.
„Den Atman, mit den Sinnen nnd dem Manas
„Verbanden, nennt der Weise den «Geniefser».''
Weiter wird gezeigt, wie einer ans dem Mangel an Zügelung der
Sinne u. s. w. dem Samsära verfällt, während diejenigen, welche
dieselben zügeln, das Ziel des Weges, nämlich „jenen hödisten
„Schritt des Vishif^^ erreichen; da sich hierbei die Frage erhebt,
was unter dem Ziel des Weges und unter dem höchsten Schritte
des Viski^u zu verstehen sei, so wird weiterhin der höchste Atman,
wegen seiner Erhabenheit über die erwähnten Suine u. s. w., als
das Ziel des Weges und der höchste Schritt des VishfU^ aufgewiesen
in den Worten (KÄth. 3, 10— 11):
■
„Den Sinnen Überlegen 'sind die Dinge,
„Den Dingen überlegen ist das Manas,
„Dem Manas überlegen ist die Buddhi,
„Die Buddhi überragt Atman, der Grofse,
„Den Grofsen überragt das ünerschlofsne,
„Das ünerschlofsne überragt der Geist
„Dem Geiste ist nichts anderes überlegen,
„Er ist das Endziel, er der höchste Gang.*'
•
3ab I Hier werden von der Sclirifb eben dieselben Gegenstande, die
Sinne u. s. w., verstanden, welche in dem vorhergehenden Gleioh-
nisse vom Wagen als die Pferde u. s. w. vorkommen; denn ein
Sütram L rr. 1. * 20(1
Abgehflm von dem Y jrbaben unä eisi> Übergehen anf ein nicht Vor*
gehabtes ivt nicht animnehmea. Hierbei nun werden die Sinne,
das Manas und die Bnddhi mit d^iselben Namen wie vorher be«
seidinet. Die „Dinge ^* hingegen bedeuten dais, was yorher die
„Sinnendinge'S d; h. die Gegenstände der Sinneswahmehmung, hielk
und als die Bahn der Sinnenrosse beaeichnet wurde. Dafs diese
Sinnendinge höher stehen als die Sinne, und dafs die Sinne nur
die Halter, die Sinnendinge hingegen die Gegenhalter sind, ist ja
aus der Schrift (Brih. 3, 2) bekannt. Das Manas wiederum steht
hoher als die Sinnendinge, sofern die Beschäftigung der Sinne mit
den Sinnendingen in dem Manas ihre. Wurzel hat. Das Manas
hingegen wird überragt von der Buddhi, weil das zu Geniefsende
[als Besultat der Thätigkeit von Manas und Sinnen], erst indem
OS in die Buddhi eingeht, dem Geniefser zugänglich wird. „Die
„Buddhi überragt Atman derGrofse^'; dies mnfs derselbe sein, der
vorher durch die Worte „der Atman, wisse, ist ein Wagenfahrer"
als der im Wagen Fahrende vorgestellt worden war. Denn dafs
dem 90 ist, ergiebt sich schon aus dem [beide Male vorkommen*
den] Worte „ Atman *S sowie auch daraus, dafs er, als der Ge*
niefsende, höher als die Werkzeuge des Geniefsens steht; als der
,,Grofse** aber wird er bezeichnet, sofern er der Besitzer [des
ganzen Leibes] ist. — Oder auch, wenn man bedenkt, was die
Sinriti [von Hiran^offarbha, dem persönlichen Brahman] sagt:
„Als Manas wird er anfgezähR, als Gro&er,
„Als Denken, als der Brahmto, ah die Burg,
„Als Buddhi, ak der Ruhm und als der Herr,
„Ah die Erkenntnis und ah das Bewufstsein,
„Ah Qeistigkeit und ah Erinnerung*^,
[,,8ü wird mit synonymen Worten Atman der Grofse dargelegt",
wie es bei einer teilweise identischen Aufzählung, Mahäbh. 13, 1011,
beifst], und wenn man erwägt, dafs es audh in der Scfarifb heifst
(gvet. 6, 18):
I .,Der Gott, der einst den BrahmÄn hat erschaffen 331)
„und ihm die Veden fibergeben hat", --
so konnte man zu der Annahme geneigt sein, dafs es die Buddhi
des erstgeborenen Hiranyagarbha ^ als der letzte Grund aller [in-
dividuellen] Buddhi*s, aei, welche hier als „der grofse Atman" be-
zeichnet werde. Oben [in dem Gleichnisse] war diese unier d^^r
Buddhi mit einbegrififen, liier aber wird sie noch apart erwähnt,
um zu zeigen, dafs auch sie schon höher steht als solche Buddhi 's,
wi^ wir sie haben. Jedoch mufs man bei dieser Auffassung an-
nehmen, dafs der wagenfahrende Atman [da er dann nicht unter
dem „grofsen Atman" zu verstehen ist] in der, freilich auf den
206 Qärlraka-mt]näiis&
höchsten Atman bezüglichen, weiter folgenden Erwähnung cles
„Geistes*^ (purtisha) miteinbegriffen wird; und allerdings ist vom
Standpunkte der höchfiten Realität aus zwischen dem höchsten
Atman und dem individnellen Atman ein Unterschied nicht vor-
handen. — Somit bleibt [von den in dem Gleichnisse versinnbild-
lichten Gegenständen] nur allein der Leib noch übrig; nnd wenn
die Schrift an unserer Stelle, .um auf den „höchsten Schritt" hin-
zuweisen, die übrigen vorher [in dem Gleichnisse] vorkommenden
Stücke wieder durchgeht, und wenn dabei das, was als „das Un-
erschlosseno" bezeichnet wird, überschiefst, so ist der SchluTs ge-
rechtfertigt, dafs damit der aus der vorherigen Aufzählung über-
. schieÜBende Leib gemeint sei. Wenn nämlich die Schrift hier von
dem aus Leib, Sinnen, Manas, Buddhi, Sinnendingen und Em-
pfindung verbundenen und auf dem Nichtwissen beruhenden „Ge-
„niefser" [d. h. von der individuellen Seele] redet, und dabei durch
Yergleichung des Leibes u, 8. w. mit einem Wagen u. s. w. den
Weg zur Wanderung und den zur Erlösung schildert, so ist ihre
Absicht dabei, die Auffassung der Innern Seele als Brahman zu
lehren; darum heifst es (Käth 3, 12):
,,In allen Wesen weilt verborgen er
„Als Atman und tritt nicht ans Licht hervor;
„Zu schau'n ist er durch äofserstes Verständnis,
„Durch feinstes Solchen, die das Feine schau'n";
^^ I und nachdem hier die Schrift die Schwierigkeit, zu dem „höch-
„sten Schiitte des Yishnn" zu gelangen, hervorgehoben, so lehrt
sie weiter als Mittel , zu ihm zu gelangen , den Yoffa in den Wor-
ten (Käth. 3, 13):
„£s hemme Rede samt Verstand der Weise;
„Er liemme beides im Erkenntnisselbst,
„Und die Erkenntnis in dem grofsen Selbste,
^,Und dieses wieder in dem Kuheselbst;*^ —
das heifst: mau soll die Hede in dem Manas hemmen, man soll
die' Thätigkeit d^r äiifseren Sinne, das Reden u. s. w. , unter-
drücken und in dem blofsen Manas verharren; aber auch das
Manas, da es dem Denken und Wollen (vikalpa) der Siuuendinge
zugewendet ist, boU man, in der Erkenntnis, dafs dieses Denken
und Wollen ein sündliches ist , niederhalten in der durch das Wort
„Erkenntnis" bezeichneten Buddhi, deren Naturwesenheit dus Be-
Bchliefscn ist; und auch diese Buddhi soll man in dem grofsen
Ätmau, — sei es, dafs darunter der „Genielser" oder auch die
erstanfängliche Buddhi [des Jlira'njtagarhha^ gleichsam das „ewige
„Subjekt des Erkennens"] zu verstehen ist, — durch Vertiefung
in dessen Feinheit (Schwererkciinbarkeit) hemmen , und den grofsen
Atman endlich soll man in dem „ruhigen Atman**, d. h. in dem
Sütram I. iv. 1. 207
in Rede stehendeiv böcliBtoii „Geiste", als dem letzten. „Endziele"
versenken.
Somit folgt aus der Betrachtung des Vorhergehenden and des
Nachfolgenden, dafs hier an die von den Gegnern aufgestellte Ur-
materie zu denken keine Veranlassung vorliegt.
2. sükshmam tu. tad-arhatvät
vielmehr der feine, weil dieser ein Becht darauf hat
Wir haben gezeigt, dafs man wegen des Themas und wegen
des 21u8ammenhang6s der Stelle unter dem Worte „das Unerschlos-*
mn^*'^ den Leib und nicht die Dmiaterie zu verstehen hat. | Da 841
nun aber erhebt sich die Frage: ^wie kann der Leib ein Kecht
Maranf haben, als das „Unerschlossene" bezeichnet zu werden, da
'ja doch der Leib vermöge seiner Grobkörperlichkeit vollkommen
'walirnehmbar ist und daher vielmelir ein Recht darauf iiat, das
'Erschlossene zu heifsen, während das „Unerschlossene*' hingegen
^nnr ein Nichtwahrnehmbares bezeichnen kann'. — Darauf dient
zur Antwort: es ist „vielmehr der feine*' Leib, welcher in seiner
Eigenschaft als die Ursache [des groben Leibes] hier gemeint ist,
indem das Feine (Unwahrnehmbare) ein Recht darauf hat, das
„Unerschlossene'^ zu heilten. Wenn also auch dieser grobmaterielle
Leib als solcher kein Recht auf den Namen des Unerschlossenen
hat, i»o hat doch das ihm als Ih^sprung dienende Feinwesentliche
der Elemente ein Recht darauf, das „Unerschlossene" zu heifsen;
und iier Name [„Leib"], welcher [eigentlich nur] diesem Ursprüng-
lichen zukommt, wird [weiter auch] von dem aus ihm Entsprun?
genen [d. h. dem groben Leibe] gebraucht, wie dies in der Schrift
öfter vorkommt, denn es heifst z, B. (Rigv. 9, 46, 4)> },den Rausch-
„trank mischet mit den Kühen" [d. h. mit der Milch]. Mit Be-
ziehung auf diesen [feinen Leib der Dinge] sagt auch die Schrift:
„Diese Welt hier war damals nicht entfaltet" (Brih. 1, 4, 7), wo-
mit sie lehrt, dafs diese jetzt entfaltete und in Namen und Ge-
stalten zersplissene Lcbeuswelt in dem Urzustände noch nicht zu
Namen und Gestalton entfaltet war, sondern nur der Samenkrafb
nach bestand und daher mit Recht als „das Unerschlossene" be-
zeichnet wird [lies: avydkta'Qdbda^yogyani].
5, tad-adlmmt^ädy arthavat
weil von ihm abhängig, sachentsprechend.
liier könnte der Gegner einwenden: 'wenn ihr zugebt, dafs
'diese Welt, vor der Entfaltung der Namen und Gestalten, als
208 g'ftrlraka-mlinJLti8&
^Same derselben bestehend, in diesem Ursnsiande das „Unersdilos-
S,8ene" genannt su werden ein Recht hat, wenn ihr femer an-
/erkennt, dafs auch der [feine] Leib, weil er jenem Urzustände
'entstammt, auf die Benennung als das „Unerschlossene** Anspruch
'hat, nun dann ist damit eben jene Behauptung, dafs die Ur-
342 'materie die Weltursache sei, wenn dem | wirklich so ist [wie ihr
'sagt], bestätigt! Denn gerade der Urzustand unserer jetzigen Welt
'ist es, den wir unter der „Urmaterie" verstehen \ — Darauf
dient zur Antwort: wenn wir irgendeinen selbständigeu Urzustand
als die Ursache der Welt ansähen, so würden wir allerdUugs jener
Behauptung der Urmaterie als der Ursache Eingang gewähren;
nun aber nehmen wir vielmehr an , dafs jener Urzustand der Welt
von dem höchsten Grotte „abhängig'', nicdit aber ein selbständiger
war, und einen solchen mufs man allerdings annehmen, weil er
„sachentsprechend" ist; denn ohne ihn kann die Schöpferthätigkeit
des höchsten Gottes nicht statthaben, weil eine Thätigkeit des-
selben, ohne dafs er mit Kräften ausgerüstet' wäre, uudenkbar
ist; sowie auch, weil die Erlösten [nur darum] nicht wieder ge-
boren werden, weil bei ihnen die Samenkrafk durch das Wissen
verbrannt ist; denn im Nichtwissen besteht jene fiamenkraft,
welche als daa „Unerschlossene" bezeichnet wird und dem höch-
sten Gotte als Grundlage des Schaffens dient, jener aus Blend-
werk (mäyä) gebildete« grofse Tiefschlaf, in welchem die noch nicht
des Erwcushtseins zur Erkenntnis ihrer eigentlichen Natur teil-
haftig gewordenen, und [darum] wandernden Seelen befangen liegep«
Eben dieses Unerschlossene wird [im Gegensatze zu BrahmanJ
manchmal als der „Äther" (äkäQa) bezeichnet, z. B. wenn es heifst:
„in diesem Unvergänglichen [d. h. Brahman] ist der Xther ein-
„gewoben, o G&rgi" (Brih. 3, 8, 11); manchmal heifst es auch das
„Unvergängliche'*, z. B. in der Schriftatelle: „noch höher als das
„höchste Unvergängliche" (Mund. 2, 1> 2); und zuweilen wird es
als ein „Zauber" (mäyä) gekennzeichnet, wie in dem Schriftverse
(gvet. 4, 10):
„Ein Zauber, wisse, ist die Umatur,
„Und der ihn zaubert, ist der höchste Gott"
343 I Denn als das „Unerschlossene" Mfird dieser „Zauber" bezeichnet,
weil es nicht möglich ist, ihn als eine Wegenheit noch auch als
das Gegenteil vorzustellen, und eben dasselbe ist es, von dem
unsere Stelle sagt: „den Grofsen überragt das Unerschlofsne"
(Kath. 3, 11), weil das Unerschlossene den Vorrang vor dem Grofsen
hat, falls man unter letzterem die Buddhi des HiranycLgarbha ver-
steht; ist aber unter dem Grofsen die individuelle Seele zu ver-
stehen, 80 heifst es auch dann: „den Grofsen überragt das Un-
„erschiofsne ", weil das Sein der individuellen Seele von dem Un-
Bttnm l. IV. 3. 209
erachlo08eAe& abhängig ist. Denn das Uoerscblossene ist das
Nichtwissen, in der Bebaftoiig ittit dem Nichtwissen aber entspann
sich nnd bewegt sieb das ganae Thnn and Treiben der indiyi-
di^ellen Seele. Diese Überlegenheit des Unersohlossenen über das
Grofse gilt nnn, indem beide a}r ungetrennt behandelt werden,
andb fl&r den aus ihm gebildeieD [feinen] Leib. Denn wenn auch
ebenso gut wie der [feine] Leib aoeh die [ihm entspre^ienden]
Sinnesorgane eine Umwaodhzng des Unersohlossenen sind, »f> ist
doch hier mir der Leib, yenaöge der Zusammenfaasang mit ihns,
unter dem Unersdbiosseiien mul Terttehen , da die Sam^ u. s. w.
schon unter ihrem eigenen Kamen erwähnt waren, und. nur der
Leib noch übrig bleibt. — Andere hingegen erklären [dieses
und das Torige S^tram} wi» folgt. Der Leib ist xwei&eh:
der grobe und der feine; der grobe ist dieser hier» welcher wahr-
genommen wird; der feine ie^mdgt^r yon dem e» weiter unten
heifstr „beim Eingange in cuMsr tos üun verschiedenen [groben
^^Leib] rennt sie [die Seele] umsshloagen [yön demr Israeli Leibe],
„wegen der Fra^e und Darlegvng^^ ^Sütrmn 3. 1, 1). Diese beiden
Leiber nan wxnrden vorker, ohne* sie zu unterscheidett , aW der
„Wagen ^ bezeichnet , währm^ an nnaarer Stelle hnigegen miter
dem „ünerechlossendn'^ nur ^^^^ feuo" Leib verstanden werden
darf, t 99^6^ [o^f] dieser ein Recht d^orauf hat", das Uncr8<^k»asene 344
XU h«i&en (Sütram 1, 4, 2). Und „weil von ihm abhängig*^ das
Treiben der Bindung und Losong [von der Leiblichkeit, au wei-
terer WisndcmBg} ist,, darum steht ec höher als die individuelle
Seeler „sachestsp^eohend'^ (Sfttram; 1, 4, .7)^ d. h. entsprechend dem,
dftf? die Sachen (l>inge)r weil die. TMtigkeit der Sinne ,^voa ihnen
,^hiVngig^* ist, höher als diese « fpesteüt werden. Wer so meint,
der möge uns doch auf Folgendes antworten: da vorher
beide Leiber ohn» Unterschtpd als der Wagen bezeichnet worden
warea, wie kommt, e», dafs, wo doch die Vorhererwähnung und
das übRgble^en [bei Bestimmiing der Stucke im Gleichnisse] für
beide gemeimuHn lÄt, nadrher mn iniserer Steife^ nxti' d^r feine Leib ■
urrd m3bt au^ck wieder Aer grobe verstanden» wird? — - Dir ant-
wortet vielleicht: 'wir können mir den* Sinn des: i}herlieferten er-
*^gretfen, nicht aber daa Überlieferte zur Rede stellen-r überliefert
'aber ist das Wort „das Unerschlossene*^, und' dieses kann nur den
^feinen Leib bedeuten^ mcfet dm andern, weil dieser offenbar ist.^
— Aber diese Antwort ist mefat zulässig;,, weil düe- Ergreifung des
Sinnes dadurch bedingt wird,, daJs die Stelle eine einheitlidte ist»
Denn beides, daa an der ersten tuuL das an der späteren Stelle
Überlieferte ,^ giebt, wefon m-an: nicht die EinkeFt der SW;1<» vor*-
auflsetat, übcrkaapt keinen Sinn, weü dann ein; Abgelien von dem
Erstgemeipfben und das Überspringen zu einem Nichtig «meinten
[d. hu eine Zweideutigkeit des Wortes „Leib"*] eintreten wurde,
^edenfiklls Hegt die Auffas^uiag der Stelle al» ein«*r- einheit-
1^
210 Qd.rtraka-mlin&n8&
liehen in der «Absicht der Schrift. Wäre nun die Schriftabsicht
diese, dftfs beide Leiber ohne unterschied [wie ihr wollt an der
ersten, dann aber konsequenterweise auch an der zweiten Stelle]
verstanden werden sollten, so würdet ihr [die ihr das Gemeint-
sein beider Leiber für die zweite Stelle leugnet] die von der Schrift
gewollte Verknüpfung [beider Stellen] nicht annehmen, und folg-
lich nicht einmal die Einheit der ganzen Stelle gelten lassen, '
345 geschweige denn [wie ihr behauptet], „den Sinn des Überlieferten
„ergreifen". — Und auch das dürft ihr nidit glauben, dafs hier
[an der Ic^tztern Stelle] darum der feine Leib allein verstanden'
wei'deu müsse, weil es schwierig sei, [die Seele] von diesem rein-
zuwaschen, dafs hingegen jder grobe Leib, weil es, zufolge der
Ekelhaftigkeit des Sinnlidien, leicht sei, [die Seele] von ihm rein-
Tsuwaschen, nicht vorstanden zu werden brauche [lies: agraliaiiam].
Denn es handelt sich hier gar nicht darum, ii'gend etwas rein-
zuwaschen, da von der ganzen Stelle nichts ausgesprochen wird,
was zu einer Reinwaschung aufforderte. Vielmehr liegt die ganze
Absicht der Stelle darin, zu erklären, was jener höchste Scliritt
des Vishnu «ei, wie aus der sofortigen Uinweisung auf diesen
erhellt. Denn nur in dieser Absicht geschieht- es , dafs die Schrift
immer eines höher als das andere stellt, bis es heifst: „dem
„Geiste ist nichts andres überlegen". — ' Doch wie dem auch sei,
da auch nach eurer Meinung das Ausgeschlossensein der ürmaterie
zutrifft, so mögt ihr es meinetwegen so halten, wir sind uns [in
dem, worauf es ankommt]- vollkommen einig.
4. jneyatva-avacanäc ca
und weil nicht gesagt, dafs es erkannt werden solle.
Hierzu kommt, dafs die Ürmaterie von den Sankhya's für ein
Erkennbares erklärt wird, indem sie behaupten, dafs die Er-
lösung hervorgehe aus der Erkenntnis des Unterschiedes zwischen
den Guna^s [aus denen die Ürmaterie besteht] und dem Pui-usha;
ohne aber die Natur der Guua's erkannt zu haben, ist es nicht
346 möglich, den Unterschied derselben von dem Purusha |^ zu ver-
stehen. Auch erklären sie gelegentlich, dafs, um bestimmte Macht-
vollkommenheiten (vibhüH) zu erlangen, die Ürmaterie erkannt
werden müsse. Von einer solchen Forderung nun aber, „dafs es
„erkannt werden solle ^S ist bei dem uns vorliegenden Unerschlos-
senen keine Rede. Denn der Ausdruck „das Ünerschlossene" ist
ein blofses Wort, und es wird durchaus nicht dabei gesagt, dafs
man das Unerschlossene erkennen, oder dafs man es vorehren solle.
Dafs aber in der p]rkenninis eines Woi*tsinnes, welcher gar nicht
SDtram 1, iv. 4. 211
gelehrt wird, das Ziel des Menschen bestehe, kann man unmöglich
annehmen. Auch hieraus also folgt, doXs mit dem „Unerschlos-
senen^' die üimaterie nicht gemeint sein kann. Nach unserer Auf-
fassung hingegen hat die ganze Auseinandersetzung nur den Zweck,
am Leitfaden der in dem Gleichnisse vom Wagen yeranschaulich-
ten Gegenstände, des [feinen] Leibes u. s. w. , zu dem „höchsten
„Schritte des Vishnu*^ hinzuführen, und dagegen ist nichts einzu«
wenden.
5. vadatiy iti ceii? na! pr6jno hij prakarandt
sie sage es, meint ihr? O nein, denn es ist der
Erkenner, wegen des Vorhabens.
r
Hier konnte der Säilkhya einwenden: *eure Berufung darauf,
'dafs „nicht gesagt werde, dals es erkannt werden solle" (Sü-
'tram 1, 4, 4), ist unberechtigt; warum? nun, weil in der That in
'dem weiterhin Folgenden von der Schrift gesagt wird, daJfe die
'unter dem „Unerschlossenen" zu versterbende TJrraateriö erkannt
'werden solle, denn es hoifst (Katb. 3, 15):
'„Unhörbar und unfühlbar, uuver^änglieh,
'„Unsichtbar, ewig, unschmeckbar, uuriecbbar,
S,Ohtt' End' und Aufang, höher als der Grofse,
•„ Unwandelbar ist er; — wer ihn erkennt,
'„Der wird erlöset aus des lodes Kadien." ^
I 'liier wird ja die Urmaterie, so wie sie von der Smriti als der 347
'Sinneswahrnehmung unzugänglich und dpm Mahad (Grofsen) tiber-
'legen geschildert wird, gerade so als dasjenige, was man er-
'kennen müsse, hingestellt! Dieses mufs denn doch die Urmaterie,
'und diese folglich auch unter dem „Uncrscblossenen*' zu verst-eben
'.^ein!' — Darauf antworten wir: es ist nicht die Urmaterie, welche
hier als das zu Erkennende hingestidlt wird, soudern .,os ist der
„Krkenner", d. h. der höchste Atnian, dessen Erkenntnis hier ge-
fordert wird; so mufs man es annehmen; warum? „wegen des Vor-
„habens", denn um den Erkenner entspann sieb und dreht sich das
ganze Vorhaben, Denn es heifst (Käth. 3, IJ):
,.Dem Geiste ist nichts anderes überlegen,
„Er ist das Endziel, er der höchste Gang" j
-- hier wird auf den Erkenner hingewiesen. Und (Kfttb. 3, 12):
,Jn allen Wesen weilt verborgen er
.,Alb Atniau und tritt nicht ans Licht hervor";
14*
212 C'^rtri^-intmMM
— hier wird, doroh Hervorhebung seiner Schwererkennbarkeit
gerade, dem Wonaohe, dafs man iki ericennen mfisse, Anadmok
gegeben. Und (EAfh. 3, 18):
„Es hemme Rede samt Verstand der Weise^;
^^ hier wird befohlen, dafs man, gerade nm ihn eu erkennen, die
Rede [lies: väg] n. s. w. Iiemmen müsse. Und als die Fmeht die-
ser Erkenntnis wird (Eftth. 3, 15) die „Erlösnng ans des Todes
„Rachen^' verheifsen. Dafs aber durch eine blofse Erkenntnis der
tJrmaterie die Erlösnng ans des Todes Rachen erreicht werde, das
können doch die S&fikhya*s selbst nicht wollen; denn ihre Annahme
geht ja dahin, dals durch die Erkenntnis des geistigen Atmen
[ihres Purusha] die Erlösnng aus des Todes Rachen bedingt sei.
Da(s >ber der Atman, eben als der „Erkenner'S die Eigenschaft
habe, nicht durch die Sinne, Gehör u. s. w., wahrgenommen wer-
den SBu können, das wird ja in allen Vedftntatexten ausgesprochen.
Somit kann es nicht die ürmaterie sein, von der hier gesi^ wird^
dafs man sie erkennen solle, noch auch kann sie es sein, weldie
unter dem „Unerschlossenen*^ au verstehen ist.
6. trayänäm eva ea evam npanyäsah pragna^ ca
auch ist nur dreier in solcher Art Vorbringung und
ErfoiguBg.
Auch darum darf man nicht annehnon, dafs die Ürmaterie
unter dem Unerschlossenen zu verstehen sei, oder als das zu Er-
kennende bezeichnet werde, weil „nur drei**^ Gegenstände, n&m-
lich das [Opfer-]Feuer, die individuelle Seele und der höchste
348 Atman, in diesem Buche, d. h. in den Yalirs der Katha*s, | behufs
der Erfüllung der [beiden letzten unter den drei von Nacike-
tas erbetenen] Wünsche als Themata der Besprechung vorgebracht
werden, und nach ihnen war auch nur gefragt worden; und es
findet keines weitem Gegenstandes Erfragung oder Yorbringung
statt. Zunächst also, [wenn Naciketas bei Gelegenheit des zweiten
Wunsches K&th. 1, 13 sagt]:
„Du kennst das Feuer, das den Himmel au&chliefst,
„Erkläre es, o Tod, mir, der da glaubet**^
so wird hier nach dem Feuer [als dem ersten Gegenstande] ge-
fragt. — Ferner, [wenn Naciketas bei Gelege'nheit seines dritten
Wunsches Käth. 1, 20 sagt:]
SAtram I. iv. 6. 218
„Ein Zweifel waltet, wenn der MenaGh gestorben;
„«Er ist», so sagen einige, und andre «er ist nicht»;
„Das möchte ich Ton dir belehrt erkennen,
„Das ist die dritte der rersproch^nen Gaben 'S
so besieht sich dieses auf die individaello Seele [als den zweiten
der drei Gegenstände. — Endlich [wenn Naoiketas, ebenfalls bei
Gelegenheit seines dritten Wuiisches, K4th. 2, 14 dem Yama in die
Kede fällt mit den Worten:}
„Vom Gnten frei und frei vom Bösen,
„Von Ursach' und von Wirkung frei,
„Frei von Vergangenem and ZukQnft'gem, —
„Das sage mir was dieses sei!*' —
so bezieht sich dies aof den höchsten Ätman [als don dritten
Gegenstand]. — Ebenso steht es mit der Beantwortang. Zunächst
heifst es (Kath. 1, 15):
„Das Opferfeuer, das der Grund der Welt ist,
„Erkl&rte er ihm und die Altarsteine,
„Wie viele ihrer und wie sie zu ordnen'';
dies geht auf das Feuer. — Sodann (Käth. 5, 6 — 7):
„Wohlan so will ich dir es denn verkünden,
„Das ew'ge und geheimnisvolle Brahman,
„Und was, nachdem der Mensch dem Tod verfallen,
,^us seiner Seele wird, o Gantama," —
I „In einen Muttorschofs die Einen eingehen, 349
„Verkörpernd sich zu neuer Leiblichkeit,
„In eine Pflanze* mttssen andre fahren,
„Je nach dem Werk, je nach dem Schriftgebrauch '^;
dies bezieht sich auf die individuelle Seele. — Endlich die lange
Ausführung, welche anfangt mit den Worten (E&th. 2, 18):
„Nicht wird geboren oder stirbt der Weise " u. s. w.
bezieht sich auf den höchsten Atman. Hingegen kommt nicht „in
„solcher Art", eine auf die ürmaterie bezügliche Frage vor, und da
nach ihr nicht gefragt war, so war auch keine Veranlassung, sie
vorzubringen; so [ist der Sinn des Sütrams]. —
Hier könnte man Folgendes einwerfen: ^SoU man annehmen,
'dafs die auf die Seele bezügliche Frage: „ein Zweifel waltet.
* M. Müller übersetzt (188^): into inorganic matter, — Nun und
nimmermehr! Vgl. mein „System des Ved&nta" (1883), 8. 257 fg;
. 214 C'^riraka-mimä^fisfl
*„wenn der Menscli gestorben" (K&tb. 1, 20), dafs diese Frage
*init den Worten: „vom Guten frei und frei vom Bösen" u. s. w.
'(Kätb. 2, 14) als dieselbige wieder aufgenommen wird, oder vnrd
*bier eine von ibr verschiedene, noch nicht dagewesene Frage auf-
*geworfen? Wpzu das? Nun, wenn es dieselbe Frage wie vorher
"sein soll, die hier wieder aufgenommen wird, so fallen die beiden
'auf den Atman [als die individuelle und die höchste Seele] be-
^züglichen Fragen in eine zusanunen, und wir behalten nur zwei
^Fragen, die nach dem Feuer und die nach dem Atman; dann
*durfte nicht von einer „Erfragung und Vorbringung dreier** Fra-
*gen [im Sütram] geredet werden. Behauptet ihr hingegen , dafs
*in diesen "Worten eine neue, noch nicht dagewesene Frage auf-
'geworfen werde, nun dann müfst ihr, so gut wie ihr zulafst, dafs
*noch eine neue, nicht in der Erfüllung der [drei] Wünsche ein-
*begri£Fene Frage angenommen wird , mit demselben Rechte zu-
'lassen, dafs eine, wenn auch in den Fragen nicht einbegriffene,
* Vorbringung der Urmaterie angenommen, werde!' — Darauf dient
zur Antwort: es fallt uns gar nicht ein, hier in dieser Weise eine
neue, nicht in der Erfüllung der [drei] Wünsche einbegriffene
Frage anzunehmen, indem der Eingang der Stelle dies. nicht zu*
läfst. Denn der Zusammenhang der Stelle erstreckt sich, von der
350 Bewilligung der [drei] Wünsche | im Eingange an in Form einer
Unterredung zwischen dem Tode und Naciketas bis zum Schlüsse
der Eathavallf s hin^ N&mjich der Tod hatte dem ihm von seinem
Vater zugesandten Naciketas drei Geschenke versprochen; Na-
ciketas nun wählt als erstes Geschenk von diesen dreien die Be-
gütigung seines Vaters, als zweites die Kenntnis des Opferfeuers,
als drittes die Kenntnis des Atman ; daher es nach den Worten
„ein Zweifel waltet, wBun-der Mensch gestorben*' u. s. w. heifat:
„das ist die dritte der versprochenen Gaben" (Kfrth. 1, 20). Würde
-•nun wirklich in den Worten „vom Guten frei und ft'ei vom Bösen"
(K&th. 2, 14) eine neue Frage aufgeworfen, so würde bei dieser
Annahme einer Frage, welche noch Über die Bewilligung der [drei]
• Wünsche hinausläge, die Stelle mit sich selbst im Widerspi*uch
stehen [was unmöglich ist]. — *Aber mufs nicht doch, wegen der
'Verschiedenheit dessen, wonach hier gefragt wird [vom Vorheri-
'gen], eine neue Frage hier angenommen werden ? Denn die vor-
'herige Frage bezog sich ja auf die individuelle Seele, indem in
'Betreff dieser der Zweifel, welcher waltet, wenn der Mensch ge-
'sterben , ob er ist oder nicht ist, — dieser Zweifel ausgesprochen
'wurde. Auf die individuelle Seele nun aber wiederum kann, da
'sie sich im Bereiche des Guten und Bösen befindet, nicht die
'Frage nach dem, was vom Guten u^nd Bösen frei sei, passen;
'hingegen pafst diese Fi*age auf den Erkeniier [den höchsten Atman],
'weil dieser über das Gute und Böse erhaben ist. Und auch die
'Struktur (ckdyd) der beiden Fragen zeigt sich nicht als die näm-
Sütram L iv. 6. 215
^liche; denn die eretero fragt danach, ob etwas sei oder nicht sei;
^die zweite hingegen iRt auf eine [als seiend vora^8g6setzte] über
'das Gute und ^ das Böse hinausliegende Wesenheit gelichtet. Da
^mah somit hier nicht dasselbe wie vorher wiedererkennen kann,
'so mufs man annehmen, dafs es zwei Fragen sind, ,und nicht dafs
'nur die vorherige Frage im Folgenden wieder aufgenommen werde.'
— Diese Ausführung bestreiten. Mrir, und zwar auf Grund der
Anschauung, dafs die individuelle Seele und der Erkenner eine
Einheit ausmachen. | Gewifs wäre ein Unterschied des Erfragten 35 1
und somit ein Unterschied der beiden Fragen zuzugeben, wenn
die individuelle Seele wirklich von dem Erkenner verschieden
wäre; diese Verschiedenheit besteht aber in Wahrheit nicht, wie
•aus andern Schriftstellen, z. B. „das bist du" (Chänd. 6, 8, 7) u. s. w.,
hervorgeht. Und auch an unserer Stelle, wenn auf die Frage nach
dem, was vom Guten u. s. w. frei sei, in den Worten: „nicht wird
„geboren oder stirbt der Weise", die Antwort gegeben wird durch
eine Verneinimg des Geborenw^erdens und Sterbens, so ist dies be-
weisend für die Identität der verkörperten Seele und des höchsten
Gottes. Denn die Verneinung einer Sache ist nur da, wo die
Möglichkeit derselben vorhanden ist, berechtigt. Eine solche Mög-
lichkeit des Geboren Werdens und Sterbens aber ist nur für die
verkörperte Seele, wegen ihrer Berührung mit dem Körper, nicht
fiir den höchsten Gott vorhanden. — Ebenso, wenn es heifst
(Kath. 4, 4):
„Wer den, durch welchen wir den Traumbezirk
,.Und den Bezirk des Wachens, beide, schauen.,—
„Wer diesen als den alldurchdringenden ,
„Den groTsen Atman wohl begriffen hat,
„Der ist ein Weiser imd befreit vom Kummer ! " —
wenn hier die Schrift demjenigen Wesen, welches im Traume und
Wachen schaut, also doch der individuellen Seele, die Gröfse und
Alldurchdringung beilegt, und erklärt, dafs wir durch Wohlbegrei-
fung derselben vom Kummer befreit >vürden, so giebt sie damit
zu verstehen, dafs die individuelle Seele von dem „Erkenner"
[dem höchsten Atman] nicht verschieden ist. Denn dafs es die
Erkenntnis des Erkenuers ist, durch welclie die Befreiung vom
Kummer eintritt, ist eine Grundanschaunng des Vedf^nta. — Ebenso
in den Worten (Kath. 4, 10):
„Was hier ist, das ist eben doi*t [in Brahmau],
„Was dort, zugleich auch hier am Ort,
„Von Tod zu Tode wird verstrickt,
„Wer ein [von Brahman] Verschied 'nes hier erblickt", —
) wird es verboten, eine Verschiedenheit zwisclien der individuellen 352
Seele und dem Erkenner zu erblicken. — Ferner auch, wenn
216 9fcrtra]ca-ml]nlt&B&
gleich nach der Frage tf^er die ExiBtenz der individuellen Seele
(Eft^h. 1, 20), der Tod versetzt: „wähl* eine andre Oabe Nacike-
„tas!" (KÄ^h. 1, 21) und darauf den Naciketas durch mancherlei
Lockungen in Versuchung fuhrt, dann aber, nachdem Naciketas
sich nicht hat abbringen lassen, diesen, nach Darlegung des Unter-
schiedes zwischen der Glückseligkeit und dem höchsten Gute (2,
1 — 2) und nach Darlegung des [entsprechenden] Unterschiedes
zwischen Nichtwissen und Wissen (2, 4), zu preisen unternimmt
mit den Worten: >,Nach Wissen trachtest du, o Naciketas, nicht
„konnten dich die Lockungen verführen'^ (2, 4), und, schon eine
blofse Frage dieser Art preisend, hinzufügt (2, 12):
„Schwer zu erschauen, in Dunkel eingegangen^.
„Tief in der Höhle weilt versteckt der Alte;
„Dm weifs als Gott durch innigste Verbindung
„Der Weise und wird frei von Leid und Freude",
— so muTs man schliefsen, dafs auch hierdurch schon die Iden-
tität der individuellen Seele mit dem £rkenner ausgesj^rochen wer-
den soll. Denn [wenn man diese nicht schon hier, sondern erst
durch eine weitere Frage veranlafst finden will,] wenn ntan an-
nehmen will, dafs Naciketas diejenige Frage, um deren willen er
so grofses Lob von Seiten des Todes einerntete, sofort nach die-
sem Lobe fallen liefse, um (2, 14) eine neue Frage aufzuwerfen,
so w&re jene ganze Lobpreisung am unrechten Orte ausgesprochen
worden, und darum mufs man annehmen, dafs es nur eben jene
353 Frage „Ein Zweifel waltet** u. s. w. (1, 20) ist, welche | in den
Worten „Vom Guten frei'* u. s. w. (2, 14) wieder aufgenommen
wird. — Wenn aber der Gegner sich oben auch auf die Ver-
schiedenheit in der Struktur der Frage berief, so ist das kein
Einwand; denn es ist eine [weitere] Bestimmung eben desselben
Gegenstandes, nach welcher beim zweiten Male gefragt wird. Denn
vorher war die Frage nach der Existenz der vom Leibe befreiten
Seele, und nachher wird nach der Befreiung ebenderselben Seele
von der Seelenwanderung gefragt. So lange iiftmlich das Nicht-
wissen nicht beseitigt wird, so lange bleibt sowohl die Befangen-
heit im Gdten und Bösen als auch die Individualit&t der indivi-
duellen Seele unbeseitigt; durch Beseitigung des Nichtwissens hin-
gegen wird sie als der Erkenner gem&fs dem Schriftworte; „das
„bist du" (Chänd. 6, 8, 7) begriffen; ob aber dae Nichtwissen uoch
besteht oder ob es gehoben wird, das begründet fiOr das Objekt,
auf das sich dasselbe bezieht, keinen Unterschied; sondern so
wie einer einen liegen gebliebenen Strick in der Finsternis für
eine Schlange hält und voll Furcht und zitternd vor ihr flieht,
und ein anderer zu ihm sagt: „fürchte dich nicht, es ist keine
„Schlange, es ist nur ein Strick", und jener, nachdem er dieses
Sütram L ly. 0. 217
gehört bat, die Furcht vor der Schlange und das Zittern und das
Fliehen aufgiebt, und wie hierbei für die Zeit des Haltens für
eine Schlange and für die der Beseitigung dieses Irrtums in Betreff
des Objektes selbst nicht der geringste Unterschied besteht, gan2s
ebenso ist es auch in unserem Falle. Und daher kommt es, dafs
auch durch die Worte „nicht wird geboren oder stirbt der Weise"
(Kath. 2, 18) die Antwort auf die Frage nach dem Sein oder Nicht-
Boin gegeben werden kann. — Das Sütram aber mufs man dahin
auffassen, dafs es [mit seiner Unterscheidung dreier, statt nur
zweier Gegenstände, nach denen gefragt wird] auf die vom Kicht-
wissen aufgestellte Verschiedenheit zwischen der individuellen Seele
und dem Erkenner Rücksicht nimmt. Denn wiewohl die Frage nach
dem Atman eine einheitliche ist, so kann doch, sofern einerseits schon
an der blofsen Existenz der im Tode vom Leibe befreiten Seele ge-
zweifelt wurde, und anderseits die durch den Sams&ra bedingten Natur-
beschaffenheiten, das Thätersein u. s. w., noch nicht | an derselben 354
beseitigt waren, die Sache [vom Sütram] dahin aufgefafst werden,
dafs das Erstere sich auf die Seele als individuelle, das Letztere,
wegen der Erwähnung der Erhabenheit über Gutes und Böses, auf
ebendieselbe, sofern sie der „Erkenner" ist, beziehe; daher es
mit der Unterscheidung £der drei Gegenstande] des Feuers, der
individuellen und der höchsten Seele seine Richtigkeit hat. Zu
der Behauptung hingegen, dafs hier von der-Urmaterie die Rede
sei, pafst weder die Verleihung der Geschenke, noch die Frage,
noch die Antwort; daher es hiermit eine ganz andere Bewandt-
nis hat.
7. mahad-vac ca
auch ist es ebenso wie mit dem Grofsen.
Ebenso wie, wenn von den Sankliya's das Wort Mahad (der
oder das Grofse) von der blofsen [ungeistigen] zuerst [aus der Ur-
materie] hervorgehenden Wesenheit gebraucht wird, darum im ve-
dischen Gebrauche das Wort noch nicht dasselbe zu bedeuten
braucht, in Stellen wie: „die Buddhi überragt Atman der Grofse"
(K4th. 3, 10), — „den alldurcbdringeuden , den grofsen Atman"
(Ka^h. 2, 22), — ,.ich kenne diesen Purusha, den Grofsen" (Qvet.
3, 8), — weil dabei das Wort Atman vorkommt und aus andern
Gründen, — ebenso braucht auch das Wort „das Unerschlossene"
im.vedischen Gebrauche nicht die Urmaterie zu bedeuten. Auch
darum also liefst sich die Schriftmäfsigkeit „des Gefolgerten", der
von der Smpti gelehrten Urmaterie, nicht aufrecht halten.
218 Q&riraka-mliii&ii8&
Zweites Adhikavanam,
355 ^ ' s. eamasavad, avigesMt
weil, wie bei dem Becher, ünentschiedenbeit.
Wiederum behauptet der Verfechter der Urmaterie, dafs die
Schriftvidrigkdt derselben sich nicht aufrecht halten lasse; warum?
*wegen des Verses (^vet. 4, 6):
S,Die eine Ziege (Ungeborene, ({ja) rot und weils and schwarz,
SfWirft yiele Jangen, die ihr gleichgestaltet (lies sarupdh)',
'„Der eine Bdck (Ungeborene, aja) in Liebesbranst bespringt (hegt) sie,
S,Der andre Bock yerläfst sie, die genossen^*; —
4n diesem Verse sind unter den Worten „rot und weifs und schwarz''
Jdie drei Gnna's der Sänkhyalehre , nämlich] das EajaSy Saitvam
^und Tamas zu verstehen. Pas Rote ist das Rajas (Leidenschaft),
weil es seiner Natur nach aufreget (ratet); das Weifse ist das
Saitvam (Wesenheit, Güte), weil es seiner Natur nach aufhellt;
das Schwarze ist das Tamas (Finsternis), weil es seiner Nati;r
'nach verdunkelt. £^ ist die Gleichgewichtslage dieser Guna's,
'welche hier nach der Beschafifenheit der Teile, aus deneii sie be-
isteht, als „rot und weifs und schwai'z" bezeichnet wird. Und
'weil diese die ursprüngliche ist, darum heifst sie ajä (die Ün-
'geborene), indem die Saükhya's von ihr [d. h. von der Urmaterie]
'sagen: „Erschaffend, nicht erschaffen ist die Urnatur" (Säiikhya-
'karikd 3).* — Aber bedeutet das Wort ajä nicht nach dem Sprach-
gebrauc^e eine Ziege? — *PVeilich wohl! Aber dieser Sprach-
'gebrauch darf hier nicht mafsgebend sein, weil es sich in der
'Stelle um das Wissen [von der Natur der Dinge] handelt. Jene
'Unnaterie also gebiert viele, mit den drei Guna's behaftete Jun-
**gen; und von ebenderselben wird gesagt, dafs der eine Un-
'geborene [aja, was auch „Bock" bedeutet], d. h. der ein Purtisha
'(Geist, Tndividualseele) sie „in Liebesbrunst", in Zuneigung, An-
3ÖC 'hänglichkcit, | „hege", indem er, zufolge des Nichtwissens, die-
'selbe für sein eigenes Selbst ansieht und demgemäfs, aus Un-
'vermögen [sein wahres Ich, den Ptiruska, von der Urmaterie] zu
'unterscheiden, sich selbst für den Träger der Lust, Unlust und
'Verblendung [als welche sich die drei Guna*s bethätigeu] hält
'und somit in der Seelenwanderung befangen bleibt; — während
'hiuwiderum ein anderer „Üngeborener", d. h. ein Puinisha^ der
'jene Erkenntnis der Verschiedenheit [seiner selbst von der Ur-
'materie] erlangt hat und nicht mehr an ihr hängt, „sie", nämlich
'die Urmaterie, „verläfst", sie, „die genossen", deren Geniefsen zu
SÄtram T. iv. 8. 219
^Ende gegangen ist; diese also verläfst er, das heif&t, er wird
^von ihr erlöst. Somit sind die Aufstellungen der Anhänger des ^
'Kapila über die Urmaterie u. s. w. allerdings in der Schnft ge-
'gründet.' —
Auf diese Ansicht erwidern wir, dafs die Behauptung, die
S4nkhyalehre sei in der Schiift gegründet, sich unmöglich auf den
angeführten Vers stützen kann , weil Mieser Vers an und für sich
überhaupt keiner Doktrin zur Stütze zu dienen vermag. Denn zu
jeder Doktrin, welcher Art sie auch immer sein möge, pafst jene
Auseinandersetzung des Verses, dafs [die Urmutter der \Ve»en'J
eipe „Ungeborene" sei u. s. w. , und für die Behauptung, dafs hier
speciell die Sänkhyalehre verstanden werden müsse, liegt in den
Textworten kein Grund vor; „wie bei dem Becher", d. h. ebenso *
wie von dem Verse (Brih. 2, 2, 3) :
„Der Becher, der nach unten seine Mündung, •
„Und der nach oben seinen Boden hat", —
an und für sich nicht beliauptet werden kann, dafs unter dem
Becher dieses oder das verstanden werden müsse, weil jene Aus-
einandersetzung von dem Becher, der seine Mündung nach un-
ten u. s. w. hat, in irgend einer Weise auf allerlei pafst. Ebenso
besteht auch bei unserem Verse „ünentschiedenheit" darüber, was
unter der einen ajÄ (Ziege, Ungeboreuen) verstanden werden müsse,
und es läfst sich nicht beiraupten, dafs unter der aja gerade die
Urmaterie [der S&nkhya's] ) zu verstehen sei. — *Aber so wie in 357
*der Stelle von dem Becher aus den weiter folgenden Worten:
S,damit ist dieser Kopf hier gemeint, denn der ist ein Becher,
'„der die Mündung unten und den Boden oben hat" (Bph. 2, 2, 3)
'sich ergiebt, dafs an einen bestimmten Becher zu denken ist, was
^ist deim in entsprechender Weise an unserer Stelle unter der ajjä
*zu verstehen?' — Darauf antworten wir;
A jyotir-upakrama tu, tatM hi adhiyata' eke
vielmehr die vom Lichte anhebende, denn so haben
, es einige.
Man mufs unter der hier erwähnten ajä diejenige [Urmutter
der Wesen] verstehen , welche , selber aus dem höchsten Gotte ent-
sprungen, „vom Lichte anhebend" aus [den drei Urelemcuten]
Glut, Wasser und Nahrung besteht und die. uraatur bildet, aus
der die vier Klasr^en der [organischen] Wesen (vgl. über sie Sü-
trara 3, 1, 20) entspringen. Das Wort ., vielmehr" dient hier zur
220 QHriraka-mim&ns^
Bekräftigung. Nämlich man mofs unbedingt hier unter der ^
diejenige [Urmutter] verstehen, welche aus den drei [ür-]Elemen-
ten, nicht aber diejenige, welche aus den drei 6una*8 besteht.
Warum? „Denn so haben es einige*^ Yedaschulen, welche da^
wo sie des Ursprunges von Olut, Wasser und Nahrung aus dem
höchsten Gotte gedenken, gerade diesen das „rote und [weifse
und schwarze]*^ Aussehen beilegen, denn es heifst bei ihnen: „WfLS
„an dem [gewöhnlichen, aus den drei Urelementen zusammen-
„gesetzten] Feuer das rote Aussehen ist, das hat es von der Glut,
„was das weifse, das von dem Wasser, was das Schwarze,' das
„von der Nahrung" (Ghand. 6, 4, 1). Diese drei [Urelemente] also,
die Glut, das Wasser und das Feuer sind auch an unserer Stelle
zn verstehen, wie sich schon aus der Gleichheit der Ai^sdrücke
358 „rot*^ u. 8. w. ergiebt, | sowie auch daraus, dafs diese Ausdrücke
„rot und weifs und schwarz ^^ eigentlich und ursprünglich jene
drei Arten des Aussehens bedeuten und erst in übertragenem Sinne
auf die Guna^s bezogen werden. Auch gilt als Begel [der Schrift-
auslegung], dafs man das Unzweifelhafte [Chänd. 6, 4, 1] zu be-
nutzen hat um sich das Zweifelhafte [Qvet. 4, 5] zu erschliefseu.
Aber auch an unserer Stelle selbst, wenn es schon au Anfang
helfet: ,)die Brahmanlehrer sprechen: aWas ist der Weltengrund,
„das Brabman?]»" (Qvet. 1, 1), und wenn gleich im Eingange der
Stelle, in den Worten (^vet. 1, 3):
„Nachhängend ihm in smnender Yeriiefimg
„Erblickten sie der Gottheit Eigenkraft
„Verhaut in den ihr eig'&en Qoalit&ten'S —
eine von dem höchsten Gotte ausgehende Kraft als die Schöpferin
der ganzen Lebenswelt angenommen wird, wenn femer auch in dem,
was auf unsere Stelle weiterhin folgt, in dem Verse (Qvet. 4, 10) :
,,Euii Zauber (mu^a), wisse, ist die Urnatur,
„Und der ihn zaubert, ist der höchste Gott*^
und in den Worten ((^vet. 4, 11):
„Wer als den Einen ihn begriffen hat,
„Der über jedem Mutterschofse waltet *S
eben jene [von Gott abhängige Schöpferkraft] wieder vorkommt,
80 kann man doch nicht annehmen, dafs in dem [dazwischen ste-
henden] Verse von der ajd irgend eine von Gott unabhängige ür-
natur, eine „ürmaterie" [im Sinne der Sänkhya's] gemeint sein
könne. Vielmehr ergiebt sich aus dem Vorhergehenden, dafs eben
jene noch nicht zu Namen und Gestalten entfaltete, göttliche
[Schöpfer .]Kraft, welche den Urzustand aller Namen und Ge-
Sütram I. vr. 9. 221
stalten bildet, auch in unserem Verse yerstanden werden müsse;
das ist es, was wir behaupten. Dafs aber schon jene [(i^ä^ die
Schöpferkraft,] als eine dreifach^ bezeichnet wird, geschieht mit
BesiAung darauf, dafs alles aus ihr Entstandene jene D^eifach-
heit [der Urelemente] an sich trftgt.
Aber wie kann diese, wenn sie um der Dreifachheit tou Glut,
Wasser und Nahrung willen selbst schon dreifach ist, als ajä
(Ziege, XJngeborene) aufgefafst werden? | Denn weder haben Gut, 359
Wasser und Nahrung irgend etwas von der Gestalt einer Ziege
an sich, noch auch kann, da Glut, Wasser und Nahrung nach der
Schrift entstanden sind, das Wort e»;a hier in dem Sinne ver-
standen werden, dafs es die „Ungeborene'* bedeutet! —
Hierauf giebt der Lehrer zur Antwort:
10. Icalpanä-upadeg&c ca^ madhu-ddivad, avirodhäk
»
auch ist, weil es eine Bezeichnung durch ein Bild
ist, so wie bei dem Honig u. s. w., kein Widerspruch.
Der Ausdruck Hfjä steht hier nicht in dem Sinne, dafs es sich
um die Gestalt einer Ziege handelt; ebenso wenig aber ist er
etymologisch [als „die Ungeborene ^^] zu verstehen; sondern es ist
„eine Bezeichnung durch ein Bild*S d. h. es wird hier die bild-
liche Vorstellung einer Ziege gebraucht, um dadurch die durch
Glut, Wasser und Nahrung gekennzeichnete Urmutter der beweg-
liehen und unbeweglichen [organischen Wesen] zu bezeichnen.
Gleichwie es nämlich im Leben wohl vorkommen mag, dafs irgend
eine Ziege , welche rote, weifse und schwarze Farbe an sich trägt,
viele Zicklein wirft und auch solche Zicklein, die ihr gleich- .
geutaltet (lies: 8arüpa9) sind, und wie der eine Bock diese Ziege
„in Liebesbrunst bespringt *S ein anderer Bock aber sie, die [bis
dahin seinen Umgang] genossen hatte, „verläfst", ebenso gebiert
auch die lüer gemeinte, durch Glut, Wasser und Nahrung gekenn-
zeichnete, dreifarbige Urmutter der Wesen aus sich heraus viele,
ihr gleichgestaltete, sowohl beweglich als unbeweglich [als Tiere
und Pflanzen] geartete Umwandlangen, und diese wird von dem
im Nichtwissen befangenen Kshetrajna (der individuellen Seele)
genossen, von dem Wissenden hingegen verlassen. Man denke
aber nicht, weil der eine Kshetrigna sie hege und der andere sie
verlasse, dafs darum in Wirklichkeit eine Vielheit der Eshetrajna^s,
wie sie von den Gegnern angenommen wird, sich ergeben müsse.
Denn unsere Stelle beabsichtigt keineswegs, eine Vielheit von Kshe-
trajna's zu lehren, | sondern nur, den Gegensatz der Gebunden- 360
heit und der Erlösung zu veranschaulichen. Diesen Gegen.sa1z
222 ^äriraka-mimäi^KH
zwischen Gebundenheit und Erlösung legt sie dar, indem sie der
gemeinen Anschauung von einer Vielheit der Seelen sich an-
»chliefst; diese Vielheit aber beruht nur auf den Upädhi's, ist die
Folge einer irrigen Erkenntnis und nicht im höchsten Sinne als
real zu betrachten, indem die Schrift z. B. sagt (Qvet. 6, 11):
„Der eine Gott, versteckt in allen Wesen,
„Durchdringend alle, aller innere Seele/^
Es ist dies „sowie bei dem Honig u. s. w."; d. h. so wie die Sonne,
die doch kein Honig ist, als Honig bezeichnet wird (Chänd. 3« 1), und
die Rede, welche keine Milchkuh ist, als Milchkuh (Brih. 5, 8),
und die Himmelswelt u. s. w., welche keine Feuer sind, als Feuer
(Brih. 6, 2, 9), in ähnlicher Weise wird auch hier dasjenige, was
keine Ziege ist, als eine Ziege bezeichnet. Somit liegt „kein Wider-
„spruch" darin, dafs von Glut, Wasser und Nahrung hier das Wort
ajä, Ziege', gebraucht wird.
DritteB Adhikaranam,
«
11, na samJcJiyd'U2)asamgraMd apiy nänä-bhäväd
atirekMc cd
auch nicht durch ZusammeDfassuug der Zahl, weil
Ungleichartigkeit vorlianden und wegen des Über-
schiefsens.
Nachdem auf diese Weise der Vers von der ajä aufser Frage
gestellt ist, so beruft sich der Sankhya wieder auf einen andern
Vers, in welchom es heifst (Brih. t, 4, 17):
„In dem die fünf Fünf Wesenheiten
„Mitsamt dem Raum gegrilndet stehen,
„Den weifg als meine Seele ich,
„Unsterblich, den Unsterblichen.*' —
'In diesem Verse ist von fünf Ftinfwesenheiten , d. h. von einer
Tünfzahl die Rede, auf welche sich eine andere Fünfzalil bezieht,
361 'wie sich aus dem Zweimalt<tehen des Woi*tos „fünf" | ergiebt;
'diese fünf Fünfheiten also betragen zusanmien fünfundzwanzig:
'gerade so viele aber wie durch diese Funfuudzwanzigzahl zu zäh-
'len beabsichtigt werden, gerade so viele werden von den San-
Sütrain I. iv. 11. 223
'khya's an Principien aufgezählt, denn es heifat bei ihnen (San-
*khya.k&rik& 3):
^^Erschaffend, nicht erschaffen ist die Utnator,
'„Erschaffend nüd erschaffen zählen sieben wir,
'„Sechzehn au Zahl ist das, was nur erschaffen ist,
'„Nicht schaffend und auch nicht erschaffen int der Geist;''
'diese von der Smriti angenommenen fünfundzwanzig Principien
'werden in der in unserer Schriftstelle vorkommenden Funfund-
'zwanzigzahl zusammengefaist, und hieraus folgt, dafs diese Prin-
'cipien, die Unnaterie u. s. w., auch schriftmüfsig sind.' — Auf
diese Behauptung ei^tgegnen wir: „auch uicht durch Zui^ammcii- .
„fassung der Zahl" darf man hoffen, die Schnftmäfsigkeit der
Urmaterie | u. s. w. zu erweisen; warum? „weil Ungleichartigkeit 362
„vorhanden". Nämlioli jene fünfundzwanzig Principien sind unter-
einander ungleichartig und tragen nicht nach Gruppen zu je fünf
einen gemeinschaftlioheu Charakter, so dafs in der Fünfundzwanzig
fünf andere Zahlen zu je fünf enthalten wären; wo aber ein sol-
ches einheitliches Band fehlt, da sind in einer Vielheit [nur Ein-
heiten, aber] nicht Zahlengruppen wie Zweihciten u. k. Iv. ent-
halten. — Man könnte einwenden: 'es ist eben nur di'e Fünfund-
'zwan;(igzahl, welche hier [mtdHplicando] durch ilire Teilzahlen '
'angedeutet wird, ähnlich wie [addendo] in dem Ver^e:
'„Der Jalu'e fünf und sieben liefs nicht regnen
'„Der hunderlkräftige Gott'', —
'>'on einer regenlosen Zeit von zwölf ♦Jahren die Bede ist.' —
Aber auch das geht nicht. Denn schon das ist an dieser Mei-
nung bedenklich, dfik man zur Annahme einer uneigentlichen Aus-
drucksweise seine Zuflucht nehmen mufa. Hierzu aber kommt,
dafs das zweite \yort „fünf" tnit dem Worte „Wesenheiten" zu
dem Compositum „Fünfwesenheiten" verbunden ist; denn dafs beide
nur ein Wort bilden, steht durch den Sprachaccent fest [pänca
pancajanuJ/\; und bei einer andern Verwundung desselben Aus-
druckes (Taitt, Hainh. 1, 6, 1, 2) heilst es: pancänam tvä pancaja"
nänäm, \ wo also beide Begriffe nur ein Wort mit einem Ac- 363
cente und einem CasussufBxe bilden. Wegen dieser Composition
nun ist es nicht zulässig, ein distributives Verhältnis anzunehmen,
so dafs pßüca panca hiefse „jedesmal fünf*. Darum [weil das
distributive Verhältnis überhaupt ausgeschlossen ist], darf man nicht
die Fünfzahl als zweimal gemeint auffassen und verstehen: „fünf
zu je fünf". Und überhaupt [selbst wenn keine Composition vor-
läge] kann die zweite FüTifzahl nicht durch die erste Fünfzahl
näher bestimmt werden, so dafs fünf Füufzahlen herauskämen, weil
diese [die erste Fünfzahl nur das Hauptwort „Wesenheiten", aber]
'224 C^^i*^^*^^!»^^
nicht cUw Nebenwort [die zweite Fünfzahl] näher zu bestimmen
im Stande ist. — ^Aber wenn die „Wesenheiten", nachdem ihnen
'schon eine Fünfzahl beigelegt ist, nochmals durch eine Fünfzahl
'näher bestimmt werden, so müssen sie doch als fünfundzwanzig
'angenommen werden, ebenso wie wenn ich fünf Fünfstücke habe,
'diese doch zusan^nen fünfundzwanzig Stück ausmach.en!' -^ |
364 Nein! antworten wir; denn bei den Fünfstücken ist es in der
Ordnung, dafs ich, da. sie erst zusammengefafst werden sollen,
frage, wie viele ihrer sind, weil noch der Wunsoh besteht, ihre
Anzahl zu erfahren, worauf sie dann als fünf Fünfstücke näher
bestimmt werden; in unserm Falle hingegen ist durch das Wort
„Fünfwesenheiten" schon von vom herein die Anzahl bekannt,
und da somit der Wunsch nicht mehr besteht, die Frage, wie
viele ihrer sind, aufzuwerfen und ihre Anzahl zu erfahren, so kön-
nen dieselben nicht noch erst als fünf Fünfwesenheiten näher be-
stimmt werden. Aber selbst wenn hierin eine weitere Besämmung
läge, so könnte diese doch nur eine solche der. Fünf zahl [des
Nebenbegriffes, nicht des HanptbegrifTes „Wesenheiten"] sein, und
dafs dies nicht zulässig ist, wurde bereits bemerkt. Somit kön-
nen also mit den „fünf Fünfwesenheiten" nicht die fünfundzwan-
zig Principien [der Sänkhya*s] gemeint sein. Femer aber auch
können diese .fünfundzwanzig Principien nicht verstanden werden
„wegen des Überschiefsens". Es findet nämlich, wegen des Atman
und des Akä^a [die in unserer Stelle neben den fünf Fünfweaen-
heiten noch besonders erwähnt werden] ein Obersehielsen üb^r die
Fünfuiidzwanzigzahl statt. Denn, was zunächst den Atnian betrifft,
so wird dieser an unserer Stelle, indem es si^ um da* „&e-
S65 „gründetsein" [der fünf Fünfwesenheiten] handelt, | als der Trager
derselben bezeichnet, sofern dasjenige was (Bpüi. 4, 4, 17) dar^
den Lokativ „in dem" angedeutet wird, in den ' folgenden Wort«a
„den weifs als meine Seele ich'* als der Atman wied^ aufgenom-
men wird. Der Ätmau aber ist so viel wie der geiat^ PureslM^
[der Sänkhjalehre] ; dieser nun ist in der Fflnfondawanzfgyahl
[ihrer Principien] schon einbegriffen, und ea gebt mehi «n^ em
und dasselbe als das Getragene und zugleich als de» Triger ob-
zunehmen: mag man aber auch eine andere Sache [unter de»
Träger] verstehen, jedenfalls ergiebt sich ein Übersdnifs über die
Zahl der Principien, welcher mit der Grundansehanung [des S4n-
khyasystemes] in Widerspruch steht. Ebenso^ wenn e» ferner wseh
(Brih. 4, 4, 17) heifst: „mitsamt dem Raum gegründet st^m,%
so ist auch diese besondere Erwähnung des Bauzses (äkA^)^ der
schon in der Fünfundzwanzigzabl einbegriffen war, sieht ziadd^saig;
versteht man aber darunter etwas anderes, so tritt d«r scIka ge-
rügte Fehler [einer Überschreitung der Funfundzwanzigzakl] ein. —
Wie kann man auch überiianpt wegen des bldsen Toriremmens
einer Zahl sogleich denken, dafs die sonst von der Sekrift nicht
Sfttrara 1. iv. 11. 225
gelehrten fünfundzwanzig Priucipien damit gemeint seien, zumal
(las hier gebrauchte Wort janä von diesen Principien nicht ge-
bräuchlich ist, und die Zahl sich auch dadurch erklärt, dafs man
an etw&«r anderes denkt. — ^Aber was soll man denn unter den
'fünf I Fünfwesfinheiten verstehen?' — Wir antworten: nach der 366
Bestimmung der [grammatiBcben] Smriti: „Himmelsrichtung und
,,Zahl [werden komponiert] nur in Nameii" (Pjinini 2, 1, 60), mufs
es ein Name sein, zu welchem die Worte „fünf** und „Wesen-
,,heiten'^ komponiert werden, und somit mufs es mit Beziehung
auf eine konTentionelle Benennung geschehen, dafs hier von ge-
MriBsen >,Fünf Wesenheiten^ ^ die Rede ist, nicht aber mit Beziehung
auf die Principien der Sankhyalehre ; und um hervorzuheben, wie
viele der „Fünfwesenheiten" sind, wird nochmals die Zahl „fünf"
hinzugefügt, wobei der Sinn ist, dafs es gewisse sogenannte „Fünf-
.., Wesenheiten " giebt, und dafs derselben fünf sind; etwa, wie wenn
man sagt: „die Sieben-Rishi's [das Siebengestirn] sind sieben".
Aber wer sind diese sogenannten „Fünfwesenheiten"? — Dar-
auf dient zur Antwort:
12. präna-ädayo, väkya-^esMt
der Prana (Odem) und die andern, wegen des
Folgenden.
In dem Verse, welcher auf den von den „Fünf Wesenheiten"
folgt, werden, um die Natur des Brahman darzulegen, fünf Stücke,
nämlich der Prdna (Odem) u. s. w., erwähnt, indem es hßif^ (Qa-
täp. br. 14, 7, 1}, 21, parallelmit Brih* 4, 4, 18):
„Des Odems Odem und des Auges | Auge, 367
„Des Ohres Ohr, sowie der Nahrung Nahrung,
„Wer diese kennt, und des Verstand's Verstand;" —
und diese fünf in dem Folgenden erwähnten Stücke sind wegen
des unmittelbaren Dabeistehen a unter den Fünf Wesenheiten z\i ver-
stehen. — *Aber wie pafst auf den Prana u,*b. w. das Wort Jana
'(Wesenheiten)?' — Nun, pafst das Wort Jana etwa besser a>if
euere [Stekhya-]Principien ? Da man aber, in dem einen wie dem
andern Falle, einmal von dem Gebräuchlichen abgehen mufs, so
hat man hier, um des Nachfolgenden willen, den Prana u. s. w.
zu verstehen und- wegen ihres Znsam'menstehens mit dem Worte
Jana anzunehmen, dafs es der Prana u. s. w. sind, welche hier
einmal Jana (eigentlich: „Leute") genannt worden. lT)rigcns wird
axLCb das Wort yfl[ann!>*' (purusha)y welchiM mit jana gleichhedeu-
Otuine«, Yed&uta. 15
220 C^rlraka-intm&&fift
tend ist, von den Präna's (Lebenshauchen) gebrnucht, denn es
heifst von ihnen: „dieses fürwahr sind die fünf Mannen des Brali-
mau^' (Cyind. 3, 13, 6), und ein anderes Brähmanam sagt: „der
„PrÄua fürwahr ist Vater, der Pr&na Mutter" (Chund. 7, 15, 1).
Wegen des Kompositumn aber steht ohne Widen*ede fest, dals die
Zusammenfügung [„Fünfwesenheiten"] eine konventionelle Bezeich-
nung bildet. — ^Aber wie kann man hier eine konventionelle Be-
^Zeichnung finden, da doch der Ausdruck nirgendwo vorher sich
'vorfindet?' — Man kann es, so antwortet einer [der früheren Er-
klärer], ebenso gut wie, bei dem Worte „Ausbruch" u. s. w. Denn
wenn, wegen des Zusammenstehens mit einem bekannten Begiiffe,
mit ihm ein Wort, dessen Begriff unbekannt ist, ssu verbinden ist,
368 so wird letzteres, weil es mit ersterem vereinigt | zur Aussprach«*
kommt, in den Bereich seiner Bedeutung hineingedrängt, wie z. B.
bei den Ausdrücken: „er opfert einen Ausbruch", — „er schnei-
„det einen Balken zurecht", — „er bereitet eine Streu zu" [die
unbestimmten Ausdrücke: Ausbruch, Balken, Streu, <.lni*ch den Zu-
sammenhang, in dem sie stehen, als technische Namen für ein be-
stimmtes Opfer, den Opferpfosten und das Opferbette sich aus-
weisen]. Ebenso mufs auch in nnserm Falle das Wort „Fünf-
„wesenheiten", da aus der Analysis des Kompositums feststeht,
dafs es eine Benennung ist, diese aber ein zu Benennendes er-
fordert, auf die im Nächstfolgenden namhaft gemacht;en Pr&na u. s. w.
sich beziehen. Einige hinwiderum wollen unter den „Fünfwesen-
„heiten" die Götter, Ahnen, Gandharven, Dämonen und Rakshas^
verstehen; wieder andere denken an die vier Kasten und an die
Nishäda's als fünfte; und da in der That in dem Ausdrucke paft-
ca^anyä vig das Wort pancajana sich auf Yolksstämme bezieht, so
läJQst sich etwas Derartiges auch hier ohne Widerspruch annehmen.
Der Lehrer [Badaräyana] aber, dem es nur darauf ankommt, zu
zeigen, dafs hier nicht die fünfundzwanzig Principien verstanden
werden dürfen, erklärt sich wegen des Folgenden für den Odem
u. s. w. — Man könnte einwenden: ^der Präna u. s. w. kann zwar
369 ^verstanden werden | in der Recension der Mädhyandina^ da diese
' *(^atap. br. 14, 7, 2, 21) unter dem Präna u. s. w. auch die Näh-
erung erwähnen; aber wie können unter den Fünf Wesenheiten der
'Präna u. s. w. in der Recension der Känva*8 (Brih. 4, 4» 18) ver-
'standen werden, da diese unter dem Präna u. s. w. die Nahrung
'nicht mit erwähnen?* — Hierauf dient zur Antwort:
13. jyotishä eheshäm^ asati anne
durch das Licht bei einigen, wo die Nahrung fehlt.
Wo, wie bei den Känva's, die Nahrung nicht erwähnt wird,
da wird die Fünf zahl „durch das Licht" ergänzt; diese nämlich
Sütram I. iv. 13. 227
haben m dem Verse, welcher d^m von den fünf Fünf Wesenheiten
vorhergeht, zur Bezeichnung der Natnr des Brahroan den Ausdruck
,,Licht'S indem sie lesen:, „ihn ehren die Götter' als der Lichter
„Licht" (Prih. 4, 4, 16). — *Aber wie ist es möglich, wo doch
^beide in gleicher Weise dieses Licht erwähnen, dafs unter der
4n dem ebenfalls gemeinsamen, folgenden Verse vorkommenden
^Fünfzahl von den einen das Licht einbegriffen wird nnd von den
'andern nicht?' — Darauf antwortet einer [der früheren Er-
klärer] : „wegen der Verschiedenheit der Rücksicht " ; nämlich die
Mtldhyandina*s nehmen , indem sie unter der Fünfwosenheit die in
demselben Verse znsammengenaimten, den Prana u. s. w. vorstehen,
auf jenes in dem andern Verse erwähnte Licht keine Rücksicht;
die K^va's hingegen nehmen, weil sie jenes nicht haben, eine
solche Rücksicht; und wegen dißser „Verschiedenheit def Ruck-
„sicht" findet in dem, wenn auch gemeinsamen, | Verse ein Mit- 370
begreifen oder Nichtniitbegreifen dcüs Lichtes statt, ähnlich wie bei
derselben übernächtigen Feier, je nach Verschiedenheit des ge-
brauchten Textes, eine BenntEung oder Nichtbenutzung der sechs-*
zehnteiligen Strophe stattfindet (vgl. p. 43, Seite 12).
Da dem so ist, so ist also durchaus kein Zeugnis der Schrift
vorhanden, welches für die Urmaterie [der Sänkhja^s] einträte;
was aber die Annahme derselben auf Grund der Smriti und der
Reflexion betrifft, so werden diese noch weit-erhin ihre Wider-
legung finden.
Viertes Adkikaranam.
14. Mranaivena ca ökaca-ädishu yathä'Vyapadishta-
ukteh
9
und weil er ak Ursache von Äther u. s. w. in der
[aach anderweit] bezeichneten Weise genannt wird.
Wir haben das Kennzeichen des Brahman dargelegt (Sütram 1,
1, 2), wir haben auch bewiesen, dafs die Ved&ntatexte in Bezug-
auf Brahman „die Gleichheit des Ganges'^ (1, 1, 10) einhalten, und
wir haben endlich gezeigt [namentlich in dem letzten Abschnitte
1, 4, 1 — 13], dafs die Lehre von der Urmaterie [der SAnkhya's]
nicht schriftgemi^fs ist. — Nun erhebt sich von neuem folgender
Zweifel. ^Es ist gar nicht möglich', so konnte man sagen, 'zu
'beweisen , dafs das Brahman die Ursache der Entstehung u. s. w.
'der Welt sei, noch auch, dafs die auf das Brahman bezüglichen
16*
228 V&Hraka-mhnaABft
*Ved.^ntat<'xte „die Qleicfaheii des Crsng«s'' einhalten; warum? weil
'sie sich sichtbarlich widenprechen» Denn, jd nach den einzelnen
*Tedltn^Rtpxten erscheint die Weltschöpfong als eine andere und
Frieder andere, indem die Texte bezäglich der Reihenfolge und
'anderer Punkte nicht mit einander übereinstimmen. So heifst pf
^an der oinen Stelle: „aus dem Atxnan ist der Äth^ entstanden^'
'(Taitt. 2i ]); hier wird beriehtei/ dal» die Schöpfung mit dem
/Äther begonnen habe, w&hrend sie nach oiuer andern Stelle mit
Mem Feuer begann,' denn es heifst: ,,da schuf er das Feuer ^'
'(Chand. 6, 2, 3), und wieder nach einer andern Stelle mit dem
*Odem, indem es heifst: ^,da schuf er den Odem, aus dem Ödem
'.itl *„den Glauben" (Pracna 6, 4); { und an noch andern Stellen wird
'die Entstehung der Welt ohne jfidc Beobachtung einer Reihenfolge
•gelehrt; so z.B. wonn es heifst: ,, da schuf er diese Welten: [es
*„8ind] die Flut, die Strahlen, der Tod, die Gewässer' (Ait. 1, 1, 2).
^ — Hierzu kommt, dafs zuweilen von der Schöpfung so geredet
'wird, als sei das, was vor ihr war, das Nichtseiende gewesen; so
*in den Stellen: „nichtseiend war zir Anfang diese Welt: aus die-»
*„8em ist das Seiende entstanden" (Taitt, 2, 7), uod : „diese Welt
S,war zu Anfang nichtsoiend^ dieses [Ntchtseiende] war das Seiende;
S,diese8 wurde zu der Realit&t*) (Ghind. 3, 19, J, wo unsere Stelle
'liest: tat satyaw abhavat). An andern Stellen hingegen wird
'jener Annahme eine« Xichtseienden widersprochen und anerkannt,
•dafhi das Schöpfungswerk von einem Seienden ausgehen mufste*;
'so heifst es z. B.: „da sagen nun einige, diese Welt sei zu An»
S,fang das Niclitsciendc gewesen", und weiter: »wie könnte e«
*,,aber, o Teurer, also sein, so «»prach er, wie sollte aus einem
*„Nichtsciondon das Seiendt« entstanden sein? seiend also, o Teurer,
*„war diese W<*lt zu Anfang" (Ohand. 6, 2, 1. 2). Ja an «inlgen
*Stellen wird sogar ausgesprochen, dafs die Weltentwicklung von
372 'selber angefangen habe, | wenn es z. B. heifst: ,, diese Welt hier
*„war damals nicht entfaltet; eben dieselbe entfaltete sich in Namen
'j^ind Gestalton'' (Brih, 1, 4, 7). Da somit mannigfacher Wider-
'spmch herrscht, ein Wahlbelieben al>er [wie es bei gebotenen
/Werken vorkommen kann], hier, wo es sich um ein in Wirklich'
*keit Vorhandenes handelt, niiht m(>glich ist, so scheint es, daik
*jener unbedingte Vorzug, den nian den Behauptungen der Vedftatar
'text« llber die Woltursache giebt, nicht gerechtfertigt ist, dafs es
^vielmehr richtiger ist, den Aufstellungen der Smriti tind d^r Re-
'flexion zuzustimmen lind eine andere Weltursache [als die vonx
*Ved^nta gelehrte) anzuit^hmen.' — Auf diese Annahme antworten
wirj gesetzt auch, es bestünde in den verschiedenen Ved|Uitat«xten
in Bezug «uf die erschaifeneji Dinge, den Äther a«.a. w.>» hinstdht-
lieh ihrer Reihenfolge u. h. w., ein VVid«rspruch, so lifgt doch in
Betreft* des Schöpfers derselben dui'chaus kein Widerspruch vor;
warum? „weil er in der [auch anderweit] bczeichlneten Weise ge-
Sütram I, iv. II. 22t)
,aiannt wird^^ Ganz so n&mlich, wie in dem einen Vedantutexte
der Allwissende) Allmächtige, AUbeseelcnde, ZweitloBo hU Weli-
urtNicljü bezeicliaet wird, ganz ebeu»u wird er auch als solche be«
zeichnet in den andern Vedantätextcn. So wie ab$o z. B. in der
Stolle: ,,Walirheit, Erkenntnis, Unendlichkeit, ist das Brahuian"
(Taitt. 2; 1) schon gleich durch dtis Wort „Erkenntnis" und durch
das weiter folgende, eben dai*auf bezügliche Wort von .dem Be*
gohren (Taitt. 2,6) da» Brahman | als ein geistiges Weiten dar- 373
gestellt und durch Ausschliefsung aller weiteren Schöpfungsniittel
iils der Uott, dsr die Weltui-sache ist, erklärt wurde, so wie weiter
diircii das auf das BraLnian bezügliche Wort ,^tman" und mittels
des Eindringens dui'cli die Hüllen des Leibes u. s. w. hindurch
ins Innere (Taitt. 2, 2 — 5) dieses Brahman als die innere Seele in
uns nilen erhärtet wurde, so wie endlich in den Worten: ,,ich will
„vit'ies sein, will mich fortpflanzen" (Taitt. 2, 6) auf Grund des
dem Atman beigelegten Wunsches, vieles zu sein, die Identität der
er^chuifenen Dinge .mit dem Schöpfer gelehrt wurde, — und auch
in den Wui-ten: „da schuf .er diese ganze Welt, was immer vor-
,,hundyn ibt" (Taitt. 2, 6). erklärt die. Schrift, indem sie das Er-
schafiensein der ganzen Welt aufzeigt, dafs vor der Schöpfung nur
der zweitlose Schöpfer vorhanden gewesen, — so wie also in die-
ser Stelle [der Taittiriya-Upanishad] das Brahman als die Welt-
ursache anerkannt wird, ganz ebenso und mit densißiben Merkmalen
wird es als solche auch in den andern Texten anerkannt; denn
wenn es z., B. heifst: ,, diese Welt, o Teurer, war zu Anfang nur
„das Seiende, Eines nur und ohne Zweites; dassolbige erwog:
.jftieh will vieles sein, will mich fortpflainseU » , da schuf es das
„«Feuer» (Chand. 8, 2, 2 — 3), und wiederum: ^^diese Welt war zu
„Anfang der Atman allein; es war nichts anderes da, die Augen
,, aufzuschlagen; derselbige erwog: «ich will nun Welten schaffen »^^
CAiL 1, 1, 1), 80 ist der Inhalt derartiger, die Schilderung des
Wesens der Weltursache bezweckender Stellen in allen Yedänta*
texten ein widerspruchloser. Es ist also vielmehr nur -das Er-
schaffene, in Bezug auf welches ein Widerspruch vorzuliegeh scheint,
sofern die Schöpfung das eine Mal mit dem Akaca | und das an- 374
dere Mal mit -dem Feuer anhebt, und dergleichen mehr. Man
dai*f aber nicht behaupten, dafs deswegen, weil in Bezug auf die
Weitwirkung ein Widerspruch vorliege, es nicht in der Absicht
des Yedänta liegen könne, das Brahman als Weltursache, über
welches in allen Yedantatexten Übereinstimmung herrscht, zu leh-
ren; weil aus dieser Behauptung zu viel folgen würde [z. B. dafs,
weil die Tränme verschieden von dem im Wachen Erlebteil sind,
auch das Subjekt als Träger beider nicht das nämliche »ein könne],
tibrigens wird der Lehrer jene Nichtübereinstimmung der VedAnta-
texte in Betreff der Weltwirkuug ins Gleiche bringen in dem Ab-
schnitte, welcher anfangt mit den Worten: „Nicht der Äther, weil
230 Q&rinika-mlm&a8&
,,kein Schriftwort ^' (Sütrom 2, 3, 1 fg.). Eb würde aber nicht«
ausmachen, wenn jene NichtübereinstimniDng in Betreff der Welt«
wii'kung wirklich bestünde , weil auf sie sich die Belehrung gur
nicht erstreckt. Nämlich die Schrift hat gar nicht die Absicht,
über diese mit der Schöpfung beginnende Weltausbreitung eine
Belehrung zu erteilen, weil weder ersichtlich ist, noch auch irgendwo
gesagt wird oder auch denkbar ist, dafs irgend etwas, worauf es
für den Menschen ankommt, hiervon abhängig sei, da ja doch in
den auf das Brahman bezüglichen Worten von Anfang bis zu Ende
samt .und sonder» Übereinstimmung der Lehre sich ergiebt. Auch
lehrt die Schrift selbst, dafs die Darlegung der Schöpfung u. 8. w.
nur den Zweck habe, das Brahman kennen zu lehren, denn sie
sagt: „zu der Nahrung, o Teurer, als Wii'kung, suche als Ursache
„das Wasser, zu dem Wasser als Wirkung suche als Ursache das
„Feuer, zu dem Feuer als Wirkung suche als Ursache das Seiende'^
(Chand. 6, 8^ 4). Auch aus den Gleichnissen vom Thon u. s. w.
folgt, däfs die Darlegung der Schöpfung u. s. w. nur geschieht,
um die Identität ihrer als Wirkung mit der Ursache auszusprechen.
375 ] In demselben Sinne äufsem sich auch die Kenner der Überliefe-
rung, wenn sie sagen (Gaudapäda, Mändükya-karik& 3, 15):
„Wenn durch den Thon, das Kupfer und die Funken*
„Und sonstwie eine Schöpfuog wird gelehrt,
„So ist dies nur ein Mittel, um zu zeigen,
„Dafs keine Vielheit irgendwie. besteht.'^
Was hingegen das Brahman betrifft, so lehrt die Schrift, dafs aller-
dings an die Erkenntnis desselben eine Frucht sich knüpft, wenn
sie sagt: „wer Brahman erkennt erlangt das Höchste^^ (Taitt. 2, 1),
— „wer den Atman erkennt übersteigt den Kummer" (Chnnd. 7,
1, 3), — «^er ihn erkannt hat äbei*steigt den Tod" (^vet. 3, 8).
Und diese Frucht ist schon gegenwärtig zu erlangen; denn wem
durch die Worte „das bist du" (Chänd. 6, 8, 7) die Erkenntnis,
dafs er der nichtwandornde Atman sei, aufgegangen ist, für den
liai sein Bestehen als eine wandernde Seele das Ende erreicht.
Wenn aber ferner von dem Gegner oben (p. 371) behauptet
wurde, dafs auch in Betreff der Weltursache ein Widerspruch vor-
liege, weil es (Taitt. 2, 7) heifse, „diese Welt war zu Anfang das
„Nichtseiende", ho bleibt das noch zu widerlegen. Zu diesem
Zwecke heifst es:
* Chänd. <i, 1, 4— 5: „(Gleichwie, o Teurer, durch einen Thouklumpän
„alles, was aus Thon besteht, erkannt ist; ,, gleichwie, o Teurer,
„durch einen kupfernen Knopf alles was aus Kupfer besteht erkannt
„if.l", u. s. w. — Mand. 2, 1, 1: „Wie aus dem wohlentflammten Feuer die
„Flinken '* u. s. w.
Satram I. iv. 15. ^Sl
15. samdkaKshni
wegen der Heranziehung,
Wenn es lieifst: „Nichtseiend wai- zu Aiifaug fliöMo Welt*' (Taitt.
2. 7), so wird liieroiit nicht ein weRüplone:« NichtBeiendes für die
"WelturBache erklärt; denn es liieJ's V(»rlier (Taitt. 2, 6):
,J)er i8t uur ein Kichtsciender, wer Brabniau als uichtiseicnd weiis;
.,Wer Brahnian weif's als Seiendes, wird dadurch selh.st ein Seiender;*'
liier wird unter Verwerfung der Behauptung, dalrf [jsn Anfang] das
^Nichtseiende gewesen sei, | das durch das Merkmal der Existenz 37C
gekennzeichnete Brahman; auf Grund der [unmittelbar vorhergehen-
den J Reihenfolge der [ihm abgestreiffen] Hüllen des nahrungs-
artigeji Selbstes u. s. w. (Taitt. 2» 1 — 5), für den Atman in un.s [diu
innere Seele] erklärt, und nachdem in den darauf folgenden Wor-
ten: v.derselbige begehrte*' (Taitt. 2. 6) eben dieser in Bede ste-
hende Atman wieder herangezogen M'^orden, um eingehend zu zeigen,
wie aus diesem die Schöpfung hervorgegangen, und dieses wieder
zusammengefafst worden in den Worten: .,dioKps nennen sie die
„Realität *S so wird mit den Worten: „darüber ist auch dieser
„Vers" mit Bezug auf obi'U jenen in Red« stehenden Gegenstaml
der Vers beigebracht: „nichtseieud war zu Anfang diese Welt"
(Taitt. 2, 7). Ware nun in <liesem Verse ein wesenloses Nicht-
seiendes zu verstehen, so wäre ein anderes das |aus dem Vorher-
e^ehenden] Herangezogene und ein anderes das [zu «einer Krlüutc-
rung] Beigebrachte, und die Stelle würde H«nnit oJme Zusammen-
hang sein. Man mnfs daher vielmehr annehmen, dafs hier, in
Anbeti-acht dafs das Wort ,. das Seiende*' gewöhnlich von der in
Namen nnd (testalten ausgebreiteten Welt der [empirischen] Dinge
gebraucht wird, sofeiii doch diese Weltausbreitnng damals noch
nicht vorhanden gewesen, in uncige?itlicheni Sinne gesagt wird,
das vor der Weltschöpfun«^ seiend vorhandene Hrahman sei gleich-
sam ein Nichtseiendes geM'esen. — In derselben Weisse ist auch
die Stelle zu behandeln: „diese Welt war zu Anfang nichtseiend **
(Chand. 3. 19, l), sofern [unmittelbar darauf zur Erläuterung!
die Worte herangezogen werden: ,.die«es [ Mi cht seiende | war das
,, Seiende'*. Denn wäre hier ein absolutes Nichtsein zu verstehen,
warunt hiefse es dann wohl weiter: ., dieses war das Seiende V** —
Und auch wenn es heifst: „da sagen nun einige, nichtseiend sei
„diese Welt zu Anfang gewesen** (Chand. G, 2, 1), so ist in dieser
Anführung der Meinnntj einiger nicht eine Beziehung auf eine an-
dere Stolle der Schrift auznnehraen, du ein Wahlbelieben, wie e.s
wohl bei vorgeschriebenen Werken stattfindet, hier, wo es jjich
232 ^'ariraka-mimäüsa
um einen wirklich vorhandenen Ge*(ünstand handoji. nicht zuläiJBig
ifit. Nur also, um die von der Schrifc angonommeno Auffassung,
dafs das Seiende zu Anfang war, zu bestätigen, wird diese von
stumpfen Geistern aufgeatellto Lehre von dem Nichtseitinden alb
dem Anfänglichen angefübi't und widerlogt; so ist es anzunehmen.
— Ferner wenn es heifst: „diese Welt war damals nicht entfaltet;
„[ebendieselbe entfaltete sich in Nnnien und Gestalten]*' (Brih.
377 1, 4, 7), so ist auch hier nicht davon die Hede, dafs sich die Welt^
ohne erkennendes Subjekt {adhtfdkshä) aus sich heraus entfaltet
habe. Denn sogleich darauf heifst es: y^in sie ist jener [Atman]
„eingegangen bis in die Nagelspitzeu hinein^' (Brih. 1, 4, 7); hier
wird als derjenige, welcher in die entfaltete Weltwirkung ein-
gegangen sei, das erkennende Subjekt herangezogen. Wäre hier
an eine Weltentfaltung ohne erkennendes Subjekt zu dehken, so
müssen wir fragen, wer denn wohl durch das unmittelbar folgende,
auf ein Vorhererwähntes sich beziehende Pronomen „jener" als
derjenige, welcher in die entfaltete Weltwirkung eingegangen sei,
herangezogen werden solle? Ja, auch die Schrift sagt, dafs dies
von dem Eingehen des geistigen Atman in den Leib zu verstellen
sei, indem sie die Geistigkeit des Eingegangenen bezeugt in den
[weiter folgenden] Woi^eu: ,,als sehend heifst er Auge, als hörend
„Ohr, als verstehend Verstand" (Brih. 1, 4, 7). Auch ist zu schlie-
fsen, dafs ebenso wie sich die Welt heute noch nur unter Voraus-
setzung eines erkennenden Subjektes {itdhyaksha) zu Namen und
Gestalten entfaltot [d.' h. ebenso wie, nach Kants Worten: „wenn
„ich das denkende Subjekt wegnehme, die ganze Körperw(;lt weg-
„fallen mufs"], ebenso dieses auch bei der Anfangsschöpfung ge-
wesen sei, denn es ist unzulässig, eine der [unmittelbaren] Er-
fahrung widerstreitende Annahme [für die Urzeit] aufzustellen.
Und auch eine andere Schrittstelle: „icb will mit diesem lebenden
„Selbste [der individuellen Seele] in sie eingehen und aus-
„einanderbreiten Namen und Gestalten" (Gfaand. 6> 3» 3) lehrt, dafs
nur vermittelst des erkennendeii Subjektes die Ausbreitung der
Welt vor sich gegangen ist. — Wenn endlich auch die Foi'iii des
Verhum finihun in dem Ausdrucke: „die Welt entfaltete sich-*
den Thät<^r der Handlung [eigentlich] schon einschliefst« so ist
dies doch dahin aufzufassen, dafs die Leiclitigkeit , mit der die
Welt, natürlich unter Voraussetzung des höchsten Gottes als l'hä-
'terM, sich entfikltete, darin ausgesprochen liegt, ähidich wie in dem
Ausdrucke: „das Feld mäht sich 'S aFs geschah«^ es von selbst, na-
türlicJi ein mälicndf*« Subjekt vai crgänzLii int. — Oder auth mnu
kann annehnitjn, dafs dirso [rtiflexive] Vorbullorm | nicht den Thillvr
schon L'inschlief^t, ßoudern] nur die IluiidUiug «lusiUiickt, und «lufs
der durcii die Sache gebotene Thätor dabei stilli<i'hweigeud vorauh-
gcpotzt wird, ähnlich wie in dem Ausdrucke; „die Dorfätrafse be-
.,lebt sich" [die dioseU»« belebenden iMenschen|.
SiUrani I. iv. U'u 235
Fünft €9 A dhikn ra n a in .
10. jafjad'Vfkilvad
weil es die Welt bedeutet. 378
foi Kaushiiaki-lir&hnianam hei ist es in dvv Uiituiredung zwi-
aalivii Balaki und Ajatayatru: „der, fürwahr, o Duiriki, wulcher
,.der Macher jener [von dir erwähnten] Geister int, ja (ra)y desucn
,,Oeraächte dieses hier ist, der fürwahr mufs irforacht werden*'
(Kaush. 4, 19^. Es erhebt sich ditj Frage, oh als das zu Erfor-
sclieude hier die individuelle Seele bezeichnet wird oder de»*
Mukhya Prana (Hauptlebensodem) oder der höchste AtmanV An-
geDoiamen also, *es sei der Lebensodem (präuu) »eniehit; warum V
•Weil 68 heilst: „dessen Gemachte < Wirkung) dieses hier ist", und
*weil die in der [Körper-]Bewegüng liegende Wirkung von dem
'Lebensodem ausgeht; auch wird im Verlaufe in den W^orten „dann
•,,wird er in diesem^ Lebensodem zur Einheit" (Kaush, i, 20) das
•Wort Lebensodem (prana) erwähnt, und dieses Woit bezeichnet
^in der Regel den Hauptlebensodem (imikhya ii^ma). Hierzu
'kommt, dafs die von Bal&ki vorher als der Geist in der Sonne,
*der Geist in dem Monde u. s. w. bezeichneten Geister ebenfalls
'ein Gemachte des liebeusodems sind, indem die Gottheiten der
*Sonne (Aäiti/aJ u. s. w. specielle Standorte dct Lebensodenis sind,
^wie an« einer andern Schriftstelle bekannt ist, in der es heifut:
'„Welche» ist der eine Gott? — | Das Leben (pnma)^ so sprach 379
'.,er, dieses nennen sie das Brahman'* (Brih. 3, 9, 9). — Oder man
*kaoa annehmen, dafs es die individuelle Se«le ist, welche hier
'als dwi zu Erforschende bezeichnet wird, und dafa unter ihrem
'Gemüdite die .guten und bösen Werke zu verstehen sind. Und
'wenn es keifst: „dessen Gemachte dieses hier ist'', so kiuni -eben
'dieselbe, weil sie der Geniefser ist, als der Macher jener zum
'Gf^nuHse mitbehüliliclu'n Geinter betrachtet werden. Und auch
'weiterhin findet sich noch ein Merkmal der indiyidaellcn Seele;
'nämlich nachdem BMAki, um den als da8 zu Erforschende hin-
'gestellten „Macher jener Geister'' zu erfahren, ein Schüler des
'Ajata^atru geworden ist, wird von tUesem, um es zu lehren, ein
sS(*hlafeuder angerodet : und nnehdem daraus, d^fs er den Ton der
*Anrede nicht vornimmt, bewiesen worden, dafa die Sinnesorgane
'(ftrmäh) u. 6. w. niclit da.s Geniefsejuk' [Empfindende | sind, so
*zeigt der König AjAtavatrn woitrr dadurch, dafs er <lcn Schlafen-
'den durch einen Stockschiag aufweckt, <lafs die von den Sinn«»-
'organcn u. s. w. verschiedene individuelle Seele der Geniefser
'[Empflnderj ist. Ebenso findet 'sich weiterhin noch ein Merkmal
234 (;ftrirÄk»-mtm*i"iiä
'der individuelleu Seeld, wenn t-s kcifüt: ., darum, wto der Pricripal
'„durch seine Leut« nich nfthrt, odor wif die LkuI« den IViiicipal
'„emAhrvii , £u auch nührt sich dieKeti ErkenntniBsulIiat cliin:h jent;
'„Sulhste, m emUwen jmo Si>lbst<' dieses SelVei" (Kmibli. 4, 201. |
380 VAuch ist die Ik-zvichniuig der individuell eu Seele rIs I.ehiMisodem
^(prätja) j'twütnd, weil aif die Trftgeiin der Lebens oigniie (prüttiik)
'ist. Somit mul's niun hier entweder die individu>:l1i; Scelu oder
'nuch den HauptlebeuBodem vorstehen, nicht aber den böchHteii
'(lott, weil sich keine Merkmitlc dieses l«tist«ron voi-finden.' —
Auf diese Annahme untwurten wir wie folgt. Kur der höchst^)
(toll Iconi) unter dem „Muclier jener Geister" Tci'stsudun werd«n ;
waruraV wegen des Yornohniens der Stelle. Nändich das Vorneh-
men unserer Sti^lle geht dithiii, daf» Bälüki en unternimmt, sicli
mit dem Ajäta^atru zu unterreden, nra ihm dos Bndiman zu er-
klären; aber nachdem er einige auf die ^nno u. e. w. Bezug hii-
bende, nur der Veranschaulichung des un eigentlichen Brahmaii
flies iimukht/a'brahuia" wie H80, 9] dienenden Geister genannt hat,
Ri) Fuhweigt er still, und nuu ist en Ajätaeatru , welcher, nachdem
er mit den Worten: „uuihoust also hiuit du nüch sur Unterredung,
„um mir das Brnhmnn xv erklilreu, »ufgcfurdort " (samttpä'lai/ish-
fbiifi-, Tank, liest: miin'adishß&di), seine Erklärungen, als nur das
uneigentlich 0 Tti'shuian betreffend, abgewiesen (Kiiush. 4, 19), es
unternimmt, einen andern, niimlieli den ..Maclior" Jener [von Bäläki
genannten Geister] als denjeidgen, :inf dessen Krforschung es an-
komme, xur S]<i-nchc XU hringitn. Wenn imn auch dieatT wiedi;r
nur der Vurati^idiaulichung des uiieigenl liehen Urfthman diuut«, i>u
würde dat Vornehmen der Stelle nicbt «ur Vorwirklinhung ge-
langen; darum kaini hii^r nur der höchste Gott verstanden werden.
Und auch als „Macher jener Geister" kann in voller Unhediugt-
heit kein andfirer bAh der hücl)^te <iott beaeicbnot Wurden. Femer
wenn es hcifHt: ;, dessen üi'miiehle (Wirkmiffl dieses hier ist", so
kann hiermit weder auf die Wirkung der [K lirper-JKewegnng nuch
;if)l auf ü'if des Guten und Itriseii | hingewiesen werden, indem weder
dies« nuch jene in Rede steht oder aneh nur erwähnt wird. Eheu-
Hu wenig kann damit fmit den Wortim „dieses hier") auf diu
- „Geister" hingewiesen werden, indem auf diese wlion durch dii-
vorhergehenden Worte: -.welcher di'r Mnehei- jener Geister ist-
hingewiesen worden war. anch /u ihnen das liier gebrauchte Octtus
|fie«/rttfft] nicht stimmen würde. Endlich kann nuch [unter den
Worti-n ..dieses hier"] nicht das auf die Geister bezügliche Madien
oder die Kracht dieses Alachens verstanden werden, indem beiden
schon in dem W<!i-tH „Macher" cinbegnffen ist. Somit bleibt übrig,
daffl man nnter dem Pronomen „diesen hiei-" {vtnif) die in der An-
schauung unmittelbar vorlictreude Welt verstehon mufs; nnd eben
diese heilst, sofern sie gemacht wnrde, ein „Gemächt-e"'. — 'Aber
'auch von der Welt gilt ja doch, dal's .sie „nicht in Rede steht
86traai I. iv. 16. 235
S^oder auch nur erwähnt wird"!* — Ganz re.cht! ab«r bei dem
Fehlen einer specielleu Bestimmaug kann durch den allgemeinen
Ausdruck [,,dieBe8 biei**^] wegen der [in ihm liegenden] Verweisung
auf etwas Naheliegendes, nur auf einen in der N&he vorkommen-
den Gegenstand hingedeutet werden, und doch kann dieser nicht
in irgend etwas Speciellem bestehen, da etwas Specie]les [worauf
dieser Ausdruck passen könnte] nicht vorhergeht. Da nun ferner
im Vorhergehenden von den Geisteiii, welche nui* einen Teil der
Welt ausmiichen, speciell die Rede war, so folgt, dafs hier die
Welt selbst, ohne weitere Einschränkung auf etwas Specielles, ver-
t^tanden wm*den mnfs. Der Sinn des Ganzen also ist folgender:
„derjenige, welcher der Macher jeuer einen Teil der Welt aus-
^machenden Geistor ist, — ja, wozu diese Einschränkung! — er,
„dessen Gemachte diese ganze (lies: hfiisnani) Welt ohne Unter*
„schied ist [der ist zu crrorschen]^^ Das Wort „ja" [vd in vai-
tad=:vd etad] hat dabei den Zweck, der Vorstellung eines auf
einen einzelnen Teil [der Welt] eingeschränkten Machersdns ent-
gegenzutreten. Hierbei werden die von Baläki füi* das Brahmaii
gehaltenen | und als diesen ausgegebenen (reister, um zu zeigen, '^^'^
flafs sie nicht Brahmuii sind, zu besonderen Bestimmungen [des
Brahmau] herabgesetzt, und so — wie wenn man neben dem Brah-
manen noch den Pilgeimönch [der selbst nur ein Brahmane ist]
erwähnt, — wird der Macher dieser Welt im Ganzen und [da-
neben noch] im Einzelnen als dasjenige hingestellt, welches man
erforschen müsse. Dafs aber der Macbcr der ganzen Welt der
höchste Gott ist, wird in allen Veduutatexten bestätigt.
17. ßva-rnukhi/iipräna-linyän na! iti cet*^ iad
vyäkhyiitam
wogen der Merkmale der individuellen Seele und des
jVlukhyfi Pruna nicht, meint ihr? Darüber ist ge-
handelt worden.
Noch wurde behauptet, dals man wegen des im Verlaufe der
Stelle vorkommenden Merkmales der individuellen Seele und wegen
des Merkmales des Mukhya Prana (Hauptlebeusodems) nur eins
von diesen beiden hier verstehen dürfe, nicht aber den höchsten
(iott; diese Behauptung ist noch zu erledigen. Die Antwort lautet:
sie ist schon erledigt und zwar durch die Stelle: „wegen der Drei-
.,fachheit der Verehrung, wogen des ßeziehens und weil auch hier
„Verbindung mit ihm'' (Sutraiu 1, 1. 31). Nämlich, wäre dem so,
so würde hier eine dreifache V'erehrung statthaben, eine Verehrung
236 ^ftrtrftkft-mimiugk
der iDdividuellen 8uele, Aas Mukhya Präna und des BraliniBn; das
gellt sber uicht ad, denn aus dem Anfaiige und dem Ende tkvr
Slolte ei'giflbt licli, daÜE aie sich auf Uruliman be;£ioht. Dafs su-
uftchst der Anfang eich auf Brabmaii bezitsht^ haben wir ecfauu
erwiesttn; aber aucb das Ende mufa, weit in Uun ein unUbcrtraff-
lieber Lohn verlieifson wird, sieb auf Brafatnan bezie)ien', wenn es
huiftrt: „alles übel acbtägt ab, über alle Wesen erlangt Principalitüt,
I „Aut«aomic, Oberherrlichkeit, j wer solches weifs" (Kauah. 1, 20)- —
'Aber int nicht unter diusen Umst&nden durch die Ei'klttrung def
'Stelle Ton Fratardana (Sütram 1,1, 26 — 31) die gegenwärtig.
'Steilo schon miterkUrt i" — Doch niubtl sundurn woil betreffs der
Worte „ja, deKsen Gemachte dieseti liier ist" die IlBziefaaug auf
Bridimark dort noch nicht feBtgestelH worden war, dai-um wird hier
der nochuials nicb erlebende tiedanka an die individuelle Seele
uud den Hukhya Präija widerlegt. Dafs übrigens auch da« [Kaush.
4, 20 gebrauchte] Wort Prä^a sich auf Brahman beaiehen kann,
eraieht man aa> der Stelle „denn der I'räna, o Teurer, ist die
„BindungBstattu des Manns" (Chänd. 6, 8, 1). Wog endlich das
Merkmal der individuellen Seele bctiiffl, welches ku Anfang und
Knde der Stelle sich vorfindet, so kann uiitn seine Verwendung
ht^i dem Brahman damit reclitfertigeii , dnfs dadurch die IdeBtitüt
[des Brahmau uud der Seele] angedeutet werden soll.
18. iintfa-ariitan tu Jaimirüh, pra^mi-vifiikhlfän^liyäm;
api ca evam ehe.
vielmehr um des andern vriUen, meint Jaimmi, wegen
der Frage und Darlegung; auch [lesen] bo einige.
f^biigcDB bruucht man hier gikr nicht darüber zu streiten, ob
an dieser Stelle diu iudivtduelle Sfiele oder das UrahuDin gemeint
sei, weil, wiä der Lehrer Jaimiiii behauptet, die Erwähnung der
individuellen Sude an dieser Stelle gt-schieht „um des aoderu
„willen", d. h. um der Darlegung des Drahmau ivillen; warum?
„Wogen der Frage nnd Darlegung" Erstlich also wegen der
frage; denn wenn ex auch zunsi^hst die über die LebeuBOT^ane
hin nun liege »de individuelle Seelü ist, welche boiin Aufwecken des
iSchlalcnden geweckt wird, so findet aicli doch, dafs das hier Ge>
meinte auch noi-b Aber die individuelle Seele hinausliogt, weuii es
hnifst (Kau^h. 4, 19): -wo weilte, u B»14kt, jetst eben dieser
,.MaDn'.' wo war alleH dicseh Fan ihmj^u'oher ist ee gekommen';'''
— und dafür spricht zweitens auch din Antwort, wenn in der-
selben gesagt wird: „wenn der EinguHchtafene kciu Traiunbiltl
Sfttran I. iv. 18. 237
„schaut, I dann int er in dieRetn Präl^a znt Einheit geworden*', 3S4
und weiter: ,^ «ntspviiigen aas diesem Ätman alle Lebensorgane,
,Je nach ihr^n Standorte: aus den Liohensorgaiien die Götter, aus
„den Göttern die Welten" (Kaush. 4, 20); es ist n&nilich das höchst^'
Brahma^, mit welchem im Tiefschlafe die individnelle Seele zur
Einheit zusammengeht, und das höchste Brahman, aus welchem,
flach den Chrutidsätzen des Veduuta, die Leheiisorgane und die
ganze Ührige Welt wieder hervorgehen. Dasjenige hIro, in wel-
chem der Ton allem Wachen freie, reine Schlaf der individuellen
Seele als ihre von der Erkenntnis der durch die Up^dhi's beding-
ten Unterschiede befreite Eigennatur zur Geltung kommt, und
woraus ihre, im Verluste jener Eigennatur bestehende Wiederkehr
stattfindet, dieses wird hier als der höchste Atman zu erforschen
anbefohlen. „Auch [lesen] so einige" Vedalehrer, nämlich die
Vrijasaneyin^s, indem sie in dieser Unterredung zwischen Bäläki
und Aj4tacati*u, nachdem sie die individnelle Seele geradezu mit
dem Worte „die erkennthisartige" namhaft gemacht haben, sodann
den Abel sie hinftusliegenden höchsten Atman erwähnen., wenn es
weiter bei ihnen heifst: „was jener erke|intnisartige Geist ist, wo
„war der jet^t, woher ist er jetzt .| gekommen?" und als Antwort 385
darauf: „der Kaum, der da inwendig im Herzen ist, darin liegt
„er" (gatap. br. 14, 5, 1, 16—17 = Brih. 2, 1, 16—17). Denn
dafs dfui Woit „Raum" von dem höchsten Atman gebraucht wird,
e^hen wir -auch in der Stelle: „inwendig darinnen ist ein kleiner
„Raain^' (Ch&nd. 8, 1, l)i und wenn es am angeführten Orte weiter
heifst: ,,aus ihm entspringen alle diese Selbste" (^'atap. br. 14, 5,
1, 23 nicht Brih. 2, 1, 20), so ist aas der Behauptung, dafs die
mit den Upadhi^s behafteten Selbste aus einem andern entspringen,
die Erklärung zu entnehmen, dafs ihre Ursache der höchste Atman
ist. Znr Widerlegung der Ansicht aber, dafs der [Mukhya] Pr&na
hier gemeint sei , dient zum . Oberflusse die Verweisung auf ein
über den Präi^a und die übrigen [Lebensorgane] Hiuausliegendes.
welche dn^ch die lliatsache der Aufweckung des Schlafenden selbst
gegeben wird.
ifcf^ftfifes A dhihirn nam.
1 !). vAJtya - anvayat
w^en des Zusammenhanges der Stelle.
Im Brihadilraityakam heifst es in dem Abschnitte von der Mai-
treft (B|*ih. 2. 4, parallel mit 4, 5): «fürwahr, nicht um des Gatten
238 CÄiiraka-mlroiiü«&
„willen", und wie es weiter geht, — „turvahr nicht um des Welt-
„alls willen ist das Weltall lieb, sondern um des Selbstes willen
,4St das Weltall lieb; das Selbst fürwahr- soll man sehen, hören,
„verstehen und erforschen, o Maitreyi, wer das Selbst sieht, hört,
' „versteht und erkennt, der weifs diese ganze Welt" (Brih. 2, 4, 5).
Hier kann man zweifeln, ob unter dem, was man sehen, hören
u. 8. w, soll, die individuelle Seele oder der höchste Atman zu
verstehen ist. Woher nun wieder dieser Zweifel? Weil, dem Ein-
gänge der Stelle zufolge, wegen des dort durch jas Wort „lieb''
38G gekennzeichneten | Selbstes als eines geniefsendeu, es scheinen kann,
als werde damit auf die individuelle Seele hingewiesen; während
hinwiderum darin, dafs mit Erkenntnis des Selbstes alles erkannt
sein soll, ein Hinweis auf den höchsten Atman liegt.
Angenommen also^ 'es handele sich um die individuelle Seele;
^ warum? wegen des Einganges; denn wenn gleich im Eingange
'durch die Bemerkung, dafs der Gatte, die Gattin, der Sohn, der
'Reichtum u. s. w., kurz dafs die ganze als Objekt des Genjefsens
'vorhandene Welt um des Selbstes willen lieb sei, das durch das
'Wort „lieb" als der [individuelle] Geniefser gekennzeichnete Selbst
'vorkommt, und hierauf sofort zu jenem Sehen u. s. w. des Selbstes
'aufgefordert wird, auf welches andere Selbst (als die individuelle
'Seele] könnte dieses sich beziehen? Ferner gegen die Mitte hin
'heifst es: „dieses grofse, endlose uferlose Wesen, aus reiner Er-
'„kenntnis bestehend, erhebt sich aus diesen Kreaturen und geht
'„wiederum mit ihnen zu Grunde; nach dem Tode ist kein Be-
'„wufstsein" (Brih. 2, 4, 12); hier wird von eben jenem vorher er-
' wähnten grofsen Wesen, von dem es geheifsen hatte, man solle
'es schauen, gesagt, dafs es sich in Gestalt der individuellen Seele
'aus den Wesen erhebe, und hieraus folgt, dafs es sich dabei nur
'um eine Aufforderung, die individuelle Seele zu schauen, handelte.
'Ebenso wenn es heifst: „wie sollte man doch den Erkenner er-
'., kennen" (Brih. 2, 4, 14), so beweist dieser Beschlufs (lies: upa-
^satfiharanaffi) mit einem das Thätersein bezeichnenden Worte, dafs
'hier nur die individuelle Seele gemeint ist, und dafs man folglich
'den Satz, „durch Erkenntnis des Selbstes sei alles erkannt", un-
'eigentlich davon zu verstehen hat, dafs alles als Objekt des Ge-
'niefsens Vorhandene um des Geniefsers willen da ist.'
Auf diese Annahme erwidern wir, dafs es vielmehr eine Hin-
weisung auf das höchste Selbst ist, welche hier vorliegt; warum?
„wegen des Zusammenhanges der Stelle". Nämlich wenn man den
Zusammenhang der Stelle nach Früherem und Späterem^ erwägt, |
387 so zeigt sich, dafs ihre einzelnen Teile einen auf den Atman be-
züglichen Zusammenhang ergeben. Wir wollen zeigen in welcher
Weise. Nachdem Ydjnavalkya erklärt hatte: „auf Unsterblichkeit
„aber ist keine Hoffnung durch Reichtum" (Brih. 2, 4, 2), so er-
widerte Maitreyi; „wodurch ich nicht unsterblich werde, was soll
Süüam 1. IV. 19. 2S9
„ich daroit thun? ttäle mir lieber, o Herr, daä WisBen mit, wel-
sches da besitzest** (Brili. 2,4,3); und nachdem sie durch diese
Worte ihrcD Wunsch nach der Unsterblichkeit kund gegeben hat,
so erteilt ihr darauf TAjnavalkya die Belehrung über den Atmaii.
Es ist aber die Unsterblichkeit nicht anders zu erlangen als durch
die Erkenntnis des .höchsten Ätman, wie die Lehren sowohl der
Schrift als auch der Smriti bekunden. Ferner, wenn es heilst,
dafs man durch Erkenntnis des Atman alles erkannt habe, ko kann
dies in vollem Sinne nur von der Erkenntnis der höchsten Welt-
ursache gelten; es ist aber nicht zulässig, sich damit zu helfen,
dafs man diese Stelle in uneigentlichem Sinne nimmt, weil sofort,
nachdem in der Erkenntnis des Atman die Erkenntnis von allem
in Aussicht gestellt worden war, in dem nächstfolgenden Satze
eben jene [höchste WeltursacheJ dargelegt wird in den Worten:
„der Brahmanenstaud schliefst den von sich aus, welcher den Brah-
„manenstand auf serhalb des Atman weifs*^ u. s. w. (Brih. 2, 4, 6):
d. h. wer die Welt, bestehend aus Brahmauen, Kiiegeni u. s. w.,
so ansieht, als habe sie aufserhalb de» Atman durch sich selbst
ihre Existenz, der ist im Irrtum, und ihn schliefst eben die
von ihm img aufgefafste Welt, bestehend aus Brahmanen, Krie-
gern u. 8. w., von sich aus. Und nachdem liierdurch die Annahme
einen Vielheit verboten, so folgen die Worte: „diese ganze Welt
„i«t, was dieser Ätman ist" (Bfih. 2, 4, 6J, welche lehren, dafs die
ganze objektive Welt nicht aufserhalb des Atman besteht. Und
eben dieses ihr Inbegriffen sein in dem Atman wird weiter durch
die Gleichnisse von der Trommel u. s. 'w. be<«tätigt. Auch wenn
es weiter heifst: „aus diesem grofsen Wesen ist ausgehaucht wor-
"den I der Rigveda" u. s. w. j[Brih. 2, 4, 10 und 4, 6, 11), so wird 388
hiermit der vorhererwähnte Atman für die Ursache der Weltaus-
breitung in Namen [„der Rigveda ^^ u. s. w.j, Gestalten [„diese
Welt" u. s. w., nur Brih. 4, 5, 11] und Werken |„was man opfert**
u. s. w., nur Brih. 4, 5, 11] erklärt, und dies «beweist, dafs diuv.
unter nur der höchste Atman verstanden werden kann. Ebenso
wird weiter in der Stelle von dem Einiglingsorte (Brih. 4, 5, 1 2 —
13) für deB Einigungsort ^^ dieser Weltausbreitung mitsamt Objek-
ten, Sinnen und Innenorgan dasjenige erklärt., was, „ohne Inneres
„und ohne Aufseres, durch und durch ganz aus Erkenntnisstoff
„besteht", und auch dieses beweist, dafs unter jenem [Selbste] nur
der höchste Atman gemeint sein kann. Somit folgt, dafs die liier
vorliegende Anleitung, zu sehen, zu hören u. s. w., sich auf den
höchsten Atman beziehen mufs. Wenn hingegen behauptet wuvdo,
dafs diese Anleitung zu sehen u. s. w., weil mit der Kennzeichnung
de» Selbstes durch das^Wort „lieb" begonnen worden war, sich
auf den individuellen Atman beziehen müsse, > so antworten wir
hierauf:
240 giirtraka-mlmins^
20, pratiinä-siddher lihffam Agniarathyah
als Zeichen der Bewährung der Verlieifsung , meint
Agniarathya,
Es ßndet sich in unserer Stelle die Verlieifsung , dafs darch
die Erkenntnis des Atman diese ganze Welt erkannt werden aolle
(ßrih. 2,^4, 5), wie es denn auch heifst: „dieses Weltall ist was
„dieser Äiroan ist'* (Brih. 2, 4, 6). Es ist die Bewährnng dieser
Verheifsung, welche angedeutet wird durch das Zeichen, dafs [mit
allem andern auchj^ der durch das Wort „lieb" gekennzeichnete
[also individuelle] Atman hier als das, was man sehen u. s. w.
solle, erw&hnt wird. W&re nämlich der individuelle Atman von
dem höchsten verschieden^ so wftre, auch nach Erkenntnis des
höchsten Atman, damit der individuelle Atman noch nicht erkannt,
und die Verheifsung, dafs durch P^rkenntnis dos einen alles er-
kannt werden solle, würde sich nicht bewähren. Somit findet um
der „Bewährung der Verheifstmg" willen der Ausgang von dem
Punkte aus statt, wo die individuelle und die höchste Seele in
eins zusammenfallen: so meint der Lehrer Acmarathya.
389 3J, lithramishyatd* evam-hhävad, iü Audulomih
weil Rie hei ihrem Auszuge dazu werden wird,
raeint Audulomi.
Weil eben die individuelle, durch die Berührung mit dem Ag-
gregate der Upädhi's von Leib, Sinnen, Manas und Buddki be-
fleckte Seele, naclidem sie dnrch Betreiben der Hoilsmittel, wie
Ernennen, Meditieren u. s. w. , zur Ruhe gekommen, ,»'bei ihrem
„Auszuge" aus dem Aggpregate des Leibes u, s. w., mit dem höeh*
sten Atman zur Einheit gelangen wird , deswegen nimmt unsere
Stelle ihren Ausgangspunkt von der Einheit beider; so meint der
Lehrer Audulomi; und dem entsprechend sagt auch die Schrift:
,.so auch erhebt sich diese Vollbernhigung aus diesem Leibe, gehet
„ein in das höchste Licht und tritt dadurch hervor in eigener
„Gestalt" (Chänd. 8, 12, 3); und an einer andern Stelle wird durch
das Gleichnis von den Flüssen gelehrt, dafs die individuelle Seele
[als solche nur] herulit auf [der illusorischen Welt der] Namen
und Gestalten (Mund. 3, 2, 8):
„Wie Flüsse rinnen und im Ocean,
„Auff^ebend Name und Gestalt, verschwinden,
„So gehl, erlöst von Name und Gestalt,
„Der Weise ein zum göttlich höchsten Geiste";
Sfttraa I. it. ^L 241
d; h. so wie in der Welt die Flilsse die Namen und Gevtalten, auf
denen sie beruhen, aufgeben und in den- Ocean eingehen, ebenso
giebt auch die individuelle Seele die Namen und Gestalten, auf
denen sie beruht, auf und geht zu dem höchsten Geiste ein; so
ist der Sinn der Stelle aufzufassen, wenn anders das Gleichnis
und das Verglichene einander entspreofaAn sollen.
S^. avaslhiter^ Ui JS[ä(4ikrUsnah 390
wogen des Bestehens, so Kä^akritsna.
Weil eben jener höchste Ätman auch in Gestalt des indivi-
duellen Atman sein Bestehen hat, deswegen ist jenes Ausgehen
von der Einheit beider berechtigt; so meint der Lehrer Kd^«-
kfitsna. Und so sagt auch ein 6r&hmanam: „ich will [in Feuer,
„Wasser und Nahrung] mit diesem lebenden Selbste [der indivi-
„duellen Seele] eingehen und auseinanderbreiten Namen und Qe«
„stalten"^ (Ghänd. 6, 3) 2); hieran» ist ersichtlioli } dafs es der
höchste Ätman selbst ist, welcher [auch] in Gestalt der indivi-
duellen Seele sein Bestehen hat. Eben dieses lehrt auch ein Schrift-
vers wie (Taitt. Ar. 3, 12, 7):
„Wean alle Formen überdenkt der Weise
„Und sie als Namen blofs* begreifend dasitzt**
Auch wird bei der Schöpfung des Feuers u. s. w. eine besondere
Schöpfung der individuellen Seele nicht erwähnt in dem Sinne,
als wenn die individuelle Seele von der höchsten verschieden und
eine Umwandlung derselben wäi*e. — Die Meinung des Lehrers
Ka9akritsna geht also dahin, dafs die individuelle Seele der nicht-
um^ew2i>ideite hochätü Gott und nicht von ihm verschieden sei.
A^maratliy» hingegen nimmt an, dafs zwar die Absicht darauf
gerichtet sei, die individuelle Seele als identisch mit dem liöch-
sten Atman zu erweisen, dafs aber, da dieselbe doch, zur „Be-
„wnlirung der Torheifsung*', wie es hiefs, in einer Weise erwähnt
werde, die auf sie als etwas Eigentamliches Bezug nehme, ein ge-
wisses Verhältnis von Wii*kung und Ursache [mithin nicht völlige
Identit&t] als in der Absicht liegend angenommen werden müsse.
Von Audulomi endlich wird aus der Stelle geradezu gefolgert, dafs
die Identität und Nichtidentität sich auf zwei verschiedene Zu- .
stände der Seele bezögen. Hierbei ergiebt sich, dafs die Meinung
des Kä^akritsna die schriftmäfsige ist, weil sie sich an die von
der Schrift verfolgte Absicht h<, wie zn ersehen ist ans Schrift*
stellen wie „das bist du'' (Chänd. 6^8,7) und ähnlichen. Und
da dem »o ist, so ist es in Orduui^, dafs scheu aus der Erkennt-
BaiTtuur, VedAnta. 16
■U2 girinks-mimUek
ms der indiTiduellflii Swile die UuRtürblichkeit erfolgt. Würde
hingegea die indiTiduolle Se«le als eino Umwtuidiuag [Am hucb-
391 sten] ftufgefaftit, so könnte, da jede Umwandlnug, | iudeio aie wie-
der mit dem, woratu sie ntngewandelt worden, zusammeugeht,
dem Untergänge anheim&Ut , aus ihrer Erkenntnis die UuHtarb-
licLkeit nicht erfolgep. Da somit auf ihr [wegen ibrer Identität
mit der höcbateD Seele] die Weltanab reitung in IJamea und Ge-
stalten siebt beruhen kann, ao folgt, dale dt^aelbe nur auf den
IJp&dbi's berulit und der indiriduellen Seele [Höh: jive} nur nn-
eigeutlicb [in der Stelle üh&cd. 6, 3, 3] beigelegt wird. Ana dem-
selben Grunde bat man auch die Entstehung der indiTiduellen
Seelen, welche hin und wider von der Schrifi durch dM Beispiel
von den aus dem Feuer entspringenden Funken vorgebragen wird
(Brih. 2, 1, 20. Kaush. 4, 20- MnniJ. 3, 1, 1), als eine solche auf-
zufassen, welche nur auf den UpAdhi'B beruht.
Wenn femer noeb behauptet wurde, dofs er [det Veda, an nn-
Horer Stelle Brib. 2, 4, 12], wenn er I^e, dafs jenes grofs« We-
sen uelbet, von dem die Rede sei und zu dessen Betrachtung auf-
gefordert werde, erich in Gestalt der iodividnellen Seele aua den
Kreaturen erltebe, damit eb erkennen gebe, dafs es nur die in-
tlividuelle Seele sei, zu deren Betrachtung hier aufgefordert werde,
so lassen sielt «uch gegen diese Bebuuptuug unsere drei Sfttras
verwenden. Nämlich so: „Als Zacken der Bewährung der Ver-
„he^sung meint Ärmarathya"' (1, 4, 20). Verbeifsen war worden,
dafs, wenn der Atman erkannt sei, diese ganze Welt erkannt sei,
und es war gesagt worden: „dieses Ganze ist was dieser Atmnn
„ist": und dieses wurde daraus bewiesen, dafs die ganze Wett-
HUibreitung in Namen , Gestalten und Werken aus dtr Einbeit
entspringe und in die Einh<«it wieder vergebe; aowie auch daraus,
dai's mittels der Gleichnisse von der Trommel u. s. w. (Brili. 2, 4,
7 fg.) das Inbegriffensein dur Wirkung in der Ursache dargelegt
wurde. Diese erwähnte Verheifsung ist es, deren Dewähniug on-
gc.leutct wurde durch das Zeichen, dafs darauf hinf^ewiesen wnrde,
wii' dos grolue Weaen als iudividnelle Seele sich iius den Kren-
liiren erhebe; so meint der Lehrer A^maiathya; denii da Un-
getrenntheit [zwiechen der liöciisteu und der Individuellen Seele]
be.itehe (Hoferu jene auch in dieser vorhunden sei,] so sei es in
der Ordnung, dafe mit der Erkenntnis des Einen die Erkenntnis
des AH'k verheifsen werde. — „Weil sie bei ihrem Auszüge dazu
„werden wird, meint Audulomi" {1, 4, 21). Weil die individuelle
HS2 Seele bei ihrem Auszuge. 1 naciidem sie vermöge dor Erkenntnis,
Meditation u. s. w. zur Hulie gekommen, mit dem höchsten Ätman
cini. werden wird, deswegen, so meint der Lehrer Audulomi, witr?
den an unserer Stell« btiide als idcntiKch behandelt. — ..Wegen
„'/es Üfstehetts , so Jiä'^aJcritsna" (1, 4, :i2). Weil es gerade die
liiirbste Seele ist, welche auch in Gestalt dieser individuellen Seele
Satram 1. iv. 22. 243
ihr Bestehea hat, deswegen werden hier beide als identisch be-
handelt; 80 meint der Lehrer Käyakfitsna.
^Aber ist es nicht vielmehr ein Geständnis der Vernichtung
*[der individuellen Seele], welches in den Worten: „aus diesen .
S,Kreaturen erhebt sie sich und mit ihnen geht sie wieder zu
^„Gruiide; nach dem Tode ist kein Bewnfstsein" (Brih. 2, 4, 12)
'vorliegt? Wie lu.nn man also hier eine Behandlung derselben f^ls
'identisch [mit der höchsten Seele] sehen?' — Dieser Einwurf ist
ohne Belang; denn das hier vorliegende Gest&ndnis der Vernich-
tung besagt nur eine Vernichtung der individuellen Erkenntnis;
und dafs der Sinn der Worte ein anderer [als der vom Gegner
angenommene] ist, legt die Schrift selber dar, indem sie weiter
die Einwendung folgen Iftfst: „damit, o Herr, hast du mich ver-
„ wirrt, dafs du sagst, nach dem Tode sei kein Bewufstsein'' (nur
Brih. 2, 4, 13), und darauf zur Antwort giebt, „nicht Verwirrung
„wahrlich rede ich; unvergänglich wahrlich ist dieser Atman, un-
„zerstörbaren Wesens, aber eine Loslosung desselben von
„der Materie vollzieht sich^* (mäträ-asaffisarffos tu asya hha-
vati, die letzten Worte nur in der Madhyandina-Rec); das heifst
mit andern Worten: dieser „durch und durch aus Erkenntnis be-
„stehende'' Atman ist kein anderer als der allerhöchste und ewige,
und es ist keine Möglichkeit einer Vernichtung desselben; aber
von der Materie, d. h. von den Sinnendingen und Sinnesorganen,
wie sie vom Nichtwissen geschaffen sind, vollzieht sich durch das
Wissen eine LoslÖsung desselben. Hört aber die Behaftung mit
ihnen auf, i*o hört auch die durch sie bedingte individuelle Er-
kenntnis auf, und dai*um heifst es: „nach dem Tode ist kein Be-
„wufstsein*' (Brih. 2, 4, 12).
Wenn endlich noch behauptet wurde, dafs um des Schlusses
der Stelle willen, wo in den Worten „wie sollte man doch den
„Erkenüer {vijnäiar) \ erkennen'' (Brih. 2, 4, 14) ein den Thäter 393
einer Handlung bezeichnender Ausdruck (vijnätar) vorkommt, nur
die individuelle Seele es seiti könne, zu deren Betrachtung vor-
her aufgefordert worden sei, so ist auch dem durch die Auf-
fasHUUg des Kuc^akritsna zu begegnen. Ferner auch: wenn es
heifst: „denn wo eine Zweiheit gleichsam ist, da sieht einer den
j.auderu" u. s. w. (Brih. 2,4, 14), so wird in diesen Worten die,
in dem Bereiche dos Nichtwissens gültige, individuelle Erkenntnis
des Sehens ui s. w. geschildert; sodann aber wird durch die Worte :
„wo aber einem alles zum eigenen Selbste geworden ist, wie sollte
„er da irgend wen sehen'* u. s. w., dargelegt, dafs in dem Be-
reiche des Wissens jene individuelle Erkenntnis des Sehens u. s. w.
nicht mehr statttindet. Und wenn man weiter meinen könnte,
dafs in Ermangelung eines Objektes der Atman doch sich selbst
criccmien könne, so antworten darauf die Worte: „wie sollte er
„doch den Erkeuner erkennen?" Und hieraus folgt, dafs, eben
16*
244 gfcrlnka-
v«il dttr Zweck der St«Qe duin besteht, dan Aufhurun dur iu-
dividuellen Erkenntnis zn lehren, [der Ätoiao,] obgleicli er nur
aui blofaem färkenutniestoffe besteht, doch hier durch das, [eigent-
tich nur] unter VoransaetKung Ton Objekten gültige und eine «nT
sie bezügliche Thktigkeit ausdrückende Wort anf -tar [nBmlich
rynätar Erkenner] bezeichnet wird. Wir haben aber oben schon
die SchriflmBrsigkeit der AufT&asung des Kä^Bkritaua dargelegt,
3M nnd AUS ihr folgt, dais die Trennung Ewischen individueller | und
höchster Seele, wie sie ihren Onmd hat in den UpEldfai's, aAmlich
dem Leibe u. s. w., welche ans den toui Nichtwissen au^estnllten
Namen und Oeetalteti entspringen, — dab diese Trennung im
- hJicfaaten Sinne nicht real ist, und dieser Qed&nke nuiTs von allen,
die sich zum Vedftnta bekennen, angenommen werden, auf Grand
nolcher Schriftatellen wie: „seiend nur, o .Tenntr, war dieses au
„Anfang, Eines nur und ohne Zweites" (Ch&od. 6, 2, 1); — „diese
„ganze Welt ist allein der Ätman" (Ch&nd. 7, 35, St); — „Brah-
„man allein ist diese ganze Welt" (Hnp^. 3, 2, 11); — „dieses
„Weltall ist was diese Seele ist" (Bph. 3, 4, 6); — „nicht giebt
„Ort aufser ihm einen Sehenden" {Brih. 3, 7, 23); — „nicht giebl
„es noTser ihm ein Sehendes" (Brih. 3, 8, 11); — ferner uach auf
Qruad von SmptisteHeD wie: „Väsudeva ist .diese ganze Welt"
(Bhag. G. 7, 19); — „als Seele !4ollst dn wissen mich in allen Leibern,
„Bhikrata" (Bhtig. G. 13, 3); — „den einen höchsten Gott in allen
„Weaoa stehend" (Bhag. G. 13, 27) u. s. w. — Ferner auch, w:eil
die Annahme einer Vielheit verboten wird in Stellen wie: „wer
„da glaubt nein audercr ist ei- und ein anderer hin ioha, der ist
„nicht weise" (Brih. 1, 4, 10): — „von Tod zu Tode wird ver-
„strickt, wer eine Vielheit hier erblickt" (Brih. 4, 4, 19) u. s. w.
— Ferner Wi^mi es hellst; „t'ilrwohr dieser grofae, unguboreiie
:i!l> „Ätman, der nicht alterjide, nicht welkende, { unsterbliche, fnrcht-
„losc, ist dnu Brahman" (Urih. 4, -1, 2ä), so wird hier dem Ätman
alle Umwandlung abguspi'ocheii. Wäi'e dem nicht so, so könnten
die nach Erlösung Trocbtcndun zu der fsie bedingenden] unwider-
legbaren Erkenntnis nicht gelangen, und es wäre nicht möglich,
„sich des Sinnes [der LelireJ wohl au versichern". Es steht aber
vielmehr fu^it, dafs die auf den Atman l>ezügliche, uUem Begehren
ein Ende machende Erkeontoiti eine uuwideiJcgbarc ixt; und die
Schrift redet von aolchen, „die sich des Sinnes der Vedäntalehru
„wohl versi^ert" (Mund. 3, 2, 6), so wie sie auch sagt: „er schaut
„die Einheit an und Schmerz und Wahn verschwindet*' (1^& 7)'
and auch die Smriti handelt von den Merkmalen „des im Wissen
„Festen" (Bhag, G. 2, 54). Ist aber die vollkommene Erkenntnis,
welche die Eiohwt der individuellen nnd der höchsten Seele zom
Gegenstande hat, eine feststehende, so ist es eitele Mühe, des-
wegen weil in dem Sntze: „der Kshetrajöa (die individuelle Seele)
„ist der höchste Ätmun" eine blof^e Verschiedenheit der Namen
Satrain I. iv. 22. 245
▼ortiegt, zu behnapten, der Kshetrajiia müsse Ton dem höcliB(«n
Atmioi und der höchste Ätman von dem Rsheingöa versohiedea
sein, nnd so mit Hartnäckigkeit an einer Yerschjedenheit de» Atman
feetsuhalten. Dmm es ist einer und derselbe Atman, welcher, ku-
folge einer blofsen Verschiedenheit der Namen, auf mehrerlei Art
beeeichnet wird. Und wenn es heifst: „Wahrheit, Pirkenntnis, Un-
„endlichkeit ist dea Brahman; wer dieses» weiis | verborgen in der 396
„Höhle [dös Hei-zens]" (Taitt. 2, 1), so gilt dies nicht nur von
irgend einer bestimmten [alle andern aiisschliefnenden | Höhle; auch
giebt es keine Ton Brahman verschiedene Seele, die in der Höhle
verborgen wäre, denn die Schrift lehrt in den Worten: „nachdem
.,er sie geschaifcn, ging er in dieselbe oin^* (Taitt. 2 r>)i dafs es
der Schöpfer selbst ist, welcher in sie eingogangaa ist. Diejeni-
gen aber, welche hartnäckig sind nnd den Sinn des "Vedtluta be-
drängen, die bedrängen damit die zum Heile führende vollkommene
Erkenntnis, halten die Erlösung für tdwas Gemachtes [nicht durch
Wissen, sondern durch Werke Tjcroichbares] und [folglich] Ver-
gängliches und fügen fiich nicht dem, was regelrecht i^i.
246 ^ftriraka-mtm&nsft.
Siebentes Adliikaranam.
23. prakritiQ ca, pratynä-drishtänta-anuparodhat
auch der ürstoff, weil Verheifsung und Gleichnis
widersprucbkrs.
Wir haben gesehen (zu Sütram 1,1)1 Seite 7), dafs, sowie
um der Beglückung willen die Pflicht, ebenso um des höchsten
Gutes [der Erlösung] Willen das Brahman erforscht werden xnusse;
und dieses Brahman war weiter gekennzeichnet worden als „das-
, jenige, woraus Ursprung u. s. w. dieses [Weltalls] ist" (Sutram 1,
1, 2). Nun kann dieses Kennzeichen eben wohl zweierlei bedeu-
ten: däfs das Brahman die materielle Ursache der Welt ist,
wie der Thon die des Gefafses, das Gold die des Geschmeides,
und dafs es die bewirkende Ursache der Welt ist, wie [in
den genannten Beispielen] der Töpfer und der Goldschmied es
397 sind. Daher | erhebt sich die Frage, in welchem. Sinne die Ur-
sächlichkeit des Brahman zu verstehen sei; und da scheint es zu-
nächst, als 'könne Brahman nur die bewirkende Ursache der Welt
'sein; warum? weil die Schrift sagt, dafs seiner Schöpferth&tigkeit
'eine Absicht Torhergegangen sei; dieses nämlich ergiebt sich aus
'Schriftstellen wie: „er fafste die Absicht, ... da schuf er den
'„Odem" (Pra^na 6, 3. 4); ein Schaffen aber, welchem eine Absicht
'vorhergeht, kann erfahrungsmäfsig nur von den bewirkenden
'Ursachen, wie dem Töpfer u. s. w., verstanden werden. Und ebenso
'lehrt die Erfahrung, dafs, wenn die Frucht der Wirkang zu Stande
'kommen soll, verschiedene ursächliche Faktoren [sowohl materielle
'als bewirkende Ursachen] zusammenwirken müssen ; und dieses Ge-
'setz hat man auch bei dem erstanfanglichen Werkmeister gelten
'zu lassen. Hierzu kommt, dafs derselbe „der Herr" (Gott, Ij^ara)
'heifst; von einem Herrn aber, z. B. von einem [irdischen] Könige
'oder von Yaivasvata [dem Beherrscher der Unterwelt], kann man
'nur sagen, dafs er die bewirkende [nicht die materielle] Ursache
'sei. Dem entsprechend ist auch von dem höchsten Herrn £Gott]
'anzunehmen, dafs er nur die bewirkende Ursache der Welt sein
'kann. Hierzu kommt, dafs die Wirkung, nämlich diese Welt^ wie
'die Erfahrung beweist, aus Teilen bestehend, ungeistig und un-
'rein ist, und dafs somit auch die Ursache derselben eine dem
'entsprechende sein mufs, indem Wirkung und Ursache gleichartig
Sötram T. iv. 2^ 247
*zu sein pflegen. Uas Bmhinan nun aber ]n\i dif»««.« Merkmale
'nicht; denn ea ist, wie die hjclirift sa^t, ,,rahig, workloe, ungeteilt,
S,tadello8 und fleckenlos" (^vet. 6, 19); und somit bleibt uiolits
^anderes übrig, als für die Welt noch eine von | Hrahman ver- 4)98
^scliiedene materielle Ursache als Trägerin jener Eigenschaften der
'Unreinheit ii. s. w. aufzustellen, wie eine solche von der Sniriti
'[der Sänkhya*8] anr die Hand gegeben wird, indes die von Brah-
*maii ols Weltorsache handelnden Schriftstellen «ich nur auf eine
'Erörterung der bewirkenden Ursache der Welt beschranken/
Auf diese Annahme entgegnen wir: „auch der Urstoft'", d. h.
Brahman ist auch als die materielle Ursache der Welt zu betrach-
ten und nicht blofs als ihre bewirkende Ursache; warum? „weil
„Yerheifsung und Gleichnis widerspruchlos ", d. h. nur so sind die
Yerheifsungen und die Gleichnisse, die in der Schrift darüber vor-
kommen, frei von Widerspruch. Was nämlich zunächst die Yer-
heifsungen betrifiPt, so hiefs es: „hast du denn auch der. Unter-
„weisung nachgefragt, durch welche [auch] das Ungehörte ein
„[schon] Gehörtes, das Un vertat andeiie ein Yerstandenes, das Uner-
„kannte ein. Erkanntes wird?" (Ghand. 6, 1, 3); dies ist dahin zu
verstehen, dafs durch die Erkenntnis jenes einen alles andere, auch
wenn es ein Unerkanntes wai*, zu einem schon Erkannten worden
soll. Dieses nun also, dafs durch die Pirkenntnis des einen alles
erkannt werden soll, trifft nur dann zu, wenn es von einer Er-
kenntnis der materiellen Ursache der Welt verstanden wird: indem
in der materiellen Ursache die Wirkung schon enthalten ist, wäh-
rend hingegen die bewirkende Ursache die Wirkung nicht schon
enthält; denn die Erfahrung zeigt, wie z. B. der Baumeister nicht
schon das Haus enthält. Ebenso steht es weiter mit dem „Gleich^
„nisse", wenn es (Chiind. 6, 1, 4 weiter) heifst: „gUdchwie, o Teurer,
„durch einen Thonklumpen alles was aus Thon besteht, oi-kannt
„ist; an Worte sich klammernd ist die Umw.indlung, ein blofser
„Name, Thon nur ist es in Wahrheit". Dieses Gleichnis kann sich
nur auf die materielle Ursache beziehen; und dasselbe gilt von
dem, was weiter folgt, dafs durch eine Kupferperle alles, was
aus Kupier bestehe, | und durch eine Np.g(>ischere alles, was aus 399
Eisen bestehe, erkannt werden könne (C^itlnd. G, 1, 5. 6). Ebenso
steht die Sache in andern Stellen der Schrift. So z. B. wenn es
heifst: „was mufs, o Yerehrangswürd' ger, erkannt sein, damit diese
„ganze Welt erkannt sei?" (Muiid. 1, 1, 3), so liegt hierin
„die Yerheifsung"; und wenn es weiter heifst: „so wie aus der
„Erde die Kräuter entspringen" (Mund. 1,1,7), so liegt hierin
das Gleichnis. Und wieder an einer andern Stelle lautet die Yer-
heifsung: „fürwahr, von wem das Selbst gesehen, gehört, verstan-
„doA und erkannt worden ist, v on dem wird diese ganze Welt ge-
„wufst" (Brih. 4, 5, 6); und das Gleichnis lautet: ,.mit diesem ist es,
„gleichwie maTi, wenn eine Trommel gerührt wird, die Töne da
248 . CärlMha-mlinUsi
„dmarMii nicht greifen kauii; hat mna aber die Tvoiamel gegriffca
.,oder den TiüinmelBohläger, ao hat mwi [ftach] den Ton gegriffen'
(B|ih, 2| 4, 7). In dieser Woise liegen in den versohledenen VedAn-
tatexten je nach den ümatändcn [formnlierte] YerheifKungen und
UleicbniBse vor , weiche al» Beveis ditfOr su nehmen aind , dafa
fBrafaman auch] die materielle Ursache [der Welt] i»t. Dnd auch
der 'Ahlatlv yatas „woraus" in dar Stelle; „daBJenige, fürwahr,
„woraus diese Wesen entspringen" (Taitt. 3, 1) ist, nach der Be-
stimmung der [grammatischen] Smriti: jani-kartvli prakriHlt, „der
„ürstoff doa Subjektes des Werdens [tbt ein apätlämam, steht im Ab-
lativverbältais]" (Ffl^ini 1, i, 30), dahin aufcufossen, dah daa Ab-
latiTVerhültnie hier den Urstoff bedenten mur«. Dafs aber Brshmsn
aufserdem anoh die bewirkende üiudie der Welt sein mnrs,
folgt daraus, dafs es aufser ihm kein der Schöpfung vorstehendes
Wesen giebt. WAhrend nftmlioh in der Erfahmng die materiellen
Ursachen, wie z. B. der Thon imd das Gold, sich immer nur inso-
400 fern entwickeln , als sie | einen ihnen vorstehebden Topfer and
(roldsohmied sur Voraussetzung hnben, so hat hingegen das Brah>
luaii als mateiielle Ursache kein solchem von ihm selbst versohie-
denes und ihm vnrstehendes Wesen zur Voraussetzung, indem diu
Schrift versichert, dafs dasselbe vor der Schöpfung- „Eines nnr
„und ohne Zweites" (ühUnd. 6, 2, 1) gewesen sei. Auch eigiebt
sich, wie leicht zu sehen, dieses Ausgeschlossensein eines andern
Vorstehers [aui'ser Hrabman] zugleich daraus, dafs „Verheifsung
„und Gleichnis wider spmchtos" sind; denn gesetzt, man nähme hier
noch einen von der materiellen Ursache verschiedenen Vorsteher
an, so würde wiederum nicht zutreffen, änh durch Erkennntnis des
einen altes erki'nnt sei , und die [erw&hnten] Verhsifa'ongen und
(ileichnisse würden Widersprechend sein. Somit ergiebt sich, dafs
der Ätman sowohl, weil kein Vorsteher aufs» ihm vorhanden, die
bewirkende, als tnch, weil kein Urstoff anAer ihm vorhanden,
die matericlla Ursache [der Weltschöpfnng] ist.
Und warum weiter mufs der Atman die bewirkende und stt-,
gleich die materielle Uruu^e sein?
34. abkidJtyä-tipadecäc ca
auch wegen ErwlUuiung der Absicht
Auch die Erwfthnung der Ab ^icht beweist, dsXs der Atniaa das
Bewiii:e»de und zugleich der Stoff ist, wenn es heifst: „er be-
,£ehrta, ich will vieles -sein, will jnich fortpflanzen" (Taitt. 2, 6),
und: „dasselbige beabsichtigte, ich w/U vieles sein, will mich fort-
Sütram i. iv. 24. 249
„pflanzen" (Chand. 6) 2, 8). Hier ist aus der nach vorhergehendem
BcabstchtigeD aas freien Stücken erfolgenden Efitwickluag zu
schlie&en, daft der Ätman die bewirkende Ursache ist; und aus
den Worten „ich will vieles sein", ist, da es [nur] der innere
Atman ist, dem die Absicht, vieles zu sein, beigelegt wird, zu
schliefseu, dafs derselbe auch die materielle Ursache ist.
25. sCtkshac ca uhkaya-ämnändt 40i
offenbar auch, wegen der Erwähnnng beider.
Hier folgt ein weiterer Grund dafür, dafs der Atman die ma-
terielle Ursache der Welt ist: auch daraiis nämlich ergiebt sich,
dafu dos Brahmon der Urstoff ist, weil, indem dabei „ offenbar ^^,
nur da» Brahman als Ursache angenommen wird, „beider^', des
Entstehens und des Vergehens der Welt „Erwähnung** geschieht
in der Stelle: „fürwahr aus dem Äther allein entspringen alle diese
„Wesen, und in den Äther gehen sie wieder unter^* (Ch&nd. 1« 9, !)•
Denn dasjenige, woraus et>ra8 entspringt, und worein es wieder
vergeht, ist für dasselbe bekanntlich di'3 materielle Ursache, sowie
die Erde für Reis, Gerste u. s. w. Hier zeigt die Schrift „offen-
„bar^S dafs keine weitere materielle Woltursache anzunehmen ist,
indem sie sagt: „aus dem Äther allein'^ Was aber das Vergehen
betrifft, so kann dasselbe bei einer Wirkung, wie die Eiiahmng
lehrt, nur in der ihr eigenen materiellen Ursache, statthaben.
26. (itma-hriteh parmdmät
wegen der Selbstmachung durch ümschaffiing.
Auch darum ist das Brahman der Urstoff, weil es in oiuer Be-
trachtung über das Brahman heifst : „ dieses machte selber sich
„selbst" (Taitt. 2, 7), worin liegt, dafs der Ätman zugleich das
lk?wirkte und das Bewirkende ist; das J bewirkte, sofern er sich
selbst machte, und das Bewirkende, sofeni er selbst dieses that. —
'Aber wie ist es möglich, von einem vorher schon fertig Vorhan-
'denen und nun als Bewirker Auftrotenden zu behaupten, dai's es
*nuii erst gemacht werde?' — | Wir antworten: .,durT;h Umschaf- 402
„fung". Denn wenn auch der Ätman schon vorher fcrlifi- vorhan-
den war, so konnte er doch, ohne dadurch von sich sellist ver-
schieden zu werden (lies: ät.ma'avi*:e8h€na), durch Umwandlung
250 ^'&nrakit-mlniatts&
seines Selbstes (vikara-äUnanä) sidi selbst „umschoffeii". YArn^
solche „I.'mschaflrang" durch Umwandluiig des Selbstes sehen wir
z. B. auch mit den Stoffeu der Natur, dem Tbone u. s. w., vor sieb
gebe». Aus der dabeistehenden Bestimmung aber „dieses machttr
„selber^* ist zu ontnebmcn, dafs auch als bewirkende Ursache nichts
anderes dabei mitwirkte.
Oder auch man kann die Worte: „dui*ch Umschaflfung** als ein
besonderes Sütram betrachten, dessen Sinn dann ist: auch darum
i^t das Brahman zugleich die materielle Ursache . der Welt, weil
diese „Umschaffung^' des Brahman selbst durch Umwandlung seines
Selbstes von der Schrift gelelirt wird, wenn sie z. B. mit gramma-
tischer Koordination [des Brahman und der Welt] sagt: „er war
„das Seiende und das Jenseitige, das Aussprechliche .und das Un-
„aussprechliche'^ (Taitt. 2, 6).
27. yonig ca hi giyitte
■
auch wird er ja besungen als der [Mutter-lScLofs,
Auch darum ist Brahman der Urstoff, weil Brahman auch als
pder [Mutter-jSchofs '* gefeiert wird in Yedäntastellen wie (Mund.
3, 1, 3):
„Ben Schöpfer, Herrn und Geist,
„Den Mntterschofs, das Brahman^'
und (Mund. 1, 1, 6):
„Was als der Wesen Scbofs die Weisen schauen *^
Das Wort „ Scbofs ^^ bedeutet ja auch im gewöhnlichen Gebrauche
des Lebens den Stoff, wenn z. B. die Erde als der [Mutter-]
Schofs der Kräuter und Bäume bezeichnet wird, und auch bei
403 dem weiblichen Schofse | trifft es zu, dafs er für die Leibesfrucht,
sofern sie einen Teil desselben bildet, die materielle Ursache ist.
Zuweilen allerdings bedeutet das Woi't Schofs {yon%) blofs den
Standort; so, wie der Zusammenhang zeigt, in der Stelle (Higv.
1, 104, 1):
„Ein Schofs zum Sitzen ist, o Indra, dir bereitet ^^
Hier aber (Mund. 1, 1, 6) mufs es den Urstoff bedeuten, wie er-
sichtlidi ist aus den nachfolgenden Worten: „wie eine Spinne den
„Faden ausläfst und wieder zurückzieht" (Mund. 1, 1, 7).
\ S^trara I. iv. 27. 251
Somit ist bcwie.^eu, dnüii cIhs Bralimaii die materielle Ursache
ist. Wcuu hingegen behauptet wurde, dafs das Bewirken nach
vorhergehender Absicht der Erfahrung gemäfs nur bei den be-
wirkenden ÜTSÄchen, dem Töpfer u. s. w., nicht bei den mateiiel-
len Ui*sachen vorkomme, bo antwoHcn wir darauf, dafs es sich
hier gar nicht zu verbalten braucht, wie in der Erfahrung; denn
der Gegenstand, um den es sich hier handelt, ist durch Schlüsse
[aus der Wahrnelimung] nicht zu erfassen; weil er aber nur durch
Offenbarung zu erfassen ist, deswegen braucht es sich mit ihm
nur 80 zu verhalten, wie die Offenbarung es lehrt; die Offen**
barung aber lehrt, dafs Gott, trotz des Beabsichtigens , auch die
materielle Ursache ist', wie bereits gesagt wurde' Übrigens wer-
den wir weiterhin noch alle derartigen Einwendungen ausführlich
beantworten.
Achfes Adhikaranam,
38. etena sarve vyäkhyätdj vyäkhyätäh
damit sind alle besprochen, besprochen.
Von dem Sütram: „wegen des Erwägens nicht; seh rift widrig ! "
(1, 1, 5) an wurde die Behauptung, dafs die Urmaterie die Welt-
ursache sei, von den Sütra^s selbst auf immer neue Zweifel hin |
bekämpft, weil scheinbar in den Yedäntatexten gewisse Anzeichen 404
vorkommen, welche jene Meinung bestärken und auf den ersten
Blick minddr Begabten einleuchten könnten. Auch ist jene Mei-
nung dadurch, dafs auch sie die Identität der Wirkung mit der .
Ursache annimmt, der Vedantalehre verwandt; daher sie auch von
manchen Verfassern von Dharmasütra's , wie z. B. von Devala, in
ihren Lehrbüchern angenommen worden ist; darum ist an ihre
Widerlegung so viel mehr Mühe verwendet worden als an die
Widerlegung der die Atome und anderes als Weltursache betrach-
tenden Lehren. Indessen mufste doch nun auch noch über die
letzteren, weil sie der Lehre von dem Brahman als Weltursache
entgegen sind, das Verwerfungsurteil ausgesprochen werden, in-
dem sonst auch ihre Meinung durch irgend eine Andeutung des
Veda bestärkt zu werden scheinen möchte und auf den ersten
Blick Minderbegabten einleuchten könnte. Darum weist unser
Autor, gleichwie einer, der den Hauptringer geworfen hat, über
253 Qäriraka-mimltAs&
das Bishei-ige hinaus, indem er sagt: „damit", mit ddm bisher
zur Widerlegung der Ui'materie als Weltursache beigebrachten
Komplexe von Sätzen ,,8ind alle^^ nämlich auch die Verfechter
der Atome u. s. w. als Weltursache, als widerlegungsweise „be-
„»prochen^' zu betrachten; indem n&mlich auch sie, das ist die
Meinung, ähnlich wie die Anh&nger der Urmaterie) in der Schrift
4(y5 keine Stutze finden, | ja mit derselben in Widerspruch stehen.
Die Wiederholung des Wortes: „besprochen, besprochen'* seigt
den Abschlufs den Adhyaya an.
Sit lautet in dem KoiQmeatara xar ozhabenen {fariraka-wfntanant dem Werke d«r
▼erohmogswUrdigeii Fttfs« des Mcbabenen (^ankara, des Schülers der erUmcIiten Far««
de« erhabenen (ronndn, im ersten Ad^jaya der viert« Pada.
Ende des arsten Adhy&ya.
ZWEITER ADHYÄYA.
Des zweiten Adhyftya
ERSTER PADA
Erstes AcIInkaranam^
L smnü'anm^aM^a'doshn''prasanga\ Hl cen? na! 406
anya-srnriti - anavaM^a - dosha -prasangdt.
Es trete der Fehler ein, dafs die Smriti keine Be-
rechtigung habe, meint ihr? Nein, weil [wenn man
die eine Smriti zuläfst] der Fehler eintritt, dafs die
andern Smriti's keine Berechtigung haben.
Im ei^sten Adhyaya wurde bewiesen, dafs der allwisseude und
allm&cbtige Gott die Ursache ist für die Entstehung der Welt,
80 wie der Thon für die der Gefüfse, das Gold für die der Ge-
schmeide; dafs er femer nach Entstehung der V/elt, vermöge spi-
ner Eigenschaft als der liegierer, die Ursache ist für das Fort-
bestehen dor Welt, so wie der Zauberer für das des Zaubers:
und dafs er endlich auch die Ursache ist für die lloabsorptiou
der aus ihm herausgesetzten Welt in sein eigenes Selbst,
SU wie der Erdengmnd für die vier Klassen der [orgauischenj
Wesen; > — und eben dieser [allwissende und allmächtige Gott] ist
die Seele in einem jeden von uns. — Alles dieses haben wir
durch den Nachweis der Übereinstimmung der Vcdantatexto er-
wiesen und dabei die Lehren von der Urmaterie u. t«. w. als schrift-
widrige verworfen. Nunmehr ist es unsere Aufgabe, den Wider-
spruch der Smriti - Reflexion auf ihrem eigenen Gebiete [d. h.
l)l«>',Jk.
■ 256 C&rlraka-mlminsk
I glcicIifallB durch Reflexiou] zu üntkräfleD (P&da S« 1), sodann, von
E den Theonon der Ürmaterie n« a« w. za beweisen, dafs es nur.
W Scheingründe sind, mit denen sie si^ brüsten (PAda 2, 2), und
ondlich darzuthon, dafs die verschiedenen Ved&ntatexte in Bezug
auf den Hergang bei der Weltschöpfung u. s. w. nicht mit einander
in Widerspruch stehen (Päda 2, 3 — 4). Dieser Art ist der Gegen-
stand, zu dessen Abhandlung der zweite Adhyäya bestimmt
ist. — Zunächst also kommt es darauf an, den Widerspruch der
Smriti darzulegen und zu entkräften.
'Wenn behauptet wurde \ so könnte man sagen, 'dafs nur das
r ^allwissende Brahman die Ursache der Welt sein könne, so ist
^^'7 'das unpassend; | warum? „weil dann der Fehler eintritt, dafs die
f. -„Smriti keine Berechtigung hat''. Nämlich sowohl diejenige Smriti,
'welche, als ein Lehrgebäude auftretend, Ton dem grolsen Weisen
*[Kapila] aufgebracht und von seinen Schülern angenommen wor-
^ 'den ist, als auch andere Sm|*ititexte,- welche in ihre Fufstapfen
' 'treten, diese alle haben, wenn es so steht, keine Berechtigung
'zu mstieren, sofern der Zweck der Abfassung darin besteht, die
'ungeistige ürmaterie als die selbständige Ursache der Welt auf-
'zuweisen. Was allerdings die Smriti des Manu und ähnliche be-
'trifft, welche bemüht sind, in Bezug auf das, was zur Pflichtlehre
'gehört und auf [vedisoher] Vorschrift beruht, z. B. das Feuer-
'opfer u. s. w. , den dabei beabsichtigten Zweck zu erörtern, so
'haben diese eine Berechtigung der Existenz, sofern sie ausein -
'andersetzen, wie die und die Kaste zu der und der Zeit auf die
'und die Weise bei einem Lehrer einzuführen ist, wie der Lebens-
'wiuidcl zu gestalten, wie das Vedastudium ,^^ie die Entlassung
'des Schülers, wie seine Verbindung mit einer MiterfüUerin des
'Gesetzen zu bewerkstelligen ist, indem sie auf diese Weise die
'mannigfaltigen Pflichten der vier Kasten und Lebensst-adien , wie
'sie den Zweck des Menschen bilden, auseinandersetzen. Anders
'u})er steht es mit der Smriti des Kapila und ähnlichen; diese haben
. 'CS nicht mit einem Gegenstand der Pflichterfüllung zu thun, son*
'ihiva sind aufgebracht worden zu dem Zwt«cke, die vollkommene
'Erkenntnis, wie sie der Weg zur Erlösung ist,, dar zulegen; müssen
'wir ihnen nun hiei*zu die Berechtigung abspreclien, so tritt der
403 'Fall ein, dafs sie zu gar keinem Zwecke tauglich sind; | darum
'mufs man vielmehr die Vedantatexto so erklären, dafs sie mit
^jenen übereinstimmen.' —
Aber wie ist es möglich, nachdem wir durch all die Gründe,
„weg^n* des Erwägens" (Sütram 1, ], 5) u. s. w. , als Inhalt der
Schrift -festgestellt haben, dafs das allwissende Brahman allein die
Weltursache sei, dieses Resultat nun wieder blofs deswegen an-
zufechten, weil sonst der Übelstand eintrete, dafs die Smriti keine
Berechtigung hiAe! Und allerdings ist ein solcher Angriff fiär
selbständige Denker bedeutungslos. Aber die Leute sind meisteiL*
Sfttram 11. i. 1. 257
teils, in ibrem Denkoii unBelbständig and nicht im Stande, den
Schriftsinn aus pich sulbst heraus anfzu fassen; daher hio h\c\\ viel-
leicht anf die von bf^rühtnten ITi4iel>ern herrührende Smnti stützen
könnten und den Schriftsinn ihror Autorität gemüfs' anzunehmen
geneigt sein möchten, der von nn.s verfafsten Auslegung liingegen,
wegen der Verehrung für jene Urheber der Sniriti , kein Vertrauen
schenken würden. *Auch wird ja', so können die Gegner noch
geltend machen, Won der Smriti erwähnt, dafs ein Kapila und
^1ndere eine seherartige, unfehlbare Erkenntnis gehabt hatten; ja
*e8 giebt sogar eine Stelle der Schrift, welche sagt (C^Vet. 5, 2):
*,J)er mit dem weisen Kapila zu Anfang,
^„Nachdem gezeugt er, schwanger ging im Geiste,
Vünd ihn geboren wünschte zu erschauen."
I ^Damni darf man nicht die Gedanken dieser Müuner als nicht 409
*zur Sache gehörig erachten. Auch stellen sie den Schriftsinn fest,
andern sie dabei [ebenso wie ihr] sich auf die Reilexioii stützen;
'und auch darum mufs man die Vedantatexte der Smritiiehre gc-
*mäf8 auslegen.' — So lautet der erneute Angriff. —
Ihm wird gewehrt mit den Worten: „nein! weil [wenn man
„die eine Smriti zuläfst] der Fehler eintritt, dafs die andern Smri-
„ti's keine Berechtigung haben.'* Wenn man nämlich deswegen,
weil Bonst für die Smriti keine Berechtigung sein würde, die Lehre
von Gott als der Weltursache beanstandet, so trifft es sich, dafs
mau eben damit andern Smrititexten, welche gleichfalls lehren,
dafs Gott die Weltursache sei, die Berechtigung absprechen mufs.
Wir iK'oUen dieselben anführen. An der Stelle: „Was jenes un-
„erkennbar Feine ist'S ^^ welcher von dem hödisten Brahman
gehandelt wird, heifst es von ihm: „er wird als innres Selbst der
„Wesen, als ihre Seele anerkannt**; und weiter: „von diesem ging
„dos Unerschlofsne aus mit den drei Guna's, Bester der Brahma«
„nen*' (Mahabh. 12, 13679 fg.). Ebenso heifst es auch an einer
andern Stelle: „das LTnerschlofsnc löst, o Priester, im gunalosen
„Purusha sich auf" (Mahabh. 12, 12895). — Ferner, sagt ein Pu-
ranam (fast wörtlich Mahubh. 12, 11211):
I „So höret denn die Summa von dem allen: 410
„När&yana ist diese Welt, der Alte;
„Er hat zur Schöptungszeit die Welt geschaffen;
„Er zur Vernichtungszeit verschlingt sie wieder
— Und in den BhagavadgU}Vs (7, 6) heifst es:
„Ich bin für diese ganze Welt
„Der Urspnmg und der Untergang.*'
— Ebenso lafst sich mit Bezug auf den höchsten Atman Apn-
Btamba vernehmen (Dharmasütra 1, 8, 23, 2): „aus ihm entstanden
IHvanwK, VeAktiln. 17
258 Qiirtraka-mlm&Äsfi
„sind die Leiber alle; er ißt die Wurzel immerdar und ewig". —
» — In dieser Weise wird oft genug auch von den Smrititext^n
Gott als die bewirkende und auch als die materielle Ursache aJi-
erkannt. Tritt nun jemand, gestützt auf die Autorität einer Srariti,
gegen uns auf, so können wir ihm, ebenfalls gestützt auf jiie Au-
tpiität einer Smriti, die Antwort geben; das bedeutet diese Hervor-
hebung als eines Übel Standes , dafs [wenn die eine Smriti gelten
soll] „die andern Smriti's keine Berechtigung haben". Was aber
die Texte der Schrift betrifft, so haben wir bewiesen, dafs ihr
Zweck dahin geht, die Weltursache zu offenbaren; und wenn die
Smrititexte darüber miteinander in Widerspruch stehen, so dafs
411 man notwendigerweise | eine Smriti aufgeben mufs, um die andere
zu halten,. nun so bilden diejenigen Smrititexte, welche der Schrift
folgen, die Richtschnur, und die andern verdienen keine Berück-
sichtigung; daher es auch in dem Kapitel von der Richtschnnr
heifst: „widerspricht sie, so weise man sie ab, wenn nicht, so
„dient «ie zur Stütze" (Jaim. 1, 3, 3). — Es ist aber auch nicht
abzusehen, wie irgend jemand ohne die Schrift das Übersinnliche
vernehmen sollte, da ein Anlafs, auf dasselbe zu schliefsen, [in
dem Sinnlichen] nicht vorliegt. Meint ihr, dafs dies bei einem
Kapila und ähnlichen doch möglich sei, weil sie als Yollondete
{siddka) ein unbeschränktes Erkennen besitzen, so bestreiten wir
das, weil auch jene Vollendung nur eine bedingte, ist. Nämlich
die Vollendung wird bedingt durch Erfüllung der [ceremoniellen]
Pflicht, diese Pflicht aber beruht auf [vedischer] Aufforderung;
darum kann der Inhalt der schon vorher vorhanden gewesenen
[yedischen] Aufforderung [die Pflicht zu betreiben oder auch den
Atman als Weltursache zu erkennen] nicht durch die Behauptun-
gen eines erst hinterher [durch Betreibung jener Pflicht] zur Voll-
endung gelangten Menschen zweifelhaft gemacht werden, zumal,
wenn in der auf jene Vollendeten zurückgehenden Anschauungs-
weise eine Vielheit [der Meinungen] sich zeigt; und da, wie oben
nachgewiesen, in der auf die Vollendeten zurückgehenden Smriti
eine derartige Zwiespältigkeit wirklich vorliegt, so giebt es, um
[über die widersprechenden Meinungen hinaus] ins Klare zu kom-
men, gar keinen andern Ausweg als diesen, dafs man sich an die
Schrift hält. Und auch Leute von unselbständigem Urteil dürfen
darum doch nicht ohne Weiteres für irgend eine bestimmte Smriti
Partei nehmen, weil, wenn man vielmehr (tu) sich irgend einer
412 beliebigen Partei anzuschliefsen berechtigt wäre, wegen der Man-
nigfaltigkeit der menschlichen Meinungen, der [unmögliche] Fall
eintreten würde, dafs die Wahrheit selbst ein Nichtbeständiges
wäre. Darum mufs auch ein solcher [der nicht mit eignen Augen,
i^ondern nur mit denen der Smriti zu sehen vermag] durch Be-
achtung des Widerspruches der Smrititexte gegen einander und
durch Scheidung dessen, was der Schrift gomäfs ist, auf einem
Sütram II. f. 1. 259
gesniiden Wege der £rkenntmti zustreben. •— Wenn hingegen oben
auf eine Schriftstelle hingewiesen wurde, welche von dem hohen
Wissen des Kapila spricht, so reicht auch das nicht hin, um
einer Meinung des Kapila, falls sie der Schrift widerspricht, Glau-
ben zu verschaffen; denn die ganze Übereinstimmung der Schrift
[mit der Smritianschauung] liegt hier in dem blofsen Kamen des
Kapila; es giebt aber noch einen andern Kapila, nämlich den
V^rbrenner der Söhne des Sagara (vgl. Mahabh. 3, 8831 fg.; 12,
10613 fg.), der auch Yasudeva heijfst; wo ea sich aber um eine*
andere Sache handelt, die der Zutreffung auf den vorliegenden
Fall ermangelt, da kann diese nichts beweisen. Übrigens giebt
es auch eine Schriftstelle, welche die Geistesgröfse des Manu preist,
indem sie sagt: „fürwahr, alles was Manu gesagt hat, das ist Ar-
„zenei" (Taitt. samh. 2, 2, 10, 2); Manu aber sagt (12, 91):
•
„Wer alle Wesen in sich selbst, sich selbst in aller Wesenheit
„Erkennt, der opfert nur dem Selbst und gehet ein zur Herrlichkeit";
in dfesen Worten preist Manu die Lehre, dafs alles Seele sei, und
verwirft folglich die Ansicht des Kapila; Kapila nämlich kommt
in seinen Schlüssen nicht zu der Anschauung, dafs die ganze Welt
der Atman sei, sondern nimmt vielmehr eine Vielheit von Seelen
an. Ebenso [wie mit Manu] steht es mit dem [ Mah&bh&ratam, wo 413
die Frage aufgeworfen wird:
„Smd viele Geister oder ist nur einer? ^'
worauf als gegnerische Behauptung aufgestellt wird:
,,Wenn wh- dem Sänkhyam und dem Yoga folgen,
„So gäbe es, o Fürst, der Geister viele";
zu ihrer Widerlegung heifst es dann (Mahabh. 12, 13715):
„Ein Ursprung nur ist all der vielen Geister,
„Der gunalose Geist; er ist das Weltair^;
und weiter heifst es (Mahabh. 12, 13743 fg.):
„Er ist mein Selbst und deins und aller andern
„Verkörperten, doch ist er unerkennbar,
„Weil er Zuschauer blofs in allen ist.
•„Ganz Haupt, ganz Arm, ganz Füfse, Augen, Nase,
„Durchdringt die Wesen er allein und wandelt
„Nach freier Willkür wie es ihm gefällt"^,.
in diesen Worten liegt ausgesprochen, dafs alles allein die Seele
ist; eben dasselbe aber lehrt auch die Schrift, wenn sie sagt (t^k 7) :
I „Wer aller Wesen Schar nur als sein Selbst empfindet, 414
„Der schaut die Einheit an, und Schmerz und Wahn verschwindet."
17*
260 g&i1raka.-mim&A8&
Also auch darin widerspricht die Lehre Kapila^s dem Yeda und
widerspricht dem mit dem Yeda gehenden Worte des Mano, dafs
Kapila eine Vielheit von Seelen annimmt, nicht nur darin, dafa
er, wie wir besprochen haben, eine selbständige Umator annimmt.
Nun ist aber die Autorität des Veda in Bezug auf seinen Gegen-
stand eine unbedingte, wie die der Sonn» auf dem Oebiete der
Gestalten, während hingegen die Autorität von Menschenworten
in Bezug auf ihren Gegenstand bedingt wird durch den Grund,
auf den sie sich stützt, und von dem sie durch die Erinnerung
des Redenden getrennt wird; das ist der grofse Unterschied; und
darum ist es kein Fehler, wenn f&r die Smriti auf Punkten , wo
sie dem Yeda widerspricht, keine Berechtigung sich angeben läfst.
Und warum ist femer die der Smriti abgehende Berechtigung
kein Fehler?
2. UareshAn ca anupalahdheh
auch wegen Nichtwahmehmbarkeit der andern.
*
Auch die andern Principien aufser der Urmaterie, welche von der
Smriti als Umwandlungen der Urmaterie betrachtet werden, näm-
lich das Grofse und die Übrigen, auch diese sind weder im Yeda
noch in der Ei*fahrung nachzuweisen. Was allerdings die Elemente
und die Sinnesorgane betrifft, so mag von diesen in der Smriti
gehandelt werden, da sie aus dem Yeda und der Erfahrung be*
kannt sind; das Grofse aber und die folgenden Principien sind
415 der Erfahrung | und dem Yeda unbekannt; daher eine Smfiti über
dieselben ebenso wenig zulässig ist, wie über ein sechstes Sinnes-
organ oder Element. Und wenn hier und da ein Schriftvers auf
jene sich zu beziehen scheint, so haben wir bewiesen, dafs dem
nicht so ist an der Stelle: „auch das Gefolgerte sei nach einigen"
(Sütram 1, 4, 1). Ist nun, — das ist der Sinn unseres Sütrara, —
der Smriti in Bezug auf die Wirkung keine Autorität beizulegen,
so konunt ihr eine solche auch nicht in Bezug auf die Ursache
zu; und auch darum schadet es nichts, wenn für die Smpti keine
Berechtigung sich nachweisen läfst. — Diejenigen aber überhaupt,
welche sich auf die Reflexion stützen [wozu auch die Anhänger
der Smriti gehören], werden noch weiterhin, in dem Sütram „nein,
„wegen der Wesensverschiedenheit ^* (2, 1, 4} und den folgenden,
ihre Entwurzelung findeu.
Sütram U. i. 3. 261
Zweites Adhikaranam,
3. etena Yogah pratpuktah
damit ist [aucb] der Yoga abgefertigt.
Mit dieser Widerlegung der Sftnkhya-Siimti ist aach die Yoga-
Sniriti als widerlegt za betrachten, auf welche hier, über die er«
stere hinaus, verwiesen wird; denn auch in ihr werden, in Wider-
spruch mit der Schriftlehre, die selbständige Urmaterie als Welt-
ursache und die weder der Erfahrung noch dem Yeda bekannten -
Principien des Grofsen u. s. w. ah Wirkung angenommen. — Aber
ist dieses, wenn dem so ist, und beide [als gleich] der gleichen
Regel unterliegen, nicht schon durch das Vorhergehende erledigt?
wozu also wird hier abermals darauf hingewiesen? — Deswegen,
weil hier noch folgendes weitere Bedenken zu erledigen bleibt.
'Der Yoga nämlich*, so könnte man sagen, 'wird im Yeda als ein
'Hülfsmittel der vollkommenen Erkenntnis vorgeschrieben. So
'z.B., wenn es heifst: „ihn soll man hören, verstehen, überden-
S,ken*' (Brih. 2, 4, 5). Und an der Stelle „wer dreifach hoeh-
S,gerichtet grade hält den Leib'' (Qvet. 2, 8) wird nach Bespre-
'chung des rechten Sitzens | in der Upanishad der Qo^äfvatara^a iiü
'eine ausiilhrUohe Anleitung zur Betreibung des Yoga erteilt. Auch
'finden sich im Yeda tausendfach Andeutungen, welche den Yoga
'betreffen; z. B. wenn es heifst: „das ist was man den Yoga nennt,
'„der Sinne starke Fesselung" (Käth. 6, 11), und: „dies Wissen
'„und die ganze Yoga-Weise" (Käth. 6, 18) u. s. w. Auch heifst
'os in dem Lehrbuche des Yoga: „nunmehr folgt als Hülfsmittel
'„der Erkenntnis der Wahrheit der Yoga". Hiermit wird der Yoga
'als ein Hülfsmittel der vollkommenen Erkenntnis anerkannt. Sollte
'daher nicht, auf Grund dieser teilweisen Übereinstimmung, an-
'zunehmen sein, dafs, ähnlich wie die Smriti des Achtwerkes [des
Panini] und andere, auch die Smfiti des Yoga eine unwiderleg*
'bare sei?' — Auch dieses weitere Bedenken wird durch die Yer»
allgemeinerung [des vom Sftnkhyam Gesagten auch fGUr den Yoga]
erledigt. Wenn nämlich auc3i eine teilweise Übereinstimmung statt-
findet, so ist doch auch die vorher [beim Sänkhyam} hervorgeho-
bene teilweise Nichtübereinstimmung offenbar hier vorliegend. —
Es giebt ja viele Smriti's, die sich mit psychologischen Fragen
beschäftigen, aber nur die Smriti des,Sänkhyam und des Yoga
werden mit Fleifs widerlegt, weil diese beiden in dem Rufe ste-
hen, als könnten sie das höchste Ziel des Menschen lehren, weil
femer sie von gelehrten Männern gebilligt worden sind, und sich
auf Andeutangen der Schrift stützen, indem es z. B. heifst (Qvet.
6, 13):
•i X
.i
r
262 Q&rlrakarmlm&ii8&
„Den auch das Sänkhyam nnd der Yoga lehren ,
„Wer diesen Weltengrand als Gott erkannt,
417 I „Der wird befreit von allen Erdenbanden.'*
— Die Verwerfung dieser Lehren aber beruht darauf^ dafs weder
durch die Erkenntnis der SAnkhya-Smriti noch auf dem Wege des
Yoga, sofern dieser vom Yeda sich entfernt, das höchste Gut [die
Erlösung] verwirklicht werden kann. Denn die Schrift erklärt,
dafs es kein anderes Mittel zur Erlangung des höchsten Gutes
gebe, als die vedische Erkenntnis von der Einheit des Atman [lies
ätfna-ekatva-vijnänät]^ wenn es heifst (Qvet. 3, 8):
„Wer ihn erkannt hat, übersteigt den Tod,
„Nicht giebt es einen andern Weg zum Gehen.^^
Das Sclnkhyam nämlich und der Yoga sind dtualistisch und er-
kennen die Einheit des Atman nicht an. Was aber das angeführte
Schriftzeugnis betrifft, in dem es hiefs: „den auch das Sankhyam
„und der Yoga lehren'* (Qv-et. 6, 13), so ist dies dahin zu ver-
stehen, dafs hier die vedische Erkenntnis und Meditation wegen
ihrer Verwandtschaft damit durch die Worte Sankhyam und Yoga
bezeichnet werden. So weit aber die Sänkhya- und Yoga-Smiiti
nns nicht widersprechen, so weit geben wir gern ihre Berechti-
gung zu. So z. B. wenn es heifst: „denn diesem Geiste haftet
„nichts an" (Brih. 4, 3, 16), so wird die hier von der Schrift ge-
lehrte Keinheit des Geistes [vom Sinnlichen] von den S&nkhya's
bei der Schilderung des gunalosen Geistes adoptiert (vgl. Eapila-
sütra 1, 15). Ebenso, wenn z. B. die Schrift in den Worten: „der
' „Pilgermönch, farblosen Kleides, kahlköpfig und ungeleitef (Ja-
bS.la-.Up. 5, p. 452) die von ihr angenommene Beharrliohkeit in
der Entsagung lehrt, so wird dies von den Anhängern des YT>ga-
systems da, wo sie von der Pilgerschaft u. s. w. handeln, adop-
tiert. — In dieser Weise hat man sich allen auf Reflexion ge-
gründeten Smritistellen gegenüber zu verhalten. Sollte es sich
herausstellen, dafs auch sie durch Reflexion und Sachgemäfsheit
418 die Erkenntnis der Wahrheit fördern, so mögen sie dieselbe [ immer-
hin fördern; zu schöpfen aber ist die Erkenntnis der Wahrheit
nur aus den Y ed&ntatexten ; denn die Schrift sagt: „nicht ohne
„Yedakunde wird erkannt der Grofse" (Taitt. br. 3, 12, 9, 7), und:
„ich frage dich nach jenem Geist, den die Upanishad's lehren"
(Brih. 3, 9, 26).
Sütram II. i. 4. 263
Drittes Adhikaranam,
4. ^n<iy vilakshamtvad asya^ tathätvan ca f^abdät'
^nein! wegen Wesensverschiodenheit von dieser [Welt];
und auch aus dem Schriftworte ergiebt sich, dafs dem .
so ist;
I>HS BraLman ist die bewirkenrle und die uiatene.lle Ursache
dieser Welt. W^a« die Sini-iti gegen die-^se unsere Bchauptang ein-
wendete, ist erledigt worden; nunmehr handelt es sich darum, die
Kinwenduugen der Reflexion zu erledigen. — Aber wie können
bei dieser von der heiligen Überlieferung gelehrten Sache aus der
Reflexion entspringende Einwendungen überhaupt Platz greifen?
Mufs nichi, ebenso wie bei der Pflichtlehre, auch in der l-ehre
vom Rrahman die heilige Überlieferung eine rücksichtslose jun-
bedingtej (Geltung haben? — Diese Position möchte als unangreif-
bar gelten, wenn der Oegenstand, um den es sich hier handelt,
durch kein anderen Erkenntnismittel ergrundbar und nur durch
die heilige llberlieferung erkennbar wäre, wie , dies bei der Pflicht,
weil sie ein zu. Verwirklichendes ist, in der That stattfindet.« Aber
das Brahman ist vielmehr zu erforschen • als etwas, welches .schon
in "Wirklichkeit vorhanden ist, und. bei einem wirklich vorhande-
nen Objekte sind auch andere l^eweisraitt-el aiifser der Off'enbarung
am Platze, wie [es] z.B. bei der Erde u. s. w. [die Wahrnehmun-'
gen der Sinju?] sind. .Vhnlich nun,, wie man, wenn zwei Schrift-
stelUq;! einandei- widfH'sprechen, die eine im Sinne der andern
deutet, so könnte man ja, wo die Schrift einem andern Beweis-
mittel widerspricht, die Schriftstelle im Sinne dessjielben dcoten.
Hierzu kommt, dafs die Vernunftbetrachtung, welche nach Analo-
gie doH AVyhrnehmbaren das ünwahrnehmbare kennen lehrt, | der 4J9
unmittelbaren Auffassung der Sache naher steht, während hingegen
die Schrift,, sofern sie ihre Sache nur durch Erzählungen darlegt,
von derselben doch weiter entfernt ist. Dafs aber die Erkennt-
nis des Brahman, welche das NicJitwisson zu nichte macht und die
Erlösung vollbringet, in einer solchen unmittelbaren Auffassung sich
vollendet, ist darum zuzugebo), weil die Frucht derselben eine
in der Wahrnehmung vorlietrendo int. Und auch die Schrift, wenn
sie in der Stelle: „man soll ihn hören, soll ihn verstehen" (Brih.
2, 4, 5) aufser dem Hören aiu;h noch ein Verstehen anbefiehlt, giebt
damit zu erkennen, dufs hierbei auch die Reflexion zu achten ist.
Dalier wird hier wiederum ein Einwurf erhoben, welcher auf die
Reflexion gegründet ist, und derselbe lautet: „neini wegen "Wosens-
„verschiedenhoit von dieser [Welt]'*. Nämlich: *weun behauptet
'7: '-^"-W"-^- 'f %:.
»••
.1 i;»». .'>
264 ^&rlraka-mlm&n8ä
'wurde, dafs das geistige Brohman auch die materielle Ursache
'der Welt sei, so geht das nicht an; warum?, „wegen der Wesens-
' „Verschiedenheit dieser "Welt als Produkt von dem, was ihr als
4hren Urstoff bezeichnet. Nämlich diese Welt, welche eine Wir-
'kung des Brahman sein soll, ist von dem Brahman wesens-
'verschieden, sofern die Wahrnehmung lehrt, dafs dieselbe un-
'geistig und unrein ist; das Brahman wiederum ist von der Welt
'wesensverschieden, sofern es ncu;h der Schrift geistig und rein ist.
'Bei Wesensverschiedeuheit aber ßndet ein Verhältnis als Urstoff
'und Produkt nicht statt, indem z. B. Produkte wie die Geschmeide
'nicht den Thon als Urstoff, und Produkte wie Thongefäfse nicht
'das Gold als Uratoif haben können. Vielmehr werden aus dem
'Thon nur die dem Thon entsprechenden Produkte, und aus dem
420 'Golde I die dem Golde entsprechenden hervorgebracht* In ähn-
'licher Weise muls auch diese Welt, wisil sie ungeistig und mit
'Wohl, Wehe und Wahn behaftet ist, als Wirkung einer ungeisti-
'gen und [in Folge der drei Guna's, Satlvam, Hajos und Tamas]
'mit Wohl, Wehe und Wahn behafteten Ursache betrachtet wer-
'den, nicht aber als eine solche des von ihr wesensverschiedenen
^Brahman. Die Wesensverschiedenheit dieser Welt aber von Bnüi-
'man ergiebt sich daraus,, dafs sie, wie die Erfahrung zeigt, nicht
'Reinheit und Geistigkeit besitzt.*
'Denn erstlich ist diese Welt unrein, weil sie zufolge ihrer
'[durch Sattvam, Rajas und- Tamas bedingten] Behaftung mit Wohl,
'Wehe und Wahn die Ursache von Freude, Schmerz und Ver-
'zweiflung ist und sich als solche durch Himmel und Hölle auf-
'wäHs, und abwärts erstreckt.'
^ 'Zweitens ist diese Welt ungeistig, weil sie sich dem Oei-
'stigen [d. h. dem Purusha] gegenüber , sofern sie nur da» YTork-
'zeug der [von ihm gewollten] Wirkungen ist, als ein blofses
'Mittel zum Zwecke (upakaranam) verhält. £in solches Verhältnis
'aber als Zweck und Mittel zum Zwecke findet unter zwei gleich-
'artigen Dingen nicht statt, indem z. B. von zwei Lampen nicht
I 'die eine das Mittel zum Zwecke [der Beleuchtung] der andern
^ 'sein kann.* — Aber könnte nicht auch ein Geistiges, ein Werk-
'i zeug für die Wirkungen [eines andern Geistigen] bilden, indem
es, etwa wie der Diener seinem Herrn, der geniefsenden Seele als
Mittel zum Zwecke dient? — 'Duch nicht! Denn auch bei dem
'Herrn und Diener ist der letztere nur, insofern er ein Ungeisti-
'ges ist, Mittel zum Zwecke des Geistigen. Es ist nämlich nur
'der jenem Geistigen angehörige ungeistige Teil, bestehend aus
:■. 'der Buddhi und den übrigen [Organen], welcher dem andern Gei-
II 'stigen als Mittel zum Zwecke dient, nicht aber jenes Geistige
.\- '[der Puntshd] selbst, indem dieses für sich nicht im Stande ist,
:^i .'die Zwecke des andern Geistigen zu fördern oder auch zu hem-
j 'men, da, wie die Sankhya's annehmen, die Geistigen [Purusha' s]
Sütram II. i. L 265
^absolut thatlos sind. — iät daher irgend etwas Werkzeug einer
'Wirkung, so kann es nur ein Ungeistiges sein. — I Hierzu kommt, 421
'[als ein weiterer Beweis der Ungeistigkeit der Welt und mithin
'Wesensverschiedenheit von Brahman], dafs bei Gegenständen wie
'z. B. Holzstücken und Erdschollen ein Beweis ihrer Geistigkeit
'absolut nicht zu erbringen ist, wie ja auch diese Einteilung [der
'Weltwesen] in geistige und ungeistige allgemein anerkannt wird.
'Darum also kann wegen ihrer Wesensverschiedenheit von Brahman
'diese Welt nicht aus ihm als T'^^rstoff entspringen. — Allerdings
'könnte jemand, mit Hinblick auf den von der Schrift gelehrten
'Ursprang der Welt aus einem Geistigen, dieser Lehre zu Liebe
'geneigt sein, die ganze Welt als ein Geistiges aufzufassen, indem
'ja doch das Produkt dem Stoffe entsprechen mufs; nur dafs das
'Geistige als solches in Gestalt seiner Produkte nicht wahmehm-
'bar wäre, ähnlich wie auch an den Seelen, welche offenbar ein
'Geistiges sind, in den Zuständen des Schlafes und der Ohnmacht
'die Geistigkeit nicht wahrgenommen wird; ebenso würde auch an
'Holzsiücken und Erdschollen die in ihnen liegende Geistigkeit
'blofs nicht wahrgenommen werden. Hiernach würde der eigent-
'licho Unterschied nur darin liegen, dafs das Geistige das eine
'Mal wahrnehmbar, das andere Mal nicht wahrnehmbar wäre, wie
'allerdings auch darin, dafs es in dem einen [letztem] Falle [als
'Körper] gestaltet, in dem andern nicht gestaltet wäre; im übri-
'gen aber würden die Werkzeuge des Wirkens und die Seelen beide
'eben wohl ihrem Wesen nach geistig sein und das Verhältnis von
'Urstoff und Modifikation desselben könnte zwischen dem Brahman
'und ihnen ohne Widerspruch angenommen werden. Und so wie
'zwischen dem Fleische [des menschlichen Leibes] und [den Nah-
'rungsmitteln wie] Suppe und Reisbrei, obwohl beide eben wohl
'erdartig sind, doch, auf Grund ihrer speciellen Verschiedenheit,
'ein gegenseitiges Verhältnis von Zweck und Mittel besteht, ebenso
'könnte es auch in unserm Falle sein; und auch die allgemein au-
fgenommene Zweiteilung [in Geistiges und Ungeistiges] würde aus
'diesem Grunde nicht in W^iderspruch damit stehen. Gesetzt durch
'eine derartige Argumentation liefse sich die aus der Geistigkeit
''Und Ungeistigkeit entnommene Wesensverschiedenheit [zwischen
'Brahman und Welt] heben, | so wurde damit doch jene andere, 422
'in der Reinheit und Unreinheit begründete Wesensverschiedenheit
'nicht aufgehoben sein; aber auch jene erstere Wesensverschiedon-
'heit läfst sich doch wohl richtiger auch nicht heben, so sagt [in
'unserm Sütram der Opponent], denn „auch aus dem Schriftworte
'„ergiebt sich, dafs dem so ist". Nämlich jene Geistigkeit aller
'Dinge wird in der Erfahrung doch nicht wahrgenommen, sondern
'nur, um des Schrift Wortes von der Geistigkeit der Weltursache
'willen, durch eine blofse Versteifung auf das Schriftwort aus-
'spekuliert [lies: utprekshynte]\ nun aber trifft es sich, dafs sie
2Hf5 <;&rlraka-mSmäusa
'mit dor Scbrift selbst in Widerspruch steht, weil „aueh aus dem
*,,Schinftworte sich üfgiobt, daf» deoi so ist", d. h. dafs die Welt
*von ihrem [vermeintliclieii] Urstofi'e weseua verschieden ist. Denn
*wenu die Sclwift sagt: „Bewufstseiii und ünbewuretReiu'' (Taitt.
*2, fi), HO behauptet sie hiermit die Unbewufetheit eines Teiles der
*VVclt und giebt damit zu, daf«? die ungeistige Welt von dem gei-
rstigea ßrahmau Wesens verschieden ist/
Aber wird nicht an andern Stellen auch die Geistigkeit der
tYir ungeistig gehaltenen Elemente und Sinnesorgane von der Schrift
behauptet, wenn sie sagt: „die Erde sprach, die Wasser sprachen"
(Catap, br. 6. 1, 3, 2. 4). — „diese Glut erwog, diese Wasser er-
„v.'ogeu" (Chand. (>, 2, 3. 4)? Hier wird doch in Be»zug .auf die
Elemente eine f Feistigkeit gelehrt, lind ebenso in Bezug auf die
Sinnesorgane, wenn es heifst: „diese Lebensorgane stritten einst
„um den Vorrang; und sie gingen zu dem Brahman" (Brih. 6,
1, 7), und „da sprachen sie zur Rede, singe du für uns den Ud-
„jjitha" (BrIh. 1, .3, 2). Hier wird die Geistigkeit docli auch den
ISinncsorgunou beigelegt.
Darauf giebt f»r [nämlich der Gegner] zur Antwort:
»3:i .5. 'ahhimäni-Vf/apfidef^s tu, iHQesIfa-amigoMhhydm'
* vielmehr IJezeiclinung der verfcretendeii, wegen dos
Uuterricrliiedes und wegen der Eiitsprectiiing.'
Das W^ort „vielmehr" soll diesem Zweifel wohren» *Man darl*
'alö'o nicht wegen Schrift wollen wie „die Erde sprach" den Ele-
nienien und Sinnesorganen eine Geistigkeit zuschreil)en, weil diesbs
'eine „Bezeicliimng der vertretenden" ist. Nämlich die geistigen
'Gottheiten, welche die Erde u. s. w. vortreten und din lltnlo u. s. w.
•vertreten, diese werden dargestellt in solclien Thätigkeiten , wie
'j^ie geistigen Wesen zukommen, z. B. Reden, Unterreden u. s. w ,
Vnicht aber die Elemente und Sinnesorgane als sulcho. WaioimV
*„wegen des Unterschiedes und wogen der Entsprechul»g*^ Es ist
'uämlicJi, wie oben gezeigt^, ein Unterschied zwischen den geuio-
'fsoiideu Seelen und den Elementen nebst Sinnesorganen, worauf
*eben die Einteilung in Geistiges und Ungeistiges beruht; wäre
*alles ein Geistiges, so würde dieser Unterschied nicht statthaben.
*Aucli werden von der Schule der Kaushitakin's in der Stelle vom
*Streit der Sinne diese, um der Meinung zu wehreu, als wären
'nur die Organe zu verstehen, und um auf die ihnen vorstehenden
'gcsistigon Wesrn hinzuweisen, als „Gottheiten" bezeichnet; denn
'e** heifst: „diese Gottheiten, fürwahr, stritten um den VoiTang"
'(Köush. % 14), und: „alle diese Gottheiten, fürwahr, nachdem sie
Sfttram Ih r..5. 267
*„den Vorrang des Prana erkannt hatten" (Kauöli. 2, 14). JJierzu
^kommt, daffl überall in der Natur solche „entsprechenden" vor-
^stehenden, geistigen Gottheiten von den Mantra's und Arthava-
*da^8, von den epischen und mythologischen Gedichten augenomraeu
'werden, und die Stelle „Agni als Rede ging ein in den Mund''
^u. s. w. (Ait. 1, 2,4) bezeugt, dafs auch für die Sinnesorgane
'solche ,, entsprechende" Gottheiten als ihre Patroninnen anzuneh-
'men sind. Auch heifst es im Verlaufe der Stolle vom Streit i^Qv
^Sinne: | „diese Lebensorgane gingen hin yai ihrem Vater Praju- 424
'„pati und sprachen" (Chand. 5, 1, 5): hier wird g/cbchildert, wie
'dieselben zu Prajapati gehen, damit er über deii VoiTang eut-
'scheide, wie sie sodann seinem Vorschlage gemals eines nach dem
'andern ausziehen, und wie dabei durch die Ähnlichkeit [des Zu-
'Standes beim Auszuge der übrigen] und die Verschiedenheit [bei
'dem des PrÄna") der Vorrang des Prana zu Tage tritt, worauf die
'andern ihm eine Spende darbringen; dieser ganze Vorgang spielt
'sich ganz „entsprechend" ab, als geschähe er unter unseres Gleichen,
'und bestätigt, dafs dabei die vertretenden [Gottheiten] zu ver-
'stehen sind. Und auch wenn es heifst: „jene Glut beabsichtigte" -
'(Chand. 6, 2, 3), so bezieht sich jenes Beabsichtigen auf die höchste
'Gottheit, welche in den „entsprechenden" Umwandlungen derselben
'als eine [geistige] Vorsteherin gegenwärtig ist. — Somit ei'giebt
'sidi, dafs diese Welt von Brahman wesensverschieden ist, und
'dafs sie wegen der Wesensverscliiedenheit von ihm nicht ^rahipan
'zum Urstoffe Baben kann/
Auf diesen Einwurf antwortet der Lehrer:
6. drigijate tu
vielmehr zeigt die Erfalirung.
Das Wort „vielmehr" weist die Ansicht des Gegners ab. Wenn
behauptet wurde, dafs diese Welt wegen der Wesensverschieden-
heit nicht Brahman zum Urstoffe haben könne, so ist dioser Grund
nicht zwingend; denn „die Erfahrung" des gewöhnlichen Lebens
„zeigt", wie aus anerkannt geistigen Wesen, z. B. Menschen, die
davon wesens verschiedenen Haare, Nägel u. s. w. entspringen, und
wie aus anerkannt Ungeistigem, z. B. aus dem Miste, Mistkäfer u. s. w.
entspringen. — 'Aber sind nicht vielmehr nur die ebenfalls un-
'geistigen Körper der Menschen die Ursachen der ungeistigen
'Haare , Nägel u. s. w., | und ebenso die ungeistigen Körper der 420
'Mistkäfer u. s. w. die Wirkungen des ungeistigen Mistes u. s. w.?*
— Wir antworten: auch wenn man es so nimmt, so hat doch
einiges Ungeistige [die organische Materie] ein Geistiges zu seiner
268 gMraka-mIm&nsli
Unterlage, und anderes [die unorganiache Materie] wieder nicht;
so dafs immerhin jene Wesensverschiedenheit [awischen unorga>
nisoher und organischer Materie als Ursache und Wirkung] be-
steht. Und jedenfalls bleibt jene auf blo&er Umwandlung be-
ruhende Abweichung tob der ursprünglichen Natur eine grofse, in-
dem s. B. die Menschen u. s. w. von den Haaren und Nftgeln u. s. w.
an Gestalt u. s. w verschieden sind, und ebenso der Mist n. t. w.
von den Mis]tk&fern u. s. w. Und überhaupt würde bei völliger
Identität [von Ursache und Wirkung] der ganze Oegensata s wi-
schen dem Urstoffe und seinen Umwandlungen zu nichte werden.
Oder wollt ihr vielleicht einwenden, dafs ^doch eine gewisse Orund-
* Wesenheit, wie etwa das Bestehen aus Erdstoff, bei den Menseben
'u. 3. w. vorhanden sei, die bei den Haaren Und Nftgeln u. s. w.
'sich wiederfinde, und ebenso die des Mistes u. s. w. bei den Misi-
*käfem u. s. w.'? — nun, dann müssen wir bemerken, dafs in die-
sem Sinne auch die Grundwesenheit des Brahman, nämlich seine
Eigenschaft, das Seiende zu sein, auch in dem Äther und der übri-
gen Sclföpfuug sich wiederfindet. Und wenn ihr euch auf die
Wesensverschiedenheit stützen wollt, um den Ursprung der Welt
aus Brahman zu bemängeln, so mögt ihr uns doch auf Folgendes
antworten: soll vielleicht 1) eine Nichtübereinstimmung mit der
vollen Wesenheit des Brahman schon für eine Wesensverschieden-
heit gelten, oder soll 2) die Wesensverschiedenheit sich auf alles
und jedes, oder 3) nur auf die Geistigkeit des Brahman erstrek-
ken? Im ersten Falle wird überhaupt das ganze Yerhältnis von
Urstoff und Produkt unmöglich gemacht; dehn ohne ein Hinaus-
reichen [der Wirkung über die Ursache] findet überhaupt kein
Verhältnis von Urstoff und Produkt statt. Im zweiten Falle |
42(j streitet man gegen ein allgemeines Zugeständnis; denn der Augen-
schein lehrt, wie wir zeigten, dafs die der Natur des Brahman
zukommende Bestimmung des Seins sich bei dem Äther und den
übrigen Geschöpfen wiederfindet. Im dritten Falle fehlt es an
einer [auch vom Gegner zugestandenen] Argumentationsbasis (dfisk-
fänta); denn welche derartige Argumentationsbasis liefse sich wohl
für die Behauptung, dafs das der Geistigkeit Ermangelnde nioht
aus Brahman stammen könne, dem Verfechter der Ursächlich-
keit des Brahman gegenüber auftreiben, da derselbe ja annimmt,
dafs diese ganze Welt der Objekte [aus der ihr euer Wider-
legungsbeispiel schöpfen müfstet] in Brahman ihren Urstoff hat?
Selbstverständlich streitet diese Annahme auch gegen die heilige
Überlieferung, als deren Endzweck wir erkannt haben, das gei-
stige Brahman als bewirk-ende und zugleich als materielle Ursache
der Welt zu lehren. Wenn hingegen behauptet wurde, dafs auf
das Brahman als ein wirklich Vorhand ones auch die andern [welt-
lichen] Erkenntnismittel ihre Anwendung finden müfsten, so* ist
auch dieses ■ ein blofses Postulat. Denn in den Bereich der An-
Sütram IL i. 6. 269
sohammg fällt unser Gegenstand nioht, weil er keine Gestalt u. s. w.
hat; und in den Bereich der Schlnfsfolgening und der übrigen
Erkenntnismittel nicht, weil keine Merkmale desselbdn [in der
Erfahrung] vorliegen. Vielmehr ist dieser Gegenstand, ebenso
gut wie die Pflichtvorschrift, nur an« der heiligen Überlieferung
zu erkennen. Und dies lehrt auch die Schrift, ' wenn es heifst
(K&th. 2, 9):
„Nicht ist durch GrttbeUi jener Sinn sn fassen;
„Nur wenn ein anderer uns ihn verktbidet,
„Dann wird, o Teuerster, er leicht begriffen";
und Rigyeda (10, 129, 6. 7):
„Wer weifs es wohl, wer mag es hier Terkünden,
„Woher sie kam, woraus sie ward, die Schöpfung?'^
I Diese beiden Verse beweisen, dafs auch för die Vollendeten, und 427
würen es .selbst Götterherren, die Ursache der Welt schwer isu er-
gründen ist. Auch in der Smfiti heifst es:
„Bestimmungen, dis unerkennbar sind,
„Die lassen sich durch Denken nicht ermitteln;
„Denn darum eben ist es nnerkennhar,
„Weil es erhaben über alles ist,
„Was ihr als Umatur ergrabein mögtl** —
„Undenkbar und unoffenbar, unwandelbar wird er genannt**;
(der letzte Vers Bhag. G. 2, 25); und femer (Bhag. G. 10, 2):
„Nicht Götterscharen und nieht gro&e Weisen
„Vermögen meinen Ursprung zu ergründen,
„Weil ich der Anfting aller Götter bin
„Und aller grofsen Weisen allerwftrts.^^
— Wenn weiter daraus, dafs die Schrift aufser dem Hören auch
das Verstehen empfiehlt, geschlossen wurde, dafs dieselbe auch
die Reflexion für schätzbar halte, so reicht dieser Scheingrund
nicht aus, um der dürren Reflexion zur Wesenheit zu verhelfen;
denn dort ist nur von einer auf die Schrift gerichteten Reflexion
die Rede, als welche allerdings an dem Innewerden der Sache
ihren Anteil hat, von einer Reflexion z. B., welche erkennt, dafs
der Atman vom Zustande des Traumes und von dem des Wachens,
weil er von beiden gleichm&fsig verschieden ist, nicht betroffen
wird, dafs er im Tiefschlafe die Weltausbreitung aufgiebt und mit
dem wahrhaft seienden Ätman eins wird, und dafs er daher sei-
nem wahren Wesen nach frei von der Weltausbreitung ist, dafs
endlich die Weltausbreitung, weil sie aus Brahman entspringt, nach
dem Satze von der Identität der Ursache und der AVirkuug über
270 ' (.*äriral<a-m!inftus&
I
BraliiUtiu hinaus keinen Bestand hat: — eine solche • Reflexion ist
■4'28 es, welche von der Schritt empfohlen wird. | Dafs hingegen eine
hlofse [nicht auf dei* Schrift fufseude] Heflexion trügerisch ist,
wird der Lehrer an der Stelle: „1)ei Unbegründetheit der R©-
„flexion" (SiUram 2, 1, 11) zeigen. Wer aber [in der oben
p. 421, 3 fg. Ausgeführten Weine] auf Grund des Schriftwortes von
dem Geistigen als der Weltursache die ganze Welt als ein Gei-
stiges anfzufEissen geneigt wäre, der könnte auch die Schriftstelle
von der Einteilung in Geistiges und üngeistiges, Bcwufstsein und
„TJnbewufstsein" (Taitt. 2, 6) dahin verstehen, däls das Geistige
teils wahrnehmbar und teils nicht wahrnehmbar sei. Hingegen ist
es vielmehr der Gegner [aus der SÄnkhyaachule] , zu dessen An-
sicht diese von der Schrift gelehrte Einteilung nicht pafst. Wie
das? Nun, weil die Sclu:ift hier in den Worten: „Bewufstsein und
„Nichtbowufstsein ward er" (Taitt. 2, ß) lehrt, dafs die höchste
Ursache in Gestalt der ganzen Welt ihr Bestehen hat. Mit dem-
selben Hechte nun, mit dem ihr bestreitet, dafs das Geistige zu
einem Ungeistigen werden könne, wegen seiner Wesensv'erschieden-
heit, mit demselben Rechte bestreiten wir, dafs, das Ungeidtige
[euere Urmaterie] zu einem Geistigen werden kann [was freilich
die Sankhya's vom Standpunkte ihres ursprünglichen Dualismus
aus auch nicht behaupten]. — Da wir aber vielmehr jenen ganzen
Einwand aus der Wesensverschiedenheit bereits widerlogt haben,
so bleibt es dabei, dafs, wie die* Schrift es lehrt, das Geistige
als die Weltnrsaehe festzuhalten ist.
7. asadj iti cen? na! praUshedha^mätratvdt
ein Nichtseiendes 5 meint ihr? Nein! weil es eine blofse
Negation ist.
Man könnte einwenden: *wenn das geistige, reine, der Sinues-
* Wahrnehmung entrückte Brahman als Ursache angenommen \irii^d
42^ 'für die ihm entgegengesetzte, ungeiatige, | unreine, sinnlidi wahr-
^nchmbare Wirkung, so folgt doch, dafs die Wirkung vor ihrem
'Ursprünge „ein Nichtseiendes" gewesen ist, und dieses steht mit
'deiner Annahme, dafs die Wirkung ein Seiendes gewesen sei, ziicht
'in Einklang.' — Aber diese Einwendung ist ohne Grund > „weil
„es eine blofse Negation ist"; d. h. die Behauptung von dem
Nichtsein der Wirkung ist eine rein negative , und dasjenige, was
durch dieselbe negiert wird, ist gar nicht das Seiende, [die
Substanz]. Diese Negation reicht also nicht hin, um das Sein
der Wirkung vor ihrem Ursprünge zu bestreiten; vielmehr steht
es so damit, dafs diese Wirkung [die Welt] eben so wie sie im
SCiiram IT. i. 7, ' 27 J
gegenwärtigen Augenblicke nur durch das Selbst ihr«ir Ursache
(das Bralinian] besteht, ebenso auch echun vor ihrem Ursprünge
bestand. Nämlich auch jetsst besteht diese Wirkung nicht nn-
abliäugig und ohne das Selbst ihrer Ursache; denn die Schrift
sagt: „das Weltall schliefst den aus, der das Weltall aufsmhalb
„des Selbstes weifrf" (Brih. 2, 4, G); darin aber, dal» die Wirkung
nur durch das Selbst der Ursache besteht, ist für sie zwischen
jetzt und der Zeit vor ihrem Ursprünge kein Unterschied. —
^Aber ist liicht das sinnlich unwahrnehmbare Brahman die Ur-
^sache der [wahrnehmbaren] Welt?' — Schon recht! aber das
beweist nicht, dafs die sinnlich walurnehmbare Wirkung vor ihrem
Ursprünge oder auch gegenwilrtig ohne das Selbst der Ursache be-
stünde. Es läfst sich mithin nicht behaupten, dfifs die Wirlcung
vor ihrem Ursprünge ein Nichtseiendes gewesen sei. [D. h. das
Sein liegt nicht in dem Accidens, sondern in der Substanz, in
welcher Wirkung und Ursache, Welt und Brahman identisch sind.]
Übrigens werden wir die Frage noch ausführlicher bei der Lehre
von dei- Identität der Wirkung mit der Ursache (Sütram 2, 1,
14 fg.) behandeln.
8. ^apUau tadvat-pi'asangud asamaüjasam'
Veil es bei ihrem Eingehen wie sie wird , ungereimt.
Man könnte einwenden: *wenn die grobmaterielle, teilbare, un-
'geistige, begrenzte und unreine | Wirkung das Brahman zur Ur- 430
'sache haben soll, so ist anzunehmen, dafs diese Wirkung bei
*ihrem Eingeben, beim Weltuntergange, indem sie der Ursache
'eingemischt wird, so dafs sie nicht mehr von ihr verschieden ist,
'die Ursache durch ihre Beschaffenheit besudeln wird, so dafs nach
'dem Eingange auch die Ursache, nämlich das Brahman, ebenso
'gut wie die Wirkung eine unreine u. s. w. Beschaffenheit anneh-
'men wirtl; nnd darum ist die Lehre der Upanishad^s, dafs das
'allwissende Brahman die Ursache der Welt sei, ungereimt. —
'Zweitens ist sie ungereimt, weil, nach dem Eingange des Geteilten
'in das Ungeteilte, beim abermaligen Hervorgehen desselben keine
'bestimmende Ursache vorhanden ist, der zufolge die Welt in ihrer
'speciellcn Bestimmtheit als geniefsende Seelen und zu geniefsende
'Objekte u. s. w. hervorginge. — Drittens ist diese Lehre un-
'gereimt, weil bei dem Eingänge der geniefsenden Seelen zur Un-
'geteiltheit mit dem Brahman auch die Ursachen der Werke zer-
'gehen, und, wenn man gleichwohl ein Wiederhervorgehen auch
'ohno sie annimmt, die Möglichkeit nicht aasgeschlossen ist, dafs
'auch die Erlösten wieder hervorgehen. — Oder soll man viel-
272 gärir»ka-mim&n6&
deicht annehmen, dafs diese Welt, auch nach ilirem Eingange, in
^dem höchsten Brahman in ihrer Geteiltheit fortbestehe? Dann
'ist der Eingang gar kein solcher, und euere Behauptung, dafs
*die Wirkung über die Ursache nicht hinausreiche, wird 2u einer
'ungereimten.'
Darauf dient zur Antwort:
431 9. na tu, drishtä/nta-hhäväd
dem aber ist nicht so, weil Beispiele vorhanden.
Es ist aber yielmehr in unserm Systeme durchaus keine Un-
gereimtheit vorhanden. Denn was zunächst die Behauptung be-
trifft, dafs die Wirkung bei ihrem Eingange in die Ursache diese
durch ihre Beschaffenheit besndebi könne, so ist das kein triftiger
Einwand; warum? „weil Beispiele vorhanden". Es giebt nämlich
Beispiele daf&r, dafs die Wirkung bei ihrem Eingehen in die Ur-
sache diese durch ihre Beschaffenheit nicht besudelt. So sind
z. B. die Geföfse u. s. w. aus dem Thon entsprungene Produkt«
und zeigen in ihrem . Zustande der Oeteiltheit oben, unten und in
der Mitte mancherlei Verschiedenheiten; und doch bemengen sie,
indem sie wieder in ihren Urstoff zurückgehen, diesen- keineswegs
mit den ihnen eigentümlichen Beschaffenheiten. So sind femer
die Geschmeide u. s. w. Produkte aus Gold, und doch bemengen
sie bei ihrem Eingange in das Gold dieses nicht mit ihren EÜgen-
Schäften. So sind endlich die vier Klassen der [organischen]
Wesen Produkte der Erde, und doch wird die Erde beim Ein-
gange derselben mit deren Beschaffenheit nicht bemengt. Hin-
gegen findet sich für die Behauptung des Gegners kein Bei-
spiel; vielmehr würde es gar kein wirklicher Eingang sein, wenn
die Wirkung in der Ursache ihrer Beschaffenheit nach fort-
bestünde. Übrigens bedeutet auch der Satz von der Identität
der Wirkung und Ursache nur, dafs die Wirkung das Wesen
der Ursache, nicht aber, dafs die Ursache das Wesen der Wir-
kung an sich trage, wie wir dies an der Stelle „wegen des
„Schriftwortes von dem sich Anklammem und andern" (Sütram
2, 1, 14) auseinandersetzen werden. Endlich ist auch die Be-
432 hauptung, \ dafs die Wirkung bei ihrem Eingange in die Ur-
sache diese mit ihrer Beschaffenheit bemengen werde, eine zu enge;
denn auch während des Bestehens der Weltwirkung würde der-
selbe Fall eintreten, da wir behaupten, dafs auch dann schon Ur-
sache und Wirkung identisch sind; denn wenn es heifst: „dieses
„alles ist was diese Seele ist'' (Brih. 2, 4, 6), — „Seele nur ist
„dieses Gans^e*' (Chänd. 7, 25, 2), — „Brahman allein ist dieses
„Unsterbliche im Osten" (Mund. 2, 2, 11), — „fürwahr dieses All
Sütram IL i. 9. 273
^\8i Br^man'^ (Ghand. 2, 14, 1), — so beweisen diese und andere
Sehriffcstellen , dafs ohne Unterschied in allen drei Zeiten [Ver-
gangenheit, Gegenwart nnd Zukunft] die Wirkung von der Ur-
sache nicht verschieden ist. Und was man hierbei festzuhalten
hat, dafs nämHch die Ursache von der Wirkung nicht befleckt
wird, weil die Wirkung und ihre Qualitäten nur vom Nichtwissen
aufgestellt werden , das gilt in gleicher Weise auch von dem Ein-
gange der Welt in das Brahman. Hierfür haben wir noch ein
anderes Gleichnis. Wie nämlich der Zauberer durch das Blend"
werk (ma^äX welches er aus sich heraussetzt, in allen drei Zeiten
nicht alteriert wird, weil dasselbe wesenlos ist» so wird auch der
höchste Ätman dureh das Blendwerk des Samsara nicht alteriert.
Und gleichwie derjenige, welcher ein Traumgesicht schaut, dureh
das Blendwerk des Traumgesichtes nicht alteriert wird, weil die
Seele im Wachen und Schlafen von diesen Zuständen nicht be-
troffen wird (vgl. Bfih, 4, 3, 15 — 16), ebenso wird auch der eine,
unwandelbare Zuschauer der drei Zustände [Wachen, Traumschlaf,
Tiefschlaf] von der wandelbaren Dr^iheit der Zustände nicht al-
teriert. Denn es ist ein blofses Blendwerk, wenn der höchste
Ätman als das Subjekt dieser drei Zustände erscheint; ähnlich
wie wenn ein Strick eine Schlange zu sein scheint. Darum sagen
die der Yedänta - Überlieferung kundigen Liährer (Gaudapäda,
Mandükya-kar. 1, 16):
I „Wenn ans des anfanglosen Blendwerks Schlummer 4^9
„Die Seele aufwacht, dann erwacht in ihr
„Das ungebome, schlummerlose Eine.''
Es ist somit nicht richtig , dafs bei dem Eingange die Ursache
ebenso wie die Wirkung mit den Mängeln der Materialität u. s. w.
behaftet werde. — Wenn weiter behauptet wurde, dafs nach dem
Eingange der gesamten Geteiltheit in das Ungeteilte für ein Wieder-
hervoi^eben zu seiner Geteiltheit eine bestimmende Ursache nicht
vorhanden sein könne, so ist auch dieser Einwand unzutreffend,
nnd zwar wiederum, „weil Beispiele vorhanden sind". So wie
nämlich in dsn Zuständen des Tiefschlafes, der Meditation u. s. w.,
obwohl in ihnen die ursprüngliche Ungeteiitheit wiedererlangt wird,
doch, weil die falsche Erkenntnis noch nicht widerlegt ist, beim
Erwachen wiederum die frühere Geteiltheit eintritt, ebenso mufs
es sich auch hier verhalten; und dafür zeugt die Schrifbstelle :
„also fikrwahr haben auch alle diese Kreaturen, wenn sie [in Tief-
„schlaf und Tod] in das Seiende eingehen, kein Bewufstsein dsvon,
„dafs sie eingehen in das Seiende. Selbige, ob sie liier Tlgor sind,
„oder Löwe, oder Wolf, oder Eber, oder Wurm, oder Vogel, oder
„Bremse, oder Mücke: was sie immer sein mögen, dazu werden
„sie wieder gestaltet*' (Ch&nd. 6, 9, 2 — 3). So wie nämlich, zur
Zeit des Bestehens der Welt, in dem gleichwohl ungeteilten hoch-
Dmuwv, VedAnt». 18
274 C'ärtraka-mlmftAsil
Bten Ätman das durch die falsche Erkenntnis bedingte Treiben
der Geteiltheit einem Traumgesichte gleich ungehindert fortbesteht,
so mufs man schliefsen, dafs auch nach dem Eingange der Welt
[in das Brahman] die durch die falsche Erkenntnis bedingte Mqg-
434 lichkeit (f;akti) der Geteiltheit fortbesteht. — | Damit ist auch
schon die Möglichkeit, als könnten die Erlösten wieder hervor-
gehen, abgewiesen, weil eben bei ihnen die falsi^he Erkenntnis
widerlegt ist. — Wenn endlich zum Schlüsse noch auf die andere
Möglichkeit hingewiesen wurde, dafs diese Welt, auch nach ihrem
Eingange, in dem höchsten Brahman in ihrer Geteiltheit fort-
bestehe, so wird ein solcher Gedanke schon durch ups^re ganze
Auffassung [der Identität von Welt und Brahman] ausgeschlossen.
