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Full text of "Die Sûtra's des Vedânta; oder, Die Çârîkaramîmânsâ des Bâdarâyana, des Bâdarâyana, nebst dem vollständigen commentare des Çan̄kara;"

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A.  W.   Kyder 


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DIE 


SÜTM'8  DES  VEBÄNTA. 


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Von  demselbeu  Verfasser  sind  früher  erschienen: 

COMMEBTATIO  DE  PLATONIS  SOPHISTAE  COMPOSITIONE  AC 
DOCTRINA.    (Bonn,  A.  Marcus,  1869.)    1  M.  20  Pf. 

DIE  ELEMENTE  DER  METAPHYSIK,  als  Leitfaden  zum  Gebrauche  bei 
Vorlesungen  sowie  zum  Selbststudium.  (Aachen,  J.  A.  Mayer,  1877.)  4  M. 

DAS  SYSTEM  DES  VEDANTA,  nach  den  Brahma  -  Sutra's  des  Badar 
räyana  und  dem  Commentare  des  Qankara  über  dieselben,  als  ein 
Compendium  der  Do^matik  des  Brahmanismus  vom  Standpunkte  des 
Qankara  aus  dargestellt.    (Leipzig,  F.  A.  Brockhaus,  1883.)    12  M. 


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DIE 

SÜTRA'S  DES  VEDÄNTA 

ODER  DIE 

CÄRtKAKA-lil&NSÄ  DES  BÄDABHYANA 

NBB8T  DSU  VOLLSTEN  Dl  OBN 

GOMMENTäRE  des  (ANKARA. 

ADS  DEM  SANSKRIT  ÜBERSETZT 

Db.  PAUL  DEUSSEN, 


ZWEITE  AUFLAGE. 

ARABTATIBCHEB  DBlfOK. 


LEIPZIG: 

A.    BBOCKHAUS 


Mit  Vorbehalt  %ller  Beohto. 


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VORREDE. 


Die  Philosophie  der  Inder  hftt  —  wie  so  oft  das  Grofse, 
wenn  es  neu  in  den  Zusammenhang  eines  fertigen  Kultur- 
ganzen fa^ereintritt  —  im  Abendtaude  zunächst  das  Schicksal 
'erfahren,  mehr  besprochen  und  beurteilt  als  gekannt,  mehr 
überschätzt  und  unterschätzt  als  verstanden  zu  werden.  Wie 
aber  auch  immer  das  endgültige  Urteil  über  ihren  Wert  oder 
Unwert  ^ch  gestalten  mag,  jedenfalls  werden  wir  in  ihr  ein 
Stück  der  Entwickelungsgeschichte  des  menschlichen  Geistes 
zu  respektieren  haben,  welches  um  so  interessanter  und  lehr- 
reicher ist,  je  mehr  es  den  Vorzug  völliger  ürsprünglichkeit 
in  Anspruch  nehmen  kann,  und  je  weniger  es  auf  unsere  von 
der  biblischen  und  griechischen  Gedankenwelt  abhängigen  re- 
ligiösen und  philosophischen  Anschauungen  bis  auf  dieses  Jahr- 
hundert herab  irgend  einen  nennenswerten  Einflufs  hat  aus- 
üben können. 

Gesetzt,  es  gäbe —  was  ja  wohl  möglich  ist  —  auf 
einem  der  andern  Planeten  unseres  Sonnensystems,  vielleicht 
auf  dem  &tars  oder  der  Venus,  Menschen  oder  menschenartige 
Wesen,  die  es,  wie  wir,  zu  einer  Kultur  und,  als  höchster 
Blüte  derselben,  zn  einer  Philosophie  gebracht  hätten,  imd 
es  würde  uns  die  Möglichkeit  gegeben  (etwa,  indem  es  gelänge, 
von  dort  ein  Projektil  bis  in  den  Bereich  der  überwiegenden 
Erdanziehung  zu  schleudern)  von  dieser  Philosophie  Kenntnis 
zu  nehmen,  so  würden  wir  ohne  Zweifel  den  ^Erzeugnissen 
derselben  ein  grolses  Interesse  zuwenden.  Mit  Aufmerksam- 
keit würden  wir  sowohl  Übereinstimmung  als  Verschiedenheit 

iv!3i935 


VI  Vorrede. 

jener  traaslunareu  Weltanschauung  mit  der  unsrigeu  prüfen. 
Jede  Abweichung  in  den  £rge|)ni8sen  würde  zu  einer  Unter- 
suchung darüber  anregen  auf  wessen  Seite  die  Wahi'heit  sei, 
jede  Zusammenstimmung  wurde  uns  daran  erinnern,  dafs  es 
eine  Gewähr  für  die  Richtigkeit  der  Rechnung  zu  sein  pflegt, 
wenn  zwei  Rechner  unabhängig  von  einander  zu  demselben 
Facit  gelangen,  —  wiewohl  auch  hierbei  der  Kantische  Gedanke 
von  den  natürlichen  und  unvermeidlichen  „Sophisticationen, 
nicht  der  Menschen,  sondern  der  reinen  Vernunft  selbst'*  in 
Erwägung  zu  ziehen  sein  würde. 

Nicht  Iganz,  aber  doch  annähernd  werden  die  Hoffnungen, 
die  wir  an  eine  solche  „vom  Himmel  gefallene**  !Philo8ophie 
knüpfen  würden,  erfüllt  durch  dasjenige,  was  die  Philosophie 
der  Inder  uns  thatsächlich  bietet.  Denn  während  alles,  was 
an  philosophischen  Gedanken  diesseits  des  Hindukusch  hervor- 
gebracht worden  ist,  von  Mose  und  Zoroaster,  von  Pythagoras  ^ 
und  Xenophanes  an  durch  Hatonismus,  Christentum  und  Kan- 
tianismus  hindurch  bis  auf  die  Gegenwart  herab  in  einem  ein- 
zigen grofsen  Zusammenhange  steht,  durch  welchen  unser 
Denken  mehr  als  wir  es  oft  ahnen  abhängig  ist  von  uralten 
Traditionen,  Einseitigkeiten  der  Auffassung  und  Irrtümern,  — 
%(}  haben  die  Inder,  indem  sie  von  ihren  Bruderstämmen  schon 
in  vorhistorischer  Zeit  abgetrennt  wurden,  gegen  die  ursprüng- 
lichen Bewohner  aber. des  Industhaies  und  der  Gangesebene 
sich  selbst  auf  das  strengste  absonderten,  bis  zu  den  Zeiten 
der  vollen  Ausgestaltung  ihrer  Weltanschauung  —  so  weit 
bis  jetzt  zu  erkennen  —  keinen  Einflufs  auf  ihr  Glauben  und 
Denken  irgendwoher  empfangen,  und  als  die  Stürme  der 
griechischen,  skythischen,  mohammedanischen  und  mongoli- 
schen Invasionen  über  Indien  hereinbrachen,  trafen  sie,  allem 
Anscheine  nach,  die  indische  Gedankenwelt  schon  in  einer 
Erstarrung  und  schulmäfsigen  Geschlossenheit  an,  in  welcher 
sie  dieselbe  nicht  mehr  erheblich  zu  iuquinieren  vermochten^ 
während  vielmehr  umgekehrt  die  fremden  Eroberer  zu  dem 
geknechteten  Indien  vielfach  in  eine  fast  ebenso  grofse  gei- 
stige Abhängigkeit  traten,  wie  das  Römerreich  zu  dem  er- 
oberten Griecbenlande. 