Somit ergiebt sich, dafs die Lehre der Upanishad's in keiner
Weise eine ungereimte ist..
10. sva-paksha-doshäc ca
und weil die Fehler auch auf ihrer Seite.
Auch kommen „auf ihrer", auf der Gegner „Seite" eben jene
[an uns gertigten] Fehler, als beiderseits gemeinsame, zum Vor-
scheine. Wir wollen zeigen, in welcher Weise. Es war behauptet
worden, dafs diese Welt wegen der Wesensverschiedenheit nicht
das Brahman zum Urstofif haben könne (2, 1, 4). Aber dasselbe
gilt, wenn man als UrstofF eine Urmaterie behauptet, denn auch
dann mufs man annehmen , dafs die sinnlich wahrnehmbare Welt
aus der sinnlich nicht wahrnehmbaren Urmaterie hervorgegangen
sei. Aus demselben Grunde, d. h. weil auch sie das Hervorgehen
einer von der Ursache weseus verschiedenen Wirkung annehmen,
ist den Gegnern ferner mit uns gemeinsam das Verfallen in die
Behauptung: dafs die Wirkung vor ihrem Ursprünge ein Nicht-
seiende^ gewesen sei (2, 1, 7). Ebenso ist weiter beiderseits ge-
meinsam die Folgo, dafs beim Eingehen der Wirkung [in die Ur-
sache], weil dasselbe als das Gelangen zu einem Zustande der
Ungeteiltheit mit derselben aufgefafst wird , die Ursache ebenso
[unrein u. s. w.] wie die Wirkung werden mufs (2, 1, 8). Femer:
wenn die Umwandlungen, mit Aufhebung aller ihrer speciellen
435 Bestimmungen | beim Eingange in den Zustand der Ungeteiltheit
übergehen, was wird dann aus den je nach den einzelnen Pum-
slia^s bestimmten Unterschieden, denen zufolge vor dem Unter-
gange der eine Unnaterienstoff diesem , der andere jenem -Purusha
zukam? TTnmüglicb kennen dieselben doch bei dem Wiedei'hervor-
gelien als eben dieselbigen wieder festgestellt werden, da keine
dies bewirkende Ursache vorhanden ist. Soll aber die Feststellung
Sötraiö II. I, 10. - 275
auch ohne Ursache möglich sein, nun dann folgt [das Undenk-
bare], dafs auch die Erlösten, hei denen gleichfalls eine Ursache
des Uervorgehena .nicht vorhanden ist, dor abermaligen Bindung
verfallen können. Will man aber unterscheiden zwischen solchen
Individualbe^timinuhgen, welche beim Eingange die Ungeteiltheit
erlangen, und solchen, welche es nicht thun, so folgt, dafs die
letzteren eben nicht Wirkungen der Urmaterio sein können. —
Alle diese Bedenken also sind beiderseits gemeinsam urd daher
nicht der einen Partei von der andern vorzurücken ; — durch den
Hinweis hierauf bestärkt unser Sütram die Rechtfertigung in Be-
treff derselben, sofern [in ihrer Annahme auch von Seiten der
Gegner] die Unumgänglichkeit derselben stich zeigt.
11, tarka'ap^'atishthanäd api anyathä anumeyam, iti ced?
evam apl (wimohsha-prasangah
bei Unbegründetheit der Reflexion könne man ja
anders reflektieren, meint ihr? Auch so kommt ihr
- nicht loa [oder: auch so ist keine Möglichkeit der
Erlösung].
Auch darum darf die blofse Reflexion in einer durch die hei«-
lige Überlieferung zu erkennenden Sache sich nicht dagegen er-
heben, weil Reflexionen, welche ohne die heilige Überlieferung^ .
nur auf der Spekulation der Menschen beruhen, als unbegründet
sich herausstellen, indem eine solche Spekulation der richtigen
Zügelung ermangelt. So werden z. B. die von einigen Saclikundi-
gen mit Mühe erdachten Reflexionen von andern noch Sachkundi-
geren als blofs scheinbare erkannt, und die von diesen erdachten
wiedjBnim ebenso von andern. Darum ist man niemals sicher, dafis
derartige Reflexionen wohlbegründet sind, | indem der menschlichen 436
Meinungen mancherlei sind. — 'Aber wenn da einer ist von an- ,
'erkannter Gröfse, ein Kapila oder ein anderer, der eine Reflexion
'ersonnen hat, so könnte man doch auf diese als wohlbogründet
'sich verlassen*? — Auch so fehlt es an der rechten Begründungj
indem auch die anerkannt grofsen Bahnbrecher, wie Kapiln, Ka-
nada u. 8. w. , sich offenbar widersprechen.
Vielleicht wendet mau ein: 'nun wohl, so werden wir anders
'reflektieren, so dafs jener Fehler der Unbegründetheit vermieden
'wird. Denn das kann doch niemand behaupten, dafs eine wohl-
'begründete Reflexion überhaupt nicht existieren könne, weil oben
'jene Behauptung von der Unbegründetheit aller Rufloxionen sich
'.selbst nur auf Reflexion stützen würde, .sofern man aus der Wahr-
18*
276 V ^ftrirAka-intinliüisä
'nehmung, dafs gewisse Reflexionen unbegründet sind^ darauf
'schlierst, dafs auch die übrigen derartigen Reflexionen unbegrün-
'det sein müssen. Soll aber in dieser Weise alle und jede Re-
'flexion grundlos sein, nun, dann hört überhaupt alle auf Erfahrung
'gegründete Thätigkeit auf. Denn nur auf der Analogie mit der
'▼ergangenen und gegenwärtigen Erfahrung beruht es, dafs man
'auch einen bisher noch nicht betretenen Weg einschlagen kann,
'um 2ur Lust zu gelangen und dem Leid zu entgehen. Und auch
'bei der Schriftauslegung, wo es sich darum handelt, bei einer
. 'Kontroverse über den wahren Sinn der Schrift, den unrichtigen
437 'Sinn zu | widerlegen, kann die Feststellung des richtigen Sinnes
'nur dadurch erreicht werden, dals man, und zwar mit Hülfe der
'Reflexion, den Zusammenhang der betreffenden Stelle prüft. Und
'dies ist auch die Meinung des Manu, wenn er sagt (12, 105 fg.):
'y^nsebauulig, Folgerung und dann die Schrift
'„In ihren mannigfaeheii Überlieferungen,
',',Mit diesen dreien wohlbekannt mufs sein,
'„Wer Klarheit über das, was Pflicht ist, wünscht"
'„Nur wer die Pflichtbelehrungen der Weisen
'„Weifs auszulegen durch Reflexion,
'„Die übereinstimmt mit des Veda Richtschnur,
'„Der weirs was Pflicht ist und kein andrer sonst"
'Auch ist das ja gerade der Vorzug der iCeflexion, was ihr die
'Unbeständigkeit derselben nennt. Denn durch diese wird es mög-
• 'lieh, eine mangelbafte Reflexion fallen zu lassen und einer tadel?
'losen Reflexion sich zuzuwenden. Denn wenn ein Früherer geirrt
'hat, so folgt deswegen doch noch nicht, dafs man audi selbst
'irren mufs, und darum ist aus der Unbeständigkeit der Reflexion
'kein Vorwurf gegen uns zu erheben.* —
Hierauf erwidern wir: „auch so kommt ihr nicht los"; denn
wenn ^8 sich auch herausstellen sollte, dafs auf manchen Oebieten
die Reflexion begründet ist, so kann sie doch auf dem Gebiete,
von dem hier die Rede ist, nicht von dem Vorwurfe der Un-
begründetheit freigesprochen werden. Denn es ist nicht möglich,
dieses überaus tiefe, mit der Erlösung susammenhängende Wesen
des Seienden ohne die heilige Überlieferung irgend wie zu er-
kennen. — Denn in den Bereich der Waürnehmung fallt dieser
438 Gegenstand nicht, weil er keine Gestalt u. s. w. hat, | und auch
nicht in den Bereich der Folgerung und der übrigen Erkenntnis'^
mittel, weil keine Merkmale u. s. w. desselben vorhanden sind,
wie wir dies bereits auseinandergesetzt haben. Femer: in dem
Satze, dafs die Erlösung aus der vollkommenen Erkenntnis hervor-
geht, stimmen alle, welche überhaupt eine Erlösung lehren, über-
ein; diese vollkommene Erkenntnis nun ist einartig, weil sie
*J
Htknm IL l 11. 277
▼OQ ihrem Gegenstauide abh&n^fig ist; denn nur ein solcher Gegen*
stand heilst real, welcher in einartiger Weise besteht, und die
diese Einartigkeit befassende Erkenntnis wird die ToÜkommrae
Erkenntnis genannt, wie wenn man z. B. erkennt, dafs das Feaer
heifs ist. Ist dem aber so, dann ist in Beanig auf die ypU-
kommene Erkenntnis ein Widerspruch unter den Menschen nicht
statthaft. Bei den Erkenntnissen aus Reflexion nun lehrt der
eine so und der andere so, und es ist allgemein bekannt, wie
sehr sie sich widersprechen. Denn was der eine Denker als die
vollkommene Erkenntnis aufstellt, das wird von einem andern
wieder niedergerissen, und was dieser aufstellt, das reifst wie-
derum ein anderer nieder, wie das ja allbekannt ist. Wie sollte
also die aus der Reflexion entspringende Erkenntnis, da ihr Gegen-
stand kein etnartig beharrender ist, die vollkommene sein können?
Denn auch das z. B. wird keineswegs von allen Anh&ngem der
Reflexion zugestanden, dafs der Vertreter der Lehre von der
Urmaterie [als der Verbreitetesten Reflexionstheorie] unter allen
Reflexionsdeäkem den ersten Rang einnehme, so dafs man etwa
seine Meinung als die vollkommene Erkenntnis betrachten dürfte.
Hinwiderum ist. es ja auch nicht möglich, | alle Denker der Ver- 439
gangenheit, Gegenwart und Zukunft an einem Orte und m einer
Zeit zu versammeln, um ihr übereinstimmendes und auf denselben
einheitlichen Gegenstand gerichtetes Gutachten als die vollkommene
Meinung zu proklamieren. Was hingegen den Veda betrifft, so
ist es begreiflich, dafs dieser, falls er wirklich [wie wir es an-
nehmen] ewig und die Ursache des Entstehens aller Erkenntnis
ist, allerdings eine unwandelbare Sache zu seinem Gegenstande
hat; und darum ist die aus ihm entspringende Erkenntnis die voll-
kommene, und dieses in Abrede zu stellen, dazu sind alle Denker
der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammengenommen
nicht vermiögend. — Somit steht es fest, dafs diese unsere, auf
die Upauishad's gegründete Erkenntnis die vollkommene Erkennt-
nis ist. Weil aber aufser ihr eine vollkommene Erkenntnis nicht
möglich ist, deswegen ist auch „keine Möglichkeit der Erlösung*'
von der Seelenwanderung [auf aufservedischem Wege] absehbar. —
Es steht sonach durch die heilige Überlieferung und durch die
ihr sich anschlief sende Reflexion fest, dafs diais geistige Brahman
sowohl die bewirkende als auch die materielle Ursache der Welt ist.
278 (;'&riraka-mim^8lt
VieHes Adhikaranam.
12, etena gisht^a-aparigrahä^ api vyäkhyätah
damit sind auch die von den Gelehrten nicht ange-
nommenen besprochen.
Weil die Lehre von der Urmaterie der vedischen Anschauung
verwandt ist, weil sie mit ßehr bedeutender Kraft der Keilexion
ausgestattet ist, und weil sie von gewissen dem Veda anhängen-
den Gelehrten wenigstens teilweise angenommen 'worden ist, des-
wegen wurde zunächst auf die Theorie von der Urmaterie als
440 Weltursache zurückgegangen, um die aus der Reflexion | gegen
die Yedantaworte richtbaron l^linwürfo aufzustellen und zu wider-
legen. Nun ist aber denkbai*, dafs noch andere Angriffe der Re-
flexion, welche sich auf die Lehre von den Atomen n. s. w. stützen,
von gewissen trägeren Geistern gegen die Vedantalehre unter-
nommen werden mögen. Auf diese wird nach der Regel, dafs
man nur den stärksten Ringer zu werfen braucht, das Gesagte
hier erweiterungsweise bezogen; „die von den Gelehrten nicht au-
fgenommenen ** sind solche, welche bei keinen Gelelurten Beifall
gefunden haben; und das Sütram besagt, dafs damit, d. h. ver-
mittelst der oben geführten Widerlegung der Lehre von der Ur-
materie als der Weltursache, auch diejenigen Theorien von . den
Atomen u. s. w. als Weltursache, welche von Gelehrten wie Manu
und Vyasa auch nicht einmal teilweise angenommen worden sind,
als widerlegungsweise „besprochenes und somit als beseitigt zu
betrachten sind. Weil der Grund der Widerlegung der nämliche
ist, deswege:i ist es nicht notwendig, hier von neuem auf die
Zweifel einzugehen. Und auch das gilt hier wiederum in gleicher
Weise, dafs die Weltursache wegen ihrer zu grofsen Tiefe^ von
der Reflexion nicht ergründbar ist, dafs die Reflexion ohne Be-
stand ist, dafs auch durch ein Reflektieren auf andere Weise hier
nicht loszukommen ist, und dafs die Schrift jenen Lehren wider-
spricht, wie das ja die Gründe waren, auf denen unsere Wider-
legung beruhte.
Satram 11. i. 13. 279
Fünftes AdlvUcaranam.
13. bhoktr-äpatter avibMgaQ cet? syäd! lokavat 44i
wegen des Eingänge« des Geniefsers Ungeteilthoit,
meint ihr? Nun ja! wie in der Erfahrung,
Wiederum wird hier die Lehre vom Brahman als der Welt-
ursache in anderer Weise auf Grund der Reflexion angegriffen. —
'Wenn auch die Schrift innerhalb ihres Gebietes Autorität i^t, so
^kann sie doch da, wo ein Gebiet schon durch eine andere Au-
'torität in Besitz genommen ist, nicht an ihrem Platze sein, wie
>z. B. die Mantra's und Arthavada^s [da, wo es sich nicht um Gc-
'böte, sondern um Erkenntnis handelt]; denn auch die Reflexion
*ist, wie wir gern zugeben, aufserhalb ihres Gebietes unbegründet,
'z. B. da, wo es sich um rituelle Gebote und Verbote handelt/ —
Aber was soll demi daraus folgen? — 'Nun, wenn dem so ist,
'so ist es doch ungereimt, dafs die Sclu'ift in einer durch andere
'Erkenntnismittej ausgemachten Sache widerspricht.' — Aber worin
soll denn dieser Widerspruch gegen eine durch andere Erkenntnis-
mittel ausgemachte Sache bestehen? — 'Wir wollen es sagen.
^Ausgemacht ist durch die Erfahrung die Zweiteilung der Welt in
'Geniefser und zu Geniefsendes [Subjekt und Objekt]; der Ge-
'niefser ist die geistige, verkörperte Seele, das zu Geniefsende sind
'die sinnlich wahrnehmbaren Objekte. So ist z. B. Devadatta der
'Geniefser und der Reisbrei das zu Geniefsende. Diese Zwei-
'teilung nun würde gogenstandlos werden, wenn der Geniefser ein
*zu Geniefsendes oder das zu Geniefsende ein Geniefser 1 wer- 442
'den könnte. Ein solcher Übergang des einen in das Sein des
'andern scheint aber unvermeidlich, wenn man die Identität beider
^mit Brahman als der höchsten Ursache annimmt. Und ein sol-
'cher Widerspruch gegen jene allgemein anerkannte Zweiteilung
'ist unstatthaft; vielmehr mufs, so wie heutzutage die Zweiteilung
'in Geniefser und zu Geniefsendes erfahrangsm&fsig besteht, eben
'dieselbe auch für die Vergangenheit und Zukunft angenommen
'werden. Weil also durch die Annahme von Brahman als Welt-
'ursftche jene anerkannte Zweiteilung in Geniefser und zu Geniefsen*
*des unmöglich wird, darum kann Brahman nicht die Weltursache
'sein.' —
Sollte jemand hiermit kommen , so mufs man ihm antworten :
„nun ja! wie in der Erfahrung"; d. h. auch bei unserer An-
schauung läfst sich jene Zweiteilung aufrecht halten, indem dafür
ein Erfahrungsbeispiel eintritt. Die Erfahrung nämlich zeigt, wie
die Umwandlungen des Oceans, z. B. Schaum, Wellen, Wogen und
T.
280 g&iiraka-miiD&aBlL
Wasserblasen, obwohl sie mit dem aus Wasser bestehenden Ocean
identisch sind, doch von einandet sich unterscheiden, und in der
Verschlingung u. s. w. miteinander ihr Wesen bethätigen. Und
obwohl diese Umwandlungen mit dem aus Wasser bestehenden
Ocean identiecli sind, so können doch Schaum, Wollen u. s. w. ihre
[begriffliche] Wesenheit nicht miteinander vertauschen; obwohl sie
aber ihre Wesenheit nicht miteinander vertauschen können, so wird
dadurch doch ihre Identität mit der ganzen Wassermasse • nicht
443 ausgeschlossen. | Ebenso ist es auch hier in unserm Falle. Weder
braucht man anzunehmen, dafs Geniefser und zu Oeuiefsendes in
einander übergehen, noch, dal's sie darum mit dem höchsten Brafa-
man nicht identisch sind. Allerdings ist der Geniefser eigentlich
kein Produkt des Brahman; denn wenn es heifst: „nachdem er
„dieses geschaffen, ging er in dasselbe ein*^ (Taitt. 2, 6), so liegt
darin, dafs der Schöpfer selbst ganz und unverändert [als In-
dividualseele] in die. Schöpfung eingegangen ist und nun „der
„Geniefser" genannt wird; aber nichtsdestoweniger findet nach
seinem Eingange in die Schöpfung eine auf den Up^dhi^s be-
ruhende Spaltung desselben [in Geniefser und zu Geniefsendes,
Subjekt und Objekt] statt, der Eiuscliränkung vergleichbar, weL^e
der Weltraum durch die Üpadhi*s der Gefäfse u. s. w. erleidet. —
Hieraus folgt, dafs, unbeschadet der Identität mit Brahman als
der höchsten Ursache, doch die Zweiteilung in Geniefser und ssu
Geniefsendes ähnlich wie die Verschiedenheit zwischen den Wel-
len u. s. w. des Oceans zu Rechte bestehen bleibt.
Sechstes Adhikaranam.
14. tad-afianyatvam, drmyibhana'gabda'ädibhffah
Identität mit ihm , wegen des Schriftwortes von deäi
sich Anklammern und anderen.
Durch die Worte „nun ja! wie in der Erfahrung" (Sdtram 2,
1, 13) hatten wir dem Gegner geantwortet, indem wir jene em-
pirische Zweiteilung in Geniefser und zu Geniefsendes zugaben.
Nun ist aber im Sinne der höchsten Realität jene Zweiteilung
[zwischen Objekt und Subjekt, Welt und Brahman] gar nicht vor-
handen, indem diese beiden als Wirkung und Ursache miteinander
identisch sind. Die Wirkung ist die vom Äther anfangende, weit-
ausgebreitete Welt, die Ursache ist das höchste Brahman, und mit
Sütram II. i. 14. 281
(lieser Ürsaclie ist jene Wirkung im Sinne der höchsten Realität
identisch und erstreckt sich nicht üher dieselbe hinaus. | Warum? 444
„wegen des Schriftwortes von dem sich Anklammern und anderen^^
Das Schriftwort von dem sich Anklammern zunächst ist folgendes.
Nachdem (Chand. 6» 1, 3) verheifsen worden war, dafs durch Er-
kenntnis des einen alles erkannt werden solle, so heilst es weiter
mit Bezugnahme auf ein Gleichnis: „gleichwie, o Teurer, durch
„einen Tlionklumpeu alles, was aus Thon besteht, erkannt ist, an
„Worte «ch klammernd ist die Umwandlung, ein blofser Name,
„Thon uur ist es in Walirheit^^ (Chand. 6, 1, 4). Das heifbt: durch
einen einzigen Thonklumpen wird, indem man ihn im Sinne der
höchsten Realität seinem Wesen nach als Thon erkennt, alles aus
Thon Bestehende, Krüge, Becken, Töpfe u. s. w. , weil es gleich-
falls seinem Wesen nach Thou ist, erkannt, indem „die Umwand-
„lung an Worte sich klammernd, ein blofser Name ist''; d. h. nur
auf dem blofsen Woiie beruht, nur an dieses klammert sich die
Umwandlung in Kn'ige, Becken und Töpfe, nicht aber geschieht
an der Substanz irgend etwas, was Umwandlung heifsen könnte;
vielmehr ist dieselbe ein blofser Name, eine Unwahrheit, Thon
nur ist es in Wahrheit. Dieses Gleichnis bezieht sich auf das
Brahman, und von ihm als dem Gegenstande des Vergleiches mufs
man auf Grund der Schriftanssage von dem sich Anklammern an
Worte schliefsen, dafs eine aufserhalb des Brahman bestehende
fWelt-]Wirkung gar nicht vorhanden ist. Und weiter erklärt die
Schi'ift, nachdem sie dargelegt, wie Glut, Wasser und Nahrung
nur eine Wirkung des Brahman sind , dafs ebenso wiederum die
Produkte aus Glut, Wasser und Nahrung keinen Bestand über
Glut, Wasser und Nahrung hinaus haben; indem es heifst: | „ver- 445
„schwunden ist das Feuersein des Feuers, an Worte eich klam^
„memd ist di<^ Umwandlung, ein blofser Name, drei Naturen nur
„sind es in Wahrheit" (Chand. 6, 4, 1). — Der Zusatz: „und an«
„deren" im Sütram weist auf weitere Schriftworte hin, wie:
„dessen Wesens ist dieses Weltall, das ist das Reale, das ist die
„Seele, das bist du" (Chand. 6, 8, 7), — „dieses alles ist was
„diese Seele ist" (Bph. 2i 4, 6), — „Brahman nur ist dieses Ganze"
(Mund. 2, 2, 11), — „Ätman nur ist dieses Weltall" (Chänd. 7,
25, 2), — „nicht ist hier Vielheit irgendwie" (Bph. 4, 4, 19);
Worte wie diese, welche bezwecken, die Einheit des Atman su
lehren, kaun man ebenfalls hier anführen. Auch ist es auf kei-
tt«ra andern Wege als diesem möglich, dafs durch Erkenntnis von
einem alles erkannt wetde. Wie daher der Baum in Töpfen,
Krügen u. s. w. mit dem grofsen Welträume identisch ist, oder
wie das Wasser der Luftspiegelung mit der Salzsteppe identisch
ist, sofern es, näher betrachtet, verschwindet und an sich (svarü-
pena) gar nichts Wahrnehmbares ist, so hat auch diese Welt-
282 (^'ariraJa]i-in!inÄiis&
auebreitung in Geniefsur uud zu Geniefseudes übor das Brahmau
hinaus keine Existenz.
'Ist es nun vielleicht mit der Darstellung des ßrahtnan als die
^vielen Wesen so bestellt, dafs, gleichwie ein Baum mancherlei
'Zweige besitzt, so auch das Brabman an die Bethätigung von
-mancherlei Kräften gebunden ist? Nämlich auf diesem Wego
'lassen sich die Einheit und die Vielheit beide als real betrachten ;
'ähnlich wxQ der Baum als Baum eine Einlieit und als die Zweige
'eine Vielheit bildet; oder wie das Wasser als Ocean eine Einheit
446 'und als Schaum, Wellen u. s. w. eine Vielheit bildet; | oder wie
'der Thon als Thon eine Einheit und als Topfe oder Becken eine
'Vielheit bildet. Es würde dann durch Erkenntnis des Bruhman
'nach seiner Einheit die Erlösung bewerkstelligt werden, und durch
'Erkenntnis desselben nach seiner Vielheit das auf den Werkteil
'[des Veda] gestützte weltliche und vedische Treiben vor sich ge-
*hen, und dieser Auffassung wüi'den auch die Beispiele von dem
'Thone u. s. w. angemessen sein.' — Aber dem ist durchaus nicht
so! Demi wenn es heifst: „Thon nui* ist es in Wahrheit" (Chand.
6, 1, 4), so wird in dem Gleichnisse behauptet, dafs nur die Ur-
natur Wahrheit hat, während in der Stelle von dem Anklammern
an Worte ausgesprochen liegt, dafs die Produkte derselben auf
Unwahrheit beruhen; und dem entsprechend heifst es auch von
dem, was den Gegenstand jener Vergleiche bildet: „dessen Wesens
„ist dieses Weltall, das ist das Reale" (Chand. 6, 8, 7), — hier-
mit wird erklärt , dafs nur die höchste Ursache allein Realität
habe; — und in den weiter folgenden Worten: „das ist die Seele,
„das bist du, o (^YQt&k.ei\i^^i wird gelehrt, dafs die verkörperte
Seelo ihrem Wesen nach Brahman ist. Und dieses Brahman-sein
der verkörperten Seele wird aufgewiesen als ein an sich schon
Vollbrachtes, nicht als ein durch irgend eine Anstrengung zu Voll-
bringendes; und daher kommt es, dafs dieses von der Schrift ge-
lehrte Brahman-sein der Seele, wenn es erkannt wird, dazu dient,
das angeborene Verkörpertsein derselben zu widerlegen, ähnlich
wie durch die Erkenntnis, dafs es ein Strick ist, die Erkenntnis,
dafs es eine Schlange sei, widerlegt wird. Mit der Widerlegung
des Verkörpertseins aber ist das ganze auf ihm beruhende natür-
447 liehe Welttreiben widerlegt, | dem zuliebe man einen andern, ver-
Bchiedeuheitlichen Teil an dem Brahman annehmen wollte. Dem
entsprechend erklärt die Schrift durch die Worte: „wo aber einem
„alles zum eigenen Selbste geworden ist, wie sollte er da irgend
„wen sehen" u. s. w. (Bfih. 2j 4, 14), dafs für denjenigen, welcher
das Seele-seiu des Brahman erkennt, das gesamte, zur Vergeltung
der Werke an ihren Thätem dienende Welttreiben nicht mehr
existiert. Mau darf aber nicht behaupten, dafs dieses Nichtsein
des Welttreibens nur als auf bestimmte Zustände beschränkt ge-
lehrt werde, denn die Woi-te „das bist du" (Chaud. 6, 8, 7) zei-
Sfttram 11. i. 14. 283
gen, dafs das Sein als . Brahmau nicht auf 1)estimmtc Zustände
eiDge^'chränkt ist. Auch durch das Gleichnis von dein. Diebe
(ChA,nd. 6, 16) lehrt die Schrift die Bindung dessen, der die Un-
widirheit sogt, und die Erlösung dessen, der dio Wahrheit sagt,
und zeigt dadurch, dals nur die Einheit allein im höchsten 8inne
real ist, und dafs die Vielheit nur aus einer falschen Erkenntnis
herausklafft. Wftre beides real, so könnte von einer Kreatur,
auch wenn sie noch in dem empirischen Welttreiben befangen
liegt, nicht gesagt werden, dafs daä, was sie aussage, unwahr sei.
Eben dasselbe wird bezeugt durch die Worte: „von Tod zu Tode
„wird verstrickt, wer eine Vielheit hier erblickt" (Brih. 4, 4, 19),
welche die ganze Anschauung der Vielheit verbieten. Auch wärde
nach jener [von uns bestrittenen] Auffassung der Spruch: „aus
„der Erkenntnis die Erlösung" nicht bestehen können, weil man
dabei als Ursache des SainsAra nicht eine durch die vollkommene
Erkenntnis zu beseitigende falsche Erkenntnis annehmen könnte;
denn wären beide Erkenntnisse wahr, .wie liefse sich dann durch
Erkenntnis der Einheit die der Vielheit beseitigen?
^\ber wenn man einzig und allein die Einheit für das Beale
>hält, so giebt es also keine Vielheit, | und die weltlichen Er*- 44.8
^kenntnismittel, Wahrnehmung u. s. w. , werden umgestofsen, weil
*sie gegenstandlos werden, ähnlich wie das Halten dessen für einen
^Menschen, was iil Wahrheit nur ein Baumstamm ist. Weiter aber
^wird auch der in Greboten und Verboten sich ergehende Schrift-
'kanon, welcher die Vielheit voraussetzt, falls diese nicht e^cistiert,
^umgestofsen. L^nd auch der Kanon der Erlösung sogar setzt doch
''die Zweiheit von Schüler und Lehrer voraus und scheint, falls
'diese nicht existiert, gleichfalls umgestofsen zu werden; und wie
'ist es dann, wenn der Kanon der Erlösung unwahr ist, möglich,
'dafs die von ihm gelehrte Einheit der Seele wahr sei?' — Hier-
auf dient zur Antwort: diese Einwendungen treffen nicht zu; denn
alles Welttreiben bleibt so lange wahr, wie das Brahman-sein noch
nicht erkannt ist, ähnlich wie das Treiben im Traume wahr bleibt,
so lange noch kein Erwachen erfolgt ist. So lange nämlich von
jemandem die Einheit mit dem allein realen Atman noch nicht er-
kannt ist, so lange kommt er gar nicht zu dem Bewufstsein, dafs
daa Welttreiben in Erkenntnismitteln, Erkenntnisobjekten und
Zwecken unwahr sei; vielmehr hält jede Kreatur das, was blofs
Umwandlung [des allein realen Brahman] ist, infolge der irrigen
Vorstellung eines „Ich" und eines „Mein" für die Seele und das
der' Seele Angehörige und ermangelt der Erkenntnis ihres ui*-
sprünglichen Brahman-seins ; und daher kommt es, dafs vor dem
Erwachen zum Brahman-sein das gesamte weltliche und vedische .
Treiben zu Rechte besteht, | ebenso wie der gewöhnliche Mensch, 449
wenn er eingeschlafen ist und im Traume sich selbst in hohen und
niedi-igen Stellungen sieht, diese Erkenntnis für gesichert, weil
284 g&rtraka-mtminBll
durcb den AdgeiMoliein für bestätigt, erachtet, so lange «r nicht
erwacht, ohne dafs er während dieser Zeit ein Bewafstsein da-
von hätte, dafs jene Wahrnehmungen nur aof Schein beruhen.'
^Aber wie ist es mdglich, dafs durch das Vedäntawort, wel«
'ches doch gleichfalls nicht real ist, das reale Identischaein mit
^Brahman erkannt ¥rird? Man stirbt doch nicht daran, dafs man
*von einer Strick-Schlange gebissen wird, and ebenso wenig kann
'man das Luftspiegelungswasser zum Trinken oder Baden Ter»
wenden?' — Diese Einwendung trifft nicht zu, weil die dorcli
das eingebildete Schlangengift u. s. w. veranlafste Wirkung des
Sterbens u. s. w. doch wirklich wahrgenommen wird, indem ja
auch der im Zustande des Traumes Befangene die Wirkungen des
Schlangenbisses und des Wasserbades in Wirklichkeit empfioidet.
Wollt ihr euch etwa darauf berufen, dafs auch diese Wirkung eine
blofs unwahre sei, so antworten wir: wenn auch bei' dem Träu-
menden die Wirkung des Schlangenbisses und des Wasserbades
unwahr ist, so ist doch die Erkenntnis dieser Wirkung ein voll-
kommen reales Resultat und wird als solches auch, nachdem man
erwacht ist, nicht widerlegt. Denn wenn der aus dam Traum
Erwachende auch die getränmte Wirkung des Schlangenbisses und
450 des Wasserbades fCbr unwahr erkennt, | so kann dodi keiner die-
ses, dab er jene Wirkungen erkannt hat, für unwahr erklären.
Aus dieser Thatsache, dafs die Erkenntnis des Träumenden nicht
[durch das Erwachen] widerlegt wird, folgt [nebenbei gesagt, aadi]
die Hinfälligkeit der Behauptung, dafs das Selbst nur in der Leib-
lichkeit bestehe. Und so sagt auch die Schrift (Oi&nd. 5» 2, 9):
„Wenn er im Traum mit Weibern Liebeshändel flicht,
„So deutet' auf Gelingen solches Traumgesicht";
in diesen Worten lehrt sie, daOs infolge des wiewohl unrealen
Traumgesichtes doch das Gelingen eines realen Erfolges erlangt
wird. Ebenso wird in der Schrift, nachdem sie vorher von ge-
wissen im Zustande der [wachen] Wahrnehmung zu teil geworde-
nen Unglückszeichen (arishfam) gesprochen und von dem, welchem
sie widerfahren, erklärt hat: „der soll wissen, dafs er nicht lange
„mehr leben wird'^ (Ait. är. 3, 2, 4, 7), im weiter Folgenden ge-
sagt: „aber wenn einer im Traume einen schwarzen Mann mit
„schwarzen Zähnen sieht, und dieser ihn tötet" u. s. w. (Ait. &r.
3, 2, 4, 17); — hier lehrt die Schrift, wie durch ein solches, wie-
451 wohl unreales Traumgesicht | doch das reale Sterben vorbe deutet
wird. Auch ist ja allbekannt, dafs die des Regelmäfsigen und
der Ausnahme Kundigen [die Traumdeuter] erklären, wie durch
das eine Traumgesicht bevorstehendes Gutes und durch das andere
bevorstehendes Übel vorherverkündigt wird. In ähnlicher Weise
kann man beobachten, wie die wirklichen aus [gesprochenen]
Sötram II. i. 14. 285
Laoten bestehenden Silben durch die Erkenntnis der nichtwirk-
lichen aus [geschriebenen] Buchstaben bestehenden Silben, erkannt
werden.
Hiersu kommt [als weiterer Grund gegen die Annahme einer
einheitlichen und einer vielheitlichen Seite an Brahman], dafs jene
Erkenntnisart, welche die Einheit des Atman übermittelt, vhie end-
gültige ist, welche über sich hinaus nichts mehr zu wünschen
übrig läfst. Denn w&lirend z. B. die Aufforderung „man boH
„opfern" die Fragen übrig läfst, wem, was und wie man opfern
soll, so läfst das Wort „das bist du^* nicht in dieser Weise irgend
etwas zu wünschen übrig, weil sich seine Erkenntnis auf die Ein*-
heit aller Dinge mit dem Atman bezieht. Wäre nämlich noch
ein anderer nicht [in Brahman] miteinbegriffener Gegenstand vor-
handen, so wurde [auch nach Erkenntnis des Brahman] das Ver-
langen noch fortbestehen. Nun aber ist kein anderer, nicht in
der Einheit des Atman miteinbegriffener Gegenstand vorhanden,
auf den sich das Verlangen richten könnte. — Man darf aber
nicht behaupten, dafs eine derartige Erkenntnis nicht möglich sei;
denn die Schrift sagt: „also w^urde er von ihm belehrt" ((/hand,
6, 16, 3)v und als Mittel zu dieser Erkenntnis wird das Hören
und Lehren des Vedawortes und anderes anbefohlen. — Ferner
darf man auch nicht behaupten, dafs diese Erkenntnis zwecklos
oder eine Täuschung sei; | ersteres nicht, weil als ihre Frucht die 45^
Vernichtung des Nichtwissens erfahr ungsmäfsig sich zeigt; letzteres
nicht, weil eine andere, sie widerlegende Erkenntnis nicht exi^tiert.
I)enu nur vor der Erkenntnis der Einheit des Atman bleibt, wie
wir gezeigt haben, die ganze Betreibung eines Unrealen als eines
Realen in weltlichem und vedischem Sinne in Kraft bestehen. Lst
hingegen durch die endgültige Erkenntnisart die Einheit des Atnnm
übermittelt worden, so ist damit das gesamte ihr vorhergehende
vielheitliche Treiben widerlegt, und keine. Möglichkeit mehr vor-
bilden, das Brahman für ein seiner Natur nach vielheitliches za
halten.
*Aber mufs man nicht aus den in der Schrift vorgebrachten
'Gleichnissen vom Thon u. s. w. schliefsen, dafs das Brahman vom
'Schriftkanon als ein wandelbares aufgefast werde, da doch der
'Thon und ähnliche Dinge erfahrungsmäfsig der Umwandlung unter-
'liogen?* — Wir antworten: mit nichten! denn wenn es heifst:
„fürwahr, dieses grofse ungeborene Selbst ist nicht alternd, un-
„sterblicb, furchtlos, ist das Brahman" (Brih. 4, 4, 25), — „er
„aber, der Atman, ist nicht so und ist nicht so" (Brih. .3, 9, 26))
— „nicht grob und nicht fein" (Brih. 3, 8, 8), — so beweisen
Schriftstellen wie diese, indem sie alle Verändei'ung von ihm aus- ^
schliefsen, dafs das Brahman über dieselben erhaben ist. Denn
das geht doch nicht an, dafs das eine Brahman zugleich den Um-
wandlungen unterworfen uud von ihnen frei sei. — 'Aber könnte
286 (,^&draktt-miiiifi.jisä
*es nicht damit sein, wie mit dem Stehen und Gehen [welche
'gleichfalls das eine Wesen in verschiedenen Zuständen zeigen]?'
453 — I Das geht nicht au, weil dius Brahman von der Schrift be-
stimmt wird als das über alles Erhabene; denn es ist unmöglich,
dafs das allerhabene Brahman verschiedene Qualitäten an sich
trage, wie [der einheitliche lieib] die Zustände des Stehens und
Gehens; denn eben dadurch ist das Brahman das allerhabene und
ewige, weil es, wie wir gezeigt haben, aller Veränderung ent-
hoben ist. Man dai^ daher auch nicht behaupten, dafs, so wie
die Erkenntnis der Einwesentlichkeit des Braliman als Frueht die
Erlösung verwirkliche, in ähnlicher Weise die Erkenntnis seines
, Umgewandeltseins in die Gestalt der Welt an und für sich irgend
eine Frucht hervorbringe , indem hierfür ein Beweis [in der Schrifl]
nicht vorhanden ist. Denn nur für die Erkenntnis, dafs das aller-
höchste Braliman die Seele [in uns] ist, wird eine Frucht von
dem Schriftkanon vcrheifsen an der Stelle: „dieser Atmon ist nicht
„so und ist nicht so'*, wo es weiter heiM: „o Janaka, du hast
„den Frieden erlangt" (Brih. 4, 2, 4). Weil somit da, wo es sich
um das Brahman handelt, nur aus der Erkenntnis der Freiheit
des Brahman von allen Eigenschaften und Unterschieden die Er-
langung einer Frucht abgeleitet wird, so folgt, dafa dasjenige,
was dabei ohne Fruchtverheifsung in der Schrift vorkommt, wie
K. B. die Umwandlung des Brahman in die Gestalt der Welt u. dgl.,'
nur und allein als Mittel, das Brahman zu erkennen, zur Verwen-
dung kommt, — entsprechend der Regel: „was neben einem Ver-
„heifsung Habenden keine Verheifsung habend vorkommt, ist Glied
„desselben", — nicht aber zur Erlangung einer besondem Frucht
vorgeführt wird. Denn taan darf nicht etwa meinen, als brächte
die Erkenntnis des Umwandlungsseins des Brahman das Urawand-
454 lungssein der Seele als Frucht; | denn die Erlösung ist ein all-
erhabener und ewiger Zustand [aus dem keine Rückkehr in die
Wandlungswelt durch irgend welche Erkenntnis möglich ist],
^Aber bei deiner Behauptung, dafs das allerhabene Brahman
*dic Seele sei, ist doch die Einheit [alles Seienden] das alleinige
^Resultat; hiermit ist die Annahme eines Verhältnisses [zwischen
*Oott und Seele] als des Beherrschers und des zu Beherrschenden
'unvereinbar; und damit steht das [Sütram 1, 1, 2 gegebene] Ver-
'sprechen, [den allwissenden] Gott als die Weltursache nachzu-
*weisen, in Widerspruch!' — Dieses Argument geben wir nicht zu,
weil die Allwissenheit [sei es Gottes oder dos Brahman -Wissers,
welche beide die Realität des Gewufsten voraussetzen] sich nur
bezieht auf die Ausbreitung des Samen» der aus Kichtwiä.sen be-
stehenden Namen und Gestalten. Denn wenn es z. B. heifst: ,,fulr-
• „wahr aus diesem Atman ist der Äther enstanden" (Taitt. 2, 1),
so besagen Schrift,stellen dieser Art, dafs Ursprung, Bestand und
Vergang der Welt von einem seiner Natur nach ewigen, reinen,
SAtram II. i. 14 2^7
weisHD, freien, allwissenden und' allmächtigen Gott herrühren, nicht
aber von einer iingeibtigen Urmaterie oder l)erartigein , und dies
ist der Inhalt dessen, was durch die Worte „woraus Ursprung u. s. w.
„dieses [Weltalls] ist'' (Si&tram 1, 1, 2) versprochen worden war.
Dieses Versprechen bezieht sich also nur auf jenen Zustand [des
eine Weltausbreitung annehmenden Nichtwissens], und darum stellt,
was wir gegenwärtig behaupten, nicht mit demselben in Wider-
spruch. — 'Aber wie sollte es nicht damit in Widerspruch stechen,
^da du doch jetzt die absolute Einheit und Zweitlosigkeit d'es
'Atman behauptest?' — Höre, inwiefern es nicht der Fall ist. Es
ist das ^Nichtwissen , von welchem gleichsam als der Leib des all-
wissenden Gottes die weder als ein Seiendes hoch als das Gegen-
teil definier baren Namen und Gestalten als die Ursache der Welt*
ausbreitung des Samsara aufgestellt werden, und diese Namen und
Gestalten sind es, welche von der Schrift und der Smriti als eine
zauberartige Kraft des allwissenden Gottes und als der UrstoiF
der Welt bezeichnet werden; von diesen beiden [Namen und Ge-
stalten] aber ist der allwissende Gott' verschieden ; denn die Schrift
sagt: „der Akäga (Äther, Raum) ist es, welcher die Namen und
„Gestalten auseinanderdehnt; was in diesen beiden ist, das ist das
,yBrahman" (ChÄnd. 8, 14, 1); — „ich will mich auseinanderdehnen
.,in Namen und Gestalten** (Chänd. 6, 3, 2); — „wenn alle Por-
omen überdenkt der Weise und sie als Namen blofs | begreifend Abb
jjdasitzt" (Taitt. ar. 3, 12, 7); — „er, der den einen Samen macht
„zu einer Vielheit" (Qvet- 6, 12) u. s. w. In diesem Sinne pafst
sich der höchste Gott den Upädhi's der auf dem Nichtwissen be-
ruhenden Namen und Gestalten an, ähnlich wie der Weltcnrauni
sich den Upä,dhi's der Gefässe und Krüge anpafst, und so kann
man sagen, dafs Gott über die [eigentlich] nur sein eigenes Wesen
seienden, dem Raum in den Gefässen vergleichbaren, dem Ag-
gregate der Organe, welche aus den vom Nichtwissen aufgestellten
Namen und Gestalten bestehen, sich anpassenden, individuell ge-
nannten Einzelseelen, vom empirischen Standpunkte aus betrachtet,
eine Herrschaft ausübt. Somit ist das Herrschersein Gottes, sowie
auch seine Allwissenheit und Allmacht, nur gültig in Bezug auf
die Abgrenzungen der aus dem Nichtwissen bestehenden Upädhi's;
im Sinne der höchsten Realität hingegen läfst sieh von dem Atman,
weil er seiner Natur nach alle Upadhi's als ein Objektives ab-
geworfen hat, nicht behaupten, dafs auf ihn die Verhältnisse des
Beherrschens, Beherrschtwerdeny, der Allwissenheit u. s. w. An-
wendung finden. In diesem Sinne heifst es: „wenn einer kein an-
„deres sieht, kein anderes hört, kein anderes erkennt, das ist die
„ünbeschi'änktheit" (Chand. 7, 24, 1) und: „wo aber einem alles
„zum* eigenen Selbste geworden ist, wie sollte er da irgend wen
.,sehen?" u. a. w. fBrih. 2, J, 14). In Stellen wie diesen lehren die
Vodanta<«xtc. dafs auf dem Standpunkte den höehsten Realität das
Tr~
288 Qllirlrakti-miin&nsli
■
gajize empirische Treiben niclit existiert. Und ebenso heiM es
auch in den Gottesliedem (Bhag. G. 5, 14):
„Das Thätersein and auch die Werke schafft
„Nicht Gott in dieser Welt, noch die Verbindung
„Von Werk und Lohn; dies wirkt die 'Sclbstnatnr.
„Hingegen der Allmächtige nimmt nicht an
„Das Böse oder Gute irgend wessen;
„Doch weil vom Nichtwissen verhüllt das Wissen,
„Damm geh'n die Geschöpfe in der Irre."
45C I In dieser Weise wird [von Schrift und Smpti] gelehrt, dafs auf
dem Standpunkte der höchsten Realität das Treiben von Herrschen-
dem und zu Beherrschendem nicht stattfindet; für den Standpunkt
des Welttreibens hingegen lehrt auch die Schrift das Treiben von
Hen*8chendem u. s. w., wenn sie sagt: ,yer ist der H«rr der Welt,
„er ist der Gebieter der Wesen, er ist der Hüter der Wesen; er'
„ist die Brücke, welche diese Welten auseinanderhält, dafs sij nicht
„verfliefsen" (Brih. 4, 4, 22); und ebenso beifst es in den Gottes-
liedem (Bhag. G. 18, 61):
„Gott wohnt im Herzen aller Kreaturen
„Und treibt die Wesen in der Irre um,
„Als würden durch Maschinen sie geschleudert"
Ebenso lehrt nun auch der Yerfasser unserer Sütra^s da, wo er
im Sinne der höchsten Realität apricht, „Identität mit ihm^' (Sü-
tram 2, 1, 14); wo er hingegen im Sinne des Welttreibens spricht,
da vergleicht er durch die Worte „nun ja! wie in der Erfahrung*^
(Sütram 2, 1, 13) das Brahman mit dem weiten Ocean; er ver-
wirft also die Ausbreitung der Weltwirkung nicht, sondern be-
schäftigt sich auch mit der Umwandlung den Brahman in die
W^elt, weil dieselbe bei den attributhaften Verehrungen zur An-
wendung kommt.
15. bhdve ca lipalabdheh
auch wegen der Wahrnehmung in dem Sein.
Auch darum ist die Wirkung von der Ursache nicht verschie-
den, weil nur „in dem Sein'^ der Ursache die Wirkui^ wahr-
genommen wird, nicht in ihrem Nichtsein. So wird das Gefafi^
'157 nur, sofern der Thon ist, | wahrgenommen, nicht, wenn er. nicht
ist, und ebenso das Tuch nur, sofern die Fäden sind. Bei zwei
verschiedenen Dingen ist die Wahrnehmbarkeit des einen nicht
notwendigerweise an die Existenz des andern geknüpft; denn ein
SMram II. i. 15. 289
Pferd 9.6. tritt, weil es tos der Kuh ▼ersehieden Ut, nicht bei
dem bloüsen Yorhandensein der Kuh schon in die Wahrnehmung;
und ebenso wenig wird in dem blofffen Vorhandensein des Töpfers
aach schon der Topf wahrgenommen, weil beide, obwohl sie sich
als Bewirkendes und Bewirktes zu einander verhalten, doch von
einander rerscbieden sind. ^ ^Aber kommt es nicht auch Tor,
'da(8 die Wahrnehmung des einen notwendig durch das Sein des
^andern bedingt wird, wie z. B. die des Rauches durch das Sein
*des Feuers?' — Wir antworten, nein! Denn auch nachdem das
Feuer erloschen ist, enthalten s. B. die Kohlengeftfse der Hirten
noch Bauch. — - *Aber könnte man nicht den Bauch nach ge-
'wisiien' Zuständen desselben unterscheiden, so dafs eine bestimmte
'Art des Baoches doch nur vorkommt, sofern das Feuer vor-
'handen ist?' — Audi dann bleibt unsere Behauptung unanfechU
bar; denn wir behaupten, dafs [nicht die Wahrnehmung, sondern]
die dem betreffenden [begrifflichen] Wesen der Dinge nachgebende
(lies: tad-Ukapa-anurMdw) | Temunft (huddhi) der Grund ist 458
fär die Erkenntnis der Identität von UrsHche und Wirkung, diese
aber kommt bei Feuer und Rauch [welche, obwohl in der Wahr-
nehmung verbunden, doch ihrem begrifflichen Wesen nach ver-
schieden stndj nieht in Frag«. —
Oder das Sfttram ist zu lesen:
bhdväc ta upalabdhelj^y
„auch wegen des Vorhandenseins der Wahrnehmung".
Das heifst: nicht nur aus der Schrifb allein folgt die Identität
der Wirkung mit der Ursache, sondern auch aus dem Vorhanden-
sein einer anschaulichen Wahrnehmung schon folgt diese Identität
beider. Es ist nämliob auch schon eine ansduutliche Identität der
Ursache und Wirkung vorhanden. So wird z. B. bei einem Ge-
webe ans Fäden die Wirkung, welche man Todi nennt, aiifser-
haib der Fäden gar nicht wahrgenommen , sondern nur die in der
l^änge und Breite verlaufenden Fäden allein werden wahrgenom-
men, und ebenso weiter in den Fäden nur die Fasern, in den
Fasern nur' die Teilchen, aus welchen sie be&tehen. Nach der*
selben anschaulichen Wahrnehmung ist zu schliefsen, dafs [in den
dreifach^ gemischten Elementen] nur die drei Gestalten des Ro-
ten^ Weifsen und Schwarseii [der ungemischten Urelemente] vor-
li^en (vgl. Ghäud. 6, 4), aus diesen dann weiter auf den rei-
nen Wind, den reinen Äther [aus dem eie entstanden sind, und
der in Gestalt derselben vorliegt], und aus diesem auf das
eine zweitlose Brahman. In diesem also laufen, wie gesagt,
alle Erkenntnismittel [sogar die Wahrnehmaug] als in ihre an End-
punkte aus.
290 Q&nraka-roim&ns&
16. sattväc ca avarasya
469 auch wegen des [schon] Existierens des Spateren*
Auch darum ist die Wirkung von der Ursache uieht ver-
schieden, weil die der Zeit nach spätere Wirkung schon vor ihrem
Ursprünge eben vermöge des Selbstes der Ursache in der ÜrsÄche
ihre Existenz hat; denn die Schiift sagt: ,, Seiend uur,^ o Teurer,
„war dieses am Anfang" (Chllnd. 6, 2, 1); und „der Atman nur
„allein war dieses zu Anfang" (Ait. 1, 1, 1); in diesen Stellen
mrd die durch das Wort „dieses" bezeichnete Wirkung niit der
Ursache durch Koordination [als Subjekt mit seinem Prädikate]
verbunden. .Hierzu kommt, dafs etwas da, wo es nicht schon
seinem Wesen nach ist, auch nicht entstehen kann, indem z. B.
aus Sandkörnern sich kein Öl pressen lä£st. Weil also beide vor
dem Ursprünge der Wirkung schon identisch* waren, deswegen
mufs auch die entsprungene Wirkung mit ihrer Ursache identisch
sein ; und wie zu allen drei Zeiten die Ursache, nämlich das Brah-
man, nicht, davon läfst, das Seiende zu sein, so kann auch die
Wirkung, nämlich die Welt, nicht <Iavon lassen,, zu allen drei
Zeiten das Seiende zu sein. Sofern aber beide das Seiende
sind, insofern sind sie nur eines (ekaü ca punah sai^tvam'/y
und auch daraus folgt, dafs die Wirkung von der Ursache nicht
verschieden ist.
17. asad'Vyapadegän na! iti cen? na! dharma-antarena,
vdkya'geshat
wegen der Bezeichnung als nichtseiend nicht, meint
ihr? Nein! wegen Verschiedenheit der Qualität, wegen
dessen, was folgt.
*Aber behauptet nicht die Schrift zuweilen auch das Nichtsein
*der Wirkung vor ihrem Ursprünge, indem sie z. B. sagt: „nicht-
'„seiend nur war dieses zu Anfang" (Chänd. 3, 19, 1) und „nicht-
460 SjSeiend fürwahr war dieses zu Anfang" (Taitt. 2, 7)? | aus dieser
^Bezeichnung als „nichtseiend" folgt doch, dafs die Wirkung vor
*ihrem Urspruuge nicht seiend gewesen sein kann.' — Hierauf ist
zu entgegnen, dafs diese Bezeichnung der Wirkung als vor ihrem
Ursprünge nichtseiend kein absolutes Nichtsein bedeutet; vielmehr
steht es damit so, dafs die Qualität als ein in Namen und Ge-
stalten Ausgebreitetes verschieden ist von der Qualität als ein
'eT^'^y'i
Sütram II. l 17. 291
nicht in Namen und Gestalten AuBgebreitetesj auf diese „Ver-
,,8chiedenheit der Qualität'^ bezieht es sich, wenn die Wirkung als
ein vor dem Ursprünge Nichtsciendes bezeichnet wird^ obwohl die
Wirkung schon war, nämlich als identisch mit ihrer Daseinsform
als Ursache. Dies steht fest „wegen dessen was folgt ^S indem in
der Stelle das zu Anfang derselbexi als zweifelhaft yorkommende
Wort durch das was folgt näher bestimmt wird. Zunächst also,
wenn es vorher hiefs: „nichtseiend nur war dieses zu Anfang ^^
(Chand. 3. 19, 1), so wird dasjenige, was hier im Eingange durch
das Wort „nichtseiend^^ bezeichnet wird, weiterhin durch das Wort
„dasselbige" wieder aufgenommen und als das Seiende charakte-
risiert, indem es heifst: „Dasselbige war das Seiende" (Gh^nd. 3,
19) 1); auch wäre sonst -das Wort „war'* nicht statthaft, da ein
Nichtsciendes weder mit einer vergangenen noch mit einer zu-
künftigen Zeit als verbunden gedadit werden kann. Ebenso an
der andern Stelle: „fürwahr nichtseiend war dieses zu Anfangt*
(Taitt. 2, 7), kommt im weiteren Verlaufe die Bestimmung vor:
„dieses machte selber sich selbst", woraus folgt, dafs hier nicht
ein absolutes Nichtsein gemeint sein kann. Somit bedeutet jene
Bezeichnung der Wirkung vor ihrem Ursprünge als das Nicht-
seiebde nur eine Verschiedenheit der Qualitäten. Gewöhnlich näm-
lich versteht man unter dem Worte „das Seiende" das in Name
und Gestalt ausgebreitete Ding; und darum heifst es in uneigent-
lichem Sinne, dafs die Wirkung vor ihrer Ausbreitung zu Namen
und Gestalten gleichsam ein Nichtsciendes gewesen sei.
18. yukteh, gabda-antaräc ca 46i
wegen der Richtigkeit, und wegen eines andern
Schriftwortes.
Auch „wegen der Richtigkeit" crgiebt sich das Dasein der
Wirkung vor ihrem Ursprünge, sowie ihre Identität mit der Ur-
sache, und auch „wegen eines andern Schriftwortes". Zunächst
also wollen wir die Richtigkeit abhandeln.
Wenn man saure Milch, Gefäfse oder Geschmeide haben will,
greift man, wie allbekannt, zu Milch, Thon und Gold als ihren
speciell bestimmten Ursachen ; wer saure Milch haben will , der
gebraucht nicht den Thon, wer Gefafse haben will, nicht die Milch.
Dieser Umstand wird bei der Behauptung, dafs die Wirkung ein
Nichtsciendes gewesen sei, unerklärlich. Denn wenn alles überall
vor seinem Ursprünge ein unterschiedloses Nichtsciendes ist, wie
kommt es, dafs gerade aus der Milch die saure Milch entsteht,
und nicht aus dem Thone, und dafs gerade aus dem Thoue das
19*
292 ClftrtTAlu^iiilin&ü8&
GeftTs entsteht und nicht ans der Milch? Man könnte sagen:
^urenn auch vorher ein unterschiediosefl Nichtsein [der Wirkung]
^iat, Bo liegt doch in der Milch ein gewisses Hinaasweisen (a<f*
*^|fii) auf die saure Milch, welches dem Thone abgeht, und wie-
«denun in dem Thone ein gewisses Hinausweisen auf das Oef&fs,
^welches der Milch abgeht.* Nun, dann folgt eben aus dieser
dem Uraustande eigenen Hinausweisung Über sich selbst, dafs die
Behauptung iron dem Nichtsein der Wirkung aufkugeben, und die
469 Behauptung von dem Sein der Wirkung erwiesen ist; | und das
Kraftverm5gen {fakH)y welches man der Ursache, um der notwen«
digen Bestimmtheit der aus ihr hervorgehenden Wirkung willen,
beilegen muTs, dieses Kraftvermögen könnte, wenn es ein anderes
wäre oder gar nicht wäre, die Wirkung in ihrer notwendigen Be-
stimmtheit nicht bedingen, wegen der Unterschiedslosigkeit des
NichtBeins und wegen der Unterschiedslosigkeit des Andersseins.
Es mufs alsa ein solches der Ursache eigentümliches Kraftvermö-
gen geben, und aus diesem Kraffcvermögen mufs die ihr etgentüm-
liche Wirkung hervorgehen.
Auch daraus femer, dafs man an der Ursache und ihrer Wir-
kung, an der Substana und ihren Qualitäten u« s. w., eine Tren*
nung, wie sie s. B. awischen dem Pferde und dem Ochsen be*
steht, nicht wahrnimmt, mufs man die Einwesentliehkeit beider
folgern.
Auch bei Annahme einer Inhärenz [s«i»Mi94y0f der Wirkung
in der Ursache, a. B. des Tuches in den Fäden] müfiite man doch
annehmen, dafs diese Inhärenx mit den Inhärenaträgem [Ursache
und Wirkung] eme Verknüpfung (aapibandlia) habe; damit diese
Verknüpfung möglich würde, müfste man eine andere und für
diese wieder eine andere VerknÜpfong annehmen und so ins Un-
endliche fort; * nimmt man hingegen keine solche TorknÜpfung an,
so fallen beide [Inhärenz und Inhärenzträger] auseinander. Oder
soll die Inhärenz selbst von verknüpfnngsartiger Natur sein,
ao dafs sie ohne Hülfe einer besonderen Verknüpfung stdi [mit
den Inhärenzträgem] verknüpft? Dann kann auch eine blolse
Verbindung [satfiifogay der Olieder der Ursache, z. B. der Fä-
den} von verknüpfungsartiger Natur sein und ohne Hülfe der
463 Inhärenz | sich selbst verknüpfen, und da man [in diesem Falle]
volle Identität zwischen der Substanz und ihren Zuständen [z. B.
zwischen den Fäden und dem Tuche] annimmt, so wird die ganze
Annahme der Inhärenz überflüssig. — Wie soll man sich femer
vorstellen, dafs die Wirkung als die gliederhäbende Substanz [das
Tuch] in den Ursach^i als Gliedersubstanzen [den Fäden] sich
befinde? Soll sie sich in der Gesamtheit der Olieder befinden
oder in jedem einzelnen Gliede? Gesetzt zunächst, sie befände
sich in der Gesamtheit der Glieder: so würde folgen, dafs das
Gliederhabende unwahmehmbar wäre, da es unmöglich ist, die
Sfttram IL i. 18. 298
Gesamtheit der Glieder [im appercipierenden Bewuiatsein] sä-
sammenzufassen. Denn eine Vielheit, die in den gesamten Sitsen
steckt) kann nicht durch Apperception einer Anzahl dieser Sitae
appercipiert werden. Öder soll die Wirknng gliederweise in den
gesamten Gliedern stecken [in jedem Gliede der Ursache ein Glied
der Wirkung]? Auch dann [tritt ein regresw» m mfinitum ein;
denn dann] mafs man üher die ursprünglichen Glieder [der Wir-
kung] hinaus weitere Glieder dieses Gliederhabonden annehmen,
damit es mittels dieser Glieder in den arsprunglichen Gliedern
[der Ursache] gliederweisc enthalten sein könne; denn das £chwert
kann in der Scheide nur stecken, sofern es Glieder besitzt, welche
über die Glieder der Scheide binansliegen , und somit würde der
regresaus in infinitum eintreten, denn damit ein Glied der Wir-
kung in einem Gliede der Ursache stecken kann, mufs man immer
wieder neue und neue Glieder [sowohl der Wirkung als der Ur-
sache] annehmen [jedes Glied der Ursache befafst einen Teil der
Wirkung; jeder solcher Teil besteht aus einer Vielheit von Teil-
chen, deren jedes wieder von einem Gliede der Ursache befafst
werden mnfs, und so ins Unendliche fort]. — Oder soll sich [die
ganze Wirkung] in jedem einzelnen Gliede [der Ursache] befinden ?
Dann mnls sie, sofern sie sich an einem Teile beth&tigt, an dem
andern sich nicht - bethätigen. Denn sofern sich. Devadatta au
^mghna befindet, kann er sich nicht selbigen Tages auch zu P&-
taliputram | befinden; denn wäre er gleichzeitig an mehreren 464
Orten, so wäre er nicht einer, sondern mehrere, wie Devadatta
und Yaj&adatta, von denen der eine in ^rughna, der andere m
Pätaliputram wohnt. Wollt ihr euch vielleicht dadurch verteidi-
gen, dafs ihr sagt, die Wirkung werde in jedem einzelnen [Gliede
der Ursache] so befafst wie die Kuh-Species [in jedem Kuh-Indi-
viduum]? so ist das nicht zulässig, weil dann die Erkenntnis [der
Wirkung] nicht erfolgen würde. Denn würde die gliederhabende
Wirkung, ähnlich wie die Kuh-Species [in den Individuen], in
jedem einzelnen [Gliede der Ursache] befafst, so müfste, ebenso
wie das Kuh-Sein in jedem Individuum durch Wahrnehmung er-
fafst wird, auch die gliederhabende [Wirkung, z. B. das Tuch] in
jedem einzelnen Gliede [der Ursache, z. B. in jedem' Faden] durch
Wahrnehmung erfafst werden können; dieses aber ist nicht not^
wendig der Fall. Würde femer [die ganze Wirkung] in jedem
einzelnen Gliede [der Ursache] befafst, so müfste man, weil es
die Aufgabe ist, das gliederhafte Ganze als die Wirkung zu er-
fassen, dieses aber eine Einheit bildet, durch das Hom zugleich
auch aoffasseu können was Wirkung des Halses, dturch die Brust
was Wirkung des llückcni< itit; das aber widerspricht der Er-
fahrung.
I Femer würde, wenn die Wirkung vor ihrem Ursprünge ein 466
Kichtseiendes wäre, der Ursprung keinen Entspringer haben und
294 Q^raka-mtm&nsft
somit wesenlos sein. Nämüch der Ursprung ist doch eine Tbat;
diese aber moTs einen Tbäter haben, wie die Handlungen des
Gebens u. s. w.; denn eine That zu sein und keinen Tbäter zu
haben, das ist ein Widerspruch. Wenn es sich 2S. B. um den Ur-
sprung eines Gef&ises handelt, und man nicht zugeben will, dafs
derselbe das Gefäfs zum Thater [nämlich zum Entspringer] hat,
so müfste ein anderer Tbäter £tlr denselben angenommen werden;
und ebenso müTste, wo es sich um den Ursprung von Trink-
schalen u. 8. w. handelt, wiederum ein anderer Thater angenommen
werden. Soll dem so sein, so wäre, wenn man sagte: „das Ge-
„fäfs entspringt", damit gesagt, dafs der Töpfer oder die sonstige
Ursache entspränge; die Erfahrung aber lehrt, dafs, wenn von
einem Entspringen des Gefäfses die F<ede ist, nicht das Ent-
spruugensein des Töpfers u. s. w. verstanden werden darf, indem
ja auch der Augenschein zeigt, dafs dieser schon entsprungen
war. — Oder meint ihr, dafs der Ursprung und der Empfang
einer Wesenheit für die Wirkung nur darin bestehe, dafs sie mit
dem Sein ihrer Ursache verbunden werde? Dann müssen wir fra-
gen, wie denn etwas mit einem andern verbunden werden kann,
wenn es noch gar keine Wesenheit ]>esitzt? Denn nur zwischen
zwei Seienden ist eine Verbindung möglich, nicht aber zwischen
einem Seienden und einem Niohtseienden , ■ oder zwischen zwei
Nichtseienden. Und da ferner ein Nichtsoiendes nifht wahrnehm-
bar ist, so ist auch die Grenze, welche man ihm giebt, indem
man sagt „vor dem Ursprünge", unstatthaft. Denn nur ein Seien-
des, z. B. ein Feld oder ein Haus, hat eine Girenze, nicht aber
ein Nichtseiendes; denn wenn ich sage: kein Sohn einer Unfi'ücht-
baren war vor der Thronbesteigung des Püniavai*man König, ro
iÜ6 habe icli durch diese Grenzbestimmung | nicht behauptet, dafs djr
unvorstellbare Sohn einer Unfruchtbaren jemals König gewesen
sei, sei oder sein werde. Ja, könnte der Sohn einer Unfrucht-
baren infolge der Bemühung ■ eines Thäters entstehen, dann wäre
auch jene [von uns bestrittene] Annahme möglich, dann könnte
auch das Nichtsein der Wirkung infolge der Bemühung eines
Thäters zu einem Sein werden. Wir aber sagen so: weil der
Sohn einer Unfruchtbaren und das Nichtsein der Wirkung beide
in gleicher Weise nicht existieren, darum kann, so wie der Sohn
einer Unfruchtbaren infolge der Bemühung eines Thäters nicht
seiend werden kann, ebenso auch das Nichtsein der Wirkung in-
folge der Bemühung eines Thäters nicht seiend werden.
^Aber wird, wenn dem so ist, die Bemühung des Bewirkers
•nicht überflüssig? Denn so wie sich für die Ursache niemand zu
^bemühen braucht, damit sie ihr Wesen habe, weil sie es schon
Worher hatte, ebenso brauchte sich dann auch niemand zu be-
*mühen, damit die Wirkung ihr Wesen habe, weil sie, zufolge
*ihrer Identität mit der Ursache, es schon vorher hatte; nun aber
Sfttram II. i. 18. 295
'bemüht man sich um die Wirkung; folglich müssen wir, damit
*die Bemühung des Th&ters einen Zweck habe, da^ Nichtsein der
'Wirkung vor ihrem Ursprünge annehmen.* — Aber das ist nicht
notwendig; denn die Zweckmäfsigkeit der -Bemühung des Thäters
liegt darin, dafs er die Ursache zu der Gestalt dei Wirkung um-
stellt. I Übrigens aber war auch diese Gestalt der Wirkung be- 467
reits in dem Wesen der Ursache miteinbegrifl'on , denn was in
diesem Wesen nicht schon einbegriffen war, das kann, wie bereits
bemerkt wurde, auch keinen Anfang nehmen. Aber dai'aus, dafs
man einen Unterschied wahrnimmt, folgt noch nicht, dafs das
Bing ein verschiedenes sei. Denn wenn Devadatta Arme und
Beine zusammenschlägt oder Arme und Beine ausstreckt, so wird
er durch diesen an ihm wahrgenommeneu Unterschied nicht zu
einem andern Dinge, denn man erkennt ihn als denselben wieder;
und ebenso werden Väter u. s. w., wiewohl sie täglich in ver-
schiedenen Zuständen sich befinde'h [sofern sie anderseits Söhne u. & w.
sind], dadurch nicht zu andern Dingen, denn man sagt, „es ist
„mein Vater, meine Mutter, mein Bruder^', erkennt sie somit als
dieselben wieder.
Behauptet ihr, dafs^ dieses [Behan*en der Substanz beim Wech-
sel der Zustände] nur hier und da, sofern sie [die Substanz] durch
das Entstehen und Vergehen (lies: janrnfi-uccheda^) nicht unter-
geht, zutreffe, in andei'n Fällen aber nicht, so bestreiten wir dies,
weil der Augenschein lehrt, dafs auch z. B. bei der Milch die
saure Milch [nur] ein [besonderer] Forrazustand derselben ist.
Auch bei Dingen, die sich der Beobachtung entziehen, z. B. bei
den Kernen des Feigenbaumes, steht es so, dafs, wenn sie durch
andere gleichartige Teilchen verstärkt werden und dadurch als
eine Pflanze in den Bereich der Wahrnehmung treten, dieses Ent-
stehung genannt wird, und wenn sie infolge des Schwindens eben
jener Teilchen unwahmehmbar werden, man dieses Vergehen nennt.
Wenn wegen eines derartigen Verborgen seins des Entstehens und
Vergehens | angenommen würde, dafs ein Nichtseiendes zum Seien- 468
den und ein Seiendes zum Nichtseienden werden könne, so würde
folgen, dafs der Mensch, wie ei* im Mutterleibe weilt, und wie
er [nach der Geburt] ausgestreckt daliegt, nicht derselbe sei; es
würde folgen, dafs man in der Kindheit, Mannheit und im Greisen-
alter nicht derselbe sei; ja es würde folgen, dafs die Thätigkeiten
der [anderseits Söhne seienden] Väter u. s. w. keine Kontinuität
hätten. Dies ist auch der Punkt, von welchem aus man die
[buddhistische] Theorie von der Augenblicksvemichtung zu wider-
legen hat.
Wer hingegen die Wirkung vor ihrem Ursprünge für ein Nicht-
seiendes hält, für den folgt, dafs die Thätigkeit des Bewirkers
kein Objekt hat; denn ein Nichtsein kann nicht Objekt sein, weil
es [mit einer auf ein solches gerichteten Thütigkeit] stehen würde,
296 QMraka-mlBiääsi
wie wenn man Sohwetter und allerlei andere WalFen dasra Ter-
wendete, die Loft cu durdihaaen. Oder soll das Bemühen de«
Thftters zum Objekte die Ursache als den Trftger der InhArens
haben? Dann wttrde das Bemühen des Thäters ein anderes Ob-
jekt [als die beabsiohtigte Wirkung] haben; es mflfete somit auch
etwas anderes als sie [aus diesem Bemühen] hervorgehen können,
woraus auviel folgen würde [nftmlidi wohl: dafs alles aas allem
werden könnte]. Oder soU die Wirkung ein Hiuausreichen der
Ursache, der sie inh&rierty Über sich selbst sein? Aach das geht
nicht, denn dann w&re die Wirkung schon da [und brauchte nidit
erst bewirkt zu werden].
Es steht also so, dafs die Substanzen selbst, z. B. die Mileh,
durch das Dasein als saure Milch n. s. w. fortbestehen und dabei
den Namen der Wirkung annehmen, und dafs man sich nicht den-
ken kann, dafs die Wirkung von der Ursache rerschicden sei,
und wenn man hundert Jahre darüber grübelte. Und da es die
Wurzelursache, ist , welche bis zur letzten Wirkung hin in Gestalt
dieser und jener Wirkung wie ein Schauspieler ,in allen möglichen
Bollen auftritt, so folgt daraus „wegen der Richtigkeit", dafs die
469 Wirkung | vor ihrem Ursprünge seiend und mit der Ursache iden-
tisch ist.
Eben dasselbe folgt aber auch „wegen eines andern Sehrift-
„wortes". Im vorigen S&tram war von dem Verfeehter des Nidii-
seienden ein Schriftwort citiert worden; darum heifst ein von die-
sem verschiedenes, das Seiende lehrendes, Sohrifbwort „ein anderes
„Schriflwort*S welches lautet: „seiend nur, o Teurer, war dieses
„zu Anfang, eines nur und ohne Zweites** und weiter: „da sagen
„nun einige, nichtseiend nur sei dieses zu Anfang gewesen*'; hier
berührt die Schrift die Meinung von dem Nichtsein [der Wir-
kung], und nachdem sie dieselbe durch die Worte: „wie kannte
„aus dem Niohtseienden das Seiende entstehen" verworfen hat, ao
sagt sie bentütigend weiter: „seiend nur, o Teurer, war. dieses zu
„Anfang" (Ghänd. 6, 2, 1 — 2). Hier wird von der Schrift die mit
dem Worte „dieses" bezeidinete Wirkung vor ihrem Ursprünge
mit der durch das Wort „seiend" bezeichneten Ursache zur Ein-
heit eines Satzes verbunden, woraus sich das Sein [der Wirkui^]
und ihre Identität [mit der Ursache] ergiebt. W&re hingegen die
Wirkung vor ihrem Ursprünge ein Nichtseiendes, welches erst
nachher, nachdem es entsprungen , der Ursache inhäriertet ^^ wftre
die Wirkung von der Ursache verschieden, und dann würde die
Verheifsung der Worte: „wodurch das Ungehörte ein schon 6e-
„hörtes wird" (ChUnd. 6, 1, 3) nicht erfüllt werden; nimmt man
aber das Sein [der Wirkung] und ihre Identität [mit der Ursache]
an, bo geht diese Verheifsung [dafs in dem einen alles erkannt
werden solle] in Erfüllung.
Sfttnm n. L 19. 297
19. pafavac ca 47o
und wie ein Tach.
Es steht damit y wie wenn ein zuBammeng^wickeltea Tuch nicht
deutlich erkannt wird, ob ^ ein Tuch oder ob es ein anderes
Ding ist; wird dasselbe aber auseinandergebreitet, so wird das
zusaauuengewickelt gewesene Ding als ein Tuch durch die Aus-
einanderbreitung offenbart und erkannt; — oder wie wenn man
zur Zeit der Zusammenwicklung zwar erkennt, dafs es ein Tuch
ist, nicht aber seine bestimmte Länge und Breite, zur Zeit der
Attseinanderbreitung aber auch die bestimmte L&nge und Breite
als die eben desselben Tuches, weil das Tuch von dem vorher
Zusammengewickelten nicht verschieden ist. — - So ist auch die
Wirkung des Tuches in ihrem Zustande der Ursache als Fäden
des Games nicht offenbar, nachdem es aber durch die Bemflhun*
gen von Weberschiff, Webstuhl und Weber entfaltet ist, so wird
es als offenbar erkannt. — Somit wird nach der Analogie mit
dem ansammengewickelten Tuche und dem auseinandergebreiteten
Tuche die Wirkung als mit der Ursache identisch erkannt; das
ist der Sinn.
20. yathd ca präna-^ädi
und wie der Einhauch u. 8. w.
Und gleidiwie iu der Erfahrung, wenn die verschiedenen Arten
des Odems, das Einhauchen^ Aushauchen u. s. w., durch Anhaltoa
des Odems unterdrückt werden und; allein in der Gestalt ihrer
Ursache fortbestehend, nur das Leben als Wirkung hervorbringen,
nicht aber lie übrigen Wirkungen des Einziehens und Auslassens
[der Luft], dann aber eben diese Unterarten des Odems, wenn
sie vor sich gehen, auch auTser dem Leben die übrigen Wirkungen
des Einziehens und Auslassens | hervorbringen, — und wie dabei 471
die Unterarten des Odems mit dem in sie geteilten Odem iden-
tisch sind, sofern sie ohne Unterschied die Eigenschaft haben, die
Kdrperbelebung zu veranlassen, — ebenso ist auch die Wirkung
mit der Ursache identisch. Somit folgt, weil die ganze Welt eine
Wirkung des Brahman und mit ihm identisch ist, dafs das Yer-
sprech^i der Schrift erfüllt ist, welches sie gab, [wenn sie Be-
lehrung verhiefs über 'dasjenige:] „wodurch [auch] das Ungehörte
„SU einem [schon] Gehörten wird, das Unverstandene zu einem
„[schon] Verstandenen, das Unerkannte zu einem [schon] Erkann-
,,ten<' (Ch4nd. 6, 1, 3).
298 (;;ftriraka*mlin&&8lk
Siebentes Adhikaranam.
21. ^üara ' V'ifapadegddd kita-(dcarana-ddi'do$ha^
'weil sie den andern [als ihn] bezeichnet, [ist] Eintritt
'des Fehlers, dafs er das ihm Gute nicht schaffe u. s. w.
'[und das ihm Schädliche schaffe].'
Wiederam wird die Lehre, dafs das Geistige die Weltarsache
sei, in anderer Weise angegriffen. 'Nimmt man nämlich an, dafs
'die Anordnung der Welt von dem Geistigen ausgehe, so treten
'die Fehler ein, dafs dasselbe das ihm Gute nicht hervorgebracht
'und [das ihm Schädliche hervorgebracht] habe. Warum?, „weil
'„sie den andern [als ihn] bezeichnet". Nämlich der andere, d. li.
'die verkörperte Seele, wird von der Schrift als Braliman be-
'zeichnet, wenn sie lehrt: „das ist die Seele, das bist du, o ^ve-
'„taketu" (Chänd. 6, 8, 7); — oder auch: der andere, nämlich
'das Brahman, wird als die verkörperte Seele bezeichnet, denn es
'heifst: „nachdem er dieses geschaffen, so ging er in dasselbe ein"
'(Taitt. 2, 6) ; hier wird von dem Schöpfer selbst, nämlich dem un-
'erschaffenen Brahman gelehrt, dafs es zufolge seines Eingehens
'in die Weltwirkung das Wesen der verkörperten Seele ausmache;
'und auch wenn es heifst: „ich will mit diesem lebenden Selbste
'„in sie eingehen und auseinanderbreiten Namen und Gestalten"
'(Chänd. 6, 3, 2), so bezeichnet hier die höchste Gottheit die in-
47*2 »dividuelle Seele als ihr Selbst | und giebt dadun^h mvl verstehen,
'dafs die verkörperte Seele von Brahman nicht verschieden ist.
'Hieraus folgt, dafs die dem Brahman beigelegte Schöpferthätig-
'keit eine solche der verkörperten Seele ist; dann aber hätte diese,
*da sie der freie Weltschöpfer ist, nur dasjenige hervorbringen
'müssen, was für sie selbst gut und lustbereitend ist, nicht aber
'das Übel, nämlich den Komplex von Geburt, Tod, Alter, Krank-
'heit und mancherlei anderem Unheile. Denn niemand, der nicht
'von einem andern abhängig ist, baut für sich selbst ein Gefang-
'nis und geht in dasselbe ein. — Auch läfst sich nicht annehmen,
'dafs der absolut Fleckenlose in den befleckten Leib mit seinem
'Selbste eingegangen sei, hätte er es aber auch allenfalls gethan,
'so würde er doch [in der Folge] dasjenige, was ihm Leiden bringt,
'aus freien Stücken aufgeben und das, was ihm Lust bereitet, sich
'verschaffen. Auch müfste er sich daran erinnern, dafs er es ist,
* welcher diese mannigfache, bunte Welt geschaffen hat; denn jeder,
'der etwas gemacht hat, ist sich doch dessen bewufst, dafs er es
Sütram IL i. 21. 299
'gemacht bat. Und wie ein Zauberer das von ilun selbst aus-
'gebreiteie Blendwerk aas freien Stueken und ohne Mühe wieder
4u sich zurückzieht, so würde auch die verkörperte Seele diese
'WeltscUöpfung wieder in sich zurückziehen. Nun aber kann die
'verkörperte Seele nicht einmal ihren eigenen Leib ohne Mühe
^wieder in sich zurückziehen. Deswegen, also weil nicht ersichtlieh,
'dafs sie das ihr Gate geschaffen habe u. s. w., ist es unrichtig
^anzunehmen, dafs von der geistigen Seele die Anordnung der
•Welt herrühre'; — so meint der Gegner.
22. adhikam tu, hheda- nirdefat
vieiraehr das erhabeue, wegen Aufzeigiing der
Verschiedenheit.
Das Wort „vielmehr" wehrt der Meinung dea Gegners; es ist
vielmehr das allwissende, allmächtige, seiner Natur nach ewige,
reine, weiso, freie Bruhman, das über die verkörperte Seele er-
haben und von ihr verschieden ist, welches wir für da& welt-
schaffende Wesen erklären. | Auf dieses aber treffen die Fehler 473
nicht zu, daffl es das für sich Gute nicht hervorgebracht habe u. s. w.;
denn nichts ist für dieses gut, so dafs es dasselbe hervorbringen,
oder übel, so dafs es dasselbe vermeiden sollte, weil es das ewig
fvon Gutem und £ösem] Freie ist. Auch giebt es für dieses
Wesen keine Scliranke der Erkenntnis noch irgend eine Schranke
seiner Macht, weil danselbe allwissend und allmächtig ist. Die
verkörperte Seele hingegen ist nicht von dieser Art; auf sie passen •
[na zu streichen] die Vorwürfe, dafs sie das für .sie Gute nicht
hervorgebracht habe; diese aber erklären wir auch gar nicht für
den Schöpfer der Welt. Woher das? „wegen Aufzeigung der Ver-
„schiedenheit"^ denn es heifst: „den Atman fürwalu* soll man se-
„hen, soll man hören, soll man verstehen, soll man überdenken^'
(Brih. 2i 4, 5); — „den soll man erforschen, den soll man suchen
„zu erkennen" (Chllnd. 8, 7, 1); — „alsdenn ist er, o Teurer, eins
„geworden mit dem Seienden" (Chand. 6, 8, 1); — „das körper-
„liche Selbst von dem erkenntnisartigen Selbste belastet" (Brih. 4,
3, 35). In Stellen wie diesen haben wir eine Aufzeigung der Ver-
schiedenheit von dem Thäter und seinen Werken u. s. w. , welche
beweist, dafs das Brahman höher steht als die individuolle Seele.
— *Aber lieget nicht in Worten wie: „das bist du" (Chand. 6, 8, 7)
^ebenfalls eine Aufzeigung der NichtverschiedenheitV Wie können
*also Verschiedenheit und Nichtverschiedi-nlieit im Widerspruche
^miteinander bestehen?' — Dies ist kein Fühler, denn wir haben
wiederholt dargethan, dafs beide ebenso julteiiiaiider bestehen wio
300 ^Mraka-mtm^8&
der Weltraum und der Banm in den Geftlaen. Weiter aber ist
ea sagen: nachdem durch die Aufceigang der Nichtveradiiedenheit
mittels solcher Worte wie: „das bist du*', die Nichtverschieden-
heit sum BewoTstsein gekommen ist, so ist das gaa^e Wanderer-
sein der individuellen Seele und das Schöpfersein des Brahmah
▼erschwunden, indem das gesamte, aus der falschen Erkenntnis
herausklaffende, Trüben der Vielheit durch die vollkommene Er-
kenntnis niedergeschlagen worden ist. Woher sollte da eine Schö-
pfung kommen und woher die Beschuldigung, das ibm Gute nicht
barvoigebraeht au haben? Denn der ganze Saqis&ra, wie er als
seine Herkmale das Thun des Guten und des Übeln hat, ist eine
durch Nidituntersoheidung der Up&dhi's (Bestimmungen), — wie
sie, hervorgebracht durch das Nichtwissen, in dem aus Namen und
Oestaltefi gebildeten Aggregate der Werkzeuge des Wirkens be*
474 stehen, — bewirkte Täuschung, | welche ebenso wie der Wahn
der Spaltungen und Trennungen durch Geburt und Tod im Sinne
der höchsten Realit&t nicht existiert. Solange aber das vielheit-
liche Treiben noch nicht niedergeschlagen ist, wird durch Auf-
zeigung dw Vielheit in Worten wie: „den soll man sudien au
„erkennen '* (Ch&nd. 8, 7, 1) das Erhabensein des Brahman [über
die individuelle Seele] erkannt, welches die Möglichkeit der Be-
schuldigung, das ihm Gute nicht vollbracht zu heä>en, ausschliefst.
23. ctoma-ädi-vac ca tad-anupapatHk
auch wie bei Steinen u. 8. w. ist ünzutreffendheit
derselben.
Und gleichwie in der Eiiahrung unt^r den Steinen, obwohl
sie darin gleich sind, dafs sie alle ans der Erde stammen, einige
sehr kostbare Edelsteine sind, wie der Diamant oder Beryll ^ an-
dere von mäfsigem Werte, wie der SüryakÄnta-Stein , andere end-
lich gemeine Steine, die nur wert sind, dafs man sie den Hunden
und Kr&hen hinwirft, so dafs unter ihnen eine mannigfache Ver-
schiedenheit stattfindet; — und gleichwie man an den Samenarten,
obwohl sie alle in der Erde Wurzel schlagen, eine mannigfache
Verschiedenheit an Blatt, Blüte, Frucht, Geruch, Geschmack u. s. w.,
vom Sandelholze bis zur Gurke herab, wahrnimmt; — und gleich-
wie aus dem Speisesafte, der doch einer ist, das Blut u. s. w. und
die Nägel, Haare u. s. w. als mannigfache Wirkungen entspringen,
475 — so ist auch bei dem Brahman, wiewohl es eines ist, | die Be-
sonderheit der individuellen und der erkenntnisartigen (pröjüa)
Seele, sowie auch die Mannigfaltigkeit der Wirkungen möglich;
SMnm n. I. 2B. SOI
«iid darum ist „Unsutreffendheit derselben'% d. b.'die von den Geg-
nern erhobenen Einwürfe sind nicht zutreffend. Zum Überflüsse
wollen wir daran erinnern , dafs die Schrift hier Autorit&t ist, dafs
die Umwandlung nur an Worte sich klammert, und dafs es damit
steht wie mit der Mannigfaltigkeit der im Traume gesehenen
Zust&nde.
Achtes Adhikarctna$n.
24. upasamhAra-darganän na! iü cen? na! kshira-
vadd Ju
weil man ein Hinzunehmen [von Werkzeugen] bemerkt,
nicht, meint ihr? — Nein! denn es ist wie bei der
Milch.
'Die Behauptung, dafs das geistige, eine und aweitlose Brah-
*man die Ursache der Welt sei, ist unrichtig; warum? „weil
S^man ein Hinzunehmen [Ton Werkseugen] bemerkt '^ N&mlieh aus
^der Erfahrung ersieht man, wie die Töpfer, [Weber] u. s. w.,
^wenn sie Gefäfse, Tuche u. s. w. machen wollen, yermdge eines
^Hinaunehmens mannigfaltiger mitwirkender [Dinge], wie Thon,
*8tab und Rad, oder Fäden u. s. w., sich mit Hülfsmitteln ver-
aschen, um diese oder jene Wirkung zu vollbringen. Vom Brah-
'man aber nimmst du ja an, dafs es ohne Gefährten ist; wie kann
'also, da demnach keine Hinzunahme weiterer Mittel bei ihm mög-
^lich ist, seine SchÖpferthätigkeit vor sich gehen? £s geht somit
*nicht an, dafs das Brahman die Ursache der Welt ist.' — Dieser
Einwurf trifft nicht zu, weil [die SchÖpferthätigkeit des Brahman]
vor sich geht „wie bei der Milch *S nämlich vermöge der be-
stimmten Natur der Substanz. Denn wie in der Erfahrung Milch
oder Wasser sich aus sich selbst zu saurer Milch oder Eis um-
wandelt I ohne Beihtilfe eines äufseren Mittels, so muls es auch 476
hier sein. — ^Aber die Milch nimmt doch auch, um sich in saure
'Milch zu verwandeln, äufsere Mittel, z. B. die Wärme, zur Hülfe;
'wie kann also gesagt werden, dafs es sei „wie bei der Milch"?'
— Damit hat es nichts auf sich; denn auch hier ist es doch
immer die Milch selbst, welche jede, wenn auch noch so grofse,
Umwandlung erfährt, nur dafs ihr Werden zu saurer Milch durch
die Wärme u. s. w. befördert wird. Hätte die Milch nicht in sich
selbst die Fähigkeit, zu saurer Milch zu werden, so würde sie
302 Q&riraka-mlmftftsa
auch nicht durcK die Warme u. s. w. sich zwingen lassen, sanre
Milch zu werden. Denn der Wind z. B. oder der Äther läfst
sich nicht durch die Wärme u. s. w. dazu zwingen, saure Milch
zu werden. Das Hinzutreten von Hülfsmitteln dient also nur zur
YervoUständigujig [der Bedingungen]. Das Brahman hingegen -ist
ganz mit Kräften erfüllt und hedarf nicht irgend eines andern zu
seiner Yervollständigung. Auch sagt darüber die Schrift (^et. 6, 8):
,,Nlcht giebt bei ihm es Wirkung oder Werkzeug,
„Nicht hat er seines Gleichen oder Hohem.
477 I „Sein höchstes Erafttum lehrt die Schrift als rielfach ,
„Ihm eingeboren, Macht und Wissen wirkend."
Weil also das Brahman, obschon es eines ist, mit mannigfachen
Kräften verbunden ist, so sind die mannigfachen Umwandlungen
desselben, „wie bei der Milch'*, u. s. w. möglich.
25. deva-ädi-vad api lohe
auch ist es wie bei Göttern u. s. w. in der Erfahrung.
'Zugestanden, dafs die Milch und anderes, welches ungeistig ist,
'erfahrungsmäfsig ohne äufsere Hülfsmittel zu saurer Milch n. s. w.
'wird, so zeigt doch wiederum die Erfahrung, dafs geistige Wesen,
'wie z. B. der Töpfer, nur mit Hülfe einer Reihe von Mitteln ihre
'bestimmte 'Wirkung vollbringen; nun ist das Brahman ein Oeisti-
*ges; wie kann es also ohne Gehülfen wirksam sein?' — Wir
antworten: „es ist wie bei Göttern u. s. w."; wie nämlich nach
der Erfahrung Götter, Ahnen, Rishi's und andere wunderthfitige
Wesen, obwohl sie geistig sind, ohne irgend ein äufseres Hülfs-
mittel vermittelst ihrer besonderen Herrschaftlichkeit durch das
blofse Denken daran aua sich selbst viele und vielfach geartete
Leiber, Häuser, Wagen u. s. w. erschaffen, wie dies die Man^a's
und Arthavada's, die epischen und mythologischen Gedichte bo-
zeugen; — oder wie die Spinne aus sich selbst die Fäden heraus-
läfst, wie das Kranichweibchen auch ohne Befruchtung schwanger
479 wird, | wie die Lotosblume auch ohne irgend ein Mittel der Fort-
bewegung sich aus einem Teiche in den andern fortpflanzt, -<- so
mufs auch das, wenn schon geistige, Brahman ohne irgend ein
äufseres Hülfsmittel aus sich selbst die Welt erschaffen. — Man
könnte einwenden: 'die Götter u. s. w., die du da bei dein Brah-
'man als Beispiele anführst, sind mit dem Brahman in dem Punkte,
'worin du sie mit ihm vergleichst, nicht gleicher Natur; denn es
'handelt sich bei den Göttern u. s. w. dabei nur um ihren un-
'geistigen Leib; dieser nur ist das Material zur Hervorbringung
Satram II. i. 25 303
'anderer Leiber durch ihre Wundermacht, nicht aber ihre geistige
*Seele; und was ferner die Spinnen betrifft, so erzeugen sie durch
* Verzehren kleiner Thiere einen Speichel, welcher, in festen Zu-
'stand übergehend, zum Faden wird; und auch das Kranich Weibchen
^empfangt dadurch, dafs es den Ton des Donners hört; und die
^Lotosblume zieht sich doch nur, weil sie mit einem Geistigen
'[einer Seele] verbunden ist, mit ihrem allerdings ungeistigen Leibe
'aus einein Teiche in den andern hinüber, so wie auch die Schling-
'pflanze sich um den Baum herumzieht, nicht aber kann sie für
'sich allein, als etwas üngeistiges, das Hinüberziehen aus einem
'Teiche in den andern bewerkstelligen. Somit passen diese Bei-
'spiele auf das Brahman nicht/ — Hierauf ist zu erwidern, dafs
das nichts ausmacht, weil es uns nur darauf ankommt, die Wesens-
verschiedenheit des Brahman vpn den als Beispielen gebrauchten
Töpfern u. s. w. [welche nur mittels ihrer Werkzeuge schaffen]
hervorzuheben. Denn wie von den Töpfern u. s. wl und von den
Göttern u. s.w., obwohl beide geistig sind, die Töpfer u. s.w.,
um ihre Wirkung zu vollbringen, ein äofseres Mittel benutzen,
nicht aber die Götter u. s. w., — ebenso braucht auch | das Brali- 479
man, wiewohl es ein Geistiges ist, ein ftufseres Mittiel nicht zu
benutzen; das war es nur, was wir nrit unserer Heranziehung der
Götter u. s. w. sagen wollten. Was somit für* den einen möglich
ist, das braucht es darum bicht unbedingt für alle xa seinj das
ist unsere Meinung.
Neuntes Adhikaranatn.
»
36. kritsna-prasaktir, niravayavatva-Qabda'kopo vd
[Umwandlung] des ganzen tritt ein, oder Erschütterung
des Schriftwortes von der Gliederlosigkeit.
Wir haben bewiesen, dafs das geistige, eine, zweitlose Brah-
man, so wie die Milch u. s. w. und so wie die Götter u. s. w.,
ohne Benutzung eines aufseren Hülfsmittels durch Umwandlung
seiner selbst die Welt hervorbringt. Um jedoch den Inhalt der
Schriftlehre noch mehr ins Klare zu setzen, bringt der Lehrer
einen neuen Einwurf zur Sprache, welcher lautet: S, [Umwandlung]
^,des Ganzen tritt ein 'S d. h. jenes ganze Brahman müfste von
*der Umwandlung in die Gestalt der Wirkung betroffen werden,
'weil dasselbe gliederlos ist. Hätte das Brahman Teile, wie z. B.
304 QlLTirAka-iBliiiltAsIk
*die Erde und anderes, so könnte sich ein Teil desselben ver-
^wandeln, während der andere Teil fortbestünde; nun aber ist d«8
'Brabman ohne Teile, denn die Schrift sagt (Qvet. 6, 19):
VOhne Teile ohne Werke,
SyRtthig ohne Fleck und Makel*';
«und (Mund. 2, 1, 2):
*,,I>enn göttlich ist der Geist ^ der ungestaltete,
^Der dnoHran ist und drinnen, angeboren** —
480 I *sowie auch: „dieses Grofse, endlose, uferlose, aus lauter Er*
S,kenntnis bestehende Wesen ^' (Bph. 2, 4, 12); — „er aber, der
S,Atman, ist nicbt so und ist nicht so** (Brih. 3, 9, 26); — „er
'„ist nicht grob und nicht fein" (Bph. 3, 8, 8); — ^ diese und an-
'dere 8chriftstellen sprechen dem Brahmaa alle Unterschiede ab.
'Da eflr somit sich nicht bloIiB einem Teile nach umwandeln kann,
'so wftrde anzunehmen sein, dafs es sich gans umwandelte, und
'damit würde seine Wurssel ausgerottet werden. Auch wkte in
Miesem Falle die Aufforderung, dafs man das Brahman schauen
'solle (Bfih. 2, 4, 5), überflüssig, da es ja als die Weltwirkung
'ohne weiteres sichtbar yorläge, ein über dasselbe hinausreichen*
'des Brahman aber nicht vorhanden wäre. Ebenso würden auch
'die Schriftworte Ton seiner Ungeborenheit (Mund. 2, 1, 2) u. s. w.
^erschüttert werden. Oder soll man etwa, um diesm Einwarfen
'zu entgehen, aimehmen, dafs das Brahman in Teile gegliedert sei?
'Aach dann würden diejenigen angeführten Schriftworte, welche
'seine Ungegliedertheit lehren, eine Erschütterung erleiden. Auch
'würde aus seiner Gegliedertheit folgen, dafs dasselbe nicht ewig
'wäre; so dafs sich die letztere Annahme in jedem Sinne als un-
'haltbar zeigt' — So lautet der Einwurf.
27. grutee tu, fobda^mülatvät
vielmehr wegen der Schrift, weil es im Schriftworte
wurzelt.
Mit dem Worte „vielmehr" wehrt der Lehrer diesen Einwarf
ab. Es liegt nämlich auf unserer Seite durchaus kein Fehler vor.
Und Bunächst ist an eine Umwandlung des ganzen Brahman nicht
4SI zu denken; warum? „wegen der Schrift". | Denn ebenso, wie die
Schrift den Ursprung der Welt aus dem Brahman lehrt, lehrt sie
aach das Furtbestehen des Brahman aufserhalb der Umwandlung,
indem sie die Umatur und ihre Umwandlung als iweierlei einander
Sfttram IL i. 27. 305
gegenüberstellt; denn es keifst :' „diese Gottheit betibsicbtigte:
„wohlan, ich will in jene drei Gottheiten mit diesem lebenden
„Selbste eingeben und anseinanderbreiten Namen und Gestalten"
(Chl^nd, 6, 3, 2); — und (Ch&nd. 3, 12,'6) :
„So groCa die Majestät ist der Natur,
9,So ist doeh höher noch der Geist erhoben;
»,Ein Fufa Ton ihm siod alle Wesen nur,
„Drei sind Unsterblichkeit im Himmel droben."
Das Nämliche bezeugen die Schriftworte von seinem Standorte im
Herzen (Chänd. 8, 3, 3) und von dem Eingange in das Seiende
(Chd.nd. 6> 8, 1). Denn wenn das ganze Brahmnn darcb den Be-
stand der Weltwirkung verbraucht würde, so könnte die auf den
Tiefscblaf bezügliche Bestimmung: „alsdfinn ist er, o Teurer, ein-
„gegangen in das Seiende" (Ch&nd. 6, 8, 1), nicht richtig sein,
weil man in das umgewandelte Brahman jeder Zeit schon ein«
gegangen wäre, ein nicht umgewandeltes Brahman aber nicht vor-
handen sein würde. Hierzu kommt, dafs die Erreichbarkeit durch
die Sinne in Betreif des Brahman verneint wird, während doch
die Weltuni Wandlung für die Sinne erreiehbar ist, woraus folgte
dafs ein nichtnmgewandeltes Brahman wirklioli besteht. Aber
gleichwohl ist eina „Erschütterung des Schriftwortes von der
„Gliederlosigkeit** nicht suzugeb^Ay indem die Gliederlosigkeit des
Brahman, eben darum, weil sie von der Schrifb gelehrt wird, fest-
gehalten werden mufs. Und in dem Schriftworte wurzelt ja das
Brahman, in der Schrift hat es seinen Erkenntnisgrund und nicht
in der Sinneswahmebmung u. a. w. ; d.aher mufs man annehmen
was die Schrift darüber lehrt. Die Schrifb aber lehrt von dem Brah-
man beides, dafs es nicht ganz [von den Erscheinungen absorbiert
werde], und dafs es ohne Teile sei. Kommt es ja doch auch bei
weltlichen Dingen, bei Amuletten, Zaubersprüchen, | Heilkräutern 4S2
u. 8.. w. vor, dafs sie, vermöge der Verschiedenheit von Ort, Zeit
und Ursache, Kräfte mit mannigfachen, einander widersprechen-
den Wirkungen zeigen, und auch diese lassen sich nicht ohne Be-
lehrung durch die blofse Reflexion erkennen, und bestimmen, was
für Kräfte, wovon begleitet, worauf bezuglieh, wozu zweckdien-
lich ein bestimmtes Ding habe, — wie sollte es also möglich sein,
die Natur des Brahman mit seinen unausdenkbaren Machtvollkom-
menheiten ohne die Schrifb zu erkennen? -— Und so sagen auch
die Purftna-Lehrer:
„Bestimmungißn , die unerkennbar sind,
„Die lassen sich durch Denken nicht ermitteln;
„Denn eben darum ist es unerkennbar,
„Weil es erhaben über alles ist,
„Was ihr als Urnatur ergrübeln mögt.*'
Dbvmh»; V«d4ntft. 20
306 Q&rlraka-m!mftn6&
Eb ist somit die Schrift, in .welcher die Erkenntnis über das Wesen
desjenigen, was der Sinneswahmehmung entrückt ist, .wurzelt.
'Aber ist es nicht auch für die Schrift unmöglich, eine in sich
'widersprechende Sache zu lehren, wie diese, dafs das Brahman
'ohne Teile sei und doch auch nicht ganz umgewandelt werde?
'Soll das Brahman ohne Teile sein, so mufs es entweder gar nicht,
'oder es mufs ganz umgewandelt werden. Oder soll es nach der
^einen Seite sich umwandeln und nach der andern Seite fort-
'bestehen, so werden zwei Seiten an ihm angenommen, und es
483 'folgt, dafs dasselbe in Teile gegliedert ist. | Ja, wo es sich um
'Werke handelt, und dabei ein Widerspruch vorkommt, z. B. wenn
'es heifst: „er benutzt beim Übernachtsopfer die sechzehnteilige
'„[Strophe]" — „er benutzt nicht beim Übernachtsopfer die sech-
'„zehnteilige [Strophe]", — da kann man den Widerspruch da-
'durch heben, dafs man die Wahl zwischen beidem freiläfst, indem
'die Ausführung einer Pflichtregel von dem Menschen abhängt.
'Hier hingegen läfst sich nicht durch Freigebung der Wahl der
'Widerspruch heben, indem ein wirklich Vorhandenes nicht von
'der Willkür des Menschen abhängt; darum ist hier schwer zu
'helfen.* — Aber diese Einwendung ist nicht richtig, und zwar^
' weil festzuhalten ist, dafs die Vielheit der Gestalten nur durch
das Nichtwissen hervorgebracht wird. Weil das Nichtwissen eine
Vielheit der Gestalten annimmt, deswegen braucht der Gegenstand
selbst nicht vielheitlich zu sein. Denn weil einer, dessen Augen
an der Timira-Krankheit leiden, mehr als einen Mond sieht, sind
doch nicht in Wirklichkeit mehrere vorhanden. Und es ist doch
nur die vom Nichtwissen aufgestellte Vielheit der Erscheinungen
nach Namen und Gestalten, — sie, welche ausgebreitet und doch
nicht ausgebreitet ist, und sich weder als ein Seiendes noch als
das Gegenteil 4efin]eren läfst, — auf welche sich die Annahme grün-
det, dafs das Brahman in dem ganzen aus Umwandlung hervor-
gehenden Welttreiben seinen Sitz habe, während das Brahman,
seiner absolut realen Wesenheit nach , über alles Welttreiben er-
liaben, unwandelbar bestehen bleibt. Weil also die Vielheit der vom
Nichtwissen aufgestellten Namen und Gestalten nur an Worte sii;h
484 klammernd ist (Chänd. 6, 1, 4), darum wird | die Unteilbarkeit des
Brahman durch dieselbe nicht erschüttert. Auch hat die Schrift-
stelle, welche seine Umwandlung lehrt, gar nicht den Zweck, diese
Umwandlung zu lehren, indem durch .die Erkenntnis derselben
keine Frucht erlangt wird; sie hat vielmehr den Zweck, zu lehren,
dafs wir das allem Welttreiben entrückte Brahman. selbst sind, in-
dem ddrch diese Erkenntnis die betreifende Fracht erlangt wird;
denn in der Stelle: „er aber der Atman ist nicht so und ist nicht
„do" (Brih. 4, 2, 4) heifst es weiterhin: „fürwahr, du hast, o Janaka,
„den Frieden erlangt". — Somit ist bei unserer Annahme nicht die
mindeste Veranlassung zu einem Einwurfe vorhanden.
Sötram II. i. 28. ä07
28. Mmani ca evam; vicUräQ ca hi
eben so auch in einem selbst; auch werden ja
vielerlei.
Man darf aber überhaupt nicht darüber streiten, wie es mög-
lich ist, dafs in dem einen Brahman ohne Yemichtung seines
Wesens die mannigfache Schöpfung bestehen kann, weil ja „auch
„in einem selbst", obwohl man einer ist, beim Träumen, ohne
Vernichtung der eigenen Natur, eine mannigfache Schöpfung be-
steht, wie die Schrift bezeugt: „daselbst sind nicht Wagen, nicht
„Gespanne, nicht Strafsen, sondern Wagen, Gespanne und Strafsen
„schafft er sich" u.. s. w. (Brih. 4, 3, 10). Auch die Erfahrung
zeigt femer, dafs z. B. Götter oder Zauberer ohne Vernichtung
ihrer eigenen Natur vielerlei, z. B, Elefanten, Pferde u. s. w., er-
schaffen; in derselben Weise kann auch in dem Brahman, wiewohl
es eines ist, ohne Vernichtung seiner Natur die mannigfach ge-
staltete Schöpfung bestehen.
29. s^)a-paksha-dosMc ca 485
und weil der Fehler auch auf ihrer Seite.
Hierzu kommt, dafs sich derselbe Einwand auch auf Seiten
dos Gegners gegen dessen Annahme erheben läfst. Denn auch
der Verteidiger der Urmaterie nimmt an, dafs die ungegliederte,
ungeteilte, der Sinneswalimehmung entrückte Urmaterie die Ur-
sache ist für die gegliederte, geteilte und sinnlich wahrnehmbare
Weltwirkung. Auch bei dieser Annahme folgt, dafs entweder die
Urmaterie, weil sie ungegliedert ist, sich ganz umwandelt, oder
dafs die Annahme ihrer Ungegliedertheit unhaltbar wird. — *Aber
'jene Gegner nehmen doch gar nicht an, dafs die Urmaterie un-
*gegliedert sei; denn sie haben ja die drei Qualitäten des Sathaw,
^Bajas und Tamas, und der Gleichmäfsigkeitszustand derselben ist
*die Urmaterie, welche also eben durch jene Glieder zu einem Ge-
*gliederten wird!' — Eine derartige Gliederung reicht nicht hin,
um dem oben erhobenen Einwurfe abzuhelfen; denn von jenen
drei Qualitäten, dem Sattvam, JRajas und Tanias^ ist jede einzelne
ebenso wie bei uns ungegliedert, und jede einzelne für sich bil-
det, von den beiden andern unterstützt, den Stoff für den ihr.
verwandten Teil der Weltausbreitung. Somit haben jene [Suü-
khya's] mit uns gemein , dafs sich „derselbe Fehler auch auf ihrer
„Seite" vorfindet. | Will man aber mit Berufung auf die Uu- 486
20*
'»TH-
308 Qftrlraka*in1mi6Bll
bestäudigkeit [and mögliclie Verbesserung] der Reflexion (vgl.
Sütram 2, 1, 11) annehinen,' dafs die Umatur gegliedert sei, so
werden auch hierdurch gewisse [andere] Fehler der Niehtewig-
keit XL, s. w. nicht yennieden. Oder wollt ihr vielleicht die Kräfte,
anf welche man wegen der Mannigfaltigkeit der Weltwirkung schlie-
fsen mufs, für die Glieder ansehen? Nun, diese werden ebenso
gut von den Brahmanlehrern angenommen. — In ahnlicher Weise
8t6ht es bei d§n Terfechtem der Atome. Soll ein Atom sich mit
dem andern so verbinden, dafs es vermöge seiner Unteilbarkeit
sich ganz mit demselben verbindet, so kommt es su keiner Aus-
dehnung, und folglich wäre alles nur so grofs wie ein Atom.
Oder sollen sich die Atome nur an einer Seite berühren; dann
folgt auch für jene, daX^ die Annahme der Unteilbarkeit der Atome
erschüttert wird, so dafs jener selbe Fehler auch ihrerseits ge-
meinsam ist. Was aber beiden Parteien gemeinschaftlich ist, das
darf die eine der andern nicht vorrücken. Übrigens haben wir,
was unsere Partei betrifft, gezeigt, dafs bei Annahme des Brah*
man der Fehler vermieden wird.
Zehntes Adhilaranam*
30. sarVa-upa'-itd ca^ tad-darqanal
auch ist sie miti allem ausgerüstet, wie dies
ersichtlich.
Wir sagten bereits, dafs aus dem Brahman, wiewohl es eines
ist, die mannigfache Ausbreitung der Umwandlungen möglich wird,
weil dasselbe mit mancherlei Kräften verbunden ist. Aber woher
wiesen wir, dafs das höchste Brahman' mit mancherlei Kräften |
487 verbunden' ist? Darauf dient zar Antwort: „auch ist sie mit
„allem ausgerüstet, wie dies ersichtlich"; d. h. auch mufs man
annehmen, dafs sie, die höchste Gottheit, mit allen Kräften ver-
bunden ist; woher? weil dies ersichtlich. Denn in dieser Weise
zeigt die Schrift die Verbindung der höchsten Gottheit mit aller-
lei Kräften an Stellen wie: „allwirkend ist er, allwünscheud , all-
„riechend, allschmeckend, das All umfassend, schweigend, iinbe-
„künmiert" (Chind. 3, 14, 2); — „sein Wünschen ist wahrhaft,
„wahrhaft sein Ratschlufs^* (Ch&nd. 8, 7, 1); — ^der alles kennt
„und alles weifs" (Mu^d. 1, 1, 9); — „fürwahr auf dieses Un-
„vergänglichen Geheifs, o G&rgl, stehen auseinandergehalten Sonne
„und Mond " (Brih. 3, 8, 9) u. s. w.
^ * WkM IWÜ l^ if^TT-
Satram II. i. 31. 309
31. vikaranatvän na! iU cd? tad uktam
* . •
weil er keine Organe habe, nicht, meint ihr? Darüber
ist gesprochen.
'Schon recht; aber di6 Sphrifb lehrt doch, daJs die höchste
'Gottheit ohne Organe sei, „ohne Auge nnd ohne Ohr, ohne Rede,
'„ohne Verstand", wie es heifst (B|rih. 3, 8, 8); wie kann nun eine
'solche, trotz ihrer Verbindung mit allen Kräften, eine Wirkung
'erzeugen? Denn auch die Götter u. s. w., welche geistig und
'mit allerlei Kräften versehen sind, vermögen doch bekanntlich
'nur zufolge ihrer persönlichen Ausrüstung mit Organen des Wir-
*kens diese oder jene Wirkung zu vollbringen (lies: prabhavanto
^vijM^anhy Wie kann femer bei der liöchsten Gottheit, welcher
'durch die Worte „er iet nicht so und ist nicht so" (Brih. 2, 3, 6)
'alle Unterschiede abgesprochen werden, eine Verbindung mit aller-
'lei Kräften möglich sein?' — Was dai-auf | zu erwidern wäre, das 488
ist . Bdfaon oben gesagt worden« Nur durch die Schrift nämlich
läfst sieh dieses überaus tiefe höchste Brahman ergründen, nicht
ist es zu ergründen durch die Reflexion; auch ist es nicht eben
notwendig, dafs nur das, was bei einer Sache als möglich sich
ergiebt, es auch bei einer andern sei. Dafs aber das Brahman,
trotz d^ AuBschliefsung aller Unterschiede an ihm, mit allerlei
Kräften verbunden sein kann, erklärt sich dadurch, dafs, wie wir
schon hervorhoben, die Vielheit der Gestalten auf dem Nicht-
wissen beruht. Und so sagt auch die Schrift (^/vet. 3, 19):
„Ohn' Hände greift es, ohne Ffifse läuft es,
„Ohn' Augen sieht es, ohne Obren hört es 'S
womit sie zeigt, dafs das Brahman, obgleich organlos, doch mit
allerlei Fähigkeiten verbunden ist.
Elftes Adktkaratiam.
32. 'wa, prayojanavativät '
^ nicht y weil ein Beweggrund sein mufs.'
Wiederum wird in anderer Weise die Entstehung der Welt
aus einem Geistigen angegriffen. — '£s kaxm nicht der geistige
310 gärlraka-nilmftÄs&
^höchste Ätman sein, der diesen Weltkreis eingerichtet hat; warum?
^weil zu allem Thun ein Beweggrund vorhanden sein roufs. Aus
*der Erfahrung nämlich ersieht man, wie ein geistiger, vor dem
^Handeln überlegender Mensch auch eine Handlung von geringer
'Bedeutung nicht vornimmt, ohne dafs dieselbe mit einem in ihm
^liegenden Beweggrunde verbunden wäre, um wie vielmehr eine,
'solche von grofser Bedeutung. . Und mit diesem Brauche der Welt
489 'stimmt ) das Schriftwort überein: „fürwahr nicht um des Welt-
*„alls willen ist das Weltall lieb, sondern um des Selbstes willen
S,ist das Weltall Heb'^ (Bfih. 2, 4, 5). Auch ist es ja doch
'ein sehr grofses Unternehmen, diesen Weltkreis in seiner Aua-
'breitung nach' oben Und unten anzuordnen. Nimmt man nun an,
'dafs auch der geistige höchste Atman zu diesem Unternehoien
'durch einen in ihm. liegenden Beweggrund, getrieben worden sei,
'so widerspricht das der AUgenugsamkeit des höchsten Atman,
'welche von der Schrift gelehrt wird; soll hingegen kein Beweg-
'grund vorhanden sein, so wird auch die Thätigkeit unmöglich.
'Oder soll etwa, ähnlich wie zuweilen ein wiewohl geistiger Mensch
'sinnlos aus Mangel an Verstand und ohne Beweggrund etwas thut,
'so auch der höchste Atman bei seinem Thun vorgegangen sein?
'Diese Annahme würde der von der Schrift gelehrten Allweisheit
'des höchsten Atman widersprechen. Darum steht es nicht richtig
'mit dieser Annahme der Weltschöpfung dui'oh ein geistiges Wesen.'
33. lokavat tu lUä-kaivalyam
vielmehr, wie in der Erfahrung, ein blofses Spiel.
Durch das Wort „vielmehr" wird dieser Einwurf abgewehrt.
Wie es nämlich in der Erfahrung vorkommt, dafs einer, der alles
hat, was er wünscht, ein König oder ein königlicher Minister,
490 auch ohne einen besonderen Beweggrund | sich zum blofsen Spiele
mit Scherz oder Lustwandeln beschäftigt, — und wie das Aus-
atmen und Einatmen auch ohne ein weiteres, äufseres Motiv von
selbst vor sich gehen, so mag auch die Thätigkeit Gottes ohne
irgend ein anderes Motiv von selbst und nur zum Spiele statt-
haben. Denn es ist nicht möglich, bei Gott ein weiteres Motiv
durch Nachdenken oder aus der Schrift zu erkennen, auch kann
man nicht ilin selbst darüber interpellieren. Wenn übrigens für uns
auch diese Anordnung des Weltkreises als ein sehr schweres Unter-
nehmen erscheint, so ist dieselbe doch für den höchsten Gott nur
ein blofses Spiel, weil sein Kraftvermögen unermefslich ist. Wenn
femer in der Erfalirung auch beim blofsen Spiele immer irgend
ein geringer Beweggrund vorliegt, so ist hingegen hier auch nicht
Sfttram II. i. 33. 311
der allergeringBie Beweggrund abzusehen, wegen de8 Schriftwortes,
dafs sein Wünschen wahrhaft ist (vgl. Chänd. 8) 7| 1). Aber darum
läfst sich weder annehmen, dafs. Gott nicht schaffe, noch dafs er
gedankenlos schaffe, wegen der Schriftstellen, die sein Schaffen
und seine All Weisheit lehren. Übrigens bezieht sich jene | Schrift- 491
stelle von der Schöpfung nicht auf einen Gegenstand, der in ab-
solutem Siime real wäre, weil sie das Welttreiben in Namen und
Gestalten betrilTt, welche nur auf dem Nichtwissen beruhen, und
weil sie nur den Zweck hat zu lehren, dafs diu Welt ihrem Wesen
nach Brahman ist; — das darf man nicht aufser Augen lassen.
Zwölftem Ädhikaranam,
34. vaishamya-nairghTintfe Ha; sa^apekshatvät; tathd hi
dargayali
Ungerechtigkeit und ünbarmherzigkeit nicht; weil er
Bücksicht nimmt; denn so lehrt es [die Schrift].
Wiederum erhebt sich ein Einwurf dagegen, dafs Gott die Ur-
sache des Ursprunges u. s. w. der Welt sei, damit die schon an*
erkannte Wahrheit, wie ein Pfahl durch die [auf ihn geführten]
Schlage, noch um so mehr sich befestige. -^ *Es geht doch nicht,
'dafs Gott die Ursache der Welt ist, weil er dann ungerecht und
'unbarmherzig sein würde. Einige hätte er zum Genüsse unend-
licher Lust erschaffen, z. B. die Götter, andere zum Erdulden un-
*endlicher Schmerzen, z. B. die Tiere, und wieder andern, wie
*z. B. den Menschen, hätte er eine mittlere Stellung angewiesen.
^Somit hätte Gott eine ungleiche Schöpfung hervorgebracht, man
'raufste annehmen, dafs er wie ein menschliches Individuum Liebe
'und Hafs empfände, und die von der Schrift und Tradition ge-
'lehrte Lauterkeit ü. s. w. der göttlichen Natur würde nicht be-
istehen können. Femer würde folgen, dafs auch urschuldige
\akhala) Menschen die Ünbarmherzigkeit und Grausamkeit Gottes
'füi'chten müfsten, weil er auch sie mit Schmerzen heimsuchte |
'und zuletzt alle Kreatur vernichtete. Darum also, wegen der Un- 492
'gerechtigkeit und Ünbarmherzigkeit, die ihn treffen würden, kann
'Gott nicht die Ursache der Welt sein.'
Auf diesen Einwurf erwidern wir, dafs „Ungerechtigkeit und
„Ünbarmherzigkeit" gleichwohl Gott „nicht" treffen; warum? „weil
312 Qlulraka-mlminBlt
„er RückBicht nimmt". Hatte Dämlich Gott ohne Rücksicht, aus
freien Stücken die ungleichmäfsige Schöpf ang hervorgebracht, so
würden allerdings jene Vorwürfe der Ungerechtigkeit und Unbarm-
herzigkeit erhoben werden können; nun aber ist seine Schöpfer*
th&tigkeit nicht ohne Rücksichtnahme, sondern es geschieht mit
Rücksicht auf etwas, dals Gott die Schöpfung so ungleichm&fsig
eingerichtet hat. Aber worauf nimmt er denn Rücksicht? Wir
antwortea: er berücksichtigt die guten und bösen Werke, und
darum, wegen der Rücksichtnahme auf die guten und bösen Werke
der zu erschaffenden Wesen, ist die Schöpfung eine ungleich-
mäfsige, während auf Gott dabei kein Vorwurf fallt. Vielmehr
ist Gott anzusehen ähnlich wie der Regen. Wie nämlich der
Regen die gemeinsame Ursache bildet für das Wachstum von Reis,
Gerste u. s. w., während hingegen für die Ungleichheit von Reis,
Gerste u. s. w. die nichtgemeinsame, bestimmte Beschaffenheit des
jedesmaligen Samens die Ursache bildet, ebenso ist Gott nur
die gemeinschaftliche Ursache des Entstehens von Göttern, Men-
schen u. s. w., während hingegen die Ungleichheit der Götter, Men-
schen u. s. w. ihre Ursache hat in den nicht gemeinsamen Werken
jeder einzelnen Seele. So kommt es,, dafs Gott wegen der Rück-
sichtnahme von den Vorwürfen der Ungerechtigkeit und Grausam-
keit nicht getroffen wird. Aber woher wissen .wir denn, dafs Gott
493 aus dieser Rücksichtnahme | den Samsära mit seinen niedrigen,
mittleren und hohen Ständen erschafft? Weil die Schrift es so
lehrt, wenn sie sagt: „denn er machet das gute Werk thun den,
„welchen er aus diesen Welten emporführen Mdll, und er hin-
„widerum machet das böse Werk thun den, welchen er abwärts
„fülu'en will" (Kaush. 3, 8); und: „rein wird, der Mensch durch
„reines Werk, böse durch böaea" (Brih. 3, 2, 13). Ebenso lehrt
auch die Smriti, dafs Gott fördernd und hemmend wirkt, je nach
den bestimmten Werken der einzelnen Seelen, wenn ea heifut
(Bhag. G. 4, 11):
„Die liebe ich, die hin zu mir sich wenden,
„Und in dem Mafse, wie sie solches thon."
35. na, karma - avibha^thl , üi cen? na! anäditvät
nicht, wegen der Ungesondertheit der Werke, meint
ihr? Nein! wegen der Anlanglosigkeit.
'Wenn die Schrift sagt: „seiend nur, o Teurer, war diese Welt
S,am Anfang, eines nur und ohne zweites*' (Chänd. 6, 2, 1), so
*]ehrt sie, dafs vor der Schöpfung Ungesondertheit gewesen sei,
Sfttram IL i. 35. 313
'und darum gab es keine Werke, mit Rdcksicbt auf welche die
'Schöpfung ungleichiuäfsig hätte werden können. Für die *Zeit
'nach der Schöpfung liefse sich allerdings annehmen, dafs durch
*die Gesondertheit der Leiber die Werke, und durch die Werke
'wiederum die Gesondertheit der Leiber bedingt sei, so dafs immer
'das eine von dem andern abhinge, und somit könnte man zu-
'geben, dafs nach einmal geschehener Sonderung Gott mit Rück-
'sicht auf die Werke verführe; hingegen vor jener Sonderung war
'kein Werk vorhanden, welches die Mannigfaltigkeit hätte bedingen
'können, und daher müfste wenigstens die erste Schöpfung eine
'gleichmäfsige gewesen sein.' — Aber dieses Bedenken trifft nicht
zu, und zwar { „wegen der Anfanglosigkeit^' des Sarasära. Hätte ^^^
der jetzt bestehende Samsara einen Anfang, so wäre der Einwurf
berechtigt; weil aber der Saipsara anfanglos ist, so verhalten sich
die Werke und das Ungleichmäfsige der Schöpfung, ähnlich wie
der Same und die Pflanze, [immer zu einander] als Bedingendes
und Bedingtes, und darum ist an dem Verfahren Gottes kein An-
stofs zu nehmen. — Aber woher wissen wir, dafs dieser Samsara
anfauglos istV Darauf lautet die Antwoi't:
36, upapadyate ca^ api vpalabhf/ate ca
und diese ergiebt sich, und sie wird auch ver-
nommen.
Und diese, die Anfanglosigkeit des Samsara, „ergiebt sich"
Hätte nämlich der Samsara einen Anfang, so würde das Eut*
stehen keinen Grund haben; dann müfsten auch die Erlösten
wiederum in dem Samsara entstehen können, und ea könnte
jemanden auch solches treffen, was er nicht verschuldet hat, da
dann die Ungleichheit an Lust, Schmerz u. s. w. ohne Grund sein
würde. Denn Gott kann, wie wir gesehen haben, nicht die Ur-
sache dieser Ungleichheit sein. Und auch das Nichtwissen kann'
für sich allein, weil es einartig ist, nicht der Grund der Un-
gleichheit sein, und nur dann kann das Nichtwissen die Un-
gleichheit veranlassen, wenn dasselbe bedingt wird durch die mit
der Leidenschaft und andern Beschwerden und Wahnvorstellungen
behafteten Werke. Auch kann ein Leib nicht ohne das Werk ent-
stehen, ebenso wenig wie die Werke ohne den Leib; und diese
gegenseitige Abhängigkeit würde zu einem Fehler werden [hätte
der Samsara einen Anfang]. Weil er aber anfanglos ist, deswegen
geht es wie mit dem Samen und der Pflanze [die sich wechsel-
seitig erzeugen!, und ein Fehler liegt nicht vor. Weiter wird
aber auch diese Anfanglosigkeit des Sanisära „vernommen" | in 495
814 gitriraka-inlm&n8&
Worten der Schrift und der Smriti. Denn 'wenn die Schrift sagt:
„ich will mit diesem lebenden Selbste [in Feuer, Wasser und Nah*
„rung eingehen und auseinanderbreiten Namen und Gestalten]"
(Cb&nd. 6, 3, 2), so erwähnt sie schon vor der Schöpfung die ver-
körperte Seele, welche, weil sie das Leben trägt, „das lebende
„()*lt;a) vSelbst'^ heifst, und bezeugt hierdurch, dafs der Samsitra an-
fanglos ist. Hätte der Sams&ra einen Anfang, so hätte es vor
diesem kein zu unterhaltendes Leben gegeben, und die Seele
könnte nicht vor der Schöpfung schon als der Träger des Lebens,
als das lebende Selbst bezeichnet werden. Denn weil sie erst
künftighin das Leben tragen sollte, deswegen konnte sie doch
nicht so bezeichnet worden; und jedenfalls verdient [bei der Aus-
legung der Stelle] vor der zukünftigen Verbindung die schon vor-
herige Verbindung den Vorzug, weil sie ein schon Fertiges ist.
Auch der Vers (Rigv. 10, 190, 3):
„Wie vordem schuf der Schöpfer Mond und Sonne'*
beweist [vermeintlich], dafs schon eine vormalige Weltperiode vor-
handen gewesen. Ebenso wird auch in der Sm^ti die Anfang-
losigkeit des Saips&ra gelehrt, wenn es heifst (Bhag. O. 15, 3):
„Nicht wird hienieden seine Form verstanden,
„Nicht Anfang oder Ende, nicht sein Standorf;
und in einem Pur&nam wird festgestellt, dafs „der vergangenen
„und zukünftigen Schöpfungen kein Mafs ist.*'
Dreizefintea Adhikaranam,
496 37. sarva-dharma-upapatteg ca
und weil in ihm alle Eigenschaften sich vorfinden.
Wir haben als Inhalt des Veda festgestellt, dafs das geistige
Brahman die Ursache und zugleich der Urstofif der Welt ist;
auch hat der Lehrer die von den Gegnern erhobenen Bedenken
wegen der Wesensverschiedenheit (Sütram 2, 1, 4) u. s. w. beseitigt.
Jetzt nun, wo er dazu übergeht, die eigenen Aufstjllungen der
Gegner zu widerlegen, fafst er vorher das Resultat des Ab-
Ti«^
"'r
Sütram IL i. 37.
315
schnitteB, der seine eigene. Lebre enthält, kurz zusammen. Wei],
das ist der Sinn, in jenem als Weltarsache betrachteten Brahman
in der nachgewieseneu Weise alle Eigenschaften, welche die Welt-
ursache haben mufs, sich vorfinden, weil dieses Brahman all-
wissend, allmächtig und mit grofsen Zaubef'kvaft (mäi^ä) begabt
ist, deswegen ist diese auf die Upanishad's sich gründende Lehre
über allen Zweifel erhaben.
So lautet in dem Kommentare sur «rhabcnen gAriraka • mtmänsä , dem Werke der
Terebm|i9>iwardigeii Ffifse des erhabenen (^ankara^ des SohtUers der erlauchten Fttfse'
des erhabenen G^vinda^ im zweiten Adkyäjfa der erste Fäda.
Des zweiten Adhyftya
ZWEITER PADA.
Ont Verehrung dem böobtten AtsMui)
Erstes Adhikaranam.
497 1. racand-anupapatteg ca anumdnam
auch wegen Unmöglichkeit der Weltordnung ist das
Gefolgerte [der Sänkhya's zu verwerfen].
Wenn es auch der Zweck des vorliegenden Lehrbnclies ist, den
Sinn der Yedantaworte zu untersuchen, nicht aber, wie in Lehr-
büchern der Reflexion, aus blofsen Argumentationen irgend einen
Satz zu erweisen oder zu widerlegen, so liegt es doch den Er-
klärern der Yedantaworte ob, das SAnkhjam und die andern Sy-
steme, welche der vollkommenen Erkenntnis widerstreiten, zu
widerlegen, und diesem Zwecke dient der nun folgende Pada.
Weil es nämlich der Zweck der vollkommenen Erkenntnis ist, den
Sinn des Ved&nta klar zu ^.egeii, so wurde diese Klarlegung und
die auf ihr beruhende Feststellung der eigenen Lehrmeinung zuerst
vorgenommen in dem Bewulstsein, dafs dieselbe wichtiger ist, als
die Widerlegung der gegnerischen Meinung. — 'Aber genügt es
'nicht für die, welche nach der Erlösung begehren, als Mittel der-
'selben behufs der Klarlegung der vollkommenen Erkenntnis die
^eigene Lehrmeinung allein festzustellen ? Wozu hilft es, di^ Mei-
'nung der Gegner zu widerlogen und sich dadurch bei ihnen ver-
498 'hafst zu machen?' — Schon recht! | es könnte jedoch geschehen,
dafs, indem man sieht, wie die von grofsen Männern angenom-
Sütnoi IL u. 1. 317
meneii grotwn Lehrsysteme der Sankbya's und anderer anter dem
Vorgeben, die YoUkommene Erkenntnis zu lehren, ihre Sache füh-
ren, gewisse langsamere Geister auf den Gedanken kommen möch-
ten, dafs auch sie sum Zwecke der vollkommenen Erkenntnis
verwendbar seien, und so könnte Hkan meinen, dafs auch jene,
wegen der Eindringlichkeit ihrer Gründe, und weil sie Philosophen
[wörtlich: Allwiseende] heifsen, Glauben verdienen; daher eff wohl
der Mühe wert ist, die Ungereimtheit ihrer Lehre darzulegen. —
'Aber ist nicht schon vorher durch die Sütra's: „wegen des Er-
'„Wagens nicht! schriftwidrig" (1, 1, 5), — „auch ist, wegen de«
%,Bogehrena, kein Gedanke an das Erschlossene" (l* 1, 16)» —
^„damit sind alle besprochen, besprochen" (1, 4, 28), — eine
^Widerlegung der Lehrraeinungen der S^nkhya's und anderer ge-
*liefert worden? Wozu also noch einmal thun was schon gethan
'ist?' — Darauf dient zur Antwort: | die S&nkhya's und andere 4^9
führen, um ihre Lehrmeinung zu stützen, auch Yedäntastellen an
und erklären dieselben in einem ihrer Auffassung günstigen Sinne;
da& diese Erklärungen derselben nur scheinbare Erklärungen sind,
so viel ist bisher bewiesen worden. Im Folgenden hingegen soll
ohne Bücksicht auf jene Schriftstellen eine selbständige Wider*
legung der Vemunffcgründe jener Gegner unternommen werden;
das ist der Unterschied.
Die Meinung der S&nkhya's nun zunächst ist folgende. So
wie in der Erfahrung die Yerschiedenheiten der Töpfe, Krüge u. s. w.
darin übereinstimmen, dafs sie aus Thon bestehen, und folglich
als ihre Voraussetzung eine aus Thon bestehende Gleichartigkeit
haben ^ — ebenso stimmen alle die äufseren und inneren Ver-
schiedenheiten der Welt darin überein, dafs sie aus Wohl, Wehe
und Wahn bestehen, und folglich müssen auch sie eine aus Wohl,
Wehe und Wahn bestehende Gleichartigkeit zu ihrer Voraus-
setzung haben. Diese aus Wohl, Wehe und Walm bestehende
Gleichartigkeit ist die aus den drei Guna's bestehende Urmaterie,
welche, selbst ungeistig wie der Thon, bemüht ist, den Zweck
des geistigen | Purusha zu vollbringen, und zu diesem Zwecke, 500
vermöge der in ihrer Natur liegenden Spaltung, sich in die mannig-
fachen Produktwesen umwandelt. Ebenso ' glauben ferner die S&n-
khya's aus gewissen Merkmalen [der Produkte], z. B. aus deren
Begrenztheit u. s. w. (vgl. Sankhya-karika 15), auf eben jene Ur-
materie schliefsen zu dürfen. — Hiergegen haben wir Folgendes
zu bemerken. Wenn man die Sache nur mit Hülfe von Beispielen
erwägt, so sieht man, wie iu der Welt kein Ungeistiges aus sich
selbst und ohne von einem Geistigen regiert zu werden die Pro-
dukte hervorbringt, welche zur Förderung der bestimmten mensch-
lichen Zwecke dienen. Denn z. B. Häuser, Paläste, Betten, Sessel,
Lustgärten u. s. w. werden im Leben [nur] von einsichtigen Kunst-
818 g&i1raka^mtm&ü8&
501 lern der Zeit [und ihren Ansprüchen] gemäfs | zum Zwecke, Lust
zu befördern, Unlust abzuhalten, eingerichtet. £)benso nun steht
es mit dieser ganzen Welt; denn wenn man sieht, wie z. B. die
Erde dem Zwecke des Genusses der Frucht der mancherlei Werke
entspricht, und wie z. B. der. Leib von aufsen und von innen da-
durch, dafs er eine den verschiedenartigen Geschöpfen gemäfse,
bis ins Einzelne bestimmte Anordnung der Teile besitzt , sich . als
den Standort des Geniefsens der Frucht der mannigfaltigen Werke
darstellt, — also, dafs auch einsichtsvolle und höchst bewährte
Kiinstler es nicht einmal mit ihrem Verstände zu fassen vermögen,
— wie sollte diese Anordnung von der ungeistigen ürmaterie her-
rühren; da doch Erdklumpen, Steine u. s. w. zu so etwas nicht
im Stande sind? 'Denn auch der Thon z. B. formt sich, wie die
Erfahrung lehrt, zu verschiedenen Gestalten [nur], sofern er vom
502 -Töpfer regiert wird, und ebenso mufs die Ürmaterie | von einem
andern. Geistigen, regiert werden. Denn dafs man [bei Anwendung
dieses Gleichnisses auf die Ursache der Welt] die Wurzelursache
nur nach derjenigen Eigenschaft des Thones u. s. w. bestimmen
• dürfe, vermöge derer er die Materie bildet, und nicht auch nach
derjenigen, vermöge derer ihm ein Töpfer u. s. W. zur Seite steht,
dazu ist doch keine Nötigung vorhanden. Auch liegt in dieser
Auffassung [der Weltursache als der materiellen und der bewirken«
den Ursache] durchaus nichts Widersprechendes; vielmehr kommt
durch sie auch die Schriftoffenbarung zu Ehren ^ welche aussagt,
dafs die Weltursache ein Geistiges sei. Also, „auch wegen Un-
„mögl'ichkeit der Weltordnung" darf man nicht auf ein Un-
geistiges als Ursache der Welt zurückgehen. — Ferner „auch" —
durch dieses „aucl\" ergänzt das Sütram die Unvollständigkeit der
Begründung — wegen der Unmöglichkeit der Gleichartig-
keit [der Dinge, auf Grund derer die Sankhya's (Earik^ 15i Sü-
tram 1, 131) auf die drei Guna's als Ursache der Dinge und ihrer
Grundbestimmungen des Wohles, Wehes und Wahnes schliefsen].
Denn in den, äufseren und inneren, mannigfachen Beetimmungen,
der Dinge läfst sich die Gleichartigkeit nicht dadurch erklären,
dafs man sie sämtlich ihrem Wesen nach für Wohl, Wehe und Wahn
503 erklärt. | Nämlich Wohl, Wehe und Wahn werden nur als innere
[Zustände] percipiert; die Sinneseindrücke hingegen werden [äufser-
lich] percipiert als eine bestimmte Gestalt habend und als eine
bestimmte Ursache habend; und auch wo die Sinneseindrücke nicht
verschieden sind, aeigt sich, wegen der Verschiedenheit der inneren
Auffassung derselben, [bei den verschiedenen Menschen] eine Ver-
schiedenheit an Wohl, Wehe und Wahn [was unmöglich wäre, wenn
diese drei das Wesen der Aufsendinge ausmachten]. — Ferner:
wenn man aus der Wahrnehmung, dafs die begrenzten Unterschiede,
z. B. die Wurzel und die Püanze, ein gemeinschaftliches Erschaffen-
sein zur Voraussetzung haben, darauf schliefst, dafs die äufseren
Satram II. ii. 1. 319
and inneren Unterschiede der Dinge, weil sie siob gegenseitig ein-
schränken! ein gemeinschaftliches Erschaffensein zur Voraussetzung
hahen (vgl. S4nkhya-k&rikä 15)» nun dann folgt, dafs auch die
drei Guna's Sativam^ Bajas und Tamas [nicht wie die Sänkhya's
meinen, die ursprünglichen Bestimmungen der Unnaterie sind, son-
dern] ein solches gemeinschaftliches Erschaffensein zur Voraus-
setzung hahen, weil sie ehenso gut sich gegenseitig einschränken.
— Übrigens zeigt die Erfahrung, wie das Verhältnis zwischen Ur-
sache [Mittel] und Wirkung [Zweck] bei solchen Dingen statt-
zuhaben pflegt, hei denen, wie bei Betten, Stiihlen u. s. w., der
Schöpfung eine bewufste Überlegung vorausging; da nun auch die
ftufseren und inneren Unterschiede der Dinge sich in dieser Weise
als Ursache [Mittel] und Wirkung [Zweck] zu einander verhalten
[wie z. B. Ton und Farbe zu Gehör und Geruch], so folgt, dafs
dieselben nicht ein hlofses Ungeistiges zur Voraussetzung haben
können.
2. pravritteQ ca
auch wegen der Bewegung.
Wenn wir nun auch einmal von jener Anordnung der Welt
absehen, so ist es doch weiter auch die jene Weltordnung als
Resultat habende Bewegung, die Fortbewegung aus dem Gleich-
mäfaigkeitszustande, der Übergang von Sattvam, Hajas und Tamas
in die Gestalt des Seins eines Trägers ihrer als Glieder, sowie der
Umstand, dafs dieselben »ich einer bestimmten Wirkung | entgegen 504
bewegen, — auch diese „Bewegung** ist es, welche bei einer iingeisti-
gen, für sich allein bestehenden Unnaterie unmöglich wird, indem
man weder an dem Thone u. s. w. noch auch bei Wagen u. s. w. eine
solche wahrnimmt. Denn der Thon oder die Wagen können aus sich
selbst, weil sie ungeistig sind, wofern sie nicht von Töpfern u. s. w.
oder von Pferden u. s. w. regiert werden, sich nicht einer bestimmten
Wirkung entgegen bewegen. Aus dem Wahrnehmbaron aber mufs
man auf das Unwahrnebmbare schliefsen; und also auch darum,
weil die Bewegung unmöglich sein würde., darf man nicht auf
ein üngeistiges als Ursache der Welt zurückschliefsen. — [Sftn-
khya:] *Al)er ein Geistiges für sich allein kann sich, wie die Er-
*fahrung zeigt, doch auch nicht bewegen.' — [Vedrlntin:] Das ist
richtig; aber was die Erfahrung zeigt, das ist doch nur die Be-
wegung eines Ungeistigen, z. B. des Wagens, zufolge seiner Ver-
bindung mit einem Geistigen, nicht aber die eines Geistigen, zu-
folge seiner Verbindung mit einem Ungeistigen. Was ist imn hier
das Richtige? gehört die Bewegung demjenigen an, an welchem
sie wahrgenommen wird, | oder vielmehr demjenigen, durch die 505
320 giir!rak&-mljnftn8&
Yerbindang mit weichem sie wahrgenommen wird? -^ [8ftfikky&:]
'Nun, die Bewegung ist doch natürlich eine solche desjenigen, an
'welchem sie wahrgenofmmen wird, indem beide vor Augen liegen,
'während hingegen ein blofaer Geistiger darum, dafs er der Be-
'wegung als Grundlage dient, nicht wie der Wagen n. s. w. vor
'Augen liegt. Nur daraus, dafs er mit einem Leibe als Grund-
lage der Bewegung verbunden ist, läfst sich beweisen, dafs ein
'Geistiger wirklich vorhanden ist, indem der lebendige Leib von
'dem blofs ungeistigen Wagen u. s. w. sichtlich verschieden ist;
'und daher kommt es ja auch, weil man die Wirkung des Geisti-
'gen nur sieht, wenn der Leib vorhanden ist, und nicht sieht,
'wenn er nicht vorhanden ist, dafs die Materialisten auch die gei«
'stige Wirkung nur für eine solche des Leibes ansehen. Somit
'folgt, dafs die Bewegung nur dem Ungeistigen angehört.' —
[Vedftntin:] Darauf dient zur Antwort: wir behaupten gar nicht,
dafs die Bewegung demjenigen Ungeistigen, an welchem sie wahr-
genommen wird, nicht angehöre ; freilich gehört sie ihnL.an; aber
nur durch das Geistige gehört sie ihm an, so behaupten wir, weil
sie ist, so lange jenes ist, und nicht mehr ist, wenn es nicht ist.
Es ist damit wie mit derjenigen Umwandlung, welcher das Holz
u. s. w. als Grundlage dient, und welche in Wärmen, Leuchten u. s.w.
besteht; in einem blofsen Brennen [ohne Holz] ist sie freilich nicht
wahrnehmbar, aber doch wird sie es eben durch das Brennen,
506 weil sie durch Verbindung mit ihm sichtbar wird | und nach Tren*
iiung von ihm unsichtbar wird. Auch die Materialisten müssen
ja zugeben, dafs es nur der geistige Leib ist, durch den die un*
geistige Materie u. s. w. sich fortbewegt, und dafis somit ohne
Frage der Ursprung der Bewegung in dem Geistigen liegt. —
[Sllnkhya'.j 'Aber auch du mufst doch zugeben, dafs die Seele,
'obwohl sie mit Leib u. s. w. verbunden ist, doch ihrer Natur
'nach blofse Erkenntnis und nichts weiter ist und sich folglicli
'nicht bewegen kann, dafs es somit unrichtig ist, sie als das Prin-^
'cip der Bewegung zu betrachten.' — [Vedantin:] Dies bestreiten
wir, weil auch ein solches, welches selbst keine Bewegung hat,
ein Princip der Bewegung sein kann, wie z. B. der Magnet* oder
wie die Gestalt. Wie nämlich der Magnetstein, obwohl er selbst
ohne Bewe^^ung ist, das Eisen bewegt, und wie die Gestalten und
andere Sinuendinge, obwohl sie selbst ohne Bewegung sind, doch
die Augen u. s. w. in Bewegung setzen, so kann auch Gott, ob-
wohl er ohne Bewegung ist, vermöge seiner Allgegenwart, All-
beseelung, Allwissenheit und Allmacht, alles bewegen. Be-
hauptest du aber, dafs wegen der von uns gelehrten Einheit keine
Bewegung möglich und folglich auch kein Beweger anzunehmen
* Aristot. Metaph. 12, 7, p. 1072b 3: xtv£i 8k u; ^ptojAt^v.
SAtrun IL ii. 2. 321
80^ { 8Qr geben wir äas nxebt zn, irmkj wie wir mehr als einmal ^7
sciion entgegnet haben, [das ganze Weltph&nomen] nur bemht auf
dem Eingehen [Gottes] in das vom Nichtwissen aufgestellte -Trug-
bild der Namen und Gestalten. Somit wird die Bewegung mög-
lich, wenn man das Allwissende als Ursache annimmt, nicht aber,
wenn man das Ungeistige filr die Ursache hält.
3. payO'fkbu-vac cet? tatra api
wie die Milcli und das Wasser, meint ihr? Auch bei
ihnen —
'Nim JAy aber man kann doch annehmen, dal's, so wie die Milch,
'obwohl sie ungeistig ist, sich doch aus sich selbst heraus zum
'Wachstum des Kalbe» fortbewegt, und wie das WaKser, obwol es
'nngeistig ist, doch aus sich .selbst heraus zum Nutzen der Welt
'dahinfliefst, ebenso auch die Uri^aterie, wiewohl sie ungeistig i»t,
'sich aus sich selbst heraus in Bewegung setzt, um den Zweck
^des Purusha zu vollbringen.* — Aber diese Behai>ptung ist nicht
richtig; denn „auch bei* ihnen'', bei der Milch und dem Wasser,
müasen wir schliefsen, dafs ihre Bewegung nur dadurch erfolgt,
dafs sie von einem Geistigen regiert werden. Denn ein blofs Un-
geistiges, wie der Wagen u. s. w. , kann sich, wie wir beiderseits
zugeben, nicht bewegen. Und auch die Schrift, wenn sie sagt:
„der in den Wassern wohnend, von den Wassern verschieden ist, . . .
„der die Wasser innerlich regiert" (Brih. 3, 7, 4), — «auf dieses
„Untergäuglichen Geheifs, o Gärgl, fiiefsen die Ströme, die einen
„nach Osten" u. s. w. (Brih. 3, 8, ^), — lehrt, dafs der gesamte
Tlufs des Weltlebens von Gott regiert wird. Weil also der Ge-
sichtspunkt, aus dem man den Beweis führeu will (sädhya-paksha)
bei ihn^n gar nicht zulässig ist, kann mit der Erinnerung an die
Milch und das Wasser nichts geschafft werden. Dazu kommt,
dafs es die geistige Milchkuh ist, welche aus Liebe, auf ihren
Wunsch hin die Milch hervorströmen läfst, sowie auch dafs die-
selbe durch das Saugen des Kalbes herausgezogen wird. | Und 508
auch das Wasser ist nicht ohne alle Absicht, sofeni es bei seinem
Fiiefsen es auf die niedriger gelegenen Gegenden abgesehen hat.
Dafs aber' eine Absiebt ein Geistiges voraussetzt, haben wir aller-
wärts bewiesen; und wenn nach dem Sutram: „weil man ein Hinzu-
,.nebmen [von Werkzeugen] bemerkt, nicht, meint ihr? — Nein!
„denn es ist wie mit der Milch" (2, 1, 24), eine Wirkung auch
von selbst ohne eine aufsere Veranlassung möglich ist, so war
dieses nur ein vom weltlichen Standpunkte aus gebrauchtes Gleich-
PsuMim, VediBta. 21
« V.
322 QArlraka-mimlutoi
nis; damit wird nicht nsigestorsen, dafs vom Standpunkte der
Schrifblehre ans überall [wo eine Bewegung stattfindet] eine Ab-
sicht Oottes anzunehmen ist.
4. vyatireka-aniwasikUef ca anapekshat/odt
auch weil, da nichts darüber hinaus besteht, keine
Bücksichtnahme möglich.
Nach den S&nkbya's bilden die drei Oo^a's in ihrem Gleich-
mäfsigkeitszustande die Urmaterie. Nun aber giebt es über diese
Urmaterie hinaus nichts anderes, aufserhalb derselben Bestehendes,
auf welches [als Beweggrund] sie Rücksicht nehmen, und welches
ihre Bewegung in Gang setzen oder zum Stillstände bringen könnte.
Der Purusha hinwiderum verhält sich als müTsiger Zuschauer, der
die Bewegung weder veranlassen noch hemmen kann. Es fehlt
also der Urmaterie die Rücksichtnahme [auf einen Beweggrund],
und bei dem Mangel einer solchen RüdLsichtn^^roe ist es un-
gereimt, dafs die Urmaterie das eine Mal sich in die Formen des
Qrofsan n. i^. w. umwandeln solle , und das andere Mal sich nicht
umwandeln solle. Bei dein [von uns angenommenen] Gotte hin-
gegen ist, wegen seiner Allwissenheit, Allmacht und grofsen Zauber-
kraft, ein Anfang und ein Ende der Weltbewegung denkbar.
509 5. anyatra-ahhAmlc ca na trina-ddi-vat
weil [die Milch] nicht anderweit entsteht, ist es nicht
wie mit dem Grase u. s. w.
'Nun ja, aber man kann doch annehmen, dafs, so wie Gras,
*Blfttterwerk und Wasser ohne Rücksichtnalune auf eine andere
'bewii*kende Ursache blofs durch ihre eigene Natur sieh in die
Torrn der Milch u. s. w. umwandeln , ebenso auch die Urmaterie
'sich in die Form des Grofsen n. s. w. umwandeln kann.* — Aber
woraus schliefst* ihr, dafs das Gras u. s.w. ohne Rücksicht auf
eine andere bewirkende Ursache [zur Milch werde]? — 'Nun,
'weil man keine andere bewirkende Ursache wahrnimmt. Denn
'wenn wir irgend eine andere bewirkende Ursache wahrnähmen,
'so könnten wir nach Belieben durch die^e oder jene bewirkende
'Ursache, indem wir Gras u. s. w. als materielle Ursache dazu nfth*
'men, die Milch hervorbringen. Nun können wie dieselbe aber
'nicht hervorbringen; folglieh mufs man annahmen, dafs sie eine
SAtram II. n 5 323
^allein in der Natur des Grases u. s« w. begründete Um-wandlung
'desselben ist, und ebenso kann es sich auch mit der Urmaterie
^▼erhalten.* — Darauf ist zu erwidern, dafs man an eine iji ihrer
Natur begründete Umwandlung der Urmaterie fthnlich wie bei dem
Grase u. s. w. denken könnte, wenn sich seigte, dafs mit dem
Grase -u. a. w. wirklich eine nur in seiner Natur begründete Um-
wandlung vor sich ginge. Dieses zeigt sich aber keineswegs, in-
dem man aufser dem Grase noch eine andere, bewirkende Ursache
wahrnimmt. Auf die Frage, inwiefern man diese andere bewirkende
Ursache wahrnehme, lautet die Antwort: „weil [die Milch] nicht
„aiiderweit entsteht^*; nämlich nur dann wird das Gras u. s. w.
zur Milch, wenn man es einer Milchkuh zuführt, nicht auch ohne
diese oder indem man es einem Ochsen u. s. w. zuführt. Vollzöge
sich n&mlich dieser Vorgang wirklich ohne eine bewirkende Ur-
sache, so könnte auch anderweit und ohne Verbindung mit dem
Leibe der Kuh das Gras u. s. w. zur Milch werden. Aber darum,
weil wir Menschen eine Sache nicht nach Belieben henrorbringen
können, braucht sie noch nicht ohne jede bewirkende Ursache zu
sein; denn nur gewisse Wirkungen werden tou Menschen hervor-
gebracht, und gewisse andere wiederum von den Göttern [oder
vom Schicksale, daiva]. Und auch die Menschen können ja mit
Hülfe des geeigneten Mittels das Gras u. s. w. zur Milch | machen; 510
denn wenn sie natürliche Milch haben wollen, so nehmen sie na-
türliches Futter und geben dasselbe einer Kuh ein, und dadurch
erhalten sie die natürliche Milch. Somit ist es nicht richtig, dafs
wie bei dem Grase u. s. w. die Umwandlung der Urmaterie in der
eigenen Natur derselben begründet sei.
6. abhyupagame ^pi; artha-äbhävät
und auch wenn man dies einräumt; weil kein Zweck
vorhanden.
Eine Bewegung der Urmaterie, welche in ihrer eigenen Natur
begründet wäre, ist, wie wir gezeigt haben, unmöglich. Nun
wollen wir dir aber einmal Glauben schenken und eine in der
Natur der Urmaterie begründete Bewegung derselben einräumen;
so bleibt auch dann ein Fehler bei der Sache. Warum? „weil
„kein Zweck vorhanden *'. Wenn nämlich, wie behauptet wurde,
die Bewegung in der Natur der Urmaterie begründet ist und auf
nichts anderes Rücksicht nimmt, so darf sie, so wie sie auf kein
Hülfsmittel Rücksicht nimmt, auch auf keinen Zweck Rücksicht
nehmen. Damit würde aber die Annahme [der Säfikhya's], dafs
die Urmaterie sich fortentwickle, um das Ziel des Purusha zu
21 ♦
S24 g&riraka-mlin&DsiL
yerwirklichen , hitrf&IIig werden. Wenn der Gegner behaupten
sollte, dafs sie nur auf kein Hülfsmittel , nicht auch auf keinen
Zweck Rucksicht nehme, so müssen wir doch in Betreff dieses
Zweckes der Fortentwidclung der Unnaterie> uns darüber eni«
scheiden, ob d^selbe in dem Genüsse oder in der Erlösung oder
511 in beidem bestehen solle, j Soll er in dem Genüsse bestehen, so
ist zu bemerken, dafs ein Oeniefsen des für keine Steigerung em-
pfänglichen Purushä nicht denkbar ist; auch würde derselbe dann
nicht erlost werden. Soll hingegen die Erlösung der Zweck sein,
so ist diese doch schon vor der Weitentwicklung ToUbracht, und
die Weltentwicklung wird zwecklos; auch würde dann [weil kein
Genufs, auch] keine Wahrnehmung der Sinneseindrücke möglich
sein. Nimmt mau endlich an, dafs der Zweck in beidem bestehe,
so würde wegen ^der Unendlichkeit der 2U genielkenden Teile der
Urmaterie niemal b [eine Beendigung des Genusses und somit] eine
Erlösung eintreten. Denn in einer blofsen Yemichtüng des Ver-
langens kann der Zweck der Weltentwicklung nicht bestehen, in-
dem ein Verlangen weder bei der Urmaterie denkbar ist, weil sie
ungeistig, noch bei dem Purusha, weit er fleckenlos ist. Wird
endlich die Weltentwicklung darum angenommen, weil sonst die
Sehkraft [de6 Purusha] und die Schöpferkraft [der Unnaterie]
swecklos sein würde, nun dann folgt, dafs, so wie die Sehkraft
uuT^rnichtbar ist, auch die Schöpferkraft unyemichtbar, folglich
der SaqisÄra unauf hebbar, folglich die Erlösung unmöglich ist.
-Somit, ist es ungereimt anzunehmen , dafs die Urmaterie sich um
des Purusha willen fortentwickle.
7. purusha 'Ofma-vad, iti cet? tathd api
es sei wie mit dem Id^anne oder dem [Magnetj-Steine,
meint ihr? Auch auf diese Weise —
'Nun ja, aber man könnte doch sagen: so wie ein Mann, wel-
scher die Sehkraft besitzt aber der Bewegungskraft ermangelt, also
*ein Lahmer, indem er auf einen andern Mann, der die Bewegungs-
912 *kraft besitzt, aber der Sehkraft | ermangelt, also auf einen Blin-
*den, hin aufsteigt, eine Bewegung veranlassen kann. — oder auch
*wie der Magnetstein, obwohl er seibat ohne Bewegung ist, doch
'das Eisen ^ bewegen kann, — ebenso könnte mau im Vertrauen
'auf diese Betspiele wiederum behaupten, dafs der Purusha die
'Urmaterie in Bewegung setzen könne.' — Darauf ist zu er-
widern, daTfi „auch auf diese Weise ^* die Freisprechung von Feh-
lem picht erfolgen kann. Als nächster Fehler zeigt sich eine Auf-
gebung der VoraiTS8et£uttg; denn ch war vorausgesetzt worden,
8firtfam IT. ti. 7. 32ö
düfs die Urmatem aus sich selbst in Bewegung komme; ^afs hin-
gegen dur Purasha bm Wwege> war nichts vorau«goBetzt worden.
Wie sollte ferner der Pttrasha, da er doeh müfnger Zuschauer ist,
die ürmaterie bewegen? Denn auch der liahme niafs doch den
Blinden durch Worte ti. s. w. in Bewegung setzen; bei dem Pu*
rushfi hingegen findet keine derartige, die Bewegung veranlassende
Tbätigkeit statt, weil er thatlo» und firei von den 6una*s ist.
Auch kann er nicht wie der Maguetstein durch 8«ine blofse Nähe
die Uruuiterie bewegen, weil, da diese Nähe ewig iist, auch die
Bewegung dann eine ewige smn müfste. Bei dem Magnetsteine
liingegen ist die Nahe nicht ewig, denn seine Annäherung be-
ruht auf [unserni] eigenen Thun, auch ist dabei das Bestrei-^
eilen u. s. w. Mitbedingung ; so dafo die' Krinneruug an Uen Mann
und an deii [Magnet-jStein iinzutrofTend ist. Hierzu kommt, dafs
4lie Ürmaterie ein Ungeistigt», und der Purusha nur müfsiger Zu-
scbatter ist, wodurch, da ein drittes, welches sie zusammenbände,
nicht existiert, die, Verbindung lu^ider unmöglich wird. Oder soll
die Verbindung durch die blofse Verbind ungsfähigkcit bedingt
sein? Dann wflre, weil diese Verbindungsfähigkoit unvemichtbar
sein wurde, eine Erlösung unmöglich« | Ferner erregt, so wie vor- 513
ber, auch hier der Mangel eines Zweckes Bedenkenr Bei dem
höchsten Ätman hingegen beruht das Zuschauersein auf seiner
eigenen Natur, und das Bewegersein auf seiner Zauberkraft; dies
ist der Vorzug [den er als Princip der Welt vor der ürmaterie
und dem Purusha der Sankbya^s hat].
8. aügitva-anupapaütf ca
auch wegen der Unmöglichkeit des GliederhaftBeiiis.
•
Auch aus folgendem Grunde wird die Entwicklung der Ur-*
materie unmöglich. Wenn nämlich das Satlvam, JRajas und Temas
ihr Bestehen als Substanzen und Qualitäten von einander [sofom
jede derselben als Substanz die beiden andern uIh Qualitäten an
sich hat] aufgeben und in dem gloichmäfsigen, nur ihre eigene
Natur zeigenden Zustande verharren, so ist dieses der Zustand
der Ürmaterie. In diesem Zustande nun der Beziehungslosigkeit
ihrer Naturen zu einander können sie nicht, weil sie sonst ihre
Wesenheit einbüfsen würden, sich zu einander verhalten wie Glie-
der und Gliederhafkes [Qualitäten und Substanz]. Da aber etwas
Äufserliches , was dieselben [behufs einer abermaligen Weltentfal-
tung] wieder durcheinandermongen könnte, nicht vorhanden ist,
so wird das Hervorgehen des Grofsen u. s. w., welches die Un-
gleichmäfsigkeit [Gemengtheii] der Guna's zur Voraussetzung hat,
unmöglich.
326 Cärfraka-niimftnsii
.9. auyathä-anumUau ca, jna-gakti-viffogdt
auch wenn man anders argumontiert , wegen Trennung
von der Erkenner- Kraft
'Nun wohl, ao wollen wir aD<ler8 arguüientierexi , so da£B der
*eben gerügte Fehler vermieden wird. Denn die Guna's, welche
'wir annehmen , sind nicht [wie das Brahman] absoluter Natur
514 'und [über allen Zweifel] erhaben^ | weil es für uu8 keine [uu-
'bedingte] Autorität [wie die Schrift eine ist] giebt; vielmehr neh-
*men wir die BeschaÜ'ouheit der Guna^s so an, wie ihre Wirkungen
'es erfordern; und in welcher Weise unr immer das IJerrorgehen
'der Wirkungen aus ihnen erklärlich wird, dieser Weise entspre^shend
'haben wir die Natur derselben an^/unelunen. Da nun die übliche
'Theorie ohnehin schon dahin geht, dafs das Verhalten der Guna's
'ein wechselndes ist, so brauchen wir nur anzunehmen, dafs auch in
'ihrem Gleichmrifsigkeitszusiando die Gn^a's für den Eintritt der
'Ungleichmäfsigkeit empfänglich bleiben/ — Aber auch so werden
„wegen Trennung" der Urmaterie „von der Erkenner -Kraft" die
vorbemerkten Einwendungen von der Unmöglichkeit der Welt-
ordnuug u. s. w. eben wohl ihre Stelle behaupten. Nimmt man
abor durch Argumentation auch noch die Erkonner-Krafb an, nun
dmm liört allerdings das Widersprechen auf. Dann haben wir
eine geistige Einheit als die materielle Ursache der Weltausbrei-
tung, und damit haben wir die ßrahmanlehre. — Übrigens gesetzt
auch, die Guna's blieben [wie oben vorgeschlagen wurde] in dem
(ileichmäfsigkeitszustande für deu Eintritt der Ungleichmäfsigkeit
empfänglich i so können sie doch dieser Ungleichmäfsigkeit nicht
teil haft ^werden, so lange keine Ursache dazu vorhanden ist. Oder
sollen sie [auch ohne weitere Ursache] der Unglciclimäfsigkeit teil-
haft werden können, nun dann müssen sie, da der Mangel der
Ursache beide Male der gleiche ist, der Ungleichmäfsigkeit immer
und überall teilhail werden können; damit aber würde der eben
gerügte Fehler sich einstellen [dafs, da dann alles aus allem ent-
stehen könnte, die Zweekmäfsigkeit der Weltorduung unerklärlich
sein wiirde].
10, vipriitishedhäc ca asamanjasam
auch ist sie wegen der Widersprechendheit ungereimt.
Auch leidet die Lohre der Sänkhya's daran, dafs dieselben
sich einander widersprechen; zuweilen zählen sie sieben Sinne»»
Sütrun n. u. 10. 327
Organe auf und zuweilen elf; suweilen lassen sie die Schöpfung
der Prim&r8io£Fe (tanm&ira) aus dem Orolsen und zuweilen aus
dem Ahaokftra (Ich-Bewnlstsein) henrorgehen; zuweilen reden sie
von drei Innenor^anen | und zuweilen von einem; und das ist ja 516
bekannt, dais sie mit der. Schrift, welche Gott als die Ursache
lehrt, und mit der ihr nacheifernden Smfiti in Widerspruch
stehen. Auch darum also ist das System der S&ükhya's ein un-
gereimtes.
Hier könnte nun [der Anh&nger des S&nkhyam] bemerken : *ist
Menn nicht auch das auf die Upanishad's gegründete System un-
^gereimt, indem dasselbe annimmt, dafs der Gequälte [d. h. die
^Seelc, wörtlich der Gebrannte] und der Quälende [d. h. der Sai{i-
'sära, wörtlich der Brennende] nicht [wie der Purusha und die
^Urmaterie der Sankhya's] von Grund aus Terschiedenen Ursprungs
^sind? Denn wenn man annimmt, dafs das eine Brahman die all-
^beseelende Ursache der ganzen Weltausbrcitung ist, so müssen
'auch der Gequälte und der Quälende Bestimmungen des einen
^Atman, können somit nicht verschiedenen Ursprungs sein. Sind
^aber beide, der Gequälte und der Quälende, Bestimmungen des
^ einen Atman, so kaöin dieser von beiden, dem Gequälten und
'dem Quälenden, nicht beft^eit werden, und die Lehre, welche die*
'vollkommene Erkenntnis mitteilt, damit die Qual ein Ende nehme,
'kann ihren Zweck nicht erreichen. Denn die Flamme, welche
*als Eigenschaften das Wärmen und das Leuchten hat, kann, weil
*sie eben aus ihnen besteht, von diesen beiden nicht befreit werden.
*Und auch wenn man an das Beispiel vom Wasser und seinen
^Wellen, Wogen und Schaumblasen erinnert, so sind auch hier an
^dcm einen Selbste des Wassers die Wellen u. s. w. Bestimmungen,
Veloho, sofern sie abwechselnd hervortreten und zurücktreten, ewig
'sind, so dafs auch hier eine Befreiung des Selbstes des Wassers
'von den Wellen u. s. w. nicht möglich ist. Hierzu kommt, dafs
'für den Gequälten und den Quälenden eine Verschiedenheit des
'Ursprunges allgemein angenommen wird. So sind z. B. der Be-
'z Wecker und der Zweck von einander | offenbar verschieden. Denn 516
'hätte der Bezwecker keinen von ihm selbst verschiedenen Zweck,
'so würde dasjenige, um dessen willen die Bezweckung des Be*
'zweckers stattfindet, als ein von ihm schon innegehabter Zweck,
^Bchon immer erreicht sein, und somit würde eine auf denselben
'gerichtete Bezweckuiig gar nicht statthaben; so wie z. B. für die
'Flamme, weil sie ihrem Wesen nach Licht ist, der Licht genannte
'Zweck schon immer erreicht ist, mithin eine auf denselben ge-
'richt«te Bezweckung nicht stattfindet. Denn nur so lange der
'Zweck nicht erreicht ist, besteht die Bezweckung des Bezweckers.
'Ebenso wenig würde femer auch das Zwocksein des Zweckes
'statthaben; denn wenn es statt hätte, so müfste der Zweck sich
'selbst zum Zwecke haben, und das ist nicht möglich. Es sind
328 <;iMraka-mtraänslk
•
^nänilich diese Worte arihin (der Bezwecker) und ariha (der Zwock,
*das Glück) Verhältniswörter, ein Verhältnis aber ist nijr bei awei
'sich Verhaltenden möglich, nicht bei einem allein; daram bilden
'die Worte artha und arthin eine Zweiheit, und ebenso steht es
*oiit den Worten anariha und anartfiin (der Unglückliche); was
*dem Bezwecker förderlich ist, heifst der Zweck, was ihm hinder-
lich ist, der Unzweck (das Unglück), und mit diesen beiden wird
'er als derselbe abwechselnd verbunden. Da nun der erreichte
*Zweok das Seltenere, und der verfehlte Zweck (das Ui;iglück) das
^Häufigere ist, so ist die Summe beider Zwecke UnzWfjck (Ün-
^glück) und wird darum der Qaälende genannt; der Gequälte hin-
^widerum ist der Purusha, welcher als einer abwechselnd mit bei-
den verbunden wird. Sollen nun diese beiden, der Gequälte und
'der Quälende, ihrem Wesen nach eines sein [wie die Bridiman-
Hehre behauptet], so wird die Erlösung unmöglich; sind sie hin-
517 ^egen versphiedeneu Ursprungs, so läfst sich eine mögliche Er-
lösung dadurch, dafs man die Ursache ihrer Verbindung meidet,
•denken.' — [Vedäntin:] Hierauf erwidern wir, dafs dem nicht so
ist, und zw^ar wegen der Einheit, indem durch diese das Ver-
hältnis des Gequälten und des Quälenden unmöglich wird. Der
Vorwurf wäre berechtigt, wenn in d^m Einssein als Aiman der
Oequälte und der Quälende noch als Objekt und Subjekt einander
gegenüberstünden; dem ist aber nicht so, und zwar, wie gesagt,
wegen der Einheit. Denn das Feuer z. B. kann sich, weil es
eines ist, nicht selbst brennen oder erleuchten, obgleich demselben
im übrigen eine Mehrheit der Qualitäten des Brennens, Leuch-
tens u. s. w. und die Um Wandlungsfähigkeit zukommen. Um wie
viel weniger kann also in dem [über alle Vielheit der Qualitäten]
erhabenen und [unwandelbar] ednheitlichen Brahman das Verhält-
nis von Gequältem und Quälendem zutreffen? — [S&nkhya:] *Aber
'wo soll denn sonst das Verhältnis zwischen Gequältem und Quäler
'stattfinden?' — [Vedäntin:] Nun, das liegt dir ja doch vor Augen,
dafs der Gequälte der aus den Werken entstandene, lebendige
Leib, xind dafs der Quälende (Brennende) [zum Beispiel] die Sonne
ist. — (S&nkhya :] 'Aber das Wort Qual bedeutet doch ein Leiden ;
'und ein spiches kann nur einem der Eikenntnis Fähigen , nicht
'aber dem ungeistigen Leibe zukommen. Beträfe die Qual nur
'den Leib, so würde sie beim Untergange des Leibes von selbst
'vergehen, und man brauchte nicht nach einem Mitlel zu suchen,
618 'um sie zu vemichten.' \ — [Vedäntin:] Darauf ist zu erwidern,
dafs ohne den Leib, für ein blofses Geistiges, ein& Qual nicht
existiert, und auch du selbst nimmst die Veränderung de« Zu-
Standes, welche man Qual nennt, bei dem blofsen Erkenner [dem
Purusha] nicht an, und ebenso wenig eine Verbindung des Leibes
mit dem Geistigen [dem Purusha], weil letzteres sonst von den
Mängeln der Unreinheit u. s. w. betroffen werden wurde. Endlich
Süttrant IL u. ta 329
kannst du doch audi nicht' atinebmen, dafs es die Qual selbst sei,
welche gequält werde; dcJier auch du das Verbültnis des Gequälten
und des Quftlejuien anmöglich [als ein in metaphysischem Sinne
leales] annehmen kannst. — [Sankhya:] ^Aber kennte nicht viel-
Meicht das Sattvam das Gequälte, und das Rnias der Quälende
^sein?* — [Vedl^niin :] Auch das geht nicht, weil eine Verbindung
des Geistigen mit diesen beiden unmöglich ist. — [Saökhya:]
'Aber man könnte doch sagen ^ dafs, vermöge seiner Analogie mit
'dem SaUoanhf auch das Geistige gleichsam gequält werde.' —
[Vedäntin:] Nun, dann folgt, dafs dasselbe im absolut realen
Sinne oben nicht gequält wird, wie aus dem von dir hinzugefügten
AYorte „gleichsam" ersichtlich ist; denn nur wenn jenes nicht ge-
ii|iiält wird, bt das Wort ,^leichsam'^ berechtigt. Denn wenn ich
sage, die Blindschleiche ist gleichsam eine Schlange, so folgt dar-
aus nicht, dafs sie auch giftig ist; oder wenn ich sage, die Schlange
ist gleichsam eine Blindschleiche, ao folgt daraus nivht« dafs sie
auch ungiflig ist; und somit mufst du einräumen, dafs jenes Ver-
hältnis des Gequälten und des Qoftlenden nur auf dem Nichtwissen
beruht und nicht in^ absolutem Sinne real ist. Ist dem aber so, )
dann fällt der ganze Einwand gegen mich weg. Nimmst du hin- 519
gegen an, dafs das Gequältwerden des Geistigen in absolutem
Sinne real i^t, so trifft vielmehr dich der Einwand, dafs eine Er-
lösung unmöglich ist, zumal du auch noch die Ewigkeit des Quä-
lenden annimmst. — [Sänkhfa:] *Wenn auch die Möglichkeit eines
^Gequälten und Quälenden eine ewige ist, so erfordert doch die
^wirklicho Qual noch eine durch Ursachen bedingte Verbindung
^beider mit einander; wird nun das Nichtsehen [des Purusha}, in
^welchem die Ursache dieser Verbindung liegt, zu nichte, so tritt
'ein definitives Aufhören der Verbindung und dadurch eine de-
'finitive Erlösung ein.' — [Vedäntin:] Aber das geht nicht, weil
du ja doch eine Ewigkeit dos Nichtsehen«, d. h. des Tamas (Fin-
stornia) annimmst. Und da das Hervortreten und das Übemiächtig-
werdon der Guna^s kein mit Sicherheit bewirkbares ist, so ist
auch das Aufhören der die Verbindung bewirkenden Ursache nicht
mit Sicherheit bewirkbar; damit aber ist aucii die Trennung keine
sicher bewirkbare , und sonach ist für die Sä&khyalelure die Fol-
gerung unvermeidlich, dafs eine Erlösung nicht mit Sicherheit er-
reichbar ist. Die Upanishadlehre hingegen hält an der Einheit
mit dem Atman fest; da nun das, was eines ist, das Verhältnis
von Objekt und Subjekt nicht auläfst, da femer die Vielheit der
Umwoadliuigen nur an Worte sich klammert, wie die Schrift lehrt
{Ghand. 6, 1, 4)t so ksmn uns ein Zweifel an der Möglichkeit der
Erreichbarkeit der Erlösung [weil dieselbe ih Wahrheit stets schon
erreicht ist] auch nicht im Traume einfallen. Was iungegen das
empirische Welttreiben betrifft, so ist in demselben { das Verhält- 530
nie von Oeqol^leni and Quälendem überall da und «n der Weise
330 Qftflnka-iiitiiiAiM
auKunehmon , wo und wie es sich selgt; dies aber lAfst sieb
nicht gegen uns ins Feld führen, noch haben wir nötig, es xn
bestreiten.
Zweites Adkikaranam.
•
Die Lehre von der Urmaterie als Weltnrsache wäre widerlegt;
und es käme jeist dai*auf an, auch die Lehre von den Atronien
ab« Weltursache zu widerlegen. Und zwar ist zunächst auf einen
Einwurf zu antworten, welcher von Seiten des Verteidigers der
Atome als Weltursache gegen den Anhänger des Brnhman aus-
geklügelt wird. Die Behauptung der Yai^eshika's ist dabei fol-
gende: 'die Qualitäten, welche der ursächlichen Substanz inliarieren,
^erzeugen in der bewirkten Substanz neue, ihnen gleichartige Qua-
litäten, indem die Erfahrung zeigt, wie z. B. aus weifsen Fäden
'auch ein weifses Tuch erzeugt wird, während sie das Gegenteil
'nicht zeigt. Soll daher das geistige Brahman für die Ursache
'der Welt gelten, so mufs auch der Wirkung, d. h. der Welt, die
'Geistigkeit inhärieren. Nun zeigt sich aber, dnfs -dem nicht so
'ist. Folglich kann daa geistige Bmliman nicht die UrsHche der
'Weit sein.' — Diese Behauptung pariert der Lehrer durch fol
genden Sütratitel:
]1. tnahad'dtrr/fM'Vad vä hrasim-parimaudoJMihijnm
|Dio Welt entsteht aus dem llrahman, wie das Mini-
male und Kurze aus dem Kugohinulcn] oder wie
das Groföe und Lange aus dem Kurzen und [mittelbar]
dem Kugelrunden.
Der Hergang ist nach der Meinung der Gegner folgender. Die
Atome also verharren eine Zeit lang ohne die Weltwirkung herror-
621 zubringen, | geaUltet wie es gerade kommt, in ihrer Umfangsform
der Kugelrundhoit. Eben dieselben bewirken nachmals, nachdem
vorher das Unsichtbare (adHshfam) u. s. w. hinzugetreten ist, und
sie dadurch der Verbindung toilhaft geworden sind, durch Ver-
mittlung der Doppelatome u. s. w. die ganze Wirkungswelt, und
hierbei erzeugen die Qualitäten der Ursache neue Qualitäten in
der Wirkung. So z. B. wenn zwei Atome ein Doppelatom bilden,
Sfttram II. u. 11 331
90 benrirken die speciellen QuaUtäteii d«s Aassehens u. s. w., z. B.
die weifse Farbe , welch« in den. Atomen liegen, aufs neue die
welfso Farbe u. s. w. in den Doppelatomen. Hingegen die Kngel-
.rundheit, obgleich auch sie eine ^peeielle QnalitAt der Atome ist,
bewirkt in dem Doppelatome • nicht wiederum eine Kngelmndheit,
indem, wie jene annehmen, das Doppelatom eine andere Umfangs-
form besitzt; ftipr die Doppelatome nämlich nehmen sie als Um-
faugsformen die Miniroalheit und die Kurzheit an. Wenn weiter
zwei Doppclatome [nach ^ankara*s Darstellung der Sache] ein
Quadrupelatom bilden, so sind auch dann wieder in gleicher
Weise die den Doppelatomen | inharierenden Qualitäten der weÜsen 522
Farbe u. s. w. als Ursachen wirksam; hingegen die Miniinalheit
und die Kurzheit, obwohl auch sie deu Doppelatomen iuhärieren,
sind nicht als Ursachen wirksam, indem das Quadi'Upelatom, wie
die Atomisten annehmen, als Umfangsform die Orofsheit und die
Langheit besitzt. Ebenso liegt die Sache, wenn viele Atome, oder
wenn viele Doppelatome, oder wenn ein Atom und ein Doppel-
atom miteinander verbunden eine Wirkung hervorbringen. G^ade
so gut nun wie aus dem Atoni, obwohl es kugelrund ist, das mi-
nimale und kni*ze Doppelatom und weiterhin das grofse und lange
Tiipelatom [aus emem Atom und einem Doppelatom, das Quadrupel-
atom aus zwei Doppelatomen] u. 9. w. entspringt, nicht aber wie-
derum ein kugelrundes; — oder wie aus dem Doppelatom, obwohl
es minimal und kurz ist, das grofse und lange Tripeistom ent-
springt > nicht aber wiederum ein Minimales oder Kurzes; —
ebenso kann aus dem geistigen Brahman die nichtgeistige Welt
entstehen, und ich möchte wohl wissen, worin denn bei dir, Ato-
niist, die Sache anders [und weniger schwierig als bei uns] liegt.
Oder meinst du vielleicht, weil die bewirkte Substanz, die Doppel«
atome u. s. w., mittels einer andern, [der Form der Atome] ent-
gegengesetzten Umfangsform entsprängen, deswegen dürftest du
annehmen, dafs bei dir die in der Ursache liegende Kugelruud-
heit u. s. w. nicht wirkungskräftig sei; dafs hingegen bei uns die
Welt nicht erwachse mittels einer andern, dem Geistigen, entgegen-
gesetzten Qualität, I welche erlaubte anzunehmen, dafs das Gei- 5S3
stige der Ursache nicht ein anderes Geistiges in der Wirkung
hervorzubringen brauche, indem in dem Ungeistigen [der Wirkung]
keine^Eigenschaft liege, welche ein Ungeistiges [der Ursache, ähn-
lich wie die Kurzheit u. s. w. die Kugelrundheit] ausschlösse, weil
[in der Wirkung] nichts weiter als eine blofse Ausschliefsung des
Geistigen liege, — und dafs deswegen die Entstehung aus dem
Geistigen nicht vergleichbar mit der Entstehung aus der Kugel-
rundheit sei? [Mit andern Worten: beim Atomismus wird durch
die Kurzheit u. s. w. der Wirkung die analoge Kugelrundheit u. s. w.
der Ursache ausgelöst: darum braucht die Ursache nicht, wie die
Wirkung kurz u. s. w. zu sein; beim Brahmanismus hingegen wird
332 QlLriraka-ni!iii&j]s&
dttfeh die Ungentigkeit der Wirkung kein anaJdget» ÄtjitiTident
der Ursache ausgelöst; daher mufs die Ursache, ebenso wie die
Wirkung, ungeistig sein.] Aber das glaube nur ja nicht! Denn<
gerade so wie die Kugelrundheit u. s. w.,. obwohl sie in der Ur-
sache liegt f doch nicht sich wirkend bethätigt, gerade so ist es
auch mit dem Geistigen, so dafs hierin die Annahme auf beiden
Seiten eine gleichartige ist. Denn in dem Übergang des Kugel-
runden in eine andere Umfangsform liegt kein (jrand dafür, dafs
dasselbe sieh nicht wirkend bethatigeii sollte, weil vor der Be-
wirkung einer andern Umfangsform da9 Kug^lmnde a. s. w. als
das Bewirkende vorausgesetzt wurde. Kehmt ihr ja doch sogar
an, dafs die bewirkte Substanz vor dem Entstehen ihrer Qualitäten
einen Moment qualitätlos sein müsse. Auch sind bei der Bewir-
kung der neuen Umfangsform die Kngelrundheit u. s. w. nicht
etwa anderweit in Anspruch genommen, so dafs sie deswegen eine
ihnen gleidiartige neue Umfangsform nicht hervorbringen könnten,
und man für die neue Umfangsform eine andere Ursache annehmen
524 dürfjjc. I Denn es heifst in den Sütra's des Kand,da:. „durcli die
„Vielheit der Ursache, durch die Grofsheit der Ursache und durch
„die speciellc Anhäufung entsteht das Grofse*/ (vgl. Vaig. 7, 1, 9);
— „dem entgegengesetzt ist das Minimale" (Vai^. 7, 1, 10); —
„damit sind die Langheit und die Kurzheit erklärt" (Yai(. 7, 1, 17).
Auch kann man nicht behaupten, dafs wegen des, Yorzages be-
sonderem Nähe die Vielheit der Ursache wirksam sein sollte, ni<^t
aber ihre Kugelrundheit u. s. w.; denn wo es sich am die 6e-
Wirkung einer neuen Substanz oder einer neuen Qualität handelt,
da sind alle Qualitäten der Ursache ohne Unterschied ihrem Sub-
strate in gleicher Weise inhärierend. Somit ist die Kugelmnd-
heit u. 8. w. nur wegen ihrer eigenen Natur nicht bewirkend thätig,
ynd ebenso steht es mit der Geistigkeit. Weil man also sieht,
dafs durch die Verbindung wesensverschiedene Substanzen ent-
stehen, so ist nicht zuzugeben, dafs das Entstehen nur aus Gleich-
artigem statthaft sei. Meint ihr, wo ea sich um eine Substanst
handle, da dürfe man sich nicht auf die Qualitäten berufen, so
bestreiten wir das, weil es bei unserem Vergleiche nur darauf
ankommt, dafs ein Wesens verschiedenes Ursache sein kann. Auch
ist kein Grund vorhanden, als Regel aufzustellen, dafs mau sich
bei Substanzen nur auf Substanzen, bei Qualitäten nur auf Qua-
litäten berufen dürfe. Denn der Verfasser eurer Sütra^s selbst
69S beruft sich bei einer Substanz | auf eine Qualität, wenn er sagt:
„weil die Verbindung von Wahrnehmbarem und Unwahm^mbarem
„unwahrnehmbar sein wurde, kann er [der Leib] nicht aus den
„fünf Elementen bestehen" (Vai^. 4, 2, 2); d. h. ebenso wie bei
Wahrnehmbarem und Un wahrnehmbarem, bei Erde und Äther (Baum),
die sie inhärierend habende Verbindung unwahmehmbar ist, ebenso
roüfste der Leib, wenn er die fünf teils wahrnehmbaren, teils an-
SOtram H n. 11. 333
wahrnehmbaren Elemente ijih&rierend hätte, unwahmehmbar sein;
nun ist aber der Leib wahrnehmbar; folglich besteht er nicht aas
den fUnf £lementeii. In diesem Argumente ist die Verbindung eine
Qualität und der [mit ihr yerglichene] Leib eine Subetanz. — *
übrigens haben wir das Hervorgehen aas Wesensverschiedenem
schon an der Stelle „vieim^r zeigt die Erfahrung** (Sütram 2, 1, 6)
erklärt. — 'Aber war damit nicht auch schon das Gegenwärtige
'erledigt^? -^ Doch nicht 1 denn dort bekämpften wir die Sankhya^s^
hier aber . die Vaiyeshika's. — *Aber wurde nicht wegen der Gleich-
^artigkeit schon auch auf diese hingewiesen durch die Worte: „da-
*„mit sind auch die von den Gelehrten nicht angenommenen be*
SjSprochen"' (Sütrara 2, 1, 12)? — Schon recht! aber eben dieses
wurde hier zu Eingang der Prüfung der Yaiyeshika's durch ein
ihren eigenen Aufstellungen entnommenes Beispiel näher aus*
gefülirt.
Drittes Adhdiaranam.
12. ubhayathd api na karma, atas tad-abhävah 526
auf beide Art kein Werk; daher keine [Atom-
verbindung].
Jetzt wendet sich der Lehrer zur Bekämpfung der Theorie von
den Atomen als Welturuacbe. Diese Theorie tritt in folgender
Weise auf. *Der Augenschein lehrt, wie in der Erfahnmg ge-
'glicderte Substanzen, z. B. Gewebe, hervorgebracht werden von
'ihnen entsprechenden Substanzen, z. B. den Fäden, indem die-
^selben der Verbindung teilhaft werden. In ähnlicher Weise ist
*zu schliefsen^ dafs alles, was gegliedert ist, von den ihm jedes-
^mal entsprechenden Sabstanzen, indem diese der Verbindung teil«
*haft werden, hervorgebracht ist. Dasjenige, bei welchem diese
'Unterscheidung des Gliederhaften und der Glieder nicht mehr
* weiter durchführbar ist, indem die Reduktion bei ihm ihr Ende
*errfeicht hat, ,ist das Atom (paramänu). Nun ist diese ganze Welt
*mit Gebirgen, beeren u. s. w. ein Gliedefhaftes, und weil glieder-
4iaft, hat sie einen Anfang und eiu Ende. Eine Wirkung aber
'kann nicht ohne Ursache sein; und darum sind* — dies ist die
Meinung des Kaniida — 'die Atome die Ursaehe der Welt.* Indem
ferner die Atomisten bemerken, wie alle vier Elemente, nämlich
Erde, Wasser, Feuer und Luft, gliederhaft sind, so nehmen sie
i • V ••■ r - ^r -■
334 ^^ärtraka-mtmlLnsft.
vier Artßn von Atomen an. 'Wenn nun diese, die £rde a^ s. w.,
'so za Grunde geben, dafs die Beduktion ihr Ende erreicht, nnd
'somit eine weitergehende Teilcing nicht mehr möglich ist, so fährt
527 <die letztmalige Teilung auf die Atome, | und dien ist die Zeit des
'Weltunterganges. Zu der iiur folgenden Zeit der Schöpfung ent-
'steht in den luftartigen Atomen eine durch das Unsichtbare {adri-
^shtam) bedingte Wirkung; diese Wirkung verbindet das ihr unter-
'worfene Atom mit einem andern Atome, und so entsteht durch
^Vermittlung der Doppelatome u. s. w. die Luft; ebenso das Feuer;
'ebenso das Wasser; ebenso die Erde; ebenso der LeilV mitsamt
'den Sinnesorganen. In dieser Weise entsteht diese ganze Welt
'aus den Atomen, und dabei entstehen aus dem den Atomen
'eigenen Aussehen u. s. w. die den Doppelatomen eigenen Aus-
'sehen u. s. w., ähnlich wie bei den Fäden und dem Gewebe.*
Dieses ist die Meinung der Kan&dianer. — Hierauf ist Folgendes
zu erwidern. Was zunächst den Zustand der Geteiltheit betrifft,
so mufs in ihm eine sich bildende Verbindung von Atomen an-
gesehen werden als bedingt durch ein Werk, wie ja auch die
Fäden u. s. w. durch ein Werk zum Gewebe verbunden werden.
Für dieses Werk aber mufs, weil es eine Wirkung ist, irgend
eine bewirkende Ursache angenommen werden. Nimmt man sie
nicht an, so kann wegen Fehlens der bewirkenden Ursache bei
den Atomen jenes erstanfangliche Werk nicht statthaben. Aber
auch wenn man sie annimmt, auch wenn man der Wahrnehmung
gemäfs irgend eine Anstrengung oder einen Anstofs und dergleichen
als die bewirkende Ursache des Werkes zngiebt, so kann doch
bei den Atomen das erstanfangliche Werk nicht statthaben^ weil
eine solche bewirkende Ursache bei ihnen undenkbar ist. Denn
in diesem Zustande igt eine Anstrengung als Qualität der Seele |
528 undenkbar, weil dieselbe noch keinen Leib hat. Denn jede An-
strengung als Qualität einer Seele mufs entstehen in einem Maaad,
indem dasselbe unter gleichzeitiger Verbindung mit der Seele auf
einen I^eib sich statzt. Aus demselben Grunde ist auch eine sicht-
bare bewirkende Ursache, wie z. B. ein Anstofs, unzulässig; denn
dieses alles besteht nur in der Zeit nach der Schöpfung, kann
somit nicht die bewirkende Ursache des erstanfänglichen Werkes
sein. Oder meint ihr vielleicht, dafs das „Unsichtbare" die bewir-
. kende Ursache des erstanfönglichen Werkes sei? Nun, dann müfste
dieses wiederum entweder einer Seele inhärieren, oder es mflfste
den Atomen inhärieren, „auf beiderlei Weise" aber ist „kein
„Werk", welches das Unsichtbare als bewirkende Ursache hätte,
bei den Atomen möglich, indem das Unsichtbare ein Ungeistiges
ist. Ein Ungeistiges aber kann, ohne von einem Geistigen regiert
zu werden, von selbst weder sich noch ein anderes bewegen, wie
wir dies bei Prüfung des Sftnkhyasystemes (Si\tram 2, 2, 2) dar-
gelegt haben. Und auch die Seele ist, da ihre Geistigkeit sich
StiruA II. u. 12. 335
noch nicht entwickelt hat, in jenem Znstande ein Ungeistiges.
Und wenn man an eh die Inhftrenz des Unsichtbaren in einer Seele
annimmt, ro kann dasselbe doch nicht bei den Atomen die be-
wirkende Ursache des Werkes bilden, weil die Verknüpfung mit
diesen fehlen würde. Nehmt ihr aber eine Verknüpfung der Atome
mit eiuem das Unsichtbare schon besitzenden Geiste (puruslM) an,
so ist die Verknüpfung eine fortwährende, und folglich müfste
auch die Bewegung eine fortwährende sein, indem etwa» Anderes,
welches sie hemmen könnte, nicht vorband^ sein würde. Weil
also somit ke^ne notwendige bewirkende Ursache für das Werk
I vorhanden ist, so kann das erstanföugliche Werk bei den Ato- ^^9
men nicht statthaben; hat aber das Werk nicht statt, so hat auch
die durch dasselbe bedingte Verbindung der Atome nicht statt,
und hat die Verbindung nicht statt, so hat auch die durch die-
selbe bedingte Wirkung der Doppelatome u. s. w. nicht statt. —
Ferner: die Verbindung des einen Atomes mit dem andern mufs
entweder eine solche mit seinem ganzen Wesen, oder mit einem
Teile desselben sein. Sollen sich die Atome ihrem ganzen Wesen
nach verbinden, so kann es zn keinem Aggregate kommen, alles
zusammen kann nur die Gröfse eines einzigen Atomes hab'en, und
der Widerspruch mit der Wirklichkeit liegt zu Tage. Soll hin-
gegen, weil in der Erfalurung sich eine Substanz vermöge ihrer
Grenzen mit den Grenzen einer andern Substanz verbindet, auch
die Verbindung der Atome nur an einer ihrer Seiten stattfinden,
so folgt, dafs das Atom Glieder haben mufs. Meint ihr, dafs die
Grenzen an den Atomen nur fingierte seien, so folgt, da das Fin-
gierte nicht wirklich ist, dals auch die Verbindung der Atome
nicht wirklich ist, dafs somit fQr die bewirkte Substanz -die nicht-
inhärierende Ursache [d. h. eben die Verbindung] nicht vorhanden
ist; fehlt aber die nichtinhärierende Ursache, so kann auch die in den
Doppelatomen u. s. w. bestehende Wirkung nicht erfolgen. —
Ebenso femer; wie bei der Anfangsschöpfung, weil die bewirkende
Ursache fehlt, das die. Entstehung der Verbindung bezweckende
Werk bei den Atomen nicht möglich ist, | ebenso ist aucb beim 530
Weltuntergange das die Entstehung der Trennung der Atome be- .'
zweckende Werk nicht möglich. Denn auch hierbei ist keine not-
wendige bewirkende Ursache der Trennung ersichtlich. Denn auch
das Unsichtbare hat als Zweck doch nur die Verwirklichung des
Genusses (der Werke in einem früheren Dasein] und nicht die Ver-
wirklichung der Zerstörung. — Weil somit eine 'bewirkende Ur-
sache fehlt, so kann weder das die Verbindung der Atome noch
das die Trennung der Atome bezweckende Werk entstehen; und
somit, weil eine Verbindung und eine Trennung unmöglicli ist, er-
giebt sich, dafs jene beiden, nämlich Weltschöpfnng und Welt-
untergang, unmöglich sind. — Darum ist diese Theorie von den
Atomen als dei' Weltursache unannehmbar.
336 ^Mraka-mhn&ns&
1£. samaväya-ahhyupagamäc ca, sämyäd anavasthüeh
auch, wenn man eine Inhärenz annimmt, weil, wegen
der Gleichmäfsigkeit , ein regressus in infinUum,
„Auch, wenn man eine Inbärenz annimmt'^ — ist „keine [Atom-
„Verbindung]" (SiVtrflm % 2, 12) möglich; — bo hängt es mit der
vorhergehenden Wider^gung der Atomrtheorie Eusammen. N&mlich
der Gegner nimmt an, dafs das Doppelatom, welches aus den 2we
Atomen als ein von ihnen ganz Verschiedenes entsteht, den beiden
Atomen inhärierend sei. Aber auch durch diese Annahme kann
der Atomtheorie nicht aufgeholfen werden; warum i* „weil, wegen
„der Gleichmfifsigkeit, ein regressus in infiniinm^^. Ebenso wie
nämlich das von den beiden Atomen ganz verschiedene Doppel*
531 atom durch eine inhärenzartige Verknüpfung | mit beiden verknüpft
wird, ebenso müfste auch die Inhärenz selbst, weil sio von den
Inhärenzträgern absolut verschieden ist, abermals durch eine zweite
inhärenzartige Verknüpfung mit den Inhärenzträgern verknüpft
werden, weil beide Male eine gänzliche Verschiedenheit gleich-
niäfsigerweise besteht; femer müfste für diese Verknüpfung wieder
eine andere und wieder andere Verknüpfung angenommen werden,
und so würde ein regressus in infinitum eintreten. — *Aber die
'Inhärenz {samaväycC) kann in diesem Falle, da sie ein von dem
^Vorstellungsvermögen Aufzufassendes ist [dem keine materielle
* Wesenheit entspricht], doch nur dann von ihm aufgefafst werden,
^wenn sie mit den Trägem der Inhärenz wesentlich und für immer
'verknüpft ist, nicht aber, wenn sie unverknüpft neben ihnen be-
isteht oder auch [in ihrer Verknüpfung] di^h eine andere Ver-
'knüpfung bedingt ist, und folglich braucht man nicht fUr jede
'Verknüpfung immer wieder eine neue Verknüpfung anzunehmen
*und dadurch in den regressus in infinitum zu verfallen.' — Nein!
so entgegnen wir; denn wenn dem so ist, [dann bedarf es gar
keiner Annahme einer Inhärenz {saifi%äväya)\ denn] dann muf$
auch die blofse Verbindung {mmyoga) schon mit den Trägern-
der Verbindung wesenthch und für immer verknüpft sein und be-»
darf ebenso gut wie die Inhärenz keiner besondern Verknüpfung}
[mit ihren Trägem] mehr. Oder soll die Verbindung etwas von
ihren Trägem selbst Verschiedenes sein und noch einer besonJem
Verknüpfung mit ihnen bedürfen? Nun, mit demselben Kechte
ist dann auch die Inhärenz etwas von ihren Trägem Verschie^
denes und bedarf noch einer besonderen Verknüpfung mit ihnen.
Kommt uns nur nicht damit, dafs ihr sagt, die Verbindung be-
dürfe, weil sie eine der [24 von den Vaigeshika's unter der zweiten
Kategorie aufgezählten] Qualitäten sei, noch einer besonderen Verr
knüpfuiig, die Inhärenz hingegen nicht, weil sie keine QualitKi
S«träm IL u. Id. 337
f sondern eine besondere KBtegorie für sieb] seil D^n der Grand,
uns nacb einer solcben [Verknüpfung] umznseben | ist in beiden 532
Fällen der gleicbe; and was ihr in eurer Terminologie als Qua-
litäten [und nicht als solche] bezeichnet, darauf kommt es dabei
gar niclit an. Sobald man aber die Inharonz für etwas von ihren
Trägem Tersehiedenes erklärt, ist der regresms in infinitum un-
vermeidlich. Ist er es aber, so wird mit der Unbeweisbarkeit
des ersten Schrittes jeder weitere unbeweisbar; es wird undenk-
bar, wie aus zwei Atomen ein Doppelatom hervorgehen sollte, und
auch aus diesem Grunde ist die Theorie von den Atomen als
Weltursache unannehmbar.
14. nityafn eva ca bhävdt
auch weil eben sie [die Bewegung u. s. w.*| ewig sein
würde.
Femer müfste man annehmen, dafs die Atome ihrer Natur
nach entweder in Bewegung oder in Ruhe oder beides oder kei-
nes von beiden seien, indem eine andere Möglichkeit nicht denk-
bar idt. Aber auf alle vier Arten geht es nicht. Gesetzt n&mlieh,
der natürliche Zustand wäre die Bewegung, so würde eben die
Bewegung ewig dauern, und die Weltvemichtung nicht müglleh
sein. Wäre hingegen der natürliche Zustand die Rühe, so würde
eben die Ruhe ewig sein, und eine Weltschöpfung unmöglich
werden. Beides aber zugleich als den natürlichen Zustand an-
zunehmen, wäre wegen des Widerspruchs eine Ungei'eiintheit. SoU
endlich der natürliche Zustand der Atome in keinem von beiden
besteben, und man nimmt, da Bewegung und Ruhe eine bewir-
kende Ursache erheischen, als diese bewirkende Ursache etwa das
Unsichtbare (adrisßifam) an, so würde, weil dasselbe ewig vor-
handen ist, oiaeh die Bewegung eii^e ewige sein; soll hingegen in
dem Unsichtbaren u. s. w. nicht das Wesentliche der Sache liegen,
so würde eine ewige Unbewegtheit als Folge sich ergeben. Auch
darum also ist die Theorie von den Atomen als Weltursacho un-
annehmbar.
*
16. rüpa-ddi-mat-iväe ea viparjfajfa^ darfanäi 533
auch wegen des Ausgestattetßeins mit Farbe u. s. w.,
sind sie [die Minimalheit und Ewigkeit] ein Wider-
spruch, wie eirsichtlich .
'Die Substanzen sind gUederhaft; teilt man sie nun nacb ihren
Gliedern so lange, bis eine weitere Teilung unmöglich wird, so
338 g&rtraka-mliiiik^&
'hat man die in vier Arien zerfallenden, mit Farbe u. s. w. ans-
'gestatteten Atome, welche die vier Arten der mit Fai'be a. 8. w. aus-
^gestatteten Elemente und das, was weiterhin aus diesen entsteht,
'hervorbringen, selbst aber ewig sind.' So nehmen es die Vai^e-
shika's an. Aber diese ihre Annahme entbehrt der Begründung,
weil in dem Ausgestattetsein der Atome mit Farbe u. s. w. ein
Widerspruch gegen ihre Minimalheit und Ewigkeit, liegen würde.
Es würde nämlich folgen, dafs dieselben wiederum im Vergleich
mit einer allerletzten Ursache grobstofflich und nicht ewig wären,
und dieses würde der Voraussetzung widersprechen. Warum ? weil
es so in der Erfahrung „ ersichtlich*' ist. Denn alles was in der
Erfahrung als ein mit Farbe u. s. w. ausgestattetes Ding sich zeigt,
das steht in Beziehung zu seiner Ursache und ist darum grobstoff-
^34 lieh und nicht ewig. — | So steht z. B. das Gewebe in Beziehung
zu den Fäden und ist darum grobstofflich und nicht ewig; die
Fäden hinwiderum stehen in Beziehung zu den Fasern und sind
darum grobstofflioh und nicht ewig. Ebenso wie diese Dinge gelten
dem Gegner auch seine Atome als ausgestattet mit Farbe u. s. w.;
folglich müssen auch sie noch eine Ursache haben und mit Be-
^ Ziehung auf diese grobstofflich und nicht ewig sein. Was die
Gegner als Grund der Ewigkeit angeben, wenn sie sagen: „ewig
„ist, was seiend und ursachlos ist" (Vai9. 4, 1, 1), das ti'ifft, auch
wenn es richtig ist, auf die Atome nicht zu, weil in der an-
gegebenen Weise folgt, dafs sie eine Ursache haben müssen. Was
sie femer als zweiten Grund für die Ewigkeit hinstellen: „die
„Negation « ni cht- ewig v ist nur möglich bei einem bestimmten
„Sein [nicht bei dem Sein im allgemeinen]'' (lies: praUsheda'bhä-
. t>a^, Vai^. 4, 1, 4), auch das beweist nicht notwendig die Ewigkeit
der Atome; denn wenn auch, ohne dafs irgend ein ewiges Ding
wäre, die Zusammensetzung des Wortes „ewig" mit einer Ne-
gation nicht bestehen könnte, so braucht es doch nicht gerade
die Ewigkeit der Atome zu sein, auf welche dieselbe sich bezieht;
denn allerdings giebt es ein Ewiges, aber das ist das Brahman
als höchste Ursache. Übrigens läfst sich nicht aus der blofsen
Untersuchung des Sinnes eines Wortes die Existenz irgend einer
535 Sache erweisen; | vielmehr müssen das Wort und sein Sinn, mit
welchem die Untersuchung sich befafst, erst durch andere Beweis-
mittel sicher gestellt sein. Als ein dritter Grund für die Ewigkeit
wird angeführt: „und ein Nichtwissen" (Vai^. 4, 1, 6). Wenn man
dies so erklärt, dafs ein Nichtanuehmen von anschaulich vor-
handenen Ursachen da, wo seiende, vor Augen liegende Wirkungen
gegeben sind, eine Unwissenheit sei, so würde folgen, dafs auf
diesen Grund hin auch das Doppelatom [da es ebenfalls als an-
schaulich vorhandene Ursache der vor Augen liegenden Wirkungen
anzunehmen ist] ewig sein müfste. Fügt man aber als nähere Be-
stimmung hinzu, [das Nichtwissen sei ein Nichtannehmen solcher
Sfttrain n. n. 15. 339
ITrsachenJ, „bei denen keine weitere Sab^tans mehr au Grunde
„liege", so haben wir hier als Grund der Ewigkeit wiederum nur
die (Irsachlosigkeit; nnd da diese noch so e> en (Vai^. 4, l-, 1) be-
sprocbeu worden war, so I&ge in den Worten „und em Nicht-
„wissen '* nur eine müfsige Wiederholung. Oder soll man annehmen,
dafs aufser durch Zerteilung der Ursache und durch Vernichtung
der Ursache ein dritter Grund des Untergangs nicht mdgiich sei,
und dafs diese Unmöglichkeit [als die UnerfindHchkeit eiTios andern
Grundes und somit] als „ein Nichtwissen^' [anderer Gründe] be-
zeichnet werde, welches die Ewigkeit der Atom^ beweise, — so
ist zu entgegnen, dafe keine Regel vorhanden ist, welche fordert,
dafs ein Ding, welches untergeht, notwendigerw«;iBe nur aus diesen
beiden Gründen untergehen kann. .Freilich, wenn man schon vor-
aussetzt, dafs die Substanz eine vielheitliche ist und mit Hülfe
der Verbindung die andern Substanzen hervorbringt, dann mag
jenes richtig sein. Fafst man hingegen die Hervorbringung so auf,
dafs dabei eine unterschiedlose, | ihrem Wesen nacli identische 536
Ursache in einen andern mit Unterschieden behafteten Zustand
übergeht 9 dann kann der Untergang auch so stattfinden, dafs er,
ähnlich ¥rie das Schmilzen der Festigkeit der Butter, durch ein
Zerschmilzen des Zustandes der Materialität (mürfi) erfolgt. —
Somit fuhrt das Ausgestattetsein der Atome mit Farbe u. s. w. auf
einen Widerspruch gegen die Voraussetzungen, und auch darum
ist die Theorie von den Atomen als Weltursache unsnnehrobar.
16. ubhaycUkä ca doshät^
und weil in beiden Fällen ein Fehler.
Die Erde ist grobmateriell und besitzt als Eigenschaften Riech-
barkeit, Schmeckbarkeit, Sichtbarkeit und Fühlbai^keit. Das Wasser
ist feinmateriell und besitzt als Eigenschaften Schmeckbarkeit, Sicht-
barkeit und Fühlbarkeit. Das Feuer ist feiner und besitzt als
Eigenschaften Sichtbarkeit und Fühlbarkeit. Die Luft ist das feinste
und besitzt als Eigenschaft die Fühlbarkeit (vgl. Vaiy. 2, 1, 1 — 4).
In dieser Weise haben. die genannten vier Elemente einen Zuwachs
und Abgang von Eigenschaften und dem entsprechend eine gröfsere
oder geringere Grobheit und Feinheit, wie dies die Erfahrung zeigt.
Ebenso nun mufs man auch bei den Atomen annehmen, entweder
dafs sie einen Zuwachs und Abgang von Eigenschaften besitzen,
oder dafs sie ihn nicht besitzen. „In beiden Fällen^' aber wird
der Eintritt eines Fehlers unvermeidlich. Nimmt man nämlich
für dieselben einen Zuwachs und Abgang von Eigenschaften an,
so folgt aus dem Zuwachse von Eigenschaften auch ein Zuwachs
an Materialität (mürff)^ und dann sind es keine Atome mehr. |
22*
340 C&rlraka-mlmlAsI
Ö3T Man sage nicht, daia auch ohne einen Zuwachs an Materialität
ein Zuwachs von Eigenschaften möglich sei; denn bei entstandenen
Wesen [wenigstens] ist) wie die Erfahrung zeigte mit dem Zuwachs
an Eigenschafben auch ein Zuwachs an Materialit&t gegeben. Nimmt
man hingegen jenen Zuwachs und Abgai^ von Eigenschaften nicht
an, um die Gleichartigkeit des Atomaeins zu wahren , so muXs man
ihnen allen nur je eine Eigenschaft beilegen, und dann sieht man
nicht, warum das Feuer auch i&r das Gefühl, oder das Wasser
auch für Gesicht und Gefühl, oder die Erde Auch für Geschmack,
Gesicht und Gefühl wahrnehmbar ist, da doch die Eigenschaften
der Wirkungen nur ai^s den Eigenschaften der Ursachen erfolgen.
Oder soll man allen Atomen alle vier Eigenschaften beilegen? dann
müfste das Wasser auch für den Geruch wahrnehmbar sein, das
Feuer auch für den Geruch und Geschmack, die Luft audi für
Geruch, Geschmack und Gesicht, und das widerstreitet der Er-
fahrung. Auch darum also ist die Theorie von den Atomen als
Wßltursache unannehmbar.
17. aparigrahäe ca atyantam anapekshd
auch wegen der l^icbtAunahme [verdient der Atomis-
mus] durcJiaQs keine Beachtung.
Was die Theorie [der S&fikhya^s] von der Urmaterie als Welt«
Ursache betrifft, so ist diese auch von einigen Yedakundigen , wie
.Manu und andern, litterarisch vertreten worden, in Anbetracht,
dafs dieselbe doch durch einen Teil [der wahren Lehre], dafs die
Wirkung die eines [noch jetzt] Seienden ist u. s. w., ihr Dasein
538 fristet. Hingegen ist die gegenwärtige Theorie | von den Atomen
als Weltursache von gar keinem Gelehrten auch nicht irgend einem
Teile nach angenommen worden; daher sie von Seiten der Ab-
hftnger des Veda ganz und gar keine Beachtung verdient.
^ Hierzu kommt, dafs die Yai^eshika-s als Inhalt ihrer Lehre
die sechs Kategorien der Substanz, Qualität, Wirkung, Identität,
Differenz und Inhärenz aufstellen als gänzlich voneinander ver-
schiedene und mit verschiedenen Merkmalen behaftete Wesenheiten,
etwa wie ein Mensch, ein Pferd und ein Hase verschieden sind.
Und obgleich sie dieses annehmen, so behaupten sie doch im
Widerspruch damit, dafs die übrigen Kategorien von der Sub-
stanz abhängig seien. Aber das geht nicht; denn so wie zwischen
einem Hasen und einem Grashalme u. s. w. , weil sie gänzlich ver-
schieden sind, keine gegenseitige Abhängigkeit stattfindet, so kann
auch unter den Kategorien, weil sie gänzlich verschieden sind,
eine Abhängigkeit der Qualität und der folgenden von der Sub-
Sfttram ü. u. 17. 341
»tanz nicht stattfinden. Und doch beBtekt diese Abliftngigkeit der
Qualität u. ». w. von der Substanz. Weil nun die übrigen Kar
t^gorien niu* bestehen, sofern die Subt^tanz besteht, und nicht be-
Htehou, wenn sie nicht besteht, so ist es eben nur die Substans, s
Welche durch die Verschiedenheit ihrer Zustände ü. s. w. der Ter-
schiedenen Namen und Vorstellungen teilhaftig wird; ähnlich %rie
Devadatta, obwohl er einer ist, durch Verbindung mit vdrechiede-
nen Zuständen verschiedener Namen und Vorstellungen teilhaftig
wird. I Weil dem so ist, so verfallen sie in die Lehrmeinung d«r 63^*
Saüidiya's und setzen sich mit ihrer eigenen Lehrmeinmig in
Widerspruch. — 'Aber ist nicht auch der Rauch, obwohl er Tom
'Feuer verschieden ist, dennoch vom Feuer m Abhängigkeit?* —
Allerdings! aber hierbei wird durch die Erkenntnis der Ver-
schiedenheit sicher gestellt, dafs der Rauch etwas anderes ist als
das Feuer. In unserem Falle hingegen, bei einer weifsen Decke,
einer roten Kuh, einer blanen Lotosblume, ist es immer nur die
oder die Sul>stanz, welche*" mit der oder der Bestimmung dem Er-
kennen sich darbietet; und es ist zwischen der Substanz und den
Qualitäten keine Auffassung der Verschiedenheit in der Art," wie
sie beim Feuer und beim Rauche stattfindet. Somit hat die Qna»
litäl die Substanz zu ihrem Wesen. Damit ist bewiesen, dafa
auch die übrigen Kategorien, Wirkung, Identität, Differenz und
Inhärenz, die Substanz zu ihrem Wesen haben [mithin nicht als
besondere -Kategorien derselben nebeugeordnet werden durften].
Man könnte einwenden , die Abhängigkeit der Qualität u. 8. w.
von der Substanz beruhe [nur] darauf, dafs Substanz und Qualität
nicht isoliert erkennbar sind. Aber mag man diese Nicht-isolieri*
Erkennbarkeit auffassen als eine räumliche Ungetrenntheit oder als
eine zeitliche Uugetrenntboit oder als eine Wesens-Ungetrenntheii,
in keinem Falle ist sie [unter den Voraussetzungen der Atomisteu]
zulässig. Soll sie eine räumliche Ungetrenntheit bedeuten, so wi-
derspricht das ihren eigenen Voraussetzungen. Nämlich die Atomi-
sten nelunen an, dafs das durch die Fäden hervorgebrachte Ge-
webe die Stelle der Fäden einnimmt, nicht aber die Stelle des
Gewebes. Bei den Qualitäten des Gewebes, z. B. der weifsen
Farbe u. s. w. , hingegen nehmen sie an , dafs diese die Stelle des
Gewebes einnehmen, nicht aber die Stelle der Fäden. [Nur awi-
Bchen Fäden und Gewebe besteht die räumliche Ungelorenntheit,
d. b. ain Austausch des Raumes, nicht zwischen den Fäden und
der Farbe des Gewebes.] Und so sagen sie auch: „Substanzen
„bringen andere Substanzen hervor und Qualitäten andere Qua**
„litäten^* (Vaig. 1,1, 10), d. h. | die Fäden als ursächliche Sub- 54<
stanzen bringen das Gewebe als bewirkte Substanz hervor, and
die den Fäden angehürigen Qualitäten, die weifse Farbe u. s. w.,
bringen in der bewirkten Substanz, dem Gewebe, andere Quali*
täten, weifse Farbe u. s. w., hervor; so nehmen sie selbst es an.
342 giriraka-mtni&nsli
Diesü ihre Annahme steht mit der Annahme einer r¨ichen Un-
getreuntlieit [die sich, wie es scheint, unser Autor nur als einen
Austausch des Raumes zu denken vermag] zwischen Substanz und
Qualitäten in Widerspruch. Oder soll mau unter der Nicht-isoliert-
Erkennbarkeit eine zeitliche üngetrenntheit verstehen? dann würde
folgen, dafs auch das linke und das rechte Uom einer Kuh [we-
gen ihrer Gleichzeitigkeit] nicht isoliert erkennbar seien. Soll
endlich die Nicht-isoliert-Erkennbarkeit in einer Wesons-Ungetrennt-
heit bestehen, so folgt, dafs die Qualitäten von der Substanz dem
Wesen nach nicht verschieden sind, weil sie nur durch die Wesens-
Einheit mit ihr [und nicht unabhängig von ihr wie die Atomisten
wollen] aufgefafst werden. Und auch der Ausweg, dafs die Ver-
knüpfung isoliert Erkennbarer eine blofse Verbindung (saifi^oya),
hingegen die Verknüpfung nicht isoliert Erkennbarer eine Inhärens
(saynaväjfo) sei, ist ein vergeblicher, weil [zwischen Wirkung und
Ursache Inhärenz besteht, somit Nicht -isoliert-Erkennbarkeit be-
stehen niüfste, diese aber, d. h.] die Nicht-isoliert-Erkennbarkeit
dei* Ursache, da dieselbe doch schon vor der Wirkung vorhanden
w<(r, unannehmbar ist (vgl. Vai$. 7i 2, 13). Oder soll diese An-
nahme nur füi* die eine Seite [die Wirkung] gelten, der Art dafs
die InhSreuz eine Verknüpfung der nicht-isoliert-erkennbaren Wir-
641 kuDg mit der Ursache Hei? | Auch auf diese Weise ist die Ver-
knüpfung der vorher noch nicht vorhandenen, noch nicht zur
Wesenheit gelängten Wirkung mit der Ursache nicht möglich,
weil «ine Verknüpfung durch eine [schon vorhandene] Zweiheit
.bedingt wird. Meint ihr vielleicht, dafs die Wirkung, erst nach-
dem sie entstanden, mit der Ursache verknüpft werde, so wird
ein Sein der Wirkung vor der Verknüpfung mit der Ursache an-
geuommeu; damit ist aber die Nicht -isoliert -Erkennbarkeit auf-
gegeben, und die Behauptung, dafs zwischen Wirkung und Ur-
sache [notwendigerweise nur Inhärenz, und] nicht eine blofse
[uufserliche] Verbindung und Trennung statthaben könne, wird
hinfällig. Und [iu der That], ebenso gut wie die Verknüpfung der
eben erst entstandenen, noch nicht sich bethätigenden Wirkungs-
substanz mit andern Substanzen, z. B. mit dem alldurchdringenden
Räume, als eine blofse Verbindung (samyoga) und nicht als eine
Inhärenz {samaväya) betrachtet wird, mit eben demselben Rechte
braucht auch die Verknüpfung derselben mit der Ursach-Substanz
•nur eine Verbindung, nicht eine Inhärenz zu sein. — Mag man
aber die Verknüpfung als Verbindung oder als Inhärenz auffassen,
in keinem Falb; lufst sich beweisen, dafs die- Verknüpfung un-
abhängig von den beiden Verknüpften eine Existenz habe [so dafa
sie der Substanz-Kategorie, die Verbindung unter der Qualitäten-
Kategorie, die inhärenz als besondere Kategorie, nebengeordnet
werden dürfte]. Meint ihr vielleicht, weil Name und Vorstellung
der Verbindung und der Inhärenz auch unabhängig von Name
Siktram U. u. 17. 343
und VorBtellung der verknüpften Dinge bestehe, | deswegen hätten 642
sie [auch eine von ihnen unabhängige] Existenz? Gewifs nicht!
Denn auch wo es sich um eine Einheit handelt, werden verschie-
dene Namen und Vorstellungen, je nach der Beziehung auf sich
selbst oder auf die AuTsendinge, gebraucht. So ist z. B. De^adatta
einer und wird doch je nach der Beziehung zu sich selbst oder^
zu einem mit ihm Verknüpften verschiedener Namen und V^or-
stellungen teilhaftig, als Mensch, Brahmane, schriftkundig, frei-
gebig, Kind, Jüngling, Greis, Vater, Bruder, Schwiegersohn; so
ist z. B. femer der Strich nur einer und wird doch dadurch, dafs
er seine Stelle wechselt, des Namens und der Vorstellung von
eins, zehn, hundert, tausend u. s. w. teilhaftig. Ebenso steht es
auch bei zwei Verknüpften; dafs hier unabhängig von Name und;
Vorstellung der beiden Verknüpften der Name und die Vorstellung
der Verbindung und der Inhärenz gebraucht werden, das beweist
nicht, dafs diese als für sich bestehende Wesenheiten existieren.
Denn weil eine Nicht- Wahrnehmung die Merkmale einer Wahr-
nehmung erlangt, darum ist noch nicht das Sein 'eines neuen
Dinges gegeben. Hierzu kommt, dafs, wo es sich um zwei mit
einander Verknüpfte handelt, Name und Vorstellung der Ver-
knüpfung keine kontinuierliche Existenz besitzen, indem sie, wie
vorher bemerkt, je nach der Beziehung auf sich selbst oder ein
Aufsending, wechseln.
Weiter ist zu bemerken, dafs zwischen Atomen, Atman iind
Manas, weil sie keine Ortöuiiterschiede besitzen, keine Verbindung
(satftyoga) \ möglich ist; denn nur eine räumlich bestimmte Sub- 543
stanz kann mit einer andern räumlich bestimmten Substanz eine
Verbindung eingehen. Meint ihr, dafs die Ortsunterschiede zwi-
schen Atomen, Atman und Manas blofs angenommene zu sein
brauchen, so geh^ das nicht; denn damit, dafs man etwas, wenn
es nicht vorhanden ist, annimmt, kann man alles Mögliche be-
weisen; imd dafüi*, dafs man nur diese oder jene nicht vorhandene,
widersprechende oder nicht widersprechende Sache annehmen darf
und nicht auch noch weiteres, giebt es keinen Grund eine Schranke
zu ziehen ; liierzu kommt, dafs solche Annahmen nur auf sich selbst
beruhen, und dafs man ihrer eine grofse Menge machen kann
fd. h. dafs sie wohlfeil sind]. Und in der That, wenn die Vai^e-
shika's sechs Kategorien annehmen, so ist nicht abzusehen, was
uns hindert, noch weitere über dieselben hinaus, und waren es
hundert oder tausend, anzunehmen. Beruft ihr euch auf An-
nahmen, nun dann ist wahr was nur irgend jemandem einfällt«
Der eine, voll Mitleid ftir die lebenden Wesen, könnte annehmen,
dafs der Saipsära mit all seinen Leiden gar nicht * vorhanden sei;
ein anderer könnte in seiner Bosheit annehmen, dafs auch die
Erlösten wieder geboren werden, und niemand könnte beide daran
hindern.
344 Qäiiraka-mimänB&
Ferner: [wie soll man sich die Inhärenz (samavdpa) vorstellen?]
das gegliederte Doppelatom kann mit seinen beiden gliederlosen
Atomen doch nicht so vorfiocbten sein, wie [ein K-örper] mit dem
Räume; denn zwischen dem Baum und z. B. der Erde ist keine
544 solche Verflechtung wie zwischen dem Leim | und dem Holze [wie
sie hier notwendig sein würde]. Meint ihr deswegen, weil das
Verhältnis zwischen den Substanzen der Wirkung und Ursache
als dem Bedingten und der Bedingung anders nicht denkbar sei,
müsse man notwendigerweise die Inhärenz zugeben, so bestfeiten
wir das, weil es ein Cirkelschlufs ist. Aus der im voraus fest-
stehenden Verschiedenheit von Wirkung und Ursache schliefst ihr
auf das Verhältnis derselben als Bedingtes und Bedingendes, und
aus ihrem Verhältnis als Bedingtes und Bedingendes schliefst ihr
auf die Verschiedenheit der beiden, wobei, wie bei der lUid*
Wölbung und den Speichen, immer das eine- durch das andere be-
dingt wird. Wir Anhänger des Vedänta hingegen nehmen weder
die Versdiiedenheit von Wirkung und Ui^sache, noch ihc Verhält-
nis als Bedingtes und Bedingendes an, weil wir die Wirkung nur
für 'eineÄ besonderen Zustand der Ursache ansehen.
Aber noch mehr. Die Atome sind ränmlieh begrenzt; folglich
müssen siot j^ nachdem man sechs, acht oder zehn Himmelsrich-
tungen annimmt^ entsprechend viele Seiten und somit Glieder
haben. Sind sie aber gegliedert, so können sie nicht ewig [un-
teilbar] sein,, und somit wird die Annahme ihrer Ewigkeit und
Oliederlosigksit hinfällig. Behauptet ihr, dafs dasjenige,' was ich
für Glieder h^lte, die durch die verschiedenen Himmelsrichtungen
Verschiedenheit haben, eben die Atome selbst sind, so geht das
nicht. Wenn man nämlich vom Groben zum Feinen und immer
Feineren fortgeht, so ist alles, bis auf die letzte Ursache, ver-
gänglich. Die Erde z. B. ist, weil sie im Vergleich mit den Doppel-
atomen u. 8. w. das Gröbste ist, obwohl sie ein vorhandenes Ding
545 ist, I doch vergänglich; ebenso mufs das Feine und das noch Fei-
nere, weil es mit .der Erde gleicher Art ist, vergänglich sein;
ebenso weiter das Doppelatom; in derselben Weise sind auch die
Atome, weil auch sie mit der Erde gleichartig [d. h. einen Raum
erfüllend] sind, vergänglich. Meint ihr, dafs, wenn sie vergäng-
lich sind, doch auch sie nur durch Zerlegung in ihre Teile ver*
gehen können, so lassen wir das nicht gelten, weil, wie bereits
bemerk);, ein Vergehen auch so denkbar ist wie das ßchmilzen
der Festigkeit der Butter. Wie nämlich bei Butter, Gold u. s. w.
auch ohne Zerlegung in ihre Teile, dui'ch Übergang in den flüssi-
gen Zustand mittels der Wärme, eine Vernichtung der Festigkeit
stattfindet, ebenso kann auch bei den Atomen durch Übergang
in das Sein der letzten Ursache eine Vernichtung der Materiali-
tät u. s. w. stattfinden. In gleicher Weise braucht auch die HervQr-
bringung der Wirkung nicht notwendig als eine Verbindung von
SAtram U. ii. 17. 346
Gliedern aufgefafst ku werden, indem z. B. die Milch und dias
WaBser auch ohne eine besondere Verbindung von Teilen die Wir*
kungen der sauren Milch und des Eises hervorbringen.
Weil also somit die Atonitheurie durch eine wenig stichhaltige
Reflexion zusammengestöppelt ist, { weil sie der Schriftlehre von 540
Gott als der Weltursache widerstreitet, und weil sie von Ge-
lehrten, die sich der Schriftlehre zuneigen, wie Manu und anderen,
nicht angenommen worden ist, deswegen braucht dieser Atom-
theorie gar keine Beachtung geschenkt zu werden, von Arya*s,
80 mufs man [das Sütram] erg&nzen, welchen es um ihr Seelen-
heil zu tlmu ist.
Viertes Adhdkaranam,
18. sainudAj/(^ ubfiaffohetuke 'pi, tad-apräptih
auch wenn das durch beide Ursachen bedingte Ag-
gregat Zugestenden wird, ist Unerreichbarkeit dessen
[was sie wollen].
Wir haben gefunden, dafs die Doktrin der Vai^eahika^s , weil
sie dem Veda widerspricht, und weil sie von den (relehrten nicht
angenommen worden ist, keine Beachtung verdient, wiewohl die-
selbe nur halb-nihilistisch war, 8ofei*n sie mit dem Nihilismus eine
gewisse Verwandtschaft hat. Noch viel weniger verdient Beachtung
die Doktrin der vollständigen Nihilinten; und diese;^ wollen wir
jetzt erweisen. £s ist aber diese Doktrin vielgestaltig, sei es
durch den Widerspinioh der Dogmen, sei es durch den der Schüler,
und es finden sich in ihr folgende drei Richtungen vertreten. Die
einen behaupten die Realit&t der Welt; andere behaupten, dafs
nur die Vorstellung real sei, und eine dritte Richtung nimmt an,
dafs die Welt nichts sei.
I Diejenigen nun zunächst, welche die Realität der Welt fest- 547
halten, nehmen an, dafs es Aufsendinge und lunendinge gebe,
nämlich die Elemente und was aus ihnen gebildet wird, und das
Geistige und was aus dem Geistigen besteht. Mit diesen haben
wir es zunächst zu thun. Ihre Elemente sind die Grundstoffe,
wie die Erde u. s. w., das ans ihnen Entspringende sind einerseits
die Farbe und die übrigen [Objekte der Wahrnehmung], ander-
seits das Auge und die übrigen [Sinnesorgane]. In der Vierzahl
346 Q&riraka-mim&fisa
bestehen auch die Atome der Erde u. 8. w., welche ihrer Natur
nach fest, flüssig, heifs und beweglich sind; diese, indem sie sich
zusammenscharen, bilden das Sein der Erde u. s. w. , wie sie
meinen. Weiter giebt es die fünf Skandha's (Ä^te), nämlich Wahr-
nehmung, Erkenntnis, Empfindung, Benennung [d. h. Sprache] und
Bestrebung; auch diese werden [analog den Atomen der Aufseu-
weit] in dem eigenen Selbste zusammengeschart und bilden jda-
durch, wie sie meinen, das Substrat aller Th&tigkeiten. — Hierauf
ist zu erwidern: jenes durch beide Ursachen bedingte, in zwei
M8 Arten zerfallende | Aggregat, welches die Gegner annehmen, das
durch die Atome bedingte, welches in einer Zusammenscharuug
der Elemente und dessen, was aus ihnen entspringt, besteht, und
das durch die Skandha^s bedingte, welches in dem Produkte der
fünf Skandha*s besteht, — dieses von ihnen angenommene Aggre-
gat, obwohl es aus zweierlei Ursachen abgeleitet wird, leistet
doch nicht was sie wollen, d. h. die Entstehung dieses Aggre-
gates ist nicht möglich; warum? weil dasjenige, was sich zu ihm
zusammenschart, ein Ungeistiges ist; denn das Emporflammen des
Geistes wird erst durch die Vollendung des Aggregates bedingt,
und ein anderes Geistiges, wie etwa eine geniefsende Seele oder
einen regierenden Gott, welcher bestandig wäre und das Aggregat
hervorbrächte, nehmen sie nicht an. Soll aber die Bewegung, auch
ohne durch etwas Derartiges bedingt zu werden, möglich sein, so
folgt, dafs die Bewegung nicht aufhören kann. Aach weil kein
Substrat [der Skandha^s] zu ersehen ist, mag dasselbe nun von
ihnen verschieden oder mit ihnen identisch sein, ferner weil zu-
folge ihrer Annahme der Dauerlosigkeit eine Thätigkeit undenkbar
ist, wird die Bewegung jener [Bestandteile des Aggregates] un-
549 möglich. Somit | kann das Aggregat nicht zu Stande, kommen;
kann aber das Aggregat nicht zu Stande kommen, so wird damit
der auf ihm beruhende Weltgang unmöglich.
19. itara-Uara-pratyayatvddy iti cen? na! tUpatti^-maträ''
nimittatüiU
weil [die Nidäna's] aufeinanderberuhen [sei die Be-
gründung hinreichend] meint ihr? Nein! weil sie nur
für ihr [eigenes] Hervorgehen [nicht für das des
Aggregates] Ursache sind.
Man könnte entgegnen: 'wenn auch kein Geistiges, wie die
^geniefsende Seele oder der regierende Gott, als Bewirker des
'Aggregates und als dauernd angenommen wird, so ist der Welt-
Sfttnun U. u. 19. 347
^gang doch dadurch mdglich, dafs Ton dem Nichtwissen und den
^übrigen [Nid&na's] das eine immer die. Ursache des andern ist;
'ist aber der Weltgang als mr>glich eiiiriesen, so brauchen wir
'nach einer weiteren I»egründnng uns nicht umsnsehen. Diese
'nnn^ das Nichtwissen u. s. w., sind folgende : I. Nichtwissen, ll. Be*
'strebuug, III. Erkenntnis, IV. Name und Gestah/* Y. die sechs
'Basen der Wahrnehmung, VI. IWuhrung, VII. Empfindung,
'VIII. der Durst, IX. die Anklammerun^, X. das Werden, XI. die
'Geburt, XII. Alter, Tod, | Kummer, Jammer, Schmon: und Vcr- 550
'zweiflung. In dieser Keihc ist das eine immer die Ursache dos
'andern, und die Genannten werden in dem Systeme der Sugata's
'[Buddhisten] zuweilen summarisch aufgezählt, zuweilen aiisftlhr-
'Uch behandelt. Es ht aber diese Reihe des Nichtwissens u. s, w.
'von der Art, dafs niemand ihrer entraten kann. Da nun diese
'Reihe des Nichtwissens u. s. w., in welcher das eine immer die
'Wirkung und wiederum die Ursache eines andern ist, ohne Unter-
'lafs wie die Schöpfmasohine fd. h. die an einem Rade befestigten
'und mit diesem umlaufenden Schöpfeimer] heranrollt, so wird,
'schon weil dem so ist, daa Aggregat als Zweck der Sache po-
'stuliert und ist somit anzunehmen.^ — Diese Behauptung bestreiten
wir. Warum? „weil sie nur für ihr Hervorgehen Ursache sind".
Gewils wäre das Aggregat anzunehmen, wenn für das Aggregat
irgend «ine es bewirkende Ursache zu ersehen wäre. Sie ist aber
nicht zu ersehen; denn wenn auch das Nichtwissen u. s. w. eines
in dem andern seineu Grund hat, so würde doch das jedesmal
Frühei'e, indem es entstünde, nur fiir das jedesmal Folgende die
bewirkende Ursache seines Entstehens sein, während hingegen filr
das Hervorgehen des Aggregates keinerlei bewirkende Ursache vor-
handen ist. — 'Aber vrurde nicht bemerkt, dafs das Aggregat
'von dem Nichtwissen u. s. w. als Zweck postuliert werde?* —
Darauf ist zu erwidern: wenn das vielleicht eure Meinung ist,
dafs das Nichtwissen u. s. w., weil sie ohne das Aggregat keine
Weseuhaftigkeit haben können, auf das Aggregat als vprhanden
schliefsen lassen, nun so müfst ihr doch für dieses Aggregat irgend
eine bewirkende Ursache angeben können. Aber eine solche ist
nicht einmal möglich, wenn man ewige Atome annimmt, | und 651
wenn [daneben] noch geniefsende Seelen als Träger des Substrates
[der Atom Verbindung , d. h. des adfishfam] bestehen, wie wir bei
Prüfung der Vai^eshika's fanden; — wie sollte sie also möglich
sein, wenn man sogar die Atome als dauerlos, als der geniefsen-
den Seelen oder auch eines [sonstigen] Trägers des Substrates [der
Atomverbindung] ermangelnd auffafst? — Oder ist die Meinung
diese, dafs das Nichtwissen u. s. w. selbst die bewirkende Ursache
des Aggregates sind? Aber wie köimen diese, da sie sich doch
auf dasselbe stützen und dadurch erst Weseuhaftigkeit empfangen,
für eben dasselbe die bewirkende Ursache sein! — Oder meinst
348 g&rtraka-iiitmAösft
du TieDeicht, dafs die Aggregate selbst schon in dem anfanglosen
Sams&ra als ein Kontinuierliches bestehen, und dafs auf sie als
ihre Grundlage das Nichtwissen n. s. w. sich stützen? In diesem
Falle müfste aus dem einen Aggregate das andere hervorgehen
und zwar entweder regehnäfidg als ein gleichartiges oder un-
geregelt als ein bald gleichartiges bald ungleichartiges. Ent-
scheidest du dich för die Ragelm&fsigkeit, so wird es unmdglich,
dafs die menschliche Person in einen göttlichen oder tierischen
Mutierscliofs oder in die Hölle eingeht; nimmst da die Ungeregelt-
heit an, so würde folgen, dafs die menschliche Person zuweilen
plötzlich zu einem Elefanten oder su einem Gotte und dann wie-
der zu einem Menschen werden könnte; dieses beides ab«* wider-
streitet deinen eigenen Annahmen. — Femer deijenige, um dessen
&5S Geniefsens willen das Aggregat da ist, | d. h. die individuelle Seele
als der dauernde Geniefser, wird von dir geleugnet; somit folgt,
dafs der Genufs nur um seiner selbst willen da ist und nicht
von einem andern erstrebt wird, und ebenso wäre die Erlösung
nur um ihrer selbst willen da,' und ein anderer, der nach der
Erlösung strebte, wäre nicht vorhanden. Soll hingegen ein an-
derer vorhanden sein, der beides erstrebt, nun so mii& es doch
ein. solcher sein, welcher w&hrend der Zeit des Genusses und der
Erlösung besteht; besteht er aber, so fallt eure Annahme der
Dauerlosigkeit dahin. — Soll also in der Reihe des l^iohtwis-
sens n« s. w. das eine immer nur die bewirkende Ursache f&r das
Hervorgehen des andern sein, nun so lafst sie meinetwegen es
sein, jedefifalls aber ist das Aggregat damit nicht zu Stande zu
bringen, weil euch die geniefsende Seele fehlt. — Das ist unsere
Meinung.
20. uttura-utpäde ca pürva-nirodhdt
und weil beim Entstehen des folgenden [Augenblicks]
der vorherige zu nichie wird.
Wir haben gezeigt, dafs, weil das Nichtwissen u. s. w. nur die
bewirkende Ursache ist für das Hervoi'gehen [der andern Glieder
der Kette], das Zustandekommen des Aggregates unmöglich ist.
Aber auch dieses, dafs das Nichtwissen u. s. w. die bewirkende
Ursache für ihr eigenes Hervorgehen sein sollen, ist nicht möglich,
wie nunmehr darzuthun sein wird. — Die Theorie von der Moment-
vemichtung nimmt an, dafs, indem der folgende Augenblick ent-
steht, der vorherige Augenblick zu nicbte wird. Bei dieser An-
nahme aber kö»nnen sich der frühere und der spätere Augenblick
Sfttram ü. ii. 20. 849
nicht wie Ursache und Wirlrnng ssu einander verhalten; | denn 553
weil der frühere Augen1)lick, indem er vergeht oder sobald er
vergangen ist, vom Nichtsein verschlungen' ¥rird, kann er nicht
die Ursache des folgenden Augenblickes sein. Oder ist die Mei-
nung vielleicht, dafs der frühere Augenblick die Ursache des spä-
teren ist, während er noch im Dasein und in fertig vorhandenem
Zustande ist? Auch das geht nicht; denn bei dci^ Annahme, dafs
ein seiend Vorhandenes [anfser seinem Dasein] auch noch eine Thä«-^
tigkeit übt, folgt, dafs dasselbe mit einem zweiten Augenblicke
verknüpft ist [was der Momentvemichtung widerstreitet]. Oder soll
seine Th&tigkeit nur darin, dafs es da ist, bestehen? Auch so
geht es nicht, weil das Entstehen einer Wirkung, ohne dafs sie
von der Natur der Ursache afficiert würde, unmöglich ist. Wird
aber die Ai&oierung durch die Natur [der Ursache] zugegeben,
.80 dauert die Natur der Ursache zur Zeit der Wii'kung noch fort,
und damit wird auf die Theorie von der Momentvei-nichtung ver-
zichtet. Nimmt man hingegen an, dafs auch ohne eine Beein-
flussung ihrer Natur das Verhältnis von Ursache und Wirkung
möglich ist, so folgt daraus zuviel, indem dann dasselbe überall
gelten würde [somit alles aus allem entstehen könnte]. — Hierzu
kommt, dafs das, was man Entstehen und Vergehen nennt, ent-
weder 1) das Wesen des Dinges selbst bildet oder 2) eine Ver-
schiedenheit im Zustande desselben ist oder 3} ein besonderes Ding
für sich idt. Aber keines von diesen dreien ist annehmbar. Sollen
nämlich 1) Entstehen und Vergehen das eigene Wesen des Dinges
ausmachen, so würden das Wort „Ding^* und die Worte „Ent- •
„stehen und Vergehen^' Weehselbegriife sein [was nicht annehm-
bar isf"]. Oder soll 2) ein Unterschied stattfinden in der Art,
dafs mit den Worten Entstehen und Vergehen ' an dem zwischen
ihnen liegenden Dinge der Anfangs- und End-Zustand | bezeichnet &54
werden? In diesem Falle ist das Ding mit den drei Zeitpunktea
des Anfangs, Endes und der Mitte verknüpft, und die Annahme
seiner Dauerlosigkeit aufgegeben. Oder sollen 3) das Entstehen
und Vergehen von dem Dinge absolut verschieden sein, wie ein
Ochse von einem Pferde? Nun, dann wird das Ding von dem
Entstehen und Vergehen gar nicht berührt, müfste somit «wig
bestehen. Soll aber etwa das Entstehen und Vergehen blofs darin
bestehen, dafs das Ding siditbar und unsichtbar wird, so sind
beide nur Bestimmungen an dem Betrachter und nicht an dem
Dinge, und das Ding mülste ewig bestehen bleiben. — Auch
darum also ist die Meinung der Sugata's ohne Halt.
* Nach dem Glossator, weil dann das Ding nicht Entstehen und Ver-
gehen als Beatimmungen ao sich tragen könnte, somit ewig sein würde
(iaifoh stMirt^o^pe, voBttmi antarbhdväd, vastuno ^nddi-mianta-^at'tvem ;
iii api dradifavyam).
350 Qlüriraka-mtinlkiM
21. asatiy pratijnd'-uparodhd; yaugapadyam anyaJQiA
während [sie] nicht, Widerspruch gegen die Annahme;
sonst Gleichzeitigkeit.
Nach der Theorie der Homentvemiohiang kann, wie wir ge-
zeigt haben, der frühere Angenbliok, weil er von der Yemicfatung
verschlungen wird, nicht die Ursache des folgenden Augenblickes
sein. Oder behauptet der Gegner vielleicht, dafs die Wirkung
. auch entstehen könne, „w&hreud'^ die Ursache „nicht" vorhanden
ist? Darin würde ein „Widerspruch gegen die Axuiahme" liegen.
Nämlich die Annahme, dafs der Geist und das Geistige entstehe,
indem es auf die vier Arten von ura&chlichen Momenten [Bing,
Werkseug, Hitwirkendes, Anstrengung] zurückgehe, würde damit
aufgegeben sein; auch würde bei einem ursachlosen Entstehen kein
555 Hindernis sein dafür, | dafs alles überall entstünde. Oder will
man das Entstehen de« folgenden Augenblickes, während der vor-
herige Augenblick noch fortbestehe, behaupten? Daraus würde
eine „Gleichzeitigkeit" von Ursache und Wirkung siph ergeben,
sowie auch ein Widerspruch gegen die Annahme; denn der An-
nahme, dafs alle Bestrebungen dauerlos sind, würde damit wider-
sprochen werden.
22. pratisahkhyä * aprcUisanJchyä - nirodha - apräpür^
avicehedät
der bewufsten und unbewursten Vernichtung Un-
angänglichkeit, wegen der IJnabtrennbarkeit.
Ferner behaupten die Nihilisten: „Dasjenige was, durch die
„Erkenntnis erkennbar, von der Dreiheit verschieden ist, ist ent-
„standen und dauerlos." Unter der Dreiheit verstehen sie die
bewufste und unbewufste Vernichtung und den Raum. Und auch
diese Dreiheit ist, wie sie meinen, wesenlos, ein blofses Nichtsein
und nicht als real ersichtlich. Unter der bewufsten Vernichtung
verstehen sie ein Zunichtewerden der Existenzen, welcher ein Be-
wufstsein vorbeigeht; unter der unbewufsten Vernichtung das Gegen-
teil; und den Raum erklären sie für die blofse Abwesenheit von
Hemmungen. Was nun ihren [Begriff vom] Raum betrifft, so kom-
556 men wir nachher darauf; | zunächst widerlegt der Lehrer hier
die zwei Arten der Vernichtung. ,,Der bewufsten und unbewufsten
Satram U. xl 29. 851
„Yemichtmig Unangftngliohkeit^S d. h. Unmöglichkeit orgiebt sich;
waram? „wegen der Unabtrennbarkeit'S Nämlich diese bewafste
und anbewoHrte Vemichtimg besiehen sich entweder auf eine Kon-
tinoitftt (saniäna) oder auf eine Existeiis. Änf eine Kontinuit&t
können sie sich nicht besiehen. Denn bei allen Kontinaitfiten ist,
weil sie nur unabgetrennt von dem Kontinuierlichen als Ursache
und Wirkung [d. h. als ein Kontinuum Ton Zuständen, deren einer
immer die UrMche des folgenden ist] bestehen können, eine Ab-
trennung der Kontinuität [von einer sie tragenden Substanz] un-
möglich. Femer aber können sich die beiden Vernichtungen nicht
auf eine Existenz beziehen; denn bei Existenzen ist eine Ver-
nichtung, wodurch sie kontinuitätlos und nicht als real ersichtlich
würden, nicht möglich; denn in allen Zuständen zeigt sich eine
„Unabtrennbarkeit ^' {d. h» Unzerstörbarkeit] des sich Kontinuie-
renden [der Substanz], was dadurch erhärtet wird, dafs man [die
Dinge Irotz des Wechsels ihrer Zustände] wiedererkennt. Und
wenn auch zuweilen die Zustände von der Art sind, dafs das
Wiedererkennen [der Substanz] nicht deutlich ist, so darf man
doch aus den Fällen , wo die Unabtrennbarkeit des sich Konti-
nuierenden [die Unzerstörbarkeit der Substanz] vor Augen liegt,
den Schlufs ziehen, dafs dasselbe auch anderweit stattfindet. —
Somit ist die von den Gegnern angenommene Zweiheit der Ver«
Dichtung unstatthaft.
23. ubhayatM ca doshät 557
und weil in beiden Fällen ein Fehler.
Die Gegner nehmen an, dafs auch die Vernichtung des Nicht-
wissens u. 8. w. unter der bewufsten und unbewufsten Vernich-
tung einbegriffen sei. Nun kann die Vernichtung des Nichtwissens
entweder durch die vollkommene Erkenntnis und was zu ihr ge-
hört erfolgen oder aus sich selbst. Bei ersterer Annahme wird
die Behauptung, dafs die Vernichtung ursachlos sei, hinfällig; bei
letzterer würde folgen, dafs es unnötig ist, jemandem den Weg
[zur erlösenden Erkenntnis] zu weisen. Weil also „in beiden
„Fällen ein Fehler ^^ hervortritt, ist dieses System ungereimt.
•
24. äkäfe ca^ avifeshät
anch beim Baume, weil er ebenso gut [ein Seiendes ist].
Von den drei seitens der Buddhisten nicht als real ersichtlich
angenommenen Stöcken, den zwei Vernichtungen und dem Baume,
862 g&rtrftka-mlmtLAsi
haben wir die Niehtabrealersichtliohkeit der swei Vernichtungen
vorher abgewiesen., es bleibt noch die des Baumes abzuweisen.
Die Annahq[ie also, daifs der Baum nicht als real ersichtlich sei,
ist eine ungereimte, weil man bei ihm „ebenso gut*^ wie bei der
bewnfsten und unbewnfsten Yemiohtung die Sabstam&ialität er-
kennt; «nnftchst aus . dem Zeugnisse der Schrift, wenn sie sagt:
„aus dem Atman ist der ÄkÄ^a (Raum) entständen^' (Taitt. 2,1);
hieraus ergiebt sioh^ dafs anch der Baum substanziell ist. Aber
auch wer {wie die Buddhisten] das Schriftseugnis nicht gelteu
Iftfst, dem kann man entgegenhalten, dafs der Baum aus der
Qualität des Schalles gefolgert werden mufs, da, wie die Er-
658 falirung zeigt, jede Qualität, 2. B. der Geruch, | eine Substanz,
s. B. die Erde, als ihren Träger hat. — Femer, wenn der Gegner
den Baum als die blofse „Abwesenheit von Hemmungen" definiert^
so würde daraus folgen, dafe da, wo ein Vogel fliegt, mithin eine
Hemmtmg vorhanden ist, [kein Baum sein würde und folglich] für
einen andern Voge), der hinter ihm beriiöge, kein Platz sein
wü]i'de. Behauptest du, dafs er da fliegen könne, wo eine Ab-
wesenheit von Hemmungen sei , so ist zu erwidern , dafs dasjenige,
wodurch die Abwesenheit der Hemmungen bedingt ist, dieses Sub-
stanzielle eben der Baum ist, nicht aber die blofse AbV^s^nheit
der Henmiungen. Übrigens verstrickt sich der Sugata, w^an er
den Baum für die blofse Abwesenheit von Hemmungen erktärt,
in einen Widerspruch mit seinen eigenen Annahmen. Denn in
dem Lehrbuche der Sagata's'*' heifst es: ;,worauf, o Ehrwürdiger,
„stützt sich die Erde?*' und im weiteren Verlaufe der Fragen und
Antworten über die Erde u. s. w. heifst es zum Schlüsse: „worauf
„stützt sich der Wind?^^ und als Antwort auf diese Frage: „der
„Wind stützt sich auf den Äka^a (Baum)". Dieses ist nur dann
berechtigt, wenn der Baum eine Substanz ist; auch darum also
ist es ungereimt zu behaupten, dafs der Baum keine Substanz sei.
— Ferner, wenn die Dreiheit, bestehend aus den zwei Vernich-
tungen und dem Baume, nicht als real ersichtlich und wesenlos
und dabei doch eWig sein soll, so liegt hierin ein Widorspinich ;
denn was wesenlos ist, das kann weder eMrig noch unewig sein.
Denn, nur unter Voraussetzung einer Substanz kann von Quali-
täten und einem Träger derselben die Bede sein. Denn wo Qua-
litäten und [somit] ein Träger derselben vorliegt, da ist, wie z. B.
bei einem Topfe u. dgl., eben Substanzialität, nicht aber jene
„ Nicht-als-roaUErkennbarkeit " vorhanden«
* Vgl. Abhidharma'koga'Vyäkhy.d bei BL Müller, üpanishada
II, p. Lir: prithivi^ bho Qautama^ kuira pratisJifhM ? — Priikiviy hräh*
iißanay ab-wanddU praUshthüä, — Alhmandälam, bho Onuiama, kva
pratishthitam? — Tayau pratishthiiam, -— F^sfur, bko Gaulama, kva
pratishtiiitah? — Äkd^e pratishihitab.
Sfttram II. ii. 25. 353
25. onusmriteQ ca ^^^
und wegen der Rückerinnerong.
Hierzu kommt, dafs der NihiHoEt, wctm er die Daaerloeigkeil
von allem Seienden behauptet, auch die Dauerlosigkeit der Wahr-
nf^hmung* annehmen mufs, und diesoh geht nicht an, „wegen der
^,Rückerinnerung^S Die Erinnerung, welche auR der rückwärts
gelegenen inneren und ftufseren Wahrnehmung hervorgeht » heifst
die Rückerinnerung; und dietie ist nur dann möglich, wenn sie v
mit der Wahrnehmung einen und deoHelben Thäter hat; denn es
ist nicht möglich, dafs der eine Mensch sich erinnere an daa,
was ein anderer wahrgenommen hat. Wio wäre auch sonst, wenn
es nicht ein und derselbe wäre, der das FiiÜiero und das Spätere
erkennete, möglich, su sagen: „ich habe damals jenes gesehen,
,,und jetet sehe ich dieses*'? Hierzu kommt, dafs die Annahme
eines Wiedererkenn'ens , welche offenbar beweist, dafs das Sehen
und das Sicherinnern demselben Thäter zukommt, von aller Welt
zugestanden wird, indem man sagt: „ich habe damals jenes ge-
„sehen, und sehe jetzt dieses *^ Wäre der Thäter bei beidem
nicht der nämliche, so würde man annehmen: „ich erinnere mich
„an das, was ein anderer gesehen haf: niemand aber nimmt
dieses an; denn wo ein derartiger Fall eintritt, da nimmt alle
Welt an, dafs das Sehen und das Sicherinnern auf einen ver-
schiedenen Thäter zurückgeht, und man sagt: ,.ich erinnere mich
„daran, dafs der und der ander« es gesehen hat". Hier aber,
wo es heifst; „ich habe es gesehen*^, mufs selbst der Nihilist zu-
geben, dafs für das Sehen und für das Sicherinnern [ sein eigenes 560
und einheitliches Selbst der Thäter ist. Denn das dabei sich be-
thätigende Bewnfstsein von dem eigenen Selbste kann er nicht
leugnen und sagen: „ich bin nicht 'S so wenig wie er das Feuer
für kalt oder dunkol erklären kann. Ist dem aber so, so wird
hier ein und derselbe mit den beiden Augenblicken des Sehens
und des Sichorinnems verknüpl^, und damit wird es unvermeid-
lich, die nihilistische Behauptung, dafs alles mit dem Augenblicke,
in dem es besteht, zunichte werde, aufeugeben. Indem er ferner
immer fort und fort die Annahme seines eigenen Selbstes als die
des nämlichen Thäters anerkennt bis zu seinem letzten Atemzuge,
und auch die vergangenen Anschauungen von seiner Geburt an
als solche, die sein Selbst zum einzigen Thäter haben, mitein-
ander verknüpft, — wie kommt es, dafs der Nihilist sich nicht
^ upaUbäher; rirJitiger* vpalabdhur, ^des wahrnehmenden Suhjektfis**.
IhnuMBH, V«d4m«. 23
354 Q&rlraka-mlm&ilslt
schämt mit seiner Theorie von der Momentvemichtuug! Wenn
er behaupten «ollte, dafs dieses auch durch die Ähnlichkeit [des
früheren mit dem gegenwärtigen Subjekte] erklärlich sei, so soll
man ihm [zunächst im allgemeinen] antworten : in dem Satze „die-
„ses ist jenem ähnlich" findet sich die Ähnlichkeit auf eine Zwei-
heit bezogen; wenn aber darum der Yerteid^er der Moment-
yemichtung meint, dafs es für die beiden sich ähnlichen Dinge
einen mit sich identischen AufPaflsser nicht gebe, dafs somit das
sie Verknüpfende nur durch die Ähnlichkeit beider bedingt sei, |
561 so ist das ein leeres Gerede. Soll die Verknüpfung überhaupt
möglich sein, so mufs es einen einlieitlichen Auffasser für die
Ähnlichkeit des fdlheren mit dem späteren Augenblicke geben, ist
dem aber so, so besteht dieser eine während beider Augenblicke,
und die Behauptung der Dauerlosigkeit wird hinfallig. Behauptet
ihr: der Satz „dieses ist jenem ähnlich** sei eine neue VorsteUung
und habe seinen Grund nicht darin, dafs die Zweiheit des frühe-
ren und des späteren Augenblicks aufgefafst wei;de, so bestreiten
wir das, denn in dem genannten Satze werden die beiden ver-
schiedenen Begri£Pe „dieses" und „jenes" zusammengefafst; soll
dies nur eine neue Vorstellung sein, so wäre das Objekt, auf wel-
ches sie sich bezöge, [nicht „dieses" und „jenes", sondern nur]
die Ähnlichkeit selbst;- der Satz „dieses ist jenem ähnlich "wäre
sinnlos, und man dürfte nur sagen: „eine Ähnlichkeit ist". Wenn
etwas, was allgemein anerkannt ist, von dem Kritiker nicht be-
rücksichtigt wird, so mag er im übrigen seine Meinung beweisen
oder eine fremde Meinung bemängeln, — das eine wie das andere
kann weder für andere Kritiker noch auch filr ihn selbst so wie
562 es sich gehört | in den Zusammenhang seines Bewufstseins ein-
treten; denn wenn es ausgemacht ist, dafs eine bestimmte Sache
sich so und nicht ander« verhält, so muDs man es auch zugeben,
und wer das Gegenteil davon versichert, der bekundet damit
weiter nichts als seine eigene Geschwätzigkeit. Ein solches Um»
springen mit dem Begriffe der Ähnlichkeit ist nicht berechtigt,
dafs. man ihr Dasein annimmt und das Dasein dessen, was sich
ähnlich ist, nicht annimmt. Und wenn auch [um auf den be-
sonderen Fall zu kommen] mitunter bei einem Aufsendinge wegen
der Möglichkeit einer Täuschung darüber, ob dieses jenes selbst
oder ihm nur ähnlich sei, ein Zweifel möglich ist, so ist doch in
Betreff des auffassenden Subjektes niemals ein Zweifel
darüber möglich, ob ich jener sei oder ob ich ihm ^ur ähnlich
sei; vielmehr ist es ganz ausgemacht, dafs eben derselbe, der ich
gestern etwas sah, eben derselbe es heute bin, der ich mich
daran erinnere, indem ich mir meines Seins unmittelbar be-
wufst bin. Auch darum also ist die Lehre der Nihilisten eine
falsche.
Sfltnun II. n. 88. 356
26. na asato, 'drishtatvAt &63
• • •
nicht aus dem Nichtseiendeti , w^en der Erfahrungs-
widrigkeit.
Auch daram ist die Lehre der Nihilisten falgoh, weil aus ihrer
Lengnting einer beharrenden kontinuierlichen Ursache folgen würde,
dafs das Sein aus dem Nichtsein entstünde; ja dieses Entstehen
des SeiuR aus dem Nichtsein lehren ' sie selbst mit den Worten :
„weil es nur ^ach ▼orheriger Vernichtung offenbar wird**; d. h.
*nur indem z. B. der Same vergeht, entsteht die Pflanze; ebenso
'entsteht durch den Vergang der Milch die saure Milch, durch
^den des Thonklumpens das fertige OefÜfs; ginge die Wirkung aus
'einer Ursache henror, die über den Vorgang erhaben [folglieh,
*da alles IndiTiduelle wechselt, nicht individuell bestimmt] wäre,
'so würde aus ihr ohne Unterschied alles allerwärts entstehen
'können. Weil also aus dem Samen u. s. w. nur, indem er von
'dem Nichtsein versohlungen wird, die Pflanze u. s. w. hervorgeht,
darum entsteht das Sein aus dem Nichtsein*; das ist ihre Meinung.
— Hierauf ist zu erwidern: „nicht aus dem Nichtseienden, wegen
„der Erfahrungswidrigkeit"; d.h. das Sein entsteht nicht aus dem
Nichtsein; entstünde das Sein aus dem Nichtsein, so würde, weil
das Nichtsein ein Unterschiedloses ist,, die Annahme einer bestimm-
ten Ursache unnötig werden, denn das Nichtsein, welches aus der
VemiehtuQg des Samens u. s. w. hervorgeht, würde | mit einem &$4
Hasenhom und anderen [Unmöglichkeiten] in seiner Eigenschaft
des Nichtseins. gänzlich übereinstimmen; es würde mithin in dieser
Beschaffenheit als ein Nichtsein kein Unterschied liegen, der es
forderte^ dafs nur aus dem Samen die Pflanze, nyr aus der Milch
die saure Milch entspränge, dafs mithin in dieser Weise die Auf-
suchung einer bestimmten Ursache das Richtige wäre. Nimmt man
als Ursache ein unterschiedloses Nichtsein an, so könnte auch luis
einem Hasenhom n. s. w. eine Pflanze u. s. w.* entspringen; das
aber ist erfahmngswidrig. Wird hingegen an dem Nichtsein selbst
ein Unterschied angenommen, wie an der Lotosblume die blaue
oder sonstige Farbe, nun so vrürde daraus für das mit den Unter-
schieden behaftete Nichtsein ein Sein ähnlich dem der Lotosblume
folgen, nicht aber würde das Nichtsein die Ursache sein, dafs ir-
gend etwas entstünde, eben weil es ein blojses Nichtsein ist, ganz
80 wie das Hasenhom u. s. w. Femer würde, falls aus dem Nicht-
sein das Sein entstünde, jede Wirkung ab mit diesem Nichtsein
[der Ursache] behaftet sidi zeigen; das aber ist gegen die Erfah-
rung, weil ein jiades Ding in seiner Art nur als vermöge des Seins
[seiner bestimmten Ursache] besteht und sich zeigt. Denn niemand
28*
356 ^irtraka-mimAAsA
bat noch behauptet^ dafs die aus Thon bestehenden OeiafBe Um-
wandlungen aus den Fftdien oder anderem seien, yielmehr sind alle
darin* einig, dafs das aas Thon bestehende Sein nur eine Umwand-
long des Thones sein könne. Wenn femer behauptet wurde, dafs
566 kein | Ding ohne Yemichtnng seiner Natur, folglich kein Über diese
erhabenes Ding eine Ursache abgeben könne, und dafs darum das
Entstehen des Seins aus dem Nichtsein geschehen müsse , so ist
das eine unglückliche Behauptung, denn die Erfahrung seigt, wie
z. 6. das Gold, indem es in seinem Sein behant, daher auch als
solches wiedererkannt wird, für die Wirkungen des Goldschmuckes
u. R. w. die beharrende Ursache i^t. Wenn femer bei dem Samen-
korn und anderen Dingen eine Vernichtung sich zeigt, so ist auch
hierbei nicht jener der Yemicbtung anheimfallende frühere Zustand
für den späteren Zustand als Ursache anzusehen; vielmehr bilden
die nicht rernichteten , kontinuierlichen Teilchen des Samenkorns
u. B. w. das ursächliche Sein fUr die Pflanze u. s. w. Weil somit
die Erfahrung zeigt, dafs aus dem, was nicht ist, se. B. aus dem
Hasenhom, kein Seiendes entstehen kann, weil sie ferner zeigt, wie
aus einem Seienden, z. B. aus dem Golde, ein Seiendes entspringt,
daher ist jene Behauptung eines Herrorgehens des Seins aus dem
Nichtsein ungerechtfertigt'. Auch nehmen die Gegner ja selbst an,
dafs aus den „vieren" [Ding, Werkzeug, Mitwirkendes, Anstrengung]
der Geist und das Geistige, und wiederum aus den Atomen das
Aggregat der Elemente und des Elemeutartigen entspringe; und
wenn sie nun wieder mit der Behauptung kommen, dafs das Sein
aus dem Nichtsein hervorgehe, so wird von den Nihilisten jene
ihre andere Annahme abgeleugnet, und die ganze Welt auf den
Kopf gestellt.
566 27. udä^nänäm api ca evam siddhih
auch würde es dann den Nichtsthueuden gelingen.
Wenn man annähme, dafs das Sein aus dem Nichtsein hervor-
ginge, so würde auch den Niohtsthuenden, auch den Menschen, die
sich nicht bemühten, alles, was sie wollten, gelingen, weil das
Nichtsein ja leicht zu beschaffen ist. Der Bauer würde auch ohne
sich mit der Bearbeitung des Feldes au bemühen das Getreide
wachsen sehen; der Töpfer würde auch ohne sich um die Formung
des Thones au bemühen das Gefäfs hervorbringen; der Weber
würde auch ohne die F&den zusammenzuweben , gerade «o gut
als wenn er sie zusammen webte, ein Gewebe erhalten; auch
brauchte sich kein Mensch in Mühe zu versetzen, um ^en Himmel
Sütraxn IL il 27. 357
oder die ErlösuDg zu erlangen. Das aber geht nicht an und wird
auch von niemandem zugestanden; und darum ist jene Annahme,
dafs das Sein aus dem Nichtsein entstehe, eine ifalBcfae.
Fünftee Adhikaranam.
28. na ahhäva' upaUtbdheJi
nicht das Nichtsein, wegen der Apperception.
Nachdem in dieser Weise gegen die realistische Theorie die
Unmöglichkeit, dass ein Aggregat zu Stande komme, und andere
Einwendungen geltend gemacht worden sind, so ü'itt nunmehr der-
jenige Buddhist, welcher nur die Vorstellung [der Welt] für wirk-
lich hält, in folgender Weise auf.
[Der Buddhist spricht:]
^Indern man die Hinneigung mancher Schüler zu den äufseren
'Dingen bemerkte, hat man ihnen zu Gefallen diese Lehrmeinung
*von [der Realität] der Aufsenwelt aufgestellt. Nicht aber ist sie
^die Ansicht Sugata's; | vielmehr ist, was er wollte, die Lehre von 667
^ler alleinigen Kategorie (skandTui) der Vorstellung (vijfiänani).
*Nach dieser Voi^stellungslchre beruht die Aufsengestalt [nur] in
^dem Intellekte (buddhi)^ und das ganze Welttreiben von Erkennen,
^Erkanntem imd [Genufs der] Frucht ist nur etwas Innerliches;
'und gäbe es selbst Aufseudinge, so würde doch, ohne dafs es in
*dem Intellekte beruhte, dieses Welttreiben von Erkennen u. s. w.
'nicht von statten gehen können.
'Aber womit wird denn bewieben, duk das ganze Welttreiben
'nur etwas Innerliches ist, und dafs es ül>er die Vorstellung hinaus
'keine Aufsendinge giobt? — Damit, dufs dieselben unmöglich sind!
'Angenommen nämlich, es gäbe äufser liehe Objekte, so müfsten
'dieselben, z. B. die festen Körper, entweder unendlich klein
'(paramanu) oder ein Aggregat von unendlich Kleinem sein. Un-
'endlich klein nun kann das, was die Ferception als festen Körper
'u. s. w. umgrenzen mufs, nicht "«ein, weil ein unendlich Kleines
'nicht sichtbar und erkennbar ist: aber auch kein Aggregat von
'UTiendlich Kleinem: weil ein solches weder als verschieden von
'dem unendlich Kleinen noch als identisch mit ihm | gedacht wer- 566
'den kann [nicht als verschieden, weil es aus ihm besteht, nicht
'als identisch, weil es dann in allen seinen Teilen sich der Wahr-
'nehmung entziehen würde]. — Dasselbe gilt von d<*n Gattungen
358 (;&rlraka-mlmliÄ6li
'[auch diese sind nicht real, weil sie weder als identisch mit den
'Individuen noch .als yon ihnen verschieden gedacht «werden können].
'Femer: wenn die Erkenntnis Qndnant), die ihrer Natur nach
'ein Allgemeines ist, indem sie allein durch die Empfindung
^(anfMtava) erzeugt wird, je nach den Gegenständen limitiert wird
'als Erkenntnis der Säule, Erkenntnis der Wand, Erkenntnis des
'Geföfses, Erkenntnis des Gewebes, so ist dies nicht anders mög-
'Uch als durch eine Modifikation (vigesha)^ welche die Erkenntnis
'betrifft. — Somit mufs man unweigerlich die Wesenseinheit (sdrü*
^pyam) der Erkenntnis mit den Gegenständen zugeben. Hat man
'diese aber zugegeben, so ist, da die Gestalt des Objektes in der
'blofsen Erkenntnis beschlossen liegt, die Hypothese (kalpanä) der
'Existenz von Dingen überflüssig.
'Auch weil die Apperceptioh (upalamhha) notwendigerweise
. 'beide mit einander befafst , ist keine Trennung von Objekt- und
'Vorstellung (wjHänam) möglich; denn es geht nicht an, das eine
'von diesen beiden zu appercipieren, ohne dafs man auch das andere
'appercipiert; und dem wäre nicht so, wenn sie ihrer Natur nach
'verschieden wären, denn dann würde kein Grund vorhanden sein,
'der es hinderte. Auch darum also giebt es keine Dinge.
'Es ist aber dabei wie z. B. im Traume. Wie nämlich im
'Traum oder bei Sinnestäuschungen (mäyä) Perceptionen (pratjßaya)
'von Lufbspiegelungswasser, Gandharvastädten u. dgl. ohne äufseren
'Gegenstand in der Form von Aufzufassendem und Auffassendem
569 '[Objekt und Subjekt] entstehen, ebenso mufs es | mit den Percep-
'tionen im Wachen von Säulen u. s. w. seine Bewandtnis haben,
'wie daraus hervorgeht, dafs sie von jenen darin, dafs sie Percep-
' tionen sind, sich nicht unterscheiden.'
Aber woher rülirt, wenn kein äufseres Objekt vorhanden ist,
die Mannigfaltigkeit der Perception? — 'Wir antworten: von
'der Mannigfaltigkeit der [subjektiven] Erscheinungen (väsanä),
'Indem nämlich in dem anfanglosen Samsära die Vorstellungen und
'die Erscheinungen, so wie Samen und Pflanzen, wechselseitig von
'einander Ursache und Wirkung sind, so erklärt sich die Mannig-«
'faltigkeit ohne Widerspruch. Auch ist anzunehmen, dafs für die
'Regel [das Wachen] so gut wie für die Ausnahme [den Schlaf]
'die Mannigfaltigkeit der Erkenntnis lediglich in den Ersclieinungen
'ihren Grund hat. Und dafs im Traume u. s. w. auch ohne Aufsen-
'dinge eine Mannigfaltigkeit der Erkenntnis von den Erscheinungen
'hervorgebracht wird, darin stimmen wir ja beide überein; nur
'dafs ich überhaupt keine Mannigfaltigkeit von Erkenntnissen, die
'nicht durch Erscheinungen, sondern durch Aufsendinge veranlafst
'würde, annehme. Auch darum also giebt es keine Aufsendinge.^
[Hierauf erwidert der Vedantist:]
Auf diese Annahmen entgegnen wir: „nicht das Nichtsein wegen
Siuram IL ii. 28. 359
„der Apperception*^ ; d. b. das NichtBein der Aalsendinge läfst sich
nicht behaupten; warum? weil inan &jü appercipiert. Denn man
appercipiert das äufsere Objekt je nach der Perception als eine
Säule, eine Wand, ein Geföfs, ein Gewebe; und was man apper-
cipiert, das kann doch nicht nichtsein. Es kommt mir vor, wie
wenn einer, der ifst, während sich die durch das Essen vollbrachte
Sättigung gane unmittelbar fühlbar macht, sagen wollte: „ich esse
„nicht und werde auch nicht satt". Ebenso ist es, wenn einer
durch die Berührung mit ^en Sinnesorganen ganz unmittelbar | die 570
Aufsendinge appercipiert und dabei versicliert: „ich appercipiere
„nicht und das Ding da ist nicht da'^ — Wie läfst sich auf sol-
ches Roden etwas geben?
[Der Buddhist:]
'Aber ich sage ja gar nicht, dafs ich keine Gegenstände ap-
'percipiere; ich behaupte nur, dafs ich nichts aufsei'halb der Ap-
'perception appercipiere/
[Der Vedantist:]
Ja wohl, das behauptest du! aber nur wegen der Hakenlosigkeit
deines Eüssels [die Elefanten werden durch Haken gelenkt] und
nicht aus Gründen! Denn wir werden gezwungen, über die Ap-
perception hinaus Objekte anzunehmen, und zwar durch die Ap-
perception selbst» Denn kein Mensch appei'cipiert eine Säule odei
eine Wand als blofse Apperception, sondern als Objekte der Apper-
ception appercipiert alle Welt die Säule und die Wand. Und dafs
alle Welt das thut, ergiebt sich daraus, dafs auch diejenigen, welche
die Aufsendinge bestreiten, dafür Zeugnis ablegen, wenn sie sagen:
„die innerlich erkannte Gestalt erscheint als wäre sie draufsen".
Denn auch sie nehmen das von aller Welt anerkannte Bewufstsein
von dem Draufsen zur Hülfe, wenn sie, um die Aufsendinge zu
bestreiten, mit ihrem „als wäre sie draufsen" das Draufsi.'u ver-
gleichsweise heranziehen. Denn wie könnten sie sonst sagen: „als
„wäre sie draufsen"? Denn kein Mensch sagt: „Vischnumitra
„sieht aus, als wäre er der Sohn einer Unfruchtbaren." Darum
mufs man, wenn man in Gemäfsheit mit dem, wie wir uns
der Sache bewufst werden, das Wesen des Seienden auffafst,
sagen: „dasselbe erscheint draufsen"; nicht aber: „als wäre es
draufsen".
*Aber wui*de nicht daraus, dafs keine Aufsendinge möglich sind,
'geschlossen, dufs es blofs scheine, als wären sie draufsen?* —
I Ja, aber dieser Schlufs ist nicht berechtigt. Denn nach dem, 571
was bewiesen oder nicht bewiesen wird, entscheidet sich was mög-
lich oder nicht möglich ist; nicht aber umgekeiut nach dem, was
möglich oder nicht möglich ist, das, was ^u beweisen oder nicht
zu beweisen ist. Denn was durch eines der Erkenntnismittel,
360 9ftrlraka-mlml^s4
Wahmehmong u. s. w., apperoipiert wird, das ist möglich [oder:
wirklidi: s(imbk(nvaii\y und was durch kein Erkennimsmittel apper-
dpiert wird» das ist nicht mdg^ch [wirklich]. Die Aufsendinge
nun werden, je. naibh ihrer Art, durch alle Erkenntnismittel s^per-
cipiert; wie kaiäa.man da auf Grund so willkürlicher Reflexionen,
wie die über die Yerschiedenheit oder l^ichtyerschiedenheit der
Dinge [von den Atomen] behaupten, daft sie nicht möglich sind,
wo man sie doch appercipiert t
Und darum, weÜ die Erkenntnis dem Objekte konform ist,
kommt das Objekt nicht in WegfalL Denn gäbe es kein Objekt,
so würde jene Konfo^rmität mit ihm nicht statthaben; dafs aber
das Objekt existiert, folgt daraus, doTs man es als draufseu apper-
573 cipiert. | Somit hat die Notwendigkeit, Ferceptionen und Objekte
zugleich zu appercipieren, darin ihren Chrund, daijs beide sich ver-
halten wie Mittel und Vermitteltes, nicht darin, dals sie iden-
tisch sind.
Weiter: wenn man die Erkenntnis des GefUset und die Er-
kenntnis des Gewebes unterscheidet,- so liegt die Yerschiedenheit
in dem, was unterscheidet, dem Gofäfse, dem Gewebe, nicht in
dem, was unterschieden wird, der Erkenntnis. Denn eine weifse
Kuh und eine schwarze Kuh sind verschieden in der Weifse und
Schwärze, nicht darin, dafs sie Kühe sind. Also durch die zwei
wird die Unterscheidung des einen vollbracht und durch das eine
die der zwei. ^{Sie würden nicht unterschieden w^'den, wären sie
nicht eins darin, dafs sie Erkenntnis sind; — oder soll man lesen:
naikasM&c ca „und nicht durch das eine"?] Folglich sind Objekt-
und Erkenntnis verschieden. Und auch darauf können wir uns
hieil'ei berufen, dafs man das Sehen des Gefäf9es und die Erinne-
rung an das Gefäfs unterscheidet. Denn auch hier liegt die Diffe-
renz in dem, was unterschieden wird, dem Sehen ^ dem Erinnern,
nicht in dem, was sie unterscheidet, dem Gef&fse; ebenso wie bei
den Worten Milcligeruch und Milchgeschmnck die Differenz in dem,
was unterschieden wird, dem Geruch und dem Geschmack, nicht
in der sie unterscheidenden Milch liegt.
Auch kann zwischen zwei [blofsen] Vorstellungen (vijndnam)^
die zeitlich verschieden sind, da sie sich durch ihr eigenes Zum-
573 Bewufstsein-Kommen aufzehren, kein gegenseitiges | Verhältnis von
Aufzufassendem (grähya) und Auffassendem (gr^iaka) stattfinden,
[die Vorstellungen müssen ein vorstellendes Subjekt sich gegenüber
haben], indem dadurch die eigenen Annahmen [der Buddhisten]
von der Verschiedenheit der Vorstellungen, von cl^r Dauerlosigkeit
u. 8. w. pl.q Bestimmungen der Dinge, von dem Individuellen [wel-
ches Hie allein gelten lassen] und dem Generellen {welches sie vot-
werfen], von dem was erscheint (väsyam) und dem, woran es zur
Erscheinung kommt {väsakam) u. s w., von der Buf der Überschwem-
mung mit dem Nichtwissen beruhenden Beschaffenheit [der DingeJ
• Bttnm tl, II. 28. 361
als Beiender und zugleich nichtseiender, Ton der Bindung und von
der Erlösung, — diese und andere in der eigenen Bestimmung
der Gegner vorkon^menden Annahmen hinftllig werden würden.
Und nun weiter t du nimmst doch eine Reihe von Vorstellungen
an; warum denn nimmst du nicht die Aufsendinge, wie Sftule und
Wand, an? — Du meinst, weil die Yorstellung empfunden wird^
— Aber die Aufsehdinge werden ja doch auch empfunden ! — Oder
meinst du, dafs die Vorstellungen, weil es, ähnlich wie bei einer
Larnpe, in ihrem Wesen liege, zu leuchten, ganz von selbst [und
ohne erkennendes Subjekt] sich zum Bewufstsein bringen, die
Aufsendinge hingegen dies nicht zu thun vermögen? Nun dann
nimmst du also das absolut Widerspruchsvolle an, nämlich das
Gerichtetsein der Thäügkeit auf das Subjekt des Thuns selbst^'
welches ist, als wenn du sagtest, das Feuer verbrenne sich selbst;
und die widerspruchlose, allgemeine Annahme, dafs vermittelst der
von dem eigenen Selbste [als Subjekte] verschiedenen Vorstellnng
das Aufsending empfunden werde, | die nimmst du nicht an! Das 574
ist ja eine grofse Weisheit, die du an den Tag legst 1
Übrigens kann, selbst wenn die Vorstellung von dem Aufsen-
dinge verschieden ist, doch dieselbe nicht an sich selbst [d. h. ohne
erkennendes Subjekt] empfunden werden, eben weil es ein Wider-
spruch ist, dafs eine Handlung sich auf sich selbst [als Objekt der
Handlung] beziehe. — ^Aber folgt nicht daraus, dafs ^ine Vorstel-
lung durch ein von ihir verschiedenartiges [vorstellendes Subjekt]
'aufgefafst werden mufs, 1) dafs auch dieses [Subjekt] wiederum
^von einem andern, und dieses wieder von einem andern [Subjekte]
'aufgefafst werden mufs, dafs somit ein regressus in infiniium ent-
^stellt? Und ferner 2): wenn doch das Vorstellen [d. h. das vor-
^gest^Ute Objekt] seinem Wesen nach schon wie eine I<ampe er-
'leuohtend ist, und man nimmt gleichwohl noch ein weiteres Vor-
' stellen [ein vorstellendes Subjekt] an, folgt dann nicht, da doch
'zwischen beiden wegen ihrer Gleichartigkeit das Verhältnis von
'Erleuchtendem und Erletichtetem nicht statthaben kann, dafs diese
'Annahme unnötig ist?* — Diese Einwendungen sind beide unzu-
treffend; denn da es sich 1) nur um das Auffassen der Vorstellung
handelt, so erwächst gar kein Bedürfnis, das Subjekt der Vorstel-
lnng aufzufassen, und somit ist ein regressus in infinitum nicht zu
besorgen. Da femer 2) das Subjekt und die Perception ihrer
Natur nach wesensverschieden sind, so können sie sehr wohl als
Apperception und zu Appercipierendes s>ich zu einander verhalten;
das Subjekt aber ist an sich selbst gewifs und kann daher nicht
geleugnet werden. Ja noch mehr. Wenn du behauptest, dafs die
Vorstellung wie eine Lampe, ohne dafs sie noch eines andern Er-
leuchters [des Subjektes] bedürfe, von selbst sich kund thue, so
bedeutet dies so viel, wie dals die Vorstellung eines Erkeuners
entbehrend, somit der Erkenntnis unzugänglich ist, so gut wie
362 (^Urtraka-nihuäüälL
liBDipeD, und wären ihrer tausend, wenn sie mitton in einem Fcls-
blook sitzen. — ^Das mag ja sein; aber da [nacb meiner Auflas-
*8ung] die Vorstellung ihrem Wesen nach Empfindung ist, so ist
575 *€8 die von mir vertretene Meinung, | welche du damit anerkennst/
— 0 nein! denn die Erfahrung zeigt, wie nur, sofern' noch ein
anderes, Erkennendes, z. B. das Auge u. s. w., als Werl' zeug vor-
handen ist, die Lampe u. s. w. sclieintfu kann; woraus folgt, dafs
die Vorstellung, ebenso gut wie die Lampe, da sie nicht weniger
als diese noch der Sichtbarmachung bedarf, nur kund werden kann,
sofern ein anderes Erkennendes dabei vorhanden ist. — 'Aber
'wenn du so sehr betonst, dafs das Subjekt der Erkenntnis an
'sich selbst gowifs sei, so ist das nur meine Meinung von dem sich
'selbst Kundmachen der Vorstellung, die du dir da in etwas an-
'derer Wendung der Ausdrücke zu eigen machst/ — Keineswegs!
denn die Vorstellung ist [von dem vorstellenden Subjekte] sehr
wohl zu unterscheiden, sofern sie entstehend, vergehend, vielheit-
lich n. 8. w. ist.
Somit haben wir bewiesen, dafs auch die Vorstellung, ebenso
gut wie die Lampe, erst noch des Erkanntwerdens durch ein von
ihr verschiedenes [Subjekt] bedarf.
29. vaidharmydc ca na svapnanidi-vat
auch ist es, wegen der Wesensversciliedenlieit , nicht
wie im Traume u. s. w.
Wenn weiter der Leugner der Aufsendinge behauptet, dafs,
ebenso wie die Perceptionen im Traume, auch die Perceptionen
im Wachen von Säulen u. s. w. olino äufseren Gegenstand entstehen
570 können, weil beide darin, dafs sie Perceptionen | sind, sich nicht
unterscheiden, so ist das zu widerlegen. Wir entgegnen: die Per-
ceptionen im Wachen könueü nicht entstehen wie die Perceptionen
im Traume; warum? „wegen der Wesens Verschiedenheit". Denn
zwischen Traum und Wachen ist Wesensverschiedenlieit. Worin
besteht denn diese. Wesens Verschiedenheit? In der Widerlegbar-
keit und Nichtwiderlegbarkeit. Denn was im Traume appercipiert
^urde, das widerlegt sich; denn der Erwachte spricht: „irrtümlich
„habe ich eine grofse Volksversammlung appercipiert, denn es ist
„keine grofse Volksversammlung da, sondern mein Geist war vom
„Schlafe befangen, daher entstand jener In*tum". Ebenso finden
die Sinnestäuschungen je nach der Art ihre Widerlegung. Hin-
gegen giebt es keinen Zustand, in dem ein im Wachen apperci-
piertes Objekt, z. B. eine Säule, widerlegt würde. Dazu kommt,
r
Satram II. ii. 29. 363
dafs das Traamgesicht eine [blofse] Erinnerung ist, das Sehen im
Wachen hingegen eine Apperception. Der Unterschied zwischen
Erinnerung und Apperoeption aber liegt vor Augen und macht sich
Ton selbst ftihlbar: denn er besteht darin, dafs man von einem
Gegenstande getrennt oder nicht getrennt ist; und wenn man sich
z. B. eines geliebten Sohnes erinnert, so appercipiert man ihn nicht,
sondern man wünscht ihn zu appercipieren. — | Da dem so ist, 577
so kann man nicht behaupten, dafs die Apperception im Wachen
trüge, weil sie, so wie die Apperception im Traume, [nur] Apper-
ception sei. Denn der Unterschied zwischen beiden macht sich von
selbst fühlbar. Was sie aber selbst fühlen, das dürfen die vermeint-
lichen Weisen nicht abstreiten. Abev eben, weil ihr Gefühl Protest
einlegt, und sie die Grundlosigkeit der Perceptiouen im Wachen
an ilmen selbst nicht daHhun können, darum möchten sie dieselbe
BUS der Verwandtschaft mit den Traumperceptionen erweisen. Aber
eine Eigenschaft, die einer Sache an sich selbst nicht zukommt,
die kommt ihr auch nicht dadurch zu, dafs sie mit einer anderen
Sache verwandt ist. Denn wenn man fühlt, dafs das Feuer heifs
ist, so wird es nicht dadurch kalt, dafs es mit dem Wasser ver-
wandt ist [sofern es mit diesem die Qualitäten der Sichtbarkeit
und Fühlbarkeit gemein hat, p. 636, 7]. Die Verschiedenheit aber
zwischen Traum und Wachen haben wir nachgewiesen.
30. na hhävOy ' mipalabdhäh
nicht das Vorbandensein, weil keine Apperception.
Noch müssen wir auf die Behauptung antworten, dafs die Man-
nigfaltigkeit der Erkenntnis auch ohne die Objekte durch eine
Mannigfaltigkeit von [subjektiven] Erscheinungen (vdsanä) zu Stande
kommen könne. Wir entgegnen: „das Vorhandensein^^ von Er-
scheinungen ist nicht möglich, wenn, wie du annimmst, „keine Ap-
„perception" äufserer Objekte stattfindet. Denn in der Apperception
der Objekte I haben die je nach dem Objekt verschieden gestalte- 578
ten Erscheinungen ihren Grund; wenn aber keine Objekte apperci-
piert werden, worin sollen da die mannigfaltigen Erscheinungen
ihren Grund haben? Auch bei Annalime der Anfanglosigkeit würde,
vergleichbar der sich aneinander haltenden Reihe von Hlinden, nur
ein regressHS in infinitum ohne Rtützende Basis eintreten, welcher
das Welttreiben aufhöbe, nicht aber eure Meinung bewiese. Wenn
femer der Leugner der. Aufsonwelt sich anf die zu fordernde und
[sonst] fehlende Analogie [des Wachens mit dem Traume] beruft,
um zu beweisen, dafs eine Erkenntnis, um zu entstehen, als Grund
Erscheinungen und nicht Objekte habe, so ist auch das, wenn es
80 steht wie wir sagten, als widerlegt zu betrachten; denn ohne
364 9fci1raka-mtmiins&
die Apperception von Objekten können die Erscheinungen über-
haupt nicht entstehen. Und da femer die Apperception ^er Gegen-
stände auch ohne die Erscheinungen bestehen kann, hingegen die
Erscheinungen nicht ohne die Apperception der Gegenstände ent-
stehen können, so dient auch die zu fordernde und [sonst] fehlende
Analogie nur däxu, die Realität der Objekte zu bestätigen. Es
sind ja auch die Erscheinungen nui* bestimmte Eindrücke (sa^^
Jcära); Eindi'ucke aber können, wie die Erfahrung zeigt, nur durch
eine stützende Basis zustande kommen, fiir dich aber giebt es eine
solche Basis der Eindrücke nicht, weil du als Richtschnur befolgst,
dafs es keine Apperzeption gebe.
570 31. kshanücatväc oa
auch wegen der Dauerlosigkeit.
Wenn du endlich als Basis der Erscheinungen eine „Yorstel-
„luiig der Innenheit" (älaya'Vijnänani) aufstellst, so kann dieselbe
ebensowenig wie die „Vorstellung der Aufsenhoit" (pravfitH-vijnd"
nam) mit deiner Theorie von der Dauerlosigkeit zusammen bestehen
und darf daher nicht als Substrat der Erscheinungen dienen. Denn
ohne dafs man ein Continuum, welches die drei Zeiten verbindet,
oder ein alle Gegenstände überschauendes Oberstes aunimnit, ist
ein die Erinnerungen — wie sie von den durch Ranm, Zeit und
Ursache bedingten Erecheinungen abhängijhC sind — verknüpfendes
Thun unmöglich. Soll aber jene „Vorstellung der Inndnheit^' ein
Konstantes bedeuten, so hast du damit dein Princip [der Dauer-
losigkeit] aufgegeben.
Hierzu kommt, dafs auch auf die Theorie von der blofsen Exi-
stenz der Vorstellungen, weil dieselbe in gleicher Weise die Dauer-
losigkeit auniuimt, diejenigen Einwendungen, welche wir gegen die
realistische Theorie betreffs der Dauerlosigkeit erhoben', in den
580 Worten „und weil beim Entstehen des | folgenden [Augenblicks]
„der vorherige zu nichte wird" (Sütram 2, 2, 20), — dals diese Be-
denken auch auf die gegenwärtige Theorie ihre Anwendung finden.
Somit hätten wir diese beiden Theorien der Nihilisten wider-
legt, die Theorie, welche Aufsendinge, und diejenige, welche blofse
VorsteHungen behauptet. Was endlich die Theorie betrifft welche
behauptet, dafs alles Nichts sei, so steht sie mit allen Begeln des
Erkennens derma fsen in Widerspruch, dafs wir uns mit ihrer Wider-
legung nicht zu bemühen brauchen. Denn die vorliegende Welt
mit ihi'em Treiben, welche durch alle Woge der Erkenntnis sich
uns aufdrängt, läfst ssich, ohne dafs man eine andere Realität an-
nimmt, nicht ableugnen. Wo aber eine negative Behauptung un-
möglich ist, da ist eben damit die positive Behauptung bewiesen.
Sfttram 11. it. 32. 365
32. sarvatha anu(papaUe^> ca
und weil ee unter allen umständen unmöglich.
In Smnina: anf jede Weise, wo man aueh immer dies^ System
der ^ihiUsten auf seine Begründheit hin prüft , da. giebt es nach
wie eine Sandgmbe, und wir sehen nicht die geringste Möglichkeit,
hier festen Grand %n finden. Somit ist die ganze Systemmacherei
der Nihilisten verfehlt. Und wenn der Sugata (Baddha) alle die
drei Theorien des Bealismus, Idealismus und Nihilismns, | welche 581
sich gegenseitig, widersprechen, gelehrt hat, so hat er damit nnr
seine eigene mafslose Geschwätzigkeit an den Tag gelegt, oder aber
seinen Hafs gegen das Menschengeschlecht, indem er bemüht war,
dasselbe durch Mitteilung widersprechender Lehren in die Irre zu
führen. „Unter allen Umstanden*^ verdient dieses System des Su-
gata nicht die Beachtung derjenigen, denen es um ihr Seelenheil
zu thun ist: das ist die Meinung {des Sütram].
Sechstes Adhikaranam.
33 nCy ekasrnn asambhaväi
nicht, weil sie unmöglich bei dem was Eines ist.
Nachdem wir das System der Sugata's widerlegt haben, so ist
weiter nUiimehr das System der Vivasana's [der Unbekleideten,
d. h. der Jatna^n] zu widerlegen. — Die^ haben sich folgende
sieben Kategorien ausgesonnen: 1) die Seele, 2) die Nicht-
seele , 3) die Hinströmung [der Seele durch die Sinne zu den Sin-
nendiugon], 4) die Eindämmung [dieser Strömung], 5) die Zerrei-
bung [der Sünde durch Bufsübnngon], 6) die Bindung, 7) die Er-
lösung. — Abkürsungsweise nehmen sie auch nur zwei Kategorien
an, die Seele und was Nichtseele ist, indem die übrigen, je nach-
dem es sich fügt, unter diesen beiden, | wie sie meinen, mitbegrif- 582
fen werden können. — Ferner haben sie noch eine andere Ein-
teilung dieser beiden Kategorien, nämlich die fünf Entrtäten
(uiükäffa): 1) die Entität der Seele, 2) die Entit&t^der Korpus-
keln (pudgala)^ 3) die Entität des Gut4)n, 4) die Entität des Böseu.
5) die Entität des Raumes; und auch für diese wieder zählen sie
manefaerlei Unterabteilungen auf, welche in ihrem Systeme des wei-
teren durchgeführt werden.
366 Qlirlraka-mtm&&8lk
Femer bringen sie bei jeder Gelegenheit folgende [in skep-
tischer Weise die RelativitAt, anekäntaivam^ alles Seienden behaup-
tende] Methode in Anwendung, welche sie die Regel der sieben
Tropen (saptdbhanginaya) nennen: 1) gewissermalBen ist es seiend,
583 I 2) gewissermalBen ist es nicht seiend, 3) gewissermafsen ist es
seiend und nicht seiend, 4) gewissermafsen ist es nichtmitteilbar,
5) gewissermafsen ist es seiend und nichtmitteilbar, 6) gewisser«
mafsen ist es nicht seiend und nichtmitteilbar, 7) gewbsermafsen
ist es seiend und nicht seiend und nichtmittelbar. In dieser Weise
bringen sie diese Regel der sieben Tropen auch da zur Anwendung,
wo es sich [wie bei dem Brahman der Yedantalehre] um eine Ein-
heit und Unwandelbarkeit liandelt. Dazu nun müssen wir bemer«
ken, dafs diese Annahme [einer Relativität alles Seins] „nicht^*
berechtigt ist; warum? „weil sie unmöglich bei dem was Eines
„ist**; d. h. da, wo es sich um einen einlieitlichen Träger von Qua*
litäten handelt, ist es nicht möglich, demselben widersprechende
Qualitäten, ein Sein und ein Nichtsein u. s. w., beizulegen, wie denn
z. B« eine Sache nicht zugleich kalt und warm sei kann. Nehmen
wir z. B. jene oben genannten sieben Kategorien, welche von ihnen
584 als so viele { und 'als so beschaffene hingestellt werden, so müssen
diese doch entweder so sein oder nicht so sein; anderenfalls näm-
lich würde die Behauptung, dafs sie so oder auch nicht so sein
könnten, eine Erkenntnis unbestimmter Art abgeben, welche nur
den Erkenntniswert eines Zweifels hätte und keine Richtschnur
bilden könnte. — 'Aber die Bel^auptung, dals ein [jeder] Gegen-
^stand nichteinheitlichen Wesens sei, ist doch nicht eine Erkennt-
*nis unbestimmter Art, und man kann nicht von ihr sagen, dafs
^sie nur den Erkenntniswert eines Zweifels habe und keine Ricbt-
'schnur bilden könne!* — Wir antworten: nein! denn wenn man
ohne Einschränkung die Relativität (änekdnta) alles Gegenständlichen
annimmt, so folgt, da diese Behauptung doch ebenso gut ein Gegen-
ständliches ist, dafs auch auf sie die Amphibolien, dafs sie gewisser-
mafsen seiend, gewissermafsen nichtseieud u. s. w. sei, ihre Anwen-
dung finden, dafs somit auch ihr die Unbestimmtheit wesentlich
ist. Ebenso würde es von dem Lehrer dieser Behauptung und
von der Frucht der Behauptung heifsen müssen, dafs sie gewisser-
mafsen einerseits seien und gewisseimafsen anderseits nioht seien.
Ist dem aber so, wie kann dann der Meister, der für euch Auto-
rität ist, euch belehren, da doch Mittel, Objekt, Subjekt und Aus-
685 führung des Erkennens ins Ungewisse gerückt werden? | Oder wie
können dann die Anhänger seiner Ansichten, wenn die von ihm
gelehrte Sache in der UngewiTsheit bleibt, sich danach richten?
Nur wo vollkommene Gewifsheit über die Folge des Handelns vor-
liegt, kann man durch Einschlagen der betreffenden Mittel und
Wege ohne Verwirrung vorwärts kommen, und sonst nicht. Indem
somit ouer Lehrer eine Lehre verkündet, deren Ziel ein ungewisses
Sütram IL n. 83. 367
bleibt, kann maii seine Worte so wenig annehmen wie die eines
Betrunkenen oder Yerräckten. So zi B. wenn eb sich um die obi-
gen f&nf Entitäten handelt, und die Möglichkeit offen bleibt, dafs
dieselben fitnf an der Zahl »ind oder nicht, so siad ihrer eben
nach der einen Behauptung fünf und nach der andern. nicht, wo-
raus folgt, dafs ihrer letzterepfalk entwedoi* m^hr an Zahl oder
aber weniger sein müssen. Ebenso wenig pafst ob auf die obeh
genannten Kategorien, dafs dieselben gewissermafsen nichtmitteilbar
seien; sollen sie wirklich nichtmitteilbar sein, so kann von ihnen
gar nicht gesprochen werden; es wird aber Ton ihnen gesprochen,
und doch sollen sie gewissermafsen nichtmitteilbar sein; welches
ein Widerspruch ist. Und wenn dann doch von ihnen die Rede
ist, und sie als das, was sie sind,, mit Bestimmtheit hingestellt und
wiederam nicht hingestellt werden, wenn es ferner von dem, was
die Frucht jener Bestimmtheit .ausmacht, von der vollkommenen
Erkenntnis heifsi, dafs sie sei oder auch nicht sei, und ebenso
von der ihr entgegengesetzten, unvollkommenen Erkenntnis, dafs
sie sei oder auch nicht sei, so hört sich ein solches Gerede doch
an, als wenn einer betrunken oder verrückt wäre. Nein! wo es
sich um das, was man glauben soll, wo es sich um den Himmel
und die Erlösung handelt, da kann es nicht heifsen, dafs sie ge-
wissermafsen sind und gewissermafsen nicht sind, dafs sie | ge- 58C
wissermafsen ewig und. gewissermafsen nicht ewig sind; mit diBser
Unbestimmtheit ist nicht voran zu kommen. Ferner würde dabei
auch der Fall eintreten, dafs dasjenige, was, «wie z. B. die Eintei-
lung der Seelen in ewigvollendete u, s. w. [2. mit der Zeit zur Er-
lösung gelangende und 3. nicht erlöste], nach ihrer eigenen Lehre
von bestimmter Natur ist, wiederum auch nicht von dieser bestimm*
ten Natur sein könnte. Indem somit in Bezug auf die Kategorien
der Seele u. b% w. die entgegengesetzten Prädikate des Seins und
des Niöhtseins in Betreff eines und desselben Subjektes nicht statt-
haben können, indem mithin, wo das eine Prädikat, das Sein, vor-
liegt, das andere Prädikat, das Nichtsein, unmöglich ist, und ebenso
wo das Nichtsein (lies: (isattve\ vorliegt, das Sein unmöglich ist,
so ist diese Lehrmeinung der Arhata's eine ungereimte. Und da-
mit sind auqh die Annahmen der Relativität in Betreff des Einen
und Nichteinen, des Ewigen und Nichtewigen, des Überdauernden
und Nichtüberdauernden [wo es sich um Gott und die Seele han-
delt] als widerlegt zu betrachten. /
Wenn aber die Arhata's femer annehmen, dafs [zum Zwecke
der Weltbildung] aus den von ihnen „Korpuskeln^' (ptidgala) ge-
nannten Minimalteilchen Aggregat^ sich bilden, so ist dieses schon
durch unsere frühere Widerlegung der Atomtheorie widerlegt wor-
den, so dafs wir uns mit seiner Widerlegung nicht noch besonders
zu bemühen brauchen.
368 gUrtraka-mimlAsIk
34. evan ca dtma-nkärtmyam
ebenso auch die Nichtallheit der Seele.
.Wie man eiBeneits gegen die ReUÜTit&tsiheorie (späd^äda)
einwenden muft, dafs das eine Subjekt nicht enigegengesetate Prä-
dikate haben kann, so ist anderseits auch in Betreff der Seele
ein Fehler sn rftgen, nümlich der ihrer Nichtallheit. Die Ärhata*8
namlidi glauben, dafs die Seele denselben Umfang habe wie der
587 Leib. Soll sie nun | so grofis sein wie der Leib^ so ist die Seele
nicht allheitlich, ist nicht allgegenwärtig, -sondern begrenst; daraus
aber würde folgen , dafs die Seele, wie [alles räumlich Begrenite]
z. B. die Gefäfse n* s. w., nicht ewig wäre. * Da ferner die Leiber
ihrem Umfange nach nicht sieh gleichbleiben, so würde eine Men-
sohenseele, die also die Orofse eines Menschenleibes hätte, wenn
sie etwa durch irgend ein Heranreifen der Werke eine Geburt als
Elefant erleiden müfste, nicht den ganzen Elefantenleib durchdrin-
gen können; und wenn sie eine Geburt als Ameise erleiden müfste,
so könnte sie nicht gana in den Ameisenleib eingeschlossen wer-
den. Dasselbe Bedenken findet auch innerhalb des nämlichen Lebens-
laufes in Betreff der Kindheit, der Jugend und des Greisenalters
statt. — 'Aber kann man nicht annehmen, dafs die Seele aus un-
'endlich yielen Teilchen bestehe, and dafs diese ihre Teilchen bei
'einem kleinen Leibe ausammenrücken und bei einem grofsen aus«
'einandeiTücken?' — Bei dieser .Annahme fragt sich zunächst, ob
diese unendlich vielen Seelenteilchen an einem und demselben Orte
sich gegenseitig ausschliefsen oder nicht. Sollen sie sich ausschlie-*
fsen, so ist au bemerken, dafs eine unendliche Vielheit von [kör-
perlichen] Teilchen in einem begrenzten Räume nicht Platz finden
kann. Sollen sie sich hingegen nicht ausschliefsen, so würde fol-
gen, dafs alle Teilchen nur den Raum eines einzigen Teilchen ein-
nehmen würden, eine Ausdehnung somit nicht zu Stande kommen
würde, und die GrÖfse der Seele nur eine minimale sein könnte.
Hierzu kommt, dafs für die nur den Umfang des Leibes ausfüllen-
den Teilchen der Seele eine unendliche Dauer nicht denkbar ist.
Oder soll man vielleicht annehmen, dafs abwechselnd bei dem
Eingehen in einen grofsen Leib eine Anzahl von Seelenteilohen |
588 neu hinzukomme, und dafs bei dem Eingange in einen kleinen
Leih eine Anzahl derselben abgegeben werde? — Hierauf ist zu
erwidern :
* Vgl. Melissas bei Simplic. in Arist phys. f. S8b: oO yk^ abX cTvai
civ^T^v, o,Tt )iv) KOL^ iaxt (nur das r'änral ick Unendliche kaiui'zeiiiich
unendlich sein).
Sfttnuif D. IL a5. 369
35. na ca parydyßd api avirodho, vikdra - ädihhydh
aucli nicht durch AbwechfiluDg wird dei* Wideinsprucli
vermieden, wegen der Wandelbarkeit nnd anderer
[Unzuträglichkeiten],
),Auch nicht flurch Abwechslung", indem einige Teilchen hin-
zukommen oder in Abgang kommen, läfat sich die Lehre, dafs die
Seele de» Umfang dos Leiben habe, ohne AVideispruch durchführen;
wamm? vfail dann ,,die Wandelbarkoit and andere Unznträglich-
„keiten^^ eintreten würden. Wenn n&mlich die Seele fort und foi't
durch das Hinzukommen und Abgehen Ton Teilclien vermehrt und
vei-mindert wird, so int al» Folge unabweiBbar, dals die Seele wnu-
deTbar sei; ist sie aber wandelbar, ao kann die, ebenso wie die
Haut nnd Ähnliches, nicht ewig sein. Dies aber steht in Wider-
spruch mit den Lehren [der JainaV] Ton der Bindung und Erlö-
sung, nach welchen die mit der Achtzahl der Werke umkleidete
Seele wie eine Flaschengurke in der Tiefe des Samsarameeres fest-
sitzt und nach Dnrchschneidung des Bandes in die Höhe getrieben
wird. Ja noch mehr; jene hinzukommenden und abgolicnden Teil*
chcn sind ihrer BoHchafPenheit nach kommend und gehend» und so-
mit können sie ebenso wenig wie der Leib und anderes Am Wesen
der Seele (des Selbstes) ausuiaeken. Oder soll etwa ein bestimm-
ter Teil beharrlich sein, | und dieser die Seele ausmachen? Dabei 589
wär<^ es unmöglich zu bestimmen, welches gerade dieser Teil sein
soll. — Femer rnftssen wir fragen, woher denn jene hinzukommen-
den Seeionteilchen genommen vrerden und wohin sie bei ihrem
Abgange abgeführt werdeik? Aus den Elementen können »ie nicht
herrortreton nodl auch in sie zurückgehen, weil die Seele von an-
derer Natur ist als die Elemente. Ein anderer Behälter aber de?*
Seelenteilchen, mag er gemeinsam oder nicht gemeinsam sein, läfst
sich nicht absehen, weil kein Beweismittel dafür vorhanden ist.
Ferner : wenn dem so wäre, so würde die Seele von unbestimmter
Natur sein, denn für das Hinzukommen und Abgehen der Teilch(*n
giebt es keine fest geregelte Grenze; damit aber würden jene [im
Sfttram angcdenteteuj „andern Uuzuträglichkeiten*^ [z. B. des Vor-
fliei'iiens mit dem was nicht Seele istj sich einstellen ; und folglich
kann mau sich nicht dabei beruhigen, dafti zu der Seele neue
Teile hinzukommen und alto von ihr abgehen.
Oder man kann dasSütram auch so erklären, Nachdem
im vorigen Stitram von der die Gröfse des Leibes habenden Seele
bewiesen war, dnfs sie wegen des Eingehen» in einen bald gröfse-
ren bald kleinereu Leib nicht allgegenwärtig und folglich nicht
owig sein könne, so wird wuiler \«r>?»oht, die Kwigkeit der Seel*»
ÜSUMBV, VmlAnt». 24
370 Qkrtraka-mtm&nsU
zu retten, indem man annimmt, dafs sie, trotz der „darcb die Ab-
„wechslung^* der Teilchen bedingten Unstetigkeit ihres Umfanges,
sich doch ebenso erhalte, wie die Kontinuität des Stromes [wenn
590 auch das Wasser wechselt] immerfort bestehen bleibt. | Ebenso ¥rie
also die Rotröcke (Buddhisten) trotz des Unbestandes der Yorstel-
lang die Kontinuität derselben ewig sein lassen, in ähnlicher Weise
könnten es auch- die Rocklosen (Jaina*s) machen. In Bezug darauf
wird durch das vorliegende S&tram die Antwort gegeben. Soll
nämlich die Kontinuität etwas Nichtreales sein, so würde folgen,
dafs es gar keine Seele gebe; soll sie hingegen etwas Reales sein,
so würden für die Seele „die Wandelbarkeit und andere Unzuträg-
„lichkeiten" sich ergeben, so dafs eine derartige Annahme als un-
zulässig sich herausstellt.
36. antya-avasthiteg ca tthliaya-nüyatväd aviges%ah
auch ist, wegen Bestehens des Endzustandes, da die
beiden [andern Zustände ebenso gut] ewig, [zwischen
allen dreien] kein Unterschied.
Femer wird noch von den Jaina*s angenommen, dafs der finale,
im Zustande der Erlösung bestehende Umfang der Seele der ewige
sei; aber ebenso gut müfsten auch die früheren Umf&nge der Seele,
die sie zu Anfang oder in der Mitte ihres Bestehens hatte, ewig
sein, und somit würde folgen, dafs [zwischen allen dreien] kein
Unterschied wäre. Gebt ihr dies zu, so folgt, dafs die Seele nur
den Umfang eines einzigen Körpers haben kann, folglich keinen
an Umfaiig vermehrten oder verminderten Leib anzunehmen ver-
mag [was gegen euere Annahme streitet]. — Oder aber, wenn ihr
[auf die Behauptung, dafs der finale Umfang der Seele sich nach
dem des letzten Körpers richte, verzichtet und nur] behauptet, dafs
591 der finale | Umfang der Seele [einerlei ob kleiner oder gröfser als
der Körper] der beständige sei, nun dann mufs die Seele auch
schon in den beiden früheren Zuständen [zu Anfang und zur Mitte
ihres Bestehens] diesen beständigen Umfang gehabt haben [da der
variable Umfang des Körpers in diesem Falle auf sie nicht von
Einflufs sein kann]. Dann aber mufs zugegeben werden, dafs die
Seele ohne Unterschied zu allen Zeiten minimal klein oder auch
grofs, nicht aber von der Gröfse ihres Leibes ist.
Hieraus folgt, dafs das System der Arhata*s ebenso wohl wie
das der Saugata^s ungereimt ist und keine Beachtung verdient.
SatTHm II. n, 37. 371
. Siebentes Adhikaranatn.
37. patyur asämafljas^ät
wogen der Ungereimtheit eines „Herrn".
Nunmehr wird die Theorie von Gott oLb der Weltnrsache, so-
fern er blofser Vorsteher [der Materie, nicht auch diese selbst] ist,
bekämpft. — Aber wie kommen wir osu diesem [restringierenden
Zusätze]? — Nun, weil der Lehrer selbst in den Sütra's: „auch
„der Urstoff, weil VerheiXsung und Gleichnis widerspruchlos ^' (1,
4,. 23); — „auch wegen Erwähnung der Absicht*' (1, 4, 24), einen
Gott aufgestellt hat, welcher, sofern er der Urstoff und zugleich
der Vorsteher desselben ist, beide Naturen an sich trägt. Wollte
er nun hier ohne nähere Bestimmung die Behauptung [der Gegner],
dafs Gott die Weltursache sei, bestreiten, so könnte man die Fol-
gerung^ ziehen, dafs wegen Widerspruchs des Früheren und des
Späteren die Aufste.llungen des Yerüassers der Sütra's hinfallig
wären. Darum wird hier mit Vorsicht die Widerlegung nur gegen
die Behauptung gerichtet, dafs Gott nicht der Urstoff, sondern
blofe der, welcher ihn regiert, blofs die bewirkende Ursache sei,
— eine Behauptung, welche der vom Vedänta gelehrten Einheit
[alles Seienden] mit Brahman | entgegensteht. Übrigens ist diese 5<)2
aufservedische Annahme eines Gottes von mancherlei Art. Einige
nehmen, indem sie sich auf das Sänkhya- und Yoga- System
stützen, an, dafs Gott nur die bewirkende Ursache ist, sofern er
der blofse Vorsteher ist über die Urmaterie und die Pmiisha's,
und dafs die Urmaterie, die Purnsha'd und Gott von einander ver-
schiedene Principien sind. Hingegen nehmen die Anhänger des
Mahe^vara (Qiva) an, dafs ihre fünf Kategorien, die Wirkung
[das Mahad u. s. w.], die Ursache [die FrakriU und der l^vara]^
die Andachtskunst, das Ritual und das Leidensende [die Erlösung]
von Gott als dem Herrn der Ei*eatur zum Zwecke, die Kreatur
aus ihren Fesseln zu erlösen, gelehrt worden seien; wobei sie Gott,
den Herrn der Kreatur, als die bewirkende Ursache hinstellen.
Ähnliche Auffassungen linden sich auch noch bei denVai^eshika's
und andern, indem dieselben, je nach ihren Voraussetzungen, die
einen in dieser, die andern in jener Weise Gott als die bewirkende
Ursache hinstellen. Diesen allen wird zur Antwort gegeben:
„wegen der Ungereimtheit eines Herrn"; d. h. es geht nicht au,
einen Henii, einen Gott, sofern er blofser Vorsteher der Urmaterie
und der Purusha's ist, für die Ursache der Welt zu erklären; wa-
rum? I „wegen der [Ingercimthoit". Worin besteht denn diese Un- {)03
24*
372 {;iürtraka-mUn&n8&
gereimtheit? Darin, dafs Gott, wenn er ee vftre, der die verschie*
denen Stände der.Seolo in den niedrigsten, mittleren mid obersten
Existenzen veranlaÜBte, mit den Schwäeben der Liebe, des Hasses
tf. s. w. behaftet sein würde und folglich so wenig wie wir Gott
sein könnte. Wollt ihr ihn damit verteidigen, dafs er dabei auf
die Werke der Seeleu Rücksicht nehme, so lassen wir diesen [frei-
lich auch von uns ^selbst Sütram 2, 1, 33 flg. betretenen] Ausweg
[bei euch] nicbt zu, weil dabei die Werke und Gott sich Wechsel«
seitig zu einander verhalten würden a|s Bewegendes und Bewegtes,
somit der Fehler eines Cirkels eintreter. würde. Beruft ihr euch
auf die Anfanglosigkeit [dieser Kausalitätskette],, so ist damit nieht
geholfen, weil ebenso gut wie in der Gegenwart auch in allen ver«*
gangenen Zeitläuften jene wechselseitige Abhängigkeit stattfinden,
somit der Fall von der Kette der sich aü einander haltenden Blin-
Ö94 den eintreten würde. Auch sagt ja | das Nyaya- System: 4,.die
„Schwächen haben als Merkmal, dafs sie [als Motive] zum Handeln
„antreiben*^ {Nyäya-^tram 1, 1, 18). Denn Niemand unternimmt,
wie die Erfahrung zeigt, eine Handlung, sei es im eigenen oder
fremden Interesse , ohne dafs er mit den Schwächen [der Liebe,
des Hasses und des Wahnes] behaftet wäre. Übrigens handelt
jeder Mensch nur in seinem eigenen Interesse, auch wo er sich um
fremde Interessen bemüht; und hierin liegt eine weitere Ungereimt-
heit; denn ein Gott, welcher sein eigenes Interesse verfolgt«, würde
gar kein Gott mehr sein: Endlich liegt auch in der Annahme der
Verschiedenheit der Seele (purusha) von Gott sowie in der An-
nahme der Thatlosigkeit der Seele eine Ungereimtheit.
M5 38. sanibandha ' anupapatteg ca
auch wegen der Unmöglichkeit einer Verknüpfung.
Und noch eine weitere Ungereimtheit: der Gott, welcher von
der Unnaterie und dem Purusha (Seele) verschieden wäre, könnte
dieselben nicht regieren ohne mit ilinen irgendwie verknüpft zu
sein. Diese Verknüpfung abei* kann weder eine blofse [aggregat-
artige] Verbindung (saij^yoga) sein, weil Urmaterie, Seele und
Gott allgegenwärtig und gliederlos sind; noch aucdi kann sie als
eine Inhärenz (samaväya) gedacht worden, weil dabei von einem
Inhiirierenden und einem Inh&renzträger [bei den Gegnern] ni6ht
die Rede ist; noch kann man an irgend eine andere als Wirkung
sich ergebende Verknüpfung denken, weil das ganze Verhältnis
von Wirkung und Ursache [erst durch jene Verknüpfung bedingt
wird, somit] seinem ersten Anfange nach ein unerwiesenes bleibt«
Fragt ihr wie es denn die Anhänger des Brahinan halten, so wm-
Sütram IL ii. HH. 373
Ben wir das ab, weil bei uns die Verknüpfung [zwisclien Gott und
SeeleJ auf der Identität beider beruht. Hierzu kommt , dafs der
Brahmanlehrer die Natur der Ursache u. s. w. gemäfs der heiligen
Oberlieferung bestimmt, dafs sich somit bei ihm nicht alles not-
wendigerweise 80 zu verhalten braucht, wie es die [von Ihm nicht
als absolut real anerkannte] Eiiiahiiiug lehrt; der Gegner hingegen
bestimmt die Natur der Ursache u. s. w. gem&fs Erfahrungsbeispic-
len, und somit mufs er alles, was die Erfahrung lehrt, als richtig
annehmen; — das ist der Unterschied. Meint ihr, dafs auch der
Gegner sich ebenso gut auf eine heilige Überlieferung stütze, weil
da8_ von Philosophen (wörtlich: Allwissenden ,. p. 498, 4) Überlie-
ferte den Wert einer heiligen Ül>erlieferung habe, so bestreiten
wir das, weil dabei ein CHrkelschlufs stattfindet, sofern die Allwis-
senheit [jener Philosophen] auf Kredit der heiligen Überlieferung,
und I die Heiligkeit der ÜberUefening auf Kredit der Allwissenheit 596
angenommen wird. Somit ist die Aufstellung eines Gottes von
Seiten der Sinkhya- und Yoga-Lehrer ungerechtfertigt; und in ähn-
licher Weise l&fst sich auch bei den übrigen aufservedischen Auf-
stellungen eines Gottes je nach Befand die Ungereimtheit erweben.
39. adhishihäna-anupapatteg ca
auch wegen Unmöglichkeit eines Substrates.
Auch daiiim ist der von den Anhängern der Beflcxion auf-
gestellte Gott unzulässig, weil derselbe, ebenso wie der Töpfer den
Thon, irgend welche Urstoffe, wenn or sie bewegen soll, als Sub-
strat haben müfste; dieses aber ist nicht der Fall: denn die Ur-
materie kann, weil sie unwahmehmbai* und der Farbe u. s. w. er-
mangelnd ist, somit von anderer Natur ist als der Thon ü. s. w.,
dem Gotte nicht als dieses Substrat dienen.
40. karanavac ccn? na hhoya-ädibhi/ah
organhaft, meint ihr? Nein! wegen des Genusses u. s. w.
Aber könnte nicht [„organhaft", d. h.] ähnlich wie die Seele
(purusha) als Substrat die Scliar der Organe, die Sehkraft u. s. w.
hat, obwohl dieselben unwahrnehmbar und der Farbe u. s.w. er-
mangelnd sind, ebenso der Gott als Substrat die Umiaterie haben?
Auch dies ist unannehmbar; denn dafs die Seele die Schar der
Organe als Substrat hat, ergiebt sich daraus, dafs sie eine genie-
374 <;Ariraka-mlm&nBlL
fsende ist; im Torliegenden Falle aber ist ein Geniefsen u. s. w.
nicht abzusehen. Würde aber die Analogie [der Urmaterie] mit
597 der Schar der Organe anerkannt, | so müfste ebenso wie bei den
wandernden Seelen auch bei Gott ein Geniefsen u. s. w. statthaben.
Man kann die beiden letzten Sütra's auch anders er-
klären. fyAuch wegen ünmöglichkeU eines Substrates" ; d. h. auch
darum ist der von den Anhängern der Reflexion angenommene
Gott unstatthaft, weil, wie die Erfahrung zeigt, ein Herrscher sein
Beich nur beherrschen kann, sofern er ein Substrat, d. h. einen
Leib besitzt, nidit ohne dieses Substrat; und somit müfste man,
diesem Erfahrungsbeispiele gem&fs, wenn man einen unsichtbaren
Gott annehmen wollte, auch diesem Gotte irgend einen Leib als
Standort seiner Organe beilegen; dieses aber ist unmöglich; demi-
ein Leib entsteht erst im Verlaufe der Schöpfung; vor der Schö-
pfung ist er undenkbar. Somit würde dem Gotte das Substrat
fehlen; ohne dieses aber könnte er nicht der Beweger [der Ma-
terie] sein, wie aus der Erfahrung ersichtlich. — yyOrpanhaft, meint
i^ihr? Nein! toegen des Genusses fi« s. w"; d. h. vielleicht könnte
598 man im Einklänge mit der Erfahrung auch bei Gott | irgend einen
[„ organhaften '^ d. h.] den Standort der Organe bildenden Leib,
wenn man so will, annehmen; aber auch damit komibt man nicht
durch; denn wenn Gott einen Leib hat, so mufs ihm ebenso wie
der wandernden Seele ein Genieisen u. s. w. beigelegt werden, und
dai*aus würde folgen, dafs [ebenso wie die Wanderseele] auch Gott
der Göttlichkeit ermangelte.
41. antavattvam asarvajnatA vd
entweder Endlichkeit oder Nichtallwißsenheit«
Auch aus folgendem Grunde ist der von den Anhängern der
Reflexion aufgestellte Gott unmöglich. Gott wird nämlich von
ihuon aufgefafst als allwissend und unendlich; für unendlich gilt
aber weiter auch die urmaterie und für unendlich die von ein-
ander verschiedenen Seelen. Hierbei nun mufs man entweder an-
nehmen, dafs Gott, als der allwissende, die bestimmte Gröfse der
Uimaterie, der Seelen und seiner selbst umgrrenzt [d. h. durch sein
Benken derselben begrifflich limitiert], oder dafs er sie nicht um-
grenzt. Beiden Fällen aber haftet ein Fehler an. Nämlich, wenn
man das Erstere annimmt, so folgt notwendig, dafs Urmaterie,
Seele und Gott, weil ihrer bestimmten Gröfse nach umgrenzt, [der
Zeit nach] endlich sind. Denn so zeigt es die Erfahrung; indem
jedes Ding, welches seiner bestimmten Gröfse nach umgrenzt ist,
wie z. B. der Topf, erfahrungsmäfsig ein Ende nimmt. Ebenso
Sütram IL ii. 41 375
nun mufs auch die Drciheit Ton Uimaterie, Soelen und Gott, da
sie ibror bestimmten Gröfse nach umgrenzt sind, (An Ende nehmen.
Zun&cbst nun ist Bchou der Zahlumfang, zufolge der Dreilieit Ton
Urmatbrie, Seeleu und Gott, ein umgrenzter; dann aber muTs in
Betreff dieser Dreiheit auch der Umfang ihrer WeseuBbeschaffen-
heit I von Gott [indem er sie der bestimmten Summe ihrer Merk- &0<.)
male nach erkennt und somit begrifflich limitiert] umgi*enKt werden.
Und allerdings ist die Anzahl der Seelen eine groise [aber doch
keine unendliche]; und hieraus folgt, dafs bei denjenigen unter
den ihrer ZahlgrölAe nach begrenzten Seelen, welche von dem Sam-
•4ra erlöst werden, die Wanderung - ein Ende nimmt, somit iiu*
Wanderersein ein todliches ist. Ebenso mufs bei den übrigen, in-
dem sie nach und nach erlöst werden, die Wanderung und das
Wanderersein ein Endo nehmen. Was aber weiter die Urmaterie
mitsami ihren Umwandlungen betrifft, so ist ihr Substratsein für
Gott,' da es um der Seelen willen besteht, nur durch das Y^an-
dererseiu derselben motiviert; nachdem sie aber von Seelen ent-
leert ist, wozu soll sie dann noch Gott als Substrat dienen? Und
welches Objekt könnte dann noch die Allwissenheit und Allmacht
Gottes haben? Ergiebt sich aber hieraus, dafs Urmaterie, Seelen
und Gott einmal ein Ende nehmen, so folgt weiter, dafs sie auch
einen Anfang genommen haben müssen; liaben sie aber Anfang
und Eude, so sind wir bei der Theorie des Nihilismus angelangt. —
Will man, um diesem Fehler zu entgehen, den letzteren der beiden
oben genannten Fälle annehmen, so werden dann also Umiaterio,
Seelen und Gott selbst nicht von Gott ihrer bestimmten Gröfse
nach [denkend] umgrenzt; dann stellt sich ein anderer Fohler ein,
sofern damit die Annahme der Allwissenheit Gottes aufgegeben
werden mufs [nur ein Endliches kann erkannt werden]. —
Auch darum also ist die von den Anhängern der Reflexion an-
genommene Kausalität Gottes [als blofser causa cfficlens, nicht
mcUerialis] eine ungereimte.
Achtes Adhikai'anafn.
43. iU2)aUi - asamhhavät goo
wegen der Uninöglichkeit des Ilervorgehenö.
Wir haben die Meinung derjenigen, welche Gott nicht als Ur-
stoff, sondern nur als Regierer und bewirkende Ursache gelten
lassen wollen, widerlegt. Jetzt bleibt nur noch die Meinung
376 (;äiriraka-mtin&n8&
derjenigen zu widerlegen, für welche Ooti sowohl UrstofT als auch
Regierer und somit die beiderseitige Ursache ißt. — Aber haben
wir nicht selbst mit Berufung auf die Schrift Gott in dieser Weise
oben als Urstoff und als Regierer erwiesen, und steht es nicht
fcBt, dafs auch die Smriti, sofern sie der. Schrift naclifolgt, als
Autorität gilt? Warum wird also diese Annahme deirsetben hier
bekämpft? — Wir antworten: allerdings giebt dieser Teil der
gegnerischen Meinung wegen seiner Oleichartigkeit mit unserer
l^hre zu Ausstellungen keine Veranlassung-, wohl aber giebt eine
solche ein anderer Teil dieser Lehre; daher wir ihn bekämpfen
müssen. Nämlich die Bhägavata'h glauben, dai'ß nur der ver-
ehrungswürdige, einheitliche^ seinem Wesen nach aus lauter Er-
kenntnis bestehende Yasudeva die absolute Realit^it ausmacht.
Indem dieser sein Wesen vierfach serteilt^ besteht er in seiner
Zerlegung als Y&sudeva, Sankarshana, Pradynmna und Auiraddlia.
Als y/isudeva ist er der höchste Atman, als Sankarshapa die in-
dividuelle Seele, als Pradyumna das Mana«, als Aniruddha das
601 Ich-Bewulstsein. Unter ihnen bildet | Yasudeva den letzten Ur-
grund, während die anderen, 8anlcai*8hana u. s. w., seine Wirkun-
gen sind. Wenn man diesen so beschaffenen Rhagavan hundert'
Jalire hindurch durch Nahen zu ihm, Angebinde, Opfer, Studium
und religiöse Übungen verehii hat, so wird man seine Sünden los
und gehet zu. Rhagavan ein. Wenn es nun hierbei heifst: ,^ jener
,,Narayana, welcher höher als das Unoffenbare, der höchste Atman
„und die Seele von allem ist, dieser besteht viclfaltiglich, indem
„ei* sich selbst dui'ch sich selbst zerlegt", so haben wir auch da-
gegen nichts einzuwenden, indem raieh aus Sohriftworteu wie „er
„besteht einfach, er besteht dreifach^' u. s. w. (Chand. 7^ 26, 2) das
Bestehen des höchsten Atman in vielfältige) Gestalt sich ergicbt.
Und auch wenn weiter die Yerehrung dieses Rhagavan durcli !Naben
zu ihm u. s. w. mittels eines unabläbsigeu Richtens dei* Gedanken
auf ihn gefordert wird, so widersprechen wir auch dem nicht',
weil von Schrift und Smriti das Sich versenken in Qott gut ge*
heifsen wird. Wenn aber weiter gesagt wird, dafs aus Yasudeva
Sankarshai^a heiTorgehe, aus Sahkarshaiia Pradyumna, und aus
Pradyumna Aniruddha, so müssen wir bemerken: es geht nicht
au, dafs aus der Yasudeva genannten höchsten Seele die Sankar-
shana genannte individuelle Seele hervorgehe, weil dabei der Fehler
eintreten würde, dafs die letztere nicht ewig u. s. w. wäre; denn
wenn die individuelle Seele entstanden ist, so kann sie nicht
ewig sein. Somit könnte darin, dafs dieselbe zu Bhagav&n eiii<-
geht, keine Erlösung liegen, weil sie dabei als Wirkung, falls
609 sie nicht zugleich die Ursaclie selbst ist, | zu Grunde gehen
wüi*de. Darum wird auch weiter unten der Lehrer die Ent«
stehung d^r individuellen Seele in Abrede stellen mit den Worten:
„nicht das Selbst, weil nicht schriftgemäfs; auch wegen der
Sfttram IL ii. 12. 377
„Ewigkeit iiadi jeiwn [Schriaslellen] " (Sutram 3, 3, 17). ~ Somit
ist diese Annahmo uoKutrefFeud.
43. na ca kartuh kciratmm
auch [entbteht] nicht aus dem Wirker das Werkzeug.
Aucb darum ist diesti Anuahme uiHSutriHfend , weil die Er-
falirung zeigt, dafs ,,uicbt aus dem Wirker", z. B. aus Devadatta,
„dati Weilczcüg", z. B. die Axt, hervorgeht. Nun lehren aber
die Bliägavata^K, dafs aus der Stiele als Wirker, welche Sankar-
8liana heifst, das Manas a]s Werkzeng, welehes j^'radyumna lieifst,
hervorgebe, und duls aus diesem wiederum als Wirker das Ani-
ruddha genannte Ich-BowuMseiii hervorgt^lie. Dieses aber könnea
wir, so lange man uns keiu Ei'f&.hrungsbeiKpiel dafür beibringt,
nicht zugeben ; denn eine Sehriftstelle , Welche es lelirte , giebt
es nicht.
44. vynäna-adi'bhdve vd tad-apratishedhah
auch damit, dafs »ie Erkenn tni» ii. s. w. nind, ist
keine Abhülfe dafür goäcbaiTen.
^Aber*, könnte man sagen, \jene genannten, Safikarshana u. s. w.,
'werden gar nicht als individuelle Seele u. s. w. hingestellt, sou-
'dern sie sind vielmehr sämtlich Götterherren, welche mit den
'göttlichen Prädikaten des Wissens, der lien-Bchaft, Macht, Kraft,
'Tüchtigkeit und Energie ausgerüstet sind; denn es heifst: „diese
*„allo sind YasudevaV, sind ohne Mangel, ohne Stütze | und ohne 603
%,Tadel''; daher jener (Sutrom 2, 2, 42) gerügte Fehler, dafs ein
^Hervorgehen derselben unmöglich sei, nicht anf sie zutrifft.* —
Barauf erwidern wir, dafs auch so „keine Abhülfe dafür ge-
„schaffen ist"; näinlich keine Abhülfe dafür, dafs ihr Hervor-
gehen unmöglich ist; es stellt sich nämlich, das ist der Sinn,
jener Fehler, die Ilumöglichkeit ihres Hervorgehens, in anderer
Weise wieder ein. Wie dasV Nun, w^enn die Meinung diese ist,
dafs alle jene viere, Vdisadeva u. s. w., von einander verschiedene
Götterherren von gleicher Beschaffenheit sind, so können sie nicht
ein Wesen ausmachen; dann aber wii*d die Anuahme einer Mehr-
heit von Götterherreu überflüssig, weil sich die [Welt als] Wir-
kung Gottes auch au» einem Gott allein erklären läfst. Auch ist
damit die Voraussetzung aufgegeben, dafs der verehrungswürdige
einheitliche Vaiiudeva allein die absolute Realität bilde. Oder ist
die Meinung, dafs die vier genannten Wesen Zerlegungen de^
378 Qirtraka-mlm&nsi
einen BhagBV&n und von gleichen Eigenschaften wie er seien?
Nun, dann bleibt es eben mit Bezug auf sie dabei, dafs ihr
Hervorgehen unmöglich ist. Denn es ist nicht möglich, dafs aus y&-
sudeva Sankarshana, aus Sankarshana Pradyunma, aus Pradyunma
Aniruddha hervorgehe, weil das Hinausreichen fehlt; denn bei
Wirkung und Ursache mufs ein Hinausreichen der Ursache zur
Wirkung hinüber stattfinden , wie das des Thones zu den Ge-
fäfsen hinüber. Denn ohne dieses Hinausreichen kann von den
Begriffen Ursache und Wirkung nicht die Rede sein. Auch findet
sich in den Lehrsätzen des Paücarätram keinerlei Unterscheidung
angegeben, vermöge deren zwischen Y&sudeva und den übrigen
[ähnlich wie bei uns zwischen Brahmdn und seinen Manifesta-
tionen, p. 62, S. 19, vgl. p. 113, S. 48] im einzelnen oder im gan-
zen ein Mehr oder Minder von Wissen und Machtvollkommenheit
604 stattfände, | sondern sie werden alle ohne Unterschied als Zer-
legungen des y&sudeva betrachtet. Auch dürfte man für diese
Zerlegungen des Bhagavan nicht bei der Yierzahl stehen bleiben,
weil sich diese ganze Welt von Brahman bis zur Pflanze herab
als eine Zerlegung des Bhagavan ausweist.
45. vipratishedhäc ca
auch wegen des Widerspinichs.
Auch läfst sich vielfacher „Widerspruch*^ in diesem Lehrsysteme
bemerken. So z. B. in der Art, wie [jene vier Zerlegungen des
y&sudeva] als Träger der [allen gemeinsamen] Qualitäten ange-
nommen werden. Diese Qualitäten sind nämlich Erkenntnis, Herr-
lichkeit, Kraft, Macht, Tüchtigkeit und Energie, [welche sich der
individuellen 8eele , dem Manas und dem Ich-Bewufstsein in gleich
hohem Grade nicht ohne Widerspruch beilegen lassen; und doch
geschieht dies,] denn es heifst „alle diese Selbste sindverehrungs-
„würdig, sind Yäsudeva*s". — Auch zeigt sich ein Widerspruch
gegen den Veda, denn wenn es heifst: „nachdem Qäijidilya in den
„vier Yeden das hödiste Glück nicht gefunden, so ist er zu diesem
„Lehrsysteme gelangt", so liegt in diesen Worten ein Tadel des
Veda. Auch darum also steht fest, dafs diese Annahme unrichtig ist.
So Uutet in dem Kommentare Bur erlftnohten ^drtraka-ntimansay dorn Werke 4er
Terehruugswürdigen FtLbe des ^atikara, im sweiten Ädh^aya der zweite JPaifa,
Des zweiten Adkyftja
DRITTER PADA.
Gm! Verehrung ^«B höchateu Atmmnl
^ Entes Adhikaranam.
1. ^na viyady agnUeh'
^nicht der Äther (Kaum), weil das Schriftzeugnis fehlt', eob
In den Yed&ntatexten bemerkt man hier und da Schriftstellen
über die Schöpfung, welche in verschiedener Weise vorgehen. So
erwähnen einige eine Schöpfung des Äthers (Raumes), und andere
wieder nicht. Ebenso lehren die einen eine Schöpfung des Windes,
und die andern nicht. Ebenso steht es mit der individuellen
Seele und den Lebensorganen. Ähiilich läist sich wiederum in
andern Schriftstellen ein Widerspruch in Bezug auf die Reihen-
folge [der Emanationen] bemerken. Wo wir bei den Gegnern
einen Widerspruch fanden, da erklärten wir, dafs dieselben keine
Beachtung verdienen; in ähnlicher Weise könnte man denken, dafs
auch unsere eigene Lehre keine Beachtung verdieiie,' weil sie wider-
sprechend sei. Um dem zu begegnen, und um den Schiiftsinn
lüler Yed&ntastellen, die von der Schöpfung handeln, als tadellos
zu erweisen, dazu dient die nächstfolgende Ausführung. Stellt
sich dabei die Tadellosigkeit des Schriftwortes heraus, so folgt,
dafs das genannte Bedenken in sich zerfUlt.
Zunächst also erhebt sich in Bezug auf den Äther (Raum) j
die Frage, ob für diesen Äther ein Entstehen anzunehmen ist oder 606
380 ^Mraka-mlm^usll
niclit anzanehmen ist. -— Hier könnte nuin einer behaupten: '„nicht
S,der Äther, weil das Schriftzeugnis fehlt''; d. h. der Äther kann
'nicht entstanden sein; wanun? „weil das Schriftzeugnis fehlt",
'd. h. weil in dem Abschnitte ron der Schöpfung seiner keine Er-
'wähnung in der Schrift geschieht. Nämlich im Ch&ndogyam heifst
'es: „seiend nur, o Teurer, war dieses zu Anfang, eines nur und
'„ohne zweites" (Ghänd. 6, 2, 1); und dauii heifst es von dem hier
'unter dem „Seienden" gemeinten Brahman: „dasselbige beab-
'„eichtigte, da schuf es das Feuer" (Ghänd. 6, 2, 3). Hier wird
'von den f&nf Elementen das mittlere, nämlich das Feuer, zum
'Anfange gemacht, und nur von dreien unter ihnen, dem Feuer,
'dem Wasser und der Nahrung, eine Entstehung geliahrt. Nun
'ist aber die Schrift ffir uns die Autorität, durch welche uns eine
^Erkenntnis der übersinnlichen Dinge zu Teil wirdi und ein Sohrifi-
'zeugnis, welches die Entstehung des Äthers lehrte, liegt hier nicht
'vor« Somit ist eine Entstehung des Äthers nicht anzunehmen.^ -«-
So könnte man meinen.
2. ^asü tu'
*sie ißt vielmehr doch vorhanden \
Das Wort „vielmehr" bezieht sich auf eine andere [ebenfalls
gegnerische] Meinung. 'Mag auch', so könnte man nämlidi er-
widern, 'im Chändogyam keine Schöpfung des Äthers gelehrt wer*
'deli, so liegt sie doch in einer a;kidem Schriftstelle vor. Denn
607 'bei den Taittiriyaka's heifst es: | „Wahrheit, Erkenntnis, unend-*
'„Hell ist das Brahman", und dann: „fürwahr, aus diesem Ätinan
'„ist der Äther entstanden" (Taitt. 2> 1). Es liegt somit hier ein
'Widerspmdi der beiden Schriftstellen vor^ sofern die Schöpfung
'nach der einen (Chänd. 6, 2, 3) mit dem Feuer, nach der andern
'(Taitt. 2, 1) mit dem Äther anhebt.^ — Aber ziemt es sich nicht,
anzunehmen, dafs beide Schriftstellen übereinstimmen? — 'Freilich
'ziemt es sich, dieses anzunehmen, aber man kann es nicht an-
'nehmen; denn wenn die Schrift mit den Worten: „da schuf er
'„das Feuer" den Schöpfer nur als mit dem Schaffen des einen
'beschäftigt darstellt, so kann man darin doch nicht eine Yer-
'knüpfung desselben mit dem Schaffen zweier Elemente finden,
'gleich. als wenn es hiefse: „da schuf er das Feuer, da schuf er
'„den Äther".' — Aber man kann doch auch ein nur einmal ge-
nanntes Subjekt mit zwei Prädikaten verknüpfen und z. B. sag^:
„er kochte die Suppe und dann den Reis". Ebenso können wir
in unserm Falle die Sache dahin auffassen, dafs das Brahman bu-
erst den Äther und sodann das Feuer erschaffen habe! — 'Das
'geht nicht an, weil im Gh&ndogyam als Erstentstandenes das Feuer,
stimm n. ni. 2. e38l
'im Taittuiyakain hingegen der Äther ervrähnt wird, und weil
^bqide 7.iigleich nicht das ErBtenjbstandene sein können. Damit kon'i-
*men «wir noch auf einen weiteren Widerspruch mit d6r ändern
^ScfariftfiteUe ; denn wenn es heilst: ,, fürwahr aus diesem Atman ist
^der „Äther entstanden** (Taitt. 2, 1), so kann man nicht, — gleich
^als wenn es hiefse: „aus .ihm ist der Äther entstanden 'S »t^us
S,ihm ist das Feuer entstand\;n", — den nnr einmal vorkommen-
^den Ablativ [„aus ihm**J und das nur oinmal erwähnte Entstehen
'gleichzeitig | auf den Äther und das Feuer beziehen; zwnal es 608
^nachher noch specioU heifst: „aus dem Winde das Feuer'' [worin
'liegt} dafs das Feuer nicht, wie die Chändogyastelle besagt, nn-
' mittel bar aUs Brahman entstanden ist].'
Gegen diesen behaupteten Widerspruch könnte nun wieder ein.
anderer [Gegner] einwenden:
3. ^gmmiy asamhhavat'
^uBeigentlich, wegen der Unmöglichkeit'.
'Eine Entstehung des Äthers ist nicht anzunehmen und zwar
'eben weil [in der Stelle Chänd. 6, 2] „das Schriftzeugnis dafür
'„fehlt"; und wenn nun doch wieder eine andere Schrifbstelle sich
'anführen l&fst, welche von einer Entstehung des Äthers redet, so
'mufs dieselbe „uneigentlich" aufgefafst werden; warum? „wegen der
'„Unmöglichkeit", d. h. weil es nicht möglich ist, sich eine Entste-
'hung de^ Raumes (Äthers) Yoramstelle», wie wenigstens diejenigen
'annehmen, welche in den Meinungen des erlauchten Kanada wandeln-.
'Diese nämlich bestreiten die Entstehung des Raumes/ weil er aus
'ihrem Vorräte von Ursachen sich nicht ableiten Itifst. Alles näm-
'lich, so leluren sie, was entsteht, mufs hervorgehen aus der [die
'Wirkung] inh&rierend-habenden, der [sie] nichi-inhärierend-haben-
'den und der bewirkenden Ursache. Für eine Substanz nun liegt
'die inliärierend-habendc Ursache in einer andern Substanz, welche
'mit ihr gleichartig und dabei vieiheiilich ist [wie z. B. die Erd-
'atome es sind, denen die Erde als Substanz inhäriert]. Für den
'Raum aber giebt es keine ihn bedingende, mit ihm gleichartige
'und dabei vielheitliche Substanz, aus welcher als inhiirierend-ha-
'bender Ursache und aus deren Verbindung als nicht-inhärierend-
'habender Ursache der Raum hervorgehen könnte. Fehlt es aber
'an diesen beiden, | so kann noch viel weniger von einer dieselben 609
'voraussetzenden bewirkenden Ursache fär den Raum die Rede
'sein. — Hierzu kommt, dafs für alles, was eine Entstehung hat,
'z. B. für das Feuer u. s. w., sich ein Unterschied vorstelien läfst
'zwischen der Zeit vor und dor nach dem Entstehen, derart, dafs
382 Cirtraka-mlmins^
^vor dem Entstehen die entsprechenden Wirkungen, z. B. das
^Leuchten (lies: prakägd) u. s. w., nicht da waren, und dafs sie
^un hinterher da sind. Für den Raum nun also kann man sich
'einen derartigen Unterschied zwischen der Zeit vor und der iiach
^seinem Entstehen nicht vorstellen. Denn könnte man sich wohl
^dahei beruhigen, anzunehmen, dafs vor. der Weltschopfong kein
'freier Raum, keine Weite, kein Offenes gewesen wäre? — Femer
'auch darum, weil der Baum von der Erde und den übrigen
'[wirklüih aus den Atomen entstandenen Substanzen] wesensver-
'schieden ist, sofern er [im Gegensätze zu ihnen] Allgegen-
'wart u. B. w. besitzt, ist zu schliefsen, dafs der Raum nicht ent-
'standen sein kann. — Somit mufs man annehmen, dafs, so wie
'in den Redensarten, „mache Raum", „es ist Raum geworden ",
^die Worte „machen" und „werden" bildlich zu n^mien sind, —
'oder wie man auch von dem Raum eines Grefäfses, dem Raum
'eines Kruges, dem Raum eines Hauses redet, wobei trotz der
'Einheit des Raumes von einer Vielheit von Räumen gesprochen
'wird, — wie es ja auch im Yeda heifst: „die wilden Tiere sollen
'„sie in den Zwischenräumen opfern" (vgl. Qatap. br. 13, 5, 1, lö),
' — daüs in ähnlicher Weise die Sehrifbstelle von der Entstehung
'des Raumes „uneigentlich" zu nehmen ist.'
610 4. ^gahdäc ca\
'auch wegen des Schriftwortes'.
'Auch ein Schriftwort bezeugt das Nichtentstandensein des
'Raumes, wenn es heifst: „der Wind und der liuftraum (aniari-
\yksJiam), das ist das Unsterbliche" (Bnh. 2, 3, 3); denn fär ein
'Unsterbliches ist keine Entstehung möglich. Und auch wenn die
'Schrift in den Worten: „dem Räume gleich, allgegenwärtig,
S,ewig", das Brahman wegen seiner Eigenschaften- der AUgegen-
'wart und Ewigkeit mit dem Räume vergleicht, so giebt sie damit
'zu erkennen, dafs diese beiden Eigenschaften auch dem Räume
'zukommen. Ist er aber von dieser Beschaffenheit, so ist eine
'Entstehung desselben unmöglich. Man kann auch an die Worte
'erinnern: „so unendlich wie dieser Raum ist, so unendlich ist
'„der Atman, das soll man wissen", und: „das Brahman hat den
'„Raum als Leib, den Raum als Selbst". Wäre der Raum ent-
'standen, so könnte das Brahman nicht denselben, ähnlich wie
'die Lotosblume die blaue Farbe, als Merkmai an sich tragen.
'Daher besagt die Stelle, dafs das Brahman ewig, weil von gleicher
'Beschaffenheit wie der Raum, sei.*
SAtram II. m. 5. 383
5. ^syäc ca ekasyay hrahma-QahdavaV
'auch kann ja das eine [Wort einmal bildlich und
dann Wieder eigentlich gebraucht werden], so wie
das Wort Brahman'.
Dieses Sütram ist die Antwort auf einen [zweifelhaften] Fimkt.
— Man könnte nämlich [den Ausführungen des Gegners] mit den
Worten entgegentreten: nun ja, aber wie ist es möglich, dafs das
eine und näinliche Wort „ entstanden '^ in der Stelle: „fürwahr
„ans diesem Ätman ist der Äther entstanden" u. s. w. (Taitt. 2, 1),
im weitem Verlaufe der Stelle, bei dem Feuer u. s. w., wo es
wieder vorkommt, im eigentlichen Sinne, | bei dent Äther (Raum) 611
hingegen uneigentlich gebraucht sein soll? — Hierauf antwortet
der Gegner: ^„auch kann ja das eine^', nämlich das Wort „ent-
S,8tanden", indem es sich auf verschiedene Gegenstände bezieht,
'nneigentlich und dann wieder eigentlich gebraucht werden, „so
S,wie das Wort Brahman". So wie nämlich d|ts eine Wort „Brah-
S,man in der Stelle : „durch Bufse suche das Brahman zu erkennen,
S,Bufse ist das Brahman" u. s. w. (Taitt. 3, 2) von der Nahrung
^und den folgenden in bildlichem, von der Wonne hingegen in
'eigentlichem Sinne gebraucht wird; — und so wie [ebendaseibst]
*von der Bufse als einem Mittel der Erkenntnis deis Brahman das
*Wort „Brahman" bildlich gebraucht wird, hingegen von dem
*zu erkennenden Brahman in eigentlichem Sinne, ebenso könnte
*es auch hier sein.' — Aber wie kann, wenn der Äther nicht
entstanden sein soll, die Behauptung, dafs die Weltursache „eines
„nur und ohne zweites" sei (Chand. 6, 2, 1), zu Rechte bestehen?
würde dann nicht das Brahman den Raum als ein zweites neben
sich haben? Und wie kann es dann (z. B. Brih. 2, 4, 5. Chand.
6, i. Mund. 1, 1, 3) heifsen, dafs durch die Erkenntnis des Brah-
man alles erkannt sei? — ' Darauf antwortet der Gegner: 'was
'zunächst das Wort „eines nur" (Chand. 6, 2, 1) betrifft, so kann
'dasselbe nur gelten in Hinsicht der aus Brahman hervorgegange-
^nen Wirkungen. Es steht damit ähnlich, wie wenn einer am
'vorhergehenden Tage in dem Hause eines Tüpfers den Thon, den
)Stab und die Töpferscheibe bemerkt hat, und am folgenden Tage
'bemerkt er die verschiedenen, daraus gearbeiteten Gefäfse und
'spricht: „gestern war dieses alles nur Thon allein"; womit er
'doch offenbar nur sagen will, dafs dasjenige, was aus dem Thone
'entstanden ist, am vorigen Tage noch nicht vorhanden gewesen
'sei, niclit aber, dafs auch der Stab und die Töpferscheibe damals
'nur Thon gewesen seien. In ähnlicher Weise will die Schrift-
^stelle von der Zweitlosigkeit des Brahman nur jeden Vorsteher
384 Qlrtraka-iiiIm&]iB{i
'des Urstoffes an/ser Brahman auBSchliefBen und besagen, da/s,
^während s. B. bei der Hervorbringung der Gefitfae auH dem Tboüe
*der Töpfer es ist, welchf^r dem Thone vorsteht, hingegen bei der
^llervorbiinguiig der Welt aus dem Brahman kein anderer Vor-
*ste)ier vorhandüo ist als Brahman selbst. — Übrigens wird auch
'danut, dafs der Raum als ein stwoites neben Br«ihman besteht,
'die Zweitlosigkeit des Brahman noch gar nicht aufgelioben. Denn
^eine Verschiedenheit ist nur da, wo ein Gegensatz der Merkmale
Ct2 'vorliegt; | zwischen Brahman und dem Räume aber besteht vor
'der Schöpfung kein Qegensatx der Merkmale, weil beide, ähnlich
'wie Milch und Wasser, wenn sie gemischt werden, in gleich«:
'Weise die Eigenschaften der Alldurchdringung und Oestadtlosig-
'keit besiti^en; 7«ar Zeit der Schöpfung hingegen tritt das Brahman
'in Aktdon, um die Welt hervorKubringen, während der Raum un-
'bewegt bkibt, wodurch dann die Yerschtedenheit beider isu Tage
'tritt. — Ebenso ist auch aus Schrifbstellen wie: „das Brahinan
'„hat den Raum als Leib" ersichtlich, dafs dabei Brahman und
'der Raum als etwas Identisches betrachtet werden; und daram
'ist es auch möglieh, dafs mit der bloiben Erkenntnis des Brah-
'man sohon alles erkannt ist. -- Hierxu kommt, dafs alle Wir-
*kung, wenn sie entsieht, in der Art entsteht, dafs sie an Ort
*und' Zeit nicht über den Raum liinausreicht, und dafs der Raum
'hinwidemm an Ort und Zeit nicht über das Brahman hinaua-
'reicht; und hieraus folgte dafs in der Erkenntnis des Brahman
'und des ans ihm Erschaffenen die Erkenntnis des Raumes schon
'mit einbegriffen ist. Es ist damit, wie wenn man in einen Topf
'voll Milch einige Tropfen Wasser giefst; wer die Milch trinkt,
trinkt dieselben mit; denn nachdem die Milch ausgetrunken ist,
'bleiben keine Wassertropfen mehr übrig. Weil also der Raum
'über das Brahman und seine Hervorbringungen nach Ort und Zeit
'nicht hinausreicht, deswegen ist in der Erkenntnis des Brahman
'der Raum schon mit einbegriffen. — Somit ist die Schriftstelle,
'welche oino Entstehung des Raumes lehrt, bildlich au nehmen.'
Auf diese Behauptungen des Gogners dient aar Antwort:
^13 6*. pratjjnA-ahämr a^atirekdr, chalxiebhyah
die Verheifßung der Schrift bleibt [nur dann] nicht
unerfüllt, wenn [der Kaum] nicht darüber hinaus
besteht, wegen der Schriftstellen.
Die Schrift sagt: „wodurch [auch] das Ungeliörte ein [schon]
,0eh6i*tes, das Unverstandene oin Verstandenes, das Unerkannte
S&trAiM n. ni. 6. 385
„ein Erkanntes wird*^ (Gh&nd. 6, 1, 2); — „fürwahi-, von wem
,,der Atman gesehen, gehört, verstanden und erkannt worden ist,
„Ton dem wird diese ganae Welt gewnfst" (Brih. 4, 5, 6); — „^»^
„ist das, o Ehrwürdiger, mit dessen Erkenntnis diese ganze Welt
„erkannt ist^ (liuii4. li 1) 3); — „kein Wissen (giebt es aufser-
„halb des Seienden"; — so lautei in dei|. versclüedcnen Yed&Dta*
texten die Yerheifsnng [des EiQen, in dem Alles erkannt sein
solle]. Diese Verheifsung bleibt nur dann jcucht unerfüllt, be-
steht nur dann ohne Widersprach, wenn die gesamte aus Dingen
bestehende Welt über das ^zu erkennende Brahman nicht hinaas-
reieht. Reicht irgend etwas /über Brahman . hinaus , so geht die
Yerheifsung, dafs mit der Erkenntnis dos einen [Urahman] alles
erkannt sein solle, nicht in Erfüllung. Dieses Nichthinausreichen
ist aber nur dann möglich, wenil die gesamte aus Dingen be-
stehende Welt aus dem euien Brahman entstanden ist. Denn
„wegen der Schrifbstellen" ergiebt sieh» dafs die Erfüllung jener
Yerheifsung nur in dem Sinne zu denken ist, in welchem das
Produkt nicht über den Urstoff, aus dem es hervorgegangen,
hinausreicht. Denn wenn es a. B. heilst: „wodurch [auch] das «
„IJngehörte ein [schon] Gehörtes wird" (Chand. 6, 1, 2), so wird
hier etwas verheifsen; und diese Yerheifsung [das Ein^ zu lehren, 614
in welchem Alles inbegriffen sei], wird verwirklicht durch die
Gleichnisse vom Thone u. s. w., deren Zweck es ist, die Identit&t
der Wirkling mit der Ursaclie zu lehi'en; und nur der Erweisung
dieser Identität dienen die weiter folgenden Aussprüche: „seiend
„nur o Teurer, war dieses zu Anfang, eines nur und ohne zweites"
(Chand. 6, 2, 1); „dasselbige beabsichtigte, ... da schuf er das
„Feuer" (Ch&nd. 6, 2, 3). Nachdem diese Stellen alle Wöltwirkun-
gen aus dem Brahman abgeleitet haben, so zeigt das darin Fol-
gende, dafs sie nicht über dasselbe hinausreichen , wenu es heifst:
„dessen Wesens ist dieses Weltall " u. s. w. bis zum End«< des
Abschnittes (Ch&nd. 6, 8, 7 — 16). Wäre der Baum keine Wirkung
des Brahman, so würde die Erkenntnis des Kaiunes nicht iu der
Erkenntnis des Brahman einbegriffen sein, und somit würde die
Schriftverheifsung unerfüllt bleiben. Es ziemt sich aber nicht,
die Unerfülltheit einer Scbriflverheiisung zuzugeben und dadurch
den Yeda um seine Autorität zu bringen. — In ähnlicher Weise
geben, je nach den verschiedenen Yeda n tutexten ^ bald diese, bald
jene Gleichnisse jene Yerheifsung [ajs erfüllt] zu erkennen, z. B.
da wo es heifst: „dieses Weltall ist was diese Seele ist" (Bnh. 2,
4, €•); — „Brahmaii allein ist dieses Unsterbliche im (>9ten''
(Mu^d. 2, 2, 11) U.S. w. Somit folgt, dafs ebenso gut wie das
Feuer u. s. w. auch der Raum (Äther) u. s. w. entstauden ist.
Wenn hingegen behauptet wurde, dafs der Raum nicht ent-
standen sein könne, weil das Schriftzengnis [in der Stt^lle Chand.
6, 2, 3) dafür fehle, so ist dieses unzutreffend, weil eine andere
DiCuatM, VMAiiU. 25
p^-jy-
386 Qlr1raka-mfmäns4
Schriftstelle sich anfweiseu läfst, welche die Entstehung des Rau-
mes bezeugt mit den Worten: „fürwahr, aus diesem Atman ist
„der Raum entstanden*' (Taitt. 2, 3). — 'Freilich l&fst sie sich
'aufweisen', könnte man sagen, 'aber sie tritt auf im Widerspruche
'mit jener andern Stelle: „da schuf er das Feuer" (Chand. 6, 2, 3),
'indem nicht alle Scbriftstellen mit cId; ider übereinstimmen. Denm
'Übereinstimmung ist nur zwischen dem, was sich nicht wider-
'spricht; hier aber liegt ein Widerspruch vor. Denn es ist nicht
615 hnöglich, den Schöpfer, wenn er nur einmal genannt wird, | auf
'ein Zweiheit^ von geschafifouen Dingen zu beziehen; auch können
'zwei Dinge nicht beide zugleich das Ersterschaffene sein; und
'ein Wahlbelieben [wie im Werkteile dns Yeda] ist hier nicht
'zulässig.* — Diese Einwendungen sind nicht zutreffend, weil auch
im Taittirlyakam die Schöpfung des Feuers, und zwar an dritter
Stelle, erwähnt wird, indem es heifst: „fürwahr aus diesem Atman
„ist der Raum entstanden, aus dem Räume der Wind, aus dem
„Winde das Feuer" (Taitt. 2, 1). Diese Schriftstelle nämlich kann
man nicht anders deuten, während sich die Stelle im Chändogyam
auch so auffassen läfst, dafs Brahman erst nach Erschaffung des
Raumes und des Windes das [dort erwähnte] Feuer erschaffen
habe. Denn diese Stelle hat, da es ihr nur darum zu thun ist,
die Schöpfung d^s Feuers zu lehren, nicht die Kraft, die in einer
andern Sdiriftstelle bezeugte Schöpfung des Raumes auszu-
schlieljen. Denn die eine Stelle kann nicht zwei Zwecke haben
[den, die Schöpfung des Feuers zu lehren, und den, die des Rau-
mes zu verneinen]. Wohl aber kann der Schöpfer, obwohl er
einer ist, der Reihe nach verschiedene Produkte hervorbringen.
Da somit die Annahme einer Übereinstimmung der Stellen mög-
lich ist, 80 darf man nicht die Schriftstelle, unter dem Vorgeben,
616 dafs sie jener andern widerspreche, im Stiche | lassen. Übrigena
haben wir gar nicht die Absicht, den Schöpfer da, wo er nur
einmal vorkommt, mit einer Zweiheit des zu Schaffenden zu ver-
knüpfen; sondern vielmehr wegen der andern Schriftstelle nehmen
wir das andere zu Schaffende hinzu. Und ebenso wie deshalb,
weil in der Stelle „fürwahr dieses Weltall ist Brahman; als Tajja-
„l&n" [u. s.w.] (Chand. 3, 14, 1) die Entstehung des Dinglichen
aus Brahman schon ausgesagt wird, die nachher an einem an-
dern Orte gelehrte, mit dem Feuer anfangende Stufenreihe der
Schöpfung nicht ausgeschlossen zu werden braucht, — ebenso
braucht weiter auch, weil hier die Entstehung des Feuers aus
Brahman ausgesagt wird, die in einem andern Texte gelehi^ mit
dem Äther anfangende Stufenreihe der Schöpfung nicht ausge-
schlossen zu werden. — 'Aber hat die erwähnte Stelle, in der es
'weiter heifst: „als Tajjalan soll man ihn ehren in der Stille'^
'(Qiänd. 3, 14, 1), nicht vielmehr nur den Zweck, die Stille des
'Gemütes anzubefehlen, und nicht den, eine Schöpfung zu leliren;
Sütram II. m. 6. 387
*so dafs sie nicht nötig hat, mit der an einer weiterhin folgenden
^Stelle gelehrten Stofenreihe zn harmonieren; während hingegen .
4n dieser weiter folgenden Stelle: „da schuf er dae Feuer" (Chand.
^6, 2, 3), eine Aussage tber die Schöpfiing Torliegt, dalier liier
^die Stufenreihe so festzuhalten ist, wie sie von dar Schrift ge-
^geben wird?^ — Wir antworten: nein! denn wir haben nicht
nötig, der Erstentstehung des Feuers zuliebe dan durch eine an- .
dere Schrift bezeugten Artikel von der Raumschöpfung aufzu-
geben, weil die Reihenfolge nur eine Qualität der yerschiedcfnen
Artikel | ist [somit diese schon voraussetzt und nicht die Kraft 617
hat sie umzustofsen]. Übrigens sagt die Stelle : „ da schuf er das
„Feuer" (Chlind. 6, 2, 3) durchaus nichts über die Reihenfolge aus;
vielmehr mutmafst ihr die Reihenfolge nur aus dam Sinne der
Stelle; diese [blofs gemuimafste Reihenfolge] aber wird durch die
in der andern Stelle „aus dem Winde das Feuer" (Taitt. 2, 1)
gelehrte Reihenfolge ausgeschlossen. Eine Wahl hingegen oder
eine Zusammenfassung in Bezug auf die Erstantstahung von Raum
und Feuer bleibt ausgeschlossen, jene weil sie unmöglich, diese weil
sie nicht bezeugt ist. Es ist somit zwischen den beiden' Schrift-
stellen ein Widerspruch nicht zuzugeben. Hierzu kommt, dafs
schon allein die zu Anfang der Chl^ndogyastelle gemachte Ver-
heifsung: „wodurch das Ungehörte ein schon Gehörtes wird"
(ChUnd. 6, 1, 2), um richtig zu sein, dazu nötigt, den Raum, wenn
er auch bei der Schöpfung nicht /erwähnt wird, zu arg&nzen; um
wieviel mehr müssen wir ihn hinzunehmtti, da er in der Taittiriya-
stelle ausdrücklich erwähnt wird! — Wenn femer oben behauptet
wurde, dafs der Raum, weil er von der Gesamtheit örtlich nicht
verschieden sei, schon damit, dafs man Brahman und seine Wir-
kungen wisse, mitgewufst werde, dafs somit die Yerheifsung auch
ohne ihn erfüllt werde, und die Stelle von dem Einen ohne Zweites
darum keinen Abbruch erleide, indem das Brahman und der Raum,
wie Wasser und Milch [wenn sie gemischt sind], nicht über ein-
ander hinausreichten, — so haben wir hierauf zu erwidern, dafs
man die Stelle, wonach durch die Erkenntnis des einen alles er-
kannt sei, nicht, nach Analogie der mit Wasser gemischten Milch
auffasse» darf; vielmehr nötigen die Gleichnisse von demThon u. s. w.
dazu, die Erkenntnis des Ganzen durch Erkenntnis des Einen in
dam Sinne zu fassen, in welchem mit dem Urstoffe auch schon
alle seine Produkte erkannt sind. Wollte man die Allerkenntnis
nach der Analogie mit dem Gemisch von Milch und Wasser ver-
stehen, so würde sie keine vollkommene Erkenntnis sein. Denn
das Wasser ist dadurch, dafs es durch Erkenntnis der Milch mit»
begriffen wird, nicht in vollkommener Weise begriffen. | Auch ist 618
es nicht erlaubt, die Versicherungen des Yeda so aufzufassen, dafs
dabei wie bei Menschenwerken an Irrtum, Täuschung oder Betrug
zu denken wäre. Es enthält aber die Stelle: „eines nur und ohne
26*
888 gvirftka*
j,««reit6B^^ (Ghind. 6, 2, 1) eine VerBicherung, welobe, wenn man
sie nach Analogie des Wasaers und der Milch auffassen wollte,
nicht zu Rechte bestehen könnte. Auch wäre es nicht berechtigt,
[wie p. 611, 10 fg. Torgeschlagen] jene Anerkenntnis und jene Ver-
sicherung von dem £inen ohne Zweites nur auf einen Teil der
Dinge zu beziehen, indem man sie nur in Bezug auf die aus Brah-
man herrorgehenden Wirkungen gesagt sein liefse. Und wenn
dieses auch wegen der Gleichnisse vom Thon u. s. w, zul&ssig
wäre, so darf man diese doch nicht so auslegen, als ginge ihnen
nicht Torher die Stelle: „Qvetaketui dieweil du, o Teurer, also
„hochfaturenden Sinnes, dich weise dünkend und stolz bist, hast
„du denn auch der Unterweisung naehgefiragt, durch welche [auch]
„das Ungehörto ein [sehon] Gehörtes wird" u. s. w. (Ghind. 6,1, 2).
Man muis also yielinehr die Allerkenntnis so auffassen, dab sie
sich auf alle Dinge ohne Ausnahme bezieht, und dieses dahin Ter-
stehen, dafs alles als eine Wirkung des Brahman hingestellt wird.
Wenn weiter noch gesagt wurde, dafs man die Schriftslelle
▼ön der 'Entstehung des BÜsumes bildlich verstehen müsse, weil
es unmöglich sei, dafs der Kaum entstanden sei, so erwidern wir
darauf:
7. jfA^ad- Vikar am" tu vibhägo loka/vat
violmahr ist Teilbarkeit so weit Umwandlung igt,
erfahrungBm&feig.
llas Wort „ vielmehr ^^ bezweckt, die Behauptung jener Un-
möglichkeit zu entkr&jEten. — Man darf n&mlioh gegen die Ent-
stehung des Raumes nicht einwenden, dafs eine solche unmöglich
sei; denn soweit man in der Erfahrung irgend etwas durch Um^
<>19 Wandlung Entstandenes erblickt, — | mag es sich nun dabei um
[thöneme] Krüge, Töpfe und Becken oder um [goldene] Arm-
bftnder, Reife und Ringe oder um [eiserne] Nadeln, Pf^le und
Schwerter kaudeln , *— so weit erstreckt sich erfahrungsmäfsig auch
die Teilbarkeit; hingegen zeigt sich nie und nirgends ein Nioht-
umgewandeites, welches die Eigenschaft der Teilbarkeit bes&fse.
Die Teilbarkeit des Raumes aber ist aus der [der ihn erfüllenden
Körper, z. B.] der Erde u. s. w. ersichtlich; und darum mufs auch
er eine Umwandlung sein. Aus demselben Grunde l&fst sich be-
weisen, dals auch der Ort, die Zeit, das Manas und die Atome
[nicht unerschaffen, sondern] blofse Wirkungen sind.
^Aber wird nicht auch der Atman durch den Raum u. s. w.
'geteilt; folgt somit nicht, dafs auch er, ebenso wie die Ge-
'fäfse u. s. w., eine blofse Wirkung ist?* — 0 nein! denn die
Sütram If. in. 7. 389^
Schrift sagt: „aus dem Aiman ist der Raum entstanden^' (Taitt.
2, 1). Wäre nun auch der Atman, das Selbst, eine Umwandlung,
so würde, weil die Schrift über dasselbe hinaus nichts Höheres
lehrt, alle Wirkung vom Raum an abw&rts ohne Atman [ohne
Selbst, d. h. seelenlos, wesenlos] sein, da [auch] das Selbst [nur]
eine Wirkung wäre^ und somit würden wir beim Nihilismus an-
kommen. Eben weil es das Selbst ist, deswegen geht ds nicht
an, das Selbst zu bezweifeln. | Penn das Selbst kann man nie- 620
mandem [durch Beweise] beibringen, weil es an sich schon be-
kannt ist. Denn das Selbst wird nicht durch einen Beweis seiner
selbst erwiesen. Denn es ist dasjenige, welc^ies alle Beweismittel,
wie Wahrnehmung u. s. w., in Anwendung bringt, um eine Sache,
die nicht bekannt ist, zu beweisen. Denn die Objekte der Aus«
drücke „Raum'' u« s. w. bedürfen eines Beweises, weil sie nicht
als von selbst bekannt^ angenommen werden; das Selbst aber ist
die Basis für die Thätigkeit des Beweisens und mithin ist es auch
vor der Thätigkeit des B'eweisens ausgemacht. Und weil es so
beschaffen ist, deshalb geht es nicht an, dasselbe in Abrede zu
stellen. Denn in Abrede stellen können wir nur eine Sache, die
[von aufsen] an uns herankommt, nicht aber, die unser eigenes
Wesen ist. Denn wer es in Abrede stellt, eben dessen eigenes
Wesen ist es; das Feuer kann nicht seine eigene Hitze in Abrede
stellen. Und weiter, wenn man sagt: „ich bin es, der jetzt das
„gegenwärtige Sein erkennt, ich bin es, der das vergangene und
„vorvergangene erkannte, und ich, der das künftige und über-
„künftige erkennen wird", so liegt in diesen Worten, dafs, wenn
auch das Objekt der Erkenntnis sich ändert, der Erkennende,
weil er in Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart ist, | nicht sich 63t
ändert; denn sein Wesen ist ewige Gegenwart; daher, wenn auch
der Leib zu Asche wird, kein Yergang des Selbstes ist, weil sein
Wesen die Gegenwart ist; ja es ist sogar nicht einmal denkbar,
dafs sein Wesen etwas anderes als dieses wäre. Weil somit nur
das Selbst allein seinem Wesen nach sich nicht in Abrede stellen
läfst, darum kann es keine Wirkung sein; und eben darum mufs
[mit M&m Übrigen auch] der Raum (Äther) eine Wirkung s^.
Wenn weiter behauptet wurde, dafs es für den Raum keine
ursächUohe Substanz gebe, welche ihm gleichartig und dabei viel-
heitUch sei, so erwidern wir darauf, dafs keine Nötigung dafür
vorhanden ist, dafs nur das Gleichartig^ und nicht auch das Un-
gleichartige eine Wirkung hervorbringen könne. So sind z. B.
die Fäden [die inhärierend-habende Ursache] und ihre Verbindun-
gen [die nicht-inhärierend-habende Ursache] nicht gleichartig, in-
dem sie sich vielmehr zu' einander verhalten wie Substanz und
Qualität. Und auch die bewirkeudi'n Ursachen , z. B. das Weber-
schiff und der Webstuhl, brauchen nicht notwendig gleichartig [mit-
einander] zu sein. — 'Nun wohl*, könnte man sagen, 'die Annahme
390 ^duriraka-mlmiaslk
'der Gleiobiurtigkeit soll sich auch nur auf die iuh&rierend-habeude
an 'Ursache, nicht | auf die übrigen Ursachen beziehen \ — Aber
auch das ist nicht unbedingt gültig«^ Denn die Erfahrung zeigt,
¥de 2. B. aus Garn und Eiihhaaren, obwohl sie [untereinander]
nicht gleichartig sind, der einheitliche Strick gedreht wird; und
in ahnlicher Weise webt man aus Garn und aus Wolle bunt-
farbige Decken zusammen. Oder soll sich etwa die Gleichartig-
keit darauf beziehen, dafs [alle Bestandteile der inh&rierend-
habenden Ursache] real und substanziell sein müssen? Dann ist
die Begel überhaupt überflüssig, denn in so weit ist alles mit allem
gleichartig. — Weiter ist es auch nicht notwendig, dals nur eine
Vielheit, nicht auch eine Einheit Ursache sein könne. Denn der
Gegner behauptet ja selbst, dafs das Atom und das Manas die
erste Wirkung herrorbringen; und hierbei nimmt er an, dafs jedes
einzelne Atom für sich mit Hülfe des Manas seine bestimmte
Wirkung herrorbringe, nicht aber durch Aggregation mit andern
Substanzen. — 'Aber damit überhaupt eine Substanz zu Stande
'komme, mufs doch eine vielheitliche Ursache angenommoQ werden!*
-— Auch das nicht; denn man kann darin auch die Umwandlung
[einer einheitlichen Ursache] sehen. Jene Bestimmung würde
richtig sein, wenn sich zeigte, dafs eine Substanz, [nur] indem
sie der Verbindung teilhaftig wird, eine andere Substanz hervor-
bringe. Es ist aber vielmehr ein und dieselbe Substanz, welche,
indem sie in einen andern, unterschiedlichen Zustand übergeht,
als das, was man Wirkung nennt, wahrgenommen wird; dabei ist
es manchmal ein Vielheitliches, welches sich umwandelt, z. B.
683 wenn aus Erde und Samenkorn | die Pflanze entsteht, und manch-
/ mal ein Einheitliches, wenn z. B. aus der Milch die saure Milch
entsteht; und es ist kein Götterspruch vorhanden, nach dem nur
eine vielheitliche Ursache die Wirkung hervorbringen dürfte.
Darum bleibt es die Wahrheit, was die Schrift lehrt, dafs aus
dem einen Brahman vermittelst der Entstehung des Baumes und
der übrigen Elemente die Welt geworden ist. Und in diesem
Sihne hiefs es schon oben : „weil man ein Hinzunehmen [von Werk-
„zeugen] bemerkt, nicht, meint ihr? — Nein, denn es ist wie bei
„der Milch" (Sütram 2, 1, 24).
Wenn weiter noch behauptet wurde , dafs man sich , falls der
Baum entstanden sei, nicht vorstellen könne, wodurch sich die
ihm vorhergängige Zeit von der nachfolgenden unterscheide, so
ist das ungereimt; denn es steht damit so, dafs diejenige Be-
stimmtheit, vermöge deren man den von der Erde u. s. w. ver-
schiedenen Baum als «etwas wirklich Vorhandenes gegenwärtig
auffafst, eben diese Bestimmtheit vor der Entstehung des Baumes
nicht vorhanden war. Und so wie das Brahman existieren konnte,
auch ohne dafs die groben Elemente, die Erde u. s. w. existierten,
— denn die Schrift sagt „es ist nicht grob und nicht fein"
Sütram H. in. 7. 39]
(Brib. 3, 8, 8), — ebenso konnte dasselbe- aucb existieren, ohne
dais der Raum existierte, indem die Scbrift sagt „es ist ohne
„Ätber (Raum)" (Brib. 3, 8, 8). Es stebt somit fest, dafs Tor der
Scböpfung kein Raum und kein Offenes gewesen ist.
Weiter nocb wurde bebauptet, dafs der Raum unentstanden
sein müsse, weil er von der Erde u. s. w. wesensTerscbieden sei. |
Aber aucb das ist unricbtig; denn zunächst ist da, wo die 624
Schrift widei*spricht, eine Schlufsfolgerung auf die Unmöglichkeit
eines Entstehens trügerisch; weiter abei* crgiebt sich die Ent-
stehung durch eine Schlufsfolgerung selbst; der Raum kann nicht
ewig sein, weil er der Träger einer nicht ewigen Qualität [der
Teilbarkeit] ist, ähnlich \ne die Gefafse u. s. w., welche man hier
als Beispiele anführen kann. Meint ihr, dafs er^ darin von dem
Ätman nicht yorschieden sei? Nun, Ton dem Atman hat noch
niemand einem Anbänger der Upanisliadlebre bewleacu, dafs der-
selbe ein Träger nichtewiger Qiialitäten sei. Übrigens wäre doch
auch die Allgegenwart u. s. w. des Raumes gegen den, welcher
seine Entstehung behauptet, erst noch zu beweisen.
Wenn der Gegner sich weiter auch noch auf Schriftworte be-
rief, so ist zunächst die Schriftstelle, welche eine Unsterblichkeit
des Raumes aussag u, ebenso zu verstehen, wie wenn es heifst, die
nimmelsbewohuer seien unsterblich. [Die Unsterblichkeit der Götter
bedeutet mir Langlebigkeit.] — Da somit die Entstehung und die
Yergänglicbkoit des Raumes bewiesen sind*, so hat man die Worte
„dem Räume gleich allgegenwärtig, ewig'' so aufzufassen, dafs
in ihnen Brahman mit dem Räume wegen dessen anerkannter Grölse
verglichen wird, nicht um ihn dem Räume gleichzustellen, son-
dern nur um seine übermäfsige Gröfse auszndrtlcken ; ähnlich wie
man mit- den Worten „die Sonne lauft gleich wie ein Pfeil" nur
die Schnelligkeit ihres Laufe? bezeichnen will, | nicht aber, dafs G35
sie nur so schnell wie ein Pfeil laufe. Damit ist auch die Sohrift-
stelle erklärt, in welcher die Unendlichkeit des Atman mit der
des Raumes verglichen wird. Denn eine andere Stelle, welche
sagt „er ist gröfser als der Raum" (Qatap. br. 10, 6, 3, 2), bo-
weist, dafs der Raum im Vergleich mit Brahman von geringerem
Umfange ist; auch besagt die Stelle: „nicht ist ihm einer gleich"
((]^vet. 4, 19), dafs mit Brahman sich nichts an Gröfse vergleichen
läfst; und die Stelle: „was von ihm verschieden, das ist leid voll"
(Brih. 2, 4, 2) lehrt, dafs alles von Brahman Verschiedene, folglich
auch der Raum, mit Un Vollkommenheit behaftet ist.
Wenn endlich noch vorgeschlagen wurde, die Schriftstelle von
der Entstehung des Raumes ebenso wie die Bezeichnung der Bufse
durch das Wort „Brahman" uneigentlich aufzufassen, so i.st das
durch die Schriftzeuguisse und die Folgerungen, welche eine Ent-
stehong des Raumes beweisen, erledigt.'
392 Qlrlraka-mim&üsH
Somit steht es fest, daTs auch der Raum eine Schöpfung de«
Brahman ist.
Zweites Adhikaranam,
#
8. etena mäiarigvä vydkhydiah
damit ist Matari^van besprochen.
Wir haben hier eioon Erweiterangssats (aUäe^a): „damit",
d. h. mit dei' Besprechung des Raumes, ist auch der durch den
Raum bedingte ,,Matari^an*S d. h. der Wind, „besprochen" worden.
Auch hier kann man in eotsprecheuder Weise wie oben die wider-
streitenden Meinungen einander gegenäberstellen. Die eine Mei-
nung also ist: *der Wind ist nicht entstanden, weil er iu der
'ChA.ndügyasi;elIe, welche Ton der Entstehung der Elemente haa-
^delt, nicht erwähnt wird*. Hingegen behauptet die andere. Mei-
nung, dafs er *doch entstanden iat, weil er in der Taittirly abteile
^von der Scliöpfiing der Elemente erwähnt wird, indem es heifat:
626 S,aus dem Räume | der Wind" (Taitt. 2, 1). Da somit ein Wider-
'»pruch der beiden Schriftstellen vorliegt, so lierse sich die Stelle
'von der Entstehung des Windes „uneigentlich" auflassen; dieses
^empfiehlt sich weiter auch „wegen der Unmöglichkeit"; wobei
'die Unmöglichkeit [dei* Entiitehung des Windes] sieh e^^weisen
4icise durch die Stelle: „das ist die Gottheit, welche keinen Nieder-
S,gang hat, der Wind" (Bfih. 1, 5, 22), in welcher der Untergang
'des Windes verneint wird; wozu noch kommt, dafs die Schrifb
'(ßrih. 2, 3, 3) seine Unaterbliehkeit lehrt.' — Hingegen lautet die
endgültige Meinung: der Wind ist entstanden, weil somit die Ver-
heifsung der Schrift {dafs mit einem alles erkannt sei] unerfüllt
bleiben wfude, und weil das Erschaffene sieh so weit erstreckt
wie das Teilbare. Die Stelle (Brih. 1, 5,22), welche ein Unter-
gehen des Windes verneint^ gehöit nicht zu der höheren Wissen-
schaft und hat nur relative- Gültigkeit, indem darin dem * Winde
nur ein solchüs Untergehen, wie es beim Feuer u. s. w. statthat,
abgesprochen wird. Und auch die Schriflst^lJe von der Unsterb-
lichkeit des Windes (Brih. 2, 3, 3) hat bereits [durch das p. 624, 6,
S. 391 Gesagte] ihre Erledigung gefunden [lies: krita-praimdhä-
nnvi]. — 'Aber da der Wind und der Kaum in gleicher Weise in
*den Sehriftstellen von der Schöpfung erwähnt und anderseits übei-
'gangen werden, so sollte doch beides in demselben Adhikaranam
'abgehandelt werden. Wozu also ein Erweiterungssatz , wo doch
Sütram II. m. 8. 393
^nichts Neues Torliegt?^ — Hierauf erwidern wir, dafis das ganz
richtig ist, dafs aber gleichwohl, um der schwftoHeren Gemüter
willen, und um ihre durch buchstäbliohe Auffassung etwa Ter-
anlafsten Zweifel zu beseitige^, dieser Erweiterungssaic | zugefügt 627
wurde. WeU uftmlieh in der Lehre von der Ansichraffnng (Ghind.
4, 1 — 3) der Wind als Gegenstand der Yerehrung in Seiner Ho-
heit gej^esen wird, weil (Bfih. 1, 5, 22) das untergehen von ihm
▼emeint wird u. s. w., deswegen könnte Tielleicht jemand auf den
Gedanken kommen, dafs der Wind unentstanden.wfixe; dies ist die
Meinung [deft SütramJ.
Dnttes Adhikarainam,
9. asambhiwas lu satOj ^nupapattek
Nichtentstehung aber [ist] des Seienden, wegen der
ünm<^liclikeit.
Nachdem jemand ans der Schrift daH^ber belehit worden, dafs
auch der Kaum und die Luft, obgleich man sieh ihren Ursprung
nicht rorstelton kann, entstanden sind, so könnte er auf den Ge-
danken kommen, dafs auch das Brakman irgendworaus entstanden
sei ; denn wenn er vernimmt, wie aus dem Baume u. s. w., die doch
biofse Umwandlungen sind, weitere Umwandlungen entspringen,
so könnte er meinen, dafs auch der Raum aus dem Brahman als
ans einer blofsen Umwandlung ent^rungen sei. Zur Beseitigung
dieses Zweifels dient das vorliegende Sütram: „ Nichtentstehung
„aber** u. s w.; d. h. nicht aber darf man meinen, dafs das Brah-
man, dessen Wesen das Sein ist, ans irgend etwas anderem könne
entstanden, hervorgegangen sein; worum? „wegen der Uuniöglich«
„keit*^ Denn Brahman ist das reine Ibestimmungslose]* Seiende.
Als solches kann es [erstens] nicht aus einem andern reinen Sei-
enden I entsprungen sein, weil [xwiscben beiden*) kein Hinaus- 62S
reichen [des einen über das andere] besteht, so dafs sie sich nicht
wie Urspi'üBgUclies und Umgewandeltes [zu einander] verhalten
köimen; — aber auch [zweitens] uieht aus einem mit Bestimmun-
gen behafteten Seienden, weil dem die Ei*fahrung widerspi'icbl;
denn dieselbe b^iweist. dafs aus der Gleichheit die Unterscliiode
entspringen, z. B. aus dem Thon die GofHr»e, nicht aber aus den
Unterschieden die Gleichheit; — ferner [drittens] auch nicht aus
dem Nichtseiendon, weil dasselbe wesenlos ist, weil die Schrift es
394 Q&rirAka-niim<tä8&
verwirft,' wenn sie sagt: „wie sollte aus dem Niohtsoienden das
„Seiende entstehen^* (Ch&nd. 6, 2» 2), und weil sie einen Erzeuger
des Brahman verneint, wenn es heilst (Qvet. 6, 9):
„Ursache ist er, Herr Jes Herrn der Sinne,
„Kein Herr ist Ober ihm und kein Erzeuger.^
Für Baum und Wind hingegen wird ein Ursprung aufgewiesen,
nicht aber giebt e9 einen solchen von Brahman; das ist der Unter-
sohied. Und weil man sieht, wie aus Umwandlungen- andere Um-
wandlungen entspringen, deswegen braucht nicht auch Brahman
notwendig eine Umwandlung zu sein; vielmehr würde, wenn man
keine Urnatur als letzte Wurzel annMmie, die Folge ein regre$SHS
tu infimtum sein. Und eben jene [auch von den S&nkhya^s, vgl.
Kapilasütram 1, 67] angenommene Wurzel der Natur ist es, was
wir unter Brahman verstehen ; so stimmt es zusammen.
Viertes Adküu^ranam. *
629 10. t^o 'tasy t€Uihd hi aha
das Feuer aus diesem; denn so sagt [die Schrift].'
Was das Feuer betrifiPt, so lehrt das Ghllndogyam, dafs das-
selbe aus dem Seienden, das Taittiriyakam hingegen, dafs es aus
dem Winde entsprungen sei. Da somit in Bezug auf den Ursprung
aes' Feuers ein Widerspruch vorliegt, so könnte man zunächst
annehmen , *dafs das Feuer [uninittelbar] aus Brahman entsprungen
*sei; warum? weil es in Bezug auf das Seiende heifst: „dasselbige
S,erschuf das Feuer*' (Chänd. 6, 2, 8); weil die Yerheifsung, dafs
'alles erkannt werden solle, wofern nur alles aus Brahman ent«
'steht, erfüllt wird; und weil die Schrift, ohne [zwischen den
'Wesen einen] Unterschied zu machen, sagt: ,.Ta|jjaÜn*' [d. h. aus
4hm entstehend, in ihm vergehend und in ihm atmend, Chänd.
'3, 14, 1]. Auch lehrt eine andere Stelle in den Worten: „aus
'„ihm entsteht der Odem" u. s. w. (Mund. 2, 1, 3), dafs alles ohne
'Unterschied aus Brahman .entspringe. Und auch das Taittiriya-
'kam macht keinen Unterschied, wenn es sagt: „derselbige^ nach-
'„dem er Bufse gebüfst hatte, schuf dieses alles, was immer vor-
'„banden ist" (Taitt. 2, 6). Wenn es daher heifst: „aus dem
'„Winde das Feuer" (Taitt. 2, 1), so soll damit nur die Reihen-
'folge bestimmt und gesagt werden, dafs nach dem Winde das
'Feuer [unmittelbar ans Brahman] entstanden sei.'
Sfttr&m IL iii. 10. 395
Auf diese Annahme erwidern wii:: „daa Fener ist i^s diesem",
nämlich aus dem Winde, entstanden; warum? .„denn so sagt es
„die Schrift" mit den Worten: „aus dem Winde das Feuer** (Taitt.
2, 1). Denn wäre das Feuer unmittelbar aus Brahman entstanden,
so könnte es nicht aus dem Winde entstanden sein, und die Schrift-
steile „aus dem Winde das Feuer** würde nicht zu Rechte be-
stehen. — I *Aber kann man sie nicht so auffassen, difs sie nur 630
*die Reihenfolge bestimmt?* — Doeh nicht! Denn wenn es vor-
her hiefs: „fürwahr aus diesem Ätman ist der Baum entstanden**
(Taitt. 2, 1), so wird hier der Atman, weil er dasjenige ist, wor-
aus das Entstehen geschieht, in den Ablativ gesetzt; eben dieses
Entstehen ist auch hier das Thema; und ebenso weiterhin bleibt
es das Thema, wenn es heifst: „aus der Erde die Pflanzen *S wo
wiederum der Ablativ dasjenige bezeichnet, woraus das Entstehen
geschieht; darum mufs auch in den Worten „aus dem Winde das
„B'euer** der Ablativ von demjenigen, woraus das Entstehen ge-
schieht, verstanden werden. Wollte man ferner die Stelle so ver-
stehen, als sei nur weiterhin nach dem Winde das Feuer entstanden,
so müfste die Verbindung mit dem Nebenworte [„weiterhin**] hin-
zugedacht werden, während die Verbindung mit dem Hauptworte
[„Wind**] hingegen nicht erst hinzugedacht zu werden braucht,
wenn man es so auffafst, dafs aus dem Winde das Feuer ent-
standen ist. Sojuit bezeugt diese Schriftstelle, dafs das Fener
aus dem Winde entstanden ist. — *Aber bezeugt nicht die andere
*Schrift8telle, dafs das Feuer aus dem Brahman . entstanden ist,
*indem es heifst „dasselbe erschuf das Feuer** (Ch&nd. 6, 2, 3)?'
— Doch nicht I Denn diese Stelle leidet keinen Abbruch, auch
wenn das Feuer durch Mittelglieder [aus Brahman] ejitstanden ist.
Denn auch wenn man annimmt, dafs nach Schöpfung des Raumes
und des Windes das Brahman, indem es in das Sein des Windes
einging, das Feuer schuf, | so besteht auch in diesem Falle das 631
Entstanden sein des Feuers aus Brahman ohne Widerspruch, ähn-
lich wie wenn man sagt: „aus der Kuh entspringt die frische
„Milch, aus der Kuh die saure Milch, aus der Kuh der Käse^\
Auch die Schrift bezeugt ja, dafs das Brahman in dem Selbste
seiner Umwandlungen fortbestehe, wenn sie sagt: „dieses machte
„selber. sich selbst** (Taitt. 2, 7). Und ebenso sagt Gott von sich
in der Smpti: „Erkenntnis, Wissen und Besonnenheit**, und wie
es weiter heifst, „das sind der Wesen Eigenschaften, von denen
,Jede nur aus mir entsteht*' (Bhag. 6. 10, 4 — 5). Denn wenn auch
die Erkenntnis u. s. w. für die Wahrnehmung aus ihren bestimm-
ton Ursachen entspringen, so stammen doch alle entstandenen
Eigenschaften unmittelbar oder mittelbar aus Gott. Damit ist
auch denjenigen Schriftstellen , welche eine Schöpfung ohne be-
stimmte Reihenfolge lehren. Genüge geleistet, indem sie unter
allen Umständen Gültigkeit behalten, während hingegen diejenigen
396 C&riraka-miDiURft
Sehriftstflllsii, welohe eise basdinmte Reihanfolga der Sohfipfdng
Idiren, ohne da£a quhi diese (ssthilt, nicht beatehen kSnneii. Und
auch die Verhaüamig [dafs mit einsiii allea erkuint §ei] besagt
HOT, dafs »lies ans dem S«i«Ddeii abstamme, nioht abw, dafs es
unmittelbar ans ihm heirorg^ang«! sei; so dafä hier kein Wider-
sprach vorliegt.
Ftin/K« AdAikaranam.
11. &^
da« Wasser —
Aus dem Tongen Sätrom mufs man ergäuisn „ans di?-cn>,
„denn so sagt die Schrift"; d. b. das Wasser ist aus diesem, aus
C33 dem Feuer entatunden; warum? | weil so die Sohrift es lehrt,
wenn sie sagt: „dasselbige erschuf das Wasser" (ChlUid. 6, 2, 3)
uud: „aus dem Feuer das Wasser" (Taitt. 2, I). Bei der aas-
drOckliahon Erklärung ist ein Zweifel nicht möglich; nar data
der tiohrer, nachdem er die EviBteui des Feners erklKrt hat, die
er dazu aborgeht, die dar Erda zu erklären, um das Wasser d»-
zwisoben eiazuschieben, in einem besonderen Sütram sagt: „das
„Wasser ",
Sechtte» Adinkaranam.
13. prükivi, aähikara-rüpa-^bdAntarebhyah
die Erde, wegen des Thonia's, des Aussehens und
einns andern WortOB.
Die Schrift sagt: „dieaes WosHsr beabsichtigte: ich will vieles
„Dein, will mich fortpfliinzen ; da schuf es die Nahrung" (Gh&nd.
€, 2, i). Hier erhebt sich der Zweifel, ob uBter dem Worte
„Nahrung" etwa Ueis, Gerste u. dgl., oder auch der als Speise
dienende Reisbrei u. a. w. , oder ob darunter die Erde zn verstehen
isL? — Ang(>namrofln also, '■as »ei darunter Reis, Gerste n. a. w.
'oder Reisbrei zu Terstehnn; denn von ihnen gilt der gewfibnlieke
Sütram IL m. 18. 397
'Gebrauch des Wortes Nahmog; und auch das Folgende bestätigt,
*dala dies der Sinn ist (lies: vdkjfa-gesho 'pi etam artham upod-
^bdlafaii), wenn es heillrt: „Darum, wenn es regnet, so entsteht
\, I reichliehe Nahrung" (Ghllnd. 6, 2, 4); denn dasjenige, was 633
'durch den liegen reichlich entsteht, ist Reis, Gerste u. s. w., nicht
'aber die Erde\
Auf diese Annahme erwidern wir: es ist doch die Erde, welche
unter dem Worte „Nahrung*' zu verstehen ist, und von der ge-
sagt werden soll, dals sie aus dem Wasser entstehe. Warum?
wegen des Thema's, wegen des Aussehens und wegen einer andern
Sohriftstelle. Was Kunachat das Thema betrifft, so sieht man an
den Worten: „dasselbige erschuf das Feuer", — „dasselbige er-
„ schuf das Wasser" (Chand. 6, 2, 3), dafs es sich hier um die
Elemente (makähkUäm) handelt; und darum würde es unange-
messen sein, da, wo in der Reihenfolge das Element der Erde
kommt, dieses au überspringen, um willkürlicher Weise auf den
Beis u. dgl. überaugehen. Femer ist im Verlaufe der Stelle von
einem „Aussehen" die Rede, welches der Erde eigentümlich ist,
wenn es heifst: „was daran das Schwarte ist, das kommt Ton der
„Nahrung'* (ChAnd. 6, 4j 1). Denn weder der als Nahrung die-
nende Reisbrei u. s. w., noch auch der Reis u. s. w. sind in der
Regel schwars. — 'Aber die Erde ist doch auch nicht immer
'schwarz, denn es giebt ja auch Grundstücke, welche weifs wie
'Milch, und solehe, welche rot wie Kohlen sind.* — Dieser Ein-
wand hat niehis auf sich, weil es hierbei auf das Vorwiegende
ankommt; vorwiegend abei* ist bei der Erde das schwarae Aus-
sehen und nicht das weifse oder rote. Auch bezeichnen die Pu<
r&na- Dichter als Ebenbild der Erde die Nacht, welche schwars
aussieht; woraus gleichfalls zu entnehmen, dafs auch die Farbe der
Erde die schwarze ist. | Übrigens sagt auch eine andere Schrift- 634
stelle, welche dasselbe Thema behandelt: „aus dem Wasser die
„Erde" (Taitt. 2, 1); auch heifst es: „das was an dem Wasser der
„Rahm war, das wurde zu Butter geschlagen, so entstand die
„Erde" (Brih. 1, 2, 2). Von dem Reis u. s. w. hingegen lehrt die
Schrift, dafs er erst aus der Erde entstdit: „aus der Erde die
„Pflanzen, aus den Pflanzen die Nahrung" (Taitt. 2, 1). Da somit
das Thema und andere Gründe für die Erde sprechen, so ist an
Reis u. dgl. hier nicht zu denken. Denn auch der gewöhnliche
Gebrauch der Worte wird durch das Thema und die aadem Gründe
aus dem Felde geschlagen. Und was das in der Stelle Folgende
(Ch&nd. 6, 2, 4) betrifft, so wird hier, weil die zu essende Nahrung
von erdartiger Beschaffenheit ist, mit Hülfe derselben [und ihres
Gedeihens durch das Wasser] darauf geschlossen, dafs auch die
Erde selbst aus dem Wasser entstanden sei. Somit ist hier unter
dem Worte Nahrung die Erde zu verstehen.
398 C'Mraka-mlm&ÄslL
Siebentes AdJiikaranam,
13. tad-ahhidhyänäd eva tu tat-lingät sah
vielmehr er ißt es, welcher, nur mittelst ihrer
beabsichtigend, [schafft,] weil dafür ein Zeichen.
Sind 68 jene genannten Elemente, der Raum u. s. w. , welche
ans sich selbst die aus ihnen hervorgehenden Umwandlungen er-
zeugen, oder ist es vielmehr der höchste Gott, welcher, in der
einen und andern Wesenheit verweilend, durch seine Absicht .diese
und jene Umwandlung erschafft? Darüber kann man zweifelhaft
sein. Angenommen also, ^die Elemente schüfen aus sich selbst?
'warum? weil die Schrift in den Worten: „aus dem Räume der
'„Wind, aus dem Winde das Feuer" u. s. w. (Taitt. 2, 1) die
635 'Selbständigkeit derselben | hervorhebt. Die Einwendung, dafs
'Ungeistiges sich aus sich selbst nicht bewegen könne, tri£Pt nicht
'zu, weil die Schrift in den Worten: „dieses Feuer beabsichtigte,
'„ . . . dieses Wasser beabsichtigte" (Ch&nd. 6, 2, 3. 4) auch den
'Elementen eine Geistigkeit zuerkennt.*. — Auf diese Annahme ist
zu erwidern: es ist vielmehr der höchste Gott selbst, welcher, in
dieser oder jener Wesenheit verweilend, durch seine Absicht diese
und jene Umwandlung hervorbringt.; warum? „weil dafür ein Zei-
„chen"; denn so sagt der Sohriftkanon: „der in der Erde woh*
„nend von der Erde verschieden ist, den die Erde nicht kennt,
„desben Leib die Erde ist, der die Erde innerlich regiert" (Brih.
3, 7, 3); Stellen wie diese lehren, dafs die Elemente sich nur da-
durch bewegen, dafs sie einen [geistigen] Vorsteher in sich tragen.
C3€ Dem entsprechend | heifst es: „derselbe begehrte: ich will vieles
„sein, will mich fortpflanzen" (Taitt. 2, 6); und weiter: „er ward
„das Seiende und das Jenseitige" — „dasselbige machte selber
„sich selbst" (Taitt. 2, 7); worin liegt, dafs nur er die Wesenheit
von allem ist. Wenn hingegen die Schrift dem Wasser und dem
Feuer ein Beabsichtigen zuschreibt, so ist dieses ^ala ein solches
aufzufassen, welches eben durch das Eingehen des höchsten Gottes
in sie bewirkt wird; denn die Stelle: „nicht giebt es anfser ihm
„einen Sehenden" (Brih. 3, 7, 23) verbietet, einen andern Beab-
sichtiger alft ihn anzunehmen. Auch wurde ja zu Anfang das
Seiende als dasjenige, welches beabsichtige, genannt, indem es
hiefs: „dasselbige beabsichtigte: ich will vieles sein, will mich fort-
„pflanzen" (Ch&nd. 6, 2, 3).
Sütram 11. ni. 14. 399
Achtes Adhikaranam.
14. vlparyayena tu hramo 'ta\ upapadyate ca
vielmehr ist die Reihenfolge umgekehrt wie jene,
auch geht es so von statten.
Wir haben die Reihenfolge des Entstehens der Elemente er-
wogen, und es bleibt noch die Reihenfolge ihres Vergehens zu
erwägen. Hierbei fragt sich, ob dieses Vergehen ohiie bestimmte
Reihenfolge stattfindet oder in der Reihenfolge des Entstehens
oder etwa in der ihr entgegengesetzten. Zunächst nun lehrt die
Schrift, dafs Ursprung, Bestand und Untergang der Wesen
alle drei in dent Brahman vor sich gehen, 'denn es heifst: „wo-
„raus diese Wesen entspringen , wodurch sie entsprungen , leben , |
„ii^nd worein sie, dahinscheidend, wieder eingehen" (Taitt. 3, 1). €37
^Dieses könnte dafür sprechen, dafs der Untergang ohne bestimmte
^Reihenfolge geschehe, weil eine solche nicht angegeben wird.'
Oder man könnte denken, ^da fQr das Entstehen eine Reihenfolge
^Torliegt, so müsse auch das Yergehen eine Reihenfolge haben,
^und diese wäre dieselbe wie die Reihenfolge des Entstehens.' Das
sind die Annahmen. — Darauf erwidern wir: die Reihenfolge des
Vergehens mufs yielmehr „umgekehrt wie jene 'S wie die Reihen-
folge des Entstehens, sein. So nämlich zeigt es die Erfahrung;
denn nachdem man in einer bestinmiten Reihenfolge eine Treppe
hinaufgestiegen ist, so steigt man in der ihr entgegengesetzten
Reihenfolge wieder herab. Femer lehrt die Erfahrung, wie die
aus dem Thone entstandenen Töpfe und Krüge zur Zeit ihres Ver-
gehens in das Sein des Thones zurückkehren, und wie das, was
aus Wasser entstanden ist, z. B. Eis, Hagel u. s. w., in das Sein
des Walsers zurückkehrt. Darum geht auch dieses „so Ton stat-
„ten'S dafs die Erde, da sie aus dem Wasser entstanden ist, wenn
die Zeit ihres Bestehens verstrichen ist, in das Wasser zurück-
geht, und dafs das Wasser, weil es aus dem Feuer entstanden
ist, in das Feuer zurückgeht. Indem alles stufenweise in das
Feine und das noch Feinere als in seine nächste und übernächste
Üi*8ache zurückkehrt, geht zuletzt alles Entstandene in die letzte
Ursache 'und in das Allerfeinste, nämlich in das Brahman zurück;
80' ist es anzunehmen. Denn es geht nicht an, dafs eine Wirkung
mit Überspringung ihrer eigenen Ursache in die Ursache ihrer Ur-
sache zurückgehe. Und auch die Smriti lehrt mehrfach, dafs die
Reihenfolge des Vergehens der Reihenfolge des Entstehens ent-
gegengesetzt sei; I so wenn es heifst (Mahäbh. 12, 12893): 638
400 CirtrakA-mtmlüQ&tl
,J>er Grund der Lebenswelt, die Erde, achmilst
^B Waaeer, und das Wasser scbmiixt in Feaer,
„Das Feuer wiederum aerschmilxt in Wind«'^
Hingegen ist es nicht notwendig, dafs dieselbe Reihenfolge, weil
die Schrift sie nur bei dem Entstehen lehrt, auch beim Vergehen
gelte; und dieses ist um so weniger zu postulieren, als es nicht
wohl denkbar ist; denn es Iftfst sich nicht wohl denken, dafs eine
Ursache Tergehe, wfthrend ihre Wirkung noch weiter besteht, weil
es unmöglich ist, dafs eine Wirkung noch fortbestehe, nachdem
ihre Ursache geschwunden ist. Dafs hingegen die Ursache noch
fortbesteht, w&hrend ihre Wirkung schon geschwunden iat, lafst
sich sehr wohl denken, indem es an dem Thone und andern [Sab-
stansen, die auch nach Yernichtung ihrer Produkte noch bestehen]
sich in der Erfahrung so 2eigt.
Neunte$ Adhikaraimam^
15. aniard injUAna-manasi kramena tal-Ungdd^ Ui cen^
na! avifeahät
zwischenein Erkenntnis und Manos m der Beihe, weil
dafür ein Merkmal , meint ihr? Nein, weil keine Mo-
difikation [der Reihenfolge durch dieselben zuläßsigj.
^Wir haben gefunden, dafs die Entstehung und der Untergang
'der Elemente in der gehörigen und der ihr entgegengesetzten
'Reihenfolge statt hat; auch sahen Wir, wie die Entstehung in d^m
'Atman anhebt, und wie der Yergaiig in dem Atman aufhört. Nun
'sind aber weiter auch das Manas mk den Sinnesorganen and die
'Buddhi ein seiend Vorhandenes, wie die Schrift und die Smriti
'lehren, und wie zu ersehen aus Stellen wie (Kftth. 3, 3):
— „Die Buddhi ist
689 „Der Wagenlenker, ZQgei ist das Manas t
„Die Sinne sind den Rossen xu ?ergleichen", u. s. w.
'Da nun alles dingliche Sein aus Braliman entstanden ist, so mufa
'man auch fflr diese beiden [Manas und Buddhi] den Ursprung
^und Untergang an irgend einem Zwischenräume in die Reihe mit
Sfttram IL m. 15.* 401
'bineinnebmen. Auch werden in einer Atharya-Stelle , wekhe von
'der Schöpfung handelt, die Organe zwiechen die Elemente und
'den Atman eingeschoben, indem es heüOst (Mund. 2, 1, S):
S,Aas ihm entsteht der Odem, der Verstand mit allen Sinnen,
^„Aus ihm entstehen Äther, Wind nnd Fener^
'„Das Wasser und, alltragende, die Erde."
'Es scheint somit die vorher besprochene Entstehung und Ver-
'nichtung der Elemente in ihrer Reihenfolge eine Unterbrechung
'zu erleiden/ — Aber auf dieses Bedenken ist kein Gewicht zu
legen, „weil keine Modifikation [der Reihenfolge zulässig].^' Ent-
weder nämlich sind die Organe von elementartiger Natur; dann
ist mit Entstehung und Yergang der Elemente auch ihr Entstehen
und Vergehen gegeben und nach einer Modifikation der Reihen-
folge wegen dieser letzteren nicht zu fragen. Auch spricht ein
Anzeichen dafür, dafs die Organe elementartig sind, | denn es 640
heifst: „nahrungsariig ist, o Teurer, das Manas, wasserartig
„der Odem, feuerartig die Rede" (Chand. 6, 6, 5); und wenn ge-
legentlieh neben den Elementen die Organe noch besonders genannt
werden, so ist dies so aufzufassen, wie wenn neben dem Brahma-
nen Jioch der Wändermönch [der auch ein Brahmane ist] genannt
wird. — Oder aber, die Organe sind nicht elementartig; auch
dann wird die Reihenfolge des Entstehens der Elemente durch die
der Organe nicht modificiert, indem zuerst die Organe und dann
die Elemente,, oder auch zuerst die Elemente und dann die Or-
gane entstanden sind. Was aber die Erwähnung in der Atharva-
Stelle betrifit, so lehrt dieselbe nur eine Stufenfolge der Organe
nnd Elemente, nicht aber eine Stufenfolge ihrer Entstehung. In
ähnlicher Weise wird auch sonst neben der Reihe der Elemente
noch die Reihe der Organe erwähnt, z. B. wenn es heifst: „für-
„wahr diese Welt war zu Anfang Pngäpati; derselbige betrachtete
„sich selbst; da schuf er das Manas. Also war dieses Manas Tor-
„handen. Dasselbige betrachtete sich selbst; | da schuf es die 641
„Rede" u. s. w. Somit ist keine Unterbrechung in der Reihenfolge*
des Entstehens der Elemente anzunehmen.
DBvim, T«d4AU. 28
402 Q&rlraka-mlmftÄ8&
Zehntes Adhikarcmam.
16. cara'Ocara'Vyapdgrayiis tu syät tad-vyapadeQo
bhäktaSy tad-bhäva-bhävitvät
vielmehr auf das Bewegliche und Unbewegliche sich
beziehend 9 mufs die Bezeichnung desselben [des Ent-
stehens der Seele] eine bildliche sein, weil nur jenier
Entstehung Möglichkeit hat.
Es könnte jemand in den Irrtum Terfallen, 'dafs auch für die
'individuelle Seele ein Entstehen und Vergehen stattfindet, da man
*doeh im gewöhnlichen Lehen sagt, Devadatta sei gehören, Deya-
'datta sei gestorhen, und weil man die Gehurtsfeier und andere
*Ceremonien im Yeda vorgeschriehen findet.' Dieser Irrtum ist zu
heseitigen. Es findet also für die individuelle Seele kein Ent-
stehen und Vergehen statt, weil sie an die von der Schrift ge-
lehrte Frucht der Werke gebunden ist. Ginge die Seele mit dem
Leihe zu Grunde, so würden die Gebote und Verbote zwecklos
sein, welche sich auf Erlangung des Erwünschten und Vermeidung
des Nichterwünschten in einer andern Verkörperung beziehen. Auch
sagt die Schrift: „fürwahr es stirbt dieser Leib, wenn er vom
„Leben (jiva, Leben, individuelle Seele) verlassen wird, nicht aber
„stirbt das Leben (die Seele)" (Chand. 6, 11, 3). — *Aber wurde
^nicht darauf hingewiesen, dafs man im gewöhnlichen Leben von
'einem Geboren werden und Sterben des Lebendigen (jiva, der Seele)
'spricht?' — Allerdings, aber diese Bezeichnung des Geboren-
werdens und Sterbens ist bei dem Lebendigen (der Seele) eine bild-
liche. — 'Aber worauf sich beziehend ist denn diese Bezeichnung
'eine eigentliche, im Hinblick auf welches sie hier eine -bildliche
642 "^wäreV' — | Sie bezieht sich „auf das Bewegliche und Unbeweg-
„liche'*; d. h. die Worte Geburt und Tod beziehen sieh auf die
Leiber der Pflanzen und der Tiere und Menschen. Nämlich die
' unbeweglichen (pflanzlichen) und beweglichen (animalischen) Ge-
schöpfe werden geboren und sterben; auf sie mithin beziehen sich
die Worte Geburt und Tod im eigentlichen Sinne; von der in
ihnen befindlichen lebenden Seele hiogegen werden sie nur bild-
lich gebraucht; „weil nur jener Entstehung Möglichkeit hat"; näm-
lich die Worte Geburt und Tod sind nur möglich, insofern der
Leib in die Ersclieinung tritt und wieder zurücktritt, nicht wo
dies nicht geschieht; und kein Mensch hat je wahrgenommen, daXs
die Seele, labgeHnhen von ihrer Verbindung mit dem Leibe, ge-
Sütram IL in. 16. 403
boren wurde oder stürbe; und wenn es heifst: „wenn dieser Geist
„geboren wird, in einen Leib eingebt", — „wenn er aus ihm aus-
„ziebt, wenn er stirbt" (Brib. 4, 3, 8), so bedeuten hier die Worte
Gebart und Tod nur eine Verbindung mit dem Leibe und eine
Trennung von ihm. Wenn femer die Geburtsfeier und andere
Geremonien vorgeschrieben werden, so beziehen sich dieselben auf
das in die Erscheinung Treten des Leibes, denn ein in die Er-
scheinung Treten der Seele findet nicht statt. Ob die individuelle
Seele wie der Baum und die- übrigen Elemente aus dem höchsten
Atman entsteht oder nicht entsteht, davon wird in dem nächsten
Sütram die Rede sein; in diesem Sütram kam es nur darauf an,
zu zeigen, dafs das grobkörperliche Entstehen und Vergehen sich
nur auf den Leib und nicht auf die iudividuoUe Seele bezieht.
Elftes Adhikaranam,
17. na ätmäy agruter; nUyatvdc ca täbhyah 043
nicht das Selbst, weil nicht schriftgemafs ; auch
wegen der Ewigkeit, nach jenen [Schriftstellen].
Es giebt ein Selbst, genannt die individuelle Seele, welches
als der Aufseher in dem Käfige des Leibes und der Sinnesorgane
mit der Frucht der Werke behaftet ist. Ist dieses Selbst, ähnlich
wie der Raum u. s. w., aus dem Brahman entstanden, oder ist es,
so wie das Brahman selbst, nicht entstanden? Darüber besteht,
indem die Schrift sich in widersprechendem Sinne äufsert, ein
Zweifel. In einigen Schrifbstellen wird durch Vergleiche , wie den
mit dem Feuer und seinen Funken, ein Entstehen des individuel-
len Selbstes aus dem höchsten Brahman gdehrt; in andern Stellen
wiederum wird das Sein der individuellen Seele aufgefafst als ein
Eingegangdhsein des unerschaffenen, höchsten Brahman in die er-
schaffene Welt, während dabei von einer Entstehung der indivi-
duellen Seele nicht die Rede ist. — Angenommen also, 'die in-
'dividuelle Seele sei entstanden; warum? damit die Verheifsung
'erfüllt werde. Nämlich die Verheifsung, dafs mit der Erkenntnis
'des einen diese ganze Welt erkannt sei (vgl. Mund. 1, 1, 3; Chelnd.
'6, 1, 3; 6, 4, 5), wird nur dann erfüllt, wenn alles dingliche Sein
'aus Brahman entsprungen ist; hat hingegen die individuelle Seele
'eine von ihm verschiedene Wesenheit, so bleibt diese Verheifsung
'unerfüllt. Auch kann man nicht annehmen, dafs die individuelle
26*
404 g^rlraka mlDiiäsl
'Seele der unerschiiffene, höchste Atman selbst sei, weil Ewiscbea
'beiden eine Yersohiodenheit der Merkmale stattfindet. Kämlich
.'der höchste Ätman hat als Eigenschaften die Sündiosigkeit u. s. w.,
'die indiyidnelle Seele hingegen die entgegengesetzten. Ferner
'ergiebt sich ihr ErschajSTensein auch aus ihrer Oeteiltheit. Denn
'alles Tom Ranme an, was teilbar ist, ist ein Erschaffenee, und
'wir haben die Entstehung desselben vom Banme abw&rta dorch-
'gegangen. Ktin ist auch die indiyidnelle Seele wegen ihrer guten
'und bösen Werke «um Zwecke des Geniefsens Ton Lust und Sd&merz
'je nach den Leibern abgegrenzt. Somit mufs auch sie bei Ge-
844 4egenheit der Weltschöpfnng entstanden sein. | Auch heifst es:
'„to wie aas dem Feuer die winzigen Fünklein entspringen, also
'„auch entspringea aus diesem Ätman alle Lebensgeister"; und
'naehdem hier gelehrt worden, dafs alles zu Geniefsende Ton den
'Lebensgeistem an erschaffen sei, so wird durch die weiter folgen-
'den Worte: „und 'alle diese Selbste" noch besonders die Schö-
'pfdng der geniefsenden Seele hervorgehoben (Brih. 2, 1, 20 MAdhy.).
'Femer heifst es (Hund. 2, 1, 1):
'„Wie ans dem wohlentflammien Feuer die Funken
'„Ihm gleichen Wesens tausendfach entspringen,
'„So gehn, o Teurer, aus dem üurerg&aglichen
'„Die mannigfachen Wesen
'„Hervor und wieder in dasselbe ein";
'hier wird ein Entstehen und Vergehen der individuellen Seelen
'gelehrt, indem von ihnen gesagt wird, dafs sie an dem Wesen
'des Brahman teilnehmen; an diesem Wesen des Brahman nftmlidi
'nehmen die individuellen Seelen teil, sofern auch sie mit Geistig-
'keit behaftet sind. Wenn aber die Schrift irgendwo etwas nicht lehrt,
'so wird dadurch nicht ausgeschlossen was sie an einem andern
'Orte lehrt; vielmehr mufs man den Schriftinhalt, auch wenn er
'aus einer andern Stelle herrührt und etwas Neues, jedoch nicht
'Widersprechendes, beibringt, aus dem allem zusammenfassen. So-
'mit mufs man auch die Schriftstelle von dem Eingehen [des Brah»
'man in die Weltwirkung, Ch4nd. 6, 8, 2] als ein Übergehen in
'ein umgewaodeltea Sein aufEassen, wie es ja auch z. B. heifst:
'„dasselbe machte selber sich selbst" (Taitt. 2, 7). Aus dem allem
'ergiebt sich, dafs die individu^le Seele entstanden ist.*
Auf diese Annalune erwidern wir: „nicht das Selbst", d. h«
die individuelle Seele ist nicht entstanden; warum? „weil nicht
„schriftgeroäfs"; d. h. an den mancherlei Stellen, wo die Schöpfung
gelehrt wird , ist dabei von der Seele keine Bede. — 'Aber sagten
'wir nicht, dafs durch das, was an einer Stelle nicht gelehrt wird,
'nicht ausgeschlossen wird, was an einer andern Stelle gelehrt
'wird?* — Allerdings! wir aber haben weiter zu bemerken, dafs
* Sütram II. m. 17. 405
eine Entstehung der Seele gar nicht möglich ist; warum? ,,aiich
,,wegen der Ewigkeit nach jenen [Schriftstellen}"; das Wort „aa<^''
deutet noch weitere Grunde, z. B. die Unentstandenheit u. s. w.,
an. Die Ewigkeit der Seele aber folgt aus der Schrift und ebenso
ihre Unentstandenheit und Unei-schaffenheit, sowie auch, dafs das
unerschaffene Brahman selbst in Gestalt der individuellen Seele
besteht» und dafs diese ihrem Wesen nach Brahman ist. Steht es
aber so mit ihr, so ist eine Entstehung derselben unmöglich. |
Und weldies sind jene Schriftstellen [auf die das Sütram ver- 645
weist]? — „nicht aber stirbt das- Leben" ((3i4nd. 6, 11, 3); —
„fürwahr dieses grofsö, Angeborene Selbst ist nicht alternd, . . .
„unsterblich, furchtlos,* ist das Brahman" (Bfih. 4,. 4, 25); —
„nicht wird geboren oder stirbt der Weise" (K4th. 2, 18); —
„beharrend, ewig, ungeboren ist der Alte" (Eäth. 2, 18); — „nach-
„dem er dieses erschaffen, ging er in dasselbe ein" (Taitt. 2,6);
— „ich will mit diesem lebenden Selbste in sie eingehen und
„auseinanderbreiten Namen und Gestalten" (Gh&nd. 6> 3, 2); —
,,in sie ist jener [Atman] eingegangen bis in die Nagelspitzen hin-
„ein" (Brih. 1, 4, 7); — „dos bist du" (ChÄnd. 6, 8, 7); ~ „ich
„bin Brahman" (Brih. 1, 4, 10); — „diese Seele ist das Brahman, die.
allvemehmende" (B^ih. 2, ö, 19) ; — diese und andere SohriftsteUen
bezeugen die Ewigkeit und verneinen die Entstehung der individuel-
len Seele. — 'Aber sagten wir nicht, dafs sie wegen ihrer Geteilt-
^heifc eine Umwandlung und als solche entstanden sein müsse?* —
Darauf ist vai bemerken, dafs ihr die Geteiltheit an sich (svaias)
gar nicht zukommt; denn die Schrift sagt (Qvet. 6| 11):
„Der eine GoU, verküllt in allen Wesen,
„Durchdringend alle, aller inn'ro Seele."
Hingegen ist die scheinbare Getoiltheit der Seele nur durch die
Up4dhi's der Buddhi u. s. w. bedingt, so vrie die des Raumes
durch die Verbindung mit den Gefäfsen bedingt ist. Und so sogt
auch der Schriftkanon: „wahrlich | dieses Selbst ist das Brah- 646
„man, erkenntnisartig, manasailig, odemartig, augeartig, oliraitig"
(Bfih. 4, 4, 5); — diese Schriftstelle bezeugt, dafs es das Brah-
man selbst, jenes unor&chaffene , eine Seiende ist, welches in viel-
hoiilicher Weise erkenntuisartig u. s. w. wird. Dafs es aber nur
so- und so- artig ist, bedeutet, dafs seine absolute Natur dabei
nicht offenbar wird, Rondern nur seine durch jene Dinge über-
tünchte Natur, ähnlich wie wenn man sagt: „er ist ein weiber-
„artiger Schwächling". Wenn aber gelegentlich die Schrift von
einem Entstehen und Vergehen der Seele redet, so ist auch dieses
AUS demselben Grunde, nämlich aus ihrer Verbindung mit den
Up&dhi*8, zu erklären, indem ihr Entstehen ein Entstehen der
Up&dhi's und ihr Vergehen ein Vergehen derselben bedeutet. Und
06 (lrlraka-inImhDB&'
> sagt die Schrift: „er besteht durcli und durch ganz aus £r-
keuntiÜB: als diese Kreaturen erhebt er eich und mit ihneu gebt
er wieder outer; nach dem Tode ist kein Bewafstseiu" (Bpb. 4,
, 13). Hier iat von einem Vergehen der Upädhi's, nicht von einem
'ergehen der Seele die Rede, wie auch das Folgende beweist:
damit, o Herr, hast du mich ia eicieu Znstand der Verwirrung
gesetzt; diesen [Atman] begreife ich freilich nicht, und dafa
nach dem Tode kein Bewustseiu sein soll"; auf diese Frage er-
olgt die Belehrung: „nicht Verwirrung wahrlioh rede ich; un-
vergänglich fOrwahr ist dieser Ätman, unzerstörbaren | Wesens;
aber eine I^stösung desselben von der Materie vollzieht sich"
Brih.>4, 5> 14 Uädhy.). Und auch die Verheifsung bleibt nicht
nerfOllt, wenn man annimmt, dafe das unerachaffene Brahman
albat die individuelle Seele ist. Die Verschiedenheit der Merk-
lalo aber zwischen Brahman und Seele hat ihren Grund nur in
en Upädbi's. Denn wenn es helfst: „rede höher als dieses was
znr Erlösung dient" (Brih. 4, 3, 14), so werden hiermit dem in
le4e stehenden erkenntnisartigen Selbste alle Qualitäten des Sam-
ara abgeeprochen und von ihm gelehrt, dafs es der höchste Ätman
lt. Somit kann die Seele weder entstehen noch vergehen.
Zwölftes AdJCikaranam.
IS. jnö, 'ta' eva
Erkenner-, auB demselben Grande.
Ist nun die Seele, wie die Anhänger des Kanada wollen, nur
on accidenteller Geistigkcfit und an sich seihst ungeistig , oder
rt sie, wie die Sänkhya'» annehmenT ihrem Woaen nach von ewi-
er Geistigkcit ? Hierüber besteht wegen des Widerspruchs der
leinungen ein Zweifel. Angenoramcn also, 'die Oeistigkeit der
Seele sei nur accidentell und bedingt durch die Verbindung der
^eele mit dem Manas, ähnlich wie die Eigenschaft der Glührote
lurch die Verbindung des Topfes mit dem Feuer bedingt ist. Wäre
lämlich die Seele von ewiger Geistigkeit, so miifste die Geistig-
Ceit auch den Schlafenden , Ohpmäcbtigen und Besessenen eigen
(ein; ditse aber, wonh man sie befragt, sagen aus, dafs sie durch-
inj» kein Bewufstsein von etwas gehabt hätten. Nachdem sie aber
viedcr au sieh gekommen sind, | haben sie Bewufstsein. Also.
iFeil das Geistige nur zuweilen vorhanden ist, darum mufs die
üeiatigkeit bei der Seele accidentell sein.' — Auf diese Aunahme
Satiam IL in. 18. 407
wird erwidert: „Erkenner"; d. h. die Seele ist von ewiger Geistig-
keit, „aas demselben Gründe'S nämlich weil sie nicht entsteht,
sondern das höchste unerschafTene ßrahman selbst es ist, welches
durch die Bemengnng mit den Upadhi's als individuelle Seele be-
steht. Bas höchste Brahman aber ist seinem' Wesen nach ein
Geistiges, wie die Stellen beweisen: „Brahman ist Wonne und
„Erkenntnis" (Brih. 3, 9, 28); — „Wahrheit, Erkenntnis, unend-
„lich ist das Brahman" (Taitt. 2, 1); „er hat kein [ Unterschied-
Ruches] Inneres oder Äufäeres. sondern besteht durch und durch
„ganz aus Erkenntnis" (Brih. 4, 5, 13). Ist somit die individuelle
Seele dieses höchste Brahman, so folgt , dafs auch die individuelle
Seele ihrer Natur nach gerade so ein ewig Geistiges ist, wie das
Feuer ein Warmes und Helle» ist. Und auch da, wo von dem
erkenntnisartigen Selbste die Kedo ist, kommen Stellen vor wie:
„schaut schlaflos er die sclilafenden Organe" (Brih. 4, 3, 11); —
„daselbst dient dieser Geist sich selbst als Licht" (Brih. 4, 3, 14);
— „denn für den Erkenner giebt es keine Unterbrechung des
„Erkennens" (Brih. 4, 3, 30). — | Und wenn es^ heifst: „aber der 649
„da weifs, ich will dieses riechen, das ist der Atman" (Chlknd. 8,
12, 4), so beweisen auch diese Worte, dnfs die Seele, sofern sie
dui'cb alle Pforten der Sinnesorgane bald dieses und bald jenes
erkennt, in dem geistigen Bewufstsein ihre Kontinuität hat und
somit ihrem Wesen nach dieses ist. Wollte man einwenden, dafs,
wenn die Seele ihrem Wesen nach ein ewig Geistiges ist, der Ge-
ruchssinn und die übrigen [Sinnesorgane] zwecklos seien, so wäre
zu erwidern, dafs ihr Zweck darin besteht, die verschiedenen
Klassen von Objekten, den Geruch u. s. w., gegen einander abzu-
grenzen [d. h. von einander zu unterscheiden], in welchem Sinne
auch die [angefühlte] Schriftstelle sagt: „zum Riechen dient ihm
„der Geruchssinn" (Chdnd. 8, 12, 4). Wenn ferner eingewendet
wurde, dafs die Schlafenden u. a. kein Bewufstsein haben, so giebt
die Schrift selbst die Beantwortung an die Hand, wenn sie von
dem Tiefschlafenden sagt: „wenn er dann nicht sieht, so ist er
„doch sehend, obschon er nicht sieht; denn für den Sehenden ist
„keine Unterbrechung des Sehens, weil er unvergänglich ist; aber
„es ist kein Zweites aufser ihm, kein anderes, von ihm verschie-
„denes, das er sehen könnte" (Bfih. 4, 3, 23); das heifst: jenes
Unbewnfstsein kommt daher, dafs kein Objekt vorhanden ist, nicht
daher, dafs die Geiätigkeit nicht vorbanden ist; älmlich wie das
Licht, so lange es nur den [leeren] Baum durchstrahlt, nur darum
nicht offenbar wird, weil kein zu Beleuchtendes da ist, nicht aber,
weil es der Leuchtnatur ermangelt. Reflexionen wie die der Vai-
^eshika's u. s. w, können , wo die Schrift, ihnen widerstreitet , nur
auf blofsem Scheine beruhen; und somit entscheiden wir uns da-
für, dafs die Seele ihrem Wesen nach ein ewig Geistiges ist.
408 C^>^)i^^&'intmiä8&
Dreizehntes Adkikarananu
650 19. *idkrdnU-gaÜ-äg(Umd§n^
^ wegen des Ausziehens, Hiugehens und Wiederkommen8\
El fragt siofa jetsst weitet, von welchem Umfuige die indivi-
duelle Seele ist, und ob ihre Grolke eine minimale oder mittlere
oder maximale ist. — 'Aber ob wurde ja doch gesagt, dafs die
'Seele nicht entsteht und von ewiger Geistigkeit ist, und es folgte
'daraus, dafs die individuelle Seele der höchste Atmau selbst sei;
'von dem höchsten Atman aber lehrt die Schrift, dafs er unendlich
'ist; wie kann also die Frage nach einem Umfange der individuellen
'Seele erhoben werden?* — Wir antworten: das ist nchtig; aber
die Schriftworte, welche ein Ausziehen, Hingehen und Wieder-
kommen der individuellen Seele lehren, legen den Schlufs nahe, dafs
dieselbe räumlich begrenzt sein müsse. Auch wird, wie es scheint,
hin und wider von der Schrift ausdrücklich die minimale GröXsö
der Seele gelehrt. Um dieses alles ins Klare zu bringen, dient
der gegenwärtige Abschnitt.
Angenommen also zunächst, 'die individuelle Seele sei begrenzt
'und zwar von minimalem Umfange, weil die Schrift ein Ausziehen,
'Hing^en und Wiederkommen derselben lehrt ; ein Ausziehen in
. 'den Worten: „wenn sie aus diesem Leibe auszieht, so zieht sin
'„mit ihnen allen aus" (Xaush. 3, 3); — ebenso ein Hingehen:
'„denn alle, welche aus dieser Welt dahinscheiden, die gehen alle
'„zum Monde" (Kaush. 1, 2); — und ein Wiederkommen: „so kehrt
'„aus jener Welt er wieder zu dieser Welt des Wirkens nieder"
'(Brih. 4, 4, 6). Weil somit die Schrift in dieser Art ein Ausziehen,
651 'Hingehen und Wiederkonunen lehrt, | darum folgt, dafs die in*
'dividuelle Seele begrenzt sein mufs; denn ein Alldnrchdringendes
'kauQ sich nicht bewegen. Steht aber die Begrenztheit fest, so
'folgt, da wir die Meinung, als sei die Seele so grofs wie der
*Leib, bei Untersuchung der Lehre der Arhata*s [Jaina*s] wider-
*logt haben, dafs die Seele von minimaler (atomartiger) Grofse
*Bein mufs.'
20. ^sva-ätmand ca uttarayoh^
^und weil die beiden letztern an ihr selbst ^
'Was das Ausziehen betrifft, so könnte dasselbe allenfalls auch
'ohne Bewegung vor sich gehen, sofern es, ähnlich wie der Yer«
Siiiram II. hl 20. 409
4u8t der Herrschaft über eine Dorfschaft, in dem darch Yemichtung
Mer Werke bedingten Verluste der Herrschaft über den Leib be-
istünde. „Die beiden letzteren^' hingegen, das Hingehen und das
'Wiederkommen, sind an einem Unbeweglichen undenkbar, weil
'die Verbindung mit diesen beiden „an ihr selbst^' [an dem eigenen
^ Wesen der Seele] stattfindet; denn das Gehen ist eine dem Thater
^einwohnende Thätigkeit. Wo nun der Umfang kein mittlerer sein
'kann, da folgt, dafs ein Hingehen und Wiederkommen nur bei
'minimaler Gröfse möglich ist. Steht aber das Hingehen und das
'Wiederkommen fest, so folgt, dafs auch das Ausziehen nur als
'ein Weggang der Seele aus dem Leibe aufgefafst werden kann;
'denn ohne dafs sie aus dem Leibe wegginge, wäre ihr Hingehen
'und Wiederkommen unmöglich. Hierzu kommt, dais die, Teile
'des Leibes, aus denen sie auszieht, im Ablative stehen in der
'Stelle: „aus dem Auge oder dem Kopfe oder andern. Teilen des
'„Leibes" (Brik. 4, 4, 2). | Und wenn es heifst: „indem sie diese 652
'„Kraftelemente in sich aufnimmt, zieht sie sich zurück in das Herz"
'(Bph. 4, 4, 1) und „ihr Licht entlehnend kehrt zum Ort sie wieder*'
'(Brih. 4, 3, 11), so liegt darin, dafs auch iuneihaib des Leibes
'ein Hingehen und Wiederkommen der verkörperten Seele statthat.
'Auch daraus aber folgt, daüs dieselbe von minimaler Gröfse
'sein mufs.'
21. 'na anuTy a-tac-chruter, Ui cen? na! Uara-
adhikärät'
*nicht minimal; memt ihr, weil Schriftzeugnisse , dafs
dem nicht so? — Nein! weil in ihnen der andere
gemeint.'
Nun wohl! könnte man sagen; aber dai'um kann doch diese
[individuelle] Seele „nicht minimal" sein; warum? „weil Schriftzeug-
„nisse, dafs dem nicht so", d. h. weil es Schriftzeugnisse giebt,
die einen der Minimalheit entgegengesetzten Umfang der Seele
lehren; so wenn es heifst: „wahrlich dieses gröfse, ungeborene Selbst,
„das ist unter den Lebensorganen joner aus Erkenntnis bestehende"
(Brih. 4,4,22); — „dem Baume gleich, allgegenwärtig, ewig"; —
„Wahrheit, Erkenntnis^ unendlich ist das Brahman" (Taitt. 2, 1); —
Anfserungeu der Schrift wie diese stehen denn doch mit der Mi-
nimalh'eit der Seele im Widerspruch ! — 'Darauf entgegnen wir,
'dafs dem nicht so ist; warum? „weil in ihnen der andere ge-
'„meint;" nämlich jene einen andern Umfang lehrenden Schrift-
'asougnisse stehen in einem Zusammenhange, welcher von der hoch-
•I
410 g&rlraka-mlmänsä
^steh Seele handelt, denn es ist der höchste Atman, welcher als
'Hauptgegenstand der Mitteilung den Yedantatexten zum Thema
^dient; und d&fs es sich dat>ei nur um den höchsten Ätman han-
'delt, das wird auch durch Ausdrücke wie: „hoch über Raum und
S,Sündenstaub'' (Bfih. 4, 4, 20) an der Stelle noch besonders her-
vorgehoben.' — Aber ist es nicht rielmehr die verkörperte Seele,
welche mit den Worten: „das ist unter den Lebenserganen -Jener
„aus Erkenntnis bestehende [selbstleuchtende Geist]" (Brih. 4, 4, 22)
653 als behaftet mit der Gröfse [und Ungeborenheit] dargestellt | wird?
— 'Gewifs! aber diese Darstellung ist anzusehen als geschehend
'vermöge einer Schriftanschauung, wie bei Y&madeva (vgl. Sütram
4,1, 30). Und weil somit die Schriftstellen von^ einem andern
'[als minimalen] Umfange sich auf den allweisen Ätman [pr^Oä]
'beziehen, so stehen sie .mit der Minimalheit der individuellen Seele
'nicht im Widerspruch.'
2Z ^sva'Qabda-umnändbhyän ca^
* wegen der ausdrücklichen Aussagen und wegen des
Mafses.'
'Auch darum mufs der Attnan von minimaler Gröfse sein, weil
'es ein Schriftwprt giebt, welches geradezu seine Minimalheit
'lehrt, indem es heifst (Mund. 3, 1, 9):
'„Dies Selbst atomklein soll man denkend fassen,
'„In das d^r Odem fünffach eingegangen."
'Aus der Verbindung mit dem Odem sieht man, dafs es die indi-
'viduelle Seele ist, welche hier atomklein genannt wird. •; — Auch
'„das Mafs" der individuellen Seele weist darauf hin, dafs sie von
'minimaler Gröfse ist, wenn es heifst (Qvet. 5,9):
'„Spalt' hundertmal des Haares Spitze
'„Und nimm daron ein Hundertstel,
'„Daß wisse als <ier Seele Gröfse," —
'und (gvet. 5, 8):
„Grofs einer Ahle Spitze scheint der and're,"
'worin noch ein weiteres Mafs derselben angegeben wird,'
Aber -wird, wenn die Minimalheit gelten soll, nicht unmöglich,
dafs die nur an einer Stelle befindliche Seele durch den ganzen
Leib hindurch empfindet? Und die Erfahrung lehrt ja doch,
dafs man z.B. nach einem Bade in den Wassern der GaQg& an
Sütram IL m. 22. . 411
allen Gliedern die Kälte fühlt, und dafs man zur Sommerzeit an
dem ganzen Leibe die Hitze eitipfindet. — Darauf giebt er [der
Vertreter der Minimalheit] zur Antwort:
23. ^avirodhag, candanavat^ 654
'kein Widerspruch, wie bei dem Saildelholze'.
'Nämlich so wie ein Stückchen frischen Sandelholzes, aucli
*wenn es nur an einer Stelle dem Leibe aufgelegt ist, eine den
'ganzen Leib durchdringende Erfrischung hervorbringt, so kann
^auch die Seele, indem sie sich nur an einem Orte des Leibes be-
*findet, die den ganzen Leib durchdringende Empfindung hervor-
*bringen. Und dieses ihr auf den ganzen Leib bezügliche Em-
*pfinden wird ermöglicht durch ihre Verbindung mit derb Gefühlssinne
%tvac; eigentlich: Haut); nämlich die Verbindung der Seele mit dem
'Gefülilssinne bezieht sich auf den ganzen Gefühlssinn, der Gefühls-
'sinn aber durchdringt den ganzen Leib.'