Diebe  Verhältnisse  sind  es,  welche  den  Erzeugnissen  des 


Vorrede.  vn 

indisclien  Denkens  eine  Originalität  sichern,  wie  sie  bis  zu 
einer  so  hohen  Stufe  der  Entwicklung  hinauf  nicht  zum  zweiten 
Male  in  der  AVeltgescjhichte  bewahrt  wurde;  und  an  diesem 
Vorzuge,  die  Dokuineute  einer  durchaus  ursprünglichen,  nur 
in  sich  selbst  ruhenden  Uildung  zu  sein,  nehmen,  bis  zu  einer 
gewissen  Grenze  hin,  die  spätem  Schriften  ebenso  gut  teil,  wie 
die  früheren.  Mag  daher  auch  z.  B.  Qankara,  der  grofse  Re- 
formator und  Wiederhersteller  der  Upanishadlehre,  dessen 
Hauptwerk  wir  hier  in  der  Übersetzung  vorlegen,  erst  800 
p.  C.  gelebt  haben  *,  seine  Gedanken  sind  darum  doch  nicht 
weniger,  als  wenn  sie  tausend  Jahre  älter  wären,  eine  ganz 
unmittelbare  Fortbildung  der  in  den  Upanishad's  vorliegenden 
Keime,  womit  nicht  ausgeschlossen  ist,  dafs  nebenbei  Qankara 
in  ähnlicher  Weise  unter  dem  Einflüsse  des  von  ihm  bekämpften 
und  perhorrescierten  (vgl.  z.  B.  Sütram  2,  2,  32,  S.  365)  Buddhis- 
mus stehen  mag,  wie  der  Katholicismus  unserer  Tage  unter 
4em  der  lutherischen  Beformation. 

Je  deutlicher  ^ber  sich  in  dieser  Weise  die  völlige  Ursprüng- 
lichkeit der  indischen  Gedankenwelt  herausstellt  und,  wie  wir 
vermuten,  mit  der  Zeit  immer  noch  mehr  herausstellen  wird**, 
um    so    überraschender    ist   es,    auf   indischem   Boden    ganz 


*  Ober  (afikara's  Zeitalter  vgl.  mein  „System  des  Vcdänta''  8.37.  Mit 
dem  dort  aus  dem  Äryavidyasudhakara  mitgeteilten  Geburtsjahre  Eali- 
yaga  8889  =  787  —  78i)  p.  C.  stimmt  flberein  Pathak  im  Indian  Antiqoary 
XI,  174,  der  gaBkara's  Lebenszeit  auf  Kaliyuga  3889  — B92I  ansetzt; 
während  hingegen  Telang  im  Ind.  Ant.  XIII,  95  auf  590  p.  C.  als  spätesten 
Termin  fQr  ^ankara's  Blüte  gelangt,  und,  von  ihm  unabhängig,  Fleet  den 
nepalischen  König  Vrisbadeva,  gegen  Ende  von  dessen  Regierung  (nach 
Wright,  History  of  Nepal,  p.  118  fg.,  123)  ^afikara  nach  NepM  gekommen 
sein  und  dessen  Sohn  und  Thronfolger  von  ihm  den- Namen  Qankaradeva 
erhalten  haben  soll,  um  spätestens  6'fO  bis  6r)5  p.  C.  ansetzt.  Vgl.  darQber 
Fleet  im  Indian  Antiquary,  Januarheft  1887,  p.  41  fg. 

**  Gegenüber  dem  Bestreben  von  Weber,  Lorinser.  Seydel,  v.  Schröder 
u.  a.,  teils  indische  Gedanken  aus  occidentalischen  (biblischen  und  grie- 
chischen), teils  Occidental ische  aus  indischen  abzuleiten,  wollen  wir  hier 
nur  bemerken,  dafs  uns  bis  jetzt  auf  beiden  Gebieten  noch,  kein  Gedanken- 
moment begegnet  ist,  welches  sich  nicht  leichter  aus  seinen  natürlichen 
Voraussetaungen.  als  au»  einem  solchen  internationalen  Aubtausche  ableiten 
lieüse,  der  für  die  alte  Zeit  gcwil's  gröfsere  Schwierigkeit  hat,  als  man 
vielfach  sich  vorstellen  mng. 


vm  Vorrede. 

analogen  Gebilden  zu  begegnen,  wie  wir  sie  aus  der  abend- 
ländifichen  Religion  und  Philosophie  her  kennen.  So  y ollzieht 
sich  z.  B.  in  der  indischen  Religion  ebenso  wie  anderweit 
der  Übergang  vom  Polytheismus  zum  Honismus  (der  nicht 
eben  ein  Monotheismus  zu  sein  braucht);  aber  während  dieser 
Schritt  auf  hebräischem  Gebiete  durch  Verstofsung  aller  an- 
dern Götter  aufser  dem  Nationalgotte,  in  Ägypten  durch 
mechanische  Gleichsetzung  der  yerschiedensten  Göttemamen  er- 
folgt, so  vollzieht  er  sich  in  dem  philosophischer  angelegten  In- 
dien in  der  Art,  dafs  man  durch  die  mannigfaltigen  Gestalten 
des  vedischen  Pantheons  hindurch  und  ohne  diese'  zunächst  an- 
zutasten, die  ewige  Einheit  gewahrt,  auf  der  alle  Götter  und 
alle  Welten  beruhen  (eiatn  sad  viprä  bahudhä  vadafiti),  um 
sodann,  auf  einer  weitem  Stufe  der  Entwicklung,  mit  nicht  zu 
überbietendem  Tiefsinne  diese  ewige  Einheit  wiederzufinden  in 
dem  eigenen  Innern  (tat  tvam  (isi).  —  So  finden  wir,  um  ein  wei- 
teres Beispiel  anzufahren ,  als  den  Angelpunkt  wie  der  christ- 
lichen, so  auch  der  brahmanischen  und  buddhistischen  Reli- 
gion die  Frage  nach  der  Erlösung;  nur  dafs  diese  Erlösung 
nach  christlicher  Anschauung  wesentlich  eine  solche  von  der 
Sünde ,  nach  brahmanischer  vom  Irrtume,  nach  buddhistischer 
vom  Leiden  des  Daseins  ist;  und  fast  scheint  es;  als  wenn  es 
hier  ein  und  das  nämliche  Phänomen  sei,  welches  von  den 
drei  grofsen  Weltreligionen  abwechselnd  von  der  Seite  des 
WoUens,  des  Erkennens  und  des  Empfindens  ins  Auge  gefafst 
wird.  —  So  endlich,  um  nur  noch  eines  zu  erwähnen,  steht 
das  hier  in  der  Quelle  vorliegende  System  der  Yedäntalehre 
in  der  merkwürdigsten  Beziehung  zu  der  gänzlich  von  ihr  un- 
abhängigen Philosophie  Kants,  der  Art,  dafs  die  Consequen- 
zen  der  Kantischen  Grundlehren  geraden  Weges  zu  den  Haupt- 
sätzen der  Philosophie  des  Qankara  fahren,  während  umge- 
kehrt die  Lehre  des  letztem  in  der  Kritik  der  reinen  Vernunft 
ihren  eigentlichen  wissenschaftlichen  Unterbau  finden  würde. 