24. ^avasthiti-vaigeshyädj iti cen^ na! ahhifupagamadd;
hridi hV
* wegen der Bestimmtheit der Lage [des Sandelholzes
passe dieser Vergleich nicht], meint ihr? — Nein!
weil dies [eine solche Bestimmtheit der Lage auch
betreffs der Seele] angenommen wird; denn sie wohnt
im Herzen.'
Man könnte behaupten, der in den Worten : „kein Widerspruch,
„wie bei dem Sandelholze" (Sütram 2,3, 23) enthaltene Vergleich
sei unzutreffend, weil das Verglichene und das zu Vergleichende
verschieden seien. Stünde nämlich fest, dafs die Seele sich an
einer bestimmten Stolle des Leibes befände, so möchte der Vergleich
mit dem Sandelholze zutreffen. Nun aber ist bei dem Sandelholzo
die Bestimmtheit der Lage, nämlich das Befinden an einer einzelnen
Stelle des I^eibes, sowie anderseits das Erfrischen des ganzen
Leibes offenbar; von der Seele hingegen ist nur das eine offenbar,
dafs sie durch den ganzen Leib hin empfindet, nicht aber, dafs sie
an einer bestimmten Stelle desselben sich befinde. Wollte man
darauf verweisen, dafs dieiios zu erschliefsen sei, so ist zu bemerken,
dafs eine Schlufsfolgerung hier nicht statthaft ist; denu dor Zweifel
412 gOrtraka-nüsBAä&lL
darüber, ob die Seele durch den ganien Leib durch empfindet,
weil sie wie der Gef&hlBsinn den ganzen Leib durchdringt, oder
655 etwa weil eie wie der Baum allgegenw&rtig ist, oder | weil aie,
obgleich minimal und an einer Stelle des Leibes befindlich, wie
das Stückchen Sandelholi sich yerhSit, — dieser Zweifel kann
[auf dem Wege der Sohlufsfolgerung] nicht beseitigt werden [weil
es möglich ist, yon derselben Wirkung auf verschiedene Ursachen
zurückzuschliefsea]. — Hierauf dient zur Antwort, Mafs diese
^[Ei^-^endung gegen den Vergleich mit dem Sandelhobse] ni<^t ge-
^gründet ist; warum? „weil dies angenommen wird*^; es wird näm-
*lich auch von der Seele ebenso wie von dem Sandelhobse [in der
^Schrift] angenommen, dafs sie nur an einer Stelle des Körpers
^ weilt und somit einen bestimmten Ort einnimmt. Wie das? Hier-
'auf dient zur Antwort: „denn sie wohnt im Herzen'^; denn von
'der Seele, um die es sich hier handelt, heifst es in den Yed&nta-
'texten: „denn im Herzen wohnt diese Seele'' (Pra^na 3> 6); —
'„fürwahr dieser Ätman weilt im Herzen" (Ch&nd. 8» 3, 3); —
'„was ist das für ein Selbst? ^ — es ist unter den Lebensorganen
'„der aus Erkenntnis bestehende, in dem Herzen innerlich leuch-
'„tende Geist" (Bfih. 4, 3, 7). — Somit sind in der That das Ter-
'glichene imd das zu Vergleichende hier gleichartig, und daher ist
'die Bemerkung „kein Widerspruch wie bei dem Sandelholze" (Sü-
'tram 2, 3, 23) allerdings zutreffend:'
25. ^gundd vd, lokavaV
^oder durch eine Qualität, wie in der Erfahrung.'
'Oder auch deswegen, weil die, wiewohl minimale, Seele den
'Leib mittels ihrer „Qualität" der Geistigkeit durchdringt, ist diese
'sich durch den ganzen Leib durchziehende Wirksamkeit der Seele
^ohne Widerspruch denkbar; und es ist damit ähnlich „wie in der
'Erfahrung", wenn ein Edelstein oder eine Lampe oder dergleichen,
'obwohl sie sich nur an einer Stelle des Zimmers befinden, mittels
'ihres das Zimmer erfüllenden Lichtes eine Wirkung auf das ganze
'Zimmer ausüben. — Man könnte nämlich gegen das Vorherige
'einwenden, dafs bei dem Sandelholze sich allenfalls, weil dasselbe
'aus Teilen bestehe, die erfrischende Einwirkung* auf den ganzen
'Leib dai^aus erklären lasse, dafs kleine Teilchen desselben sich
656 'verbreiteten, dafs hingegen die minimale Seele | keine Teilchen
'besitze, vermöge derer sie sich durch den ganzen Leib verbreiten
'könnte. Auf dieses Bedenken wird erwidert durch die Worte
'unseres Sütrams: „oder durch eina Qualität wie in der Erfahrung."'
Aber wie ist ch möglich, dafs eine Qualität unabhängig von
ihrem Träger und getrennt von demselben fortbesteht? Denn die Er-
SAtram IL ni. 25. 413
fahruug zeigt doch, wie ss. B. bei einem Gewände seine Qualität
der weifsen Farbe nicht unabhängig von dem Gewände und ge-
trennt von demselben fortbeBteht. Meint ihr, es kannte damit
sein' wie mit dem Lichte der Lampe, so bestreiten wir das; denn
auch dieses Licht müssen wir als etwas Snbstansielles betrachten;
es ist n&mlich die Feuersabstanz, welche, wenn ihre Teilchen
dicht zusammen sind, die Flamme, und, wenn ihre Teilchen zer-
streut sind, das Licht bildet. — Hierauf dient als Antwort:
26. ^vyatirdcOj gandhavat^
'ein Darüber -hinaus -Reichen, wie bei dem Gerüche*'
'Ähnlich wie der Geruch, obwohl er nur eine Qualität ist, über
'die den Geruch hervorbringende Substanz hinaus sieh beihätigt,
'indem man z. B., auch wenn die den Dufb hervorbringenden
'Blumen nicht zugegen sind, dennoch den Blumenduft wahnyimint,
i — ebenso könnte auch bei der minimalen Seele ein Hinausreichen
'ihi>er Qualität der 'Oeistigkeit über dieselbe stattfinden ; somit wäre
'der Satz nicht allgemein gültig, dafs eine Lostrennung der Qua-
"lität, s. B. der Farbe u. s. w., von ihrem Träger unstatthaft sei;
'denn bei dem Gerüche, der doch auch nur eine Qualität ist, zeigt
'sich diese Lostrennung derselben von ihrem Träger. Meint ihr
'etwa, dafs hierbei eine Lostrennung des Qemches mitsamt seinem
'Träger anzunehmen sei, so bestreiten wir das, weil die Ursprung- .
'liehe Substanz, von welcher die Lostrennung geschieht, | sonnt 31^7
'durch dieselbe schwinden müTste; dafs sie aber nicht schwindet,
'ersieht man daraus, dafs sie in dem vorhergehenden Zustande ver-
'harrt; denn wenn sie schwände, so müfste sie ihrer früheren Za>
'stände, des Gewichtes u. s. w., verlustig gehen.' — Aber lösen
sich nicht vielleicht dennoch Teilchen als die Träger des Geruches
von ihr los, nur dafs diese Loslösung wegen ihrer Geringfügigkeit
sich nicht bemerkbar macht, indem nur ganz feine Geruchsatome
nach allen Seiten hin ausströmen und, wenn sie in die Nasen-
höhlen gelangen, die Empfindung des Geruches erzeugen? — -
'Diese Annahme ist nicht zulässig, weil die Atome nicht sinnlich
^wahrnehmbar sind, wähvend num den Geruch der Nägake^ara-
*Blüten u. s. w. doch wirklich wahminmit. Auch ist ja die allge-
^meine Annahme nicht, dafs man die den Geruch hervorbringende.
'Substanz rieche, sondern es ist vielmehr nur der Geruch, welchen
'man riecht, wie dies alle Welt annimmt. Meint ihr etwa, des-
'wegen, weil bei der Farbe und andern Sinneseindrücken ein Hin-
'ansreidien der Qualität über die Substanz nicht stattfinde, des-
'wegen sei auch beim Gerüche ein solches Hinausreichen nicht au-
fzunehmen, so bestreiten wir das, weil hier, wo die Wahrnehmung
414 QlLriraka-mlm&nslL
'spricht, eine Schlulsfolgening nicht am Platze ist. Denn je nach-
^dem die Erfahrung eine Sache an die Hand gieht, dem entsprechend
'und nicht anders müssen die Betrachter ihre Folgerung einrichten ;
'und weil z. B. die Qualität des Geschmackes mit der Zunge wahr-
'genommen wird, deswegen darf man doch nicht schliefsen, Uafs
'auch die andern Qualitäten, z. B. die der Sichtbarkeit, notwen-
'digerweise durch die Zunge wahrgenommen werden müTsten.'
27. ^tathd ca dargayaü^
'und so zeigt es [die Schrift].'
«
'Und indem die Schrift lehrt, dafs die Seele in minimaler
'Gröfse im Herzen wohne, sagt sie zugleich von eben dieser Seele
668 'aus, I dafs sie „bis in die Haare" (Ch&nd. 8, 8, 1), „bis in die
'„Nägelspitzen hinein^' (Brih. 1, 4, 7) mit ihrer Qualität der Geistig-
'keit den ganzen Leib durchdringe.'
28. ^prithag upadefM ' .
* wegen der Bezeichnung als gesondert.'
'Hierzu kommt, dafs in den Worten: „sie besteigt mittels der
'„Erkenntnis den Leib" (Kaush. 3, 6), die Seele und die £rkennt-
'nis als Thäter und Organ von einander als gesondert bezeichnet
'werden, woraus abzunehmen ist, dafs die Seele nur mittels ihrer
'Qualität der Geistigkeit den Leib durchdringt; und wenn es heifst:
'„dann nimmt sie die Erkenntnis jener Lebensorgane durch die
'„Erkenntnis in sich auf" (Brih. 2, 1, 17), so wird hier gesagt,
'dafs die thätige Seele eine von dem Leibe gesonderte Erkenntnis
'besitze, und auch dieses kann zur Stütze der obigen Behauptung
'[dafs die Seele mittels ihrer Qualität der Erkenntnis den Leib
'durchdringe] dienen.*
'Somit ist die Seele von minimaler Gröfse.* -^
Auf diese [Sütram 19 — 28 dargelegte] Annahme erwidern wir:
29. tad-gum-säratvät tu tdd-vyapadeQah, priijnavat
vieiraehr weil sie [die Seele im Samsärastande] als
Kern die Qualitäten jener [Buddhi] hat, geschieht die
Bezeichnung als solche, wie bei dem allweisen [Atmanj.
Das Wort „vielmehr" weist die Meinung des Gegners ab. Es
ist nicht wahr^dafs die Seele von minimaler Gröfse ist; denn da
Sfttram II. m. 29. 415
vielmehr die Schrift keine Entstehung der Seele, sondern nur ein
Eingehen des höchsten Brahman [in die Elemente] lehrt und da-
durch die Identität der Seele mit Brahman darlegt, so mufs die
Seele das höchste Brahman selbst sein. Ist aber die Seele das
höchste Brahman selbst, so folgt, dafs sie ebenso grofs wie das
höchste Brahman sein mufs; nun ist das höchste Brahman nach
der Schrifb alldurchdringend , und v somit mufs auch die Seele all-
durchdringend sein. Dem entspricht es, dafs in Stellen wie:
„wahrlich dieses grofse ungeborene | Selbst, das ist unter den Le- 659
„bensorganen jener aus Erkenntnis bestehende" (Brih. 4, 4, 22),
von der Seele die Alldurchdring^ng in Schrift und Smriti aus-
gesagt wird.
Auch würde, wenn die Seele minimal wäre, eine durch den
ganzen Leib hindurch sich erstreckende Empfindung unmöglich
sein. Zwar wurde gesagt, dafs dieselbe durch den Gefühlssinn be-
wirkt werde; aber dies müssen wir bestreiten; denn dann müfste
auch, wenn man die Haut (den Gefuhlssinn, ivac) durch einen
Dom verletzt, ein den ganzen Leib durchziehender Schmerz ein-
treten , indem die Verbindung des Gefühlssinnes mit dem Dome
sich auf den ganzen Gefählssinn erstreckt, der Gefühlssinn aber
den ganzen Körper durchzieht; man empfindet aber vielmehr, wenn
man in einen Dom getreten hat , den Schmerz nur an der Fufs-
sohle.
Femer würde bei Minimalheit der Seele eine Erstreckung ihrer
Qualitäten [durch den Leib] nicht möglich sein, weil eine Qualität
an ihren Träger räumlich gebunden ist; denn wäre sie nicht von
diesem abhängig, so würde sie eben aufhören eine Qualität zu
sein. Und was zunächst das Licht der Lampo betrifft, so wurde
bereits auseinandergesetzt, dafs dasselbe eine besondere Substanz
sei. Aber auch der Geruch kann, wenn man ihn für eine Qua-
lität hält, nur zusammen mit seinem Träger sich verbreiten; denn
sonst würde er eben keine Qualität sein. Und dem entsprechend
I sagt auch der erhabene Dvaipayana (Mahlibh. 12, 8518): C60
„Es schreiben den Geruch ünknnd'ge nur
„Dem Wasser zu, wo sie ihn wahrgenommen;
„Stets zu der Erde hin führt seine Spur,
„Von wo in Luft und Wasser er gekommen. ^^
Wenn ferner die Geistigkeit der Seele den ganzen Leib durch-
zieht, so kann die Seele nicht minimal sein; denn die Geistigkeit
macht das eigentliche Wesen derselben aus, wie Hitze und Licht
das des Feuers, und es besteht zwischen beiden nicht das Ver-
hältnis einer Qualität und ihres Trägers. — Da nun die Annahme,
als sei die Seele so grofs wie der Leib, bereits widerlegt wurde,
so bleibt nur übrig, die Seele für unendlich grofs zu halten.
416 Qtliiraka-iiümli!is&
'Aber wie kann die Seele dann als minimal bezeichnet wer-
*den?' — Darauf dient zur Antwort: ,.Tiebnebr weil sie als Kern
„die Qualitäten jener hat, geschieht die Bezeichnung als solche *';
die Qualitäten jener, d. h» die* Qualitäten der Buddhi, wie solche
z. B. Neigung und Abneigung, Lust und Schmerz sind; diese
Qualitäten bilden im Baiftsärastatide den Kern, d. h. den Haupt-
bestand der Seele, und darum heilst es, dafs die Seele als Kern
die Qualitäten der Buddhi habe. Denn ohne die Qualitäten der
Buddhi und für die von ihnen freie Seele ist das Wanderer-sein nichi
möglich; denn dieses Wanderer^sein hat als Merkmale das Thäter-
sein und Geniefser-sein der Seele, welche beide dadurch bedingt
werden, dafs die Eigenschaften der Up&dhi's der Buddhi auf die
Seele übertragen werden; ohne diese aber, ohne das Thäter-sein
661 und Geniefser-sein, würde die Seele gar nicht wandern, | sondern
ewig erlöst sein. Weil also die [wandernde] Seele als Kern die
Qualitäten' der Buddhi hat, darum wird ihr Umfang durch den
Umfang der Buddhi bezeichnet. Und sofern weiter für die Buddhi
ein Ausziehen aus dem Leibe ü. s. w. stattfindet, kann auch von
einem Ausziehen der Seele die Bede sein , nicht aber Ton einem
solchen der Seele an sieh (svaias). Auch sagt ja die Schrift
(gvet. 6, 9) :
„Spalt' hundertmal des Haares Spitze
„Und nimm davon ein Hundertstel,
„Das wisse als der Seele Gröfse,
„Und sie wird zur Unendlichkeit*^
Nachdem hier die Minimalheit der Seele ausgesprochen worden,
heifst es sofort von ebsn derselben, dafs sie unendlich sei; und
das stimmt nur dann miteinander zusammen, wenn man annimmt,
dafs der Seele die Minimalheit nur im uneigentlichen Sinne, hin-
gegen im Sinne der absoluten Realität die Unendlichkeit beigelegt
werde. Denn beides im eigentlichen Sinne au nehmen geht nicht
an; auch darf man nicht etwa annehmen, dafs die Unendlichkeit
der Seele nur in uneigentlichem Sinne zukomme; denn alle Upa-
nishad^s sind bestrebt zu lehren, dafs die Seele ihrem Wesen nach
Brahman ist. Dasselbe gilt Yon der andern Gröfsenbestimmung
der Seele in den Worten (Qvet. 6, 8) :
„Durch Eigenschaft der Buddhi und des Leibes
„Grofs einer Ahle Spitze scheint der andre/'
Hier wird yon der Seele gesagt, dafs sie nur zufolge ihrer
Verbindung mit den Qualitäten der Buddhi, nicht aber ihrem
eigenen Wesen nach so grofs sei wie die Spitze einer Ahle. Und
auch in der Stelle: ,, atomklein ist das Selbst im Geist zu wissen*^
(Mund. 3, 1, 9} wird nicht etwa gelehrt, dafs die Seele von atom-
8ütrain II m. 29. 417
artigem Umfange sei; es ist vielmelir hier yon dem höchsten Ätman
die Bede, von dem vorher gesagt worden war, dafs er nicht durch
das Auge und die übrigen Sinne erforschbar, | sondern nur durch 662
die Gnade des Wissens zu erreichen sei (Mund. 3, 1, 8); und auch
der individuellen Seele konnte unmöglich im eigentlichen Sinne
ein minimaler Umfang zugeschrieben werden; somit mufs jene
Schriftaussage über die ^atomartige Kleinheit entweder nur die
Schwererkennbarkeit des Atman besagen , oder es ist von den Upä-
dhi's zu verstehen. — Ähnlich steht es mit dem Worte: „sie be-
„steigt mittels der Erkenntnis den Leib" (Eaush. 3, 6); wenn hier
eine Verschiedenheit [der Seele und der Erkenntnis] erwähnt wird,
so bedeutet dieses entweder nur, dafs die Seele mittels der Buddhi,
welche ihr Upftdhi ist, den Leib besteige, oder sie ist nur ein
bildlicher Ausdruck, ähnlich wie wenn man von dem Leibe einer
steinernen Figur spridit. Denn eine Trennung der Qualität von
ihrem Träger [der Erkenntnis von der Seele] ist, wie wir zeigteB,
nicht anzunehmen. • — Auch das Wort, dafs die Seele ihren Stand«
ort im Herzen habe, bezieht sich nur auf die Buddhi, denn diese .
hat dort ihren Standort. — Ebenso lehrt ferner die Schrift, dafs
der Auszug u. s. w. sich nur auf die Upädhi's beziehe, denn es
heifst: „was ist dasjenige, bei dessen Auszug ich ausziehe, und
„bei dessen Bleiben ich bleibe? so sprach er und schuf den Präna"
(Pragna 6, 3). Findet aber kein Auszag statt, so ist auch ein
Hingehen und Wiederkommen unmöglich; denn ohne dals die
Seele den Ijcib vcrliefse, könnte sie nicht irgendwohin gehen oder
von dort zurückkommen. — Somit wird die Seele als minimalgrofs
nur insofern bezeichnet, ' als sie als Kern die Qualitäten der Upadhi's
hat, „wie bei dem allweisen"; d. h. es ist damit ähnlich, wie wenn
der allweise, nämlich der höchste Atman, in den attributhaften
Verehrungen, wo er als Kern die Qualitäten seiner Upädlü*s hat,
als sehr klein ti. dgl. bezeichnet wird, wenn es z. B. heilst: „klei-
„ner als ein Reis- oder Gerstenkorn; — Verstand ist sein Stoff,
„Odem sein Leib; — allriechend ist er, allschmeckend" (Chänd.
3, 14, 3. 2); <-- „sein Wünschen ist wahrhaft, wahrhaft sein Rat-
„schlüfs " (Chänd. 8, 7, 1).
I 'Nun wohl! aber wenn das Wanderer-sein der Seele nur da- 663
/durch zu Stande kommen soll, dafs sie als Kern die Qualitäten
*der Buddhi hat, so sind doch die Buddhi und die Seele vcr-
'schieden, und somit ist ein Aufhören ihrer Verbindung endlich
^einmal unvermeidlich; findet aber in Folge davon eine Abtrennung
'von der Buddhi statt, so folgt, dafs die von ihr abgefrounte Seele,
'da sie nicht mehr in die Erscheinung tritt, entweder zunichte
'werden mufs oder doch nicht mehr wandernd sein kann.^ — Auf
dieses Bedenken dient als Antwort:
DwuBtUT, VedAnto. 21
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§
418 QtirlrakA-mlmlubi
30. yjävad-dtma-bhävitväc ca na doshaSj tad-darganät
auch ist kein Fehler^ weil sie so lange besteht wie
die Seele, indem dies ersichtlich.
Es ist nicht zu befürchten, dafs der soeben dargelegte Ein-
wand begründet sei; warum? „weil sie so lange besteht wie die
„Seele"; — sie» d. h. die Verbindung der Seele mit der Buddhi;
so lange nämlich die Seele wandernd bleibt, so lange ihr Wanderer-
sein nicht durch die ToUkommene Erkenntnis zunichte wird, so
lange hört auch ihre Verbindung mit der Buddhi nicht auf. Aber
auch nur so lange als diese Verbindung mit dem üp&dhi der Buddhi
dauert, nur so lange besteht für die individuelle Seele ihre Indivi-
dualität und ihr Wanderer-sein; im Sinne der* höchsten Bealität
aber und über die durch den Up&dhT der Buddhi bewerkstelligte
Beschaffenheit hinaus hat das, was man individuelle Seele nennt,
keinen Bestand. Denn wenn man den Sinn der Vedäntaworte er-
wägt, so zeigt es sich, dafs es aufser dem seiner Natur nach ewig
freien und allwissenden Gotte kein zweites von ihm verschiedenes
Geistelement giebt: „nicht giebt es aufser ihm einen Sehenden,
„Hörenden, Denkenden, Erkennenden" (Brih. 3, 7, 2S frei); —
„nicht giebt es aufser ihm ein Sehendes, Hörendes, Denkendes,
„Erkennendes" (Brih. 3, 8, 11 frei); -- „das bist du" (Ch&nd. 6, 8, 7);
664 — „ich bin Brahman" (Brih. 1, 4, IQ); — | wie es an hundert
Stellen in der Schrift heifst. — Aber woran erkennt man, da&
die Verbindung mit der Buddhi so lange dauert, wie die Seele be-
stellt? Unser Sütram antwortet darauf: „indem dies ersichtlich^';
dies nämlich ist ersichtlich aus der Schrift, wenn sie sagt: „es
„ist unter den Lebensorganen der aus Erkenntnis bestehende, in
„dem Hei*zen innerlich Icachtende Geist. Dieser durchwandert,
,jderselbe bleibend, beide \¥elten; es ist als ob er sänne, es ist
„als ob er schwankend sich bewegte" (Brih. 4, 3, 7); der „aus Er-
„kenntnis bestehende" bedeutet so viel wie „der aus Buddha be-
,,stehende"; und eine andere Stelle sagt: „erkenntnisartig, manas-
„artig, odemartig, augeartig, ohrartig" (Brih. 4, 4, 5), wo also die
Erkenntnis neben dem Manas und den übrigen aufgezählt wird.
Dafs aber die Seele buddhi-artig sei, soll nur bedeuten, dafs sie
a)s Kern die Qualitäten der Buddhi' hat, ähnlich wie, wenn man
im gemeinen Leben sagt: „Devadatta ist weiberartig", damit ge-
meint ist, dafs er als wesentliche Merkmale eine weiberartige Stimme
u. dgl. habe. Wenn es weiter oben hiefs: „dieser durchwandert,
„derselbe bleibend, beide Welten" (Brih. 4, 3, 7), so lehrt
hier die Schrift, dafs auch bei dem Hinüberziehen in die andere
Welt eine Trennung von der Buddhi u. s. w. nicht stattfindet;
Sütram II. zxr. 80. 419
denn er bleibt derselbe eben rermöge der Buddbi, wie man scblfe-
fsen mufa, and wie sich aach daraus ergiebt, dals diese 8oeb«n
[anter dem Worte Erkenntnis] erwähnt wurde. Und eben darauf
weisen auch die Worte hin: „es ist als ob er s&nne, es ist als ob
„er schwankend sich bewegte*' (Bph. 4, 3« 7); dies bedeutet, dafs
die Seele nicht an sich sinnt, nodi audi sich bewegt, sondern es ,.
ist als ob sie s&nne, während die Buddhi sinnt, und eu ist ab
ob sie sich bewegte, während die Buddhi sieh bewegt. Hierzu
kommt, dpfs die Verbindung der Seele mit dem Upädhi der Buddhi
eine Folge der irrigen Erkenntnis ist; die irrige Erkeimtuis aber
ist auf keinem andern Wege als durch die vollkommene Erkennt*
nis zu heben, woraus folgt, dafs die Verbindung mit dem Up&dhi
der Buddhi nicht aufhören kann, solange die Seele sich nicht als
das Selbst des Brahman erkannt hat. | Denn die Schrift sagt 66f
(Qvet. 3,8):
„Ben grofsen Geist jenseits der Dunkelheit
„Wie Soimen leuchtend habe ich gesehen;
„Wer diesen schaut, dem wird Unsterblichkeit,
„Nicht giebt es einen andern Weg zum Gehen«'*
'Aber man kann doch nicht annehmen, dafs die Verbindung
*der Seele mit der Buddhi auch im Tiefschlafe und im Tode fort-
bestehe; denn wenn die Schrift sogt: „[wenn der Mensch schläft]
S,dann ist er, o Teurer, eingegangen iu das Seiende; er ist in sich -
'„selbst eingegangen [avam apitOf darum heifst es, svapiH^ er schläft]"
'(Ch&nd. 6, 8, 1), so liegt darin, dafs [bei Tiefschlaf und Tod]
'alles durch Umwandlung Entstandene zunichte wird, wie kann
'also gesagt werden, dafs die Verbindung mit der Buddhi so lange
*wie die Seele bestshe?' — Hierauf dient zur Antwort:
31. pimstva-ädi-vat tasya sota ^hhivycMi-yogAi
weil föglich anzanehmen, dafs sie als ein [schon vor-
her] Vorhande/ies zur Erscheinung kommt, wie die
Mannbarkeit n. dgL
So wie im Leben die Mannbarkeit u. dgl., obwohl sie keimartig
schon vorhanden ist, an der Kindheit nicht wahrgenommen und
daher als nicht vorhanden angesehen wird und erst im männlichen
Alter zur Erscheinung kommt, jedoch nicht da hervortreten kann,
wo sie niclit schon vorhanden war, weil sie sonst auch bei Eunu-
chen hervortreten müfste, — ebenso ist auch diese Verbindung
mit der Buddhi zwar auch im Tiefschlafe und Tode vorhanden,
27*
420 Q&rtraka-intm&&s&
jedoch nur der Högliolikeit nach, w&hrend sie beim Erwachen nnd
beim Oeborenwerden in Wirklichkeit hervortritt; denn so ist dieses
„fdglich anzunehmen^S ^ kein Ding ohne Ursache entstehen kann,
weil daraus zu viel folgen würde. Und auch die Schrift lehrt,
dafs das Erwachen aus dem Tiefschlafe dadurch bewerkstelligt
wird, dafs der aus Nichtwissen bestehende Keim (die Möglichkeit)
dazu schon seiend vorhanden war, wenn sie sagt: „wenn sie in
„das Seiende eingehen, so haben sie kein Bewufstsein davon, dafs
666 n^o eingehen in das Seiende. | Selbige, ob sie hier Tiger sind oder
„Löwe", u. 8. w. (ChÄnd. 6, 9, 2—3). — Somit ist bewiesen, dafs
die Verbindung mit den Upftdhi^s der Buddhi u. s. w. so lange
andauert, wie die Seele besteht.
32. niiya'Up(däbdhi-anup(üabdhi''pra8ang0y 'nya/tara-^
niyamo vd anytUM
es würde ein unauf hörliclies Wahrnehmen oder Nicht-
wahmehmen folgen , oder sonst müTste eine Hemmung
des einen oder andern [vorhanden sein].
Dieses Innenorgan nun, welches . der Seele als Up&dhi dient,
wird hin und wider in verschiedener Weise bald als Manas be-
zeichnet bald als Buddhi oder auch als Erkenntnis oder Bewufst-
sein. Manche unterscheiden auch nach den Verrichtungen und
schreiben die Verrichtung des Zweifeins u. s. w. dem Manas, hin-
gegen die Verrichtung des Entscheidens u. s. w. der Buddhi zu.
Dieses so beschaffene Innenorgan also mufs notwendigerweise als
vorhanden angenommen werden. Denn im andern Falle, wenn
man es nicht annehmen wollte, würde „ein unaufhörliches Wahr-
„nehmen oder Niohtwahraehmen ^^ die Folge sein. Denn da die
sonstigen Bedingungen der Wahrnehmung, die Seele, die Sinnes-
organe und die Sinnendinge, stets zur Hand sind, so würde eine
667 unaufhörliche | Wahrnehmung die Folge sein; oder soll, auch
wenn die Ursache zur Hand ist, die Wirkung ausbleiben können,
so würde die Folge sein, dafs nie imd nimmer eine Wahrnehmung
stattfände. Beides aber ist gegen die Erfährung. Oder soll man
vielleicht annehmen, daAi bei „dem einen oder andern ^% d. h. bei
der Seele oder den Sinnesorganen, eine „Hemmung" ihrer Kraft
bestehe? Eine solche Krafthemmung ist bei der Seele nicht mög-
lich, weil bie unwandelbar ist; ebenso wenig aber ist sie bei den
Sinnesorganen möglich; denn es geht nicht an, dafs diese, während
sie vorher und nachher in ungehemmter Kraft wirken, dann auf
einmal ohne Veranlassung eine Hemmung ihrer Kraft erfahren.
Satram IL in. 32. 421
Man mufs also [ein Yeiittögen] annehmen, durch, dessen Aufmerk-
samkeit und Nichtaufmerksamkeit die Wahrnehmung und Nicht-
wahrnehmung bedingt wird; und dieses ist das Manas. Und dem
gemäfs sagt auch die Schrift: „ich' war anderswo mit meinem Yer-
„Stande (Manas), darum sah ich nicht, ich war anderswo mit mei-
„nem Verstände, darum hörte ich nicht; denn nur mit dem Ver-
„stande sieht man und mit dem Verstände hört man" (Brih. 1, 5, 3).
Auch erwähnt die Schrift als Funktionen desselben das Verlan-
gen u. s. w,, wenn sie sagt: „Verlangen, | Entscheidung, Zweifel, 668
„Glaube, Unglaube, Festigkeit, Unfestigkeit, Erkenntnis und Furcht,
;,alloB dieses ist nur Manas" (Brih. 1, 5, 3). — Somit ist es richtig,
dafs ihre [der Seele] Bezeichnimg ak solche [als minimal] geschieht,
weil sie [im Samsarastande] als Kern die Qualitäten der Buddhi hat.
Vierzehntes Adhikaranam.
0
33. Jcartä, gAstra- arthavattväi
Thäter, weil der Schriftkanon zweckhaft.
Bei Gelegenheit der Auseinandersetzung, daTs die individuelle
Seele als Kern die Qualitäten der Buddhi hat, wird noch dine an-
dere Eigenheit derselben zur Sprache gebracht. Nämlich diese
individuelle Seele mufs ein „Thäter" sein; warum? weil der Schrift-
„kanon zweckhaft"; denn nur dann, [wenn die Seele ein wirken-
des Princip ist,] sind die Vorschriften des Pflichtkanons, dafs man
opfern, spenden und schenken solle, zweckhafb; und im andern
Falle würde der Fflichtkanon zwecklos sein. Derselbe setzt näm-
lich voraus, dafs die Seele handelnd ist, und schreibt derselben
demgemäfs bestimmte Handlungen vor. Wäre die Seele nun nicht
Thäter, | so würde dies nicht geschehen können. Durch dieselbe 669
Voraussetzung ist auch die Zweckhaftigkeit der folgenden kanoni-
schen Stelle bedingt: „denn er ist der Sehende, . . . Hörende, . . .
„Verstehende, Denkende, Handelnde, das Erkenntnis -Selbst, der
„Geist" (Pra^na 4, 9).
34. vihära - upadegät
wegen Bezeichnung des Wandeins.
Auch daraus folgt das Thätersein der individuellen Seele, weil
ihr die Schrift in dem Verbindungsstaude [d. h. im Schlafe] ein
Wandeln beilegt, denn es heifst (Brih. 4, 3, 12):
4^2 C'äilraka-mtmlkfiBft
„unsterblich schweift sie iro es ihr beliebet";
und „sie zieht in ihrem Leibe nach Belieben umher *^ (Brih. 2,
1, 18).
35. upädänäi
wegen des Nehmens.
Auch daraus folgt das Thätersein der individuellen Seele, weil
die Schrift von ihr ein „Nehmen*' der Organe erwähnt, wenn sie
sagt: „dann hat sie durch die Erkenntnis die Erkenntnis jener
„Lebensorgane an sich genommen" (Brih. 2, 1, ,17) und: „also
i,nimmt er jene Lebensgeister mit sich" (Brih. 2, 1, 18).
«70 36. vyapadefdc ca kriy&ydm; na cen, nirdega-vipar-
yaydh
auch wegen der Hinweisung darauf bei dem Werke;
wenn nicht, [so müfste] ein anderer Ausdruck [ge-
braucht sein].
Auch daraus folgt das Thätersein der individuellen Seele, weil'
der Schriftkanon bei den weltlichen und vedi sehen Werken auf
ihr Thätersein liinweist, wenn es heifst (Taitt. 2, 5):
„Erkenntnis wirkt das Opfer, wirkt die Werke auch."
Zwar könnte 'mau meinen, dafs das Wort „Erkenntnis** die Buddhi
bedeute [und nicht die Seele], und dafs somit hier von einem
Thätersein der Seele nicht die Rede sei. Aber dem ist nicht so;
vielmehr bezieht sich diese Bezeichnung auf die Seele und nicht
auf die Buddhi; bezöge sie sich nicht auf die Seele, so müfste
„ein anderer Ausdruck" gebraucht sein, und es müfste heifsen:
„sie wirkt durch die Erkenntnis". Denn so findet es sich an an-
dern Stellen, wo die Buddln gemeint ist, und dem entsprechend
das Wort „Erkenntnis" im instrumentalen Kasus steht, a. B. wenn
es heifst : „dann hat er .durch seine Erkenntnis die Erkenntnis jener
„Lebensorgane in sich aufgenommen" (Brih. 2, 1, 17). Hier hin-
gegen wird in den Worten: „Erkenntnis wirkt das Opfer", die
Erkenntnis als das thätige Subjekt [dem Verbum des Satzes] ko-
ordiniert, woraus ersichtlich, dais es nur die von der Buddhi [als
einem blofseü Instrumente] verschiedene Seele sein kann, auf
deren Thätersem hier hingedeutet wird;, daher jener Einwurf nicht
amtrifft.
S6sram II. in. 36. 423
^Aber^ so könnte num sagen, ^wenn die von der Budd}d ver-r
^acbiedene individuelle Seele der Th&ier der Werke ist, so ist sie
^doch frei und würde somit notwendigerweise nur dasjenige, was
4hr angenehm und gut ist, Jiervorbringen, nicht aber das Gegen«
'teil; nun aber bringt sie, wie man sieht, auch das Gegenteil
'hervor, und bei der Seele, wenn sie frei wäre, würde ein solches
'Verfahren, ohne dafs sie dazu genötigt w&re, nicht denkbar sein/
— Hierauf giebt der Lehrer zur Antwort:
37. updlabdhivad amyamdh
wie bei der Wahmehmung keine Nötigung.
So wie eben dieselbe Seele [theoretisch] in Betreff der Wahr-
nehmung, obwohl sie dabei frei und ohne Nötigung ist, doch
sowohl das Angenehme wie das Unangenehme wahrnimmt, ebenso
mag sie auch, ohne dazu genötigt zu sein, das Angenehme so-
wohl wie das Unangenehifte [praktisch] verwirklichen. — 'Aber
'ist sie nicht vielmehr auch bei dem Wahrnehmen | unfrei, sofern 671
'sie nur wahrnehmen kann in so weit, wie sie die Ursachen der
'Wahrnehmung in sich aufnimmt?' — Doch nicht! Denn was die
Ursachen der Wahi*iiehmung betrifft, so haben dieselben nur den
Zweck, die Objekte des Wahmehmens herbeizuschaffen; dafs die
Seele dieselben wahrnimmt, darin ist sie von nichts anderm ab-
hängig, weil sie nur an die [ihr von Natur eigene] Geistigkeit
[nicht an irgend welche Objekte] gebunden ist. — Übrigens be-
haupten wir auch gar nicht, dafs die Seele bei dem Verwirklichen
der Zwecke absolut frei verfahre; denn sie ist dabei voii den spe-
ciellen Verhältnissen des Ortes, der Zeit und der Ursachen ab-
hangig. Damit aber, dafs einer bei seinem Thun auf gewisse
Hülfsmittel angewiesen ist, wird sein [selbständiges] Thätersein
nicht aufgehoben. Der Koch bleibt Koch, wenn er auch auf Brenn-
holz, Wasser u. s. w. angewiesen ist. Und wegen dieser Mannig-
faltigkeit der mitwirkenden Ursachen ist es kein Widerspruch,
wenn die Seele sich so bethätigt, dafs sie sowohl die angeneh-
men als auch die unangenehmen Zwecke, ohne doch dazu ge-
nötigt zu sein, verwirklicht.
38. gakti - viparyaydt
weil [sonst] eine Vertauschnng der Funktionen.
Dafs die von der Erkenntnis verschiedene individuelle Seele
der TLäter der Werke ist, ei*giebt sich auch aus folgendem Grunde
fr
i
424 C^fft^-iK^^B^
Wäre n&mlich die unier dem Wort „ Erkenntnis^' zu verstehende
Buddbi das Handelnde in uns, so würde eine Vertauschung der
Funktionen eintreten; die Buddhi würde die Funktion eines Werk-
zeuges aufgeben und die Funktion des Thäters übemebmen« |
673 E&me aber der Buddhi diese Funktion zu, der Th&ter der Werke
zu sein, so würde sie eben auch als das Objekt des SelbstbewuTst-
Seins angenommen werden müssen, denn alle Th&tigkeit hat stets
zur Voraussetzung das Ich-BewuTstsein [dei^enigeu« der thätig ist],
denn man ist sich bewufst: ich bin es, der da geht und der da
kommt, ich bin es, der da ifst und trinkt. Würde hierdurch die
Buddhi mit der Funktion des Thäterseins betraut, und w&re sie
somit daijenige, welches alle Zwecke bewirkt, so müfste man als
das Werkzeug, mit dem sie alle Zwecke bewirkt, etwas anderes
aufstellen; denn wenn auch der Thäter seine Funktionen zu üben
im Stande ist, so beth&tigt er dieselbe, wie die Erfahrung be-
weist, in den* Handlungen doch nur, sofern er ein Werkzeug zur
Hülfe nimmt. Somit würde sich der ganze Streit um den Namen
drehen, iu der Sache aber keine Zwiespältigkeit sein, indem wir
beide annehmen, dafs ein Ton den Organen Verschiedenes das
Thätige ist [nur dafii ihr dieses Thätige ,, Buddhi" nennt, während
wir es „Seele" nennen].
39. samädhi'Ohhävdc ca
auch weil [donst] die Meditation unmöglich.
In den Vedäntatexten wird als Mittel der Erkenntnis des tou
den üpanishads gelehrten Atman die Meditation anbefohlen, denn
es heilst: „den Atman fürwahr soll man sehen, soll man hören,
„soll man verstehen, soll man überdenken" (Bfih. 2, 4,5); — „ihn
„soll man erforschen, ihn soll man suchen zu erkennen" (Chänd.
8, 7, 1); — „Om ist das Wort, durch das ihr an den Atman
„denkt" (Mund. 2, 2, 6). Biese Meditation wäre moht möglich,
wenn der Seele kein Thätersein zukäme; auch daraus also folgt,
dafs sie ein Thäter ist.
Fünfzehntea Adhikaranam.
40. yathd ca takshä uhhayathä
und wie ein Zimmermann auf beide Art.
Wir haben also aus der Zweckhaftigkeit des Schriftkanons und
673 aus andern Gründen das Thätersein der verkörperten Seele | er-
ssm
8ü.train II. iii. 40. 425
wiesen« Nun aber fragt sieb weiter, ob dieses Thatersein der
Seele Ton Natur eigen ist, oder ob es nur durob die Upftdbi*s
bedingt wird; und man konnte 'aus eben den genannten Gründen,
*der Zweckbaftigkeit des Scbriftkanons u. s. w., scbliefsen, dafs
'das Tbätersein der Seele ein ibr von Natur an eigenes sei, da ein
'Grund, ihr dieses abz^isprecben, nicbt vorliegt'.
Auf diese Annahme erwidern wir: das Tbätersein kann der
Seele nicht von Natur an eigen sein, weil dann keine Erlösung
möglich wäre. Denn wäre der Seele das Tbätersein von Natur
eigen, so gäbe es davon keine Befreiung, wie für das Feuer keine
von der Hitze; ohne Befreiung vom Tbätersein aber ist die Er-
reichung des Zieles des Menschen nicht möglich, da alles Thun
seinem Wesen nach ein Leiden ist [die Erlösung aber in einer
Befreiung vom Leiden besteht].
'Aber läfst sich nicht das Ziel des Menschen dadurch erreichen,
'dafs man, wenn auch die Kraft des Thäterseins fortbesteht, die
'Wirkungen des Thäterseins vermeidet, indem man die Yeranlas-
'sungen dazu meidet, so wie beim Feuer, wenn es auch diä Kraft
'des Brennens besitzt, die Wirkung des Brennens nicht erfolgt,
'wenn man ihm das Holz entzieht?* — Mit nichten! Deim es ist
unmöglich, die Veranlassungen, wenn sie auch nur durch eine
kraftartige [potentielle] Verbindung [mit dem Thäter] verbunden
sind, gänzlich zu vermeiden. — 'Aber wäre die Erlösung nicht
'auch dadurch zu erreichen» dafs man die Mittel zu derselben in
'Anwendung brächte?' — Nein! weil, was auf Mitteki beruht, nicht
ewig ist.
Dazu kommt, dafs die Vollbringung der Erlösung dargestellt
wird als erfolgend durch die Belehrung über die ewige, reine, weise
und freie [mit Brahman identische] Seele, eine Belolirung über die
Soele als eine so beschaffene aber nicht möglich ist, wenn ibr
das Tbätersein von Natur an | eigen ist. 674
Folglich beruht das Tbätersein der Seele nur darauf, dals ibr
die Qualitäten der Upädhi's übergeworfen sind, und nicbt auf ihrer
eigenen Natur. Und so lehrt es die Schrift, wenn sie sagt: „es
„ist als ob sie sänne, es ist als ob sie schwankend sich bewegte"
(Bph. 4, 3, 7); und wenn sie in der SteUe (Kä|h. 3,4):
JDcn Atman, mit den Sinnen und dem Manas
„Verbunden, nennt der Weise den «Geniefser»'^,
aussagt, dafs die Seele nur durch die Verbindung mit den Up&dhi's
in den specifischen Zustand des Geniefserseins und [Thäterseins]
übergeht. Denn es giebt, nach der Ansicht der Urteilsfähigen,
überhaupt keinen von der höchsten Seele verschiedenen, „die in«
„dividuelle Seele (Jiva)" genannten Thäter und Geniefser, weil die
Schrift sagt: „nicht giebt es aufser ihm einen Sehenden" u. s. w.
(Brih 3,7,23).
426 QMrika-iniitt&nsIl
^Aber wenn es aufsor der höchsten Seele keine mit Geistigkeit
'begabte, individuelle Seele giebt, die nach Abzug des Aggregates
*Ton Buddhi u. s. w. noch bestünde, so folgt doch, dafs die höchste
'Seele selbst umwandemd, handelnd and geniefsend ist?* — 0 nein!
Denn das Thätersein und das Geniefsersein beruhen nur auf dem
Nichtwissen. So nämliph lehrt es die Schrift, wenn sie sagt: ,,Denn
675 „wo eine Zweiheit gleichsam ist, da sieht einer | den andern''
(Brih. 4,5, 15) ; und nachdem sie in diesen Worten gezeigt hat^
wie auf dem Standpunkte des Nichtwissens das Thätersein und das
Geniefsersein bestehen, so verneint sie eben dieses Thätersein und
Geniefsersein für den Standpunkt des Wissens, indem sie fortfahrt:
„wo aber einem alles zum eigenen Selbste geworden ist, wie sollte
„er da irgendwen sehen?" — Ebenso zeigt die Schrift (Bjrih. 4, 3, 19),
wie die Seele im Traume und Wachen, zufolge der Beruhnmg
mit den Up&dhi's, wie ein im Lufträume umherfliegender Falke
ermüdet, wie hingegen im Tiefschlafe, wo sie von dem erkenntnis-
artigen Selbste umschlungen ist, keine Ermüdung stattfindet: „das
„ist die Weseusform desselben, in der er gestillten Yerlangens,
■ „selbst sein Verlangen, ohne Verlangen ist und vom Kummer ge-
„schieden" ; und weiterhin zusammenfassend : „dieses ist sein hoch-
„stes Ziel, dieses ist sein höchstes Glück, dieses ist seine höchste
„Welt, dieses ist seine höchste Wonne." — Eben dies < sagt nun
auch der Lehrer [in unserem Sütram]: „und wie ein Zimmermann
„auf beide Art", wobei „und" soviel bedeutet wie „aber". D. h.:
man mufs nicht glauben, dafs das Thätersein. von Natur an der
Seele eigen sei, wie dem Feuer die Hitze. Vielmehr, wie im Leben
ein Zimmermann mit der Axt und den andern Geräten in der
Hand thätig ist und Schmerz empfindet, dann .aber nach Hause
geht, die Axt und sonstigen Geräte ablegt und in seinem natür-
lichen Zustande, feiernd und ohne Arbeit Lust empfindet, so auch
ist die Seele, solange sie mit der im Nichtwissen gegründeten
Zweiheit behaftet ist, in den Zuständen des Traumes und des Wa-
chens, thätig und empfindet Schmerz, dann aber geht sie, um die
Ermüdung abzuwerfen, in ihr eigenes Selbst, d. h. in die höchste
Seele , ein , ist befreit von dem Komplex der Werkzeuge des Wir-
676 kens, ist nicht handelnd und empfindet Lust | in dem. Zustande
des Tiefschlafes und ebenso in dem Zustande der Erlösung, wo
sie, nachdem die Finsternis des Nichtwissens durch die Fackel des
Wissens verscheucht ist, reine (kevala) Seele, feiernd und selig ist.
Das Gleichnis vom Zimmermann aber ist folgendermafsen aufzu-
fassen: der Zimmermann ist bei den verschiedenen Arbeiten des
Zimmems u. s. w. in B[insicht auf die bestinunten Werkzeuge,
Axt u. 8. w. , Thäter, mit seinem blofsen Leibe aber Nichtth&ter;
ebenso ist die Seele bei allen ihren Bemühungen in Hinsicht auf
die Organe, Manas u. s. w., Thäter, mit ihrem eigenen Selbste aber
Nichtthäter. Hingegen hat die Seele nicht, wie der Zimmermann.
Sötram II. in. 40. 427
Gliedmsfsen, mit denen sie, wie der Zinunermaim mit den Händen
die Axt u. s. w., so die Organe, Manas n. s. w., ergpriffe oder bei-
seite legte.
Wenn aber behauptet wurde (Sütram 33)« dafs wegen der Zweck-
haftigkeit des Schriftkanons und aus andern Gründen das Thäter-
sein der Seele von Natur eigen sein müsse, so ist zunächst zu be-
merken, dafs der Pflichtkanon das Thätersein nur als eine Ahnahme
voraussetzt und unter dieser Voraussetzung eine bestimmte Art
des Thuns vorschreibt, nicht aber das Thätersein der Seele lehrt.
Dafs aber das Thätersein ihr tdcht von Natur eigen ist, folgt, wie
wir sahen, aus der Lehre, dafs sie ihrem Weden nach Brahman ist.
Man mufs also annehmen, dafs der Pflichtkanon vorgeht, indem
er das vom Nichtwissen bedingte Thätersein blofs voraussetzt, und
auch Schriftst^Uen wie: „er ist das Handelnde, das Erkenntnis-
„Selbst, der Geist''- (Pragna 4, 9), tragen nur den Charakter einer
Erläuterung (anuväd^) und sind bestimmt, das blofs vorausgesetzte,
nämlich durch das Nichtwissen erzeugte, Thätersein zu erläutern.
Damit sind auch die Stellen | von dem Wandeln und Nehmen 677
(Sütram 34 — 35) abgefertigt, indepoi auqh sie nur den Charakter
einer Erläuterung tragen. — 'Aber wenn es von dem Verbindungs-
'stande, wo doch die Organe eingeschlafen sind, heifst: „sie zieht
S,in ihrem Leibe nach Belieben umher" (Brih. 2, 1, 18), so wird
'doch hier ein Wandeln gelehrt, welches auf ein Thätersein i der
'[von den Organen] freien Seele schliefsen läfst; und ebenso ist es
'mit dem Nehmen; denn wenn es von den Organen heifst: „dann
'„hat sie durch die Erkenntnis die Erkenntnis jener Lebensorgane
'„an sich genommen" (Bph. 2, 1, 17), so gebraucht doch hier die
'Schrift von den Organen die Kasus des Objektes (Accusativ) und
'des Werkzeuges (Instrumentalis), [nicht aber den Kasus des Thä-
'ters (Nominativ)], und hieraus scheint zu folgen, dafs das Thäter-
'sein der Seele, auch sofern sie [von den Organen] befreit ist, zu-
'kommt!* — Hierauf erwidern wir: was zunächst den Verbindungs-
stand betrifl't, so findet in demselben keine gänzliche Ruh^ der
Seele statt, denn es heifst: „mit dem Bewufstsein (dht) überschreitet
„sie, w^nn sie Schlaf geworden, diese Welt" (Brih. 4, 3, 7, mit
der Lesart der Mädhyandina^s sadhtft statt sa M) ; hierin liegt, dafs
auch dann die Seele mit dem Bewufstsein [d. h. dem Manas] ver-
bunden bleibt. Und dies lehrt auch die Smriti (Mahäbh. 12, 9897):
„Wenn, bei der Sinne Ruhen, nicht ruhend, der Verstand
„Mit Dingen ist beschäftigt, das wird ein Traum genannt."
Auch sagt die Schrift, dafs die Funktionen des Manas das Ver-
langen u. s. w. sind (vgl. Brih. 1, 5, 3); diese aber zeigen sich
auch im Schlafe, | woraus folgt, dafs die Seele bei dem Wandeln 678
im Schlafe mit dem Manas verbunden bleibt. Übrigens ist auch
dieses Wandeln nur auf [subjektiven] Erscheinungen {väsanä) be-
428 C&^<^ft*iniinlkd8&
ruhend nnd nicht im höchsten Sinne reAl, wie denn auch die
Schrift das Thun im Schlafe so schildert, dafs sie ihm das Wort
„gleichsam" beifägt, indem es heifst (Bph. 4, 3, 13):
j^anchmal mit Frauen gleichsam lieblich schersend,
„Manchmal gleichsam Entsetidiches erblickend/'
Und in ähnlicher Weise pflegt man ja aäch im gewohnlichen Leben
vom Traume zu reden; denn man sagt: „ich bestieg gleichsam
„einen Berggipfel; ich erblickte gleiohsam einen Löwen/* — Ebenso
ist es bestellt mit dem „ Nehmen'* (Sütram 35); denn wenn auch
(an der 'betreffenden Stelle, Brih. 2» 1, 17) von den Organen die
Kasus des Objektes und des Werkzeuges [nicht der des Thäters]
gebraucht werden, sq ist doch das Thatersein der ^eele dahin zu
verstehen, dafs es nur statthat, sofern sie mit jenen [Organen]
verbunden ist, weil, wie gezeigt, ein Thatersein der [von Orga-.
nen] freien Seele unmöglich ist. Auch im gewöhnlichen. Leben
pflegt man ja zu sagen: „der Fürst kämpft vermittelst seiner
„Krieger*^, wobei gemeint ist, dafs nur .die Krieger kämpfen.
679 Übrigens | ist auch bei diesem „Nehmen** nur von einem Zar-
Ruhe -Kommen der Thätigkeit der Organe die Rede, nicht aber
davon, dafs hier irgendwer [die Seele] selbständig und ohne Yor^
aussetzung der Buddhi wirke, denn es i£t klar, dafs das Zur-
Ruhe-Kommen der Thätigkeit der Organe sich nur auf diese selbst
bezieht. Wenn femer (Sütram 36) auf die Stelle verwiesen wurde:
„Erkenntnis wirkt das Opfer** (Tutt. 2, 6), so ist zu bemerken,
dafs dieselbe nur ein Thatersein der Buddhi lehrt; denn das Wort
„Erkenntnis** wird gewöhnlich von dieser gebraucht, wie ja auch
unmittelbar vorher (Taitt. 2, 4) von dem Manas die Rede ist.
Femer werden dabei als Glieder des, erkenntnisartigen Selbstes
der Glaube u. s» w. erwähnt, denn es heifst: „der Glaube ist sein
„Haupt** u. s. w. (Taitt. 2, 4); der Glaube u. s. w. aber sind be-
kanntlich Eigenschaften der Buddhi; wie es ja auch weiter heifst:
„Erkenntnis ehren alle Götter als Brahman und als Ältestes**
(Taitt. 2, 5), welches sich auf die Buddhi beziehen mufs, da diese
[als Hiraftyaffarbhä] das Erstgeborene und Älteste ist; wie denn
auch an einer andern Schriftstelle: „das Opfer ist eine Erhebung
„höher und höher empor der Rede und des Gedankens*^ (ausgesagt
680 wird, I dafs das Opfer durch die Rede und die [somit dem Opfer
^ vorgängige] Buddhi bewirkt werde.
Auch findet durchaus keine Yertauschung der Funktionen der
Buddhi statt (vgl. Sütram 38), wenn wir das Thatersein den Or-
ganen zuschreiben; denn alle Organe sind bei ihren Funktionen
notwendigerweise Thäter; aber das Thatersein dieser Organe er-
fordert noch die Apperception (upalahdht)^ und diese kommt der
Seele zu; damit ist aber .kein Thatersein derselben gesetzt, weil
ihr Wesen eine ewige Apperception ist. Das Selbstbewufstsein
■ mMi
Sütraoi II. ra. 40. 429
(akafiMra) aber geht zwnr dem Thätersein, nicht aber der Apper-
ception voraus, indem auch das SelbBthewnTstsein ein Oegei^and
der Apperception ist. Somit ist kein Grund vorhanden, andere
Organe aufzustellen, indem wir das Organsein der Buddhi fest-
halten.
Was endlich die Unmöglichkeit der Meditation betrifit (Sütram
39), so ist dies schon durch Besprechung der Zweckhaftigkeit des
Schrifikanons erledigt, indem der Kanon die Annahme des Thäter-
seins voraussetzt und nur unter dieser Voraussetzung die Medita-
tion vorschreibt.
Es steht somit fest, dafs, wenn die Seele auch Thäter ist, die-
ses ihr Th&tersein doch nur ein durch die Upftdhi's bedingtes [kein
ihr von Natur an eigenes] ist.
Sechzehntes Adhikaraf^m.
41. parM tu, tac-chruteh
vielmehr von dem Höchsten, weil so die Schrift.
Es wurde gezeigt, wie auf dem Standpunkte des Nichtwissens
ein durch die Up&dhi's bedingtes Thätersein der individuellen
Seele statthat, und es fragt sich weiter, ob dieses Thätersein un-
abhängig von Oott oder von Gott abhängig ist? — | Angenom- 681
men also, *die Seele sei bei ihrem Thun nicht von Gott abhängig;
'warum? weil für eine Abhängigkeit kein Grund vorhanden ist.
*Denn die Seele, wie sie mit den Fehlem der Liebe, des Hasses
*u. s. w. verbunden und mit dem Zubehör der übrigen Mittel zum
'Wirken [Buddhi u. s. w.] versehen ist, ist für sich allein im
'Stande, das Thätersein durchzuführen, und es ist nicht abzu-
'sehen, was Gott dabei soll. Auch weist die Erfahrung nicht dar*
'auf hin, dafs bei den Werken, wie z. B. dem Pflügen u. s. w.,
'so wie der Pflugstier u. s. w., aufserdem noch ein Gott zu Hülfe
'zu nehmen ist. Ferner würde dabei Gott, sofern er die Kreaturen
'mit dem Thätersein und seiner Not heimsuchte, von dem Yor-
' würfe der Unbarmherzigkeit getroffen werden; und ebenso von
'dem der Ungerechtigkeit, sofern er ein Thätersein mit ungleichem
f Lohne verhängen würde.' — Aber hiefs es nicht: „Ungerechtig-
„keit und Unbarmherzigkeit nicht; weil er Rücksicht nimmt"
(Sütram 2, 1, 34)? — 'Allerdings! aber dieses gilt nur unter der
'Voraussetzung, dafs eine Rücksichtnahme von Seiten Gottes wirk-
4ich stattfindet; es findet aber eine solche Rücksichtnahme von
430 giLilraka-mliiiliAa
^Seiten Gottes gar nicht statt; denn wenn die Gerechtigkeit und
'Ungerechtigkeit der Kreaturen vorhanden ist, — und an ihr^n
^YorhandeDsein ist nicht zu sveifeln, — und wenn das Thfttersein
'der Seele feststeht, worauf soll sich dann, gesetst, dieses Thater-
'sein sei von Gott abh&ngig, diese Abhftogigkeit von Gott er-
^^ 'strecken? Hierzu kommt, | daüi in diesem Falle die Seele auch
'Yon unverschuldetem würde betrofiTen werden. Somit ergiebt sich,
'dafs das Th&tersein nur der Seele fär sich allein zukommt.*
Nachdem diese Annahme durch das Wort „yielmehr" abgelehnt
worden, erklart das Sütram: „von dem Höchsten"; d. h,: für die
individuelle Seele, welche im Zustande des Nichtwissens unvermö-
gend, das [als Leib erscheinende] Aggregat der Werkzeuge des
Wirkens [von der Seele] zu unterscheiden, und durch die Finster-
nis des Nichtwissens blind ist, kommt vop der höchsten Seele,
dem Aufseher der Werke, dem in allen Wesen wohnenden Zu-
schauer, dem Got^, der die Ursache der Geistigkeit ist, von
ihm, durch seine Bewilligung der aus den Zuständen des Thuns
und Geniefsens (Leidens) bestehende San^s&ra, und durch seine
Gnade als Ursache die Erkenntnis und durch diese die Erlösung.
Warum? „weil so die Schrift"; denn wenn auch die Seele mit den
Fehlern der Liebe u. s. w. verbunden und mit dem Zubehör aus-
gerüstet ist, und wenn auch die Erfahrung bei Werken wie dem
Pflügen u. s. w. eine Ursächlichkeit Gottes nicht an die Hand giebt,
so wird doch von der Schrift die Entscheidung geföUt, dafs bei
allem Thun und Treiben Gott der ursächliche Bewirker ist. Denn
so sagt die Schrift: „denn er allein l&Tst das gute Werk thun den,
„welchen er aus diesen Welten emporführen will, und er allein
„läfst das böse 'Werk thun den, welchen er abwärts führen wiU"
(Kaush. 3, 8) und: „der in dem Selbste wohnend . . • das Selbst
„innerlich regiert" (Brih. 3, 7, 22 Mädhy.).
'Aber treffen nicht, wenn in dieser Weise Gott der Thäter ist,
'diesen die Vorwürfe der Ungerechtigkeit und Unbarmherzigkeit,
'und würde dann nicht die Seele auch von Unverschuldetem be-
Hi'offen werden?' — Wir antworten: nein,
683 43. krita-prayatna'-apelcshas tu, mhita-pratishiddha^
avaiyarthya - ädibhyah
•
vielmehr nimmt er Rücksicht auf die vollbrachte Be-
mühmig, weil die Gebote und Verbote nicht zwecklos
sein können und aus andern Gründen.
Das Wort „vielmehr" hat den Zweck, das beregte Bedenken
abzuweisen; nämlich Gott macht die Seele handeln, jedoch, indem
Bttism n. m. 42. 431
«
er dabei Rücksieht Bxnimt auf die von ihr yollbraohte Bemühung
im Outen und Bösen; daher die erhobenen Einwürfe nicht zutreffen.
Das von den Seelen verübte Gute und Böse ist ungleich; mit
Rücksicht darauf yerteüt Gott auch die entsprechende Frucht in
ungleicher Weise, indem er, wie der Regen, dabei nur die bewirkende
Ursache (niwiUam) ii^. ^Denn wie im Leben für die mancherlei
Büsche und Sträucher, für Reis, Gerste u. s. w., wie sie, jedes
aua seinem Samen, der nicht gemeinsam ist, entstehen, die gemein-
same Ursache der Regen ist, indem ohne den Regen die Verschie-
denheit derselben an Saft, Blüte, Frucht, Blatt u. s. w. sich nicht
entwickeln kann, aber auch nicht ohne den für jede Art beson-
deren Samen, — so verteilt Gott, indem er auf die vollbrachte
Bemühung der Seelen Rücksicht nimmt, das Gute und Schlimme
(f^ha-d^ham) unter dieselben. — 'Aber kann diese Rücksicht-
^nahme auf die vollbrachte Bemühung der Seele mit der Abhluigig-
'keit alles Thaterseins von Gott zusammen be|tehen?' — Allerdings!
denn obgleich das Thatersoin von Gott abhängig ist, so handelt
(karoH) doch nur die Seele, während Gott sie, indem sie handelt,^
handeln macht (kärayatf^; und wie er 'sie jetzt handeln macht
mit Rücksicht auf die vormalige Bemühung, so machte er sie vor-
mals handeln mit Rücksicht auf eine noch frühere Bemühung; |
denn weil der Samsära ohne<Anfang ist, l&fst sich hiergegen nichts 684
einwenden. — 'Aber woraus erkennen wir denn, dafs Gott auf
'die vollbrachte Bemühung Rücksicht nimmt?' — Hierauf dient
zur Antwort: „weil die Gebote und Verbote nicht zwecklos sein
„können und aus andern Gründen". Nämlich wenn es z. B. heifst :
„es opfere wer nach dem Himmel begehrt" oder: „einen Brahma-
„nen soll man nicht töten", so können derartige Gebote und Ver-
bote nicht zwecklos sein; in jedem andern Falle aber würden sie
zwecklos sein, und nur Gott selbst würde durch die Gebote und
Verbote verbindlich gemacht werden, wenn die Seele schlechthin
von ihm abhängig wäre. Auch Könnte er dann [ebenso gut wie
umgekehrt] den Vollbringer der Gebote mit Unglück und den Voll-
bringer der Verbote mit Glück bedenken, und damit würde die
Autorität des Veda liiiifuliig werden. Ja, wenn Gott ganz ohne
jene Rücksichtnahme verführe, so würde sogar die weltliche Tbätig^
keit des Menschen zwecklos sein. Und. ebenso würde der früher
besprochene Fehler eintreten, dafs Ort, Zeit und Ursache [nicht
in Betracht kämen und somit alles aus allem entstehen könnte; vgl.
p. 671, 4, Seite A23]. - Diese und andere Einwoi-fe sind unter
den „andern Gründen , welche das Sütram andeutet, zu^ verstehen.
432 QHrfraka-mtmftnsä
Siebzehntes Adhikaranam^
43. ahgOf nänä'Vyapadegddy anyaihd ca api däga-
Jcüava-dditvafn adhiyaia! eke
ein Teil, 1) wegen Bezeichnung der Verschiedenheit,
und weil 2) auch hinwiderum, dafs er Fischer, Spie-
ler u. 8. w. sei, von einigen gelehrt wird,^
Wir zeigten, dafs die Seele und Gott in dem Yerhftltnisse des
Unterstützten und des Unterstützers zu einander sterben. Ein sol-
ches nrni kann, wie die £xfahrang zeigt, nur zwischen zwei Yer-
685 hundenen stattfinden, [ wie z. B. zwischen dem Herrn and dem
Diener oder wie zwischen dem Feuer und den Funken. Da nun
auch zwischen der Seele upd Gott das Verhältnis des Unterstützten
und des Unterstützers statthat, so fragt sich, ob ihre Verbindung
zu denken ist wie die zwischen dem Herrn und dem Diener oder
wie die zwischen dem Feuer und den Funken. Man könnte bei
dieser Frage annehmen, *dafs das Verhältnis ein unbestimmtes sei;'
oder auch, da das Verhältnis von Beherrscher und Beherrschtem
in der Regel ein solches zwischen einem Herrn und sein.em Diener
ist, so k6nnte man annehmen, dafs 'die Verbindung zwischen Gott
'und Seele in dieser Art zu denken sei'. — Hierauf antwortet der
Lehrer: „ein Teil", d. h. die Seele mufs ein Teil von Gott sein,
so wie die Funken von dem Feuer. Ein Teil soll heifsen „gleich-
„sam ein Teil", denn ein wirklicher Teil ist bei einem Gegen-
stande, der keine Glieder hat, nicht möglich. — 'Aber wie kommt
*es, da Gott doch keine Gliec*er hat, dafs die Seele nicht er selbst
*ist?' — „Wegen Bezeichnung der Verschiedenheit"; denn wenn es
heifst: „ihn soll man erforschen, ihn soll man suchen zu erkennen"
(Ghftnd. 8, 7, 1); — „wer ihn erkannt hat, der wird ein Muni
„(Schweiger)" (Brih. 4, 4, 22); — n^^^ ^^ ^®™ Selbste wohnend
„. . . das Selbst innerlich regiert" (Bph. 8, 7, 22 Mädhy.), — so
liegt hierin die Bezeichnung einer Verschiedenheit, welche nicht
angemessen wäre, wenn nicht wirklich eine Verschiedenheit statt-
fände. — 'Aber würde diese Bezeichnung der Verschiedenheit nicht
'viel besser durch den Vergleich mit dem Herrn und seinem Diener
'ausgedrückt werden?' — Darauf liegt die Antwort in den Wor-
ten: „und weil auch hinwiderum"; d. h. es findet sich eben nicht
blofs die „Bezeichnung der Verschiedenheit", so dafs wir durdi
sie allein yeranlafst würden, die Seele als einen Teil Gottes zu
betrachten, sondern es liegt „auch hinwiderum" eine Bezeichnung
vor, welche eine Nichtverschiedenheit zwischen beiden lehrt. In
Sfttram II. m. 43. 433
dieser Weise nämlich | wird von einigen Yedaschulen gelehrt, dafs 686
das Brahman auch „Fischer, Spieler u. s. w. sei'S nämlich von den
Anhängern des Alharva-Veda, hei denen es in dem Brahmanliede
[nicht in unserer Sammlung] heifst:
„Brahman die Fischer und die Knechte
„Brahman sogar die Spieler sind'*;
d. h. auch die Fischer, diese armseligen Tagelöhner, und die
Knechte, die sich an einen Herrn hängen, ja sogar die Spieler,
die das Würfelspiel betreiben, diese alle sind Brahman. Wenn
hier die elendesten Geschöpfe erwähpt werden, so soll damit ge-
sagt sein, dafs alle Seelen, wie sie in das aus Namen und Ge-
stalten gebildete Aggregat der Organe deu Wirkens eingegangen
sind, ohne Ausnahme Brahman sind. Dasselbe wird anderwärts
gelehrt, wo von Brahman die Bede ist, und es heilst (Qvet. 4, 3
:= Atharva-veda 10, 8, 27) :
,J)n bist das Weib, du bist der Mann, das Mädchen und der
Knabe,
„Du AT&chsty geboren, allerwärts, da wankst als Greis am Stabe **;
und (Taitt. är. 3, 12, 7):
■
y-fWenn alle Formen überdenkt der Weise
„Und sie als Namen blofs begreifend dasitzt,''
und: „nicht giebt es äufser ihm einen Sehenden" (Bfih. 3, 7, 23);
diese und andere Stellen beweisen, dafs alle Seelen Brahman sind.
Dasjenige aber, worin die Seelen und Gott identisch sind, ist die
Geistigkeit,* so wie dasjenige, woHn das Feuer und die Funken
identisch sind, die Hitze ist. — Also deswegen, weil beide sich
als verschieden und doch wieder nicht verschieden zeigen, mufs
man die Seele als einen Teil Gottes auffassen. — ' Und warum
weiter mufs man sie als einen Teil desselben auffassen?
44. mantra-varn&c ca 687
auch wegen des Schriftliedes.
Auch giebt es ein Schriftlied, welches dics^ Sache lehrt (Chänd.
3, 12, 6 = Rigv. 10, 90, 3):
„So grofs die Majest&t ist der Natur,
„So ist doch gröfser noch der Geist erhoben;
434 Qlürlraka-XDlmlinBä
■
yyEin Fafi von ihm sind alle Wesen nur,
„Drei und Unsterblichkeit im Himmel droben.^
Unter den f^Wesen" sind }der alle mit einer Seele ausgestatteten,
sowohl unbeweglichen (pflanzlichen) als auch beweglichen Geschöpfe
zu yerstehen, denn so wird [von letzteren] das Wort auch ge-
braucht in der Stelle: „keinen Wesen etwas zu Leide thuend,
„aul^er beim Opfer" (Ch&nd. 8, 15). Ein Fuls bedeutet iiier so
viel wie ein Teü oder ein Stück. Auch hieraus also folgt, dals
die Seele ein Teil von Oött ist. — Und woraus folgt es noch
weiter?
45. ofi ca amaryide
und auch die Smriti lehrt es.
Und auch die Smpti erwähnt in den Gottesliedem, dafs die
Seele ein Teil Gottes sei (Bhag. G. 15, 7):
„Ein Teil von mir nur in der Lebenswelt
^Ist jede Lebensseele ewiglich";
•
auch daraus also folgt, dafs die Seele ein Teil Gottes ist. — Wenn
hingegen behauptet wurde, dafs das Verhältnis zwischen Beherr-
acher und Beherrschtem in der Begel ein solches zwischen einem
Herrn und seinem Diener bedeute, so erwidern 'wir, dafs, wenn
es dies auch in der Regel bedeutet, doch hier der Schrift gemäfs
das Yerhältnis zwischen [Gott als] Beherrscher und [der Seele als]
Beherrschtem ak ein solches zwischen dem Ghmzen 'und seinem
688 Teile bestimmt werden mufs. | Nämlich der mit untibertre£Bichen
Upädhi's ausgestattete Gott übt Über die mit geringeren Upädhi's
ausgestatteten Seelen eine Herrschaft aus; so stimmt es ohne
Widerspruch zusammen.
Man könnte einwenden: 'wenn man die S^ele als einen Teil
^Gottes betrachtet, so mufs, während die Seele die ihr zukom-
'menden Schmerzen des SaiAsära erduldet, Gott, defsen Teil sie
4st, doch auch den Schmerz empfinden; ebenso wie im Leben,
'wenn einer an Hand oder Fufs oder sonst irgend einem seiner
'Teile Schmerz empfindet, der ganze, aus diesen Gliedern be-
istehende, Devadatta den Schmerz empfindet. Ja, Gott muis voi|
'noch viel gröfHcrera Schmerze betroffen werden als jene, und es
'ist vorzuziehen in dem anfänglichen Stande der Samsära zu ver-
'harren, indem die vollkommene Erkenntnis [durch die man mit
'Gott eins wird] nur zum Unglücke führt.' — Hierauf dient zur
Antwort :
Sttnm II. m. 46. 435
46. praMca-ddivan na evam parah
wie das Licht u. s. w. nicht ebenso der höchste.
Während die Seele den Scbmen des Sains&ra empfindet, so
empfindet denselben, wie wir annehmen, doch darum nicht auch
der höchste Gott. Denn die Seele snrar ist zofolge ihres Erfüllt-
seins von dem Nichtwissen ^^chsam in das Sein der Wesenheit
des Leibes u. s. "w. eingegangen, und bei einem hierdorch be-
dingten Schmerse denkt sie: „ich emj>finde Schmerz '' und bildet
sich ein, die auf dem Nichtwissen beruhende Empfindung des
Schmeraes wirklich zu haben; „nicht ebenso" aber IfiXst sich von
„dem höchsten 'S ▼on Gott behaupten, dafs er zur Wesenheit, des
Leibes u. s. w. werde | oder den Wahn des Schmerzes empfinde. 689
Und auch bei der Seele ist dieser Wahn des Schmerzes nur be-
dingt durch den Irrtum, dafs sie sich nicht zu unterscheiden weifs
von den Up&dhi's, d. h. von dem durch das Nichtwissen gebilde-
ten, aus den Kamen und Gestalten herTorgegangenen Leibe und
seinen Organen; nicht. aber ist die Schmerzempfindung im höchsten
Sinne real. Und so wie einer den seinen eigenen Leib betreffen-
den, durch Brennen, Schneiden u. s. w. bedingten Schmerz ver-
möge der Irrung jenes Wahnes empfindet, ebenso geschieht es,
dafs einer weiter auch den seine Kinder oder Freunde betreffen-
den Schmerz vermöge der Irrung jenes Wahnes empfindet, indem
er sich mit dem BewuTstsein: „ich bin der Sohn" — „ich bin
„der Freundt' vermittelst der Liebe in seinen Sohn, Freund u. s. w.
hineinversetzt. Und gerade hieraus ergiebt sich mit Gewifsheit,
dafs die ganze Empfindung des Schmerzeis nur auf dem Irrtum
eines falschen Wahnes beruht; es ergiebt sich nämlich dieses dar-
aus, dafs die Schmerzempfindung auch über den Leib hinausreioht
[wo sie doch nicht mehr real sein kann]. Nehmen wir z. B. an,
es säfsen viele zusammen, welche Söhne, Freunde u. dgl. hätten,
und zwar solche, welche den Wahn hegen, mit ihnen verbunden
zu sein, und auch andere, und es hiefse plötzlich: „eure Söhne
„sind tot", — „eure Freunde sind tot", so werden nur diejenigen,
welche den Wahn hegen, ihre Söhne, Freunde u. s. w. wirklich
zu besitzen, nur 'diese werden von dem dadurch verursachten
Schmerze ergriffen werden, nicht aber diejenigen, welche, wie
z. B. die Wandermönche, sich von jenem Wahne freigemacht haben.
Und aus diesem Gesichtspunkte kann sogar ein Weltmensch die
Glückseligkeit der vollkommenen Erkenntnis begreifen, um wie
vielmehr derjenige, welcher kein anderes Wesen als den objekt-
losen Atman und nichts, was von ihm verschieden wäre, erblickt
und seinem Wesen nach nur und allein die ewige Geistigkeit selbst
28*
43Q ^lrak&-ixiimft&stL
iiil Sa irt also nicht daran zu denken, dafs die rollkommene
Erkenntnis xum Unglücke fahrte.
Noch bringt das Sdiram einen Vergleich in den Worten: ,,wie
',, das. Licht u. s. w/^; d. h.: so wie das Licht der Sonne oder des
Mondes den Ranni durchdringt und, z. B. auf den Finger fallend,
durch diese Verbindung mit einem Üp&dhi, indem der Finger sich
krümmt oder streckt, an dieser Veränderung gleichsam teilnimmt,
690 I während es doch in Wahrheit nicht in das Sein des Fingers über-
geht, — oder wie der Baum in den Gefafsen, wenn diese sich
fortbewegen, sich gleichsam mit fortzubewegen scheint, während
ef doch in Wahrheit sich nicht fortbewegt , — ^ oder wie , wenn
eine Schüssel mit Wasser erschüttert wird, das in ihr sieh spie-
gelnde Abbild der Sonne mit erzittert, nicht aber die Sonne, von
der es stammt, — ^ in derselben Weise geschieht es, dafs, wenn
ein durch das Nichtyrissen aufgestellter, mit den Upidhrs der
Buddhi u. s* w. behafteter, „individuelle Seele" genannter Teil
Gottes Schmerz erleidet, dodi Gott selbst, dessen Teil er ist, nicht
mitleidet. Und auch bei der Seele bemhi, wie wir gezeigt haben,
die Empfindung des^ Schmerzes nur auf .dem Nichtwissen. Und
dem entspricht es, dafs die Vedüintatexte in Worten wie „das bist
„du" ("Chltnd. 6, 8, 7), das Sein der individuellen Seele ab ein
durch das Nichtwissen bedingtes verwerfen und das Brahmansein
der Seele lehren. — Somit steht fest, dafs bei dem Schmerz der
individuellen Seele die höchste Seele den Schmerz nicht mitempfindet.
47. smaranti ca
und auch die Smriti lehrt.
Und auch die Smriti eines Vy&sa u. s. w. lehrt, dafs von dem
Schmerze der individuellen Seele der höchste Atman nicht betroffen
wird, wenn sie sagt (Mahäbh. 12, 18754):
„Die höchste Seele, ewig, qualitfttlos,
„Wird durch die Fracht der Werke nicht befieckt,
„Wie durch das Wasser nicht das Lotosblatt.
„IMe niedere aber, die werkhafte Seele,
„Verknüpft mit der Erlösimg und der Bindung,
„Wird in das Dasein immer neu verstrickt
„Durch der Organe siebzehnfache Schaar.^'
601 I In dem Worte „und auch" liegt, dafs auch die Schrift ebendas-
selbe lehrt; z» B. wenn sie sagt (Mund. 3, 1, V:
„Der eine ifst die sQfse Beere,
„Der andre schant nichtessend zu;**
Sfttrun IL xn. 47. 437
und (K^tk 6» 11):
,,So bleibt die lim^re Seele ailer Weeen
y,Tom Schmens der Weltön uuberOhrt und frei.**
Hier nnn erhebt sich folgender Einwand« Wenn es sonach
doch nur eine innere Seele ftr aUe Weeen giebt, wie kdnnen
dann die Oebote und Verbote, sei es die weltlichen oder
die Yedischen, bestehen? — 'Kon, wir haben ja auseinander«
'gesetzt, dafs die Seelen auch Teile Gottes sind; sofern er nun sich
*in dieselben ^erteilt hat, können die Gebote und Yerbote, indem
'sie hierauf sich beziehen, ohne Durchkreuzung [der individuell ge«
*übten 'Pflichten und der entsprechenden Belohnungen] ihren Lauf
'haben; was bleibt jeiIso dabei zu fragen?' — Antwort: dem ist
nicht so! denn es giebt auch Schriftstdlen, welche lehren, dafs
die Seele nicht ein Uofser Teil Gottes sei, indem sie vielmehr ihre
Identit&t mit Gott behaupten; z. B. wenn es heifst: „nachdem er
„dieses erschaffen, ging er in dasselbe ein'* (Taitt. 2, 6); — „nicht
„giebt es aufser ihm einen Sehenden *' (Bph. 3, 7» 23), — »von
„Tod zu Tode wird verstrickt, wer ein Verschiedenes hier ^bljokt*'
<Bph. 4, 4, 19); — „das* bist du" (Oh&nd. 6, 8, 7); — „ich bin
„Brahman" (Bi-ih. 1,4, 10). — 'Aber wir sagten ja doch, dab
'die Seele gerade insofern ein Teil von Brahman sei, als sie mit
'ihm nicht identisch und doch identisch sei!* — Das möchte ab-
geben, wenn in der Schrift die Absicht bestünde, beides, die Kicht-
Identität und Tdentit^t, zu lehren ; es besteht in ihr aber vielmehr
die Absicht, nur die Identität zu iBhren, sofern das Ziel des Men-
schen dadurch erreicht wird, dafs er sich als die Wesenheit des
Brahman erkennt. Was hingegen die von Natiir aus für wahr ge-
haltene Nichtidcntität beider betrifft, so wird diese von der Schrift
nur liftls die Meinung des natürlichen Menschen] erwähnt. Hierzu
kommt, dafs das Brahman ohne Glieder ist, dafs somit die Seele un-
möglich im eigentlichen Sinne einen Teil von ihm ausmachen kann.
I Hieraus folgt, dafs es die eine höchste Seele selbst sein mufs, 692
welche als das innere Selbst aller Wesen in Gestalt der individu-
ellen Seele besteht. Somit bleibt allerdings die Möglichkeit dei^
Gebote und Verbote noch zu erklären; und dieses wollen wir denn
jetzo unternehmen.
48. anujM-parikdrau deha-sambandhäj; jyoür-ädi-vat
Gebote und Vorbote durch die Verbindung mit dena
Leibe; wie bei dem Lichte u. s. w.
Nehmen wir denn ein Gebot wie: „man soll zur rechten Zeit
„sein Weib besuchen" und ein Verbot wie: „man soll dem Weibe
438 ^lraka-iiiliB&jk8&
y,d«8 Lehrers nioht nahen;*'. — oder ein' Gebot wie: „man soll
>,daJi Opfertier um seine Erlaubnis fragen ^S ^^^ ^^ Verbot wie:
,^an soll keinem Wesen etwas bu Leide thnn*'; — oder im welt-
lichen Sinne ein Gebot wie: „man soll seinem Freunde dienen*'
und ein Verbot wie: „man soll den Feind meiden" , — so kfinnen
derartige Gebote und Verbote trots der Einheit der Seele bestehen
„durch die Verbindung mit dem Leibe", d. h, weil die Seele, mit
den Leibern yerbunden ist. Worin besteht nun diese Verbindung
mit den Leibern? Darin, dafs in der Seele die verkehrte Mei-
nung sich bildet: „dieses Aggregat des Leibes u. s. w. bin ich."
Diese Meinung seigt sieh bei allen lebenden Weseh in dem Be-
WttXstsei^: ,,ich gehe, — loh komme, — ^ ich bin blind, — ich bin
tf sehe od, — ich bin verrückt, — ich bin bei Verstände" u. s. w.
Denn diese Meinung besteht ftberall, wo sie nicht durch die voll«
kommene Erkenntnis aufgehoben ist; vor der vollkonunenen Er-
kenntnis aber erstreckt sich dieser Irrtum durch alle Kreaturen
hindurch. Da dem so ist, so können, auch wenn man die Ein-
heit der Seele annimmt, sufolge der Unterscheidung, welche be-
wirkt wird durch die Verbindung mit den ITp&dhi's, d. h. mit dem
durch das Nichtwissen bedingten Leibe u. s. w., die Gebote und
Verbote bestehen. — 'Aber dann folgt doch, dafs wenigstens för
'den, welcher die vollkommene Erkenntnis besitzt, die .Gebote und
'Verbote bedeutungslos sind?' -^ Doch nicht, sondern nur, weil
er den Zweck schon erreicht hat, findet auf ihn die Verpfiiditung
€93 keine Anwendung mehr. | Denn der Verpflichtete wird verpflichtet,
weil ein zu Meidendes oder zu Erlangendes vorhanden ist; der-
jenige nun, welcher kein Ding'aufser dem Selbste (ätman) erblickt,
fRr den also nichts mehr besteht, was er vermeiden oder erlangen
könnte, kann nicht verpflichtet werden, denn das Selbst kann doch
nicht in Bezug auf sich selbst verpflichtet werden. — 'Aber, ver-
'pflichtet wird doch ein jeder, welcher das Hinausreichen der*Seele
'über den J^eib [die Unsterblichkeit, auf der das vedisohe Gesetz
'beruht] anerkennt?* — Doch nicht l sondern nur dann, wenn er
den Wahn hat, mit dem Leibe verbunden zu sein. Freilich ist
es richtig, dafs man das Hinausreichen der Seele Über den Leib
anerkennen mufs, um verpflichtet werden zu können; aber doch
nur derjenige, welcher nicht erkennt, dafs die Seele so wenig mii
dem Leibe verbunden ist wie der Baum [mit den Geftfsen], unter-
liegt dem Wahne der Verpflichtung; keiner aber, der auch nur
die NichtVerknüpfung der Seele mit dem Leibe erkennt, unterliegt
der Verpflichtung, wie viel weniger deijenige, welcher die Einheit
der Seele erkennt. Übrigens folgt nicht, dafs derjenige,
welcher die vollkommene Erkenntnis besitzt, weil auf
ihn keine Verpflichtung mehr Anwendung findet, nun
wandeln wird wie es ihm beliebt; denn dasjenige, was
zu allem Handeln antreibt, ist nur jener Wahn, und
Stiitmt TL m. 4a 439
dieser Wahn besteht nicht mehr bei dem, weloher die
Tollkommene Erkenntnis besitst. — Somit bestehen [onge*
achtet der Einheit alles Seienden in dem Atman» doch] die Ge-
bote nnd Yerbote, znfolge der Verbindung mit dem Leibe, zu
Becht^ nnd es ist datnit „wie bei dem Liebte u. s. v.". D. h.:
wie zwar das Licht eines ist, aber doch das fleisohrenehrende
[Leichen-}Fener yermieden wird, nnd nicht das andere; — oder
wie das Sonnenlicht zwar eines ist nnd doch, wo es an unreine
Orte scheint, vermieden wird, nicht aber anderwärts an reinen
Orten ; — und wie ebenso gewisse erdige. Substanzen, wie der Dia-
mant I und Beryll aufgesucht werden, w&hrend hingegen Menschen- 694
leichen, obwohl auch sie aus Erde bestehen, gemieden werden; •—
und wie ebenso Harn und Kot von E&hen als Reinigungsmittel
angewendet wird, während eben dieselben bei andern Wesen yer-
mieden werden, — in derselben Weise yerh< es sich in unserm
Falle.
49. MantateQ ca avyaUkarah
und Nichtdorchkreozung wegen der Nichterstreckung.
Es können also die Gebote und Verbote bestehen, sofern die
Seele, wiewohl sie eine ist, sich mit yersohiedenen Leibern yer-
bindet. -— ^Aber', so könnte man einwerfen, 'wenn man die fSn-
'heit der Seelen annimmt, dann mufs doch die Verbindung der-
'selben mit der Frucht der Werke sich g^enseitig durchkreuzen,
'da der, welcher sie zu eigen hat, nur einer ist?' — Aber dem
ist nicht so , „ wegen der Nichterstreckung " , d. h. weil fftr die
handelnde und geniefsende Seele eine Erstreckung, eine Verbindung
mit allen Leibern, nicht besteht. Denn die indiyiduelle Seele ist,
wie wir sahen, nur durch die Up&dhi's bedingt; da diese sich
nicht durch alles erstrecken, so kann es die individuelle Seele auch
nicht; und daher ist eine Durchkreuzung der Werke oder eine
Durehkreuzimg der Früchte nicht möglich.
50. ähhäsa^ eva ca
nur ein Scheinbild auch.
Auch ist diese individuelle Seele anzusehen als ein blofses
Scheihbild der höchsten Seele, vergleichbar dem Sonnenbild im
Wasser; sie ist nicht geradezu jene selbst, und ist doch auch nicht
ein von ihr verschiedenes Ding. Wie nun dadurch, | dafs irgend 695
ein Sonnenbild im Wasser erzittert, die andern Sonnenbilder nicht
440 g&rlrakA^Dha&nsl^
miterzittem, so braacht auch nicht deswegen, weil die eine indivi*
duelle Seelö imt einer Werkfrucht Yerbonden ist, auch eine andere
damit verbunden ^u sein; daher keine Durchkreuzung der Werk-
fruchte zu besorgen ist. Weil aber jenes Scheinbild vom Nichts
wissen erzeugt wurde, darum mufs auch der Sax|XB&ra, welch^r auf
ihm beruht, Tom Nichtwissen * erzeugt sein; und daher kommt es,
dafs schon durch die blofse Beseitigung jenes Kichtwissens die
Erkenntnis sich ergiebt, dafs im Sinne der höchsten Realit&t die
Seele das Bridiman ist.
Diejenigen aber, welche eine Vielheit von Seelen, die sämtlidi
Allgegenwärtig seien, annehmen, können 'jener Durchkreuzung nloht
entrinnen. Wir wollen zeigen warum. — Die S&nkhya's nehmen
an, dafs es viele, alldnrchdringende Seelen giebt, welche ihrem
Wesen nach reine Geistigkeit, qualitätlos und das absolut Höchste
sind; dafs um ihrer willen die gemeinsame Urmaterie vorhanden ist,
und dafs mit deren Hälfe das Geniefsen und die Erlösung der
Seelen vollzogen wird. — Hingegen meinen die Anhänger des
Kanada, dafs die Seelen, trotz ihrer Vielheit und Alldurchdringung,
doch ihrem Wesen nach blofse Substanzen seien, welche an sich
696 ebenso wie ein Topf oder eine Wand | ohne Geist sind, dafs diesen
die atomartig kleinen -und ebenfalls ungeistigen Manas's zur Hülfe
kommen, und dafs nun, jenaohdem die Seelen-Substanzen und die
Manas-Substanzen sich verbinden oder nicht verbinden, die spe-
ciellen Qualitäten der. Seele, die Zuneigung u. s. w., entstehen;
wenn nun diese Qualitäten, ohne sich zu durchkreuzen, den ein-
zelnen Seelen inhärent bleiben, so ist das der Sams4ra der Seelen ;
wenn hingegen die neun -Qualitäten der Seele [welche sie annehmen,
nämlich: Erkenntnis, Lust, Leid, Zuneigung, Abneigung, Wille,
Gerechtigkeit, Ungerechtigkeit) Einbildung] völlig zu entstehen auf-
hören, so erfolgt die Erlösung. — Was nun zunächst die San-
khya's betrifft, so folgt aus ihrer Annahme, wonach alle Seelen
geistiger Natur und ohne Unterschied überall gegenwärtig sind,
notwendigerweise, dafs bei der Verbindung einer einzelnen Seele
mit Lust und Schmerz alle Seelen mit der Lust und dem Schmerze
verbunden sind. — 'Nun ja, aber da die Entfaltung der Materie
*die Erlösung der Purnsha^s bezweckt, so mufs doch eine Isoliert-
^heit derselben angenommen werden; denn sonst würde die Entfal-
*tung der Urmaterie nur der Verherrlichung ihrer eigenen Macht-
*fülle dienen, und eine Erlösung wäre [ohne die Individualität, der
^ 'Punisha's] nicht möglich.* — Aber diese Aushülfe ist ohne So-
lidität; denn die Isoliertheit ist damit noch nicht erwiesen, dafs
sie von dem angestrebten Ziele untrennbar ist; vielmehr sollte
die Isoliertheit ihrer Wirklichkeit nach irgendwie aufgezeigt wer-
den, und wenn sich deren Wirklichkeit nicht aufzeigen läfst, nun,
dann ist es mit der angestrebten Erlösung des Purusha eben
nichts, während hingegen aus der Unbegründbarkeit der Isoliert-
Satram II. tii. 50. 441
heit viebnehr die Durchkreuzung folgt« — ) Auch bei den An- 697
bängern des Ka^&da stellt es sich so, dafa, wenn das Manas
sich mit irgend einer Seele rerbindet, diese Verbindung sich
nicbt so absondern läfst, dafs sie nicht zugleich eine solche mit
andern Seelen w&re, da alle ohne unterschied überall zur Hand
sind; ist abe^ die Ursache [die Verbindung mit dem Manas] nicht
abzusondern, so ist es auch die Wirkung nicht, und es folgt, dafs
bei Verbindung einer einzelnen Seele mit Lust und Schmerz alle
Seelen gloichmäfsig von der Lust und dem Schmerze betroffen
werden.
'Nun ja, aber kann nicht jene Einschränk^ing in dem Unsicht-
* baren (adfiskfam) ihren Grund haben? — Nein, antwortet der
Lehrer, ,
51. adrishta-amyamät
weil durch das Unsichtbare keine Einschränkung.
Während die vielen Seelen wie der Raum allgegenwärtig und
somit in aUen Leibern ohne Unterschied des Äufseren und Inneren
vorhanden sind, soll doch durch Gedanken, Worte und Werke das
Unsichtbare, bestehend aus Verdienst und Verschuldung, erworben
werden. Bei den Sänkhya's nun kann dieses Unsichtbare, da es
in der nicht der Seele inhäriereuden Urmaterie sich befindet, wegen
der Allgemeinheit der Urmaterie nicht dazu dienen, den Genufs
der Lust und des Schmerzes* auf die einzelnen Seelen einzu-
schränken. — Und auch bei den Anhängern des Kan&da
tritt derselbe Fehler, den wir vorher bemerkten, ein: jdenn auch
das Unsichtbare kann, weil es aus der Verbindung von Atman und
Maüas entspringt, diese aber allgemeinsam ist, keinen Grund für
die Einschränkung abgeben, dafs gerade dieser Seele dieses be-
stimmte Unsichtbare angehört.
'Nun ja, aber wenn ich z. B. diese Frucht zu erreichen, jene
'zu vermeiden suche, wenn ich so und so strebe, so und so ban-
'dein möchte , so sind d^s doch Beabsichtigungen u. s. w., welche sich
'in den einzelnen Seeion bethätigen, und vielleicht können diese
'dazu dienen, zwischen dem Unsichtbaren und den Seelen bestimmte
'Beziehungen als Eigentum und Eigentümer festzustellen?* — Nein,
antwortet der Lehi'cr, denn
52. (ibhisandhi-ädishu api ca evam 698
auch mit den Beabeichtigungen u. s. w. ist es ebenso.
Auch die Beabsichtigungen u. s. w. müssen, weil die Verbindung
von Seelen und Manas allgemeinsam ist, sich so bilden, dafs alle
442 QMraka-inliniös&
Seelen dabei beteiligt sind, können folglich keinen Grond för die
Einschränknng abgeben nnd sind somit mit eben dem erwähnten
Fehler behaftet.
53. pradegädy iti cen? nä! antarhhdvdt
durch den Ort, meint ihr? — Nein! wegen des
Darinseins.
. , Man könnte einwenden: 'wenn auch die Seele alldurchdringend
4gt, 80 wohnt das Manas doch in einem Leibe, und mithin kann
'die Verbindung mit ihm nur an einem bestimmten Orte der Seele,
'nämlich an dem, welcher durch den Leib umgrenzt wird, erfolgen;
^und sonach wird eine durch diesen Ort bewirkte Isoliertheit der
'Absichten u. s. w., des Unsichtbaren und der Lust und des Schmeraes
'stattfinden.' — Aber auch das geht nicht; warum? „wegen des
„Darinseins'S d. h. weil alle Seelen ohne Unterschied alldurch-
dringend und folglich in allen Leibern darin sind; unter diesen
Umständen dürfen die Yal^eshika^s nicht auch noch einen beson-
deren durch den Leib umgrenzten Ort für die* Seele annehmen;
und wenn gleichwohl für die nicht an den Ort gebundene Seele
ein solcher Ort angenommen wird, so ist dies eben eine blofse
Annahme und kann daher nicht eine in Realität vorhandene Wir-
kung einschränken. Auch kann der Leib, da er in Gegenwart
aller Seelen entsteht, nicht darauf beschränkt werden, dafs er nur
dieser Seele und keiner andern angehört. Und gesetzt einmal, man
699 gäbe diese Bestimmtheit des Ortes zu, | so könnte es vorkommen,
dafs zwei Seelen, wenn sie gerade gleiche Lust und gleichen Schmers
«u geniefsen hätten, in einem einzigen Körper ihren Genufs voll-
brächten [was widersinnig ist]. Femer kommt es in Wirklichkeit
vor, dafs [im Widerspruche gegen obige Annahme] das Unsicht-
bare zweier Seelen sich an demselben Orte befindet; so z. B. kann
es geschehen, dafs Bevadatta an einem bestimmten Ort« Lust und
Schmerz empfand, worauf sein Leib diesen Ort verläfst, und der
Leib des T^jnadatta an denselben Ort gelangt und die gleichen
Empfindungen der Lust und des Schmerzes wie der andere hat;
dieses wäre nicht möglich, wenn sich das Unsichtbare des Bevadatta
und das des Tajnadatta nicht an demselben Orte befände. Femer
könnte, wenn das Unsichtbare an einen bestimmten Ort gebunden
wäre, ein Geniefsen im Himmel u. s. w. nicht stattfinden; denn
das Unsichtbare hätte sich an dem Orte gebildet, wo der Leib
des Brahmanen u. s. w. sich befände, während der Genufs des Him-
mels u. s. w. an einem andern Orte vor sich ginge. — Endlich
aber ist bei einer Vielheit von Seelen eine Allgegenwart derselben
S6tram U. m. 68. 443
überbaupt gar nicht mögliA, weil.es daiür kein Beispiel giebt.
Oder sage selbst, was das f^r eine Yielheit sein soll, die sich lu-
' gleich an demselben Orte befinden könnte? | Meinst da etwa, dafs 7(K>
dies a. B. bei den Farben and den übrigen [Qualitäten] der Fall
sei? Doch wohl nicht! Denn wenn diese auch in Hmsicht des
Qaalitätenträgers [dem sie inh&rieren] nngesohieden sind, so sind
sie doch geschieden in Hinsicht ihrer Merkmale^ bei den als Tiel*
heitlich angenommenen Seelen findet aber auch eine solche Ge-
schiedenheit der Merkmale nicht statt. — Oder meinst da, dafs
die Gesdbiedenheit der Seelen aaf einer nranfönglichen (aiü$fa) Ver-
schiedenheit derselben beruhe? Auch das geht nicht, weil dabei
die Annahme der Geschiedenheit auf der der uranf&nglichen Yer-
schiedenheit, und die Annahme der uranfänglichen Verschiedenheit
wiederum auf der der Geschiedenheit beruht.
Übrigens gilt [nicht nur die Alldurchdringung der Seelen, son-
dern] auch die Alldurchdringung des Baumes u. s. w. dem Anh&nger
der Brahmanlehre für unerwiesen (p. 624, 5 Seite S91), weil er
den Raum als eine Wirkung [ein Erschaffenes] betrachtet.
Somit xeigt sich, dafs nur die Annahme einer Einheit der
Seele von allen Fehlem frei ist.
So lavtot ia dem Kommentor« sux «rUuoliton ()SdHr«fta - mftnaAM , d«m Werk« der
▼«r«te«aig«würtiig«]i FftTte d«« ^oxitara, im iweitoa Adkffiifa der dziito Pada,
Des xweiten AdhyAya
VIERTER PADA.
Omi Terehrnng data taöobsten Ätman?
ErstcB Adhikaranam.
701 1. tajtM prAn^ '
ebenso die Lebensorgane.
Die Widersprüche der Schriftstellen in Betreff des /.thers (Rau-
mes) und der ührigen Elemente sind im dritten Vkis^ gehoben
i^orden; im vierten sind nunmehr diejenigen in Betreff der Lebens-
organe zu heben. — Zunächst also wird in Stellen wie : „dasselbige
„erschuf das Feuer *^ (Chand. 6, 2, 3) und: „fürwahr aus diesem
„Ätman ist der Äther entstanden" (Taitt. 2, 1), wo die Welt-
Schöpfung abgehandelt wird, eine .Entstehung der Lebenaorgasie
nicht erwähnt. Ja, zuweilen wird erwähnt, dafs dieselben unent-
standen seien; so wenn es heilst: „Nichtseiend fürwahr war diese
„Welt zu Anfang. Da sagen b!o: was war denn dieses Nichtsei-
„ende? — Wahrlich, jene Rishi^s war das Nichtseiende zu An-
„fang. — Da sagen sie: wer sind jene Rishi's? — Fürwahr, die
„RiBhi's sind die Lebensorgane ^* (C'^tap. br. 6, 1 , 1, 1). Hier
702 wird gelehrt, dafs die Lebensorgane vor der Weltschöpfung | seiend
vorhanden gewesen seien. Au andern Stellen hinwiderum wird
eine Schöpfung auch der Lebensorgane gelehrt: „wie aus dem
„Feuer die winzigen Fünklein entspringen, also auch entspringen
„aus diesem Atman alle Lebensgeister" (Brih. 2] 1| 20); — ,iaus
Sfttnwn II. IV. I. 445
„ihm entsteht der Odem, der Verstand und alle Sinne^' (Mund. 2, 1, 3);
• — „die sieben Hauche sind aus ihm entsprungen'' (Mund. 2, 1, 8); *
— „da schuf er den Odem, aus dem Odem den Glauben, das
„Offene, den Wind, das Feuer, das Wasser, die Erde, das Sinnest-
„organ, das Hanas und die Nahrung'^ (Pragna 6, 4). Da die Schrift-
steilen hier und anderweit sich darüber widersprechen, uftd ein
Grund, sich für das eine oder das andere zu entscheiden, nicht er-
sichtlich ist, so liefse sich annehmen, 'dals hierüber nichts fest-
^steht' ; oder auch man könnte annehmen, 'da eine Schriftstelle die
'Lebensorgane vor der Weltschöpfung als seiend yoiiianden lehre,
'so sei die Stella von der Schöpfung der Lebensorgane uueigent-
'lieh aufzufassen'. — Darauf bemerkt der Lehrer: „ebenso die Le-
„bensorgane". Aber wie ist hier das Wort „ebenso" zurechtzu-
legen, da ein Vergleichbares im Vorhergehenden nicht vorhanden
ist? Am Schlüsse des unmittelbar vorhergehenden Pftda handelte
es sich um eine Kritik der Behauptung, dafs es eine Vielheit all-
gegenwärtiger Seelen geben könne. Das kann schon nicht das
Vergleichbare sein, weil die Ähnlichkeit fehlt; denn nur wo eine
Ähnlichkeit | vorliegt, ist ein Vergleich möglich, wie wenn man 703
sagt: Balavarman ist gleichwie eiin Löwe. — Man-könnte meinen:
'der Vergleich bezwecke, die Ähnlichkeit mit dem „Unsichtbaren'^
'hervorzuheben; so wie nämlich das Unsichtbare, weil ^s in'Gegen-
'wart aller Seelen entspringe, nicht individuell bestimmt sei, eben-
'80 seien auch die Lebensorgane der Gesamtheit der Seelen gegen-
'flber nicht individuell bestimmt.' — Aber auch das ist schon da-
mit, dafs die Leiber nicht individuell bestimmt sind,- ausgedrückt,
wäre also eine blolse Wiederholung. Weiter kann es aber auch
nicht die individuelle Seele sein, mit welcher die Lebensorgaue
verglichen werden, weil dem die endgültige Meinung widerspricht,
nach welcher die individuelle Seele für unentstanden erklärt wird,
während für die Lebensorgane gerade eine Entstehung gelehrt
werden soU. Somit scheint es, dafs das Wort „ebenso" ohne Zu-
sammenhang steht. Aber dem ist doch nicht so, denn die Ver-
bindung kann sich auch auf ein solches Vergleichbare bezieben,
welches citatweise herangezogen wird. Nun findet sich ein Schrift-
wort citiert, welches die Entstehung der Lebensorgane behauptet,
nämlich das Wort: „also auch entspringen aus .diesem Ätman alle
„Lebensgeister, alle Welten, alle Götter und alle Wesen" (Bfih. 2,
1, 20); hier ist der Sinn: so wie die Welten u. s. w. aus dem höch-
sten Brahman entspringen, ebenso auch die Lebensorgane. | Auch 704
heifst es: „aus ihm entsteht der Odem, der Verstand und alle Sinne;
„aus ihm entstehen Äther, Wind und Feuer, das Wasser und, all-
„tragende, die Erde" (Mui^^* ^i 1« ^)\ ^^^^ hier, so liefse sich
die Sache auffassen, wird, ebenso wie für den Äther u. s. w.,
auch für die Lebensorgane eine Entstehung gelehrt. Oder vielleicht
kann man es machen, wie an der Stelle: „und das Mifsgeschick
*o'
446 Qlkrlnatt-]iiiiii&nB&
„beim Trinken, so wie dieses^' (Jaim. 3, 4, 32), wo ebenfalLs eine
Verbindung mit einem davon entfernt stehenden Terglttchbaren
[nämlich mit Jaim. 3, 4, 28] in Anwendung gebracht wird, and
,80 auch hier die Sache folgendermafsen sorechtlegen : so wie die
SU Anfang des Toibergehenden P&da besprochenen Elemente, Baum
n. s. w., als Umwandlungen des höchsten Brahman erkannt wurden,
— „ebenso" sind auch die Lebensorgane Umwandlungen des hdch-
sten Brahman. — 'Aber was f&r ein Grund ist dafür, dafs sie es
'sind?' — Nun, weil die Schrift es lehrt. <-— 'Aber wird nicht,
'wie gesagt, an manchen Stellen [die von der Weltschöpfung han-
'deln] die Entstehung der Lebensorgane nicht gelehrt?' — Dieses
Bedenken ist unangemessen, weil sie an andern Stellen gelehrt
wird; denn wenn irgendwo etwas nicht gelehrt wird, so wird da-
durch nicht ausgeschlossen, dafs es an einem andern Orte gelehrt
werden könne. Es bleibt also dabei, dafs so wie der Raum u. s. w.
auch die Lebensorgane entstanden sind, weil es eben wohl Yon
der Schrift gelehrfc wird.
705 2. gaunt'Ctöambhavät
^egen der Unmöglichkeit [der Auffassung der Stelle
als] einer uneigentlichen.
Wenn hingegen behauptet wurde, dafs die Entstehung der Le-
bensorgane uneigentlich zu verstehen sei, weil eine andere Stelle
sie vor der Weltschöpfung schon als seiend bezeichnet, so ist dar-
auf zu erwidern: „wegen der Unmöglichkeit [der Auffassung der
„Stelle als] einer uneigentlichen", wobei ffaw^ii'asafnbhavdt so viel
ist wie gauityä' asambhavät Nämlich die Schriftstelle Ton der
Schöpfung der Lebensorgane kann nicht uneigentlich yerstanden
werden, weil sonst ein Nichterfülltwerden der Yerheifsung eintreten
wurde. Denn nachdem in den Worten: „was mufs, o Ehrwürdi-
„ger, erkannt sein, damit diese ganze Welt erkannt sei" (Mund. 1,1,3)
yerheifsen worden, dafs mit Erkenntnis de^ einen alles erkannt
werden solle, so heifst es zur Erfüllung dieser Yerheifsung: „aus
„ihm entsteht der Odem" u. s. w. (Mund. 2, 1, 3). Diese Yer-
heifsung wird nur dann erfüllt, wenn die ganze Welt mit Einschlufs
der Lebensorgane eine Umwandlung des Brahman ist, indem ja
eine Umwandlung nicht über ihren Urstoff hinaus besteht. Ist hin-
gegen die Stelle von der Entstehung der Lebensorgane uneigentlich
zu fassen, so bleibt jene Yerheifsung unerfüllt. Hierzu kommt,
dafs weiterhin das [als zu erkennen] Yerheifsene zusammengefafst
wird in den Worten: „Geist nur ist dieses All, . . ., die Bufse, Brah-
„man und das HöchstuusterbUche** (Mund. 2, 1, 10) und: „Brah-
8toam ü. vr. 2. 447
„man allein ist dieses Weltall, | dieses Herrliohste" (Mond. 2, 2, 11). 706
Ähnlioh heilst es: ^,wer das Selbst sieht, hört, (flberdenkt und er-
„f erseht, der hat diese ganze Welt erkannt'' (Bph. 2, 4, 6); —
mit diesen nnd &hnliohen Schriftstellen hat man jene Yerheilirang
in Verbindung an bringen. Aber wie steht es nut der Stelle, nach
welcher die Lebensorgane vor dem Weltorsprung als seiend be-
zeichnet werden? Sie betrachtet die Lebensorgane nicht als den
absoluten Urstoff, ' — denn von dem absoluten ürstofTe wird in
der Stelle: „der odemlose, manaslose, reine, noch höher als das
„höchste Unyergängliche'' flfu^^« ^> !• 2) versichert, dafs er von
allen Untersohiäen des Oaems u. s.w. frei sei, -*- sondern nur
als einen relativen Urstoff, denn nur mit Beaug auf die aus den
Lebensorganen entstandenen Umwandlungen wird versichert, dafs
vor deren Ursprung die Lebensorgane seiend vorhanden gewesen
seien; so muTs man es auffassen, weil die Schrift und die Smpti
das Yerh<nis von Urstoff und Umwandlung nicht selten auf die
verschiedenen Zust&nde solcher Dinge beziehen, welche dem Be-
reiche des Erschaffenen angehören. — Man merke: in dem Kapitel
vom Äther (Sütram 2, 3, 1 — 7) wurden die Worte ffauni cisambhavdd
(2, 3, 3), weil sie der gegnerischen Meinung angehörten, erkl&rt:
„uneigentlich ist die Stelle von der Entstehung zu nehmen, wegen
„der Unmöglichkeif, und die endgttltige Meinung wurde daraus,
dafs die Verheifsung nicht unerföÜt bleiben dfirfe (2, 3, 6), ge-
folgert; hier hingegen kommt dasselbe Sütram als endgültige Meinung
vor und war daher zu erkl&ren: „wegen der Unmöglichkeit, die
„Stelle von der Entstehung uneigentlich zu nehmen." Wer hin-
gegen der Obereinstimmung zuliebe auch hier erklären wollte: „un-
„eigentlich ist die Stelle von der Entstehung zu nehmen, ivegen
„der Unmöglichkeit", der würde dabei übersehen, dals die Ver-
heifsung dann unerfüllt bleiben würde.
3. t(U''präk'Qruteh 707
weil von ihnen vorher das Wort.
Auch darum ist die Schriftstelle von dem Entstehen bei den
Lebensorganen ebenso wohl wie bei dem Äther u. s. w. eigentlich
aufzufassen, weil ein und dasselbe, die Entstehung anzeigende
Wort „entsteht", nachdem es vorher von den Lebensorganen, ge-
braucht war, im Weiteren auch auf den Äther u. s. w. bezogen
wird in der Stelle: „aus ihm entsteht der Odem" u. s. w. (Mund. 2,
1, 3). Dafs hierbei die Entstehung des Äthers u. s. w. eigentlich
zu nehmen sei, haben wir festgestellt (Sütram 2, 3, 1 fg.); und
aus Analogie damit kann auch bei den Lebe^organen die Ent-
stehung nur alu eine eigentliche gefafst werden. Denn wenn wie
* i'* '
448 ' Q&riraka-in)m&nB&
hier in demselben Kapitel und in demselben Satze ein und das-
selbe Wort einmal yorkommt, aber sich, auf mehreres bezieht, so
kann es nicht das eine Mal eigentlich und das andere Mal uneigent-
lich aufgefafst werden, weil dieses eine Inconcinnitat (vairüpyam)
Bein würde. In 'gleicher Weise wird auch in der Stelle: „da er-
„sohuf er den Odi^m, aus. dem Odem den Glauben" u. s. w. (Pra^a
6, 4) das Wort „erschuf ' bei den Lebensorganen [dem Odem] ge-
setzt und zugleich auf die weiterfolgenden Schöpfungsprodukte, den
Glauben u. s. w., bezogen. Dieselbe Regel gilt, wo ein die Schö-
pfung bedeutendes Wort a)n Schlüsse steht und auf die vorher-
genannten Dinge bezogen wird, z. B. in der Stelle: „[also auch ge^
„schiebt es, döfs aus diesem Atman alle LebeuBgeister, alle Welten,
„idle Götter] alle Wesen entspringen" (B|ih. 2, 1, 20), wo das
Wort „entspringen" am Ende steht und auch auf £e Torher-
erw&hnten Lebensorgane u. s. w. sich bezieht.
4. tat'pürvakatvdd vdcak
weil jene vorhergehen vor der Rede.
V
Wenn auch in dem Abschnitte: „dasselbige erschuf das Feuer"
(Ch&nd. 6, 2, 3) die Schöpfung der Lebensorgane nicht vorkommt,
indem nur die Rede ist von einer Schöpfung der drei Elemente,
708 Feuer, Wasser und Nahrui^, | so läfst sich doch daraus, dafs die
aus Brahman entstandenen Elemente, Feuer, Wasser und Nahrang,
vor ihnen erwähnt werden, auch für Rede, Odem und Manas und,
ans Analogie mit ihnen, fär alle Lebensorgane ein Entstandensein
aus Brahman erweisen. So nämlich wird in diesem Abschnitte die
Priorität von Feuer, Wasser und. Nahrung vor Rede, Odem und
Manas gelehrt, wenn es heifst: „denn nahrungsartig ist, o Teurer,
„das Manas, wasserartig der Odem, feuerartig die Rede" (Chänd.
6, 5, 4). Entweder ist hier die Nahrungsartigkeit u. s. w. der
Lebensorgane eigentlich zu nehmen; dann resultiert schon hieraus,
dafs sie aus Brahman entstanden sind. Oder sie ist uneigentlich
zu nehmen; und auch dann folgt, weil sie innerhalb der aus Brah-
man entstandenen Weltentfaltung in Namen und Gestalten erwähnt
werden, — weil es femer zu Anfang hiefs: „wodurch das Un-
„gehörte ein schon Gr^hörtes wird" (Ch&nd. 6, 1, 3)^ und zum
Schlüsse „dessen Wesens ist dieses Weltall" (Chänd. 6, 8, 7), —
und weil die Sache durch andere Schrifbstellen bestätigt wird, —
dafs Manas u. s. w. als nahrungsartig u. s. w. hier eben deswegen
bezeichnet werden, weil ihr Entstandensein aus Brahman dargelegt
werden soll. — Auch hieraus also folgt, dafs die Lebensorgane
eine Umwandlung des Brahman sind.
Sütram IL xv. 5. 449
Zweites Adhikaranam.
5. sapta, gater viQeshüatväc ca
sieben, wegen des Ganges und der Specifikation.
Der Widerspruch der Schrift in Bezug auf die Entstehung der
Lebensorgane ist gehohen, | und es bleibt noch der in Bezug auf 709
ihre Anzahl zu heben. Was ntui den Hauptlebensodem (inukhya
prchjta) betrifft, so wird von diesem der Lehrer weiter unten reden ;
jetzt wii;ft er zunächst nur die Frage auf, wie viele der übrigen
Lebensorgane sind. Hierüber besteht Zweifel, weil die Schrift sich
widerspricht. Zuweilen werden sieben Lebensorgane erwähnt: „die
„sieben Hauche sind- aus ihm entstanden" (Mund. 2, 1, 8); — zu-
weilen kommen acht Lebensorgane in ihrer Eigenschaft als die
Halter [d. h. Fesseln der Seele] vor: „acht Halter sind und acht
„Gegenhalter*' (Brih. 3, 2, 1); — zuweilen neun: „sieben fürwahr
,,sind der Organe am Kopfe und zwei unterhalb*' (Taitt. samh.
5, 3, 2, 5); — zuweilen zehn: „neun fürwahr sind der Organe am
„Menschen, und der Nabel ist das zehnte" (Taitt. samh. 5, 3, 2, 3) ; —
zuweilen elf: „es sind die zehn Lebensorgane am Menschen, und der
„Atman als elftes" (Bph. 3» 9,4); — zuweilen zwölf, nämlich in
der Stelle : „ er ist der Einheitsort aller Tastempfindungen als die
„Haut" (Brih. 2, 4, 11); — zuweilen dreizehn; nämlich in der Stelle:
„das Auge und das Sehende*' (Pragna 4, 8). In dieser Weise stehen
die Schrifttexte in Bezug auf die Anzahl der Lebensorgane mit-
einander in Widerspruch.
Jingenommen also, 'es gebe nur sieben Lebensorgane; warum?
^„wegen des Ganges", d. h. weil auf so viele der Gang von Schrift-
'stellen führt, wie: „die sieben Hauche sind aus ihm entstanden"
'(Mund. 2, ij 6). Auch werden diese specificiert, da wo es heifst:
'„sieben fürwahr sind der Organe am Kopfe" (Taitt. samh. 5, 3, 2, 6).'
— Aber heifst es nicht auch: „sie als je sieben sind geborgen in
„der Höhle" (Mund. 2, 1, 8), | und läfst der hier vorkommende 710
distributive Gebranch nicht darauf schliefsen, dafs es mehr als
sieben Ijebensorgane gebe? — 'Doch nicht! denn dat» distributive
'Verhältnis bezieht sich hier auf die Vielheit der Menschen und
'besagt, dafs es an jedem Menschen je sieben Organe göbd, nicht
'auf die Vielheit der Wesenheiten, als wenn es in Gruppen zu
'je sieben andere und 'wieder andere Organe gäbe.* — Aber es
wurde ja auch eine Achtzahl u. s. w. von Organen erwähnt: wie
kommt CS, dafs ihrer nur sieben sein sollen? — 'Das ist wahr;
'aber wegen des Widerspruches mufe man doch bei eiuer oder der
BKVUunr, VedAuU. 29
1
450 Qürlraka-inlnUL&sfc
'andern Zahl stehen bleiben, und da empfiehlt es rieh, der ein-
'facheren Annahme zuliebe (liee: anurodhät, vgl. 711, 1) bei der
'Siebenzahl stehen zu bleiben, indem man die andern in * der Schrift
'vorkommenden Zahlen auf Verschiedenheiten in den Funktionen
'bezieht.' — Hierauf dient zur Antwort:
6. hasta-^ädayas tu; sthite, 'to na evam
>
vielmehr die H&nde u. 8. w.; da dies feststeht, so ist
es folglich nicht an dem.
Es werden Tielmehr auTser. jenen sieben noch andere «Lebens-
Organe, wie z. B. die Hände u. s. w., erwähnt in Schriftstellen wie:
„die Hände fürwahr sind ein Halter; dieser wird durch das Werk
„als Gegenhalter gehalten, denn durch die Hände thut man das
„Werk" (Brih. 8, 2, 8); — „da dies feststeht", dafs es mehr als
sieben giebt, so kann man die Siebenzahl so zurecht legen, dafo
sie darin einbegriffen wird; denn wo ein Widerspruch zwischen
einer kleineren und gröfseren Zahl vorliegt, mufs man die grölsere
Zahl festhalten, weil in ihr die kleinere, nicht aber in der kleineren
711 die gröfsere enthalten ist; | und „so ist es folglieh nicht an dem*^
dafs man der einfacheren Annahme zuliebe nur sieben Lebensoi^^e
annehmen darf. Vielmehr mufs man der gröfseren Zahl zuliebe
die Lebensorgane in der Elfzahl festhalten, und für sie spricht
auch die angeführte Schriftstelle: „es sind die zehn Lebensorgane
„am Menschen,^ und der Ätman als elftes** (Brih. 3, 9, 4), wo unter
dem Worte „Atman" das Innenorgan [d. h. das Manas] zu yer-
stehen ist, indem es sich hier um Organe handelt. — 'Aber wurden
'nicht auch mehr als elf Organe, nämlich zwölf und dreizehn an*
'geführt?' — Allerdings wurden sie angeführt, aber es £^ebt doch
nur elf ilatürliche Verrichtungen und keine weitere natürliche Ver-
richtung, um deren willen man ein weiteres annehmen müfste.
Nämlich es giebt fünf Unterarten des Erkennens, das Hören, Fühlen,
Sehen, Schmecken und Riechen; auf diese beziehen sich die fünf
Erkenntnisorgane. Femer giebt es fünf Unterarten des Handelns^
nämlich das Reden, Greifen, Wandeln, Entleeren und Zeugen;
auf diese beziehen sich die fünf Thatorgane. Endlich ist da noch
das auf alle Zwecke bezügliche, die Dreiheit der 21eiten [Ver-
gangenheit, Gegenwart und Zukunft] umspannende Manas, welchas
eines ist, jedoch verschiedene Funktionen hat, daher es wegen
der Vielheit seiner Funktionen zuweilen wie ein VielheitUohes,
nämlich als Manas, Buddhi, Ahankära (Ich-Bewufstsein) und Gittam
(Denken) aufgefafst wird. Dem entsprechend zählt auch die Sdirift
die mannigfaltigen Funktionen desselben, das Verlangen u. s. w.,
SAtram IL rr. 6. 451
auf and filgt hinau: „alles dies ist nur Manms" (Brih. 1, 5, 3).
Hiansu kommt, dais, wer nur die sieben Organe am Kopfe an-
nehmen wollte, in Walurbeit deren yier annehmen würde, indem
an der beireffenden Stelle diese vier wegen ihrer örtlichen Trennung
als sieben aufgezählt werden in den Worten: „swei Ohren, zwei.
„Augen, I zwei Nasenlöcher und ein Mund" (Taitt sanih. 5, 3, 2, 6). 713
Man kann sich aber nicht auf diese beschränken und die übrigen
Lebensorgane als specielle Funktionen derselben betrachten, indem
s. B. die Funktion dar Hände u. s. w. Ton ihnen g&nzUch yer-
schieden ist. — Femer wenn es heilst: „neun fOrwahr sind der
Organe ant Menschen und der Nabel ist das zehnte'' (Taitt. sai{ih.
6, 3, 2, 3) , so werden hier zehn Organe genannt ^in der Absicht,
die verschiedenen Öffnungen des Leibes aufzuzählen, nicht aber,
die verschiedenen, wirklich voriumdenen Lebensorgane zu bezeichnen,
wie daraus ersichtlich, dals der Nabel als zehntes gezählt wird.
Denn der sogenannte Nabel ist keineswegs als eines der Lebens-
organe zu betrachten; vielmehr ist der Nabel ebenfalls nur als
einer der bestimmten Standorte des Hauptlebensodems anzusehen,
daher er hier als zehntes gezählt wird. Überhai^^t mufe man be-
denken, dafs häufig nur gewisse Leb^Morgane zum Zwecke der
Yerehrung aufgezählt werden, und häufig wiederum [sämtliche]
zum Zwecke der Belehrung; hieraus entspringen die mannigfaltigen
Angaben über die Anzahl der Lebensorgane, und man muTs dabei
unterscheiden, wo und in welcher Absicht eine derartige Angabe
vorkommt. In Anbetracht der Anzahl der natürlichen Yerrichtungen
aber mufs man die Erwähnung der Elfsahl in Betreff der Organe
als die Richtschnur festhalten, das steht fest.
Hier folgt noch eine andere Auslegung der beiden
letzten Sütra's. — 'Es müssen nur sieben Lebensorgane sein, weil
'nur von sieben die Schrift den „Gang" erwähnt in der Stelle: „wenn
'„er auszieht, so zieht das Leben mit ihm aus, und wenn das Leben
'„mit ihm auszieht, so ziehen alle Lebensorgane mit ihm aus"
(Brih. 4, 4, 2).* — Aber hier ist doch von „sllen" Lebensorganen
die Bede; warum soll denn gerade nur von sieben das Aus-
ziehen angenommen werden? — 'Das Sütram antwortet: „wegen
'„der Specifikation"; d. h. nur sieben Lebensorgane vom Auge an
'bis zur Haut werden hier im Vorhergehenden spe^fici'ert, | wo es 713
'heifst: „der Geist aber, der im Auge wohnt, kehrt nach auswärts
'„zurück; alsdann erkennt einer keine Gestalt mehr; weil er zur
'„Einheit geworden ist, darum sieht er nicht, so meinen sie",
'woran sich dann die weitere Aufzählung anschlielst (Bph. 4, 4, 1)..
'Auf dieses^Yorhergegangene bezieht sich der Aiudruck „alle Lebens-
'„organe"; ähnlich wie in dem Satze: „aQe Brahmanen sind ge-
'„speist worden" durch das Wort „alle" nur gesagt sein soll, dafs
'die in Rede stehenden, nämlich die eingeladenen Brahmanen, alle
'gespeist worden, nicht auch die andern; ebenso werden auch
29»
453 C&xtrftka-mimA&sft
'liier nur die sieben vorher erwähnten Lebensorgane unter dem
'Worte ,^le" verstanden und keine andern/ -^ Aber wird hierbei
nicht auch die Erkenntnis als achtes aufgezählt (vgL Brih. 4, 4, 2)?
Wie kann man also eine Anfsählnng von nur sieben behaupten?
*— 'Das macht nichts aus, denn weil das Manas und die Erkenntnis
'nicht wesensverschieden sind, so ist ungeachtet der Yerschiedenheit
'der Funktionen die Siebenzahl zulässig. Somit giebt es nur sieben
'Lebensorgane'. — Auf diese Behauptung erwidern wir: „vielmehr
„die Händo u. s. w." werden noch als weitere, von den sieben ver-
schiedene Lebensorgane angenommen in Stellen wie: „fürwahr die
„Hände sind ein Halter" (Bph. 3, 2, 8). Das Haltersein ist dahin
zu verstehen, dafs sie eine Fessel sind, indem die individuelle Seele
durch diese als ,^alter" bezeichnete Fessel gefesselt wird. Aber
nicht nur in der einen Leiblichkeit wird die Seele gefesselt, son-
dern sie bleibt in gleicher Weise auch in den folgenden Leibern
gefesselt; darum wird jene dem Leibe innewohnende und unter dem
Halter zu verstehende Fessel mit Becht so benannt. Und bo sagt
auch die Smriti:
•
„Vom Odem an achtfach besteht der feine Leib,
„Durch den die Seele in der Burg gefesselt. bleibt;
„Ton ihm gebunden mufiB die Bindong leiden sie,
„Von ihm gelOset geht sie zur Erlösung ein."
Hier wird gelehrt, dafs die Seele bis zur Erlösung mit jener unter
1X4 dem Halter zu verstehenden Fessel gebunden bleibt. | Auch in einer
Atharva-Stelle, wo die Objekte und Sinnesorgane aufgezählt werden:
„das Auge und das zu Sehende" u. s. w., werden in ähnlicher
Weise die Hände und die übrigen Sinnesorgane mit den ent-
sprechenden Objekten vorgeführt^ indem es heifst: „die Hände
„und das zu Oreifende, die Oeschlechtsteile und das zu 6e-
„nielsende, der Hintere und das zu Entleerende, die Füfse und
„das zu Gehende" (Pra^na 4, 8)> Ebenso wenn es heifst: „es
„sind die zehn Lebensorgane am Menschen, und der Atman als
„elftes; wenn diese aus dem sterblichen Leibe ausziehen, so
„machen sie weinen" (Brih. 3, 9, 4), so wird hier ein Auszug von
elf Lebensorganen gelehrt. Auch das Wort „alle", wo es mit
den Lebensorganen verbunden steht, bezeichnet alle Lebensorgane
ohne Ausnahme und darf nicht dem Vorhergehenden zuliebe auf
nur sieben unter ihnen eingeschränkt werden, namentlich da ein
ausdrückliches Wort mehr Gewicht hat als der Zusammenhang mit
dem Vorhergehenden. Und auch wenn man sagt: „alle Brahma-
„nen sind gespeist worden", so ist es richtig, an den ganzen
Strom aller Brahmanen zu denken, denn das bedeutet das Wort
„alle"; und nur weil es unmöglich ist, alle zu speisen, bezieht
sich dabei der Gebrauch des Wortes „alle" nur auf die Ein*
Stitram II. iv. 6. 453
geladenen. An unserer Stelle hingegen ist durcHaiis kein Grund
vorhanden, den Sinn des Wortes „alle" einzuschränken. Darum
werden hier unter dem Worte „alle" die sämtlichen Lehensorgane
ohne Ausnahme hefafst und, nur um diese Befassung zu erläutern,
siehen von ihnen aufgezählt. — Somit ist aus der Schrift und aus
den Verrichtungen erwiesen, dafs es nur elf Lebensorgane giebt.
Drittes Adhdkaranam,
7, anavag ca ''ift
und als minimal.
Nunmehr kommt der Lehrer auf eine weitere Eigenschaft eben
jener Lebensorgane zu sprechen: „und als minimal" hat man jene
vorerwähnten Lebensorgane zu betrachten. Diese Minimalheit der-
selben bedeutet, da/s sie fein und räumlich begrenzt, nicht dafs
sie nur so grofs sind wie Atome, weil sonst ihre Wirkung, den
ganzen Leib zu durchdringen, unmöglich wäre. Fein aber müssen
jene Lebensgeister sein, weil sie,** wenn sie ' grobmateriell wären,
bei ihrem Auszuge aus dem Leibe Hm Augenblicke des Ster-
bens-tdu 4^nj^nigen, welche den Sterbenden umstehen, wie eine
Schlange, wenn sie aus ihrem Coche schlüpft, bemerkt werden
müfsten; und begrenzt müssen eben jene Lebensorgane sein, weil,
wenn sie allgegenwärtig wären, die Schriftlehre von ihrem Aus-
ziehen, Hingehen und Wiederkommen erschüttert werden würde,
noch auch wahr bleibejn könnte, dafs die Seele als Kern ihre
Qualitäten hat (vgl. Sütram 2, 3, 29). — 'Aber wäre es nichj;
'möglich, dafs sie allgegenwärtig wären, aber nur an dem Orte
'des Leibes zur Funktion kämen?* — Nein! denn das Organ-
sein bedeutet überhaupt nur eine Funktion. Nämlich dasjenige,
was die Wahrnehmung vollbringt, mag es nun eine Funktion
oder const etwas sein, das nennen wir ein Organ. Der Streit
würde also nur um den Namen sein, daher die Annahme einer
Alldurchdringuog der liebensorgane zwecklos ist. — Somit ent-
scheiden wir uns dafür, dafs jene Lebensorgane fein und be-'
grenzt sind.
454
Viertes Adhikaratutm.
716 , 8. greskthof ca
und beste"-
n
Aacli der Makliya Pr&^a (Sanptlebeniodtfn) ist ebenso wie
die übrigen Lebenaorgane eine Umwandlung des Brahiäan; so
lautet der [hier gelehrte] Erweitenmgssats. -^ *Aber wir haben
^a doch schon besprochen, da£i alle Lebensoi^gano ohne Unter-
'sehied Umwandlangen des Brahman sind, denn wir sahen wie die
'Schrift in den Worten: ,,an8 ihm entsteht der Odem (prd/ijM)^ der
*„y erstand nnd alle Sinne*' (Ma^4« 3) 1) 3) noch besonders die
'Sohöpfiong des Prft^a neben der des Verstandes mitsamt den Sia-
'nen beseogt, und wie es z. B. anderweit heilst: „da erschuf er
S,den Pr&na" (Pra^na 6» 4). Was soll also hier noch ein £r-
'weitemngssatz?' — Er soll einem neuen Zweifel begegnen. Denn
in dem Hymnus: „Damals war nicht das Sein und nicbt du
ijNiohtsein'S welcher es mit Brahman zu thun hat, heifst ein Yen
(Rigv. 10, 129, 2):
„Nicht Tod war damals noch Unsterblichkeit,
„Nicht war die Nacht, der Tag nicht offenbar;
„Es hauchte- vindlos in UrsprOnglichkeit
„Das Eine, aulser dem kein anderes war/'
• _
Der Ausdruck „es hauchte '^ bedeutet eine Thätigkeit des Piins
und scheint anzudeuten, dafs schon vor der WeltschÖpfung der
Pr&^a vorhanden war; es könnte also jemand auf die Meinung
kommen, der Pr&na sei unentstanden. Dieser Meinung begegnet
der Erweiterungesatz. N&mlich wenn es auch heilst „es hauchte'S
so bedeutet dieses doch nicht, dafs der Prftna schon vor der
Weltschöpfüng seiend vorhanden gewesen; denn durch die nähere
Bestimmung „windlos" wird ebenso wie durch die Worte „ohn*
„Odem, ohne Manas, rein'' (Mund. 2, 1, 2) gelehrt, dafs die Ür-
natur von allen Bestimmungen wie Odem u. s. w. irei gewesen sei^
717 Somit I hat das Wort „es hauchte'* nur den Zwedc, auf das Yor-
handensein der Weltursache hinzuweisen; so [ist der Sinn des
Sütram]. Und wenn der Lehrer dabei den Mukhya Prä^a be-
zeichnet als „den besten", so geschieht, dies, weÜ die Schrift
sagt: „der Prftna fürwahr ist der älteste und beste" (Ghlknd. 5,
1, 1). „Der älteste" heifst der Prftna, weil seine Funktion schon
von dem Augenblicke der Injektion des Sperma beginnt; würde
sie nicht dann schon beginnen, so würde das Sperma nach seiner
Injektion in den Mutterschofs verwesen oder doch nicht aufgehen-
Sütram II. nr. a 455
Die andern LelnenaorgMie hingegen, daa Geli6r n, s. w., beginnen
ihre Funktion erst nach Bildung ilurer heitimaiten Standorte, des '
Gehörganges u. s.w., daher sie nicht das.ftlteste sind; und „der
jybeste*' heifst der Pr&^a wegen der Superiorität seiner £ligen-
sehaften, und weil die Schrift die andern zu ihm sagen l&fst:
„fürwahr vrir werden ohne dich nicht leben können*' (Brih. 6, 1, 13).
Fünftes Ädhikaranam*
9. na väifU'hritfe prUhag-'Upadegät
nicht Wind oder Wirkung, weil er besonders
erwähnt wird.
Aber ron welcher Beschaffenheit ist dieser Mukhya Pr&^a?
Das ist jetzt, zu untersuchen. Man könnte zunächst auf Grund
einer Schriftstelle denken, 'der Fräna sei der Wind, denn es
'heifßt: „der Prina (Hauch), das ist der Wind; dieser Wind ist
'„fünffach: Anshauch, Einhauch, Zwischenhauch, Aufhauch und
S,Allhauch'^' — Oder i^an könnte im Sinne' der Anhänger an-
derer Lehrsysteme denken, | 'der Pr&i^a sei eine Gesamtfunktion 718
'der Organe; denn so heifst es bei ihnen (Sädkhya-Kär. ▼. 29 =
'Säfikhya-S&tram 2, 31):
'„Gemeinschaftliche Wirkung der Organe
'„Sind die fOnf Winde, Präna (Anshauch) an der Spitze.'"
— Hierauf ist zu erwidern: der Präna ist weder der Wind noch
auch eine Funktion der Organe; warum? „weil er besonders er-
„wähnt wird ". Was nämlich zunächst den Wind betrifft , so wird
der Präna neben demselben besonders erwähnt in der Stelle: „der
„Präna ist einer der vier Füfse des Brahman; durch den Wind
„als Licht leuchtet er und wärmt er" (Chänd. 3, 18, 4); wäre der
Prä^a nur der Wind, so könnte er nicht aulser dem Winde noch
besonders erwähnt werden. Ebenso aber wird weiter der Präna
aufser den Funktionen der Organe noch besonders erwähnt; denn
an vielen Stellen, wo die Rede und die übrigen Organe aufgezählt
werden, wird der Präjgia besonders gezählt; eine Funktion aber
ist Ton dem Träger der Funktion nicht zu trennen, und wenn
der Präna nur eine Funktion der Organe wäre, so könnte er
nicht neben den Organen noch besonders erwähnt werden. Auch
Stellen wie „aus ihm entsteht der Odem (präna), der Verstand
456 C'lirtraka-mlinlLÄ8&
„und alle Sinne, aus ihin entstehen Äther, Wind^^ u. s. w. (Mund.
2, 1, 3) kann man dafür anführen, dafs der Prana aufser dem
Winde und den Organen nooh besonders erwähnt wird. Hiersa
kommt, dafs eine einheitliche Funktion der sämtlichen Organe gär
nicht möglich ist, weil jedes einzelne derselben seine besondere
Funktion hat, und ein blofses Aggregat nicht wirken könnte^ —
'Aber könnte 68 nicht damit sein wie mit der Bewegung des Käfigs ?
'Wie nämlich elf in demselben Käfig befindliche Vögel» obwohl
'jeder für sich seine bestimmte Thätigkeit hat, doch durch ihr Zu-
'sammen wirken den Käfig in Bewegung setzen können, ebenso
'könnten die elf in dem einen Leibe befindlichen Lebensorgane,
'obwohl sie ein jedes seine besondere Funktion haben, durch ihr
'Zusammenwirken die eine, Präna genannte, Wirkung zugesprochen
'bekommen.' — Aber das ist, wie wir bemerken müssen, nicht [
719 zutreffend. Denn was die Yögel betrifft, so können diese, wie-
wohl jeder für sich wirkt, weil ihre ron einander verschiedenen
Thätigkeiten der Bewegung des Käfigs entsprechend sind, durch
ihr Zusammenwirken den einen Käfig in Bewegung setzen, wie
dies die Erfahrung zeigt. Hier hingegen können die Lebens-
Organe, indem sie die von einander verschiedenen Verrichtungen
des Hörens u. s. w. ausüben, nicht durch ihr Zusammenwirken das
Atmen [die Funktion des Präna] hervorbringen, weil kein Beweis
dafür vorliegt, und weil das Hören u. s. w. von dem Atmen gänz-
lich wesensverschieden ist. Auch die d^ Prana nachgerühmten
Vorzüge, dafs er der beste sei, und dafs die Rede u, s. w. sich
ihm als Qualitäten unterordnen, könnten, wenn der Präina nur eine
Funktion der Oi^ane wäre, nicht zu Rechte bestehen. Somit ist
der Präna etwas anderes als der Wind und als eine blofse Wir-
kung der Organe. — 'Aber wie steht es dann mit der Schrift-
'stelle: „der Odem das ist der Wind"?' — Wir antworten: aller-
dings ist es der Wind, welcher, in die Persönlichkeit eingehend
und in fünf Zerteilungen abgesondert bestehend, den Namen Priina
erhält, so dafs dieser zwar keine von jenem verschiedene Wesen-
heit, aber doch auch nicht blofser Wind ist; daher beide Schrift-
stellen, sowohl die, welche die Verschiedenheit, als auch die,
weichet die Nichtverschiedenheit beider betont, in ihrem Rechte
sind. — 'Nun gut, so besitzt aber auch der Präna ebenso gut
'wie die individuelle Seele in unserm Leibe Selbständigkeit, da er
*der „beste'' ist, und da die Sinnesorgane, die Rede u. s. w., sich
'ihm als Qualitäten unterordnen. Denn so wird mehr als ein-
'mal die Machtstellung des Präna geschildert; z. Q. wenn, wäh-
'rend die übrigen Organe, die Rede u. s. w., schlafen, der Präna
720 'allein wach bleibt (Käth. 5, 8), ] wenn der Präna allein nicht
'vom Tode gefesselt wird (Brih. 1, 5, 21), wenn der Präna als
'der an-sich- Raffer die Rede u. s. w. in sich hineinrafft (Chänd. 4,
*3, 3), wenn der Prä^a die andern I^ebensorgane beschützt wie
/
Sütram IL iv. 9. 457
^eine Matter ilire Kioder (Prayna 2, 13). Hieraus^ scheint zu
'folgen , dafs der Prana ebenso selbständig ist wie die individuelle
*Seele.* — Hierauf entgeg^net der Lehrer:
10.' cakshur - ädivat tUy tat-saha'f^hti-ädibhyah
vielmehr wie das Auge u. s. w., weil er mit diesem
zusammen gelehrt wirdvUnd aus andern Gründen.
Bas Wort „vielmehr*' widerspricht der Selbständigkeit des Prstna.
So wie nämlich das Auge u. s. w. gleichsam als die Unterthanen
des Fürsten Hülfsmittel sind für das Thätersein und Geniefsersein
der individuellen Seele, nicht aber selbständige ebenso ist auch
der Mukhya Präna gleichsam der Minister des Fürsten, welcher
der 'Individuellen Seele bei allen' ihren Zwecken als Hülfsmittel
dient, nicht aber selbständig ist; warum? „weil er mit diesem zu-
„sammen gelehrt wird und aus andern Gründen '*; d. h. mit dem
Auge u. 6. w. wird der Präna zusammen gelehrt bei dem Streite
der Lebensorgane und anderwärts; ein Zusammenlehren ist aber
nur schickHch bei Gegenständen von gleicher Art, wie z.B. bei
dem Bphad und dem Rathantaram [zwei vedischen .Sangweisen].
Die Worte „und aus andern Gründen" weisen auf die Zusammen-
gesetztheit, Ungeistigkeit u. s. w. des Präna als Gründe hin, die
seine Selbständigkeit ausschlief sen. — 'Nun wohl', könnte man sagen,
'wenn aber der Präna so wie das Auge u. 8. w. zur individuellen
'Seele | in dem Yerbältnisse eines Werkzeuges stehen soll, so mufs "^'^^
'es, so wie die Farbe u. o. w. , auch eine eigene Klasse von Ob-
'jekten geben, in Bezug auf welche der Präna für seine indivi-
'duelle Seele das Werkseng ist, so wie das Auge u. s. w. es ist
'durch seine Fdnktion des Sehens der Farben u. s. w. Nun haben
-wir aber oben nur elf natürliche Yerrichtuagea, das Sehen der
'Farben u. s. w., gezählt, um deren willen wir elf Lebensorgane
'annehmen; und eine weitere, zwölfte natürliche Verrichtung läfst
'sich nicht absehen, um deren willen dieses zwölfte Lebensorgan
'angenommen würde/ — Hierauf antwortet der Lehrer:
IL äkaranatvAc ca na doshas, tathä U darQayaH
auch ist dies kein Fehler, weil er kein Organ ist;
denn so lehrt es [die Schrift}.
Darin, dafs daraas eine besondere Klasse von Objekten folgen
müfste ,•> liegt „kein Fehler*', yeil der Prä^a „kein Organ" ist.
458 (&rlraka-iiilmlinB&
Denn wir nehmen ni<^t an, dafs der Pr&na, bo wie das Auge n. a. w.,
in dem Sinne,- dala er auf eine begrenzte Blaaee ron Objekten
ginge, ein Organ sei.. Darum darf man aber noch nioht Bchliefaen,
dafs es for ihn überhaupt keine Verrichtung gebe; warum? weil in
dieser Weise die Schrift lehrt, dafs der Mukhya Pr&na eine be-
sondere, nicht schon bei den andern Lebensorganen einl;egri£Eene
Wixkung übe. Nämlich in der Stelle von dem Streite der Leb^is-
Organe: „Bs geschah einmal, dafs die Lebensoigane um den Vor-
„rang stritten*' u. s. w. (ChUnd. 6, 1, 6) höifst es weiter: ,^f£krwahr,
„derjenige, nach dessen Auszug sich der Leib glrichsam am atter^
„übelsten befindet, der ist unter euch der beste" (Gh&nd. 5| l, 7),
worauf die Rede u. s. w. eines nach dem andern ausziehettt wUirend
722 das nur ihrer bestimmten Funktionen entbehrende | Leben eo wie
vorher als die specielle Wirkung des Mukhya Prftjgia forti>eiteht:
indem aber dann weiter der Pr&na ausziehen will, zeigt die Schrift,
wie die Rede u. s. w. dadurch in Ohnmacht verfallen, und der Leib
dahinfallt, wodurch sie lehrt, dafs der Prä^a die Ursache ist für
den Bestand des Leibea und der Sinnesorgane. Ähnlich heifst es:
„zu ihnen sprach der edelste Pr&na: irret euch nicht! ioh bin es,
„der ich in meiner fünffachen Teilung dieses Rohrgewftchi^ (den Leib)
„stütze und erhalte" (Pra^a 2^, 3)» womit dasselbe gesagt ist. Femer
lehrt die Stelle: „vom Leben (präna) läfst das niedere Nest er
„hüten" (Bfih. 4, 3, 12), dafs beim Schlafe des Auges u. s. w. dem
Pr&na die Behütuug des Leibes anheimf&llt. Und weiter zeigt
die Stelle: „aus wel<mem Gliede immer das Leben (präi(ia) auszieht,
„das vertrocknet, ... darum, wenn einer iM und trinkt, so för-
„dert er damit die andern Lebensorgane" (Ch&nd. 1, 2, 9), dafs
auch die Ernährung des Leibes und der Organe das Werk des
Prftna ist. Endlich, wenn es heifst: „was ist dasjenige, mit dessen
„Auszuge ich selbst ausgezogen sein werde, und mit dessen Bleiben
„ich selbst bleiben werde? so sprach er und schuf den PriLna"
(Pra^na 6» 3), so lehrt diese Stelle, dafs der Auszug und das Bleiben
der individuellen Seele nur durch den Prana bedingt werden.
12. panca-vritHr mano-vad vyapadifyate
als fünf Funktionen habend, wie das Manas, wird er
dargelegt.
Auch daran ersieht man, dafs der 'Mukhya Prana seine besondere
Wirkung ausübt, weil er als fünf Funktionen habend dargelegt
wird in Schriftstellen wie: „er ist Aushauch, Einhauch, Zwisohen-
723 „hauch, Auf hauch und | Allhauch*' (Brih. 1, 5, 3); diese Terschiedec-
heit der Funktionen bezieht sich auf eine Verschiedenheit der
Sfttram IL iy. 13. 459
WirkoBgm; der Aashanch (prän^) wirkt nach aufsen und bewirkt
das Ausatmen; der Einhanch (apäna) wirkt nach innen und be*
wirkt das Einatmen u. s. w.; der Zwischenhauch (i;^dnä) besteht
in einer Verbindong dieser beiden und bewirkt die Kraftanstren-
gungen; der Auf hauch (udäna) wirkt nach oben und ist die Ur-
sache des Auszuges u. s. w. [der Seele]; der Allhauoh (samdna)
endlidi befindet sich glexchnuUsig in allen Gliedern als der, welcher
die Speises&fle ihnen aufUirt. So besj^eht der Pr&^a in fünf Funk-
tionen „wie das Manas'* ; d. h. wie das Hanas f&nf Funktionen hat,
so hat sie auch der Pri^a. Die fünf Funktionen des Manas sind
die, welche durch das Ohr u. s. w. erregt werden und den Ton u. s. w.
als Objekt haben. Man kann nicht wohl an diejenigen denken,
welche in der Stelle: ,^ Verlangen, Entscheidung '^ u. s. w. (Brih.
1, 5, 3) erwähnt werden, weil deren mehr als fünf sind. Aber
sind nicht auch in jenem andern Falle mehr als f&nf, da dem
Manas unabhängig, von dem Hören u. s. w, noch eine besondere
Funktion zukommt, deren Obj^i das Vergangene, Zukünftige u. s. w.
ist? Unter diesen Umständen mag man nach der Regel, dafs eine
gegnerische Meinung, wofern sie nicht widerspricht, zulässig ist,
auch hier diejenigen fünf Funktionen des Manas verstehen, welche
in dem Lehrbuche des Toga angesetzt werden, nämlich: „Erkennt-
„nis, Irrtum, Einbildung, Schlaf und Gedächtnis^' (Yoga-Sütra 1, 6).
Oder endlich man kann annehmen, dafs das Manas nur darum mit
dem Prä^a verglichen wird,- weil er wie dieses mehrere Funktionen
hat. Auch könnte man es so auffassen, dafs der Prana ver-
möge seiner fünf Funktionen, so „wie das Manas*^ der individuellen
Seele als Hülfsmittel dient.
Sechstes Adhikaranam.
13. antig Cß 724
und minimal.
Auch als minimal mufs man diesen Mukhya Präna so gut wie
die übrigen Lebensgeister betrachten. Auch hier wieder bedeutet
die Minimalheit, dafs er fein und begrenzt, nicht dsfs er so grofs
wie ein Atom ist, da er mit seinen fünf Verrichtungen den ganzen
lieib durchdringt. Fein ist der Präua, sofern er beim Auszuge
von den Anwesenden nicht wahrgenommen wird; und begrenzt ist
er, weil die Schrift ihm ein Ausziehen, Hingehen und Wieder-
kommen zusclireibt. — 'Aber wird nicht auch gelehrt, dafs der
460 Q^uiraka-mlmänsl^ "
'Prana Blldurohdringend sei, an Stellen wie: „er ist gleich der
S,Ameise<, gleich der Mücke, gleich dem Elefanten, gleich diesen
'„drei Welten, gleich diesem ganzen Universum^' (Bnh. 1, 3, 22)?
— Hieranf ist zu erwidern, dafs diese Alldui*ohdringung nnr in
kosmologischem Sinne von der Pr&na^ Wesenheit des als Allseele
und Individualseele besteheoden Hira^yagarbha gilt, nicht aber in
psydiologiscliem Sinne. Übrigens wird in dem Vergleichungsworte
„er ist gleich einer Ameise'* u. s. w. doch auch gesagt, dafs der
Pr4na sich nach der Gröfse des jedesmaligen lebenden Wesens
lichte und somit begrenzt sei; daher hier keine Einwendung zu
erbeben ist.
Siebentes Adkikaranam,
725 14. jyotir-'ädi-adhisJUhdnan tu^ tad-dmamnät
vielmehr ist VorBtehung des Lichtes u. s, w., weil
dessen [die Schrift] gedenkt.
Es ist jetzt zu überlegen, ob die in Rede stehenden Lebens-
Organe aus eigener Macht ihre bestimmte Wirkung zu verrichten
im Stande sind, oder ob sie dazu nur im Stande sind, sofern Gott-
heiten ihnen vorstehen (lies: devaiä-adhishthitäff). — * Angenommen
'also, die Lebensorgane seien, da sie, je nach ihrer bestimmten
. ^Wirksamkeit, mit Fähigkeiten ausgerüstet sind, im Stande, ans
* eigener Macht zu wirken. Ferner : wenn man annimmt , dafs die
'Lebensorgane wirken, sofern Gottheiten ihnen vorstehen , so scheint
'zu folgen, dafs jenen vorstehenden Gottheiten auch ein Geniefseraein
'zukommt, und dafs somit das Geniefsersein der individuellen Seele
'aufgehoben wird. Daher mufs man annehmen, *'dafs die Lebens-
'organe durch ihre eigene Macht wirken.' — Auf diese Annahme ist
zu erwidern: „vielmehr ist Vorstehung des Lichtes" u. s. w. Durch
das Wort „vielmehr" wird die Meinung des Gegners abgelehnt;
denn nur' indem das Licht u. s. w., d. h. die das Feuer ver-
tretenden Gottheiten, ihnen vorstehen,' können die Lebensorgane,
Rede u. s. w. , in ihren Wirkungen sich bethätigen. Zu 'dieser
Meinung bekennt sich der Lehrer und fügt als Grund hinzu:
,,weil dessen [die Schrift] gedenkt"; denn sie sagt: „das Feuer
„(Agni) wurde zur Bede und ging ein in den Mund" (Ait. 1, 2, 4);
dieses zur- Rede -Werden und in -den -Mund -Eingehen des Feuers
726 setzt voraus, dafs der Rede ein göttliches Wesen vorsteht; | denn
es ist nicht abzusehen, wenn man nicht eine Verbindung mit der
Sütram IL xt. 14. 461
Gottheit dei Feuers annimmt, worin die specielle Verbindang
(lies: vi^esha-sambandho) des Feuers mit der Rede oder dem
Munde bestehen soll. In 'derselben Weise hat man es sich zurecht
zu legen, wenn es weiter heifst: „der Wind, zu Odem geworden,
„ging ein in die Nase" u. s. w. (Ait. 1, 2, 4). Ähnlich heifst es
auch anderwärts: „die Rede ist einer der vier Füfse des Brah-
„man, und durch das Feuer als Licht erglänzt er und leuchtet
„er'' (Ch&nd. 3, 18, 3); wenn hier gesagt wird, dafs der Rede u. s. w.
das Feuer n. s. w. als Licht diene, so bestätigt dies die Sache
ebenfalls. Auch wenn es heifst: „da führte er zuerst hinüber die
„Rede; indem diese Tom Tode erlöst wurde, entstand das Feuer '^
(Brih. 1, 3, 12),. so wird damit, dafs der tibergang der Rede in
das Sein des Feuers u. s. w. dargelegt wird, ebenfalls die obige
Sache erläutert. Überhaupt findet allerwärts auf Grund der Ein-
teilung in solches, welches sich auf das Selbst und solches, wel-
ches sich auf die Gottheit bezieht, die Aufzählung der Rede u. s. w.
neben dem Feuer u. s. w. jener ZusammensteUung entsprechend
statt. Und auch in der Smpti heifst es:
„Als Rede geht es auf das Selbst, so sagen
„Die Weisen, die* der Wahrheit kundig sind,
„Als das Qeradete geht's auf die Wesen,
„Als Feuer geht es auf das Göttliche.''
An dieser Stelle wird weiterhin die Vorsteherschaft der Gottheiten
des Feuers u. s. w. über die Rede u. s. w. ausführlich dargelegt.
Wenn hingegen oben bemerkt wurde, dafs die Lebensorgane, weil
sie mit der ihrer Wirkung entsprechenden Fähigkeit versehen
seien, schon aus eigener Macht wirken müfsten, | -so ist das un* 737
zutreffend; denn die Erfahrung zeigt, wie auch z. B. ein Wagen,
obwohl er die Fähigkeit zu laufen besitzt, sich doch nur be-
wegen kann, sofern er von einem Ochsen u. s. w. gezogen wird.
I>a somit beides möglich ist, so hat man sich der Schrift gemäfs
für die Vorsteherschaft der Götter zu entscheiden. — Wetnn weiter
behauptet wurde, dafs im Falle einer Vorsteheracbaft der Götter
das Goniefsersein ihnen und nicht der verkörperten Seela zu-
kommen würde, so wird dies widerlegt wie folgt.
15. pranavatä ^abdät
mit dem Lebendigen, wegen des Wortes.
Wenn auch die Gottheiten über die Lebensorgane eine Vor-
steherschaft üben, so besteht eine Verbindung dieser Lebens-
organe doch nur „mit dem Lebendigen", d. h. mit dem Besitzer
462 . C^^i^tiri^-m^B^B^
des Aggregates der Organe des Wirkens, d. h. mit der yerkörper-
ten Sede, wie dies ereiektlich ist „wegen des Wortes^; denn die
Schrift sagt: »,wenn nun das Aoge ningeriehtet ist anf diesen
„Weltraum [oder: gebettet ist in dieser Augenhöhle], so ist er
„[der Prftna, d. h. hier der Atman] der Geist im Auge, das Aoge
„[selbst] dient [nur] sum Sehen; und wer da rieehen will» daa
„ist dekr Atman, die Nase dient nur sum Oeruehe*** (Ghind. 8,
12, 4); hier wird gesagt, dals eine Verbindung der LebensoirgaDe
nur mit der verkörperten Seele besteht. Und auch schon wegiA
der Yielheit der den einseinen Organen Torstehenden Oottheüea
ist ein Geniefsersein derselben in dem betreffenden Leibe nieht
ancunehmen; Tielmehr ist es die eine, in dem betreffenden Körper
Terkörperte Seele, welche der Genießer ist, wie dies sdum dar-
aus hervorgeht, dafs nur eine solche Einheit [mit der Yielheit der
Organe] eine einheitliche Verbindung eingehen kann.
728 16. tasya ca nitifaivdt
und weil ihr die Beharrlichkeit.
Hierzu kommt, dalli »ihr", n&mlich der verkörperten Seele, in
dem Leibe „die Beharrlichkeif in dem Geniefsersein vermöge
ihrer Behaftung mit Gutem und Bösem und vermöge des ihr ge-
bührenden Genusses der Lust und des Schmeraes ankommt, nicht
aber den Göttern. Denn diese wohnen in dem höeheten G^lde
der Himmelsherrliohkeit und dürfen ein Genielsersein in diesem
armseligen Leibe nicht zugeschrieben bekommen; und auch die
Schrift sagt ja: „nur das Gute geht zu jenem hin, denn fürwahr
„das Böse geht nicht hin zu den Göttern" (Bph. 1, 6, 30). Hieran
kommt, dalji nur die verkörperte Seele, beharrlich mit den Lebens-
organen verbunden ist, indem dieselben die Seele auch bei ihrem
Ausziehen u. s. w. begleiten, wie die Schrift sagt: „indem sie aos-
„zieht, zieht das Leben (präifia) mit aus, und indem das Leben
„auszieht, ziehen alle Lebensorgane mit aus" (Brih. 4, 4, 2). Wenn
daher auch die Organe von den Gottheiten regiert werden, so
geht doch dadurch das Geniefsersein der individuellen Seele nicht
verloren, weil dabei die Gottheiten auf Seiten der Organe und
nicht auf Seiten des Geniefserseins stehen.
Sutram ü. iv. 17. 463
Achtes Adfitkaranam.
17. ta' indriyäm tad-vyapade^^ anyatra QresJUhät 729
sie sind Organe , weil sie als solche bezeichnet werden,
auiser dem besten.
Wir haben den einen Mukbya Pr&na nnd die elf übrigen
Pr&na*8 dnrcbgegangen. Hier erbebt sich nun aa£B nene ein
Zweifel; darüber nämlicb, ob die übrigen Prft^^s nnr Yerachie-
dene Funktionen des Mnkbya Prftna, oder ob sie besondere Wesen-
heiten sind. — Angenommen also, ^die andern seien nur ver-
'schiedene Funktionen des Mukbya Präna; warum? .wegen der
.'Schrift; denn in dieser Weise bringt die Schrift den Mnkhya und
'die übrigen Pr&^a^s zusammen und erklärt, dals die übrigen
'ihrem Wesen nach Mukbya sind; denn sie sagt: „wohlan! lasset
'„uns alle zu seiner Natur werden! da wurden sie alle zu seiner
'„Natur" (Bfih. 1, 5, 21). Auch das entscheidet fiir ihre Einheit,
'dafs sie alle den einen Namen „Pr4na" führen; denn sonst wür-
'den wir eine Bezeichnung verschiedener Sachen durch dasselbe
'Wort „Präna^* haben,, oder auch man müfiste annehmen, dafs
'dieses Wort das eine Mal eigentlich und das andere Mal meta-
'phorisch gebraucht wäre, welches beides gegen die Regel ist.
'Wie daher die fQnf Funktionen des Aushauches (jprano^ u. s. w.
'nur solche d^ einen Prft^a sind, so müssen es auch die elf, näm-
'lich Rede u. s. w., sein.' — Auf diese Annahme erwidern wir, dafs
die Rede u. s. w.- besondere , vom Pr&na verschiedene Wesenheiten
sind; warum? wegen der Verschiedenheit ihrer Bezeichnung. Näm-
lich „sie", d. h. die in Rede stehenden Pr&na*B mit Ausnahme des
besten, also die übrigen elf, werden „Organe" (indrii/äni) ge-
nannt; I und diese Verschiedenheit der Bezeichnung findet sich in 730
der Schrift: „aus ihm entsteht der Odem (präna)^ der Verstand
,/manas) und alle Sinne (indriyd^i)" (Mund. 2, 1, 3). An Schrift-
steilen wie dieser finden sich der Pr&na besonders und die Or-
gane (indriydni) besonders bezeichnet. — 'Aber mufs man in
'diesem Falle nicht ebenso gut wie den Pr&na auch das Manas
'davon ausnehmen, dafs es ein Indriyäm sei, da in den Worten
'„der Verstand und alle Sinne" beide besonders und für sich be-
'zeichnet werden?* — Das ist richtig; aber in der Smriti, wenn .
sie sagt: „die elf Indriya*s" (Manu 2, 89), wird das Manas ebenso
gut wie das Ohr u. s. w. unter den Indriya's befafst, währmid
hingegen von dem PriLna weder in der Schrift noch in der Smriti
das Wort Indriyäm gebraucht wird. Diese Verschiedenheit der
464 OMraka-mtmiiM
Bezeichnung ist nur mdglich, «ofern sie Tersohiedene Wesenhdlten
sind; nimmt man hingegen Einheit ihres Wesens an, so gerät man
in den Widersprach, dafs der Pr&na, der doch einer ist, yon
den Indriya^s als verschieden und doch nicht verschieden be-
seiehnet wird. Somit folgt, dafs die übrigen von dem Mukhya
wesensverschieden sind. — Und warum weiter sind die übrigen
von dem MukhyA wesensverschieden? Antwort:
18. bheda-gnäeh
weil die Schrift ihre Verschiedenheit lehrt.
Auch lehrt die Schrift allerw&rts, dafs der Prftna von der
Rede u. s. w. verschieden ist. So, wo es heifst: „da sprachen sie
73t f,zur Rede" (Bfih. 1, 3, 2), und | in Bezug auf die Rede u. s. w.
zusammenfassend gezeigt wird, wie die Rede und die Übrigen von
den Dämonen mit Übel zerrüttet werden; wie dann aber weiter,
wo es heifst: „da sprachen sie zu diesem Lebensodem im Munde"
(Brih. 1, 3, 7), der Mukhya PrllQa für sich besonders als deijenige,
welcher die DlUnonen zerstieben macht, aufgeführt wird. Femer
heifst es: „das Manas, die Rede, den Pr&na, diose^ hat er für sich
„selbst hervorgebraofat" (Brih. 1,6, 3); diese und andere Schrift-
steilen kann man als Beweise der Verschiedenheit anführen. Auch
darum also sind die übrigen vom Mukhya wesensverschieden. —
Und warum weiter sind die übrigen vom Mukhya wesensverschie-
den? Antwort:
19. vaäakshanyäc ca
auch wegen Verschiedenheit der Merkmale.
Auch eine Verschiedenheit der Merkmale zeigt sich zwischen
dem Mukhya Präna und den übrigen. Während die Rede u. s. w.
schlafen, bleibt der Mukhya allein wach; nur er allein wird vom
Tode nicht gepackt, während die andern gepackt werden; nur
der Pfbna ist durch sein Bleiben und Ausziehen die Ursache für
Erhaltung und Zerfall des Leibes, nicht die Indriya's. Die In-
driya^s sind die Ursache für die Erkenntnis der Sinnendinge, nicht
der Pr&^a. In dieser Weise findet eine mannigfache Verschieden-
heit der Merkmale zwischen dem Pr&na und den Indriya's- statt,
und auch daraus folgt, dafs die letzteren von jenem wesens-
schieden sind. Wenn aber behauptet wurde, dafs wegen der
Stelle „da wurden sie alle zu seiner Natur" (Brih. 1, 5, 21) die
Indriya*8 nur Prftna sein könnten, so ist das unrichtig; denn auch
SAtraiD II. IV. 19. 465
an dieser Stelle tritt, wenn man das Vorhergehende und Nach-
folgende in Betraolit zieht, die Verschiedenheit hervor. | Denn 732
wenn es daselbst nach den Worten „ich will reden, so strebte die
„Rede", von der Rede und den übrigen Indriya's heilst: ,, diese
„übermannte als Müdigkeit der Tod; . . . darum ermüdet die
„Redens so wird hier dargelegt, wie die Rede u. s. w. vom Tode
in Gentalt der Müdigkeit versohlungen werden; dann aber heilst
es : „nur ihn packte er nicht , der da der Pr&na in der Mitte ist ".
Hier ist die Rede von dem Prl^na für sich allein, welcher nicht
vom Tode überwältigt wird, und weiter wird in den Worten:
„fürwahr, er ist unter uns' der beste", sein Vorrang bestätigt.
In Übereinstimmung hiermit mufs man bei der Rede u. s. w. an-
nehmen, dafs das Werden der Rede u. s. w. zur Natur desselben
nur eine Abhängigkeit ihrer Verpflegung von dem Präna, nicht
aber eine Wosenseinheit bedeutet. Hieraus ergiebt sieb, dafs das
Wort „Präna" von den Indriya's nur metaphorisch gebraucht wird.
Und so sagt die Schrift: „da wurden sie alle zu seiner Natur,
..darum werden dieselben nach ihm benannt und heifsen Präna's"
(Brih. 1, 5, 21); hier wird gezeigt, wie das nur dem Mukhya Prana
zukommende Wort „Pr&ria" von den Indriya's in metaphorischer
Weise gebraucht wird. Somit sind die Indriya's, die Rede u. s. w.,
besondere, von dem Pr&i(ia' verschiedene Wesenheiten.
Neuntes Adhikaranam.
20. savyhd-murU-kriptis tu trivrU -km^ata^ upaderät
vielmohr ist die Bildnerei von Benennung: und Form
des' Dreifachmachersy wegen der Bezeichnung,
In dem Kapitel von dem Seienden heifst es, nachdem die.
Schöpfung von Glut, Wasser und Nahrung da '-gelegt worden:
,,dieHo Gottheit, erwog: wohlan! ich will in diene drei Gottheiten
„mit diesem lebenden Selbste eingehen | und auseinaudcrbroiten 733
„Namen und Gestalten, eine jede von ihnen aber will ich zu
.^einer dreifachen machen" (Chünd. 6, 3, 2 — 3). Hiev ist zweifel-
liaft, ob dieses Auseinanderbreiten von Namen .und Gestaiien ein
Werk der individuollen Seele, oder ob es ein Werk des höchsten
Gottes ist. -« Angenommen also, ^diesen Au seinanderh reiten von
*Namon und Gestalten sei ein Werk der individuellen Seele;
^wainm? wegen der Bestimmung: „mit diesem lobimdeu Selbste**
466 QMraka-mlm&Aali
^[oder: „mit dieser individuellen Seele *S jtvena ätmönä]. Wie
^man nänilich iin Leben, wenn man z. B. sagt: . „ich will mit
'„einem Späher in das feindliche Heer eindringen und es aos-
*„kiindschaften'', in dieser Redensart die Ausknndschaftong des
'feindlichen Heeres ^ welches doch das Werk des Sp&hers ist, auf
'die Person des Königs, weil dieser der ursächlidie Veranlass^
'ist, abertr>, indem man die Worte „ich will ausspähen^' dem
'höchsten Manne beilegt, ebenso überträgt man audi die Aus-
'breitung yon Namen und Gestalten, obwohl sie ein Werk der
'individuellen Seele ist, auf die Person der Gottheit ab des ur-
'sächlichenVeranlassers, und legt die Wprte „ich will auseinander-
'„breiten" don höchsten Geiste bei. Auch zeigt ja die Erfah-
'rang, dafs bei Benennungen, wie Bittha, Davittha u. 8*w., und
'bei Gestalten, wie Töpfen, Krügen u, s. w., das Ausbreitende nur
'die individuelle Seelo utt* Sonach mnfs auch jene Ausbreitung
'von Namen und Gestalten ein Werk der individuellen Seele sein.'
— Auf diese Annahme erwidert der Lehrer: „vielmehr ist die
„Bildnerei von Benennung und Form des Dreifachmaohers." |
734 i)arch das Wort „vielmehr'^ verwirft- er jene Meinung. 9, Die
„Bildnerei von Benennung und Form*', d. h. die Ausbreitung von
Namen und Gestalten ist ein Werk des Dreifachmaefaers, wor-
unter der höchste Gott zu verstehen ist, da die Dreifachmaehung
nach der Schrift ohne Widerrede ihn zum Urheber hat. Also
jene Bildnerei der Benennungen und die Bildnerei der Formen,
z. B. wenn man sagt: „Feuer, Sonne, Mond, Blitz", und ebenso
in Bezug auf Gras,. Schilf und Bl&tter und in Bezug auf zahme
Tiere, wilde Tiere und Menschen, — diese Bildnerei, wie sie je
nach der Gattung und je nach der Art mannigfaltige Gestalten
hervorbringt, kann sicherlich nur ein Werk des höchsten Gottes,
des Schöpfers von Glut, Wasser und Nahrung sein; warum? „we*
„gen der Bezeichnung". Denn demgemäls wird, wenn es nach
den Worten „diese Gottheit" heilst: „ich will auseinanderbrei-
„ten" (Ch&nd. 6, 3, 2), die Ausbreitung damit, dafs sie dem
höchsten Geiste beigelegt wird, hier als ein Werk des höchsten
Brahman bezeichnet. — 'Aber mufsten wir nicht wegen der Be-
'stimmung „mit diesem lebenden Selbste" zugeben, dala die
'Auseinanderbreitung ein Werk der individuellen Seele ist?' —
Dem ist nicht so, und zwar, weil die Worte „mit diesem leben-
„den Selbste" zu verbinden sind mit „eingehen", indem dies
unmittelbar folgt, nicht aber mit „auseinanderbreiten". Würde
es nämlich mit diesem verbunden, so könnte das auf die [höchste]
Gottheit bezügliche „ich will auseinanderbreiten" dem höchsten
Geiste nur in übertragenem Sinne beigelegt sein. Es ist aber
nicht möglich, dafs für die mannigfachen Namen und Gestalten
die Fähigkeit, sie auseinanderzubreiten, der nicht Gott seienden
785 individuellen Seele, einwohne. | Und auch bei den Dingen, zu
Sfttram 11^ it. 9D. 467
deren Aoaeinanderbreitang sie die F&bigkeit besitst, ist dieselbe
von dem böcbsten Oo(^ abhängig. Überhaupt giebt es gar keine
individuelle Seele, welche von dem höchsten Gölte so völlig ge-
trennt bestfinde wie von dem Könige der Späher, weil das Wort
„individuell *' näher bestimmt wird durch das Wort „Ätman
(Seele)", und weil das Sein der individuellen Seele nur an die
Upädhi^s sidb knOpft. Sonach ist auch eine solche Auseinander*
breitung von Namen und Gestalten, welche von der individuel*
len Seele bewirkt wird, in Wahrheit ein Werk des' höchsten
Gottes. Und nur der höchste Gott ist es, welcher die Namen
und Gestalten [der Welt] auseinanderbreitet, wie alle üpanishad*s
dies annehmen. Denn die Schrift sagt z. B.: „der Äther für«
„wahr ist es, welcher die Namen und Gestatten auseinander-
„dehnf' (Ch&nd. 8, t4; vgl. Sütram 1, 3, 41). Somit ist das Aus-
einanderbreiten der Namen und Gestalten das Werk des höchsten
Gottes, welcher auch die Dreifachmachung bewirkt. Nämlich die
Auseinauderbreitung von Namen und Gestalten hat die Breifach-
machung zur Voraussetzung, wie das Folgende zeigt, wo die Aus-
einanderbreitung von Namen und Gestalten im Einzelnen an der
Entstehung des [dreifach gemachten] Feuers, Wassers, Erdigen
[aus den Urelementen Feuer, Wasser und Nahrung] nachgewiesen
wird. Diese Dreifachmachung erl&utert die Schrift an den Bei- .
spielen des Feuers, der Sonne, des Hondes und des Blitzes, in-
dem sie sagt: „was an dem [dreiiach gemachten] Feuer das
„Rote ist, das stammt von der Glut [dem Urfeuer], was daran
„das WeiTse ist, von dem [Ur-]Waaser, was daran dias Schwante
„ist, von der [Dr-]Nahrung" u. s« w. (Ghänd. 6, 4, 1). Hier wird
also die Auseinanderbreitung derjenigen Gestalt geschildert, welche
wir „Feuer" nennen. Und nachdem die Auseinanderbreitung der
Gestalt geschehen, wird audi der Name „Feuer", indem er sein
Objekt erhält, auseinandergebrettet. Das Nämliche wäre su sa-
gen von der Sonne, dem Winde «nd dem Blitze. | Durch diese 736
Herausgreifung von Feuer u. s. w. als Beispielen wird von allen
drei Substanzen, der erdigen,, vässerigen und feurigen, gelehrt,
dafs sie einer wie die iM^dere drofach gemacht sind, wie sich dies
aus der allgemeinen Haltung des Einganges und des Schlusses
ergiebt. Denn so heifst es ^u Anfang ganz allgemein: „diese
„drei Gottheiten werden jede f&r nA dreifach gemacht" (Chänd,
6, 3, 4); dad auch der Beachlufs drückt sich ganz allgemein
aus: »»was nun das Bote zu sein schien, das stammt von der
„Glut", — V4>n hier an bis au den Worten: „was ein Unbe-
„kanntes zu sein schien, das ist in diesar Weise eine Znsammenr
,^ts«ng aus jenen Gottiieiten" (Ghänd. 6, 4, 6 — 7).
Nachdem diese drei Ctottheiten nach aufsen hin dreifach aus-
gebreitet worden, wird eine weitere Dreifachmachnng in Bezug
ao*
468 CI|rirakA-miiii&ii8&
auf doB Selbst geschildert: „diese drei Oottbeiten, wenn sie in
,,eiaen Menschen gelangen, werden eine jede dreiÜMh*^ (Chind. €,
i, 7). Dieses legt nunmehr der Lehrer der Schrift gemftfs dar,
um etwa möglichen Bedenken BaYorzokommen.
31. mänsa-ädi bhautnatn yafh&^ahdkim itarayog ea
das Fleisch u. s. w. ist erdartig nach der Schrift, und
so bei den beiden andern.
Wenn die dreifach gemachte Erde yon dem Menschen sa sich
genommen wird, so entsteht als Wirknng nach der Schrift das
Fleisch u. s. w. Denn die Schrift sagt: „die gegessene Nahrung
„wird dreifach zerlegt; der gröbste Stoff derselben wird su Kot,
„der mittlere zu Fleisch, der feinste zu Manas*' (Chftnd. 6, 5, 1).
N&mlich diese schon dreifadi gemachte Erde, das ist die 'Mei-
nung, wird in Gestalt der Nahrung, des Reises, der Oerste o. s. w.,
737 genossen. Was nun an dieser | der gröbste Bestandteil ist, der
wird ab Kot nach aufsen abgeführt, der mittlere vermehrt das
. an der Person befindliche Fleisch , und der feinste wird zu Manaa.
In derselben Weise kann man bei- den beiden andern, bei Wasser
und Feuer, aus der Schrift die Wirkung ersehen, welche sie
hervorbringen, indem Harn, Blut und Pr&^a eine Wirknng des
Wassers, Knochen, Mark und Rede eine 'Wirkung des Feuerfi
sind (vgl. Ch&nd. 6, 5, 2—3).
Man könnte sagen: 'wenn doch alles an den Elementen und
^ihren Verbindungen dreifach gemacht Lst, sofern die Schrift ohne
'Unterschied sagt: „eine jede von ihnen machte sie dreifach*'
'(Chand. 6, 3, 4), — wie kommt es dann, dafs man unterschei-
^dend sagen kann: dieses ist Feuer, dieses Wasser, dieses Näh-
erung; und dafs man ebenso in Bezug auf das Selbst sagen kann:
'dieses ist Nahrung, und wenn , es gegessen wird, so ist seine
'Wirkung das Fleisch u. s. w.; diese Wirkung des getrunkenen
^Wassers ist das Blut u. s. w.; diese Wirkung des genossenen
'Feuers sind die Knochen u. s. w.?* — Hierauf dient zur Antwort:
22. vaigeskyät tu iad-vädas, tad-vädah
vielmehr nach der Charakterschaft geschieht seine
Benennung, seine Benennung.
Durch das Wort „vielmehr" beseitigt der Lehrer den be-
regten Einwurf; „die Charakterschaft" bedeutet das Vorhandensein
Sülram 11. rr. 22. 469
eines Charakters, sofern nämlich ein Überwiegendseih stattfindet.
Denn wenn auch aller Stoff der 'Elemente überall ein dreifach
gemachter ist, so zeigt sich doch ein Überwiegen, n&mllch bei
dem Feuer ein Überwiegen der Glat, bei dem Flüssigen ein
Überwiegen des Wassers, bei der Erde ein Überwiegen der Nah-
rung. Diese Art der Dreifachmachung geschah, um die Namen-
gebung möglich zu machen; wäre nämlich die Dreifachmachung
nur der Übergang zu eiüer unterschiedslosen Einheit, wie sie
z. B. bei einem dreifach gedrehten Stricke stattfindet, so konnte
die in der Welt übliche Namengebung, da sie sich unter 9chei-
dungsweise auf die drei Elemente bezieht, nicht statt haben.
Wenn daher auch eine Dreifachmachung vorliegt, so ist doch
vermöge der Gharakterschaft ) diese Bezeichnung nach dem Cha- 738
rakter als Feuer, Wasser und Nahrung bei den Elementen und
ihren Produkten möglich. — „Seine Benennung, seine Benen-
„nung'S diese Wiederholung des Wortes zeigt den Abschlufs des
Adhyäya an.
So iMttet iu dem XonaMAtaKe rar orl*oolit«iii gartr€ika'mimaH$a, dorn Werke der
▼erehraagewftnliffeu FUfee dee QaMkara, im aweiteu Aikf&ffa der Tierte Pdda.
Ende des zweitcu Adhy&ya.
DRITTER ADHYÄYA.
I
\
k
Des dritten Adhyftya
ERSTER PADA.
Oittl V«z«hnmg dem höchsten Aimaii!
Entea Adhikaranam.
i
j
:
1. tad-antara-pratipaUau ranhaÜ samparishvaklahj 739
profna - mrüpanäbhtfäm
beim Eingang in einen von- ihm verschiedenen [Leib]
rennt sie [die Seele] umschlungen ^ wegen der Frage
und Darlegung.
Im aweiten Adhyäya wurde der Widerspruch der. Smpti«Be*
flexion gegen die vom Yed&nta aufgestellte Lehre vom Brahman
beseitigt (P&da 2, 1) und gezeigt, daJfo die Lehrmeinungen der
Gegner keine Beachtung verdienen (Pl^ 2', 2), auch wurde der
Widerspruch unter den Schriftworten beglichen, und bei dieser
Gelegenheit wurde gezeigt, wie die Werkzeuge der Seele als be-
sondere, von der Seele verschiedene Wesenheiten aus dem Brah-
man entspringen (P&da 2, 3 — 4). — Nunmehr sind weiter zu be-
»prechen: die Art, wie die mit den Werkzeugen ausgerüstete
Seele ihre Wanderung ausführt (P&da 3, 1), die verschiedenen
Zustände der Seele (3, 2, 1—10), ihre Gleichweeenheit mit Brah-
man (3, 2, 11 — 41); die Einheit und Nichteinheit der Lehren, so-
wie dlie Zusammenfassung und Nichtzusammenf&ssung der Attribute
(3, 3, 1 — 66); die Verwirklichung des Zieles des Menschen durch
v ■ ■
474 C&rlraka-mtml^stt
«
die vollkommene Erkemitnis (S, 4, 1 — 26), die verschiedenen 6e>
setzesvorschriften als Mittel der vollkommenen Erkenntnis (3, 4,
26 — 50) und die Nicbtbedingtheit der Fracht der Erlösung (3, 4,
740 51 — 52); — dieses | ist der Zweck der Ausführungen des dritten
Adhyftya, und was sonst noch nebenbei gelegentlich vorkommt.
Zanächst nun wird im ersten Pftda auf die Ffinf-Feuer-Lehre
eingegangen und die Verschiedenheit des Verlaufes der Seelen-
wanderung dargelegt, weil dies ein Motiv zur Entsagung ist, und
weil darin ein Grund liegt, dafs man „sich hüten soll^S wie* die
Schrift am Ende der Fünf-Feuer-Lehre sagt (Chind. 5, 10, 8).
Die individuelle Seele also, begleitet von dem Mukhya Prana
nebst Indriya'a und Manas und ausgerüstet mit dem WisseUi dem
Werke und der Vorwissenheit (pArvaprajnd) , verl&fst den firühe-
ren Leib und geht in einen neuen Leib Über, wie dies aus der
Schrift ersichtlich ist; denn die Stelle: „dann aber scharen diese
„Ijobensorgane sich zu ihr zusammen '% bis zu den Worten: „so
„schafft ^e sich eine andere, neuere, schönere Oestalt** (Bfih. 4,
4, 1 — 4) hat es mit der Seelenwanderung als Thema zu ihun;
auch ist ^ese erforderlich, damit der Genufs der Frucht der gu-
ten und bösen Werke sich erfülle.
.
Hierbei erhebt sich die Frage, ob die Seele so wandert, dafs
sie dabei von den als Samen des Leibes dienenden Feinteilen der
Elemente niqht umschlungen ist, oder indem sie umschlungen ist.
— Angenommen also, ^die Seele sei dabei von ihnen nicht um-
'schlungen; warum? weil die Schrift zwar von einem Mitnehmen
*der Organe, nicht aber von einem Mitnehmen der Elemente spricht.
'Denn in der Stelle: „sie aber nimmt diese Kraftelement^ in sidi
'„auf" (Bph. 4, 4, 1) sind unter den Kraftelementen [nur] die mit-
'zunehmenden Organe zu verstehen, indem als solche weiterhin
'das Auge- u. s. w. erw&hnt werden; hingegen* ist von einer Mit-
'nahme der Elementarstoffe keine Rede. Auch sind diese Ele-
'mentarstoffe überall leicht zu haben; wo immer der neue Leib
741 'sich bilden mag, da finden sie sich stets vor, | und ein Mitfuhren
'derselben würde zwecklos sein. Somit zieht die Seele aus, ohne
'dafs sie von ihnen umschlungen w&re.' — Auf diese Annahme
eröffnet der Lehrer: „beim Eingang in einen von ihm verachiede-
„nen rennt sie umschlungen"; d. h. beim Eingang in einen neuen,
von dem bisherigen Leibe verschiedenen Leib rennt, d. h. wandert
die Seele umschlungen von den als Samen des Leibes dienanden
Feinteilen der Elemente; warum? „wegen der Frage und Darle-
iig^uig". Nftmlich die Frage lautete: „weifst du, wie bei der
„fünften Opferung die Wasser mit Menschenstimme redend wer-
„den?" (Chand. 5, 3, 3); und die Darlegung, d. h. die Beantwar*
tung zeigt, wie in den fünf Feuern des HimmelS| der Atmosphäre,
der P>de, des Mannes und des Weibes die füx^ Opferungen des
Glaubens, des Soma, des Regens, der Nahrung und des Samens
Sütram III. i. 1. 475
dargebracht werden, and sagt dann: „in dieser Weise gesolaelii
„es, dafs die Wasser bei der fünften Opferung mit Henschen-
,y8timme redend werden" (Ch&nd. 5, 9, 1). Hieraus folgt, dals
die Seele rennt, d. h. wandert, indem sie von den Wassern um-
kleidet ist. — 'Aber sagt nicht eine andere Schrütstelle : „dem
S,Bliitegel gleich l&fst sie den vorigen Leib nicht los, bis de nicht .
S»in einen neuen Leib eingeht"?' — .| Hierin liegt kein Wider- 743
sprach, weil damit ebenso wie jn der Stelle: „darum gleich wie
„eine Raupe" (ßph, 4, 4| 8) nur gesagt sein soll, dafs es fthnlicfa
wie bei dem Blutegel nidit lange dauert, bis die, dabei von den
Wassern umkleidete, Seele in den Bereich des durch, ihre Werke
bedingten und anzunehmenden Leibes übergeht. Dieses ist die
von der Schrift gelehrte Art, wie die Seele in einen neuen Leib
eingeht. Was hingegen die auf menschlicher Heilung beruhenden
Annahmen betrifft, [die der Sänkhya's,] d&fs die Organe mitsamt
der Seele allgegenwärtig siifd, und dafs dieselben, beim Eingänge
in den neuen Leib , um der [der Seele anhaftenden] W wke wSlen
nur einen Wiederbeginn der Funktionen an dem betreffenden Orte
erleiden, — oder [die der Bauddha's,] dafs die Seele für sich
allein hier oder da die Übemalime der Funktionen erleide, wAh-
rend die Organe ebenso wie der Leib immer wieder neu an der.
jedesmaligen Stätte des Genusses entstünden, — oder [die der
Kanäda's,] dafs das Hanas allein [mit der Seele] an die Stätte
des Oeniefsens gelange, — oder [die der Jaina's,] dafs die Seele
allein aus dem Leibe beraushüpfe wie ein Papagei von einem
Baume aum andiem, — diese und ähnlidie Annahmen verdienen
sämtlich keinerlei Beachtung, weil die Schrift ihnen wider-
spricht.
'Aber folgt nicht aus der angeführten Frage und Beantwor-
Hung, dafs die Seele wandert, indem sie nur von den Wassern
'umschlungen ist, da die Schiift nur das Wort Wasser erwähnt?
*wie kann man daraus | ganz allgemein entnehmen, dafs die Seele 7^3
'von allen Feinteilen der Elemente umschlungen wandere?* —
Darauf giebt der Lehrer zur Antworte
2. tri'ätmäkaivät tu, hhüyastväi
vielmehr wegen der Drei Wesenheit, wegen des
Überwiegens.
Durch das Wort „vielmehr*^ schneidet er den erhobenen Zwei-
fel ab. Nämlich die Wasser sind dreiwesentlich wegen Aw Schrift-
stelle von der Dreifaohmachung (vgl. Sütram 2, 4, 20); nimmt
man also sie als das Hervorbringendo an, so mufs man uuum-
476 g&rlraka<
gäuglicli auch die beiden andern Elemente annehmen. — Und
auch der Leib ist dreiwesentlich, sofern man von allen drei Ele-
menten, Feuer, y^asser und Nahrung, in ihm die Wirkungen be-
merkt; < — und wiederum in anderer Weise ist er dreiwesentlioh,
sofern sich in ihm die drei Grrundstoffe, nämlich Wind, Galle und
Schleim, vorfinden.
Es ist ja nicht möglich, dafs der Leib mit AoBSchliefsung der
andeiTi Elemente aus dem blofsen Wasser sich anfbaue. Wenn
daher an der Stelle Ton den Wassern, die mit Menschenstimme
redend werden, in Frage und Antwort das Wort „Wasser'' steht,
so bedeutet dieses nur ein Überwiegen, nicht eine Ausschliefslioh-
keit. In allen Leibern nftmlich seigt sich ein Überwiegen der
Flüssigkeit in S&ften, Blut u. s. w. — 'Aber zeigt nicht der Augen-
'schein, dafs in den Leibern das erdige Element überwiegt?' —
Das würde nichts ausmachen, da dann doch jedenfalls im Ver-
gleich mit dem andepi Elemente [des Feuers] ein Überwiegen des
Wassers statthaben würde. Übrigens zeigt auch der Augenschein
ein Überwiegen des Flüssigen an dem ersten Keime des Leibes,
sofern derselbe ans dem [männUehen] Samen und dem [weiblichen]
Blute besteht.
Auch ist fOr die Bildung eines neuen Leibes die bewirkende
Ursache das Werk; die Werke aber, wie Feueropfer u. s. w.,
stützen sich auf die flüssigen Substanzen des Soma, der ge-
schmolzenen Butter, der Milch u. s. w. Es sind aber, wie der-
Lehrer zeigen wird, die dem Werke inh&rierenden Wasser, welche
unter dem Worte „ Glaube "^ zu revstehen sind und mitsamt
dem Thater der Werke in dem Feuer der Himmelswelt geopfert
werden.
744 I Auch daraus also ergiebt sich eine Mehrheit des Wassers;
und wegen dieser Mehrheit sind unter dem Worte „Wasser" alle
dem Leibe als Same dienenden Feinteile der Elemente zu vei^
stehen; dagegen ist nichts einzuwenden.
3. präna-gdteg ca
auch wegen des Gehens der Lebensorgane.
Auch schreibt die Schrift den Lebensorganen bei dem Über-
gange in einen andern Leib ein „Gehen" zu, z.B. wenn sie sagt:
„wenn er auszieht, so zieht das Leben mit aus, wenn das Leben
„auszieht, so ziehen alle Lebensorgane mit aus'/ (Brih. 4, 4, 2).
Dieses „Geben" der Lebensorgane ist nicht möglich ohne eine
[materielle] Basis; und auch daraus lälst sich schliefsen, dafs es
die mit den andern Elementen versetzten Wasser sind, welche,
Sfttrain IIL i. 3. 477
beim Gehen der Lebensorgane zar Verwendung kommend und
ihnen als Basis dienend, dieses Gehen ermöglichen. Denn ohne
eine solche Basis können die Lebensoigane keines lebenden' We-
sens irgendwie gehen oder bestehen, weil die Erfahrung es
nicht aeigt.
4. agnT-ädi-goH-gruter, Ui cen? na! bhäJctatvät
wegen der Schriftstelle vom Eingange in das
Feuer u. s. w., meint ihr? — Nein! wegen der
Bildlichkeit.
'Das mag sein*, könnte man sagen, ^aber gleichwohl geht es
'nicht an^ dafs beim, Obergang in einen neuen Leib die Lebens-
'organe mit der Seele ziehen, „wegen der Schriftstelle vom £in-
%,gange in das Feuer u. s. w." Die Schrift n&mlich aeigt, wie
'beim Sterben die Lebensorgane der Rede u. s. w. in die Götter
'des Feuei-s (Agni) u. s. w. eingehen, in der Stelle: „wenn nun
'„der Mensch stirbt, und seine Rede eingeht in das Feuer, sein
'„Odem in den Wind" und wie es weiter heifst (Brih. 8, 2, 13).'
— Meint ihr so, so erwidern wir „nein! | wegen der Bildlich- 745
,,keit"; d. h. die Schriftstelle von dem Übergange der Rede u. s. w.
niufs uneigentlieh gemeint ^ein, weil, was sie sagt, betreffs der
Leibbaare und Kopfhaare der. Erfahrung widerstreitet; denn wenn
es daselbst heilst: „die Leibhaare in die Kräuter, die Kopfhaare
„in die Bänme" (Brih. 3, 2, 13), 00 ist es doch nicht möglich, dafs
die Haare des Leibes und des Kopfes wegspringen, um in die
Kräuter und Bäume einzugehen. Hierzu kommt, dafs der indivi-
duellen Seele, wenn man von den Lebensorganen als ihren Upd-
dhi's Abstand nimmt, ein Gehen überhaupt nicht zukommt; so-
wie, dafs olme die Lebeusorgane das Geuiefsen in dem neuen
Leibe unmöglich ist. Auch sagt die Schrift an andern Stellen
klar und deutlich aus, dafs die Lebensorgane mit der individuel-
len Seele ziehen. Somit hat mau anzunehmen, dafs das Ein*
gehen der Rede u. s. w. in das Feuer u. s. w. figürlich zu ver-
stehen ist und nur bedeutet, dafs die der Rede u. s. w. vor-
stehenden Gottheiten des Feueini u. s. w., welche der Rede u. s. w.
Hülfe leisten, beim Sterben diese Hülfeleistung einstellen.
478 Qlr1nka-iiiltDlAs&
•
5. . prathame ^gravunddy iU cm? na! tä[ eva U,
upapatteh
weil sie beim ersten nicht erwähnt^ meint ihr? —
NeinI denn das sind eben sie, wegen der Richtigkeit.
'Nun gut, aber wie Ift/st es sich aufrecht halten, dafs die
i 'Wasser bei der fihiften Opferung zu solchen werden « die mit
'Menscheostimme reden, da doch bei dem ersten Opferfeuer die
'Wasser gar nicht erwähnt werden? Es werden nämlich an un-
'serer Stelle die Himmelswelt u. s. w. als fünf Opferfeuer, welche
'die fünf Opfergüsse in sich aufnehmen, Torgestellt, und dabei
'heifst es zu Anfang: „fürwahr, jene Welt ist ein Feuer, o Gau-
Sjtama'^, und weiter: „in diesem Feuer opfern die Götter den
'„Glauben" (Chluid. 6, 4, 1 — 2). Hier wird als das Opfermaterial
Mer Glaube erw&hnt; von dem Wasser hingegen als Opfermaterial
4st dabei keine Rede. Denn wenn man auch bei den übrigen
'vier Opferfeuem, der Atmosph&re u. s. w., an das Wasser als das
746 *Opfermateiial | denken will, so mag man das thun, weil die da-
^bei zur Opferung verwendeten Stoffe, der Soma u. s. w. , in der
'That ein Vorwiegen des Flüssigen zeigen; beim ersten Opferfener
'hingegen nennt die Schrift den Glauben, und diesen aufzugeben
*und dafür die niditgenannten Wasser einzusetzen, das ist doch
'willkürlich. Denn unter Glauben versteht man nach der allge-
Hneinea Annahme eine bestimmte Art des Vorstellens. Somit ist
^es nicht richtig, dais es die Wasser sind, welche bei der fünften-
'Opferung zum Menschen werden.* — Hierauf erwidern wir, dafs
' diese Einwendung nicht zutrifft, „denn'S d. h. weil, auch dort, bei
dem ersten Opferfeuer, „eben sie", nämlich die Wasser, es sind,
welche unter dem Worte „Glaube" verstanden werden müssen;
warum? ,yWegen der Richtigkeit"; d. h. nur auf diese Weise ste-
hen Anfang, Mitte und Ende in Übereinstimmung, und die ein-
heitliche Stelle ist zusammenhängend und richtig; im andern Falle
hingegen, wenn man nach der Frage, wie es geschehe, dafs die
Wasser nach der fünften Opferung mit Menschenstimme redend
werden, bei der Beantwortung anstatt ihrer ersten Darbringang
eine Opfermaterie, welche nicht Wasser wäre, n&miich den Glau-
ben, eiüschieben wollte, so würde anders die Frage und anders
die Beantwortung lauten, und die Einheit der Stelle aufgehoben
werden; dafs aber diese vorhanden ist, zeigt auch die Schrift, in-
dem sie zum Schlüsse zusanmienfassend sagt: „so vielmehr go-
„schieht es, dafs bei der fünften Opferung die Wasser zu solchen
„werden, die mit Mensch^ustimme reden" (Chänd. 5, 9» 1)* Auch
Sütram III. i. 5. 479
an den Wirkungen des OUab^ns, dem Soma, Regen u. s. w., diei
doch schon festerer Art sind, bemerkt man ein Überwiegen des
Wassers, und das stimmt nur, wenn der Glaube als Wasser ge-
faTst wird, denn die Wirkung ist von gleicher Natur wie die Ur-
sache. I Auch Iftfst sich ja nicht die „Olaube^^ genannte Yor- 747
Stellung, sofern sie eine Qualit&t des Manas oder der individuellen
Seele ist, aus dem Tr&ger dieser Qualität herausziehen und som
Opfern verwenden, wie man es bei den Opfertieren mit dem Hw-
zen u. dgl. macht. Somit mulB es das Wasser sein, welches hier
als Glaube bezeichnet wird. Eine solche Bezeichnung als Glaube
pafst nämlich für das Wasser, weil diese Verwendung im Yeda
vorliegt, indem es heilst: „Glaube fßrwahr sind die Wasser** (Taitt.
samh. 1, 6, 8, 1). Und auch deswegen, weil die als Same des
Leibes verwendeten Wasser eine dem Glauben ähnliche Feinheit
annehmen, könnten sie Glauben genannt sein, ähnlich wie man
einen- Mann von löwenmäfsiger Tajpferkeit .einen Löwen nennt. —
Auch darum pafst das Wort (jlaube auf die Wasser, weil die-
selben dem Werke inhärieren, welches den Glauben zur Voraus-
setzung hat, so wie man einen Menschen ein Skelett nennt [ —
weil der Leib das Skelett zur Voraussetzung hat?] — Und auch
darum können die Wasser Glaube heifsen, weil sie [in ihrer
Verwendung bei den Ceremonien] die Ursache des Glaut)ens sind;
denn die Schrift sagt: „die Wasser bringen in ihm den Glauben
„zuwege zum heiligen Werke.**
6. agrtUatväd Ui c$n? na! ishta-ädi-JcArinäin pratUeh
weil sie nicht erwähnt, meint ihr? — Nein, weil die
Vollbringer der Opfer u. 8. w. zu verstehen:
'Zugegeben wegen der Frage und Antwort, dafs die Wasser
Vermittelst des Glaubens u. s. w. bei der fönften Opferung in
'Menschengestalt übergehen, so eind es doch nicht die Seelen,
'welche von ihnen umschlungen rennen, „weil sie nicht erwähnt"
'werden, denn es liegt kein Wort vor, welches, so wie der Was-
'.ser, auch der Seelen gedächte. Somit ist es unzutrefPend, dafs
'von ihnen umschlungen die Seele renne/ — Hierauf erwidern
wir, dafs darin kein Fehler liegt; warum? „weil die Vollbringer
„der Opfer u. s. w. zu verstehen"; denn es helTst: „hingegen
„diese, welche | im Dorfe Opfer, fromme Werke und Almosen- 748
„geben üben, die gehen ein in den Rauch" (Chänd. 5, 10, 3); an
dieser .Stelle wird weiter erzählt, wie die Vollbringer der Opfer
u. s. w. auf dem Wege des Rauches u. s. w. , d. h. auf dem Väter-
480 gfcrlraka-intm&n8&
wege (pHrtyäna)y sum Monde gelangen; denn wenn es heUat „aai)
„dem Aki^a in den Mond, der ist der König Soma^' (Ch&nd. 5,
10, 4), 80 sind hier wiederum dieselben su yerstehen., wie sich
ergiebt aus der Übereinstimmung mit der Stelle: ,,in diesem Feuer
„opfern die Götter den Glauben; ans dieser Opferung entsteh^ der
„König Soma'* (Ghftnd. 5, 4, 2). Auch pafst es auf die Opfernden,
dais die von ihnen bei den Werken des FeueropCurSy Keumond-
opfers, Yollmoudopfers u. s. w. gebraudliten Mittel, n&mlich saure
Milch, Milch, und Ähnliches , wegen^des Überwiogens der fl&sstgen
Substanz geradezu zu Wasser werden; diese in dem Opferfeuer
dargebrachten feinstofflichen Opfergüsse gehlen über in die Gestalt
des Apf^rvam [des neu erworbenen Verdienstes] und dienen als
solches den Yollbringem der Opfer u. s. w. als Substrat. Wenn
nämlich ihr Leichnam bei der Totenfeier in dem letzten Feuer
von den Priestern geopfert wird mit den Worten: „er gehe ein
„zur Himmelswelt, sväka!^*^ dann l&fst sich denken, dafs jene
Opferungswasser, indem sie das auf den Glauben beruhende Werk
inhärierend haben, in Gestalt des Apürvam die Seelen der Yoll-
bringer der Opfer u. s. w. umkleiden und sie zum Empfange des
Lohnes in jene Welt führen; daher es auch heifst: „was er dabei
„opfert, darauf kommt es nicht an, denn man opfert den Glan-
„ben." Und ähnlich heifst es beim Feueropfer im Verlaufe der
749 auf die sechs Fragen gegebenen Antworten: | „wahrlich diese bei-
„den Opferspenden steigen geopfert empor" (Qatap. br. 11, 6,
2, 6), wo weiter gezeigt wird, wie die Spenden beim Feueropfer
zur Be Wirkung des Lohnes in die andere Welt gelangen. — So-
mit ist es richtig, dafs es die Seelen sind, welche, voh den
Wassern der Opfergüsse umschlungen, foi*teilen zum Genüsse der
Frucht ihrer Werke.
'Aber wie kann man annehmen, dafs dieses Hineilen der Voll-
'bringer der Opfer u. s. w. zu dem Zwecke geschehe, die Frucht
'ihret Werke zu geniefsen, da doch vielmehr die Schiift von ihnen
'sagt, dafs sie selbst, nachdem sie auf dem Wege, dessen Ein-
'gangspforte der Rauch ist, zum Monde aufgestiegen sind, zur
'Speise werden; denn es heifst: „der ist der König Soma, darum
'„ist er die Nahrung der Götter, denselbigen geniefsen die Götter''
^(Chand. 5, 10, 4), und an einer andern Stelle, die denselben
'Gegenstand behandelt: „wenn sie in den Mond, gelangt sind,
' '„werden sie Nahrung; daselbst, gleichwie man den König Soma
'„mit den Worten: -t schwill an und schwinde» geniefst, also werden
'„sie von den Göttern genossen" (Brih. 6, 2, 16, vgl. System des
'Vedänta S, 393). — Man kann doch nicht annehmen, dafs es ein
'Genufs sei, von den Göttern wie von Tigern u. s. w. verzehrt
'zu werden!' — Hierauf antwortet der Lehrer:
SAtram III. i. 7. 481
7. bhAkfam va, anätmavittvät; tathA hi darQayaii
A
04ler bildlicli, wegen Nichterkenuung des Atman; denn
so lehrt [die Schrift].
Das Wort „oder*' hat die Bedeutung^ das hervorgehobene Be-
denken zu beseitigen. Nämlich dafs sie aur Nahrung werden, ist
„bildlich", nicht eigentlich zu nehmen; denn ein eigentliches Nah-
rungsein würde Schriftstellen, die zum Opfer berufen, wie: „es
„opfere wer nach dem Himmel begehrt'S | vridersprechen. Stfinde 7G0
nicht in der Mondscheibe für die Yollbringer der Opfer u. s. w.
ein Oennfs in Anssioht, ^arum soUten sich dann die Berufenen
mit Werken, welche, wie das Opfern u. Si w., viele Anstrengung
verursachen, bemühen? Das Wort „Speise'^ kann, weil eine solche
in ähnlicher Weise die Ursache eines Genusses ist, uneigentlich
auch von Dingen gebraucht werden, welche nicht Speise sind,
wie wenn man sagt „das Volk ist die Speise des Fürsten wie das
„\rieh die Speise des Volkes ist'^ Man hat daher anzunehmen,
dafs — in ähnlicher Weise, wie wir mit einem geliebten Weibe,
Sohne oder Freunde vorkehren, welche [als die unsrigenj zu einer
Qualität [von uns] werden, — die Götter mit den Yollbringem
der Opfer u. s. w. einen angenehmen Verkehr pflegen, und daf»
dieser unter dem Verspeisen derselben zu versteheb ist, nicht al»
wenn es sich dabei um ein wirkliches Kauen und Verschlucken,
wie bei Backwerk u. s. w., handelte. Denn die Schrift sagt: „denn
„die Götter essen nicht und trinken nicht, sondern indem sie
, Jenes Unsterbliche schauen, werden sie satt" (Chänd. 3, 6, 1),
wodurch eine Thätigkeit des Kauens u. s. w. bei den Göttern auf-
geschlossen ist. Übrigens findet dabei zugleich auch ein Geniefsen
von Seiten der zu einer Qualität der Götter gewordenen Voll-
bringer der Opfer u. s. w. statt, ähnlich wie es für die den Für-
sten Umgebenden stattfindet, indem die.«e von ihm leben [sowie
er von ihnen]. Dafs aber die Vollbringer der Opfer n. s. w. dazu
gelangen, den Göttern als GenuJ's zu dienen, gescliielit „wegen
„Nichterkennung Aph Atman^S j^, Denn so lehrt die Schrift** das
ilenossenwerden derer, die den Atman nicht erkennen, darch die
Götter, wenn sie sagt: „Wer eine andere Gottheit [als das Selbst,
„den ÄtmanJ verehrt und spricht «eine andere ist sie und rin
„«anderer bin ich», der ist nicht weise, sonderi^ er ist gleich uU
„wie ein Hanstier der Götter** (Brih. 1, 4, 10): d.' n. so wie ein
solcher schon in dieser Welt durch Güustigstimmi^n der Götter
mittels der Opfer und sonstigen Werke gleichsam wio ein Haus-
tier in Diensten der Götter st-eht, ebenso steht er auch in jener
Welt, indem er von den Göttern lebt, d. h. die von ihnen an-
Daotfw, TedAaU. 31
482 ^&rtraka-mtmilijm&
grewiesene Fracht (i^emerst, wie ein biofses Haustier in ibren
Diensten.
Man kann die Worte des Sütram |,wegen Nichterken-
,,nttng desÄtmAn, denn sb lehrt [die Schrift]" auch folgender-
751 mafsen erkl&ren: | Jene YoUbringer der Opfer u. s. w. aind
Nichterk^fioer des Atman, weil $ie nur die Werke betreiben und
nicht die Erkenntnis und ^ die Werke sosaaunen üben; nämlich
unter der Erkenntnis dos Atman wAre dann hier [nioht, wie vor»
her, die volDconunene Erkenntnis, sondern] in uneigentliehem Sinne
die Fünf-Feuer-Lehre zu verstehen, da es sich ja um diese han-
delt, und das Speisewerden der YoUbringer der Opfer u. s. w.
in bildlichem Sinne (gui^vddena) so hingestellt, weil sie die FOnf-
Fener- Lehre nicht kenneten, also zur Yorherrliehnng der Panf-
Feuer*Lehre; denn die Fünf*Feuer-Lehre soll, wie aus der Absicht
der ganzen Stelle hervorgeht, hier anempfohlen werden. ^Denn
„so lehrt" eine andere Schriftttelle, dals auf der Hondacheibe
ein wirklicher Oenufs stattfindet: „nadidem er in der Mondwdt
„Machtentfaltung genossen, kehrt er wieder zurück" (Pra^na 5, 4);
und ebenso noch eine Stelle: „und hundert Wonnen der Yftier,
„die den Himmel erworben haben, . . . sind eine Wonne der
„Oötter durch Werke, die dun^ ihre Werke das Oottsein er-
„langen" (Bph. 4« 3, 33); diese Stelle beweist, dafs die YoUbringer
der Opfer u. s. w. durch ihr Zusammenwohnen mit den Göttern
zum Genüsse gelangen. — Indem es sonach feststeht, dab das
Speisewerden bUdUdi zu nehmen ist, bleibt es dabei, dafs die
Seelen der YoUbringer der Opfer u. s. w. zu verstehen sind unter
denen, weldie dahineilen. Somit hat es mit den Worten: „sie
„rennt umschlungen", seine Bichtigkeit.
Zwrita Adkiiarafam.
6. krita-atyaye 'nufayavän dfisiUa-smrUibhsfAm
yaäUi'üam anevaSl ea
nach Yergang der Werke [kehrt] er, mit einem Boden-
satze behaftet y nach der [Schr^] Wahrnehmung und
Smriti [zurück] wie er hingegangen und anders.
Die Schrift erwfthnt, wie die YoUbringer der Opfer n. s. w.,
nachdem sie auf dem Wege des Rauches u. s. w. zur Mondscheibe
emporgestiegen sind und Jen Genufs genossen haben, von dort
Satram 111. i. 8. 483
wieder h^^rabsteigeii: „naohdem sie daselbst yerweilt haben, sc-
hlänge eine Neige bleibt, so kehren sie darauf, auf dem Wege,
„den sie gekommen sind, wiederum zurück*^ u. s. w. (Chänd. 5,
10, 6), indem | diejenigen, welche einen erfreulichen Wandel haben, 752
in einen Brahmanenschofs eingehen, während die, welche einen
stinkenden Wandel haben , in einen Qundeschofs u. s. w. gelangen.
— Hier erhebt sich der Zweifel, ob. sie herabsteigen, nachdem
sie die gesamten Werke, ohne dafs ein Bodensatz bliebe, durch-
genossen, oder aber in der Art, dafs ein Bodensatz bleibt?
Angenommen also, ^es bliebe kein Bodensatz; worum? wegen
'der Bestimmung „solange eine Neige bleibt" (Gliund. 5> 10, 5).
*Unter der „Neige** (^ampäia) ist hier die Ansammlung der Werke
'lu verstehen, sofern man sich mittels derselben aus dieser Welt
4n jene hinübemeigt (sampaianH) zum Genüsse der Frucht' [die
indische Worterklärung ist hier nicht weniger widersinnig als die
deutsche]. * Diese Worte also: „nachdem sie daselbst verweilt
'„haben, solange eine Neige bleibt'S beweisen, dafs das M'erk
'dabei gans durchgenossen wird, und dasselbe ergiebt sich aus der
'andern Schriftstelle, wo es heifst: „sie steigen herab, wenn die-
'„868 Terstrichen ist" (Bph. 6, 2, 16).' — Aber kann man dies
nicht dahin auslegen, dafs die Seele nur so lange geniefse, wie
dasjenige Werk, welches in jener Welt zu geniefsen ist, andauere?
— *Die8e Auffassung ist nicht statthaft, wegen der Zusammen-
'fassung, welche in den Worten „für alles" anderwärts vorkommt,
'wo es heifst (Bph. 4? 4, 6):
', J^aohdem den Lohn er hat empfangen
'„Für alles, was er hier begangen,
'„So kehrt aus jener Welt er wieder
'„Zu dieser Welt des Wirkens nieder."
'Die allgemeine Zusammenfassung, welche hier in dem Ausdrucke
'„fi&r alles" liegt, beweist, dafs alle begangenen Werke im Jen*
'seits aufigebraucht werden. Auch ist ja der Tod der Offenbarer
'deijenigen Werke, deren Frucht noch nicht begonnen hat. Vor
'dem Tode n&mlich ist die Offenbarung derselben nicht möglich,
'weil sie durch solche Werke, deren Frucht bereits begonnen hat^
'zurückgedrängt werden [lies: pratihaddhasya^ vgl. p. 757, 1]; dies
'ist ohne Ausnahme dahin zu verstehen, dafs der Tod alle Werke,
'deren Frucht noch nicht begonnen hat, zur Offenbarung bringe;
'denn wo die Ursache allgemein ist, da mufs auch die Wirkung
'allgemein sein; denn es geht nidit an, dafs z. B. eine Lampe |
'bei gleicher N&he das 6ef&fs sichtbar madie und das Gewand 753
'nicht. Somit steigen sie herab, ohne dafs ein Bodensatz von
'Werken bleibt.'
Aaf diese Annahme erwidern wir: „nach Vergang der Werke
„[kehrt] er mit einem Bodensatze behaftet [zurück]." Nämlich
81 ♦
484 gUrtraka-mimlkAsä
indem die Werkmasse, zvl deren GenoBse er 2um Monde aufge-
stiegen , durch den Genufs verbraucht wird, geschieht es, dafs der
wasserartige Leib der Seele, der sich zum Zwecke des Geniefsens
auf dem Monde gebildet hatte, durch die Einwirkung des Feuers
des Kummers über den Anblick der Schwindung des Genusses zer-
geht, so wie Eis und Hagel , durch die Strahlen der Sonne oder
die Festigkeit der Butter durch die Flamme des Opferfeuers.
Hierauf also, nach Yergang der Werke, d. h. nachdem das durch
Opfer u. B. w. geschaffte Werk durch den Genufs der Frucht auf-
gezehrt worden, steigt man, mit einem Bodensatze behaftet« wieder
au dieser Welt herab. Aus welchem Grunde? „wegen der [Schrift-]
„Wahrnehmung und Smpti^S wie der' Lehrer sagt. Denn so l&fst
es sich in der Schrift wahrnehmen, welche zeigt, wie das Herab-
steigen unter Behaftung mit einem Bodensatze stattfindet : „welche
„nun hier einen erfreulichen Wandel haben , für die ist Aussicht,
„dafs sie in einen erfreulichen Mutterschofs eingehen, einen Brah-
„manenschofa oder Kshatriyaschofs oder Yai^yaschofs; — die aber
„hier einen stinkenden Wandel haben, für die ist Aussieht, dafs
„sie in einen «stinkenden Mutterschofs eingeben, einen Hunde-
„schofs, oder Schweineschofs oder C&nd&Iaschofs** (Ch&nd. 6, lü, 7).
Hier wird mit dem Worte „Wandel ^^ der Bodensatz angedeutet,
wie sich zeigen wird. Und aneh die Wahrnehmung zeigt, wie
von Geburt an hoher und niedriger Genafs unter die lebenden
754 Wesen in Terachiedener Weise verteilt ist. | Und da dies unmög-
lich ohne Grund sefin kann, so beweist es das wirkliche Yor^
handensein eines Bodensatzes; denn dalk der Aufschwung und der
Niedergang [in der Seelenwanderung] in den guten und bdsen
Werken seinen Grund habe, wird allgemein von dem Schriftkanon
angenommen. Und auch die Smriti sagt: „nachdem die Kasten
„und die Lebensstadien, die in ihrem Werke treu waren, die Fracht
„für jedes einzelne Werk empfangen, so gehen sie, durch einen
' yjSest desselben, verschieden an Ort, Geschlecht, Familie, Gestalt,
ijLcbenszeit, Schriftgenufs, Lobenswoise , Reichtum, Lust und Ein-
i,8ioht, in die Geburt ein^' (vgl. Äpastamba, dharmasütra 3, ],
2, 3); auch hier wird gelehrt, dais das Herabsteigen unter Be-
haftnng mit einem Bodensatze stattfindet.
Aber welcher Art ist dieser Bodensatz? — Einige meinen,
.*dafs es ein Überrest des den Himmel als Zweck Jiabenden Werkes
'nach Genufs der Frucht sei, welcher hier Bodensatz heilse, etwa
'wie eine klebrige Flüssigkeit, die in dem Gefafse. hängen bleibt.
'Wie nämlich, wenn man ein Gefäfs mit klebriger Flüssigkeit ans-
'leert, die Leerung keine vollständige ist, indem ein gewisser
^Rest der Flüssigkeit in dem Gefafse haften bleibt, so ist es j^uch
'hier mit dem Bodensätze.* — Aber ist diese Annahme nicht un-
zulässig, da das Gesetz der Wirkung [die vollständig erfolgen
mufn] dem widerspriclit, dafs von dom Unsichtbaren [dem unsicht-
S&traiQ III. I. 8. 485
•
bai'en Verdieuste der Werke, adtishiam] beim Genasse 'der Fruoht
ein Rest zurückbleibe? — ^ Biese Einwendung irifPb nicht, denn
*wir nehmen eben nicht au, dafB die Frucht der Werke voll-
* ständig genossen weiden müsso.* — Aber dazu sind sie doch zur
Mondscheibe emporgestiegen, dafs sie die Frucht der Werke ohne
Überrest durchgeniei'hsen V — ^ Schon recht! aber das hindert nichts
*dafs sie, wenn der Rest der Werke sehr klein geworden ist, sich
'dort nicht mehr halten können. Wie nämKch etwa ein dienender
* Kitter, welcher mit allom Zubehör des Ritterdienstes an den
^Hof eines Königs gekommen ist, nachdem durch den langem Auf-
'enthalt das meiste Zubehör reii^chlissen ist, ] und nur etwa noch 755
Mer Sonnenscbimi und die Schuhe ' ihm übrig bleiben , sich an dem
^Uofe des Königs nicht länger halten kann, ebenso kann man sich
'auch in der Mondscheibe nicht länger halten, wenn man nur
^uoch einen ganz geringen Bodensatz besitzt.* — Auch das ist
nicht so recht passend; denn os geht nicht an, di^s von dem-
jenigen Werke, welches als Zweck den Himmel hat, beim Genüsse
(1er Frucht ein Überrest bleibe, weil dem. wie bemerkt, das Ge-
setz der Wirkung widerspricht. — *Aber wir haben doch auch
* bemerkt, dafs das Werk, dessen Frucht der Himmel ist, nicht
'vollständig beim Genüsse der Frucht darauf zu gehen brauche?'
— Das alles ist nicht sonderlich ansprechend ; denn ein- Werk,
welches als Zweck den Himmel hat, mufs doch, solange man
noch im Himmel weilt, die vollständige himmlische Frucht tragen,
iin«l dafs es auch nach Verlust des Himmels noch ii'gend eine,
wiewohl geringe Frucht bringe, eine solche Annahme ist für den,
der dem Schriftworte als Richtschnur folgt, nicht angemessen.
Was freilich das Haftenbleiben eines Restes der klebrigen Flüssig-
keit in dem' Gefäfse betrifft, so spricht dafür die Erfahrung;
und auch dafs einem dienenden Ritter nur ein weniges von seinem
Zubehör übrig bleiben könne, zeigt die Erfahrung; hier hingegen
läfst sich nicht in dieser Weise ans der Erfahrung das Bleiben
oinef« Restes der Werke, die den Himmel als Frucht haben, er-
weisen; ja es läfst sich nicht einmal denken, weil es der Lehre
des Scbriftkanons von dem Himmel als Frucht der Werke wider-
spricht; und so müssen wir unweigerlich zugeben, dafs der Boden-
satz nicht, wie bei der dem Gefafs anhaftenden Flüssigkeit, in
dem teil weisen Übrigbleiben solcher Werke bestehen kann, welche,
wie z. B. Opfer u. s. w. , den Himmel als Frucht haben. Denn
wenn von demjenigen guten Werke, wie Opfer u. s. w., durch
welches der Himmel genossen wurde, irgend ein einzelner Teil
als der Bodensatz | angesehen würde, so könnte der Bodensatz 756
mir von der einen Art, nämlich von der erfreulichen, nicht von
der entgegengesetzten sein, und die Schrift würde widersprechen,
wonn sie den Bodensatz iu zwei Arten teilt, „welche nun hier
„eiuen erfieulicheu Wandel haben'' — ,,die aber hier einen stin-
486 ^AHralok^mlmias»
„kenden Wandel haben" (Ch&nd. 5, 10, 7). Somit mufs man an-
nehmen, dafs diejenige Art von Werken, wiilche jenseitige fVucbt
bringt, durchgenosien wird, nnd dafs als Dodensats die andere
Art Ton Welken, welche diesseitige Fracht bringt, übrig bleibt,
und dafs man, mit diesem behaftet, herabsteigt
Wenn hingegen behauptet wurde, dafs wegen der AUbefassOQg,
die in dem Ausdrucke „für alles, was er hier gethan" (Bfih. 4,
4, 6), Uegt, alles hier gethane Werk durch Genufs der Frucht
absolriert, und somit ohne Bodensata herabgestiegen werden müsse,
so ist das nicht richtig, da wir das wirkliche Vorhandensein eines
Bodensatzes aus der Schrift erkannten; und somit folgt, dafs die
Worte „ftr alles, was er hier gethan", nur bedeuten, dafs alle die-
jenigen Werke, deren Frucht eine jenbeitige ist, nachdem ihr 6e-
nufs einmal begonnen hat, durch den Genufs der Frucht an%e«
sehrt werden.
Wenn femer behauptet wurde, dafs der Tod ohne Unterschied
alle Werke, deren Frucht noeh nicht begonnen habe, offenbare,
dafs somit die Unterscheidung von Werken, deren Frucht im Jen-
seits, und Yon solchen, deren Frucht auf Erden sich yerwirkliche,
nicht statthaft sei, so ist anch das schon dadurch, dafs wir das
wirkliche Vorhandensein eines Restes erwiesen , beantwortet. Audi
möchten wir hierbei fragen, aus weldiem Grunde überhaupt ange-
nommen wird, dnfs der Tod der Offenbarer deijenigen Werke sei,
757 deren Frucht noch nicht begonnen habe? | Wollte man antworten,
dafs durch Werke, deren Frucht bereits begonnen, andere xurück-
gedrängt Würden und »ch daher nicht entwickeln könnten, dafs
aber, nachdem jene abgelaufen, d. h. nach dem Tode, ihre Ent-
wickelnng Ton statten gehen könne, so müssen wir daau bemer-
ken: ebenso gut wie ee Tor dem Tode Werke giebt, wel<^e, durch
Werke, deren Frucht schon begonnen, aurflckgedr&ngt, nck nicht
entwickeln können, ebenso liegen doch auch nach dem Tode ver-
schiedenartige Werke von entgegengesetater Frucht ror, welche
ihre Frucht nicht gleichzeitig herTorbringen können, sodafs auch
dann das . schwächere Werk, von dem stärkeren srarflckgedrängt,
nicht zur Entwickelung kommen kann. Denn wenn verschieden-
aiiige Werke, die durch einen neuen Lebenslauf abzubüfsen sind,
vorliegen, so l&fst sich doch nicht behaupten, dafs dieselben
darum, weil sie in gleicher Weise noch keine Frucht getragen
haben, zugleich bei ein und demselben Sterben zur Offenbarung
kommen und nur einen einmaligen Lebenslauf hervorbringen mflasen.
Denn dem widerspricht das Gesetz, dafs die Frucht eine im einzel-
nen nach den Werken bestimmte ist. Ebenso wenig aber Iftfst
sich behaupten, dafs beim Tode die einen Werke anr Offenbarung
gelangen, und die andern ganz in Wegfall kommen; dann dem
widerspricht das Gesetz, dafs die Frucht eine vollständige eein
maf^. Denn ein Wegfallen von Werken findet, wenn wir von
Satr&m m. i. 8. 487
den Ablafii-Ceremonien (prä^agefUqni) und &biilichen Gründen «b-
flehen, überlmupt nidit aiait. Und auch die Smfiii lehrt, wie
durch Werke von entgegenstehender Frucht andere Werke ararfick-
gedr&ngt werden und oft lange auf ihre Vergeltang warten mos-
een, wenn sie sagt (Mahabb. 12, 10713):
Zuweilen schwebt das gute Werk 758
,^e8 Menschen harrend oben,
jjndefs er in Sams&ra brät,
„Bis Bich sein Leid gehoben.^
Kämen femer alle Werke, deren Frucht nogh ausstehtt nach einem
einmaligen Sterben in einem einzigen Lebendlaule cur OITenba-
rung so würde für Solche, welche in dem Himmel, der Hdlle
oder in Tierleibem wiedergeboren werden, da hier eine Berufung
zu Werken nicht denkbar ist, und somit Yerdienst oder Schnld
sich nicht bilden können, wegen Fehlens des bewirkenden Grün«
deSy ein weiterer Lebenslanf gar nicht mehr erfolgen. Auch würde
die Smfiti damit in Widerspruch stehen, welche lehrt, dafs bei
gewissen Werken, wie Brahmanenmord u. dgL, jedes einzelne
Werk eine mehrmalige Geburt, zu seiner Folge hat. Überhaupt
giebt es, um die Mittel der den Verdiensten und Yerschuldun*
gen entsprechenden Frucht zu erkennen, keinen andern £rkennt*
nisgnmd als den Schriftkanon« Hierzu kommt, dofs für Werke,
deren Frucht wahrnehmbar eintritt, z. B. das Regcnopfer, nicht
erst der Tod der Offenbarer sein kann, | und es ist nicht abzu- 759
sehen, worin hierbei das Offenbarersein des Todes bestehen soll.
Was den Vergleich mit der Lampe betriffl, so ibt dem schon
durch die Unterscheidung von Werken mit stärkerer und schwä-
cherer Frucht begegnet, indem es damit steht wie mit der Sicht-
barmachung gröfserer und feinerer Gestalten. Wie nämlich die
Lampe bei gleicher Nähe eine grobe Gestalt sichtbar macht und
eine feine nicht, so bringt auch der Tod bei gleicher Gelegen*
heitserlangung aller Arten von Werken, deren Frucht noch nicht
begonnen, das stärkere Werk zur Entfaltung und das schwächere
nicht. Somit ist jene Annahme, dafs alle Werke ohne Rest durch
den Tod zur Entfaltung kommen, unhaltbar, weil sie mit der
Schrift, der Tradition und der Analysis in Widerspruch steht.
"Wollte endlich jemand behaupten, dafs keine Erlösung möglich
sei, wenn man das Übrigbleiben eines Werkrestes behaupte, so
würde dieses eine Vexation sein, welche nicht am Plätze wäre;
denn die Schrift lehrt, dafs durch die ToUkommene Erkenntnis
alle Werke ohne Rest zunichte werden.
Somit steht es fest, dafs die Seelen, mit einem Bodensatze von
VTerken behaftet, herabsteigen. Es geschieht aber dieses ihr Her*
absteigen „wie sie hingegangen und anders*^; wie sie hingegangen,
d. h. wie sie hinaufgestiegen sind, und anders, d« h. in davon ab*
488 ^&r!raka-inlm&nBä
weichender Weise. Sofern nämlich, der Ranch und der Akli^a,
welche beim Y&ierwege' erwähnt wurden, auch beim Herabsiei^eu
wieder vorkommen, und sofern die Schrift sagt: „auf dem Wege,
„den sie gekommen" (Ohänd. 6, 10, 6), entspricht das Herabsteigen
dem Emporsteigen; sofein hingegen beim Herabwege die Nacht
u. 8. w. unerwähnt bleiben, und die Wolken und anderes neu bin-
zukommen, geschieht das Herabsteigen in abweichender Weise.
760 9. carandd, iä cen? na! upalaksham-arthd, iü
Kärshndjimh
wegen des Wandels, meint ihr? Nein, weil sie ihn
bezeichnen soll; so Kärshiiajini.
^Das mag ja sein, aber die Schriftstelle, welche zum Erweist^
^des Vorhandenseins eines .Bodensatzes citiert wurde: „welche uuu
Salier einen erfreulichen Wandel haben*' (Ghänd. 5, 10, 7), die
4ehrt ja doch, dafs durch den Wandel (earan<km) der Eingang in
^n Mutterschofs erfolge, und nicht durch den Bodensatz; ein
^anderes aber ist der, Wandel und ein anderes der Bodensatz.
*Denn Wandel kann nichts anderes bedeuten als Auffährung (tä-
^ritram), Lebenswandel (äcära), Charakter (güam)^ unter dem
^Bodensätze hingegen wird ein von dem vergoltenen Werke übrig
.^bleibendes Werk verstanden; und auch die Schrift bezeichnet
*Werk und Wandel als verschieden, denn es heifst: „[jenachdeni
S,er handelt,] jenachdem er wandelt, danach wird er geboren'"
'(Brih. 4, 4, 5) und: „die Werke, welche untadelig sind, die sollst
S,da betreiben, keine andern, was bei uns für guten Wandel gilt,
S,das sollst du üben!'' (Taitt. 1, 11, 2). Daher die Schriftstelle,
'welche „wegen des Wandels" den Eingang in den Mutterschofs
'erfolgen läfst, für' einen Bodensatz nichts beweist.' — Darauf
erwidern wir: „nein! weil" diese Schriftstelle von dem Wandel
eben den Bodensatz „bezeichnen soll; so" meint der Lehrer
„K&rshn^ini".
10. dnarthakyam, iti ccn? na! tad-apekshatväi
Zwecklosigkeit, meint ihr? Nein! weil es durch ihn
bedingt .wird.
'Gut\ könnte man sagen, 'aber warum soll man bei dem Worte
^ruranam die schriftmäfßige Becle«tiing „Charakter" aufgehen und
Sütnim III. I. 10. 489
*(]ie übertragene „ Budensatz " annehmen V Sollte uicbt vielmelu*
^»beii der Charakter es sein, welcher. für das von der Schrift ge-
^botene Gate | und verbotene Böse den Eingang in einen schönen IVA
'und unschönen Mutterschofs als Lohn empfängt? denn sicherlich
MHufs man doch auch für den Charakter irgend eine Belohnung
^annehmen. Denn sonst würde „Zwecklosigkeit" des Charakters
'stattfinden.' — Meint ihr so, so antworten wir^ nein! warum?
,^weil es durch ihn bedingt wird"; d. h. das ausgeftlhrte Werk,
wie Opfer u. s. w., wird bedingt durch den Wandel; denn kei-
ner, der eines guten Lebenswandels ermangelt, wird dabei zu-
gelassen :
„den Sittenlosen reinigt nicht der Veda^S
wie die Snuiti sagt. Femer ii5t deshalb jiicht „Zweoklosigkeit"
des Charakters, weil er zum Ziele des Mensclien mitgehört. Denn
wenn das ausgeführte Werk, wie Opfer u. s. w,, seine Frucht her-
vorbringt, so wird dabei siuch der Lebenswandel, eben weil das
Werk „durch ihn bedingt ist", einen gewissen Überschufs (atu
*:(tya) hervorbringen. Und das Werk i^t es ja, welches alle Zwecke
vollbringt, wie sowolil Schrift als auch Smriti annehmen. Darum
ist das Werk allein, weil es [hier] als „Charakter'^ bezeichnet
wird, in Gewalt des Bodensatzes die Ursache für den Eingang in
den Mutterschofs, so ist die Meinung des Eärshnajini. Denn da
du8 Werk vorhanden ist, so ist ein Eingang in den Mutterschofs
wegen des Charakters füglich nicht anzunehmen; denn wer im
Stande ist, auf den Füfsen zu laufen, der braucht nicht auf den
Knieen zu rutschen.
11. sukrüa-dmhlcnte eva, Ui tu Bädarih 762
nur gutes und böses Werk hingegen Bädari.
„Hingegen", meint der Lehrer „Badari*', dafs ;anter dem Worte
Wandel „nur gutes und böses Werk*' zu verstehen ist, indem ca-
ranam nichts anderes bedeutet als „religiöses Vollbringen oder
„Werk". Denn so wird das Wort „wandeln" (cnraii) von einem
blofsen Werke ohne Unterschied gebraucht, wie die Erfahrung
zeigt. Denn wer die guten (ptvnya) Werke, wie Opfer u. s. w.,
betreibt, von dem sagen die Leute: ,, dieser Edle wandelt in der
„Pflicht (dhaitnam carati/^. — Auch ist der Lebenswandel selbst
nur eine Art der Pflicht, und die Unterscheidung von Werk und
Wandel ist nur so wie die zwischen Br&hmaua und Parivrajaka
[d. h. Genus und Species]. Somit sind die von „erfreulichem
„Wandel" solche, deren Werke rühmlich, und die von „stinken-
„ dem Wandel'* solclio, deren Werke tadelhaft sind; das stoht fest.
490 giiiraka-mt9i4n8ä
DriUet Adhikarunam*
12. üfMita^ädi^iäinndm ajn ca frutam
auch von solchen, welche keine Opfer u. s. w. voll*
bringen y sagt es die Schrift
Wir habeil geedben, wie diejenigeii, welche die Opfer u. s. w.
Yollbruigen, zum Hoode gelangen. Wie steht es aber mit den
übrigen, welche keine Opfer n. 8. w. darbringen? kommen auch
sie auf den Hond- oder nieht? das ist jetzt die Frage. Nun
konnte jemand behaupten: ^die Annahme, dafs nur solche, welche
^die Opfer u. s. w» voübriugen, auf den Mond gelangen, ist nicht
76«S 'richtig; I warum? weil auch von solchen, die keine Opfern, s. w.
^darbringen, die Schrift lehrt, dafs sie zum Monde gehen müssen.
'Demi so heifat es ohne ITnt^rschied bei den Kaoshttakin's: „welche
'.,uiir immer aud dieser Welt dahinscheiden, die gelangen alle zum
S,Moude^' (Kansh. 1, 2). liierzu kommt, dafs die Erlangung «inea
'Leibes für die, welche wieder geboren werden, nicht mdgliok ist,
'ohne dafs sie auf den Mond gelangen; denn da es heifst y,bei
S,dcr fünften Opferung^', so nötigt schon die Zahl der OpfeningeL,
'dies anzunehmen. Somit folgt, dafs alle ohne Ausnahme zum
'Monde hinkommen. Und auch der £inwnrf, dafs es nicht mn-
'gehe, für die Vollbringer der Opfer u. s. w., und für die andern
Mieselbe Art des Weges anzunehmen, trifft nicht zu, sofern f&r
'die andern auf der Mondscheibe ein Genufs nicht stattzufinden
'braucht.'
13. samyainane tu anubJiAtfa itareshäm (Uvha-avarohau.
tad-gati-dar^nät
vielmehr indem sie in der Fesselung bü&en, geschieht
das Aufsteigen und Herabsteigen der andern; weil
diesen Hergang die Schrift lehrt
Das Wort „vielmehr" lehnt diese Meinung ab. Es ist nicht
wahr, dafs alle auf den Mond gehen; warum? weil das Aufsteigen
sum Monde sum Zwecke des Genusses stattfindet, nicht siber
swecklos oder um blofs wieder herabzusteigen; so wie einer auf
einen Baum steigt, um seine Blüten und Frftohte su pflücken,
nidit aber swecklos oder nur um herunterzufidlen; ein Geinnfs
.j
SütnuE IlL 1. la 491
aber erw»rtet diejenigen, welche keine Opfer u. s. w. gebracht
haben, anf dem Monde nicht. . Somit folgt, dalt nur dif^enigen,
weldbe Opfer n. s. w. gebracht haben, vom Monde eraponteigen,
nicht aber die andern. Waa hingegen diese andern beträft, so ge«
raten dieselben in die „i'eSBelnng**, die Wohnstitte des Tama, wo
sie die ihren ObeHhaten entsprechenden | Zttchtignngen des Yama 7M
erdolden und dann wieder su dieser Welt herabsteigen* Von die-
ser Art ist fUr sie das Hinaufsteigen und Herabsteigen; warum?
„weil diesen Hergang die Schrift lehrt *^ So nämlich lehrt eine
Sduiftstelle, welche dem Tama in den Mund gelegt wird, dafs
die Abscheidenden, sofern sie nicht Opfer u. s. w. vollbringen, der
Ilotm&fsigkeit des Yama Terfallen» wenn es heifst (K^. 2, 6):
„Das Nach-dem-Tode seigt sich nicht dem Thoren,
„Dem Taumelnden, durch Reichtums Blendung Blinden;
„«Dies ist die WeH; kein Jenseits giebt^s», — so wAhnend
„Verftllt er immer wieder meiner Herrschaft^;
und die Worte: „Vivasvant^s Sohn, der Sammelort der Menschen''
(HigT. 10, 14 9 1) deuten an, dals dieses Verfallen unter die Bot*
mAfsigk^t des Yama vielfältig vorkommt.
14. smarunii ca
und auch die ämpti erwähnt
Und auch die gelehrten Urheber der Smriti, ein Manu, Vyasa
und andere erwähnen, dafs in der Stadt Saifiyamanam (Fesse*
lung) die dem Yama obliegende Vergeltung lur die „stinkenden'^
Werke erfolgt, in der Geschichte von Nactketas und andern.
15. api ca sapta
imd auch die sieben.
Und auch die sieben HöUen, Baura(i>a (die Heulende) u. s. w.,
werden als die Stätte des Genusses der Frucht der Übelthaten
von den Pur&i^a- Dichtem erwähnt; in diese gelangen diejenigen,
welche keine Opfer u. s. w. vollbringen; wie sollten also dieselben
auf den Mond kommen? das ist der Sinn [des Sütram].
'Aber liegt nicht ein Widerspruch darin, dafs die Übelthäter
^die dem Yama obliegenden Züchtigungen erleiden, da doch fQr
'jene HöUen, Raurava u. s. w., verschiedene andere Vorsteher, wie
's. B. Gitragupta u. a. w. genannt werden?* — Nein! sagt der
Lehrer,
492 CArirakä-mlm^nsli
■
765 1^. tcUra api ca tad-vyapdräd amrodhah
weil auch dort dessen Tfaätigkeit, ist kein Wider-
spruch.
Aach in jenen siebdn Höllen übt, wie anzunebmen ist, Yaina
die Thätigkeit eines Vorstehers, so dafs hier kein Widersprach
vorliegt. N&mlich jene andern, Citragupta u. s. w., gelten iiacli
der Smriti als Vorsteher nur, sofern sie durch Yama dazu bestallt
worden sind.
17. mdya-'karmanor Üi tu^ prakritatvdt
vielmehr [gehen sie in jene Welt nur auf den beiden
Wegen] des Wissens und der Werke , weil von ihnen
die Rede.
In der Fünf -Feuer -Lehre kommt die Frage vor: „weifst du,
„warum jene Welt nicht voll wird'^ (Ghänd. 6, S, 3), und als Ant-
wort darauf heifst es: „aber auf keinem dieser beiden Wege befind-
„lich sind jene winzigen, immerfort wiederkehrenden Wesen, die
„schnell, wie man es ausspricht, entstehen und vergehen. Dieses
„ist der dritte Ort. — Darum wird jene Welt nicht voll" (Gh&nd.
5, 10) 8). Was hier „diese beiden Wege" heifst, wird im Sütraui
bezeichnet als der „des Wissens und der Werke", warum? „weil
„von ihnen die Rede"; d. h. von dem Wissen und den Werken
war bei Besprechung der beiden Wege, des Götterweges und dos
Väterweges, die Rede; „die nun, welche solches wissen" (Chand.
5, 10, f); hier wird das Wissen und als durch dasselbe zu er-
langen der Oötterweg erwähnt; „hingegen diese, welche im Dorfe
„Opfer, fromme Werke und Almosengeben üben" (Gh&nd. 5, 10, 3);
hier wird das Werk und als durch dasselbe zu erlaügen der Vüter-
weg erwähnt. Und im Zusammenhange damit heifst es: „aber
76G „auf keinem dieser beiden Wege | befindlich" u. s. w. ; das soll
heifsen : diejenigen, welche weder vermöge des Wissens zum Göttei'-
wege, noch auch vermöge des Werkes zum Väterwege zugelasseu
werden, Hir diese besteht jeuer, den winzigen Kreaturen eigene,
immerfort wiederkehrende dritte Weg: und auch hieraus ist zu
ersehen, dafs diejenigen, welche keine Opfer u. s. w. vollbringen,
nicht zum Monde gelangen. — ^Aber könnten nicht auch sie zur
SMondscheihe aufsteigen und, nachdem sie von dort wieder herab -
'gosiiegfm äiud, in das Dasein der winzigen Kreaturen eingehen/'
BtLtnm IIL i. 17. 493
\
t ■
\
— Auch das ist nicht anzunehmen; indem ihr Aufsteigen keinen
Zweck haben würde. Auch würde, wenn alle Dahinscheidenden
xur Mondwelt kämen, jene Welt wirklich durch die Dahinschei-
denden überfallt werden , und die Antwort würde nicht in Ein-
klang mit der Frage stehen. Es muTs aber die Antwort so ge-
geben werden, dafs dabei jene Welt ni^ht überfüllt wird. Meint
ihr^ dafs dieser Zwepk schon durch die Annahme des Herabstei-
gens erreicht werde, so müssen wir das ablehnen, weil die Schrift
es nicht lehrt; denn allerdings könnte auch durch das Herab*
steigen die ^ Überfüllung vermieden werden; die Schrift aber er-
wähnt, um zu zeigen, wie die Überfullung vermieden werde, den
dritten Ort in den Worten: „dieses ist der dritte Ort. Darum
,,^ird jene Welt nicht voll" (Ch4nd. 5» 10, 8); hierin liegt der
Grund, aus welchem, auch ohne dafs man an das Herabsteigen
flenkt, die Überfüllung vermieden wird; denn sonst würde, wenn
das Herabsteigen [jenen andern] mit den YoUbtingem der Opfer
oline Unterschied gemeinsam wäre, die Erwähnung des dritt^'u
Ortes ganz überflüssig sein. Das Wort „vielmehr'* im Sütram soll
den . Zweifel abschneiden , der sich auf Grund des Textes einer
Andern Yedaschule erhob, ob nicht vielleicht doch alle ohne Aus-
ifihme zum Monde gingen. Weil dies unannehmbar, deswegen
mufs man annehmen, dafs in dem Texte der andern Yedaschulen
das Wort „alle.'* nur „alle Berufenen" bedeutet, | und demnach 767
(Kaush. 1, 2) verstehen: „welche nur immer von den dazu ße-
„rufenen aus dieser Welt dahinscheiden, die gehen alle auf den
„Moijd."
Wenn weiter behauptet wurde, * dafs zur Erlangung eines neuen '
I^ibes es für alle notwendig sei, auf den Mond zu gehen, weil
in den Worten „bei der fünften Opferung**, die Zahl der Opfe-
rungen eine fest bestimmte sei, so ist darauf zu antworten:
18. na trUhje, tafM-upalaMheh
nicht beim dritten, weil os so ersiolitlich.
Es ist nicht notwendig, dafn heim dritten Orte znr Erlangung
eines neuen Tieibes die Bt^stimmung der Fünfzah) der Opferungen
inne gehalten werde; warum? „weil es so ersichtlich"; so nämlicli
iHt ersichtlich , dafs auch ohne Einhaltung der Fünfzahl der Opfe-
rungen, wie bemerkt, der dritte Ort «.rlangt werden kann, er-
sichtlich aus den Worten: „die schnell, wie man es ausspriclit,
,,ßntstehen und vergehen. Dieses ist der dritte Ort** (Ch&nd. f),
10, 8). Ilicrzu kommt, <lafs wenn es heifst: „wie bei der fünften
, /Opferung die Wanser mit Menschenstimme reden'* (Chl^nd. f),
3, 3), die Füufzahl der Opferungen nur als die UrAsche des mensch-
494 QMT«kanftliii&A»&
•
liehen Leibes erwähnt wird (lies: saifiMrijfaie), nicht als die Ur-
sache der Leiber von Würmern, Vögeln n. s« w. , da die Henschen-
stimme die dem Menaehengeschlecht eigene Rede bezeichnet. Hierzu
kommt weiter, dafs, wenn gelehrt wird, wie die Wasser bei der
fünften Opferung mit Menschenstimme reden, dadurch nicht aus-
geschlossen wird, dafs das Reden mit Mensehenstinune Auch ohne
die filnf Opferungen möglich sei , weil sonst die Stelle einen zwei-
fachen [affirmativen und negativen] Sinn haben würde, was nicht
angeht. Somit ist anzunehmen , dafs nur bei denjenigen , für welche
ein Hinaufsteigen und Herabsteigen stattfindet, der Leib bei der
fünften Opferung zu entstehen braucht, dafs bei den übrigen hin-
gegen auch ohne die Yollzahl der Opferungen ans den mit den
andern Elementen versetzten Wassern der Leib sich bilden kann.
766 19. smaryate *pi ca lok^^.
und auch die Smriti erwähnt , wie in der Er-
fahrung ...
Und anoh die Smjiti erwfthnt» wie in der Erfahrung, z. R. bei
Dropa, Dhfishfadyurana u« s. w., sowie bei SttA, DraupadI u. s. w.,
ein Entstehen ohne Geburt aus einem Muttersdiofse votgekommen
sei, sofern bei Dro^a und andern die eine Opferung in dem Feuer
des Weibes, bei Ohfishtadyumna u. s. w. sogar die beiden Opfe-
rungen in dem Feuer des Weibes und des Mannes in Wegfiill
kamen. Und so wie hierbei die Anzahl der Opferungen: nicht ein*
gehalten wurde, so mag es auch anderweit vorkommen. Und auch
die Kraniohweibchen empfangen ja ohne befruchtet zu werden, wie
dies die Erfahrung lehrt.
20. darfonäc ca
auch weil [die Erfahrung] zeigt«.
Hierzu kommt, dafs die ErfiBdirung sseigt, wie von den vier
Klassen der Wesen, nämlich den aus einem Huttersohofs gebore-
nen , aus dem Ei geborenen , aus dem Schweifs geborenen und ans
dem Keim geborenen, die beiden letztem auch 4>hne die eheliche
Pflicht entspringen, so dafs bei ihnen die Fänfkahl der Opferun-
gen nicht eingehalten wird, und ähnlich mag es auch anderweit
sein. — 'Aber es heifst doch: „fOrwahr diese Wesen haben dreier-
*„lei Samen [Ursprung], aus dem Ei Geborenes , lebend 6e-
S,borenes und aus Keim Geborenes" (Chftnd. 6> 8, 1); hier werden
Sfttram III. i. 20. 495
*ftl80 nur drei Klassen Ton Wesen nntenchicden; wie darf man
Swmit ann^men, dafs es vier Klassen von Wesen gebe?* — Hier-
oitf dient aar Antwort:
21. tjUtpa^fobda^a/carodkah samfokajasya 769
das dritte Wort achUe&t das aus Feuchtbits&e
Geborene ein.
Wenn es heilst: ,»atts deni Ei OebcMrenes, lebend Geborenes und
,,aiis Keim Geborenes ** (Chand. G, 3, 1), so bat man hier unter
dem dritten Worte, nüxnlieh unter den Keimgeborenen, die aus
Schweifs Geborenen als miteinbegriffen lu betrachten, sofern beide,
die ans Schweifs und die aus Keimen Geborenen in Ähnlicher Weise,
indem sie aus Erde und Wasser hervordringen,' entstehen. Hin-
gegen kann- man wiederum von der Entstehung der Pflansen die
Entstehung der bewegUehen Wesen unterscheiden, und daher ist
die anderweit (Ait. 3, 3) Torkommende Trennung Yon Schweifs-
geborenen und Keimgeborenen berechtigt und ohne Widerspruch.
VierieM Adhiiaranam.
22. sabhävifa-äpattir, upapatteh
es ist Übergang in ein Zusammensein, weil [nur] ein
solches möglich.
Wir sahen, wie die Yollbringer der Opfer u. s. w. auf den
Mond gelangen und „nachdem sie daselbst verweilt haben, so-
„lange ein Best bleibt** (Ghftnd. 6» 10, 5), mit einem Bodensatze
behaftet von dort wieder herabsteigen. Es ist nunmehr die Art
dieses Herabsteigens in Betracht su sieben. Die Schriftstelle über
das Herabsteigen lantet wie folgt: „so kehren sie darauf auf dem
fiWege, den sie gekommen sind, wiederum surflok in den Äk&^a,
„aus dem Akftya in den Wind; nachdem sie Wind geworden sind,
„werden sie au Bauch, nachdem sie Bauch geworden, zu Dunst,
„nachdem sie Dunst geworden, sur Wolke, nachdem sie Wolke
„geworden, regnen sie herab*' (Ch&nd. 6, 10> 6 — 6). Hier erhebt
sich der Zweifel, ob die Herabsteigenden gans in die Natur des
ÄkA^a tt. s. w. übergehen, oder nur in eine Ähnlichkeit [sdwilfamf
496 rärfraka-miinftÄsIt
wie Qafikara statt des im S&tram Btehenden $äibkdv^am liest] mit
dem Äkä9a ja. s. w. — Augenommen also, 'sie gingen ganz in die
^Natur des Akä^a u. s. w. tiber; warum? weil so der 'Wortlaut der
770 ^Schrift ist , und weil dieselbe andernfalls j bildlich . aufzufassen
'sein würde; bei einem Zweifel aber über Wörtlichkeit und Bild-
lichkeit ist die Wörtlichkeit mafsgebend und nicht die Bildlich-
*keit. Und ebenso, wenn es weiter heifst: „nachdem sie Wind
'„geworden sind, werden sie zu Rauch" u. s. w. (Chänd. 5, 10, 6),
'so ist dies buchstäblich richtig nur, wenn sie in die Natur der-
'selben übergehen. Somit findet ein Übergang in die Natur des
'Äk&ya u. s. w. statt.' — Auf diese Annahme erwidern wir: sie
gelan^n nur in einen Zustand der „Aehnlichkeit" (ßämjfam) mit
dem Äk&ya u. s. w. Indem nämlich auf der Mondscheibe der
wasserartige Leib, welcher sich zum Zwecke des Genusses ge-
bildet hatte , zugleich mit dem Verbrauche dieses Genusses schwin-
det, so wird er fein und dem Ä.k&fa (Äther) ähnlich; von hier
gelangt er in das Gebiet des Windes und wird dann weiter dem
Rauche u. s. w. eingemengt. Dieses ist zu verstehen, wenn es
heifst: „wiederum zurück in den Ak&^a, aus dem Akä^ in den
„Wind" u. s. w. (Ghänd. 5, 10, 6); warum? weil nur dieses mög-
lich; n&mlich nur so ist es möglich, während hingegen ein wirk-
liches Werden einer Sache zur andern [wie es fi^lich Sütram 2,
3, 8 gelehrt worden] nicht möglich ist. Femer könnte [aus dem-
selben Grunde] bei einem Übergange in die Natur des Akä^ ein
Herabsteigen auf dem Wege des Windes u. s. w. nicht statthaben.
Auch kann^ weil mit dem Äk^^a (Äther, Raum), wegen seiner
Aildurchdringung, eine immei*währende Verbindung schon statt-
findet, die [besondere] Verbindung mit ihm hier füglich keine an-
dere sein, fds der Übergang in einen ihm ähnlichen Zustand. Wo
aber die wörtliche Fassung unmöglich ' ist, da ist die bildliche das
Richtige, uud somit bedeutet das Werden zu Äk&ga n. s. w. un-
eigentliofa nur ein Übergehen in die Ähnlichkeit mit dem Äk&v^^
und den übrigen.
Fünftefi Ad/nkaranam*
771 23. na (Uidrem^ vifesfuU
nicht überlange, wegen iler Unterscheidung.
Betreffs dieses Eingehens in den Äkäya u. s. w. ror dem Ein-
gehen in den Reis u. s. w. erhebt sich der Zweifel, ob die Seelen,
erst nachdem sie jedesmal eine lange Zeit in der Ähnlichkeit mit
SAtram m. i. 23. 497
dem jedesmal firüheren verharrt haben, in die Ähnlichkeit mit dem
jedesmal späteren eingehen, oder ob das Verharren jedesmal nur
eine knrze Zeit währt. Man könnte annehmen, ^dafs dies nnbe-
'stimmt sei, weil eine bestimmtcj Schriftäursemng darftber nicht
* vorliege/ — Darauf erwidert der- Lehrer: „nicht überlange^';
d. h.^ nachdem sie jedesmal nur eine kurze Zeit in dem Zustande
als Akll^a u* s. w. verharrt .haben , triefen sie zusammen mit dem
strömenden Begen auf diese Erde herab; warum das? weil eine
Unterscheidung vorliegt; denn nach dem Übergang in das Sein
von Reis u. s. w. sagt die Schrift unterscheidend: „daraus fürwahr
„ist es schwieriger herauszukommen, dttmishprapaktram^^ (Chänd.
5, 10, 6);. die eine Silbe ta ist hier, da es ein vedisches Kapitel
ist, als ausgefallen zu betrachten [aus dumishprapata-taram];
„schwieriger herauszukommen*' bedeutet, dafs das Herauskommen
aus diesem Zustande des Seins von Reis u. s. w. schwieriger ist.
Indem die Schrift das Herauskommen aus ihnen als schwieriger
bezeichnet, deutet sie an, dafs das Herauskommen aus den 'vor-
hergehenden leicht ist. Wenn aber das Herauskommen nach kür-
zerer oder längerer Zeit als ein leichteres und schwierigeres [wöri-,
lieh: als ein angenehmeres und unangenehmeres] unterschieden wird,
so geschieht dies, weil die Seele in dieser Periode bis zur Ent-
stehung des Leibes des Genusses entbehrt. — Somit findet das
Herabsteigen bis zu dem Übergange in den R^is u. s« w. in einer
nur kurzen Zeit statt.
Sechstes Adhikaranam.
24. anya-adhishthite pürvavad, abhüdpät 772
in die von einer andern [Seefe] regierte [Pflanze], so
wie vorher, weil [die Schrift] es andeutet.
Bei diesem Herabsteigen folgen auf das Hcrabregnen die Worte:
„dieselbigen werden hienieden als Reis und Gerste, als Kr&uter
„und Bäume, als Sesam und Bohnen geboren" (('hiiid. 5, 10, 6).
Hier erhebt sich die Frage, ob in dieser Periode, m'O sie in das
Ge^jchleoht der Pflanzon eingegangen sind, die mit dem Boden-
satz« behafteten Seelen an den Freuden und Leidea der Pflanzen
teilnehmen, oder ob sie mit den von besondern Seelen regierten
Pflanzenleibem nur eine Verflechtung eingehen. - — Angenommen
^avuiv, VedAntft. 32
498 Qltrtr«kii-mliQ|Loi&
also, 'die mit dem Bodensata behafteten Seelen nibmen nach .ihrem
'Eingange in das Oesohleoht der Pflanzen auch an deren Freuden
'und Leiden teil; wamm daa? weil ea sieh aehiokt, den Aoadrack
S,Bie werden geboren" in eigentli^em Sinne in ndimen, nnd weil
^auch das Dasein der Pflanze von Schrift nnd Smpta als jeine St&tte
'des Genusses der Frucht von Werken angesehen wird« Auch
^würde ein solches Dasein als eine unerfreuliche Frucht der roll»
'brachten Werke sehioklich sein, weil dieselben, als Opfer u. s. w.,
'die^ Tötung von Tieren zur Voraussetzung haben. Somit ist das
'Geborenwerden der mit dem Bodensatze Behafteten als Reis i;. s. w.
773 ^wörtlich zu nehmen, | ebenso wie das Geborenwerden als Hund
Hl s. w. Wie nämlich daa Eix^gehen in einen Hundeschols oder
'Schweineschols oder Ca^^laschois wörüich zu nehmen ist and
^bedeutet, dafs die mit dem Bodensatze Behafteten eine Gebart
'als Hund u. s. w. erleiden, weldia Toa den entsprechenden Leiden
Hmd Freuden begleitet ist, ebenso mufs es auch der Eingang in
^die Geburt des Reises u. s. w« emn.' — Auf diese Annahme er-
widern wir: der Reis u. s. w. werden von andern Seelen regiert,
und die mit «dem Bodensatze Behafteten werden denselben nur
beigemischt, ohne an deren Leiden und* Freuden teilzunehmen, „so
„wie vorher"; d. h. so wie das Werden der mit dem Bodensatze
Behafteten zu Wind, Rauch u. s. w. nur eine Verflechtung mit
denselben bedeutete, ebenso bedeutet auch das Werden zu Reis
u. s. w. nur eine Verflechtung mit demjenigen, was seiner Art
nach als Pflanze besteht; warum das? weil etwas Ähnliches auch
hier Ton der Schrift angedeutet wird» — 'Aber worin soll diese *
'Ähnlichkeit der Andeutung bestehen?* — Darin, da£s die Sache
erwähnt wird, ohne an die vollbrachten Werke zu erinnern. So
wie nämlich von dem Eingange in den Äther an bis zu dem Herab-
regnen hin an keine vollbrachten Werke erinnert wird, ebenso
auch nicht bei dem Geborenwerden als Reis u. s. w.; dijier auch
hier kein Geniefsen von Lust und Schmerz für die mit dem Boden-
satze Behafteten anzunehmen ist. Denn wo die Schrift ein Ge-
niefsen von Lust und Schmerz anzeigen will, da erinnert sie an
die vollbrachten V/erke und redet von dem' „erfreulichen Wandel"
und dem „stinkenden Wandel". Wäre femer die Geburt als Beia
u. s. w. für die mit dem Bodensatze Behafteten in eigentlichem
Sinne zu nehmen, so müfsten, wenn der Reis u. s. w. cübgeschnit-
ten, zerkleinert, gemahlen, gekocht und gegessen wird, die ihm
entsprechenden, mit dem Bodensatze behafteten Seelen auswan
774 dem; | denn eine jede Seele wandert aus, wenn der ihr ent*
sprechende Leib in Not gerät; dann aber konnte nicht gesagt
werden, dafs die mit dem Bodensatze Behafteten aus dem Sein
des Reises u. s. w. in das Sein des Erzengers übergingen. Somit
ist anzunehmen, dafs die mit dem Bodensatze Behafteten dem von
andern Sitelen regierten Reis u. s. w. bloüs zugemischt werden.
Sütnun in. I. 24. 499
r
AuB diesen Gründen muTs man der Behauptung widersprechen,
dafs der Ausdruck „sie werden geboren*^ in eigentlichem Sinne
zu nehmen sei, und dafs das Dasein als Pflanze [für die mit dem
Bodensatze Behafteten] eine Stätte des Oeniefsens sei. Damit be-
haupten wir keineswegs, dals nicht auch das Dasein der Pflanze
eine Stätte des Geniefsens sei; aber sie ist eine solche Stätte des
Geniefsens nur für andere Wesen, welche in Folge böser Werke
zu dem Dasein als Pflanze herabgesunken sind; hingegen be-
haupten wir von den vom Monde Herabsteigenden, mit dem Boden-
satze Behafteten, dals sie das Dasein als Pflanze nicht zu ge-
niefiMa haben.
25. aguddham, iti cen! na^ QohdM
unrein, meint ihr? Nein! wegen des Schriftwortes*
Wenn weiter behauptet wurde, daüs das rituelle Werk wegen
seiner Yerbindui^^ mit dem Schlachten von Tieren unrein sei, dafs
somit eine unerfreuliche Frucht desselben angemessen sei, und
dafs aus diesem Grunde für die mit dem Bodensätze Behafteten
die Geburt als Beis u. s. w. wörtlich zu nehmen, eine bildliche
Fassung hingegen nicht zweckentsprechend sei, so müssen wir
das bestreiten, und zwar | weil für die Erkenntnis des Guten und 775
Bösen der Schriftkanon den Erkenntnisgrund bildetl Für die Er-
kenntnis, dafs dieses gut und jenes böse sei, liegt [wie auph
Duns Scotus im Gegensatze zu Kant behauptet] der einzige Grund
im Schriftkanon, weil beides über die Sinneswahrnehmung hinaus-
liegt und [ohne die Schriftoffenbarung] der nötigen Bestimmungen
diw Raumes, der Zeit und der Kausalität ermangeln würde. Denn
was in einem bestimmten Zusammenhange von Ort, Zeit und Ur-
sache als eine Pflicht geübt wird, das wird unter andern Ver-
hältnissen von Ort| Zeit und Ursache ein Unrecht, daher Über
das was Pflicht und Unrecht ist eine Erkenntnis aufser dem
Schriftkanon nicht möglich ist. Der Schriftkanon aber erklärt
das licbtopfer z. B., bei welchem ein Gebrauch der Erlaubnis
zu töten unumgänglich ist, für eine Pflicht; wie kann man also
behaupten, dafs dasselbe unrein seil — 'Aber sagt nicht der
'Schriftkanon auch: „man soll kein Wesen schädigen" und erklärt
'er nicht mit diesen . Worten die Tötung der Wesen für ein Un-
'recht?* — Allerdings! aber dieses ist die Begel, und wenn es
heifst: „man soll das dem Agni und Soma geweihte Tier schlach-
„ten", so ist dieses eine Ausnahme, Regel und Ausnahme aber
bestehen hier zu Rechte je nach der Verschiedenheit des Gegen-
standes. Somit ist das Tom Veda vorgeschriebene Werk rein,
32»
600 9^raka-mtin&n8ft
wie es denn auch yon den Weisen beirieben nnd nicht verworfen
worden itt. Daher kann ein Geborenwerden als Pflanze nicht die
ihm entsprechende Yergeltnng sein. Auch kann es sich mit der
Oebnrt als Reis u, s. w. nicht ebenso verhalten, wie mit der
Geburt als Hund u. s. w.; denn, die letztere wird erwähnt, indem
dabei auf die mit ,, stinkendem Wandel*^ Bezug genommen wird;
776 in unserm Falle hingegen liegt keine derartige | besondere Bezug*
nähme vor; daher für die von der Mondhöhe herab Taumelnden
das Werden zur Pflanze uneigentlieh an nehmen ist und eine
blofse Verflechtung mit dem Reis u. s. w. bedeutet
26. retähsig-yogo ^tha
sodann Verbindung mit dem Erzeuger,
Auch darum mufs das Werden zur Pflanze eine blofse Ver*
flechtung mit dem Reis u. s. w. bedeuten, weil sofort nach dem
Werden zum Reis u. s. w. ftlr die mit dem Bodensatze Behafte-
ten ein Werden zu „dem Erzeuger*^ erwähnt wir4 in den Worten :
„denn nur wer ihn als Speise verzehrt ^ wer ihn als Samen er-
„giefst, dessen Vermehrung (Nachkommenschaft) wird er*' (Ch4nd.
5, 10« 6). Auch hier ist nämlich ein wiridicfaes Werden zu dem
Erzeuger nicht möglich; denn derselbe mufs schon lange voiher
geboren sein und das Mannesalter erreicht haben, ehe er zum
Erzeuger wird; es ist also unmöglich, dafs der mit dem Boden-
satze Behaftete, welcher erst durch die gegessene Nahrung in den
Erzeuger gelangt, in buchstäblichem Sinne zu dessen Sein werde.
Hier also mufs man unweigerlich das Werden zu dem Erzenger
als eine blofse „Verbindung mit dem Erzeuger '^ betrachten, und
in derselben Weise mufs man das Werden zum Reis u. s. w. als
eine Verbindung mit dem Reis u. s. w. auffassen; so stimmt es
ohne Widerspruch zusammen.
27. yoneh cariram
aus dem Mutterschoise der Leib.
Sodann, sofort nachdem sie zum Erzeuger geworden, gelangen
die mit dem Bodensatze behafteten Seelen als der ergossene Same
in den Mutterschofs , und aus dem MutterschoÜBe wird ihr Leib
zum Genüsse der Frucht des Bodensatzes geboren, denn so sagt
777 die Schrift: I „welche nun hier einen erfreulichen Wandel ha-
Sfttram III. l 27.
501
„ben" u. 8. w. (Ch&nd. 5, 10, 7). Auch hierdas geht henror, . diab
w&hrend des Berabsteigens bei Gelegenheit des Werdens zu
Keis u. 8. w. es nicht der eigene Leib [der herabsteigenden See-^
len] ist, welcher die Lost und den Schmers [des Pflanzenlebens]
empfindet. Somit steht fest, dafs die Gebart als Pflanze n. s. w.
für die mit dem Bodensätze Behafteten nur eine Yerflechtung
mit dem Reis n. s. w. bedeutet.
So lautet in dem XommeBtaro sur erUnobten (ISorCroika-m&iiaAiä, dem Werke der
erbabenen PüTse des erUaebten QaKtara, im drHten AdkpAjfa der erste Päda.
Des dritten Adlgrftya
ZWEITER PADA.
Omi YarehroBg d«m höelutom ijmtml
Er$te9 Adhiiaranam.
778 1. ^sandhye sriMir^ dfta At'
4m Zwischenstande [geschieht] eine Schöpfung, denn
sie sagt e8\
Im yerflossenen P&da wurde anf Grund der Fünf-Feber-Lefare
die Verschiedenheit des Weges bei der Wanderung der Seele dar-
gelegt; nunmehr sind die rerBqhiedenen Zustände ebenderselben
zu besprechen.
Die Schrift sagt: „Wenn nun der Mensch schlftft^' und i. wie es
weiter heifst, „daselbst sind nicht Wagen, nicht Gespanne, nicht
„Strafsen, sondern Wagen, Gespanne und Strafsen schafii er
„sich'' u. s. w. (Brih. 4, 8, 9 — 10). Hier erhebt sich der ZweiM,
ob so wie im Wachen auch im Traume die Schöpfung eine yoll-
770 kommen reale ist, | oder ob sie nur auf ülasion beruht?
Hier nimmt der Lehrer aBun&chst an: '„im Zwischenstande eine
'„Schöpfung"'. Zwischenstand nennt er den Zustand des Trau-
mes, da diese Benennung im Yeda gebraucht wird, indem es
heilst: „der Zwischenstand als dritter ist der des Traumes" (Brih.
4, 3, 9), sofern er n&mlich das Zwischenglied swischen den Zu-
ständen in den beiden Welten oder swischen dem Wachen und
dem Tiefschlafe ist. 'Die in diesem Zwischenstando bestehende
SOtnün ni. IL 1. 503
'Schdpfnng also mafs eine wirklieh realei sein; wamm? weil die
*al8 Bachtschnnr dienende Schrift es so sagt; denn es heifst: „son*
S,dorn Wagen, Oespann^ und Siraben schafft er sich" u. s. w.;
'und dasselbe ergiebt sich ans dem Schlüsse, wo es heifst: ^denn
S,er ist der Schöpfer'' (Bfik 4, 8, 10).'
2. ^nirmätäram ca eke; pubra^Adayag ca'
^auch nennen ihn einige den Erschaffer; und zwar
sind es Söhne tl s. w.'
S&ach nennen einige Vedasoholett die Seele in diesem Zwi-
'sokenstande „den Erschaffer der Wünsche", wenn es heilst
"(KMk. 5, 8):
S,Dor Geist, der in dem Schttte^ wach bleibt,
',^edweden Wanaek nach Lost i snchaffend''-^ 780
^^nnd zwar sind es [real» Dinge, wie} 8(^hne n. a. w.**, weleke an
'dieser SteHe «ntsr den Wtknschra au rentehen sind und anf
Wanadh hesigoigelMraAi werden.' *- Aber bedeatei das Wort
„.WvBsdi^ ni^t vidmefar blofs eine besondeare Art des Verlangens?
•-» ^Doch nidit! denn wann es im V<»bergehenden heilst: „Söhne
«»»nnd Eukal wfthle dir, die hundert Jahre leben« (K&|h. 1, 23)»
^und gegen Ende: „anm Wunschgeniefser aller Wünsche will idi
^,,machen didi'* (E&th. 1, 24), so wird hier das Wort Wnnsc& von
^wirklichen Söhnen u. s. w. gebraucht. Und allerdings ist es die
'allweise [d. h. höchste] Seele, welche wir dem Thema und dem
^Nachfolgenden entsprechend hier Terstehen müssen. Denn über
'den Anweisen handelt das Thema, indem es heifst: „vom Guten
S,frei und frei vom Bösen'* u. s. w..(Kftth. 2, 14); und auf ihn be-
'zieht sich auch das weiter Folgende (K&th. 6, 8):
'„Der ist das Reine, ist das Brahman,
',iDer heiltet das Unsterbliche.
'„In diesem ruhen alle Welten,
'„Dies überschreitet keiner je."
'Wenn die den Wachenden umgebende Schöpfung als ein Werk
'der allweisen Seele för wirklich real gehalten wird, so mufs es
'auch die den Tr&umenden umgebende Schöpfung sein. Und so
'sagt die Sdirift: „darum fürwahr sagen sie: es ist fOr die Seele
'„eine Stätte des Wachens; denn was sie wachend sieht, eben
'„dasselbe sieht sie auch im Schlafe" (Bph. 4, 3, 14); hier stellt
'die Schrift Träumen und Wachen unter dieselbe Begel, und so-
504 Q&rlrftka-mtmiualL
Hnit nlufs die Schöpfiing im Zwischenstande eiue wirklich reale
'sein.' —
Aof diese Annahme erwidert der Lehrer:
3. inäyä-mätran tu, kdrtsnyena an-^abhivyaMa-
svarüpatvM
vielmehr eine blofse Illusion, weil sie eine nicht niit
' Volbtandigkeit sich einbiegende Natur hat
Das Wort „vielmehr'' beseitigt diese Annahme. Es ist nicht wahr,
was behauptet wurde, dafs die Schdpfdng im Zwischenstande eine
vollkommen reale sei ; vielmehr beruht diese Schöpfung im Zwisehen-
stande nur auf Illusion, und es ist nicht daran zu denken, dafs
791 sie vollkommen real sei;] warum? „weil sie eine nicht mit YoU-
„ständigkeit sich darlegende Natur Iwt^; d. h. der Schlaf hat eine
nicht mit Vollstllndigkeit, nicht in der Weise eines vollkommen
realen Gegenstandes sich darlegende Natur. - Aber was ist hier
unter Vollständigkeit zu verstehen? Es ist die Übereinstim-
mung mit Raum, Zeit und Ursache, sowie die Unwider*
leglichkeit. Man kann nämlich dem Traume weder die den
vollkommen realen Dingen angehörigen Yeifaältnisse des Raumes
der Zeit und der Ursache noch auch äie Unwiderleglichkeit an-
schreiben. Zunächst nämlich ist beim Trabme schon kein Raum
vorhanden, welcher für Wagen u. s.w. geeignet wäre, denn in
dem beschränkten Baume des Leibes haben Wagen u. s« w. keinen
Platz. — 'Nun ja, könnte man sagen, aber die Seele kann ja
'den Traum aulserhalb des Leibes schauen, wie sie ja auch sich
'dabei mit Dingen befafst, welche räumlich von ihr getrennt sind:
'und auch die Schrifk lehrt, dafs der Traum aufserhalb des Leibes
'stattfinde, wenn sie sagt: „unsterblich schwingt sie aus dem Nest
'„empor sich und schweift unsterblich wo es ihr beliebet" (Brih.
'4, 3, 12). Und auch die verschiedenen Vorstellungen des Stehens
'und Gehens lassen sich nicht erklären, ohne dafs das betreffende
'Geschöpf aus sich selbst herausgeht.' — Wir antworten: nein!
denn die Möglichkeit ist nicht denkbar, dafs ein eingeschlafenes
Geschöpf in einem Augenblicke zu einer hundert Meilen weit ent«
femten Gegend hinüboreilen oder von dort zurückeüen könne.
Ja, zuweilen kommt es vor, dafs jemand einen Traum erzählt , in
welchem eine Rückkehr gar nicht stattfand, indem er sagt: „im
Lande der Euru*B lag ich im Bette, wurde vom Schlaf überkom*
men, wurde im Traume in das Land der Panc&Ws gcfOhri, und
hier bin ich erwacht." Wäre er wirklich aus seinem Leibe her-
Sütram IIL if. 3. ■ 505
ausgegcmgen , so müfste er im Lande ■ dei* Pandtla's erwacht Bein, *
denn zu diesen war er hingeführt worden; er erwacht aber viel-
mehr im Lande der Knru's. Hierzu kommt, dals, während der
Träumende mit seinem Leibe in ein anderes Land gelangt zu fiein
vermeint, die andern Anwesenden eben diesen Leib im Bette lie-
gen sehen. Ferner ist zu bemerken , | dafs die Gegenden in Wirk- 782
lichkeit gar nicht so sind, wie einer sie im Traume gesehen hat;
wäre er dabei wirklich hinübergeeilt und hätte die Dinge ange-
schaut, so müfste er sie mit wachem Auge und ebenso gesehen
haben wie sie in Wirklichkeit sind. Und auch die Schrift lehrt,
dafs der Traum nur innerhalb des Leibes stattfindet, wenn . sie
nach den Worten: „wenn er so im Traume wandelt" hinzufugt:
„so durchzieht er nach Belieben den eigenen Leib" (Brih. 2, 1, 18).
Somit mufs, wegen des Widerspruches gegen eine ))etreffende
Schriftäufserung, das andere Wort der Schrift, dafs er aufserhalb
des Nestes weile, als bildlich aufgefafst und dahin erklärt wer-
den, dafs es gleichsam ist, als ob er aufserhalb des Nestes un*
sterbb'ch schweife; denn wer, während er in dem Leibe wohnt,
von demselben keinen Gebrauch macht, von dem kann ge&agt
werden, dafs er gleichsam aufserhalb des Leibes weile. Und auch
die verschiedenen Vorstellungen des Stehens und Gehens hat man
unter diesen Umstsuiden nur als eine Täuschung zu betrachten. —
Weiter findet im Traume auch ein Widerspruch gegen die Zeit
statt; man schläft in der Nacht und meint es sei Tag in Bhärata-
Varsha (Indien); und in einem nur eine Stunde dauernden Traume
läfst man zuweilen ganze Reihen von Jahren verstreichen. —
Endlich sind auch keine Ursachen im Traume vorhanden,
wdche für das Erkennen oder Handeln geeignet wären; denn da
die Organe eingezogen sind, so ist kein Auge u. s. w. da, wel-
ches den* Wagen u. s. w. erblicken könnte; und was die Hervor-
bringung des Wagens betrifft, woher sollte dazu auch nur irgend-
wie dem Träumenden die Fähigkeit oder das Material kommen?
Auch finden diese im Traum erschaffenen Wagen beim Erwachen
ihre Widerlegung; ja sie werden oft schon im Traume selbst
widerlegt, indem sich zeigt, dafs Anfang und Ende nicht zu-
sammenstimmt. Denn was man im Traume manchmal für einen
Wagen hält, das wird im Augenblicke darauf ein Mensch, und 783
was man für einen Menschen hält, wird im Augenblicke darauf
ein Baum. Auch lehrt die Schiift geradezu, dafs es im Traume
keine Wagen n. «. w. gebe, wenn sie sagt: „daselbst sind nicht
„Wagen, nicht Gespanne, nicht Strafften" (Brih; 4, 3, 10). — So-
mit ist das Traumgesicht eine blofse Illusion.
506 Qlfflnaui^mtiiili6sfc
4. sAcakof ca M^ fnäety Acakshaie ca tadvidah
denn er igt ja vorbedeaiitend, nach der Schrift^ auch
legen ihn aus die sich darauf verstehexs.
«'Hiit: denn mm der Traum , da er eine Uofse lUnnüait uifrf gar
'kei&e Sfmr Ton Bealäät?*^ — Doch nichtl Denn der Tcann ,^
,Jft Torbedeatend**' fibc das sokteftige Gute und SeUimma. Denn
m sagt die Sohrift (€Mnd. 6, %9):
^WeftB. er dft Traom mit Weibern LIebesbftndd flielitt
^y,S^ teiioli anf Gelingen aalches I^MMBigesiißht;'*
und Amso hiak die Schrift an der Slidk:; ^«[wenn einer im
„Traume] eineft aekvansen Man& mit aeLwacaen Z&hnen stakt, und
„dieser ibst tdteft^ v. 8. w. (Aii.. &r. 3,, % 4» IT)« dafs dorcb Ttfioa»
dieser Art ein Sicht -mehr-lan^ge-Ldie» «of^edentet werde^ Amd»
wird j« der Tranm von ^olcheat, mMut daw TraumstudimB» kun-
dig smd, n«am[elegt*S indem lae s. B« ai^gen, dafs das Betten auf
einem Elefimten im Traume Beicbtsm, daa Fahren mit eiiMtt Esel
Armut bedeute. Auch weisen i, wie man annimmt, gewisse THmm»
dazu an, in einer nach Hymnus, Gkyttheit und Opftvgaibe be-
stimmten Weise zu opfern, sind somit nicht ganz ohne jade Bea-
litftt. Obgleich dem aber so sein mag, und obgleich die vor-
bedeutete Sache Bealitat hat, so ist sie doch von dem^ wodurch
sie Yorbedeutet wird, Ton dem Anblicke der Weiber u« s. w^
784 wesensyerschieden , | sofern ja letzteres seine Widerlegung [durch
das Erwachen] findet. Somit bleibt es richtig, daft der Traum
eine blofse Illusion ist« Wenn es aber hiefs: „denn ue sagt es"
(Sütram 3, 2, 1), so ist^ dies unter solchen Umständen büdlidi zu
erklären; denn wenn man sagt: „der Pflug ist die Ursaqhe dafftr,
„dafs die Ochsen aufgezogen werden**, so ist dabei nur an den
Beweggrund zu denken, nicht aber daran, dafs der. Pflug die
Ochsen geradezu aufziehe. In derselben Weise ist es auf den
Beweggrund zu beziehen, wenn der Träumende Wagen u. s. w.
schafft und wenn er der Schöpfer genannt wird, denn es ist nicht
anzunehmen, dafs der Träumende die' Wagen u. s. w. geradezu
schaflfe. Dafs aber der Träumende der Beweggnind der Traum-
erscheinungen ist, beruht darauf, dafs die Erscheinungen der Wa-
gen u. s. w. den Zweck haben, Freude und Furcht zu bereiten,
und dafs der Träumende der Schöpfer der guten und bösen
Werke ist, welche der Beweggrund [jener Freude und Furcht]
sind. Hierzu kommt Folgendes: [in der betreffenden Stelle (Bfih.
4, 3) handelt es sich darum, inwiefern die Seele ihr eigenes Lieht
Sfttram IIl. n. 4L 507
ist;] im Zostuide des Wachens nnn ist wegen Verbindung der
Sinnendinge mit den Sinnesorganen nnd wegen der Darciikreu-
zung mit dem Sonnenliehte u. s. w, das Selbstlicht-Sein der schau-
enden Seele schVer absusondem, nnd um es absusondem, wird
der Tranm herangezogen; wollte man nun dabei 4aa Wort von
dem Sdiaffen der Wagen u. •• w. buchstäblich auj^egvn, so würde
durch die Stelle nicht erwiesen werden [was doch cBe Absicht ist],
daf» die Seele selbst ihr Lidit sei. Man muis scMnit auf Orund
dea Sdiriflwortesy welches das HifAftsein der Wagen u. sv w. be-
tont, das Wort lon der SAdpfuag der Wagen u. a.. w. bildlich
erklären. ( Bbeadaaselb* gdt von dem Sdnftwort», waches dar 1^
Seele ein Eradliafieii ansdmeibt (Sittram 3^ 2, 2). Wena dilMc
weiter behauptet wurde» dafs die Schrift unter den Em&Ar
die allweise Seele [6ott} yersteha^ so ist das unri^tig^ ieaat
eine andere St^e sagt: ^^r f&llt aefbat das Bauholz aoid ha/aä es
„selber auf vermöge aomes eigenen CBanzta, seines eigenen lid^
„tes, wenn er so seUftft*^ (Brih. 4, 3, 9); hier wird das EnchaieA
[Aufbauen] als eine Thätigkeit der indmduellen Serie belcaiMel»
und ebenso ist ea in der fragUehen Stelle; denn wemi es hetiat
„der Geist, der in dem Schl&fer waeh bleibt'S so muTs ea hier,
wegen der Erinnerung an einen schon bekannten, die indivi-
duelle Seele sein, welche als Erschaffer der Wünsdie erwähnt
wird (Käth. 5, 8); dies streitet nieht damit, daft die ganze Stelle
vom Brahman handelt, sofern in den folgenden Worten (E&th. 5, 8):
„Der eben ist der reine, der das Brahman^,
das Dasein einer individuellen Seele überhaupt verneint und ihr
Brahmansein gelehrt wird, ähnlich wie ea in den Worten „das
„bist du'' (Gh&nd. 6, 8, 7) gesdiieht. Übrigens leugnen wir keines-
wegs, dafs auch der Tranm ein Werk der allweisen Seele sei ; denn
weil sie der allbeherrschende Gott ist, so folgt, dafs sie in allen
Zuständen das Regierende ist. l}ur, dafs diese Schöpfung im
Zwischenstande nic^t so vollkommen real ist, wie die Schöpfung
des Äthers u. s. w., so viel müssen wir behaupten. Übrigens ist
auch die Realität der Schöpfung des Äthers u. s. w. keine ab-
solute; denn an d«r Stelle: „Identität mit ihm wegen des Schrift-
„Wortes von dem sich Anklammem und andern " (Sütram 2,1,
14), zeigten wir, dafs die ganze Weltausbreitung eine blofse Illu-
sion ist. Indessen ist die Weltausbreitung des Äthers n. s. w.
wirklich bestehend, so lange man sich noch nicht' als die Wesen-
)ieit des Brahman erkannt hat, während die Ausbreitung im Zwi-
schenstande von Tag zu Tage neu widerlegt wird, daher es von
der Schöpfung im Zwischenstande noch in besonderem Sinne gilt,
dafs sie blofs auf Illusion beruhe.
508 Ciriraka-inlmli&B&
786 5. para-abhidhydndt tu tirohUamy tato hi asya bandha-
viparyayau.
»
vielmehr durch Überdenken des Höchsten, da sie [vor-
her] verborgen, denn von ihm kommt ihre Bindung
nnd das Gegenteil.
'Das mag ja sein; aber die individuelle Seele ist doch ein
'Teil Yon dem höchsten Attnan, wie der Funke von dem Feuer.
'Ist dem so, so mufs, ebenso wie /das Feuer und der Funke die-
'selbige Kraft zu leuchten und zu brennen besitzen, ebenso auch
'die Seele so gut wie Gott die Kräfte der Allwissenheit und AU-
'macht besitzen« Ist dem abei* so, und besitzt die Seele All-
'macht, so mnfs auch die Schöpfung der Wagen u. s. w. im
'Traume eine die Wünsche realisierende sein/ — Hierauf ist zu
erwidern: zug^eben, dafs die Seele und Gott sich verhalten wie
der Teil und das Ganze, so liegt es doch am Tage, dafs die
Seele und Gott verschiedener Art sind. — 'Aber wie steht es
'dann mit der Gleichartigkeit Gottes und der Seele? soll diese
'etwa nicht bestehen ^ und dabei doch bestehen?* — Es ist' viel-
mehr so, däfs sie zwar besteht, jedoch verborgen ist; denn das
Nichtwissen verbirgt sie. Obwohl sie aber verborgen ist, so wird
sie doch, wenn eine Kreatur den höchsten Gott äberdenkt und
erstrebt, gleichwie das Sehvermögen bei. einem Geblendeten, nach-
dem die Finsternis durch ^e Kraft der Heilmittel abgeschftttelt
ist. in dem, ^an welchem die Gnade Gottes es vollbringt, offen«
787 bar, nicht aber von Natur | bei irgend^ einem Wesen« Warum?
Weil durch ihn, durch Gott als Ursache, Bindung und Losung
der Seele gewirkt werden; Bindung, wenn di» Wesenheit Gottes
nicht erkannt wird, und wenn sie erkannt wird 9 Lösung. Denn
so sagt die Schrift (Qvet. 1, 11):
„Ist Gott erkannt, so fallen alle Bande,
„Die Plagen schwinden, nebst Gebart und Sterben,
„Wer ihn erkennt, geht nach des Leib's Abtrennung
„Zum dritten Stande voller Allmacht ein,
„Woranf er frei und aller Wünsche Herr wird."
6. deha-yogäd vd $0 ^pi
mit andern Worten: aus der Verbindung mit dem
Leibe entspringt eben diese.
'Aber woher kommt es, wenn die Seele doch ein Teil des
'höchsten Atman iiii, dafs ihre Allwissenhcnt und Allmacht ver-
Sütram III. n. 6. * 509
^böigen sind? Es wäre doch yielmehr zü erwarten, dafs diese
'Allwissenheit und Allmacht, sowie das Brennen and Leuchten des
'Funkens, nicht verborgen wären?' — Wir antworten: das ist
wohl wahr; aber „eben diese", nämlich die V^bergung der All-
wissenheit and AUmacht der Seele „entspringt ans der Yerbin-
„dang mit dem Leibe", d. h. aus der Verbindung mit Leib, Sin-
nen, Manas, Buddhi, Aufsendingen, Empfindung u. s. w. Und
darüber ist dies Gleichnis: so wie das Feuer zwar mit Brennen
und Leuchten begabt ist, das Brennen und Leuchten laber ver-
borgen sind, wenn das Feuer in das Holz eingegangen oder auch
mit Asche überdeckt ist, ebenso entsteht durch die Verbindung
der Seele mit den vom Nichtwissen aufgestellten, aus Name und
Gestalt gebildeten Upädhi^s, wie Leib u. s. w., die Yerirrung, sich
von denselben nicht zu unterscheiden , und diese bewirkt die Ver-
bergung der Allwissenheit und Alimacht der Seele. Die Worte
„mit andern Worten" sollen die Meinung, als sei die Seele von
Gott [an sich] verschieden, beseitigen. — 'Aber ist nicht die in*
'dividuelle Seele schon dadurch von Gott verschieden, j dafs seine 788
'Allwissenheit und Allmacht verborgen sind, und ist nicht die
'Verweisung auf die Verbindung mijt dem Leibe unnötig?' — Doch
nicht! denn eine Verschiedenheit der Seele von Gott ist nicht
zuzugeben, weil in der Stelle: „diese Gottheit beabsichtigte", wo
es weiter heifst: „ich will mit diesem lebenden Selbste (jiva
.^dtman) in dieselben eingehen" (Ch&nd. 6, 3, 2), die individuelle
Seele mit dem Worte „Atman" bezeichnet wird; und auch die
Worte: .„das ist das Ileale, das ist die Seele, das bist du, o
„Qvetaketu" (Ch&nd. 6, 8, 7) legen der Seele die Gottwesenheit
bei. Somit ist die Seele von Gott nicht verschieden, und nur
durch ihre Verbindung mit dem Leibe wird ihre Allwissenheit und
Allmacht verborgen, und daher läfst sich nicht behaupten, dafs
die Schöpfung der Wagen u. s. w. durch die Seele im Traume
eine das Gewünschte realisierende sein müsse. Wäre wirklich die
Schöpfung im Traume das Gewünschte realisierend, so würde nie-
mand einen unangenehmen Traum haben, denn niemand wünscht
oder realisiert, was für ihn unangenehm ist. — Wenn weiter be-
hauptet wurde, dafs der Traum real sein müsse, weil die Schrift
von ihm sage, dafs er eine Stätte des Wachens sei (Brih. 4, 3,
14), so hat diese Hervorhebung der Gleichheit nicht den Sinn,
die Realität des Traumes zu lehren, weil dem das Selbstlichtsein
der Seele im Traume widersprechen würde, und weil von der
Schrift selbst gesagt wird, dafs die Wagen u. s. w. im Traume
nicht wirklich vorhanden sind. Weil vielmehr die Vorstellungen
des Traumes in den beim Wachen entstandenen Vorstellungen
ihren Grund haben, so hat jene Schriftstelle den Zweck, zu zei-
gen, dafs der Traum eine dem Wachen ähnliche Scheiubarkeit
510 ^ftitnOca-mlBÜMM
besitze. — Es ist ftooBiii jädriig, dafs der
Illasion beruht.
ZwdUs Adkiiaranam.
. 7« iad-cAhävo; nädi^u^ iac-chnUety ätmam ca
ihr l^ichtvorhandensein; in den Adern, weil so die
Schrift, und in dem Atman.
Nachdem wir den Zustand des Traiunes betrachtet haben, so
ist nunmehr der Zustand des Tiefschlafee zu untersuchen. Hier-
7S9 bei kommen die folgenden | auf den Tie&chlaf bezüglichen Schrift-
steilen in Betracht. Einmal heiDst es: „wenn, er dann so einge-
'„schlafen ist ganz und gar und völlig zur Ruhe gekommen, dafs er
„kein Traumbild schaut, dann ist er in diese Adern geschlupft^*
(Ch&nd. 8, 6, 3); an einer andern Stell« hingegen, wo doch gerade
die Adern besprochen werden, heifst es mit Bezug auf sie: „durch
„diese hineingeschlüpft, liegt er im Perikardium'* (Bfih. 2, 1, 19);
ebenso heifst es anderweit, wo gleichfalls von den Adern die Bede
war: „alsdann weilt er in diesen, wenn er eingeschlafen kein Traom-
„bild schaut. Sodann wird er in diesem Prana zur Einheit"
(Kaush. 4, 19 — 20); ebenso heifst es anderswo: „was dieser Baum
„inwendig im Herzen ist, darin liegt er'* (Brih. 4, 4, 22); ebenso
anderweit: „alsdann ist er, o Teurer, vereinigt mit dem Seienden;
„in sich selbst ist er eingegangen" (Ch&nd. 6, 8, 1); und ebenso:
„von dem erkenntnisartigen Selbste umschlungen, hat er kein Be-
„wufstsein von dem was .aufsen oder innen ist" (Brih. 4, 3, 21).
Somit erhebt sich hier der Zweifel, ob die Genannten, die Adern
n. s. w., in Unabhängigkeit voneinander verschiedene Orte des
Tiefschlafes bedeuten, oder ob sie in der Art voneinander ab-
hängig sind, dafs es nur einen Ort des Tiefschlafes giebt.
Angenommen also, *es seien verschiedenartige Orte ; warum?
^weil sie denselben Zweck erfüllen; denn Dinge, welche jedes fär
790 'sich denselben Zweck erfüllen, | pflegen nicht voneinander ab-
4iängig zu sein, wie z. B. Reis und Gerste [die beide Nahrungs-
^mittel . sind]. Dafs aber die Adern und die übrigen [Behälter]
4m Tiefschlafe alle denselben Zweck erfüllen, zeigt sich daran,
'dafs iu Worten wie „er ist in die Adern geschlüpft", oder „er
'„liegt in dem Perikardium", das eine wie das andere in gleicher
Weise im Lokativ steht.' — Aber bei dem „Seienden" findet sich
doch dieso Beaieichnung im Lokativ nicht, denn es heifst „alsdann
„ist er vereinigt mit dem Seienden (saM)'?" — Das schadet nicht,
MtuoBä SI. u. 7. ÖU
^waä sKch hier dem Sinne nach ein takindr zu yersidbtn ist, da
4m Folgenden gesagt «Svd, da(b die fieele, nach «Aer Zoflnokt
'▼oxlangend, in das Seiende eingebe, ««nn ee heilst: «»nachdem
S,er andenrfirts keine ZMflneht gefofiden, so nimmt er aeine Zu-
S^flncht SU dem Fri^a'^ ^Qkftnd. 6, 8, 2); lixsr wird mü dem Worte
'„Pr&^a'' das in Bede sidiende Seiende lieraQgeBogeB; eine Zu-
'flncht aber hat. den Sinn mnes Lokativa; flbrijyms leigt sich im
^Verlaufe der Stelle auch geradeza ^ne lok^iw Besseichnung,
'wenn es hexfst: ^naidMUnn sie in das Seiende {saß^ eingegangen,
Sfhaben sie kein Bevc&teein, da(s «sie eu^geganigen mnd in das
S,Seiende'* (Gh4&d. ^,9^ JQ^. Hierzu kommt, dals in aUm diesen
'Fällen der Tiefscblaf gleiehsohr das Merkmal eines Anflidrens der
individuellen Erkemxlnis behält. Weil somit die Adern und die
'übrigen [Bd^llter] denadben Zweck erfüllen, so mag die Seele
'wahlweise bald in diese 1>flld in jene Örtlichkeit zimi Tiefschlafe
'eingehen.;
Aaf diese Annahme versetzt der Lehrer: „ihr NichtTOxiiand'en-
„sein; — in den Adern nnd in dem Atman"; ihr Nichtvorhanden-
sein, d. h. das Nichtvorhandensein der vorher besprochenen Txaum-
Bchopfung I macht den Tiefschlaf aas; und bei ihm befindet sich 791
die Seele „in den Adern nnd in dem Atman", d. h. in beiden
zugleich, nicht aber geht sie wahlweise in die Adern oder die
andern [Behälter] zum Tiefschlafe ein; warum? „weil so die Schrift";
d. h. weil in dieser Weise hier und dort die Adern u. s. w. alle
zusammen als der Ort des Tiefschlafes erwähnt werden; und dem
wird man nur gerecht, wenn man eine Zusammenfassung aller
dieser Orte annimmt; denn bei Annahme einer Wahl zwischen ihnen
würde ein Teil derselben ausgeschlossen bleiben. — 'Aber bemerk-
'tcn wir nicht, dafs zwischen 'den Adern u. s. w. eine Wahl be-
'stehen müsse, weil sie, ähnlich wie Beis, Gerste u. s. w. [demsel-
'ben Zwecke der Ernährung], alle dem gleichen Zwecke dienen?*
— Wir antworten: nein! denn daraus allein, dafs sie alle in dem-
selben Casus stehen, folgt noch nicht, dafs sie dem gleichen Zwecke
dienen, und dafs eine Wahl zwischen ihnen statüiaft sei: denn
auch dann, wenn sie verschiedenen Zwecken dienen, und eine Zn-
sammenfassung derselben anzunehmen ist, kann derselbe Casus ge-
braucht werden; und wie man von einem sagen kann, „er liegt in
„dem Hause" und zugleich „er liegt in dem Bette", ebenso ist
auch hier, wenn es heifst, er schläft in den Adern, in dem Peri-
kardium und in dem Brahman, eine Zusammenfassung möglich.
Und so sagt auch die Schrift: „in ihnen befindet er sich dann,
„wenn er eingeschlafen kein Traumbild schaut; alsdann wird er
„in diesem Präna zur Einheit" (Kansh. 4, 19 — 20). Hier lehrt
die Schrift fär den Tiefschlaf eine Zusammenfassung der Adern
nnd des Prä^, indem sie beide an derselben Stelle anführt.
Dafs aber der Pr&i^a das Brahman bedeutet, haben wir erkannt
512 Q&rh-aka-mlm&nsft
an der Stelle: „der Pr&^a, weil man dies ersieht" (Sütram 1, 1, 28),
Und auch da, wo die.. Schrift die Adern für sich allein als den
Ort des Tiefschlafes tienni, z. B. in der Stelle: „alsdann itt er in
'^diese Adern geschlüpf^t" (Gh&nd. 8, 6, 3), auch da ist, da das aas
einer andern Stelle als Ort des Tiefsphlafes feststehende JBrahman
dadurch nicht ausgeschlossen wird, die Sache so ^n verstehen, dafs
die Seele durch Vermittelung der Aderu in dem »rahman tidi be-
findet. Auch bei dieser AufÜEuieung nämlich ist der Lokativ «^in
„den Adern" nicht unzulässig; denn auch wenn die Seele ver-
70*1 mittelst der Adern in das BrahAan hineinschlüpft, | ist sie eine in
die Adern hineingeschlüpfte; denn wer vermittelst der Oaiigä in
den Ocean fährt, der ist eben auf der Gangä gefahren. Hierzu
kommt, dafs es sich an der betreffenden Stelle darum handelt»
den Weg zur Brahmanwelt, welcher durch den Sonnenstrahl nnd
die Adern geht, au beschreiben, und dafs dabei zur Yerherrli-
chung der Adern das Hineinschlüpfoi in dieselben erwähnt wird;
denn nach den Worten „dann ist er in die Adern geschlüpft"
heifst es weiter: „darum rühret ihn kein Übel an" (Chänd. 8t 6y
3); in diesen Worten werden die Adern gepriesen; und als Ur-
sache dafür,. dafs ihn kein Übel anrühre, sagt die Schrift: „denn
„alsdann ist. er eingegangen in die Kraft (i^cu)^^ (Ghänd. 8, 6, 3);
d. h. weil die Organe der Seele von der in den Adern wohnen-
den Kraft, welche Galle (pütam) genannt wird, überzogen sind,
deswegen sieht die Seele die Dioge der Aufsen weit nicht. Oder
auch man kann annehmen i dafs unter der „Kraft" das Brahman
zu verstehen ist, indem auch in einer andern Stelle „ist lauter
„Brahman, ist lauter Kraft" (Brih. 4, 4, 7). der Ausdruck Kraft
von Brahbaan gebraucht wird; nämlich mit dem Brahman ist die
Seele dann auf dem Wege der Adern vereinigt worden, „darum
„rührt sie kein Übel an" (Qiand. 8, 6, 3). Denn es war vorher
gelehrt worden, dals es der Eingang in das Brahman ist^ auf
welchem die Unberührbarkeit vom Übel beruht, indem es hiefs:
703 „alle Übel kehren vor ihm zurück , denn firei vom Übel | ist diese
„Brahmanwelt" u. s. w. (Chänd. 8, 4, 2). Da dem so ist, so hat
maü anzunehmen, dafs wegen des an einer andern Stelle dafür
genannten Brahman der als Ort des Tiefschlafes angenommene
Komplex der Adern hier erwähnt wird. Ebenso ergiebt sich für
das Perikardium, da es an einer andern tStellc erwähnt wird, die
von Brahman handelt, dafs es nur in Analogie mit Brahman als
der Ort des Tiefschlafes bezeichnet wird; denn nachdem in den
Worten: „was dieser Raum in dem Herzen ist, darm liegt er"
(Brih. 4, 4» 22), der Raum im Herzen als Ort des Tie&cUafes er-
wähnt war, heifst es [wie Qankara irrtümlich annimmt] weiter:
„er liegt in dem Perikardium" (Brih. 2, 1, 19). Das Wort „Peri-
„kardium (purUat)^^ bezeichnet die Umkleidung des Herzens; und
sofern die Seele in dem von dieser umschlossenen Herzensranmc
•9Atr*m III. n. ?• ' 513
liegt, kann gesagt werden, de liege im Perikardium; denn wer
sic^ innerhalb der von einer Mauer umgebenen Stadt befindet, von
dem kann man sagen, er befinde sich innerhalb der Mauer. Dafs
aber der Raum im Hersen das Brahman bedeute, sahen wir an
der Stelle: „der kleine [Raum], wegen des Folgenden'^ (Sütram
1, 3, 14). In derselben Weise ist es auch au&ufassen, wenn in
den Worten: „in sie (die Adern) hineingeschlüpft, liegt er im
„Perikardium'^ (Bfih. 2, 1, 19), eine Zusammenfassung der Adern
und des Perikardium an 'derselben Stelle vorkommt. Dafs aber
„das Seiende"' und die allweise Beele das Brahman bedeuten, ist
bekannt. £s werden somit an diesen Schriftstellen allerdings drei
Orte des Tiefschlafes eirwähnt, nftmlich die Adern, das Perikar-
dium und das Brahman; dabei dienen aber die Adern und das
Perikardium nur als Mittel, w&hrend das Brahman allein der ein-
zige unabänderliche Ort des Tiefschlafes ist. Hierzu kommt, dafs
die Adern oder das Perikardium dabei nur als Behälter der UpH-
dhi's der individuellen Seele dienen, sofern ihre Organe nch in
diesen aufhalten. Denn wenn wir von der Verbindung mit den
Up&dhi's absehen so ist för die individuelle Seele an sich (sva'
taa) I ein Beh<er nicht möglich, weil sie, mit dem Brahman 794
identisch, in ihrer eigenen Majestät steht (Ch&nd. 7, 24, 1). Und
wenn sie im Tiefschlafe in Brahman enthalten ist, sq ist dies
nicht dahin auCsufassen, dafs dabei eine Verschiedenheit zwischen
dem Behälter und dem Inhalte ausgedrückt werden soll, sondern
es soll vielmehr die Wesenseinheit ausgedrückt werden; daher die
Schrift sagt: „alsdann ist er, o Teurer, vereinigt mit dem Seien-
„den; er ist in sich eingegangen'^ (Ch&nd. 6, 8, 1); das Wort
„sich'' bedeutet dabei das eigene Selbst, und der Sinn ist, dafs
der Tiefschlafende in seine eigene Wesenheit eingegangen sei.
Allerdings ist die Eingegangenheit der Seele in das Brahman nie-
mals un verwirklicht, weil sie von ihrem eigenen Wesen nicht ab-
gehen kann; aber im Traume und Wachen geschieht es, kraft
ihrer Bemengung mit den Up&dhi's, dafs es ist, als wäre sie in
eine fremde Natur übergegangen; daher das Ruhe-haben von den
Upädhi's im Tiefschlafe als ein Eingang der Seele in ihre eigene
Natur aufgefafst wird. Aus diesen Gründen ist es unannehmbar,
dafs die Seele im Tiefschlafe zuweilen mit dem Seienden vereinigt
werde und zuweilen nicht. Wollte man aber selbst eine Auswahl
unter den verschiedenen Orten zugeben, so würde doch darin
Übereinstimmung bestehen, dafs der Tief schlaf als Merkmal das
Aufhören der individuellen Erkenntnis hat; zu einem .Einswerden
mit dem Seienden nun pafst es, dafs die Seele wegen der Eins-
werdung nicht erkenne , „ wie sollte er da irgend wen erkennen '^,
wie die Schrift sagt (Brih. 2, 4, 14); bei einem blofsen Liegen in
den Adern und dem Perikardium hingegen läfst sich kein Grund
absehen, warum die Seele nicht erkennen ^U, indem diese in
DmuMU, VadAuU. 33
514 Qftrtraka-mtxnftnsi
dea Bereich der Vielheit gehören , von dem die Schrift sagt: ,,wo
,^aber ein anderes gleichsam ist, da sieht einer den andern" (Brih.
79^ 4, 5, 16). — I 'Aber kann nicht auch in dem Bereiche der Vielheit
'eine allzugrofse Entfernung u. s. w. Ursache des Nichterkennena
^sein?* -r— Das möchte wohl angehen , wenn es denkbar wftre, dafs
die Seele sich von sich- selbst lostrennte, wie Vishnumitra auf Beisen
geht und darum sein Haus nicht sieht. Es ist aber vielmehr bei
der Seele eine Trennung, aufser von den Upftdhi\ nicht möglich.
— *Aber jene allzugrofse Entfernung als Ursache des Nicht-
^erkenneuB közmte ja als eine solche von den Up&dhi's betrachtet
'werden.' — Auch dann bleibt es dabei, dafs die Seele zufolge
des Ruhehabens von den XJpädhrs mit dem Seienden eins ge-
worden ist und darum nicht erkennt. Auch behaupten wir nicht,
dafs die hier geforderte Zusammenfassung der Adern u. s. w. in
dem Sinne geschehen soll, als wären dieselben gleichberechtigt;
denn die Erkenntnis, dafs die Adern und das Perikardium der
Ort des Tiefschlafes seien, hat an sich gar keinen Zweck; denn
nirgends ist in der Schrift von einer Frucht die Rede, welche sich
an diese Erkenntnis knüpfte; und ebenso wenig wird diese Er-
kenntnis als Teil irgend einer Erkenntnis mit Fruchtverheifsung
bezeichnet. Vielmehr behaupten wir, dafs das Brahman der un-
abänderliche Ort des Tiefschlafes sei; und diese Erkenntnis hat
allerdings einen Zweck, nämlich den, zu lehren, dafs die Seele
ihrem Weseii nach Brahman ist, und dafs sie im Tiefschlafe von
dem Treiben des Traumes und des Wachens befreit ist. Darum
ist der Ätman allein der Ort des Tiefschlafes.
8. atah prabodho '$mät
daher das Erwachen ans ihm.
Und weil der Atman der Ort des Tiefschlafes ist, „ daher '^
d. h. aus diesem^ Grunde geschieht auch das Erwachen alle Zeit
nur aus diesem Atman, wie es in der Stelle vom Schlafe gelehrt
796 wird: „woher ist er so gekommen ?'* | worauf als Antwort erfolgt:
„gleichwie aus dem Feuer die winzigen Fünklein entspringen, also
„auch entspringen aus diesem Atmau alle Lebensorgane'* (Bfih.
2, 1, 20). Auch heifdt es: „indem sie aus dem Seienden hervor-
„gehen, haben sie kein Bewufstsein davon, dafs sio hervorgehen
„aus dem Seienden" (Chand. 6, 10, 2). — Stünde die Wahl zwi-
schen den Orten des Tiefschlafes frei, so würde die Schrift viel-
mehr lehren, dafs man manchmal aus den Adern erwache, manch-
mal aus dem Perikardium und manchmal aus dem Atman. Auch
darum also ist vielmehr nur der Atman allein der Ort des Tief-
schlafes.
Satram IIL xi. 9. 515
Dritte» Adhikaranam*
9. $a^ eva tUy karma^anusmriü''g€ibda'Viditihhyah
vielmehr die selbe , wegen Werk, Bückerinnerung,
Schriftwort und Vorschrift.
Wenn einer aas diesem Eingänge in das Sei^mde wieder er*
wacht, ist dann deijenige, welcher erwacht, der nämliche, dev
in das Seiende eingegangen war oder kann es auch ein anderer
sein? Das ist zn überlegen. — Angenommen also, 'es sei un-^
'bestimmt, ob derselbe wieder erwache; wamm? nun, wenn man
'einen Wassertropfen in eine Wassermasse giefst, so wird er 2u
'dieser Wassermasse; will man ihn darauf wiedcü* herausziehen, so
'ist es doch nicht wohl zu bewerkstelligen, dafs dieses derselbe
'Tropfen sei. In ähnlicher Weise kommt auch der Eingeschlafene,
'nachdem er mit dem Höchsten eins geworden , zum völligen Still-
'stände, und es braucht nicht derselbe zu sein, welcher darauf
'wieder erwacht. | Somit kann derjenige, welcher erwacht, derselbe 797
'oder auch Gott oder eine andere individuelle Seele sein.* — Auf
diese Annahme erwidert der Lehrer: „es ist vielmehr die selbe"
Seele, die eingeschlafen und zur Selbstheit eingegangen war,
welche darauf wieder erwacht, und keine andere. Warum? „we-
„gen Werk, Rückerinnerung, Schriftwort und Vorschrift". Wir
wollen diese Gründe einzeln durchgehen. Zunächst also muls der
Erwachende derselbe und kein anderer sein, weil er sich mit dem
übriggebliebouen Werke befafst. So nämlich zeigt die Erfah-
rung, dafs einer, der sich gestern mit einem Werke befafste, sich
heute mit der Fortsetzung desselben befafst, und man kann nicht
annehmen, dafs bei einem Werke, welches von Jemandem zur
Hälfte getlian worden, ein Zweiter sidi mit der Fortsetzung des-
selben befasse, weil daraus zu viel folgen würde [d. h. weil damit
alle Kontinuität des Handelns aufgehoben werden würde]. Somit
folgt, dafs es derselbe sein mufs, welcher gestern und welcher
heute ein bestimmtes Werk vollbringt. — Auch darum mufs der
Erwachende derselbe sein, weil man sagt: „am gestrigen Tage
„habe ich dies und das gesehen", und weil diese nachmalige
Erinnerung an ein früher Erlebtes unmöglich sein würde, wenn
ein anderer erwachte; denn es geht nicht an, dafai an das, was
der eine gesehen hat, ein anderer sich zurückerinnere. Und auch
wenn man sagt: „das war ich", so ist auch diese Rückerinnerung
an das eigene Selbst nicht möglich, wenn der Erwachende ein
anderer ist. — Weiter ergiebt es sich aus Schriftworten, dafs
der Erwachende derselbe ist; denn es helfst z. B.: „alsdann kehrt
83*
Ö16 Q&rtraka-mlmäilslL
^er wiedenuu je nftch dem EingaxigB, je nach dem Ürspronge
,,zurück Eum Zustande des Wachens" ^fih. 4, 3, 16); — „ebefnso
,,finden alle diese Kreaturen diese Brahmanwelt nicht, obwohl sie
„tagtSglich in sie eii^ehen" (Gh&nd. 8, 3, 2); — „selbige ob sie
„hier Tiger sind oder Xiöwe, oder Wolf, oder Eber, oder Wurm,
„oder Vogel, oder Bremse, oder Mücke: was sie immer sein mo-
rgen, dazu werden sie wieder gestaltet" (Chand. 6, 10, 2); —
diese und andere Schriftworte, welche sich auf das Erwachen Tom
798 S<^üafe | bealehen, würden keinen Sinn haben, wenn der £r-
wachende ein anderer wäre. — Endlich folgt dasselbe auch aus
den Yorsc'hriften über Werke und Wissen. Denn sonst würden
die Yoritchriften über Werke und Wissen zwecklos sein. Nimmt
man nämlich an, dafs der Erwachende ein anderer sei, so würde
folgen, dafs schon der blofs Tiefsohlafende erlöst wä^e. Soll aber
dem so sein, so möchte ich wissen, ^was aus dem Werke oder
dem Wissen «rird, welches seine Frucht erst in der Folgezeit
bringt? Hierzu kommt, dafs bei der Annahme, der Wiedererwa-
chende sei ein. anderer, dieser in dem andern Leibe, in welchem
er wiedererwachend handeln würde, die demselben angehörigen
Handlungen unterbrechen Würde. Auch würde dann die Voraus*
Setzung, dafs der Eingeschlafene wieder erwacht, bedeutungslos
sein; denn in dem Leibe, in welchem man eingeschlafen wäre,
würde man nicht wieder erwachen. Aber wie kann man über-
haupt nur annehmen, dafi man in dem einen Leibe einschlafe
und in einem andern wieder erwache! Femer könnte dann auch
der Erlöste irgendwo wieder erwachen , und die Erlösung würde
ein Ende nahmen; das aber ist unmöglich, dafs einer, dessen
Nichtwissen vernichtet worden ist, wieder erwachen könnte. Aus
demselben Orunde kann es auch nicht Grott sein, welcher wieder
erwacht', weil bei ihm das Nichtwissen ewig yemichtet ist« End«
lieh ist es bei der Annahme, dafs ein anderer wieder erwache,
kaum zu vermeiden, dafs den Menschen Unverschuldetes treffe,
und dafs Verschuldetes ungesühnt bleibe. Somit ist es derselbe
und kein anderer, welcher wieder erwacht. — Wenn weiter be-
merkt wurde, dafs, so wie man den in eine Wassermasse gegosse-
nen Wassertropfen nicht wieder herausholen .könne, auch' die mit
dem Seienden eins gewordene Seele aus ihm nicht wieder hervor*
treten könne, so bemerken wir darauf: dafs man den Wasser-
799 tropfen nicht wieder herausholen kann, ist richtig, | weil kein
Grund da ist für seine Unterscheidung; hier hingegen ist ein
O^rund der Unterscheidung vorhanden, nämlich die Ungleichheit in
Betreff der Werke und des Wissens. Auch zeigt die Erfahrung,
wie z. B. Wasser und Milch, zusammengemischt, welche von uoser
einem schwer zu unterscheiden sind, von der Gans unterschieden
werden. Überhaupt aber giebt es gar keine sog^enanute indivi-
duelle Seele, welche gesondert von dem höchsten Atman bestünde
Sütram III. ii. 9. 517
und sich wie der Wasseriropfen von der Wassermasse yon dem
Seienden unterschiede. Vielmehr ist es das Seiende selbst , wel-
ches vermöge seiner Bemengung mit den Upädhi's als individuelle
Seele aufgefafst wird, wie wir dies wiederholt auseinandergesetzt
haben. Da dem so ist^ so folgt, dafs, so weit sich die durch einen
bestimmten Upädhi bedingte Yerstriokung in die Bindung erstreckt,
so weit auch sich das Treiben einer bestimmten individuellen Seele
erstreckt; wo hingegen eine durch einen andern Upädhi bedingte
Yeratrickung in die Bindung vorhanden ist, da ist die Thätigkeit
einer andern Individualseele vorhanden. Ein und derselbe Upädhi
aber im Schlafe und im Wachen verhält sich, wie das Samenkorn
zur Pflanze 'sich verhält. — Somit ist es richtig, dafs es dieselbe
in^viduelle Seele ist, welche wieder erwacht.
Vie^'tes AdhUcaranam.
. 10. mugdhe 'rdha-sampatUhj parifeshät
beim Betäubten ein halber Eingang, wegen des
Überschiefsens.
- »
Noch bleibt der Betäubte zu besprechen, den man im gewöhn-
lichen Leben ohnmächtig nennt, und es fragt sich, worin sein
Zustand besteht. — Hier könnte jemand sagen: 'es giobt doch
'nur drei Zustände der im Körper weilenden individuellen Seele,
'das Wachen, den Traumschlaf und den Tiefschlaf, wozu als vierter
'noch das Abscheiden von dem Leibe kommt; von irgendeinem
'fünften Zustande der Seele hingegen ist | weder in Schrift noch 800
*Smpti die Rede, daher die Ohnmacht dem einen oder andern
'der vier Zustände zugezählt werden mufs.^ — Auf diese Annahme
erwidern wir: zunächst kann der Ohnmächtige sich nicht in^ dem
Zustande des Wachens befinden, weil ihm die Wahrnehmung der
Dinge mittels der Sinne abgeht. — *Schon recht, aber es könnte
'doch mit dem Ohnmächtigen etwa sein wie mit dem Pfeilschnitzer.
'Wie nämlich der Pfeilschnitzer, obwohl er wach ist, wegen Hef-
'tung seiner Aufmerksamkeit auf den Pfeil keine andern Dinge
* wahrnimmt, so könnte es auch geschehen, dafs der Ohnmächtige,
'wegen Concentration seiner Aufmerksamkeit auf die Empfindung
'des durch die Keulenschläge u. s. w. verursachter Schmerzes, ob-
'wahl er wach ist, keine andern Dinge wahrnimmt.' — Aber dem
ist nicht so, und zwar weil er ohne Bewufstsein ist. Denn der
Pfeilschnitzer , wennschon sein Geist in Anspruch genommen ist.
518 g&rlraka-mtmiufii
spricbt: ich fmbe diese Zeit hindurch nnr den Pfeil wahrgencnnmen.
Der Ohnmächtige hingegen, wenn er wieder zu Bewafstsein kommt,
spricht: ich war diese Zeit hindurch in blinäe Finsternis verseukt
und habe von gar nichts ein Bewofstsein gehabt. Hierzu kommt,
dafs der Wachende, wenn auch sein Oeist einem einzigen Dinge
zugewendet ist, doch seinen Leib aufrecht hält, während hingegen
der Leib des Ohnmächtigen zur ]Srde stürzt; woraus ersichtlich,
dafs derselbe nicht wachend ist. Ebensowenig aber sieht er Träume,
weil er ohne Bewufstsein ist. Endlich ist er auch nieht tot, weil
er noch Odem und Wärme in sich hat. Denn wenn einer ohn-
mächtig ist, und man wissen will, ob er tot ist oder noch lebt,
so untersucht man die Herzgegend, um zu bestimmen, ob er noch
Wärme hat oder nicht, und die Nasengegend, um zu wissen, ob
er noch Odem hat oder nicht. Bemerkt man an ihm kein Vor-
handensein von Odem und Wärme, so erkläi-t man ihn f&r tot |
$01 und holt das Holz zu seiner YerbrennuDg herbei; bemerkt man
hingegen an ihm noch Odem oder Wärme, so erUärt man, dafs
er nicht tot ist und behandelt ihn, um ihn wieder 2um Bewufst-
sein zu bringen. Kommt er wieder auf, so war er auch noch
nicht seinem Lose verfallen, denn wer erst zu Tama eingegangen
ist, der kehrt aus Yama's Reich nicht wieder zurück. — 'So ist
vielleicht die Ohnmacht ein Tiefschlaf, weil dabei kein Bewufsi-
*sein und doch auch kein Tod stattfindet?* — Auch das nicht,
weil beide verschieden sind. Der Ohnmächtige atmet oft längere
Zeit nicht, sein Leib zittert, sein Angesicht ist schaudererregend,'
seine Augen sind weit aufgerissen. Der Tiefsclilafende hingegen
zeigt ein friedliches Angesicht, atmet gleichmäfsig und fortwäh-
rend, seine Augen sind geschlossen, sein Leib zittert nicht, und
mau kann ihn. durch blofses Streicheln mit der Hand aufwecken,
während der Ohnmächtige nicht einmal durch Hammerschläge er-
wacht. Auch besteht' ein Unterschied zwischen Ohnmacht und
Tiefschlaf in der Veranlassung; die Ohnmacht wird verursacht
durch Keulenschläge u. s. w., der Schlaf durph Müdigkeit. Und
auch die allgemeine Annahme ist dagegen, dafs man den Ohn-
mächtigen für einen Tiefschlafenden ansieht. Somit nehmen wir
an, dafs die Ohnmacht „wegen' des Überscfaiefsens^' [über die
übrigen Zustände] „ein halber Eingang*^ ist; denn sofern der
Ohnmächtige bewufstlos ist, ist er eingegangen; sofern er jedoch
von dem andern verschieden ist, ist er nicht eingegangen. —
^Aber wie kann man behaupten, dafs die Ohnmacht nur ein hal-
'ber Eingang sei? Denn die Schrift sagt doch in Bezug auf den
^Tiefschlafenden : „alsdann ist er, o Teurer, eins geworden mit
S,dem Seienden'^ (Cliänd. 6,' 8, 1); — „dann ist der Dieb nicht
S,Dieb" (Brih. 4, 3, 22); — „diese Brücke überschreiten picht Tag
SO*i ^y,\iTid Nacht, | nicht das Alter, nicht der Tod und nicht das Lei-
S,den, nicht gutes .Werk noch böses Werk" (Cbänd. 8« 4, 2).
Sfttram HL ^. lO. 519
'Nämlich dio guten und bösen Werke werden ja an der Seete da-
^durch vergolten, dafs in ihr die Yorstellangen der Lust* und
*Schmoraempfinduug entstehen, und diese Vorstellungen der Lust«
'empfindnng und Schmensempfindung sind im Tiefschlafe Dicht vor-
'banden. Nun sind aber diese beiden Vorstellungen bei dem Ohn-
'm&ch'tigen ebenso wenig vorhanden, und somit muTs man auch
*in Betreff der Ohnmacht annehmen, dafs sie sufolge des zur-
' Ruhe* Kommens der Upädhi*8 ebenso gut wie der Tiefschlaf ein
Vollständiger Eingang und nicht blofs ein halber Eingang ist.' —
Hierauf erwidern wir: wir behaupten . gar nicht, dafs beim Ohn-
mächtigen die Seele nur zur Hälfte mit dem Brahman eins ge-
worden sei, sondern nur dieses, dafs die Ohnmacht halb auf Seiten
des Tiefschlafes und halb auf Seiten der andern Zustände stehe.
Nur dies behaupten wir und haben ja die Ähnlichkeit und Ver-
schiedenheit der Ohnmacht mit dem TiefiBchlafe dargelegt. Es ist
aber die Ohnmacht eine Pforte des Todes. Wenn nämlich bei
dem Betreffenden noch ein Rest von [abzubüfsenden] Werken rück-
standig ist, so kehren ihm Rede und Bewiifstsein zurück; sind
hingegen seine Werke ohne Rückstand abgelaufen, so verlassen
ihn Odem und Wärmen und darum betrachten die Brahmanwisser
diesen Zustand als einen halben Eingang. Wenn hingegen be-
hauptet wurde, dafs die allgemeine Annahme nicht für einen sol-
chen fönften Zustand sei, so schadet das nicht; denn weil dieser
Zmtand nur ein gelegentlicher ist, darum wird er nicht allgemein
angenommen, doch ist er wohlbekannt sowohl aus der Erfahrung
als auch aus dem Ayurveda (der Heilkunde). Als fünfter aber
wird er nicht gerechnet, und mit Recht, da er nur ein halber
Eingang ist.
520 girlraka-mim&ös4
803 11. na sthAnato ^pi parasya tibhayäUngamy sarvatra M
und auch nicht wegen der Standorte hat der Höchste
beide Charaktere ; denn allenthalben « • .
Das Brahman, in welches beim Tiefschlafe a. 8» v. die Seele
durch das zur -Ruhe -Kommen der üpftdhi's eingeht, dieses Brah-
man wollen wir jetzt auf Grund der Schrift seiner Natur naoh
betrachten.
Es giebt in Betreff des Brahmän zwei Arten ron SchriftsteUen;
die einen, wie „allwirkend ist er, all wünschend, allriechend, all-
„schmeekend** (Ch&nd. 8, 14, 2), legen ihm gewiBse Untersciiiede
als Charakter bei; die andern hingegen, wie „nicht grob und nicht
„fein, nicht kurz und nicht lang*^ (Brih. 3, 8, 8), lehren, dals er
keine unterschiede als Charakter besitze. Soll man nun auf Grund
dieser Schriftstellen annehmen, dafs das Brabman beide Cbstrak*
tere an sich trage oder nur einen von beiden? Und wenn einen
von beiden, ist eu dann als mit Unterschieden behaftet, oder als
untersohiedlos anzunehmen? Das ist zu untersuchen. — Zunftohst
nun könnte man den Schriftstellen zuliebe, welche beide Charak-
tere von ihm lehren, annehmen, ^dafs das Brahman eben beide
'Charaktere an sich trage*. — Auf diese Annahme erwidern wir,
dafs „der Höchste", das Brahman, an und für sich unmöglich Ton
beiderlei Charakter sein kann. Denn ein und dasselbe Ding kann
unmöglich an und fOr sich als mit den Unterschieden der Ge-
stalt u. s. w. behaftet und als das Gegenteil gedacht werden, weil
dies sich widerspricht. — 'So beruht vielleicht [die Bdiaftung des
'Brahmai! mit Unterschieden] auf seinen „ Standorten '^ nämlich auf
'seiner Verbindung mit den Up&dhi's der Erde u. s. w. [vgl. Bfih.
*3, 7, B: i,der, in der Erde wohnend, von der Erde verschieden
'„ist" u, 8. w.]?' — Auch das geht nicht; denn durch die Ver-
bindung mit Upädhi's kann ein Ding, wenn es von einer bestimm-
ten Art ist, keine andere Naturbeschaffenheit annehmen. Denn der
Bergkrjstall , welcher durchsichtig ist, kann nicht durch die Ver-
bindung mit den Upädhi's der roten PWbe u. s. w. undurchsichtig
804 werden; | vielmehr beruht os aUf einer blofsen T&üschung, wenn
man ihm die Undurchsichtigkeit beilegt, und es isjt nur das Nicht-
wissen, welches diese Upadhi's an ihm anninimt. Wenn man da-
Sfttram III. ii. 11. 521
her den einen wie den andern Charakter dum Braliman beigelegt
findet, 80 hat man doch ohne Wahl festzuhalten, dafs das Brah-
man frei von allen Unterschieden, nicht aber das Gegenteil ist.
„Denn allenthalben** wird in den SohriftsteUen, welche den Zweck
haben, die eigene Natur des Brabman darzulegen, in Worten wie
„uuhörbar, unfühlbar, unsichtbar, unvergänglich^* (Kl^^. 3, 15) das
" Brahman als frei von allen Unterschieden dargestellt.
12. na, bhedäd; üi cen? na^ jpratyeham a-tad-vacanät
nicht, wegen der Verschiedenheit, meint ihr? Nein,
weil jedesmal gesagt wird, dafs er nicht dieses sei.
*Das mag ja sein, aber wenn behauptet wurde, dafs mui das
'Brahman ohne Wahl nur als mit dem einen Charakter behaftet
'denken dürfe, und dafs ihm weder an sich noch vermöge seiner
'Standorte beide Charaktere beizulegen seien, so geht das doch
'nicht an; Warum? „wegen der Yerschiedenheit*'. Denn es wer-
*den dem Brahman je nach den einzelnen Lehren verschiedene
*G estalten eugeschrieben; es heifst das vierfüfsige Brahman (Cbl^nd.
% 18, 2), das sechzehnteilige Brahman (Pra9na 6, 1), es wird ihm
*das Merknial der Zwerghaftigkeit zugeschrieben (Kä^h. 5, 3)) und
'wiederum werden ihm die drei Welten als Leib beigelegt (Bph.
^1, 3, 22), und es wird mit dem Namen Vai^änara (dw idlver-
'breitete) bezeichnet (Chänd. 5, 11, 2) u. s. w. Somit hat man
'anzunehmen, dafs das Brahman zugleich auch mit Unterschieden
'behaftet sei.* — Aber wir zeigten doch, dafs es nicht angehe,
dem Brahman zweierlei Charaktere beizulegen. — 'Auch wenn
'man es thut, besteht kein Widerspruch, weil die Vielheit seiner
'Gestalten durch die Upädhi's hervorgebracht wird; thut mau es
'hingegen nicht, • so würde die Schriftlehre von seiner Vielheit
'gegenstandlos werden.* — Hierauf antworten wir: „nein!'^ |
warum? „weil jedesmal gesagt wird, dafs *er nicht dieses sei"; 805
nämlich bei jedem verschiedenen Up&dbi lehrt die Schrift, dafs
das Brahman ohne Verschiedenheit sei, in der Stelle: „was aber
„in dieser Erde jener kraftvolle, unsterbliche Geist ist, und was
„in Bezug auf das Selbst jener aus Körper bestehende, kraft-
„volle unsterbliche Geist ist, dieser ist eben das, was diese -Seele
„ist" (Brih. 2, 5, 1). Man kann somit nicht behaupten, dafs die
Verbindung des Brahman mit verschiedenen Gestalten das Schrift-
mäfsige sei. Denn die Schrift lehrt seine Verschiedenheit nur zum
Zwecke der Verehrung, und ihre eigentliche Absicht geht auf die
NichtVerschiedenheit.
ÖÜ2 (irtreka-mimiiisli
13. api ca evam eke
auch haben es so einige.
Aach lehren es so einige Yedaschulen, indem sie die AufTaa-
Bung der Verachiedeuheit verwerfen und die Aaffassung der Nichts
Verschiedenheit ausdrücklich lehren mit den Worten (Bph. 4, 4, 19) :
^Im Geiste sollen merken sie:
,^icht ist hier Vielheit irgendwie;
„Von Tod am Tode wird verstrickt
„Wer ein Verschied'nes hier erblickt."
Und ebenso bei andern (Qvet. 1, 12):
,fx ist Geniefser und Genossenes,
„Ihn denkt man als Erreger; doch dies alles
„Dreifach Genannte ist von Brahmanart;"
hier wird gelehrt, dafs die ganze Weltausbreitung, bestohend aus
do-n Objekten des Genusses, der geniefsenden Seele und dem in-
neren licnker die einheitliche Natur des Brahman besitze. —
*Aber wie kommt es, wenn doch Schriftstellen in Bezug auf das
^Brahman vorliegen, welche es als gestalthaft bezeichnen und
'solche, welche es als gestaltlos bezeichnen, dafs man das Brah-
*man gerade als gestaltlos auflassen soll und nicht vielmehr als
'das Gegenteil?' — Darauf dient folgende Antwort:
806 14. arupavad eva In, tat-pmäkäncUiät
denn es ist nur ohne Gestalt; weil darauf die
Abzweckung.
Man mufs festhalten, dafs das Brahman nur ohne die Vor*
hältnisse der Gestalt u< s. w. ist, nicht mit Gestalt n. s. w. be-
haftet. Warum? „weil darauf die Abzweckung". Denn es heifst:
„es ist nicht grob und nicht fem, nicht kurz und nicht lang*'
(Brih. 3, 8, 8); — „unhÖrbar, unföhlbar, unsichtbar , .unverg&ng-
„lieh" (Käth. 3, 15); — „der Raum fürwahr ist es, der dio Namen
„und Gestalten anseinanderdehut; was in diesen beiden ist, das ist
„das Brahman" (Chand. 8, 14, 1); — „denn gottlich ist der Geist
„der ungestaltete, der draufsen ist und drinnen, ungeboren" (Hoigd.
2, 1 , 2) ; — „dieses Brahman ist ohne Früheres und ohne Sp&tere^,
„ohne Inneres und ohne Äufseres; diese Seele ist Brahmaii| die oll*
Sfttrttm III. II. 14. 523
f,yomeIiineode'* (Bph. 2, 5, 19); — diese and andere WoHe zwecken
darauf ab, die Selbstwesenheit des weltausbreitungslos^n Brabmaa .
dansnlegen, nicht aber zwecken sie anf etwas anderes ab, wie wir
dies feststellten an der Stelle: „jenes vielmehr, wegen der Überein-
„stinuBUng*' (S&tram 1^ 1, 4). Somit hat man das Brahman so wie
es in derartigen Schriftstellen gelehrt wird, nämlich als gestalilos,
festznhalten. Die übrigen Schriftstellen aber, welche von einem
gestalthaften Brahmeui handeln, zwecken nicht auf dieses selbst,
sondern Tielmehr auf eine Vorschrift . seiner Verehrung ab. Was
in ihnen gelehrt wird, das ist anzunehmen, soweit kein Wider-
spruch sich zeigt; wo aber ein Widerspruch sich zeigt, da hat
man sich zu erinnern, dafs die auf das Brahraau selbst abzwock en-
den Schriftworte mehr Gewicht haben als die nicht auf dasselbe
abzweckenden. Dies ist der Grund unserer Entscheidung, ver-
möge deren, wennschon beide Arten von Schriftstellen vorliegen,
das Brahman doch nur als gestaltlos, nicht auch als das Gegen-
teil festzuhalten ist.
^Aber welches ist denn die Bedeutung derjenigen Schriftstellcn,
^welche sich auf ein gestalthafles Brahman beziehen?^ — Darauf
antwortet der Lehrer:
15. prakagavac ca;- avaiyarthyät %oi
und gleichwie das Licht; weil sie nicht zwecklos.
So wie das Licht der Sonne oder des Mondes, wenn es, den
Raum durchdringend, irgendwohin [z. B. auf den Finger] fallt,
vermöge seiner Verbindung mit den Upftdhi*s des Fingers u. s. w.,
indem diese eine gerade oder krumme Beschaffenheit annehmen,
gewissermafsen eben dieselbe Beschaffenheit annimmt, ebenso nimmt
auch das Brahman, zufolge seiner Verbindung mit den Upadhi^s
der Erde u. s. w. (vgl. Brih. 2, 5, 1), gewissermafsen deren Gestalt
an. Hierauf beruht es, dafs dem Brahman zum Zwecke der
Verehrung gewisse Unterschiede der Gestalt ohne Widerspruch
beigelegt werden können. Somit sind auch diejenigen Schrift-
stellen, welche dem Brahman eine Gestalt beilegen, keineswegs
zwecklos. Denn man darf nicht meinen, als hätten von den Wor-
ten des Veda nur manche eine Bedeutung und manche nicht, viel-
mehr dienen sie ohne Ausnahme als Richtschnur. — 'Aber besteht
'nicht so ein Widerspruch gegen unsere frühere Annahme, dafs
'das Brahman auch nicht durch die Verbindung mit Up&dhi's
'zweierlei» Charakter annehmen könne?' — Wir antworten: nein!
denn was durch Upädhi^s bedingt ist, das kann keine Eigenschaft
des Dinges selbst werden; auch ist es nur das Nichtwissen, von
welchem die Upädhi*s aufgestellt werden. Und allerdings ist in
524 QArlraka-mimftDS^
dem angeborenen Nichtwissen das Treiben der Welt and auch ,
das des Yeda befangen, wie wir dies wiederholt auseinanderge^
setzt haben. ^
808 16. äha ca ian^fnätram
auch sagt sie, dafs es nur aus diesem bestehe.
Auch sagt die Schrift, -dafs das onterschiedloae Bnhman nur
aus dem Geistigen betrteht und ron jeder andern Besohi^enheit
£^ei ist: t,wie ein Sakblook kein [unterschiedliches] Innere oder
„ÄuÜBere hat, sondern durch und durch ganz aus Cheachmack b«-
„steht, so fürwahr hat auch dieser Atman kein. [untersdüedUehes]
„Innere oder ÄuTsere, sondern beisteht durch und^ durch gans aus
„Erkenntnia^^ (Brih; 4, 5, ü). Das heifst: dieser Atman hat inner-
lich und äufserlich keine andere Beachaffenheit als die öeiatigkeit;
die Geistigkeit allein ist seine ausschliefsliche Natur, so wiö dem
Salzblocke innMich und äufserlich nur und aussdiliefsliöh der
Salzgeschmack, nicht noch' irgend ein anderer Geschmack eigen ist.
17. dargayati ca; atJio api smaryate
und sie [die Schrift] zeigt es; dann aber wird es auch
von det Srariti gelehrt.
Auch zeigt die Schritt damit, dafs sie jede weitere Gestalt
Ton ihm ausschliefet, dafs das Brahman ohne Unterschiede ist,
in Stellen wie: j,nun aber die Benennung desselben lautet: «es
„«ist nicht sp, es ist nicht so»" (Brih. 2, 3, 6); — „verschieden
„iet^s von allem, was wir kennen, und höher als das Ungekannte
„auch'* (Kena 1, 3); — „vor dem die Worte kehren um und die
„Gedanken ohne ihn zu finden" (Taitt. 2, 9). Und als Bahva von
dem y4shkali befragt wurde , da erklärte dieser ihm das .Brahman
dadurch, dais er schwieg, wie die Schrift erzählt: „und er sprach.;
„«lehre mir, o Ehrwürdiger, das Brahman n. Jener aber sdiwieg
809 „stille. Als nun der andere zum zweiten Male oder | dritten Male
„fragte, da sprach er: aich lehre dir es ja, du aber verstehst es
„nicht; dieser Atman ist stille»." — Ebenso wird in den SmriU^s
das Brahman durch Ausschliefsung alles andern von ihm gelehrt.
So wenn es heifst (Bhag. G. 13, 12):
„Ich will dir sagen was man vi&sen mufs, ^
„Und was gewufst Unsterblichkeit gewährt;
„Dafs ohne Anfang, allerhöchst das Brahman
„Und weder seiend noch nichtseiend ist*^
datram IIL iL 17. 625
Ebenso sprach NItr&yana, indem er alle Gestalten annahm, sum
N&rada, wie die Sxn|iti' meldet (Mah&bh. 12, 12909):
„Ein Sehein ist es ton mir bewirkt, dafs da mich schaust; o Nlürada,
„In aller Wesen Eigenschaft; sonst war' ich nicht zu sehen ja/*
18. ata* eva ca upamd, süryaka^ddi-vcU
daher eben auch der Vergleich^ dafs es ßei wie mit
den Sönnlein u. 8. w.
Weil dieser Atman, die Geistigkeit als Wesen habend, ohne
Unterschiede, über Rede' und Gedanken erhaben nnd nur durch
Ansschliefsnng alles andern zu lehren ist, „daher eben*' findet
sieh auch mit Bezug darauf, dafs die Unterschiede an ihm nur
durch die Up&dhi's bedingt und nicht in Wirklichkeit Torhahden
sind, „der Vergleich*' desselben „mit den Sönnlein** im Wasser;
nftmUch in den Mok8ha-9£k8tra'8, wo es heifst:
„Wie diese Sonne, deren Wesen Licht ist,
„Vielfach erscheint in vielerlei Gew&ssem,
„Durch die Bestimmungen (tipddhi) venrielfacht rftumlich,
„So ist's auch mit dem ungebomen Atman**;
I und (Tgl. Brahmavindu-Upanishad 12): 810
„Nur eine ist der Wesen Seele
„und wohnt in jedem Wesen doch ;
„Nur eine ist sie und doch riele
„Dem Mondesbild im Wasser gleich.**
Hiergegen erhebt sich ein Einwurf:
19. ^ambuvad agrahanM tu na tathätvam*
'aber es ist doch nicht so, weil man es nicht so
bemerkt wie bei dem Wasser'.
*Die Gleichstellung mit der Sonne u. s. w. im Wasser ist
*doch hier nicht passend, „weil man es nicht so bemerkt'*, wie es
*bei jenem ist. Nämlich die Sonne u. s. w. hat eine Gestalt und
*trifft auf das von ihr gesonderte, räumlich entfernte und gleich-
*falls gestaltete Wasser; hier begreift sich, dafs ein Gegenbild der
*Sonne u. s. w. entsteht. Der Atman hingegen hat keine Oestdt,
520 (;;&riraka-inlin&Ä84
^aucli bestehen die Up&dlii'B nicht von ihm gesondert und rftum-
*lich getrennt, Weil er allgegenw&rtig und mit allem identiach ist.
'Diu-um ist dieser Vergleich unpassend.' — Darauf dient sur
Antwort:
20. vnddhi'hrdsa'hhäk'tvam afUarbhAvdd; ubhaya^
sdniamasyäd evam
Teilhabung an Wachstum und Abnahme, weil er
darin enthalten; wegen [dieser] Übereinstunmung
beider werden sie in solcher Weise [verglichen].
Dieser Vergleich ist vielmehr zutreffend, weil Übereinstimmung
herrscht in dem Punkte, um welchen es sich handelt. Dean nie-
mals ist es bei einem Vergleiche und Verglichenen möglich nach-
zuweisen, daXs sie abgesehen von dem Punkte um den es sich
handelt und in allen Stücken übereinkommen. .Vielmehr würde
bei einem Übereinkommen in allen Stücken das Verhältnis als
Vergleich und -Verglichenes aufgehoben sein. Auch ist es nicht
unser schwacher Verstand, welcher diesen Vergleich mit der Sonne
im Wasser aufgebracht hat, sondern der Schriftkanon hat ihn . auf-
gebracht, und wir haben nur das Motiv desBelben darzulegen. |
SU *Aber worin besteht denn die Ähnlichkeit, um die es sich han-
*delt?' — Wir antworten: „in der Teilhabung an Wachstum und
„Abnahme ^S Das in das Wasser fallende Abbild der Sonne wächst
[wie Qankara hier meint], wenn das Wasser wächst und nimmt
ab, wenn das Wasser abnimmt; es bewegt sich, wenn das Wasser
sich bewegt und spaltet sich, wenn das Wasser gespalten (geteilt)
wird; in dieser Weise pafst es sich der Beschaffenheit des Wassers
an, während in Wirklichkeit die Sonne nicht in dieser Weise be-
schaffen ist. Ebenso ist auch das Brahman in Wirklichkeit un-
wandelbar und einartig und nimmt doch, sofern es in den Dpädhi^s
des Leibes u. s. w. enthalten ist, an den Beschaffenheiten dieser
Upädhi^s, wie Wachstum, Abnahme u. s. w., gewissermafsen teiL
Weil somit in dieser Weise zwischen beiden, dem Vergleiche und
dem Verglichenen, eine Übereinstimmung besteht, liegt kein Wider-
spruch vor.
21, dar^anäc ca
und weil [die Schrift] zeigt —
Auch zeigt die Schrift, wie es das höchste Brahman selbst ist,
welches in die Upädhi*s des Leibes u. s. w. innerlich eingegangen
ist (Bjih. 2, 5, 18):
Sülram UI. ii. 21. 527
„Als Burgen scbuf Zireif&fsler er
,^1s Bargen die VierfUfsIer auch,
,^n Borgen ging als Vogel er
,^n Bnrgen als der Bürger ein**;
und in der Stelle: „ich will mit diesem lebenden Seilutte in sie ein*
,^ehen" (Chlknd. 6, 3, 2). Somit hat ha \ mit den Worten: „daher S12
„eben auch der .Yergleichj dafs es sei wie mit den Sönnlein o. e. w/'
(Sütram 3, 2, 18) seine Richtigkeit. Somit steht es fest, dufs das
ßraliman ohne Wahl nur den einen Charakter, nicht aber beide
Charaktere noch auch entgegengesetzte Charaktere trägt.
An dieser Stelle nehmen einige zwei Ailhikarana's
an, nämlich als erstes: ob das Brahman unter Aufhebung der
gesamten Weltausbreitung von einheitlicher Gestalt oder aber so
wie die Weltausbreitung mit vielheitlicher Gestalt behaftet sei?
und als zweites: ob, wenn die Aufhebung der Weitausbreitung
feststeht, das Brahman als Merkmal das Sein oder das Denken
oder beide Merkmale besitze? — Hierzu müssen wir bemerken,
dafs es durchaus onzweckmäfsig ist, noch ein zweites Adhikara-
nam hier anzunehmen. Soll es sich nämlich dabei darum handeln,
von dem höchsten Brahman die Verschiedenheit der Charaktere
auszuschliefsen , so ist dieser Anforderupg schon durch das erste
Adhikaranam „und auch nicht wegen der Standorte'* (Sütram 11
— 14) vollständig Genüge geleistet, und das zweite Adhikaranam:
„und gleichwie das Licht" (Sütram 15 — 21) würde überflüssig sein.
Mau darf aber auch nicht behaupten, dafs das Brahman nur das
Merkmal des Seins, nicht aber das Merkmal des Denkens an sich
trage, weil dadurch die Schriftstelle: „durch und durch ganz aus
„Erkenntnis bestehend" (Brih. 2, 4, 12) zweckwidrig sein würde.
Und wie könnte das Brahman, wenn man auf seine Geistigkeit
verzichtet, als das Selbst der geistigen individuellen Seele auf-
gezeigt werden? Ebenso wenig aber läfst sich behaupten, dafs
das Brahman nur das Merkmal des Denkens, nicht aber das Merk-
mal des Seins | besitze, weil sonst Schriftstellen wie: „er ist! so S13
„ist es aufzufassen" (Ka|h. 6, 13) zweckwidrig werden würden.
Und wie könnte auch, wenn man das Sein ausschliefst, das Den-
ken bestehen? Endlich -^arf man aber auch nicht behaupten, dafs
das Brahman beide Merkmale besitze, weil dadurch ein Wider-
spruch mit dem soeben vorher Angenommenen eintreten würde!
Denn wenn man dem Brahman ein von dem Sein gesondertes Den-
ken und ein von dem Denken gesondertes Sein beilegte, so würde
daraus eben jene Vielheitlichkeit folgen, die durch das vorher-
gehende Adhikaranam ausgeschlossen worden war. Wollt ihr die-
sem Einwurfe dadurch entgehen, dafs ihr euch auf die Schrift
beruft, so ist das nicht zulässig; denn es ist unmöglich, dafs die
Einheit eine zweiheiÜiche Natur an sich trage. Es bliebe also
528 C<^'<^nJt»-iiiSi&&&8i
nnr übrig zu sagen, das Sein sei das Denken nnd das Denken
sei das Sein, und es, find« eine Sonddning byeider nicht statt.
Aber auch dann ist die 'AlternatiTe, ob das Brahman als Merkmal
das Sein oder das Denken oder beides besitze, .ohne Grund. "Wir
haben aber gezeigt, wie die S^tra's als ein einziges Adhtkaranam
zu behandeln sind*
Da femer in den auf Brahman bezüglichen Schriftstellen, to-
fetn üe das Gestaltlose als ein Gestaltetes hinstellen, ein Wider-
sprach vorliegt, so mufste, wenn man das ungestaltete Bfahnum
festhält, notwendigerweise gesagt werden, worin die Bedeutung
814 der andern Schriftetellen besteht; | und die Sütra's: „und gleich-
„wie das Lioht^* (Sütram 15 — 21) sind viel mehr am PlataOi wenn
man. ihnen diesen Zweck beilegt.
Wenn weiter noch behauptet wurde, dafs auch diejenigen
Sehriftstellen,' welche von einer Gestalt des Brahman reden, nur
den Zweck hfttten, durch Aufhebung der Weltausbreitung ein ge-
staltloses Brshman zu lehren v und keinen Zweck fär sich be-
sonders hätten, so dürfte auch damit nicht das Richtige getroffen
sein. Wenn nämlich zuweilen auch da, wo es sich um die höhere
Wissenschaft handelt, von vielheitiichen Terhältnissen die Bede
•ist, z. B. wenn es heifst; „geschirrt sind seine zehnmal hundert
„Rosse, — er färwahr ist die Rosse, er ftirwafar ist zehn und ist
„tausend, ist Vieles, ist unendliches" u. s. w. (Brih. 2, 5} 19} , so
mögen derartige Stellen allerdings bezwecken, die Vielheit zu ver-
nichten, denn es heifst zum Schlüsse: „dieses Brahman ist ohne
,yFrühereB und ohne Späteres, ohne Inneres und ohne Äufseres**
^rih. 2, 6t 19). Wo hingegen in einem Abschnitte, der von der
Verehrung haiddelt, vielheitliohe Verhältnisse erwähnt werden, z. B.
wenn es heifst: „Geist ist sein Stoff, Odem sein Leib, Licht seine
„Gestalt*^ (Chänd. 3, 14, 2), da ist es nicht richtig, auch der-
artigen Stellen eine Aufhebung der Vielheit als Zweck beizumessen;
denn sie mnd durch Ausdrücke wie: „darum trachte er nach gutem
815 „Willen*' (Ghänd. 3, 14, 1) an die «Vorschrift der Verehrung | ge-
bunden. Und da dem Zwecke der Verehrung bei derartigen Qua-
litäten im wörtlichen und nicht in einem übertragenen Sinne
Gültigkeit beizumessen ist, so geht es nicht an (akcUpaie)^ ihnen
als Zweck eine Vernichtung der Vielheit beizulegen. Hätten femer
alle Schriftstellen den gemeinsamen Zweck, die Vielheit aufzuheben,
so würde das Wort des Lehrers: „denn es ist nur ohne Gestalt;
„weil darauf die Abzweckung^* (Sütram 3, 2, 14) als Grrund für
die Entscheidung der Frage nicht am Platze sein. Hierzu kommt,
dafs als Frucht derartiger Verehrungen je nach der UnterweiBung
teils Tilgung der Sünde , teils Erlangung himmlisdber Herrlichkeit,
teils Gangwlösung {hramarnükti) sich zeigt. Hieraus folgt, dais
richtigerweise die Stellen, welche yon Verehrungen handeln, und
die, welche von Brahman handeln, verschiedene Zwecke verfolgen
Sütram ItL n. 21. 509
und.nichi dasselbe sagexu Und wici so müssen wir fragen, w&re
es denkbar, dafs beide dasselbe sagten? Meint ihr vielleicht, so-
fern beide eine Yerpflicbinng enthielten, seien sie, wie die Stellen
vom Yoropfer, Neumondsopfer und Yolhnondsopfer als eine Einheit
?A\ betrachten, so müssen wir das ablehnen, weil die Stellen,
welche das Brahman lehren, überhaupt keine Yerpflichtung ent-
halten. Denn die Stellen Über Brahman haben ibren Endzweck
nur in dem zu lehrenden Gegenstande, nicht in der Anweisung zu
irgend einer Yerpflichtung, wie wir dieses ausführlich dargelegt
haben bei der Stelle: „jenes vielmehr^ wegen der Übereinstim-
„mung" (Sütram 1, 1, 4). — Worauf, so müssen wir femer fragen,
soll sich dabei die Yerpflichtung beziehen? Denn wo ein Mensch
verpflichtet wird, da wird er durch das Wort „thue dieses '^ zu
etwas verpflichtet, was innerhalb des Bereiches seiner Thätigkeit
liegt. — 'Aber man kann doch annehmen, | dafs sich die Yer- $16
'pflichtung hierbei darauf beziehe, die vielheitliche Weltausbreitüng
'zu vernichten. Denn ohne dafs die vielheitliche Weltausbreitung
'vernichtet wird, ist eine Erkenntnis der Wesenheit des Brahman
'unmöglich. Darum mufs dem Menschen befohlen werden, die
'vielheitliche Weltausbreitüng, weil sie der Erkenntnis der Wesen-
'heit des Brahman feindlich entgegensteht, zu nichte zu macheu;
'und so wie der, welcher nach dem Himmel begehrt, angewiesen
'wird, die Yoga -Praxis zu üben, so wird der, welcher nach der
'Erlösung begehrt, angewiesen, die Weltausbreitung zu vernichten.
'Wie nämlich derjenige, welcher die Wesenheit eines in der Fin*
'sternis verborgenen Gkfafses erkennen will, veranlafst wird, die
'dieser Wesenheit feindlich entgegenstehende Finsternis zu ver-
'nichten, ebenso mufs derjenige, welcher die Wesenheit des Brah-
'man zu erkennen begehrt, angewiesen werden, die derselben feind-
'lich entgegenstehende Weltausbreitung zu vernichten. Denn die
^Weltausbreitüng ist ihrem Wesen nach Brahman, nicht aber ist
'Brahman seinem Wesen nach die Weltausbreitung, und daher ent-
'steht die Erkenntnis der Wesenheit des Brahman dadurch, dafs
'man die Ausbreitung der Namen und Gestalten zu nichte zu
'machen gebietet.' — Dieser Meinung gegenüber müssen wir zu-
nächst fragen, worin denn eigentlich diese Yernichtung der Welt-
ausbreitung bestehen soll? Soll vielleicht die Weltausbreitung so
vernichtet werden, wie durch Berührung mit der Hitze des Feuers
die Festigkeit der Butter vernichtet wird? Oder soll, ähnlich
wie an dem einen Monde die durch die Augenkrankheit Timiram
bewirkte Yervielföltigung zu mehreren Monden, auch die an dem
Brahman durch das Nichtwissen hevdrkte (lies: avldffoknto) Aus-
breitung der Namen und Gestalten durch das Wissen zu vernichten
befohlen werden? Gesetzt, es wäre diese Weltausbreitung als
eine wirkliche vorhanden, — die subjektive des Leibes u. s. w. und
die objektive der Erde u. s. w., — und deren Yernichtung würde
Beüuiv, VmUnt». 31
530 C&Hraka*mtmlLite&
befohlen, so müseen wir bemerken, da£i eine solche von einem
817 blofsen Manschen nicht vernichtet werden kann, | dafs somit der
Befehl, sie su vernichten, etwas Unmögliches fordern würde; auch
würde in diesem Falle die Yemichtong der Erde u. s. w. schon
durch einen einzigen Ersterlösten vollbracht worden sein, nnd die
Welt [der Seelen] mübte gegenwärtig ohne [den Schauplats ihrer
Ausbreitung} die Erde u. s. w. bestehen, Oder soll man es so
auffassen, dafs befohlen wird, die durch das Nichtwissen auf das
eine Brahman übertragene Weltausbreitung durch das Wissen au
nichte zu machen? Nun, diinn käme es nur darauf an, das Brah-
man selbst durch blofse Widerlegung der ihm vom Nichtwissen
beigelegten Vielheit auf dem Wege der Belehrung mitzuteilen, wie
dies durch die Worte, das Brahman sei „eines nur und ohne zwei-
„tes** (Chftnd. 6, 2, 1), „das ist das Reale, das ist die Seele, das
„bist du^* (Ch&nd. 6, 8, 7) geschieht. Ist es auf diese Weise durch
Belehrung mitgeteilt worden ,^ so entsteht das Wissen von selbst,
das Nichtwissen wird durch dasselbe verdrangt, und die Folge ist,
dafs diese ganze durch das Nichtwissen ihm beigelegte Ausbrei-
tung der Namen und Gestalten ähnlich wie die Ausbreitung eines
Traumes zu nichte wird. Solange hingegen das Brahman nicht
durch Belehrung mitgeteilt ist, mag man hundert mal sagen: „be-
„wirke die Erkenntnis des Brahman und die Vernichtung der Viel-
„heif so kommt dadurch doch mcht die Erkenntnis des Brahman
und die Vernichtung der Vielheit zustande. — 'Aber kann die
'Verpflichtung nicht darin bestehen, dafs nach der belehrenden
^Mitteilung über das Brahn^an die Erkenntnis desselben und die
^Vernichtung der Vielheit gefordert wird?* — 0 nein! denn durch
die Belehrung selbst über die nicht ausgebreitete Wesonsbeschaf*
fenheit des Brahman ist beides schon verwirklicht; so wie durch
Auizeigung der Wesenheit des Strickes schon die Erkenntnis seiner
Wesenheit und die Vernichtung der durch das Nichtwissen ihm
beigelegten Ausbreitung als Schlange u. s. w. verwirklicht ist.
Was aber gethan ist, das kann nicht erst noch gethan werden.
Hierzu kommt, dafs deijenige, welcher verpflichtet wird, nämlich
die auf dem Standpunkte der Weltausbreitung angenommene, indi-
viduelle Seele, entweder auf Seilen der Weltausbreitung oder auf
818 Seiten des Brahman stehen müfste. | Im ersteren Falle würde durch
Darlegung der Wesenheit des nicht ausgebreiteten Brahman ebenso-
gut wie die Erde u. s. w. auch die individuelle Seele selbst zur
Vemichtung^ gebracht sein; und wem soll dann die Verpflichtimg,
die Vielheit zu vernichten, aufgelegt werden, oder wer soll durch
Befolgung dieser Verpflichtung zur Erlösung gelangen? Im zweiten
Falle hingegen ist das Brahman selbst, welchem seiner Natur nadi
keine Verpachtung auferlegt werden kann, das Wesen der indivi-
duellen Seele, das Individuellsein der letzteren beruht nur auf dem
Nichtwissen, und nachdem dies dargelegt worden, wird, da das
Sütram III. ii. 21. 531
Brahman nicht Terpflichtet werden kann, eine Verpflichtung über*
haapt undenkbar. Auch Schrift worte wie: ^^man soll es sehen^^
u. 8. w. (Brih. 2, 4, 5)| welche bei Gelegenheit der höheren Wis-
senschafk Torkommen, bedeuten nur ein vor die Augen Bringen
der Wesenheit, nicht aber einen Befehl, diese Wesenheit su er*
kennen; und auch in der Erfabrung bedeuten Aufforderungen wie
,,sieh dieses 'S „höre dieses" nur so viel wie „merke darauf aufS
nicht aber geradezu: „bewirke die Erkenntnis". Und auch wenn
man den Gegenstand der Erkenntnis vor die ^ Augen bringt, so
kann die Erkenntnis entstehen und zuweilen auch nicht entstehen.
Wer daher etwas kundmachen will, der kann dem Betreffenden
den Gegenstand der Erkenntnis nur vorzeigen; ist er vorgezeigt
worden, so entsteht je nach dem Gegenstande und je nach den
Erkenntnismitteln die Erkenntnis von selbst. Denn ohne die Er-
kenntnismittel läfst sich bei einer für anders gehaltenen Sache eine
Erkexmtnis, dafs es mit ihr anders sei, auch durch eine Verpflich-
tung nicht zu Wege bringen. Wollte hingegen jemand deswegen,
weil er dazu verpflichtet wird, die Erkenntnis, dafs es anders mit
einer Sache sei, vollbringen, | so würde dieses vielmehr gar nicht ^1^
eine Erkenntnis der betreffenden Sache sein, sondern diese intel-
lektuelle That wäre, wenn sie aus sich selbst [und ohne die vom
Objekte gelieferten Data] zu einem Andersmeinen würde, ein blofser
Irrtum. Die Erkenntnis hingegen, wie sie durch die. Erkenntnis-
mittel erzeugt wird und nach der Beschaffenheit des Objektes sich
richtet, diese kann auch durch Hunderte von Geboten nicht be-
wirkt werden noch auch durch Hunderte von Verboten unterdrückt
werden. Denn sie hängt nicht von dem Menschen ab, sondern
nur von dem Gegenstande. Auch darum also besteht hier keine
Verpflichtung.
Aber noch mehr. Wenn die Schriftüberlieferung blofs auf
eine Elinschärfung von Verpflichtungen hinausliefe, so würde die
von uns angenommene Thatsache, dafs die individuelle Seele das
Selbst des unverpflichtbaren Brahman ist, des Beweisgrundes ent-
behren. Femer würde dann die Schrift dieses Bestehen als das
Selbst des unverpflichtbaren Brahman nicht erklären (avyäcdkshUa)^
sondern den Menschen zu seiner Erkenntnis verpflichten. Somit
würde der von Brahman handelnde Schriftkauon, obwohl er einer
ist, verschiedene und zwar entgegengesetzte Zwecke verfolgen [so-
fern der Befehl, Brahman zu erkennen, dem Befehle, rituelle Werke
zu üben, widersprechen würde]. Auch würde, wenn der letzte
Zweck ein Verpflichten wäre, der Schriftsinn [welcher auf blofse
Belehrung geht] verlassen und ein Nichtschriftsiun untergeschoben
werden; die Erlösungsfrucht würde ebenso wie die Werkfrucht
zu einer Frucht des moralischen Verdienstes (adri$hf-am), \ und 830
somit zu etwas Vergänglichem werden. Diesen und andern Ein-
würfen würde sich in keiner Weise entgehen lassen. Und somit
34*
5S2 C^i'<^c^mlm&a8&
lolgt, dafs die Sohviftlehren übei* Brahmon nur in der £rkwntiiifi
wuraeln xmd nicht in einer yerpfiicbtang. Somit ist es unberechtigt,
(üne. Einheit der Stellen [welche auf Erkenntnis und Verpflichtung
abEwecken] ansunehmen, weil man in beiden Ftilen glmcher Weise
Aufforderungen antreffe. Und wollte man wirklich zugeben, dafs
es sich bei den Lehren über Brahman um eine Verpflichtung han-
delte, so würde diese Verpflichtung als Einheit entweder nach
Seiten der Lehren von der Nichtausbreitung oder nach Seiten der
Lehren von der Ausbreitung unerfüllbar werden. Denn wo man
auf Grund anderer Schriftstellen und aus andern Gründen eineu
Zwiespalt der Verpflichtungen bemerkt, da kann man sich nicht
dabei beruhigen, dafs es doch wohl allerwärts dieselbe Verpflich-
tung sein werde. Bei den Stellen, die vom Voropfer, . Neumouds-
opfer und Vollmondsopfer handeln, ist freilich die Einheit anzu-
nehmen, weil sie ohne Unterschied Bestandteile desselben Kitus
sind. Hier hingegen, bei den Aufforderungen, welche das attribut-
hafte und das attributlose Brahman betreffen, haben wir es nicht
mit Bestandstücken einer einheitlichen Vorbtellungsform zu thun.
Denn die Prädikate [des attributiiaften Brahman], dafs Licht seine
Gestalt u. s. w. sei, tragen nichts bei zur Vernichtung der Vielheit,
und umgekehrt, diejenigen Pr&dikate, welche die Vielheit ver-
nichten, trageU nichts bei zu den Attributen, dafs Licht seine Ge^
stalt sei u. s. w.; denn beide stehen mit einander in Widerspruch.
Denn es läfst sich nicht annehmen, dafs einem und demselben als
Pflicht auferlegt werden könne, die gesamte Vielheit zu vernichten
und doch einen Teil der Vielheit als fortbestehend zu berfick-
sichtigen. ,
Somit ist die von uns angenommene Disposition [der Sdtra's
15 — 21], nach welcher das Gestaltlose als Gestalthaftes aufgezeigt
wird, tiie passendere.
Sechstes Adkikaranam.
s2i 22. prakrita-etdvattvam hi pratishedhali ; tato hravUl
ca bhüyah
clenn sie [die Schrift] verneint das vorerwähnt« So-
undr60-Bein ; auch sagt sie es darauf des Weitem^
Die Schrift sagt: „wahrlich es giebt zwei Erscheinungsformen
^,de8 Brahman, nämlich das Gestaltete und das Ungestaltete, das
„Sterbliche und das Unsterbliche, das Stehende und das Gehendt»,
Sfttram III. xi. 22. 533
„da» Seiende und das Jenseitige'*; und naobdem sie sodann die
fanf Elemente in zwei Klassen geteilt hat [1. Erde, Wassei^ und
Feuer; 2. Wind und Äther] und der Essenz , des ungestalteten«
welche sie „Pururim^* nennt, das Aussehen wie ein Safrankleid u. s. w^
beigelegt bat, so heifst es weiter: „aber seine Bezeichnung ist: «es
„ist nicht so, es ist nicht so», denn nicht giebt es Ton diesem, —
„darum heiist es «es ist nicht so», — ein anderes, Terschiedenes^'
(Brib. 2, 8). — Hier wollen wir ermitteln, worauf sich diese Nega-
tion bezieht. Denn etwas Besonderes, von dem gesagt wäre : „diese^^
„ist das", und welches sodann negiert würde, liegt nicht Tor. Nun
wird aber hier durch das Wort „so*' (iH) etwas als zu negierend
herangezogen, denn in dem Ausdrucke „es ist nicht so, es ist nicht
„so'' (na iti, na iH) bezieht'^sich die Anwendung der Negation „nicht'*
auf das Wort „so". Das Wort „so" (iii) aber mufs auf etwas in der
Nähe Befindliches gehen, indem es so viel bedeutet wie „in dieser
,^Weise" (evam), för welchen Gebrauch auch die Erfahrung spricbt
in Redewendungen me: „so (iU) hat es der Lehrer erklärt". | In 822
der Nähe befindlich aber sind hier zufolge des Zusammenhanges
die beiden zur Weltausbreitung gehörigen Erscheinungsformen des
Brahman sowie dieses Brahman selbst, dessen Erscheinungsformen
sie sind. Hier können wir zweifelhaft darüber sein, ob durch die
Negation beides, die Erscheinungsformen und dasjenige, dessen Ehr-
scheinungsformen sie sind, negiert wird, oder nur .eines von beiden.
Und wenn eines yon beidei4 so fragt sich weiter, ob das Brahman
negiert wird und seine Erscheinungsformen übrig bleiben, oder ob
die Erscheinungsformen negiert werden, und das' Brahman übrig
bleibt? —
Man könnte denken, 'weil von dem einen wie dem andern vor-
'her die Bede war, dafs beides negiert werde. Denn zu zwei Nega-
'tionen würde das zweimalige Vorkommen des Ausdruckes „es ist
'„nicht so" passen. Durch die eine Negation, so könnte man denken,
^wird die zur Weltausbreitung gehörige Erscheinnngsfoni^ negiert,
'und durch die andere lasjenige, welches die'^ErscheivuugafoiTn be
'sitzt, nämlich das Brahtnan [als ein gestaltetes] selbst. Oder auch
'es wird nur das Brahman, welches die Erscheinungsformen besitzt,
'negiert« Denn auf dieses würde eine Negation passen, sofern es
'wegen seiner Erhabenheit über Rede und Gedanken seiner Natur
'nach unvorstellbar ist ; während hingegen auf die Ausbreitung seiner
'ErscKeinungsform iie Negation nicht passen würde, weil diese sinn-
'lich wahrnehmbar vorliegt. Die Wiederholung könnte dabei um
'des Nachdruckes willen gesetzt sein'. —
Auf diese Annahme erwidern wir: zunächst kann sich die Nega-
tion nicht auf beides beziehen, weil dieses ein Verfallen in den Nihi-
lismus sein würde. Denn auf irgend etwas Realem mufs man fufsen,
wenn man etwas als nicht real negieren will, wie z^B. auf dem
Strick, wenn man negiert, dafs er eine Schlange sei. Dies aber
534 {IMrakA-mtm&Mt
ist nur dann möglich, wenn irgend etwas als seiend vorhanden
823 übrig bleibt« Und was würde bei einer totalen | Negation als jenes
andere Sein übrig bleiben? Ja, selbst wenn man kein anderes
übrig lassen wollte, so würde das eine der beiden [kontradiktorisch
Entgegengetzten], deren Negation beabsichtigt wird, weil man es
gar nicht negieren kann, als real sich behaupten, sofern seine N^a-
tion anmöglich wäre* Weiter aber ist anch eine Negation des Brah-
man giff nidit anzunehmen. Denn dem würde der Eingang (Brih.
^2, 1, 1) widersprechen, wo es hiefs: „ich will dir das Brahman er-
„kl&ren". Bern würde femer der Tadel widersprechen, welcher in
den Worten liegt: „der ist nur ein Nichtseiender, der Brahman als
„nichtseiend weiTs (Taitt. 2, 6). Dem würde endlich auch die Ter*
Sicherung widersprechen: „es ist! so hat man anzunehmen*^ (K&th.
6, 13); ja der ganze Yedftnta würde sonst erschüttert werden.
Und auch die Erhabenheit des Brahman über Rede und Gedanken
kann nicht als ein Nichtsein bezeichnet werden. Denn es geht
nicht an, dais in den Ved&ntatexten mit einem grofsen Apparate
von Mitteln durch Worte wie: „der Brahmanwisser erlangt das
„Höchste'^ (Taitt. 2, 1), „Wahrheit, Erkenntnis, unendlich ist das
„Brahman*' U. s. w. (Taitt. 2, 1), das Brahman gelehrt und sodann
dasselbe als nichtseiend bezeichnet werde; denn es heifst (Indische
Sprüche 2. Aufl., 3117):
• ,,Weit besser ist, nicht an den Schmutz zu rühren,
,,A1b daA man hinterher sich machen mufs.**
Somit ist es vielmehr auf eine Darlegung des Brahman abgesdien,
wenn es von ihm heifst: „vor dem die Worte kehren um, und die
„Gedanken ohne ihn zu finden" (Taitt. 2, 4), und diese Worte be-
sagen, dafs das Brahman über Bede und Gedanken erhaben und
als die innere Seele kein Bestandteil der Sinneswahrnehmung, son*
dem vielmehr seiner Natur nach ewig, rein, weise und frei ist.
Somit folgt, dafs die Ausbreitung der Erscheinungsformen des
H24 Brahman | negiert wird, und das Brahman selbst übrig bleibt.
Dieses drückt der Lehrer durch die Worte aus: „denn sie Terneint
„das vorerwähnte So-und-so-sein**. Nämlich das vorerwähnte So-
und-80-sein, d. h. die begrenzte, in Gestaltetem und Ungestaltetem
bestehende Erscheinungsform des Brahman, diese verneint unser
Schi'iftwort. Was verneint wird, das ist also die vorerwähnte, in
dem vorherigen Texte in Bezug auf die Naturgötter und \tuf das
eigene Selbst auseinandergesetzte Erscheinungsform, so wie. die
durch sie bedingte, auf Vorstellungen beruhende, andere Erschei-
nungsform, welche als die Essenz des ungestalteten mit dem Namen
„Purusha" belegt wird, ihrem Wesen nach auf einem [blofs be-
grifflichen] Merkmale beruht und durch die Gleichnisse von dem
Safrankleide u. s. w. verdeutlicht wird, sofern es nicht möglich ist,
dafs diese Essenz des Unprestalteten, der Purnsha, eine dem Au^e
Sütram 111. ii. 22. &35
ergroifbare Gestalt aunimmt. Um diese cur Weltausbreitting ge-
hörige ErschcinungsforiQ des BrabmaB yermittelst des auf ein Nahe-
stehendes verweisenden Wortes „so^' zu negieren, dazu wird das
Wort „nicht" demselben zugefügt. Das Brahman hingegen wird,
um seine Erscheinungsformen zu specificieren , im Vorhergehenden
nm* als Genitiv gebraucht, und nicht so, dafs es selbst die in Frage
stehende Sache wäre. Und nachdem in dieser Weise die Zweiheit
der ErscheiimngBformen dargelegt worden, so heilst es, um die
Natur demjenigen, dem diese Ersoheinungsformen angehören, kund
zu machen: „abei* seine Bezeichnung ist: «es ist nicht so, es ist
„nicht so» " (Brih. 2, 3, 6). Es ist klar, dafs hier die Wesenheit
des Brahman dadurch kund gemacht wird, dafs ihm die angenom-
menen Erscheinungsformen abgesprochen werden, indem diese ge-
samte auf Brahman beruhende | Weltwirkung mit den Worten „es 825
„ist nicht so, es ist nicht .so", negiert wird. Auf die Weltwirkung
pafst, weil sie zufolge des Schriftwortes von dem sich Anklammern
an Worte (vgl. SAtram 2, 1, 14) als „das Nichtreale" gilt, die Ab-
lehnung, welche in den Worten „es ist nicht so, es ist nicht so",
liegt, nicht aber auf das Brahman, weil dieses [als das Subjekt
des Erkennens] die Wurs&el aller Annahmen ist. — Auch darf man
hier nicht die Frage aufwerfen, wie es komme, dafs der Schrifb-
kanon, nachdem er selbst die Zweiheit der Erscheinungsformen ge-
lehi*t hat) selbst sie dann wieder negiere, während es doch besser
sei, nicht an den Schmutz zu rühren, als dafs man hinterher sich
waschen miisse*. Denn der Schrifbkanon bespricht die Zweiheit
der Erscheinungsformen gar nicht, um dieselbe zu lehren, sondern
der Weltbrauch ist es, welcher an dem Brahman diese Zweiheit
der Erscheinungsformen annimmt, und diesen berührt die Schrift,
um ihm zu widersprechen und um die reine Wesenheit des Brah-
man darzulegen; so stimmt es zusammen. Die beiden Negationen
aber dienen, der Zahl gemäfs, nm die beiden Erscheinungsformen,
das Gestaltete [Erde, W^asser, Feuer] und das Ungestaltete [Luft,
Äther] zu negieren. Oder auch die erste Negation negiert die
Gesamtheit der Element«, and die andere die Gesamtheit der
Vorstellungen [von dem Piirusha]. Oder endlich man kann an-
nehmen, dafs in den Worten „es ist nicht so, es i»t nicht so"
eine Allmöglichkeitsbezeichnung (vipsä) vorliegt, welche besagt,
dafii Brahman alles, was man sich nur denken kann, nicht ist.
Denn bei einer auf eine bestimmte Anzahl beschränkten Negation
könnte, wenn Brahman dieses oder jenes nicht ist, .ein Weiterfragen,
was denn Brahman sonst sei, sich behaupten; bei einer Allmöglich*
keitsbeseiduiung aber wird durch Verneinung alles möglichen objek-
tiven Seins das Brahman als die nie Objekt seiende innere Seele
festgehalten, und das Weiterfragen hört auf. Somit steht fest,
dafs unsere Stelle nur die an dem Brahman angenommene Weltans-
breitung verneint | und das Brahman selbst bestehen Iftfst; und 82fr
536 C^rlrftka>mtmins&
dieses steht darum fest, weil „sie es auch dai'auf'S nätulich nach
der Negation, „des Weiteren 8agt^^ Denn wenn es heifst, es gebe
„keiii anderes Yon ihm Verschiedenes", so würde, wenn die Nega-
tion auf ein blofses Nichtsein hinausliefe, die Einwendung gemacht
werden können, welches denn jenes andere, Verschiedene sei [yon
dem es kein anderes Verschiedenes gebe]. Somit ist die Konstruk-
tion der Stelle folgende. Nachdem mit den Worten „es ist nicht
„so, es ist nicht so'' das Brahman bezeichnet worden, so wird
weiter diese Bezeichnung „es ist nicht so, es ist nicht so" ihrem
Sinne nach ausgelegt in den Worten: „nicht giebt es von ihm"
nämlich von dem Brahman, ein Verschiedenes [mit dem ei ver-
glichen werden könnte]; „darum (iti)^*' d. h. aus diesem Grunde
(tatas)^ „heifst es: aes ist nicht so, es ist nicht so»", während hin-
gegen das Brahman selber nicht nicht ist; und dieses besagt,
dafs das von aUem anderen verschiedene, nicht negierte Brahmaa
wirklich sei. — Will man hingegen [richtigi»r] die Worte so koo*
struieren: „denn nicht giebt es von dieser,' — darum heilst .es:
„«es ist nicht so, es ist nicht so»", — d. h. von der die Weltaus-
breitung verneinenden Bezeichnung, „eine andere, von ihr ver-
„schiedene" Bezeichnung des Brahman, so mufs man die Worte
des Sütram: „auch sogt sie es darauf des Weiteren", auf die [in
den Textworten der Schrift folgende] Benennung des Brahman be-
zichen; denn die Schrifb sagt des Weiteren: „aber seine Benennung
„ist: adie Realität der Realität», denn die Lebensorgane sind die
„Realität, und er ist ihre Realität" (Bfih. 2, 3, 6). Dieses aber
ist nui* dann richtig, wenn die Negation auf das Sein des Brah-
man hinausläuft, nicht aber, wenn sie auf ein blofses Nichtsein
liinausläuft; denn was sollte dann die Realität der Realität genannt
werden? Somit bleiben wir dabei stehen, dafs diese Negation
auf ein Sein des Brahman, nicht aber auf ein blofses Nichtsein
hinausläuft.
827 23. tad avyaktmn^ äha hi
dasselbe ist das llDofienbare, denn sie sagt es.
Das höchste Brahman, welches von der Weltausbreitang, die
negiert wurde, verschieden ist, warum wird dieses Brahman,
wenn es wirklich ist, nicht erkannt? Darauf dient zur Antwort:
„dasselbe ist das Unoffenbare" , d. h. es ist nicht durch die Sinnes-
wahrnehmung erkennbar, weil es bei aller Wahrnehmung der Zu-
schauer [das wahrnehmende Subjekt] ist. Denn so sagt es die
Schrift (Mund. 3, 1, 8):
«,Nickt diurch das Auge ist es zu erfassen,
„Nicht durch die Rede und die andern Götter; .
„Noch durch die Bufse oder durch die Werke*'; —
Sfttram III. n. 23. 537
nnd : „er aber, der Atmctn, ist nicht so und ist niohi so, er ist nn-
„greifbar, denn er wird nicht gegriffen*' (Bfih. 3, 9, 26); -^ „es ist
, Jenes Unsichtbare, Üngreifbare*' (MuncJ. 1, 1, 6); — „denn wenn
„einer in diesem Unsichtbaren, Unkörperlichen, Unaassprechliohen,
„Unergründlichen *' n. s. w. (Taitt. 2, 7). Und auch die Smriti
sagt B. B. (Bhag. G. 2, 25) :
„ünoffenbar und unaiisdenkbar,
„Unwandelbar wird er genannt/*
24. api samrädhane, pratyaJcsha - anumdnähhi^m
auch in der Vollbefriedigung, aus der Wahrnehmung
und Folgerung.
Und diesen^ Atman , welcher die gesamte Weltansbreitung aus-
schliefst und daher das Unoffenbare heifst, schauen auch die Aus-
über des Yoga im Zustande der „YoUbefriedigung". Vollbefrie-
digung bedeutet das Betreiben des Sich- Versenkens u. s. w. mittels
Hingebung und Meditation. Aber woher wissen wir, dafs sie ihn
im Zustande der VoUbefriedigung schauen ? „aus der Wahrnehmung
,,und Folgeruiig^S d. h. aus der Schrift und Smfiti. Denn so sagt
füe Schrift (Kath. 4, 1):
„Nach auswärts hat die Höhinngen gebohrt
„Der durch sich selbst ist, darum sieht der Mensch
„Nach aüCsen nar, nicht in die inn're Seele; —
„Ein Weiser wohl sah umgewandten Aoges
,,Da8 innere Selbst, Unsterblichkeit ersehnend*';
und (Mund. 3, 1,8): 828
„Wenn aber einer seine Wesenheit
„Gereinigt hat durch der Erkenntnis Klarheit,
„Dann schaut er meditierend erst in Wahrheit
„Des.Ätman völlige Unteilbarkeit/*
Und auch die Smriti sagt (Mah&bh. 12, 1642):
„Ihm, welchen schlaflos und gehemmten Odems,
„Befriedigt mit besfthmter Sinnlichkeit
„Als Licht erblicken die den Toga üben,
„Dem Yoga-Atman sollen wir Verehrung.'* —
„Ihn schauen die Vollbringer an des Yoga ,
„Den Heiligen, den ewig Dauernden.**
'Aber mufs man nicht in diesem Zustande einen Vollbefriedigten
*und einen VoUbefriediger annehmen, und besteht somit in ihm
538 g&riraka-niiiultiia&
^oiclit eine VerBcIiiedeiiiieit sswischen der liöclisteu Seele uud der
Gliederen?' — Der Lehrer antwortete nein,
25. prahäQa-Mi^vac ca avai^hyam; prakdQa^. ca
karmmi; ahliy&sät
denn wie bei dem Lichte u. s. w. ist die Unterschied-
losigkeit; das Licht nämlich [offenbart sich] in der
Wirkung; wegen der Wiederholung.
So wie dfts Licht, der Kaum, die Sonne u. s. w. in ihren ans Upa-
dhi^B bestehenden Wirkungen an dem Finger, dem GeftlBe, dem 6e-
wässeivu. 8. w. gleichsam unterschiedhaft erscheinen, ohne dals sie
doch das ihnen von Natur eigene unterschiedlose. Wesen verlören,
ebenso beruht diese Trennung zwischen den beiden Atman^a nur auf
den Upadh^s, an sich aber sind sie eines. Wesens; denn so wird in
. den Yed^ntatexten wiederholentlich und mehr als einmal die Un-
getrenntheit der individuellen und der allweisen Seele dargelegt.
«^29 26. ato 'nantenUy tathd hi Ungafn
darum [wird er eiüs] mit dem Unendlichen ^ denn
dafür ist ein Zeichen.
Und „ darum ^^, weil das Ursprüngliche die Ungetrenntheit ist,
. und weil die Trennung nur auf dem Nichtwissen beruht, geht die
individuelle Seele, nachdem sie durch das Wissen das Nichtwissen
verscheucht hat, mit dem Höchsten, dem Unendlichen, der allweiseu
Seele zur Einheit ein. Denn „dafür ist ein Zeichen"» nämlich in
Worten wie: „fürwahr, wer dieses höchste Brahman erkennt, der
„wird zu Brahman*' (Mund. 3, 2, 9); '*^ „Brahman ist er und in
„Brahman löst er sich auf'^ (ßrih. 4, 4, 6).
. 27. ubhaya-vyajjadegdt tu ähi-kufulalaviU
vielmehr, weil beide Bezeichnungen [vorkommen] , ist
es wie mit der Schlange und den Kingelungen.
In Bezug auf jenes Verhältnis zwischen* dem Yollbefriedigten
und dem Yollbefriediger bringt der Lehrer hier eisen neuen 6e-
SAtram IIL ii. 27- 539
danken vor, um seine Meinung zu verdeutlichen. Zuweilen wird
von der Schrift ein Unterschied zwischen defr individuellen und
der allweisen Seele gemacht; z. B. wenn es heifst (Mu^d. 3, 1, 8):
„Dann schaut er meditierend erst in Wahrheit
,,Des Atman völlige Unteilbarkeit'';
liier werden beide als der Meditierende und als der zu Meditierende,
sowie als der Schauende und als der zu Schauende unterschieden;
— - „so geht ... der Weise ein zum göttlich höchsten Geiste''
(Mujj^d. 3, 2, 8) , hier als der Gehende und der, zu welchem ge*
gangen wird; — „der alle Wesen innerlich regiert" (Brih. 3, 7, 15),
hier als der Begierende und als der zu Regierende. An andern
Stellen wiederum wird die Ungetrenntheit beider hervorgehoben; z.B.
wenn es heifst: „das bist du" (Ch&nd. 6, 8, 7); — „ich bin Brah-
„man" (Bfih. 1, 4, 10); — „es ist deine Seele, die allem innerlich"
(Bfih. 3, 4, 1); — „er ist deine Seele, der innere Lenker, der un-
„sterbliche" (Brih. 3, 7, 15). In dieser Weise finden sich Bezeich-
nungen von beider Art. Wäre nun die Ungetrenntheit allein als das
einzige Ziel festzuhalten, so würde die Bezeichnung der Getrennt-
heit I ohne stötzenden Grund sein. Somit mufs, da beide Bezeich- 830
nungen vorliegen, es in Wahrheit damit stehen, wie mit der Schlange
und ihren Ringelungen. Wie diese nämlich als Schlange eine Ein-
heit, liingegen vermöge ihrer Ringelungen, Windungen, Gestreckt-
heit u. 8. w. eine Vielheit ist, so mufs es auch hier sein.
38. prakäga'äirajfa-:f)ad vä^ tejdstvät
oder wie bei dem Lichte und seiuer Grundlage,
wegen des Leucbtendseins.
Oder auch man hat es so zu verstehen , „wie bei dem Lichte
„und seiner Grundlage". So wie nämlich das Licht der Sonne und
seine Grundlage, die Soune, nicht absolut verschieden sind, sofern
sie alle beide in dem „Leuchtendsein" sich nicht unterscheiden,
und doch wiederum eine Bezeichnung als Vielheit erfahren, ähnlich
ist es auch hier.
29. pürvavad vd
oder wie vorher.
Oder wie es vorher hiefs, „wie bei dem Lichte u. s. w. ist die
„Unterschiedlosigkeit" (Süträm 3, 2, 25), so mag es auch hier wie-
derum sein. Denn weil in dieser Weise die Bindung durch das
540 ' Q&rtraka-mlniliÖ8lL
Nichtwissea bedingt ist, deshalb ist durch das Wissen eise Er*
losiing mdglich. Wäre hingegen eine in absolnt realem Sinne ge-
bimdene Seele ausunehmen, sei es, dafs sie vie die Riagekmgen
der Schlange ein Zustand des höchsten Atman, sei es, dafs sie wie
bei dem Lichte und seiner Orundlage ein einzelner Teil desselben
wäre, 80 würde eine absolut reale Bindung sich nicht aufheben
lassen, und der Erlösungskanon würde zwecklos sein. Übrigens
bezeichnet dabei die Schrift keineswegs alle beide, die XTngetrennt-
heit und die Getrenntheit, als gleichberechtigt; vielmehr ist was
B31 sie lehren will nur die Ungetrenntheit, | während sie hingegen die
Oetrenntheit als die von!nalige Annahme nur erwähnt, um das
Gegenteil zu lehren. Somit liegt in dem Satze: „denn wie bei
„dem Lichte u. s. w. ist die Unterschiedlosigkeit" (Sütram 3, 2, 25)
die endgültige Auffassung.
30. pratishedhäc ca
und wegen der Verneinung.
Und auch darum liegt hierin die endgültige Auffassung, weil
die Schrift das Dasein eines andern Geistigen auTser der höchsten
Seele vemeint, wenn sie sagt: „nicht giebt es anfser ihm einen
„Sehenden^* (Brih. 3, 7, 23); — „aber seine Bezeichnung ist: «es ist
„nicht so, es ist nicht so»" (Brih. 2, 3, 6); — „dieses Brahman
„ist ohne Früheres und ohne Späteres, ohne Inneres und ohne
„Äufseres** (Brih. 2, 5, 1 9). Weil also eine über Brahman hinaus
bestehende Weltausbreitung widerlegt worden, und weil Brahman
allein übrig gelassen worden, so folgt, dafs die endgültige Auf-
fassung in dem erwähnten Satze liegt.
Siebentes AdhikaraftaM,
31. ^param atahy setu-unindna-sanÜMmdha-bheda'
vyapadeQehhyaK.
'ein anderes aufser ihm, wegen der Bezeiclmungen der
Brücke, des Mafses, der Verbindung und der Trennung.'
Das Brahman, welches unter Aufhebung der gansten Weltaus-
breitung festgehalten wurde, hat dieses noch eine andere Wesen-
Satriua IIL u. 31. 541
Leit auTaer sich oder nioht? Hierüber kann man aweifeln, da die
Schriflworte sich widersprechen. Denii einige scheinen in der
Thai auf den ersten Blick noch eine andere Wesenheit anüser Brah-
man an lehren. Um su seigen, wie man diesen Zweifeln zu be-
gegnen hat, wird [znn&ohst] der gegenwärtige Angriff unternommen.
S,£in anderes aufser ihm^, d. h. es moTs noch eine andere Wesen-
^heit aufser Brahman ^eben; warum? wegen der Bezeichnung der
^Brücke, wegen der des Maises, der der Verbindung und der der
'Trennung. — Die Bezeichnung der Brücke zun&chst ist folgende:
S,der Atman, das ist die Brücke, welche auseinander | ^hült" 833
'(Chänd. 8,4, 1); hier wird gesagt, dafs das unter dem Ätmau
'gemeinte Brdiiman eine Brücke sei. Das Wort Brücke (Damm,
'vgl. p. 257, 11, S. 152) aber dient gewöhnlich, um ein Gonglomerat
^von Holz, Erde u. s. w. zu bezeidmen, welches dazu dient, eine
'zusammenhllngende Wassermasse zu durchschneiden. Indem nun
'das Wort „Brücke" Ton dem Atman gebraucht wird, so.giebtdas-
'selbe zu verstehen, dafs so wie bei der gewöhnlichen Brücke auch
'bei der Atmanbrücke noch ein anderes Objekt aufser ihm vor-
'handen ist, zumal in den Worteb „wer diese Brücke überschritten
'„hat" (Ghand. 8, 4, 2) sogar von einem Überschreiten derselben
'die Rede ist. So wie man nämlich nach Überschreitung einer ge-
'wohnlichen Brücke folgerichtig auf das feste Land gelangt, welches
^ nicht Brücke ist, ebenso mufs man nach Überschreitung des Atman
'folgerichtig zu dem gelangen, was nicht Brücke, also nicht Atmau
'ist. — Weiter findet sich eine Bezeichnung dea Mafses, wenn
'das Brahman „vierfufsig" (Gh&nd. 3, 18, 2), „achtkluuig" und „sech-
'„zehnteilig" (Pra^naG, 1) genannt wird. Alles über, was in dor
'Erfahrung gemessen wird als so und so grofs and folglich be-
'grenzt ist, wie z. B. ein K&rshäpana [eine Kupiermünze von be-
'stimmtem Gewicht], von dem nimmt man an, dafs es aufser ihm
'noch anderes giebt. Da nun auch das Briahman gemessen wird,
'so mufs es folgerichtig aufser ihm noch andercF geben. «— Ebenso
'steht es mit der Bezeichnung der Verbindunf^. Denn die Schrift
'sagt: „alsdann ist er, o Teurer, eins geworden mit dem Seienden"
'(Ohand. 6, 8, 1); auch heifst es, die verkörpeite Seele werde von
'der all weisen Seele umschlungen (Brih. 4, 3, 21); eine [derartige]
'Verbindung aber pflegt erfahrungsmäfsig zwischen einem Unbe-
'grenzten ^zu Messenden) und einem Begrenzten (Mafse) zu be-
istehen, wie z. B. zwischen den Einwohnern und der Stadt. Nun
'lehrt die Schrift [in den erwähnten Stellen] eine Verbindung der
^individuellen Seelen mit dem Brahman im Tiefschlafe. Somit mufs
'es folgerichtigerweise aufser Brahman noch ein anderes, Unbe-
'grenztes, geben. — Eben dahin weist auch die Bezeichnung der
'Trennung. | So bezeichnet die Schrift iu den Worten: „aber der 833
'.,goldene Mann, welcher im Innern der Sonne gesehen wird"
'^CiiAnd 1, G, 6), Gott als in der Sonne enthalten, und dann weiter
542 C^traka-mlm&usll
^bezeichnet sie im Unterscliiede davon Gott uls in dem Auge ent-
^halten: ^^aber der Mann, welcher im Innern des Auges gesehen
*„wird" (Ghändr 1, 7, Ö); wobei sie in Bezug auf Oestolt u. s. w.
^eine Verweisung von dem einen zum andern anwendet: „die 6e-
'„stalt, welohe jener hat, die hat auch dieser, jenes Gesänge,, sind
\,aQch seine Gesänge, jenes Name sein Name^' (C^iind. 1, 7, 5); j»,
'sie behauptet, dafs das Gottsein beider eine Grenze habe: ndie
'„Welten, welche yon der [Sonne] aufwärts liegen, über die herrscht
S,er und über die Wünsche der Gdtter'' (Ghänd. 1, 6, 5); und von
'dem andern sagt sie: „die Welten, welche Ton ihr abwärts liegen,
'„über die herrscht er imd über die Wünsche der Menschen"
'(Chänd. 1, 7, 6), gerade wie wenn man sagt: „dieses ist das Reich
'„des Fürsten der Magadha's, und jenes das des Fürsten der
'„yideha*B". — Weil somit diese Bezeichnungen der Brücke u. s. w,
'bei Brabman gebraucht werden, mufiw es ein anderes aufser ihm
'geben.' —
Auf diese Annahme erwidert der Lehrer:
32. sämämyät tu
vielmehr wegen der Ähnlichkeit.
Durch das Wort „vielmehr" vrird die erwähnte Annahme be-
seitigt. Es kann durchaus kein anderes aufser Brahman geben,
weil kein Beweis dafür vorhanden ist; denn wir bemerken [in der
Schrift] durchaus keinen Beweis dafür, dafs es irgend etwas aufser
Brahman gebe. Denn alles Entstandene, jedes gewordene Ding
hat, wie wir (Sütram 1, 1, 2) feststellten, seinen Ursprung u. s. w.
aus Brahman, die Wirkung aber ist (vgl. Sütram 2, 1, 18) mit
834 ihrer Ursache identisch. | Und auch etwas Ungewordenes giebt es
nicht, welches aufser' Brahman bestünde; denn da die Schrift
versichert: „seiend nur, o Teurer, war dieses zu Anfang, eines
„nur v^^d ohne zweites" (Chand, 6} 2, 1), da sie femer verheifst,
dafs mit der Erkenntnis des einen alles erkannt sein solle (Ohänd.
G, 1; Brih. 2, 4, 5; Mund. 1, 1, 3), so geht es nicht an, das Dasein
eines Dinges aufser Brahman anzunehmen. — ^Aber sagten wir
'nicht, dafs die Bezeichnungen der Brücke u. s. w. auf eine von
'Brahman unterschiedene Wesenheit hindeuten?* — Doch nicht!
denn was zunächst die Bezeichnung der Brücke betrifft, so kann
sie nicht für das Sein von irgend etwas aufser Brahman beweisend
sein; denn die Schrift (Mund. 2, 2, 5) sagt zwar, dafs der Atmsn
die Brücke sei, aber auch wieder, dafs nichts • anderes aufser ihm
vorhanden sei. Wollte man hier deswegen, weir eine Brücke ohne
etwas aufser ihr nicht bestehen kann, noch irgend etwas aulser
Brahman annehmen, so würde das nicht regelrecht tfeiu, denn diese
9ttT$m 11 1. n. 82. 543
Annahme von etwas, was die Schrift nicht kennt, würde eineVer-
gewaltignng sein. Und wenn man deswegen, weil der Atman eine
Brücke genannt wird, ihm naoh Art einer gewöhnlichen Brücke
das Bestehen Ton etwas aufser der Brücke 1>eilegen wollte, non
so müfste man ihm auch Erde und Holz als Bestandteile beilegen,
und dieses würde nicht regelrecht sein, weil dem die Sohriftans-
sage von der Unentstandenheit des Brahman widersprechen würde.
Es steht also Tielmehr so damit, dafs der Atman eine Brücke genannt
wird „we^en der Ähnlichkeit" mit einer Brücke, und diese Ähnlich-
keit des Atman mit einer Brücke besteht darin, . dafs er die Welt
und ihre Grenzen auseinanderhält [ähnlich wie eine Brücke, d. h.
ein Damm, die überschwemmten Felder]. Also weil er gleichsam
eine Brücke ist, wird der in Rede stehende Ätman als Brücke ge-
feiert. Und auch wenn es heilst: „wer diese Brücke überschritten
„hat" (Chänd. 8, 4, 2), so kann das Oberschreiten hier kein Hin-
übergelangen über die Brücke, sondern nur ein Gelangen zu der-
selben bedeuten, ähnlich wie man Yon einem sagt, er habe die
Grammatik dui'chgemacht, um auszudrücken, dafs er in ihren Besitz,
nicht, dafs er über dieselbe hinausgelangt ist.
33. hiddhi-arfhdk pMa-'imt 835
zum Zwecke der Erkenntnis, wie bei dem Viertel.
\Venn weiter behauptet wurde, dafs etwas aufser Brahman vor-
handen sein müsse, weil von Mafsen desselben die Rede sei, so ist
darauf zu erwidern, dafs auch diese Bezeichnung der Mafse nicht
den Zweck hat, das Vorhandensein eines Wesens aufser Brahman
zu lehren. Aber welchen Zweck hat sie denn? Sie dient „zum
„Zwecke der Erkenntnis*', sofeni nämlich diese dem Zwecke der
Verehrung dient. Denn eine Erkenntnis, welche an Unterschieden
wie „vierfüfsig^S „ achtklauig *S „sechzehnteilig'' haftet, kann nti-
mögUch sich mit Festigkeit auf das [unterschiedlose] Brahman
richten; und darum eben wird die Vorstellung Ton Mafsen des
Brahman, unter Anlehnung an Verhältnisse der erschaffenen Welt,
ins Werk gesetzt, weil nicht alle Menschen ihre Erkenntnis mit
Festigkeit auf das unerschaffeue, unendliche Brahman richtien können,
sofern es Menschen von langsamem, mittlerem und vorzüglichem Er-
kenntnisvermögen giebt. „Wio bei dem Viertel", d. h. es ist damit,
wie weim an dem Manas und dem Äther da, wo sie in psycho-
logischer und kosmologischer Hinsicht als Symbole des Brahman
erwähnt werden (vgl. Chänd. 3, 18), die Rede u. s. w. als vier
Viertel [oder Füfse] des Manas , und das Feuer u. s. w. als vier
Viertel des Äther zum Zwecke der Meditation angenommen werden.
— Oder auch die Worte „wie bei dem Viertel" bedeuten,
544 C^irAkA-mlBifc&slL
dafs es damit sei, wie wenn bei der Kirsh&pana-Münae eine
Teilung in Viertel (P&da) zur Erleichterung des HandelsTorkdirea
angenommen wird^ denn mit einem ganzen Kftrshftpa^a können
sich nicht immer alle Menschen beim Handel helfen, sofern bei
Kauf und Verkauf der Umfang der Sache ihm nicht entspricht. *
S36 34. sthdna-viceahäty prakäoa-ädi-vat
wegen der BeBtimmtheit des Standortes, wie bei dem
Lichte u, s. w.
In diesem Sütram wird die Abfertigung der beiden andern Be-
Zeichnungen vorgenommen. Wenn behauptet wurde, dafs wegen
der Bezeichnung der Verbindung und wegen der Bezeichnung
der Trennung ein anderes aufser Braljman vorhanden sein mdsse,
so ist das nicht richtig. Denn auch wo eine Einheit vorliegt,
können mit Rücksicht auf die „Bestimmtheit des Standortes" diese
beiden Bezeichnungen statthaben. Bei der Bezeichnung der Ver-
bindung ist der Zweck folgender. Indem die individuelle Er-
kenntnis, welche zu Stande kommt vermöge euici* Verbindung mit
bestimmten Standorten, nämlich mit den Up&dhi's der Buddhi u. s. w.,
zur Ruhe kommt, so wird dieses zur-Ruhe-Kommen mit Rücksicht
auf die Up&dhi*8 und in uneigentlichem Sinne als eine Verbindung
mit dem höchsten Atman aufgefafst, ohne dafs dabei eine [lokale]
Befassung [der Seele in dem Brahman] beabsichtigt würde. Ebenso
wird die Bezeichnung der Trennung bei dem Brahman nur mit
Rücksicht auf die Trennung durch die Up&dhi*s, nicht mit
Rücksicht auf eine Trennung innerhalb seiner eigenen Natur ge-
braucht. „Wie bei dem Lichte u. s. w.'*; hier wird ein Gleichnis
zu Hülfe genommen; wie nämlich das einheitliche Licht der Sonne
oder des Mondes, nachdem durch Verbindung mit einem üp&dhi
[z. B. mit dem Finger, auf den es fallt] ein Unterschied an ihm
entstanden, bei Aufhören des Up4dhi einer Bezeichnimg der Ver-
bindung [mit dem allgemeinen Lichte] iind bei Trennung durch
den Upädhi einer Bezeichnung der Trennung [von demselben] teil-
hafb wird, — oder wie bei dem Räume im Nadelöhre und bei dem
Welträume diese beiden Bezeichnungen einer Trennung nur durch
den UpUdhi [des Nadelöhrs] bedingt werden, — ebenso ist es
auch hier zu nehmen.
* Die bildlichen Vorstellungen von Brahman verhalten sich zu diesem
selbst wie die fftr den praktischen Verkehr notwendige Scheidemünze
zu dem Geldstücke, welches in sie umgewechselt wird.
Sfttram III. n. 36. 645
35. upapatteQ ca
und wegen der Möglichkeit.
Auch ist hier nur eiue Yerbinduiig von dieser Art möglich und
keine aadere. Denn wenn es 8. B. heifst: „er ist zu sich selbst
„eingegangen" (Ch&nd. 6« 8, l)f so lehren diese Worte, dafs jene
Verbindung eine solche mit der eigenen Wesenheit sei. Da man von
seiner eigenen Wesenheit aber | nicht loskommen kann, so ist hier S37
nicht an eine Verbindung wie etwa die zwischen den Einwohnern
and der Stadt au denken. Vielmehr ist der Eingang zn sich selbst
nur insofern möglich, ab durch die Up&dhi's eine Verbergung der
eigenen Natur bewirkt wurde. In derselben Weise ist auch die
l^ennung nur möglioh, und niobt anders, weil dem die in dei*
Überzahl der SAnftsteUen angenommene Einheit Gotted widerstrei-
ten würde. Es ist damit ähiüich, wie wenn die Schrift auch dem
Räume, obwohl er einer 'ist, je nadi den Standorten eine Bezeich-
nung der Trennung beilegt an der Stelle: y,der Raum aber aurser-
„halb des Menschen^ [der ist gewifslioh das, was dieser Raum inner-
„halb des Henachen ist;] dieser Raum aber innerhalb des Mensehen,
„[der ist gewiüslich dasj was dieser Raum innerhalb des Herzens
„ist" (ChÄnd- 3, 12,7—9).
I
36. taiha anya-pratisliedMt
eben 80 wegen der Ausschliefsung [alles] andern.
Nachdem der Lehrer in dieser Weise die Gründe der gegnerischen
Meinung, näroHchdie Bezeichnung als Brücke ti. s. w., gestürzt hat,
so faTst er jetzt seine eigene Meinung durch eine neue Begründung
zusammen. „Ebeiiso wegen der Ausschliefsung [alles] andern*'
dürfen wir kein anderes Dinf/ aufser Brahman annehmen; so ist es
aufzufassen. Denn es heifst: „die Unbeschrünktheit ist unten, ...
„ich bin unten, ... die Seele ist unten" (Chänd. 7> 25, 1 — 2); —
„das Weltall möge den ausschliefsen , der das Weltall aufserhalb
„des Atman weifs'* (Brih. 2, 4, 6); — „Brahman allein ist diese
„ganze Welt'* (Mujgid. 2, 2, 11); — .,der Atman allein ist dieses
„Ganze*' (Chand. 7, 26« 2); — „nicht ist hier Vielheit irgendwie"
(Bfih. 4, 4, 19); — „nichts anderes ist aufser ihm vorhanden" ((Jvet.
3f 9); — ' „dieses Brahman ist ohne Früheres und ohne Späteres,
,iOhne Inneres und ohne Äufseres" (Brih. 2, 5, 19); — diese und
andere Sohriftstellen, welche nach den Zusammenhängen, in denen
sie stellen, eine andere Auslegung nicht zulassen, verbieten die
Annahmo eines Dinges aufser Brahman. Femer ergiebt sich aus
BsifMMi, YfdAAUi. 35
546 C^rlraka-mtmftä8&
der Stelle von der Seele „die allem innerlich" (Brih. 3, 4, 1), dafs
aufser der höchsten Seele auch keine andere, yon ihr verschicilene
Seele vorhanden ist.
838 37. anena sarvagatatvam ^ d/yäma-e(ü)da''Mihhydk
hierdurch ißt seine Allgegenwart [erwiesen], wegen des
Schriftwortes von der Erstreckung und andern.
Hierdarch, durch die Beseitigung der Bezeichnung als Brücke
u. s. w., und durch die Berufung auf die „Ausschliefsnng alles &n-
„dem", itit auch die Allgegenwart des Atman erwiesen, denn ohne
dieses würde sie nicht erweishar sein. Denn wenn die Beseich-
nungen als Brücke u. a, w. im wörtlichen Sinne festgehalten würden,
so würde - eine Umgrenzung des Atman sich ergehen , indem die
Binicken u. s. w. von dieser Art heschaffen sind. Ehenso würde,
wmm die Ausschliefsung alles andern nicht gesch&he, sofern eine
jede Suhstanz gegen andere Substanzen sich abgrenzt, eine Be-
grenzung auch des Atman sich ergeben. Es l&fst sich aber die All-
gegenwart desselben auch „aus dem Schriftworte von der Erttreckuug
„und andern" ersehen. Das Schriftwort von der Erstreckung ist
dasjenige, welches seine Alldurchdringung bekundet: „fürwahr, so-
„weit sich jener Weltraum erstreckt, so weit erstreckt sich dieser
„Raum innerhalb des Herzens" (ChÄnd. 8, 1, 3); — „dem Saume
„gleich, allgegenw&rtig, ewig"; — „gröfser als der Himmel, grdfser
„als der Raum" (Qatap. br. 10, 6, 3, 2); — „allgegenw&rtig ist
„und ewig, fest ist und unbeweglich er" (Bhag. G. 2, 24); — diese
und andere regulative Stellen der Schrift und Smriti geben dip
Allgegenwart des Atman zu erkennen.
Achtes Adhikaranam,
38. phcUam ata\ upapatteh
die Frucht von ihm, wegen der Möglichkeit.
Eine andere Eigentümlichkeit dieses Brahman ist jetzt zu be-
sprechen, indem wir zu dem Standpunkte des Welttreibens heral>-
steigen, welcher eine Trennung zwischen einem beherrschenden
Gotte und einer beherrschten Welt annimmt.
j
Sfttram III. n. 38. 547
Die Frucht der Wcrkef vrie sie als Erwünschtes, Unerwünschtes
imd aus beidem Gemischtes dreifach im Bereiche des Sax|i8ara . bei
den Wesen sich einstellt, rührt diese her von den Werken |
oder von Gott? Das ist hier die Frage. Hier nun erklärt sich 839
der Jjehrer dafür, dafs ,jdie Fracht von ihm", nämlich von Gott,
herrühren mufs; warum? „wegen der Möglichkeit". Denn Gott ist
es, welcher als der Aufseher des Weltalls, der seine verschiedenen
Zustande der Schöpfung, des Bestandes und des Unterganges an-
ordnet, vermöge seiner Kenntnis der Unterschiede in Baum und
Z^t, für die Vollbringer der Werke die den Werken angemessene
Frucht herbeiführt. Auf diese Weise also ist eine Vergeltung
„möglich", Dafs hingegen das Werk selbst, welches von Augen-
blick zu Augenblick zunichte wird, eine in einer späteren Zeit
eintretende Frucht hervorbringe, ist unmöglich, weil aus dem Nicht-
sein ein Sein nicht entspringen kann. — 'Aber kann man nicht
^annehmen, dafs das Work, obschon es vergeht, doch erst vergeht,
'nachdem es zur Zeit seines Bestandes eine ihm entsprechende.
^Frucht erzeugt hat, und dafs diese Frucht ^ nachdem sie eine Zeit
'lang latent geblieben, von dem Thäter genossen wird?* — Auch
das bringt die Sache nicht ins Reine, weil eine Frucht nicht be-
stehen kann, bevor sie sich nicht mit einem Geniefser verbindet.
Denn erfahrungsmäfsig versteht man unter Frucht nur die Lust und
den Schmerz, sofern sie zu einer bestimmten Zeit von der Seele
genossen werden. Kein Mensch aber nimmt eine Lust und Unlust
als Fi*ucht an, ohne dafs dienelbe mit einer [gentefsenden] Seele
verbunden wäre. — j 'Aber\ so könnte man- sagen, 'kann nicht 840-
'die Frucht entstehen - aus dem ApiU'vam [der ohne unmittelbar vor-
'hergehende Ursache eintretenden Vergeltung}, sofern dieses eine
'Wirkung der Werke ist?* — Auch dieses ist nicht möglich, weil
das Äpürvam ein Ungeistiges ist, welches so wenig wie Holz und '
Erde eine Bowegu/ig veranlassen könnte, wenn es. nicht von einem
Geistigen in Bewegung gesetzt würde. Hierzu kommt, dafs sich
für dio Existenz des Äpürvam kein Beweis erbringen läfst. —
'Aber ist nicht das Eintreten der Sache Beweis genug?* — Nein,
denn weil das Dasein Gottes feststeht, wird dieses Eintreten der
Sache [als Beweis für das Äpürvam] hinföllig.
39. *;rutatv<ic ca
und wegen der Schriftlehre.
Und nicht nur „wegen der Möglichkeit" nehmen wir Gott als
die Ursache der Frucht an, sondern auch darum sehen wir in
Gott den Verursacher der Frucht,* weil die Schrift ihn als solchen
lehrt. So giebt es unter andern eine Schi iftstelle, welche sagt:
35*
548 ^'&dra.ka-]iiliDlk&iA
^fibrwahr dieser grofae, nugeborene Atman ist Esser der Speise
,»imd Verleiher der Güter«' (Bnh. 4, 4, 34).
40. ^dharmam Jtwmnkrj ata' eva
^e Pflicht', meint Jadniini, aus denselben Gründen.
Hingegen meint der Lehrer Jaimini, ^dafs „die Pflicht«« dasjenige
'sei/ welches die Fmcht verleiht, und zwar „aus denselben Gründ^",
'n&mlioh weil die Schrift es lehre und wegen der Möglichkeit.
'Die Schrift lehrt es nämlich, indem sie z. B. sagt: „wer nach
Sil *„dem Himmel begehrt, der soll opfern««. | Hier ist es das Opfer,
/welches der Schnftrorschrifb zufolge, sofern es zu einem Gegen-
«stande des Thuns wird, den Himmel heryorbringt. W&re dero
«nicht so, so würde der Opferdienst ohne ein [dabei interessiertes
«und] ihn betreibendes Subjekt sein, und eine Anweisung zu dera-
- «selben wie die obige wäre zwecklos [was bei einem Yedaworte
«nicht anzunehmen ist]'. — Aber ist damit nicht unsere Behauptung
aufgegeben, dafa das Werk, sofern es von Augenblick zu Augen-
blick zu nichte werde, die Frucht nicht hervorbringen könne? —
«Das schadet nicht, weil hier die Schrift Autorität ist. Soll die
«Schrift überhaupt Autorität sein, so mufs man die Verbindung
«zwischen Werk und Frucht so, wie sie in der Schrift als möglidi
«gelehrt wird, annehmen. Nun kann aber das Werk, welches Ter-
«geht, eine zeitweilig latent bleibende Frucht nicht anders Ter-
«leihen, als indem es irgend ein Apurmm hervoi-briAgt. Wir
«müssen ;al80 schliefsen, dafs es ein Apnrvam gebe^ sei es, daf»
«man darunter irgend ein unsichtbares Fortbestehen des Werkes
^ «oder ein solches Vorausbesieheii der Finicbt annimmt; und dieses
«ist in der genannten Weise möglich ; hingegen ist es nicht möglich,
«dafs Gott die Frucht verleihe; denn aus einer einheitlithen Ur-
«sacfae kann nicht eine vielheitliche Wirkung entstehen; auch wünli^
«dann Gott ungerecht und grausam sein; ein Betroiben des Werkes
«aber würde zwecklos werden. Somit entspringt die Fnichi lediglif^ii
«aus der PÜieht^ so ist die Meinung [des Jaimini].
41. pürvam tu Bääarayana, heta-vyapadegät
hingegen den vorerwähnten [pürvam^ nicht apurvam]
lehrt Badaräyana, weil er als die Ursache beaeichnet
wird-
Hingegen, nimmt der Lehrer Uädaräyana an, dafs „der vorer-
„wähnte«« Gott die Ursache der Frucht sei, während hingegen die
Sutran III. n. 41. 540
Annalime, dafa die Frucht aus dem blofseu Werke | oder auii einem 842
blofsen jij>f«rt;äm . entspringe, durch das Schriftwort ausgescblofsen
wird. Ob Gott dabei Rücksicht nimmt auf die Werke oder etwa
Rücksicht nimmt auf ein Apürvam^ das mag sein wie es will, jeden*
falls stammt die Frucht von Gott, das ist die endgültige Meinung.
Warum? „weil er als die Ursache bezeichnet wird"; denn sogar
als derjenige wird Gott bezeichnet, welcher das Gute und Böse
thun macht; und ebenso als der Verleiher der Frucht: denn es
heifst: „denn er allein machet das gute Werk thun den, welchen
„er aus diesen Welten emporführen will; und er allein machet das
„böse Werk. thun den, welchen er abwart« führen will'' (Kaush* 3, 8).
Auch wird diese Sache enrfthnt in den Bhagavadgli^'s (Bhag. G.
7, 21—22):
„Wenn einer Hebreich idiese oder jeuQ
„Gestalt im Glauben au verehren strebt,
„So bin ich es, wofern der Glaube fest ist,
„Der für den Glauben die Vergeltung ordnet.
„In seinem Glauben ist der Mensch bemüht,
„Das was er glaubt zu Gunsten sich zu stimmen;
„Doch was an Freuden er dafür empfängt,
„Das Gute wird allein* durch mich verhängt.'^
Hierzu kommt, dals in allen Ved(^ut<at<ixteu die Schöpfungen auf
Gutt als Ursache zurückgeführt werden. Und daruni ist ja gerade
Gott die Ursache der Frucht, weil er die Geschöpfe so erschafft,
wie es ihren vormaligen Werken entspricht. Was hingegen die
Einwendungen betrifft, welche aus der Unmögliclikeit einer Vielheit
der Wirkungen [wo die Ursache eine Einheit ist) u. s. w. genommen
waren, so treffen dieselben nicht zu, weil Gott dabei [wie Sütram 2,
1, B4 ge;seigt] auf die vollbrachten Bemühungen „Rücksicht nimrat".
Su Iftttiet in dem Korameat»re zar «lisiiohteii ^arireikä-MMnakid ^ dem Werke der
verehruBgewIlrdlsÄi Fttfee des ^afltara, im dritten A4hyoffa der «weite P»4a.
Des dritten AdhyAya
DKITTER PADA.
Omi Vvrebrung dem liDobBteu Ätraan!
Erstes Adhikarananu
8*3 1, sarva - vedanta -pratyayam , codamX - &di - avi^eshiii
[die Lehre] aller Vedäntatexte verdient Glauben, weil
in der Aufforderung u. s. w. kein Unterschied.
Die Wesenheit des Brahman, welches den Oegenstand der Lehre
bildet, haben wir erkl&rt. Jetzt nun ist su untersachen, in wie
weit die Lehren, welche in den verschiedenen Yedantatexten ent-
halten sind, von einander zu trennen sind oder nicht. — Aber
haben wir nicht festgestellt, dafs das Brahman, welches den Gegen-
stand dieser Lehren bildet, von allen Unterschieden des Früheren,
Späteren u. s. w. frei, einheitlich und wie der Salzblock eines Ge-
schmackes ist? Wie kann also da der Gedanke kommen, ob die
Lehren über ihn verschieden oder nicht verschieden seien? Denn
man kann doch nicht behaupten, dafs es die Absicht des Yed&nta
sei, ähnlich wie es eine Vielheit von Werken giebt, auch eine
Vielheit des Brahman zu lehren; indem das Brahman eines und
eingestaltig ist. Auch geht es nicht an, dafs über das eingestal-
Si4 tige Brahman verschiedengestaltige Lehren bestehen; | denn dafs
anders die Sache und anders die Erkenntnis der Sache sei, ist
notwendigerweise ein Irrtum. Und gesetzt den Fall, es wfirden
über das einheitliche Brahman vielheitliche Lehren in den ver-
Sötrara III. in. 1. 551
schiedeiieu Vedantatexten mitgeteilt, mo könute nur eine derselben
richtig, die andern liingegen würden falsch sein, und die Folge
.wäre der Verlust des Vertrauens auf den VedÄnta. Es ist also
nicht daran zu denken , dafs in den einzelnen VedAntatexten 'eine
Verschiedenheit der Lehren über Brahman statthabe. Aucii würde
man sich bei ihnen nicht darauf berufen können , dafs ihre Einheit
in der Übereinstimmung der Anbefehlung derselben liege, weil die
Erkenntnis des Brahman ihrer Natur nach nicht anbefohlen werden
kann. Denn die Erkenntnis des Brahman wird hervorgebracht
durch die Belehmugen über Brahman, welche nidit als Endzweck
eine Vorschrift haben, sondern bei Darlegung der Sache stehen
bleiben , wie dieses der Lehrer ausgesprochen hat in den Worten :
j^jenes vielmehr wegen der Übereinstimmung'* (Sütram 1, 1, 4). —
Aber wie kommt er denn dazu, hier* eine Untersuchung über
Verschiedenheit und Nichtverschiedeuheit [der Lehren] anzustellen?
— Wir antworten: hierin liegt kein Fehler, weil diese Unter-
bucliung über Verschiedenlieit und Ni(^tyerschiedejiheit der Lehren
nur das attributhafte Brahman betiifft, so wie weiter auch den
Pruiia und anderes. | Hierbei ist nämlich ebenso gut wie bei den ^^^
Werken eine Verschiedenheit und Nichtvcrschiodenheit der Ver-
ehrangen möglich. Ja, diese Verehinngen bringen ebenso wohl
wie die Werke teils sichtbare, teils unsichtliare Frucht, indes einige
derselben sogar [im Jenseits] die vollkommene Erkenntnis und
durch Vermittlung derselben die Stufenerlösung als Frucht bringen.
l>ei diesen Verehrungen ist eine Untersuchung wie die folgende
am Platze, ob m den einzelnen Vedantaiexton eine Verscliiedenheit
der Lehren anzunehmen ist oder nicht.
Vorerst nun wollen wir an die [von Jaimini 2, 4, 8 angeführten]
(Trüiide erinnern, welche füi* die Meinung des Opponenten spröchen.
'Zunächst können schon die Namen [der Vedaschulen] als Grund
igelten, eine Verschiedenheit anzunehmen, wie es z. B. bei dem Worte
S,Licht" [welches in der einen Schule d&s, iu der andern jenes
'bedeutet] und andorm der Fall ist. Ähnlich findet sich auch bei
^uns für die in den verschiedenen Ved^ntatexten vorliegenden
'F.ehreu bald dieser, bald jener Name, indem man z. B. von einer
'iiehre des Taittirlyakam, | des V^jasaneyakam, des Kauthumakam. S46
'des Kaushtlakam, des Qatyilyanakam u. s. w. spricht. Weiter ist
*es auch die Verschiedenheit der Form, welche wie bekannt
,eine Verschiedenheit der Werke bedingt; z. B. da wo es heifst:
Sjdas Milchgebräu ist für die Vicve Devuh, der Molketrank für die
S,Vajin*s,^' und anderwärts. Eine derartige Verschiedenheit in der
'Form findet sich auch bei uns. So erwähnen einige Vedaschulen
*bei der Fünf- Feuer -Lehre ein weiteres sechstes Feuer (Bfih. 6,
^2, 14)» während andere derselben nur fünf kennen (Chäud. 5, 4 — 8).
'So werden bei dem Rangstreite der Organe als die Rede u. s. w.
'von einigen wenigere (Chänd. ö, 1, H — 11), von andern mehrere
J
552 Q&rlrakft^mim&ftsA
*(Hvili« 6, 1, 12) »ufgez&hlt. Endlich kann da, wo es sich nm zu
^Bevrirkendes u. s. w. handelt, aaeh die Verschiedenheit der
'ObserTans die Frage Teranlasaen, ob nicht eine Veirschiedenheit
^^"^ *der Werke liozunehmen seL | Ähnlidi findet sich auch bei uns eine
'Verschiedenheit der Observanz , z. B. bei dem Kopfgelftbde [dem
'Gelübde, ein Becken mit glühenden Kohlen auf dem Kopfe su
'tragen] der Anh&nger des Atharva-Veda [welches nur ia einer
'ihnen angehörigen Upanishad (Mun^- 3, 2, 10) vorkommt]. In dei*-
'selben Weise kann man die übrigen [von Jaimini beeprochenoD]
'Gründe für eine Verschiedenheit, die Wiederholung u. s. w., je
'nach Lage der Sache auch an den verschiedenen Ved&i^tatexten
'durchführen. Sonach würde in den verschiedenen Ved&ntatextea
'eine Verschiedenheit der. Lehren vorliegen.' - —
Auf diese Annahme erwidern wir, dafs die Lehren s&mtlicher
Vedantatexte Glauben verdienen und in dem einen wie in dem
andern Texte für eben dieselben angesehen werden müssen. Warum?
„weil in der Aufforderung u. s. w. kein Unterschied". Der Zusatz
„u. 8. w." dient, um die [von Jaimini] in dem die endgültige Meinung
enthaltenden Sütram ausgeführten Gründe für die Nichtversehie-
denheit, sofern es sicl^ um das Vorkommien in einer andern Veda-
schule handelt, hier heranzuziehen, und bedeutet, dafs „[eine Ein-
jjbeit statthat] weü in [Zweck*] Verbindung, Form, Auf-
„forderung und Benennung un Unterschi<^ nicht vorliegt"
(Jaim. 2,4, 9). So wie nämlich bei dem einen Feueropfer un-
geachtet der Verschiedenheit der Vedaschulen eine und dieselbe
Bemühung des Mensehen, nftmlich dafs er opfern solle, gefordert
wird, ebenso findet sich auch hier, wenn es z. B. hei den V&ja-
8aneyiu*3 heifst : „fürwahr wer diesen ältesten und edelsten kennt"
(Brih. 6, 1, 1), eben dieselbe Aufforderung auch bei den Chan-
doga's (Ch&nd. 5, 1, 1). Und auch die Verbindung mit dem
[zv erstrebenden] Zwecke ist in beiden Fällen die nämliche, indem
es heifst: „der wird der älteste und edelste unter den Seinigen"
(Brih. 6, 1, 1: vgl. Chänd 5, 1, 1). Und auch die Form der Lehre
S^^ ist beiderseits die nämliche, | sofern es sich um die Wesenheit des
Prana handelt, welche mit den besonderen Attributen, dafs er der
älteste und edelste sei, ausgestattet ist. So wie nämlich die Opfer*
materie und die Gottheit die Form des Opfers bedingen, ebenso be-
dingt das zu erkennende Objekt die Form der Erkenntnia, denn
ihm entsprechend wird sie geformt. Endlich, trägt diese Lehre
vom Prana beiderseits auch dieselbe Benennung. Somit hat
man allen Vedäntatexten in Bezug auf ihre Lehren Vertrauep zu
schenken; denn eben das Nämliche läfst sich an der Fünf-Peuer-
Lehre (Brih, 6, Chänd. 5), an der Vaiyvanara-Lehre (Ghänd. 5, 11 fg..
(^atap. br. 10, 6, 1), an der Gändilya- Lehre (Chänd. 3, 14, ^tap'
br. 10, 6, 3) u. s. w. nachweisen. Was aber die Gründe betrifft'
welche , wie z. B. Käme , Form u. s. w. , scheinbar für eine Ver-
Satram HL iil 1/ 563
Bchiedeuheit sprechen, so wurden diese bereits im ersten Teile von
dem Sutram an: „nicht wegen des Namens wird die Attfforderung
„zu einer andern, weil er eine blofse' Benennung" (Jaim. 2, 4,. 10),
erledigt. Und auch hier werden wir den einen oder andern Untei-
schied, welcher Bedenken erregt, erledigen.
3. hhedän na! iU cen? na! tkasjfdm api
wegen der Verschiedenheit nicht, meint ihr? Nein!
auch bei einer!
'Nun wohl', köimte man sagen, 'aber es geht doch nicht an,
'deii Lehren aUer Yed&ntatexte Olmiben zu schenken, weil dabei
'die näheren Bestimmungen (gu^) Ton einander abweichen. So z. B.
'erwähnen die Y^asaneyin's da, wo sie die Fünf-Feuer*Lehre zur
'Sprache bringen, noch ein weiteres sechstes | Feuer, da wo es 849
'heilst: „dessen Feuer ist das Feuer" u. s. w. (Bfih. 6» 2, 14);
'die Chandoga*s hingegen haben dieses Feuer nicht, sondern fassen
'zum Schlüsse die Feuer nur in der Fünfzahl zusammen: „nun aber
'„der, welcher diese fünf Feuer kennt" (Chftnd. 5, 10, 10). Hieir,
'wo die eilten diese nähere Bestimmung haben und die andern
'nicht, kann doch nicht bei beiden eine und dieselbe Lehre vor-
'liegen; auch l&fst sich hier keine Zusammenfassung der Bestim-
'mongen annehmen, weil dem die Fünfiahl entgegensteht. — Ahn-
'lieh steht es mit dem Rangstreite der Organe; hier erwähnen als
'Von „dem besten" verschieden die Chandoga'p die vier Organe,
'Rede, Auge, Ohr und Manas (Chänd. 5, 1, 8 — 11), während die
'Väjasaneyin's noch ein fünftes Organ erwähnen: „fürwahr der Same
'„ist Prigäpati; der mehret sich an Nachkommenschaft und Vieh,
'„wer Solches weifs" (Brih. 6, 1, 6). Da hier eine Verschiedenheit
'in dem Mehr und Minder besteht, so liegt darin eine Verschieden-
'heit des zu Wissenden und mithin eine Verschiedenheit der Lehre
'vor, mit demselben Rechte, mit Reichem durch die Verschiedenheit
'dos Opfermaterials und der Gottheit eine Verschiedenheit' des Opfers
'bedingt wird.' —
Auf diese Annahme erwidern wir, dafs diese Einwendung nicht
zutrifft. Denn auch in dem Zusammenhange derselben Lehre ist
eine derartige Abweichung der näheren Bestimmungen wohl mög-
lich. Denn wenn auch das sechste Feuer nicht mit zusammen-
gefidst wird, so werden doch die fünf Feuer der Himmeiswelt u. s. w.
beiderseits anerkannt; daher hier keine Verschiedenheit der Lehre
angenommen zu werden braucht, ebenso wie die Übemachtsfeier
dadurch keine verscldedene wird, dafs man dabei die sechzehnteilige
Strophe gebraucht oder nit^ht gebraucht (vgl. p. 43, 1 Seite 12).
i
I
I
554 <^&rinika-mlmfcä8ft
Erwähnt wird übiigens das seohste Feaer auch too den Chandoga*s,
nämlich da wo es heifst: ,,i8t er dann gestorben, so tragen sie ihn
850 „weg EU seiner Bestimmung | ins Feuer ^' (Gh4nd. 5, 9, 3). Was
liingegen die Vajasaneyin^s betri£fl , so heifst es bei ihnen, um die
bei den fünf idealen (sämpädika) Feuern aufgestellte Annahme des
Brennholzes, Bauches u. s. w. wieder abzustellen: „bei demselben
„[dem natürlichen Feuer] ist das Feuer oben das Feuer, und
„das Brennholz das Brennholz'^ u. s. w: (Brih. 6, 2, 14). Hier
haben wir nur eine Aussage über solches, welches immeiiort gilt
(mif/a'ßmwädah Oder auch man kann annehmen > dafs diese
Aussage gleichfalls dem Zwecke der Verehrung dient; und auch
dann kann diese Bestimmung auch bei den Ghandoga's mit herein-
genommen werden. Hierdurch wird nicht etwa ein Widerspruch
gegen die Fünfzahl zugelassen, denn diese FünBeahl befafst nur
die idealen Feuer, ist eine Aussage über nicht immerfort Gül*
tiges (lies anifya- anuväda) und bildet auch keinen integrierenden
Teil irgend einer YorscIiHfi; daher die Sache ohne Bedenken ist.
— In derselben Weise kann man auch bei dem .Rangstreits der
Organe und anderwärts die überschüssige Bestimmung ohne Wider-
spruch an der andern Stelle mit hinzunehmen. Wegen einer solchen
Abweichung in dem Mehr und Minder ist keine Abweichung des
zu Lehrenden und somit keine Abweichung der Lehre anzunehmen
nötig, denn das Mehr und Minder bezieht sich nur auf einen ein-
zelnen Teil des zu Lelirendeu, wälirend das Meiste sowohl an dem
zu Lehi'enden als auch bei denen, die es lehren, übereinstimmt, daher
hier eine Einheit der Lehre anzunehmen ist.
3. sva-adhyäyasija j tathätvena hi satmicäre 'dhikäräc
ca; saravac ca tan-niyamah
nur für das Studium, weil es als so zu fassen in denj
Sifctenspiegel steht, und wegen des Vorhergehenden;
und wie bei dem Fliefsopfer ist diese JBinschrankung,
Wenn weiter behauptet wurde, dafs deswegen eine Verschieden-
heit der Lehre vorliege, weil die Atharvanika's die Lehre in Be-
851 Ziehung mit dem Kopfgelübde (Mund. 3, 2, 11), setzen, | während
die andern eine solche Beziehung nicht annehmen, so ist darauf
zu erwidern, dafs diese Observanz „nur für das Studium *% nicht
für die JiChre Bedeutung, hat. Dieses ergiebt sich daraus, dafs
„als so zu fassen^' d. h. als eine Observanz beim Studium „in dem
„Sittenspiegel", d. h. in dem Buche, welches die Observanzen dieses
Veda enthält, von den Anhängern des Atharva-Veda auch dieses
Sütram III. iii. 3 555
Gelübde Ullier den vedischeü Gelübden erwähnt wird. Und auch
daraus, dafs esheiffit: „dieses soll keiner studieren, der nicht das
„Gelübde yoUbringt*^ (Miiii4- 3^ 2, 11), ergiebi sich, wegen des
Wortes „dieses*^ welches sich auf das Vorhergehende bezieht, und
wegen des Wortes „studieren", dafs wir es bier mit einer Obser-
vanz zu ihnn haben, welche sich nur auf das Studium der eige-
nen Upanishad bezieht. — 'Aber heifst es nicht dabei, auch:
S,nur solchen lehre man dies Brahmanwissen, die regelrecht erfüllt
•„das Kopfgelübde" (Mu^d. 3, 2, 10) V Wird hier nicht eine Ver-
^bindung desselben mit dem Brahmanwisäen gelehit, und wird
'nicht damit, da das Brahmanwissen allerwärts eines ist, auch die
'genannte Observanz beigemengt?' — Doch nicht! denn auch an
dieser Stelle liegt in dem Worte „dies'' eine Einschränkung auf
das Yorhergchende, und diese Berufung auf das Vorhergehende be-
zieht sich nur auf das eine Lehrbuch des Brahmanwissens, daher
aach die Observanz nur mit dem einen Lehrbuche zu verbinden
ist. „Und wie das Fliefsopfer ist diese Beschränkung*';. hier wird
auf einen Vergleich verwiesen. Wie nämlich die Fliefsopfer, d. h.
die sieben Darbringungen von dem Sonnenopfer bis zu dem Hun-
dertroisopfer, mit dem in den andern Veden gelehrten Dreiheits-
Füuer nicht zu verbinden sind, sondern nur mit dem im Atharvan
gelebrton Einheitsfeuer, somit nur auf die Anhänger des Atharva-
Veda eingeschränkt wek'den, ebenso ist auch die in Bede stehende
Observanz, indem sie nur mit einem bestimmten Studium zu ver-
binden ist, auf dieses allein einzuschränken. Auch daraus also
läfst sich gegen die Einheit der [Brahman-] Lehre kein Einwurf
erheben.
4. dargayaü ca 852
auch lehrt er es.
„Auch lelni^" der Veda die Einheit der Leluren, indem er in
allen Vedäntatexten auf die Einheit des zu Lehrenden verweist, z. B.
wenn es heifst: „ein Wort ist, des die Veden all gedenken"
(Käth. 2, 15); — „ihn überdenken die Liederreichen [Ke^itierer des
,.Rigveda] in dem grofsen Preisliede, ihn die Ceremonienpmestor
v[de8 Yajurveda] bei dem Feuer, ihn die Melodiensänger [des
„S&maveda] bei dem grofsen Gelübde'* (Ait. ar. 3, 2, 3, 12). und
wenn es im Kathakam heifst: „ein greiser Schreck ist^s, ein ge-
„zuckter Blitzstrahl" CKäth. 6, 2), so wird die hier als Ursache
des Schreckens genannte Beschafifenheit Gottes im Taittiriyakam,
um die Auffassung der Vielheitlichkeit zu rügen, herangezogen, in-
dem es heifst: „wenn er hingegen in ihm eine Höhlung, ein anderes
„annimmt, dann hat er Angst; es ist die Angst des, der sich weise
556 C^rlraka-mtmUnsä
,,dünket'' (Taitt. 2, 7). In ihnlicher Weise wird der im VArjasMie-
yakam (Qatapi br. 10, 6, 1, 10), als „eine Spanne laiig^' yorstellig
gemachte Vai^vanara im Ch&ndogyam als etwas Bekanntes heran-
gezogen in den Worten: „wer aber diesen Atman so — als eine
„Spanne lang — und als unmefsbar grofs yerehrt'* (Ghftnd. 5,
18, 1). In dieser Weise werden, weil alle Vedl^tatexte Glaaben
verdienen, die an dem einen Orte vorkommenden Hymnen u. s. w.
an andern Orten sur Anbefehlung der Verehrung gans so herbei-
gez<^eu wie die Begel bei dem einzelnen Beispiele. Somit ist er-
wiesen, dafs auch da, wo es sich um Verehrungen handelt, alle Ve-
dAntatezto Glauben verdienen.
Zweites Adhikara^iam.
853 5. ' upasafnh(9ro 'rtka-ahhedäd vidM-feskavat sctmäne ca
und bei der gleichen [Lehre] Zü^ammenfaBBung, vf^gen
Ungetrenntheit d66 Zweckes, sowie bei den zum Kultus
gehörigen.
Da somit die Glaubwürdigkeit aller Vedantatexte in Bezug
auf ihre Lehren feststeht, so ist für besondere Bestimmungen der
Lehren, die an einem Orte vorkommen, auch anderwürts „bei der
„gleichen^' Lehre eine „Zusammenfassung^^ vorzunehmen, „wegen
„Ungetrenntheit des Zweckes ''. Denn derselbe Zweck, der f&r
diese Bestimmungen an dem einen Orte für die specieUen Lehren
mafsgebend ist, derselbe bleibt es auch an andern Orten; denn
beide Male hat man es mit einer und derselben Lehre zu than.