Wie  nun  auch  immer  diese  und  andere  Parallelen  bei 
näherer  Beleuchtung  sich  gestalten  mögen,  jedenfalls  beweisen 
sie,  welch  tiefdringende  Fragen  von  den  Indern  aufgeworfen 
und  in  ihrer  Weise  beantwortet  worden  sind,  und  wie  unbe- 
rechtigt es  ist,  aus  dem  Kreise  der  philosophischen  Disciplinen, 


Vorrede.  ix 

* 

wie  si6  in  Lehrbüchern  und  Vorlesungen  vorgetrageai  werden, 
die  Philosophie  der  Inder  auazuschliefsen.  Dieser  Zustand 
mnfs  und  wird  sich  mit  der  Zeit  änduru.  Er  ]ianu  sich  aber 
erst  ändern  —  da  eine  Kenntnis  des  Sanskrit  nicht  wie  die 
des  Griechischen  von  den  Vertretern  der  Philosophie  wird  ge- 
fordert werden  können  — wenn  es  gelingt,  alle  hauptsäch- 
lichen Denkmäler  der  Philosophie  der  Inder  in  anerkannt 
zuTerlässigen .  deutschen  Übersetzungen  allgemein  zugänglich 
zu  machen.  Eine  Zusammenfassung  derselben  mtifste  zunächst 
die  philosophisch  wichtigen  Abschnitte  des  Veda,  also  nament- 
lich die  Upanishad's  und  was  ihnen  vcrwaildt  ist,  enthalten, 
sodann  die  Sutra's  der  sechs  philosophischen  Ilauptsysteme 
nebst  den  erforderlichen  Commcntaren,  endlich  was  von  son- 
stigen Schriften  für  die  indische  Philosophie  von  Bedeutung 
ist  Eine  Sammlung  dieser  Art  würde,  wenn  man  von  der 
Litteratur  ller  Bauddha's  und  Jaina's  zunächst  noch  absähe, 
nicht  mehr  als  vier  Bände  etwa  von  dem  Umfange  des  vor- 
liegenden fällen,  nach  folgender  Anordnung: 

Band  I.  Die  Upanisbad's  nebst  den  Vorstufen  derselben 
aus  den  Samhita's  und  Brähmana^s. 

Band  IL  Die  Sutra^s  des  Vedanta  nebst  dem  Commen- 
tare  des  Qankara,  also  das,  was  im  gegenwärtigen  Bande 
vorliegt. 

Band  III.  Die  Sütra*s  der  übrigen  Systeme:  Sänkhyam 
und  Yogay  Myaya  und  Vai^eshikam  nebst  den  je  ältesten 
oder  besten  Comment^ren.  Von  der  Mimansa. würde  es  viel- 
leicht genügen  nur  Auszüge  des  philosophisch  Wichtigen 
aufzunehmen,  da  sie  un  Wesentlichen  nur  der  Form,  nicht 
dem  Inhalte  nach,  ein  philosophisches  System  bildet. 

Band  IV.  endlich  würde  die  übrigen,  für' die  Philosophie 
wichtigen  Schriften  befassen,  also  namentlich:  Bhagavad- 
gitä  nebst  Auszügen  aus  andern  Abschnitten  des  Mahabha- 
ratam  und  aus  Manu;  Säiikhya-kärikä,  Sänkhya-sära;  Ve- 
dänta-sara,  Bälabodhani;  Qäudilya-sütram;  Prabodha-can- 
drodaya;  Sarva-dar^ana-samgraha  u.  s.  w. 

Ob  es  mit  einzelnen  oder  vereinten  Kräften  möglich  sein 
wird,  eine  solche  Bibliothek  der  indischen  Philosophie  in  deut- 
scher Übertragung  in   den  nächsten  Jahrzehnten  zu  Stande 


X  "Vorrede. 

2u  bring6Dv  miifs  dahingestellt  bleiben.  Einstweilen  haben  wir 
die  Befriedigung,  mit  Dank  gegen  die  Königliche  Akademie 
d0r  Wissenschaften  zu  Berlin,  welche  durch  ihre  Unterstüt^sung 
den  Druck  des  vorliegenden  Werkes  ermöglichte,  dem  Publi- 
kum dasjenige  Torzulegen,  was  den  zweiten  Band  einer .  solcheu 
Sammlung  bilden  würde,  aber  auch  für  sich  allein  eine  selbst- 
ständige Bedeutung  hat:  das  Hauptwerk  derjenigen  Lehre, 
welche,  wie  keine  andere,  im  Mittelpunkte  der.  religiösen  und 
philosophischen  Weltanschauung  der  ludet  steht:  die  Sütra's 
dQS  Vedänta  mit  Qankara's  Commentare,  welche  beide  hier  zum 
ersten  Male  vollständig  in  eine  europäische  Sprache  übersetzt 
worden  sind. 

Indem  wir  es  wagen  (aus  Gründen,  welche  zu  erörtern 
hier  nicht  weiter  von  Belang  ist),  zunächst  gerade  dieses  Werk 
in  einer  Übersetzung,  deren  Treue  die  Sanskritgelehrten  prüfen 
mögen,  deren  Klarheit»  wie  wir  denken,  in  keiner  Zeile  des  Bu* 
ches  etwas  zu  wünschen  übrig  läfst,  dem  philosophischen  und 
theologischen  Publikum  vorzulegen,  etöffnen  wir  dem  occidenta- 
lischen  Leser  den  Einblick  in  eine  Halle  des  Heiligtumes  indi- 
scher Metaphysik,  welche  allerdings  in  absonderlichem,  auf  den 
ersten  Blick  wenig  einladendem  Stile  gebaut  ist.  Von  vom 
herein  werden  die  meisten  sich  abgestofsen  fühlen  von  der 
scholastischen  Trockenheit  und  doch  keineswegs  in  unsesm  Sinne 
wissenschaftlichen  Haltung  des  Ganzen:  weder  die  änigmaiiache 
Kürze  der  Sutra's  noch  die  Prolixität  des  Auslegers  wird  ihren 
an  den  Mustern  der  Griechen  gebildeten  Sinn  ansprechen, 
und  wenn  sie  Vollends  sehen,  wie  unser  Autor  weniger  mit 
Gründen  als  mit  Citaten  aus  dem  Veda  seine  Sache  fuhrt, 
wie  er  an  diese  als  höchste  und  letzte  Instanz  appelliert  und 
nicht  selten  mit.  Wortklaubereien  und  Ausführungen,  die  uns 
teils  ohne  Belang,  teils  sclbstvei'ständlich,  ja  stellenweise  höchst 
verschroben  vorkomn^en,  lange  Seiten  füllt,  so  werden  viele 
ihre  Zeit  als  zu  edel  erachten,  um  sie  einem  Buche  dieser  Art 
zu  widmen. 

Und  doch  wird,  wer  Geduld  und  Sammlung  genug  hat, 
um  das  Gunze  bis  zu  Ende  durchzugehen  —  etwa,  indem  er 
alles  Bemerkenswerte  zum  Zwecke  künftiger  Rekapitulation 
anstreicht  —  sich  füi*  seine  Mühe   reichlich  belohnt  finden. 


Torrede.  zi 

Er  wird  sehr  bald  inne  werden,  dafs  die  jedem  zunächst  sich 
aufdrängende  Ähnlichkeit  der  indischen  Scholastik  mit  der 
abendländischen  des  Mittelalters  nur  eine  äufsere  ist.  Letztere 
ist  bestrebt,  eine  historische  und  schon  darum  unphiloso* 
phische  Grundlage  mit  einer  ganz  heterogenen  Philosophie 
zu  contäminieren ,  indefs  der  Veda  nicht  Geschichten  sondern 
nur  Ideen  darreicht,  und  zwar  solche,  welche  gar  sehr  in  die 
Tiefe  führen,  ohne  im  übrigen  der  freien  Entwicklung  des  philo- 
sophischen Gedankens  erhebliche  Fesseln  anzulegen.  Und  so 
wird  aus  dem  wunderlichen  Rahmen  exegetischer  Erörterungen 
und  Kontroversen  dem  hingebenden  Leser  eine  religiös -philo- 
sophische Weltanschauung  entgegentreten,  wie  sie  in  dieser 
Tiefe,  Folgerichtigkeit  und  Durchbildung  ihres  Gleichen  in  der 
Welt  nicht  leicht  finden  dürfte,  — :  eine  Weltanschauung,  welche 
namentlich  ih  der  durchgeführten  Unterscheidung  einer  exote- 
risoh-mythischen  und  einer  esoterisch-philosophischen  Auffassung 
gleichmäfsig  den  Bedürfnissen  des  Volkes  und  den  Anforde- 
rungen des  denkenden  Geistes  Rechnung  trägt  und  in  tÜe^sem 
Sinne  vielleicht  noch  einmal  berufen  sein  wird,  für  die  Fort- 
bildung unserer  eigenen  Theologie  vorbildlich  zu  werden.  — 
Doch  wir  wollen  es  der  Sache  selbst  überlassen,  auf  Geist 
und  Gemüt  zu  wirken  was  sie  vermag,  indem  wir  den  Freun- 
den theologischer  und  philosophischer  Studien  ein  Werk  in 
unverkürzter  und  möglichst  urkundlicher  Form  zugänglich 
machen,  welches  die  bedeutendste  und  in  Indien  selbst  angese- 
henste Zusammenfassung  derjenigen  Gedanken  enthält,  welche 
viele  Jahrhunderte  hindurch  einer  grofsen  und  gebildeten  Na- 
tion der  Angelpunkt  ihres  DenkQus  und  Treibens,  der  Trost 
im  Leben  und  im  Sterben  gewesen  sind. 

Mancherlei  wäre  hier  noch,  zur  Einführung  in  das  Werk 
des  Badarayana  und  Qaiikara  vorauszuschicken,  hätten  wir 
nicht  alles,  was  zu  einem  volleren  Verständnisse  desselben  zu- 
nächst erforderlich  ist,  zusammengefafst  in  unserer  vor  vier 
Jahren    veröffentlichten    Darstellung    des    Vedantasystemes.  * 


*  Das  System  des  Yed&nta,  nach  den  Brabmasfttras  des  Bidar&- 
yana  und  dem  Commentare  des  ^aflkara  über  dieselben,  als  ein  Compen- 
dium  der  Dogmatik  ^e&  Brabmanismus  vom  Standpunkte  des  ^afikara  aus 
dargestellt  (Leipzig  1863;. 


xn  Torrede. 

Beide  Arbeiten,  jene  Darstellung  und  die  gegenwärtige  Über- 
setzung ergänzen  sich  gegenseitig,  sofern  die' Übersetzung  die 
Quelle  darbietet,  auf  welcher,  neben  den  Upanisbad -Texten, 
die  Darstellung  beruhte,  und  dadurch  auch  den  des  Sanskrit 
nicht  kundigen  Leser  instandsetzt,  über  unsere  Auffassung 
des  Systemes  sich  aus  eigener  Anschauung  ein  Urteil  zu  bil- 
den, während  hinwidcrum  unser  früheres  Werk  durch'seine  ein- 
leitenden Betrachtungen,  Analysen  und  Übersichten  als  eine  Art 
fortlaufenden  Clommentaires  angesehen  werden  kann,  welcher 
die  Lehre  des  Qankara  aus  dem  Zusammenhange  des  Systemes 
heraus  von  Punkt  zu  Punkt  erläutert.  Insbesondere  sind  dort 
auch  die  Upanishad-Te!xte,  so  weit  auf  ihnen  das  System  des 
Badar&yana  und  Qafikara  beruht,  mitgeteilt  und  bearbeitet 
worden.  Eine  vollständige  deutsche  Übersetzung^  der  üpani- 
shad's,  so  weit  dieselben  uns  erhalten  sind,  ist  in  Arbeit  und 
wird  hoffentlich  in  einiger  Zeit  erscheinen  können.  Eine  eng- 
lische. Übersetzung  derselben  hat  'Max  Müller  für  die  Sacred 
BooJcs  of  the  East  unternommen  und  in  Band  I  und  XV  dieser 
Sammlung  zum  gröfseren  Teile  bereits  geliefert.  Der  erste 
Band  (1870)  enthält  Chändogya,  Kena,  Aitareya,  KaushStaki 
und  tqky  der  zweite  (1884  erschienene)  Käthaka,  Mundaka, 
Taittiriya,  Brihadäranyaka,  Qvet&^vatara,  Pragna  und  Maitra- 
yaua;  so  dafs  nahezu  alle  Upanishad's,  so  weit  sie  von  Qan- 
kara^s  Werk  -vorausgesetzt  werden  (vgl.  System  des  Vedanta, 
S.  32  fg.),  in  dieser  Übersetzung  mit  Einleitungen  und  Anmer- 
kungen versehen  vorliegen.  Die  Arbeit  MüDer's  ist  in  man- 
chen Punkten  nicht  ohne  Grund  angegriffen  worden;  indessen 
ist  zu  wünschen,  dafs  das  Bessere,  welches  zu  hoffen  und  «i- 
zustrebcn  uns  freisteht,  nicht  der  Feind  des  schon  vorhande- 
nen Guten  werde. 

Eine  weitgehende  Erörterung  würde  die  Polemik  gegen 
andere  philosophische  Schulen  erfordern,  welche  das  ganze 
Werk  des  Badarayana  und  ^nkara  durchzieht,  namentlich 
aber  in  Päda  II,  2  zusammengefafst  ist.  Doch  wird  ein  Ein- 
gehen auf  diese  Fragen  am  besten  bis  dahin  aufgeschoben, 
wo  auch  die  Hauptwerke  der  andern  Schulen  in  Übersetzungen 
vorliegen  werden.  Auch  die  mit  dem  Ritual  sich  berührenden 
Teile,  wie  namentlich  Pada  III,  3,  sind  noch  mancher  Auf- 


Vorrede.  xiu 

hellang  beäürftig;.  yielleicht  regt  unsere  ÜbersetzuDg  mit  da- 
za  aa»  diesen  Fragen  weiter  nachzugehen. 