Daher hat eine „Zusammenfassung" stattzufinden, „sowie bei den
„zum Kultus gehörigen", d. h.: sovrie bei den zum Kultus ge-
hörigen Pflichten des Feueropfers u. s. w. allerwärts ein. und daii-
selbe Werk, z. B. das Feueropfer, vorliegt, und wegen dieser Un-
getrenntheit des Zweckes eine Zusammenfassung zu bewerkstelligen
ist, ebenso ist es auch hier. Wäre nämlich eine Verschiedenheit
der Lehren anzunehmen, so würde, wo die Bestimmungen zu einer
andern Lehre gehören, und ein Zusammenhang wie der zwischen
Urform und Modifikation nicht vorliegt, diese Zusammenfassung
nicht vorzunehmen sein; weil aber die Lehre nur. eine, ist, des-
wegen ist es nicht an dem. Übiigens wird dieses Sütram, in
welchem nur das Leitmotiv angedeutet wurde, von der Stelle: weil
Sütram IIL iii. 5. 557
,J|dieae Lehre] allerwäiis die n&mliche" (Sütram 3| 3, 10) an, seine
nähere Ausfllhrnng erhalten.
Di^ittes Adkikaranam.
6. anyathätvam gabdad^ iti cen? na! avifeshät ^^
Andersheit wegen des Schrift wortes, meint ihr? Nein!
weil kein Unterschied.
Im Vl^asaneyakam heifat es: „da sprachen die Oötter: wohlan,
»,lafst uns die Dämonen beim Opfer durch den Udgüha [den zweiten
„Abschnitt der Säma- Liturgie] überwinden! Da sprachen sie zur
„Rede: singe du für uns den Udgltha! So sei es, sprach sie^'
(Brih. 1, 9y 1 — 2). Weiter werden die Lebensorgane der Rede
u. s. w. getadelt, weil sie von den Dämonen mit Übel durchdrungen
wurden,, und dann wird ersählt, wie man sich an den Hukhya
Prft^ia wandte: „da sprachen sie zu diesem Prä^a (Odem) im Munde:
„singe du für uns den Udgltha. — So sei es, sprach er. — Da
,,sang dieser Pr&na für sie den UdgHha** (Bpb, 1, 3, 7)» — Ähnlich
heifst es auch im Chändogyam: „da holten die Götter den Udgttha
„herbei; denn durch diesen, so sprachen sie, werden wir, dieselben
„überwinden" (Chänd. 1, 2,1); und weiter werden die übrigen
Lebensorgane getadelt, weil sie von den Dämonen mit Übel durch-
drungen wurden; und dann wird ebenso erzählt, wie man Bilbh an
den Mukhya Prä^a wandte: „da nun geschah es, dafis sie, was
„dieser Odem im Munde (rnukki^a j[frä\M) ist, den ids den Udgltha
„verehrten" (Chänd. 1, 2, 7). — Hier wird an beiden Stellen ver-
mittelst Verherrlichung des Pr^a eine den Pr&na betreffende Lehre
und Vorschrift beabsichtigt. Dabei erhebt sich der Zweifel; ob hier
I eine Verschiedenheit der Lehre vorliegt, oder etwa eine Einheit 850
der Lehre?
Angenommen also, ^es liege, der oben aufgestellten Regel entspre-
^chend, eine Einheit der Lehre vor\ — Aber eine Einheit der Lehre
Ist doch nicht passend, weil eine Verschiedenheit des Vorgehens sich
zeigt, indem anders die Väjasaneyiu's und anders die Chandoga^s
vorgehen. Denn die Vajasaneyin's, wenn sie sagen: „sin|^e du für
„uns den Udgltha*' (Bph. 1, 8, 2), betrachten den Präna .als den
Vollbringer des Udgltha; die Chandoga*s hingegen betrachten
ihn als den Udgltha selbst, wenn es heifst: „ihn verehrten sie
„als den Udgitha" (Ch&nd. 1, 2, 7). Wie kann also hier eine Ein-
558 QlLrSraka-mlm&nsä
heit der Lehre vorliegen? — ^Aber diese EinweDdiing ist nicht gültig.
^Denn wegen eines so geringen Unterschiedes geht die Einheit der
'Lehre nicht gleich verloren, da, wie man sieht, in den meisten
Tunkten kein Unterschied vorhanden ist. So z. B. darin, djars
'die Sache ausgeht von einem feindlichen Zusammentreffen von
'Göttern und Dämonen; dafs die Absicht entsteht, die Dämonen
'zu üborwinden; dafs dabei an den Udgltha gedacht, und zu. diesem
'Zwecke die Rede U/ s. w. erwuhnt wird ; dafs man sich nach ihrer
'Verwerfung an den Mukhya Pruua wendet, und dafs durch seine
'Macht ein Zeratieben der Dämonen erfolgt, wie das eines Erd-
'klumpens, der auf einen Stein föllt; — alle diese Züge finden
'sich auf beiden Seiten gemeinsam. Und eine Verbindung des Präna
'als Subjekt mit dem Udgltha als Prädikat liegt auch im Vaja-
'saneyakam vor, da wo es heifst: „er ist fürwahr der Udgltha^'
'(Brih. 1, 3, 23). Somit hat man auch im Ch&ndogyam [den Pr&na]
'als das Vollbringende anzusehen und folglich liegt hier eine Einheit
•der Lehre vor.' —
856 7. na vAy prakarana-bhedät, parovaHyastva-ädi-vat
oder [vielmehr] nicht, wegen Verschiedenheit des Vor-
habens, sowie da, wo vorkommt, dafs er der aller-
vortrefflichste.
„Oder [vielmehr]" es ist richtiger, hier nicht eine Eanheit, son-
dern eine Verschiedenheit der Lehre anzunehmen; warum? „wegen
„Verschiedenheit des Vorhabens", d. h. wegen Verschiedenheit des
Unternehmens. In der That stellt sich dabei eine Verschiedenheit
des Unternehmens heraus. Was zunächst das Chtlndogyam betriff
so wird in den Anfangs Worten : „Gm! diesen Laut verehre man
„als den Udgitha" (Ch&nd. 1, 1, 1), der Laut „Om", welcher einen
Bestandteil des Udgitha bildet, als das zu Verehrende gepriesen,
und nach seiner Beschaffenheit als die allerfeinste Essenz u. s. w.
geschildert. Hierauf heifst es: „über diesen Laut besteht folgende
„Erzählung" (Chand. 1, 1, 10), womit die Stelle wiederum zu dem
Lrute „Om" als einem Bestandteile des Udgitha zurücklenkt und
vermittelst der Erzählung von den Göttern und Dämonen darlegt,
wie man diesen [durch den Laut Gm versinnbildlichten] Pr&na als
den Udgltha verehrte. Wollte man nun hierbei unter dem Worte
„Udgltha" den ganzen Abschnitt [der Säma-Liturgie, welcher den
Namen Udgltha führt] und den Vollzieher desselben, nämlich den
Priester Udgätar verstehen, so würde damit dem Eingange wider-
sprochen werden, und in demselben blofs ein bildlicher Ausdruck
zu sehen sein. Es mufs aber in einer zusammenhängenden Stelle
• Sötram III. ni. 7. 559
der Schlars voji dem Anfange in Abhängigkeit stehen. Somit liaben
wir hier eine Versinnbildlichung des Prana vermittelst des einen
Bestandteil des Udgithn bildenden Lautes ,f()m^' anzunehmen. —
Was liingegon das Vajasaneyakam betnift, j so liegt bei demselben 857
kein Grand vor, unter dem Worte Udgltha nur einen einzelnen
Bestandtoii desselben zu verstehen; vielmehr ist hier an den ganzen
[Udgltha genannten] Abschnitt der Liturgie zu denken, und wenn
es heir:5t: „singe du mn? den Udgltha" (Bnh. 1, 3, 7), 80 wird hier
der VoJlbringer des Udgitha, nämlich der Priester UdgatAi*, bild-
licli als der Prana vorgestellt, und dieses ist ein anderes Vorgehen.
Und wenn dabei auch der Prana und der Udgltha als Subjekt
und Prädikat mit einander verbunden werden, so geschieht auch
dieses nur zu dem Zwecke, den als den Priester Udgätar vor-
gestellten Prana als die Seele aller Dinge zu lehren und reicht
noch nicht hin, um eine Einheit der liehre zu konstatieren. L^nd
eben auch, weil dabei das Wort Udgitha [im Gegensätze zu der
andern Stelle] den ganzen Abschnitt der Liturgie bedeutet, liegt
hier die Sache anders. Auch dai'f man die Auffassung des Pr&na
al:^ Udgatar nicht darum, weil die Sache unmöglich sei, abweisen,
indem der Prana wie als Udgitha, so auch als TJdgatar nur zum
Zwecke der Verehrung aufgewiesen wird, j Dieses aber ist nicht 858
unzutreffend, sofern der Udgatar sein Werk, das Singen des Ud-
gltha, durch Anstrengung des Präna (Odem) verrichtet. Und auch
dieses sagt die Schrift ebendaselbst in den Worten: „durch die
^,Hede und durch den Odem (prä^a) saug er den Udgltha'' (Erik 1,
^, 24). Wo aber, wie hier, dasjenige, was gesagt werden soll, ein
Verschiedenes ist, da darf man sich nicht durch die blofse äufsere
Form der Stelle dazu verleiten lassen, eine Gleichheit des Inhalts
anzunehmen. So z. B. heifst es in der Stelle, welche von dem
[versäumten Mond-] Aufgange (Taitt. samh. 2, 5, 5, 2), und in der,
welche von dem Begehren nach Viehreichtum handelt: „man teile
.,dio Reiskörner in drei Haufen^'; und dabei heifst es auch in der
Stelle von dem Begehren nach Viehreichtam : „die, welche von
„mittlerer GrÖfse sind, die soll mau dem Geber Agni als einen
„Reiskuchon in acht Schalen vorsetzen." Hier liegt eine Ähnlich-»
keit der Unterweisung vor, und gleichwohl ist das Unternehmen
ein Verschiedenes; denn in der Stelle von dem Aufgaugo wird von
den [betreffenden] Göttern abgegangen, während hingegen die Stelle
von dem Verlangen nach Viehreichtum eine blofse Opfervorschrift
ist. In ähnlicher Weise ist auch hier wegen der Verschiedonheit
des Unternehmens eine Verschiedenheit der Lehre anzunehmen. „So
„wie da, wo vorkommt, dafs er der allervortrefffichste", d. h. so
wie, ungeachtet der Ähnlichkeit der Übertragung in der bildlichen
Auffassung des höchsten Atman, in der Stelle : „der Äther ist edler
„aIs diese beiden, der Äther ist das höchste Ziel, er ist der aller-
., vortrefflichste | Udgitha, er ist der unendliche^' (Ch&nd. 1, 9, 1), S59
560 gftrlrAka-mt]nin8&.
die Yerehruiig dös UdgHha, welcher durch die Atiribaie der höch-
sten Yortrefflichkeit n. tu w. aasgeseiohnet wird, Terschieden ist Yon
deijenigen Yerehrong des Udgitha, in welcher er durch die Atribute
als der Mann im Auge und Sonne mit goldenem Barte a. s. w.
ausgezeichnet wird (Gh&ncl. 1, 6 — 7). So wie man also hier keine
Zusammenfassung der beiderseitigen Attribute, wiewohl beides bei
derselben Yedasehule Torkommt, anaunehmen hat, in fthnlicher
Weise ist es auch der Fall bei derartigen Y«rehrungen, wo ^e in
verschiedenen Yedaschulen Torkommen.
8. sanifnA'toQ cet? tad uJctam; asti tu tad ßpi
wegen der Benennung, meint ihr? Darüber ist ge-
sprochen; es findet sich viehnehr dieses anch.
Man könnte meinen, dafs wegen der Einheit „der Benennung^
eine Einheit der Lehre hier anaunehmen sei, sofern beide Stellen
bezeichnet werden als die „Lehre vom üdgttha'^ Aber auch das
geht nicht; denn „darüber ist gesprochen*', nämlich in den Worten :
„oder [yielmehr] nicht wegen Yerschiedenheit des Yorhabena, so wie
da, wo vorkommt, dafs er der alleryortre£Bichste (SAtram S, 3, 7).
Daher bleibt hier eine Trennung das Biditigere, denn sie beruht
auf dem Wortlaute des Schrifttextes. Die Einheit der Benennung
hingegen ist dem Wortlaute des Schrifttextes fremd und wird nur
wegen des Yorkommens des Wortes „Udgitha'' von den pro*
fanen Besprechem der beiden Stellen ihnen beigelegt. Eine sol-
che Einheit der Benennung findet sich daher auch bei aner-
kannt Yerschiedentm, wie %, B. der Name „Udglthalehre*' auch
bei den Yerehnuigen als der allervortrefflichste u. a. w. Ähnlich
sind Feneropfer, Neumond»opfer, Yollmondsopfer u. s. w., wie sie
in dem einen Budie der K&Üiaka's vorkommen, anerkauntermaisen
verschieden und tragen doch die einheitliche Benennung „KAtha-
kam'*; und ebensaist es hier. Wo hingegen kein derartiger Grund
SCO für die Trennung vorliegt, | da kann allerdings aus der Einheit
der Benennung auf Einheit der Lehre geschlossen werden, wie z. B.
bei der Samvarga-Lehre (Ghand. 4, 3. Qatap. br. 10, 3, 3).
Sfttram III. iii. \l 5ßl
Viertes Adhikaranatn.
9. vyäptet ca sama^jasam
und wegen der Durchdringung ist es zußammen-
stimmend.
In den Worten: „Om! diesen Lant verehre man aln den Udglthu''
(Chtod. 1, 1, 1), werden die Worte „LaQt** and „Udgltha*' als 3nbjekt
und Prädikat mit einander verbanden. Dies liefse sich aus einer
Übertragung, Absprechung, Einheit oder Bestimmung,
erklären, und es fragt sieb, welche Annahme hier die richtige ist.
•^ Eine Übertragung {adhy&sa) nimmt man da an, wo von zwei
Dingen der Begriff des einen auf den Begriff des andern, ohne
dafs dieser aufgehoben würde, übertragen wird; hierbei bleibt von
dem Dinge, auf welches der andere Begriff übertragen wird, der
eigene Begriff bestehen, wenn schon ein anderer Begriff diarauf
übertragen wird (lies:'' adhyastetarabuddhdv opt); ähnlich wie,
wenn der Begriff des Brahman auf den Namen übertragen wird
(vgl. Ghl^nd. 7, 1, 5), gleichwohl der Begriff Name bestehen
bleibt und durch den Begriff Brahman nicht aufgehoben wird;
oder auch, wie wenn s. 6. der Begriff des Yishnu auf die Ab-
bilder desselben übertragen wird. In gleicher Weise könnte auch
hier der Begriff des Udgitha auf den I^aut, oder der Begriff des
Lautes auf den Udgitha übertragen sein. — Eine Absprechung
(apavdda) liegt da vor, wo bei einem Dinge der ihm früher bei-
gelegte Begriff als ein falscher erkannt wird, und der später über
dasselbe entstandene, der Sache entsprechende Begriff den früher
beigelegten falschen Begriff aufhebt. So z. B. wird der Begriff
des Selbstes bei dem Aggregate des Leibes und der Sinne durch
den an dem wirklichen Selbste (äinmni eva) gewonnenen Begriff
des Selbstes, welcher hinterher mittels der in den Worten „das
„bist I du*' (Chand* 6, 8,7) liegenden, sachgemäXsen Erkenntnis 861
entsteht, ssuuichte; so auch wird der falsche . Begriff über die
Himmelsrichtungen durch den sachgemäfsen Begriff über die Him-
melsrichtungen vernichtet. In gleicher Weise könnte auch hier
der Begriff des Udgitha durch den des Lautes oder d^ des»
Lautes durch den des Udgitha vernichtet werden. — Einv Ein-
heit (ekaivam) hinwiderum nehmen wir an, wenn die Woi-te
Laut und Udgitha ihrem Sinne nach nicht übereinander hinaus-
reichen, wie es z. B. bei den Benennungen: „Höchster der zweimal
„Geborenen", „Brahmane*', „irdischer Gott", der Fall ist. — Eine
Bestimmung (vt^esluifiam) endlich würde es sein, wenn der Laut
Divtixir, VcdAnt«. 36
i
J
662 Q&rlrakarmlm&n8&
*,Om'S welcher in allen Veden sich findet, indem er vorgenommen
wird, auf die Sphäre des UdgithapriesterB eingesi^hrankt wird;
ähnlich wie wenn man sagt: bringe mir dort diejenige Lotosblnme,
welche blau ist. Ebenso könnte es auch hier heifsen: derjenige
Laut Om, Welcher der Udgltha ist, den soll man verehren. — In
dieser Weise stellen sich, wenn man die gnonmatische Verbindung
der beideü Worte untersucht, die genannten Möglichkeiten ein.
Da nun ein Grund, sich für das eine oder andere zu entsehetdan,
nicht vorzuliegen scheint, so könnte man annehmen, 'dafs die
'Sache unentschieden sei'. -— Hierauf antwortet der Lehrer: ,,nnd
„wegen der Durchdringoxig ist es susammenstimmend". Das Wort
„und*' vertritt hier die Stelle deb Wortes „aber [vielmehr]** und
hat den, Zweck, die drei gegnerischen Meinungen absulehnen.
N&mlich drei der genannten Meinungen werden hier mifsbiUigt
und verworfen, und die vierte Meinung, nämlich dafs es eine
Bestimmung sei, wird gebilligt und angenommen. — Was zunächst
die Übertragung betrifilt, so würde bei ihr deijenige B^riff,
welcher auf einen andern übertragen wird, seinen Namen in büd*
liebem Sinne führen, und dafür müfste ein Lohn al^ Zweck an«
gegeben sein. Meint ihr, ein solcher Lohn liege vor, weil es heUse:
„fürwahr der wird zu einem Erlanger "-der Wünsche** u. s. w.
(Chänd. 1, 1, 7), so bestreiten vrir das, weil hier von einem Lohne
für etwas anderes die Rede ist^ denn es ist der Lohn für das
Anschauen des [vorher, Gh&nd. 1,1,6 beschriebenen] ErlaugenB
8€2 u. 8. w., I nicht aber f&r die Übertragung des Udgltha. — Auch
bei der Absprechung würde in gleicher Weise der Lohn fehlen.
Meint ihr, der Lohn bestehe in der Aufhebung der Msehen Er-
kenntnis, so bestreiten wir das, weil eine Verknüpfung derselben
mit dem. Ziele des Menschen hier nicht zu ersehen ist. Auch
kann niemals der Begriff des Lautes Om oder der Begriff de^a
Udgitha bei den betreffenden Worten aufgejioben werden. Übrigens
hat die Stelle auch gar nicht den Zweck, die Wesenheit einer
Sache zu lehren, sondern sie enthält nur eine Vorschrift der Ver-
ehrung. — Endlich ist auch die Annahme der Einheit nicht zu-
lässig; denn dann wäre der Gebrauch beider Worte zwecklos, da
schon eines allein die beabsichtigte Sache ausdrücken würde. Hierzu
kommt, dafs für den Laut Om, soweit er der Sphäre des Hotar
oder der Sphäre des Adhvaryu angehört, die Bezeichnung als
Udgltha nicht zutreffen würde, und dafs femer der Laut Om auch
nicht einmal auf den ganzen zweiten Abschnitt des S&man, welcher
Udgltha heifst, anwendbar sein würde, so dafs man für beide
eine Identität des Sinnes annehmen dürfte. Es bleibt somit nur
übrig, sich dafür zu entscheiden, dafs er eine nähere Bestimmung
sei. Nämlich „wegen der Durchdringung**, d. h. weil dieser Laut
allen Veden gemeinschaftlich ist, und damit nicht der Laut als
ein solcher, alldurchdnngender, hier angewendet werde, daram
Stktram III. m. S». 56a
wird der Jjaut durch das Wort Udgitha näher hestimmt, damit
auf diese Weise der Laut Om als ein Bestandteil des Udgitha
aofgefalst werde. — ^Aber liegt nicht auch bei dieser Annahme
'gleichfalls eine nneigentliche Bezeichnung vor, sofern das Wort
^Udgttha den Sinn einet« einzelnen Bestandteiles desselben ^hat?'
— I Allerdings! aber auch bei einer uneigentlicfaen Bezeichnung SGO
ist eine gröfsere oder geringere Annähemng wohl mdglich; bei
der Annahme der Übertragung nun würde der Begriff einer andern
Sache auf eine ganz andere übertragen werden, und die Hetapher
wftre eine sehr fem liegende; bei der Annahme der Bestimmung
hingegen ist die Metapher eine naheliegende, sofern dabei nui*
durch das Ganze ein einzelner Teil desselben bezeichnet wird.
Und die Worte, welche von Komplexen gebraucht werden, die
finden ja auch, wie z. B. bei dem Tuche und dem Dorfe, ihre
Anwendung auf die einzelnen Bestandteile [die Fäden und die
Bewohner]. Also «> wegen der Durchdringung ist es zusammeu-
„stimmend", d. h. unanfechtbar, dafs in dem Worte „Udgitha^' eine
nähere Bestimmung des Wortes ,,0m^* liegt.
Fünftes Adhikaranam.
10. sarva-ahhedäd anyatra itne
weil [diese Lehre] allerwärts die nämliche, gelten
[auch] anderweit jene [Bestimmungen].
In der Schule der V&jasaneyin's und der Chandoga's wird in
der Stelle vom Rangstreite der Organe die Verehrung des Präna,
welcher als der edelste bezeichnet wird, gelehrt, und hierbei wird
Ton der Rede und den übrigen gesagt« dafs ihnen die £igenschafteu,
die reidiate u. s. w. au sein, zukommen; und diese Eigenschafben
werden dann weiter auf den Pr&na übertragen, indem es heilst: „denn
,,dafs ich die reichste bin, dadurch bist du der reichste*^ u. s. w.
(Brih. 6, 1, 14. Ch&nd. 5, I, 13). Nun kommt aber auch in andern
Vedaschulen, | in der der Kaashttakin*s u. s. w., der Rangstreit der 864
Organe vor, und hierbei heifst es: f,nun folgt das Ergreifen der
„Höchstheit: es geschah, dafs diese Gottheiten sich um den Vor-
„rang stritten" u. s. w. (Kansh. 2, 14). Bei dieser Gelegenheit
wird gleichfalls vom Pr&na gelehrt, dafs er der edelste sei; hin-
gegen jene Eigenschaften, dafs er der reichste u. s. w. sei, werden
uicht von ihm erwähnt. Hier erhebt sich der Zweifel, ob jene
86*
564 V&n>^<^^«-ii^^>niuä8ft
Eigenschaften, der reichfite u. s. w.ixu soin, welche nur lUi einigen
Stellen vorkommen, auch bei den andern hinzuzufügen sind, oder
nicht? — Angenommen also, ^sie seien nicht hinzuzufügen: wanim?
*weil dabei ' das Wort „also" gebraucht wird. So heifst es: „wer,
S,dieses also wissend, an dem Prftna den Vorrang erkannt hat^*
'(Eansh. 2, 14), wobei, wie auch sonst vielfach, durch das Wort
^„also" der zu wissende Gegenstand bezeichnet wird. Nun bezieht
'sich aber da» Wort „also" auf etwas Nahestehendes und kann
'nicht auf eine ihm entsprechende Eigenschaft verweisen, die in
'einer andern Yedaschule vorkommt. Somit mufs eine nichts zu
'wünschen übrig lassende Yollst&ndigkeit schon durch die in dem
'Zusammenhange der Stelle selbst genannten Eigenschaften gegeben
'sein'. — Auf diese Annahme entgegnet der Lielnrer: ,Jene" Eigen-
schaften, dafs er der reichste sei u. s. w., müssen, obwohl sie nur
%n einigen Stellen vorkommen, doch auch bei den andern hinzu-
gefügt werden; wai'um? „weil sie allerwärts die nämliche"; d. h.
jene eine lichre vomPrana wird allerwärts als die n&mliche wieder-
erkannt, wie man an der Gleichmäli^igkeit in Bezug auf den 'B<Dg-
d65 streit der Organe ersieht. | Liegt aber hier eine Identität der
Lehre vor, so ist es unumgängliche dafs man die an der einen
Stelle erwähnten Eigenschaften an den andern hinzudenkt. —
'Aber es wurde doch- gesagt, dafs das Wort „also" an der einen
'und andern Stelle unabh^ogig von einander die ihm entsprechenden
'fieschaffenheiten aU das zu Wissende bestimmt. — Hierauf ist
zu erwidern: wenn auch durch das Wort „also", welches zuni
Brahmanam der Kaushttakin's gehört, eine Eigenschaft, welche im
Br&hmanani der Yäjasaneyin^s vorkommt,* nicht bezeichnet werden
kann^ weil &ie nicht in seiner Nähe steht, so wird dock diese
Eigenschaft für dieselbe Erkenntnis durch dasjenige Wort „also*'
befafst, welches in deni Brahmanam der Yajasaneyin*R (Bph. 6, 1, 14)
vorkommt. Hierauf beruht es. dafs die Eigenschaften, welche in
^nem andern \ 'cdatexte, der jedoch von der nämlichen Lehr«
handelt, vorkommen, von den in dem eigenen Yedatexte vor-
kommenden Eigenschaften nicht zu trennen sind. Hieraus folgt
keineswegs, dafs das Schriftmäfsigo aufgegeben und SchriftwidrigeB
angenomirten sei. Denn die Eigenschaften, welche in dem einen
Texte vorkommen, gelten für alle Texte, sofern der Träger dieser
Eigenschaften der nämliche bleibt. Denn wenn z. B. Devadatta,
der in seinem Lande durch die Eigenschaften der Tapferkeit
u. s. w. berühmt ist, in ein anderes Land kommt, dessen Bewohner
die Eigenschaften der Tapferkeit u. s. w. an ihm nicht bemerken,
so ist er darum doch nicht jener Eigenschaften ermangelnd. So
wie in diesem Falle die Eigenschaften des Devadatta auch in dem
fremden Lande aus dem näheren Umgänge mit ihm zu erkennen
sind, ebenso läfst sich aus der näheren Art der Behandlung er-
kennen, dafs die in dem einen Vedatexier zur Yerebrongempfol Jenen
Sfttrkd in. m. 10. 565
Eigendchaften auch in dem anderen Vedatexie hinzuzufügen sind.
Somit folgt, dafs man die auf die« n&mliche Sache sich beziehenden
Qualitäten, auch wenn nie nur an der einen Stelle genannt werden,
doch an allen Stellen hin2u4enken mufs.
Sechstes AdMkaranam.
«
H. dnanda-ädaycth pradhänasya b€6
i
i
die Wonne u. s. w. [gelten] von dem Hauptgegenstande.
An den Schriftstellen, welche den Zweck haben, die Natur des
Brahman darzulegen, werden als Eigenschaften des Brahman bald
die Wonneartigkeit, bald das Bestfehen aus Erkenntnis, bald die
Allgegenwart, bald die Allbeseelung und derartiges mehr genannt«
Hierbei erhebt sich die Frage, ob die Wonneartigkeit und die
übrigen [genannten] Eigenschaften des Brahman als solche^ als
welche sie vorkommen, jedesmal nur da, wo sie vorkommen, für
gürltig zu halten sind, oder ob sie alle allerwärts gelten. Auf
die Annahme, 'dais diese Eigenschaften hur für den jedesmaligen
*TeiI der Schrift Geltung haben', ist zu erwidern: „die Wonne u. s. w.
„[gelten] von dem Himptgegenstande'S d, h. von dem Brahman, als
Eigenschaften desselben alle an allen Orten; warum? wieder, „weil
„die Lehre allerwärts die nämliche'' (SAtram. 3, 3» 10). Denn darin
ist kein Unterschied, dafs es allerwärts einer und derselbe „Hauptr
„gegenständ^* ist, um dessen Bestimmungen es sich handelt, näm-
lich das Brahman. Darum ist die Allgemeingültigkeit der [ge-
nannten] Eigenschaften des Brahman aus demselben Grunde fest;-
zuhalteä, 'Welcher an dem im vorigen Adhik'aranam vorkommenden
Beispiele von der Tapferkeit u. s. w. des Devadatta erläutert würde.
— ^4.ber niufs man nicht, wenn dem so ist, | auch die übrigen 9^7
'[in der Stelle von dem „Wonneartigen*', Taitt. 2, 5] vorkommenden
^ßijgenschaften alle an allen Stellen beimischen? Denn es heifsl
'doch im Taittiriyakam, da wo von dem wonneartigen Ätmah die
^Rede ist, weiterhin: „Liebes ist sein Haupt, Freude seine rechte
'„Seite, Freudigkeit seine linke Seite, Wonne sein Leib, Brahman
'„sein unterteil, seine Grundlage'* (Taitt. 2, 5)'- — Hierauf lautet
die Antwort:
566 '(>rlraka-mtml^&
12. pri^a'^astva'ädi-aprdpHr, upacaya^-apacayau hi bhede
dafs liebes sein Haupt u. s. w. sei, ist nicht [all-
gemein] gültig; denn ein Mehr und Minder besteht
nur in [dem Bereiche] der Vielheit
Diu im Taittirlyakain vorkommenden Eigenschaften, dafs „Liebes
,,8ein Haupt" u. 8. w. sei, sind an andern Stellen nicht gültig, weil '
Eigenschaften wie Liebes, Freude, Freudigkeit und Wonne, mögen
sie sich nun aufeinander oder auf einen andern als Geniefser be-
ziehen, von der Art sind, dafs sich ein Mehr und Minder an ihnen
zeigt; ein Mehr und ein Minder- aber sind nur da möglich, wo es
eine Vielheit giebt; das Brahman aber ist frei von der Vielheit,
wie die Schriftstelle: „eines nur und ohne zweites" (Chänd. 6, 2, 1)
und andere beweisen. Überhaupt sind die Bestimmungen, dafs
„Liebes sein Haupt" u. s. w. sei^ gar keine Eigensdiaften des
Brahman, sondern sie sind nur Eigenschaften seiner HuUe (koga),
wie wir dies an der Stelle „der Wonneartige wegen der Häufigkeit*^
(Sütram 1, 1, 12 — 19) nachgewiesen haben.* Auch werden sie bei
dem. höchsten Brahman nur als ein Mittel gebraucht, um die Ge-
danken auf dasselbe zu lenken, nicht um dasselbe zu schildern;
und dies ist nqch ein Grund m«hr dafür, dafs diese Eigenschaften,
„Liebes ist sein Haupt" u. s. w. anderwärts nicht gültig sind. Wenn
aber der Lehrer speciell diese als Eigenschaften des Brahman in
868 Betracht zibht, | so geschieht es, weil er sie als Beispiel einer
allgemeinen Regel betrachtet, und darum zeigt, wie „Liebes ist sein
„Haupt'^ u. s. w. nicht allgemein gültig sind. Diese Regel nun
betrifft auch andere dem Brahman beigelegte Eigenschaften, welche
zum Zwecke der Verehrung an ihm aufgezeigt werden, und gilt in
all^n.F&Uen, wo Brahman z.B. als „Behälter des Glückes ** (vgl.
MuijLd. 3, 2,. 1), als „wahre Wünsche habend" (Gh&nd. 8, 7, 1) u. dgl.
beibrachtet wird. Denn wenn auch das zu verehrende Brahman
eine Einheit ist, so findet doch je nach der Verschiedenheit des
Vorgehens eine Verschiedenheit der Verehrung statt, und hierbei
dürfen die in dem einen Falle vorkommenden Eigenschaften nicht
auf den andern Fall übertragen werden. Es ist damit . ähnlich,
wie wenn zwei Gattinnen den einen Gatten bedienen , die eine mit
dem Fliegenwedel, die andere mit dem Sonnenschirm. Ebenso wie
hierbei der, welchem gedient wird, einer ist, und dabei in der
* Die hier vertretene Auffassung steht in Einklang mit den Aus-
führungen zu Sütram 1, 1, 12— -19, Seite .49—55; nicht aber mit dem,
was, im Anschlüsse daraa, Seite 55 —$0 ohne Zweifel von anderer Hand
eingeschoben worden ist.
S&tram III. in. 12. 567
Verschiedenheit des Dieuens zugleich eine Verscliiedenheit von
VerhUinissen [an demselben] gegeben ist, ebenso ist es auch in
unserem Falle. Denn das Mehr und Minder von Qualitäten kommt,
weil es das vielheitliche Treiben voraasaetzt, zwar wohl dem attri-
buthaften Brahman, nicht aber dem attriblitlosen höchsten Brab-
man zu. Darum haben solche Eigenschaften wie „Wahres wün-
„schend** u. s. w. , wenn sie nur an einzelnen Stellen vorkommen,
nicht an allen Stellen Gültigkeit.
13. itare tUj artha-s&mänyat
hingegen die übrigen, wegen der Identität des Zweckes.
Was „hingegen die übrigen" Eigenschaften, die Wonne u. s. \v.
betrifft, welche die Wesensbeschaffenheit des Brahman darlegen
sollen, 80 liegt bei ihnen die Sache anders, indem dieselben
,,wegen der Identität des Zweckes", d. h. wegen der Einheit des
z\x lehrenden Brahman als ihres Trägers, alle au allen Orten Gül-
tigkeit behalten; weil sie [nicht eine Verehrung, sondern] nur
und allein die Erkenntnis zum Zwecke haben.
Siebentes Adhikarat^anu
14. ädh^änäjfa, prayojana-ahh&vU «69
/um Zwecke der Meditation, weil kein Motiv vor-
handen.
Es heilst im Kathakam: „den Sinnen überlegen sind die
„Dinge, den Dingen überlegen ist das Mmias", und wie es weiter
heifst: „dem Geiste ist nichts and'res überlegen, er ist das End-
„ziel, er der höchste jGrang" (Kath. 3, 10 fg.)* ^8 erhebt sich die
Frage, ob hierbei alle die Genannten, die Dinge u. s. w. , immer
eines höher als das andere erscheinen sollen, oder ob der Zweck
nur der ist, den Geist als höher als alle Yorhergeuannten hinzu-
sitelleuV — Man könnte denken, 'dafs alle die Genannten, eines
4mmer höher als das andere, hingestellt werden sollen; denn die
'Schrift sagt ja, dafs dieses höher als da^ und jenes höher als
*di«*ses sei'. — Aber geht nicht darüber, dafs viele Dinge al«?
höher bezeichnet werden sollen, die Einheit des Gedankens Ter-
568 gMraka-mliiiftAsfL
loren? — *I)a» »chadet nicht, weil es mdgUoh ist, dafii die Stelle
'mehrere Gedanken enthält, und dafs diese mehreren Gedanken
*den Zweck haben, von mehreren Dingen zu lehren, dafs sie über
'andere erhaben sind. Somit wird hier von jedem dieser Dinge
^gelehrt, dafs es anderen überlegen Bei\ — Auf diese Annahme
erwidern wir: es ist vielmehr »o, dafs nur der Geist als über alle
jene andern erhaben hingestellt werden soll, nicht aber aoU ge-
lehrt werden, dafs jedes einzelne überlegen über andere sei; warum?
„weil kein Motiv vorhanden**, d. h. es ist kein Motiv ersichtlich oder
aus der Schrift zu entnehmen, wegen dessen auch die andern als über-
legen gelehrt werden sollten ; was hingegen den Geist betrifft, so ist
für die Darstellung seiner Überlegenheit über die Sinne u. s. w. und
870 seiner Befreitheit von der ganzen Masse des Unheils | n. s. w. aller-
dings ein Motiv vorhanden, nämlich die Erlangung der Erlösung.
Und dem entsprechend sagt die Schrift: „wer ihn erkannt hat, dem
„wird Erlösung aus des Todes Bachen" (E&th. 3, 15). Auch daraus,
dafs die Möglichkeit, es gebe ein höheres als den Geist, geleugnet,
und dafs durch die Bezeichnung des Geistes als „Endziel** das Inter-
esse" auf den Geist gelenkt wird, ergiebt sich, dals die Aufzählung
dei* Reihenfolge des Früheren und Späteren nur den Zweck hat,
auf den Geist hinzuführen. Dieses geschieht „zum Zwecke der He>
„ditation**, d. h. [wie Qankara meint] zum Zwecke der auf die
Meditation hin erfolgenden vollkommenen Erkenntnis. Nämlich
nur um der vollkommenen Erkenntnis willen wird hier auf die
Meditation verwiesen, nicht so, dafs die Meditation der eigentliche
Zweck wäre.
15. ätma-gabdac ca
auch wegen des Wortes Atman.
Auch deswegen hat jene Aufzählung der Reihenfolge der Sinne
u. s. w. nur den Zweck, auf den Geist hinzuführen, weil von der
Schrift in den Worten (K&th. 3, 12):
„In allen Wesen weilt verborgen er'
„Als Atman und tritt nicht ans Licht hervor.
„Zu schau'n ist er darch äufserstes Verständnis,
„Durcli feinstes -Solchen, die das Feine schanV*, —
der in Rede stehende Geist als der „A.tman** bezeichnet wird;
woraus folgt, dafs alle die übrigen für das, was nicht Atman ist,
erklärt werden sollen. Darum lehrt aucli nur von ihm die Schrift,
dafs er schwer erkennbar und nur' durch sehr sorgsames Denken
erreichbar sei, und verordnet als Mittel ihn zu erkennen die
Modit«tion in den Worten: „es hemme Rede samt Verstand der
Sütran in. ni.. 15. 569
„Weise*' (Kath. 3, 13). Übrigens haben wir diöa bereits besprochen
an den- Stelle: ,yauch das Gefolgerte sei 'nach Einigen*' (Sütram X,
4, 1). In dieser Weise ist ans der Schrift (Käth. 3, 13) eine Über-
legenheit über die mannigfaltigen [andern] Behälter (lies: aneha-
piahirät^ayäii^aifd^) nur für den Geist |, nicht f&r die übrigen za 871
entnehmen. Und auch wenn, es heifst: „der hat des Weges letsstes
„Ende, des Yishna hoohsten Schritt erreicht** (Kath. 3, 9), so erhebt
i{ioh die Frage, was wohl „des Weges letates Ende, des Yishau
„höchster Schritt** sein könne? Und um auf diese Frage zu ant-
Worten, unterzieht sich die Schrift der Bemühung, die Sinne u. s. w.
durchzugehen und dadurch die Belehrung über den ,3 höchsten
„Schritt** mitzuteilen.
Achtes Ädhxkaranam,
16. ätma-grihUir itaravad uttanU
NehmuDg des Atman, wie anderweit, wegea des
Folgenden.
E» heifst im Aitareyakam: „wahrlich diese Welt war zu Aii-
„fang der Ätman allein; es war nichts anderes da, die Augen äuf-
„zuschlagen. Er beabsichtigte: tich will nun Welten . schaffen ».
„Da schuf er diese Welten; [es sind:] die Flut, die Strahlen, der
„Tod, die Gewässer** u. s. w. (Ait. 1, 1, 1). Hier erhebt sich der
Zweifel, ob unter dem Worte „Atman** an dieser Stelle der höchste
Atman zu verstehen ist oder irgend ein anderer.
Angenommen also, *es könnt-e nicht der höchste Ätman sein,
'welcher mit dem Worte „Ätman** hier bezeichnet wird; warum?
*wegen des Zusammenhangs der Stelle'. — Aber ist es nicht viel-
mehr gerade der Zusammenhang der Stelle, welcher auf d^n höchsten
Ätman sich bezieht, Bofem in ihr die Einheit des Ätman vor der
Weltschöpfung behauptet, und .sein nach vorherigem Beabsichtigen
erfolgendes Schaffen erwähnt wird? — *Neiu', so könnte man
sagen. | *denn es ist nur von einer Schöpfung der Welten die S7*i
*Kede; denn wo der höchste Ätman als Schöpfer vorkommt, da muf»
«zuerst die Schöpl'ung der Elemente (mdhdbhüt'a) erwähnt werden;
*biür hingegen ist sogleich von einer Schöpfung der Welten die
*Redo; die Welten aber sind specielle Zusammenstellungen aus
*den Elementen, wie denn ja auch in unserer Stelle die Flut u. s. w^
*für die Welten [Welträume] erklärt werden, in den Worten: , Jenes
'„ist die Piut jenseits des Hinimeln** u. s. w. (Ait. 1, 1, 2). Die
570 ^fLrlnika-mlmliöft&
^Schöpfung der Welträama ab^ wird, wie aus der Schrift und
'Smriti zu erseben, von irgend einem dem höchsten Gotte unter-
*gebenen Götterfaerm (i^ara) bewirkt (vgL darüber Sütram 1, 3,
*309 Seite 178, 180). In diesem Sinne sagt eine Schriftstelle: ,|Zu
'„Anfang war diese Welt der Ätman allein in Menschengestalt"
'Q. s. w. (Bf ib. 1,4,1). Und auch die Smfiti sagt (Mftrka$4®ya-
'purftnam 46, 64) :
'„Er ist der Eörperträger erster,
'„Er wird der Forusha (Mensch) genannt,
S,Der Erstlingsbildner aller Wesen,
'„Der als Gott Brahm&n anßUiglich entstand*';
'und auch die Aitareyin's erwähnen in einem früheren Abschnitte,
'da wo es heifst: „nunmehr die Schöpfung des Samens; der Same
/„des Prajapati sind die Götter*^ (Ait. ^r. 2, 1, 3, 1), dafs die Schö-
^pfung der mannigfachen Welt nur ein Werk des Prajdpati ist.
^Auch von diesem wird nämlich das Wort „Atman" gebraucht; z. B.
'wenn es heifst: „zu Anfang war diese Welt der Atman allein in
'..Menschengestalt^' (Brih. 1, 4, 1). Und auch wenn von ihm be-
^haup'tet wird, dafs er vor der Weltschöpfung eine Einheit gevesen
^sei, so läfst sich dieses relativ, nämlich in Beziehung auf seine
'eigenen Umwandlungen, verstehen. Und auch das Beabsichtigen
873 'ist bei ihm, da er für geistig zu halten ist, angemessen. | Endlich
'auch, wenn es heifst: „diesen fülu^te er eine Kuh Vor, . . . diesen
'„führte er ein Pferd vor, . . . diesen führte er einen Menschen
'„vor; sie aber sprachen" (Ait. 1, 2, 2 — 3), so werden in dieseu
'Woiien mancherlei Thätigkeiten dem Atman beigelegt, wie sie nur
'bei den empirischen, mit Unterschiedlichkeiten behafteten Atman s
-vorzukommen pflegen. Deswegen scheint auch hier irgend ein
'mit Unterschiedlichkeiten behafteter Ätman verstanden werden
*zu müssen*. —
Auf diese Annalmie erwidern wir, dafs es nur der höchste
Atman sein kann, welcher hier zu verstehen ist, „wie anderweit'^;
d. h.: ebenso gut wie in andern Schriftstelleu von der Welt-
Schöpfung, z. B. ir. der Stelle: „fürwahr aus diesem Atman ist der
.jÄther entstanden" (Taitt. 2, 1), der höchste Ätman zu verstehen
iät, — und ebenso gut wie anderweit, beim weltlichen Gebrauche
des Wortes Ätman, unter dem Atman im eigentlichen Sinne nur
die innere Seele verstanden werden darf, — ebenso mufs es auch
hier sein. Wenn hingegen in der Stelle: „zu Anfang war diese
„Welt der ÄtmaTi allein" (Brih. 1, 4, 1), ihm unter anderm die
Menschengestalt, also eine ihm fremde Bestimmung, beigelegt wiid,
so mag man liiex* an einen mit Unterschieden behafteten Ätman
denken; an unseror Stelle aber ergiebt sich auch aus dem weiter
Folgenden eine Bestimmung, welche nur an den höchsten Atman
zu denken evlaubl, .soferji es weiter heilst: „er beabsichtigte: ich will
Sütr»m HL iii. 16. 571
„nun Welten schaffen. Da schuf er diese Welten^' n. s. w. (Ait. 1,
1, 1). Danim ist es richtig, vielmehr ihn hier zu yerstehen.
17' anvoff^d^ iti cet? syädt avadhärandt
wegen des Zusammenhanges; meint ihr! Doch! wegen
der Versicherung.
Wenn weiter behauptet wurde, dufs wegen des Zusammenhanges
der Stelle nicht der höchste Atman verstanden werden dürfe, so
widerspricht dem der Lehrer, indem er sagt: „doch, wegen der
„Versicherung'* ; d. h. es mufs doch richtig sein, hier den höchsten
I Atman zu verstehen; warum? „wegen der Versicherung"; denn S?^
nur wenn man den höchsten Atman versteht (lies: -^raAatie), kann
die Versicherung, dafs der Atman vor der Weltschöpfung eine
Einheit gebildet habe, zu Rechte bestehen, und im andern Falle
würde dieses ohne Berechtigfung dastehen. Wenn aber weiter nur
von einer Schöpfung der „Welträume'* geredet wird, so fassen
wir dies so, dafs sie als eine Folge der aus andern Schriftstellen
bekannten Schöpfung der Elemente anzusehen ist; und es ist
damit ebenso wie bei der Stelle: „dasselbige erschuf das Feuer*'
(Chlind. 6, 2, 3), welche wir so auffafsten, dafs die aui^ andern
Schriftstellen bekannte Schöpfung des Äthers und Windes als ihr
Torhergegaugen zu betrachten war (vgl. Sütram 2, 4, 1 fg). Näm-
lich wo in Bezug auf denselben Gegenstand in irgend einer Schrift-
stelle eine Bestimmung vorkommt, da ist diese bei den andern
Schriftstellen zu ergänzen. Wenn man femer in den Worten:
„diesen führte er eine Kuh vor'* u. s. w. (Ait. 1, 2, 2), dem Atman
specielle Handlungen zugeschrieben findet, so mufs man auch dieses
so auffassen, dafs es zusammen Ubimmt mit den Behauptungen über
das, worauf es eigentlich ankommt. Dasjenige nämlich, worauf
es hier ankommt, 'kann nicht die Erzählung der ganzen Lfgende
sein, weil eine Annahme derselben den Zweck des Menschen nicht
fordern würde. Vielmehr ist dasjenige, worauf es ankommt, nur
die Lehre, dafs Brahman die Seele ist. Darum lehrt die Stelle
zunächst die Schöpfung der Welträume, nämlich der Flut u. s. w^
.und der Welthüter, des Agni u. s. w., und geht dann auf die
Organe und den Leib als den Träger der Organe über, um sodann
weiter zu zeigen, wie eben jener Weltschöpfer, in der Erwägung:
„wie könnte dies wohl ohne mich bestehen'^ (Ait. 1, 3, 11), in
diesen Leib eingeht, indem es heifst: „oi* öffnete hier diese
„Scheitelnaht und ging durch diese Pforte hinein'^ (Ait. 1,3, 12).
Und wiederum heifst es: „[er erwog:] wenn | der Rede das Reden, S75
vWenn dem Odem das Atmen eigen ist" u. s. w. , — hier wird
572 Q&riraka-mtml^a&
die Thätigki^it der Qrgime yoq ihm nntierschiedeu, — nWer bin
,,denii aber ioh?^' (Ait. 1, 3, II). und nacbdem er also erwogen
hatte, „da erkannte er, dafs diese [seihe] Person das von Brah-
„man Durchsetzteste'^ [brakma-tatamam angeblich fftr brah-
ma-taia-tamam; vgl. dumishprapataramy Ch&nd. 5, 10, 6, oben
Seite ^497] „sei" (Ait. 1, 3, 13), — wodurch die Anschauung, dafs
der Atman das Brahman ist, ihre Best&tigung erhall, und wenn
es weiter heifst: „er ist Brahmän, er ist' Indra" und hierbei
das gesamte yielheitliohe Sein mitsamt den Elementen au^geaiUt,
und sodann gesagt wird: „alles dieses hat die Erkenntnis als
„Lenkerin, ist in dem £rkennen gegründet; die Erkenntnis als
„Lenkerin habend ist diese Welt, die Erkenntnis als Grundlage
„habend; das Erkennen aber ist brahmänhalt (brahmamy^ jjdi, 3, 3),
so bestätigen diese Worte die Anschauung, dafs der Ätman (die
Seele) das Brahman ist. Somit liegt an dieser Stelle ohne Wider-
rede eine „Nehmung des Atman" (S&tram 3, 3, 16) vor.
Hier folgt noch eine andere Auslegung [der Sutra's 3,3,
16—17]:
•■•• ' , •
Mma-gfihUir itaravad uttaräi
'l^ehmnng des Atman, wie anderweit, wegen des Folgenden.
. Wenn es im Väjasaneyakam heifst: „was ist das für ein Selbst
„(ä^mon)? — Es ist imtef den Lebensorganen der aus Erkenntnis
„bestehende^ in dem Herzen innerlich leuchtende Geist j^' (Bfih. 4,
3, 7), so hebt diese Stelle sogleich an mit dem Worte Atman und
lehrt weiterhin, indem sie von eben demselben zeigt, wie er tob
allem Haften [am Irdischen] frei ist, dafs der Ätman seinem Wesen
nach Brahman ist; und in diesem Sinne heifst es zusammenfassend
am Schlüsse: „fürwahr dieser groSse ungeborene Atman, nicht al-
„temd, nicht welkend, unsterblich und ohne Furcht ist das Brafa-
„man'' (Brih. 4, 4, 25). — Anders hingegen liegt die Sache im
Ghändogyam; denn wenn es daselbst heifst: „seiend nur, o Teurer,
„war diese Welt zu Anfang, eines nur und ohne zweites'^ (Ghftnd. 6^
2, 1), so wird hier ohne Anwendung des Wortes Ätman begonnoi,
und erst, in dem Re&ain: „das ist der Ätman, das bist du*'
(Chund. 6, 8, 7 fg») wird auf die Wesenseinheit mit ihm verwiesen.
— Hier erhebt sich der Zweifel, ob wohl diese beiden Schriftstelien
einen gleichartigen Inhalt, oder ob sie nicht yielmehr einen un*
gleichartigen InhiiU haben? — Angenommen also, 'sie hatten einen
'ungleichartigen Inhalt, wegen der Ungleichartigkeit der beiden
876 'Erwähnungen; | denn wo in der Darlegung eine Ungleichheit liegt,
'da darf man nicht eine Gleichheit der Sache annehnien, weil die
'Auffassung der Sache nach der Art der Darlegung sich zu richten
Stoam m« III. 17. 573
*Iuit. Im ydjasaneyakam nun, wo sofort ausgegangen wird von
*dem y^orte Atman, Tersteht es sich, dafs wir eine Belehrung über
'die Wesenheit des Atman Tor ans haben. Im Gh&ndogyam hin-
^gegen ist der Ausgangspunkt ein anderer, und somit mufs doch
^anoh wohl die Lehre hier eine andere sein.^ — Aber sagten wir
nicht, dafs auch bei den Ghandoga's im Refrain die Darlegung der
Weaenseinheit sich findet? — 'Allerdings sagtet ihr dies, aber da
'das Ende einer Stelle durch den Anfang bedingt wird, so ist hier
'die Annahme, als werde^die Wesenseinheit gelehrt^ nicht sutrefTend.*
So meint der Opponent. — Auf diese Annahme wird erwidert:
,,eine Nehmnng des Atman'' mufs auch hei den Chandoga*s in
den Worten: „seiend nur, o Teurer, war diese Welt zu Anfang"
(ChAnd. 6, 2, 1) gefunden werden; wie anderweit", d.h. ebenso
wie in der Stelle der y4ja8aneyili*B: „was ist das für ein Atman"
(Brih. 4) 8, 7), eine „Nehmung des Atman" angegeben wurde;
warum? „wegen des Folgenden", in welchem eine Belehrung über
die Wesenseinheit, erteilt wird.
antfopäd, iii cet? ay&d avadhäranäl
wegen des Zusammenhanges, meint ihr? Doch, wegen der Ver-
sicherung.
'Aber wie woUt ihr der Behauptung begegnen, dafis „w^gen des
'„Zusammenhanges" [des Schlusses] mit dem Eingange, und da doch
'im Eingange eine Erwähnung des Atman nicht vorliegt, hier keine
'„Nehmung des Atman" zuaugeben sei?' — Hierauf dient zur Antwort:
„doch! weg^n der Yersicherung", d. h. es ist trotzdem hier das Rich-
tige, eine „Nehmung des Atman" zuzugeben, „wegen der Yersiche-
„rung". Nämlich in den Worten: „wodurch das Ungehörte ein [schon]
„Gehörtes, da» Unverstandene ein Verstandenes, das Unerkannte ein
„Erkanntes wird" (Cb&nd. 6, 1, 3) liegt die Versicherung, dafs durch
die Erkenntnis des Einen Alles erkannt werden solle, und um dieses
zu bewerkstelligen heifst es: „seiend nur" u. s. w. (Ch&nd. 6;^ 2, 1);
und dieses pafst nur dann, wenn nuux eine „Nehmung des Atman' ^
voraussetzt ; denn sonst würde ja der Ätman im eigentlichen Sinne
des Wortes 1 nicht erkannt werden, und somit nicht zutreffen, dafs 87'
[durch ihn] alles erkannt worden sei. Hierzu kommt „die Versiehe
„rung" seiner Einheit vor der Weltachöpfung; femer die Erwäh-
nung der individuellen Seele als des „Atman" und die Auseinander-
setzung, wie dieselbe im Stande de? Schlafes in ihre eigene Wesen-
heit eingehe ; endlich noch die auf die Bitte [um weitere BeUhrung]
hin immer wieder und wieder gegebene „Versicherung" der Worte :
„das bist du" (Chänd. 6, 8, 7 fg.); alles dieses ist nur dann in
Ordnung, wenn die Wesenseinheit hier wirklich gelehrt wird, nicht,
wenn diese Wesenseinheit als eine blofse Folge erscheint. Auch ist
CS niclit berechtigt, sich hier auf die Abhängigkeit des Inhaltes, vom
574 (arlraka-mim&üsä,
Eingänge zu berufen; denn in dem Eingange ist weder davon die
Rede, dafs der Atman behandelt werden solle, noch anchy da/s er
nicht behandelt werden solle; eine solche Allgemeinheit des Ein-
ganges steht mit der Specifikation durch das Folgende nidit in
Widersprach; denn das Allgemeine erfordert eine solche Speci-
fikation. Und auch die Bezeichnung als „das Seiende^* pafst,
wenn^ man sie nti&er ins Auge fafst, auf nichts anderes aU auf
den Atman im eigentlichen Sinne, weil alle von ihm verschiedenen
und gewordenen Dinge durch das [darauf folgende] Wort von dem
sich- Anklammern (vgl. Sütram 2,1, 14) als nicht -real bezeichnet
werden. Auch die Ungleichartigkeit der Darlegung bedingt nicht
notwendig eine Ungleichartigkeit des Inhaltes; vielmehr kann sie,
wie die Ausdrücke: „hole die Schale ^^ und „die Schale hole** be-
weisen, auch bei Gleichartigkeit des Inhaltes bestehen. Somit
steht es fest, dafs in den Stellen dieser Art, wennschon die Art
der Darlegung eine verschiedene ist, doch der darzulegende Inhalt
sich nicht von einander unterscheidet.
Neuntes Adhikaranam.
*
876 18. kärya-äkhifänäd apiMrvam
wegen der Erwähnung als Obliegenheit das noch
nicht Dagewesene.
Die Chandoga*8 und Vajasaneyin's lehren bei dem Rangstreite der
Organe, dafs alles, bis zu den Hunden u. s. w. herab , dem PHlns
zur Nahrung diene, und erwähnen dabei, dafs das Wasser ihm als
Kleid diene. Darauf heifst es bei den Chandoga^s: „darum fürwahr
„umhüllen die, welche essen wollen, ihn vorher und nachher mit
„Wasser" (Chänd. 5, 2, 2). Ebenso heifst es bei den Yäjasaneyin's :
„darum geschieht es, dafs die Wissenden, Schriftkundigen, wenn
„sie essen wollen, sich den Mund ausspülen, und ebenso, wenn
„sie gegessen haben, ihn ausspülen; denn damit wollen sie diesen
„Lebenshauch unentblöfst machen; [das Folgende nur in der Mä- j
„e/Ayaitd«na-Receu8ion, Qat. br. 14, 9, 2, 15] darum soll, wer solches '
„weifs, wenn er essen will, den Mund spülen und, nachdem er ge-
„gessen hat, den Mund spülen; denn damit bewirkt er, daüs dieser
„Lebenshauch unentblöfst sei" (Brih. 6, 1, 14). An diesen Stellen
finden wir einerseits das Ausspülen, anderseits die Fürsorge fUr
die Nichtentblöfsung des Pr^na erwähnt, und es entsteht die Frage,
üb hier alles beides anbefohlen werden, solle oder blofs das Aus-
Sfttpam IIL III. 18. 575
spülen, oder blofa die Fürsorge ( fiu' die Nichtentblöfsung. — An- 879
genommen also, ^alles beides würde anbefohlen; warum? weil beides
'vorliegt; auch verdient beides eine Vorschrift, weil es noch nicht
'dagewesen war\ Oder auch man kann annehmen, ^nur das Aus-
'spülen werde anbefohlen, weil bei diesem eine die Vorschrift aus-
*drückend« Flexionsform [der Conjunktiv] vorliegt in den Worten:
'„darum soll, wer .solches weifs, wenn er essen will, den Mund
'„spülen, und nachdem er gegessen, den Mund spülen^' (Qatap. br«
'14, 9, '2, 15); die Erwähnung des Nichtentblöfst-Lassens w&re dann
'nur zui* Verherrlichung dieser Vorschrift hinzugefügt'. — Auf
diese Annahmen erwidern wir: es ist nicht anzunehmen, dafs hier das
MundauBspülen anbefohlen werde „wegen der Erwähnung als Ob-
,Jiegenheit'*; denn dieses Ausspülen rscheint nur als eine Obliegen*
heit| welche der Reinlichkeit dient, aus der Smriti (vgl. Manu 2,
53) bekannt ist und hier blofs nebenbei «rwahnt wird. — *Aber
'kennte nicht unsere Schriftstelle für jene Smritistelle die Quelle
'sein?* -*- Doch nicht! weil der Gegenstand ein verschiedener ist.
Denn diet entsprechende Smiitistelle hat es nur mit dem Menschen
zu th]un und .verlangt das Mundausspülen zum Zwecke d^ Bein-
lichkeit; unsere Schriftstelle hingegen behandelt als Thema die
Lehre Tom Pr&na, und wenn sie das Ausspülen anbefiehlt, so
kann sie ea nur mit Beziehung auf ihn anbefehlen. Vf o aber eine
Stelle der Schrift und eine solche der Smpti von verschiedeDem
Inhalte vorliegen, da können sie sich nicht als Quette und Ab-
geleitetes zu einander verhalten. Auch kaim man sich nicht dabei
beruhigen, dafs unsere Schriftstelle das Ausspülen anbefehle, weil es
zu der Lehre vom Pr&^a in Beziehung stehe und vorher noch
nicht dagewesen sei; vielmehr wird das Ausspülen als ein schon
Dagewesenes, welches nur zu dem Menschen in Beziehung stand, hier
wieder erwähnt. Aus demselben Grunde kann auch nicht beides
anbefohlen werden. Auch würde hierunter die Einheit der Stelle
leiden. Es ist daher vielmehr so, dafs das übliche Munda^isspülen
vor und nach dem Essen | beides erwähnt wird, worauf dann in 880
den Worten: „denn damit wollen sie diesen Lebenshauch unent-
„blöfst machen'^ (Brih. 6, 1, 14) durch unsere Stelle die Anschauung
der UnentblÖfstmachung des Präna, indem man mit Wasser spült,
als zusammenhängend mit der Lehre vom Pr&na und als ein
„noch nicht Dagewesenes" gelehrt wird. Diese Lehre von der
Unentblöfstheit dient keineswegs zur Verherrlichung dea Mund-
ausspülens, denn das Mundausspülen ist [hier] nicht der Gegenstand
der Vorschrift, sondern als Gegenstand der Vorschrift ergiebt sich
die Anschauung der UnentblÖfstmachung selbst. Indem dieses so
ist, so ist damit keineswegs zugestanden, dafs das eine Mundaus*
spülen zwei Zwecke habe, den der Reinigung und den der Um-
kleidung, weil ersteres, wie wir annehmen, ein ganz anderes Werk
ist,' denn für ein anderes Werk gilt das Ausspülen, welches zur
576 Q&i1raka^mlmlins&
Reinhaltapg des Menschen dient, und fär ein anderes Werk wieder
gilt es uns, wenn man mit den dasu dienenden Wassern die An-
scliauang einer Umkleidong Terbindet, welche als bezweckend» den
PrAna zn umhüllen, angenommen wird. Femer auch: wenn es
heifst : ,,alles was Torhanden ist bis herab zu den Hunden, zu den
„Tögeln, zu den Würmern, dm E&fem und dem Geflügel, das ist
„deine Speise^* (Bph. 6, 1« 14, Termengt mit Chand. 5, 2, 1), so
kann man nicht annehmen, dafs hier befohlen werde, alles als
Speise zu sich zu nehmen, denn dieses wftre schriftwidrig und
auch unmöglich; sondern wenn es heilst, alles ist die Speise des
Präna, so wird hier nur die [geistige] Anschauung desselben als
Speise anbeföhlen. Und wenn es nun ireiter im Gefolge daTon
heifst, das Wasser sei sein Kleid, so ist auch hier dasjenige, was
anbefohlen wird, nicht ein Mu)idaus6pülen mit dem Wasser, son-
dern es wird vielmehr befohlen, das wie bekannt zum Mundaus-
spülen gebrftuchliche Wasser [in geistiger Weise] als eine Um-
Üeidung [des Pr&na] anzuschauen. So. stimmt es zusammen; |
881 denn es fruchtet nidits, nur halbe Arbeit zu thnn. Auch heifst es:
„sie spülen den Mund aus", un^ dieses Wort kann, weil es etwas
wirklich Geschehendes [indikativisch] bezeichnet, nicht für eines
Befehl gelten. *Aber heifst es- nidit auch: „damit wollen sie
'„machen", und liegt hierin nicht gleichfalls der Hinweis auf ein
' ^schon wirklich Geschehendes?' — Das ist wahr; aber da dodi
eines von beiden notwendig das Anbefohlene sein mufs, so ist
wegen der Erw&hnung der Wirkung des Bekleidens dasjenige, was
als ein noch nicht Dagewesenes l^er anbefohlen wird, die Vor-
stellung des Cmkleidens, nicht aber das Mundausspülen, da diese$i
ein schon [im Ceremonial] Dagewesenes ist. Wenn weiter be*
hauptet wurde, dafs gerade bei dem Ausspülen eine Flexioasform
[der Goi^unktiv] vorkommt, welche offenbar befehlend ist, so ist
auch das dadurch zu beantworten, dafs das Ausspülen schon früher
dagewesen war. Aus diesem Grunde, d. h. weil es nicht darauf
ankommt, ein Ausspülen zn befehlen, beschliefsen die K&nva^s die
Stelle mit den Worten: „denn damit wollen sie diesen Lebenshauch
„unentblölst machen" (Brih. 6, 1, 14), und sie fugen nicht hinzu:
„darum soll wer solches weifs" u. s. w. Hieraus folgt, dafs andi
bei der Lesart der Mikdhyandina's [welche allein den letzteren Zu-
satz haben, Qatap. br. 14, 9, 2, 16] mit der Wiedererwfthnung des
[schon im Ceremonial dagewesenen] Ausspülens nur gesagt sein
soll, daili dasselbe hier nur denjenigen anbefohlen wird, welche „aol-
„ches wissen", nämlich, dafs darin eine Vorschrift liegt, den in Rede
stehenden Präna zu umkleiden. — Wenn weiter noch angenommen
wurde 5 dafs an der einen Stelle (Qatap. br. 14, 9, 2], 16 M&dhy.)
ein Ausspülen, an der andern (Brih. 6, 1, 14 Känv.). die Au&ssung |
desselben als eine Umkleidung empfohlen werde, so ist audi das
883 nicht gut, \ denn der Eingang der Stelle lautet in den Worten:
Sütram III. m. 18.
577
„das Wasser ist das Kleid/ u. s. w. überall gleicbmäfsig. Somit
ist es ricbtig) dafs hier nur die Auffassung als eine Umkleidung,
nicht das Ausspülen anbefohlen wird.
Zehntee ' Adhikarananu
19. samäna^ evan ca^ ahhedät
und ebenso in demselben [Texte], wegen der Nicht-
Verschiedenheit.
in dem Textbuche dör Y4jasaiieyin*8 befindet sich in dem
Agnirdhasyam (der Geheimlehre des Feuera, Qatap. br. X) auch
die mit dem Kamen . des ^andilya bezeichnete ^ Lehre ; hierbei
werden als Qualitäten erwähnt: „man soll den Atman verehren,
„dessen Stoff der Verstand, dessen Leib das Leben, dessen Gestalt
;,da8 Licht ist" u. s. w. (Qatap. br. 10, 6, 3, 2). Eben diese Yeda-
schule liest abermals im firihadäranyakam : „dieser Geist, dessen
„Stoff der Verstand, dessen Wesen das Licht ist, befindet sich
„hier inwendig im Hersen so grofs wie ein Reiskorn oder Gersten-
„kom; — und eben dieser ist der Herr des Weltalls, der Gebieter
„des Weltalls, er ist's, der über alles herrscht, was hier vorhanden
„ist" (Brih. 5, 6, 1 Känv.). — Es erhebt sich der ZweifeV ob wir hier
im Agnirahasjam und Brihadäranyakam nur eine Lehre und eine
Zusammenfassung der Qualitäten oder zwei Lehren und keine Zu-
sammenfassung der Qualitäten anzunehmen haben. — Angenommen
also, *hier bestünde eine Verschiedenheit der Lehre und ein Gegen-
Ssatz der Qualitäten; warum? weil sonst der Fehler einer Wieder-
^holung eintreten würde. Ja, wo die Texte verschiedenen Veda-
'schulen angehören, da kann man diesem Vorwurfe einer Wiederho-
lung ausweichen, in Anbetracht, dafs die Lernenden sowie die Leh-
*renden hier andere sind; hierbei liefse sich eine Einheit der Lehren
'annehmen, und die an dem einen Orte besonders erwähnten Quali-
'täten liefsen sich an dem andern Orte hinzudenken, wie wir dies z. B.
'bei dem Rangstreite der Organe gezeigt haben. Innerhalb derselben
'Vedasohule hingegen, bei welcher die Lernenden sowie die Lehren-
'den beide Male dieselben sind, läfst sich eine Wiederholung auf
'diese Weise nicht entsoliuldigen, | und eine einheitliche Lehre 883
'kann hierbei nicht an auseinanderliegenden Stellen angenommen
'werden. Auch kann man dabei die Sache nicht so zurechtlegen,
'dafs die eine Erwähnung der Anbefehlung der Lehre, die andere
Dsvimr, VtdAnu. 37
578 Clkrtaka-mlB^öAlL
'der Aabef^lnng dorf^ßiuditlten diene; itOKo. ridMm dürften nur die-
*jsmg»n Qualit&ten, ii^M^e m der einen flWUe; leUen, an der aiäiem
'«iodüi^mmen. Es finftiin sich aber vielin^r aan beiden Orten sao-
^^«^1 \yer8cbiedene ab fiiiiioh.:^e n&mlicbendiflijtdit&ten vor, wie x.lB.
*iäh Verstand' sein Sbiff 8«ei .m. b. w. Danuniiit es nicht mogüü^,
*£e ihtiderBeitfl YurkomiBwdep Qualit&ten gtimamnienmifaBaen/ -•—
Attf tä»ii»e Annahme er^f^cdecn wir: so wie jauei -.i^sraehiedenen YediK-
scfarisn eine Einheit far iLidbren und eins» ^SuMiiasienfaBSQng dar
Qnafiifatten möglich ist, ^)tfis^' kann es antiiiin derselben Yeda-
schale j|«i^hehen, »wefem S^t NichtyerscliMäft^^t'* des G^en^
staadltf Aer Yerehrang. S^onn es ist ein «ii£ JddJis^lbe Brahman,
weldMt^ miit den Qualitfttesi,, iiU^B Verstand aeui 'SkoB u. s. w. sei,
TertMlhcii^ san beiden Orten 'ib rdas nichtvemäiÄ^än^ Objekt der
Terehrm^g umgenommen winl txmA die Gestalt MIAiett., welche nach
dieser Ldbee 2U yerehren iA; \wo aber eine ISxäit^Qfschiedenheit
der Gestatt tmrliegt, da läftt JM)h «keine YersoUiiSenh^it der Lehre
annehmen, «säl wo keine Y«csjci)»ßdenheit der Lsfan^, (Sa kein Aus-
einanderfiilktt -der Qualitäten. — ^'^ber wurde <& "Y^v^hiedenheit
'der Lehre nkivt. daraus entnonunBn,4c^s sonst eine Wifidttäiolung vor-
«liegen würde?'' — Eine solche gAw wir nicht zu, "woQ/der Zweck
ein Terschiedeaer ist; denn die «änelSrwähnung hat Aen£weck, die
Lehre, die andere den, die QuatitSl^n anzubefehktt« (äaher hier
nichts TjiaviABmgsiB yorUegt. -^ ^iSbuv müfste nicht, wena dem so
'wäre, nur daij<wige, was im Agnkähasyam übergaaipeai ^war, im
^Brihadäranyakam erwähnt werden, :s. ß. dafs er der Heer 4ar Welt
'u. 8. w. ist, dac^ige hing^en, wn» echon erwähnt ww^ .z. 6.
'dafs der Yerstand eein StofiF ist il a. w« , das andere JU un-
'erwähnt bleiben?* •— Hierin liegt kei» Fehler; denn nur mit
Hülfe dieser iWiederlK>lttngen] läfst sieh Sie an der andern ftbelle
884 befindliche Lehre | ab dieselbe ?riedere9(%iicsinen. Nämlioh dnrch
die Erwähnung der nitnlichen Qualitäten nrjU die Schrift aa üe
an einer entfernten Stelle befindliche Lehre des Q&n^ilya wieder
erinnern, um mit Besug auf sie das Herrsetn Iflber die Welt u. s. w.
zu lehren. Denn wie sollte auf anderen Wege angezeigt werden,
^ dalis die hier vorkommenden Qualitäten sieh e«f jene Lehre be-
zögen ? Da es ferner wohl eulässig ist, wo eine Stelle durch Hin-
weisung auf einen noch nicht benutzten Teil derselben zu einem
Zwecke dienstbar gemacht wird, dafs auch der «ebon benutzte
Teil derselben, vermöge der Wiederholung desseni wee ihr wesent-
lich (nüyam) ist, wieder aufgenommen wird, so darf dieses kein
Grund sein, die Wiederanerkennnng einer Stelle als der nämlichen
zu beanstanden. Somit ist es im vorliegenden Falle richtig, an-
zunehmen, dafs, wiewohl die Yedaschule dieselbe ist, doch eine
IBinheit der Lehren und eine Zusammenfassung der Qualitäten statt-
findet.
Sfttnm UL in. 20. 579
*
ElfUii Adhikarai^m;
20. ^samibandhäd evam anyatra api^
'wegen der Verknüpftmg ebenso aucli anderwärts'.
Im Bfihad&ranyakam , an der Stelle: i,da8 Reale [ist] das
^rahman^% beifst es weiterhin: „dieses Reale ist jene Sonne d<Mrt.
„und jener Mann, welcher in der Sounenscbeibe ist, und dieser
rilbbDn, welcher im rechten Auge ist, [diese beiden fufsen aof-
,;8in«oder]** (Brih. 6, 5, l--<-2). Nachdem in dieser Weise für jenes
Reale, nämlich das Brahman, in kosmologischer und psychologischer
Hinsicht ein besonderer Standort aufgezeigt, und gelehrt worden,
wie die Schöpfung sein Leib ist [indem die £rde als sein Haupt,
der lichtraum als seine Arme, der Himmel als seine Beine auf-
gewiasen werden], so werden weiter zwei Geheimnamen (upanishad)
desselben mitgeteilt, nämlich in kosmologischer Beziehung heilst
es : 9^ein Geheimname lautet T ag (ahar/\ und in psychologischer
Bisttiekii: „sein Geheimname lautet Ich (aham/* (Brih. 5, 5, 8 — 4). —
Es erhebt sich äxe Frage, ob diese Geheimnamen alle beide ohne
Unterschied an beiden Stellen anzuwenden sind, | oder ob eine g85
Unterseheidung anznnehmen ist, so dafs der eine in kosmologischem,
der andere in* psychologischem Sinne gilt. — Hier versucht der
Lehrer zunächst durch ein Sütram folgende Annahme: 'so wie bei
^der [im vorigen Adhikarapam besprochenen] Lehre des Q&n4ilya,
^wiewohl sie an getrennten Stellen vorkommt, doch eine Zusammen-
^fassung der Qualitäten beschlossen wurde, „ebenso auch ander-
SjWftrts'' mnis dies bei einem derartigen Gegenstande geschehen,
StWegen der Verknüpfung** zu einer Lehre; denn es ist die eine
*Lehre von dem Realen, welche hier in kosmologischem und psycho-
logischem Sinne entwickelt wird, weil der Anfang derselbe und der
^Fortgang mit einander verflochten ist; daher die bei dem einen
* vorkommende Bescha£Penheit notwendig auch bei dem andern gelten
'muis. Denn wenn z. B. bei einem Lehrer ein bestimmter Wandel
*der Nachfolge u. s. w. [von den Schülern] verlangt wird, so ist
*es dabei ganz dasselbe, ob. dieser Lehrer sich im Dorfe (lies: aa
\f/rämapafet vgl. p. 886, 11. 12) oder in der Waldeinsamkeit befindet.
*I>aher sind beide Geheimnamen in beiden Fällen gültig.' — Auf
diese Annahme erwidert der Lehrer:
21. na vd vifeshät
oder vielmehr nicht , wegen des Unterschiedes.
Es sind doch wohl nicht beide Geheimnamen för beide Stellen
anzunehmen; warum? „wegen des Unterschiedes'^, d. h. wegen der
37*
580 ^-frriraka-m!mlua9&
Verknüpfung mit einem unterschiedlichen Orte der Verehrung.
Worin besteht diese Verknüpfung mit einem unterschiedlichen Orte?
886 Wir antworten: | wenn es heifst: ^„jen^r Mann, welcher in der
„Sonnensoheibe ist" (Brih. 5> 5, 3), so ist hier von einem Manne in
kosmologischem Sinne die Rede, und als sein Oeheinmame wird
der „Tag*' genannt; hingegen die Worte: „diesei; Mann, welcher
„im rechten Auge ist*' (Brih. 5,5,4) reden von einem Manne in
psychologischer Hinsicht, und von diesem heifst es: ^ein.Oeheini-
„nanie ist «Ich»'^; das hier vorkommende Pronomen „sein^ kann
sich nur auf ein unmittelbar Nahestehendes beziehen, woraus folgt,
dafs die beiden Greheimnamen mit Beziehung auf einen bestimmien
Standort gelehrt werden; daher sid unmöglich beide an beiden
Orten Geltung haben können. . -^ ^Aber ist nicht der Mann in dem
^kosmologischen und in dem. psychologischen Sinne einer und der
'nämliche; und ist es nicht das eine Beale, das eine Brahman, von
'welchem die Zweiheit der Standorte hier gelehrt wird?* — Bas
ist allerdings* richtig; aber wenn von jdiesem einen nur mit Hin-
weis auf zwei ^verschiedene Standorte zwei verschiedene Geheim-
namen mitgeteilt werden, so kann jeder derselben sich auf diese
eine Sache nur in so fem beziehen, als sie^ den betreffenden
Staudort einnimmt. Bas [obige] Beispiel würde also vielmehr
folgendermafsen zu fassen sein: wenn auch das Wesen des Lehrers
ganz dasselbe bleibt, so braucht doch dasjenige, was al9. auf den
Lehrer bezüglich gesagt wurde, sofern er sitzt, sich nicht auf den-
selben zu beziehen, sofern er steht, und ebenso braucht, was von
dem stehenden gilt, nicht von dem sitzenden zu gelten. Hingegen
bleibt die Wesenheit des Lehrers im Dorfe und in der Waldein-
samkeit dieselbe, und da die Pflichterfüllung an die Wesenheit
gebunden ist, so findet für dieselbe, in Dorf und Waldetnsamk^t
ein Unterschied nicht statt, sondern sie -bleibt in beiden Fällen
die nämliche, daher dieser Vergleich nicht pafst. Somit folgt,
dafs die beiden Geheimnamen auseinanderzuhalten sind.
22. dargatfaU ca
auch zeigt die Schriit ...
Auch li^ in der Schrift ein Merkmal vor, dafii .derartige
887 Qualitäten auseinanderzuhidten sind, pwenn es heifst: „die Ge^
„stalt, welche jener hat, die hat auch dieser, jenes Gesänge sind
„auch seine Gesänge, jenes Name sein Name" (Gh&nd. 1, 7, 5). -—
^Aber wie kann darin, dafs die Gestalt, welche Jena* hat, audh
'dieser hat, ein Merkmal für die Auseinanderhaltung liegen ?* —
Wir antworten: eben weil die Schrift einsieht, dais die durch die
verschiedenen Standorte' des Auges und der Sonne versohiedeofm
Sütrftm m. nx. d2. 581
Qualitäten [ohne Weiteres] nicht mit einander zusanunen^ufassen
sein würden, eben darum findet sie es nötig, mittelst einer be-
sonderen Hinüberweisung hier die für den Mann in der Sonne gül-
tige Gestalt u. s. w. auf den Mann im Auge zu übertragen, indem
sie sagt: „die Gestalt, welche jener hat, die hat auch dieser.'*
Damm steht es fest, dafs [an unserer Stelle, wo eine derartige
Hinüberweisung nicht vorliegt] jene beiden Geheimnamen ausein-
anderzuhalten sind«
Zu>olftes Adhikaranam.
23. sambhriii'difuvifäpti api ca atah
auch die Beochlielfimig und Himmelserfüllung aus
demselben (rrunde«
„In Brahman als dem iltesten die Kr&fte sind beschlossen;
„Das Brahman bat als lUtestes den Himmel ausgegossen <^;
in diesen Worten werden in den Supplemelnten der Ranäyaniya*s
die Beschliefsung der Kräfte, die Gründung des Himmels u. 9. w.
als die Machtvollkommenheiten des Brahman erw&hnt. In der
derselben Yedaschule angehÖrigen Upanishad werden^ die Lehre des
Qi^dilya (Ch&nd. 3, 14) und andere auf das Brahman bezügliche
Lehren mitgeteilt. Bei der Frage, ob mit diesen Lehren von
Brahman jene Machtentfaltungen des Brahman zusammenzufasscJn
sind oder nicht, und auf die Annahme, 'dafs man sie, wegen ihrisr
'Verbindung mit dem Brahman, zusammenzufassen habe\ bemerkt
der Lehrer: „die Beschliefsung und Himmelserfüllung*' und andere
Machtvollkommenheiten des Brahman sind nicht mit dör Lehre
des Q&ndilya u. s. w. zusammenzufassen, „aus demselben <jTunde
„[wie im vorigen Adhikaraijiam]*', d. h. wegen ihrer Verbindung
mit einem bestimmten Standorte. So wird z. B. | in der Lehre 888
des Qft^dilya als Standort des Brahman das Herz bezeichnet: „dieser
„ist meine Seele im innem Herzen'* (Chftnd. 3, 14, 2); und ganz
ebenso heifst es in der Lehre von dem kleinen Baume: „hier in
„dieser tirahmanstadt ist ein Haus, eine kleine Lotosblume [das
„Herz]; inwendig darinnen ist ein kleiner Raum" (ChAnd. 8, 1, 1).
Hingegen wird in der Lehre des üpako^ala als sein Standort das
Auge beseidmet: „der Mann, den man in dem Auge sieht" u. s. w.
(Chind. 4, 15, 1). In dieser Weise wird bald dieses, bald jenes
als der psychologische Standort des Brahn^n in dieseii Lehren an-
genommen. Hingegen sind jene andern, die Beschliefsung, Himmels^
582 QMraka-mSm&nsä
erfölluug u. s. w., kosmologiBche Machtentfaltnngen; wie sollten
dieselben also bei diesen [psychologischen Ajoschaiiangen] sor Yer-
wendong kommen? — 'Aber ist nicht auch bei den letsteren
'Lehren von kosmologischen Machtentfahongen die Rede, wenn ea
'z. B. heilst: „gröfser als der Himmel, grö&er als diese Welten^^
'(Ch&nd. 3, 14, 3); — „er heifset auch der Glamsesfurst, denn m
Stallen Wesen [statt: Welten] erglänzet er'' (Chdud. 4, 15, 4);; —
'„wahrlicli. so grofs dieser Weltraum ist, so grofs ist dieser Kanan
'„inwendig im Herzen; in ihm sind beide, dor Himmel uad die
'„Erde beschlossen" (Ch&nd. 8, 1,3). Auch giebt es ja nttk an-
'dere Lehren von Brahman, welche keinen bestimmten Slaiidort
'desselben angeben^ wie z. B. die Lehre von den seohaAn [in
'Brahman aufgehenden] Teilen (Pragna 6, 5)'. — Daa ist wohl
wahr, aber doch findet sich dabei eine Bestimmung, wettke nicht
erlaubt, die Beschliefsung und Hinnnelserfüllung damit sosammen-
889 zufassen. | Denn wo Lehren, wenn auch schon an auseinander-
liegenden Stellen, aufgedtellt werden, welche dieselben Attribute
vorbringen, da kann es [unter Ün^ständen] richtig sein, die an
auseinanderliegenden Stellen vorkommenden Attribute zusammen-
zufassen; hingegen die Beschlielsnng u. s. w. und wiederum die
in der (^ü^dilyalehre und anderen vorkommenden Attribute sind
von der Art, dafs sie sich gegenseitig ausschliefsen , und können
daher nicht zum Ausbau einer an einer andern Stelle Viurkommen-
den Lehre dienen. Denn darum allein, weil sie sich auf Brahman
beziehen, dürfen sie nicht zum Ausbau einer anderweit vorkommenden
Lehre verwendet werden, indem dieses auch bei Lehren vorkommt»
welche verschieden sind; denn wennschon das Brahman eines ist,
so steht es doch fest, dafs dasselbe vermöge der mannigfachen
Verschiedenheit seiner Machteutfaltungen in vet*schiedener Weise
verehrt werden kann, wie ja auch in Bezug auf die Stelle.« wo
vorkommt, „dafs er der allervortreffiichste " sei, eine solche Ver-
schiedenheit sich ergab (Sütram 3, 3, 7). Darum ist es nicht statt-
haft, die Beschliefsuug der Er&fbe n. s. w. mit der Lehre des
Q&ndilja u. s. w. zusammenzufassen.
Dreize/mtes Adhikaranam,
24. purasha-vidyayam iva ca, itareshäm anämnänät
sowie auch in der Lehre vom Menschen, weil die
andern nicht erwähnen.
Bei den Tändin^s und in dem Rahasya-Brllhmanam der Paxn-
gin'fl findet sich eine Lehre vom Menschen, in welcher der Men^h
Sütnoi IUI m. 24. 583
alft eixL Opftr ToqfestoUft wind^ wivlMi da» ifim natürliche Latons-
«Ker UB drei Teile getSiÜ und mb§ di^ei Scnwücelternngen anfgi^fst
wii'd , wie aach weiter . dabei der Hnnger u. s. w. als die [Op^r-]
Weihe m. a. w. TorgefiteEt werden, wid noch andere \ Eigenschaften 890
2ar Sprache koHunen > , hti dea^n anter anderm eiiie Verwendung
gewisser Segem^süchefwnd Yerie alarttfindet (Ch&nd. 3, 16 — iTf^ —
Nun reden aoÄ die TMdttiriyailka'a wn einem gefwissen Menschen-
opfer^ nimüeh in demnikbsataev ^ welchem es heilst: i,da8 Selbst
„des Opfers des Solctee Wiaaenden^ ist der Opferspender, sein
t^QIanbe ist die 6attuBr[8ein Itaüo isl das Brennholz, seine Brost
,>das Opfodieti, aonet. Haare die Op^arstren^ der Yeda sein Haar-
,,))ii8ch, sex» Hern dnr.'0]^lBrpfiaefcenv. seine Liebe das Opfarschmalz,
„sein j^fer da» Qjjjfir Uäg,^- . seilte Bb&S' das Fener, seine Bez&hratmg. .
^jdiiwit er aiA hesinftigl^v ^Lie <^^|^srgabe, seine Bede der Hiiytar,
„fisin Odem der Vd^tiaK^*. sein Aiig;^. der Adhvaryii, sein Manas^der
,JQ^«hiii4n]^ (Taiti. l^i'.lOi;' Si). Bier erhebt sich die Frage,. ob
die., an der «sten Stelle geninraieQiiBeBchaffenhezIen des Mensehen
oiy^ des Op^nrs an derrXiitinrfgraslettä^ mit heranasiiziehen sind oder
nicfct? — 'Da beide. Mftfec von deaa. Menschen als Opfer die Jlede
4si% so konnte maft. an* eine. ZaaaaoBenfassnng denken.* Hierauf
a]b^. eiwidem wir, . daf^K die^ Sbdient^ meht zusammen^ufMsen . siäd >
wariun? weil das EigentfiadiGhe derr-einen SteQie sich in der ant
d<«» nicht wieder: wkenseiiiUilst. Dies drüekt der Lehrer dtircb
dier Worte ans: „|K>wIe-aiic)i in der Lehre vom Menschen [ebens«
,^wie; im vorigen AdhikMia^em keine Zusammen&ssnng voangeben
,4^i^^ nämiidi} deswegen^ weS in der Art, wie die einen Vedkr
!<eb^en, d. h.. d}e der Tü^diin^s ond der Paingin's, in der „Leibne
„y«»Qa; MenscheiV«^ die Sackte« darstellen, . in dieser Art „die andemV
dieselbe ,^Aioht.r erwäKnen>*S. nämlich die Tuttirtya^s; denn ibrisi
D>rstellnng; des Opfers zeij^ sich als ron der der andern* wesent^
iioh. vejreeliieden, sofern sie dabei Oatün, Opferspender, Vedi»»
Opferb^tteb Opfj^rstren» Opferschmala, Opfertier und die Opferpriester.
im einadben- durcl^hen [und auf Teile d0s Menschen deuten]*
Ebenso iMir dii^ Dariegung der Keltemngen [ipi Taitttriyakam] von
der an di»r ei^derm Stdle (Chand. 3, 16, l-^S) gai^ TerschitBd^i
aoibm ee^beiAt:. ^was er abends, morgens und; mittags [ifst^, d^
„^d (Uk Se^temagen'' (Taitt. ftr. 10, 64, dungenau). Und: wenn,
apch eij|i9 g^mpm Ähnlichkeit in der Auffassung; des Sterbens, al»
der SQhlu&^iMdkeng [beim Opfer] und anderm vorliegt (X^itlt^- ^
10, 6^.3; Qftftftd. 3, 17, 5), so ist das doch nur weniges und. wird^
ttber.bpifen; iKva der überwiegenden Weaensyersehiedan^eit, welche
nichjti evkmfet, die Stellen als zusammengetadrig. ananerkemen.
Übrig<ili0. cedet die Taittirfyastelle gar niekt yon einem Opfer
de;& iiten^Qif^h^ , I sondern es heifst: „dtm> (Spfers dj^ Wissenden % a9l
nnd^ diesig beiden Genitive werden nifdtti., der eit^e* al'^ Apfiesitioia
äfOH anj^mm, coordiniert, soudern sio lli«deutenj ,y,da»: Opfer dem^
584 Q4rlraka*mim&ns&
f^enigeiif welcher ein Wissender ist/. Es ist also gar nicht davon
die Rede, dftfs der Mensch wirklich das Opfer sei, sondern die
beiden Genitive beziehen sich auf Verschiedenes und bedeuten
das Opfer^ desjenigen , welcher ein Wissender ist. Denn die Be^
Ziehung zwischen Mensch und Opfer im eigentlichen Sinne besteht
doch darin, dafs der Mensch das Opfer darbringt [nicht aber ist];
und soweit es möglich ist, mufs man immer dem eigentlichen Sinne
vor dem bildlichen den Vorzug geben. Da nun in den Worten:
„sein Selbst ist der Opferspender" (Taitt. &r, 10,. 64, 1) der Mensch
als der Opferspender aui^dräcklich erwähnt wird, so beweist dieses
klärlich, dafs die Verknüpfung des Menschen und des Opfers [in
den Worten „des Opfers des Solches Wissenden"] nicht als eine
a|)positionelle Koordination gefafst werden darf. Hierzu kommt,
dafs die Schrift in den Worten „des Solches Wissenden" [auf den
Inhalt des Wissens] als auf ein schon Bekanntes zurückverwiesen
hat, dafs sie somit, wenn sie dann weiter noch den Menschen
als das Opfer und sein Selbst u. s. w. als den Opferspender erst
kennen lehren wollte, den Zusammenhang des Folgenden mit. dem
Vorhergehenden aufheben würde. Dies geht um so weniger, als,
wenn wir sehen, wie vorher die Lehre vom Atman mitsamt der
Entsagung als ihrer Folge dargelegt wurde, und es dann weiter
heifst : „ des Solches Wissenden ", jeder in dieser Erwähnung nur
.' eine zum Vorhergehenden gehörige , nicht eine selbständig« Be«
merküng erkennen wird. Dem entspricht es, dafs wir auch nur
89^ eine Frucht für beide Absätze | verheifsen finden, nämlich dtSs
man „die Majestät des Brahman erlangen" soll (Taitt. ar, 10, 63, 23
und 10, 64, 4). Hingegen wird in den andern Vedaschulen (Ch&nd. 3,
16-^17) die Lehre vom Menschen [als einem Opfer] so hingestellt,
d&fs de nicht den Nachtrag zu einem Vorhergehenden bilden kann.
Denn sie hat ihre eigene Frucht für sich, nämlich die Erhehnng
der Lebensdauer, welche zuletzt zusammengefafst wird in- den
Worten: derjenige „fürwahr lebet der Jahre einhundert und sech*
„zehn, wer Solches weifs" (Chänd. 3, 16, 7). Somit folgt, dafs
auch die in den andern Vedaschulen bei der Lehre vom Men*
sehen [als Opfer] vorkommenden Bestimmungen, wie Segensformeln,
Verse u. s. w. (vgl. Chänd. 3, 17, 6 — 7) im Taittiriyakam nicht an-
zuwenden sind.
Sötram III. in. 25. 585
Vierzehntes AdAikaranam,'
25, vedha-^ädirartha-bhedAt
weil der Zweck der Durchbohrung u. s. w. ein ver-
schiedener.
Im Eingaogo einer Upauishad der Atharvftnika'B konuni
der Vers vor:
.,>Durchbohre gaius ihn, das Herc dttrohbokre,
„Die Adern sprenge, den Kopf xersprenge,
„Dreifach versplissen [mache ihn] '* a. s. w.
— Gleichfalls der Eingang [der Upanisfaad] lautet bei den Tlln-
din's: „o Gott Savitar, rege an das Opfer" (Ch&nd. br. 1, 1); —
I and bei den'^drtyiyanin^s: „mit weifsen Rossen, [Indra,] bist 893
„du grünlieh dunkel"; — femer bei den Eafha's und Taittirt-
yaka's (Taitt. 1, 1): „Heil sei uns Mitra, Heil Vafuna." — Im
Eingänge der Upanishad der Yftjasaneyin's hingegen steht das
Vorfeier 'Brähmanam: „Es geschah einmal, dafs die Götter eine
„Somafeier begingen" (^atap. br. 14, 1, 1, 1). — Auch bei den
Kaushitakin^s findet sieh ein Br&hmai^am zum Preise des Feuers:
„da» Brahman fürw^akr ist die Feuerpreisung,. das Brahman ist
„dieser Tag; duroh das Brahman gehen in das Brahman ein und
„erlangen Unsterblichkeit, die diesen Tag begehen." — Wir haben
zu untersuchen, ob diese Verse: „durchbohre gans ihn" u. s. w.,
und ob die Werke der Vorfeier u. s. w. mit den Lehren [der
Upanishad*s, deren Eingang sie bilden} zusammenzufassen sind
oder nicht. Und da scheint es zunächst, ^dafs sie allerdings mit
'den betreffenden Lehren zusammenzufassen sind; warum? weil
'sie in unmittelbarer Nachbarschaft der Upanishadtexte stehen, deren
^Zweck die Wissenschaft ist.^ — Aber wir bemerken doch in den
fraglichen Stellen keine Vorschrift, welche auf das Wissen ab-
zweckte. — ^SchojQ recht, aber wenn wir sie auch nicht bemerken,
^so müssen wir doch wegen der Nähe der Upanishad's auf einen
^Zusammenhang mit diesen schliefsen. Denn wo eine Zweckmäfsig-
^keit dieser Nähe denkbar ist, da darf man sie nicht ohne Grund
'unberücksichtigt lassen.' — j Aber es ist doch keine Möglichkeit 894
zu ersehen, jenen Versen irgend eine Beziehung auf das Wissen
zu geben. Und was die Werke der Vorfeier u. s. w. betrifft, so
werden diese zu einem andern Zwecke auferlegt; wie sollen wir
also annehmen, dafs sie zugleich auch dem Zwecke des Wissens
dienen? — 'Diese Einwendung trifft nicht zu. Denn was zunächst
'jene Verse betrifft, so läfst sich wohl auch irgend eine Möglich-
586 Q4r1rabi-mtmftÄ8&
*'. ^k^it erff^en, dieaelben anf daB Wi»eii z« beziehen, Hofem &. B.
^das Herrn in ümea* «nrähut wird. D^onn «nf das Horar und Art-
^lickea wird hfto%^: Im den Verehrmif en als Ghmadläge «. dgf.
*verwi«Miit unf aus dieaeni Orunde iert «a wohl denkbar^ daSk
* Verse wie* «ydafc- Heras duröhbohre^' eine» Bestandfceü; der Ver-
^ehning aQBmaeken.. Jtooh ist ja ans der S^iift ecsichtlidi, da&
^aach bei den Yegtkmvigen gewisse Verse (^[Hraeke) aar Vietwendsng'
^kommen; z. B. wenn^ es beifst: „zvr Erdle wend* icbiinich mit
'„diesem, diesem, diesm [Sohne]" (Ch&odL S^ 15, S). In äboHcher
'Weise ist OS nicht unmöglich, daDs auch Wecke wie* die. Vortttor,
'wiewohl, ihre Bestimmung eine andei*w«ilige ist^ aneh' - bei . den
'Lehren eine Verwendung finden, ähnlich wie s. B. dsr. Bfikaspa-
^HsQva' [^leber eigentlich aar Erlangung des trehmcwarcasam
'dient] jf' audi beim V^jape^c^Opfer zur Terwenditttg lLammt.1*
Atifr diese Annahme erwidern wfr^ dals jene [vorerwih»4eD
ägriieite? und G^ebräucbe] mit den Lehren niciil zusnnmenzufztssen
^iull. Warum? „weil i- der Zweck der Durdhbohrung n« s. w. ein
'„inonsTiiieidener"; d. hi. deir Zweck aoieker Yerse wie: „das Hen
8W „<&mhbohre" | ist, 8of<$cm er von einem Durchhäkren des Her-
zene-. u;. s. w. handelt',, ein verschiedener, nicht mit den in der
UlMmifiliad mitgeteiltein Eehren zusammenh&ngender» nnd es ist
mib!^ möglich, ihn mife cbnselben zu Terbinden. . — 'Aber sagten
'war mekt, dafs dae^ HfensK auch bei den Verehrungen eine Rolle
'tEpiaitti und dafs yetniS^ <feraeliben eine Verbindung mit den Ver-
'^dtoisigen denkbar ii^?^' -^ Wir antworten: nein! denn wenn das
Besff dlein erwähnt^, wüxt^^ ae lietse sich allenfalls eine derartige
Tetwendung absebenv;' afe«r das Herz allein bildet gar nioht den
ifthsH des betrefito^» Tewea, denn es heiTe^: „das Herz durch--
^bofire, die Adent sfcmge^, und ein derarti^r Inhalt kann toU^
sündig nicht mi|t dl«s upanishadlehren verkntoft werden, da er
sich vielmehr auT esse Besauberung beziehe. Somit ist der Verek'
„durchbohre gaiii^: üm'^ u. s. w. zu dem Wesrke dei* Bezaubemng
[und nicht zur- l^psoishad] gehörig. — ISIIisdso wenn es heäfst:
896 „o Oott Savitscv ^^^9^ ^^ ^^ Opfer", | m^ mt dieser Spruch,, Mue
sich aus dem, Ksrkniaie der Anregung dm Opfers ergiebt, mit? ^^m
Opferwerke «m verbinden, und eine dtotin verschiedene V^oütbuih
düng müfsto; «vst noch aus einem andorm Beweisgrunde heriggdkriM
werden. — £)b«nBo steht es mit den andsm Sprüchen; bei eia%«Bt
ergiebt sick aus einem Merkmale, bei! ssdem durch die amitiic%^-
liehe Aussage, bei andern durch andlsrs Beweisgrönde, da& m rs
andern Zweieken zur Verwendung kosusen, und obwohl sift i» ^er
Oeheimschrift (rdhasyam d. h. Upansriiad) sich vorfinden, dteK nidit
durch die blofse Nachbarschaft als sugehörig zu dereit Lriure be-
trachtet werden können. Denn die Nachbarschaft ist ujtfit so be-
897 weiakr&ftig | wie das Schriftwort u. s. w., wie dies im evtten Lehr-
buQhe auseinandergesetzt wurde an der Stelle: ,)bei Kollision von
SfttDon III. ui. 3fö. 587
jfSohriftwoctJ^ Merkmal,. SäiGSfla^nzuncg, Thema. Nabefttehiing und
„PbadennuDgr ist daa^. jedesmall Folgende^ eriiw&cber [ab das Vorher-
.f^gs&ende], wegen Brämerliegnog BeinerBaieutnng^^ (Jaim. 3, 3, 14).
B&enso ist es nichts möglich, Werke wie? die Vorfeier u. s. w., da
SU», anderweit zon^ ^wendung kommen^ als eine Ergänzung der
HTpanishadlisiLisen:- zui betrachten, indenr dieselben mit diesen Lehren
durchaus keine Verwandtschaft des Inhaltes haben. Wenn aber
beim Vajag/^jfcr-^j^ler der Bi^haspatisa^a»' vorkommt, so i^: dieses
offenbar eine^ andare Verwendung deBselbßn [als die gewöhnliche]^
denn es h^Jaä [und damit wird' die^. &til>ständigkeit dea Bjihaspa-
tisava anediaiiDi;|:: „nachdem nuot das; Vajapeya^ Opfer dargebracht
,,hat, soll; mash (ten BrihaspatiaaiKa darbringen^' (A^yala^ritna^, ^jmta-
sütram 9t. %, 1^)> Hierzu kommt) (ki£h jene Vorfeier nur eiim. ist,
nur einmal Todrommt und dtecdb: eü^en stärkeren |. Beweisgrund 8f^8
schon für esEt» andere Verw<«ifefcai|§ bestimmt ist, sonuit niflbt auf
einen sjdbwäcberen Beweisggef£<:fei bni noch anderweit ssnsr ¥er^
wendunn^ gebracht werden Ibbo». Ja, wäre zwisobaa cbnn beiden:
Beweis^gxdnden kein Gradicfti^wMbied bemerkbar, soi mäeMs es so
sein; ein soldier Graduntessebied ist aber, wo [wie üsfff et&i Starker
und ein schwacher Bewej^ipwiid vorliegt, unmöglfefc zan TeKkttsnen,
indem sie sich eben durek die Stäike und Schw$«&Q^ vt^ft einander
unterscheiden. Man daif also nicht denken, daf« dorastiig« Spcftche
oder Werke blofs des^ipegen, weil sie in ihrer ISarfibaradiaft yor-
kommen, zu einer üpanishadlehre zii^'ehörig ^end. Viebnehr er«
klärt sich ihr Zusammenstehen mit derselben jSaraos, da(s auch sie
die gleiche Bestimmmug, im Walde studiert lu werden u. s. w.,
haben, und dies genügt, um ihr BenacLbartsteben an erklären.
Fünfzehntes Adhikaroi^am,
26, himau h^, upäyana-gabda-^^eAatvät; kugd-cchaffdath hs^
sttdi-upatgäfiavat; tad uktam
vielmehr bei dem Loslassen, weil das Wort vom Über-
uehmen ihm zur Ergänzung; wie bei dem Holzspane^
Metrum, Preisrufe^ Zugesange; darüber ist gesproohen.
Es giebt eine Stelle, der Tä^din's: „gleichwie ein Rofs die
' ,,Mähne, von mir schüttelnd das Böse, gleich dem Monde, der aus
,,dem Rachen des Rähu sich frei macht, von rair schttttelnd den
„Leib, werde ich eingehen, bereiteten Selbstes, in das Unbereitete,
588 g&rtraka-mimäA8&
„in die Brahmanwelt" (Gh4nd. 8, 13, 1). — Ferner Iteidit ee bei
den Ätharvanika*s (Hund. 3^ 1, 3):
,,Dann als ein Weiser schttttelt yon sich er
„Das Gate wie das Böse, und gel&atert
„Geht er enr Gleichheit mit dem Höchsten ein/'
Ebenso sagen die Qftty&yanin's: „die Söhne übernehmen seine Erb*
„Schaft, die Freunde sein gutes Werk, die Feinde sein böses Werk."^
Und die Kaushftakin's: ,^dann schüttelt er von sich das gnte und
„das böse Werk; sein gutes Werk übernehmen die Bekannten, die
„ihm lieb sind, und sein böses Werk, die ihm nicht lieb sind*^
(Kansh. 1,4). — Hier wird das eine Mal von einem Loslassen
des guten und bösen Werkes gesprochen, das andere Mal von einem
Übernehmen eben derselben teils von denen, die ihm lieb, teils von
solchen, die es nicht sind, und das dritte Mal ist von beidem, dem
Loslafsen und dem Übernehmen die Rede. Wo nun beides vor-
kommt, da ist nichts weiter zu erinnern; und auch wo das Über-
nehmen ohne das Loslassen vorkommt, ergänzt sich das Loslassen von
selbst durch den Sinn, denn wenn andere unsere guten und bösen
Werke übernehmen sollen, so versteht es sich von selbst, dafs wir
900 sie loslassen. | Wo hingegen blofs das Loslassen, nicht aber das
Übernehmen vorkommt, da entsteht die Frage, ob das Übernehmen
zu ergänzen ist oder nicht, und man könnte denken, 'dafs es nicht
'zu ergänzen sei, weil die betreflTende Schriftstelle nichts davon
'enthalte, und ^reil die Stellen der andern Vedaschulen sich auf
'eine andere Lehre beziehen. Hierzu kommt, dafs das Loslassen
'des guten und bösen Werkes eine eigene Thi^t, hingegen das Über-
'nehmen eine fremde That ist, dafs somit ohne anderweite Nötigung
'keineswegs in dem Loslassen schon ein Übernehmen angedeutet
'zu liegen braucht. Somit wäre bei dem Loslassen ein Ergänzen
'des Übemehmens nicht berechtigt.' — Auf diese Annahme er-
widert der Lehrer: „vielmehr bei dem Loslassen"; d. h. auch wo
blofs jenes Loslassen in der Schrift vorkommt, mufs das Über-
nehmen hinzugedacht werden, welches ihm zur Ergänzung dient.
Denn dafs das Wort vom Übernehmen die Ergänzung des Wortes
vom Loslassen ist, ergiebt sich aus der Geheimlehre der Kani^i-
takin*8 (Kaush. 1, 4). Somit ist auch anderwärts, wo blofs das
Wort vom Loslassen vorkommt, das Übernehmen als seine Folge
zu denken. Denn wenn behauptet wurde, dafs die Ergänzung,
weil sie in dem Texte fehle, sich auf eine andere Lehre beziehe
und nicht notwendig sei, so erwidern wir darauf: dieser äi'und
für die Auseinanderhaltung würde stichhaltig sein, wenn es sieh
darum handelte, irgend ein Pflichtgebot, welches nur an dem <ifinen
Orte vorkäme , an dem andern einzufbbren. Aber das Loslkasen
und Überndimen wird hier gar nicht als ein Pflichtgebot erwähmt,
901 sondern nur zur Verherrlichung des Wissens | werden beide er-
äütriun III. III. 26. 589
wähnt und besagen, dafs da» Wissen so herrlidi ist, dafs infolge
desselben von dem Wisseuden das gute und das böse Werk, welche
di^ IJrsaohe des SamsÄra sind, abgeschüttelt werden und in seine
Freunde und Feinde' eingehen. Da somit diese* Erwähnung zur
Verherrliehung dient, so mufs, wie der Lehrer urteilt) weil un-
mittelbar auf das Loslassen als folgend das tlbernehmen vorgestellt
wird, dieses, da es au einigen Stellen vorkommt, auch an andern '
Stellen, wo nur ein Loslassen erwähnt wird, als desRen Folge ge-
dacht werden, damit die Verherrlichung um so grölser werde.
Denn dafs die. eine Sacherklärung gegeben wird, indem man sich
auf eine andere Sacherklärnng bezieht, ist etwas OewÖhnliches.
Denn wenn es z. B. heifst: „wahrlich, jene Sonne ist das einund-
„awanzigste von hier aus^* (Chänd, 2, 10, 5), so kann hier von der
Sonne, dafs sie das einundzwanzigste sei, nur insofern gesagt
werden, als dabei auf eine andere Sacherklärung Bezug genommeu
wird, welche sich findet in der Stelle: „zwölf Monate, fünf Jahres-
„Zeiten , diese drei Welten und jene Sonne als einundzwanzigstes*|
(^atap. br. 6, 2, 2, 3). Ebenso, wenn es heilst: „die beiden Tri-
„sh^bh- Verse dienen | zur Kräftigwerdung" (Ait. br. 1, 4, 11), so 902
wird in Ausdrücken dieser Art Bezug genommen auf anderweitige
Saoherklärungen, wie z. B.: „wahrlich die Trishtubh ist das Kraft-
„ vermögen^ (indrij^air^ vai trishfuff, Taitt. saijih. 3, 2, 9, 3). Da
übrigens jene Stelle von dem Übernehmen [nur] den Zweck hat,
das Wissen zu verherrlichen, so ist es nicht am Platze, auf die
Frage, wie es möglich sei^ dafs ein anderer eines andern gute und
böse Werke übernehmen könne, sich allzu tief einzulassen, und
auch der Lehrer, weim er im Sütram sagt: „wei? das Wort vom
„Übernehmen ihm zur Ergänzung", deutet mit dem Ausdrucke*
„Wort" darauf hin, dafs man- nur um der Verherrlichung [des
Wissens] willen bei dem Loslassen an ein ihm folgendes Über-
nehmen zu denken habe; würde es sich hingegen um eine Zu-
sammidnfassung von [wirklichen] Qualitäten handeln, so müfste das
Sütram vielmehr sagen, dafs [nicht das Wort, sondern] die Sache
des Übemehmens dem Loslassen zur Ergänzung diene. Während
es sich also im allgemeinen gegenwärtig um die Frage handelt,
in wieweit die Qualitäten zusammenzufassen sind, so hat das
vorliegende Sütram vielmehr den Zweck, die Art und Weise der
Zusammenfassung zu zeigen, wo es sich um blofse Verhenlichungon
handelt. „Wie bei dem Holzspane, Metrum, iPreisrufe, Zugesauge"; .
in diesen Worten wird ein Gleichnis herangezogen, nämlich es ist
damit, wie wenn z. B. die Bh&Uavin's in dem Texte: „ihr Holz-
„späne, die ihr vom Waldesbaume stammt, ihr sollt mich schützen^S
von den Holzspänen nuJr im allgemeinen aussagen, dafs dieselben
von einem Waldbaume ihren Ursprung haben, während die Qätyä-
yanin's in den Worten: „Holzspäne vom Udumbara- Baume" | die 903
»pecielle Bestimmung bieten, dafs Udumbara- Späne dabei zu vor-
590 girirate-mlmAiM
wianden äind, '— - Oder bs ist, tnde wenn «u^ailen zwisefaen aen
M<ekren iSer Gdtter und denen - äsi Aewa^^s in >&iireff des FdUher
odor Sinter kern Unterschied gemftoht md, -iirilirend aai Biißfr
Stelbe der PaingbU hervorgebt, SoSb „<£e Metra d^ ß$tt«r die
„früheren sind." — vOdor e» ist, wie^enn für den «eühsdanteiligeB
Preiscuf [hei dw iübem&chtigen 'fiontafenar] einige iseine gentate
ZeitttQgabe bieten, twfftbrend die jUttiepe ZeitbestiiiiiBaQjg »i ent-
nehmen ist aus ftor ifitelle der ÄnäffibbiV: „zwisiAten &b« dafo
„die fiimne aufgeU^^^ — Oder wie «dtoe Zugesanges änipe ohne
nähere Bestimmung {gedenken^ hingegen Hie Bh411aw'% moA einer
Bestimwmig [nämli<ih dooltt der aach Uaifat. sa]|ih. 6, 3:, 1„ S vor-
kommenflfin , dafs der Jlt&varyn nieht hu denselben ewßmtötamen
habe]. — So wie ala^ itn diesen Beispielen "vom Holzspaae «. s. w.
die in euuar Schrift vodcr^zamende nähere Bestimmung i« «i^Juizeii
liat; ebenso ist auch Wt Ssm „Loslassea^ 4mb „ÜbemelHMaa^* su
«rganzen. Wollte maa ^simlich die von imr einen Sdniftstelle
ffiühoiene nibere BestiawBOB^ bei einer aadem Schrütsiclle Yon
der Hand weiaen, so würie allgemein das WaÜlbelieben hemciien,
weiches doch, sofern ein sAiderer Weg sich *eigt^ nicht snUteig
ist. „Darüber ist gesprochco^ nämlich in dem surölfteüigen Werke
[des Jaimini], wo es. heilsi: ^^^s ist yielmehr auf Grund der Er-
d04 „g&nzung einer Stelle | die «idere Auffassung awauschlielsen; ist
„andern Falle wsitet das BsBÄen". —
Man kann a«ch annehmen, dafs durch das vorliegende
Siktram m Bezug wa{ eben jene Schriftstellen von dem Yonsicfa-
schütteln [der guten und bösen Werke] die Frage behandelt werde,
«ob unter jenem Yonnchschatteln der guten und bösen Werke ein
Loswerden derselben aa verstehen sei oder etwas anderes. — Die
oppositionelle Meinung lat dabei so zu fassen: 'das Vonnehschütteln
'kann kein Loslassen bedeuten, denn die Wurzel dhü (schütteln)
4)edeutet nach der Smriti [der Grammatiker] ein Erschüttern; wie
^ersichtlich ist aus ihrer Anwendung in der Redensart : „die Fahnen«
'„wimpel werden geschüttelt*^, welche besagen soll, dafs die Wimpel
'dsr Fahnen vom Winde heftig bewegt [nicht aber abgeschüttelt]
^werden. Das Schütteln bedeutet also nur eine heftige Erschütte-
Tung und diese Erschütterung der guten und bösen Werke besagt,
'dafs die Zeit kommt, wo sie [durch die Erlösung] verhindert
'werden, ihre Frucht zu bringen.' — Auf diese Annahme ist au
905 erwidern: | der Ausdruck „von sich schütteln** mufs vielmehr ein
Loslassen bedeuten, „weil das Wort vom Übemehöien ihm zur*
„Ergänzung**; denn die guten und bösen Werke, welche in dem
Besitze des einen sind, können, ohne dafs sie losgelassen wer»
den, von einem andern nicht übernommen werden. Und wenn
auch dieses Übernehmen fremder guter und böser Werke durch
andere nicht buchstäblich zu nehmen ist, so geht doch aus der
SAtram Dl. m. 26. 591
Snvänammg d«Hselben hervor, dAÜs cbm en^preahend jenes vVoiukh-
•iH;h(ittebi^^ewt& nur ein LodlasMu befieui^nilcanii. Und wenn iiimeli
»dios^ätll^meluBen nur an eiuigeo Si^en i^]:^on dem Vonaich^üt^lu
vorWiluat, so-«fird doch darauf, wie ^hei ,v^«m .llolzspane, ISoirun),
^^l^irt^israfenndlZugesange'V überall, w«o -dös Abschütteln voriomn+t,
iBefsUg* gßfs^mfi33mTit nnd somit ist es £ar WkÜe Stellen entschdideiid
•für (die .Bedeiitiling des Youaichscfaftttelttfi. -^-^ .Ä,uch die heftige 1Bf^
vYi^^gUTtg, wie , die eines Fahußnwimpels, kann , ja -bei den guten jind
b^c^i« ;'K«ifke9Q I nicht im eigentlichen Snne .verstanden weirden, '^OG
w^äi vdi<3Aelbemiicht materiell sind. Übngeins wirft auch ein Rftl^, ^
^&m ie>s die i3!lll)ine schüttelt i um den Simih Jos zu werden, »u-
gWaoh ;mit .di^Meni auch die di^enutzten Hftwie lib,, und das Brl^l^
mupSTO ^agt ja:: ., gleichwie ein^Rofs die Mäiusw, you mir schüttcbad
„dae^tme*' (Gli^nd. 8, 13, 1). S)a femer dieW»ce^ln häufig mehr-
fache Be&ftutungon haben, so £ndet ein WiA^rqputaich dieser Er-
kläroutg ^eii^ siw J^grammatischeiig Smriti nicht jstartrt. T)ie Worte
„darüber lis^ ^espspchen'* wurden bereits erklMu
SeokzehfUes AäbSkaranam.
27. sdmfmäye, lartavya'iMAväty tathä M <mife
bei dem zum J^hinsdbeideD} weit eine Notwendigkeit,
dafs sie hinühergelangten , uicfat vorliegt; ddim so
lehiaen andere. -
Die Kaushitakin's erwähnen in der Thrnolehre, wie daijenig»,
vdcher auf dem 65tterwege zm dem auf dem Throne sitzenden
Bndiman hinübergeht, onterwegß von seinen guten und bÖ»en
Wedien losgemacht wird: „wenn er diesen Gdfcterweg betritt , so
9>g^lMigt er in die Welt des Agni", und wie es weiter hei£it;
„dann kommt er zu dem IStrome V^arä*; diesen überschreitet er
„durch den Geist ^ dann schüttelt er von sich das gute und das
„böse WätIc" (Kaush. 1, 3 — 4). Hier entsteht die Frage, ob die
Stelle von der Lostrennung [der Werke] so zu verstehen ist, dafs
dieselbe, dem Schriftworte entsprechend, unterwegs geschieht, oder
ob sie gleich zo Anfang mit dem Verlassen des Leibes stattfindet? —
'*' „nichtaltemd*^; beide Ausgaben, die von 1818 nnd 1863, lesen hier
Virajd „Btaublos", da doch die Lesart Vijard durch die Worterklärang
Kaush. 1, 3 na vä' ayam Jarishyati (im Texte jarayishyati) gesichert ist.
592 C^itolEMümliMi
Auf die Annahme, 'd*fii man et, weil die Schrift die ErkenntniB-
^norm irt^ so nriunen mtiuue, wie die Schrift es sage', entscheidet der
Lehrer: ,,bei dem^S n&mlich Gehen „zum Dahinscheiden'', d. h« sdion
bei dem Terlaaaen des Leibes, findet, rermöge des Wissens, diese
907 Loswerdong der guten nnd bösen Werke statt; | und als Grund
giebt er an: „wefl eine Notwendigkeit, dafs sie hinüb^gelangtMi,
„nicht Torliegt'^ N&mlioh der Wissende, wenn er dahingeschieden
ist ui^d Termdge des Wissens fsn. Brahman hineilt, hat unterwegs mit
seinen guten und bösen Werken durchaus nichts auszuführen, um
dessen willen dieselben auch nur einen Augenblick weiter als un-
remichtet fortbestehend zu denken wfiren. Da vielmehr die Fmdbt
des Wissens ihnen entgegengesetzt ist, sd findet kraft des' Wissens
ihre Yemichtung statt, und diese muls schon dann stattfinden,
wenn er sich der Frucht dös Wissens gegenüber befindet. Diese
Vernichtung der guten und bösen Werke findet also^ obschon sie
erst hinterher erwähnt wird, schon vorher statt; „denn so lehren
„andere'' Vedaflchulen, nämlich die Tä^din's und Gätyäyanin*s, dafs
schon in dem vorhergehenden Zustande das Aufgeben der guten
und bösen Werke stattfindet: „gleichwie ein Bofs die Mähne, von
;,mir sehflttekid das Böse" (Ch&nd. 8, 13, 1) und: „die Söhne
„übernehmen seine Erbschaft) die Freunde sein gutes Werk, die
„Feinde sein böfles Werk".
38. €handiata\ übhaya-avirodhäl
auf Wunsch^ weil beide sich nicht widersprecheiL
*
Wollte man annehmen, dafs erst nach dem Auszüge aus dem
Leibe und dem Antreten des Götterweges unterwegs das gute und
böse Werk vernichtet würde, so würde, da ein Bemühen des
Menschen betreffend das Betreiben der Entsagungen, Enthaltungen
und Wissenschaften, wie es die Ursache der Vernichtung der guten
908 und bösen Werke bildet, nach dem Dahinfall des Leibes | sich
nicht mehr nach Wunsch betreiben läfst, auch die durch dasselbo
bedingte Yemichtung der guten upd bösen Werke nicht möglich
sein. Somit folgt, dafs schon vorher in dem Zustande der Voll-
bringung der Mittel „auf Wunsch" jene Betreibung stattfindet,
und dafs als ihre Folge das Aufgeben der guten und bösen Werke
flieh eiostellt. Nur so ist ein ursächlicher Zusammenhang [swischen
„beidem", dem Betreiben und dem Aufgeben „ohne Widerspruch"]
möglich, und die Übereinstimmung mit den Texten der Tändin's
und Qäty%anin*8 vorhanden.
Sfttram IIL m. 29. 593
Siebzehntes Adhikaraiymn,
29. gater arfhavattvam ubhayathäj anyathä hi virodhah
die ZweckTnftfftigkeit des Hingehens ist je nach dem,
weil sonst ein Widerspruch.
Zuweilen wird im Zosammeiiliange mit dem Aufgeben des Guten
und Bösen der Götterweg (devti^äfia} erwähnt und zuweilen nicht.
Hier entsteht der Zweifel, ob da, wo das „Aufgeben" yorkommi,
stets und ohne Unterschied der Götterweg 2u ergänzen ist, oder
ob er in unterschiedlicher Weise manchmal dazu gehört und
manchmal nicht. Man könnte denken, ^dafs ebenso wie, wo das
S,Aufgeben" vorkommt, stets und ohne Unterschied ein „Über-
zunehmen dazu gehört, ebenso auch der Götterweg überall dazu
'gehöre'. — Auf diese Annahme erwidern wir: „die Zweckmäfsig-
„keit des Hingehens", d. h. des Götterweges, ist ,Je nach dem", d. h.
mit Unterschied anzunehmen; nlLmlich jenes Hingehen ist das eine
Mal zweckmäfsig und das andere Mal, im Gegensatze dazu, .nicht;
„weil sonst" d. h. wenn man stets und ohne Unterschied diesen
Weg annehmen wollte, „ein Widerspruch" eintreten würde. Denn
wenn es heifst (Mund. 3, 1, 3):
^[Daim als ein Weiser] schüttelt Ton sich er
„Das Gate wie das Böse, und gelftutert
Gebt er zur Gleichheit | mit dem Höchsten ein", 909
»»
80 steht mit dieser Schriftstelle ein Hingehen, sofern ein solches
zu einem andern Orte zu fahren pflegt, in Widerspruch. Denn
wie w&re es möglich, dafis der [vom Sainsära] Geläuterte und folg-
lich nicht mehr [wie die indiTiduelle , in ihn verstrickte Seele]
Wandernde, zu einem andern Orte hinginge? Und auch die
„Gleichheit» mit dem Höchsten", in die er eingeht, involviert
keineswegs das Hingelangen zu einem andern Orte; daher an
einer Stelle wie dieser die Annahme des Götterweges, wie wir
meinen^ g&nzlich zwecklos ist.
30. upapanna8j tat'-Uücshana-artha'Upalabdher^ lokavat
berechtigt, weil [and in so weit] ein Ziel als Zweck
desselben zu ersehen ist; wie in der Erfahrung.
Es ist aber diese Unterscheidung beider Fälle, vermöge deren
das Hingehen das eine Mal zweckmäfsig ist und das andere Mal
594 Cftttrab-flümAAift
nicht, berechtigt, ,>weil [und in so weit] ein Ziel als Zweck des-»
y^selben zu ersehen ist". NAmlich fGLr dM Hingehen ist ein das^
selbe veranlassendes Ziel au ersehen in allen attributhalten Ver-
ehrangen, wie a. B» in der Thronlehre (Kaush* 1). Denn in dieser
ist Ton einem Emporsteige zum Throne, von einer Unterredung
mit dem auf dem Throne sitzenden Brahman, von einer Erlangung
verschiedener Wohlgerüohe u. s.w., also von mancherlei Belohnungen
die Rede, welche bedingt werden durch das Hingehen an einen
andern Ort, Hier also ist das Hingehen zweckmftfsig, w&hrend
hingegen bei der vollkommenen Erkenntnis ein Ziel als
Zweck nicht zu ersehen ist.. Denn wenn einer die Einheit der
Söele erkannt und somit alle Wünsche erreicht und schon hier
auf Erden den Samen aller Leiden ohne Best verbrannt hat, so
bleibt ihm, abgesehen von der Abtragung des Vorrates von Werken,
deren Vergeltung bereits begonnen hat, durchaus nichts weiter
flbrig, worauf er seine Absicht richten könnte. In diesem Falle
also ' hat ein Hingehen keinen Zweck. Diese Entscheidung ist
aber so anzusehen „wie in der Erfahrung''; wie nämlich in
der Elrfahrung, zwar wohl da, wo es sich darum handelt, zu
einem Dorfs „zu gelangen," von einem von Ort zu Ort führenden
Wege die Rede sein kann, nicht aber [z. B.] da, wo es sich
darum handelt, zur Genesung von einer Krankheit „zu gelangen",
ebenso ist es auch hier. Übrigens werden wir diese Unterscheidung
[der attributhaften und attributlosen Lehre] im vierten Adhyftya
des genaueren darlegen.
Achtzehntßi Adhikaranam.
910 31. amyamdh sarvdsäm avirodhah, gabda'anumänäbhyäm
die unbeschrftnlrte Geltung in allßn [ist] kein Wider-
spruch, wegen des Wortes und der Folgerung.
Wir zeigten, wie ein Hingehen zweckentsprechend ist in den
attributhaften Lehren, nicht aber in der attributlosen Lehre vom
höchsten Atman. Nun kommt aber auch in den attributhatiken
Lehren das Hingehen zu Brahman nur mandimal vor, «. B. in der
Thronlehre (Kauch. 1), der Fünf-Feuer-Lehre (Brih. 6, 2. Ch&nd. 5,
3 — 10), der Upakoyala-Lehre (Ch&nd. 4, 10 — 15) und der Lehre vom
kleinen Räume (Chftnd. 8, 1 — 6), und manchmal wieder nicht, ä. B.
in der Honiglehre (Brih. 2, 5 oder Ch&nd. 3, 1--^1), der Qändiiya-
Lehre (Ch&nd. 3, 14), der Sechzehnteilig-Lehre (Pra^na 6) und der
Sfttram m. m. 31. 595
Tai^Y&nara^Lehre (Chuknd. 6, 11-^24). Hier erhebt sich die Frage,
ob jenes Hingehen eine nur auf diejenigen Lehren, in welchen ea
▼orkommt, eingeschränkte Gültigkeit hat, oder ob es ohne Ein-
schränkung für alle derartige [d. h. attributhafte] Lehren Gültig-
keit hat? — Angenommen also, *die Gültigkeit sei eine beschränkte;
'nämlich nur da, wo es Torkommt, kann das Hingehen gelten, in«
^dem das jedesmalige Vorhaben eine solche Einschränkung gebietet.
'Denn wenn man das Hingehen, weil es an andern Stellen vor-
'kommt, bei Lehren, wo es nicht yorkommt, ergänzen wollte, so
'würde man damit die Beweiskräftigkeit der Schrift u. s. w. aof-
'heben, indem dann jedes zu jedem Zwecke dienen könnte. Hierzu
'kommt, I dafs jenes durch die Stationen der Flamme u. s, w. er- 911
'folgende Hingehen in der Upako^ala- Lehre (Ghänd. 4, 10-^15)
'und ebenso wieder [in derselben Qftkhä] in der Fönf-Feuer-Lehre
'(Chftnd. 6, 3 — 10) vorkommt, und dieses würde, bei AUgemein-
'gültigkeit der Lehre, nur eine zwecklose Wiederholung sein.
'Darum ist dieselbe üirer Gültigkeit nach beschränkt.' — Auf .
diese Annahme erwidert der Lehrer: „die unbeschränkte Geltung"
ist das Richtige; nämlich „in allen" attributhaften Lehren, Welche
als Lohn die Erlangung von Beglückung {abhifudaya^ Tgl. Syste^i
des Yedänta S. 47S, Anm. 138) haben, muTs ohne unterschied
das als Götterweg bezeichnete Hingehen gültig sein. — 'Aber
'sagten wir nicht, dafs bei Annahme der unbeschränkten Gültig-
'keit ein Widerspruch gegen das jeweilige Thema eintreten würde?'
— Dies ist „kein Widerspruch, wegen des Wortes und der Folge-
„rung", d. h. wegen der Schrift und der Smfiti. Denn so sagt die
Schrift: „die nun, welche Solches wissen," — hier lehrt sie den
Götterweg als den Weg derjenigen, welche die Fünf- Feuer -Lehre
besitzen, — „und jene dort, welche im Walde Glauben und Bnfse
„üben" (Ch&nd. 6, 10, l), — hier zeigt sie, wie auch die, welche
auf eine andere Lehre eingeübt sind, denselben Weg wie die
Kenner der Fünf- Feuer -Lehre einschlagen. — 'Aber mit wel-
'chem Rechte behauptet man, dafs diese Schriftstelle Ton dem
'Hingehen auch für solche gelte, die auf eine andere Lehre ein-
'geübt sind ? Bezieht sich diese Gültigkeit nicht vielmehr auf
'solche, welche den Glauben und die Bufse als das höchste Ziel
'verfolgen, da doch nur diese erwähnt werden?' — Doch nicht,
denn durch Glauben oder Bufse allein und ohne die Mithülfe des
Wissens ist dieses Hingehen nicht erreichbar; denn eine andere
Schriftstelle sagt (Qatap. br. 10, 5, 4, 16):
„Durch Wissen steigen sie empor
„Dorthin, wo sich das Sehnen stillt,
„Nicht wer werktflchtig nur, und wer
^Unwissend Bufse bloCs erfQllt."
38*
596 gir1rtka-mtiiilUDL8&
Es iat also hier unter dem Glauben and der BoTse nodi der Be-
912 ritz einer weiteren Lehre mitsuTerstehen. | Übrigens lesen die
Y&^asaneyin's da, wo sie die Fünf- Feuer -Lehre darlegen: „die
„nun, welche Solches wissen, und jene dort, welche im Walde
„Glauben und Wahrheit üben'* (Brih. 6, 2, 15), d. h., wie man
erklären mufs, diejenigen, welche gläubig sind und dabei das
Brahman als die Wahrheit verehren; denn das Wort „Wahrheit'^
vrird oft genug von Brahman gebraucht. Da diejenigen, welche
die Fünf-Feuer-Lehre kennen, auch nur deswegen, weil sie „Solches
„wisseil** herangezogMi werden, so ist es folgerecht, ebensowohl die-
jenigen, welche eine andere Lebte als höchstes Ziel verfolgen, heran-
zuziehen. Auch heifst es ja weiter: „aber die, welche diese beiden
„Pfade nicht kennen, das sind die Würmer, Vögel und was da
^jbetfset'* (Brih. 6, 2, 16); diese Stelle lehrt für solche, welche die
beiden Wege verfehlen, einen schlimmen Niedergang, und indem
sie nur diesen neben dem Götterwege und dem Yäterwege erw&hnt,
BO folgt auch hieraus, dafs die Erlangung des Götterweges an das
Merkmal des Wissens geknüpft ist. Auch die Sm^iti sagt (Bhag.
G. 8, 26):
„Es sind der helle und der dunkle Pfad
„Ton je her fyr die Lebenswelt bestehend;
„Nicht kehrt zurück wer ersteren betrat,
„Ber and're ist zur Erde rückwärts gehend.'^
Wenn endlich der Pfad des Götterweges durch die Flamme u. b. w.
zweimal [in demselben Textbuche], nämlich in der üpako^ala-
Lehre und der Fünf- Feuer- Lehre, erwähnt wird, so hat das aei-
nen Grund darin, d€^ an beiden Stellen die Gedanken sieh
auf denselben richten Bollen. Somit ist die „unbeschränkte Gel-
„tung*' das Richtige.
Neunzehntes Adhikaranam.
918 33. u^vad-adhikäram iwasthüir ädMkärikänAm
solange die Betrauung, bestehen die Betrauten.
'Es fragt sich, ob für den Wissenden, nachdem sein g^en-
* Wärtiger Leib dahingefallen ist, noch ein neuer Leib entsteht
^oder nicht.' — Aber diese Frage, ob nach Erlangung des Wissena
als Mittels die Vollbringung der Erlösung erfolgen oder auch nickt
erfolgen könne, ist doch gar nicht statthaft. Denn es geht rieht
an zu fragen, ob nach Erlangung des Kochens als Mittels der Reis«
Sfttr«m m. m. 32. 597
brei entsteht oder nicht, und es hat keinen Zweck zu fragen, ob
der Essende sich sättige oder nicht. — * Inzwischen ist diese £r-
' wägung doch am Piatee, und zwar, weil aus den epischen und
'mythologischen Gedichten Fälle angeführt werden können, in wel-
schen gewisse Brahmanwisser doch noch einen neuen Leib erhielten»
'So berichtet die Smriti, dafs ein Yedalehrer mit Namen Ap&iitara-
'tamas, ein alter Weiser, auf Befehl des Yishnu in der Zwischen-
'zeit zwischen dem Kali -Zeitalter und dem Dv¶- Zeitalter als
'KrishnadTaipäyana geboren worden sei. Ferner erhielt Yasishtha,
'ein geistiger Sohn des Brahman, nachdem sein früherer Leib durch
'den Fluch des Nimi ihm verloren 'gegangen war, wieder auf Befehl
'des Brahman durch Yermittelung des Mitra und Yami^a eine Leib-
'lichkeit. Auch berichtet die Smriti, wie Bhfigu und andere gleich-
'falls geistige Sohne des Brahman beim Yaruna- Opfer wieder ins
'Dasein traten. Und auch Sanatkumära , ebenfalls ein geistiger
'Sohn des Brahman, wurde selbsteigen dem Rudra zufolge einer
'Geschenkverleihung als Skanda geboren. In ähnlicher Weise
^findet sich vielfach in der Smpti berichtet, wie Daksha, Närada
'und andere aus diesem oder jenem Grunde noch einen neuen Leib
^erhielten. | Und auch in der Schrift wird in Mantra's und Er- 914
'klärungen nicht selten darauf Bezug genommen. Und zwar er-
'hielten einige der Genannten den neuen Leib, nachdem ihr vor-
'heriger Leib dahingefallen war, andere hingegen, während er noch
'bestand, indem sie, kraft der durch die Toga -Praxis erlangten
'Gottherrlichkeit, mehrere Leiber zugleich annahmen. Yon allen
'diesen aber wird berichtet, dafs rie sich den ganzen Inhalt des
^Yeda au eigen gemacht [somit das die Erlösung bewirkende Wissen
^erlangt] hatten. Wenn man nun sieht, wie auch bei solchen
'Männern noch ein neuer Leib entstanden ist, so könnte man
'deuken, dafs das Wissen vom Brahman, jenachdem es kommt, die
'Ursache der Erlösung und wiederum nicht die Ursache der Er-
*]ösung sein könne.* — Hierauf ist zu antwoi*ten, dafs dem nicht
so ist; denn wenn jene genannten, Apäntaratamas u. s. w., noch
leiblich fortbestanden, so geschah dies infolge einer Betrauung,
indem sie mit gewissen Ämtern, von welchen der Bestand der
Welt abhängig ist, z. B. mit der Yerbreitung des Yeda, betraut
wurden. Denn wie jener heilige Savitar (die Soniie), nachdem er
tausend Weltperioden hindurch seine Weltmission erfüllt hat, zu-
letzt nicht mehr aufgeht und untergeht, sondern Absolutheit ge-
niefst, — wie die Schrift sagt: „aber dann, nachdem er empor-
„gestiegen, wird er nicht mehr aufgehen und nicht mehr unter-
„gehen, sondern wird allein in der Mitte stehen" (Chänd. 3, 11, 1),
— und wie auch die lebenden Brahmanwisser, nachdem der ange-
brochene Werkgenufs verbraucht ist, die Absolutheit geniefsen, indem
es heifst: ,fdie8em [Welttreiben] werde ich nur so lange angehören,
„bis ich erlöst sein werde, darauf werde ich heimgehen" (Ghänd. 6,
598 gMraka-mliiil^8&
14, 2)» — ebenso rnufs man annehmen, dafs auch die Götterberren,
Apantaratamas 4i. a. w., von dem höchsten Herrn mit dieser oder
916 jener Mission | betraut, trotzdem sie die ToUkommene Erkenntnis,
welche die Bedingung der Vollendung ist» besafsen, [noch] nicht
schwindenden Werks, „solange die Betrauung^' dauerte, bestanden
und erst nach ihrer Beendigung dispensiert wurden. Indem n&m-
lieh dieselben einen Komplex von Werken [als die unumgängliche
Ursache der Leiblichkeit], welcher eu dem Zwecke, die Betrauung
als Frucht zu bringen, [nicht durch ein Torhergehendes Leben,
sondern] auf einen Schlag entstanden ist, verbringen und dabei
frei, wie aus einem Hause ins andere, in diesen oder jenen Leib
fahren, um ihre Mission zu vollbringen, ohne dafs die Bückerinne-
rung ihnen geraubt wäre, so schaffen sie, vermöge ihrer Herrschaft
über das Material des Leibes und der Organe,, für sich Leiber und
gehen in dieselben gleichzeitig oder nacheinander ein. Dabei sind
sie nicht der Erinnerung an die frühere Geburt beraubt [lies:
ajätismaräh], debm eben dafs sie diese oder jene [früher Dagewe-
senen] sind, beweist, dafs sie Bückerinnerung besitzen. So erzahlt
die Smriti, wie die Brahmanlehrerin Sulabha, als sie wünschte, sich
mit dem Janaka zu unterreden, ihren Leib verliefs, in den Leib
des Janaka einging, und nachdem sie sich mit demselben [innerlidi]
unterredet hatte, wieder in ihren eigenen Leib zurückkehrte (vgl.
Mahftbh. 12, li854 fg*)» Wenn nun bei diesen [die alle Werke
durch das Wissen verbrannt haben], neben demjenigen Werke,
welches ihnen [zum Zwecke des abermaligen, für ihre Mission er-
forderlichen Lebenswandels, aufs neue] aufgebürdet wird und [nicht
als die Frucht eines früheren Lebens, sondern] mit einem Schlage
zustande kommt, noch ein anderes [von früher her restierendes]
Werk , als die Ursache einer neuen Verkörperung [in dem der
Mission dienenden Lebenswandel] zur Offenbarung käme, so wür-
den, ebenso gut wie jenes [ihnen aufgetragene] Werk, noch andere
Werke, deren Same nicht verbrannt wäre, erfolgen müssen, und
es würde die Frage zu erheben sein, ob nicht das Brahmanwissen
nur teilweise zur Erlösung führe und teilweise nicht. Diese Frage
aber ist nicht zulässig, weil Schrift und Smriti daran festhalten,
dafs durch die Erkenntnis der Same der Werke verbrannt werde.
Denn so sagt die Schrift (Mund. 2, 2,8):
„Wer jenes Höchst' und TiefjBte schaut,
„Dem spaltet sich des Herzens Knoten,
„Dem lösen alle Zweifel sich,
„Und seine Werke werden Nichts ^'^
und wiederum sagt sie: „bei Erlangung der Erinnerung erfolgt
„die Auflösung aller Knoten'^ (Chänd 7, 26, 2). Und audi die
Smriti sagt (der erste Vers steht Bhag. G. 4, 37):
Bfttram III. m. 32. 599
„Wie Feuenglut das Holz in Asche wandelt, 916
„Sa der Erkenntnis Feaer alle Werke." —
.»Wie Same nicht mehr wftchst wenn er verbrannt ist,
„So nicht der Seele Not, yerbrannt vom Wissen."
Denn nachdem die Yerbrennung des Nichtwissens und der übrigen
Plagen stattgefunden hat, so ist es nicht möglich, dafs der den
Samen der Plagen bildende Komplex von Werken an einem Teile
Yerbrannt sei und am andern Teile fortwachäe. Denn wenn z. B,
der Same der Reispflanze vom Feuer geröstet worden ist, so ist
es nicht möglich, dafs ein Teil desselben noch weiter wachse
Was hingegen denjenigen Komplex von Werken betrifft, dessen
Frucht schon in der Entwicklung begriffen ist, so kommt er,
ähnlich wie der abgeschossene Pfeil erst nach Verbrauch der
Schnellkraft, erst dann zur Ruhe, wie die Worte: „diesem werde
„ich so lange angehören" (Ch&nd. G, 14, 2) beweisen, wenn sein ^Ver-
brauch den Dahinfall des Körpers bewirkt. Somit ist es richtig,
dafs „die Detrauten bestehen, solange die Betrauung" dauert, und
dafs die Frucht der Erkenntnis nicht zu verschiedenen Zielen führt,
sondern nur zu einem. In diesem Sinne lehrt auch die Schrift,
dafs für alle ohne Unterschied aus der Erkenntnis die Erlösung
entspringt: „darum, wer immer von den Göttern dieses erkannte,
„der wurde zu demselbigen, und ebenso von den Rishi's, und eben-
„so von den Menschen" (Brxh. 1, 4, 10). Denn man darf annehmen,
dafs auch die grofsen Rishi*s nur mit andern Erkenntnissen, welche
blofse Gottherrlichkeit u. s. w. als Frucht bringen, ausgestattet sind,
und dafs eben dieselben sp&terhin, wenn sie zu ihrer Betrübnis
wahrnehmen, dafs es mit der^ Gottherrlichkeit zu Ende geht, in
die Erkenntnis des höchsten Atman eindringen und dadurch erst
zur Erlösung eingehen. | Denn die Smriti sagt: 917
„Nachdem der Welt Auflösung ist gekommen,
„Und Gottes auch, dann gehen im Verein
„Mit ihm, das Selbst erlangend, alle Frommen
„In jenes höchste der Gefilde ein."
Ein Zweifel nämlich, ob die Frucht der Erkenntnis auch ausbleiben
könne, ist nicht statthaft, weil diese Frucht vor Augen liegt. Ja,
was die Frucht der Werke, den Himmel u. s. w., betrifft, so be-
ruht dieselbe nicht auf unmittelbarer Innewerdung, und hier mag
wohl die Frage auftauchen, ob die Frucht erfolgen werde oder nicht.
Die Frucht der Erkenntnis hingegen beruht auf unmittelbarer Inne-
werdung, denn die Schrift sagt: „das immanente nicht transscen-
„dente Brahman" (Brih. 3, 4, 1), und die Worte „das bist du"
(Chand. 6, 8, 7) weisen auf etwas hin, was schon vollbracht ist;
denn die Worte „das bist du" darf man nicht so auffassen, als
bedeuteten sie „das wirst du erst nach dem Tode sein". Sondern
600 g^rtraka-mtmiiM
weon es heilst: ,, dieses -orkenoend hob ¥4madevA, der Rishi, an
„(Rigy. 4, 26, 1): «ich war einst Mann, ich war einst die Sonne »^*
(Brih. 1, 4, 10), so beweisen^ diese Worte, dafs schon zur Zeit der
YoUkommenen Erkenntnis die Fmcht derselben, nämlich das Werden
zur Seele des Weltalls, eintritt. Somit steht es fest, dafs die Er-
lösung des Wissenden eine unfehlbare ist.
Zwanzigstes Adhikarancmu
33, akshara^dhiyäm tu avarodhti^, sdmdnya-tadbhävär
bhydmy aupasada-vaty tad uktam
für die Erkenntnisse des Unvergänglichen hing^en
Einbegreifung, wegen der Gleichheit und ihm Eigen-
heit ; wie bei den [Sprüchen] der üpasadfeier ; darüber
ist gesprochen.
Es heifst im Yftjasaneyakam : „es ist das, o 6&rgl, was die
*.)13 „Brahmanen das UnYerglüigliche nennen; | es ist nicht grob nnd
„nicht fein, nicht kurz und nicht lang'* u. s. w. (Brih. 3, 8, 8).
Ebenso heifst es in einer Atharvan- Schrift: „aber die höhere
' „[Wissenschaft] ist die, durch welche jenes Unvergängliche er-
„kannt wird, das unsichtbare, nngreifbare, stammlose, farblose^'
U.S. w. (Mund. 1, 1, 6 — 6). In ähnlicher Weise wird auch ander-
weit durch Ausschliefsung aller Unterschiede das höchste Brahman
als das Unvergängliche gelehrt. Hierbei werden bald diese, bald
jene Unterschiede ihm abgesprochen, und man könnte die Frage
erheben, ob diese Erkenntnisse der Ausschlielsung der Untersohiede
alle an allen Orten gelten, oder ob sie auseinanderzuhalten sind.
Auf die Annahme, 'dafs sie auseinanderzuhalten seien, weil die
'Schrift sie getrennt vor£Qhre\ wird erwidert: die Erkenntnisse des
Unvergänglichen hingegen, d. h. die Erkenntnisse der Ausschliefaiuig
der Unterschiede, sind alle allerwärts einzubegreifen, „wegen der
„Gleichheit und ihm Eigenheit". Das heifst, die Art, das Brahman
durch Ausschliefsung der Unterschiede darzulegen, ist allerwärts die
gleiche; auch wird in der ihm eigenen Weise eben dieses zu leh-
rende Braliman allerwärts als frei von der Vielheitlichkeit erkaxint ;
wie sollten also die auf diese Art an dem einen Orte vorkommenden
Erkenntnisse an dem andern Orte nicht gelten? In diesem Sinne
919 I haben wir uns ja auch an der Stelle; „die Wonne u. s. w. [gelten]
„von dem Hauptgegenstande '^ (Sfttram 3, 3» 11) aosgesprochen.
Dort handelte es sich allerdings darum,, die als positive Tor«
Sütram III. in. 33. 601
Bchrift aofbretenden Unterschiede ssu untersuchen, hier hingegen
um diejenigen, welche negativ, als auszuschliefsend , erwähnt
werden; und daher rührt, weil eine nähere Darlegung der [posi-
tiven und negativen] Bestimmungen erforderlich war, diese zwei-
malige Untersuchung: ^^^^ ^®i den [Sprüchen] der Upasadfeier";
— . hier haben wir einen Yergleich' vor uns. So wie nämlich bei
der Mehrtagsfeier des Janiadagni [Name eines Risbi], in Betreff
der vorschriftsmäfsigen, mit Opferkuchen verbundenen Up'asadcere-
monien, die bei der Spende der Opferkuchen zu gebrauchenden
Sprüche: „o Agni, genehnäge den Opferruf, genehmige die. heilige
„Handlung'^ u. s. w. {Pancavinga-hr. 21 , 10, 11), obwohl sie nur
in dem Veda des Udg&tar vorkommen , auch für die Adhvaryu-
PriAsster verbindlich sind, weil die Spendung der Opferkuchen in
das Ressort des Adhvaryu gehört (vgl. Taitt. Ramh. 7, T, 9)) und
weil die Teile nach dem Hauptkörper sich zu richten haben, —
ebenso sind aueh hier, wo es sich um das Unvergängliche han-
delt, die dasselbe betreffenden Bestimmungen, wo sie auch immer
vorkommen mögen, überall mit dem Unvergänglichen in' Verbin-
dung zu setzen. „Darüber ist gesprochen 'S nämlich im ersten
Teile, an der Stelle: „bei Gegensatz des Nebensächlichen und
„Ilauptsächlichen ist, weil auf letzteres der Zweck geht, mit dem
„Hauptsächlichen das Yedawort zu verknüpfen" (Jaim. 3, 3) 9).
Mnundzwcatziffstes Adhikaranam.
34. iyad - dmananät 920
wegen ihrer Erwähnung als so und so viele,
„Zwei Fremide, schön befiedert, wisse
. .,Auf einem Baum verbunden du;
„Der eine ifst die süfse Beere,
„Per and're schaut nicht essend zu.''
Dieser Vers wird [aus Kigv. 1, 164, 20] in einem von der innern
Seele handelnden Abschnitte sowohl von den Atharvanika's (Mund.
3, 1, 1), als auch von den Qvet&Qvatara^s (Qvet 4, 6) citiert. Das-
selbe gilt Von einer Stelle der Katha's (K&th. 3, 1):
„Erfüllung trinkend ihres Thuns im Leben,
,»6ind eingegangen beide in die Höhle,
,Jm Höchsten, das des Höchsten eine Hälfte [d. h. im Herzen
„Schatten und Licht nennt sie wer Brakman kennet,
„Und wer, der Keuer Fünfsahl unterhaltend,
„Das Nadketas -Fener dreimal sündet.
602 g&rlraka-mlminsft
Hier erhebt sich die Frage, ob eine Einheit der Lehre oder eine
Verschiedenheit der Lehren anasnnehmen ist. — Angenommen also,
'es sei eine Verschiedenheit der Lehren anzunehmen. Warum?
'w^eil ein Unterschied vorliegt; denn in der Stelle „swei Freunde''
'wird von dem einen gesagt, dafs er geniefse, von dem andern,
'dafs er nicht geniefse. Hingegen in der Stelle ),£rfallnng trin-
^kend*' wird allen beiden ein Geniefsersein zugeschrieben. Da eo-
^mit der Gegenstand der Belehrung ein verschiedener ist, so mufs
'auch die Lehre es sein.' — Avd diese Annahme erwidert der
Lehrer, dafs vielmehr eine Einheit der Lehre vorliegt; warum?
weil in diesen beiden Stellen der Gegenstand der Belehrung durch
ein So -und -so -viel -sein, d. h. als in der Zweizahl vorhanden, |
921 beiderseitig ohne unterschied gelehrt wird. — 'Aber die beider-
'seitige Verschiedenheit haben wir doch nachgewiesen.*- — Mit
nichten! denn in beiden Versen ist von Gott, sofern er sich von
^er Seele unterscheidet, und von nichts anderm die Rede. N&m-
lieh in der Stelle „zwei Freunde" u. s. w. wird durch die Worte:
„der andVe schaut nicht essend zu", der höchste Atman als er-
haben übei: das Bedürfiiis des Essens dargestellt, und auch aus
dem Weiterfolgenden ergiebt sich, d.af8 von ihm die Rede ist, in-
dem es heifst: „hat er den Herrn gesuchet und gefunden in Ma-
,Jest&t, dann weicht der Kummer fern" (Mund. 3, 1, 2). Hingegen
in der Stelle „Erfüllung trinkend" wird, obwohl iHur die indivi-
duelle Stiele trinkt, doch auch von dem höchsten Atman wegen
seiner Gemeinschaft mit ihr uneigentlich gesagt, er trinke, äknlich
wie bei dem Sonnenschirm [gesagt werden kann, dafs zw^ ihn
tragen, wiewohl ihn nur der eine trägt]. Das Thema der Stelle
ist nämlich der höchste Atman, denn es heifst zu Anfang: „vom
„Guten frei, und frei vom^Bösen" (Eafh. 2, 14), und auf ihn be-
zieht sich das weiter Folgende: „er der die Brücke ist der Opfem-
„den, er der das Unvergängliche, das höchste Brahman ist^'
(Eli^^* 3, 2); wie wir dies an der Stelle: „die beiden in die
„Höhle eingegangenen, denn zwei Seelen [sind gemeint}" (Sü-
tram 1,. 2, 11) des Weiteren dargelegt haben. Somit li^ keine
Verschiedenheit des Gegenstandes und folglich keine solche der
Lehre vor. Auch ist an allen drei Stellen, wenn man das Vor-
hergehende und Nachfolgende in Betracht ziebt, ersichtlich, dafs
es sich in ihnen nur um den höchsten Atman handelt, und dafs
die Herbeiziehung der individuellen Seele keinen andern Zweck
hat, als die Wesenseinheit mit ihm zu lehren. Wir sahen aber
bereits, dafs bei der Lehre vom höchsten Atman ein Zweifel, ob
er einheitlich sei oder nicht, nicht statthaft ist (vgL S. 550}; da-
her dieses Wiederaufnehmen der Frage hier nur zur näheren Dar-
legung dient. Es steht somit fest, dafs die überBchieXisenden Be-
stunmungen an diesen Stellen zusammenzufassen sind.
Sttnm ni. m. 3& 603
Zweiundzwanzigstea Adhikaranam,
35. antard, hhüta-gräma-vatf sva-ätmanäh 922
als innerlich, wie der Wesen Schar, [ist die Er-
wähnung] des eigenen Selbstes.
„Bas immanente , nicht transscendente Brahmau, welches als
„Seele allem innerlich ist*^; — diese Worte werden bei den Y&ja-
saneyin's als Frage des Ushasti und des Kahola zweimal hinter-
einander wiederholt (Brih. 3, 4, 1 und 3, 5, 1). Hier erhebt sich
die Frage, ob dabei eine Einheit der Lehre oder eine Mehrheit
von Lehren anzunehmen sei? — Angenonunen also, 'es liege
'eine Mehrheit von Lehren vor; warum? wegen der Wiederholung.
*Denn sonst würde eine solche zweimalige ohne Auslassung oder
^Zusatz statthabende Erwähnung ohne Zweck sein. Wie daher
^aus einer Wiederholung eine Verschiedenheit betreffs der Werke,
^so scheint aus dieser Wiederholung eine Verschiedenheit betreffs
*^der liehre zu resultieren.' — Auf diese Annahme entgegnet der
Lehrer: weil in beiden Fällen ohne Unterschied eine Erwähnung
„des eigenen Selbstes als innerlich'* vorliegt, mufs eine Einheit
der Lehre angenommen werden. Denn dasjenige, worauf sich in
beiden Fällen ohne Unterschied die Frage wie die Antwort be-
zieht, ist das allem inuerliche eigene Selbst. Es ist aber nicht
möglich, wenn in einem Leibe zwei Selbste wären, dafs dieselben
allem innerlich sein könnten * ; vielmehr könnte in diesem Falle
höchstens von dem einen die Annahme, dafs es allem innerlich
sei, berechtigt sein, für das andere hingegen wäre, „wie bei der
„Wesen Schar*' die Innerlichkeit in allem nicht möglich; wie näm-
lich bei dem aus den fünf Element -Wesen bestehenden Leibe die
Wasser als der Erde innerlich, und das Feuer als dem Wasser
innerlich, und in dieser Weise eine Innerlichkeit in allem zwar im
relativen Sinne angenommen werden kann [sofern, infolge der Drei-
fachmachung, jedes Element jedem andern innerlich ist, vgL Sd-
tram 2, 4, 20 fg.]» ohne dafs doch eine absolute Innerlichkeit in
allem verstanden werden dürfte, ebenso ist es auch in unserem
Falle. Oder auch: die Worte „wie der Wesen Schar" weisen
auf eine audere Sohriftstelle hin; | so wie nämlich in dem Verse 923
(^vet. 6, 11):
„Der eine Gott verhüllt in allen Wesen
„Durchdringend alle, aller inn're Seele''
* d ydp duo cFt], oijx av Suvatro aiuipa, elvai, dXX' Ijoi av n^piTa icpoc
aXXijXa (Melissus, Fragm. 3).
604 QMrakanitinftiiB&
ein einiiges, allem mnerliches Selbst fUr die gesamte Sdiar der
Wesen hingestellt wird, ebenso ist es attoh in den bdden in Rede
stehenden Br&hma^a's. Weil somit eine Einheit des au Lehrenden
vorliegt, ist eme Einheit der Lehre anzunehmen.
36. anyaÜtA hheda-anupapatUr, iH cen? na! upadega-
antara-vat
sonst d&v Zweimaligkeit Unmöglichkeit , meint ihr?
Nein! wie bei der erneuten Unterweisung.
Wenn weiter behauptet ¥rurde, dals ohne die Annahme einer
Verschiedenheit der Lehren die zweimalige Erwähnung unmöglich
sei, so ist dem zu widersprechen. Wir behaupten n&mlich, dafs
sie^ ebenso wohl möglich ist „wie bei der erneuten Unterweisung'^
So wie nftmlich in der Upanishad der Tän^in's im sechsten Ab-
sclüiitte die Unterweisung: „das ist die Seele, das bist du, o ^e-
„takeiu*' (Ghftnd. 6, 8, 7 fg.) nennmal vorkommt, ohne dafs doch
eine Yersehiedenheii der Lehre anzunehmen w&re, ebenso kann es
auoh hier sein. TTnd warum ist dort, trotz der neunmaligen
Unterweisung , eine Yerschiedenheit der Lehre nicht anzunehmen?
Weil sieh aus dem Eingange und aus dem Schlüsse die Einheit
des Sinnes ergiebt. Und wenn es dabei heifst: „belehre mich
„noch weiter, o Ehrwürdiger^' (Ghand. 6, 8, 7 fg.)i so "wird hier-
durch eine und dieselbe Sache als das immer wieder und wieder
Auseinanderzusetzende hervorgehoben, und die wiederholte Unter-
weisung dient dazu, um immer wieder erneuten Zweifeln zu be-
gegnen. Ebenso mufs es auch hier sein, weil sowohl die Gestalt
der Frage beide Male die nämliche ist, als auch der Beschlufs
beide Male durch die Worte „was von ihm verschieden ist, das
„ist leidvoll" (Brih. 3,4,2 und 3, 5, 1) gemacht wird, sodafs
offenbar Anfang und Ende sich auf dieselbe Sache beziehen. Auch
heifst es bei der zweiten Frage: „eben das immanente, nicht trans-
„sccndente Brahman*' (Brih. 3, 5, 1); hier beweist die Zuf&gung
934 des Wortes „eben", | dafs eben der von der ersten Frage betroffene
Gegenstand zum zweiten Male herbeigezogen wird. Dabei wird
in dem ersten Brahmanam die Realität des über Wirkung und
Ursache erhabenen Atman ausgesprochen, während in dem zweiten
von eben demselben ah Bestimmung angegeben wird, dafs er über
die Eigenschaften des Samsära, den Hunger u. s. w., erhaben sei.
Somit ist die Einheit des Gegenstandes aufrecht zu halten , und
demnach nur eine Lehre hier anzunehmen.
Sfttram III. xil 37. 605
Dreiundzwanzigste^ Adhikarai^am,
m
1
• •
d7. vyaUhdro] viQimhanH hi^ itaravat
Wechselseitigkeit; denn sie unterscheiden, wie
anderweit.
Die Aitareyin's haben mit Bezug auf den Sonnen -Punisha die
Worte: „was ich bin, das ist er, und was er ist, das bin ich*'
(Ait. är. 2> 2, 4, 6). Ebenso sagen die J&bftla's: „förwahr ich bin
„4u, o heilige Gottheit, und du bist ich/* Hier fragt es sich, ob
man an diesen Stellen die Andacht abwechselnd auf beide Ge-
stalten zu riohten hat oder ' nur auf die eine derselben ? Man
könnte denken, *nur auf die eine, denn es ist hier an durchaus
^nichts weiter zu denken, als an die Einheit der Seele mit Gott.
*Wäre nämlich noch an etwas weiter zu denken, so könnte dies •
^ur die Annahnie einer Unterschiedlichkeit sein, vermöge deren
'die Wanderseele mit Gott und Gott mit der Wanderseele identisch
'wäre: hierbei würde zwar die wandernde Seele durch ihre Auf-
'fassung als Gott emporgehoben, hingegen Gott durch seine Auf-
'fassung als die wandernde Seele herabgewürdigte werden. Um
'dies zu vermeiden, darf die Andacht nur in der einen Weise ge-
*schehen, und die Erwähnung der Wechselseitigkeit hat nur den
'Zweck, die Einheit zu bekräftigen.* — | Auf diese Annahme er- 925
widert der Lehrer: „Wechselseitigkeit" gilt bei dieser MeditatioUi
„wie anderweit", d. h. so wie auch andere Qualitäten, z\ B. dais
Gott die Seele von allem sei, zum Zwecke der Meditation erwähnt
werden. „Denn so unterscheiden" die (in Rede stehenden] Stellen
damit, dafs sie beides aussprechen^ die beiden Auffassungen: „ich
„bin du" und „du bist ich." Dieses ist aber nur d^nn angebracht,
wenn die Andacht sich auf beide Gestalten zu richten hat; denn
im andern Falle würde diese unterschiedliche Erwähnung der bei«
den zwecklos sein, indem es an einem genug sein wjorde. — 'Aber
^folgt nicht, wie bemerkt wurde, wenn man der beiderseitigen Er-
' wähnung einen gesonderten Zweck beilegt, dafs die Gottheit durch
'ihre Auffassung als das Selbst der wandernden Seele eine Herab-
'Würdigung erleidet?' — Doch nicht, denn was auf diese Axt medi-
tiert wird, ist nur die Weaenseinheit. -■ — 'Aber wenn dem so ist,
'so ergiebt sich ja jene von uns vertretene Bekräftigung der Ein-
'beit!' — Diese Bekräftigung der Einheit sohliefsen auch wir keines-
wegs aus, aber wir behaupten nur, dafs auf Grund des Schrift-
wories dennoch die Andacht wechselweise eine zweifache sein mufs
und nicht nur eine einfache. Dafs aber eine Einheit dabei zu
Grunde liegt, das wird ja auch durch den verheifsenen^ Lohn be-
606 gAxlrakA^mlm&ikB&
stfttigt. Es ist damit [mit dieser Herabziehnng der Gottesroratel-
lung inB Empirische] gerade so, wie veno zam Zwecke der Medi-
tation Qualitäten wie „Wahres wanschend*' n. dgU (GhAnd. 8, 1, 5.
8, 7, 1) hingestellt werden, nnd dabei an Gott als den Träger
dieser Qualitäten eu denken ist. Somit ist diese Wechselseitigkeit
zu meditieren und auch sonst, wo es sich um denselben Gegenstand
handelt, herbeizuziehen.
Vierundzwanziffttea Adhiiaranam,
926 38. sd eva hi satya-ädayah
Denn eine und dieselbe [Lehre] Bind das Beale tu s. w.
„Wer jenes Wunderding als Erstgebornes weifs, und dafs das
* „Bi'ahman das Reale ist'V u. s. w.; mit diesen Worten wird im Yäja-
saneyakam (Bph. 6, 4, 1) die Lehre von dem Realen mitsamt seiner
Verehrung nach Namen und Silben geboten, und dann heifst es
weiter: „dieses Reale ist jene Sonne dort. Und jener Hum, welcher
„in der Sonnenscheibe ist , und dieser Mann , welcher im rechten
„Auge ist" n. s. w. (Bph. 5, 6, 2). Es entsteht der Zweifel, ob
hier (Brih. 5, 4 und 5f 6) zwei Lehren von dem Realen vorliegen
oder nur eine. — Angenommen also, ^es seien zwei, weil ^e Yer-
'bindung mit dem Lohne eine verschiedene ist; denn zuerst heifst
^es: „der überwindet diese Welten*^ (Brih. 6, 4, 1), und beim zwei-
gten heilst es: „der tötet das Böse und entweicht ihm" (Bfih. 6, 5,
'3 — 4). Wenn aber das vorher Besprochene hier wieder herau-
fgezogen wird, so geschieht dies wegen der Einheit deqenigen, um
'dessen Verehrung es sich hier bandelt.^ — Auf diese Annahme er-
widern wir, dafs hier nur eine und dieselbe Lehre von dem Rea-
len vorliegt; warum? weil mit den Worten „dieses Reale" (Bfih. 5,
5, 2) das Vorhererwähnte herangezogen wird. — *Aber sagten
'wir nicht, dafs eine solche Heranziehung des Vorhererwähnten
'auch bei Verschiedenheit der Lehre zufolge der Einheit des zu
927 'Verehrenden möglich ist?^ — | Dem ist nicht so! ja, wo aus
einer andern offenbaren Ursache eine Verschiedenheit der Lehren
angenommen wird, da möchte dem so sein; Hier aber, wo beides
gleich möglich ist, wird durch die Herbeiziehung des Vorher-
erwähnten mit den Worten „dieses Reale'* das in der ersten Be-
lehrung vorkommende Reale bei der zweiten herangezogen, wor-
aus mit Sicherheit folgt, dafs die Lehre eine einheitliche ist.
Wenn weiter bemerkt wurde, dafs die Lehre eine verschiedene
sein müsse, weil verschiedene Belohnungen erwähnt würden, so
erwidern wir, dafs dieser Einwurf unbegründet ist, indem diese
Sfttram lU. xn. 38. 607
Erwähnung Tenchiedener Belohnungen den Zweck hat» die Unter-
weisung in den beiden Gliedern, wonach sein Geheimname das eine
Mal i^ts^'^^ und das andere Mal „Ich" heifat, zu yerherrlichen.
Hierzu kommt, dafs da, wo wie hier die Belohnung nur auf die
Sacherklärung [nicht auf die Vorschrift] zu beziehen^ ist, trotz
der Einheit der Lehren mancherlei Belohnungen bei den einzelnen
Teilen vorkominen können und dann in der aus diesen Teilen be-
stehenden Lehre zusammenzufassen sind. Hieraus folgt, dafs hier
eine und dieselbe Lehre von dem Realen vorliegt, welche als mit
der einen und der andern Bestimmung behaftet dargelegt wird,
und dafs alle die Attribute als „das Reale" u. s. w. zu einer
Zweckbestimmung zusammenzufassen sind.
Manche hingegen nehmen an, in diesem Sütram handle
es sich einerseits um ' die Yäjasaneyakastelle von dem Mann im
Auge und in der Sonne und anderseits um die Chändogyastellen:
„aber der goldene Mann, welcher im Innern der Sonne gesehen
,,wird" und: „aber der Mann, welcher im Innern des Auges ge-
,,sehen wird" (Gh&nd. 1, 6, 6 und 1, 7, 5), und meinen, | dafs diese 928
Lehre von dem Manne im Auge und in der Sonne an beiden
Stellen die nämliche sei, daher man die von den Yäjasanejin's an-
gegebenen Attribute als „das Reale" u. s. w. mit denen der Chando-
ga's ^zusammenfassen müsse. Diese Auffassung ist jedoch nicht zu
billigen. Denn im Cbändogyam ist diese auf den Udgltha bezüg-
liche Lehre mit Werken verknüpft, wie daraus ersichtlich, dafs bei
ihr in Anfang, Mitte und Ende Anzeichen für die Verknüpfung
mit Werken vorliegen; denn zu Anfang heifst es: „diese Erde. ist
„die Ric, das Feuer ist das Säman" (Chänd. 1,.6, 1), und in der
Mitte: „seine Gesänge sind Ric und Sllman, darum heifst es der
„Hochgesang" (Chänd. 1, 6, 8), und zum Schlüsse: „wer dieses
„also wissend das Säman singt" (Ghänd. 1, 7, 7). Hingegen ist im
Väjasanejakam durchaus kein derartiges Anzeichen für die Ver-
knüpfimg mit Werken vorhanden, und somit ist hier wegen der
Verschiedenheit des Unternehmens eine Verschiedenheit der Lehre
anzunehmen, sodafs man die Attribute auseinanderzuhalten hat.
Fünfundzwamigstes Adhikaranam»
39, käma-ddi üaratra tatra ca, äyatana - ädihhydh
m
Wünschen u. 8. w. an der andern Stelle und hier,
wegen des Standortes u. s. w.
Die Ghandoga's haben die Stelle: „hier in dieser Brabmanstadt '
ist ein Haus, eine kleine liotosblume; inwendig darinnen ist ein
608 Qlrlnka iiilm(^&
„kleiner Raam'^ (Gh&nd. 8, 1, 1); und weiter lesen" aie: „das ist
„das Selbst, das sfindlose, frei yom Alter, frei Tom Tod und frei
„Tom Leiden, ohne Hunger und ohne Durst; sein Wünschen ist
„wahrhaft, wahrhaft sein RatschluTs" (Ch&nd. 8, 1, 5). Ebenso
929 sagen die Y&jasanejin's : „wahrlich dieses | grofse, ungeborene
,y3elbst, das ist unter den Lebensorganen jener ans Erkenntnis
„bestehende [selbstleuchtende Geist]! Hier, inwendig im Herxen,
„ist ein Baum, darin liegt, er, der Herr des Weltalls^' u. s. w.
(Brih. 4, 4, 22). — Bei dem Zweifel, ob hier eine Einheit der
. L^re und eine Hinzudenknng der beiderseitigen Attribute anssu-
nehmen sei oder nicht, entscheidet sich der Lehrer für die Ein-
heit der Lehre und sagt in diesem Sinne: „Wünschen^' u. s. w., d. h,:
„wahrhaft ist sein Wünschen"; indem käma so Tiel bedeutet wie
saiifäkdma^ ähnlich wie wenn man Datta für DevoidiUta und Bkämä
für Sat^abhämd sagt. Also die Qualitäten, „Wahres wünschend''
u. s. w«, welche dem Ratime im Herzen Tom Chftndogyam sn-
geschriebeu werden, dieselben sind auch „an der andern Stelle *S
nämlich im Vl^'asaneyakam, mit den' Worten: „wahrlich dieses grofse
„ungeborene. Selbst" zu Terbinden. Und wenn dabei im Ydjaaane-
yakam gesagt wird, der Atman sei „der Herr des Weltalls" u. s. w.,
so ist auch dieses mit den Worten des Ch&ndogyam: „das ist das
„Selbst, das sündlose", au Terbinden. Warum? wegen der Oleicb-
heit „des Standortes" u. s. w. Nämlich gleich ist an beiden Stelleu.
dafs das Herz sein Standort ist, gleich, dafs das zu Erkennende
Gott ist, ^gleich auch seine Auffassung als eine Brüdce, welche
dazu (iient, die Welten auseinanderzuhalten, damit sie nicht Ter-
fliefsen; sodafs sich in Tielen Stücken eine Gleichheit herausstellt.
— *Aber liegt nicht auch ein unterschied Tor, sofern die Quali-
'täten im Gh&ndogyam auf den Raum im Herzen, im Yäjasane-
'yakam hingegen auf das in diesem Kaume befindliche Bralunan
'bezogen werden?' — Doch nicht! denn wir haben an der St^le
„der kleine [Raum] wegen des Folgenden" (Sütram 1, 3, 14) fest-
gestellt, dafs auch im Chändogyam imter dem Worte Raum das
Brahman au Terstehen ist. Hingegen ist dabei ein anderer Unter-
schied zu bemerken. Im Ghändogyam nämlich wird die attribut-
hafte Lehre Tom Brahman dargelegt, denn wenn es heifst: „wer
„aber Ton hinnen scheidet, nachdem er die Seele erkannt hat
„und jene wahrhaften Wünsche" (Ghänd. 8, 1, 6), so werden hier
930 ebenso wie der Atman | auch die Wünsche als das zu Wissende
bezeichnet. Im Yäjasaneyakam hingegen bandelt es sich nur um
das attributloce Brahman, wie dies aus dem Zusammenhange der
Fragen und Antworten: „rede höher als dieses was zur Erlösung
„dient" (Bph. 4, 3, 14) und „denn diesem Geiste haftet nichts an"
(Bfih. 4, 3, 15) hervorgeht; dafs er aber im Yajasaneyakam nut
den Attributen „Herr des Weltalls" u. s. w. erwähnt wird, ge-
schieht nur, um ihn in dieser und jener Weise zu Terherrlicben.
Sütrain IIT. ni. 39. 609
Dem entsprechend heifst es auch nachher: „er aber, der Atman,
„ist nicht so und ist nicht so^* (Brih. 4, 5, 15), welche Zusammenf-
fassung sich auf das attributlosc Brahman bezieht. Weil dasselbe
aber mit dem attributhaften Brahman [im Grunde] identisch ist, wird
die in Rede stehende Zusammenfassung der Attribute Vom Sütram
verlangt in der Absicht, seine Machtfülle zur Anschauung zu
bringen, nicht aber zu einem Zwecke der Verehrung [welche nur
bei drm attributhaften Brahman stattfindet]; so ist es aufzufassen.
Sechaundzwanztgstes Adhikaranam,
40. 'ddaräd alopaiy
'wegen der Aufmerksamkeit Nicbtstörung/
Im Chandogyam heilst es bei Gelegenheit der Vai^yänaralehre :
„das was als Speise zuerst genommen wird^ das ist der Opferstoff;
,^wenn man diese Opferung darbringt, so soll man sie darbringen
„mit den Worten: «gesegnet sei das Leben»" (Ch&nd. 6, 19, 1).
An dieser Stelle werden ffinf Darbringungen für das Leben ver-
ordnet, und ihnen wird am Schlüsse der Name des Feueropfers
beigelegt, indem es heifst: „wer dieses also wissend das Feucr-
„opfer darbringt" (Chand. ö, 24, 2) und (Chänd. 5, 24, 5) :
„Wie Kinder hungrig um die Mutter sitzen ,
„So um das Feueropfer alle Wesen."
Hier ist zu untersuchen, ob durch die Unterlassung des Essens
eine Störung des dem Leben dargebrachten Feueropfers eintritt
oder nicht. | dämlich in den Worten: „was als Speise zuerst gc- 9äl
,,uommen wird", liegt eine Erwähnung des Nehmens der Speise;
da5( Nehmen der Speise aber geschieht zum Zwecke des Essens,
und wenn das Essen unterbleibt, so ist dies eine Störung des
Lt^bens-Feueropfers. — Gegen diese Annahme könnte jemand ein-
wenden, ^dafs das Opfer dadurch nicht gestört werde; warum?
S, wegen der Aufmerksamkeit". Denn so »agt bei Gelegenheit eben
^dieser Yai^vanara-Lehre eine Schriftstelle der J&bMa's: „er soll vor
%,den Gästen essen; denn [wenn die Oftste vor ihm essen], so
%,iBt das, wie wenn einer [der Gast] ohne selbst zu opfern das
'„Peucropfer eines andern [des Opferspend^raj darbringt". Wenn
^die Schrift hier das Vorheressen der Gäste [als unwirksam] ver-
' wirft und lehrt, dafs [auch wo es vorkomme, doch der Wirksam-
'keit nach] das Essen des Opferherrn das vorhergehende sei, so
'macht sie dadurch beim Lebens «FeaeropfAT die Aufmerksainkeit
'[und somit ein blofs Ideelles als das Mafsgebende g6lt4^nd]. Wciil
'aber die Schrift nicht einmal oie Möglichkeit einer Störong in
'd^r Priorität des Feueropfers zugiebt, so wird sie noch viel
^weniger die Möglichkeit einer Störung des Feueropfera selbst,
'auf welches diese Pi-iorität sich bezieht, einräumen.* — Aber
liegt nicht dai'in, dafs das Nehmen der zum Essen dienenden
Speise vorkommt, ausgesprochen, dafs bei Unterbleiben des Essens
eine Störung eintrete? — ^Boch nicht! denn diese firwähnung
*hat nur den Zweck, das Opfermaterial näher zu bestimmen. Da
^nämlich für das gewöhnliche Feueropfer Milch u. s. w. dls die
* Opferstoffe vorgeschrieben sind, so könnte man auch hier, wo
'der Name „Feueropfer" gebraucht wird, ähnlich wie bei der Fest-
^periode der Kinigtiinker, auch seine Bestimmungen dabei voraus*
^setzen; und um nun als besondere Eigentümlichkeit des vor-
liegenden Falles das Aufessen des Opfermaterials vorzuschreiben,
Mazn dient das Wort: „das. was als Speise genommen wird/'
'Darum also, und weil „die Störung der Nebensache keine solche
'„der Hauptsache ist^' [wie Jaimini sagt], kann, selbst gesetzt den
Tall, es käme in dieser Weise ein Unterbleiben vor, auch mit
'Wasser oder einer andern nicht ungeeigneten Substanz auf dem
'Wege der Substitution das Lebens-Feueropfer vollzogen werden.*
Auf diese Annahme entgegnet der Lehrer:
932 4L upasthite^ 'tas; täd-Vdcanät
indem es vollzogen wird, durch dieses; weil dies
gesagt wird.
Nur indem das Essen „vollzogen wird", lafst sich „durch
„dieses", d. h. eben durch die „zuerst genommene" Speise als
das Material das Lnbeus- Feueropfer vollbringen; warum? „weil
dies gesagt wird". Denn in diesem Sinne sagt die Schrift: das
das was als Speise zuerst genommen wird, das ist der Opferstoff^'
(Chl^d. 5, 19, !)• Hier wird das Heranbringen der Speise als
die Voraussetzung behandelt, unter weloher die Tollziehung der
Darbringungen für das Leben mittels Stoffen, die [eigentlich] einem
andern Zwecke dienen, angeordnet wird. Da diese Darbringungen
das Merkmal haben, dafs sie nicht zu dem bestimmten Zwecke
[des Lebens-Feueropfers, sondern zufallig, bei Gelegenheit der Er-
nährung] herbeigeschafft werden, so können sie unmöglich bei Unter-
lassung des EsRens sich ein anderes Material substituieren lassen.
Auch ist dabei ein Gültigseiii der Beschaffenheiten des gewöhnlichen
Feueropfers nicht anzunehmen. Bei der Festperiode der Kmgtrinker
allerdings, wo es heifst: „sie bringen einen Monat lang das Feuer-
7»
Siktram III. m. 41. 611
,,opfer dar*' (Kfttj. yr. 24, 4, 24), findet sich da« Wort „Feaeropfer'*
in dem Sinne, dafs es sich auf eiiic Vorschrift beaiebt; hier mag
die Vorschrift einen jenem ähnlichen Hergang anbefehlen, und in-
sofern eine Zulassung der Beschaffenheiten des Feueropfers am
Platze sein. In unserer Stelle hingegen dient das Wort „Feuer-
„Opfer" nur zur Sacherklärong, kann somit nicht dazu dienen,
einen jenem ähnlichen Hergang anz abofehlen. Wollte man femer
annehmen, dafs die Beschaffenheiten des Feueropfers hier zuträfen,
so möfsten auch die Überaündung [die Übertragung des Feuers
aus dem Gärhapatya- Feuer zu den beiden übrigen], und anderes
hier zutreffen; | das aber ist nicht möglich; denn die Überzündung 933
des Feuers z. B. geschieht zum Zwecke der Opferung, hier aber
ist eine Opferung im Feuer nicht möglich, weil durch dieselbe
die Bestimmung, gegessen zu werden, unerfüllbar gemacht werden
würde; daher die Opferung hier nur in der Verbindung mit den
zum Zwecke des Essens herangebrachten Stoffen besteht. Und
wenn ^ia Schriftstelle der Jäbala's sagt: „er soll vor den Gästen
„essen ^^, so will sie damit nur darauf hinweisen, dafs hier das
Opfer in dem Munde als seinem Behälter zu Yollbringen ist.
Und aus eben diesem Grunde weist die Schrift auch au unserer
Stelle auf die symbolischen Bestandteile des Feueropfers hin, in-
dem sie sagt: „seine Brust ist das Opferbette, seine Haare sind
„die Opferstreu, sein Herz ist das Gärhapatya- Feuer, sein Yer-
„stand ist das Anv&häryapacana- Feuer, sein Mund ist das Äha-
„vaniya-Feuer** (Chand. 6, 18, 2). Was dabei die Erwähnung des
Opferbettes betrifft, so ist dieselbe anzusehen als blofs auf die
geebnete Bodenfläche Bezug nehmend', da bei dem eigentlichen
Feneropfer ein Opferbette nicht vorkommt, und da es seine Be-
standteile sind, die hier symbolisch gedeutet werden. Ferner ist
es auch unmöglich, die Zeit des Feueropfers einzuhalten, da ein
Befassen mit dem Essen nur zu bestimmten Zeiten stattfindet. In
dieser Weise stehen auch manche andere Qualitäten, z. B. die Art
der Verehrung u. s. w., mehrfach [mit dem wirklichen Feueropfer]
in Widersprucl^. | Es ist somit also nur unter der Yoraussetcung 9)4
des Essens möglich, di^ in Rede st-ehenden fünf Opferungen
nach ihrer Verbindung mit Opferspruch, Opferbtoff und Gottheit
ins Werk zu setzen. Was aber das Schriftwort betrifft, welches
auf die „Aufmerksamkeit" [als das beim Lebens-Feueropfer Wirk-
same] hinwies, so hat dieses vielmehr nur den Zweck, unter Vor-
aussetzung des wirklichen Essens die Priorität des Opferspenders
anzuordnen. Denn man darf ein Schi'iftwort nicht zu sehr pressen
(na hi asti vacanasya atibhärah), und keineswegs läfst sich aus
diesem Worte die unbedingte Gültigkeit des Lebens - Feueropfers
[selbst für den Fall, dafs das Essen nicht vollzogen würde] er-
weisen. Somit ergiebt sich, dafs bei Unterlassung des Essens auch
eine Unterlassung des Lebens -Feueropfers eintritt.
39*
612 Q&riraka-mim&n8li
Siebenundzwanzigfftes AdMkaranam,
42. tan-nirdhärana-aniyamaSy tad-drishtehy prithagg Jii
a^atibandhdk phalam
ihrer Durchhaltung Nichtnotwendigkeit^ weil dies er-
sichtlich; denn gesondert, ohne ein Hindernis zu sein,
ist ihre Frucht.
Es giebt gewisse Lehren, welche sieh auf einen Teil des Werk-
dienstes stüteen, z. B. wenn es heilst: „Om! dieee Silbe soll man yeiv
),6hren als den üdgitha" (Gh&nd. 1, 1, 1), und es fragt sidx, ob diese
wesentlich fär die Werke sind, wie z. B. der ^Gkbrancb des Löffek
„aus Par^aholz*' es ist, oder nicht wesentlich, wie z. B. „das Melken
„der Kühe" es ist. — Angenommen also, *sie seien für die Werke
* wesentlich; warjun? weil sie in dem die Ausführung regelnden
'Schriftworte miteinbegriffen werden. Denn wenn dieselben asefa
'ohne Hand anzulegen blofs studiert werden^ so sind sie dodi ver-
936 'mittelst des Udgitha u. s. w. an das Opferwerk gebunden { und
'werden bei der Anleitung zum Vollbringen des Opferwerkes ge-
'rade so wie ein anderer Teil desselben behandelt. Und wenn fur
'81 e in ihrem eigenen Zusammenhange ein Lohn verheüken wird,
'wie z. B. in den Worten: ,^der fürwahr wird zu einem Erlanger
'„der Wünsche" u. s. w. (Ch&nd. 1, 1, 7), so Hegt hierin, wie aus
'der Bezeichnung in Form des Pr&sens hervorgeht, eine blofse Er-
'klärung der Sache, ähnlich wie z. B. auch in der Yerheilsung,
'dafs der [welcher den Löffel aus Parnaholz gebrauche], keine üble
'Nachrede erleide, nicht aber die Abzielnng auf einen künftigen
'liohn. Wie daher in der Stelle: „wer einen Löffel aus Parnaholz
'hat, der erleidet keine üble Nachrede" (Taitt. Samh. 3, 6, 7, 2j
'und in ähnlichen Stellen, wiewohl sie ohne Zusammenhang mit
'dem, wovon die Hede äst, ausgesprochen werden, gleichwohl wegfu
^des Löffels eine Zugehörigkeit zum Opferwerke, und daher -eine
^Woseutlichkeit für dasselbe, ebensogut als wenn sie in Zusanuneu-
Omng mit dem Übrigen ständen, anzunehmen ist, ebenso steht es
'mich mit den Verehrungen als der Udgitha u. s. w.' — Auf diese
Beiiauptung erwidern wir: es besteht für die „Dürchhaltung'^ dieser
[Vorstellungen Hand in Hand mit dem Opfer] „keine Notwendigkeit'*.
Nämlich jene Durchhaltuugen [symbolischer Umdeutungen im Verlaufe
des Opfers], welche bestimmt sind, das innere Wesen der Beschaffen-
heit des Üdgithawerkes u. s. w. zu erschliefsen, z. B# dafa er die
„feinbtc EsHcnz", die „Erlangung", das „Gedeihen", der „Hauptle\^ens-
„odeiii", die „Sonno" u. s. w. sei (vgl. Chänd. 1, 1, 3. 6, 8; 1, 2, 7:
Sütram III. in. 42. 613
1, 3/ 1)) diese und andere [symbolische Yorstellungen] werden
nicht als etwas für die Werke Wesentliches gefordert. Wamm?
„weil dies ersiehtlich**. Nämlich die Nichtnotwendigkeit derartiger
Yorstellongen ist ersichtlich aus der Schrift, | wenn es z. B. heifst: 936
„darum YoUbringen es beide, der, welcher Solches weiTs und der
,;ea nicht weifs" (Chftnd. 1, 1, 10); hier wird auch das Werk des
Nichtwissenden als gültig anerkannt. Femer lehrt ja die Schrift,
wie auch Solche, welche die Erkenntnis der beim Prast&va an-
gerufenen Gottheit nicht besitzen, dennoch beim Opfer als Prasto*
tar u. s. w. ministrieren können; denn es heifst: „o Prastotar,
,;wenn du, ohne die Oottheit zu kennen, auf welche sich der
,jPrast4Ta bezieht, den Prast&va Terrichtest, . . . wenn du, ohae
,,sie zu kennen, den Udgitha, , . . wenn du, ohne sie zu ken-
„nen den PratiMra verrichtest" (Ch&nd. 1, 10, 9-^11). Hierzu
kommt, dafs für eine derartige, auf die Werke sich stützende
Vorstellung unabhängig von dem Werke ein Lohn in Aussicht ge-
stellt wird, und die Erlangung desselben ist eine Art besondem
Überschusses, „ohne" dafs dieser für die Vollbringung der Frucht
des Werkes „ein Hindernis" wäre; denn es heifst: „darum
„vollbringen es beide, der Solches also weifs, und der es nicht
„weifs; aber weit von einander verschieden ist das Wissen und
„das "Nichtwissen; denn was man durch das Wissen vollbringt,
„durch den Glauben, durch die Upanishad, das ist wirkungs-
„kräftiger" (Ghltod. 1, 1, 10). Eier wird in den Worten „aber
„weit von einander verschieden" zwischen dem Unternehmen des
Wissenden und des Nichtwissenden zwar ein Unterschied gesetzt,
aber der Gebrauch des Komparativ - Suf&xe« in dem Worte „wir-
„kungskräftiger" | zeigt, dafs auch das des Wissens ermangelnde 037
Werk wirkungskräftig ist; dieses aber ist nur dann möglich, wenn
das Wissen dem Werke nicht wesentlich ist; denn wäre es ihm
wesentlicli, so könnte das Werk ohne Wissen nicht als wirküngs-
kriiftig anerkannt werden, da als Grundsatz feststeht, dafs ein
Werk nur dann wirkungskräftig ist, wenn alle seine Teile voll-
zählig zusammen sind. In ähnlicher Weise wird an der Stelle
von der Gemeinschaft der Welten gelehrt, dafs an jede Verehrung,
je nach ihrer Art, bestimmte Belohnungen sich knüpfen; denn es
heifst: „denn ihm werden zu Teil die Welten nach oben hin und
,.nach herwärts zu" u. s. w. (Chand. 2, 2, 3). Es geht aber nicht,
diese Vcrheifsung des Lohnes als eine blofse Erläuterung (artha-
rd4a) aufzufassen, denn dann würde sie eine Erläuterung durch
Ulieigentliches (ein ffunaväda^ vgl. S. 186) sein müssen; wo aber
von einem Lohn die Rede ist, da ist dieses jedenfalls in eigent-
lichem Sinne (als ein vmkhyavdfla) zu nehmen. Anders liegt die
Sache in solchen Fällen wie beim Voropfer u. s. w.; hier ist die
Rede von einem -Werke, welches in bestimmter Weise verrichtet
zu werden verlangt; der Zweck liegt in diesem selbst, und daher
Cl4 ^4rlräka-inimäü8«\
•
I&lst sich tainehmen, ^fs eine [dabei unterlaufende] Yerhcifsiuig
des Lohnes eine blofse ErUaierong (artkaräda) sei. Ebenso steht
es bei demjenigen Ceremonienf welche nicht ausgeführt, sondern
nur siadiert werden, wie es s« B. mit der Verwendung des Löffels
au8 Parnaholi der Fall ist; denn diese Verwendung des Löffels
aus Par^aholz kann, da sie nicht sur praktischen Ausführung kommt
und somit der [materiellen] Grundlage ermangelt, nicht mit einem
wirklichen Lohne verknöpft werden. Was hingegen die Cere-
monie des Kuhmelkens betrifft, so besitzt diese eine solche Grund-
lage in dem Herbeiholen des Wassers u. s, w., von dem dabei die
Rede ist, daher hier der liohn als zur Vorschrift gehörig [nicht
als ein blofser Arthavftda] anzusc^hen ist. Ebenso iäfst sich bei
Ceremonien wie der mit dem BÜTaholze der Lohn als zur Vor-
schrift gehörig auffassen, weil er jene Grundlage besitzt, iu Ge-
938 stalt des Opferpfontens, von dem dabei die Rede ist. | Hingegen
was den Gebrauch des Löffels aus Par^aholz und ähnliches betrifft,
so ist dabei von keiner derartigen Ginindlage die Rede, und wenn
die Schrift sagen wollte, dafs die Benutzung des Löffels nur dem
Worte nach geschehe und doch eine Lohn bringende Vonohrifl
bei, 60 würde damit etwas Widersprecheudes gesagt werden. Was
hingegen die Verehrungen betrifft, so gehören sie zwar zu den
Werken, lassen sich doch aber als eine besondere Vorschrift be-
trachten, daher die Anordnung eines Lohnes für diejenigen [Ver>
ehi-ungcn], welche sich auf den Udgitha stützen, kein Widerspruch
ist. So wie daher Ceremonien wie das Melken der Kühe u. s. w.,
obwohl sie sich auf das Werk stützen, weil ein besonderer Lohn
mit ihnen verbunden ist, für das Werk nicht wesentlich sind,
ebenso mufs man annehmen, dafs auch die Verehrungen als Vdgl-
tha u. s. w. es nicht sind. Daher kommt es, dafs die Verfasser
der Kalpa-Sütra's derartige Verehrungen unter den Opfer werken
nicht mü einbegriffen liaben.
Ackhtndzwangig$tes Adhikaranmm.
43. pradäna-vad eva, tad uktam
eben wie bei den Spenden; darüber ist gesprochen.
Im Vajasaneyakam , an der Stelle: „ich will reden, so strebte
„die Rede" (Brih. 1, 5, 21) wird in psychologischer Beziehung der
Pr&na als der edelste unter der Rede u. s. w. erwiesen und in
kosmologischer Beziehung der Wind als der edelste unter dem
Feuer u. s. w. In ähnlicher Weise wird im Ch&udogyam, an der
Sütram 111. iii. 43. 615
Stelle: „fürwahr der Wind ist der »B-sich-Ratfer" (Ch&nd 4, 3, 1)
in kosmoiogi scher Beziehung erklärt, dafs für das Feuer u. s. w.
der au -sich -Raffer der Wind, nr.d in psychologischer Beziehung,
in den Worten „der Pra^a fürwahr ist der an-Bich-RaHer" (ChUnd. 4,
3, 2), dafs es f&r die Rede u. s. w. der Prniia sei. Hier erhebt
sich der Zweifel, ob man den Wind und den Prana gesondert zii
verehren hat | oder nicht gesondert. — Angenommen also, 'sie 939
'seien nicht als gesondert zu verehren, weil ihre Wesenheit nicht
* verschieden ist; denn wo die Wesenheit nicht verschieden, ist ein»
'gesonderte Meditation nicht am Platze. Auch zeigt die Schrift in
'psychologischer wie in kosmologischer Beziehung, dafs ihre Wesen-
'heit nicht verschieden ist, an der Stelle: „das Feuer ging als Rede
%,ein in den Mund" u. s. w. (Ait. 1, 2, 4). Ferner zeigt die 5M]hrift
4n den Worten: „eben diese sind alle gleich grofs, sind alle unend-
S^lich" (Bfih. 1, i>, 13), wie den psychologischeü Lebensorganeu
'eine kosmologische Machtentfaltung wesentlich ist. Ebenso wird
'anderweit hier und dort vielfach gezeigt, wie die Wesenheiten
'nach der psychologischen und kosmologischen Seite mit einander
'identisch sind. 'Ja, einmal heifst es: „der Prana das ist der Wind"
'(^8^* P- T^'^j 10); hier werden geradezu der Wind und der Prana
'identificiert. Ebenso heifst es in dem in Rede stehenden Brahmanam
'der Vijasaiieyin's bei dem zusammenfassenden Verse; „woraus der
'„8onne Aufgang ist", weiter: „nämlich ans dem Präna gehet sie auf,
',,und in dem Präna gehet sie unter'' (Bf ih. 1 , 5. 23)^ diese Zusammen-
'fassung mit dem Präna ist beweisend für die in ihm liegende Ein-
'heit. „Darum soll man nur ein Gelübde befolgen, man soll ein-
\,atraen und ausatmen" (Brih. 1, 5, 23); auch diese Zusaminen-
^^fassung in dem einzigen Gelübd« des Prana bestätigt eben das-
'selbe. I Ebenso heifst es im Chandogyam weiterhin: „wer ist der 940
'„eine Gott, der diese vier Grofsmächtigen hinabgeschlungen hat"
'(Chand. 4t H, 6): hier redet die Schrift nur von einem an-sich-
' Raffer, und sie sagt nicht etwa, dafs der eine für die einen vier
'der an -sich -Raffer, der andere für die andern es sei. Hieraus
'folgt, dafs man beide nicht als gesondert zu verehren hat.* —
Auf diese Annahme erwidern wir: allerdings hat mun den Wind
und den Prfina als gesondert zu verehren; warum? weil sie als
gesondert aufgezeigt werden. Deiin diese psychologisch und kosmo-
logisch gesonderte Aufzeigung geschieht zum Zwecke der Meditation
und würde, wäre die Meditation keine gesonderte, zwecklos sein.
— 'Aber wir sagten ja doch, dafs die Überdenkung nicht gesondert
'sein könne, weil beide ihrem Wesen nach identisch seien.' —
Dieser Grund ist nicht triftig, denn auch da, wo die Wesenheit
identisch ist, ist wegen der Verschiedenheit der Zustände und auf
Grund einer gesonderten Unterweisung eine Verschiedenheit der
Überdenkung möglich. Und wenn auch die Heranziehung jenes
Verses mit Bezug auf die Identität der Wesenheit geschehen mag,
616 Q&rlraka-m!]n&n8&
so vermiig derselbe doch nicht, die vorher dargelegte Zweiheit des
zu Meditierenden aufzuheben. Und wenn es heifst: „was aber unter
,Jenen Prana^s (Lebonsorganen) der Pr&na in der Mitte ist, das ist
„vjiter diesen Gottheiten der Wind" (Bnh. 1, 5, 22), so werden hier
beide als Gleichnis und Verglichenes gegenübergestellt. Damit ist
auch die Erinnerung an das Gelübde abgefertigt; denn wenn es dabei
heilst: ;,nur ein Gelübde" (Brih. 1,5, 23), so besagt hier das Wört-
chen „nur", dafs das Gelübde der Rede u. s. w. abzuthun, und das
Gelübde des Präna anzunehmen ist; denn Ton der Rede u. s. w.
hiefs es, dafs ihr Gelübde hinfallig sei: „diese übermannte, als
„Müdigkeit, der Tod" (Brih. 1, 5, 21). Nicht aber liegt hierip,
dais auch das Gelübde des Windes abzuthun se^; denn nach der
Bemerkung: „Nunmehr [folgt] die Betrachtung des Gelübdes^'
^^^ (Brih. 1, 5v 21) wird auseinandergesetzt, | wie das Gelübde des
Windes und des Präna in gleicher Weise von der Hinfälligkeit
frei ist. Und nach den Worten : „ darum soll man nur ein Ge-
„lübde befolgen", heifst es: „der erlangt dadurch mit jener Gott-
„heit Verbindung und Zusammensein" (Brih. 1, 5, 23); hier er-
wähnt die Schrift die Gelangnng zu dem Winde als Lohn und
beweist damit, dafs das Gelübde des Windgottes nicht auch
zu beseitigen ist, denn der Wind bedeutet hier die Gottheit,
weil die Wesen sungetrenntheit mit ihr als anzustreben hinge-
stellt wird, und weil es im Vorhergehenden hiefs: „das ist die
„Gottheit, welche keinen Niedergang hat, der Wind" (Bnh. 1,
5, 22). Ebenso in den Worten: „diese beiden sind die zwei an-
„sich - Raffer, der Wind unter den Göttern, der Präna unter -den
„Lebensorganen" (Chänd. 4, 3, 4) werden beide als verschieden
bezeichnet, und diese Verschiedenheit wird zusammengefafst in den
Worten: „(ürwahr diese beiden, die einen fünf und die andern
„fünf, macheu zehn; dies ist der höchst-e Wurf [im Würfelspiele,
„nämlich 4 4- 3 -f 2 -f 1]" (Chänd. 4, 3, 8). Darum also hat man
sie als gesondert zu verehren. „Wie bei den Spenden'*, d. h.' wie
an der Stelle: „dem' Indra als König einen Opferkuchen iu elf
„Schalen, dem Indra als Oberherm, dem Indra als Selbstherrscher^*
(Taitt. samh. 2, 3, 6, 1), — wie bei diesem Opfer mit drei Opftr-
942 kuchen, | wegen der Worte „das der andern aUe sich zufilhrend,
„teilt er es für sie ab ohne fehl zu gehen" (Taitt. samh. 2, 3,
6, 2), und weil Indra mit sich selbst identisch ist, vermutet
worden könnte, dafs die Spende eine gemeinschaftliche sei, wäh-
rend hingegen vielmehr wegen der Verschiedenheit seiner Quali-
täten als König, Oberherr und Selbstherrscher eine Vertauschung
der Darbringungen nicht statthaft ist, sondern vielmehr der Auf-
zählung entsprechend und wegen der Sonderung der Gottheiten
eine Spnderung der Spenden vorliegt, in derselben Weise mafs
man, auch bei Identität des Wesons, wecken der Besonderheit der
zu meditierenden Seite eine Besonderlit^it der Meditation boobach-
Süiram III. in. 43. 617
t«n. ,,Darüber ist gesprochen" worden in dem Abrisse [sänkarsJuif
einem Abflchnitte ans dem Werke des Jaimini], wo es beifet: „ver-
„scbieden ftirwabr ist die Gottheit w^en der Sondervorstellung'*.
Jedoch wird hier aus der Yersohiedenheit des Opferstoffes und der
Gottheit gefolgei*t, dafs auch das Opfer ein yerschiedeues sei, wäh-
rend hingegen in unserm Falle nicht in dieser Weise eine Verschie-
denheit der Lehre anzunehmen ist; vielmehr ergiebt sich aus dem
Anfange und dem £nde, dafs es eine Lehre ist, welche in den psy-
chologischen und kosmologischen Unterweisungen anbefohlen wird.
Trotz dieser Einheit der Lehre aber ist, wegen der Sondeiiiug
des Päychologischen und Kosmologischen, eine Verschiedenheit des
Vorgehens vorhanden, ähnlich wie beim Feuerppfer zufolge der
Verschiedenheit der Morgenstunde und Abendstunde. In diesem
Sinne sind die Worte des Sütram: „wie bei den Spenden'* zu er-
klären.
Neunundzwanzigates AdMkaranam.
9
44. Unffa-bhüyastvät y tadd hi halipas; tad api 943
wegen der Mehrheit der Merkmale, denn dies ißt ge-
wichtiger; auch darüber.
Die Vajasaneyin's haben im Agnirfüiasyam, in dem Brähmai^am:
,, Für wahr diese Welt war zu Anfang weder das Nichtseiende [noch
„das Seiende]^^ (^'atap. br. 10, 5, 3, 1) in Bezug auf das Manas die
Worte: „da ersah es sechsunddreifsigtausend Feuer und Strahlen
„seiner selbst, aus Manas bestehend, vom Manas geschichtet" (Qatap.
br. 10, 5, 3, 3). Ebenso werden weiter im einzelnen die symbolischen
Feuer erwähnt, welche von der Rede geschichtet, vom Odem geschich-
tet, vom Auge geschichtet, vom Ohre geschichtet, vom Werke geschicli-
tet, vom Feuer geschichtet werden. Hierbei erhebt sich der Zweifel, ob
diese vom Manas u. s. w geschichteten Feuer zum Werkdienste ge-
hören und eine Ergänzung desselben bilden, oder ob sie unabhängig
und ihrem Wesen nach blofs zur Lehre gehörig sind. — Hier nun
nimmt der Lehrer auf dii^ Annahme hin, 'daljs sie wegen des Themas
'zum Werkdienste gehören möchten \ vorweg die Unabhängigkeit
derselben an, und zwar, wie er sagt: ,, wegen der Mehrheit der
.^Merkmale". Nämlich die Mehrheit der Merkmale in diesem ßrah-
manam bestätigt oftenbar die Meinung, dafs sie blofs zur Lehre
gehören. | So, wenn es heifst: „was inmier diese W(;sen mit ihrem 944
„Manas vorstellen, das ist eine Wirkung jener Feuer** (^^atap. br. 10,
6, 3, 3)1 und: „für ihn, der Solches weifs, schichten »Herwärts
61 8 Cäriraka-mim&nsä
„alle Wesen diese Feuer, auch wenn er schlftfb'* (Qatap. br. 10«
5, 8, 12). Nämlich ein solches Merkmal ist von mehr Gewicht
als das Thema, von dem die Rede ist; und „auch daräber" ist
in dem ersten Teile gesprochen worden, da wo es heifst: 9, bei
„Kollision von Schriftwort, Merkmal, Satzergänzung, Thema, Nahe-
„stehung und Benennung ist das jedesmal Folgende schwächer [als
„das Vorhergehende] wegen Femerliegung seiner Bedeutoiig'^
(Jaim. 3, 3, 14).
45. ^ puroa-vikalpah prakarandt stfdt, Toriifdj mänasavat^
'eine Variation des Vorherigen muf^ es wegen des
Themas sein, ein Werk, wie das Mentale.'
^Es ist nicht richtig/ könnte man sagen, 'dafs diese Feuer un-
'abhängig und nicht der Nachtrag zu einem andern sind; denn
'im Vorhergehenden war von dem thatsächliohen fener als „Thema''
'die Rede, und zu ihm gehörig mufs auch diese Belehrung ak über
'eine besondere „Variation" desselben sein, nicht 'aber von ihm an-
'abhängig\ — ^ Aber ist nicht ein Merkmal gewichtiger als das
Thema? -^ 'Schon recht, aber auch ein Merkmal, wenn es von die-
'ser Art ist, kann nicht gevrichtiger als das Thema sein; denn dasselbe
945 ^hat einen andern Zweck, | indem es nämlicb nur dazu dient, die
'symbolischen Feuer anzupreisen; wo sich aber ein solcher anderer
'Zweck zeigt, da kann, sofern sich zu dem Merkmale nicht noch
'andere Gründe gesellen, das Merkmal auch als eine uneigentliche
'Erklärung (gunaväda) aufgefafst werden und vermag nicht, die
'Gültigkeit des Themas aufzuheben. Darum müssen auch diese
^symbolischen Feuer wegen des Themas zum Werke gerechnet
'werden, „wie das Mentale", d. h. so wie bei der zwölfnächtigen
'Somafeier am .zehnten Tage, der da Avivakyam heifst, wenn mit
'der Erde als Schöpfgefäfs der Ocean als Somatrank für Prajapati
'als Gottheit geschöpft wird, das Schöpfen, Niedersetzen, Opfern,
'[Rest] -Auftischen, Einladen und Essen nur als ein mentales ge-
'dacht wird, und gleichwohl diese mentale Vorstellung des Schöpfeos,
'weil das Thema von einem Werke handelt, nur ein Nachtrag za
'dem Werke ist, ebenso ist es auch mit dieser Vorstellung des
'Feuers beschaffen.'
46. ^atidegäc ca*
04G *auch wegen der Hinüberweisung.'
'Auch die Hinüberweisung, welche bei diesen Feuern geschiebt,
'bestätigt ihre Zugehörigkeit zu den Werken, indem es heilst:
Sfitram III. in. 46. 619
',,secIisutirl<iroir$igtaas<*u(l siiul dieser Feuer und Strahlen, und von
', filme 11 ist jedes (tint^lne so gi'ofs wie jenes urspiüngliche*' (^-atap.
^l)r. 10, 5, 3: 11). Eine solche Ilinüberweisang ist nur htattbaft,
'wo oine Ähnlichkeit vorliegt, und indem die Schrift bei den sym-
' bolischen Feuern aof das ursprüngliche, auf Opfersteinen ge<
'schichtete und zu den \yerken gehörige Feuer hinüberweist, so
^giebt sie damit die Zugehörigkeit derselben zu den Werken zu
^erkennen.'
47. vklifä eva tu, nirdh&ranut
vielmehr ein Wissen, wegen des Versichern».
Das Wort ,v^'ielmehr^^ dient, dieser Aimalime zu widersprechen.
Nämlich diese durch das Manas u? s. w. geschichteten Feuer sind ilirer
Natur nach zum vWisscn" gehörig und selbständig, nicht aber ein
Anhang zu den Werken. Denn dies „versichert*^ die Schrift, wenn
sie sagt: „eben diese werden vom Winsen geschichtet'* und; „vom
„Wissen des, der Solches weifs, geschichtet, e«itstehen sie** (^atap.
br. 10>5, 3, 12).
48. dari^anäc ca
- auch weil ersichtlich.
Auch, ist ein Merkmal ihrer Selbständigkeit „ersichtlich**, wie
das schon oben dargelegt wurde in den Worten: „wegen der Mehr-
jhoit der Merkmale*' (Sütram 3, 3, 44). — *Aber wurde nicht mit
der Bemerkung, dafs auch ein Merkmal, wo sich zu demselben
nicht noch andere Gründe gesellen, . nicht notwendig als beweisend
angesehen werden müsse für irgend eine Sache, dieses abgewiesen v
und auf Grund des Themas die Zugehörigkeit zu den Werken
festgestellt?" — Hierauf dient als Antwort:
49. cruti-ädi-balij/astväc ca na bädhah 947
auch weil das Schriftwort u. s. w- stärker, ist [dies]
keine Widerlegung.
Es Iftfst sich nicht in dieser Weise dadurch, dafs man um des
Themas willen sich für die Zugehörigkeit zu den Werken ent-
scheidet, die Annahme der Selbständigkeit widerlegen, „weil das
„Scbriflwort u. s. w. stärker' ist. Nämlich [im Falle der Kollision]
sind das Schriftwort, das Merkmal und die Satzergänzung
620 Q&nraka-mim&nsa .
stärker als das Tbema,, wie diea in dem über Schrifiworte und
Merkmale handelnden Sütram (Jaim. 3, 3, f4, oben zu 3, 3, 44
S. 616) festgestellt wnrde. Diese drei Stücke aber bestAtigen in
unserm Falle die Unabhängigkeit der Stelle von dem Werkdienste.
Denn was 1) das Schriftwort betrifft, so lautet dasselbe: „eben
f^dieselbigen werden nur durch das Wissen geschichtet/' Das näm-
liche ergiebt'sich 2) aus dem Merkmale, wenn es heifst: „fOr ihn
„schichton allcrwärts alle Wesen diese Feuer, auch wenn er schläfL'*
Und eben das nämliche folgt 3) aus der Satzergänzung; denn
wenn QU weiter heifst: „nur durch das Wissen dessen, der Solobes
„weifs, werden de geschichtet" (^atap. br. 10, 5, 3, 12), so liegt in
diesen Worten eine Bestätigung des vorhergehenden Ausspruches,
dafs sie „nur durch das Wissen geschichtet werden**, und diese Be-
stätigung würde bei der Annahme einer Zugehörigkeit jener Feuer
zu den Werken nicht zu Recht 'bestehen. — 'Aber kann man
*uicht annehmen, dafs diese Bestätigung nur den Zweck habe, die
'materielle NichtvoUbringüng zu lehren?' — Wir antworten: nein!
denn wäre dies die Absii^t, so würde es an den blofsen Worten:
„durch das Wissen geschichtet'', welche das Wissen als ihr Wesen
erwähnen, genügen und die nachfolgende Bestätigung würde über-
flüssig sein. Denn darin, dafs sie nicht materiell zu vollbringen
sind, liegt eben ihr Wesen« Aber selbst wenn ihre materielle
NichtvoUbringüng feststeht, so liefse sich doch noch der Zweifel
erheben, ob sie nicht dennoch, ebenso wie jenes mentale „Schöpfen'^
(Sütifam 3, 3, 45) zum Werkdienste gehörten; und wenn die nach-
folgende Bestätigung die Absicht hat, jenem Zweifel zu be-
gegnen, dann [und nur dann] ist sie nicht überflüssig. Ferner,
wenn gesagt wird, dafs für den, der Solches w^ifs, mag er nuu.
schlafen oder wachen, allerwärts alle Kreaturen diese Feuer schichten,
so liegt hierin eine Perpetuität jener Feuer ausgesprochen, welche
nur bei ihrer Unabhängigkeit von den Werken möglich ist. Es
ist hiermit ähnlich wie mit der Stelle von dem symbolischen, aus
Rede und Präna bestehenden Feueropfer, wo es nach den Worten :
„dann opfert er den Prana in der Rede, . . . dann opfert er die
948 „Rede in dem Prana" | weiter heilst: „diese beiden Opferungen,
„die unendlichen, unsterblichen, bringt er immerfort im Wachen
„wie im Schlafen dar" (Kaush. 2, 6, 5). Wäre hingegen eine Zu-
gehörigkeit zu den Werken anzunehmen, so würde, weil die Be-
fassung mit den Werken immer nur kurze Zeit dauert, die perpe-
tuelle BefasBung mit jeneu Feuern nicht möglich sein. Femer ist
es auch nicht zulässig, diesen Zusatz für eine blofse Sacherklärung
(arthaväda) anzusehen. Denn wo ein Merkmal u. dgl. vorliegt,
welches eine offenbare Vorschrifk enthält, da geht es an, eine blofne
rühmliche Erwähnung anzunehmen und in ihr eine blofse Erläute-
rung der Sache (arthaväda) zu sehen. Hier hingegen ist keine
andere offenkundige Vorschrift zu ersehen; daher man in der
8&tram III. in. 49. 621
blofsen rühmlichen Erwähnung ^i^ser Lehren allein schon die Vor*
Schrift au finden hat. Da nun diese Vorschrift nur so aufgefafst
werden kann, wie die Erwähnung es an die Hand giebt, diese
aber eine Perpetuit&t lehrt, so muls auch die Vorschrift als perpe-
tuell aufgefafst werden; damit dieses aber auch nur moglidi sei,
mufs die Unabhängigkeit jener Feuer vom Werkdienste angenom-
men werden. Damit findet auch die Stelle: „was immer diese
„Wesen mit ihrem Manas vorstellen, das ist eine Wirkung jener
„Feuer** (Qatap. br. 10, 6, 8> 4) ihre Erklärung. In dieser Weise
beweist also auch die Satzergänzung, welche in den Worten „des-
„sen, der Solches weifs** liegt, dafs eine Befassung mit jenen
Feuern nur für bestimmte Menschen [nämlich die Wissenden] mög-
lich ist, und läfst nicht zu, dieselben mit dem {auch für den Nicht-
wissenden verbindlichen] Opferwerke zu verknüpfen. Somit ist die
Annahme der Unabhängigkeit derselben von dem Werkdienste die
richtigere.
50. anubandha - ädilhyäh^ prajM - antara --pnthaktva - vat ;
drishtag ca; tad uktam
wegen der Verbindung u. s, w., ähnlich der Selbständig-
keit anderer Erkenntnisse; auch ist sie ersichtlich;
darüber ist gesprochen.
Auch darum ist mit Nichtachtung des Themas für die von dem
Manas u. s. w. geschichteten Feuer eine Selbständigkeit anzunehmen,
weil die Schrift dabei die Bestandteile des Opferwerkes mit den Thä-'
tigkeiten des 'Manas u. s. w. in „Verbindung" setsst; denn es heifst:
„nur von dem Manas wurden dieselben angelegt, nur von dem Manas
„geschichtet, nur von dem Manas wurden die Schöpfungen geschöpft,
„mit dem Manas priesen sie, | mit dem Manas lobten sie; und allos 94i)
„Werk, welches beim Opfer verrichtet wird, alles dieses Opferwerk
„wurde nur von dem Manas in jenen aus Manas bestehenden, vom
„Manas geschichteten Feuern als ein Manasartiges vollbracht" (Qatap.
br. 10, 5, 3, 3). Diese „Verbindung" der Opferwerke mit dem Manas
ist die Folge der Zutreffung einer Bedingung [nämlich des Wissens],
während hingegen die konkreten Teile des Opferwerkes nicht erFtt
durch die'Zntreffung einer Bedingung erlangt zu werden brauchen.
Mau darf femer nicht deswegen, weil solche Verehrungen wie die
des Udgitha an das Opferwerk als seine Teile gebunden sind, auch
in unserm Falle meinen, dafs eine ähnliche Zugehörigkeit bestehen
müsse, indem beide Sehriftst eilen von verschiedener Art sind. Dehn
an unserer Stelle ist nicht [wie dort] davon die Rede, dafs ein be-
stimmter Teil des Opferwerkes vorgenommen und auf densölLen
622 g&rtraka'mimllnsft
der oder der Name übertragen werde, Tielmehr aind et die secha-
unddreifsigtaiiseiid Teile der llifttigkeit des Hanaa, welche hier
vorgenommen werden, nm auf sie die Yofstellang von Feuern und
von Libationen zu fibertragen, ähnlich wie es bei den Yorsielinn-
gen des Menschen als Opfer (Sütram 3, 3, 34) und dergleichen ge-
schieht. Was aber die Zahl dabei betrifft, so ist sie der Anzahl
der Tage eines Menschenlebens entnomnien und wird auf die mit
ihnen verknüpften Bethätigungen . des Manas übertragen. Sonach
fblgt aus der „Verbindung*^ [mit umgedeuteten t)pferhandlungeii]
die Unabhängigkeit der vom Manas u. s. w. geschichteten Feuer vom
Werkdienste. Das Wort „u. s. w." kann man fÜgUch von der
Hinüberweisung und derartigem verstehen. Nämlich wenn es heifbi :
950 i)Tou diesen ist jedes einzelne eben so grofs | wie jenes ursprüug-
„liche'V (Qatap. br. 10, 5, 3, 11), so wird hier die Gröfse des Leim
Werke dienenden Feuers jedem einzelnen unt'Cr den erkenntnis-
ariigen Feuern hinüberweiseud zuerkannt, woraus folgt, dafs auf
das Werk selbst kein Gewicht zu legen ist. Wäre ferner die Zu-
gehörigkeit zu den Werken anzunehmen, so könnte nicht behauptet
werden, dafs die ursprünglichen Feuer durch die späteren ersetz-
bar seien. Denn in der Weise, wie das ursprüngliche Feuer durch
Hütung des Ähavanfya-Feuers u. s. w.. dem Werke dient, in dieser
Weise können die späteren ihm nicht dienen. Wenn aber vod
gegnerischer Seite (Sütram 3, 8, 46) behauptet wurde, dafs auch
die Hinüberweisung ihr zur Bestärkung diene, indem eine Hinüber-
weisung nur unter Gleichartigem möglich sei, so ist das unserer-
seits schon durch die Bemerkung erledigt, dafs eine Hinüberweisung
auch durch die Gleichartigkeit, dafs beide doch Feuer sind, er-
möglicht wird. Denn auch die symbolischen Feuer können als
Feuer betrachtet werden. — Die aus dem „ Schriftworte u. s. w.**
sich ergebenden Gründe wurden bereits (Sütram 3, 3, 44) angeflihrt,
und so ist denn auch „wegen der Verbindung u. s. w." als Ursachen
die Unabhängigkeit der vom Manas u s. w. geschichteten Feuer vom
Werkdienste anzunehmen. „Ähnlich der Selbständigkeit änderer
„Erkenntnisse*^; d. h. ähnlich wie auch andere Erkenntnisse, z. B.
die Qäja^ilyalehre (Chänd. 3, 14), indem sie nur durch das in ihnen
951 selbst liegende Band mit dem übrigen verbunden sind, | unabhängig
von den Werken und von andern Lehren und selbständig sind,
so ist es auch hier. „Auch" ist eine solche Abweichung von dem
Thema auch anderweit „ ersichtlich'^, z. B. bei der Opfersühnong,
welche unter dem Thema der Königsweihe vorkommt; denn sie be-
zieht sich auf alle drei Kasten, während doch die Königsweihe
nur ein Opfer des Königs ist. „Darüber ist gesprochen *% näm-
lich im ersten Teile [in den Jaimini-Sütra's] bei den Worten: ,,weil
„sie um des Opfers willen geschehe, meint ihr? Nein! wegen ihrer
„Verbindung mit allen drei Kasten". (Vgl. auch Jaim. 2, 3, 3.)