Der  Text,  welcher  der  Übersetzung  zu  Grunde  liegt,  ist 
der  in  der  Bibliotheea  Indica  18C3  herausgegebene,  mit  welchem 
in  zweifelhaften  Fällen  die  ältere  Ausgabe  Ton  1818  ver- 
glichen wurde.  Neues  handschriftliches  Material  wurde  nicht 
benutzt.  Ebenso  wurde  von  einer  durchgehenden  Verwertung 
der  unter  dem  Texte  der  Bibliotheea  Indica  abgedruckten 
tikä  oäer  Glosse  des  Govindananda  (für  III,  4  des  Anandagiri) 
Abstand  genommen,  nachdem  eine  Prüfung  derselben  ergab, 
dafs  sie  geeignet  ist,  das  Verständnis,  durch  Hinleitung  auf 
spätere  Vorstellungen,  irre  zu  führen.  Sie  wurde  daher  nur 
da,  wo  der  Text  des  ^aiikara  einen  weiteren  Aufschlufs  wün- 
schenswert machte,  mit  Vorsicht  zu  Rate  gezogen,  in  der  Re- 
gel freilich  ohne  Erfolg,  da  sie  meist  alles  erklärt  mit  Aus- 
nahme dessen,  was,  für-  uns  wenigstens,  einer  Erklärung  ge- 
rade bedürftig  ist.  Somit  beschränkte  -sich  unser  Verfahren 
wesentlich  darauf,  alle  Aufmerksamkeit  auf  den  Text  des  Qan- 
kara,  in  welchem  jede  Wortstellung,  jedes  eva  und  iti  von 
Bedeutung  ist*,  zu  concentrieren,  nicht  zu  ruhen  bis  sich  von 
hier  aus  der  Gedanke  in  voller  Klarheit  darstellte,  und  dann 
diesen,  so  weit  es  der  grundverschiedene  Periodenbau  beider 
Sprächen  gestattete,,  in  möglichst  engem  Anschlüsse  an  das  Ori- 
ginal deutsch  wiedei*zugeben.  Hierbei  waren  manche  Ver- 
besserungen des  Textes  unumgänglich,  welche,  so  weit  sie  sich 
nicht  von  selbst  ergeben,  in  Klammern  angemerkt  wurden. 
Ebenso  wurden  alle  von  uns  herrührenden  erkläi*enden  Zu- 
sätze in  eckige  Klammern  eingeschlossen.  Die  fortläufenden 
Zahlen  am  Rande  sind  die  Seitenzahlen  der  Ausgabe  in  der 
Bibiiothe.m  Indica;  es  wäre  zu  wünschen,  dalB  dieselben,  um 
eine  einheitliche  Weise  des  Citierens  zu  gewinnen,  auch  von 
künftigen  Herausgebern  und  Übersetzern  berücksichtigt  würden; 
mit  p.  wurde  auf  sie,  mit  S.  auf  die  Seiten  unserer  Ober- 


*  Wie  genau  es  damit  hält,  mag  (neben  System  des  Vedftnta,  S.  31, 
Anm.  20)  als  eines  unter  zahlreichen  Beispielen  p.  1129,  14  lehren,  wo 
nicht  leicht  jemand  (wie  auch  wir  System  des  Yediinta  S.  120  noch  nicht) 
in  dem  anscheinbaren  iatah  gßshena  eine  Hinweisang  auf  die. auch  p.  754,  4 
vorkommende  Smritistelle  erkennen  wird. 


XIV  Vorrede. 

Setzung  verwiesen.  Alle  übrigen  Abkürzungen  sind  die  im  ,,87- 
steme  des  Yedänta^'  gebrauchten  und  dort  S.  VII  und  615 
erklärten.  Indem  wir  die  ebendaselbst  S.  41  fg.  gegebene 
Inhaltsübersicht  hier  wieder  abdrucken  lassen,  wollen  wir,  zum 
Vergleiche  mit  derselben,  noch  die  Inhaltsangabe  hier  über- 
setzen, welche  Mctähusüdana-Sarasvatt  in  seinem  Prcisthäna' 
bheäa  (Weheres  Indische  Studien,  I,  p.  19)  von  dem  vorliegen- 
den Werke  giebt: 

„Itie  aus  vier  Adhyäya^s  bestehende  Qäriraka-Mtmän8&, 
„wie  sie  beginnt  mit  den  Worten:  «nunmehr  daher  die  Brah- 
„maniorschung »  und  endigt  mit  den  Worten:  «keine  Wieder- 
„kehr  nach  der  BdhriJFt»,  hat  als  Zweck,  die  Einheit  des  Brah- 
„man  undrder  Seele  vor  Augen  zu  stellen,  sowie  die  Regeln 
„aufzuzeigen,  welche  die  Betrachtung  der  sogefiannten  Schrift- 
„Offenbarung  lehren*,  und  ist  verfafst  von  dem  verehmngs- 
„würdigen  Badarajana.'* 

„Hierbei  wird  die  ÜbereiMtimHimg  (samattvaifa)^  mit  wel- 
;^,cher  alle  Vedäntatexte  unmittelbar  oder  mittelbar  auf  das  in- 
„nerliehe,  unteilbare,  zweitlose  Brahman  abzwecken,  im  ersten 
„Adhy&ya  nachgewiesen.  —  Im  ersten  Päda  desselben-  werden 
„diejenigen  Stellen  besprochen,  in  welchen  deutliche  Merkmale 
„des  Brahman  vorkommen.  —  Im  zweiten.  Päda  hingegen  die- 
,Jenigen,  welche  undeutliche  Merkmale  des  Brahman  enthalten 
„und  sich  auf  das  Brahman  als  Gegenstand  deir  Verehrung  be- 
„ziehen.  —  Im  dritten  Pädä  solche,  welche  gleichfalls  undeut- 
„liche  Merkmale  des  Brahman  enthalten,  jedoch  zumeist  sich 
„auf  Brahman  als  Gegenstand  der  Erkenntnis  beziehen. —  Nach- 
„dem  in  dieser  Weise  die  Untersuchung  der  Textfitellen  durch 
„die  drei  ersten  P&da's  zum  Abschlüsse  gebracht  ist,  so  werden 
„hingegen  im  vierten  Päda  gewisse  Schriftworte,  bei  denen 
„es  zweifelhaft  sein  kann,  ob  sie  sich  nicht  auf  das  Pradhänam 
„(die.  Urmaterie  der  Sänkhya's)  beziehen,  z.  B.  das  von  dem 
yjavyakUHnj  von  der  ajä  u.  s.  w.,  in  Erwägung  gezogen.'^ 


*  Besser  zu  lesen:  cravana-ddya-vicdra-pratipiidakän^  „welche  die 
„Betrscbtuiig  [jener  Einheit]  mittels  Anhören  des  Schriftwortes  u.  s.  w. 
„(▼gl.  Ved&uUs&ra  196  Boehti.)  lehren.'' 


11 


Vorrede,  xv 

„Nachdem  in  dieser  Weise  die  Übereinstimmang  der  Ve- 
„dantatexte  in  Betreff  des  zweitlosen  Brahman  erwiesen  wor- 
,,den,  so  wird  weiter,  in  Erwartung  eines  Einspruches  ant 
„Grund  der  Argumente,  wie  sie  von  der  in  Anstehen  stehen- 
„den  Smpti,  Reflexion  u.  s.  w.  vorgebracht 'werden,  die  Be- 
„seitigung  dieses  Einspruches  unternommen,  und  somit  im 
„zweiten  Adhyäya  die  Unwiderd]pre€hliehkeit  (avirodha)  dar- 
gelegt. —  Hierbei  wird  im  ersten  Päda  der  Einspruch  gegen 
die  Übereinstimmung  des  Yedänta  widerlegt,  welcher  aus  den 
Smriti^s  des  Sankhyam,  des  Yoga,  der  Kanadianer  u.  s.  w., 
„sowie  aus  den  Ton  den  Sänkhya's  u.  s.  w.  vorgebrachten  Re- 
„flexionen  herrührt.  —  Im  zweiten  Pada  wird  die  Verfehlt- 
„heit  der  Lehrsätze  der  S&nkhya^s  u.  s.  w.  dargelegt,  so  dais 
„diese  Betrachtung  aus  zweien ,  einerseits  der  Befestigung  der 
„eigenen,  anderseits  der  Bestreitung  der  fremden  Lehre  die- 
„nenden  Teilen  besteht.  —  Im  dritten  Päda  wird  der  gegen- 
„seitige  Widerspruch  der  Schriftstellen  in  Betreff  der  Schö- 
,j[)fung  u.  s.  w.  der  Elemente  im  ersten  Teile  gehoben,  im 
„rweiten  Teile  hingegen  der  in'  Betreff  der  individuellen  8eele. 
„ —  Im  vierten  Päda  wird  der  Widerspruch  der  auf  die  Sinnes- 
„organe  bezüglichen  Schriftstellen  gehoben.*' 