Sfttram III. in. 51. C23
51. na sämänyäd apij upalabJher; mriUfuvat; na hi
loka-äpattih
auch nicht aus der Analogie, weil ersichtlich; wie bei
dem Tode; denn nicht wird die Welt dazu.
' Wenn behauptet wurde, „wie das Mentale'* (Silitram 3, 3, 45),
so dient zur Antwort: „auch nicht aus der Analogie'^ mit den
mentalen Libationen folgt eine Zugehörigkeit der vom Manas u. s. w.
geschichteten Feuer zu den AVerken, „weil ersichtlich", nämlich aus den
augeführten Gründen des Schriftzeugnisses u. s. w., dafs es sich hier
um das absolute Ziel des Menschen handelt. Ja, eine Ähnlichkeit läfst
sich zwischen allem und jedem herausfinden, dies aber schliefst nicht
die jedem eigene Besonderheit aus; „wie bei dem Tode'S d. h. wie
an den Stellen: „der fürwahr ist der Tod, welcher als der Mann
„dort in der Sonnenscheibe sich zeigt*' (Qatap. br. 10, 5, 2, 3) und:
„fürwahr das Feuer ist der Tod** (Taitt. samh. 5, 1, 10, 3), des-
wegen, weil auf das Feuer und den Mann in der Sonne die gleiche
Bezeichnung als Tod angewendet wird, doch zwischen beiden keine
absolute Gleichheit vorhanden ist; — oder wie deswegen, weil es
heifst: „fürwahr diese Welt ist ein Feuer, o Gotama, | die Sonne 952
„ist sein Brennholz** (Chänd. 5, 4, 1), aus der Ähnlichkeit mit dem
Brennholze u. s. w. noch nicht folgt, dafs die Welt geradezu zu
einem Feuer werde, — ebenso ist es auch hier.
52. parena ca ^abdasya tädvidhyamy bhüyastvät tu
anuhandkah
auch wegen des Folgenden ist Sogeartetheit des Schrift-
wort^s; die Verknüpfung aber wegen der Zahlreichheit.
„Auch wegen des Folgenden**, nämlich in dem nächstfolgenden
Brähma^am: „füi'wahr diese Welt ist jenes geschichtete Feuer** (^a-
tap. br. 10, 5, 4, 1), ist „Sogeartetheit des Schriftwortcs*^ d. h. eine
blofse Vorschrift der Lehre als Motiv der Stelle, nicht aber eine
Zagehörigkeit zu den Vorschriften des blofsen Werkes anzunehmen ;
denn es heifst dabei (Qatap. br. 10, 5, 4, 16):
„Purcb Wissen steigen sie empor
„Dorthin, wo sich das Sehnen stillt,
„Nicht wer werktüchtig nur und wer
„Unwissend Bufse blofs erfüllt.*'
624 ^Mraka-mtm&ö8&
In diesem Verse liegt,, sofern er das blofae Werk tadelt tind dan
Wissen anpreist, ein Beweis für unsere Behauptung. Ebenso war
vorher, nämlich in dem Brähma^am : „was jene Scheibe fuhrt"
(^'atap. br. 10, 5, 2, 1) ersichtlich, dafs das Wissen der Hauptzweck
ist, nicht aber das Werk, weil der Schlufs gemacht wird mit einer
Zusarameu Fassung der Frucht des Wissens in den Worten: „er wird
„uu»terblich, denn der Tod wird zu seiner eigenen Seele^^ (^atap.
br. 10, 5, 2, 23); in Analogie hiermit mufs es auch au iiuserer
Stelle uhiilich sein. Die Verknüpfung aber des Wissens mit dem
Feuer geschieht aus dem Grunde, weil „zahlreiche" Bestandteile
des Feuerkultus bei dem Wissen symbolisch vorkommen, nicht aber
weil das Wissen zum Opferwerko gehört. Somit ist bewiesen, dafs
die vom Manas u. s. w. geschichteten Feuer ihrem Wesen nach zur
rei4en Wissenschaft allein gehören.
Dreißigstes Adhikaranam.
953 63. eka' ätmandh garire hhärät
einige [behaupten die Sterblichkeit] der Seele, weil
sie besteht, so lange der Leib.
Im gegenwärtigen Abschnitte wird die Existenz der vom heihe
losgelösten Seele erwogen, um ihre Befaliigung zur Bindung und
Erlösung zu erweisen. Denn wenn die Seele über den Ldb hin-
aus nicht fortbestünde, so würden Pflichtanforderungen , die erst
in einer andern Welt ihre Frucht brächten, nicht zulässig sein,
und noch viel weniger liefse sieh beweisen, dafs die Seele irgend
wessen ihrem Wesen nach Brahman sei. — 'Aber es wurde dodi
'schon in dem an der Spitze unseres Lehrbuches stehenden ersten
Täda [nämlich zu Jaim.-l, 1, 5] die Existenz der zum Genüsse
'der vom Kanon verheifsenen Frucht befähigten, über den Leib
'hinaus fortbestehenden Seele besprochen.' — Wohl wahr! doch
nur von dem Kommentator; hingegen ein Sütram über die Exi-
stenz der Seele findet sich daselbst nicht. Hier aber unternimmt
es der Verfasser der Sütra^s selbst, die Existenz der Seele, nach
vorherigen Einwürfen gegen dieselbe, festzustellen. Und aas un-
serer Stelle hat es der Lehrer (^abarasvämin entnommen, und in
dem von der „Autorität" bändelnden Buche [nämlich zu Jaim. 1,
1, 5, p. 19 — 24] dargestellt. Daher kommt es auch, dafs der ehr-
würdige Upavarslia im ersten Teile des Lehrbuches, da wo er die
Fortexistenz dor Seele darzulegen hatte, sich der Sache enthebt
Sfttram Hl. m, 53. 625
ijilt den Worten: ,,im Qarirakam werden wir es auslogen." Wenn
:%hev die Fortexistenz der Seele gerade hier, wo es .sich um die
ptlichtartigen Yei*ehrungen handelt, in Betrarht gezogen wird, so
geschieht dies, um zu zeigen, dafs ihr ganzer Lehrinhalt von dieser
Lehre ahhängig tat. Auch wurde ja im letzten Adhikaranam |
unter Annahme eines Abgohens vom Thema gezeigt, wie die vom 954
Manas u. d. w. geschichteten Feuer zur Lehre vom Endzwecke des
Menschen gehören. Wer Ist nun dieser Mensch, zu dessen End-
zweck jene vom Manas u. s. w. geschichteten Feuer gehören? In
dieser Frage liegt die Veranlassung, die Existenz der über den
Leib hinausreichenden Seele nachzuweisen. Hierbei hat das gegen-
wärtige erste Sütram den Zweck, die Einwürfe gegen ihrb Exi-
stenz vorzubringen, weil das Yorbliligen der Einwürfe und das
Entkräftigen derselben ähnlich wie die auf einen Pfahl geführten
Schläge die Überzeugung von der in Rede stehenden Sache be-
festigt.
„Einige^^ also, nämlich die nur in dem Ijeibe das Selbst sehen-
den Materialisten (Lohäyattka) glauben, dafs ein über den Leib
hinaus fortbestehendes Selbst nicht existiere, und indem sie an-
nehmen, dafs das Geistige, wiewohl unsichtbar, in den gesamten
und einzelnen äufsem Elementen, Erde u. sl'w. , wie sie sich* zur
Gestalt des Leibes umformen, enthalten sei, behaupten sie, dafs
aus diesen das Geistige als Erkenntnis hervorgehe, ähnlich wie
die Kraft des Rausches [aus den Gärstoffen], und dafs der Mensch
[nur] ein durch dieses Geistige sich auszeichnender Leib sei. Hin-
gegen leugnen sie ein Über den Leib hinaus fortbestehendes Selbst,
vermöge dessen das Geistige im Leibe sei, und welches im Stande
wäre, in den Himmel oder in die Elrlösung einzugehen; vielmehr
nahmen sie an, dafs der Leib allein das Geistige und das Selbst sei,
und führen als Grund an, dafs das Geistige nur bestehe „so lange
„der Leib besteht"» Denn was so lange besteht, wie ein anderes
besteht, und nicht mehr besteht, wenn jenes nicht mehr besteht, das
ist damit, dafs es eine Qualität desselben ist, inollständig begriffen,
wie Hitze und Licht damit, dafs sie Qualitäten des Feuers sind.
Ebenso stehe es mit Odem, Bewegung, Erinnerung u. s. w., welche
von den Anhängern der Seele für Qualitäten der Seele gehalten
würden; da auch sie nur innerhalb des Leibes wahrgenommen
würden und aufserhalb desselben | nicht wahrgeuommen würden, 955
und da ein über den Leib hinausreichender Träger dieser Quali-
täten nicht erweisbar sei, so könnten sie nichts aTiderea sein als
Qualitäten dea Leibes. Somit bestehe itlis Selbst über den Leib
hinaus nicht fort.
Auf diese Annahme erwidern wir: *
nv.t'SSKN, V<Kl&iiia.
626 Q&rtraka-mliiiifi8&
54. vyaHrekas! tad-bhdva-ahhdvUvdn natu; upaiabd^i-vat
Fortbestehen! denn weil es in seinem Sein nicht das
Sein hat, ist es vielmehr nicht an dem ; mit demselben
Bechte wie die Wahrnehmung.
Es ist „vielmehr nicht fin dem", dafs das Selbst nicht Über den
Leib hinaus fortbest^e; vielmehr muTs ein ),Foribdstehen" desselben
über den Leib hinaus angenommen werden, „weil es in seinem [des
JLeibes] Sein nicht ^as Sein hat". Denn wenn daraus, dafs die
Qualitäten des Selbi(tes bestehen, so lange der Leib besieht, ge-
folgert vrird, dafs sie Qualitäten des Leibes seien, so mufs doch
auch daraus, dafs jene nicht mehr bestehen, wälzend der Leib
noch besteht, geschlossen werden, dafs sie nicht Qualitäten des
Leibes sind, indem sie von den Qualitäten des Leibes wesensver-
schieden sind. Denn was Qualität des Leibes ist, wie die Ge-
stalt, u. 8. w., das mufs so lange «bestehen wie der Leib. Hingegen
bestehen Odem, Bewegung u. s. w. nicht mehr, wiewohl noch der
Leib besteht, nämlich im Zustande des Todes. Dazu kommt, dafs
die Qualitäten des Leibes, wie Oestalt u. s.w., auch an andern
wahrgenommen werden, während es mit den Qualitäten de« Selb-
stes, mit Geist, Erinnerung u. s. w«, nicht so ist [sie gehören nicht
mit zur objektiven Realität].
Femer: daraus, dafs der Leib im lebenden Zustande besteht
kann man allerdings beweisen, dafs jene [die Qualitäten des Selb-
stes] bestehen, nicht aber daraus, dafs er nicht besteht, daA Jene
nicht bestehen;, denn es bleibt die Möglichkeit offen^ dats, wenn
auch dieser Leib einmal dahin fällt, die Qualitäten des Selbstes
956 durch Eingehen in einen andern Leib fortbestehen; | die Meinung
der Gegner verbietet sich somit auch dadurch, dafs sie eine bloCse
Mutmafsung (safitgatfo) ist.
Weiter mufs man den Gegner fragen, wie er sich denn das
Geistige denkt, wenn er seine Entstehung aus den Elementen an-
nimmt : denn aufser den vier Elementen nehmen ja die Materialisten
keine Wesenheit an. Wenn er sagt: das Geistige ist das Wahr*
nehmen der Elemente und ihrer Produkte, so sind also jene seine
Objekte,^ und folglich kann es nicht eine Qualität derselben sein,
indem eine Bethätigung gegen das eigene Selbst ein Widersprueh ist.
Denn das Feuer, obgleich es heifs ist, brennt doch nicht sich selbst,
und der Tänzer, so geschickt er auch ist, kann -doch'' nicht auf
seine eigene Schulter, steigen. Soll das Geistige eine Qualität der
Elemente und ihrer Produkte sein, so können die Elemente und
ihre Produkte nicht Objekt desselben werden. Denn s. B. die
Gestalten können nicht die eigene Gestalt oder eine andere Gestalt
Sfttram III. in. 54. 627
zum Objekte haben, während hingegen das Geistige die Elemente
nnd ihre Produkte, die aufserhalb sowohl als die ao dem eigenen
Selbste befindlichen, 2U Objekten hat» „Mit demselben Rechte"
also, mit welchem man die Realität der alle Elemente und ihre
Produkte sum Objekt habenden [und folglich nicht sra ihnen ge-
hörigen] „Wahrnehmung" annimmt, mufs man auch | das Fort- 957
bestehen über jene hinaus annehmen. Denn die Eigennatur der
Wahmehmutog ist eben das, was wir die Seele nenn^. So folgt
die Unabhängigkeit der Seelie yom Leibe und ihre Ewigkeit aus
der besonderartigen Natur der Wahrnehmung. Und auch die Er-
innerung u. s. w. wird nur dadurch möglich, dals, nachdem man
eine Sache wahrgenommen hat, man sie auch dann 'noch, nachdem
sie bereits in einen andern Zustand übergegangen ist, vermöge
des [trotz ihres Yerganges fortbestehenden] Wahrnehmerseins wie-
der erkennt.
Wenn aber gesagt wurde, dafs die Wahrnehmung eine Qualität
des Leibes sei, weil sie so lange bestehe, wie der Leib besteht, so
ist darauf in der schon angezeigten Weise zu antworten: die
Wahrnehmung besteht auch, so lange die Hülfsmittel derselben, a. B.
die Lampe; bestehen, und sie bestehen nicht mehr, wenn jene nicht
mehr bestehen; aber daraus darf man nicht schliefsen, dafs die
Wahrnehmung eine blofse Qualität der Lampe sei; und ebenso
braucht nicht darum, weil die Wahmehmuiig besteht, so lange der
Leib besteht, und nicht mehr besteht, wenn er nicht mehr besteht,
die Wahrnehmung eine Qualität des Leibes zu sein; denn die Mög-
lichkeit ist da, dafs der Leib dabei, ebenso wie die Lampe, als
ein blofses Hülfsmittel dient. Übrigens ist auch die Hithülfe des
Leibes bei der Wahrnehmung gar nicht unbedingt erforderlich: .
denn auch während der Xicib unbeweglich im Schliäe liegt, haben
wir mancherlei Wahrnehmungen. — Folglich ist die Existenz der
über den Leib hinaus fortbestehenden Seele unbestreitbar.
Einunddrei/sigHes Adhdkaranam,
55. anga " avahaddhds tu na gäMidsu hi pratwedam 9m
die an Teile gebundenen sind vielmehr ja nicht [blofs
gültig] in den Qäkh&'s [Yedaschulen] je nach dem Yeda.
Nach Beendigung dieser gelegentlichen Erörterung wenden wir
uns nun wieder unserer eigentlichen Aufgabe zu. — £s heifkt:
40*
838 Qlürtraka-mlinin8&
),Oin! diegen Laut soll man Terefaren als den Udgitha^ (Gfa&Dd 1,
1, 1); — ,^n den Welt«n soll man das fünffache Sftman Terefaren*'
(Gkind. 2> 3,1); — „Preislied, Preialied, so sagen wohl die Leate;
„aber dieses hier ist das Preislied, n&mlich diese Erde'* (Aii. &r. 2,
1, 2, 1); -^ „wahrlich jenes geschichtete Feuer ist diese W^t^ (^-
tap. br. 10, 6, 4, 1); — diese und andere Vorstellungen, welche an
Teile der Werke des Udgttha u. s. w. gebunden sind und je nach
dem Yeda in den einzelnen Q&khl^'s (Yedaschulen) Yorgesduieben
werden, — gelten diese nur ftr denjenigen Üdgltha u. s. w., welcher
der betreffenden ^&kh4 angehört,' oder für den samtlicher Q&kha*a,
das ist jetzt die Frage, und sie wird hier aufgeworfen unter der
Supposition, dafb in den yerschiedenen Q&kh&'s, so gut wie die
Accentuatibn und anderes von einander abweicht,' auch der Udgi-
tha u. 8. w. ein verschiedener sei. Angenommen also, *die Yor-
'schrilten bezögen sich nur auf den der betreffenden Q&kh& ange-
'hörigen üdgttiia u. s. w.; warum? wegen der Benachbartfaeit.
'Nämlieh wenn es heifst: „[diesen Laut] verehre man als- den
'„Udgltha'S so ist -dieses eine allgemeine Vorschrift, welche noch
'der Speoification bedarf, und diesem Bedürfnis wird abgeholfen
'durch die in der eigenen Qakhd. liegenden und in unmittelbarer
'Nähe stehenden besondem Bestimmungen; diese nun la Über-
'springen und dafür die in einer andern Qakh& vorkommenden Be-
'Stimmungen aufzunehmen, ist kein Grund vorhanden; daher eine
959 'Absonderung je nach den Q&khä's anzunehmen ist.' — | Auf diese
Annahme erwidert der Lehrer: „die an Teile gebundenen sind viel-
„mehr"; — das Wort „vielmehr" bestreitet die gegnerische Mei-
nung; nämlich jene Yerehrungen sind nicht blofs „je nach dem
„Yeda" auf dessen einzelne Qäkhä's zu beschränken, sondern sie
haben für alle Qakh&'s Gültigkeit; warum? weil ihn^' das Schnfl-
wort von dem Udgitha u. s. w. gleichmäfsig angehört. Nämlich
bei einer Einschränkung auf die eigene ^&khiL würde ein Wort
wie „[diesen Laut] soll man verehren als den Udgitha ^^, welches
allgemein und ohne Specifikation auftritt, wenn man ihm blofs um
der Stellung willen eine nur specielle Geltung zuerkennen wollte,
nicht zu seinem Rechte kommen; und das darf niqht sein. Denn
[nach Jaim. 3, 3, 14, oben S. 587. 618] hat ein ausdrücklidies Schrift-
wort mehr Gewicht als die blofse Naliestehung, auch ist eine Vor-
stellung, welche sich blofs im Allgemeinen hält, nicht unzulässig.
Wenn daher auch eine Verschiedenheit der Accentuation u. a. w. in
den einzelnen Qäkhä^s vorkommt, so ist es doch derselbe Udgitha
u. s. w., welcher in ihnen allen gelehrt wird, und darum müaeen
sich auch Vorstellungen wie die in Rede stehenden auf den Udgi-
tha u. B. w. als einen allen ^äkhä*s gemeinschaftlichen bezieben.
SUktram IIL xil 56. 629
56. mantra-ddi-vad vä avirodhah
M
oder: wie bei den Mantra's u. s. w. ist dies kein
Widerspruch.*
Oder auch: man braucht picht gleich einen Widerspruch darin
zu argwöhnen^ wenn die in der einen Q&khil gebotenen Vorstellun-
gen auch anf den in der andern Q&kh& Torkommenden Udgitha u. s. w.
bezogen werden, da die Widerspruchslosigkeit sich ebenso gut „wie
„bei den Mantra's u. s. w/' aufrecht halten l&fst. N&mlich ganz
in derselben Weise werden die in der einen Qikh& Torkommendeil
Mantra's, Werke und attributive Bestimmungen in den andern Q&-
kha^s herbeigezogen. Und wenn z. B. auch der Mantra (Sprudi),
der beim Nehmen des Prefssteines zu sprechen ist: „du bist der
„Hahn*^ u. s. w. (Maitr. samh. 1, 1, 6) in andern jQ&khi's sich nicht
vorfindet» so läfst sich doch auch bei ihnen dieselbe Yerordnung |
nachweisen, sofern es bei ihnen [nach der Glosse bei den Tajurve- 960
din's] heilst: ,',du bist der Hausvogel, mit diesen Worten nimmt er
„den Prefsstein oder auch mit den Worten: du bist der Hahn."
— Femer, wenn auch in manchen Bchulen die [fönf] Voropfer,
nämlich Samidh u. s. w., nicht aufgezählt werden, so findet sich
doch eine gleichnisartige Vorschrift darubw bei ihnen [nach der
Glosse bei den Maitr&yaniya's], sofern es heifst: „fürwahr die [fänf]
„Jahreszeiten sind selbigen Ortes zu opfern." — Wenn sich femer
in einigen Schulen die genaue Bestimmung der Art des dem- Agni
und Soma geweihten Bockes nicht findet, so haben sie doch an
dessen Statt den diese Bestimmung enthaltenden Spruch: „zum
„Fette der Netzhaut des Schafbockes lade ein" (^tap. br. 3,
8, 2, 26). — In ähnlicher Weise werden, wie wir bereits sahen
(p. 919, 5, S. 601), Sprüche wie: „o Agni, genehmige den Opfer-
„ruf, genehmige die heilige Handlung" (Pancav.br. 21, 10, 11),
obwohl sie nur in dem einen Veda vorkommen, doch in dem an-
dern Veda herbeigezogen. — Ebenso wird der bei den Liederreichen
[Anhängern des RIgveda] vorkommende Hymnus: „Der kaum ge-
„boren, mutvoll war zuerst gleich" (Rigv. 2, 12, 1) im Veda des
Adhvarjru mit den Worten: „der Sajanlya-Hymnus ist zu reci^ieren"
(Taitt. sa^. 7, 5, t5, 2) wieder aufgenommen. — So gut wie daher
die Werkteile» welche als Grundlage dienen, allerwärts gelten, eben-
so gut können es ohne Widerspruch auch die auf diesen Grundlagen
ruhenden Vorstellungen.
680 gMrakft-mloiA&si
ZwmmddreifiigUu Adkikarancmi.
061 57. f^hümnah kratwqf JifAyastvam tathA hi dar^tfoH
m
der Unbeschränktheit Yornehmlichkeit, wie beim
Opfer ; de&n dies lehrt die Schrift.
In d«r Ers&hlang, weiche anfibigt mit den Worten: „iV4ciiui-
C2Ua, der Sohn des Upamanyu^ (Ghl^nd. 6, 11 — 24), ist Ton einer
Verehmnff de« partiknlaren und des oniTersalen Vaiyv&narii die
fiede (ygL Sütram 1, 2, 24 — 82, S. 119 fg.)- I>ie Verehrung des
pärtikolaren liegt in den Worten: „o Sohn des Upamanya, wen
„Terehrst du ale den Atman? — Den Himmel, o würdiger König»
„Bo sprach er. — Es ist nur der wohlkr&ftige Atman YaiyT&oara,
„den du als den Atman verehrst*' u. s. w. (Ghftnd. 5, 12^ 1). Ebenso
findet sich aber auch die Verehrung des universalen Atman in den
Worten: „an diesem Atman Vaigvinara ist das Haupt Wohlkraft,
„sein Auge ist AUform, smn Odem Sonderweg^ sein X^ib di« weite
„Zusammenkittung, seine Eingeweide der Reichtum, die Erde ist
„seine Fülse'^ (Chkid. 5, 18, 2). — Es erhebt sich die Frage, ob
hierin eine beiderseitige Verdirung, des Partikularen und des Uni-
versalen, oder nur eine solche des Universalen gelehrt wird. — An-
genommen also, 'es werde [auch] eine Verehrung desselben nach
^seinen einzelnen Teilen gelehrt, weil es von dem Wohlkr&ftigen und
^den übrigen unter Anwendung eines Thatwortes heiTst: „du verehrst
S,ihn''; darum, und weil von einer besondern Frucht dieser Verehnin-
'gen die Rede ist in den Worten : „in deiner Familie wird gekcSiert)
S,fortgekeltert, durchgekeltert werden'' (Ch^nd. 5, 12, 1), sind auch
'die partikularen Verehrungen als zulässig anzunehmen.' — Hierauf
ist zu erwidern: „der Unbeschränktheit Vornehmlichkeit", d. h. ein«
Verehrung des eine Zusammenfassung der [genannten] Faktoren zu
seinem Wesen habenden und daher universalen Vai^v&nara mois als
962 Hauptsache an dieser Stelle zu lehren beabsichtigt | sein, nicht aber
eine Verehrung seiner Bestandteile im einzelnen; „wie beim Opfer';
d. h. ebenso wie bei den Opfern zum Vollmonde, Neumonde o. s. w.
in universaler Weise eine Betreibung der Hauptsache mitsamt ihren
Teilen gefordert wird, nicht aber eine blofse Betreibung einzelner
Teile, z. B. des Voropfers, noch auch eine Betreibung der Haupt-
sache in Verbindung mit nur einzelnen ihrer Teile, ebenso ist es
auch hier. Aber woraus erkennen wir, dafs die Unbeschrfinktheit
das Vornehmliche ist? weil ihre Vornehmlichkeit von der Schrift
gelehrt wird, und zwar damit, dafs die Stelle eine einheitlicfae iat.
Nämlich die Stelle von der Vaigvanaralehre ist, wie sich aus Betrach-
tung des Vorhergehenden und Nachfolgenden ergiebt, eine einheit-
. Sfttritt UL ui. ö7. 631
Hohe. Deon die BeebB Weisen, von Prictaa^la au bis au Udd&-
laka hin, nachdem .sie die Lehre vom Vai^vlioara nicht haben er->
gründen können, gciien zu dem Könige A(vapati, dem Abkdmm-
lin^^e des Kekaya, denn damit föngt es an; und nachdem der König
jeden einsehien Weisen über das nach seiner Meinung au Ver-
ehrende, den Himmelan, s. w., verhört hat, so spricht er: „das ist
„nur daa Haupt des Atman" u. s. w., und erkliirt damit, dafs das,
wa& jene verd^ren, nur sein Haupt u. s. w. sei. Hierbei sagt er:
„dein Haupt wäre entswei geborsiken, wenn du nicht zu mir ge-
,^kommen w&rest" (Gh&nd. 6, .12, 2), womit die Yerwerfiing der Ver-
ehrung des Partikularen ausgesprochen ist. Und abermals yer-
wirft er die partikulare Verehrung und fordert die Verehrung des
Universalen, wenn er in den Worten: ndw isset Nahrung in
„allen Welten, in allen Wesen, in allen Jjeibem^ (Ghl^d*. 6, 18, 1)
die £i*langung der Frucht ^^refa die Verehrung der Unbeschränkt-
heit bedingt sein l&isi. Wenn hingegen auch im einzelnen bei dem
Wohlkr&ftigen u. s. w, eine besondere Frucht verheifsen wird, so ist
dies, nach Lage der Sache, so aufzufassen, dafs die Frueht der
einzelnen Teile bei der Hauptsache zusammenzufassen beabsichtigt
wird. Wenn femer bei den einzelnen Teilen das Wort: „du ver-
„ehrsf I vorkommt, so ist dies nur der Bericht über eine andere 963
Meinung, nicht aber eine Vorschrift, den Partikularen zu verehren.
Somit ist die Ansicht, dafs nur der Universale zu verehren sei, vor-
zuziehen«
£inige freilich wollen daraus, dafs die Ansicht von der
Verehrung des Universalen nur als das „ Vornehmliche'^ [im Sütram]
hingestellt werde, den Schlufs ziehen, dafs eben wegen der blofsen
Hervorhobung der „Vomehmlichkeit" auch die Verehrung des Par-
tikularen von dem Sütra- Autor gebilligt werde. Aber dies ist
nicht richtig; denn wo eine einheitliche Meinung annehmbar ist,
da darf man nicht eine vielheitliche Meinung finden wollen. Auch
widerspricht dem der Tadel, welcher in den Worten liegt: „dein
„Haupt w&re entzwei geborsten" (GhAnd. 5, 12, 2). Da femer die
Erkenntnis, dafs der Universale zu verehren sei, am Schlüsse der
Stelle offenkundig vorliegt, so konnte da« Gegenteil davon auch
nicht einmal als oppositionelle Meinung au%estellt werden [wenn
aber der Siddkänta die Verehrung beider behaupten sollte, so
könnte der Pürvapaksha nur die alleinige Verehmng des Parti-
kularen vertreten]. Auch hindert uns nichts, das Sütrawort von
der Vortrefflichkeit so aufzufassen, dafs es „die Begründetheit der
„Ansicht" [nicht aber eine, blofs comparativ verschiedene, Berech-
tigong beider Verehrungen] bedeutet.
632 C&rlnüEa-]Biin&ns&
Dreiunddrei/eigstes Adhikarananu
58. nänäy ^hda-ädi-Vhedät
zu trennen, wegen Verschiedenheit des Wortes u. ». w.
Wir fanden im vorhergehenden Adhikaranam, dafs trotz der ver-
schiedenen, bei dem ,,Wohlkräftigün^' u. s. w. in Aussicht gestellten
Frucht, die Verehrung des Univerealeu das Yornehmlichere sei. Hier-
aus könnte die Meinung. entstehen, dafs [ganz allgemein] ^auch [alle]
^andern, wiewohl an verschiedenen Schriftstellen vorkommenden Ver-
mehrungen [^es Brahman und wiederum des Prana] als solche eines 6e-
^moinsamen in Anspruch ^genommen werden müs^eu. Auch braucht
^ja nicht notwendig angenommeU zu werden, dafs, weil das Objekt
'des Wissens ein ungeteiltes ist, auch das Wissen darüber ein un-
'geteiltes sein müs»e; denn das Wisseusobjekt ist für die Wissen-
*Bchaft ebenso der Gegenstand, wie Opfermaterial und Oottheit
*ea für das Opfer ist, und Gott (i^ara) als das Objekt des Wissens
'bleibt doch einer, auch wenn man eine Versohiedenheit in den
064 'Schriftdarstellungen eugiebt, | wenn es z. B. heifst: „Manas ist
'„sein Stoff, Odem sein Leib" (Chänd. 3, 14, 1); — „Brahman i&i
'„Freude, Brahman ist Weite" (Ch&nd. 4, 10, 5); — „sein Wünsche»
'„ist wahrhaft, waluhaft sein Ratschlufs" (Chand. 8, 7, 3); ebenso
'wie anderseits auch der Pr&na doch einer bleibt in Stellen wie:
'„der Prana fürwahr ist der an -sich -Raffer" (Chand. 4, 3, 3); —
'„der Prana fürwahr ist der älteste und beste" (Ch^nd, 5, 1,1); —
*„der Prana ist der Vater, der Präna die Mutter" (Chänd. 7, 15, \V,
'daher in diesen Stelleu, um der Einheit dos Wissensobjektes willen,
'eine Einheit der Lehre von der Schrift dargeboten wird. Und auch
'eine Verschiedenheit der Schriftworte ist bei dieser Annahme nicht
'für zwecklos zu halten, sofern dabei immer wieder andere Quali-
' täten in den Vordergrund traten. £s scheint daher, dafs mau die
4u der eigenen und in frcmduii (^akha's verordneten und auf das ein-
'Keitliche Wisseusobjekt sich beziehenden Qualitäten zusammenfassen
'mufs, damit die Wissenschaft ein Ganzes werde/ — EUerauf erwidert
der Lehrer: „zu trennen"; d. h. wenn auch eine Einheit des Wissens-
objektes vorliegt, so müssen doch derartige Lehren getrennt gehal-
ten werden; warum? „wegen Verschieden licit des Wortes u. s. w,";
es besteht nämlich eine Vei*schiodenheit des Wortes, sofern es
dabei z. B. heifst: „er weifs" (Chand. 5, 1» 1) — „er möge ver-
rohren" (Chui)d. 3, 14, 1); • — „«-;r trachte nach Einsicht" (Chäod. 3,
14, 1). Dafs aber die Verschiedenheit des Wortes oiiie solche der
Wurke begründet, erkannten wir schon oben, da wo es hiefs: „wo
„das Wort ein anderes, ist das Werk verschieden wegen der Voll-
SAtram IIL m. 58. 633
„zogenheit der Verknüpfimg [beider]" (Jaim, fi, 2, 1). Was das
Woi't „u. 8. w." im Sütram betrifft, so mag es so erklärt werden,
I dais auch Qualitäten u. s. w., je nachdem es sich trifft, eine Ur- 96&
Sache der Auseinanderhaltung sein können. — *Aber wenn es heifst:
'„er weifs" (Chand. 5, 1, 1) u. s. w., so liegt darin doch nur eine
'Verschiedenheit nach den Worten, nicht aber nach dem realen
'Zwecke^ wie dies z. B. der »Fall ist in Ausdrücken wie „er opfert^*
'u. s. w. Alle jene Verehrungen nun sind doch insofern untrennbar,
'als sie sämtlich auf ein bestimmtes Verhalten des Geistes ab-
^z wecken, und ein anderer Zweck bei ihnen nicht möglich ist; wie
^kann ßlso unter diesen Umständen aas der blofsen Verschiedenheit
'der Worte alif eine Verschiedenheit der Lehre geschlossen werden?" '
— Dieser Biuwand ist nicht treffend; denn wenn auch der Zweck,
ein bestimmtes geistiges Verhalten zu veranlassen, der gleiche ist,
so ist doch ■ zufolge des Verschiedenheit der Verknüpfung fvon
Wort und Zweck] eine Verschiedenheit der Lehre denkbar. Näm-
lich wenn auch der zu verehrende Gott einer bleibt, so werden
dodi von ihm je nach dem Vorhaben verschiedene Qualitäten [zur
Verehrung] anbefohlen; und ebenso, wenn auch der Präua, wie er
hier und dort als Objekt der Verelirung aufgestellt wird, derselbe
bleibt, so ist doch das eine Mal eine solche, und das andere Mal
eine andere Qualität desselben zu verehren, and wegen dieser
Verschiedenheit der Verknüpfung mufs, wo die Vorschrift eine
verschiedene ist, auch eine Verschiedenheit der Lehre anerkannt
v/erden. Mau kann nicht etwa behaupten, dafs dabei die eine
Vorschrift sich auf das Wissen und die andere auf die Qualitäten
bezöge; denn weil für ein solches Auseinandergehen kein Grund
vorliegt, und weil die Qualitäten je nach dem Vorhaben verschiedene
sind, so geht es nicht an, die Anbefehlung der Qualitäten als eine
nachträgliche Erklärung (anuväda) der schon vorliandenen Lehre
anzusehen. Auch dürften bei dieser Annahme nicht dieselben Quali-
täten, wie z. B. „Wa]ires wünschend*' u. s. w., an mehreren Stellen
(Chänd. 8, 1, 5. 8, 7, 1) vorkommen. Je nachdem das Vorhaben
ist, heifst es nämlich, wer dies begehrt,* mufs dies verahren, und
wer jenes begehrt, jenes, und da hierdurch schon die Erfüllung
der- Wünsche erreicht wird, so braucht nicht erst zur Einheit der
Lehren foi*tgegängen zu werden. Hierzu kommt, dafs in diesen Fällen
nicht so wie bei der Vai^vänaralehre eine besondere Universal-
forderung vorliegt, um deren willen die in den einzelnen Abschnitten
vorkommenden | partikularen Verehrungen zu einer Einheit zu- 966
sammengeschloBsen werden müfsten. Wollte man wegen der Ein-
heit des zu Lelirenden allerwärts eine vorbehaltlose Einheit der Lehre
finden, so müfste man eine Zusammenfassung sämtlicher Qualitäten
zugestehen, welche doch unmöglich ist. Es bleibt daher bei dem
Gesagten: „zu trennen, wegen Verschiodenheit des Wortes u. s. w.",
and da dieses Adhikara^am feststeht, so ist wegen des Weiteren
634 Q&riiaka-mim&iksä
zu verweiBen auf die Stelle: „die Lehre aller [Ved4iitatezte] ver-
„dient Glauben'' (Sütram 8, 3, 1).
Vierunddreißiffites Adkikaranam.
AuBWahl, weil sie nicht unterschiedene Frucht bringen.
Da somit die Versdiiedenheit der Lehren festateht» ao erhebt nA
die Frage^. ob nach Belieben eine Zusanunenfasanng derselben oder
eine Auswahl unter ihnen statthaft ist, oder ob nic^i Yiefanehr die
Auswahl das allein Mögliche ist. Zunächst nun liegt, da die Ter-
schiedenheit der Lehren feststeht, für die Notwendigkeit einer Zv-
nammenfassung derselben kein Grund vor. — ^Aber das Feueropfer,
'Voll- und Neumondsopfer u. s. w. sind doch auch verschieden, and
*doch müssen sie zusammengefalst werden.* — Dieser Einwand tnflft
nicht SU, weil dort in der Schrifbaussage von derWesentlichkeit dieecr
Gebräuche ein Grund für die Zusammenfassung vorliegt, während
für die Lehren keine derartige Schriftaussage ihrer Wesentlichkeit
vorhanden ist. Eine Nötigung Eur Zusammenfassung besteht also
967 nicht. — ^Ebenso wenig aber,' | so könnte man meinen, 'besteht
'doch eine Nötigung zur Auswahl, da durch die Berechtigimg sn
'der einen Lehse die 2tt einer andern nicht ausgeschlossen wird.
'Somit bleibt übrig, dafs beides nach Belieben sulässig ist.* —
Aber mufs man nicht doch wohl eine Auswahl treffen, sofern fübr
melirere Lehren eine und dieselbe Frucht verheifsen wird? Denh
z. B. bei den Lehren: „Manas ist sein Stoff, Odem sein Leib''
(Chänd. 3, 14, 1); — „Brahman ist Freude, Brahman ist Weite''
(Chänd. 4, 10, 5); — „sein Wünschen ist wahrhaft, wahrhaft sein
.^Ratschlufs " (Chänd. 8, 7, 3), besteht doch in gleicher Weise ah
Lohn die Erlangung des Gottseins. — 'Das schadet nicht, da ja
'auch bei Werken, für welche dieselbe Frucht besteht, indem sie
-z. B. den Himmel u. s. w. als Lohn bewirken, ein Belieben der
'Zusammenfassung zulässig ist. Somit scheint ein Belieben zwischen
'Zusammenfassung und Auswahl das Richtige zu sein.' — Auf diese
Annahme erwidert der Lehrer: nur „Auswahl" kann unter jenen
Lehren bestehen, nicht Zusammenfassung; warum? „weil sie nicht
„unterschiedene Frucht bringen". Nämlich die Frucht jener Lehren
ist ohne Unterschied die Yergegenwärtigung des zu verehrenden
Gegenstände»; ist aber der zu verehrende Gegenstand, z. B. Gott,
durch die eine Verehrung schon vergegenwärtigt, so wird die
SOtram III. iii. 59. 635
zweite überflüssig. Ja, es ist sogar unmöglich, ihn auf zwei ver-
schiedene Weisen zu vergegenwärtigen, indem eine solche Zusammen-
fassung eine Zerstreuung der Gedanken bewirken würde. Dafs
aber die Frucht der Wissenschaft in der Yergegenwftrtigung ihre
Vollendung erreicht, lehrt die Schrift, wenn sie sagt : „wem dieses
„ward, fürwahr der zweifelt nicht ^' (Ch^d. 3, 14, 4), und: „Gott
„wird er, und zu den Göttern geht er ein'^ (Biih. 4, 1, 3); und
auch die Smriti lehrt es in den Worten: „zu dessen Sein wird
„jedesmal er drüben eingekleidet" (Bhag. G. 8, 6). Man hat daher
.unter den Lehren, deren Frucht die nämliche ist, die eine oder
andere auszuwählen | und dieser sich hinzugeben, bis durch Yer- 968
gegenwärtigung des zu verehrenden Gegenstandes ihre Frucht er-
langt ¥rird.
Fünfunddrei/sigste» Adhikaranam.
60. kämyäs tu yathdkämatn sanmcciyeran na vä^ pürva-
hetu-abhdvdt
die zweckbegehrlichen hingegen mögen nach Belieben
zusammengefafst werden oder nicht, da der genannte
Grund . wegfällt.
Dieses Sütram enthält eine Gegeninstaiiz gegen den Satz: „weil
„sie nicht unterschiedene Frucht bringen" (3, 3, 69). — Was näm-
lich hingegen die zweckbegehrlichen Lehren betrifft, wie z. B.: „wer
„diesen Wind als das himmlische Kifid weifs, der weint nicht ein
„Weinen über seine Kinder" (Chänd.. 3, 15,2); — „wer das Brah-
,^man als Namen verehrt, dessen Lustwandlung geht, so weit der
„Name sich erstreckt'' (Chähd. 7, 1, 5) und ähnliche Lehren, welche
gerade so wie Werke vermöge ihres unsichtbaren (adrishfam) Selb-
stes eine ihnen entsprechende Frucht hervorbringen, so liegt hier
keine Rücksicht auf Vergegenwärtigung vor; daher solche Lehren
nach Belieben zusammengefafst oder nicht zusammengefafst werden
können, weil der vorher erwähnte Grund wegföllt, d. h. weil hier
die obige Ursache der Entscheidung ' für die Auswahl : „ weil sie
„nicht unterschiedene Frucht bringen ^S nicht zutrifft.
636 C&Tlraka-mu]i4iis4
Sechsunddret/ügBtes Adhikaranam.
61. 'angeshu yathä^dgraya-bhävak'
^bei den Gliedern ist der Grundlage enteprecheude
Geltung.'
Was nun weiter diejenigen Yorstellimgen betrifft, welche sich
auf den Udgitba u. s. w. als Glieder des Werkdienstes stützen und
in den drei Vedun anbefohlen werden, sind diese zttsammenziifiEisseD,
9G9 oder sieht es mit ihnen nach Belieben? | Auf diese Frage könnte
man erwidern : 'ihre Geltung ist eine „der Grundlage entsprechonde'S*
'd. h. so wie die Grundlagen derselben, das Stotram [Preismf des
'Udgatar] a. s. w. [das Qastram des Hotar, der Graha u. s. w. des
'AdhvaryuJ neben einander im Vereine bestehen, so auch die [auf
'sie sich gründenden] Vorstellungen; weil diese Vorstellangen durch
4hre Grundlage getragen werdend
62. 'gishteg cd
*und wegen des Lehrens/
*Und so wie die Grundlagen, nämlich das Stotram u. s. yr, in
^den drei Veden gelehrt werden, so auch die auf sie gegründeten
'Vorstellungen; und es findet sidi dabei auch kein durch die Art
'der Uiiit'rweisung bedingter Unterschied zwischen den Werkglie-
'dern und den auf sie gegründeten Vorstellungen.*
63. 'samähärat'
Vegen der Zurechtbringung.'
'Wenn die Schrift sagt, dafs er [der Udgafcar, welcher die Ein-
'heit des ihm angehörigen Udgitha mit dem vorwiegend dem Hotar
'zukommenden Laute Gm erkennt] „sogar von dem Sitze des Hotar
'„aus einen mif&lungenen Udgitha wieder zurechtbringt" (Gh&nd. 1,
'5, 5), so lehrt sie hier, dafs, wegen der Herrlichkeit, der Erkennt-
'nis der Einheit des Lautes Gm und des Udgitha, der Udgätar ein
'bei seinem Geschäfte vorfallendes Versehen mit Hülfe der Verrich-
'tnng des Hotar wieder in Ordnung bringen kann, und mit dieser
'Erklärung deutet sie an, dafs, — weil, [ebenso wie die Werke]
970 'auch die in dem einen Veda vorkommenden Vorstellungen | mit
'den in einem andern Veda gelehrten Begriffen verbunden sind, —
'eine Zusammenfassung der in sämtlichen Veden vorkommenden Yor-
'stellungen vorzunehmen ist, wofür in der obigen Stelle ein Lndi-
'cium liegt.*
Sütram m. in. 64. 637
^auch weil die Schrift eine Qualität - Gemeinsam-
keit lehrt'
'Aach lehrt die Schrift, dafs der eine Qualität des Wissens
^bildende und dem Wissen als Grundlage dienende Laut Om allen
^rei Yeden gemeinsam ist: „in ihm bewegt sich diese dreifache
%, Wissenschaft : mit Om ruft [der Adhvaryu] auf, mit Om recitiert
S,[der Hotar], mit Om stimmt [der Udg&tar] den Udgltha an"
'(Chand. 1, 1, 9)| hierin li^ abermals ein Indicium dafür, dafs
'wegen Gemeinschaftlidikeit der Grundlage auch Gemeinschaftlich-
'keit des darauf Gegründeten stattfinden mufs.'
Andere Erklärung: '„auch weil die Schrift eine Qualität-
'„Gemeinsamkeit lehrt"; d. h.: wenn jene Qualitäten der Werke,
'der Udgttha n. s. w., nicht alle bei allen Opferuntemehmungen
'gemeinsam wären, so würde ein Zusammenbestehen der auf sie
'sich stutzenden Vorstellungen allerdings nicht stattfinden. Nun
'sind aber der üdgltha u. s. w., zufolge des alle Werkteile zu-
'sammenfassenden Schriftwortes von dem Opferuntemehmen , alle
'bei jedem Opferuntemehmen gemeinsam, und aus diesem Zu-
'sammenbestehen der Grundlagen folgt auch ein Zusammenbestehen
'der Vorstellungen.*
65. na vdj t^t-sahahMva-agruteh 97i
oder vielmehr nicht, weil fiir ihre Zusammengehörig-
keit kein Schriftwort.
„Oder [vielmehr] nicht"; hiermit wird die bisherige Behaup-
tung abgelehnt; d. h. wie es mit den Grundlagen ist, so braucht
es nicht mit den darauf gegründeten Verehrungen zu sein : warum ?
„weil für ihre Zusammengehörigkeit kein Schriftwort", Denn wäh-
rend die Schrift die Zusammengehörigkeit der in den drei Veden
▼orgeschriebenen Werkbestandteile, des Stotram u. s. w. lehrt, z. B.
wenn es heifst: „nachdem er [der Adhvaryu} den Trunk geschöpft
„oder die Trinkschale aufgefüllt hat, so schickt er [der Udgätar]
„sich zum Preisrufe [stotram] an" (vgl. Taitt. samh. 3, 1, 2, 4), —
„nach dem Preisrufe recitiert er [der Hotar]", — „o Prastotar,
„singe das Säman und du, Hotar, bringe dieses [Recitatiystuck]
„dar" u. 8. w., so ist hingegen für die Zusammengehörigkeit der
Verehrungen keine derartige SchrifLstelle vorhanden. — 'Aber be-
' weist nicht schon die zur OpferhMidlung auffordeiiide [Vorschrift,
'welche überall dabei steht] die Zusammengehörigkeit derselben?'
— Wir sagen nein! denn die Verehrungen dienen [gar nicht dem
638 g&r1raka-mlmADS&
Opfer, sondern] dorn Ziele des Menschen, während hingegen die
zur Opferhandlnng auffordernde [Yorschrift] nur die Zasammen-
gehörigkeit der dem Opfer dienenden [Ceremonien] , des Ud-
gHha u.. s. w. beweist. Was hingegen die Verehrungen als der
Udgitha u. s. w. betrifft, so dienen diese, wiewohl sie sich auf
Glieder der Werke stützen, doch, ähnlich wie das „Melken der
„Kühe** (vgl. p. 934, 10, S. 612) zum Ziele des Menschen, wie wir
dies auseinandersetzten an der Stelle: „dena gesondert, ohne ein
„Hindernis zu sein, ist ihre Frucht** (Sütram 3, 3, 42). Und darin
besteht ja eben der auf Unterweisung gegründete Unterschied zwi-
schen den Werkteilen und den auf sie sich stützenden Verehrun-
gen, dafs die einen um der Werke willen, die andern um des
Menschen willen da sind. Jene oben angef&hrte Zweiheit von In-
dicien aber beweist nichts, weil für die Zusammengehörigkeit der
Verehrungen eine Schriftregel nicht vorliegt. Und wenn man auch,
der Opferuntemehmung entsprechend, die Gesamtheit der Grund-
lagen zusammenf af st , so läfst sich doch nicht erweisen, dafs es
mit dem darauf Gegründeten sich ebenso verhalten müsse; denn
die Verehrungen gehören nicht mit zu der betreffenden Opferuntcr-
972 nehmung; | und wenn auch die Verehrungen von der jedesmaligen
Grundlage abhängig sind, so mag daraus vielleicht folgen, da/s
sie ohne die Grundlage nicht bestehen können, nicht aber brau-
chen sie, wo die Grundlagen zusammengehören, ebenfalls zusammen-
zugehören, weil für ihre Zusammengehörigkeit ein Schriftwort nicht
vorhanden ist. Darum sind jene Verehrungen ganz nach Belieben
[und ohne Zusammenfassung] zu betreiben.
66. darQandc ca
und weil es ersichtlich.
Auch ist es „ersichtlich** aus der Schrift, dafs diese VorsteUungen
nicht zusammengehören, wenn sie sagt: „fürwahr ein Brahman-
„Priester, der Solches weifs, beschützt das Opfer und den Yeran-
„stalter und alle Opferpriester** (Chand. 4, 17, 10). Wären alle
jene Vorstellungen zusammt^nzufassen, so würden alle [Priester] sie
alle wissen, und es würde nicht von dem Biahmin-Priester gesagt
werden können, dafs er durch sein Wissen die übrigen beschütze.
Somit ist zwischen diesen Verehrungen eine Zusammenfassung oder
auch ein Wahlbelieben statthaft.
So lautet in dem Kommentare rar erlftuchten Qartraka-nämaAiA, dem VT^rk« der
verehrungewfirdigen FftliM det erlauchten QaUkara, im dritten Adhf^fa der dritte Fada
Des dritten AdhyAya
VIERTER PADA.
OmI T*rehrang dem höohstaA Atmaul
Entes Adkikardnam,
1. purusha - artho Häh^ gahdäd^ iti Bädaräyanah 973
das Ziel des Menschen durch sie, aus der Schrift; so
Bädarayana.
Nunmehr fra^ sieb, ob man .die von den üpaniahad^s gelehrte
Erkenntnis des Atman, wegen der Vorbedingung, dafs man [wie
zu den Werken, auch] zu ihr berufen sein mufs, gleichfalls zu
den Werken zu rechnen hat, oder ob sie unabhängig Von ihnen
das Ziel des Menschen vollbringt? — Bei dieser Untersuchung
ftngt der Lehrer zunächst mit der endgültigen Meinung an, indem
er sagt: „das Ziel des Menschen durch sie*'; d.h. durch sie, durch
diese vom Vedllnta geforderte Erkexmtnis des Ätman, wird unab-
hängig von den Werken | das Ziel des Menschen erreicht; so meint 974
der Lehrer Bädaräyana. Woraus ergiebt sich dies? ^„aus der
„Schrift^;' denn in diesem Sinne heifst es: „wer den Atman er-
„kennt, überschreitet den Kummer^' (Chänd. 7, 1, 3): — „fOrwahr
„wer dieses höchste Brahman erkennt, der wird zu Brahman"
(Mu94* 3» 9, 9); — 99 wer Brahman weifs, erlangt das Höchste"
(Taitt 2, 1); — „der Mann, welcher einen Lehrer erlangt hat,
„weift: diesem [Welttreiben] werde ich nur so lange angehören,
„bis idi erlöst sein werde; alsdann werde ich heimgehen*' (Ch&nd. 7,
640 Qäi1raka-nitm&ns&
14,2); — „der Atman, der sündlose", — und wie es weiter^ geht-,
— „der erlangt alle Welten und alle Wünsche, wer diesen Atman
„gefunden hat und erkennt" (Ch&nd. 8, 7, 1); — „den Atman für-
„wahr soll man sehen", und wie es weiter heifst, — „dieses rei-
„chet hin zur Unsterblichkeit" (Brih. 4, 5, 6. 15). — Diese und
andere Schriftstellen lehren, dafs das blofse Wissen den Endzweck
des Menschen vollbriugt.
Dagegen erhebt sich der Opponent und sagi.:
2. ^geshatvät purusha-arOiavädo^ yathä anyeshu\ iti
Jaiminih
'wegen seiner Zugehörigkeit ist sie eine auf den [Zweck
des] Menschen bezügliche Zweckerklärung, wie bei
andern/ so meint Jaimini.
* Wegen der „Zugeliörigkeit" des Atman, als des Thäters der
^Werke , zu den Werken ist auch die Erkenntnis . desselben , so
^gnt wie das Besprengen der Reiskörner und ähnliches, als ein zu
'Yollbringendes zu den Werken zu rechnen ; und hieraus folgt, dafs,
975 ^wenn die Schrift der ihren Zweck erreicht habenden | Erkenntnis
*de8 Atman eine Frucht beilegt, eine solche blofs als eine „Zweck-
*„erklärung" (arthaväda) anzusehen ist,* „so meint" der Lehrer
„Jaimini". ^Ähnlich nämlich, „wie bei andern" auf den Werk-
^dienst bezüglichen] Materialien, Zurüstnngen und Ausf&hruugen,
'[diesen drei Rubriken entsprechend drei] Stellen wie die folgen-
'den: „wer einen Löffel aus Parnaholz besitzt, der hört keine äble
'„Nachrede" (Taitt. samh. 3, 5, 7, 2); — „wenn er sich salbt, so
'„wendet er damit das Auge des Rivalen von sich ab^' (Taitt.
'samh. 6, 1, 1, 5); — „wenn d)W Voropfer und das . Nachopfer ge-
'„opfert werden, so ist dieses eine ümpanzerung des Opfers, und
'„selbige wird zu einer Ümpanzerung für den Veranstalter des
'„Opfers, auf dafs er seinen Rivalen überwältige'* (Taitt. samli. 2,
'6, 1, 5), — ähnlich also, wie diese Stellen, weil sie eine Ver-
'heifsung deR Lohnes enthalten, als eine Zweckerkläruug (arihaüdda)
'anzusehen sind, ebenso ist es auch in unserm Falle.* — Abor wie
darf man diese Erkenntnis des Atman, welche kein Thun, sondern
nur das Studium erfordert, zum Opferwerke rechnen, ohne dafs
doch die eine oder andere der hierzu erforderlichen [Jaim. 3^ 3, 14
aufgeführten] Ursachen vorliegt, z. B. dafs das „Thema" davon
handele u. s. w.? — 'Nun, es könnte vielleicht, da der Atman
'beim Opfer der Thäter ist» die Erkenntnis desselben wegen der
'„Satzergänzimg" [sofern er in Sätzen wie: „man soll opfern",
'das Subjekt ausmaoht] mit zum Opferdienste gehören?* — O nein!
86tram m. it. 2. 64l
denn eine Anwendung der Satzergänssung ist hier nicht snl&ssig.
Ja, wo ein unzweideutiger Weg sich eröffnet, da mag. auch bei
Vorschriften, welche, ohne Hand anzulegen, blofs studiert werden,
auf Grund der „Satzergänzung" eiaie Zugehörigkeit zum Opfer an-
zunehmen sein (vgl. S. 614 und 620); | dafs aber der Ätman der 976
Th&ter ist, kann nicht für einen solchen unzweideutigen Weg gelten^
weil dieser Umstand den weltlichen und vedischen Werken gemein*
sam ist [mithin wie bei jenen, so auch bei diesen keine besondere
Erkenntnis des Atman zu erfordern braucht]. ^ Daher auf diesem
Wege die Zugehörigkeit der Erkenntnis des Atman zum Opfer-
werke nicht zu erweisen ist. — 'Doch niohtl denn die Erkenntnis
'des Fortbestehens der Seele über den Leib hinaus findet auf keine
'andern Werke als die vedischen Anwendung; denn auf die weltlichen
'Werke findet die Erkenntnis der über den Leib hinausreichenden
'Seele keine Anwendung, indem hier überall das Hinstreben auf
'ein sichtbares Ziel stattfindet. Bei den vedischen Werken hin-
'gegen, welche ihre Frucht erst in der Zeit nach dem Dahinfall
'des Leibes bringen, ist ein Hinstreben zum Ziele ohne die Er-
'kenntnis der über den Leib fortbestehenden Seele nicht möglich;
'daher hier die Erkenntnis des Fortbestehens ihre Verwendung
'findet.' — Aber die Lehre der Upanishad^s bezeichnet dodi als
Merkmal der Seele die Sündlosigkeit u. s. w., bezieht sich somit auf
die nichtwandemde Seele und kann daher nicht ein Teil der Werk-
th&tigkeit sein! — 'Dies wird bestritten; denn deijenige, welcher
'als der zu Schauende bezeichnet wird, ist die durch , Jäebes" u. s. w.
'charakterisierte (vgl. Brih. 2, 4, 5) und somit wandernde Seele; |
'die Bestimmungen hingegen der Sündlosigkeit u. s. w. mögen um' 977
'der Verherrlichung willen dastehen.^ — Aber wir haben doch hier
und dort bewiesen, dafs jenes höhere, nichtwandemde Brahman
die Ursache der Welt ist, und dieses Brahman eben wird in den
Upanishad's als die wahre Nfitur der wandernden Seele erwiesen!
[Wozu also hier der abermalige Zweifel?] — Gewifs ja, das haben
wir erwiesen, aber gleichwie das Einrammen eines Pfahles [nur durch
wiederholte Schläge gelingt], so werden hier, wo es sich um die
Frucht [dieser Erkenntnis des Ätman] handelt; der Zweifel [ob
dieselbe nicht zur Werkfrucht gehöre] und «eine Zurechtbringung
zum Zwecke gröfserer Bekräftigung nochmals vorgefiihrt.
3. ^äcära - darganät '
*weil sie den Wandel aufzeigt'
'„Es geschah einstmals, dafs Janaka, der König der Videha*s,
^,^ein Opfer mit vielen Opfergeschenken veranstaltete" (Bfih. 3,
'1, 1); — „ich bin im Begriffe, o ihr Ehrwürdigen, ein Opfer
642 ^&rlraka-inlm&A8li
'^u Teranstalten*^ (Ghand. 5, 11, 5), — in diosen und' andern Stel-
len wird Ton der Schrift, wenn auch in Texten, die [im übrigen]
^einem andern Zwecke dienen, aufgewiesen, wie auch die Kenner
'des Brahman mit den Werken in Verbindung bleiben. Ebenso
^ergiebt sich für den Udd&laka und andere daraus, daTs die Schrift
978 'zeigt, wie dieselben ihre Söhne | unterrichteten (vgl. Ch&nd. 6> 1 fg-
Taitt. 3, 1 fg.)) dafs dieselben an die Pflichten des Hausvaters ge-
'bunden blieben. Würde das Ziel des Menschen durch die blof^c
^Erkenntnis allein schon erreicht, so wäre nicht zu begreifen,
'warum jene Männer die mit so mancherlei Beschwerden verbünde-
^nen Werke betrieben. Denn eine Regel (vgl. zu Jaim. 1, 2, 4.
p. 42, 2) sagt:
*„Wenn man im Arkabaum den Honig f&nde,
S,So brauchte man nicht auf den Berg zu gehn"^
4. H4W-chruteh^
'weil darüber ein Schriftwort'.
^Wenn e9 heifst: „aber welches Werk er durch das Wissen voll-
'„bringt, durch, den Glauben, durch die Upanishad, das ist wirkungs-
S,kräftiger^' (Chl^nd. 1, 1, 10), so liegt aueh hierin, dafs das Wissen
'einen Nachtrag zu ^qh Werken bildet, dafs es somit nicht schon
'für sich allein das Ziel des Menschen vollbringt/
5. ^samanvdrambhanät'
m
*wegen des Anfa&sens'.
^Ferner wenn es heifst: „dann nehmen ihn das Wissen und die
'„Werke bei der Hand" (Brih. .4, 4, 2), so beweist diese Sielte,
'dafit' zur Vollbringung der Frucht das Wissen und die Werke in
'Gemeinschafb wirken, dafs somit das Wissen nicht für sich allein
'dazu ausreicht.'
979 6. ^tadvato vidhänäV
*weil sie einem solchen anbefiehlt'.
'Die Schrift sagt: „nachdem einer im Hause dos Lehrers den
'„Teda vorschriftsmäfsig in der Zeit, welche die Arbeiten des Leb-
'„rers frei liefsen, studiert und seinen Abschied erhalten hat, so
^„soll er in seiner Familie in einer gesunden Gebend durch Selbst-
'„studieren sich fortbilden" (Ch&ad. 8} 15, 1); diese und andere
Sütram III. iv. 6. 643
^Scliriftstellen beweisen, dafs auch derjenige, welcher den Inhalt
'des gesamten Yeda sich angeeignet hat, doch noch zu den Werken
'verpflichtet bleibt, und auch hieraus folgt, dafs die Erkenntnis
'für sich allein keine Iiinreichende Ursache der Erlangung der
'Frucht ist.' — 'Aber liegt nicht in dem Ausdrucke „nachdem er
„studiert hat 'S daüs hier nur von einebi Studium des Yeda, nicht
von einer Aneignung seines Inhaltes die Rede sei ? — *Doch nicht,
'weil der Zweck [dieses Gebotes] ein augenfälliger ist; denn es
'unterliegt keinem Zweifel, dafs das Studium des Yeda als End-
'zweck die Erkenntnis jenes Inhaltes hat.'
7. ^niyamäc ea'
^und wegen der Bestimmung'.
'Die Schrift sagt (t$4 2):
'„Mag emer hundert Jahre hier
'„Den Werken fr5hnend leben,
'„Darum steht 's anders nicht mit dir; —
'„Kein Werk kann ihm ankleben";.
'und ferner \'. „das Feueropfer ist eine bis zu Alter und Tod zu
'„feiernde Begehung, denn nur durch das Alter wird man von ihm
'„befreit oder durch den Tod" (Qatap. br. 12, 4, 1, 1); — auch
'aus derartigen Bestimmungen ergiebt sich, dafs das Wissen nur
'ein Anhang zu den Werken ist.'
Auf diese Behauptungen des Gegners (S&tram 2 — 7) erwidert
der Lehrer:
8. adhika-iipadefdt tu Bädaräyanasya ^ eoam tad-
dargandt
•wegen Hinweises anf den höhern vielmehr [gilt die
Ansicht] des Badarayana, weil also dieses die
Schrift zeigt.
Durch das Wort „vielmehr" wird die Behauptung des Gegners
abgewiesen; nämlich wenn es hiefs: „wegep, seiner Zugehörigkeit
„ist sie eine auf den [Zweck des] Menschen bezügliche Zweck-
„erkl&rung" (Sütram 3, 4^ 2), so ist das nicht richtig; warum?
„wegen Hinweises auf den höhern'^ Wenn es nämlich in dem Ve-
41*
(344 gftrinka-mlm&AjBft
ääbta nur darauf ankäme, das Fortbestehen über den Leib in Be-
treff der wandernden, verkörperten, handelnden nnd geniefsenden
Seele zu beweisen, so würde die Schriftlehre vo« der [Erlösung als]
Frucht allerdings in der dargelegten Weise eine blofse Zweckerklä-
mng sein ; nun aber steht es vielmehr so, dafs der höhere, über den
verkörperten Atman erhabene, nicht wandernde Oott, d. b. der
von den Beschaffenheiten des'Saiiis&ra, von dem Th&tersein u. d. w.,
freie und die Pr&dikate der Sündlosigkeit u. s. w. an sich tragende
höchste Atman in den Yedäntatexten als der^Gegenstand des Wissens
981 I beseichnet wird» Die Erkenntnis dieses Atman aber ist kein Be-
weggrund zu den Werken, vielmehr hebt dieselbe die Werke ganz-
lieh auf, wie der Lehrer an der Stelle: „und die Yemlchtnng"
(Sütram 8,4, 16) zeigen wird. Somit bleibt es bei der in den
Worten: „das Ziel des Menschen durch sie, wegen der Schrift''
(Sütram 3, 4, 1) ausgesprochenen Meinung des verehrungswürdigen
B&dar&y&^a, und diese Meinung kann nicht durch die Scheingrfinde
der Zugehörigkeit [des Atman als Subjekt des Handelns zu den
Werken] u. s. w. erschüttert werden. Denn in dieser Weise aeigen
die Schriftstellen jenen höher als die verkörperte Seele stehenden
Oott als den Aünan auf: „der alles kennt und alles weils"
(Mund. 1, 1, 9); — „aus Furcht vor ihm geht auf die Sonne, aas
„Furcht vor ihm filhrt hin der Wind" (Taitt. 2, 8); — ,«ar furcht-
„bar ist es, ein gezückter Blitzstrahl'^ (E&th'. 6, 2); — „auf dieses
„Unvergänglichen Geheifs, o Gftrgi" (Brih. 3, 8, 9); — „dasselbige
„beabsichtigte: ich will vieles sein, will mich fortpflansen; da
„schuf es das Feuer" (Chand. 6, 2, 3) u. s. w. Allerdings wird ^a
auch die als das „Liebe" u. s. w. charakterisierte, wandernde Seele
^ als Gegenstand des Wissens herbeigezogen, denn es heilst: „um
„des Selbstes willen ist das Weltall lieb, das Selbst fürwahr soll
„man schauen" (Brih. 2, 4, 5); — „der durch den Aushauch aus-
„haucht, das ist deine Seele, die allem innerlich ist" (Bfih. 3, 4, 1);
— „der Mann, der in dem Auge gesehen wird" und wie «s weiter
heifst, „diesen will ich dir weiter erklären" (Ch&nd. 8, 7, 4. 8, 9) 3),
nnd derartiges mehr. Aber wenn man hinwiderum Stellen wie die fol-
genden vergleicht: „aus diesem gprofsen Wesen ist ausgehaucht wor-
98S „den I der Rigveda, der Yajurveda" (Brih. 2, 4, 10) ; — „deijenige,
„welcher den Hunger und den Durst, das Wehe und den Wahn, das
„Alter und den Tod überschreitet" (Brih. 3, 5» 1); — f,SLe gehet ein
„in das höchste Licht und tritt dadurch hervoain eigener Gestalt:
„das ist der höchste Geist'^ (Chänd. 8, 12, 3), — so beweisen Stellen
dieser Art, dafs die Absicht vielmehr auf die Darlegung der hdchsten
Seele zielt, und dafs die vorhererwahnten Stellen nicht die Absicht
haben^ eine g&nzliche Verschiedenheit beider Seefen zu lehren, daher
sie keinen Widerspruch enthalten; denn das Sein als der höchste
Gott ist die eigentlich wahre Natur der verkörperten Seele, wäh-
rend hingegen ihr Verkörpertsein nur durch die üp&dhi's bewirkt
Sütram III. ir. 8. 645
wird, wie dieses sich ergiebt aun Schriftstellen wie: „das bist du**
(Chand. 6, 8, 7), — „nicht giebt es aufser ihm einen Sehenden ^^
(Brih. 3, 7, 23) u. s. w. Übrigens haben wir dieses alles firüher
an verschiedenen Stellen ausführlich auseinandergesetzt.
9. tulyan tu darganam
gleichwiegeud vielmehr die Aufzeigung.
Wenn behauptet wurde , dafs das Wissen zu den Werken zu-
gehörig sei, weil die Schrift einen Wandel [der Wissenden in den
Werken] aufzeige (Sütram 3, 4, 3), so entgegnen wir, dafs dieses
aufgewogen wird durch Aufzeigung eines solchen Wandels, bei
welchem das Wissen nicht als zu den Werken zugehörig erscheint.
Denn in diesem Sinne sagt eine Schriftstelle : „dieses fürwahr also
„wissend sprachen die Rishi*s aus dem Stamme des Eanva * : «was
„soirs, dafs wir den Yeda lesen, was soll's, dafs wir opfern?»
„dieses fürwahr also wissend haben die Alten | das Feueropfer 983
„nicht geopfert,*^ -^ sowie auch die Stelle: „wahrlich, nachdem
„sie diese Seele erkannt haben, stehen die Brahmanen ab vom
„Verlaogen nach Eindem und Verlangen nach Besitz und Ver-
„langen nach der Welt und wandern umher als Bettler** (Brih. 3,
$, 1). Und auch bei Yajnavalkya und andern Kennern des Brah-
man zeigt sich, dafs sie nicht in den Werken beharrten; dieses
beweisen die Stellen wie: „dieses fürwahr reichet hin zur Un-
„Sterblichkeit. — So sprach T&jnavalkya und zog von dannen*'
(Brih. 4, 5, 15). — Wenn es femer heiÜBt: „ich bin im Begriffe,
„o ihr Ehrwürdigen, ein Opfer zu veranstalten" (Gh&nd. 5, 11, 5)>
worin ein auf die yai9vänaralehre bezügliches Merkmal [des Werk-
dienstes] gefunden wurde (vgl. Sütram 3, 4, 3), so ist zu bemerken,
dafs dieses Merkmal eines Begleitetseins von den Werken sich in
einer attributhaften Lehre von dem Brahman vorfindet, und dafs
gleichwohl auch in ihr eine Abhängigkeit von den Werken nicht
aozunehmen ist, weil dabei ein dieses erforderndes „Thema" u. s. w.
(Jaim. 3, 3, 14, vgl. S. 618. 619. 640) nicht vorliegt.
Wenn weiter gesagt wurde: „weil darüber ein Schriftwort"
(Sntram 3, 4, 4), so entgegnen wir darauf:
10. asärvatriki
nicht überall gültig.
Wenn es heifst: „was er durch das Wissen vollbringt" (Chänd. 1,
1 , 10), so bezieht sich dieses Wort nicht auf jedes Wissen, weil es
* K&nyeyih statt K&rayej&h, nach einer Vermatung Webers.
646 gärlraka-mimft&84
nur mit dem vorherei*wähntün Wissen in Verbindung steht; es
war aber vorher erwähnt das Wissen von dem Udgitha, indem es
hiefs: y,Om! diese Silbe soll man verehren als den UdgiÜia*^
(Gfa&nd. 1, 1, 1).
9S4 11. vibhägak gata-vat
Teilung wie bei Hundert.
Wenn ferner behauptet wurd«, dafs das Schriftwort ton dem
Anfassen:' „dann nehmen ihn das Wissen und die Werke bei der
„Hand" (Brih. 4, 4, 3) ein Beweisgrund für die Abhängigkeit des
Wissens von den Weiken sei (Sütram 3, 4, 5), so wird darauf er-
widert, dafs man dabei an eine „Teilung" zu denken hat; das
Wissen ninunt den einen Menschen bei der Hand, und das Werk
den andern *, „wie bei Hundert", d. h. wie man, wenn die Aufgabe
ist, ein Hundert an zwei Personen su geben, die Summe teilt und
der einen fünfzig und der andern fünfzig giebt.
Übrigens * bezieht sich aber dieses Wort von dem Anfassen gar
nicht auf den nach Erlösung Verlangenden, denn wenn es darauf
zusammenfassend heifst: „soweit von dem VeriangMiden" (Bfih. 4,
4, 6)^ 80 liegt hierin die Bezüglichkeit des Yorhergehenden auf
die wandernde Seele ausgesprochen, und erst mit den Worten:
„Nunmehr von dem Nichtverlangenden" (Brih. 4, 4, 6) wird der
nach Erlösung Trachtende für sich besonders vorgenommeo. Vater
jenem auf die wandernde Seele bezüglidben Wissen ist [also viel-
mehr] das Bewufßtsein des Gebotenen und Verbotenen [odBr: das
gebotene und das verbotene Wissen, wozu der Glossator udgtiha
und naffnastrudar^anam als Beispiele anfühi't.] ^u verstehen, indem
beides keinen Unterschied [von dem übrigen Kanon der Gebote]
begründet und in entsprechender Weise auch das gebotene und
verbotene Werk daneben erwähnt wird. Ist diese Meinung richtig,
so kann das Schriftwort vom Aufassen auch bestehen, ohne dafs
man obige Teilung annimmt.
Wenn femer behauptet wurde: „weil sie einem solchen anbefiehlt'*
(Sütram 3, 4, 6), so giebt der Lehrer darauf zur Antwort:
985 lü, adhyayana - n^ra - vcdah
des nur das Studium Besitzenden.
In der Stelle: „nachdem er im Hause des Lehrers den Yeda
„studiert hat^' (Chand. 8, 15, 1) wird von der Schrift nur das
* Wieder ein Zusatz zum Goromentare, der gegen das Sütram (Opposi-
tion macht; vgl. S. 55—60 und S. 566 Anm.
S4tram UI. iv. 12. 647
Studium erwähnt, und wir nehmen sonach an, dafs die folgende
Werkvorschrift nur fär einen solchen gilt, welcher nnr das Studium
[aber noch nicht das daraus hervorgehende Wissen] besitat. —
^Aber würde dabei nicht folgen, dafs ein solcher, weil er doch
'ein Nichtwissender ist, auch nicht einmal zu den Werken ver«
^pflichtet werden könnte?' — Dieser Einwand trifft nicht au; denn
wir stellen gar nicht in Abrede, dafs eine aus dem Studium ent-
springende Erkenntnis der Werke die Bedingung einer Verpflichtung
zu denselben sei; sondern was wir behaupten ist nur dieses, dafs
die aus den Upanishad's geschöpflbe Erkenntnis des Atmau anzu-
sehen ist als ihren Zweck in sich selbst tragend und daher nicht
betrachtet werden darf als zur Ursache der Verpflichtung zu den«
Werken gehörig. So wie nämlich die Kenntnis der einen Geremonie
von dem zu einer andern Geremonie Verpflichteten nicht gefordert
wird, in ähnlicher Weise ist auch dieses aufzufassen.
Wenn weiter behauptet wurde: „und Wegen der Bestimmung^'
(Sutram 3, 4, T), so ist darauf zu erwidern:
13. fia, avigeshät
nein, weil keine Spezifikation.
Wenn die Schrift die Bestimmung enthält: „mag einer hundert
Jahre hiei*, den Werken fröhnend, leben*' (tgä 2), so ist zu be-
merken, dafs liierin keine spezielle Beziehung auf den Wissenden
zu flnden ist, dafs vielmehr die Verordnung als eine Regel ohne
weitere Spezifikation vorliegt.
»I
14. siutaye ^wmaJtir vd 986
oder zur Verherrlichung die Grestattung.
t^ber die Worte : ^mag einer hundert Jahre hier** (t^& 2) läfst
sich noch eine andere Entscheidung treffen. Gesetzt auch, man
müfste unter dem, welcher den Werken fröhnt, mn des Themas
willen den Wissenden verstehen, so ist dies dodi nur dahin auf-
zufadseu, dafs die Werke ihm gestattet werden zur Verherrlichung
seines Wissens, denn es heilst sogleich darauf: „kein Werk kann
„ihm ankleben**; d. h.: wenn auch der wissende Mensch, so lange
er lebt, das Werk vollbringt, so haftet ihm doch dieses Werk
vermöge der Kraft seines Wissens nicht an. So wird hier das
Wissen verherrlicht.
648 Olürlraka-mimAasä
15. kämakdrena ca eke
auch nach Belieben Einige.
Audb kommt es vor, dafs manohe Wksende, an wekhen die
Fracht des Wissens offenbar geworden ist, anf dieselbe gestatzt,
das Bewttfstsein haben, dafs für die Mittel mir Erreichung anderer
Fracht, s. B. för die Hervorbringong von Nachkommenschaft, kein
Beweggrund vorhanden ist, so dafs sie darin „nach Belieben^' ver-
fahren. Nämlich eine "Stelle der Yajasaneyin^s sagt: „dieses wofs-
„ten die Altvordern, wenn sie nicht nach Nachkommen begehrten
„und sprächen: «Wozu brauchen wir Nachkommen, wir, deren |
987 „Seele diese Welt ist!»"« (Bph. 4, 4, 22). Und die Frucht des
Wissens beruht ja eben auf unmittelbarer Wahrnehmung und braudit
nicht wie die Frucht der Werke erst in einer künflTgen Zeit ver-
wirkUcht au werden, wie wir dies mehr als einmal auaeinandergesetst
haben. Auch daraus also folgt, dafs das Wissen nicht als ein Nachtrag
zu den Werken gehört, und dafs man von der für das Wissen ver-
heifsenen Frucht nicht ein Unverwirklichtsein augeben darf.
16. tipamardan <^
und die Vernichtung.
Hierzu kommt, dafs die Schrift lehrt, wie die gesamte Welt-
ausbreitung, welche die Ursache ist für die Verpflichtung zu den
Werken und ihrem Wesen nach eine Vergeltung der Werke an
ihrem Thäter ist, auf dem Nichtwissen beruht und durch die
Kraft des Wissens ihrem Wesen nach vernichtet wird; denn es
heifst z. B.: „wo aber einem alles zum eigenen Selbste geworden
„ist, wie sollte er da irgend wen sehen, wie sollte er da irgend
„wen riechen^' u. s. w. (Brih. 4j 5, 15). Will man hingegen, dafs
der Befolgung der Berufung zu den Werken die von dem Vedants
gelehrte Erkenntnis des Atman als Bedingung vorausgehen soll,
so würde daraus eine völlige Aufhebung jeder Berufung zu den
Werken folgen. Auch darum also muüs die Selbständigkeit des
Wissens festgehalten werden.
988 17. ürddhvaretahm ca; fobde hi
auch an den Zeugungserhabenen; denn in der Schrift . . .
Hierzu kommt, dafs die Schrift denjenigen Lebensstadien, welche
das Keuschheitsgelübde beobachten, das Wissen zuerkennt, und
86tram ni. rr. 17. 649
dafis bei ibnen das Wisaen omnOglich ein Teil der Werke sein
kann, weil sie überhanpt keine Werke vollbringen; denn die vom
Yeda Torgeschriebenen Werke des Feueropfers u. s. w. sind in
ihnen gar nicht in Gebraach. — 'Das mag ja sein, aber die
'Keuschheitsorden kommen doch überhaupt im Yeda nicht vor'.
— Auch diese Behauptung ist unrichtig, indem auch diese Orden
in dem Wortlaute des Yeda nachweisbar sind,- z. B. an den Stellen:
„es giebt drei Abii^ilungen der Pflicht'' (Gh&nd. 2, 23, 1); — „und
,Jene dort, welche im Walde Glauben und Bufse üben'* (Chlind. 5»
10, 1); — „die, welche nüt der Bufse und dtim Glauben im Walde
„sind beschäftigt" (Mund. 1, 2, 11); — „zu ihm auch pilgern
,4iin die Pilger, als die nach der Heimat sich sehnen" (Brih. 4,
4, 22); — „schon aus der Schülerschaft heraus mag er ein Pilger
„werden" (J&b&lapUp. p. 445). Also für solche, welche den Haus-
vaterstand durchgemacht und nicht durchgemacht haben, füi^'Bolche,
weldie die Pflichtschulden [einen Sohn zu zeugen u. s. w.] getilgt
und nicht getilgt haben, gestatten Schrift und Smriti den Eintritt
in die Keuschheitsorden; und auch hieraus folgt, dafs das Wissen
unabhtogig von den Werken besteht.
Zweites Adhikaranam.*
18. ^parämarQam' Jaimifdr^ ^acodand ca^ apavadati Ai' 9B9
^für eine [blofse] Erwähnung' [hält es] Jaimini; 'und
*[ wirklich] ist es keine Aufforderung, denn [die Schrift]
^stellt in Abrede,' . . .
'Die Schriftstellen: „es giebt drei Abteilungen der Pflicht"
'(Ch&nd. 2, 23, 1) u. s. w., welche als Beweis f&r das Vorkommen
'der Kenschheitsorden citiert wurden, reichen nicht aus, dieses zu
'beweisen', denn der Lehrer Jaimini sieht 'in diesen Schriftstellen
'eine blofse Erwähnung, dafs es noch andere Orden gebe, nicht
* Jeder Dnija (Zweimalgeborene, dorch die UmgürUmg* mit der Opfer-
scbnnr wieder^borene , iJso jeder Brahmane, Kshsmya und Yai^ya) soll
nach der Smriti rier A^ama's (Orden, Lebensstadien) durchlaufen, 1) als
Brahmacafiti Brahmanenschaler, 2) als OrihaeHia Hausvater, 3) als Vama-
prcaiha Waldeinsiedler, 4) als Farivräjaka Pilger, der auch Bhikshu Bettler
oder Smmyäein Entsf^^r heifst Die folgende Kontroverse untersucht, ob
der dritte und vierte A^rama (welche dabei bald getrennt, bald als „Keusch-
„heitsorden", „anderes Lebensstadium " in eins zusammengefafst werden)
von der Schrift nor als vorhanden erwähnt oder aber gebot^a werden.
650 g&riraka-mimäns£b
'aber eine Torsclirift [d. b. keinen Vidhi^ sondern einen blofsen
^ÄnuvAda]; und warum? weil dabei kein Imperativ oder sonstigeB
^einea Befehl ausdrückendes Wbrt vorkommt. Vielmehr zeigt sieb
'im einzelnen, dafs jene Stellen einen andern Zweck verfolgen.
'Denn zunächst au der Stelle : „es sind drei Abteilungen der Pflicht"
'hciifst es weiter: ,, Opfer, Studium, Almoseugeben ist die erste;
S,Baf0e ist die zweite; dafs man als Brahmanenscbüler im Hause
'„eines Lehrecs wohnt, die dritte, indem man sich [eventuell] für
'„immer iu dem Haufie des Lehrers niederlafst; diese alle haben
'„Teil an der Welt der -guten Werke^* (Chänd. 2, 23, 2); und nach-
'dem^oach vorheriger Brwähnung der Orden hervorgehoben worden,
'dafs für sie alle der Lohn kein unendlicher sei, wird als dasjenige,
VelcheS' einen unendlichen Lohn bringe, das Feststehen in dem
'Brahman gepriesen, denn es heifst: „wer in dem Brahman fest-
'„steht, gehet' ein zut Unsterblichkeit." (Ch&nd« 2, 23, 2).' — Aber
werden nicht diese Orden a^ch an ihrer blofsen Erwähnung schon
990 als vo;rhand6n | ei^annt? -^ 'Allerdings ! aber doch nihrt ihre ße-
*glaubigung aus der Sm^iti und aus der Sitte (äcara), nicht aber
'aus einem offenkundigen Schrift^.wörte her; und darum sind., falls
'ihnen ein offenkundiges Schriftwort widerstreiten sollte, dieselben
^nicht anzuerkennen oder aber auf solche zu beziehen, welche [wegeo
'Blindheit oder anderer Gebrechen] von der Yerpflichtung zum
'Werkdienste entbunden (an<idhikrita) sind.* — Aber es wird ja
doch auch der Stand des Hausvaters im Vereine mit den Keusch^
heitsorden erwähnt, sofern es heifst: „Opfer, Studium, Almosen-
„geben ist die erste" (Gh&nd. 2, 23, 1). — 'Das ist richtig, aber
'was diese Erwähnung des Hausvaters betrifft, so ist aus der An-
*befehlung des Feueropfers und der übrigen Werke seine Anerken-
'nung in der Schrift ersichtlich; daher die Erwähnung desselben
*an unserer Stelle nur zu seiner Verherrlichung geschieht, nicht
'aber um ihn [nochmals] anzubefehlen. — Hierzu kommt aber wdt^r.
'dafs [wirklich, wie oben bemerkt], ein offenkundiges Schiiffcwort
'jene andern Orden verwirft. Denn es heifst: „der ist ein Tot-
'„schläger der Götter, welcher das Opferfeuer zerstört" (Taitt.
'saiph. 1. 5-, 2, 1); — „nachdem du dem Lehrer die liebe Absdiieds-
'„gnbe gereicht, sorge, dafs der Faden des Geschlechts nicht ab-
'„geschnitten werde" (Taitt. 1, 11, 1); — „wer ohne Sohn, ist ohne
. '„Welt, das wissen selbst die Tiere all** (Ait. br. 7, 13, 12). —
^Was femer die Stellen betrifft: „jene dort, welche im Wsdde
'„Glauben und Bufse üben" (Gh&nd. 5, 10, 1) und: „die, welche
'„mit der Bufse und dem Glauben im Walde sind beschäftigt"
991 *(Mund. 1, 2, 11), so haben dieselben den Zweck, | den Oötterweg
'zu lehren, nicht aber den, einen neuen Orden einsuftihren. —
'Zweifelhaft ist auch die Aufstellung eines neuen Ordens in des
'Worten: „die Bufse ist der zweite" u. s. w. (ChUnd. 2, 23, 2). -^
'Was ferner die Worte betrifft: ,;zu ihm auch pilgern hin die Pilger,
Stitfum III. iv. la 601
S>als die uack der Heimat sioli sehnen^' (Brili. 4, 4, 22), so liegt in
4b]ien nur eine YerherrlichnDg der himmlischen Heimat, nicht aber
'eine Anbefehlong der Pilgersdiaft.' — Aber die Stelle der Jäb&la'B:
y,8cfaon ans der Schülerschaft heraus mag er ein Pilger werden*'
(J&blÜa-üp. p. 445) enthält doch offenbar eine deutliche Anbefeh-
lung der Pilgcrschait! — 'Das ist richtig, aber man mufs wissen,
'dals die gegenwärtige Untersuchung auf diese Schriftstelle keine
'Rücksicht zu nehmen hat.*
19. anusktheyam Bädaräyamh, sämya-gruteh
zu betreiben Bädaräyana, weil die Schrift in
gleicher Weise.
Hingegen meint der Lehrer Bädaräyana, dafs auch das andere
Lebenastadium [des Vänaprnstka und PaTivräjak4i\ %\x botreiben sei,
und er vei'wirft die Meinung, als ob dieses andere IjebensstadLum
deswegen, weil das Feueropfer u. s. w., die im Veda vorkommen
und unweigerlich su betreiben kdnd, mit ilim in Widerspioich stehen,
nur für solche, die von der Verpflichtung entbuuden seien, Geltung
habe; vielmehr nimmt er an, dafs gerade so gut wie das Haus-
v^ktertum | auch jenes andere Lebensstadium, selbst wenn man es 992
nicht gern thut, unternommen werden mufs. Warum? „weil die
„Schrift, in gleicher Weise^*; d. h. es giebt eine Schriftstelle, welche
i» gleicher Weise wie das Hausvatertum auch das andere Lebens-
sCkdium erwähnt, ntolich eben die Stelle: „es giebt drei Abteilungen
„der Pfiicht^^ u. s. w. (Ghänd. 2, 23, 1). Ebenso wie hier der Haus-
vaterstand, nachdem er in einer andern Schriftstelle vorgeschriebe*!*
war, nur wieder erwähnt wird, ebenso auch hat man es von dem
andern Lebensstadium anzunehmen. Es ist damit, wie wenn .das in
andern Schriftstellen behandelte Tragen der Opferschnur um den
Hais oder nber die rechte Schulter an der Stelle, welche sich mit
<ler Yorsclu'ift des Tragens derselben über der linken Schultor be-
schäftigt, nur wieder erwähnt wird. Somit steht die Betreibung
des andern Lebonnstadiums mit der des Hausvatertums auf gleicher
Linie. Dafür spricht, dafs an der Stelle: „zu ihm auch pilgern
„hin die Pilger, als die nach der Heimat sich selmen*' (Brih. 4, 4, 22)
dieses [Lebensstadium des Parivröjaka] mit dem [vorher Brih. 4, 4,
22 erwähnten] Studium des Veda und ähnlichem zusanonengefafst
wird, sowie jenes [Iiebonsstadium des Vänaprct8t?ia] mit der Fünf-
Feuer-Lehre zusammengefafst wird an der Stelle : , Jene aber, welche
„dort im Walde den Glauben und die Bnfse betreiben'* (Chänd. 5,
10, 1). Wenn weiter bihauptet wurde, dafs an der Stelle: „die Bufse
„ißt das zweite" u. b. m-. (Chänd. 2, 23, 2) die Erwähnung «ines wei-
teren Lebensstadiunis [äufdor dem dos Gp'hastha] eine zweifelhafte
652 Cärlraka-mtmliäBli
993 sei, ] so trifPb das nicht zu, weil ein Ortmd sich zeigt, der die
Sache unzweifelhaft macht. Nämlich in den Worten: „es giebt
„drei Abteilangen der Pflicht ^^ (Chand. 2, 23, 1) wird eine Drei-
heit Yon Abteihingen angenommen. Nun können die mancherlei
Pflichten wie Opfer u. ß. w., welche ihrem Ursprünge nach vei>
schieden sind, nur dadurch in cae Dreiheit eingereiht werden,
dafs sie in einem einzigen Lebensstadium einbegrifi'en werden.
Hieraus folgt, dafs das durch Opfer gekennzeichnete Lebensstadium
im Hause nur die eine der drei Abteilungen der Pflicht ausmacht.
Ein zweites Lebensstadium wird mit voller Deutlichkeit durch das
Wort „Brahmanenschüler'^ bezeichnet. Und wenn weiter die „Bufse*'
genannt wird, so läfst sich darunter gar nichts anderes verstehen,
als dafs als eine besondere Abteilung, der Pflicht dasjenige Lebens-
Stadium [nämlich das des Vdnaptastkä] zu betrachten ist, dessen
Hauptbeschäftigung die Bufse bildet; wie ja auch in den Worten:
,Jene dort aber, welche im Walde [den Glauben und die Bafse
„betreiben]" (Ch&nd. 5, 10, 1) unter Glauben und Bufse, wie das
Wort „Wald" beweist, das betreffende Lebensstadium [des Vdna-
prastha] zu verstehen ist. Somit folgt, dafs auch das andere Lebens-
stadium [des Vänaprastha und des Parivrdjaka]^ wiewohl es [an den
in Frage stehenden Stellen nicht vorgeschrieben, sondern] nur er-
wähnt wird, doch pflichtmäfsig zu betreiben ist.
20. vidMr vä dhäranavat
oder eine Vorsclirift, wie beim Tragen.
Oder auch man kann annehmen, dafs in Betreff jenes andern
Lebensstadiums sogar eine Vorschrift vorliegt, und nicht eine blofse
Erwähnung. — ^Aber würde nicht bei der Annahme, da(s eine
9d4 ^Vorschrift vorliege, | die einheitliche Auffassung der Stelle verloren
'gehen, da doch die Einheit der Stelle ersichtlich ist, und [nicht
4n einer Vorschrift, sondern] in dem Gedanken besteht, dafs die
'drei Abteilungen der Pflicht als Frucht die Welt der guten Werke,
^das Feststehen in BreJmian hingegen als Frucht die Unsterblichkeit
'bringe?' — Bas tst wahr! aber gleichwohl mufs man die anerkannte
Auffassung der Stelle als eine Einheit beiseite lassen und eine Vor-
schrift *hier zugeben. Da nämlich bisher eine Vorschrift dax^ber
nicht vorkam, da femer eine andere Vorschrift hier nicht zu finden
iBt, und da die Annahme, dafs von dem andern Lebensstadiiun die
Rede sei, evident ist, so liegt kein Grund vor, an eine blofse un-
eigentliche Erklärung (gwyaväda) zu denken und dadurch die Ein-
heit der Stelle aufrecht zu halten; „wie bei dem Tragen*^; d. h.
wie in der Stelle: ,.er komme heran, indem er das Brennholz unter-
,,wärts tiägt, denn oborwärts trägt man es niir für die Götter>^, aller-
S6tram m. iv. 20. 653
dings die Einheit der Stelle in dem Tragen nach unterwärts liegt,
und gleichwohl dabei eine YorBchrift über das Tragen nach oben
hin mit einfliefst, nnd zwar, weil eine solche vorher nicht da war.
Und so heifst es in dem Buche von dem Zubehör (Jaim. 3): „viel-
„mehr eine Yorschrift | liegt in dem Tragen, weil eine solche bis- 995
„her nicht da war^' (Jaim. 3, 4, 3 unwörtlich). In ähnlicher Weise
ist auch hier, wiewohl die Schriftstelle die Lebensstadien nur er-
wähnt, die Annahme einer Yorschrift in der Ordnung. Und zu-
gegeben, dafs hierbei die übrigen Lebensstadien nur erwähnt werden,
so ist doch in Betreff des Feststehens in Brahman wegen der An-
preisung desselben unweigerlich eine Yorsohrift desselben zu er-
kennen. Nun fragt sich in Betreff dieses Feststehens, ob dasselbe
auf jedes beliebige der vier Lebensstadien zu beziehen ist, oder
nur auf dasjenige des Pilgers [d. h. des Parivr4j(dca , BJnkshUy
Safjinf^äsinl, Wäre nun unter der Erwähnung der Lebensstadien
bis zu dem der Brahmanenschülerschaft hin das Stadium des Pil-
gers schon mit erwähnt, so würde, weil bereits alle vier Lebens-
stadien ohne Ausnahme erwähnt worden, ein Leben aulserhalb der
Lebensstadien aber nicht statthaft ist, das Feststehen in Brahman
auf jedes der vier Lebensstadien zu beziehen sein. | Nun aber liegt 996
die Sache so, dafs der Pilger bisher nicht erwähnt wurde, und
hieraus folgt, dafs der Pilger, weil nur er noch übrig bleibt, unter
dem in Brahman Feststehenden zu verstehen ist. Einige freilich
meinen, dafs unter dem Worte „Bufse'% welches sich auf den
Waldeinsiedler bezieht, der Pilger mit befafst sei; aber dieses ist
unzulässig; denn es ziemt sich nicht, wo ein anderer Ausweg vor-
handen ist, unter dem Merkmale des Yänaprastha den Pilger mit
zu begreifen; vielmehr ebenso wie hier der Brahmanenschüler
und der Hausvater jeder für sich durch das ihnen eigene, nicht
gemeinsame Merkmal charakterisiert werden, ebenso mufs man es
in Bezug auf den Bettler {JBhikshu, d. h. den Pilger, oder Sanf^nyä-
sin] und den Waldeinsiedler [d. h. den VdfUtprasthä] annehmen.
Die „Bufse^^ nämlich ist ein Merkmal, welches diesen beiden nicht
gemeinschaftlich ist; denn bei dem Yänaprastha, dessen Hauptpflicht
die Easteiung des Leibes ist, hat das Wort Bufse seine natür-
liche Richtigkeit; der Bettler hingegen hat als Hauptpflicht die
Bezähmung der Sinne u. s. w., daher er nicht durch das Wort
Bufse bezeichnet werden kann. Hierzu kommt, dafs die Lebens-
stadien in der Yierzahl- bestehen, und dafs es unpassend sein würde,
sie unter einer Dreizahl zu befassen. Auch liegt ja eine Bezeich-
nung der Yerschiedenheit vor, indem es heifst, dafs jene drei die
Welt der guten Werke erben, der eine aber die Unsterblichkeit
erbt (Ghänd. 2, 23, 2). Diese Unterscheidung ist nur unter Yor-
anssetzung einer wirklichen Getrenntheit statthaft. | Denn es kann 997
doch nicht so stehen, dafs Devadatta und Yajnadatta beide Un-
begabt sind, und trotzdem der eine von ihnen hochbegabt ist; son-
654 g&rirakarmtmfllÄall
dem vielmehr es steht so, dafs Devadatta and Ti^nadatta anbegabi^
ein dritter hingegen) z. B. Vishnumitra, hochbegabt ist* Somit folgt
. dafs die drei ersten Lebensstadien die Welt der guten Werke
erben, der noch übrige hingegen, mithin, der Pilger, die Unsterb-
lichkeit erbt. — ^Aber wie kann man zugeben, da& die Bezeicfa-
^nnng des Feststehens in Brahman, welches, in etymologischem
'Sinne (poga) genommen, überall möglich ist, nur von dem Pilger
'gelten soU? Oder soll man etwa der traditionellen Bedeutong
'des Wortes. (V<}^AO den Vorzug geben? Dann würde also schoo
^durch das blofse Lebensstadium die Unstdkl)lichkeit erlangt, und
'folglich das Wissen überflüssig werden!^ — Hierauf ist. zu er-
widern: 'unter dem Worte „in Brahman feststehend** ist zn ver-
stehen die Vollendung in dem Brahman« das Beharren in demselben,
welches seiner Natur nach jedes andere Treiben ausschUefsi. Ein
solches ist nun bei den drei ersten Lebensstadien nicht möglich;
denn wer in ihnen die dem liobensstadium obliegenden Pflichten
nicht betreibt, dem droht die Schrift mit Niedergang [in der Seelen-
Wanderung]; der Pilger hingegen hat alle Werke von sich abgethon;
bei ihm ist der Niedergang als Folge der Nichtbetreibung nicht
möglich; die ihm eigenen Verpflichtungen hingegen der Gemütsruhe,
Bezähmung u. s. w. bestärken das Feststehen in Brahman und wider-
streiten ihm nicht; denn eben das Feststehen in Brahman, wie es
998 durch Gemütsruhe, Bezähmung u. s. w. erstarkt, | ist das fiSr sein
Lobensstadium vorgeschriebene Werk, so wie Opfern u. s. w. das
Werk der übrigen Lebensstadien ist, ans dessen Vernachlässigung
der Niedergang folgt. In diesem Sinne sagt auch die Schrift:
^die Verzichtung {nyäsd) ist der Brahman, denn der Brahm&n ist
„der höchste, ja der höchste ist der Bralimin; f&rwahr jene uie-
„dei'en Büisungen werden überragt von der Verzichtung** ^aitt
ix. 10, 62); — „wer des Ved&nta L[ihalt wohl begriffen, wer der
„Verzichtung teilhaft ist, Selbstzähmer, reinen Wes^a^* (Taitt ar 10,
10, 3 £= Mu^^» 3, 2, 6). Und auch die Smriti sagt: „wer ihn er-
„kannt, in ihm sein Selbst hat, feststeht -in ihm, in ihm das höclv^te
„Ziel sieht'' (Bhag. G. 6, 17). Diese und andere Stellen beweisen,
dafs für den in Brahman Feststehenden kein Werk mehr csxistiert.
999 I Hieraus folgt, dafs der Einwand, als sei die Erkenntnis über-
flüssig, weil der Pilger schon durch sein blofses Lebensstadium in
die Unsterblichkeit gelange,' unzntreflend ist. In dieser Weise also
mufs man, während daneben auch die übrigen Lebensstadien er-
wähnt werden, das Merkmal* des Feststehens in Brahman auf dat>
Stadium des Pilgers beziehen. — Diese Betrachtung ist von dem
Lehrer durchgeführt worden, ohne dafs er von der Schriftstelle
der Jabäla^s, welche jenes weitere Lebensstadium befiehlt, Gabrauch
gemacht hätte. Es ist aber selbige Schriftstelle vorhanden, welche
deutlich jenes weitere Lebensstadium vorschreibt, denn es heilst:
„nachdem er die Brahmanenschülerschaft vollendet hat, soll or ein
Sütram HI. iv. 20 655
„Hausvater werden ; nachdem er Hausvater gewesen, soll er Wald-
„bewohner werden; nachdem er Waldbewohner gewesen, soll er
„umherpilgorn; oder auch er mag in anderer Weise schon aus
„der Schülerschaft zum Pilger werden, oder aus dem Hause oder
„aus dem Walde" (J&bäla-Up. p. 444 — 445). Man kann 'nicht be-
haupten, dafs diese Schriffcstelle nur für die von der Verpflichtung
Entbundenen gelte, denn sie spricht, ohne einen Unterschied zu
machen, während- do^h für jene Nicht verpflichteten besondere Vor-
schriften bestehen; | denn wenn es heifst: „dann aber mag er ein 1000
„Gelübde befolgen oder nicht befolgen, mag er das Bad des Aus-
„trittes aus der Schülerschaft genommen haben oder nicht ge-
„nommen haben, mag er erloschenen Feuers oder ohne Feuer
., leben ^' (JabMa-Up. p. 444), so ist hieraus, sowie aus dem Um-
stände, dafs die Pilgorschaft als Bestandteil (a^hga) die Reifung der
Erkenntnis des Brahman hat, keineswegs zu folgern, dafs sie sich nur
auf die von der Verpflichtung Entbundenen beziehe. Und dieses be-
weist die Scluift, wenn sie sagt: „aber der Pilger, farblosen Gewandes,
„kahlköpfig und unbeweibt, rein und ohne Trug, vom Bettel lebend,
„ — dieser wird de« Brahmanseins teilhaftig" (Jabala-Up. p. 452). —
Somit ist bewiesen, dafs die Lebensstadien der Zeugungserhabenen
von der Schrift geboten werden, und es ist bewiesen, dafs das Wissen,
weil es [auch wo keine Werke mehr gefordert werden] den Zeugungs-
erhabenen vorgeschrieben bleibt, für sich selbständig besteht.
Drittes Adhikaranam,
t
21. stuti-mätra/nt upädänäd, iti c-en? na,y apurvatvdt
bloise Verherrlichung wegen des Voraussetzens, meint
ihr? Nein! weil nichts vorher.
„Das ist die Essen?, der Essenzen, der höchste, höchststehende,
„achte, der üdgitha" (Chänd. 1, 1, 3); — „diese Erde ist der Vers,
„und das Feuer der Gesang** (Ch&nd. 3, 6, 1); — „fürwahr diese
„Welt ist jenes geschichtete Feuer*' ((Jlatap. br. 10, 1, 2, 2); — „dieses
„ist das Preislied, | nämlich diese Erde'* (Ait. är. 2, 1, 2, 1); — bei i(X)l
diesen und ähnlichen Sohriftstellen fragt es sich, ob sie nur den
Zweck haben, den Udgitha u. s. w. zu verhen*lichen , oder ob sie
bezwecken, eine Vorschrift der Verehrung zu geben. Es kann
bei dieser Frage seheinen, *als sei das Richtige, dafs sie nur eine
*Verherrüchung bezwecken, weil . die Schrift in der Weise dabei
*redet, dafs sie den Udgitha u. s. w. als Teile des Werkdienstes
666 Qldraka-mlmAAsi
'„YoraUBseist". So wie daher in Ausdrücken wie: „diese Erde ist
*„der Löffel", ~ „die Sonne ist die Schildkröte", — „die Himmels-
*„welt ist das Ähavantja- Feuer" der Zweck eine Yerherrlichnng
^des Löffels u. s. w. ist, ebenso ist es auch Uer.' — Auf diese
Annahme erwidert der Lehrer: mit nichten! denh es ist nicht mög-
lich, dafs eine blofse Verherrlichung der Zweck dieser Schriftstelien
sei, „weil nichts vorher". Nämlich wenn der Zweck eine Vorschrift
1009 ist, I so wird dadurch eine noch nicht dagewesene Sache snr Pflicht
gemacht; soll aber der Zweck die Verherrlichung sein, so würde
in Wahrheit gar. kein Zweck vorliegen; denn eine Verherrlichung
ist nur da am Platse, wo sie als Ergänzung eines Vorschriften
enthaltenden Wortes auftritt, wie dies bemerkt wurde an der Stelle:
„mit Vorschriften zu einem Gänsen verbunden dienen sie aur Ver-
„herrlichung der Vorschriften" (Jaun. 1, 2, 7). Hier nun würde
ftkr die an andern Stellen vorgeschriebenen Betreibungen des üdgl-
tha u. s. w. die gegenwärtige, an einer andern Stelle sich findende
Verherrlichung nicht zur Ergänzung jenes vorschreibenden Wortes
dienen und somit völlig zwecklos sein. Was hingegen die Aus-
drücke: „diese Erde ist der Löffel" u. s. w. betrifit, so steht es
mit ihnen anders, indem sie in der Nähe von Vorschriften sich
befinden. Somit müssen Schriftstellen wie die erwähntoi den Zweck
haben, eine Vorschrift au geben.
1003 22. hhdva-Qobdäc ca
auch wegen des Werdewortes.
Hierzu kommt, dafs die Worte : „soll er verehren als den üdgt-
„tha" (Chfilnd. 1, 1, 1); — „möge er verehren als das Säman"
(Chänd. 2, 2, 1); — „ich bin das Preislied, das soll man wissen"
(Alt. &r. 2, 1 , 2, 6) u. s. w. offenbar der Form nach one Vorschrift
enthalten, und dieses würde, wenn der Zweck eine blofse Verfaerrli«
chung wäre, nicht zu seinem Bechte kommen. So sagt ja auch
der Spruch der Logiker:
1004 I ?)^^ Boll, er mag, er mufii, er thue und dergleichen
„Ist dtets im Veda einer Vorschrift Zeichen'',
das heifst: wo sich eine dem Sinne nach imperative Form findet,
da ist eine Vorschrift anzunehmen. Hierzu kommt^ dafe jedes Mal
die dorn Gegenstände entsprechenden Verheifsungen vorkommen,
denn es heifst: f,der fürwahr wird ein Erlanger der Wünache"
(Chänd. 1, 1, 7); — „der nur ist Herr des Ersingens der Wünsche"
(Chänd. 1, 7, 9); — „dem werden zu Teil die oberwärts und die
,4ierwärts gelegenen Welten" (Chänd. 2, 2, 3) u. s. w. Auch danun
also haben die Schriftstellen von dem Udgitha u. s. w. den Zweck,
eine 'Vorschrift der Verehrung mitzuteilen.
SAtram HI. vr. ifL 667
Viertes Adkükaraifam.
23. pdriphva'arthä'j Ui cen? na! vif^hUatvät
pericNlischen Zweckes, meint ihr? Neinl weil sie be-
sonders bestimmt.
Es kommofti im Tedänta gewisse Erzählungen vor, wie i«B.:
lyT&jÜATalkya hatte zwei Gattinnen, Haitreyt und Kiltyftjant^' (Bfih.
4, 5> 1); — „Pratardana, der So^ des DivodAsa, kam im der
y^Ueben Wohimng des Indra*' (Kaush. 3, 1); — „Jftnagrati, der
„Enkelsohn, war ein gläubiger Spender, viel schenkend, viel
„kochend** (Ghänd. 4, 1, 4); — und es fragt sich, ob derartige
Erzählungen den Zweck haben, in periodischer [d. h. periodisch im
Yerlaufe des Kultus wiederkehrender] Weise [so wie beim A{^a-
medha die Legenden Qatap. br. 13, 4, 3] verwendet zu werden,
oder ob sie nur bezwecken, die danobenstehende Lehre zu über-
mitteln. Man könnte denken, ^dafs diese erzählenden Texte einen
'periodischen Zweck haben, weil eai eben so gut Erzähltkngen sind
'wie andere, | deren Verwendung in periodischer Weise Gesetz ist; 1005
'die Folge würde sein, dafs der Hauptzweck dieser Tedäntatezte
'nicht der wäre, die Lehre mitzuteilen, denn dieselben würden,
'ebenso gut wie die Hymuen, nur ein Hülfsmittel zu jener Ver«
'Wendung [im Kreislaufe des Opferkultus] sein.' — • Das aber geht
nicht an; warum? „weil sie besonders bestimmt". Nämlich bei
Erzählungen wie: „Manu, des Yivasvant Sohn, der König" (Qatap«
br. ISy 4, 3, 3) findet sich daneben die Bestimmung: „man soll die
„periodische Erzählung mitteilen" ; gälte dieses von allen Erzählun-
gen, blofs weil sie solche sind, so würde jene Bestimmung über-
flüssig sein; darum ,haben jene von der Schrift mitgeteilten Erzählun-
gen keinen periodischen Zweck«
24. tcUhd ca ekaväkpatä-upäbandhät ioo6
ebenso auch wegen ihrer Verbindung [mit der Lehre]
zur Einheit einer Stelle.
Da somit jene Erzählungen einen periodischen Zweck nidit
haben, so ist das Richtige, sie aufzufassen als im Dienste stehend
der Übermittelung der dabeistehenden Lehre „wegen ihrer Yer-
„bindung [mit dieser Lehre] zur Einheit einer Stelle"; denn diese
Einheit mit den danebenstehenden Lehren zeigt sich überall, in-
dem die Erzählungtfen teils zur Anpreisung, teils zur leichteren
nsoMn, V«ilAnU. 42
658 ^ärtrala'mtinilQS&
Übennittelung des Gedankens dienen. So z. B. bildet in dem Ab-
schnitte von der Maitreyl die Erz&hlang eine Einheit mit der
Lehre: „den Ätman fürwahr soll man sehen*' u. s. w. (Brih. 2, 4, 5);
in der Stelle vom Pratardana mit der Lehre : „ich bin das Leben,
„bin das Erkenntnis -Selbst n. s. v. (Eaush. 3> 2); und die Er-
zählang vom Jäna^ruti mit der Lehre: „der Wind fürwahr ist der
„an-fdch-Raffer" u. s. w. (Chdind. 4, 3, 1). Sie dienen dabei ebenso
wohl znr Yerherrlichong der danebenstehenden Yorsdiriftv wie die-
jenigen Erz&hlnngen, welche in einem von den Werken handelnden
Texte vorkommen, z. B. wenn es heifst: „da rifs er sieh selbst
„die Netzhaat heraas^' (Taitt. samh. 2, 1, 1, 4). Somit ist der Zweck
jener En&hlnngen kein periodischer.
Fwt^es Adhikaranam.
25. ata^ eva ca agni-indhana-Adi-anapek^
und eben darum keine Beobachtung des Feuer-
anzündens u. b. w.
„Das Ziel des Menschen durch sie, ans der Schrift '' (Sä-
tram 3, 4, 1); was an dieser, wenn auch darch Zwischenbetraeh-
1007 tungen getrennten, Stelle gelehrt worden war, | das wird, als die
bedingende Ursache, hier durch das Wort „darum^^ wieder angenom-
men; „eben darom'^ also, weil der zureichende Grund für die Er-
langung des Zieles des Menschen im Wissen li^ft,'8ind die Werke
der Lebensstadien, wie Feueranzünden u. s. w., nachdem durch das
Wissen das ihm eigentümliche Ziel erreicht worden, nicht weiter
zu beobachten. Hiermit fr.fst der Lehrer das Resultat des ersten
Adhikaranam noch einmal zusammen, ehe er zu Weiterem fortgeht.
Sechstes Adhikaranam.
26. sarva-apekshd ca^ yc^m-Adi-gruier; a^vavtU
und doch Berücksichtigung aller, wegen des Schrift-
wortes vom Opfern u. s. w. ; wie bei dem Bosse.
Es ist jetzt zu untersuchen, ob das Wissen gar keine Rücksicht
nimmt auf die Werke der Lebensstadien, oder ob eine gewisse
Stttaxn ni. IV. STk G59
Rücksichtnahme Torhanden istV — Man konnte denken, >yeil es
'soeben hiefs, es finde, nachdem durch das Wissen das ihm eigen-
*tümlidie Ziel erreicht worden, keine BeoLachtung der Werke der
^Lebensstadien, wie des Feueranzündene u. s. w., mehr statt, | dafs 1008
^anf dieselben absolut keine Rücksicht mehr zu nehmen sei^ —
An{ diese Annahme heifst es: „und doch Berücksichtigung aller**;
d. h. das Wissen berücksichtigt alle Werke der Lebensstadien und
ist' keineswegs ohne jede Rücksicht auf dieselben. — Aber liegt
^hierin nicht ein AVidernpruch , dafs das Wissen die Werke der
^Lebensstodien berücksichtige und doch auch nicht berücksichtige?*
— Wir antworten: nein! nämlich wenn das Wissen erst zu Stande
gekommen isf^ so nimmt es znr VerwirkHchung seiner Frucht keine
Uöckaicht mdir auf irgend etwas anderes; aber zum Zwecke
seines Zustandekommens nimmt es eine solche Rücksicht; warum?
„wogen des Scfariftwortes vom Opfern u. s. w.*' ; denn so sagt die
bchnft: „ihn suchen durch Vedästudium die Brahmanen zu er-
„kiennen, durc)i Opfer, durch Almosen, durch Büfsen, durch Fasten**
(Brih. 4, 4« 23). Hierin liegt, dafs die Opfer u. s. w. ein Mittel
des Wissens sind, und wegen der Verbindung mit dem Worte „suchen
„zu erkennen" ist dies näher dahin zu bestimmen, dafs sie ein Mittel
sind f)ir das Zustandekommen des Wissens. Ferner sagt die Schrift
auch: „nunmehr, was sie Opfer nennen, das ist in Wahrheit das
„Leben als Brahmanenschüler*^ (Gh&nd. 6, 5, 1); aus dieser | Zu- 1009
sammenstelluog des Opfers u. s. w. mit dem als Mittel der Wissen-
Hchaft dienenden Leben als Brahmanenschüler folgt, [wenn nicht
vielmehr das Gegenteil I] dafs auch die Opfer u. s. w. als ein sol«
ches Mittel angedeutet werden. Ferner auch die Stelle (K&th. 2, 15):
„Das Wort, des alle Veden eingedenk sind,
„Das alle Bafsübung verkfludet, dem zuliebe
„Man sich der Schülerschaft ergiebt, dies Wort,
„Ich sag* esjiir in einem, heifset: Omt"
auch diese Schriftstelle deutet darauf hin, dafs die Werke der Lebens»
stadidi\ ein Mittel zum Wissen sind. Und auch die Smriti sagt:
„Der Sünde Tilgimg sind die Werke;
„Das Wissen ist* der höchste Gang.
„Wenn durch das Werk getilgt die Sünde,
„Dann tritt hervor des Wissens Drang."
Dia Verwendung der Werke ist dabei, — bildlich zu reden, —
;,wie bei dem Rosse". Wie nämlich, vermöge seiner besonderen
Verwendbarkeit, das Rofs zum Ziehen des Pfluges sich nicht eignet,
hingegen zum fl^hren dos Streitw^ens sich eignet, | ebenso werden 1010
die Werke der Lebonsstadien Tswar nicht mehr berücksichtigt, nach-
dem durch das Wissen die Frucht erreicht ist^ wohl aber, während
dieselbe noch im Entstehen begriffen ist.
42*
660 C>^r)n^-Bilm&Ä64
27. fama-dafna-ädirupelah sydt tatkd jpi lUj tad-vidhes,
tad-angatayä teshäm avagya-anusktkegatvöt
aber er mufs doch mit Gemütsruhe, Bezähmung u. 8. w.
ausgerastet sein, weil dies vorgeschriebeii, und weil
dieselben als ein Bestandteil von jenem [dem Wissen]
notwendig zu betreiben sind.
Es könnte jemand denken, ^dafs es doch nicht richtig sei» die
K)pfer n. s. w. fär ein Mittel der Wissenschaft anzusehen, weil
'eine Yorschrift dabei nicht vorliege; denn wenn die Schrift sagt:
SiSie suchen zu erkennen durch Opfer*', so ist dies nur eine rar
^9ache gehörige Erläuterung (anux>äda)y welche aur Y^herrlicbuiig
^es Wissens dient, nicht aber eine Vorschrift des Opfers u. s. w.
'giebt; nämlich so höchst wertToU ist das Wissen, dafo man ei
'selbst durch Opfer u. s. w. au erreichen sucht.' — Dagegen ist
au bemerken, dafs jedenfalls doch der nach Wissen Trachtende „mit
„Gemütsruhe, fiezälunung u. s. w. ausgerüstet sein mu&"; denn wenn
ea heifst: „darum, wer Solches weifs, der ist beruhigt, beiähmt,
„entsagend, geduldig und gesammelt; nur in dem Selbste sidit er
1011 „das Selbst (Brih. 4, 4, 23), | so werden hier Gemötaruhey Be-
aähmung u. s. w. als Bedingungen des Wissens geradezu roigeioiirie-
ben; was aber vorgeschrieben wird, das ist notwendig zu betreiben«
— >Aber es wird doch auch in diesen Worten nur gesagt, ,^r ist
Sfberuhigt^^ tol s. w., und „er sieht'*, so dafs also auch hier nur die
'Bezeichnung eines thatsachlich Vorhandenen vorliegt , und das ist
'doch keine Vorschrift.' — Diesen Einwand bestreiten wir, denn
das Wort „darum'' bezieht sich auf die vorhergehende AnbefeUuog
[,^man folge seiner Spur" u. s. w. B|*ih. 4, 4, 23] und giebt somit
dem Folgenden den Charakter einer Vorschrift'; andi lesen die
Mftdhyandina's [an der entsprechenden Stelle Qatap. br. 14, 7» 2, 28]
geradezu „er sehe", worin eine offenbare Vorschrift Hegt. SoUte
daher auch auf Opfer u. dgl. eine Rücksichtnahme nicht mdir statt-
haben, so ist doch jedenfalls eine solche für die Gemütsruhe u. s. w.
zuzugeben. Es sind aber femer auch die Opfer u. s. w. in der
That zu berücksichtigen, und zwar eben wegen dieses SohrifVirortes
vom Opfern u. s. w. — 'Aber wir sagten doch, dafs, wenn es heifse,
*sie suchten durch Opfer u. s. w. zu erkennen, hierin eine Yotschrift
^nicht zu finden sei.' — Allerdings, aber ^eichwohl muia hier, weil
die vorliegende Verbindung noch nicht da war, eine Vorschrift ange-
nommen werden; denn im Vorherigen kommt eine solche Verknüpfung
des nach Wissen Trachtens mit den Opfern u. s. w. nicht vor, dafs
man hier eine blofse Erl&uterung (anmoäda) annehmen dürfte.
Es ist hiermit ähnlich, wie wenn es z.B. heUst: .|,danim geniefst
Sfttram IIL iv. 27. 661
y,P£^6hRu dttr zerkleinerte Nahrung, denn er hat keine Z&hne'*
(Taitt. Baiph. 2, 6, B, 5); auch diese Worte enthalten allerdings keine
Vorschrift, aber gleichwohl müssen sie, weil eine solche nicht vor-
hergeht, als Vorschrift aufgefafst werden; worüber die Untersnchung
an der Stelle: „die Zerkleinerung für PAshan hat man als eine
„[neue] Modalität aufsuCassen*', im ersten Teile. (Jaim. 3, 3, 34)
geliefert worden ist. Und in demselben Sinne hiefs es auch : „oder
„[▼ielmehr] eine Vorschrift wie bei dem Tragen^* (Sütram 3, 4, 20).
Übrigens wird in Smritistellen, | £. B. in den Bhagayadglt&'s (3| ^^^^
Id ^g')i ausgeführt, wie Opfer u. s. w., sofern man dieselben be-
treibt, ebne einen liohn di^ür im Auge zu haben, dem nach &-
lösung Trachtenden als Mittel zur Erkenntnis dienen. Somit sind
sowohl Opfer u. s. w. als auch Gemütsruhe u. s. w. je nach dem
Lebensstadium, d. fa. es sind alle Werke der Lebensstadien, soweit
es sich um ein Entstehen des Wissens handelt, zu berücksichtigen.
Hierbei sind Gemütsruhe u. 8. w., weil sie durch den Ausdruck
„wer Solches weifs" (Brih. 4t 4, 23) mit dem Wissen selbst ver-
bunden sind, als die unmittelbaren Bedingungen des Wissens
anzusehen , w&hrend im Gegensatze dazu Opfer u. s, w. , die nur
mit dem Trachten nach Wissen an derselben Stelle verbunden vor-
kommen, als die au fseren Mittel des Wissens zu betrachten sind.
Siebentes Adhikaranam.
28. sarva-aufk^anumatiQ ca prana^tyayey tad-darfanät
auch aller Speise Bewilligung bei Lebensgefahrdung,
wie zu ersehen.
Im Rangstreite der Organe hcifst es bei den Chandoga^s: „für-
,,wahr, wenn einer Soichea weiüi, so giebt es nichts, wasf für ihn
„nicht Speise wäre'" (Chänd. 5, 2, 1); ebenso bei den V&jasaneyin's:
„fürwahr, für ihn giebt es nichts, was rucht als Speise zu essen,
„nicht als Sp<»8e zu sich zu nehmen wäre" (Brih. 6, 1, 14); d. h. alles '
dient ihm als Speise. Hierbei fragt sich, ob darin eine Erlaubnis
alles zu essen, ahnlich wie die Gemütsruhe u. s. w., als ein Be-
standteil des Wissens verordnet werde, oder ob | die Erwähnung ioi3
nur um der Verherrlichung willen geschieht? Angenommen also,
4iier liege eine Verordnung vor; denn in diesem Sinne wird hier
'eine Unterweisung gegeben, die eine bestimmte Handlungsweise ver-
^anlafst. Man mufs daher, wegen der unmittelbar vorhergehenden
^Lehre vom Prftpa, annehmen, dafs als ein Bestandteil derselben
662 ^ftffrftka-nümMsä
'diese Aufhebung einer Entiialtungsregel gelehrt vrird.' — Aber
würde nicht dabei das kanonische Gc^z^ welches erlaubte und
verbotene Speisen untersoheidot, aufgehoben werden? — 'Doch
'nicht, denn wegen des Verhältnisses • des Allgemeinen zum Be-
'sonderen ist eine Restriktion desselben möglich. So findet ja
.^uch z. B. das Verbot, irgend ein lebendes Weser zu 7erleizen.
^seine Restriktion in dem Gebote, das Opfertier um seine Ein-
^willigung zur Opferung zu bitten; und ebenso wird durch die in
*den Worten: „man meide keine'' (Ch&nd. 2, 13, 2) liegende, auf
'das Wissen des Vämadeyya-S&man bezügliche Vorschrift, kein Weih
'zu meiden, eine Restriktion des im al^emeinen gültigen kano-
'nischon Gesetzes gegeben, welches zu besuchende und nicht zu
'besuchende Weiber unterscheidet. In derselben Weise konnte ja
'auch hier in dem auf die Pr&nalehre bezüglichen Ausspruche, nach
'welchem alles als Speise zu geniefsen wäre, eine Restriktion de.s
'erlaubte und verbotene Speise unterscheidenden Kanons gefunden
'wei'den.* — Auf diese Annahme erwidei'n wir: es ist nicht richtig,
dafs hier eine Erlaubnis, alles zu essen, angeordnet wird: denn
es ist kein imperativer Ausdruck zu finden in der Stelle; „föxwahr.
„wenn einer Solches weifs, so giebi es nichts, was für üin nicht
1014 „Speise | wupe" (Ch&nd. 5, 2, 1), sondern vielmehr nur die Bezeich-
nung eines gegenwärtig Vorhandenen; man darf aber nicht so weit
gehen, auch da, wo die Erkenntnis einer VorschrifL nicht zu finden
ist, aus blofser' Begitirde nach speeieller Normierung dt^r Handlungs-
weise eine Vorschrift zu konstatieren. Hierzu kommt, daü^ naeJ)-
dem alles bis zu den Hunden u. s. w. herab für $pei<'>e des Vrlkna
erklärt worden, es weiter heifstr „für einen, der Sokh<>5 weiCs,
„giebt es nichts, was nicht Speise wärc^^ (Chflud. 5, 2, 1 frei): nun
kann doch unmöglich alles bis zu den Hunden u. s. w. herab von
dem menschlichen Leibe genossen werden, wohl aber läfst sich
verstehen, wie gesagt wird, dafs diese ganze Welt eine Speis«; des
Präna sei. Somit haben wir hi^r eine Sacherklärung (arihaväda),
welche das Wissen von dem Prllna und seiner Speise veirherrliclten
soll, nicht aber eine Verordnung, welche gestattete olles zu essen.
Dieses zeigen [implicite\ die Worte unseres Sätram*s: „auch aller
„Speise Bewilligung be? Lebensgefclhrdung"; d.h.: nur in Lebena-
gefahr und in der höchsten Not ist es gestattet, jegliche Speise
zu essen, „wie zu ersehen"; nämlich in dieser Weise ist zu er-
sehen aus der Schrift, wie z. B. der Rishi Cäkrayana [der Ab-
kömmling des Cakra] in übler Lage dazu sehritt, verbotene Speise
zu essen. Nämlich in dem Abschnitte : „Es geschah, da die Kuru's
„vom Hagelschlago "*" heimgesucht wurden" (Ch^ind. 1, 10, 1), wird
erzählt, wie der Rishi Cäkräyana, da er in Not geriet, die von
* oder etwa „Heuöchrecken"?— rakta- varntih Jctihmira^T^akski-ingt'
ihdhy Äuandagiri zu unserer Stelle.
Sütram III. XV. 28. 663
(lern reichen Hausherrn zur Hälfte angenagten' (Hch: sami-khädiiän)
Bohnen verzehrte, den Trunk hingegen, | welchen ihm ehendersetbe ioi5
darbot, oXa einen Überrest veiischmalite und als Grund dafür angab:
,.ich wäre nicht leben geblieben ohne jene zu essen *S und: ,,in
„meinem Belieben [hingegen] steht es, meinen Durst mit Wasser
„zu löschen*^ (Chand. 1, 10, 4), und wie ebenderselbe am folgenden
Morgen sogar die von ihih selbst und von einem andern übrig ge-
lassenen und sogar noch abgestandenen Bohnen verzehrte. Indem
die Sehrill in dieser Weise zeigte wie derselbe Übriggebliebenes
und sogar das Abgestandene des Übriggebliebenen verzehrte, so
giebt sie dadurch überaus deutlich als ihr Priucip zu veirstehen,
dafs im Falle einer Lebensgefahr zur Erhaltung des Lebens auch
verbotene Speise gegessen werden daif; hingegen im normalen Zu-
stande ist dieses zu vermeiden, und zwar auch für einen Solchen,
der die Erkenntnis besitzt; dies ergiebt sich aus der Yerschmähung
des Trunkes. Somit iat in den Worten „fürwahr, wenn einer Solches
„weifs" u. B. w., nur eüie Sacherklärung (arthaväda) zu finden.
29. äbädhao ca
und wegen Nichtaufhebung.
Und da dem so ist, so liegt hier keine Aufhebung des Sohrii't-
kanons vor, welcher mit den Worten: „wo die Nahrung rein, ist
„auch der Charakter rein^' u. s. w. (C^and. 7, 26, 2) gebotene und
verbotene Speise unterscheidet.
30. api ca smaryate loie
und auch die Smriti.
Und auch die Smriti erwähnt, wie^ in der Not der Wissende
und der Nichtwissonde jede Speise essen darf, wenn sie sagt
(Manu 10, 104 fr^i):
„Wer in Gefahr des Lebens schwebend,
j,Die Speise nimmt woher es sei,
„Bleibt, wie das Lotosblatt vom Wasser,
„Von sttudbaf^er Befleckung frei/'
Aber ebenso heifst es: „den Raum^htrank [meid«] der ßrahmane
„unbedingt": -— „<iem Brahmsnen, der Branntwein trinkt, soll
„man ihn glühend eingiefsea"; — .,im Munde des Branntwein-
„trinkers wachsen branntweintriokeude Würmer, woil er Ycrbotenefl
„geiiofs^*; — hier lehrt die Smriti die Au-ischliefsung verbotener
Nahrung.
J
664 , gMraka-mtm(iÄsA
8L QoMaQ ca ato ^kamakdre
daher auch ein Schriftwort darüber^ dafs nicht beliebig.
Und auch ein Schriftwort giebt es, welche^ Terboiene Nahrung
verwirfb und das Belieben hierin nicht gestattet; denn in der Saip-
hita der Ka(ha*B heifst es : ,>daram soll ein Brahmane keinen Brannt-
„wein trinken**; auch diese Stelle kommt besser zu Recht, wenn
man in den Woi*ten: „ fürwahr, für einen, der Solches weiDs'*
(Gh&nd. 5, 2, 1) nur eine Sacherklarung findet Daher ist in
Schriftstellen dieser Art eine Sacherklärong (arthaväda)^ nicht
aber ein Gebot (vidhi) zu erkennen.
Achtes AdkUcaranam,
1017 32. vihüatvdc ca ä^ama-karma api
und weil es geboten, das Werk der Lebensstadien
gleichfalls.
An der Stelle: „und doch Berücksichtigung aller*^ (Stiraia 3, 4,
26) wnrde festgestellt, dafs die Werke der Lebensstadien ein Mittel
des Wissens bilden. Jetat hingegen ist zu untersuchen, ob auch
der nicht nach Erlösung Verlangende, welcher nur in den Lebens^
Stadien verharren will, das Wissen hingegen nicht begehrt, jene
Werke betreiben mufs oder nicht? — Nämlich 'an der Stelle n>^
^„suchen durch Yedastudium die Brahmanen zu erkennen^^ (Bfih. 4,
% 22), wurden die Werke der Lebensstadien als Mittel der Wissen-
'schaft anbefohlen; wenn nun einer nicht nach dem Wissen begehrt^
^sondern nur nach anderem Lohne trachtet, so braucht er doch
'[nur die für seinen Zweck erforderlichen, zeitweiligen, aat-
^fyäniy hingegen] die beständigen fh%(ln() Werke nicht an üben.
'Oder soll auch er dieselben üben müssen? Pann können sie
'nicht ein Mittel des Wissens sein, da ihr best&ndiger Gebrauch
'[wie er von dem nach jenseitigem Lohne Begehrenden] und ihr
'zeitweiliger Gebrauch [wie er von dem nach Wissen Traehteo-
'den gefordert wird] . mit einander in Widerspruch steht.' — Auf
diese Behauptung erwidert der Lehrer: auch der blofs in den
Lebensstadien Verharrende, nicht nach Erlötsung Trachtende , mafs
die beständigen Werke üben, „weil es geboten", nämlich in Worten
wie „bis zum Lebensende bringen sie das Feueropfer dar". Denn
man darf doch auch das Wort der Schrift (Bph. 4, 4, 22) nicht
1019 zu sehr | pressen.
Sfttram III. iv. 32. 665
Wenn abär behauptet wurde, dafs in diesem Falle jene Werke
kein Mittel des Wissens sein könnten, so giebt der Lehrer cur
Antworte
33. sahakdrit^ena ca
und weil sie mitbehülflich.
Es mufs doch das Werk zum Wissen mitbehülflidb sein, und
zwar eben darum, „weil es geboten^' wird, nämlich an der Stelle:
„ihn suchen durch Yedastudium die Brahmanen zu erkennen (Bph. 4,
4, 22), wie dies auseinandergesetzt wurde zu dem Sütram: „und doch
,,Berücksichtigung aller, wegen des Sohriftwortes vom Opfern u. s. w.
„wie bei dem Bosse" (Sütram 3} 4, 26). Man mufs aber dieses
Wort von dem Mitbehülflichsein des Werkes zum Wissen nicht dahin
aufTassen, als brächten die Werke der Lebensstadien, ähnlich wie
bei dem Voropfer u. s. w. , das Wissen als eine Frucht , hervor ;
denn das Wissen föUt nicht unter den Begriff der Gebote, und das
Wissen ah Frucht läfst sich überhaupt nicht durch irgend welche
Mittel erzielen« Denu jedes Mittol steht in Beziehung zu einem Ge-
bote, und wenn jemand z. B. durch Neu- und Yollmondsopfer u. s. w.
den Himmel als Frucht erzielen will, su erfordert dieses besondere
dazu mitbehülfliche Mittel. Nicht so das Wissen; und in diesem
Sinne hiefs es: „und eben darum keine Beobachtung des Feuer-
„anzündens u. s. w/' (S6tram 3, 4, 25). Somit hat man das Wort
von ihrer Mithelferschaft dahin zu verstehen, dafs jene Werke nur
zur Entstehung | des Wissens [nicht zu diesem selbst] ab Mittel 1010
dienen. Man mufs aber nicht meinen, als wenn dabei der be«
ständige und der zeitweilige Gebrauch in einem Widerspruche
stünde; denn weim auch das Work das nämliche ist, so kann doch
sein Gebrauch ein zweifacher sein. Der eine Gebrauch ist der be-
ständige, wie er durch das Wort „bis zum Lebensende" u. s. w.
(p. 1017, 10) angezeigt wird; dieser bringt nicht das Wissen als
Frucht. Der andere Gebrauch ist der zeitweilige, wie er angezeigt
¥rird durc}i das Wort: „ihn suchen durch Yedastudium die BraSi-
„maaen zu erkennen" (Bfih. 4, 4, 22); dieser bringt das Wissen als
Frucht. Es ist damit wie wenn z. B. der eine Khadirabaum einen
beständigen Gebrauch im Dienste der Opferhandlung und einen
zeitweiligen Gebranch im DiejDste menschlidier Zwecke erfährt.
34. mrvaihä api ta ^eva, übhaya-Ungät
in jedem Falle gelten eben dieselben; weil ein
zwei&ches Anzeichen*
„In jedem Falle'S niag man sie nun als Pflichten der Lebens-
stadien oder als mitbehülflich zum Wissen betrachten, „gelten
666 ^änraka-rairakn8&
,,ebeti dieselben ^S d. h. die Pfiicliteu des Feueropfers n. s. vr., und
iiiud daher zu betreiben; ,,«ib6n dieselben", hiermit wird etwas von
dem Lehrer nachdr&cklich abgewiosen; und xwar was? wir «nt-
woi*ten: die Heinang, als gäbe es swei Arten von Werken. Denn
1020 allerdings z. B. bei dem Verfahren dei* Kragtrinker, | wenn es heiftit:
,,etnen Monat lang bringen sie das Feaeropfer" (Käty. 24, 4, 24),
.so wii-d hier ein von dem beständigen Feucropfer yerschied^^nes
fweil nar zeitweiliges] .Werk bezeichnet; nicht aber ist in dieaer
Weise aadi in unserem Falle eine zweifache Art der Werke zn
unterscheiden. Warum? „weil ein zwiefaches Anzeichen", n&mlicli
ein Bchriftanzeichen und ein Smritianzeichen dafür vorliegt. Das
Schriftanzeichen ist dieses; wenn es heilst: ,fihn suchen durch
„Yedastudium die Brahmanen zu erkennen^* (Brih. 4, 4, 22), so
werden in diesen Worten Opfer n. s. w. bei dem Streben nacli
Winsen auferlegt als etwas Bekanntes und schon wirklich Vor-
handenes, nicht aber führt die Schrift dieselben wie in jenem
, Ausdrucke „sie opfern*' (K&ty. 24, 4, 24) als eine neue noch nicht
vorhandene Art ein. Das Smritianzeichen lautet: „wer, ohne an
„d^r Werke Fmobt zu haltini., das auferlegte Werk betreibt*^
(Bhag. G, 6, 1); hier verweist die Saariti zum Zweck der Ent-
stehung des Wissens auf dasselbe Werk, welches als ein zu be-
treil)ended schon ohnedies bekannt ist. Und auch an der Stelle:
„wer diese achtundvierzig Weihen durchmacht'S worden die für diu
* vedischen Werke in Anerkennung stehenden Weihen mit Bezug-
nähme auf die Entstehung des Wissens bei dem mit ihnen Aus-
gerüsteten von der Srariti vorgebracht. Somit hat es mit dieser
Versicherung der Einheitlichkeit der Werke seine Richtigkeit.
loai 35. anabhibh^ivan ca dargtiifoU
auch zeigt sie Nichtüberwältiguag.
Femer liegt ein verstärkendes Anzeichen dafür, daL die Werke
zum Wisstm blofs mitbehülfltch sind, daiin, dafs die Schrift zeigt,
wie der mit den Mitteln der Brahmanenschülerschaft u« s. ^'. Aus-
gerüstete von den BescKwcrungen (Me^a) der Seele, wie Li«b€
n. s. w. [Hafe, Verfressenheit, Selbstsucht und Nichtwißscis] nicht
überwältigt wird; denn sie sagt: „dieser Atnian ist unvergänglich,
„welchen man durch das Leben als Braiunanenschüler auffindet*
(Cliand. 8, 5, 3). — Soiuit steht es fest, dafs die Opfer u. a. w. so-
wohl für die Werke der LebeDsstadien als aucb für das Wisseo
niitbehülfiich sind.
Sütram III. ir. 36. 667
Neunte» Adhikarafiam.
^6*. antard ca api tu, tad-drisUeh
vielmehr aach sie, wiewohl zwischeninnen ^ weil
dies ersichtlich.
Was nun weiter die Unbcmittelteii betriiFt, welcbe des Ytr-
niögens iiod anderer Glücksverbältuisse ermangebi, von dem Zu-
t litte SU dem einen oder andern Lebensstadium ausgescblossen sind
und zwischeninaen stehen [zwiscben den drei oberen Kasten und
den QAdra's], aiud auch diese zum Wissen berufen oder nicht, das
ist die Frage. — Angenommen also, ^sie seien nicht dazu beniien,
'weil festgestellt wurde, dafs die Werke der Lobensstadien eine
*Vorbedingang des Wissens sindj und weÜ diese Werke von jenen
'nicht betrieben werden können.' — Auf diese Annahme | envidert 10?2
der Lelu'cr so: „vielmehr auch sie, wiewohl swisoheninnen^'; auch
derjenige, welcher wegen Ausschlieisung von den Lebensstadien
/.wischeniuuen steht, ist zum Wissen berufen, „weil dies ersiclib-
„licli**, d. h. weil man aus der Schnft ersieht, wie auch z. II Raikva
(Ch&nd. 4, 1) und [Gfcrgi] die Toditer des Vacaknu (Brih. 3, 6. 8),
obwohl es mit ihnen solchermaisen bestellt war, das Brahmanwisaen
besafsen.
37. api ca sniaryate
und auch die Smriti sagt, —
Und auch die Smpii ei*wahnt im Epos (vgl. Mahäbb. 14, 137 fg.)<
wie z. B. Samvaria und andere, welche, das Gelübde dcK Nackend-
gehens beobacliteten und daher die Werke der Lebeus&tadien. ver-
nachlässigten, trotzdem den Stand eines grofsen Vogin erlangten.
— 'Aber die aus dm* Behrift und Smriti angeführten Beispiele sind
'dodi nur das Beweismittel; welebes ist nun die darauf sich grün-
^dende Beweisfökrong?* — Wir antworten:
nud zwar als Gnade fär Besonderes.
Auch diesen, n&mlich den Unbemittelten u. s. w. , wird -infolge
besonderer Pflichtleistungen, welche ihrem Zustande nicht entgegen
und jedem Menschen möglich sind, wie Murmeln von Gebeten,
668 gftrlrAka-mlm&nsil
1023 I Fasten und Verehren der Grdtter, die Gnade des WisBens sa Teil.
Und BO sagt die Smfiti (Bfanu 2, 87):
y^Durch blofses Marmeln von Gebeten schon allein
^Gebt der Brahmane siober aar Vollendung ein.
^ag er noch andere Werke treiben oder nicht;
^Brahmane heilst er, wenn er übt der Liebe Pflichf^
Diese Steile seigt, dafs. in £lrmangelung der Werke der Lebens-
Stadien auch das Gebetmunneln einen Beruf nur Wissenschaft er-
möglicht. Auch kann die Begnadigung mit dem Wissen möglicher-
weise davon herrühren, dafs di^ Werke der Lebensstadien in einer
früheren Geburt betrieben worden waren. In diesem Sinne sagt
die Smriti (Bhag. G. 6, 45):
y^Durch mancberlei Gebart vollendet ,
^Geht endlich er den höchsten Gang";
.. hierin liegt, dafs auch die in einer früheren Geburt angesammelten
besonderen Weihungen die Gnade des Wissens hervorbringen können.
. Übrigens ist das Wissen von der Art, dafs sein Ziel su Tage tritt,
sobald nur kein Hemmnis [kein Nichtwissen] ihm entgegensteht, and
hierauf beruht es, dafs auch der Bedürftige Eum Hören der Schrift
n. s. w. berufen sein kann. Somit kann man ohne Widerspruch zu-
geben, dafs auch die Unbemittelten zum Wissen berufen sind.
109^ 39. atas tu iUxraj jyayo^ Ungäc ca
vor ihm aber iet das Midere vorzuziehen, auch wegen
des Anzeichens.
Vor ihm aber, vor dem Stehen im Zwischenräume, ist das an-
dere ^ das Stehen in den Lebensstadien als Mittel des Wissens,
vorauaiehen, weil dieses zu lehren Schrift und Smriti ihre Stimmen
ver^igen, denn die Schrift enthält dafür das Anaeich^i: „auf diesem
„wallt wer Brahman liebt und Gutes übt in Lichtgestalt^* (Brih. 4,
4, 9); und das Anzeichen der Smfiti lautet:
„Auch einen Tag nur soll, wer Zwiegehoren,
„Nicht aufserhalb der Lebensstadien weilen;
„Wer erst ein Jahr sich aufserhalb verloren,
„Den wird Verderben ganz und gar ereilen/'
^tnm m. vr, 40. ^ 669
2jehnte8 Adhikaranam.
40. tad-bhütasya tu na a'tad'bhdvOy Jaimner api^
niyama - ataärüpa^ abhävehhyäh
vielmehr wer dieses geworden, kann nicbt [mehr] wer-
den was nicht dieses, auch nach Jaimini, wegen der
Regel, wegen des Mangels derartiger und wegen des
Nichtvorhandenseins.
^ir haben festgestellt, dafs solche Lebensstadien, welche das
Kenschheitsgelübde halten, anerkannt werden müssen (Sütram 3, 4,
18 — 20). Nan fragt sich, ob für einen, der sich ihnen hing^eben,
irgend ein Mal ein Abfall von den) Gelübde möglich ist oder nicht?
— K&mlich ^es könnte ja einer aus Neigung, die vormaligen Pflichten
^[des Gfihastha] geziemend zu betreiben, oder auch aus leidenschafb-
'Uchem Drange, sei es das eine oder das andere, darauf kommt
'es nicht an, doch einmal einen Fehltritt begehen.' — Hierauf ist
zu erwidern: | „vielmehr wer dieses geworden'^, wer das Gelübde 1025
der Keuschheit auf sich genommen hat, darf unter keinen Umständen
„werden was nicht dieses '% d. h. sich dagegen vergehen; warum?
„1) wegen der Regel, 2) wegen des Mangels derartiger und .3) wegen
„des Nichtvorhandenseins^. Denn 1) heifst es: „indem er sich für
„immer im Hause des Lehrers niederl&fst" (Ch4nd. 3, 23, 2), und:
„«er ziehe in den Wald», das ist das Wort, und, «er kehre nim*
„mer daraus zurück», das ist sein geheimer Sinn*'; — - sowie auch
(Mah&bh. 12, 8678):
„Mit einem der vier Lebensstadien soll
„Er sichy nachdem vom Lehrer er entlassen,
^is zur Erlösung seines Leibes hin,
„Wie es die Yorschrift anbefiehlt, befassen.'*
Diese Regel zeigt, dafs ein Abfall unstatthaft ist. Und während
2) die Schrift in Worten wie: „nachdem er die Schülerscbaft er-
„langt, soll er ein Hausvater werden ; • • . schon aus der Schüler*
„Schaft heraus mag er ein Pilger werden*' u« s. w. (J&b&la-Up.
444 — 445) ein Emporsteigen in den Lebensstadien, lehrt, su giebt
es keine Stelle, welche von einem Herabsteigen redete. Endlich
ist 3) nichts vorhanden [in den Dharmasütra^s], was derartiges als
Sitte lehrte. — Und auch weiin das Herabsteigen bedingt sein sollte
durch eine Neigung, die vormaligen Pflichtoi geziemend zu betreiben,
ist dieses unstatthaft; denn die Smfiti sagt (Bhag. G. 3, 36):
G70 VftrirAka-m)mluis&
„Die eigene Pflicht, nur schlecht geübt.
1026 7,l8t besser | als die fremde, wohl betrieben",
und die Regel ist, dafe nicht dasjenige Pflicht ist, was man gut
vollbringen kann> sondern dasjenige, was einem auferlegt worden
ist; denn die Pflicht hat als Merkmal^ dafs etwas geboten worden
ist. Und auch ans leidenschaftlichem Drange ist kein Fehltritt sro
entschaldigen, denn das Gebot des Gesetzes wiegt schwerer als er.
„Auch nach Jaimini", — hier wird darch das Wörtchen „auch*'
noch besonders die Übereinstinunung siwischen Jaimini und B4dar&-
yana in diesen» Punkte hervorgehoben, um seine Gültigkeit nocb
zu verstärken.
Elftefi Adhikaranam.
41. na ca adhikärikam api^ paiana-anuindnMj tadHiyo0
auch nicht das im Berufteile, weil es ein Fallen als
möglich annimmt, und dies hier nicht zxxtriSL
Wenn ein Naishthika (ein ßrahmonenschüler auf Lebwszait) ans
Unvorsichtigkeit sich geschlechtlich vergeht, soll für diesen die Bufs*
regel: ,,der Brahmanenschülor, der sich geschlechtlich vergangen,
„soll der Göttin Nirriti einen Esel darbringen** (vgl. Kaiy. ^r. 1,
1, 13—17. Apast. dh. 1, 9, 26, 8. Pftr. gr. 3, 12, 2) gültig sein oder
nicht? — Wir antworten: nein! denn wenn auch — [für den Brahma-
c^rin im allgemeinen] in der Abteilung, die von dem Berufe han-
1027 delt, eine solche Bufse zugelassen wird in den Worten: | „auch
,.das Opfertier des unkeuschen Brahmanenschülers [mufs im weit-
„liehen Feuer geopfert werden], weil für einen solchen die Zeit
„zum Anlegen [der heiligen Feuer] noch nicht gekommen (Jaira. 6.
8; 22), so darf doch auch dieses nicht für den Naidhthika g<»lten
Denn es heifst:
„Wer sich auf Lebenszeit znm Schüler maclit
,,Und dann noch einen Fehltritt kann begehen,
„Der ist ein Monier an dem Selbst, für ihn
„Ist eine Bcfse nicht mehr zu ersehen";
hier lehrt die Smriti, dafs ein solcher Fehltritt jii cht wieder gut
zu nmchen ist, und dafs es dafUr, wie für die Abschneidun^ des
Kopfes, kein Heilmittel giebt. Was hingegen den üpakriiv^na [der
nur eine Zeit lang bei dem Lehrer den Ved«a stndicrt, oiu spater
Grihaatha zu werden] betrifft, so liegt für den Fehltritt eines sol-
Sütram III. IV. 41. 671
chen keine derartige Smritistelle vor; daher bei ihm eine Bufsp
möglich ist.
42. upa-purmm api tu eke bhävamy agana-vat; tad uktam io28
ein „Neben-*^ vorsetzend hingegen behaupten einige die
Möglichkeit, wie bei dem Essen ; darüber ist gesprochen.
Hingegen behaupten einige Lehrer, dafs nur eine ,. Neben"-
Sünde (npa-pät(ikafn) darin liege, wenn der Naiahthika (^lebensläng-
liche Schüler), abgesehen van dem Weibe u. s. w. des Lehrers, sein
Keaschheitsgelübde verletzt, nicht aber eine Hanptsünde (fnahär-
pdiakam)^ weil es unter den Hauptsünden, der Befleckung des
Bettes des Lehrers u. s. w., nicht vorkommt. Aus diesem Grunde
nehmen sie an, dafs es ebenso gut wie Ar den Upakurv^na (sett-
weiligen Schüler) auch für den Naishthika eine Bnfse gebc^, weil
beide gleicherweise Brahmanenschüler sind, und bei dem einen f»o
gut wie bei dem andern ein Bruch der Keuschheit einmal vor«
kommen kann; „wie bei dem Essen^S ^•.^« ^ö wie es für eine Ver-
letzung des Gelübdes durch Ebsen von Honig und Fleisch (P&r. 2, 4)
eine Sühnung für den Brahmanenschüler giebt, so ist es auch Uer.
Diejenigen nämlich, welche die Mögliddceit einer Bufse nicht zu-
geben, können sich auf keine kanonische Quelle berufen: wer aber
die Möglichkeit zugiebt, der kann als Quelle das Schriftworf an-
führen, welches ohne weitere Unterscheidung [des Upakurvana und
Nuishtliika] von dem der Unkeuschheit schuldigen Brahmanenschüler
handelt (oben p. 1026, 7). Es ist also richtiger, die Möglichkeit
einer Sühne anzunehmen. „Darüber ist gesprochen *', nämlich in
dem Abschnitte von den Beweisgründen, wo es hiefs: „gleich-
„borechtigt könnte die Gegenannahme sein"; — „oder vielmehr die
„auf dem Boden des Kanon stehenden [Gelehrten haben Recht].
„weil sie den Ausschlag geben*' (Jaim. 1, 3, 8—9). Yftm hingegen
die Smfitistelle von einer Unmöglichkeit der Bufse betrifi^, so ist
sie unter diesen Umständen [ dahin auszulegen, dafs sie nur die 1029
Schwierigkeit der Sühnung einzuschärfen bezweckt. Ähnlich steht
ee bei dem Falle mit dem Bettelpilger und dem Waldbewohner
[d, h. dem Parivräjaka und Vänaprcithä]; nämlich der Waldein-
sicdler soll, falls er die Weihe verliert, zwölf Nächte lang im Elend
umherirren | und dann ein jrofses Gehölz urbar machen; mit dem 1030
Bettelpilger nun steht es ebenso wie mit dem Waldbewohner, nur
dafs er von der Fördenuig des Soma befreit ist und die seinem
Gesetzbuche gemäfse Sühne vollbringt. Die dieses und ähnliches
über die Bufse verordnenden Smritistellen sind hier als mafsgebend
zu betrachten.
672 CMnka-mlm«kÄ8li
Zwölf te8 Adhikaranam.
43. vakis tu vibhayathA api^ amriter äcäräc ca
hinaus aber mit ihnen im einen FaU wie im andern,
wegen der Smriti und der Sitte.
Mag aber nmi der Abfall der ZeugnngBerbabenen von ihrem 6e-
Ifibde eine Haupisünde oder eine Nebensünde sein, in dem einen
Falle wie in dem andern sind die Betreffendai ans den übrigen
ansziuicheiden; denn es heifst:
^Wor sich auf Lebenszeit 2oni Schüler macht
„und dann noch einen Fehltritt kann begehen,
„Der ist ein Mörder an dem Selbst, för ihn
„Ist eine Bnfse nicht mehr zn ersehen'*;
1031 I nnd femer:
„Ein Geistlicher, der sein Gelübde brach
. „Und ans dem Kreis des Ordens aosgeschieden,
„Und ein Erh&ngter und was Würmer nagmi,
„Wer die Berührung dieser drei erduldet,
„Der hat die Mondlaufs -Bofsühnng irerschaldet''.
Wegen Smritistellen , welche wie diese sich im höchsten Grade
tadelnd aussprechen, so wie auch wegen der Sitte der Gebildeten
sind derartige Elemente auszuscheiden, denn es geht nioht an, dafs
die übrigen in Opfern, Stndien, Hochzeiten n. s. w. mit ihnen Ge-
meinschaft haben.
Dreizehntes Adhikaranam,
44. 'sväminähy phala-Qruter\ iH Ätreifah
*des Opferherrn, weil ihm die Frucht verheifeeu';
ßo Atreya.
In Betreff der Verehrungen, die als Teile des Werkdiensie« vor-
kommen, erhebt sich die Frage, ob dieselben dem Opferherm oder
dem Opferpriester zu gute kommen. Angenommen also, ^aie seien
1032 'Werke des Opferherrn; warum? | „weil ihm die Frucht verheiTseD*';
'denn als Frucht wird z. B. verheifsenr „Ar den i*egnet ea, der
Sftfcram in. i^. 44. 673
S^raacht es regnen, der dieses also wissend in dem Rogen das
^ffänftacbe Saman verehrt" (Ch&nd. 2, 3, 2), und dieses mufs folge*
'recht sich auf den Opferherm beziehen, da es in einem Unternehmen
'vorkommt, welches mitsamt seinen Teüen ihm angehört, femer von
'ihm [der Opferpriester] berufen wird, und Verehrongeu dieser Art
'mit zum Berufe des Berufenen gehören* Die Frucht aber konunt
'nach der Schrift dem zu, welcher der Veranstalter der Verehrungen
'ist, weil es hcifst, dafs es für den regne, welcher die Verehrung
'vollbringt.' Aber kommt nicht auch mitunter eine Frucht fflr den
Opferpriester vor, da es doch heifst: „für sich selbst oder für den
„Veranstalter des Opfers ersingt er den Wunsch, den er begehrt"
(Brih. 1, 3, 28)? — 'Dies beweist nichts, eben wegen seiner Ans«
'drücklichkeit [durch die es sich als eine Ausnahme zu erkennen
'giebt]. Somit gilt als Thäter für die mit Verheifsungen ver-
'bundenen Verehrungen der Opferherr;' — so meint der Lehrer
Ätreya.
45. drtvyyamf Ui ÄududomiSj tasmai hi parikriyate
des Priesters, meint Audulomi, denn [nur] für jenes
wird er bezahlt.
Es ist nicht richtig, dafs jene Verehrungen ' zum Werke des
Oljferherm gehören; vielmehr sind sie ein dem Opferpriester zu-
gute kommendes Werk; | so meint der Lehrer Audulcnni; aus wel- 1033
chem Qrunde? weil [nur] für jenes, nämlich für das Werk und
wai? zu ihm gehört, der Opferpriester bezahlt wird ; in dieses Unter-
nehmen aber fallen Verehrungen wie die des Udgttha zwischen
hinein, weil sie ein [besonderer] Beruf des Berufenen sind. Folg-
lich gehen, mit einer ähnlichen Limitation wie bei der Ccremonio
des Kubmelkens u. s. w. [vgl. Sütram 3, 3, 42, S. 612 — 614], diese
Verehrungen von den Opferpriostem aus. In diesem Sinne heilst
es audi: „diesen wufsio Vaka, aus dem Stamm»* des Dalbha, denn
„er war der Udgätar der Bewohner des Nairaishawaldes geweHcn"
(Chand. 1, 2, 13). Hierin liegt, dafs die Erkmmtnis den (Jdgatar
[nicht den Yi^amana] zum Thäter hat. Wenn aber geltend geiuucht
wurde,' dafs die Schrift dem Thäter des Werkes [also dem Voja«
mfina] die Frucht verheifse, so ändert dieses hit^rin nichts; näm-
lich [was die Werke und nicht die Erkenntnis betrifft]; so steht
hier der Opferpriester im Dienste eines andern, daher ihm, ab-
gesehen von Fällen, wo es ausdrücklich gesagt wird, die Fiucht
der Werke nicht zukommen kann.
46. gndeg ca
anch wegen der Schrift
Wenn es heiftt: »Jeden Segonawnnflch, den die Priester beim
„Opfer erwflnselvetii den erwünsehen rie ftr den Opferherra; eo
„sprach er" (Qatap. hr. 1, 3^ 1, 26), und: „dÄnun soll der Udg&ter,
„der Solebes weifs, sagen : welchen Wunsch soll ich dir ersingen?'
(GhAnd. J) 7, 8) -- so liegt hierin, dafs die Erkenntnis, deren
Fracht hier dem Opferherm zn gute kommen soll, ein Werk des
1034 Opferpriesters ist, | Somit ist bewiesen, dals die ids Teil der Werke
vorkommenden Verehrungen ein dem Opferpriester angehöriges
Werk sind.
VierzelinUs Adhikarainam.
47. sakakAii'üntai'a-vidhih pak^hena, triti^m tad-vat^;
vidhi-ddivat
für das Mitbehülfliche gilt die andere Vorschrift be-
dingungsweise, als drittes für den dies Besiteendeii ;
wie bei den Vorschriften nx. s. w.
Es heifst im Brihad&ra^yakam [von dem Samnyisin]: „daciun,
„nachdem der Brahmane von sidh abgethan die Gelahrtheit^ so
„verharre er in Kindlichkeit; nachdem er abgethan die Kindlidi-
„keit und die Gelahrtheit, dann wird er ein Schweiger (Muni):
„nachdem er abgethan das Schwieigen und das Nichtschweigen,
„dann wird er ein Brähmana" (Brih. 8,, 5, 1). Es fragt sich, ob
hier ein Gebot des Schweigens vorliegt oder nicht? — Angenommen
also, 'das Schweigen werde nicht geboten. Was nämlich die Vor*
'schrift betrifft, so beschränkt sie sich nur auf die Worte: „er ver-
1035 '„barre in Kindheit". | Weiter hingegen in deu Worten: ,,dattB
^,wird er ein Muui^^, iindet sich keine imperative Yerbalforzn; daher
^man dieselben als einen Anuv&da (nochmalige Besprechung einee
«schon Dagewesenen) anzusehen hat. Wie wir auf diese Unter-
'scheidung kommen, fragt ihr? nun dadurcb, dafs die Worte j^Mimi''
hind „Gelehrter" beide auf ein Erk^inen {welches, nicht brfohlen
^werden kann] abzwecken. Damm kommt man doreh blofaes Ab-
*thnn der Gelehrtheit zum Schweigen. Auch heifiit es ja weiter:
'„nachdem er abgethan das Schweigen und das Hiehtschweigen,
*„dann wird er ein BrlLbmai^"; was zun&oht dieae .}¥orie betrifil,
SAtram III. xv.. 47. 675
*8o steht fest, dafs es nicht Oegenstand einer YorschTift sein kann,
'ein Brfthmana sa werden, weil man es schon vorher war; darum
'heifst es in Form einer Yerherrlichong: „dann wird er ein Br&h-
'ma^a/* Ehenso aber mnfs es stehen mit den Worten: „dann wird
'„er ein Muni", weil sie ganz in derselben Weise ausgedrückt sind.*
— Auf diese Annähme erwidern wir: „för das Uitbehülfliche gilt
„die andere Torsehrift''; d. h. bei dem zum Wissen mitbehiilflichen
Schweigen mofs man ebenso gut wie bei der Kindheit und der 6e-
lahrtheit eine Yorschrifb anerkennen, weil eine solche vorher nicht
da war. — | 'Aber war sie nicht vielmehr doch schon da, weil, 1036
'wie wir .^zeigten, in dem Worte Gelahrheit dais Schweigen schon
'einbegriffen ist?* — Dem ist nicht so, denn das Wort Muni be-
deutet einen höheren Ghrad der Erkenntnis, wie dies sowohl die
Etymologie des Wortes Muni von man (denken) beweist, als auch
der Oebrauch lehrt, wenn es z. B. heifst: „unter den Muni^s bin
„ich Vyftsa" (Bhag. G. 10, 37). — 'Aber das Wort Muni bedeutet
'doch auoh das [j^uize] vierte Lebensstadium [und nicht blols eine
'Stufe innerhalb desselben], indem es s. B. heifst: „Hausvaterschaft,
'„des Lehrers Aaus, das Schweigen und die Waldbewohnung" (Apa-
'stamba, dharmas. S, 9, 21, 1).* — Hier pafst das nicht; denn [dafs
das Wort nicht notwendig diese Bedeutung hat] dafür liegt ein
Gegenbeweis in den Worten: „V&lmlki, der trefflichste der Muni^s"
(Eäm&y. 1, 1, 1); an der angeführten Stelle hingegen hat es diese
Bedeutung nur, weil die andern Lebensstadien danebenstehen;
daher man dort freilich das letzte Lebensstadium verstehen mufs,
weil nur dieses noch übrig bleibt, und weil im letzten Lebens-
stadium die Erkenntnis die Hauptsache bildet. An unserer Stelle
hingegen ist es so zu nehmen, dafs [innerhalb des vierten Lebens*^
Stadiums, von dem allein die Rede ist] im Vergleiche mit der Kind-
heit und der Gelidurtheit „als drittes'' jenes Schweigen als eine
höhere Stufe der Erkenntnis befohlen wird. Allerdings liegt ein
offenbarer Befehl nur bei der Kindlichkeit vor, aber gleichwohl
mufs man auch bei dem Muni -sein, weil dies noch nicht da war,
einen Befehl anerkennen, gleich als wenn es hiefse: „er soll ein
„Muni werden." Und auch daraus, dafs das Schweigen als ein
abzuthuendes behandelt wird, ergiebt sich, dafs man bei demselben
ebenso gut wie bei der Kindlichkeit und der Gelahrtheit einen Be*
fehl annehmen mufs; und zwar „&r den dies Besitzendon", d. h.
für den das Wissen besitzenden Sainny&sin. — | 'Aber woran er- io37
'sieht man, dafs hier von dem das Wissen besitzenden Saqxnyäsin
'die Rede ist?' — Weil dieser schon vorher vorkam, wo es hiefs,
dafs diejenigen, welche den Atman erkannt haben, von dem Wunsche
nach Söhnen u. s. w. abstehen und als Bettler umherwandem (Bf ib. 3,
5, 1). "^ 'Aber wenn der hier in Rede Stehende schon das Wissen
'besitzt, so ist doch jene höhere Stufe des Wissens bereits ver-
' wirklicht, wozu also noch die Vorschrift des Schweigens?' — Der
48 •
676 gtLriraka-mlm&nsik
Lehrer antwortet: „bedingongsweise'*; d. h. unter der Bedingung
and insofern als durch das Überwiegen der vielheitlichen Welt-
anschauung das Wissen noch nicht Terwirklicht ist, insofern gilt
jene Yorschrift; „wie bei den Yorschriften u. s. w/*, d. h. ebenso wie
bei Yorschriften wie: „wer nach dem Himmel begehrt, mulB das
„Neu- und YoUmondsopfer bringen*', das Feueransünden u. b.w.,
weil es als ein einzelnes Glied dazu mitbehftlflich ist, befohlen
wird, ebenso wird bei der vorliegenden Stelle, obwohl sie ^inen
Gegenstand betrifft, auf welchen [eigentlich] die Yorschrift keine
Anwendung findet, sofern es sich dabei um das Wissen handelt,
doch [nebenher] eine Yorschrift des Schweigens gegeben.
'Wenn nun aber solcher Weise das durch Kindlichkeit u. s. w.
'charakterisierte Lebensst-adium des Erlöstseins in der Schrift wirk-
1038 >lioh vorkommt, warum werden dann | im Gh&ndogyam alle Lebeos*
'Stadien in dem des Hausvaters befafst, da wo es heifst: „zurück«
'„gekehrt soll er in der Familie" (Oh&nd. 8, 15, 1). Durch die
'Befassung in ihm legt doch die Schrift auf dieses das Hauptgewicht!'
— Hierauf antwortet der Lehrer:
48. krUsna-bhävät tu grihind upasamhdrah
weil er alles ist jedoch^ geschieht die Be£a88ui2g durch
den Hausvater.
Das Wort „jedoch" dient zur Hervorhebung; n&mlich hervor-
gehoben wird, dafs er [der Hansvater] alle [Lebensstadien] in sich
befafst; denn viele muhevolle Werke der Lebensstadieu, wie Opfern
u. s. w., werden diesem zwr JBetreibung angewiesen, und auch die
Werke der übrigen Lebensstadien, 2. B. Schonung der lebenden
Wesen, Bezähmung der Sinne u. s. w., kommen unter Umständen
auch bei ihm vor; darum kann die Befassung [aller l^iebcnsstadien]
durch den Hausvater ohne Widerspruch geschehen.
49. mauna-vüd ÜaresMm api upade^M
weil wie das Schweigen auch die nbrigeu aufgewiesen
werden.
So wie da» Schweigen und die Pfaus Vaterschaft als zwei f^Lens*
Stadien in der Schrift erwähnt werden, ebenso gilt dies von den
beiden ül)rigen, der Waldbewohnung und der Lehrliifgschaft. Denn
wir wiesen schon oben auf die Schriftstelle hin: „ßufse ist die
., zweite, daiä lasn als BrahmaoenHchülor im Hause eines Lehrers
Satram III. vr. 49. 677
„wohnt, die dritte'* u. s. w. (CLand. 2, 23, 2). | Weil somit alle vier 1039
Lebensstadien ohne Ausnahme in der Schrift nachweisbar sind, des-
wegen hat man sie gleicherweise, bald das eine oder andere, bald
alle zusammen [in den Schriftvirorten] anzuerkennen. Der Plural:
„auch die übrigen", wo doch nur von zwei weiteren Lebensstadien
die Rede ist, mufs entweder von der Verschiedenheit der Lebens-
weise innexhalb der einzelnen Lebensstadien oder von der Ver-
schiedenheit der Verrichtungen verstanden werden.
Fünfzehntes Adhikaranam,
50. unävishkurvan y anvayat
der es nicht nach aufsen zeigt, "wegen des Zusammen-
hanges.
In der Stelle: „darum soll der Brahmane abthun die Gelahrt^
„heit und verharren in Kindlichkeit" (Bph. 3, 5, 1), wird die An-
nahme eines kindlichen Wesens anbefohlen. Das Taddbita-Compo-
situm jJKindliehkeit" kann hierbei entweder das Sein eines Kindes
oder das Werk desselben bedeuten. Das Sein eines E[indes nun,
als ein bestimmtes Lebensalter, lälst sich durch Absicht nicht ver-
wirklichen. Somit fragt sich nur, ob die Kindlichkeit darin be-
steht, dafs man die Lebensweise eines Kindes, sofern dasselbe z. B.
überall, wie es kommt, seine natürlichen Bedürfnisse verrichtet,
annimmt, | oder aber ob die Kindlichkeit in der Reinheit des 1040
Wesens besteht, derzufolge man von Arglist und Hochmut und
von dem heftigen Dr^g der Sinnlichkeit frei ist. — Angenommen
also, 'da doch das Wort Kindlichkeit gebrauchlicher in dem Sinne
'ist, dafs einer die Gewohnheit hat, zu reden und zu essen wie es
4hm gerade gefallt, und seine natürlichen Bedürfhisse zu verrichten,
'wie es gerade kommt, dafs es richtiger sei, hier unter Kindlich-
*keit dieses zu verstehen.* — Aber ist nicht ein solches Benehmen,
wie es einem beliebt, deswegen unzulässig, weil dabei die Sünde
eines Fehltrittes vorkommen kann? — 'Doch nicht! denn der
'Samny&sin, welcher das Wissen besitzt, ist zufolge ausdrücklicher
'Versicherung der Schrift frei von der Sündlichkeit, ähnlich wie
'[es der Hausvater beim Opfern] in Bezug auf das Töten der
'Tiere ist/ — Auf diese Annahme ist zu erwidern, dafn dem nicht
so ist, weil das Schrifkwort eine andere Auflegung gestattet. Denn
wo ohne Widerspruch etwas anderes als bezeichnet durch das Wort
„Kindlichkeit" angenommen werden kann, da ist eine gegen sonstige
678 C&rlrakaHBte&Ati
- Torsdiriftaii verstoisencle AmuJuaie nicht «m PUtse. Was nan hier
befohlen wird, da« ist ein Mittel toi Beförderung des HauptEweok««;
als Hauptzweck aber besteht dabei die den Asketen obliegende Be-
treibung der EAenntnis. Nimnit man nun hier die ganze Lebens-
l<Mcl weise des Kindes als das Befohlene an, | so ist su bemerken, dafii
durch diese das Betreiben der Erkenntnis nidit gefördert wird. Es
muTs somit hier ein anderes Merkmal des Kindes, nimliefa die Noch-
nichterstarkung der sinnlichen Triebe n. s» w« sein, was unter Kind-
lichkeit verstanden wird. In diesem Sinne sagt der Lehrer: „der
„es nicht nach aufsen zeigt**; d. h. man soll mit der Erkenntnis,
dem Yedastndium, der Gesetzmäßigkeit u, s. w« nicht nach aufsen
hin prunken, soll von Arglist, Hodunut u. s. w. frei sein, so wie
ein Kind, dessen Sinnentriebe noch nicht erstarkt sind, und das
daher auch noch nicht beflissen ist, sieh selbst vor andern zu zei-
gen. Wenn man das Wort so verstdit, so gewinnt man einen „Zn-
„sammenhang'' des Sinnes, welcher den Hauptzweck fördert. Und
in diesem Sinne sagen auch die Urheber der Smfiti:
„Den niemand kennt als ho«:h- noch tief-geboren,
,^Niemand als hochgelahrt noch ungelahrt,.
^,Niemand als bdsen Wandels, guten Wandels,
,4>er ist ein Brtlhiiiana Yon rechter Art!
„Terborgner PflichterfikOmig ganz ergeben
^ Uabekadntheit bring' er zu sein Leben;
„Als w&r* er blind, und taub und ohne Sinn,
„So ziehe dmrch die Welt der Welse hin«";
und auch: „verhüllt sei sein Charakter, und verhüllt sein Wan-
„del'* u. B. w.
Sftfcsm nr. IT. 5i- 679
mfiäcam a^, a-praskäa-]^rutibandhe, tad-darganät
schon hiemedoED^ vrasoa keiiie B^mderung des Vor*
erwälmteii^ vneSi die» ersiditlich.
Yon den Worton: iJBtaA dodk BerttcksidiigiiBg aller, wegen des
„Schi-ifluructw mm Of&ra «. ak v/^ (SCtiravt 3^ 4, 26) an, wurden die
mancfaerlet BGfcM dea Wiattna erörtert: We»i niin als die Fracht
derselbea Ums Wiaae» mek Terwirklxcht^ wird es dann immw adion
hienieden in üeMom Lebe» ▼erwirkli^ir oder zuweilen auch erst
in einena jeascitigiBn? daa iifc die Frage« — Jlngenommen also,« 'es
* werde steEs scfao» biensedeK Terwxikiirid^ wanoi? weil das Wisaw
^anf das iüshores des Sehriflwortea n. a. w» Mn erfolgt, niemand
*aber in der Absiebt^ da& ünn das Wiveiit erat im Jenseits an teil
* werde, sieh mit dem Anbacen der Sehsifl: n. b. w. befalst; rielmefar
*befa£Bt man sicii damit efimbar in der Ahcidkt, da& das Wissen
'sohön im gegenwift^an Ijs^mib entstehen stA. Und auch die
'Opfer n. s. w. erzaBgen das Wissen apr ärnnk Yermittelung des
' Anhörena der Sduift, wreS das Wissöa mar so» eiBiem Erkenntnis-
'gründe hervorgehen | kann, ßossit erie%l die Entstehung des 1043
'Wissens immer sdioa hieateden,^ -~* Anf £eaa Annähme erwidern
wir: hiemeden erfolgt daa Wissen nnr daam acfafin,. wenn „keine
„Behindenuig des Vorerwähnten'^ beal^. i)aa haifiity wenn bei den
im Fortgänge befindlichen Mittdn zoon WisBen keine Behinderung
durch ein anderes zBrUetfe g^dangtes Weik eintritt» dann erfolgt
das Wisaen sehon hienieden; ^ritt aber eine aolehn Behinderung
eiu, so erfolgt ea eni im Jenseits^ Ob unn aber am oelches Werk .
zur Reife gelangt, daa hingt ab Ton dem antreffen dar räumlichen,
zeitliehea und kao8aIe& Bedii^gn^fen. NimKcli ds^jesjgen räum^
liehen, seitüdien und kansakn Bedingungen« walehn fitar das eine
Werk die Heranreifung reraniassen^ fanrndben aie daram nicht auch
für ein anderea au ▼anmlaaaen» weil die Werke andi acdcha Früchte
haben können, die aich g^ensettig ansadiltefaen (▼gL p. 757, S. 4S6).
und auch der Schriftkanon ist swar dafos*^ entscheidend, welches
Werk eine bestimmte Fracht bringt, aber er etdfiMt iddkt andi
zugleich ihre speeiellen Bedixigungtti des Banmea» der Zeit und der
Kausalität. Nämli<di aaf der yerschiedenartigen Kraft der ICttd
beruht ea, | dafis die metaphysische Kraft dea einen Werkea xur 1044
Ofanbarung kommt, während eben dadurch die dea andern gdiemmt
bleibi Von einer „Absicht*^ aber (rgL p. 1042, 6) kann, wo ea
680 CMrakA-mtmiasi
gich um das Wissen bandelt, in keinem f*alle die Rede aein> da
eine Absicht, ein Wissen solle in mir nicht sich bilden, solle mir
hier oder im Jenseits 2U teil werden, ohne Halt ist. Und auch
das Anhören des Schriftwortes bediiigt das Wissen nur insofern,
als es die obwaltenden Hemmnngen beseitigt; wie schwer aber
der Atman zu erkannen ist, das sagt die Schrift selbst in den
Worten (K&th. 2, 7):
„Den auch za hören vielen nicht beschieden,
„Und viele, die ihn hAren, nicht erkennen,
„Ein Wunder, wer ihn lehrt als kundiger £rlanger,
„Ein Wunder, wer ihn lernt, belehrt von dem der kundig.'^
Und wenn die Schrift lehrt, wie Y&madeva schon im Mutterleibe
1045 sich selbst als Brahman erkannte (Bph. 1, 4, 10), | so beweist sie
damit, dafs anch durch Mittel, die in einem vorherigen Leben zu-
sammengebracht waren, in einem nachfolgenden Leben das Wissen
entstehen kann. Denn von einem noch im Mutt-erleibe Befindlichen
kanh von einem schon in diesem Leben vollbrachten Mittet keine
Rede sein. Und auch die Smpti l&fst den Arjuna fragen: „was
„wird aus dem, der die Vollendung nicht erreicht?** worauf der
heilige Yasudeva antwortet : „wer Qutes wirkt, dem kann es
„schlecht nicht gehen'*, und nachdem er sodann dargelegt, wie ein
äolcher die Welt der guten Werke erlangt, und darauf die Nea-
guburt in einer guten Familie, so heilst es weiter: „dann wird das
., Wissen ihm zu teil, das er verdient durch frühere LeiblichkeiVS
und zum Schlüsse: „durch mancherlei Gebnrt geläutert, gebt end-
„lich er den höchsten Gang*^ (Bhag. 6. 6, 37 — 45). Somit steht
es fest, dafs, je nachdem die Hindernisse beseitigt werdeji, die £nt-
stehung des Wissens schon hienieden oder erst in einem jenseitigen
Dasein erfolgt. '
Siebzehntes Adhikaranam,
53. evam rnukti-phala-amyamasj tad-avasÜiA^vadhrUeSy
tad - avtisthä - avadhrUeh
in dieser Weise ist die Frucht der ErlÖHUug nicht durch
Regeln bestimmbar, nach dem was über diesen Zustand
vensichert wird, über diesen Zustand versichert wird.
Was also den nach Erlösung Trachtenden betrifft, der auf dat»
y/issen als Mittel zu derselben baut, so ergiebt sich, dafs wegen
S&tram III. r?. 52. 681
der verachiedeuartigeii Kraft der Mittel auch inbetreff des Wissens
«Itt ihrer Fracht eine bestimmte Regel der Verschiedenheit besteht,
wonach dasselbe schon hier oder erst in einem andern lieben als
Fracht eintritt. Nun könnte man denken, dafs auch in Besag auf
die Erlösung als Frucht eine bestimmte Regel der Verschiedenheit
inbetreff eines höheren oder geringeren Grades möglich sei. | Hier* 104C
gegen bemerkt der Lehrer: „in dieser Weise ist die Frucht der
„Erlösung nicht durch Regeln bestimmbar"; d. h., man darf nicht
glauben, dafs auch in Bezug* auf die Frucht der Erlösung irgend
ein derartiger nach Regeln bestimmbarer Unterschied des Grades
stattfindet. Warum? „nach dem was Über diesen Zustand Tersichert
„wird", indem in allen Ved&ntatexten versichert wird, dafs der Zu-
stand der Erlösung ein einartiger sei. Nämlich der Zustand der
Erlösung ist das Brahman selbst; das Brahman aber kann nicht als
mit vielerlei Formen verbunden gedacht werden, weil dasselbe nur
ein einheitliches Merkmal besitzt (S. 620 fg.)i ^'^^ die Schrift ver-
sichert: „es ist nicht grob und nicht fein" (Brih. 3, 8, 8); — „er
„aber, der Ätman ist nicht so und ist nicht so" (Brih. 3, .9, 26); —
„wenn einer nichts anderes sieht" (Chand. 7, 24, 1) ; — „das Brah-
„mair ist jenes Unsterbliche im Osten" (Mun^. 2, 2, 11); •^— „dieses.
„Weltall ist, was diese Seele ist" (Brih. 2, 4, 6); — „fürwahr dieses
„grofse ungebome Selbst ist nicht alternd, nicht -welkend, uiistcrb-
„lich, ohne Furcht, ist das Brahman" (Brih. 4, 4, 25); — „wo aber
„einem alles zum eigenen Selbste geworden ist, wie sollte er da
„irgend wen sehen" (Brih. 4, 5, 15) u. s. w. — | Nämlich was die 1047
Mittel des Wissens betrifft, so sind dieselben an Kraft verschieden
und können daher auch an dem Wissen als ihrer Frucht einen ge-
wissen Gradunterschied bedingen ; nicht aber steht 4)s so mit der
Erlösung als der Frucht des Wissens; diese nämlich läfst sich über-
haupt nicht durch Mittel bewirken, weil sie ihrer Natur nach schon
ewig verwirklicht ist und durch das Wissen nur erkannt zu werden
braucht, wie wir dies wiederholt auseinandergesetzt haben. Bei
der Erlösung also ist kein Gradunterschied des Höheren oder Nie-
deren möglich, weil eine niedere Erlösung kein Gegenstand des
Wissens ist, denn das Wissen ist an sich selbst schon hoch. In-
betreff des Wissens also mag ein solcher Gradunterschied, sofeni
0.9 früher oder später eintritt, bestehen, inbetreff der Erlösung hin-
gegen ist ein Unterschied des Grades nicht möglich. Und auch
darum, weil das Wissen seiner Natur noch ein einheitliches ist, ist
in Bezug auf seine Frucht keine durch Regeln bestimmbare Ver-
schiedenheit möglich, wie sie es bei der Frucht der Werke ist.
Denn bei dem Wissen als Mittel der Erlösung besteht nicht wie
bei den Werken eine Verschiedenheit. Was allerdings die attribut-
haften Jjehren betrifft, wie z. B. . „Mauas ist bcin Stoff, Leben sein
„Leib" (Chänd. 3, 14, 2), so ist hier zufolge des Mehr oder Minder
von Attributen jpine Verschiedenheit möglich, und daher auch eine
6^2 gftHrak&-mlm&ö84
entsprechende Versehiedesibeit der Fmdii fthnHcli wie bei dir Fruelii
der Werke denkbar; und dalür zeogi such die SofariflstcIIs: ^aeb
„dem Mafse wie man ikn verehrt, daiiaeh gehet es/^ AmäerB aber
1048 steht es in der attribotlcMKS | Wissensdiaft, weil hier kciae Attri-
bute [die binzukommeo oder abgehen könnten] varhuiiiea aiiuf.
Und 80 sagt auch die Smnti (Mahabh. 12, 7125):
f^ier ist ein höherer Weg f&r keinen möglich,
„Denn üngleichheil gilt nnr^ .w» Attribate/*
„Was über diesen Zustand versichert wird, was über dioseir Zustaad
' ,f versichert wird", — diese Wiederiidbing der Worte 2mgi den Ab*
Schlafs des Adhyiya an.
So lautet in dem Kommimtare sor «rlattehle» i^traka - mSmdhsä , dan Werk« det
•rhabeneD FOA« des trlaaohieii ^i^ftara, im dfitliv Adk^aym d«r vMrte f44a.
Ende des dritten Adhjiya*
\
t
VIERTER ÄDHYAYA.
Des Tieften Adhy&ya
ERSTER PADA.
Om t Vcrebning dtm höv hsteu Ätman !
Erstes Adkikaranam.
i. ävrittirj asakrid upadefät 1049
Wiederholung, wegen der Anweisung , dafs mehrmals.
Der dritte Adhy&ya beschäftigte sich vornehmlich damit, in Be-
zog auf die höhere Wissenschaft und auf die niederen die Mittel
iu Betracht su ziehen, während nunmehr, im vierten Adhyäya, eine
Betrachtung folgt, welche es mit der Frucht zu thun hat, wobei
gelegentlich noch aufserdem dies und das zu überdenken sein wird.
Zunächst nun handelt es sich darum, einige Adhikarana^s hindurch
noch gewissen besonderen, auf die Mittel bezüglichen Erwägungen
nachzugehen.
Es helfst: „den Ätman fürwahr soll man sehen, soll man hören,
„>;oli man verstehen, soll man überdenken" (Bph. 2, 4, 5); — „dem
„trachtet nach die Weisheit zu erringen" (Brih. 4, 4, 21); — „den
„soll mau erforschen, den »oll man suchen zu erkennen" (Chand. i"^,
7, 1). Bei Schi'ift stellen dieser Art erhebt sich die Frage, ob es
sich dabei um ein einmaliges Voi'stellen handelt oder um ein j
wiederholentlichos ? — Angenommen also, *es handele sieh, ähnlich lOoo
*wie bei den Werken de« Voropfers u. s. w., um ein einmaliges
'Vorstellen, weil schon durch ein solche^i der von fler Schrift go-
'wollte Zweck erreicht wird, somit derjenige, welcher die von der
'Schrift nicht vorgesclirl.'beno Witderholnug Hii.st»Ute, einen von der
686 QirlrakA-nlin&äsft
i
'Sehrift nicht gewollten Zweck Teifolgen würde«* — Aber worden 1
nicht Stellen angef&hrt» welche dasu anweisen, daCs die Yorstellung
mehrmalB herrorsabringen ist, wie.s. B. „man soll ihn hören, soll
„ihn verstehen, soll ihn überdenken*^ (Brih. 2, 4, 5)? — 'Auch in
'diesem Falle würde die Wiederholung doch höehstens nur in dem
'Mafse, wie die Schrift es andeutet, nicht aber darüber hinaun an-
zustellen sein ; es würde also nur einmal das Hören, einmal das
• 'Verstehen und einmal das Überdenken Tonsunefamen sein. £b geht
'aber vielmehr aus den nur einmal erfolgenden Anweisungen, wie
'wenn es heifst „er weifs" oder „er möge yerehren", hervor, d&&
'eine Wiederholung überhaupt nicht erforderlich ist/ — Auf diese
.Annahme erwidern wir, dafs die Vorstellung allerdings wieder-
holentlioh anzustellen ist; warum? „wegen der Anweisung, daA
„mehrmals"; nämlich eine Anweisung wie: „man soll ihn hören,
„soll ihn verstehen, soll ihn überdenken" (Brih. 2> 4,' 6), weist aller-
dings darauf hin, dafs die Vorstellung zu wiederholten Malen an-
zustellen ist; und wenn behauptet wurde, dafs man dieselbe nur
1051 so oft wie es die Schrift angebe | lihd nicht öfter anstellen dürfe,
so ist das nicht richtig, weil diese Vorstellungen als Endmel das
Schauen haben; nur dann, wenn die Vorstellungen des Hörens u. s. w.
so oft wiederholt werden, bis als ihr Endziel das Schauen eintritf,
haben sie ihren Zweck erreicht, ähnlich wie z. B. das Dreschen
erst damit sein Endziel erreicht, dafs alle Reiskörner heraus sind.
Auch wird Ja durdi die Ausdrücke „Verehren" und „Überdenken"
eine Thätigkeit bezeichnet, welche als einwohnende Eigenschaft die
Wiederholung hat. In ähnlicher Weise sagt man auch im Leben
nur von einem solchen, dafs er den Lehrer „verehre" oder den
König „verehre", welcher dem Lehrar u. s. w. in dauernder Hin-
gebung anhängt; und ebenso sagt man, wenn der Eheherr ^es
Weibes in der Feme weilt, nur dana von ihr, sie „überdenke"
den Qatten, wenn sie ohne Unterlafs mit Sehntticht sich an ihn er-
innert. Dabei aeigt der im Vedänta vorkommende Oebranefa der
Worte „Wissen" und „Verehren", dafs dieselben in Wechselwirkung
stehen. Zuweilen macht das Wissen den Anfang und das Yerdiren
den Schlufs, z. B. wenn es an der Stelle: „und wer weils wne der
„weifs, von dem gilt das auch" (Ch&ndi: 4» 1» 4) nachher heifs^:
„belehre mich, o Ehrwürdiger, über die Gottheit, welche du ver-
„ehrst" (Ch&nd. 4, 2, 2). Zuweilen hingegen macht die T^ehrung
den Anfang, und das Wissen den Schlufs, z. B. wenn es an der
Stelle ,,da8 Brahman soll man verehren als das Manas" (Cfaand. 3,
1052 18, 1) weiter heifst: „der leuchtet und wärmt IdurehEhre, Knlini
„und Brahmanen würde, wer solches weifs." Hieraus folgt, dafs
auch da, wo nur ein einmaliges Vorstelleii erwähnt wird, doch ein
wiederholentliches zu verstehen ist, während eine mehrmalige Er-
wfthnung, wo sie vorkommt, eben die^e Wiederiiolung andeatet.
Sfttnaa IV. i. 2. 687
und wegen der Andeutusg.
Auch eine Aadeutnng giebt ssu verstehen, dafs man die Yor-
sieUangen zu wiederholen hat j^ämlicli bei Gelegenheit der Yer-
harrlichiuig. der Erkenntnis clee üdgitha wird saerst, wo ee hei/st:
„der Udgftha ist die Sonne'' (CMnd. 1» 5, 1) dieses dnreh £r^
wfthnnng des darans folgenden Mangels, nnr einen Sohn au be-
sitaen, verworfen, und indem dann weiter als ein ICttel, viele
Söhne au erlangen, die Erkenntnis der Vielheit der Strahlen em*
pfohXen wird mit den Worten: „du aber lasse kreisen seine Strahlen*^
(Chftnd. 1, 5*, 2), so wird damit wie auf etwas Bduuintes auf das
Wiederholen der Vorstellungen hingewiesen. Hieraus folgt, da es
hei allen übrigen Vorstellungen ebenso steht, dafs dieselben au
wiederholen sind.
Hier nun bemerkt der Gegner: 'augi^eben, dafs eine solche
'Wiederholung bei Vorstellungen, deren Frucht auf Mitteln bombt,
'möglich sei, sofern bei ihnen ein von jenen .Wiederholungen ab-
'hängiger Unterschied des Gradeu denkbar ist, so steht es doch
'anders mit der auf das höchste Br<afaman bezüglichen Vorstellung,
'welche das höchste Brahm&n übermittelt als das seiner Natur
'nach ewige, reine, weise und erlöste ii^elbst; and es ist nicht ein-
'zusehen, was bei diesem die Wiederholung bezwecken soll. Meint
'ihr vielleicht, dafs die Wiederholung anzunehmen sei, sofern die
'nur einmal gehörte Wahriieit von dem Brahman als dem Selbste
'nicht verstanden werden könne, so bestreiten wir das, | weil sie 1053
'dann auch durch die Wiederholung nicht verständlich werden
'würde. Denn wenn ein Wort wie „das bist do" (Chand. 6, 8, 7)
'bei einmaligem Hören die Erkenntnis, dafs die Seele das Brahman
'sei, nicht hervorbrächte, so wäre nicht abzusehen, wie es die-
'selbe bei ofbnaligem Wiederholen hervorbringen sollte. Man
'könnte einwenden, dafs die Schriftaussage (vakyam) an sich über-
'haupt nicht im Stande sei, irgend einen Sinn zu offenbaren, dafs
^es daher vielmehr die Schriftaussage, sofern sie von einer (er-
'l&utemden) Argumentation (yuhti) begleitet werde, sei, welche das
'Brahmansein des Selbstes zom Bewnfstsein bringe. Aber auch
'dann würde eine Wiederholung zwecklos sein. Nämlich auch jene
'Argomentation wird, auch wenn sie nur einmal angestellt worden,
'schon ihren O^enstand zum Bewnfstsein bringen.' — Aber, so
könnte man sagen, durch die Argumentation mitsamt der Schrift-
aussage wird doch nur eine allgemeine (abstrakte), nicht spe-
ei eile (intuitive) Erkenntnis bewirkt. Z. B. wenn jemand inner«
lieh Leibschmerz hat, so wird dadurch, dafs er es aussagt, sowie
aus dem Krümmen der Glieder und andern Anzeichen über das
Vorhandensein des Leil)schmerzes bei andern nur eine allgemeine
688 C^rirakti-mlm&DSä
(abstrakte), nicht eine apecielle (intuitiye, konkrete) Innewerduog
hervorgebracht werden. Ähnlich wie mit dieser auf den Leibsciimerz
bezüglichen speciellen (konkreten) Empfindung könnte es nun ja
auch mit der das Nichtwissen aufhebenden, auf die betreffende
Sache bezüglichen Wiederholung stehen. — 'Aber dem ist nicht
^Bo; denn auch wenn sie. wiederholentlich vorgenommen wird, kann
^eine solche blofs änfserliche Erkenntnis niemals jene specielle
'(konkrete) Innewerdung erzeugen; und wenn jene Speciaierkennt-
*ttis durch einmalige Benutzung von Sohriitwprt und Argumentation
'nidit erreicht wird, so läfst sie sich auch nicht durch hundertfache
'Benutzung derselben erreichen. Mag dalier durch die Benutzung
'von Schriftwort, und Argumentation eine specielle oder eine blofs
'allgemeine Erkenntnis bewirkt werden, in beiden Fällen werden |
1054 'schon bei einmaliger Benutzung diese ihre Wirkung thun, und zu
'einer Wiederholung derselben ist keine Veranlassung. Endlich darf
'man doch auch nicht behaupten, dafs der einmalige Gebrauch von
'Scliriftwort und Argumentation bei allen und jeden die Innewerdung
'nicht hervorbringen könne, da ja doch die nach dieser Erkenntnin
'Strebenden an geistiger Begabung verschieden sind. Hierzu kommt,
'dai's bei einem weltlichen Gegenstande, welcher verschiedenartige
'Teile besitzt, und allgemeine und specielle Bestimmungen an sich
'trftgt, man sich durch die einmalige Befassung damit des einen
'Teiles und durch eine zweite Befassung eines andern Teiles ver-
'sichern kann, so dafs hier allerdings, z. B. wenn es sich um die.
'Auffassung eines langen Kapitels handelt, die Wiederholung von
^Nutzen sein mag; hingegen bei dem aller speciellen Bestimmungen
'ermangelnden Brahman, welches anderseits auch frei ist von Be^
'Stimmungen, die ihm mit andern gemeinsam wären, und seinem
'Wesen nach aus reiner Geistigkeit besteht, ist zur Erzeugung des
'richtigen Begriffes von ihm eine Berücksichtigung der Wiederholung
'nicht statthaft.'
Hierauf ist zu erwidern: wir geben zu, dafs die Wiederholung
zwecklos ist für einen jeden, der auf einmalige Mitteilung der
Worte: „das bist du", hin im Stande ist, seines Brahmanseins inni^
zu werden ; wer aber hierzu nicht im Staude ist, bei dem ist aller-
dings die Wiederholung am Platze* In diesem Sinne heifsi es im
Chändogyam auch nach den Worten: ,,das bist du, o ^yetaketn",
noch : „lehre mich weiter, o Ehrwürdiger" (Chand. 6, 8, 7 fg.), und
durch diese Bitte wird der Lehrer inniger wieder und wieder dazn
angeregt, bald diesen, bald jenen Zwei fei sgrund zu beseitigen und
so die Belehrung „das bist du" zu wioderho!tcn Makn zu geben.
In demselben Sinne verwiesen wir schon auf die Worte: „man sol)
„ihn hören^ Roil ihn vonstohen, soll ihn überdenken" (Brih. 2^ 4» 5).
— 'Aber wir »agteu doch, dufs, wenn das Wort „diu bi.st dn"
'beim einmalige u Anhören Beinen Inlialt nicht zum Bewur;»tsein
'bringen kr>nue, auch durch die Wiederhotang dieses nicht mdglif:fa
SAtram iV. i. 2. QgQ
^seln werdet* — | Dieser Einwand ist nicht stichhaltig; wenigstens 1055
erfahmngnnäfsig ist diese JJnmöglichkeit nicht; denn die Erfa^ning
lehre, wie man einen Satzinhalt, der bei einmaligem Hören des
Satzes nur schwer begriffen wird, durch öfteres Wiederholen, indem
man dabei dieses und jenes Mifs^erständnis hebt, vollständig über*
mittein kann. Hierzu kommt weiter, dafs in dem Satze. „DAS BIST
„Du", der Gegenstand des Wortes „DU" für identisch erklärt wird
mit dem Gegenstande des Wortes „DAS". Dabei wird unter dem
Wort „DAS" jenes Seiende, von welchem vorher (Ch&nd. 6, 2, fg.) die
Rede war, nämlich das mit bewufster Absicht die Entstehung n. s. w.
der Welt verursachende Brahman verstanden, wie dasselbe bekannt,
ist aus Schriftworten wie : „Wahrheit, Erkenntnis, unendlich ist das
„Brahman" (Taitt. 2, 1); — „die Erkenntnis, die Wonne, das Brah-
„man " (Brih. 3, 9, 28) ; — „es ist sehend , nicht gesehen, . . » er-
„kennend nicht erkannt" (Brih. 3, 8, 11); — „das Ungeborene"
(Bfund. 2, 1, 2); — „nicht alternd, nicht welkend" (Brih. 3, 8, 8
M.; vgl. Brih. 4, 4, 25); — „nicht grob und nicht fein, nicht kurz
„und nicht lang" (Brih, 3, 8, 8) Hierbei worden durch Scbriftworte
wie „iinge^oren" die Umwandlungen des Wesens durch Geburt u. s. w.
«usgeschlossen^ und durch Worte wie „nicht grob" die Qualitäten
der Substanzen, wie Grobheit u. s. w., endlich durch Worte wie
„Erkenntnis" wird ausgesprochen, dafs daa Brahman von der Art
ist, dafs es sein Wesen in der Geistigkeit offenbart. In dieser .
Weise wird jenes „Brahman" genannte Wesen, welches von allen
Qualitäten des Samsara frei ist, und seinem Wesen nach in der
Selbstinne werdung besteht, als der Inhalt des Wortes „DAS"
von den des Vedänta BefKssenen- anerkannt. — Ebenso bedeutet
weiter das Wort „DU" die sehende und hörende innere Seele, wie
sie vom> Leibe ausgehend als das innere Selbst zum Bewufstsein
gebracht tmd als das aui^schliefslioh Geistige festgehalten wird.
Bei denjenigen nun, bei denen diese beiden Begriffe durch Nicht-
wissen, Zweifel und Irrtum gehemmt werden, kann der Satz
„DAS BIST DU" von 5)ich selbst aus das richtige Verständnis
nicht hervorbringen, weil das Verständnis des Satzes zur Voraus-
setzung hat das Verständnis der Begriffe, aus denen er besteht.
Mithin ist fiir solche eine die Unterscheidung dieser Begriffe be-
zweckende Wiederholung von Schriftwort und Argumentation «er-
forderlich. Und wenn auch weiter der zu erkennende Atmun ohne
Teile ist, so wird doch auf denselben | die Vielheit lichkeit von 105^
Leib, Sinnen y Manas, Buddhi, Objekten und Empfindungen irrtüm-
lich übertragen. Sofern nun dabei durch das eine Autmerken der
eine Teil, und durch ein anderes ein anderer abgethan wird, in-
sofern ist ein stufen weises Erkennen am Platze, jedoeii so, daf^
dasselbe nur vorhergehend ist vor der vollen Erkenntnis des Ätman.
Bei denen hingegen, welche geschickteren Geistes sind und in Be-
zug auf die beiden Begriffe nicht durch Nichtwissen, Zweifel und
Dbubu«, VedA&t* 44
690 Qiirlraka-inliii&Ästi
Irrtam behindert werden, kann schon dnrch einmalige Mitteilong
der Sinn des Satses snm BewuTstsein gebracht werden, und in Be-
treff ihrer ist aUe^dings die Zwecklosigkeit einer Wiederholanj|r zn-
. zugeben. Denn sobald mit einem Schlage die Erkenntnis des Atman
eintritt, macht sie dem Nichtwissen ein Ende, und von einer Stufen»
reihe kann dabei nicht die Rede sein. — Man könnte einwenden:
'das wäre richtig, wenn es überhaupt irgend jemanden g&be, dem
'in dieser Weise die Erkenntnis aufginge, [aber das ist nicht wohl
'möglich;] denn d!e Überzeugung, dafs es das eigene Selbst sei,
'welches den Schmers u. s. w. empfinde, ist so stark, dafs niemand
'die Niohtrealit&t der Schmerzempfindting zugeben wird.' — Aber
dies ist nicht richtig. Denn so gut wie der ganze Leib ein blofser
Wahn ist, ist auch das Gefühl der Schmerzempfindung u. s. w.
nichts weiter als ein irrtümlicher Wahn. Nämlich von aufsen be-
trachtet, wenn mein Leib geschnitten oder gebrannt wird, und ich
sage „ich werde geschnitten, werde gebrannt", so ist das ein faL»cher
Wahn; und ebenso, wenn die noch mehr äufserlichen [Zubehöre
meines Ich] z. B. Söhne, Freunde u. s. W. leiden, und ich sage ,4<^
„leide", so ist dieses offenbar eine unrichtige Übertragung. Ebenso
nun steht es mit dem Wahne der Empfindung des Schmerzes; denn
ganz ebenso wie mein Leib wird auch die Schmerzempfindung als
etwas wahrgenommen 9 was auüserhalb der Geistigkeit liegt; daher
jene auch im Tiefschlafe nicht fortbesteht, während die Geist^keit
1057 hingegen auch im Tiefschlafe fortbesteht, | denn die Sdoift ngt:
„wenn er dann nicht sieht, so ist er doch sehend, obscht D er^ nicht
„sieht" (Brih. 4, 3, 23). Damm besteht die Innewerdung des Atman
darin, dafs man sich selbst als die von skllem Schmerze unberührte,
einheitliche Geistigkeit erkennt. Wer sich aU diese erkannt hat,
f&r den bleibt nichts mehr zu thun übrig. Denn die Schrift sagt:
„wozu brauchen wir Nachkommen, ¥rir, deren Seele diese Welt istt!*'
(Brih. 4, 4, 22), und zeigt damit, dafs för den Ätmanwisser keine
Pflicht mehr besteht. Und auch die Smriti sagt (Bhag. G. 3, 17):
„Der Mann, der an dem Selbst sich freut,
„Am Selbste sein Genüge findend
„Und seinen Frieden in dem Selbst,
„Fttr den ist keine Pflicht mehr bindend."
Bei wem hingegen diese Innewerdung nicht gleichsam^ mit einem
Schlage eintritt, für den ist eine zum Zwecke der Innewerdung
angestellte Wiederholung das Richtige. Aber audi bei ihm geschieht
dies nicht so, dafs man ihn zuerst von dem Sinne des Satzes „das
„bist du" [durch ans der Vielheit geschöpfte Betrachtungen] weiter
abbrächte, um ihn in der Wiederholung demselben wieder zuzu-
treiben, denn damit sie ihren Freier tötet, yerheiratet man ein
M&dohen doch nicht. Ja, wer noch durch die Pflicht gebunden
ist, der denkt: ich bin zu ihr verpflichtet, bin Th&ter, mufs dieses
Sütram IV. i. 2.
691
hier tbnn , und solche Vorstellungen stehen unweigerlich mit der
Yorstellang, dais mau Brahman sei, in Widersprach. Wer hin-
gegen nur deswegen, weil er von Haus aus nnr* langsamen Geistes
ist, den Inhalt des Satzes nicht versteht und von ihm abirrt, v6n
dem wird die Befestigung in dem Inhalt dieses Satzes, wenn er ihn
durch Wiederholung u. s. w. eingeprägt bekommt, föglich erlangt.
Somit ist erwiesen, dafs auch bei einer das höchste Brahman be-
treffeuden Vorstellung in den dabei als Mittel dienenden Unter-
weisungen eine Wiederholung statthaft ist.
Zweites Adhikaranam.
3. ätmd, üi tu upagucchanti grähayanti ca io58
als den Atman (das Selbst) vielmehr erkennen sie ihn
an und lebxen ihn kennen.
Den höchsten Atman , . wie er von der Schrift charakterisiert
wird, habe ich den als mein eigenes Ich oder als ein von mir
Verschiedenes aufzufassen? das ist zu* untersuchen. Aber wie kann
hier ein Zweifel bestehen, da die Schrift ihn doch durch das Wort
„Atman^^ bezeichnet, welches das innere Selbst bedeutet? Wir ant-
worten: das Wort „ Atman ^* kann entweder im eigentlichen Sinne
genommen werden, falls zwischen der individuellen Seele und Gott
eine Verschiedenheit nicht bestehen sollte, oder aber es ist im ent-
gegengesetzten Falle uneigentlich zu fassen, so könnte man denken.
— Angenommen also, 'der Ahhan sei nicht als das eigene Ich auf-
'zufässen; denn wer als Eigenschaften die Sündlosigkeit u. s. w. be-
*sitzt, der kann nicht unter den entgegengesetzten Eigenschaften
'begriffen werden, sowenig wie derjenige, welcher diese entgegen-
^gesetzten Eigenschaften besitzt, unter den Eigenschaften der Sünd-
'losigkeit u. s. w. Der höchste Gott nun hat die Eigenschaften der
'Sündlosigkeit n. s. w., während hingegen die verkörperte Seele die
'entgegengesetzten Eigenschaften an sich trägt. Soll nun Gott das
'Wesen der wandernden Seele besitzen, so kann er nicht Gott sein,
'und die Schriftlehre wird bedeutungslos; soll hingegen die wan-
'demde Seele ihrem Wesen nach Gott sein, so kann sie nicht zu den
'Werken verpflichtet werden, der Schriftkanon [von den Werken]
'wird bedeutungslos und der Wahrnehmung u. s. w. wird wider-
'sprochen. Meint ihr, dafs auf Grund der Schrift auch neben der
'Verschiedenheit eine Wesensidentit&t angenommen werden könne,
'ähnlich der des Vishnu u. s. w. mit den Sinnbildern desselben u. s. w.,
44*
692 ^&rlraka-mlisiii8&
^BO würde, die Hdgliohkeit hieryoa sagegeben, dodi insofeni die
'Sache für uns tmannehmbar sein, als jedenfalls die wandernde Seele
'dann doch nicht d^r eigentliche Atman, nämlich Gott, sein könnte.'
— Auf diese Annahme erwidern wir: „als der Ätman (das Selbst)"
1069 ist der höchste Gott zu begreifen; denn in dieser Weise | wird in
einer^ Stelle , welche von dem höchsten Gotte handelt, derselbe als
der Atman „anerkannt^* von den J&b&la's, da wo es heUst: „iür-
„wä)irf ich bin du, o heilige Gottheit, und du, o Gottheit bist ich".
Und auch andere Stellen, z. B. das Wort „ich bin Brahman" (Brih. 1 ,
4, 10), sind als solche Anerkennungen desselben als das eigene
Selbst zu betrachten. Auch sind es Ved&ntatezte wie die folgen-
den, welche Gott „kennen lehren*^ als das eigene Selbst: „es ist
„deine Seele, die allem innerlich ist" (Brih. 3, 4, 1); — „der ist
„deine Seele, der innere Lenker, der unsterbliche^^ (Bf^ih. 3, 7) 3):
— „das ist das Heale, das ist die Seele, das bist du*' (Chänd. G,
8, 7) Q. s. w. Wenn behauptet wurde, dafs es sich dabei iUmlicb
wie bei den Yishnabildem' um die Auffassung Gottes in einem Sinn-
bilde handeln könne, so ist das unrichtig, weil dann die Sache nur
uneigentlich zu nehmen wäre, und weil auch der Schriftaasdmck
dem nicht entspricht. Denn wo es sich um die Auffassung in einem
Sinnbilde handelt, da kommt die Satzyerbindong nur einmal vor,
und es heifst z. B.: „Brahman ist das Manas'' (Gh&nd. 3, 18, 1)
oder „Brahman ist die Sonne'' (Chänd. 3, 19, 1) u. s. w. Hier hin-
gegen sagt die Schrift: „ich 'bin du und du bist ich." Also, weil
bei Sinnbildem die Schrift sich anders ausdrückt, ist die Wesens-
einheit anzunehmen. . Femer auch, weil die Schrift die Anachaaung
der Verschiedenheit verbietet; denn es heifst: „wer aber die Gott-
„heit als ein anderes verehrt und spricht: «ein anderer ist sie und
„ein anderer bin ich», der ist nicht weise" (Brih. 1, 4, 10); —
„von Tod zu Tode wird verstrickt, wer ein [von Brahman] Yer-
„schied'nes hier erblickt" (Brih. 4, 4, 19); — „das Weltall sdiliefst
„den aus, welcher das Weltall aufserhalb des Selbstes weifs" (Brih. 2,
4, 6); diese und viele andere Schriftstellen verbieten die Auffasaung
der Verschiedenheit. Wenn aber behauptet wurde, dafs Dinge von
entgegengesetzten Eigenbchafteu nicht mit einander identisch sein
könnten, so ist dies kein Einwand, weil die Gegensätzlichkeit der
1060 Eigenschaften | nur auf einer falschen Erkenntnis beruht. Wenn wei-
ter gesagt wurde, dafs dann kein Gott sein könne, so ist das falsch,
weil hier die Schrift die Erkenntnisnorm bildet, und weil auch wir es
gar nicht in dieser Weise auffassen^ denn wir behaupten gar nicht,
dafs gelehrt werde, dafs Gott seinem Wesen nach die wandernde
Seele sei, sondern vielmehr umgekehrt, glauben wir, ist die Schrift
bemuht zu zeigen, dafs die wandernde Seele unter Beseitigung ihres
Wandererseins ihrem Wesen nach Gott ist. Ist 9em aber so, so
besitzt der vor aller Zweiheit freie Gott allerdings die Eigen-
Schäften der Sündlosigkeit, und dafs Gott die entg^engesetzien
\
Bfttrtm lY. l 8^ 693
m
Eigensohaften beeitze, ist hingegen falsch. Wenn weiter behauptet
imrde, dafs dann niemand zn den Werken berufen sein könne, und
dafs damit der Wahmehmnng n. s. w. widersprochen werde, so ist
das unrichtig. N&mlich vor der Erweckung (praboäka) wird das
Wanderersein als gültig angenommen, und auf dieses bezieht sich
das Treiben der Wahmehmong u. s. w.; „wo aber einem alles zum
,,eigenen Selbste geworden ist, wie sollte er da irgend wen sehen'*
n. s. w. (Bfih. 4, 6, 15); in diesen Worten lehrt die Schrift, AaA
nach erfolgter Erweckung die Wahrnehmung- u. s. w. zu nichte wird.
Werft ihr ein, dafs mit Yemichtnng der Wahrnehmung auch die
Schrift zu nichte werden müsse, so begründet dieses keinen Ein-
wurf, indem- wir es selbst so annehmen; denn an der Stellt „dann
„ist der Vater nicht Vater *' heifst es weiter: „der Vedtr ist nicht
„Yeda" (Bph. 4, 3, 22); aus diesem Worte ist ersichtlich, dafs wir
selbst die Schrift fikr den Zustand der Erweckung nicht mehr als
bestehend betrachten. Fragt aber einer: 'wer ist denn der Nichi-
'erweckte?* so antworten wir: eben du, 4er du ihragst. -^ *Aber
4ch bin ja Gott nach der Schriftlehre!' — > Wenn du das weilst,
so bist du erweckt, und dann giebt es überhaupt keinen Nichi-
erweckten mehr. — Hiermit ist auch der Einwurf, den einige vor-
bringen, I dafs doch wenigstens kraft des Nichtwissens der Ätman 1061
zweiheitlich , und darum die Einheitlichkeit unmöglich sei, schon
beantwortet. Darum soll man bemüht seüi, seinen Geist auf Gott,
das heifst auf das eigene Selbst zu richten.
Drittes Adhikaranam.
4. na pratUcCj na hi sah
nicht in einem Sinnbilde, denn nicht kann ja er . . .
Es heifst: „das Brahman soll man verehren als das Manas;
„dies in Bezug auf das Selbst; nun in Bezug auf die Gottheit:
„flas Brahman soll man verehren als den Äther'^ (ChAnd. 3, 18, 1);
— „die Sonne ist das Brahman, so lautet die Unterweisung*'
(Gh&nd. 3, 19, 1); — »ver das Brahman als den Namen verehrt**
(Chand. 7, 1, 5). — Bei derartigen sinnbildlichen Verehrungen er-
hebt sich die Frage, ob auch in ihnen eine Ergreifung des Atman
thunlich ist oder nicht. — Angenommen also, *es gezieme sich,
*auch in ihnen den Atman zu ergreifen; warum? weil aus der
'Sdirift bekannt ist, dafs das Brahman der Atman ist da nun
'auch die Sinnbilder, weil sie Umwandlungen des Brahman sind^
*das Brahmansein besitzen, so folgt, dafs auch sie der Atman sind.'
. 694 QlLrlraka'mim&&8ik
-^ Auf diese Annahme erwidern wir: nicht an die Sinnbilder soll
man das Denken des Äimaa knüjpfen ; deän nicht kann ja er'S d. h.
der Verehrer, die disparaten Stnnbiider ab seinen Atman ättsanunon-
fassen. Und wenn behauptet wurde, dafs auch die Sinnbilder als
Umwandlungen des Brahman ihrem Wesen nach Brahman und folg-
1062 lieh der Ätman seien, | so geht das nidit, weil dabei das Niditsein
der Sinnbilder sich ergiebt. Denn nur dadurch, dafs man seine
Natur als eine Umwandlung aufhebt ,^ kann das zu Name u. s. w.
Gewordene für Brahman gelten; wird aber die Natur des Namens
u. s. w. aufgehoben, wie soll dann noch ihre Sinnbildlichkeit und
das Ergreifen des Ätman in ihnen möglich sein? Übrigens läJst
sich nicht darum, weil das Brahman der Atman ist, in den An-
weisungen zu einer bildlichen Anschauung des Brahman auch schon
eine solche des Atman finden, und zwar weil das Th&tersein u. s. w. da-
bei nicht beseitigt wurde. Nur da aber, wo das Thatersein und alle
andern (Qualitäten des Sai^sara beseitigt werden, kann das Brahman
als der Atman sich zeigen ; wo sie hingegen nicht beseitigt werden,
Uegt' nur eine Vorschrift der Verehrung vor; darum aber« weil der
Verehrer mit den Sinnbildern gleichartig ist, kann er doch nicht
seinen Atman' (sein Selbst) in ihnen ergreifen; denn man kann
nicht sagen, dafs bei einem Goldschmuck und einer Goldfigur das
eine das Selbst des andern sei; Tielmehr sind sie es nur insofern,
als beide aus Gold bestehen; bei derjenigen Einheit aber, weleho
auf dem Brahmanfiein beider [der Seele und des Sinnbildes] be-
ruht, ergiebt sich, wie wir sagten, das Nichtsein der Sinnbilder ala
solcher. Darum ist es nicht möglich, in den Sinnbildern die An-
schauung des Atman zu gewinnen.
Viertes Adhikaranam.
5, brahma-drishtir^ tttkarshät
Anscbauung ala Brahman, wegen der Erhöhung.
Bei eben diesen Citaten erljiebt sich noch eine andere Frage, ob
n&mlioh detbei das Brahman als die Sonne u. s. w. angeschaut wird,
oder ob die Sonne u. s. w. als das Brahman angeschaut werden.
Woher die Frage? weil aus der Koordination der Satzglieder kein
sicherer Entscheidungsgrund sich dafür [welches das Subjekt des
Satzes sei] ergiebt. Nämlich das Wort Brahman wird dabei den
1063 Worten Sonne u. s. w. | koordiniert; es hei&t: „die Sonne ist das
„Brahman^' (Ch4nd. 3, 19, 1), „der Fr&na ist' das Brahnian'' (Kaush.
2, 2), „der Blitz ist das Brahman** (Bfih. 6, 7, 1), wobei beide Satz-
glieder im gleichen Kasus stehen. Es ist aber dabei nicht eine strenge
S&tramlY. i. 5. 695
Koordination [durch Ideniiiai] jcumehmbar, weil z. B. die Worte.