„Im  dritten  Adhyäya  folgt  die  Erörterung  der  Mittel 
^^(sädkafiam),  —  Hierbei  wird  im  ersten  Päda  durch  Betrach- 
„tung  des  Hingehens  der  Seele  in  die  andere  Welt  und  ihres 
„Wiederkommens  die  Entsagung  [als  das  Mittel,  der  Seelen- 
„wanderung  zu  entgehen,  vgl.  p.  740,  3,  S.  474]  in  Betracht 
„gezogen.  —  Im  zweiten  Päda  wird  in  der  ersten  Hälfte  der 
„Begriff  des  „Du",  (der  Seele)  und  in  der  zweiten  Hälfte  der 
„Begriff  des  „Das"  (des  Brahman)  ins  Reine  gebracht  [wie  sie 
„in  der  Formel  tat  tvam  asi  „Das  bist  Du",  Chänd.  6,  8,  7, 
„identisch  gesetzt  werden].  —  Im  dritten  Päda  wird  in  Betreff 
„des  attributlosen  Brahman  eine  Zusammenfassung  der  in  den 
„verschiedenen  ^äkhä's  vorkommenden,  so  weit  nicht  tautolo- 
„gischen,  Ausspiüche  vorgenommen,  und  bei  dieser  Gelegen- 
„heit  wird  erörtert,  in  wie  weit  in  Betreff  dor  attributhaften 
„sowohl  als  attributloseu  Lehren  die  in  verschiedenen  (jJäkhä's 
„vorkommenden  Attribute  zusammenzufassen  oder  nicht  zu- 
„sammenzufassen  sind.  —  Im  vierten  Päda  werden  die  Mittel 


XVI  Vorrede, 

„der  Erkenntnis  des  Brahman  und  zwar  sowohl  die  aufsen- 
„seitigen  (unwesentlichen)  Mittel,  wie  Lebensstadien,  Opfer 
„u.  s.  w.,  als  auch  die  inuenseitigen  (wesentlichen)  Mittel,  wie 
„Beruhigung I  Bezähmung,  Überdenkung  u.  s.  w.  in  Betracht 
„gezogen." 

„Im  vierten  Adhyaya  erfolgt  die  Darlegung  der  besonderen 
„Fmeht  (phälam)  der  attributhaften  und  der  attributloseii 
„Wissenschaft.  —  Im  ersten  P&da  wird  ausgeführt,  wie,  nach- 
„dem  durch  wiederholtes  Anhören  der  Schrift  u.  s.  w,  das 
„attributlose  Brahman  vor  Augen  gestellt  worden,  für  den 
„noch  Lebenden  schon  die  durch  Nichtanhaftung  der  bösen 
„und  guten  Werke  gekennzeichnete  Erlösung-bei-Lebzeiten 
„eintritt.  —  Im  zweiten  Pada  wird  die  Art,  wie  die  Seele  des 
„Sterbenden  auszieht,  überdacht.  —  Im  dritt.en  Päda  wird  der 
„weitere  Weg  des  das  attributhafte  Brahman  Wissenden  nach 
„dem  Tode  auseinandergesetzt.  —  Im  vierten  P&da  wird  in 
„der  ersten  Hälfte  gezeigt,  wie  der  das  attributlose  Brah- 
„man  Wissende  die  körperlose  [erst  mit  dem  Tode  eintretende] 
„Absolutbeit  erlangt,  während  die  zweite  Hälfte  zeigt,  wie  der 
„das  attributhafte  Bralunan  Wissende  in  der  Brahmanwelt 
„seine  bleibende  Stätte  findet/^ 

„Dieses  Lehrbuch  ist  unter  allen  das  hauptsächlichste;  alle 
„andern  Lehrbücher  dienen  nur  zu  seiner  Ergänzung.  Darum 
„sollen  es  hochhalten  die  nach  Erlösung  verlangen;  und  zwar 
„in  der  Auffassung,  wie  sie  Ton  des  erlauchten  Q!ankara  ver- 
„ehrungswürdigen  Füfsen  dargelegt  wordän  ist." 

„So  viel  über  die  Geheimlehre." 

Berlin,  im  Juli  1887. 

F.D. 


Inhaltsverzeichnis 


der  Partraka-Mlmansa  nach  Adhyaya,  Päda  und  Adhikaranaui. 


» 


IM«  Zahlen  sn  AnfanK  c^r  Zeilen  bedeyt«n  die  tbi  Sütra's  des  W^rkeg,  ihre  ZuMmmeo- 
fusangen  die  AdbikArana*«  ^iler  Ki(]Htel,  deren  wir  uaeh  der  angeh&nffteir  AdbikAraoa- 

inklA  192  (niobt  mit  Colebrook«  191)  i&blen. 

^'>    ^'                                                  .  Seite 

Eiuleitunf;;:  über  die  AvidySi  uud  die  Vidy& 3 

1.  Voraossetziingen  des  Yed&nta.                     6 

2.  Das,  woraus  die  Welt  entsprungen  ist,  ist  Brabman  ...  10 

3.  Yerbältnis  des  Drabman  zum  Veda 18 

4.  Verhältnis  des  Ved&nta  zur  Mnn&Asä 14 

5- '11.  Das  Princip  der  Welt  ist  erkennend,  nicht,  wie  die  Sdf^hhya^H 

lehren,  erl^enntnislos .    .                     .'IS 

12 — Id.  Per  änandamaya  Taltt.  2,  5  ibt  Brahnmn 40 

20  -21.  Der  antar  tiditye  Vhknä.  1,  0,  (>  ist  Brabman        ......  60 

22.  Der  dJta^a  Cb&nd.  1,  9,  1  ist  Ürahnian .    .  (>4 

23.  Der  präna  Chänd.  1, 11,  5  ist  Brabman G(i 

24—27^  Das  paro  divo  jyoiUi  Cbänd.  8,  10,  7  ist  Brabman 69 

28—31.  Der  prana  ICaush.  3,  2  ist  Brabman    ....           77 

I     '> 

1—8.  Der  mcmomaya  priinarartra  Ch^ind.  3,  14,  2  ist  Brabman .   .  86 

9—10.  Der  attar  K^li.  2,  25  ist  Brabman 95 

It— 12.  Die  guhäm  pravishtau  K&tb.  3,  1  sind  Brabman  und  Jlva  .  97 

13— 17.  Der  antara  CMnd.' 4,  15,  1  ist  Brabman 102 

18—20.  Der  antaryätnin  Brib.  3,  7,  3  ist  Brabman .    .  1(»8 

^1—23.  Das  adre^am  Mund.  1,  1,  G  ist  Brabman  ...       112 

24-32  r>er  ätman  vaiQväitara  Cb&nd.  5,  11,  (>  ist  Brabman    ...  119 

I,  3. 

1—7.  Das  äijaianam  Mund.  2,  2,  5  ist  Braliman  .           129 

8    9.  Der  5A^itiaw  i'b&nd.*7,  23  ist  Brabman 136 

10—12.  Das  aksharam  Brib.  3,8,8  ist  Brabman 142 

13   Der  Gegenstand  des  om  Pra^na  5,  5  ist  Brabman 144 

JhroMaH,  TediAta.  *■ 


xvin  InhaltSTerzeicbnis. 

Seit« 

14— IB.  Der  dahara  Chand.  8, 1, 1  ist  BrabmaD 147 

19—21.  Der  aampratada  Chänd.  8, 12,  3  beieieht  sich  auf  Brahman  .  154 
22->23.  Das  na  taira  nüryo  bhati  Mund.  2,  2,  10  bezieht  sich  aaf 

Brahman Ißl 

24—26.  Der  afk^sJUka-rndtra  K&th.  4, 12  ist  Brahman 164 

26— as.  Beruf  der  Götter  zur  Vidy&.    Ewigkeit  des  Yeda 166 

34-88.  Ausschliefsung  der  (;tdTA's  von  der  Vidyä 188 

39.  Der  präna  K&tb.  6,  2  ist  Brahman 193 

40.  Das  jyotis  Cb&nd.  8, 12,  3  ist  Brahman 196 

41.  Der  äkaga  Chitnd.  8, 14  ist  Brahman 197 

42—43.  Der  ffijndnamaya  Brib.  4,  3»  7  ist  Brahman 198 

1. 4. 

1—7.  Das  avyakthn  K&th.  3, 11  Ist  nicht  die  Materie  der  SUfikhya's 
(pradhänam),  sondern  ^der  feine  Leib''  (sukshmam  ^a- 

Hram) '.   .   .  203 

9_1Q,  Die  ajd  (^ret  4,  5  ist  nicht  die  S&nkhja-Mftterie,  sondern  die 

Nator  .,.>../. 218 

11-13,  Die  paüca  paHea-jandh  Brih.  i,  4»  17  sind  nicht  die  25  Prin- 
cipien  der  Sfcnkhya's,  sondern  Odem,  Auge,  Ohr,  Speise 
und  Manas 222 

14-;3^15.  Widerspruchslosigkeit  des  Yed^ta»  Das  Nichtseiende ,  aus 
dem  nach  Taitt  2,  7  die  Welt  entstanden,  ist  nur  ein 
relatives ..227 

16—18.  Der  kartar  Kaush.  4, 19  ist  Brahman 233 

19—22.  Der  dtman  Brih.  2,  4,  5  ist  Brahman 237 


23—27.  Brahman  ist  die  catissa  efßciene  und  caussa  materialis  der 

Welt 246 

28.  Die  Bek&mpfung  der  S&nkhya-Materie  gilt  auch  den  Atomisten  251 

II,  1. 

l-*2.  Warum  die  S&nkhya's  das  Brahman  nicht  erwähnen  ....  255 

3.  Dies  auch  auf  den  Toga  bezogen 261 

4~-ll.  Brahman  ist  auch  die  caussa  tnateriaUs  der  Natur.   Einwürfe 

der  Reflexion  zurückgewiesen 26H 

12.  Diese  Zurückweisung  auch  auf  die  Atomisten  u.  a.  ausgedehnt  278 

13.  Subjekt  (bhoktmr)  und  Objekt  (hhogyam)  eins  in  Brahman  .  279 
14—20.  Identität  von  Ursache  und  Wirkung,   Brahman  und 

Welt. 2H<) 

21—23.  Woher  das  Böse?     Die  Seele,  obwohl  nicht  Schöpfer,    trägt 

alle  Schuld  daran.    Illusorischer  Charakter  des  iSainsära  298 
24—25.  Brahman  schafft  ohne  Werkzeuge,  obwohl  er  reiner  Geist  ist  301 
26  —29.  Brahman  wandelt  sich  in  die  Welt  und  bleibt  doch  ganz  und 
ungeteilt,    wie  ein  Träumender,  ein  Zauberer  Ge- 
stalten schafft  und  doch  einer  bleibt 303 

30—31.  Brahman  als  Schöpfer  hat  viele  Kräfte  und  ist  doch  unter- 
schiedslos           308 


lahaltsTerzeichais.  xxx 

8«ito 

32—33.  Motiv  der  Schöpfuug :  Brahman,  allgenugsam,  schafft  aar  211m 

Spiele      309 

•*U— 36.  Brahroan  weder  imgerccbt  ooch  grausam  *,  die  Ungleichheit  der 
Geschöpfe  durch   sie    selbst   ia    frühera    Datieiosformen 

verschuldet.    Anfangslosigkeit  des  Sawsnra 311 

37.  Rekapitulation  über  Brahman  als  Schöpfer  - 314- 

II,  2. 

1—10.  Widerlegung  der  Sänkhyas,    Physikotheologischer  Beweis   .  316 

11 ".  Ein  Einwurf  der  Vai^eshika's  beantwortet 330 

rJ— 17.  Widerlegung  der  Vav^tshika's.    Unraüglicbkeit  der  Atome    .  333 
18—27.  W'iderlegung   der    Buddhifttett    realistischer  Richtung;    Be- 
harren von  Subjekt  und  Substanz 345 

•JH— 3*2    y^ider\eQi\n^  der  Buddhisten  idealistischer  Richtung;  die  Rea- 
lität der  Aufsenwelt  erwiesen 357 

33— 3ö-  Widerlegung  der  /a»na's;   wie  grofs  die  Seele  zu  denken?  .  365 

37—41.  Widerlegung  der  Pägupata-H 371 

42—45.  Widerlegung  der  Pdncarätra^s 375 

II,  3. 

1—7.  Der  u^a^a  ist  entstanden.  Nicht  so  Brahman.  Cogito,  ergo  sum  379 

8.  Aus  dem  dkdga  entstand  der  vdgu 892 

9.  Brahroan  ist  nicht  entstanden;  kosmologischer  Beweis  .  393 

10.  Aus  dem  vd^u  entstand  agni ...  394 

11.  Aus  dem  agni  die  dpas 396 

12.  Aus  den  dpas  das  anitam  d.  i   die  Erde 396 

13.  Niebt  die  Elemente,  sondern  Brahman  in  ihnen  ist  das  Schaf- 

fende  39K 

14.  Reabsorption  der  Welt  in  umgekehrter  Ordnung 399 

15.  Enttitehung  der  Seelenorgane;  indriyaSj  mafuts,  buddhi.    .    .  400 
1^'.  Nicht  entstanden  ist  die  individuelle  Seele.    Moralische  Gründe  402 

17.  Gegengründe  erwogen.    Identität  der  Seele  mit  Brahman.    Nur 

ihre  upddJn^^  entstehen  und  rergehen 403 

18.  Die  Seele  ist  wesentlich  (wie  die  Sänkhya's),  nicbt  acci- 

dentieil  (wie  die  Vaic^eshika's  lehren)  erkennend  .    .    .  400 
19—32.  Verhältnis  der  Seele  zum  Leibe:   sie  ist  nicht  ant4,  somleru 

rib?tu ......* 408 

33— 39.  tJber  das  kartritvam  (Thäter-sein)  der  Seele 421 

40.  Ihr  kartritvam  ist  nicht  svdbhdctkam,  souderu  Hpadhi-nimi- 

I  ttam .  ...       424 

41—42.  Die  Seele  ist  unfrei  und  wird   beim  Thun   von  Gott  (i^vara) 

gemäfs  ihrem  frühem  Thuti  gelenkt 429 

43—53.  Die  Seele  mit  Brahman  identisch  und    nicht  ideatiscU.     lila- 

Surtscher  Charakter  aller  individuellen  Existenz  und  ihrer 

Schmerzen 432 

II,    1. 

1 — 4.  Auch   die  prätKis  (Organe  der  Uolation^  sind   ans    Biahraan 

entstanden .    .       414 


* 


XX  Inhaltsverzeichnis. 