Braiunan und Sontie dem Sinne nach verschiedea sind; denn man
kann doch nicht mit [Identitäta-JKoordination sagen, der Ochse ist
ein Pferd. — 'Aber l&iki feich nicht die [Identitäts-jKoordination daraus
'verstehen, dafs 2« B. Brahman und die Sonne sich, ähnlich wie der
'Thon und da« Gefafe, sn einander verhalten als Urstoff und IJm-
'gewandeltes?* — Wir antworten: nein! denn in dieser Weise würde
aus der Gleichsetzung mit dem Urstoffe eine Aufhebung der Um-
wandlung sich ergeben und mithin, wie wir zeigten (p. 1062, Ij,
eine Unmöglichkait des Sinnbildes; auch hätten wir es dann zu
thuQ mit einem Ausspruche über den höchsten [attributlosen]
Ätman, womit der Charakter der Stelle als eine blol'se Vorschrift
der Verehrung in Widerspruch stehen würde, ganz abgesehen davon,
dafs [in der höheren Wissenschaft] die Herbeiziehung einer solchen ~
begrenzten Umwandlung zwecklos sein würde. Man mufs folglich
ähnlich wie in solchen Sätzen wie: „der Brahmane ist das all-
„verbreitete Feuer" (vgl. Eath. 1, 7) annehmen, dafs hierbei eine
bildliche Anschauung des einen als das andere vorliegt, und somit
fragt sich weiter, welches von beiden in dem andern bildlich au-
geschaut werden soll. Hierbei könnte man annehmen, ^dafs die
^Sache unbestimmt sei, weil kein Kanon, sie näher zu bestimmen,
Vorhanden ist' ; — oder man könnte annehmen, ^dafs das Brahman
^bildlich angeschaut werden solle als die Sonne u. s. w. ; denn dann
'würde durch die Anschauung desselben als die Sonne u. s. w. [eine
'Verehrung des Brahman statthaben}; die Verehrung des Brahman
'aber ist es ja, welche nach der Bestimmung des Kanon die Frucht
'bringt. Somit ist hier keine Anschauung der Sonne u. s. w. als
'das Brahman anzunehmen.' — Auf diese Annahme erwidern wir:
ef liegt vielmehr eine Anschauung der Sonne u. s. w. als das Brah-
man vor; warum? „wegen der Erhöhung'^' nämlich in diesem Falle
werden die Sonne u. s. w. in einer Erhöhung angeschaut, indem
die Anschauung als ein Höheres auf sie übertragen wird; | und so 1064
wird der Erfahrungsregel entsprochen, nach der, wie die Regel
lautet, die Anschauung als Höheres einem Niederen beizulegen
ist, wie z. B. dem Truchsefs die Anschauung als König. Dies
mufs hier gelten^ weil im Gegenfalle eine Herabsetzung statthaben
würde; denn wenn man den König als' den Truchsefs anschauen
wollte, so würde er eine Erniedrigung erleiden, und das wäre
nicht gut. — 'Aber hier, wo der Schriftkanon Autorität ist, darf
*doch an die Möglichkeit einer Herabsetzung nicht gedacht wer-
*den; auch läfst sich eine Anschauung der Schrift nicht nach
'weltlichen Regeln meistern!' . — Wir erwidern: das wäre richtig,
wenn der Schriftsinn feststände; da er aber zweifelhaft ist, so ist
ea nicht unstatthaft, behufs seiner Feststellung zu einer Erfahrungs-
regel zu greifen. Da nun der Schriftmun sich dahin feststellen
läCati dafs die Anschauung als ein Höheres beigelegt werde, so
696 ^Mraka-xnt]iiftAB&
wäre allerdings folgerecht eine Herabseizcmg darin zu finden, wenn
die Anschauung alu ein Niedrigeres beigelegt würde. Auch darum,
weil die Worte Sonne u« s. w. Toran stehen, mufs man sie unweiger-
lich im eigentlichen [nicht in figürlichem] Sinne nehmen. Nach-
dem aber die Erkenntnis durch diese voranstehenden Begriffe auf
die ihnen eigentümliche Sphäre geführt worden ist, kann das nach-
her eingeführte Brahman ihnen unmöglich in seinem eigentlichen
Sinne koordiniert werden, und so stellt sich als allein möglicher
Zweck heraus, dafs die Anschauung als Brahman anbefohlen wird.
Dieser Zweck ist auch darum der richtige, weil das Wort Brahman
von der Partikel ifi (so, als) begleitet wird; denn es heifst ,,al8
„das Brahman (brahma, iti) ist seine Unterweisung", „als das Brah-
„man soll man es verehren", „als das Brahman verehrt man ea^^:
so wird überall das Brahman von einem „als" begleitet, wahrend
die Worte Sonne u. s. w. davon entblöfst sind. Wie daher in dem
Ausdrucke „er fafst das Perlmutter als Silber (rajaiamj iti) anr*,
1065 das Wort Perlmutter | wirkliches Perlmutter bedeutet, das Wort
Silber hingegen nur den Sinn hat, dafs etwas als Silber aufgefafst
werde, sofern der Betreffende es nur. als Silber (rajatam iü) •&■-
sieht, wsüiirend dabei kein Silber vorhanden ist, — ebenso ist an-
xunehmen, dafs auch an unserer Stelle die Sonne u. s. w. als Brah-
man (brafimay iU) aufgefafst werden. Auch das Weitere, wo die
Sonne u. s. w. im Acousativ stehen, beweist, dafs eben sie es sind,
auf welche sich die Thätigkeit des Yerehrens erstreckt, wenn es
heifst: „wer, dieses also wissend, die Sonne als das Brahman ver-
„ehrt" (Chl^d. 3, 19, 4); — „wer die Rede als das Brahman ver-
mehrt" (Gh&nd. 7, 2, 2) ; — „wer die Vorstellung als das Brahman
„verehrt" (Chänd. 7, 4, 3). Wenn aber behauptet wurde, dafs nur
eine Verehrung des Brahman hier anbefohlen sein könne, wenn ein
Lohn erfolgen solle (p. 1063, 13), so ist das unrichtig, weil man
nach dem aufgestellten Grundsätze ersieht, dafs die Sonne u. s. w.
hier verehrt werden sollen. Ein Lohn aber kann sich ebensowohl
wie an die Verehrung der GäHte u. s. w. auch an die der Sonne
u. s. w. knüpfen, indem eben Brahman als der Aufseher des Welt-
ganzen ihn verleiht, wie dies gezeigt wurde an der Stelle: „die
„Frucht von ihm wegen der Möglichkeit" (Sütram 3, 2, 38). In so
fem aber wird auch hier das Brahman vorehrt, als die Anschauung
als Brahman auf die Sinnbilder übertragen wird, so wie auf die
Abbilder u. s. w. die des Vishnu u. s. w.
SüCram IV. i. 6. 697
FnnfteB Adhikamnam-
6. äditya'ddi-matayoQ ca anffa\ upapalteh
und [hinwiderum] die Auffassungen als Sonne u. s. w.
bei einem Gliede [des Werkdienstes], wegen der An-
gemessenheit.
Es heifst: „der dort leachtet, den soll man verehren als [oder:
,,al8 den soll man verehren] den Udgttha'^ (Chänd. 1, 2, 1), — „in
„den Welten soll man das fünffache Sfonan verehren" (Chand. 2^
2, 1); — „in der Rede soll man das siebenfache Saman | verehren** 1066
(Chand. 2, 8, 1); — „diese Erde eben ist die Ric, das Feuer ist
„das S&mai^" (Chand. 1, 6, 1). Bei derartigen auf Grlieder [des
Werkdienstea] eingeschränkten Yerehrangen erhobt sich die Frage,
ob dabei verordnet werde, die Sonne u. s. w. als den üdgttha,
oder den Udgitha u. s. w. als die Sonne anzuschauen. Man konnte
'denken, 'die Sache sei unbestimmt, weil ein Grund, sie zu bestimmen,
'nicht vorliege« Denn hier handelt es sich nicht wie vorher bei
'dem Brahman darum, irgend etwas durch Erhöhung auszuzeichnen.
'Nämlich das Bi^ahman ist die Ursache der gesamten Welt, ist aus-
'gestattet mit den Vorzügen der Sündlosigkeit n. s. w.; von ihm
'liefs sich daher behaupten, dafs es über die Sonne u. s. w. or-
'haben sei; bei Sonne und Udgitha hingegen, welche beide blofse
'Umwandlungen sind, läfst sich in keiner Weise behaupten, dafs
'ein Unterschied des Vorranges [des einen über das andere] statte
'habe.* — Oder auch: 'die Sache ist bestimmbar, indem die Auf>
'fassungen als Udgitha u. s. w. der Sonne u. s. w. beigelegt werden ;
'warum? weil der Udgitha u. s. w. zu den Werken gehören, an
'das Werk aber sich die Erlangung der Frucht knüpft; indem also
'die Sonne o. s. w. durch ihre Auffassungen als Udgitha u. s. w.
'vorehrt werden, sind sie werkartig imd ködneu somit zur Ursache
'eines Lohnes werden, — Ebenso, wenn es an der Stelle: „diese
'„Erde ist die Ric, das Feuer ist das S4man" weiter heifst: „nun
'„ist dieses Saman auf diese Ric gegründet'* (Chand. 1, 6, 1), so
'wird in diesen letzten Worten [anerkanntermafseu] durch das Wort
'Ric die Erde, durch das Wort Saman das Feuer bezeichnet, und
'dieses ist in Ordnung, falls die Absicht besteht, die Erde und das
'Feuer ids die Ric und das SAmaii anzuschauen, | niclit aber, wenn 1067
'die Absicht ist, die Ric und das S£man als die Erde und das Feuer
'anzuschauen. Denn um den Truchscfs als König anzuschauen, wird
'ersterem das Wort König, nicht aber dem Könige das Wort Truch-
'sefs beigelegt. — Und wenn es ferner heifst : „in den Welten (lokesHu)
S,«oU man das fünffache Säman verehren" (.CHnd. 2, 2, 1), so orgiebt
698 Qärlraka-mtiiiinsi
'sich schon aus der Lokativ-QezeichnttDg, dafs die Welten es nnd, wat
^welche hier die Vorstellung des Saman übertragen werden soIL Dies
^beweist auch die Stelle [wo das Subjekt der Verehrung gleicbiaUa im
'Lol^ativ steht]: „dieses Oayatra-Sllman ist eingewoben in die Lebens-
'„geister (präneshu)^*^ (Chänd. 2, 11, 1). Femer zeigte sich ja sehoo
4n Stellen wie: „die Sonne ist das Brahman, so lautet die Unter-
^yweisung^' (Ghftnd. 3, 19, 1), dafs [was auch hier, Chand. 2, ^, t
'gilt] von den Zuerststehenden , der Sonne u. s. w. , das Zuletzt-
< 'stehende, niunlich ^as Brahman, pradiciert wird [wobei sich also
'hier der l^rvapak^ auf den Siddhdnta des vorigen Adhikaranam
'p. 1064, 10 beruft]. — Ebenso stehen auch wieder zuerst die Erde
'u. 8. w., und zuleiet der Hinkikra u. s.w., wenn es heifst: ^^e
'„Erde ist der Hiük&ra" (Gh4nd. 2, 2, 1) n. s. w. — Aus dem allem
'ergiebt sieh, dafs der Sonne u. s. w., welche nicht Werkteile sind,
'hier die Vorstellung, als wären sie Werkteile, beigelegt wer-
'den soll.'
Auf diese Annahme erwidern wir: es sind vielmehr die Vor-
stellungen als Soiine u. s. w., welche hier den Werkteilen, dem
Udgltha u. R. w., beigelegt werdeu; warum? „wegen der Angemes-
„senheit"; denn es ist angemessen, dafs in dieser Weise, indem
der Udgitha u. s. w., mittels Heranziehung eines noch nicht Da-
gewesenen, durch die Vorstellungen als Sonne u. «• w. geweiht
woi*den, ein Gedeihen der Werke erfolge. Denn es hMist: »was
„man durch das Wissen vollbringt, durch den Glauben, doreh die
„Upanishad, das ist wirkungskräftiger" (Chänd. 1, 1, 10), voraas
1068 folgt, dafs das Wissen eine Ursache fdr | das Gedeihen der Werke
ist. — 'Das mag sein, wo der Lohn in einem Gedeihen der Werk»
'besteht; aber wie steht es bei Stellen, welche durch uÄ selbit
'einen Lohn bringen, z. B. wenn es heifst: „wer djeses also wis-
'„send in den Welten das fünffache Sämau verehrt" (Ch&nd. 2, 2, 3)?*
— Antwort: da der [zu den Werken] Berufene auch bei diesen
[Verehrungen] der Berufene ist, so ist die Annahme einer [beson-
deren] Frucht derselben nur möglich mittels der Heranziehung
eines im Bisherigen noch nicht Dagewesenen, ähnlich wie s. B.
die Observanz des Euhmelkens [ihre besondere Frucht nur darum
haben kann, weil sie dem Werke nicht wesentlich, gleichsam
ein opus super erogationis, ist, p. 934-^938, S. 612 fg.]. Übrigens
behaupten auch die. Sonne u. s. w. , sofern sie ihrem Wesen nach
zum Lohne gehören , vor dem Udgttha u. s. W. , die ihrem Wesen
nach zu den Werken gehören, allerdings [gegen .p. 1066, 8] einen
Vorrang. Dafs aber die Sonne u. s. w. als «in Lohn deir Werke
ei'langt werden können, das wird ja in der Schrift gelehrt Femer
wenn es heifst: „Gm! diese Silbe soll man verehren als den Udgftha"
(Cband. 1, i, 1) und: „über diese Silbe ist folgende Erzählung''
(Ohand. 1,1, 10) , so wird hier der Udgitha als der Gegen-
stand der Verehrung, und in Bezug auf ihn die Auffassung als
Sfttram IV. u 6. 699
*
Sopne u. B. w. anbefohlen. ' Wenn aber behauptet wurde, dafs die
Sonne a. 8. w. nur dadurch» daia sie unter der Vorstellung als
\JdgHha n. s. w. verehrt worden, werkartig werden und somit
Frucht bringen könnten (p. 1066, 11), so ist das unzutreffend;
denn die Verehrung selbst ist eine Art Werk und bringt daher
die Fmoht; und übrigens geht auch bei dem Udgltha u. s. w. da-
durch, dafs sie als Soüne u. s. w. angeschaut werden, ihre [die
Frucht bedingende] Werkartigkeit keineswegs verloren. — Was
hiDg^en die Stelle betrifft: „[diese (Erde) eben ist die |lic, das
„Feuer das Saman;] nun ist dieses Saman [d. h. das Feuer]
„auf diese Ric [d. h. die Erde] gegründet; [darum wird das
,ySaman gesungen als ein auf die Rio gegründetes]" (Ghand. 1, 6, 1),
BÖ haben wir hier vielmehr nur eine metaphorische Anwendung der
Worte Ric und Slünan auf die Erde und das Feuer. Eine Metapher
aber kann, je nachdem -es | sich trifft, durch eine nähere oder ent- 1069
femtere Verwandtschaft mit der betreffenden Sache statthaben. Ob-
wohl nun an unserer Stelle [im allgemeinen] die Absicht diese ist,
Ric und Sfliman als Erde und Feuer anzuschauen, so kann doch
hier, wo die wirklichen Rio und S&man noch daneben besonders
erwähnt werden, Erde und Feuer aber in der Nähe vorkommen,
auf diese beiden letzteren die vorliegende [metaphorische] An-
wendung der Worte Ric und Säman wegen ihrer Verwandtschaft
mit der Ric und dem Säman ohne Bedenken statthaben. Denn
es wird ja auch nicht möglich sein ganz auszuschliefsen, dafs die
Benennung als Truchsefs sich aus irgend einer Ursache nicht auch
einmal auf den König beziehe. Dafs aber [unbeschadet dieser n^ch-«
folgenden metaphorischen Vorstellung von Erde und Feuer als Ric
und Säman] in dem [vorhergehenden] Satze „diese (Erde) eben ist
„die Ric" (Chänd. 1, 6, 1), von der Ric ausgesagt wird, dafs sie die
Erde sei [und nicht umgekehrt], dafür spricht auch die Wortstellung.
Denn wenn hier von der Erde ausgesagt werden sollte, dafs sie
die. Ric. sei, so müfste es heifsen: „diese Erde ist eben die Ric'^
Dafs diese Ansicht die richtige ist, dafür spricht auch der Um-
stand, dafs in den Schlufsworten des Abschnittes: „wer dieses also
„wissend das Säman singt^' (Ghänd. 1, 7, 9) nur von einem auf die
Teile des Werkdienstes bezüglichen Wissen die Rede ist, nicht aber
von einem solchen, welches sich auf die Erde u. s. w. bezöge. . — -
Obgleich femer an der Stelle: „in den Welten soll man dns fünf-
„fache Saman verehren*^ (Chand. 2, 2, 1) die Welten im Lokativ
stehen, so werden doch dieselben von dem Sdman prädicieii;, denn
daran, dafs dieses im Accusativ | steht, sieht man, dafs das Saman das 1070
zu Verehrende ist. Weil nämlich die Welten von dem Säman prädi-
eiert werden, deswegen wird hier das Saman in Gestalt der Welten
verehrt; im andern Falle hingegen würden es die Welten sein,
welche in Gestalt des Säman verehrt würden. Damit ist kach die
Stelle „dieses G&yatra- Saman ist in die Lebensodem eingewoben"
700 ^ftrlnüat-mlmlAsA
(Gh&nd. 2, 11, 1), abgehandelt. — 'Wetfn hingegen beiderseits der Ac-
casaÜT steht, wie z. B. an der Stelle: „nun aber als jene Sonne soll
„er [oder: jene Sonne soll er als] das siebenfache S&man yerehren*'
(Chftnd. 2, 9, 1), so ist auch hier die Annahme, daft die Ydrehrung
das S&man in seiner Gesamtheit betreffe, wenigstens haltbar; und
wenn es dann weiter heifst: „so yon dem fünffachen; . . . nun Ton
„dem siebenfachen^^ (Ch&nd. 2, 7, 2. 2, 8, 1), so wird hier 3ntschieden^
das Saman als das zn Verehrende vorgenommen, daher [anch ror-
her] Ton ihm. die Sonne prädiciert werden mnfs. — Steht es nan
aber hierdurch fest, dafs das S&man das zu Verehrende ist, so
mals auch da, wo wie in den Wotien : „die Erde ist der Hink&ra''
(Chftnd. 2, 2, 1) eine Umstellung vorliegt, doch der Hink&ra a. s. w.
als die Erde u. s. w. angeschaut werden. ^-* Somit steht es fest,
dafs es die Vorstellungen der Sonne u. s. w. , die nicht zu den
Werken gehören, sind, welche hier von dem zu den Werken ge-
hörigen Udgltha u. 8. w. prädiciert werden.
Sechstes Adhikaranam.
7. äslnahy satnhhavdt
sitzend, wegen der Möglichkeit.
Bei denjenigen Verehrungen, welche mit einem Bestandteile des
Werkes zusammenhängen, ist über die Art [der Körperhaltung],
wie man dabei zu sitzen u. s. w. hat, da diese sich nach dem
Werke richtet, nichts zu bemerken. — Ebenso wenig bei der voll-
kommenen Erkenntnis, weil sie als Erkenntnis nur durch ihr Ob-
jekt bedingt wird. — Was hingegen die übrigen Verehrungen be^
1071 trifft, I so fragt sich, ob man beliebig, stehend, sitzend oder liegend,
sich zu denselben anschicken darf, oder ob man notwendig dabei
sitzen mufs. Man könnte denken, 'weil die Verehrung ein geistiger
*Akt ist, sei die Haltung des Körpers dabei eine beliebige\ Hier-
gegen bemerkt der Lehrer: ,,Bitzend'' soll man die Verehrung üben;
warum? „wegen der Möglichkeit". Nämlich Verehrung ist dasjenige,
was eine mit Ehrerbietung verbundene Vorstellung be-
fördert; so etwas aber ist nicht möglich, w&hrend man geht oder
läuft, weil das Geh^n u. s. w. die Gedanken zerstreut. Auch wenn
man steht, kann der Geist, weil er durch das Aufrechtlialten des
Körpers in Anspruf^li genommen ist, eine subtile Sache nicht be-
trachten. Wer hrawiderum liegt, der könnte unvermutet vom
Schlafe überfallen werden*. Alle diese Fehler lassen sich am besten
vermeiden, wenn man sitzt, dalier in dieser Stellung die Verehrung
[am besten] von statten geht.
Sütram IV. i. 8. 701
8, dhyänäc ca
auch wegen des Meditierens.
Ferner: dasjenige, wa^ eine mit Verehrung verbundene
Vorstellung befördert, ist eben dos, was durch das Wort
„Meditieren" bezeichnet wird. Das Meditieren aber wird denen
zugeschrieben, welche mit kaum merklicher Regung det Glieder
und fest gerichtetem Blicke ihr« Gedanken auf einen einzigen
Gegenstand koncentrierep, wie man denn z. B. sagt, der Reiher
[das Symbol der Klugheit] „meditiere^^ oder von einer Frau, deren
Gatte in der Feme weilt, sie „meditiere", — welches am leich-
testen zu bewerkstelligen ist, während man sitzt. Aus diesem
Grunde ist die Verehrung ein Werk, bei welchem man' sitzen muTs.
9. accdatvan ca apekshya
und weil im Hinblick auf dieu ünbeweglichkeit.
Hierzu kommt, dafs au der Stelle: „es meditiert gleichsam die
„Erde" (Chand. 7, 6, 1) das Wort „Meditieren" von der Erde u. s. w.
im Hinblick auf ihre Unbeweglichkeit gebraucht wird. Auch hierin
liegt eine Andeutung darauf, dafs die Verehrung ein Werk des
Sitzenden ist.
10. smaranti ca ' i072
und auch in der Smriti.
Auch in der Smriti gedenken die Meister des Sitzens als einer
Bedingung der Verehrung; denn es heifst: „in einer reinen Gegend
„soll er einen festen Sitz sich gründen" (Bhag. G. 6, 11). Aus
diesem Grunde findet sich in dem Lehrbuche des Yoga eine Unter-
weisung über die bestimmten Arten des Sitzens, z. B. über das lotos-
artige Sitzen u. s. w. (vgl. Yoga^ikha-up. 2 und zu Yogas^tram 2, 46).
Siebentes Adhikaranam.
a
11. yaira ekägratä^ tatra^ avigeshät
wo Koncentration, dort, weil ohne Unterschied.
Weiter fragt sich, ob in Bezug auf Himmelsiichtung, Ort und
Zeit eine Regel besteht oder nicht. Man könnte denken, 'weil
702 Qirtraka-mlm&a8&
*bei den vedischen Üntemehmaiigen meiBtens eine Regel für Himmels-
*rlobtang a. s. w. gegeben wird, d^Ts auch hier eine bestimmte Regel
^bestehe \ Hierauf erwidert der Iiehrer: in Bezug auf Himmels-
gegend, Ort und Zeit 1)eBteht die Regel nur darin, dafs der Zweck
erreicht werde; nämlich wo Himmelsrichtung, Ort und Zeit so be-
schaffen sind, dafs einer mit Leichtigkeit (Ue „Koncenti'ation" des
Geistes bewirken kann, da mag er die Verehrung üben. Denn wei-
tere Bestimmungen, wie z. B. östliche Richtung, Yormittag, ein nach
Osten gerichteter Abhang u. s. w.,1iegen in der Schrift nicht yer, und
die allein erforderliche Eoncentration ist) wo es auch sein ooiag,
„ohne Unterschied" dieselbe. — 'Aber einige Schrifttexte macherx
*doch wirklich einen Unterschied, wenn es z.B. heifst(Qvet. 2» 10):
^„Rein sei der Ort und eben, von Gerdll,
'„Von Feuer und von Sand entfernt^ sowie
*„yon störendem Geräusch und Wasserlachen.
1073 I *„In einer Lage, die, durch Höhlung windgeschützt,
*„Bem Geiste angemessen, und wo wiederum
^,JAuch nichts dem Auge Anstofs giebt, schickt er sich an'."
— Allerdings findet sich hier eine selche Regel, aber obwohl sie sich
findet) so erklärt- doch der mild gesinnte Lehrer, dais es auf der-
artige Unterschiede nicht ankomme. Auch zeigt der Ausdruck:
„dem Geiste angemessen", dafs es äberall möglich ist, wo die Kon-
centration sich einfindet.
Achtes Adhikaranam*
12, ä'präyandt, tatra api hi drishiam
bis zum Dahinscheiden;- denn auch hierbei ist
zu ersehen.
Im ersten Adhikaranam (Sütram 4, 1, 1) wurde festgestellt, dafs
die Wiederholung bei allen Verehrungen hochzuschätzen ist. Bei
denjenigen Verehrungen nun, welche die roUkommene Erkenntnis
zum Zwecke haben, ist, ähnlich wie beim Dresdien, mit Erreichung
der Wirkung der Schlufs zu machen, und die Erkenntnis bildet
für ihre Wiederholungen die Grenze. Denn wo als Wirkung die
vollkommene Erkenntnis eingetreten ist, da kann kein weiteres Be-
mühen mehr auferlegt werden, weil f&r den, welcher sich als das
von allem Befehle freie Brahman erkannt hat, das Gesetz gegen-
standlos wird. Was hingegen die Verehrungen betrifft, weldie
als ihre Frucht nni Aufschwung bringen, so erhebt sich bei diesen
S&tram IV. i. 12. 703
die Frage, ob die Wiederholung nur eine Zeit lang zu betreiben
und dann zu unterlassen ist, oder ob sie durch das ganze Leben
fortdauern mufs. Angenommen also, 'man dürfe die Vorstel-
lung, nachdem sie eine Zeit lang wiederholt worden, unterlassen,
*weil damit dem Sinne des Schriftwortes vom Verehren, | welcher 1074
'eine Wiederholung involvierte (Bfih. 2, 4, 5. CMnd. 8, 7, 1),
'Genüge gethan ist.* — Auf diese Annahme erwidern wir: „bis
j,zum Dahinscheiden" soll man die Vorstellung wiederholen, weil
der zu erlangende jenseitige (adfishfa) Lohn durch die Vorstel-
lungen beim Sterben bedingt wird. Und auch von den Werken,
welche eine im nächsten Leben zu geniefsende Frucht bewirken,
gilt es ja, dafs sie im Momente des Auszuges der [von ihnen be-
gleiteten] Seele das ihnen entsprechende ideelle Bewufstsein an sich
nehmen, denn die Schrift sagt: ^er ist von Erkeuntnisart, und was
„von Erkenntnisart ist, das ziehet ihm nach" (Bfih. 4, 4, 2); —
„womit sich sein Denken beschäftigt, damit gehet [der Sterbende]
„ein in den Pr&na, und der mit der Kraft [dem Udäna]- vereinte
„Präna im Oeleite des Atman fähret denselbigen hin zu der seinen
„Wünschen entsprechenden Welt" (Pra^na 3, 10); — und hierfür
spricht auch das Beispiel von der Raupe (vgl. Bph. 4, 4, 3). Welches
andere ideelle Bewufstsein aber sollen zur Zeit des Sterbens jene Ver-
ehrungsvorstellungen berücksichtigen, wenn nidit die Wiederholung
ihrer selbst? Also diejenigen Vorstellungen,, welche die zu er-
reichende Frucht als ideelles Wesen haben, sind bis zum Tode zu
wiederholen. In diesem Sinne sagt auch die Schrift: „mit welcher
„Gesinnung er aus dieser Welt abscheidet" (Qatap. br. 10, 6, 3, 1),
wotaus folgt, dafs auch im Augenblicke des Sterbens die Vor-
stellungen zu wiederholen sind, und auch die Smriti sagt (Bhag.
Gr. 8, 6):
. ,vDas Sein, an welches denkend er aus diesem Leibe scheidet,
„In dieses Sein wird jedesmal er drüben eingekleidet",
I und: „zur 2ieit des Todes unbewegten Geistes" (Bhag. G. 8, 10). 1075
Und auch die Stelle: „zur Zeit des Endes soll er seine Zuflucht
„nehmen zu jener Dreiheit" (Chand. 3, 17, 6) beweist, dafs noch
im Augenblicke des Sterbens etwas zu thuu übrig bleibt.
704 girlrakAHBitm&ÄBlL
Neuntes Adhiiaranam.
13. tad- ßdhigama* uttara-pürvcMtghayor a^lßsJut-vm&^/iu,
tadrvyapade^
bei seiner Erlangung ist Nichtanhaftung und Ver-
nichtung der späteren und früheren Sünden, weil
dies die Schrift besagt
Hiermit ist der Nachtrag zum dritten Adhyaya abgeschlossen,
und 68 erhebt aicK nunniebr das Nachdenken iu Betreif der Frucht
des Brahmauwissens.
Hierbei besteht zunächst die Frage, ob nach Erlangung des
Brahman die Vergehen, welche eine ihr widersprechende Ver-
geltung erfordern, zu nichte werden oder nicht. — Angenommen
&ho, 4hre Vernichtung sei nicht denkbar, ehe flie ihre Vergeltung
'^'fahren haben, weil jedes Werk in der Vergeltung seinen Zweck hat.
^Denn es besitzt, wie aus der Schrift zu erRehen, eine Vergeltung
^briugende Kraft. Würde nun das Werk, ohne seine Vergeltung er-
fahren zu haben, vernichtet, i^o wäre das Schriftwort bedeutungslos.
^Uud auch die Smriti sagt: „denn nicht zu nichte wird das Werkes'
— Aber würde in diesem Falle nicht folgen, dafs die [in der Schrill
gegebene] Anweisung zu Bufslcistungen vergeblich wäre? — ^Doch
*nicht; denn [erstlich] liefsen sich die Bufsteistungen so au(-
^fassen, dafs sie [nicht in Folge einer bestimmten Verschuldung,
^und um diese zu sühnen, sondern] auf zufallige Anlässe hin [um
'das in ihnen sich ankündigende Unheil abzuwehren] unternommen
^würden, ähnlich wie das Opfer nach dem Hausbrande [um känf-
^tigen Feuersbrünsten zu entgehen, Taitt. samh. 2, 2, 2, 5]. Femer
^aber: zugegeben, dafs die Bufslcistungen, da sie allerdings im Zu-
^samm^nhange mit einer Verschuldung v-erordnet zu werden pflegen.
*den Zweck haben, diese Verschuldung zu tilgen, so besteht doch
'für das Brahman wissen in dieser Weise eine Verordnung nicht.* —
Aber wenn man nicht zugiebt, dafs die Werko. des Brahmanwissers
vernichtet werden, so mufs doch ihre Vergeltung notwendig er-
litten werden, und folglich würde keine Erlösung erfolgen. —
4)och nicht! denn man kann ja annehmen, dal^ die Erlösung ebenso
*wie die Frucht der Werke von den räumlichen, zeitlichen und
^kausalen Bedingungen abhängig ist. Somit folgt, .dafs auch |
1076 ^nach erlangter Brahman erkenn tnis die Übertretungen liocb nicht
'getilgt sind.' — Auf diese Annähme erwidern wir: „bei seiner Er-
„langung, d. h. wenn das Brahman erlangt ist, so erfolgt ^,Nicht-
„anhaftung und Vernichtung der späteren und früheren Sünden *\
nämlich Nichtanhaftung der späteren und Vernichtung der früheren;
Süfrram IV. i. 13. 705
warunp V .,weil dies die Schrift besagt"; näsnlich sie besagt bei Be-
sprechung der Brahmanlehre , dafs der Wissende mit den zokiihf-
tigen, ihre Verbindung noch su erwarten habenden Übertretungen
diese Verbindung nicht erleidet, denn es heifst: „wie an dem
„Blatte der Lotosblüte das Wasser nicht haftet, so haftet keine
y,bose That an dem, der Solches weifs" (Chänd. 4, 14, 3). Ebenso
besagt die Schrift die Vernichtung der früher angesammelten Ver-
gehtingen: „^ie die Rispe des Schilfrohrs, ins Feuer gesteckt, ver-
„bi*ennt, so verbrennen alle Sünden desselbigen*' (Ch&nd. 5, 24, 2).
Und hier folgt noch eine Aussage über die Vernichtung der Werke
(Moip^. a, 2, 8):
„Wer jenes Höchst* und Tiefste schaut,
,,Dem spaltet sich des Herzens Knoten,
„Dem lösen alle Zweifel sicl^,
„Ond fteinc Werke werden Nichts".
Wenn hingegen behauptet Wurde, da£ft bei der Annahme einer Ver-
nichtung der Werke, ohne dafs sie ihre Frucht getragen hätten,
di(! ächriftlehre bedeutungslos werden würde, so trifft dieser Ein-
wand nicht zu; denn wir leugnen durehaas nicht die fruchtbringende
Kraft des Werke?; diese iMisteht allerdings: aber wir behaupten,
dafs dieselbe durch eine andere Ursache, %. B. durcdi das Wissen,
geüammt werden könne. Nur wenn jene Kraft thatsächlich fort-
bontünde, würde der Schriftkanon seine Geltung behalten, nicht
aber in beidep Fällen, mag sie gehemmt sein oder nicht. Und
•jh^ano ist und bleibt das erwähnte Smritiwort, wonach das Werk .
nicht z&ttiohte werden kann, | die allgemein gültige Regel; denn 1077
gewifs kann das Werk nicht zunichte werden, ehe es die Ver-
gcUung gefunden, weil es in dieser seinen Zweck hat; und gerade
darum nehmen wir an, dafs durch Bufsleistungen u. s. w. eine Ab-
tragung der Vergehen statthabe; denu: „der -überschreitet alles Böse-,
^der überaclireitet den Brahmanemnord, wer das Bofsopfer darbringt,
,,ond «uch, wer dasselbe also weifs" (Taitt. samh. 5, 3, 12, 1), —
wie Schrift und Sm^iti lehren. Wenn aber behau(>tet wurde, dafs
die Biifsleistungen so aufgefafst werden könnten, dafs sie auf zu-
fällige Veranlaasungen hin unternommen würden, so ist das nicht
tichtig; denn sie werden im Zusammenhang mit der Sünde befohlen,
die Sühnung der Sünde erfolgt als ihre Frucht, und die Annahme
^ner weiteren Frucht derselben [wie etwa der Abwehr künftigen
Unheils]* ist nnsulässig. Wenn weitei; geltend gemacht wurde, ^ dafs
das Wissen nicht in der Weise wie die Bufsleistung mit Hinweis
suf eine Tilgung der Sünde durch dasselbe anbefohlen werde,
so antwertaa wir: was zunächst die attribathaften Lehren betrifft,
30 findet sich bei ihnen allerdings eine solche Anbefehlung, und
bei ihnen wifd dann auch hinterher dem Wissenden die ]jlrlangung
bimmliecher Hertllchkeit und dif*. Vernichtung der Schuld verheifsen;
i
706 gMfAka-mtm&AsIt
nämlich ein Grund, beidoR nicht zu ^erbeifsen, besieht nicht, daher
mit Bestimratheit ausgeBprochen wird, dafs ihre Frucht erstlich in
der Tilgung der Sohuld, sodann in Erlangung der himmlischen
Herrlichkeit bestehe. In der attributlosen Wissenschaft hingegen
besteht allerdings eine Verordnung nicht, und gleichwohl steht es
fest, dafs durch die Erkenntnis, dafs man der nichthandelnde Aiman
sei, die Werke verbrannt werden; ja das Wort „NichtanhaftuBg"
t078 beweist, dafs auch in Betreff der künftigen | Werke das Thätersein
auf den Brah man wisser nicht zutrifft. Was hingegen seine ver-
gangenen Werke angeht, so trifft allerdings in Folge der falsch«'»
Erkenntnis das Thfttersein gewissonnafsen auf ihn zu; und doch
werden jene Werke bei Vernichtung der falschen Erkenntnia durch
das Wissen ebenfalls Bunichte; das besagt der Ausdruck „Vcrnii*h-
„tung". Denn der Brahmanwisser ist zu der Erkenntnis gelangt:
das Brahman, welches der von mir früher für wahr ge-
haltenen Naturbeschaffenheit des Thaterseins und Gc-
niefserscins entgegengesetzt ist und seiner Naturbe-
schaffenheit nach in aller Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft Nichtthäter und Nichtgeniofser ist, dieses
Brahman bin ich, und darum war ich weder vordem
Thäter und Geniefser, noeh bin ich es jetzt, noch werde
ich es jemals sein. Nur auf diese Weise ist die Erlösung mug-
, lieh ; denn im andern Falle würde fLir die seit endloser Zeit sich
fortsetzenden Werke nie eine Vernichtung, folglich auch nie einr
Erlösung möglich sein. Und keineswegs darf die Erlösung ähnlich
wi(* die Frucht der Werke von r¨ichen, zeitlichen und kausialen
Bedingungen abhängig gemacht werden, weil sie dann nicht ewig
sein würde, \ind weil femer dio Frucht der Erkenntnis nicht [wie
die der Weiche] erst eine jenseitige ist. Somit steht es fest, daf>>
mit der Erlangung des Brahman die Vernichtung der Übertretungen
eintritt.
J4, Uarasya api ct^am asamfleshäh. pMe tu
eV>en80 auch Nichtanbaft.ung des andern; jedoch erst
beim Dahinfallen. ,
Im vorigen Adhikara^am habeti wir uns nach Anleitung der
Schrift vergewissert, dafs für die als Ursache der Hindung be-
stehende, der Natur anhaftende Sünde vermöge der Erkenntnis
1079 Nichtanhaftung und Vernichtung eintritt. | Wie steht «^ aber nun
mit dem guten Werke? Dieses wird doch von der Schrift be-
Sfttnkm IV. I. 14. 707
fohlen und kann, 00 könnte thm denken, der gleichfalls ans der
Schrift stammenden Erkenntnis [des Atman] nicht widerstreiten.
Um diese Meinung aoszuschliefsen, folgt hier eine Erweiterung der
Regel des vorigen Adhikara^am. Auch für „das andere", d. h.
f&r das gnte Werk, gilt ebenso gut wie für das böse, dafs es bei
dem Wissenden yemichtet wird und ihm nicht anhaftet; warum?
weil auch das gute Werk eine ihm entsprechende Vergeltung be-
dingt und somit die Frucht der Erkenntnis verhindem würde.
Daher die Schrift in Worten wie: „er überwältigt beide" (Bfih. 4,
4, 22) die Vemiehtung des guten Werkes ebenso wohl wie di^ des
bösen lehrt. Denn für die Vernichtung der Werke, wie sie er-
folgt aus der Erkenntnis, dafs man der nichthandelnde Atman sei,
sind gute und böse Werke gleichwertig, und die Schrift macht
keinen Unterachied zwischen ihnen, wenn sie sagt: „und seine
„Werke werden Nichts" (Mu^d. 2, 2, 8). An den Stellen aber, wo
nur das böse Werk erwähnt wird, hat man das gute Werit als in
ihm einbegriffen au betrachten, weil auch seine Frucht, im Ver-
gleiche mit der der Erkenntnis, eine niedrige ist. Auch findet
sich in der Schrift für das gute Werk die Beseicbnung als böses
Werk; nämlich an der Stelle: „diese Brücke übersdireiten nicht
„Tag und Nacht", wird nach Erwähnung des bösen und des guten
Werkes gesagt: „alle Sünden kehren vor ihr um" (Ch^nd. 8, 4, 2);
hier wird das Wort „Sünde" ohne Unterschied auf die Torher
erwähnten Werke bezogen. — „Jedoch erst beim Dahinfallen"; —
das Wort ,gedoch" dient zur Verstärkung; d. h. nachdem in dieser
Weise festgestellt ist, dafs die guten und die bösen Werke, welche
beide die Ursache der Bindung sind, kraft des Wissens nicht mehr
anhaften und vernichtet werden, so bekräftigt der Lehrer, dafs für
den Wissenden unausbleiblich beim Dahinfallen des Leibes die Er-
lösung eintritt.
Elftes Adhikaranam.
15. anärabdha-känfe eva tu pArve^ tad-avadheh loso
die frühern [gaten unJ bösen Werke werden ver-
nichtet] jedoch nur, soweit die Wirkung noch nicht
begonnen hat; weil jenes [das Dahinfallen des Leibes]
der Termin.
In den beiden Torhergelnrnden Adhikara^a's wurde festgestellt,
dafs dureh die Erkenntnis die guten wie die bösen Werke aunichte
werden. . Bezieht sich nun dieses phne Unterschied auf solche Werke,
45*
708 gilrlrAka-inlm&n8&
deren Fracht schon hegonnen, und solche, deren Fmcbt noch nicht
begonnen hat, oder bezieht es sich speciell nnr auf diejenigen Werke,
deren Fracht noch nicht begonnen hat? das ist jetzt die Frage. —
Man könnte denken, 'weil es heilst: „er überwältigt beide'^ (Brih. 4,
'4, 22), dafs hier ohne Unterschied gesprochen werde, somit die Ver-
^nichtung ohne Ausnahme stattfinde.* — Dom entgegnet der Lehrer :
, Jedoch nur, soweit die Wirkung noch nicht begonnen hat^*; d. h. nur
diejenigen frühem Werke, mögen sie nun in einer yonnaligen Ge-
bart oder in der gegenwärtigen Gebart vor Eintritt der Erkenntnis
aufgehäuft werden, nnd mögen sie gut oder böse sein, — deren
Frucht noch nicht angebrochen ist, werden durch Erlangung
der Erkenntnis zunichte, nicht aber diejenigen Werke^ deren Wir-
kung bereits begonnen, und deren Frucht halb schon genossen ist,
auf Grund deren eben die gegenwärtige ^ der Brahmanerkenntnis
als Grundlage dienende Geburt gezimmert war. Warum dieses?
weil in cUm Worten „diesem werde ich so lange angehören, bis
„ich erlöst sein werde*' (Chänd. 6, 14, 2) das Dahinfallen des Leibes
ala Termin bestimmt wird für den Eingang in die. Ruhe. Denn
im andern Falle, wenn durch die Erkenntnis die Werke samt nnd
sonders zunichte würden, wäre für ein Fortbestehen kein Grund
vorhanden, nnd man würde sofort mit Erlangung der Erkenntnis
in die Ruhe eingehen, die Schrift aber würde nicht davon reden,
dafs der I{infall des Leibes abzuwarten sei. — 'Aber jenes die
'Werke yemichtende BewuDst^in, dafa man der nichthandelnde Ätman
'sei, wird doch. bewirkt durch das Objekt dieser Erkenntnis; wie
'kommt es daher, dafs dabei die einen Werke vernichtet werden,
'und die andern anbetroffen bleiben? Denn wenn man die Samen-
'kömer gleichmäfsig der Feuerhitze aussetzt, so kann doeh nidit
'die Keimkraft bei den einen vernichtet werden und bei den an-
1081 'dern nieht,' — | Wir erwidern: das Entstehen der Erkenntnis
kann nicht erfolgen, ohne sich auf einen Werkkomplex, dessen
Wirkung bereits begonnen hat, zu stützen. Indem es sich nun
aber auf diesen stützt, und, ähnlich wie bei der im Schwange be-
griffenen Töpferscheibe, kein Grund für eine Hemmung mitten im
Laufe vorliegt, so mufs man den Verbrauch der Schwungkraft ab-
warten. — Das Bewufstsein, der niohthandelnde Ätman zu sein,
vernichtet die Werke durch Aufhebung der falschen Erkenntnis;
wenn aber auch die falsche Erkenntnis aufgehoben ist, so besteht
sie doch, ähnlich wie der Schein, als wenn es zwei tfonde gebe
[für den Augenkrankenl, um der Läuterung (satf^kära) willen noch
eine Zeit lang fort. Übrigens ist darüber gar nicht zn rechten,
ob für den Brahmanwisser der Leib noch eine Zeit lang besteht
oder nicht. Denn wenn einer sich in seines Herzens Überzeugong
als das ßrahman fühlt, so läfst sich, wenn auch sein Leib noch
fortbesteht, doch nicht von Seiten eines andern ein Einwarf da-
gegen erheben. Eben dieses wird in Schrift und Smfiti aas-
Satram IT. i. 15. 709
gesprochen, da wo sie die Merkmale des in der Erkenntnis Festen
angeben (vgl. Bhag. G. ?, 55. Brih. 4, 4, 22)« Somit ist unanfecht-
bar, dafs nur diejenigen guten und bösen Werke, deren Wirkung
noch nicht begonnen hat, durch die Kraft der Erkenntnis zunichte
werden.
Zwölftes Adldkaranam,
16, agnihotra ' ädi tu tat-Mrydya eva^ teid-darganät
das Feueropfer u. 8. w. ist vielmehr zu ihrer Wirkung
[mitbehülf hch] , weil dies eraichtlich.
Die Regel in Betreff der Sünde wurde dahin erweitert, dafs
auch das gute Werk nicht anhafte und zunichte werde. Der Mei-
nung, aln wenn diese Erweiterung alle guten Werke betreffe, wider-
spricht der Lehrer durch die Worte: „das Peueropfer u. s. w. viel-
„mehr". Das Wort „vielmehr^* wehrt jene Meinung ab. Nämlich die
beständigen Werke, die der Yeda Torschreibt, das Feueropfer u. s. w.,
diese sind zu ihrer [der Erkenntnis] Wirkung mitbehülf lieh, d. k. 1082
die Erlösung], welche die Wirkung der Erkenntnis ist, ist augleich
lane Wirkung von ihnen. Warum? weil die Schrift sagt: „ihn
„suchen durch Vedastudium die Brahmanen zu erkennen, durch
„Opfer, durch Almosen" u. s. w. (Bfih. 4, 4, 22). — 'Aber die Er-
*kenntnis und die Werke bringen doch entgegengesetzte Wirkungen
'hervor und können mithin nicht eine und dieselbe Wirkung be-
*dingen.' — Dieser Einwand ist nicht triftig, denn auch saure
Milch und Gift, welche als Wirkung Fieber und Tod haben, können
in ihrer Verbindung mit Zucker und Zaubersprüchen als ihre Wir-
kungen Sättigung und Gedeihen hervorbringen; ähnlich kann auch
das Werk in seiner Verbindung mit der Erkenntnis als Wirkung
die Erlösung hervorbringen. — 'Aber die Erlösung ist ja gar nicht
'bewirkbar; wie kann also gesagt werden, dafs sie eine Wirkung
*der Werke sei?' — Dieser Einwand trifft nicht; indem die Werke
nur aus der Ferne dazu mitbehülflich sind. Sofern n&mlioh das
Werk zur Erkenntnis behülflich ist, kann es mittelbar auch für
eine Ursache der Erlösung gelten. Damit ist jene Behauptung,
dafs dann eine Einheit des Wirkens [von Werk und Wissen] ein-
treten würde, gegenntandlos geworden. Nämlich für den Brabman-
wisser findet in Zukunft kein Feueropfer u. s. w. mehr statt, weil
er sich als das unverpflichtbare Brahman erkannt hat, wodurch
das Gesetz gegenstandlos wird. Was hingegen die attributhaften
Lehren betrifft, so wird durch sie das Thätersein noch nicht über-
710 C:&rlraka-inlmi6tli
wanden, daher bei ihnen auch weiterhin das Feneropfer q. s. w.
stattfindet. Denn auch dieses, wenn es ohne Absicht aof Lohn
geübt wird, kann, sofern eine andere Wirknng ausgeschlossen ist,
auf das Wissen des Veda Eünflufs haben.
Aber in welohem Verhältnisse su einander stehen einerseits jenes
Wort von der Niohtanhaftong und Vexnichtang der Werke, und
anderseits wiederum jenes Wort von Direr Verwendung (lies: Mw-
vishayatK^ vä idaffk vtniyoga-vacafkam)^ welches sich bei einigen
Vedaschulen findet: „die Söhne übernehmen seine Erbschaft, die
„Freunde sein gutes Werk, die Feinde sein böses Werk'* (vgL p.
899, 7)? Darauf antwortet der Lehrer:
1083 17. ato ^nffd ^pi hi dcedidm; uhhayoh
von jenem verschieden ist, was einige erwähnen;
nach beiden.
„Von jenem" beständigen Werke, dem Feueropfer u. s. w.,
[welches zum Wissen mitbehülflich ist und für das Httributhaite
Wissen, wiewohl ohne Absicht auf Lohn, noch fortzubest^en hat]
„verschieden ist*' dasjenige Werk [des attributhaft Wissenden, vgl.
p. 899 — 909], welches von ihm mit Absicht auf Lohn geübt wird.
Dieses Werk ist es, dessen Verwendung „einige" Vedaschulen „er-
„wähnen", wenn sie sagen: „die Freunde fibernehmen sein gutes
„Werk" (p. 899, 7). Und gerade auf dieses [nicht von egoistischer
Absicht freie] Werk bezieht sich die Theorie von der Nichtanhaf-
tung und Vernichtung dieses guten Werkes so gut wie des hosen,
worüber die Worte handeln: „ebenso auch Nichtaohaftung de« an-
„dem" (Sütram 4, 1, 14)* In dieser Weise' besteht hinsichtlich
dieses zweckbegehrlichen Werkes darüber, dafs dasselbe zum Wissen
nicht mitbehülflich s^, Einverständnis zwischen „beiden" Lehrern,
Jaimini und B&dar&ya^a.
Dreizehntes Adhikaranam.
18. 'yud eva vidpayd\ iti 1U
denn es heilst: „was er durch das Wissen" . . .
Mit Recht ist durch das vorige Adhikaranam festgestellt worden,
dafs die ständigen Werke, Feneropfer u. s. w., wenn üiie von dem
nach Erlösung Trachtenden mit Absicht auf die Erlösung geübt
Sutram IV. i. 18. 711
werden, als Tilgangsmittel der auf ihn goladoucii Vergehen, indem
610 Ursache werden für eine Läuterung des Wesens, die die Kr^
lösung Lewirkende Brabm Anerkenntnis bedingen und iusufern mit
dem Ifirabmanwissen zu derselben Wirkung beitragen. — Nun kann
das Feueropfer u. s. w. so geübt werden, dafs es mit dem auf den
.botreffenden Werkteil sieh stützenden Wissen verbunden ist, oder
auch HO, dal« es für sich allein fohne das Wiesen] besteht. Denn
es heifst: „wer also wissend opfert"; — uWer wissend das Opfer
„bringt"; — jfWer also wissend lobsingt"; — i,wer also wissend
„den Udgitha singt"; — „darum soll man nur einen Solches Wissen-
„den zum Brahman-Priester machen" (Ch4nd. 4, 17, 1); — „darum
„thun beide das Werk, der Solches weifs'nnd der es nicht weif»"
(Ghand. 1, l^ 10); — nach diesen Worten kann das Werk mit'
Wissen verbunden od^ auch ohne dieses sein. Nun fragt sich,
ob es nur das mit Wissen vei*bundene, nicht das blofse Werk des
Feueropfers u. s. w. ist, welches bei dem. nach Einlösung Trachten-
den eine Ursache des Wissens bildet, und dadurch mit diesem zur
selben Wirkung behülflich ist, oder ob, ebenso wohl Wie das mit
Wissen verbundene Werk, auch das blofse Werk hierzu dienlich
istV I Woher diese Frag%? Weil einerseits in den Worten: „diesen jOS4
„Atman suchen sie zu erkennen durch Opfer" (vgl, Brih. 4, 4, 22)
die Opfer u. s. w. olme Unterschied als Mittel der Erkenntnis des
Brahraau genannt werden, anderseits hingegen (Ghänd. 1, ], 10)
ein Vorzug des mit Wissen verbundenen Feueropfers u. s. w. her-
vorgehoben wird. — Angenommen also, *nur das mit Wissen vör-
^bundenu Werk des Feueropfers u. s. w. sei als Ergänzung des
^Wissens vom Atman zu betrachten, nicht das vom Wissen ent-
^blöfste, weil feststeht, dais das mit Wissen behaftete vor dem
vont Wissen entblöi'sten Werke den Vorrang hat; denn die Schrift
^sagt: „an welchem Tage er opfert, an diesem Tage wehret den
*., Wiedertod ab wer Solches weifs" (Brih. 1, 5, 2), und die Smrtti
*sagt (Bhag. 0. 2, 39.49):
'„Mit dieser Einsicht ausgerastet
'„Verlälst der Werke Bindung er." —
S,Weit tiefer steht als Geistes Andacht,
'„0 Siegesheld, das niedVe Werk".'
— Auf diese Annahme erwidert der Lehrer: „denn es heifst: was
„er durch das Wissen . . ."; d. h. : es ist richtig, dafs dun mit
Wissen verbundene Werk de^ Feueropfers u. s. w. vor dem vom
Wissen entblöfsten Werke des ^eueropfers u. s. w. den Vorzug
hat, ähnlich wio eifi wissender Brahmane vor einem unwissenden
Mrahmanen. (rleichwohl aber ist auch das dos Wissens ermangelnde
Work des Feueropfers u. s. w. nicht ohne alle Beziehung [auf die Er-
lösung]; warum? weil in der Stelle: „die^fen Atman suchen sie durch
Opfer zu erkennen'' (vgl. Brih. 4, 4, 22) das Feueropfer u. s. w.
712 C^riraka Dilmfi^uaA
ohne nähere Bestimmung als eine Ursache des Wissens erw&hnt wird.
— *Aber da es doch feststeht, dafs das mit Wissen vorhundene
Teueropfer u. s. w. vor dem yom Wissen onibldfstcn den Vorzug hat,
'so kann dieser füglich doch nur darin bestehen« dafs das des Wis-
'sens ermangelnde Feueropfer u. s. w. als Ursache des Wissens vom
'Ätman nicht in Betracht kommt.' — Dem ist atchl so ! denn wesus-
schon dem vom Wissen begleiteten Feoeropfer u< s. w., weil as ein«
gröfsere F&higkeit besitzt, das Wissen zu yeranlassen) in Besag
auf die Erkenntnis des Atman natürlich eine gröfsere KausalitSt
1085 zuerkannt werden mufs, welche in dieser Weise | dem vom Wissen
entblöfsten Werke füglich nicht beiwohnen kann, so sagt doch dit
Schrift in den Worten: „sie suchen durch Opfer zu erkennen 'S
, dafs das Feueropfer u. s. w. ohne n&here Bestimmung zum Wiaaen
des Atman beiträgt, daher es nicht davon ausgeschlossen werden
darf. Denn in diesem Sinne sagt auch die Schrift: „was ar durch
„das Wissen vollbringt, durch den Glauben, durch die Upanialiad,
„das ist wipkungskrä^iger" (Ch&nd. 1, 1, 10); wenn hier dem mit
Wissen, verbundenen Werke des Feueropfers u. s. w. durch seine
Bezeichnung als „wirkung8kräfti«rer*^ ein Vorrang in Bezug auf die
betreffende Wirkung zuerkannt wird, so liegt darin doch, dafs eben
dasselbe, auch wenn es des Wissens ermangelt, zu diesem Z^fecke
wirkungskräftig ist. Die Wirkungskraft des Werkes aber besteht
diirin, dafs es den auf diesen Zweck gerichteten Mitteln sich zu*
gesellt. Somit ist beides, das mit Wissen verbundene regnlire
Feueropfer u. s. w. und das des Wissens ekiuangelnde, wenn* es
von dem nach Erlösung Trachtenden mit Hinblick auf die Erlösung
als Zweck hier in diesem Leben oder in einem andern vor Auf-
gang der Erkenntnis betrieben wird^ je nach seiner Fähigkeit, da-
durch, dafi es die als Hindemisse der Brahmfmerkenntnis au%ela-
Jenen Verschuldungen tilgt, zu den Ursachen der Brahmanerkcnotnis
zugehörig und wirkt, weil es als integrierendes Glied in der Kette
der Ursachen dos Hörens, Überdenkens, Glaubento, Meditierens« Hin-
gegebensei ns u. s. w. vorkommt, mit der Brahmanerkenntnis zu
einem und demselben Zwecke zusammen, das steht fest.
Vierzehntes Adhikaranam,
19. bhogena tu itare hshapayiiva^ sampadyate
durch den Genufs aber die andern aufgebraucht habend,
geht er ein.
Die guten und bösen Werke, deren Wirkung noch nicht be-
gonnen hat, werden, wie wir zeigten, durch die Kraft des Wissens
Sütranj lY. i. 19. 7X3
zunichte; ,,dio andern*^ guten und böseh Werke hingegen, deren
Wirkung bereits angebrochen war, müssen erst nach und nach
durch den Genufs „aufgebrancht" werden, worauf dann der Ein-
gang in Brahman stattfindet; | denn die Schrift sagt: ^diesem werde 1086
,,ich nur so lange angehören, bis ich erlöst werde, alsdann werde
„ich heimgehen** (Chllnd. 6, 14, 2) und: „Brahman ist er, und in
„Brahman löst er sich auf* (Brih. 4, 4, 6). — *Aber ist nicht zu be-
'corgen, dafs die Anschauung der Vielheit, wenn sie, ähnlich wie die
* Anschauung der zwei Monde, bis zum Dahinfalle des Körpers trotz
*der eingetretenen vollkommenen Erkenntnis fortbestand, ebenso
*gut auch nach dem Tode noch sich fortsetzen wird?* — Mit
nichten! weil kein Orund dazu vorhanden. Dort nämlich lag der
Grund ihres Fortbestehens in der Notwendigkeit, den letzten Rest
des Genusses aiiCzobrauchen, hier aber findet etwas derartiges weiter
nicht mehr statt. — 'Aber könnte nicht ' eine * neue Ansammlung
*von Werken stattfinden, welche einen abermaligen Genufs bedingen
Svürde?' — Neint weil der Same der Werke verbrannt ist. Denn
nur wo eine falsche Erkenntnis zu Grunde liegt, werden die wei-
teren Werke einen abermaligen Genufs' nach dem Dahinfalle des
Leibes bedingen; wo aber diese falsche Erkenntnis durch die voll-
kommene Erkenntnis verbrannt worden, da mufs unweigerlich nach
Verbrauch der bereits angebrochenen Wirkungen für den Wissenden
diu Absolutheit eintreten.
So lautet in den KouMtntare sar erlaaehten {^^rirakm-mtmÜMy dem Werke der
v«relirtfixgtwardi|seB Pttfi« d«B erUuchteu CaUkara^ im rierten AH/tydyn der erste Padu.
Des Tierten Adhyftya
ZWEITER PADA,
Oai Ytrehnrng dem nöelitteA Atm«at
ErHes Adhikarai%am.
1087 1. vän manasi^ dargandc chabdäc ca
die Bede in das Manas^ wegen der Erfahrung und
wegen des Schriftwortes.
Nnn gebt der Lehrer dazu über, in der niedern [exoteri-
sehen] Wissenschaft den zur Erlangung der Fracht führenden
Götterweg zu beschreiben, and legt zunächst an der Hand der
Schrift die Hexyftnge beim Aaszage der Seele dar; denn der Aas-
zag i«t, wie wir sehen werden, ftr den {esoterisch] Wissenden
und Kichtsrissenden derselbe.
Eine «nf das Sterben bezügliche Schriftstelle sagt: „Wenn
,,nao, o Teurer, der Mensch dahinecheidet, so gehet die
,,Rede ein in das Manaz, das Manas itk den Prt^a (Leben),
,,der Pr&i^a in die Glut, die Glut in die höchste Gott-
,,heit^^ (Chllnd. 6, 8, 6). Wird hier von einem Eingehen der Rede
selbst mitsamt ihrer Verrichtung in daz Manas geredet, oder nur
von einem solchen der Yerrichtong der Rede? di^ ist die Frage.
— Angenommen also, 'die Rede selbst gehe in das Manaa ein;
^denn so wird dem Wortsinne der Schrift Genüge geleistet) and
'im andern Falle würde ein uneigentlicher Sinn anzundunen sein;
'bei einem Zweifel aber, ob ein Schriftwort eigentlich oder an-
SAtram IV. n. 1. 715
^eigentlich zir nehmen sei, yerdient der eigentliche Sinn den Vor-
'zttg. Somit läge hier ein Untergang der Rede selbst ( in das 1088
'Manaa vor/ — Auf diese Annahme erwidern wir: es ist vielmehr
nur die Funktion der Rede, welehe in das Hanas eingeht. -—
'Aber vrie kann man es von der Funktion der Rede erklären, wenn
*doch der Ldirer sagt „die Rede in das Manas*'?* — Das ist wahr,
aber weiter unten wird er [von dem Erlösten] sagen: „Ungeteilt-
„heit, weil sie es sagt'* (Sütram 4, 2, 16); folglich ist anzunehmen,
dafs hier [wo von dem nicht Erlösten die Rede ist] nur ein zur-
Kuhe-Konmen der Funktion gemeint sei. Denn wäre eine Ver*
nichtung der Wesenheit gemeint, so würde jene „Ungeteiltheit"
gleichermafsen bei allen eintreten, und es wäre nicht einzusehen,
warum weiter unten die Ungeteiltheit [bei dem Erlösten] besonders
hervoiig^oben würde. Somit geht die Meinung hier auf ein blofses
Einziehen der Funktion; die Funktion der Rede wird zunächst ein-
gezogen, während die Funktion des Manas noch fortbesteht, das
ist der Sinn. Warum? „wegen der Erfahrung"; nämlich die Er-
fahrung zeigt, dafs die Funktion der Rede schwindet, während die
Funktion des Manas noch fortbesteht; hing^en kann keine Erfah-
rung jemals zeigen, dafs die Rede selbst mitsamt ihrer Funktion in
das Manas eingezogen werde. — 'Aber wir sagten doch, dafs man
*um des eigentlidben Sehriftsinnes willen einen Eingang der Rede
'selbst in das Manas annehmen müsse.' — Nein! sagt der Lehrer,
weil sie aus ihm nicht entstanden ist. Denn nur worauf etwas ent-
standen ist, darein kann es wieder vergehen, wie das Gefäfs in
den Thon; es läfst sich aber nicht erweisen, 'dafs, die Rede aus
dem Manas entstanden sei. Hingegen ein Hervortreten und Zurück-
treten der Punktion eines Dinges läfst sich auch da beobachten, wo
dasselbe nicht entstanden ist, wie z. B. das glutartige Feuer seiner
Funktion nach entsteht aus dem erdartigen Brennholze und wie-
derum vergeht | in das Wasser. — *Aber wie kann dabei das 1089
'Schriftwort bestehen: „die Rede gehet ein in das Manas"' (Chänd. 6,
8,6)? — Der Lehrer antwortet: „und wegen des Schriftwortes";
d. h. auch das Schrifkwort verträgt sich mit dieser . Annahme , so-
fern in ihm die Funktion und der Träger d^ Funktion als eine
Einheit behandelt werden.
2. ata^ eva ca sarväni anu
»
und aus demselben Grunde alle zu ihm.
Die Schrift sagt: „darum, wenn sein Glanz erloschen, so gehet
„er zur Wiedergeburt mitsamt den in das Manas eingegangenen
„Sinnen" (Pra9na 3, 9); hier wird gelehrt, dafs alle Sinne ohne
Unterschied in das Mauas eingehen. Somit hat man „aus dem-
716 Qäriraka-mlm&nsä
„selben^* obigen „Grunde*^ anzuuehmeit, dafs cbensor wie die B«dt:
auch das Auge u. s. w., während das Manas mitsamt seinei
Funktion noch fortbesteht, dafs somit sämtliche Sinnesorgane, da
die Erfahrung nur eine Unterbrechung del* Funktionen zeigt, da
eine Vernichtung der Wesenheit nicht angeht, und da auch das
Schriftwort dazu stimmt, — nur ihrer Funktion nach in das Manas
eingehen. Obgleich also sämtliche Organe in gleicher Weise in
das Manas hereingezogen werden, so wird dies bei der Bede doch
noch besonders hervorgehoben, dem Schriftcitate eu liebe, welches
sagt: „die Rede gehet ein in das Manas" (Chänd. 6, 8, 6).
. 2jweit€s Adhikaranam.
3. tan manah präna\ uttarät
dann das Manas in den Präna, wegen des folgenden.
Wir erkannten, dafs in den Worten: ,)die Rede gehet ein in
„das Manas^S nur ein Eingehen der Funktion gelehrt werde. Wie
steht es nun mit dem weiteren Worte: „das Manas in d^i Präna
1090 }}(das Leben)" (Ch&nd. 6, 8, 6); ist | auch hier nur von einem Gin-
gehen der Funktion die Rede, oder von einem Eingehen des
Trägers der Funktion? — Man könnte denken, ^dafs hier ein Ein-
'gehen des Triers der Funktion anzunehmen sei, weil damit dem
'Wortlaute der Schrift gentigt wird , und weil hier das eine aus 'dem
'andern wirklich entstanden ist. Denn die Schrift sagt: „nahrungsartig
^„ist, o Teurer, das Manas, wasserai^g der Pr4na" (Chänd. 6, 6, 5);
'hiernach hat das Manas zum Ursprünge die Nahrung, und der
'Präna zum Ursprünge das Wasser, aus dem Wasser aber ist anderseits
'auch nach der Schrift die Nahrung entstanden (vgl. Chänd. 6, 2, 4).
'Wenn also das Manas in den Präna sich auflöst, so löst sich da-
'mit die Nahrung in das Wasser auf, denn das Manas ist Nahrung,
'und der Prä^a ist Wasser, indem das Umgewandelte von seinem
'Urstoffe nicht verschieden ist*. Auf diese Annahme erwidern wir:
auch jenes Manas, welches die Funktion der äufseren Sinne in sich
aufgenommen hat, löst sich selbst nur seiner Fubktion nach auf,
lind zwar in den Präna, wie sich „wegen des folgenden" Schrift-
Wortes [Chänd. 6, 8, 6: „das Manas in den Präna"] ergiebt. In
dieser Weise zeigt nämlich [auch] die Erfahrung, wie bei dem Tief-
schlafenden und Ohnmächtigwerdenden (lies : mumurkshos) , die
Funktion des Präna, deren Wesen in der Belebung {parispanda)
besteht, noch fortdauert, während die Funktion des Manas u. s. w.
zur Ruhe kommt. Es ist aber nicht möglich, dafs das Manas
selbst seinem Wesen nach in den Präna eingehe, weil es aus diesem
nicht entsprungen igt. — 'Aber wir zeigten ja, dafs das Manas auf
SÄtram IV. ii. 3. 717
'dem Prftna entsprungen seil' — Das hält nickt Stich. Penn wegen
eines solchen mittelbaren Entspningenseins aus ihm kann das. Manas
nicht in den Prana eingehen; denn sonst müfsten auch das Manas
in die Nahrung, und die Nahrung in das Wasser, und endlich gar
der Prima in das Wasser eingehen. — Auch ist bei jener Behauptung
durchaus kein Beweis dafär Yorhanden, dals das Manas gerade aus
demjenigen Wasser, welches in das Sein des PrUna umgewandelt
wurde, entstanden sei. Somit kann das Manas nicht seinem Wesen
nach in den Präna eingehen. Denn auch wenn es nur seiner |
Funktion nach in den^ielben eingeht, geschieht dem Schriftworte 1091
Genüge, welches, wie wir zeigten, hier die Funktion und den Träger
der Funktion als eine Einheit behandelt.
Diiites Adhikatanam.
4. SO ^dhyakshe, tad-upagama'ädiibjfah
er in dem Aufseher, wegen der Scharang zu ihm u, s. w.
Wir haben festgestellt, dafs ein Ding in da^nige, woraus es
nicht entsprungen ist, nur seiner Funktion nach» nicht seinem Wesen
nach vergehen kann. — Wir kommen nun zu den Worten „der Pr&na
„in diq Glut" (Ch4nd. 6, 8, 6), und es ist zu untersuchen, ob, wie
die Schrift es sagt, der Prona seiner Funktion nach wirklioh in
die Glut selbst hineingezogen wird, oder vielmehr in die als ,yAuf-
„seher** in dem Käfige des Leibes und der Organe waltende indivi-
duelle Seele. — Man könnte denken, 'dafs der Eingang so sei, wie
4hn die Worte „der Pr&na'in die Glut" angeben, da durch das
'Schriftwort dem Zweifel eine Grenze gesetzt wird, und die Au-
fnahme eines nicht Schriftgemäfsen unberechtigt sein würde.' —
Auf diese Annahme versetzt der Lehrer: „er in dem Aufseher";
d. h. er, der Pr&na, von dem die Rede ist, besteht fort in dem Auf-
seher, d. h. in dem mit den Up&dhi's des Wissens, der Werke
und der Vorwissenheit (Brih. 4, 4, 2) behafteten Erkeuntnis-Selbstei.
indem dieses das Substrat für die Funktionen des Pr^na bildet.
Warum? „wogen der Scharung zu ihm u. s. w."^ nUmlich eine an-
dere Schriftstelle sagt: „also auch scharen zur Zeit des Endes zu
„der Seele alle Lebensorgaue sich zusammen, wenn es so weit ist,
,^dafs einer in den letzten Zügen liegt" (Brih. 4, 3, 38); hierin ist
gesagt, dafs alle Lebensorgane ohne Unterschied sich zu dem Auf-
seher scharen. Und speciell heifst es noch: „indem sie auszieht,
„zieht der Pr&na mit aus" (Brih. 4, 4» 2), d. h. der Prllna mit seinen
fünf I Funktionen schart sich zu dem Aufseher, und die übrigen 1092
folgmi ihm darin, denn es heifst: „indem der Präna auszieht, ziehen
„alle Lebensorgane mit aus" (Brilt 4, 4, 2); und wenn die Schrift
71^ gidraka-mtmi&ilk
eben daaelbat Mgt: ,»tie [die Seele] ist von Erkenntnisart, [und
. „was Ton ErkenntniBart ist, siebet ibr nacb]'S so lehrt sie liier,
d&fs der „Aufaeher*' aeinem innem Wesen nach von Erkenntnisart ist,
irod dafs darum in ihm der Pr&^a, in welchen die Schar der
Organe [Manas u. s. w.] eingegangen ist« seinen Standort nimmt. —
'Aber e^ heifst doch: „der Prft^a in die Glut" (Chänd. 6, 8« 6);
'wie kann man also hier nodi ein weiteres Olied einschieben und
<aageu, der Pr&na gßhe in den Aufseber ein?' — • Dies ist unbe-
denltUeh, weil die Vorginge d^ Ausaiehens u. s. w. [selbstver-
ständlich] den Aufseher ale ihr Subjekt haben, und weil auch die in
andern Schriftstellen vorkommenden Bestimmungen zu beracksicb«
tigen sind. — 'Aber wae bedeuten dann die Worte: „der Prans
S,in die Glut" (Chftnd. 6, 8, 6)?* — Der Lehrer antwortet:
5. hhAt^hUj atäk'Qruteh
in dl.3 Elemente, wegen des weitern Schriftwortes.
Der mit dem Prftna verbundene Aufseher nimmt Plata [in dem
,.feinen Leibe", d. h.] in den die Glut unter sich begreifenden
Elementen, wie sie, als feine, den Samen des I^eibes bilden; so ist
es „wegen des weitem Schriftwortes", wonach „der Pra^a in die
„Glut" eingeht, anfsufassen. — *Aber auch dieses Wort redet doch
'nur davon, dafs der Pr&na, nicht aber der mit dem Prftna ver-
1003 'bundene'l Aufseher in der Olut'Plata nehmet -*- Das schadet
nicht, , indem man nach den Worten: „er in dem Aufseher^'
(Sütram 4, 2, 4) noch den Aufseher zwischeneinschi^ben mufs.
Denn wer von Qrughna nach Mathurft geht und dann von Mathura
nach PA^liputram, von dem kann man sagen, dafs er von Qrughna
nach PÄtalipatram gehe« Somit bedeuten die Worte „der Prllna
„in die Glut", dafs eben der mit dem Prftna verbundene Aufeeher
in den die Glut in sicia begreifenden Elementen seinen Sita nehme. —
'Aber wie kann man von den die Glut iu sich begreifenden Ele-
'menten reden, da doch die Schrift in dem Worte „der Präna in
S,die Glut" nur die Glut allein erwähnt? — Der Lehrer antwortet:
6. na ekasminy dar^ayato hi
nicht in dem einen; denn beide beweisen^ —
Nicht in dem einen Element der Glut allein niount die Seele
in der Weile bis cur Erl&ngung eines neuen Leibes ihren Sita,
weil dieser Leib ein Produkt verschiedenartiger 'Elemente ist; denn
diesea „beweisen beide", die Frage und die Antwort, in der SteHe
von den Wassern, die mit Menschenstimme reden (Ch&nd. 5, S, ^^
SAtram fV. u. 6- 719 -
w^ie wir dicB sahen bei den "Worten: „vielmehr weg«n der Drer-
j^wesenheit, wegen des Überwiegers'* (Sütrucn ^, l, 2). Und auch
die Schrift und die Smriti „beweisen beide-' eben diesoa; die Schrift
in den Worten: „bestehend aus Erde^ aus Wasser, fu.j Wind, aus
,, Äther, aus Feuer'* (Brih. 4, 4, 5); und die Smriti, wenn sie sagt
(Manu 1, 27): ..Die schwindend kleinen Quanta der Halbzehne,
„durch die entstehet alles nach der Orduung." — *Aber lehrt nicht
'für jene Zwischenzeit, in wtjlcher bis zur Erlancung eines neuen
^i^eibes die Organe des Leibes u. s. w, eingezogen sind, | ein anderes 1094
•Schriftwort: „wo, ist dann dieser Geist" u. s. w, (Bfih. 3, 2, 13),
tlah in ihr [auch] die W(>rke als dos Substrat dienen, indem es
dabei .heifst: „und was sie sprachen das war Werk, und was sip
,,prie«ffn, das war Werk'^V — Wir erwidern* dort wurden die
Werke als Substrat genannt, weil es sich durum handt^lte, die
Bindung [der Seele] durch die als Halter und Gegenhali«^r (Brih. 3, 2)
bezeichneten Organe und Sinuendinge zu erklftreu, kior hingegen
werden die Elemente als Substrat bezeichnet, sofern an? ihnen
der neue Leib sich aufbaut. Der Ausdruck „und was sie priesen''
an jener Stelle weist darauf hib, dafs die Werke nur das Uanpt-
substi'ai sind, ohne dafs dieselben ein zweites Substrat aussehluHsen/
daher kein Widempruch vorliegt.
Viertes Adhikaranam,
7. samänä ca ä-sriti-tqxxJcramdd ; amrUäl'mf ca anapa-
ushya
<kr gleiche bis zum Antritte des Weges; auch ist es
nur diejenige Unsterblichkeitj bei der noch nicht ver-
brannt.
Ist dieser Anssug fiir den [exoterisch] Wissenden und den
Nichtwipsenden der gleiche, oder ein verschiedener? — Ind<>in man
hierüber hin und her zweifelt, konnte man denken, 'er sei für
'beide verschieden. Nämlich jener Auszug hat als Merkmal, dafs
*seiu Substrat die Kiemente sind; die Elemente aber dienen als
'Substrat zum Zwecke der Wiedergeburt., und diese Wiedergebutl
'i^Ut bei dem Wissendon fort, denn die Schrift lehrt, Jafs der
'Wissende die Unsterblichkeit erlange. Somit bezieht sich der Aus-
zug nur auf den NichtwisseodenV — Aber niufs er «ich nicht,
weil er in einem von dem Wissen handelnden Abschnitte vorkommt,
[auch] auf den Wissenden beziehend' — 'Doch nicht: denn er wird
720 Q&rlraka-mlmJ^Äli
1095 ^ähnlich wie der Schlaf und anderes nur gelegentlich | erw&hni»
^Denn wie in den Worten: „wenn nämlich dieser Mensch schl&ft, . •
SjWenn er essen will, . . wenn er trinken wilP' (Ch&nd. 6| 8» 1 — B%
^der allen lebenden Wesen gemeinsame Schlaf n. s. w« erwftimt
'wird, obgleich der Abschnitt vom Wissen handelt, weil jene Dif^e
*mit der Darlegung dessen, was gelehrt werden soll, zosammen-
*hängen, nicht aber, als wenn sie als fUi: den Wissenden charak-
'tdristisch gelehrt werden sollten, ebenso wird auch hier der Ans-
'zug, welcher sich nur auf die Masse der Menschen im allgemeinea
'bezieht, erw&hnt, indem die Absicht besteht, jene höchste Gottheit,
*in welche die Glut des dahinscheidenden Menschen eingeht, als
'die Seele und a^s das Reale (Ch&nd. 6, 8» 7) kennen zvl lehren,
'während doch bei dem Wissenden jener Aussug gar nicht statt-
'findet. Somit ist er nur auf den Niohtwissenden m besiehen/ —
Auf diese Annahme erwidern wir: jener Auszug, bei welchem die
Kede in das Manas u. s. w. eingeht, mufs ,,bis zum Antritte jdes
^Weges" hin als „der gleiche^' für den [exoterisch] Wissenden und
Nichtwissenden anerkannt werden, weil die Schrift beide nicht
unterscheidet« Nämlich der Niohtwissende geht in' die den Samen
des Leibes bildenden Feinteile der Elemente mn, um ton seinen
Werken begleitet weiter zu wandern and eine netie Yerleiblicbniig
zu erdulden; der [esoterisch] Wissende hingegen gabt zu der
von der Erkenntnis ihm gezeigten Erlösung, welche die [Kopf-]
Ader als Ausgangspforte hat, hin [wenn nicht vielmehr zu lesen:
juana-prakä^iam mürdha-ftä^i'ilvdra^ vgl. p. 1104, 13], daher die
Bestimmung lautet: „bis zum Antritte des W^es [ist der Auszug
„gleich].*' — 'Aber der Wissende soll doch die Unsterblichkeit er-
gangen; und diese ist doch nicht durch eine Ortsveränddiiuig be-
'dingt; wie kann er also in die Elemente eingehen oder den Weg
'antreten?^ — ^ Wir erwidern: es ist nur diejenige [Unsterblichkeit],
„bei der noch nicht verbrannt"; d. h. weil der [exoterisch] Wissende
noch nicht die Beschwerungen (kleca^ S. 666) des Nichtwissens n. s. w.
völlig verbrannt hat, indem er eben nur das niedere Wissen be-
1096 sitzt, deswegen kann er nur zu einer relativen | Unsterblichkeit
gelangen, bei welcher der Antritt des Weges und der Eingang in
die Elemente notwendig ist; denn ohne ein Substrat ist der Hin-
gang der Lebensorgane [zur Unsterblichkeit] nicht möglich; daher
die Sache in Ordnung ist.
Sütram IT. ii. 8. 721
Fünftes Adhikara^tam»
8. tad A-apUehy samsära-vyapadegat
dieser bis zum Eingange, wegen der Aufzeigung des
Samsära.
Wenn es weiter heifst: „die Glut in die höchste Gottheit"
(Chänd. 6, 8, 6), so bedeutet dies noch dem Zusammenhange der
Stelle, dafs die vorerwähnte Glut, begleitet von dem Aufseher, dem
Präna und der Schar der Organe, und verbunden mit den andern
Elementen, [dafs also die ganze Seele] des dahinscheidenden Menschen
in die höchste Gottheit eingeht.. Aber welcher Art ist dieser
Eingang? das ist zu überlegen. — Man könnte meinen, *es sei
*eine definitive Auflösung des eigenen Wesens in der höchsten
^Gottheit; denn weil dasselbe aus ihr entsprungen ist, läfst sich
Mies denken; nämlich der Ursprung alles Entstandenen, körperlich
'Gewordenen, ist, wie wir festgestellt haben, die höchste Gottheit;
'ond somit wäre auch dieser Eingang in die Ungeteiltheit ein
definitiver.' — Darauf erwidern wir: „dieser** aus der Glut u. s. w.
gebildete feine I^eib, wie er der Träger der Organe, Ohr u. s. w.
ist, bleibt „bis zum Eingänge*', bis zur Erlösung vom Samsära, wie
sie die Folge der vollkommenen Erkenntnis ist, bestehen; „wegen
„der Aufzeigung des Samsära**, wie sie in den Worten geschieht
(Käth. 6, 7):
„In einen Mutterschofs die einen eingeh'n,
„Verkörpernd sich zu neuer Leiblichkeit,
„In eine Pflanze mOsscn andre fahren,
„Je nach dem Werk, je nach dem Schriftgebrauch."
Denn sonst würde für jeden das blofse Sterben eine Vernichtung
der Upadhi^s und ein definitiver Eingang in das Brahman sein;
dann aber wäre der Gesetzeskanon zwecklos, | und ebenso der ^^^'^
Kanon des Wissens. Aber die Bindung hat ihren Grund in der
falschen Erkenntnis, und kann daher nicht anders als durch die
vollkommene Erkenntnis gelöst werden. Darum ist, trotz des
Ursprunges aus ihm, dieser Eingang in das Seiende, ebenso wie
der beim Tiefschlafe und Weltuntergang, ein solcher, bei welchem
ein Samen übrig bleibt und fortbesteht.
A sukshmam pranUma-tag ca, tathä-upalabdJ^eh
und zwar ein feines, dem Beweise nach fQaiikara liest:
parimänataSy dem Umfange naöhj, weil man ihn als
Bolchen ersieht.
Jenes Substrat der aus diesem Leibe auswandernden Seele,
welches aus der mit den übrigen Elementen verbundenen Glut be-
Diutsm, Vedftnta. 46
722 g&rtraka-mlm&Asi
Btebt, mufs seiner Natar nnd seinem Umfange naeh ein feinaa sein.
Denn in dieser Weise wird seine Feinheit ersehen ans den Schrift-
steilen, welche Ton dem Anssuge durch die Adern handeln, nnd
andern; dabei beruht auf seiner Ausgedehntheit (tanutvam) die
Möglichkeit seines Fortziehens, und auf seiner Subtilit&t (svacehatvam.
eigentlich Durchsichtigkeit) beruht es, dafs ihn kein Hindernis hemmt.
Aus demselben Grunde vrird er bei seinem Ausauge aus dem Leihe
von den Umstehenden nicht wahrgenommen (vgl. S4tram 2, 4, 7)
10* na upafnardena atah
darum nicht durch Zerstörung.
Darum auch, wegen seiner Feinheit, kann, wenn der grobe
Leib durch Brennen u. s. w. serstört wird> der andere, der feine
Leib, nicht mit zerstört werden.
11. asya eva ca upapatter esha ushmä
sein auch nur ist, wegen der Möglichkeit, jene W&nne.
Sein ist, d. h. dem feinen Leibe gehört auch jene W&rme, weldie
man bei Berührung des lebendigen Leibes empfindet. Dazu stimmt
109S dafs im Zustande des Todes, während | der Leib noch besteht, und
die Qualitäten des Leibes, Gestalt u. s. w., noch vorhanden sind,
jene Wärme nicht mehr wahrgenommen wird, Tielmehr nur so lange
wahrgenommen wird, wie das Leben besteht. Hieraus folgt, dafi
jene Wärme durch etwas bedingt sein muTs, welches von dem ge-
wöhnlichen Leibe verschieden ist. Darum sagt die Schrift: „warm
„ist er, solange er lebt, kalt wenn er stirbt*' (C^^P* ^i*- Si 7, 2, 1 1).
* Sechstes Adhiiaranam^
12. ^pratishedhädy üi cen? na! ^^irät'
'wegen der Verneinung, meint ihr? Nein! aus dem
Verköi'perten.'
Aus der Bestimmung: „auch ist es nur diejenige Unsterblicb-
„keit, bei der noch nicht verbrannt** (Sütrain 4, 2, 7) ergiebt sich.
SAtram IV. ii. 12. 723
dafs bei dei* absoluten Unftterblicbkeit [decr ««oterisch Wiasenden,
von dem hier 4, 2, 12 — 16 cpifiodisch gebandelt wird] ein Hin-
gehen oder Auaziehen nicht mdglidi ist. Und die Meinung, dafa
auch hierbei aus irgend einem Grunde der Auszug möglich sei,
wird Ton det Schrift Terneint in den Worten: „Nunmehr Ton dem
„Nichtverlangenden. -^ Wer ohne Verlangen , frei von Verlangen,
„gci?tillten Verlangens, selbst sein Verlangen iei, dessen (tasya)
„Lebensgeister sieben nicht aus; sondern Brahman ist er und in
„Brahman löst er sich auf^ (Brih. 4, 4» 6). — ^Aber meint ihr
'vielleicht wegen dieser, auf die höhere Wissenschaft besüglichen,
^Verneinung [des Auszuges], dafs die Lebensgeister dßs [esoterisch]
'das höhere Brahman Wissenden gar nicht au^ dem Leibe ane-
rzögen, so müssen wir das dienn doch beetreiten; denn jene Ver-
'iieinuDg des Auszuges der Lebensgeister verneint nnr den Auszug
'derselben aus der verkörperten Seele, nicht aber den aus
'dorn Körper; denn dies ergibt sich daraus, dafs in der Parallel-
'stelle einer andern Q&kh& [n&mlich bei den M&dbyandina's] der
'Ablativ steht, und es heilst: „aus ihn^ (tasm&t) ziehen die Lebens-
Sfgeister nicht aus" (Qatap. br. 14, 7, 2, 8). ' Namlioh d^ nur eine
'Beziehang im allgemeinen ausdrftokende Genitiv (tüsya) wird hier
'durch den in der andern Q4kblk sich findenden Ablativ (tesfikit}
'zu einer speciellen Beziehung pr&cisiert, und der Ausdn^k „aus
'„ihm'* (tasfndt) inufs, | weil von ihr die Rede ist, auf die aum 1099
'Aufschwünge und zur Seligkeit berufene ^Tr&gerin des Leibes be«
'zogen werden, und nicht auf den Leib selbst, und der Sinn ist:
'aas ihm, aus dem zum Auszüge sich rtkstenden individuellen Selbste,
'ziehen die Lebensgeister nicht aus, sondern sie bleiben mit dem-
'selbeu verbunden. Da somit [auch der das vollkommene Wi^sen
'Besitzende] mitsamt seinen Lebensgeistern aussieht, so gilt auch
'für ihn der Auszug aus dem Leibe.*
Auf diese Annahme ist zu erwidern:
13. spashio hi ekeä^Am
denn offenbar, nach einigen.
£s ist nicht wahr, dafs auch der Wisser des höhten Brahman
aus dem I^ibe ausziehe, weil sich die Vemeisnng nur ^f einen
Auszug [der Lebensorgane] aus der Trägerin des Leibe» beziehe.
Dafs sich vielmehr die Verneinung des Auszuges auf den Leib, der
hier unter dem Ablativ zu verstehen ist, bezieht, ist offenbar naeh
dem, waa iinige Schuten erwähnen. NämKch bei der Frage, die
der Sohn des Ritabhäga stellt, ob, wenn der Mensch sterbe, ans
ihm (asmäi) die Lebensgdster auszögen oder nicht, heifst es:
„nein! so spraeh Y4jnavalkya'^ (Brih. 3, 2, 11); und indem er sich
46»
724 ' Qftrlraka-mim&nsä
mit diesen Worten gegen die Behauptung eines Auusuges wendet,
antwortet er auf das Bedenken, dafs der Mensch doch, ohne An«-
ziehen der Leheusgeister, nicht sterben könne, mit den Worten:
„sondern daselbst eben lösen sie sich aaf% und nachdem er »ich
für die Auflösung der Lebensgeister ausgesprochen hat, sagt er
zur Bestätigung: „derselbige schwillt an, bläht sich auf; aufgebläht
„liegt der Tote" (Bfih. 3, 2, 11). Hier wird gelehrt, dafs in dem
Augenblicke, wo [sonst] die Lebensgeister ausziehen, bei dem durch
das Wort „derselbige'V Befafsten, von dem die Rede ist, ein Auf-
blähen u. 8. w. stattfindet. Dieses aber geht auf den Leib und
1100 nicht auf die Seele als Trägerin des Leibes; | und wegen der Ana-
logie damit mufs man auch die Stelle; „aus ihm ziehen die Lebens-
„geister nicht aus, sondern eben daselbst lösen sie sich auf^', ebenso
behandeln, und auch hier die Verneinung des Auszuges Yon dem
unter dem Ablativ gemeinten Leibe verstehen, wennschon das.
wovon hier die Rede, die Trägerin des lieibes ist; so hat man lu
erklären, wo der Ablativ (iasmat) steht. Wo aber der GeniÜT
(tas^a) steht, da wird der Auszug miit Beziehung auf den Wissen-
den verneint, so [hat man anzunehmen], da die fragliche Stelle
jedenfalls den Zweck hat, den [vom Gegner] behaupteten Auszug
ztt verneinen; jene [gegnerische] Behauptung aber eines Auszuges,
nicht aus der Trägerin des Leibes, sondern aus dem Leibe, wird
nur dann wirklich verneint, wenn man dabei unter dem, woraus
ausgezogen wird, den Leib versteht (dtha^apädänä eva sä prali-
shiddhd hhavati). Hierzu kommt noch Folgendes; an der Stelle:
„die Seele zieht aus, sei es durch das Auge, ader dnr^ den
„Schädel oder durch andere Körperteile; indem sie auszieht, zieht
„das Leben mit aus; indem das Leben auszieht, ziehen alle Lebens-
„Organe mit aus*' (Brih. 4, 4, 2), wurde in Bezug auf den Nicht-
wissenden ausführlich der Auszug und der Gang der Wanderung
dargelegt und dies zusammengefafst in den Worten: „so steht e^
„mit dem Verlangenden" (Brih. 4, 4, 6); dann aberwird durch die
Worte: „Nunmehr von dem Nichtverlangenden" (Brih. 4,4,6)
der Wissende besonders vorgenommen. Würde nun auch i^ ihn
jeuer Auszug gelten, so wäre seine Gegenüberstellung (vyacadef;^}
unberechtigt. Somit mufs man annehmen, dafs von dem Nicht-
wissenden das Hingehen und Ausziehen, von dem Wissenden hin*
1101 gcg^n die Negation derselben gilt, | weil nur so seine Gegenöber-
stellung (lies: vyavadcQä) einen Zweck hat. Auch kann bei dem
Brahmanwisser, der zum Selbste des allgegenwärtigen Brahman ge-
worden ist, und dessen Verlangen und Werke vernichtet sind,
weder ein Auszug noch ein Hingehen mehr stattliab^, weil kein
Grund dazu vorhanden ist; und auch Schriftstellen wie: „dann hat
„das Brahman er erreicht" (Brih. 4, 4, 7) besagen, dafs bei ihm
kein Hingehen und Ausziehen mehr möglich ist.
Sütram IV. u. 14. 725
14. smaryate ca
und auch die Smriti.
Und auch die Srnfiti erwähnt im Mahltbharatam dieses Nicht-
8tattfi^den eines Hingehens und Ausziehens ^ahabh. 12, 9657):
„Wer aller Wesen Selbst geworden,
„Y^Dig darchschauet die Natar,
,fDe9 Pfad die Götter selbst verlieren ,
„Verfolgend des Spurlosen Spar.*^
— 'Aber erwähnt die Smriti von dem Brahmanwissenden nicht'
^auch ein Hingehen, wenn es heilst: „Es geschah einmal, dafs (^uka,
S,der Sohn des Vyäsa, nach Erlösung trachtend, sur Sonnenscheibe
'„sich aufschwang; da wurde er von seinem Vater, dem er sich
'„genaht hatte, angerufen und antwortete: hier bin ich".' — Doch
nicht! nämlich diese Abstreifung des [wirklichen] Leibes zufolge
einer Versotsung in verschiedene Gegenden findet durch die Kraft
des Yoga (Seite 166) bei einem solchen statt, der noch mit einem
[magischen] Leibe verbunden bleibt, wie sich aus der Erwähnung
ergiebt, dafs jener von allen. Wesen gesehen wurde; denn wenn
einer [ganz] ohne Leib geht, so kann er nicht von allen Wesen
gesehen werden. Dem entspricht auch der Schlufs jener Stelle,
wo es heifst:
„Als ^ka mit des Windes Flug
„So durch die Lnfl geflogen war,
„Ward er in seiner Übermacht
„Vor allen Wesen offenbar.''
I Somit ist für den das höchste Brahman Wissenden ein Hingeheu 1102
oder Ausziehen unmöglich. Worauf sich aber die Schriftstellen,
die von einem Hingehen reden, beziehen, das werden wir weiter
unten erklären.
Siebentes Adhikaranam.
15. Uini pare; tathä hi aha
diese in dem Höclisten; denn so sagt sie.
Diese hingegen, d. h. die unter dem Worte Pra^a befafsten
Organe und Elementarteile des Wissers des höheren Brahman lösen
sich in eben jenem höchsten Atman auf; warum? „denn so sagt sie",
726 9<^lra]EMDtmlkM
nändich die Schrill: ^«ebenso aoch kommea jene sechzehn Teile de«
y^Uschaoeaden, cUe sutn Oeiete ihren Oang- nehmen, nachdem sie
„in den Oeist gelangt sind, sar Ruhe" (Pra^na 6, 6). — ^Aber
'lehrt nioht eine andere SehriftateUe: „die ffinfzefan TeUe gehen in
S,die Elemente" (Uiij^^* 3, 2, 7) in Beireff des Wissenden, dafs
^seine Teile aueh ändert ids in dem höchsten Atman sich auflösen?*
— Doch nicht f denn jene Stelle drückt die populAre Anschanioig
aus, nach weldier die erdartigen n. s. w. Teile in die Erde n. c. w.
als in ihren Üffapning tortlcUehren; die andere St^e hingegen
lehrt Ar das Verstindois des Wiesenden, dafs an dem Wisaer des
höheren ftuhman alles ans Teilen Bestehende in das Brahman ein-
geht, daher hier kein Fdder vorliegt.
Acht€9 Adhikarca^m.
1103 16. aväJiägo vacan&t
Ungeteiltheit, weil sie es sagt
Es fragt sich, ob diese Auflosnng der Teile des Wissenden so
geschieht, dafs, wie bei den andern, ein Rest ti>rig bleibt, oder
aber ohne Rest? .Falls jemand, wegen der Oleicbartigkeit der Anf-
lösung, auch bei dem Wissenden ein potentielles Fortbestehen an-
nehmen solUe, so. entgegnet der Lehrer, dafs bei ihm yiebnehr ein
völliger Eingang in die Ungeteiltheit stattfindet; warum? >,weil sie
„es sagt;** nftmlich die Schrift, nachdem sie die Auflösung der Teile
gelehrt hat, sagt: „ihre Namen und Gestalten lerrinnen und wer-
„den nur noch Geist genannt; der ist jener Unteilbare, Unsterfo-
„liehe" (Pra^na 6, 5). Wenn n&mlich die auf dem Nichtwiss^i be-
^ ruhenden. Teile durch das Wissen aufgelöst werden, so kann ein
Rest derselben nicht weiter bestehen. Folglich tritt die völlige
Ungeteiltheit ein. *
Satrain IV. ii. 17. 727
Neuntes Adkikaraiuim.
17. Jad-oko-'gra'jvalanam; tat-prakägita-dväro vidyär
sämarthydt taC'Chesha-gati''ant4smrm'yogäc ca härda-
anugrihUah oatd-adhikayä
FlammuDg der Spitze seiner Behausung; hierdurch zur
Tbäre geleuchtet, geht er, kraft des Wissens und be-
haftet mit Erinnerung an den von ihm befafsten Weg,
von dem im Herzen begnadigt auf der mehr -als -
hundertsten.
Hiermit ist die episodische, das höhere Wissen be-
treffende Betrachtung (4, 2> 12 — 16) geschlossen, und der
Lehrer wendet sich wieder der auf das niedere Wissen besäglichen
Betnu;htnng sn.
Es. war gesagt worden, dafs der Auszug Kir den Wissenden
und den Nichtwissenden „bis zum Antritte des Weges" der gleiche
sei (Sütram 4, 2, 7); dieser Antritt des Weges wird nunmehr von
dem Lehrer beschrieben. | Bei ihm, d. h. bei dem individuellen 1104
Atman, wenn er sein aus der Rede u. s. w. bestehendes Bündel ge-
schnürt hat und ausziehen will, wird an seiner Behausung, seiner
Wohnung, n&mlich dem Herzen — denn es heifst: „sie aber nimmt
„diese Kraftelemente in sich auf und zieht sich zurück auf das
„Herz" (Brih. 4, 4, 1)-, — an diesem wird die Spitze flammend;
nämlich dies geschieht, ehe von den Standorten des Auges u. s. w.
aus der Auszug stattfindet, denn es heifst: „alsdann wird die Spitze
„des Herzens leuchtend; aus dieser, nachdem sie leuchtend gewor-
„den, zieht selbige Seele aus, sei es durch das Auge oder durch
„andere Körperteile" (Brih. 4, 4, 2). — Findet nun dieser Auszug
füx' den Wissenden und Nichtwissenden ohne nähere Bestimmungen
statt, oder besteht für den Wissenden dabei noch eine specielle
Bestimmung? Bei dieser Frage könnte man denken, 'dafs, weil
'die Schrift keinen Unterscliied angebe, keine nähere Bestimmung
'vorliege.' — Hierauf erUärt der Lehrer: gleich sind noch für den
Wissenden und Nichtwissenden das Leucht-endwerden der Spitze
des Herzens und die dadurch bedingte Erhellung seiner Ausgangs-
pforte; dann aber zieht der Wissende durch den Kopf aus, die
übrigen hingegen durch andere Stellen des Körpers; warum? „kraft
„dos Wissjens''. Wenn nämlich der Wissende ebenjo gut wie die
übrigen durch jeden beliebigen Körperteil ausziehen könnte, so
würde er auch keiner höheren Welt teilhaftig werden, und sein
728 CArlraka-
Wissen würde nutzlos sein; — „und behaftet mit Erinnenuig an
„den von ihm befafsten Weg'^; vom WiiBon n&mlich wird dieser
Weg durch die Kopfader befafst, und ist, wie er in dtm ver-
schiedenen Lehren dargelegt wird, fleifsig an treiben; denn nur
wer ihm eifrig obliegt, darf hoffen, auf dßnselben zu gelangen.
Sodann geschieht es weiter, dafs der Wissende, von dem im Herzen
1105 wohnenden und von ihm verArten Brahman | begnadigt and in
dessen Wesen umgewandelt, durch die im Kopfe verlaufende, „mehr-
,^als-hünder€0te^', ein Hundert übersteigende, d. h. hundert und erste
Ader auszieht, die andern hingegen durch andere. Denn so heifst
es in der Lehre von dem im Herzen wobnendeif Brahman (Ch&ad.
3,6,6, vgl. Kith. 6, 16):
„Hüidert und eine sind des Herzens Adern,
„Von diesen leitet eine nach dem Haupte,
„Unsterblichkeit erreicht, wer durch sie aufsteigt,
„Nach allen Seiten, Ausgang sind die ändern.''
Tkhntes Adkikarai^am.
18. ragmi - anu8ä/iri
dem Strahle nachgehe&d.
An der Stelle : „in dieser Brahmanstadt ist ' ein Haus, eine kleine
„Lotosblume^* u. s. w., wird die Lehre von dem Brahman im Herzen
ausgedrückt durch die Worte: „inwendig darinnen ist ein kleiner
„Raum*^ (Gh&nd. 8, 1, 1). Mit Bezug darauf heifst es: „was' aber
„diese Adern des Herzens sind'' u. s. w. (ChlLnd. 8, 6, 1), wobei die
Verbindung der Adern und der Strahlen des Näheren beschrieben
wird; dann aber heifst es weiter: „wenn er nun aus diesem Leibe
„auszieht, so steigt er auf diesen Strahlen empor*' (Gh&nd. 8, 6, 5).
Hieraus ergiebt sich, dafs derjenige, welcher durch die hundert
und erste Ader auszieht, dabei „dem Strahle nachgeht''.
Findet nun dieses „Nachgelien dem Strahle" eben wohl statt,
wenn einer bei Tage nnd in der Nacht stirbt, oder nur bei Tage? — |
llOC Da die Schrift so redet, dafs sie dabei einen Unterschied nicht
macht, so wird hier vorweg aoceptiert, dafs er in beiden FMlen
eben wohl dem Strahle nachgehen kann.
Stittrioii lY. II. 19. 729
19. ni^ na^ iti cm? fui! smibandhasya i/ävad-deha-
bhdvüvät; dar^ayaü ca
in der Nacht nicht, meint ihr? Nein! weil die Vei-
bindung so lange wie der Leib besteht; auch lehrt
8ie es.
Die Yerbindttng swischen den Adern und den Straliien besteht
bei Tage, daher man meinen konnte j ^ur wer bei Tage sterbe,
*kdnne dem Strahle nachgehen, wer bei Macht sterbe hingegen
'nicht, weil dann die Verbindung zwischen Adern und Strahl
'unterbrochen sei.' — Aber dem ist nicht so, denn die Verbindung
awisohen Adern und Strahl besteht „so lange wie der LeiV^
Nämlich das ganze Bestehen des Leibes hindurch beharrt diese
Kommunikation zwischen den Körpergefafsen und den Sonnen«-
strahlen. Diea lehrt das Schriftwort: „von jener* Sonne spannen
„sie sich aus und schlüpfen in diese Adern; von diesen Adern
„spannen sie sich aus und schlüpfen in jene Sonne** (Ch&nd. 8, 6, 2).
Dafs übrigens diese Strahlen auch in der Nacht fortbestehen, kann
man zur Sommerzeit wahrnehmen, nämlich an der Hitze u. s. w.,
welche ihre Wirkung sind; in den Nächten der andern Jahreszeiten
sind sie nicht so gut bemerkbar, weil ihrer wenigere sind, fthiiHoh
wie an trüben Tagen der kalten Jahreszeit. „Auch lehrt dies** die
Schrift, wenn sie bestimmt, dafs es auch in der Nacht Tag sei
(vgl. Ghand. 8, 4, 2). Könnte nftmlich der in der Nacht Verstorbene,,
auch ohne dem Strahle nachzugehen^ emporsteigen, | so würde das 1107
Nachgehen dem Strahle überhaupt Zwecklos sein. Denn es steht
nichts zu lesen von einem Unterschiede, als wenn der bei Tage
Sterbende mit Hülfe der Strahlen emporstiege, der bei Naclit
Sterbende hingegen ohne ihre Hülfe. Oder soll man annebmenj
dafs selbst der Wissende, blola wegen des Mifsgesqhidces, dafs er
bei Nacht stirbt, gar nicht emporsteige? Dann würde die JPrucht
des Wissens nur eventuell eintreten, und es würde mit ihm nicht
voranzukommen sein, da die Zeit des Todes unbestimmbar ist.
Oder soll man annehmen, dafd der bei Nacht Verscheidende den
Anbruch des Tages abwarte? Da könnte es geschehen, dafs bei
Anbruch des Tages der Leib, welcher mit den Strahlen sich ver-
binden sollte, gar nicht mehr da wäre, indem man ihn bereits ver-
braunt hätte. Und auch die Schriftstelle: „schnell wie man den
„Geist darauf richtet, geht er zur Sonne** (Chänd. 8) 6, 5) beweist,
dafs ein Abwarten nicht anzunehmen ist. Somit findet das Nach-
gehen dem Strahle ohne Unterschied bei Tage und bei Nacht statt.
730 g&riraku-mimänsä
ElfteB AdhikarananL
20, atag ca ayane 'pi dakshine
darum auch, wenn der [Sonnen-] Gang sudwärtd.
Darum auch, weil ein Warten nicht anzunehmen ist, weil die
Fru^^ht des Wissens nicht eventuell ist, und weil die Zeit des
Todes sich nicht bestimmen läfst, mufs der Wissende die Fracht
des Wissens auch dann erlangen, wenn er bei Rechtslaufigkeit der
Sonne [bei abnehmenden Tagen] stirbt. Sollte aber jemand meinen,
'weil das Sterben bei Linksläufigkeit für glacklicher gilt, weil
'Bhlshma dasselbe abwartete (Mahabh. 6, 5672), und weil auch die
^Schrift sage: „aus der lichten Hälfte des Monats in die aechs
SjMonate, wo die Sonne nordwärts ziehet" (Gh&nd. 5, 10, 1), dea-
^Y^egcn müsse mau auf die Linksläufigkeü der Sonne Wert legen,'
HOB so wird dieses Bedenken | durch das vorliegende Sütram nieder-
geschlagen. Nämlich für glücklicher gilt jenes nur unter den
Nichtwissenden; wenn aber Bhtshma die Linksläufigkeit abwartete,
so geschah es aus Achtung für diese herkömmliche Meinung und
um ins Licht zu stellen, dafs er durch die Gnade seines Vaters
sterben durfte wann es ihm beliebte. Was aber den Sinn jener
Schriftstelle betrifft, so wird ihn der Lehrer bei den Worten : „Weg-
„führer, weil des ein Zeichen" (S&tram 4, 3, 4) auslegen« — ^Aber
'die Sm|iti sagt doch (Bhag. 6. 8, 23^:
'„Die Zeit, in der der Yogin scheidet
'„Auf Wiederkehr und nicht auf Wiederkehr,
*„Die will ich dir, o Fürst, verkünden.''
'Hier wird die Sache besonders vorgenommen und dabei Yon
'der Smriti bestimmt, dafs das Hinscheiden am Tage u. s. w. der
'Nichtwiederkehr diene. Wie kann also der, welcher des Nachts
'oder h^i Rechtslaufigkeit der Sonne stirbt, hingehen auf Nicht-
* Wiederkehr?' — Wir erwidern:
21. yoginah prati ca smaryate, smarte ca ete
die Yoga -Anhänger betreffend redet, die Smriti, auch
sind beide nur traditionell
Diese Sonderbestimmung, dafs die Zeit des Tages u. s. w. för
die Nichtwiederkehr mafsgebend sei, wird Von der Smfiti nur in
B&brm IT. xi. Sf. 731
B^sog auf die Anh&dger des Toga g<g«bcn; übrigens aber sind
beide, der Yoga wie das Stilkhyam, nur tradttionell, nicht offen-
baruogeartig. Also, wegen der Yerschiedenbeit dessen, für den sie
gültig und wegen der besonderen Art der AntoritAi kann jene
Sonderbestimmnng der Smpti über die Zeiten in einer schrifl-
mftfsigesi Lebre nieht angenommen werden. — *Aber wenn die
Smriü 8agt(Bhag. 0. 8, 24. 25): j
\ySeu^^ Licht, Tag, und helle Monatsh&lfte, 1109
S,ünd die sechs Monate des Nordw&rtsgehens; —
*„I>er Rauch, die Kacht, die dunkle Monatsh&lfte,
^,Und die sechs Monate des Südw&rtsgehens*',
'so werden dooh hier die schrifünafsigen Wege, der Götterweg und
*der Väterw^, aueh vpn der Smpti anerki\iint.' — Wir erwidern:
unsere Widerlegung bezieht sich nur auf jenen Widerspruch, dafs
die Snifiti in den Worten: „die Zeit will ich dir verkünden*^
(Bbag. G. 6, 23) bestimmte Zeiten festsetzt. Insofern hingegen auch
tfi dieser Smritistelle unter dem Feuer u. s. w. die Gottheiten als
Wegfuhrer zu verstehen sind, liegt ein Widerspruch überhaupt
nicht Tor.
Ho Uatel io d«m KoüomtntarcBttff «ilwMlimR ^trahi-niimAiua^ den W«rk« dtf rtt-
ahfakgM-mlltdlgtn Iffife« Am erUaofaton i^aHAura, te vivriui Adhfa^ dt «weite PAda .
Des Tierten AdhyAya
DRITTER PADA.
Oml Yerehrang dem hiVehsten A.taMJxt
Erstes Adhikaranam. ^
1110 1. Qrdr-^cHnäy tat-prathüek
durch die Flamme u. s. w., wegen ihrer Viel-
verbreitung.
Wir zeigten , dafs der Auszug bis zum Antritte des Weges der
gleiche ist. Was aber nun den Weg betrifft, so wird er in den
verschiedenen Texten verschiedenartig angegeben. Die eine Schrift-
stcUe, welche die Verbindung der Adern mit dem Strahle lehrt,
sagt: „dann steigt er auf diesen empor" (ChAad. 8, 6, 5). Eine
andere macht den Anfang mit der Flamme: „sie gehen ein in die
„Flamme, aus der Flamme in den Tag" (Chslnd. 5, 10, 1). Eine
andere sagt: „indem er diesen Götterweg betritt, gelangt er zur
„Feuer weit" (Kaush. 1, 3). Wieder eine andere sagt: „füiwahr, wemi
„der Mensch aus dieser Welt dahinscheidet, so gelangt er zu dem
„Winde" (ßrih. 5, 10, 1). Und noch eine andere: „sie g^en staab-
„los durch der Sonne Pforten*^ (Mun4* 1, 2, 11). Hier erhebt sich
die Frage, ob diese Wege von einander verschieden sind, oder ob
es nur ein Weg mit mancherlei Bestimmungen ist. — Angenommen
also, 'dieses seien versdiiedene Wege, weil sie in verschiedenen Ab-
1111 'schnitten vorkommen | und zu verschiedenen Verehrungen gehören.
'Aach würde die Behauptung: „Dann steigt er auf diesen S^sUes
Sütram IV. in. 1. 733
%, empor *^ (ClilUid. 8, 6t 5), dnrch ein Hereinziehen der „Flamme"
'a. 8. w. widersprechend werden; und auch die Behauptung der
^^Geschwindigkeit: „schnell wie man den Geist darauf richtet, geht
S,er vur Sonne" (Ch4nd. 8, 6, 5X könnte nicht dahei bestehen. Folg-
lich sind diese Wege yon einander verschi^en.* — Auf diese
Behauptung erwidern wir: „durch die Flamme u. s. w.", d. h. wir
behaupten, dafs jeder, der zu dem Brahman gelangen* will, durch
die Flamme u. s. w. als Weg zu ihm geben mufs; warum? „wegen
„ihrer Vielverbreitung**; nämlich dieser Weg ist vielverbreitet als
der aller Wissenden. Denn so heifst es z. B. in dem Abschnitt
von der Fun ff euer lehre : „und jene dort, welche im Walde Glauben
„und Wahrheit üben" (Brih. 6, 2, 15); hier wird auch für die, welche
einer andern Wissenschaft sich befleifsigen, die Flamme u. s. w.
als Weg vorgeschrieben. — *Das möchte gelten für diejenigen Leh-
'rcn, in welchen überhaupt kein Weg vorkommt; für diese mag
*man jenen Weg durch die Flamme u. s. w. annehmen; wo aber ein
*ander(?r und wieder anderer Weg vorkommt, wie kann man da
'an dem Wege dnrch die Flamme u. s. w. festhalten wollen?' —
Wir erwidern: das möchte richtig sein, wenn diese Wege von ein-
.ander gänzlich verschieden wären; wir behaupten aber vielmehr,
dafs es nur ein Weg mit mancherlei Bestimmungen ist, welcher zur
Brahro anweit -hinführt, und dafs derselbe bald durch die eine, bald
durch die andere seiner Bestimmungen gekennzeichnet wird. Da
nämlich die Richtung überall als die nämliche anerkannt wird, so
müssen sich diese Verschiedenheiten zu einander verhalten wie die
Bestimmungen und das dadurch Bestimmte, und so wie man, auch
wo die Abschnitte verschiedene sind, wofern nur in ihnen eine Ein-
beit der Lehre vorliegt, die verschiedenen Bestimmungen derselben
zusammenzufassen hat, so mufs man auch die Bestimmungen dos
Weges zusammenfassen. | Aber gesetzt selbst, die Lebren darüber 1112
wären verschieden, so müfsto doch, weil über die Richtung dos
Weges Übereinstimmung herrscht, und weil das Ziel des Weges
das nämliche ist, die Einheit des Weges angenommen werden. Denn*
die Schrift sagt: „dort, in der^ Brahman weit , bewohnen sie die
„höchsten Fernen" (Brih. 6, 2, 15); — „darin wohnet er ewige Jahre",
(Brib. 5, 10, 1); — i^was der Sieg des Brahman ist und seine Aus-
„breitung, diesen Sieg sieget er und in dieser Ausbreitung breitet
„er sich aus" (Kaush. 1,7); — „darum derjenige, welcher difse
„Brahman weit durch das Leben als Brahniiinenschüler findet" (Gh&nd.
ft, 4, 3); — hier wird überall eine und dieselbe Frucht, nämlich
die Erlangung der Brahmanwclt in Aussicht gestellt. Wenn aber
behauptet wurde, dafs die Bestimmung „auf diesen Strahlen steigt
„er empor" (Chand. 8, 6, 5) bei Annahme der Flamme u. s. w. nicht
bestehen könne, so ist das nicht richtig, weil die Stelle die Erlan-
gung der Strahlen nur als das Hauptsächlichste betrachtet wissen
will. • Denn der eine Satz kann doch niclit die Erlangui'g d«r
734 Qiiiraka-mtmfcnslt
Strahlen lehren und zugleich die Flamme u. 8. w. auaachliefsen.
£s ist also so aufzufassen, dafs hier nur gerade die Yerbindaog
mit den Strahlen hervorgehoben werden soll. Die Stelle yoq der
Sdwelligkeit aber kann auch mit der Annahme der Flamme n. s. w.
sehr wohl zusammen bestehen, weil sie nur über die Gescfawindijr-
keit sich ausspricht und besagt^ dals der Weg dorthin nur einen
Augenblick dauert. Auch die Schriftstdlle, welche durch die Worte :
„aber auf keinmal dieser beiden Wege befindlich*' (Ghlittd. 5, 10, 8)
für diejenigen, welche beide Wege Terfehleu, den Übeln „dritten
„Ort" in Aussicht stellt,' beweist damit, dafs sie aofder dem Yät^r-
wege nur noch allein den Gottorweg, wie er durch die Stationen
der Flamme u. s. w. gebt, proklamiert. Nur werden in der Stelle
von der Flamme u. s. w. mehr Stationen, an andern Stellen hin-
gegen weniger genannt, wobei es richtig ist, die wenigeren nach
Mafsgabe der mehrerem zu interpretieren; uud auch in diesem Sinne
sagt das Süitram: „durch die Flamme u. s. w.^ wegen ihrer Viel-
„Yerbreitung.*'
1113 2. vdyum abdädy üviQe^'Vi^eshdhhyäm
zum Winde vom Jahre aus, wegeo der Nichtbestim-
muBg und der Bestimmung.
Aber auf welehe besondere Art mufs die IndinanderDcBiebnng
der verschiedenen Wege geschehen, damit sie sich als zu Be-
stimmendes und seine Bestimmungen Terhalteoi? Zu diesem Zwecke
werden sie von dem guthen&igen Lehrer zosammengefloehtea. — Bei
den KaushUakin*s wird der Oöit^rweg folgendermafsen angegeben:
„wenn er diesen Gotterweg betritt, so gelangt er zur Feuer- Welt,
„zur Wind- Welt, zur Yaruna-Welt, zur Indra-Welt, zur Praj&pati-
„Welt, zur Brahnukn-Welt" (Kausb. 1, 3). Was nun znn&chst die
Flamme und die Feuerwelt betri£ft, so besagen beide ein Breaneu,
daher sie dieselbe Sache bedeuten, und hier die Beihenfolge der
Einschiebung nuM, in Frage kommt. -^ ^Aber an welcher Stelle ist
*der Wind , welcher bei dem Wege durch die Flamme u. s. w. nicht
'vorkoinmt, einzuschieben?' — Wir antworten; wenn es heifsi:
„diesem gehen ein in die Flamme, aus der Flsonme in den Tag, ans
„dem Tage in die lichte H&lfte des Monats, aus der fitsten HalfU
„des Monats in die sechs Monate, wo die Sonne nordwärts ziehet,
„aus den Monaten in das Jabr, ails dem Jahre in die Sonne"
(Gh&nd. 5, 10, 1), so mafa man annehmen, dafs sie jenseits de» Jahres
Süttttm IV. -m. 2. 735
and diessdt« der Sonne in den Wind eingehen; warum? „wegen
„der Nichtbeetiinmung und Bestimmung *^ N&mlich in der Stelle
„£ar Windwelt" (Kausb. 1, 3) wird der Wind ohne Bestimmung
vorgeführt; die nähere Bestimmung aber ündet sich an einer an-
dern Stelle, wo e3 heifst: „Arwahr, wenn der Mensch aus dieser
„Welt I dahinscheidet, so gelangt er 2um Winde; dieser tfaät sieh 1114
„ihm daselbst auf so weit, wie die Öffnung eines Wagenrades ist;
„durch diese steigt er empor und gelangt zur Sonne'* (Bph. 5, 10, 1).
Aus dieser Bestimmung, dafs der Wind vor der Sonne komme,
ergiebt sich, dafs der Wind zwischen das Jahr und die Sonne ein<-
geschoben werden mufs. ^- *Aber warum schliefst man nicht eben-
*so aus der Bestimmung, dafs der Wind nach dem Feuer komme,
'(Kaush. 1, S)y der Wind müsse nach der Flamme eingeschoben wer-
*den ?* — Darauf ist zu erwidern, dafs hierüber keine Bestimmung
vorliegt. — 'Aber es wurde doch auf die Stelle hingewiesen: „wenn
'„er dieaeD Götterweg betritt, so gelangt er zur Feuerwelt, zur
'„Windwelt" (Eaush. 1» 3)!^ — Wir entgegnen: hier ist blofs eine
Aussage über das Früher und Sp&ter zu finden, ein Zeugnis über die
Reihenfolge aber liegt nicht darin ; denn es kommt dabei nur darauf
an, gewisse Hauptpunkte namhaft zu. machen, zu welchen der Em-
porsteigende nach und nach gelangt. In der anderen Stelle hinge-
gen, nach welcher die Seele durch die vom Winde dargebotene
Öffnung ifi der Gröise eines Wagenrades „emporsteigt und dadurch
„zur Sonne gelangt", liegt eine Reihenfolge vor. Darum hat es mit
dem Sütra Worte: „wegen der Nichtbestimmung und Bestimmung"
seine Richtigkeit. Wenn hingegen die Y&jasaneyin's sagen: „aus
„den Monaten in die Götterwelt, aus der Götterwelt in die Sonne"
(Brih. 6, 2, I5)i so müssen die Seelen, um jene Unmittelbarkeit des
Überganges [aus dem Winde] in die Sonne zu wahren, aus der
Götterwelt in den Wind gehen; dafs sie hingegen aus dem Jahre
in den Wind gehen, wurde aus der Gh&ndogyastelle entnommen.
Nun fehlt im Ch&ndogyam und im Yäjasaneyakam, dort die Götter-
welt und hier das Jahr, | da aber beide Schriftstellen glaubwürdig ins
sind, so mufs man beide mit einander verflechten, wobei, wegen
seiner Verbindung mit den Monaten, zuerst das Jahr und dann die
Götter weit anzusetzen ist. [Die Reihenfolge ist also: Jahr (Chlknd.),
— Götterwelt (Brih.), — Windwelt (Kaush.), — Sonne (Ch&nd.)].
736 C^rlraka-mlm&DS^
Drittes Adhikaranam.
3. tadito 'd%i Varunah, sambandhät
• • • /
über dem Blitze Varuna, wegen des Zusammenhanges.
Wenn es weiter heifst: „aus der Sonne in den Mond, aus dem
„Monde in den Blitz" (Ch&nd. 5, 10, 2), so ist hier oberhalb des
Blitzes Yaruna, d. h. die Yaruna-WeH" (aus Kaush. 1, 3) ansu-
schliefsen, weil zwischen dem Blitze und Yamna ein „ZusammeiH
„hang** besteht. Denn ein Brähmanam sagt: „denn wenn die mäeh-
„tigen Blitze unter heftigem Getön des Donners aus dem Bauche
„der Wolken hervorspringen, dann strömen die Wasser herab; es
„blitzt, es donnert und wird dann regnen" ; der Oberherr der Was-
ser aber ist Yaruna, wie dies aus der Schrift und Smriti her be-
kannt ist. Auf Yaruna folgen sodann Indra und Prajapati, weil
kein anderer Platz für sie ist, und weil sie [hinter ihm] erw&hnt
werden. Und auch darum schon müssen Yaruna und die folgenden
zuletzt kommen, weil sie den Charakter eines Nachtrages haben,
ohne dafs ihneTi doch ein besonderer Platz angewiesen wäre« und
weil der Weg, welcher mit der Flamme anfing, bis zum Blftse
hinführte.
Vierfes Adhikaranavi,
m
1116 4. ätiväMkäSy taUlingät
Wegführer, weil des ein ZJeichen.
In Betreff dieser aller, der Flamme n. s. w., erbebt sich der
Zweifel, ob dieselben Wegzeichen oder Genufsstätten oder
Wegführer für die Gehenden sind. — Man könnte annehmen, *dftfa
U\ie Flammen u. i^. w. blofse Merkzeichen des Weges siud, weil auf
'solche eine derartige Belehrung sich za richten pflegt. Wie näm-
'lieh im gewöhnlichen Leben einer, der in ein Dorf oder eine Stadt
*rei9en willj sich belehren läfst, — von hier mufst du auf den
'Berg dort gehen, dann kommst du zu einem Feigenbaume, dann za
'dem Flusse, darauf zu dem Dorfe oder der Stadt, so sagt auch
'hier die Schrift: „aus der Flamme in den Tag, aus dem Tage in
'„die lichte Hälfte des Monats" (Chand. 5, 10, 1).* — Oder man
könnte annehmen, 'dafs darunter Statten des Genusses zu verstehen
'seien, weil dem Feuer u. s. w. das Wort „Welt" angeh&ngt wurde.
Sfttram lY. in. 4. 737
'in der Stelle: „er. gelangt sur Feuerwelt" u. s. w. (KauBh. 1» 3);
*das Wort Welt aber wird gebraucht, um GenuffiHt&tten der Seele
'zu beseiehnen, s. B. in den Ausdrücken : die Mensohenwelt, Y&ter-
Velt, Götterwelt; auch sagt in diesem Sinne ein Brfthmanam: „an «
S,Tag und Nacht, an diesen Welten bleiben sie haften^* (Qatap. br.
40, 2, 6, 8). Damm sind die Flamme u, s. w. keine Wegführer.
'Und audi wegen ihrer Ungeistigkeit eignen sie sich nioht zu Weg-
'führern; denn erfahrnngsmäTsig sind es geistige Wesen, n&mlich
'vom Könige angestellte Männer, welche auf den schwer zugäng-
lichen Wegen die Reisenden zu fähren ha.ben.' — Auf diese An-
nahme erwidern wir: es müssen doch Wegführer sein; | warum? 1117
„weil des ein Zeichen'*. Denn wenn es heilst: „aus dem Monde in
„den Blitz; daselbst ist ein Mann, der ist nicht wie ein Mensch,
„der führet sie zu Brahman" (Chlind. 5, 10, 2), so wird hier vor-
ausgesetzt, dafs sie Wegführer sind. Beruft ihr euch auf die Regel,
'dafs der Sinn nicht weiter greifen dürfe als die Worte fyävad*
^vacanaff^ väcaniham)^ und dafs daher jene Bezeichnung [„ein Mann,
^„der ist nicht wie ein Mensch"] auf jenes eine Objekt beschränkt
'bleiben müsse*, so bestreiten wir das, weil diese Bestimmung nur den
Zweck hat, eine möglicherweise angenommene Menschenähnlichkeit
ausznschliefsen. Nur dann aber, wenn unter der Flamme u. s. w.
pfadführende Geister von menschenähnlicher Art verstanden werden,
ist, nm dieses ausznschliefsen, die nähere Bestimmung, dafs der eine
Geist nicht wie ein Mensch sei, am Platze, —
^Aber ein blofses Zeichen, wo keine Regel vorhanden ist, ist doch
'nicht beweiskräftig!' — Das macht nichts aus [sagt der Lehrer]
5. vhhaya-vyämohAt tat-siddheh
weil wegen Besinnungslosigkeit beider dies erweislich.
Diejenigen, welche den Weg der Flamme u. s. w. betreten,
sind ohne Leib, und die Schar ihrer Organe ist zusammengeballt,
daher dieselben nicht Herr ihrer selbst sind. Ebenso wenig aber
Bmd, wegen ihrer Ungeistigkeit, die Flamme u. s. w. Herr ihrer selbst.
Daher mufs man annehmen, dafs es die besonderen, die Flamme
u. s. w. vertretenden (p. 725, 10) geistigen Gottheiten sind, welche
hier mit der Wegfahrerschaft betraut werden. Denn auch in der
Erfahrung zeigt sich, wie Trunkene, Geist ge<:t orte u. s. w., indem
die Schar ihrer Organe zusammengeballt ist. von andern auf dem
Wege geleitet werden müssen. Auch deswegen können nicht blofse
Wegzeichen verstanden werden, weil die Flan'.me u. s. w. nicht be-
Htandig vorhanden sind. Denn wenn einer in der Nacht stirbt, so
kann er in den natürlichen Tag nickt eingehen, da ein Abwarten,
wie wir oben sahen, nicht zulässig ist. Denkt man aber an die
DBVMm, Vftdfrnta. 47
738 QlLrlraka-mlm&n8&
*
Götter, welche beständig vorhanden sind, so fallt jenes Bedenken
1118 weg. I Auch schickt es sich wohl, die Götter als Flamme a. s. w.
EU bezeichnen, weil sie die Flamme u. s. w. [kosmologisch] vertreten.
^ Auch der Ausdiuck: „aus der Flamme in den Tag" u. s. w. (Chand.
5, 10) 1) stimmt zu der Annahme, dafs es Wegf&hrer sind; ncLmlich
die Flamme ist die Ursache, durch welche sie in den Tag, der
Tag die Ursache, durch welche sie in die lichte Monatahälfie ge-
langen. Und auch bei den in der Erfahrung vorkommenden Weg-
fuhrem finden sich ja' derartige Anfiährungen, z. B. wenn man
sagt: von hier muTst du zu Balavarman, von diesem zu Ja-
yasinha, von diesem zum Krishnagupta gehen. Hierzu kommf^
dafs zu Eingang in den Worten: „sie gehen ein in die Flamme'^
(Chand. 5, 10, 1) nur eine Verbindung, ~ nicht aber die besondere
Art dieser Verbindung gelehrt wurde; am Schlüsse hingegen wird
in den Worten: „der führet sie zu Brahman" (Chand: 5, 10> 2) diese
Verbindung als die zwischen dem Wegfuhrer und dem Greführt^^i
näher bezeichnet, daher diese auch för den Anfang gültig ist
Weil eben ferner bei dem Gehenden die Schar der Organe zusammen-
geballt ist, ist auf diesen Durchgängen ein Geniefsen nicht möglieb:
das Wort „Welt" aber konnte gebraucht werden, auch wenn die
Gehenden dort nicht geniefsen, indem jene Orte für andere, die sie
als Welten bewohnen, Stätten des Genusses sein können. Die 8aehe
ist also dahin zu verstehen, dafs die Seele, in der von Agni be-
herrschten Welt angeli^igt, von Agni hindurchgeleitet wird, und,
in der von Vayu beherrschten Welt angelangt, von V&yu. — 'Aber
'wie kann man, wenn es Wegfuhrer sein soUen, dieses aacli von
*Varuna u. 8. w. verstehen? N&mlick nr-h dem Blitze worden ja
'noch Varuna u. s. w, erwähnt, während doch anderseits die Sehrifl
4ehrt, dafs die Seelen schon vom Blitze aus bis zu der Ankunft
*bei Brabman hin von dem Geiste, der nicht wie ein Menach ist
'geleitet werden?' — Darauf lautet die Antwort:
1119 6. vaidyutena eva tatas, tac-chruteh
nur von dem Blitzfolgenden weiterhin, weil so die
Schrift.
Weiterhin, nachdem sie in den Blitz eingegangen sind, werden
sie nur von dem sogleich auf den Blitz folgenden Geiste, der nicht
ist wie ein Mensch, durch die Welten des Varuna u. s. w. hindurch
in die Brahmanwelt geführt, indem eine Schriftstelle sagt, dafs
sie, „in den Blitz gelangt, von einem Geiste, der nicht ist wie mn
„Mensch, zur Brahmanwelt geführt werden" (Brih. 6, 2, 15). Was
aber den Varuna u. s. w. betrifft, so mufs man annehmen, dafs
dieselben irgendwie durch ungehindertes Durchlassen oder durch
S(ktarain lY. m. 6. 739
ein Geben des Oeletiea ihre Osade bezeigen. Somit ist es richtig,
dafs unter der Fbunine n. s. w. die pfadleitenden Gottheiten bq
verstehen sind.
Fünftes Adhikaranam,
7. l'dryam, Badanr^ asyd g€iti-upapatteh
zu dem i^rschaifeneii , Bädari, weil zu ihm hinzugehen
möglich.
Bei den Worten : „der führet sie zu Brahman'^ (Ghänd. 5, 10, 2)
erhebt si^ die Frage, ob er sie zu dem erschaffenen, niederen
Brahman fuhrt, oder aber zu dem höheren, unerschaffenen,
eigentlichen Brahman. Woher diese Frage? wegen der An-
wendung des Wortes „Brahman*^, und wegen der Schriftstelle von
dem Hingehen. — Hierbei vertritt der Lehrer Bädari die Auffassiing,
dafs jener Geist, welcher nicht ist wie ein Mensch, die Seele nur
hinfahre zu dem erschaffenen, attributhaften, niederen
Brahman; warum? „weil zu ihm hinzugehen möglich"; nämlich
nur zu diesem erschaffenen Brahman ist ein Hingehen möglich, weU
dasselbe räumlich ist; in Betreff des höheren Brahman hingegen
kann von keinem Hingehenden | oder Ziel des Ganges oder Hin- 11'20
gnngo die Rede sein, weil dieses Brahman allgegenwärtig und dM
innere Selbst der Hingehenden ist.
8. viQeshitatväc ca
und weil es specialisiert wird.
„Der fähret sie zu den Brahmanwelten ; dort in den Brahman-
„weiten bewohnen sie die höchsten Fernen <' (Bfih. 6, 2, 15); ans
der Art, wie mit diesen Worten in einer andern Schriftstelle das
Hingehen specialisiert wird, folgt, dafs es sich nur auf das erschaffene
Brahman beziehen kann. Denn die Specialisierung durch einen
Plural pafst auf das höchste Brahman nicht, während bei dem
erschaffenen Brahman wegen der möglichen Vielheit seiner Zustände
der Plural am Platze ist. Auch der Schrifbausdruok „Welt" kann
in unmittelbarem Sinne nur einen zum Erschaffenen gehörigen und
einen Eingang zu sich ermöglichenden Ort des Genusses bedeuten
und nur in uneigentlichem Sinne ist er an andern [zur hohem Wissen-
schaft gehörigen] Stellen zu nehmen, wenn es z. B. heifst: „er dessen
47*
740 Qkiinara-iiilmi&6&
,,Welt das Brahman ist'« (Brüi. 4, 4, 23; vgl. p. 256; S. 151). Ancli
die Unterscheidung dessen) wosn man berufen wird, von deiB, wel-
cher berufen wird, pafst auf das höchste Brahman nicht« Somit
geschieht jenes Hinfahren nur zn dem erschaffenen Brahman. ~-
'Aber auf etwas Ersdiaffenes kann doch das Wort Brahman nicht
'angewendet werden, da ja, wie wir gezeigt haben, das Brahman
'die Ursache f&r die Entstehung u. s. w. der gesamten Welt ist!'
— Darauf ist lu erwidern:
9. sämipydt tu tad-Vffapadegah
wegen der Naheatehung vielmehr die Bezeichnung aU
. dieses. ,
1121 I Das Wort „vielmehr" dient, den Zweifel au beseitigen. Weil
es dem höheren Brahman „nahe steht ^', deswegen kann auch too
dem niederen Brahman das Wort „Brahman" ohne Widerspruch
gebraucht werden. Denn wenn man das höhere Brahman durch
Verbindung mit reinen Up&dhi^s mit diesen oder jenen Qualität^
der erschaffenen Welt, z. B. „Geist ist sein Stoff^' (Ch&nd. 3, 14, 2)
u. s. w. s^um Zwecke <^.er Verehrung ausstattet, so ist dieses dis^
niedere Brahman. — 'Aber wenn man an das erschaffene Brahman
'denkt, so wird doch das Schriftwort, dafs aus ihm keine Wieder-
^kehr mehr statthabe, angetastet (lajbk^te); denn aufser dem hoch-
'sten Brahman läfst sich von nichts anderem die Ewigkeit behaupten.
'Nun lehrt die Schrift von denen, welche auf dem Göttravege em-
'porsteigen, dafs sie nicht wiederkehren; denn es heifst: „die des
'„gehen, fiir die ist zu diesem irdischen Strudel keine Wiederkehr'
'(Chänd. 4, 15, 6); — „für sie ist hierher keine Rückkehr" (Brih.
'6, 2, 15 M.); — „Unsterblichkeit erlangt, wer auf ihr aufsteigt''
'(Oh&nd. 8, 6, 6).' — Darauf erwidern wir :
10. Mrya-atyaye tad-adhyakshena saha atah-param,
ahhidhmdt
4
bei Vergang der erschaffenen [Brahmanwelt] mitsamt
ihrem Aufseher in das von ihr aus Höhere, wegen der
Aussage.
Wenn der Untergang der erschaffenen Brahmanwelt nahe be-
vorsteht, dann erat gehen dieselben} nachdem ihnen in der Brahmftn-
welt die vollkommene Erkenntnis zu Teil geworden ist, mitsamt
Stoam lY. ni. 10. 741
ihrem Aufseher, Hira^yagarbha ,^ das von ihr aus Höhere/^ d. b.
in jenes absolut Keine, in „den hdchsten Schritt des Yishnu'^ ein.
Dieses ist die Stufenerlosung (krafnamukii), welche man wegen der
Aussagen der eine Nichtwiederkehr behauptenden Schriftstellen an-
nehmen mufs. Denn so geradezu ist auf dem Wege des Hingehens
eine Erlangung des Höchsten, wie wii; bewiesen haben, nicht möglich.
11. smriieg ca
auch wegen der Smriti.
und auch die Smfiti erkennt dies an, wenn sie sagt (vgl. p.
917, 1):
„Nachdem der Welt AuflösuDg ist gekommen, 1182
„Und Gottes auch, dann gehen, im Verein
„Mit ihm, das Selbst erlangend, alle Frommen
„In jenes höchste der Gefilde ein."
Somit besieht sich das von der Schrift erwähnte Hingehen auf das
erschaffene Brahman; das ist der Siddh&nta (die endgültige Mei-
nung). — 'Aber welches ist dann der Pdrvapaksha (die gegnerische
'Meinung), auf dessen Zweifel hin dieser Siddh&nta durch die Worte
'„SU dem erschaffenen, B&dari'* (Sdtram 4, 3i 7) aufgestellt wurde?*
— Er wird nunmehr durch die Sütra*s selbst dargelegt werden.
13. ^param^ Jaiminir, ^ mukhtfatvät*
'das höhere', Jaimini, ^ wegen der Eigentlichkeit'.
N&mlieh der Lehrer Jaimini glaubt, 'dafs, wenn es [von dem
'Geiste] heifse: „der f&hrt sie hin su Brahman^* (Ch&nd. 5, 10, 2),
'er sie zu dem „höheren^* Brahman gelangen lasse; warum? „we-
S,gen der Eigentlichkeit 'S Nämlich das höhere Brahman ist der
'eigentliche, das niedere der uneigentliche Sinn des Wortes Brah-
'man; „bei Eigentlichem und Uneigentlichem aber liegt das Verstand-
'„nis in dem Eigentlichen (mHkh^a-gaHnajfo^-ca miikh^e satfiprat^aj^d
\Jbhavaii) ".'
IB. ^dargandc ca'
^auch zeigt sie.'
'Auch zeigt die Schrift in den Worten: „Unsterblichkeit erlaugt
'„wer durch sie aufsteigt" (Kath. 6, 16), dafs auf das Hingehen die
'Unsterblichkeit folgt; die Unsterblichkeit aber ist nur in dem
74S X;kiraka*nilmyyi&
'böberen, nicht in dem erscfiaffenen Brafaman itiögliGh, weil letzteres
'als eine Wirkung vergänglich iat; denn die Schrift isagt: „aber wenn
S,er ein anderes sidbt, das ist das Beschränkte, ... ist sterblich''
*(Chänd. 7, 24, 1). Und nur auf das h^ere Braliman kann ea sidi
'beziehen, wenn dieses Hingehen [wie eben gezeigt] auch in den Yalli^s
1123 «der Kafha^s Torkcmunt (Käth. 6, 16), denn | dort bildet nicht ir-
'gend eine andere Lehre den Gegenstand der Betrachtang, sondern
/wae von den Worten an: „v<Mn Guten frei und frei vom Bösen''
*(Kith. 2, 14) den Gegenstand der Betrachtung bildete, das war
'das höchste Brahman.'
14. ^na ca kärye pftUipatH-abfUsamdhih^
^Qoch auch pa&t auf das erBchaffene die Absicht des
Eiugehens.'
*Auch pafst nicht auf das erschaffene Brahman die Abaksbi des
'Eingehens^ in dasselbe, welche sich kundgiebt in den Worten: „ich
^^gehe fort zu^ Halle des Herrn der Schöpfung, zu seinem Hause"
'(Ghänd. 8, 14, 1); denn in den yoibergehenden Worten: „welcher die
^MNamen und Gestalten auseinanderdehnt; was in diesen beiden ist,
*„das ist das Brahman'' (Chänd. 8> 14, 1), war von dem allem Erschaf-
'fenen als wesensverschieden gegenüberstehenden höchsten Brahuan
'die Rede; wie ja auch in den [folgenden] Worten: „ich bin die Zierde
'djor Brafamanen" ein Vorgehen sich zeigt mit dem Bewnfstsein, die
'Seele des Weltalls zu sein; und das ist ja schon ans den Worten
'her:^„kein Gleichnis ist fitr ihn, des Name «grofse Zierde» ist'^
f \Väj. sskvph, 32, 3) bekannt, dafs der Name „Zierde" von dem
'höheren Brahman gebraucht wird. Es ist aber dieses das nämliche
'Eingehen in das Haus, welches, gleichfalls nach Schilderung des
'Hingehens, in der lichre von dem Herzensbrahman (Chlind. 8| 1 fg.)
'vorkam, wo es hiefs: „daselbst ist die unbezwingliche Burg des
'„Brahman, vom Herrn erbaut, aus Gold bestehend" (Ch&nd. 8, 5, 3).
'Und auch die (Chind. 8, 14, 1: säbhdin, ve^ma prapadife) gebraachte
'Wurzel päd bedeutet ein Gehen und nimmt somit unzweifelhaft
'Bezug auf einen Weg. Und somit ergiefot sich, da(s die Stelleo
'von dem Hingehen auf das' höhere Brahman zu beziehen sind:"
— so ist die andere (gegnerische) Meinung.
Diese beiden Meinungen sind von dem L^'er in Sfttra's ge*
fafst worden; die eine in die Worte: „weil zu ihm hinzugehen
„möglieh" u. s. w. (Sütram 4, 3i 7 — 11); die andere in die Worte:
„wegen der Eigentlichkeit" u. s. w. (Sütram 4, 3, 12 — 14). Hierbei
sind die Sütra's „weil zu ihm hinzugehen möglich" n. s. w. im
Stande, die „wegen der Eigentlichkeit" u. s. w. zu entkr&ften, |
1134 nicht aber können die ,,wegen der Eigentlichkeit" u. s. w. jene an-
Satram IV. iii. XL 743
denk v,w^ za ihm hiDzugehen möglich '^ u. s. w., aus dem Feldo
iM^ÜAg«)n. - -8om|i folgt, dafs hier eimaial der 8iddh4nia (die end«
gültige Meinung) su Anfang, und der Pürvapaksha (die gegnerische
Meinung) auletatt steht. Denn kein Mensch kann uns zumuten,
da& vir den eigentlichen Sinn auch da festhalten sollen, wo der-
selbe unmöglich ist (gegen 4, 3, 12). — Und wenn ferner auch
[in dei* Ka^haka- Upanishad wegen K4th. 2, 14] das Thema die
höhere Wisseoschaft ist, so kann doch zu ihrer Verherrlichung das
in den andern [attributhaften] Lehren gültige Hingehen daneben er-
wähnt werden, jÜiaHch wie [sogar dos Nichterlöstf^n sogleich darauf
Kath. 6> 16 gedacht wiid] in den Worten: „nach allen Seiten Aus-
,^ang sind die andern^- (gegen 4, 3, 13). — Was endlich die Worte:
„ich gehe fort %nt Hall« des Herrn der Schöpfung, zu seinem
Hause*^ (Cbftnd. 8, J 4> 1) betrifft, so kann man, mittels Abtrennung
des Torheigehenden Satzes [,,der Äther ist es, weicher die Namen und
Gestalten auseinanderdehnt" u. s. w.] in ihnen olme Widerspruch
eine Absicht des Eingehens in das erschaffene Brahman ündon.
Und gleichfalls, von dem attributhaften Brahman, läfst sich die Er-
wähnung desselben als der Seele des Weltalls [wie sie in dem
Worte „Zierde" gefunden wurde] Tersteheu, wie dies ja auch in
der Stelle f,allwirkend, allwünschend" (Chand. 3, 14, 2) geschieht
(gegen 4, S, 14). — Somit folgt, dafs die Schriftstelleu von dem
Hingehen nur auf das niedere Brahman zu beziehen sind.
Kinige hingegen, welche sich auf die Anordnung berufen, nach
welcher die frühereu Sutra's den Pürvapaksha (die gcguerische Mei-
nung), die späteren hingegen den Siddhanta (die endgültige Meinung)
zu enthalten pflegen, beharren dabei, dafs die Schriftstelleu von
dem Hingehen [zu Brahman] sich auf das höhere [nicht auf das
niedere attributhafte Brahman] bezögen. Aber das geht nicht an,
weil ein Hingehen zu Brahman unmöglich ist. Denn zu dem all-
gegcnwäi-tigen, allem innerlichen, alles beseelenden höchsten Brali-
man, von dem es heifst: „dem Äther gleich | allgegenwärtig ewig", 1125
— „das wahrnehmbare, nicht übersinnliche Brahman, das als Seele
,,allem innerlich ist" (Brih. 3, 4, 1), — „Seele nur ist dieses Welt-
„all" (Chand. 7, 25, 2), — „Brahman nur ist dieses Ganze, das vor-
„trefflichste" (Mund. 2, 2, 11), — zu dem Brahman, dessen Charakter
durch Schriftstellen wie diese bestimmt ist, kann nun und nimmer ein
Hingehen Htatthabcn. Denn wo man i<«t, dahin kann man nicht
gehen; hingehen kann man, nach allgemeiner Annahme, nur zu
einem andern. — 'Aber zeigt nicht die Erfahrung, dafs man auch
'zu dem gehen kann, bei welchr^m man ist, sofern man an ihm ver-
^schiedene Orte unterscheidet? So ist einer auf der Erde und geht
'doch zu ihr, indem er an einen andern Ort geht. So ist das Kind
744 Q&rtraka-mtmfciisli
*mit sich identisch and geht doch zu dem zeitlich unterschiede^eo
^Zustande dei* Grwachsenheit, welcher sein eigenes Selbst ist. Ebenso,
^könnte man meinen, liefse sich auch zu dem Brahman, sofern das-
*selbe mit allerlei Kräften (gaJcU) ausgestattet ist, irgendwie hin-
^gehen'. — ^ Aber dem ist nicht so; wegen der Negation aller Un-
terschiede am Brahman: „ohne Teile, ohne Werk, ruhig, falschlos,
„fleckenlos'^ (Qvet. 6, 19), -^ „nicht grob und nicht fein, nicht kun
„und nicht lang" (Bfih. 3, 8, 8), — „denn er, der Ungeborene, ist
„draufsen und ist drinnen'* (Mund. 2, 1, 2), — „fürwahr, diese
„grofse, ungeborßne Seele, nicht alternd, nicht welkend, nicht ster-
„bend, ohne Furcht ist Brahman" (Bfih. 4, 4, 25), — „Er ist nicht
„so, und ist nicht so" (Brih. 3) 9) 26), — ; — nach diesen
Regeln der Schrift und Smpti läfst sich für die höchste Seele
keine Verbindung mit räumlichen, zeitlichen oder andern unter«
schieden annehmen, so dafs man zu ihr wie in eine Erd^egend
oder in ein Lebensalter gehen könnte: zur Erde hingegen und zun
Alter ist, weil sie mit unterschiedlichen Gegenden und Zuständen
1126 versehen sind, ein räumlich und zeitlich | bestimmtes Hingehen
möglich.-
Behauptet ihr, 'dafs das Brahman mancherlei Kräfbe (gakti)
'haben mufs, weil es nach der Schrift die Ursache fär Schöpfung,
'Bestand und Untergang der Welt ist,' so sagen wir nein! denn
die Schrifkstellen, welche die Unterschiede von ihm abwehren, kön-
nen keinen andern [als den wörtlichen] Sinn haben. — 'Aber die
'Schriftstellen von der Schöpfung u. s. w. können doch eben&Us
'keinen .andern Sinn haben?* — Dem ist nicht so; denn ihr Zweck
ist [nur], die Einheit [der Welt mit Brahman] zu lehren. Denn
wenn die Schrift durch die Beispiele vom Thonklumpen n. s. w.
(Ghänd. 6, ], 4 fg.) lehrt, dafs cUis Seiende, das Bn^man, alidn
wahr, die Umwandlung [desselben zur> Welt] aber unwahr ist, so
kann sie dabei nicht den Zweck haben, eine Schöpfung u. 8. w. zn
lehren. — 'Aber warum sollen sich die Schriftstellen von der Schöp-
'fung u. s. w. nach denen von der Femhaltung aller Unterschiede,
*und nicht umgekehrt die letztem nach den erstem richten?* —
Darauf antworten wir : weil die Schriftstellen von der Femhaltang
aller Unterschiede eine Bedeutung haben, welche nichts mehr zn
wünschen übrig läfst. Denn nachdem die Einheit, Ewigkeit, Bein-
heit u. 8. w. der Seele erkannt ist, so bleibt nichts weiter mehr
zu wünschen übrig, weil damit die Erkenntnis zu Tage getreten
ist, welche das Ziel des Menschen vollbringt: „Wo wäre Irrtom,
„wo Kummer, für einen, der die Einheit schaut? (t^a 7), — „Furcht-
„losigkeit, fürwahr, o Janaka, hast du erlangt" (Brih. 4, 2, 4), —
,,der Wissende hat keine Furcht vor irgend wem" (Taitt. 2, 9), —
„ihn wahrlich quält die Frage nicht, welches Gute er nicht gethan,
1127 I welches Böse er gethan hat" (ibidem), — so. lehrt die Schrift.
-'»t3L-l.
-^
Sfttram IV. xu. 14. 745
Und während sie iu dieser Weise seigt, wie die Wiasenden sich der
Vollbefriedigung unmittelbar bewufst sind, so verbietet sie die au*
wahre Behauptung einer Umwandlung [Schöpfung], indem sie sagt:
„Von Tod zu Tode wird verstrickt, wer ein Verschiedenes hier er-
„blickt*^ (KCkth. 4, 10). Folglich kann man nicht annehmen, dafs
die Schriftstellen, welche die Unterschiede fern halten, sich nach
den andern richten müssen. Nicht so steht es mit den Schrift-
steilen von der Schöpfung u. s. w. Denn diese sind nicht im Stande,
einen Sinn, zu lehren, welcher nichts mehr zu wünschen übrig läfst.
Es liegt aber vor Augen , dal's dieselben ein anderes Ziel haben
[als das unmittelbar vorgesteckte, eine Schöpfung zu lehreu]. Denn
nachdem es zuerst hcifst (Chand. 6, 8, 3): „An diesem aufgeschos-
„8(!nen Gewächs, o Teurer, erkenne, dafs es nicht ohne Wurzel sein
„kann*^, — so zeigt die Schrift im weitem Verlaufe, wie das einzige,
welches man erkennen soll, das Seiende als die Wurzel der Welt
ist. und so heifst es auch: „Woraus diese Wesen entspriogen, wo-
„dnrch sie, entsprungen, leben, worein sie, dahinscheidend, wieder
„eingehen, das erforsche, das ist das Brahman" (Taitt. 3, 1)' Da
somit die Sohriftstellen von der Schöpfung u. s. w. den Zweck haben,
die Einheit des Atman zu lehren, so ist keine Verbindung des Brah-
man mit mannigfachen Kräften [anzunehmen] , und folglich ist ein
Hingehen zu ihm unmöglich. Und auch die Stelle: „Nicht ziehen
„seine Lebensgeister aus; sondern Brahman ist er, und in Brahman
„löst er sieh auf'^ (Brih. 4, 4, 6), vorbietet es, an ein Hingehen
zum hohem Brahman zu denken. Das haben wir erörtert bei
[dem Sütram 4, 2, 13] „offenbar nach einigen [Stellen ist es der
„Leib, nicht die individuelle Seele, woraus der Erlöste auszieht].*'
Femer, wenn man ein Hingehen zu Brahman annimmt, so ist
der hingehende Jiva (die individuelle Seele) von dem Brahman , zu
welchem er hingehen soll, entweder [1.] ein Teil, oder [2.] eine
Umwandlung, oder [3.] er ist von ihm verschieden. Denn bei
absoluter Identität mit ihm ist ein Hingehen unmöglich. Ist dem
so, welches davon trifiPt zu? — Wir antwoi*teu: wenn [nach 1.] jener
[der Jiva] ein Teil [wörtlich: ein einzelner Ort] [an dem Brahman]
ist, so hat er das aus den Teilen besiehende [Brahman] immer
schon erreicht, und folglich ist auch so ein Hingehen zu Brahman
unmöglich. | Aber die Annahme von Teilen und dem aus ihnen 11 3S
Zusammengesetzten findet auf Brahman gar keine Anwendung, weil
dasselbe^ wie allbekannt, ohne Glieder ist. Ähnlich steht es, wenn
man [nach 2.] eine Umwandlung annimmt. Denn die Umwandlung
ist immer schon in dem, woraus sie umgewandelt ist. Denn ein
Thongefftfs kann nicht bestehen, wenn es aufhört Thon zu sein;
geschähe dies, so würde es zu nichts werden. Hierzu kommt, bei
' der Annahme einer Umwandlung oder von Teilen , dafs, da das, wel-
kes sie besitzt, sich immer gleich bleibt, ein Eingehen des-
746 Qfilrlraka-niim&n8&
selben, nämlich des Brahman, in den Sains&ra uogereimt seio vrürde.
Aber vielleicht ist [nach 3.] der Jiva vom Biahman vorschiedeoy
Dann müfs er entweder [a.] atomgrofs, oder [b.] alldurchdringend
oder [c] von mittlerer Gröfse äein. Ist er [nach b.] alldurch-
dringend, so ist kein Hingehen möglich. Ist er [nach c] von mitV>
lerer Gröfse, so kann er [vgl. p. 598, 11, S. B74] nicht ewig sein
[was doch 8, 3, 54 erwiesen worden ist]; ist er [nach a.] atomgrofsi
so wird es unerklärlich, dafs man am ganzen Leibe fühlt. Auch haben
wir oben (Sütram 2, 3, 19 — 29) ausführlich bewiesen, dafs er we-
der atomgrofs, noch von mittlerer Gröfse sein kann. Ob^^haupt
aber ist, dafs der Jlva vom Höchsten verschieden sei, gegen, d^
kanonische Wort: ,ytat tvani asi" („Das bist Da", Chänd. 6, 8, 7)i
Derselbe Fehler tritt ein, wenn man annimmt, dafs er eine Um*
Wandlung oder ein Teil von ihm sei. Behauptet ihr 'dafs der Fehler
'nicht eintrete, weil eine Umwandlung oder ein Teil von dem, deaaea
'[Umwandlung oder Teil] sie sind, nicht verschieden seien/ «o be-
streiten wir das , weil die Einheit in der Hauptsache mangebi würde.
Und bei allen diesen Annahmen verfallt ihr darein, die Erldsoiig
leugnen zu müssen, indem die Wesenheit der W&ndmieele im-
aufhebbar sein würde. Aber soll sie dennoch aufhebbar sein, so
verfallt ihr darein, ihre Vernichtung anzunehmen, indem ihr ihre
Identität mit Brahman ja nicht zugebt.
Da kommen nun einige und sagen: 'Gesetzt, jemand betriebe
'die ständigen und gelegentlichen [guten] Werke, um dem Nieder-
'gange [in der Seelenwanderung] zu entgehen, und er vermiede so-
'wohl die aus Wunsch [nach Lohn] entspringenden, als auch die ver-
'botenen [Werke], um weder in den Himmel noch in die Hölle zu
'kommen, und er zehrte die in dem gegenwärtigen Leibe abza-
1129 'büfsenden | Werke [eines frühern Daseins] durch die Abbüfsung
'selbst auf, so würde doch, nach dem Dahinfall des gegenwärtigen
'Leibes, weiter für die Bildung eines neuen Leibes keine Ursadie
'voihanden sein und somit würde die Erlösung, da sie nur ein Behar-
'i'en in der eigenen Wesenheit ist, von einem solchen auch ohne Ktiu-
'werden mit dem Bralmian erreicht werden.' — Aber dem ist nicht
so; weil kein Beweis dafür da ist. Denn von keiner kanonischen
Schrift wird gelehrt, dafs der nach Erlösung Verlangende in dieser
Weise zu verfahren habe. Vielmehr haben sie es mit ihrem Ver-
stände ausgeklügelt, indem sie meinen: weil der Samsära durch
die Werke [eines frühern Daseins] verursacht werde, deswegen
könne er, wenn keine Ursache da sei, nicht statt haben. Aber
das entzieht sich der Berechnung, weil das Nichtvorhandensein der
Ursache nicht wohl zu erkennen ist [vgl. die Ausführungen p. 673,
9 fg>, Seite 425]. Denn von jedem einzelnen Geschöpfe bat man an-
zunehmen, dafs es in einem frühern Dasein viele Werke aufgehäuft
iiat, welche ^u erwünschten und uuerwünschten Frachten heranreifen.
v»
M
Sütram IV. in. 11. 747
Da dieselben entgegengesetzte Frucht bringen, so können sie nicht
gleieliaeitig abgebüfst werden: daher ergreifen einige von ihnen die ,
Oelegenheit und bauen das gegenwärtige Dasein, andere hingegen
Biizcn mäfsig und wartisn ab, bis Raum, Zeit and Ursaahe für sie
kommt. Weil diese übrig bleibenden durch dio gegenwärtig^ Ab-
bör»ttng nicht aufgezehrt werden können, deswegen läfst sich nicht mit
Sicherheit bestimmen, dafs für einen, welcher in der besohriebenen
Weiae sein Leben führt, nach dem Dahinfall seines jetzigen Leibes
fUr einen anderii Leib keine Ursache mehr vorhanden sei ; vielmeiu*
wird das Vorhandensein eines Werkrestes erwiesen aus Stellen der
Schrift und Sipriti wie: „Welche nun hier einen erfreulichen Wan-
>,del haben [für die ist Aussicht, dafs sie in einen erfreulichen Mutter«
schofs eingehen, einen Brahmanenschofs, oder Kshatnyaschofs odei*
Yai^yaschofs; — die aber hier einen stinkenden Wandel haben, für
die ist Aussieht, dafs sie in einen stinkenden Mutterschofs ein«
y^eben, einen Rundeschofs, oder Schweineschofs oder einen Candida-
„aobofs]** (Chand. 5, 10, 7); — „durch einen Rest' desselben" (siehe
die Smfitistelle p. 754, 4, S<^ite 484)> — ^Aber wenn dem so ist,
*so köunen doch | jene [restierenden WerkfrüchteJ durch ständige U30
*und gelegentliche [gute Werke] abgeworfen werden?' [hsJiepaJcdni ;
besser vielleieht hier und im Folgenden kshapakdni^ kshapya u. s. w.
„verbraojßkt werden"; vgl. p. 9Ö9., 12.] — Das geht nicht; weil
kein Oegeusatz [zwischen ihnen] vorhanden ist. Denn wäre ein
Gegensatz, se möchten die einen durch die andern abgeworfen wer-
den; aber zwischen den in einem frühetn Dasein aufgehäuften guten
WcFken und den ständigen und gelegentHeben [Ceremouien] besteht
kein Gegensatz, weil' die einen wie die andern n^oralisch verdienst-
licher Natur sind. Bei den bösen Werken freilich ist, da sie un-
moralischer Natur sind, der Gegensata vorhanden, und demgemäfs
mag Wohl ein Abwerfen statthaben; aber dadurch wird noch nicht
erreicht, dafs für einen neuen Leib keine Ursache vorlianden ist.
Denn auf die guten Werke trifft es doch zu, dafs sie als Ursache
bestehen bleiben, und bei den bösen Werken läfst sich nicht er-
mitteln, ob sie ohne Rest [durch die frommen Ceremönien] getilgt
sind. Auch läfst si<;h nicht beweisen, dals durch Betreibung der
ständigen und gelegentlichen [Ceremouien] nur Vermeidung des Nieder-
ganges [in der Seelenwanderung] und nicht daneben noch andere
Früchte erzielt werden: denn es ist wohl möglich, dafs nebenher
noch andere Früchte dabei herauskommen. Wenigstens lehrt JLpa-
stamha {dhanna-süira 1, 7, 20, 3): „Denn wie beim Mangobäume,
„den man der Früchte halber pflanzt. Schatten und Wohlgeruch
„daneben herauskommen, so auch kommen, wenn man die Pflicht
betreibt, nützliche Zwecke daneben heraus." Auch kann kein Mensch,
der nicht das Samyagdar^annm (die vollkommene Erkenntnis) hat,
sicher sein, dafs er mit seinem ganzen Selbste von der Geburt
bis zum Tode die genuliabezweckenden und verbotenen Handlungen
748 gftrlraka-mlm&äsi
gemieden hat: denn actoh an den YoUkommensien kann man feine
Vergehen bemerken. Mag man aber auch darüber zweifelhaft sein,
jedenfalls ist es nicht wohl zu erkennen, ob keine Ursach« [for
eine neue Geburt] vorhanden ist. Und ohne dafs das Brahman-sein
der Seele auf dem Wege der Erkenntnis zum Bewufstsein gelangt
ist, kann die Seele, die ihrer Natur nach handelnd und genielsend
ist, nach Erlösung nicht einmal verlangen, denn ihrer Natur kann
sie sich nicht entäufsern, so wenig wie das Feuer der Hitze. — |
1X31 'Das mag sein', könnte man einwenden, *aber das Unheil liegt doch
'nur in dem Handeln und Geniefsen als Wirkung, nicht in seiner
'Kraft [in den Thaten, nicht in dem Willen, aus dem sie henror-
'gehen], und sonach ist, auch wenn die Kraft bestehen bleibt, durch
'Vermeidung der Wirkung Erlösung möglich.* — Auch das geht
nicht. Denn wenn die Kraft bestehen bleibt [ich lese : i;akti'Sadbkäioe]y
so ist wohl nicht zu verhindern, dafs sie die Wirkung erzeugt. — 'Sdion
'rechtl aber es kann doch die Kraft allein ohne andere ursächliche
'Momente [der Wille ohne einwirkende Motive] keine Wirknng
'hervorbringen; daher sie für sich allein, auch' wenn sie bestehmi
'bleibt, keine Übertretung begeht.* — Auch das geht nicht; denn
auch die ursächlichen Momente sind durch eine kraftartige [poten-
tielle, vgl. p. 673, 10] Verbindung [mit dem Thäter] immer yer-
bunden. So lange daher die Seele die Naturanlage des Handelns
und Geniefsens besitzt, und so lange nicht das durch das Wissen
zu erreichende Brahman-sein der Seele eintritt, ist nicht die min-
deste Aussicht auf Erlösung. Und auch die Schrift, wenn sie sagt:
„Es ist kein andVer Weg zum Gehen" (Qvet. 3, 8), läfst keinen
Weg zur Erlösung mit Ausnahme der Erkenntnis zu. — 'Aber wird
'damit, dafs der Jiva mit dem Brahman identisch ist, nicht das
'ganze Welttreiben zu nichte, sofern die Erkenntnismittel wie Wahr-
'nehmung u. s. w. nicht von statten gehen können?* — Doch nicht;
vielmehr geht dasselbe ebenso wohl vor sich, wie das Treiben im
Traume vor dem Erwachen [vgl. p. 448 fg., Seite 283J. Und audi
der Kanon, wenn er sagt: „Denn wo eine Zweiheit gleichsam ist,
„da sieht einer den andern" u. s. w. (Bfih. 4, 5, 15), erklärt mit
diesen Worten für den Nicht-erweckten das Treiben der Wahrneh-
mung u. s. w. für gültig, hingegen fUr den Erweckten erklärt er es
für ungültig, wenn es weiter heifst: „wo aber einem alles zum eignen
„Selbste geworden ist, wie sollte da einer den andern sehen" u. a. w.
Indem somit für denjenigen, der das höchste Brahman kennt, die
Vorstellung des Hingehens u. s. w. aufgehoben ist, so ist ein Hingang
desselben [zu Brahman nach dem Tode] in keiner Weise möglich.
'Aber wohin gehören denn die Schriftstellen, die von einem
1132 'Hingehen [zu Brahman] reden?* — | Autwort: sie gehören in den
Bereich der attributhaften Wissenschaften (sagw^d vidyäk). Dem-
gemafs ist von einem Hingehen die Rede teils in der Fünffener-
Sfttram lY. in. 14. 749
lehre (Ch&iid. 5, 3—10, Brih. 6, 2), teib in der Thronlehre (Kaosh.
1), teils in der Taif vÄnaralehre (Cb&nd. 5, 11—24). Wo aber in
Bezug auf das Bralünan von einem Hingehen die Rede ist, z. B.
in den Stellen : ,,Brahman ist Lehen, Brahman ist Freude, Brahman
ist Weite" (Chänd. 4, 10, 5) und: „Hier in dieser Brahmanstadt [dem
„Leibe] ist ein Haus, eine kleine Lotosblume^' (Gh&nd. 8, 1, 1), —
auch da handelt es sich zufolge der Attribute fJjiebesfCurst*' u. s. w.
(Ch&nd. 4, 16, 3) und „wahre Wünsche habend" u. s. w. (Ghänd.
8, 1, 5) nur um eine Verehrung des attributhaften [Brahman], und
somit ist ein Hingehen statthaft; aber nirgendwo wird in Bezug auf
das hdchste Brahman ein Hingehen gelehrt. Wie daher in der
Stelle: „Nicht ziehen seine Lebensgeister aus" (Bph. 4, 4, 6) ein
Hingehen verneint wird , so steht es auch mit den Worten t „Der
„Brnhmanwisser erreicht das Höchste" (Taitt. 2, 1); denn wenil auch
das Wort „erreicht" ein Gehen bedeutet, so bezeichnet es doch hier,
wo, wie gezeigt, das ElTeichen eines andern Ortes nicht verstanden
werden kann, nur das Eingehen in das eigene Wesen, im Hinblick auf
die Vernichtung der vom Nichtwissen aufgebürdeten AuRbreitung you
Namen und Gestalten [d. h. der empirischen Realität]. „BraJbman
„ist er und in Brahman lönt er sich au(^' (Brih. 4, 4, 6); dieses
Wort mufs man im Auge halten. Femer: wenn das Hingehen Bezug
auf dos höchste [Brahman] hatte, so könnte es gelehrt werden entwe-
der zur Anlockung oder zum Nachdenken; ein Anlocken nun | durch 1133
die Erwähnung des Hingehens kann nicht geschehen bei dem Brah-
manwissenden; denn er wird es lediglich dadurch, dafs ihm mittels
des Wissens seine unverhüUtc Urselbstheit zum Bewufstsein kommt;
und auch ein Nachdenken über das Hingehen hat nicht die mindeste
Bedeutung für die sich einer ewig vollendeten Seligkeit bewufste,
kein Ziel zu erreichen übrig lassende Erkenntnis. Folglich bezieht
sich das Hingehen auf das niedere [Brahman]; und mir, sofern man
den Unterschied zwischen dem hohem und niedem Brahman nicht
festhält, werden die auf das niedere Brahman bezüglichen Schrift-
stellen vom Hingehen dem hohem fälschlich aufgedrungen.
Giebt es denn zwei Brahman^s, ein höheres und ein niederes?*
— Allerdings giebt es zwei; wie man ersieht aus den Worten: „Für-
„wahr, o Satyakitma, dieser Laut Om ist das höhere und das nie-
„dere Brahman" (Fra^na 5, 2). — *Was ist denn das höhere Brah-
*nian, und was dtis niedere V — Barauf antworten wir: wo unter
Abwehr der durch das Nichtwissen gesetzten Unterschiode von Namen,
Gestalten u. s. w. das Brahman durch die [blofs negativen] Ausdrücke
,>nicht grob [und nicht fein, nicht kurz und nicht lang] u. s. w. (Brih.
3, 8, 8) bezeichnet wird, da ist es das höhere. Wo hingegen eben
dasselbe zum Behufs der Verehrung bezeichnet wird als unterschie-
den durch irgend einen Unterschied, z. B. in Worten wie: „Geist
„ist sein Stoff, Leben soiu I^eib, Licht seine Gestalt" (Chäud. 3, 14, 2),
760 g&rtraka-m)nftjbi&
da ist es das niedere. — 'Aber widerapridit das nicht dxm Schrift-
'Worte, dafs es „ohne Zweites'' sei (Ch&nd. 6| 2, 1)?' — Keines-
Wegs! Der [Widerspruch] fällt weg, weil die Bestimmongeit wie
Name und Gestalt aus dem Nichtwissen entspringen. Die Fracht
aber der Verehrung dieses niedem Brahman ist nach den daneben-
stehenden Schriftworten: „Wenn er die Yäterwelt begehrf* u. s. w.
(Ch&nd. 8, 2, 1) [Himmels -]Weltherrlichkeit (jagad-^varpam) die
zum Saipsara gehört; indem das Nichtwissen [noch] nicht vemiehtet
1134 ist. Diese [Frucht] nun | ist gebunden an bestimmte Orte; daher,
um sie zu erlangen, ein Hingehen kein Widerspruch ist. Aller-
dings ist die Seele allgegenwärtig; aber wie der Raum (Äther) in
das GefäijB u. s. w. eingeht, so geht auch sie in die Upädhi*8 (Be-
stimmungen) wie Baddhi u. s. w. ein, und in soweit wird ein Oehen
bei ihr angenommen, worüber wir gespro^en haben bei dem Sl^
tram : „weil sie [die Seele im Saips&rastande] als Kern die Qualitäten
,jener [Buddhi] hat" (Sütram 2, 3, 29, Seite 414 fg.).
Somit ist also die Ansicht: „zu dem erschaffenen B4dari" (Sft-
tram 4, 3, 7) die richtige, und die Worte: „das höhere Jairaini*' (Sü-
tram 4, 3» 12) dienen blofs, um, zur Aufhellung der Ek^kenntnts,
die gegnerische Meinung darzulegen. So hat man es aufzufassen.
SechsteB Adkikaranam*
15. a-j^aiika-älambandn napaU, iH B4daräyana\ vbhaya-
fhärodoshäty tat-kratug ca
die nicht auf ein Symbol (Abbild) Vertrauenden fuhrt
er, 80 meint Bädaräyana, weil in der Unterscheidung
beider kein Fehler, und zwar ist es die Einsicht in ihn.
Es steht also fest, dafs das Hingehen sich auf das erschaffene
Brahman, nicht auf das höhere Brahman bezieht. — Nun fragt si^ :
führt jener. „Geist, der nicht ist wie ein Mensch** alle, die auf das
erschaffene Brahman vertrauen, ohne Unterschied in' die Brahman-
wclt oder nur einige? — Angenommen also, ^das Hingehen beziehe
^sich auf alle jene, welche, abgesehen vom höheren Brahnuin, das
'Wissen besitzen. Denn in dieser Woisc wurde in den Worten
S,die unbeschränkte Geltung in allen*' (Sütram 3, 3, 31) jenes Hingehen
'ohne Unterschied bei den andern Lehren [d. h. den attributhaftea]
'angenommen\ — Auf diese Annahme orwid«5rt der Lehrer; „die
„nicht auf ein Symbol Vertrauenden"; d. h. mit Ausnahme derer.
Sütram IV. m. 15. 751
welche auf ein Symbol vertrauen, | führt jener Geist alle andern, ii35
auf das erschaffene Brahman Vertrauenden zur Brahmanwelt ; „so ,
„meint" der Jjehrer „Badaräyana". Denn wenn man in dieser Weise
das. Vorhandensein einer Zweiteilung annimmt, so entsteht dadurch'
„kein Fehler"; nämlich jene Hegel der „unbeschränkten Geltung"
(Sütram 8, 3, 31) läfst sich auch von den Verehrungen mit Ausschlufs
der Symbole verstehen. Als . bewirkende Ursache für jene Zwei-
teilung aber ist zu verstehen die „Einsicht in ihn". Nämlich es ist
in Ordnung, dafs derjenige, welcher die Einsicht von Brahman be-
sitzt, der Brahmanherrlichkeit teilhaft werde; denn die Schrift
sagt: „je nachdem^ er ihn vefehrt, demgemäfs wird es mit ihm"
(vgl. p. 112, 8). Bei den Symbolen hingegen ist keine Einsicht in'
das Brahman vorhanden, weil der Hauptgegenstand der Verehrung
das Symbol ist. — 'Aber kommt es nicht in der, Schrift vor, dafs auch
^derjenige, welcher keine Einsicht von dem Brahman besitzt, zu
'Brahman hingeht, wie z. B. in der Fünf-Feuer- Lelire , wo es [auch
*von solchen] heifst: „der führet sie zu Brahman" (Chund. 6, 10, 2)?'
— Das mag sein, wo eins solche ausdrückliche Erklärung vorliegt;
wo sie aber fehlt, da ist, jener allgemeinen Regel von der „Ein-
„sieht in ihn" geroäfs, anzunehmen, dafs nur diejenigen, welche die
Einsicht von dem Brahman haben, zu demselben gelangen, die übrigen
aber nicht, — ^ das ist die Meinung.
16. vi^han ca dar^ayati
auch zeigt sie den Unterschied an.
Auch zeigt die Schrift bei den Verehrungen unter den Symbolen
des Namens u. s. w., vom Früheren zum Späteren foi*t8chreitend,
die bestimmte Fracht einer jeden Verehrung an, indem es z. B.
heifst: „so weit sich der Name erstreckt, so weit geht das Belieben
„seiner Freiheit ...j-, aber die Kede ist gröfser als der Name; ... h^q
„so weit sich die Rede erstreckt, so weit geht das Belieben seiner
„Freiheit; . . . aber das Manas ist gröfser als die Rede" u. s. w.
(Chd.nd. 7, 1 fg.). Diese genaue Bestimmung der Frucht ist nur mög-
lich, weil die Verehrungen hierbei an die Symbole sich halten ; denn
wenn sie au das Brahman sich hielten, so könnte, weil das Brahman
das nämliche bleibt, ein Unterschied der Brilohnungen nicht statt-
liaben. Somit ergiebt sich, dafs die auf Symbole Vertrauenden nicht
eine gleichwertige Belohnung wie die übrigen erhalten.
So lauUt in dem Kommentare znr erlauchton Cüriraka'Vti/nan»&f «lern Werke der
▼erehrungewardigcn Fflise de« erlauchton (^amcara, im viei-ton Adh^äya der dritte Päda.
Des Tieften AdhyAya
VIERTER PADA.
OmI T«rehnuig dem httehden AtoMil
Erstes Adliikaranam.
1137 1' sampadya ävirbhävahj svena-fäbdät
beim Eingehen Ofienbarwerdung , wegen des Wortes
„eigen".
Die Schrift sagt [in einem auf die höhere, attributloge W is-
s^naahaft bezüglichen Abschnitte, von deren Fmoht SfttraiD 4,
4, 1 — 7 -handelt]: „so anch erhebt sich diese YoUberahigang aas
„diesem Leibe, gehet ein in das höchste Licht und tritt d^darch
„hervor in eigener Gestalt" (Ch&nd. 8, 12, 3). Hier erhebt sieh
der Zweifel, ob [die Seele des Vollerlösten], ähnlich wie es bei den
Genufsstätten der Götterwelt n. s. w. der Fall war, mittels einer
neu zu ihr hinzukommenden Bestimmung hervortritt, oder vermöge
ihres blofsen Selbstes (ätman), — Angenommen alsOj ^das Hervortreten
'geschehe, ähnlich wie bei jenen andern Stätten, mittels einer neu
'hinzukommenden Form, weil doch auch die Erlösung als eine Be--
'lohnung zu betrachten ist, und weil das „Hervortreten" synonym
'ist mit dem Werden zu etwas. Geschähe das Hervortreten nnr
'mittels der eigenen Natur, so .müfstq es schon in den früheren
^Zuständen, da die eigene Natur bereits vorhanden war, zur Er-
'scheinung gelangt sein. Somit geschieht das Hervortreten mittels
'e\ncr neu hinzukommenden Bc8timmnng\ -^ Auf diese Annahme
Sfttram IT. it. 1. 753
erwidern wir: nur nach seinem eigenen Selbste wird der Erlöste
dabei offenbar, nicht nach irgend einer andern Qualität; | warum? 1138
wegen des Wortes ,,e]gen" in dem Satze „er tritt hervor in eigener
„Ge8talt*^ Denn im andern Falle würde die besondere Bestim«
mnng dnreh dns Wort „ eigen ^' nicht angebracht sein. — *Aber
'bedeutet das Wort „ eigen '^ nicht auch dasjenige, was uns ange-
'hörig, ist?* — Hier nicht! weil dies nicht erst besonders gesagt
EU werden brauchte. Denn die Gestalt, in der einer hervortritt,
ist natürlich ihm angehörig, und die Hervorhebung durch das
Wort „ eigen '^ würde hierbei überflüssig sein. Bedeutet es aber
das eigene Selbst, so ist es nicht überflüssig, denn der Sinn ist,
dafs man nur in der alleinigen Gestalt seines eigenen Selbstes, nicht
in einer neu hinzukommenden andern Gestalt hervortritt. — 'Aber
'welcher Unterschied besteht zwischen den früheren Zuständen und
'den jetzigen, da er doch dort wie hier ebenwohl seine eigene
'Gestalt besitzt?* — Der Lehrer antwortet:
2. midctah pratyndnät
w
erlöst, wegen des Versprechens.
Der, von welchem hier gesagt wird, dafs er hervortrete, ist von
der vormaligen Bindung „erlöst" und verharrt nur in seinem reinen
Selbste; früher hingegen galt von ihm, — nach den Worten „er
„ist blind" (Ch&nd. 8, 9, 1), „es ist, als ob er weinte" (Ghänd. B,
10, 2), „ee ist, als ob er vernichtet würde" (Ch&nd. 8, 11, 1), —
dafs sein Selbst durch die Dreiheit der Zustände [Wachen, Träu-
men, Tiefschlaf, von denen dabei die Rede ist] verunstaltet war,
das ist der Unterschied. — 'Aber woraus folgt, dafs er jetzt davon
*orlüst ipt?' — „Wegen des Versprechens", sagt der Lehrer. Häm-
lich [an der betreffenden Stelle] wird in den Worten : „diesen aber
„will ich dir weiter erklären", versprochen, den von den Mängeln
der drei Zustände befreiten Ätman zu erklären, worauf es heifst: |
,,den Körperlosen aber berühren Lust und Schmerz nicht", und 1139
zum Schlüsse: „er tritt hervor in eigener Gastalt, — das ist der
„höchste Geist" (Chänd. 8, 12, 1—3). W^enso besagen die Worte
zu Anfang der Erzählung: „das Selbst, daz sündlose" u. s. w>
(Ghänd, H, 7, 1), dafs hier ein Versprechen gegeben wird, von dem
eriösten Selbste zu handeln. Wenn aber auch die Erlösung als
eine Belohnung betrachtet wird, so ist sie es doch nur in Hinsicht
auf die Verniclitung der Bindung, nicht aber in dem Sinne, dafs
etwas bisher nicht Vorhandenes hinzukäme. Wenn aber auch das
llervoiireten synonym mit dem Werden zu Etwas ist, so bezieht
sich doch auch dieses nur auf die früheren Zustande, und es ist
ntusskii. YedAnU. 48
754 Q&rtraka-mlm&ns&
damit, wie wenn einer durch Hebung der Krankheit als ein Gesunder
hervortritt; darum ist nichts dagegen zu erinnern.
3. ätm&j prakaranät
f
der Atman, wegen des Vorhergehenden.
r ~ *
^iber wie kann man sagen, dafa er erlöst sei,, da die Schrift von
'ihln sagt, er „geht ein in das höchste Li€ht*', mithin doch nur in
*die Sphäre des ^sohaffenen? Denn das Wort „Licht^^ bezeichnet
*doch in der Regel das natürliche Element des Lichtes. So lange ttr
'aber nicht über den Bereich des Erschaffenen hinaus ist, kann
'niemand für erlöst gelten, weil alles Ersehaffene anerkannterma&eo
'(Brih. 3, 4f ^) ^^ Leiden behaftet ist.' — Dieser Einwand ist
hinfällig, ctenn unter dem Worte „Licht*' ist hier nur „der Atoian*''
zu verstehen, „wegen des Vorhergehenden," wo es hiefs: „der Atman,
„der sündlose, frei von Alter, frei von Tod" (Chand. 8, 7, 1). Wo
in dieser Weise der höchste Atman als Thema bezeichnet wird,
darf man nicht willkürlich an das natürliche Licht denken, weil
man sich dabei eines Abgehens vom Vorliegenden und oines Über*
gehens zu einem nicht Vorliegenden schuldig machen würde. Übri*
gens wird aber auch- sonst das Wort „Licht" von dem Atman ge-
braucht, denn es heifist: „ihn ehren die Götter als der Liäiier
„Licht" (Brih. 4, 4, 16), worüber wir des Naheren gehandelt haben
an der Stelle: „das Licht, weil dies ersichtlich" (Sütram 1, 3, 40).
Zweites Adhikarancm.
1140 4. avibhägena, drishtatvät
in Ungeteiltheit, weil dies ersichtlicli.
Der, von welchem es heifst: „er gehet ein in das höchste Licht
„und tritt dadurch hervor in eigener Gestalt", besteht dieser noch
gesondert von dem höchsten Atman, oder findet er sidi in Unge-
teiltheit mit ihm? das ist die Frage. — Man könnte denken, 'weil
4n den Worten „dort geht er umher" (Chand. 8, 12^ 3) die Be-
'schäftigungen und der Beschäftigte auseinaiid<H^ehalten werden,
'und weil in den Worten „er gehet ein in das Licht" der Th&ier
'und der Gegenstand des Thuns auseinandergehalten werden, es
'sei ein Verhangen in der Vielheit anzunehmen'. — Wer diese«
denken könnte, den klärt der Lehrer auf, indem er sagt: der Er-
S^raa IV. it. 4. 765
toste besteht in vdlliger „Ungeteiltheit'* mit dem höchsten Ätmftn;
warum? „weil dies ersichtlich.^ Nämlich Worte wie: «»das bist
„du" (Chänd. 6, 8, 7); — „ich bin Brahman" (Brih. 1, 4, 10); —
„wenn einer kein anderes sieht'* (Chänd. 7, 24, 1); — „aber es ist
„kein Zweites, Ton ihm verschiedenes da, welches er sehen könnte"
(Brih. 4, 3, 23), — diese und andere Schriftstellen beweisen, dafs der
höchste Atman in völliger üngeteiltheit besteht. Der Erkenntnis
TOD ihm aber mufs auch die Frucht entsprechen, nach der Regel
„die Einsicht in ihn" (Sütram 4, 3, 15). Auch heifst es (K&th. 4, 16):
„Wie Wasser; rein 2u reinem rag^gossen,
„Bl^iht eben solches, so, o Gadtama,
„Ist auch das Selbst des Weisen, der eiicannt hat";
— diese und andere Schriftworte, welche die Schilderung des Er-
lösten zum Gegenstande haben, bezeugen seine Ungeteiltheit, und
ebenso die [namentlich ChAnd. 6, 9—13 vorkommenden] Gleich-
nisse, wie z. B. das von dem Meere und den Flüssen (Gh&nd. 6,
10, 1. vgl. Mund. 3, 2, 8. Pra^a 6, 5) u. s. w. Auch bei der Un-
geteiltheit aber kann die Bezeichnung der Geteiltheit in übertragenem
Sinne gebraucht werden, wie dies z. B. geschieht an den Stellen:
„Worin, o Heiliger, stehet er? — Er steht in seiner eignen Mijest&t"
(Chand. 7, 24, 1) und: „am Ätman sich freuend, mit dem Ätman
„spielend*' (Ch&nd. 7, 26, 2).
Drittes Adkikaranam.
5. hröihfnena Jaimmr upanffäsa-ädibh^h ii4i
in der brahmischen , meint Jaimini, w^;en der Bei-
legung n. B. w.
Es steht somit fest, gem&fs den Worten: nia eigener Gestalt",
dafs der Erlöste hervortritt nur in der Gestalt seines Selbstes, nicht
in einer andern, neu hinzukommenden. Nun aber handelt es sich
darum, die Bestimmungen dieser Gestalt kennen zn lernen. Die
eigene Gestalt ist „die brahmische", wie sie durch die (Gh&nd. 8,
7, 1 vorkommenden) Prädikate von dem der „Sündlosigkeit^^ an
bis zu dem der „Wahrhaftigkeit der Wünsche'' hin, sowie auch
durch die Allwissenheit und Allmacht charakterisiert vrird. In
dieser, als seiner eigenen Gestalt, tritt der Erlöste hervor; so
meint der Lehrer Jaimini; warum? weil man aus der Beilegong
u. 8. w. ersieht, dafs dem so ist. Denn in dieser Weise wird von
48*
756 gfrT)raka-mlra«Lnsi
den Worten an: „der Ätman, der sundloBe", bis xa den Wori^^n
hin: „sein Wünsohen ist wahrhaft, wahriiaft sein Ratsehlufs^*', das
Ätmansein des Aiman dnrch Beilegung [der Epitheta: „der Aünan.
„der Ründlose, frei von Alter, frei von Tod und Arei von Leiden,
.,ohne Hunger und ohne Durst, sein Wünschen ist wahrhaft, wahr-
y^ft sein Ratschlufs", Ch&nd. 8, 7, 1] gelehrt. Ebenso ei'giebt sich
femer aus den Worten: „dort wandelt er umher, indem er lacht
„und spielt und sich erfreut'* (Ch&nd. 8> 12, 3), dafs er die Gott-
herrlichkeit (aiQvarpam) besitzt. Und nur unter dieser Yoraus-
ftetznng sind auch die Worte „ihm wird su Teil in allen W^elten
„ein Leben in Freiheit'^ (Chllnd. 8, 1, 6) und die Beseichnungen
als „alim&chtig'< (z. B. Brih. 4, 4, 22) und „allwissend" (Mund. 1,1,9)
berechtigt.
n4) 6. ciü-tanmätrena, tad-Atmahatvad, iÜ Audidamih
in dem Alleinstoffe der Geistigkeit, weil in dieser
sein Wesen, so Audulomi.
Wenn auch dem Erlösten die Prädikate der „Sündloaigkeit''
und die nächstfolgenden [Ghänd. 8, 7, 1 : „das Selbst, das sOndlose
,^ei von Alter, frei von Tod und frei yon Leiden, ohne Hanger
„und ohne Durst"] in einer Vielheit beigelegt werden, so beruheo
dieselben doch nur auf einer Abwechslung in den Worten; denn
der Sinn dabei ist allein, dafs bei ihm die Sünde u. s. w. zunichte
geworden sei. Nämlich die eigene Natur seines Ätman besteht
nur in der Geistigkeit, daher er „in dem Alleinstoffe" dieser aU
seiner eigenen Natur hervortretet mufs. Und auf diese Weise
kommen auch Schriftstellen wie: „so, fürwahr, ist dieser Atman,
„ohne Inneres und ohne Äufseres, ganz aus Erkenntnis bestehend*'
(Rrih. 4, 5, 13) zu ihrem Rechte. Wenn aber auch die [weitereo,
Chänd. 8, 7, 1 vorkommenden] Prädikate: „sein Wünschen ist wahr-
„haft" u. s. w. [nicht, wie die vorhergehenden blofs negativ sind,
sondern] als Beschaffenheiten an seinem Wesen ausgesagt werden
und besagen, dafs er nur wahre Wönsche u. s. w. besitze, so sind
dieselben doch von der Verbindung mit UpMhi's abhängig, daher
sie nicht so wie die Geistigkeit das eigentliche Wesen bezeichnen
können, weil von diesem die vielheitliche Natarbeschaffenheit aus-
geschlossen ist. Dafs aber die vielheitliche Naturbeschaffenheit yod
Brahman audgeschlosHen »ei, zeigten wir hei den Worten: „auch
„nicht wegen der Standorte hat der Höchste beide Charaktere'*
(Sütrani 3, 2, 11). Aus demselben Grunde kann auch die Er*
wähnung des „Lachens*' u. s. w. (Ch4nd. 8, 12, 3) nur die Befreiung
vom Leiden bedeuten, und steht ähnlich wie die Worte: „an dciu
„Selbste sich freuend** u. s. w. (Cbänd. 7, 25, 2) nur da aur Ver
Sfttnm IV. IT. 6. 757
herrlicbuDg. Denn im eigentlichen Sinne können Frende, Spiel
und Paarnng nicht als Merkxeichen des Atman gelten, weil lie
alle noch ein Objekt anfser ihm Toranaeetzen. Somit hat der Er*
Idete alle Vielheitlichkeit Ton eich abgethan und tritt hertor in
dem rahigen, unauBspredilichen Selbste der Erkenntnis ; — so meint
dei* Lehrer Audolomi.
7. evam api upanydsät pArväbhäväd avirodkam Bäda^ lus
r&yandh
auch 80 entsteht dadurch, dafB man wogen der Bei-
legung das Vorherige bestehen l&fst, kein Widerspruch,
meint Badarayana.
„Aoob ao'S d. h. aach wenn man annimmt, dafs die absolut reale
Gestalt in der blofsen Geistigkeit bestehe, imd dennoch daaeben,
mit Rücksicht auf die empirische Ansdrucksweise (Dya^
vahära-aptkthayä) die Torherige „brahmische" Gottherrlichkeit we-
gen der „Beilegung'* u. s. w. (Sütram 4, 4) 6) nicht verschmäht,
entsteht kein Widerspruch , — so meint der Lehrer Bftdar&ya^a.
758 Q&rtraka-mlmytsl^
Viertem AdhAafanain.
y ' 8. sankalpad eva tu, tac-chruteh
vielmehr blofs durch den Wunsch, weil so die Schrift.
In der Lehre Tom Herzensbrahmaa [Ch&nd. 8, 1 — 6, alao in
einem auf die niedere, attribnthafte Wisaenscbaft besng-
lichen AbsobniUe, von deren Frucht Sütram 4, 4, 8 — 22 handelt]
heiM es: „wenn er [d. h. der auf dem Gdtierwege zum niedern
„Brahman Eingegangene] nach der Yäterweit begehrt, so stehen
9,durch seinen blofsen Wunsch die Väter auf (Gh&nd. 8, 2, 1)« Hier
erhebt sich die Frage, ob der Wunsch für sich aliein genügt, um
die Väter u. j. w. aum Aufstehen au bringen, odor ob derselbe da-
1144 bei von andern Ursachen | begleitet ist. Denn *wenn ea auch
^heifst „durdi seinen bloXsen Wunsch", so kann hier doch ¥rie in
^der Erfahrung auf andere Mitursachen Besug genommen sein. Wie
'nämlith unser einer in der Erfahrung durch seinen Wunach und
'durch das Gehen u. s. w. als Mitnrsadien an seinem Vater u, s. w.
'gelangt, so könnte es auch bei dem Erlösten sein, und man
'brauchte nicht etwas dem Augenscheine Widersprechendea anaa-
'nehmen. Dafs es aber durch den blofsen Wunsch geschehe, könnte
'wie bei einem Könige bedeuten, dafis daa Zubehör der andern
'Mittel, um die gewünschte Sache an verwirklichen, leicht erreich-
'bar sei. Auch würden die Väter u. s. w., wenn sie durch den
'blofsen Wunsch schon aufständen, ähnlich dem, was. der bloÜBen
'Phantasie entspringt, ein Unstätes sein und keinen yoUwichtigen
'Genufs ermöglichen können.' — Auf diese Annahme erwidern
wir: das Aufstehen der Väter u. s. w. geschi^t lediglich durch den
blofsen Wunsch; denn wenn die Schrift sagt: „durch seinen blofsen
„Wunsch stehen die Väter auf" (Chänd. 8, 2, 1), so würde bei An-
iiahme Ton andern Mitursachen diese Schriftaussage gedrückt werden.
Sollte aber wirklich dabei eine andere Ursache zu dem Wunsche sich
hinzugesellen-, so mag das sein, jedenfalls aber ist nicht an eine der-
artige andere Ursache zu denken, welche erst durch eine weitere Be-
mühung zu vram^irklichfin wäre; denn dann würde vor deren Voli-
bringung die Wunschfreiheit eine eingesoWänkte sein. Übrigens ist
mit einem Analogieschlüsse (s&mänyato drishtam), welckier auf der
Voraussetzung beruht, dafs es in einer von der Schrift gelehrten
Sache sich ebenso verhalten müsse wie in der Erfahrung, hier nicht
voranzukommen. ' Denn es ist denkbar, dafs auch durch die
blofsen Wünsche der Erlösten etwas hervorgebracht . werde , welches,
so lange es der Zweck erfordert, Dauerhaftigkeit besitzt, indem
Sütram IV. vr. a 759
die YTünscbo der Erlösten von den W&nscben der gewOfanlichen
Mensehen wesensviicschieden aind.
9. ata* eva ca emansa-^adhipaüh 1145
ebeu darum auch hat enkei&ea andern als Oberherrn.
„£baa daram ftoch^^ nämlich weil sein Wunschvermögen kein
LeBchranktes i«t, hat der Wissende „keinen andern als Oherherrn",
d. h. ea gii»bt keinen, der über ihn Herr w&re. • Denn auch schon
ein natürlicher Siensch wird sich doch, bei seinen Wünschen, so-
weit es möglich ist, keinen andern als Oberhen*n über f^tch wün-
schen« Üud auch die Schrift beweist diese», wenn sie sagt: „wer
,,aber. vpn binnen scheidet, nachdem er die Seele erkannt hat und
,Jene wahrhaften Wünsdie, dem wird zu Teil in allen Welten ein
,,Lehra in Freiheit'' (Chind. 8, l, 6).
Fimftea Adhikarandm.
10. aihdvam Bädarir, äha hi evan^
ihr Nichtsein Badari, denn so sagt sie.
Aas dem Schriftworte, dafs auf den blofsen Wunsch de's Er-
lösten die Väter sich erheben (CliÄnd. 8, 2, 1), ergiebt sich, dafs
derselbe ein'Manas als Organ des Wünschens besitzen mufs. Aber
hat der leur Gottherrlichkeit eingegangene Wissende weiter auch
einen Leib u^d Sinnesorgane oder nicht? das ist die Frage.
— Hierbei nimmt der Lehrer Badari das NichtvorhandenseiD des
Leibes und der Organe bei dem der Seligkeit geniefsenden Wis-
senden an; waram? weil so die Schrift sagt: ,,mit dem Manas jene
,, Wünsche schauend, erfreut er sich'* (Ohand. 8, 12, 5), nämlich in
der Urahmanwelt. Würde er bich mit Mana^, Leib und Sinnen da-
selbst erfreuen, so würde hier das Manas nicht für sich allein her-
yorgehoben werden. Somit ergäbe sieb für die Erlösung ein Nicht-
sein dos Leibes und der Organe.
760 ^Itflraka-mlmiftBä
11. hhä/vaiih Jamimr, vikalpa-dmanandt
ihr Sein Jaimini , wegen der Erwähnung des Wahl-
vermögens.
ELingegeo behauptet der Lehrer Jaimini in Betreff des £rl6sten
das Sein des Leibes und der Sinnesorgane ebensowohl wie daa
1146 des Manas; | denn es heilst: „er wird einfach, er wird dreifad) "
u. s. w. (Ghcind. 7, 26, 2), worin liegt, dafs er ein WahlYennögen
besitzt, sich zu ▼ervielfältigen; eine Vervielfältigung ist aber nur
möglich durch eine Verschiedenheit der Leiber. — Allerdings be-
findet sich diese Äufserung über das WahlvennÖgen sich so ver-
vielfältigen in der Lehre von der ünbeschr&nktheit (Chand. 7),
welches eine attributlose Lehre ist; aber dort wird dieeo Gott-
herrlichkeit, welche nur für den attributhaften Standpunkt besteht,
nur- zur Verherrlichung der Lehre von der Unbeschränktbeit ao-
geführt; daher sie, vennöge ihrer Zugehörigkeit su den BelobnnngeD
für die attributhaften Lehren, allhier aufsuführen ist.
12. dvädaga-aha-vad uhhaya - vidham Bddairäyano 'tah
wie bei der zwölf tägigen beide Arten Badarayana,
aus demselben Grunde.
Hingegen meint der Lehrer Badarayana „aus demselben Grunde,"
nämlich weil die Schrift Andeutungen von beiden enthält, dafs
beide Arten vorkommen ; wenn einer die Körperhaffcigkeit wüns^t,
so wird er körperhaft; wünscht er hingegen die Körperlosigkeit,
so wird er körperlos; denn er hat das Vermögen Wahres xu wün-
schen, die Wünsche aber sind verschiedenartig. „Wie bei der
„zwölftägigen^*, d. h. so wie es eine zwölftägige Somafeier and eise
solche von noch mehr Tagen giebt, weil die Schrift fUr beides
Andeutungen enthält, so ist es auch hier.
13. tanU'Obhdve sandhya-vad upapadt/ate
falls kein Leib, kann es sein wie im Zwischenstande.
Sollte hingegen ein Leib nebst Sinnesorganen nicht anzunehmeih.
sein, so kann es dabei sein wie im Zwischenstande [des Traumes],
1147 wo I auch, ohne dafs ein Leib mit Organen und Objekten vorhanden
Sütram lY. iv. 13. 761
ist, in der blofaen [objektlosen] Perception die Wünsche nach
Yätern u. s. w. sich Terwirklichen ; 'ähnlich kann es auch möglicher-
weise bei der Erlösung sein. ,
1 4. bhdve jägrad - vat
falls er vorhanden, wie beim Wachen.
Falls hingegen ein Leib vorhanden sein sollte, mögen die Wün-
sche des Erlösten nach den Vätern u. s. w. sich so wie im wachen
Zustande in realer Weise verwirklichen.
Sechste« AdJiikaranam.
15. pradipa-vad ävefas, tathä M dargayatl
wie bei der Lichtfiamme ist das Hineinfahren , denn
Bo zeigt sie es.
In dem Sütram: „ihr Sein Jaimini, wegen der Erwähnung d^
„Wahlvermögens^* (4, 4, 11) war die Körperhaftigkeit des Erlösten
angenommen worden. Hierbei fragt sich nun, ob, wenn bei Gelegen-
heit der Dreifach werdung u. s. w. mehrfache Leiber hervorgebracht
werden, diese Leiber als seelenlos, so wie Holzmaschinen, hervor-
gebracht werden, oder ob sie, ähnlich wie unsere Leiber, beseelt
sind? Man könnte annehmen, *weil die Seele und das Manas sich
'nicht spalten lassen, müfsten, so lange dieselben in dem einen
'Leibe sind, die andern Leiber unbeseelt sein*; worauf der Lehrer
versetzt: „wie bei der Lichtfiamme ist das Hineinfahren"; d. h.
so wie dio t^ine Licbtßamrae zu dem Sein mehrerer Lichtflammen
übergehen kann, | weil sie Vcrvielföltigungskraft besitzt, ebenso 1X48
kann auch der Wissende, obwohl er nur einer ist, weil er die Gott-
lierrlichkeit besitzt, in ein mehrfaches Sein übergehen und in alle
1/eiber hineinfaliren ; warum? weil in dieser Weise die Schrift das
mehrfache Sein des einen lehrt, wenn sie sagt: „er wird einfach,
„wird dreifach, fünffach, siebenfach'' u. s. w. (Ch&nd. 7, 26, 2). Dies
ist nicht möglich, wenn man das Gleichnis von den Holzmaschinen
annimmt, noch auch wenn es eine andere Seele ist, die hineinfährt.
Auch könnten die Leiber ohne Seelen sich nicht bewogen. Wenn
aber behauptet wurde, dafs eine Verbindung mit mehreren Leibern
wegen der Unteilbarkeit der Seele und des Manas nicht möglich
762 Q&rlrAk»*mlmfin8lk
sei, 80 hat das nichts aaf sich; n&mlicfa weil das Termögen, Wahr-
haftes zu wünschen, vorhandeif ist, kann der Erlöste weitere, dem
einen Manas entsprechend gebildete, mit einem Manas verseheut
Leiber sich schaffen; nnd nachdem sie geschaffen sind, kann er
ihnen durch eine mittels Teilung der Upadhi^s bewirkte Teilung
der Seele auch einen Vorsteher . geben. Darüber handeln auch
die Lehrbücher de? Yoga, wenn «ie sich mit der Verbindung dnfs
Yogin mit mehrern Leibern besch&ffcigen (vgl. Seite 168).
'Aber wie lafst sich für den Erlösten jene das Uineinfahroi
*in mehrere Leiber ermöglichende Gottherrlichkeit annehmen, dx
'es doch heifst: „wie sollte er dann irgend wen erkennen" (ßriii.
*2, 4, 14)*,. — „aber es ist kein Zweites da, kein anderes, von ihm
S^yerscbiedenes, das er erkennen könnte'* (Brih. 4, 3, 30); — ^^^^
'„Wasseir isc der eine Schauende, der zweitlose'' (Brih. 4, 3, 32),
'-^ wo also dem Erlösten doch die auf die Unterschiede bezügliche
'(individuelle) Erkenntnis abgesprochen, wird?' -^-a Darauf giebt
der Lehrer zur Antwort:
1149 16. sva-apyaya'Sampattyor anyatara-apeksham^ äri^-
Jcritam hi
von Selbsteingang und Auflösung betrifft es eines vi«
das andere, denn diee liegt am Tage.
Der „Selbsteingang'* ist der Tiefschlaf, denn es heifst: „er ist
„in sich selbst eingegangen, darum sagen sie von ihm, er bchläft"
(Chand. 6, 8, 1). Die „Auflösung" ist die absolute Erlösung, dena
es heifst: „Brahman ist er und in Brahman löst er sich auf*^ (ßrih
4, 4, 6). „Einen wie ^en andern'' von diesen beiden Zustüüdeu
betrifft die Lehre von dem Nichtsein, des auf die Untei-i>chiede be-
züglichen (individuellen) Bewufstseins ; zuweilen kommt sie voi.
dem Zustande des Tiefschlafes, zuweilen von dem der absolutn
Erlösung vor. Woraus dies folgt? Nun, weil es eben dort „jiu
„Tage liegt", sofern von jenen .beiden, dabei die Kode ist. i'i»^
ist ersichtlich aus Schriftstellen wie: „er erhebt sich aus dif.'-fn
„Kreaturen und geht wieder mit ihnen zu Grunde; nach dt-u
„Tode ist kein [individuelles] Bewufstsein" (Brih. 2, 4, 12); -
„wo aber einem alles zum eigenen Selbste geworden ist** (ßn^
4, 5, 15); — „wenn einer so eingeschlafen ist, dafs er keine Bt-
„gierde mehr empfindet, und kein Traumbild schaut" (Brih. 4% 3, r^>
— Was hingegen den Ort der Ausreifung der attributhaften Wissen
Schäften betrifft, von dem liier die Bede ^ ist, so ist er, ebenso gu^
wie der [als Fi-ucht der Opferwerke verheifsene] Bimmel n. s. w.
Sütram IV. \y. 16. 763
ein [toq Tiefschlaf und absoluter Erlösung] verschiedener Zustand,
dessen Gottherrlichkeit hier geschildert wird; — daher obiger
Einwand nicht zi^trifft.
Siebentes Adkikaranam.
17. jäffad-vjfäpära-vtirjam , jprakaranäd asannihita- ii50
tväc ca
aufser der W'eltf ürsorge , weil er bestallt, und sie ab-
gehalten.
Erlangen diejexiigenj welche durch die Verehrung des attribut-
haften Brahman in eine bewufste Lebensgemeinschaft mit |Grott
eingehen, dadurch eine schrankenlose Gottherrlichkeit oder eine
bescluränkte? das ist die Frage. — Angenommen also, ^ihre Gott-
^herrlichkeit müsse eine unbeschränkte sein, denn es heifst: „er
S,erlangt die Selbstherrlichkeit" (Taitt. 1, 6, 2); — „alle Götter brin-
*„gen ihm die Spende dar" (Taitt. 1, 5, 3); — „ihnen wird zu Teil
*„in allen Welten ein Leben in Freiheit" (GhsUid. 8, 1, 6).' *— Hier-
gegen erwidert der Lehrer: „aufser der Weltfürsorge"; d. h. mit
Ausnahme der Fürsorge f^v Entstehen u. s. w. der Welt besitzen
die Erlösten jede andere Gottherrlichkeit, wie z; B., das Vermögen,
sich atomkloin zu machen u. s. w. Hingegen die Fürsorge für die
Welt bleibt allein dem ewig vollendeten Gott vorbehalten, warum ?
„weil er dnzu bestallt war", die andern hingegen „davon abge-
„halten" waren. Nämlich der höchste Gott allein ist nun einmal
bestallt zur Fürsorge für die Welt, denn die Schrift lehrt von ihm,
dafs- er die Welt erschaffen habe u. s. w., und nur er ist ewig mit
dem [weltschaffenden] Schriftworte verbunden, während bei den
übrigen ein Suchen danach und ein Feilschen vorherging, daher
ihre Gottherrlichkeit einen zeitlichen Anfang hat. Darum sind sie
von der Fürsorge für die Welt „abgehalten". Auch könnte, «weil ein
jeder von ihnen mit seinem Hanas behaftet ist, bei ihnen eine
Meinungsverschiedenheit auftreten; der eine könnte die Welt noch
weiter erhalten, der andere sie vernichten wollen, und darüber könnte
gelegentlich Streit | entstehen. Dieser Streit l&fst sich nur ver- 1154
meiden, wenn sich die Wünsche der andern nach denen eines ein*
zigen richten. Somit besteht ein Unterschied, indem die übrigen
in einer dem höchsten Gotte vorbehaltenen Abhängigkeit von die-
sem stehen.
764 C^xIraka-mlioftnaA
16. pratyaksha-upadegdd, iti ctn? na! ädhikänka-ma-
ndala - stha - ijfkteh
. • • •
wegen der offenkundigen Darlegung, meint ihr? Nein,
weil der amtoberste, in der Scheibe Befindliche ge-
meint ist.
Wenn weiter bebaupiet wurde, dafs „wegen der offenkundigen
„Darlegung^* in den Worten: „er erlangt die Selbstherrlichkeit^^
u. 8, w. (Taitt. 1) 6, 2) die Gottberrlichkeit der Wissenden eine
schrankenlose sein müsse, so ist dies sa widerlegen. Wir behaupten,
dafs dieser Einwand nicht zutrifft, „weil der amtoberste in der
„Scheibe Befindliche gemeint ist'^ Nämlich der über alle Ämter
gesetzte und in den speciellen Standorten der Sonnenscheibe u. s. w.
erscheinende höchste Gott ist es, welcher (Taitt. 1, 6i 2) gemeint
ist, und Ton welchem die [dort erwähnte] „Erlangung der Selbst-
„herrlichkeit" abhängig ist, denn es heifst (Taitt. 1, 6, 2) weiter:
„er erlangt den Herrn des Geistea", womit gesagt wird, dafs er
zu dem als der Herr aller Gei.stcr schon Torherbekannten t^Tara
(Gott) gelangt. Und im Gefolge davon heifst es weiter: j^er wird
„zum Herrn der Rede, Herrn des Auges, Herrn des Ohres, Herrn
„des Erkennens'^ (Taitt. 1, 6, 2). — In dieser Weise mufs man auch
an den andern Stellen je nach Befund die Gottherrlichkeit der
übrigen als von der des ewig voUendeten Gottes abhängig auf-
fassen.
1152 19. vikära-dvarti ca; tathä M sthitim dha
auch eine das Erschaffene in sich zur&cknehmende;
denn so beschreibt sie seinen Zustand.
Übrigens giebt es auch „eine das Erschaffene in sich zurück-
„nehmende '*, ewig erlöste Form des hdchsteu Gottes; nicht blofs
eine solche, welche sich nur über das Erschaffene erstreckt* und
in der Sonnenscheibe u. s. w. ihren Standort hat. „Denn so be-
„schreibt*^ die Schrift seinen Zustand als einen zweifachen (CSiand.
3, 12, 6):
„So grofs die Majestät ist der Natur,
„So ist doch gröfscr noch der Geist erhoben;
„Ein Fttfs von ihm sind alle Wesea nur,
„Drei sind Unsterblichkeit im Himmel droben.'*
Diese seine unwandelbare Gestalt aber kann von solchen, die auf
die andere vertraut haben, nicht erreicht werden , weil so hoch
Sütram IV. iy. 19. 765
ihre Einsicht niclit ging. Und wie dieselben denn von den zwec
Formen des höchsten Gottes nicht die attributlose erreichen, son-
dern auf die attributhafte beschränkt bleiben, so erlangen sie auch
in dieser nicht die unbeschränkte Gottherrlichkeit, sondern bleiben
auf die schrankenhafte angewiesen.
20. dargayatag ca evmn pratyaksha- anumäne
auch zeugen dafür Augenschein und Folgerung,
Auch zeugen dafür, dafs „das höchste Lieht" jene alles Er-
schaffene in sich zurücknehmende Form besitzt, die Schrift und
die Smriti: „dort leuchtet nicht die Sonne, nicht Mond und Sterne,
„noch leuchten diese Blitze; viel weniger irdisches Feuer*' (Mund.
2, 2, 10); — „sie wird erhellt nicht von der Sonne, nicht von dem
„Mond und auch von Feuer nicht*' (Bhag. G. 15, 6). Somit steht
fest, dafs das höchste Licht jene das Erschaffene in sich zurück-
nehmende Gestalt besitzt.
21, bhoga-mätra-sämya-lingdc ca ii53
auch wegen der Andeutung, dafs nur im Genüsse
Gleichheit. •
Auch darum ist die Gotthcrrlichkeit derer, die auf das er-
schaffene Brahman sich stützen, keine unbeschränkte, weil die
-Schrift lehrt, dafs sie nur in Bezug auf den Genufs mit dem von
Ewigkeit her vollendeten Gotte gleichgestellt sind; denn es heifst:
„er sprach zu ihm: die Wasser fürwahr sind diese meine, und sie
„ist deine Welt** (lies: äpo rai khalu nie 'yat^i, tc loho ^sau, Kansh.
1, 7); — „gleichwie alle Wesen jene Gottheit fördern, so för-
„dem alle Wesen den, der Solches weifs" (Byih. 1, 5, 20); — „da-
„durch erlangt er mit joner Gottheit Lebensgemeinschaft, Weltge-
„meinschaft" (Brih. 1, 5, 28); — das sind die Andeutungen, welche
beweisen, dnfs eine Yorschiedenheit beider noch bestehen bleibt.
*Aber wenn dem so ist, und ihre Gattherrliohkeit ein Mehr
'und Minder zuläfst, so raufri sie doch auch einmal ein Endo neh-
*men, so dafs ihre Inhaber zur Erde zurückkehren?' — Darauf
antwortet der erhabene Lehrer Badaräyana:
766 CMrak|kmtiiilUk8&
22. anävrütih gabdäd; anävrittih fdbdäd
keine Wiederkehr nach der Schrift, keine Wiederkehr
nach der Schrift.
Diejenigen, welche durch Ader und Strahl über die Stationen
der Flamme n. s. w. auf dem GdttierpfiEide in die von der Schrift
geschilderte Brahmanwelt gelai^gen, — woselbst die Seen Ära- und
1154 'Nyä sind, | „in äer Brahmanwelt, im dritten Himmel Ton hier,"
wo „das Gewässer Aitammadij^am^^ ist und „der Feigenbaum Soma-
i^avana,^* und „die Brahmanburg Aparc^itäy'* und „der' goldene
„Palast TräbhuvimiUim^^ (Chänd. 8 , 5 , 3) , in . diese Brahmanwelt
wie sie an vielen Stellen der Mantra^s, Arthav4da*8 u. s. w, ge-
schildert wird (vgl. Kausli. 1, 3—5), -^ die dorthin gelangt sind,
die kehren nicht, wie die in der Mondwelt u. s. w., nach Ablauf
des Genusses zurück; warum? weil die Schrift sagt: „Unsterblich-
„keit erlangt wer auf ihr aufsteigt^* (Gh&nd. 8, 6, 6); — - „für sie
„ist keine Wiederkehr^* (Brih. 6, 2, 15); — „die auf ihm eingehen,
„kehren zu diesem irdischen Stniäel nicht zurück^' (Ch&nd. 4, 15,
6); — „er geht zur Brahmanwelt und kehrt nicht wieder'* (Chand.
8, 15, 1). — Sondern vielmehr, wenn auch ihre Gottherrlichkeit
zu Ende geht, so kehren sie doch nicht zurück, sondern gehen,
wie wir dies zeigten, „bei Yergang der erschaffenen [Brahmanwelt]
„mitsamt ihrem Aufseher in das von ihr aus Höher« ein*' (Sutran
4, 3, 10). Denn waa diejenigen betrifft, welche die Finsternisse
[des Nichtwissens] durch die vollkommene Erkenntnis ver-
scheucht haben und dem ewig vollendeten NirvdfMm einzig ergeben
sind, so steht deren Nichftwiederkehr ganz fest. Zu diesem aber
1 155 werden [zuletzt] auch diejenigen | ihre Zuflucht nriineo, welche sicfa
unter den Schutz des attributhaften Brahman gestellt hatten,
woraus sich ergiebt, dafs auch für sie keine Wiederkehr ist —
„Keine Wiederkehr nach der Schrift, keine Wiederkehr naeh der
„Schrift ;" diese Wiederliolung des Sütram zeigt das Ende des Lehr-
buches an.
So UaUt in dem Kommentar» cur erlanobten ^&rtra^a'ilSmakvU deiA Weil» d«r T«r-
ttbraugawArdigeu Fafte dei erlauchten Cankarat des eriiab«B«a Atketea. PUgvn utd
Lehrers, det SohOlers der ver«hntn({iwflriligeii Fafae dM' erUnebten Qorind«, im Wei^
Adkyaya der Tiefte Väda.
Ende des Lehrbuches i»x Brakma'M.%mäin$ä mit dem Kommentare
des (^ankara.
Verbesserungen und Zusätze:
Seite 77, Zeile ^37, statt: prana^ lies*, präna
105, „ 30, 8t, : eben, 1. : aber
465, „ 14, „VerpfteguDg", besser wobl „Belebung" (vgl. S. 716, 37)
515, „ 12, St.: bewerkstelligen, 1.: erweisen
548, ,^ 33, Bt.: B&darl^yana, I.: Biular&yauo
583, „ 11. 31, unter Vedä (oxyt) ist ein beim Opfer zur Verwen-
dung kommender Besen xa verstehen.
617, „ 1, Zu Saftkarsba (in dieser Bedeutung nicht im P. W.)
vgl. lud. Stud. I, 19, 9: „Ferner ist verfafst von Jaimini auch
„das aus vier Adhy&ya^s bestehende Sahkarshana-K&ndam; die-
„seSi welches auch unter dem Namen Devatit-kftn^ain bekannt
«,i8t, geh5rt, weil es die Verehrung als Werk behandelt, mit
„anr Werkforschnng (Karma-mimitnsa)."
n
CbersicKt der Abkflrzimgeii.
(«, ck i«t wie tick, Uckki j i*i« dsck tu spMC^Mi.)
Ait. = Aitarey a- Upanialiad
Ait. dir. =:^ Aiiareya-AraxtyftluMn
Ait. br. = Ailareya-Br&bma^am
Bhag. G. = Bbaga^^-GitA
Brih. = Brihadlkranyaka-UpaniBhad
^aiap. br. =s ^atapatba-Br&bmanam
(/band. = Cb&ndogya-Upanisbad
(^vet. = ^etiyTatara-Upanisbad
l^^ :=z tyH-Upanisbad
Jeim. =: die Mlm&nsll des Jaimiai
Kutb. = Katbaka-Upamflbad
Kausb. r= KauabHaki-Upanisbad
Kena = Kena-Upanisbad
Mabl^bb. — Mababbl^ratam
Mund. = Mundaka-Upanisbad
Pra^^ = Pra^a-Upaniabad
Kigy. = die Saipbit& des Kigreda
S4ükbya.k4r. = S&nkbya-E:Arik4
Taitt. =z Taittirlya-Upanisbad
Taitt. &r. = Taittiriya-Aranyakam
Taitt. br. = Taittirtya-Br&bmanam
Taitt. samb. = Taittirlya-SambitA
Vaiy. = Vai^esbika-S^ktram.
Druck von F. A. Broekk»«« in Leipiif.
14 DAY USE
RETURN TO DfiSK FROM WHICH BORROWED
LOAN DEPT.
This book is due oo the last date stamped below, or
on the date to which renewed.
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