5—6.  Ihrer  sind  elf:  5  buddh%'indriya%  5  karma-indriya\  1  wanas  44$) 
^  7.  Über  ihre  räumliche  Gröfse 458 

8.  Auch  der  mukhya  prdna  (Organ  der  Kutrition)  ist  erschaffen  454 
9—12.  Über  sein  Wesen  und  seine  fünf  Funktionen 455 

13.  Über  seine  räumliche  Gröfse  .......   .f 459 

14—15:  Verbindung  der  präna^s  mit  der  Seele.  Mitwirkung  der  Götter  460 
17—19.  Verhältnis  des  mukhya  prdna  zu  den  übrigen  prdna*»  .  .  .  46B 
20— 2^.  Verhältnis  des  Leibes  und  seiner  Organe  z^  den  Elementen  465 

III,  1. 

1—7.  Auswauderung  der  Seele  mit  ihren  Organen  beim  Tode .   .    .  473 
8—11.  Warum  sie  wieder  in  einen  neuen  Leib  eingehen  mufs?    .   .  482 
12—21.  Bestrafung  der  Übelthäter;  verschiedene  Schicksale  der  Seele 
nach  dem   Tode.    Die  vier  Klassen  der  (organischen) 
Wesen 490 

22.  Rückkehr  durch  dJcd^a  u.  s.  w.    Verhältnis  au  diesen  das  eines 

Gastes  .    .   : 495 

23.  Über  die  Zeitdauer  des  Weilens  auf  diesen  Zwischenstationen  496 
24—27.  Beseeltheit  der  Pflanzen.   Rflckkehr  der  Seele  durch  Pflanzen, 

Speise,  Same,  MütterschoÜB  zur  Verkörperung  .    .   .    .  ^  497 

III,  2, 

1  —  6.  Vom  Wesen  des  Traumes;,  unterschied  vom  Wachen  .   .  5<'2 
7—8.  Wesen  des  Tiefschlafes;  er  ist  ein  Eingehen  in  Brahman  510 

9.  Warum  der  EnK-^achende  mit  dem  Entschlafenen  identisch  ist?  515 
10.  Die  Ohnmacht;  Unterschied  von  Tiefschlaf  und  Tod.    Me- 

taphysisdie  Bedeutung  des  Todes 517 

11—21.  Brahman  ist  ohne  alle  Unterschiede,  Bestimmungen  und  Attri- 
bute  520 

.  22 — BO.  Brahman  ist  nie  Objekt,  weil  ewig  Subjekt  (säkshin),  .  .  .  532 
'd\ — 37.  Über  einige  bildliche,  von  Brahman  gebrauchte  Ausdrücke  .  540 
88— il.  Die  Frucht  der  Werke  kommt  von  Qott,  der  dabei  die  frühem 

Werke  berücksichtigt.    Über  das  apurram 546 

m,  3. 

1 — 4.  Auch    in  den  Sagund    VidyüJi   ist  Einheit   der  Erkenntnis. 

Widerspruchslosigkeit  der  Vedäuta-Texte 550 

5.  Daher  Zusammenfassung  der  verschiedenen    yijhdna''B  erfor- 
derlich  566 

mm  ^^  _ 

6—8.  Über  Differenzen  beim  prana-samvada  Obänd.  1,  3,  Brih  1,  3  557 

9.  Verhältnis  zwischen  om  «nd  ud(ßtha  Cliänd.  1,  1, 1 501 

10.' Die  Parällelstellen  Brih.  6,  1,  li,  Ch&nd.  \  1,  i:),  Kaush.  2,  14 

über  den  prdna-samvada  sind  zu  verbinden .563 

11 — 13.  Qualitäten  des  Hralfinan  von  allgemeiner  und  solche  von  stellen- 
weiser (lültigkeit,  erläutert  an  Taitt.  2 Wo 

14—15.  In  Ivath.  3,  10 -11    ist  keine  Stufeufüljfc(e  der  Vermögen,  son- 
dern nur  Trimat  des  Purnsha  beabbichtii»! 567 


/' 


Ijibaltsver/ok'huib.  xxi 

Helte 

16  -17.  Auf  BraljTnan  geht  Ait.  1, 1  [oder  Brih,  4, 3,  7—4,  25  und  CÜ&nd. 

.6,  8-lGl ; 569 

1«.  thäüd.  5,2,  Brih.  6,  1  wird   maovij^Cinam  ^  nicht  d«M«(iw<«w 

befohlcu 574 

li>.  Die  {'atulilya-vidt/il  Cat  Br.  10,  6,  3  ißt  mit  IWh.  5,  «  zu  vcr- 

biudon f»77 

2C)—  ^2.  HiJigegea  Brih.  5,  5  siiid  ahar   uud    aham  auseinander  zu 

}ialtei>  ." 57^ 

23.  Ebenso  die  vibhüti^s  in  den  R4n&yaniya-KhiU's  und  Gh&nd. 

3,  li ,   .   .    .' 581 

24.  Ebenso  der  purtisha'yajna  der  T^ndin's  Paingin^s  und  Taittiri- 

yaka's 582 

25.  Diverac  Eingangaatellen  von  Upauishad^  die*  nicht  zor  Vidyä> 

gehören r»8ö 

26.  Ch&nd,  K,  13,  Mun^*  3,  1,  3  u.  s.  v.  durch  Kaush.  1,  4  zu  er- 

gänzen ..:.....    587 

27^^8.  Die  AbschQttelung  der  guten  und  bösen  Werke  beim  Sterben  591 
29-30.,  Der  decaydna  ist  nur  in  den  sagima  cidyuh  gültig    ....  5:)3 

31.  In  diesen  aber  allgemein.  ^  Über  die  Differenz   von  satyam 

(Biih.  6,  2, 15)  and  tapas  (Chlind.  5,  10,  1)  in  der  Faü- 
cägnl'Vidyä 594 

32.  Möglichkeit  eines  neuen  Leibes  bei  Erlösten,  zum  Zwecke  einer 

Mission,  —  Unmittelbare  Gewifsheit  der  Erlösong  .  .  .  596 
Itö.  Die  Stellen  über  dus  aksharam  (Brih.  3,  8,  8,  äonc}.  1, 1,  6) 

ergänzen  sich  gegenseitig 600 

34.  Die  Stellen  ritam  pthantau  (Katfa.  3,  1)  imd  dtä  supartid 

(Mun^.  3, 1)  gehören  zusammen 601 

35-36.  Ebenso    Brih.   3,  4    uud  3,  5.     Brahman    1)  kaosaliUtlos, 

2)  loidlos. 603 

37.  Brahman  and  der  Verehrer  zum  Zwecke  der  Meditation  ge- 

trennt  605 

38.  Brih.  5,  4  uud  5,  5  [nicht  Brih.  5, 4.  5  und  Gbänd.  1,  6.-7]  sind 

eine  Vidyä * 606 

30.  Einheit  uud  Unterschied  von  Ohänd.  8,  1,  J.5  und  Brih.  4, 

4,  22 - 607 

40—4 1.  Rituelle  Fragen  betreffend  die   Vai^vänara-vidya  Chänd,  5, 

11—24 609 

42.  Verhältnis  der  Vorstellungen  wie  Chänd.  1, 1, 1  zu  den  Werken  612 

43.  Brih.  I.  5,  21—23  und  Ch&ud.  4,  3  sind  (^dhyatmam  und  adhi- 

daicaM  zum  Zwecke  der  Verehrung  zu  trennen    .    .    .    .611 
44—52.  Im  Aprnirahasyam  gehört  i^-at.  Br.  10,  5  maniHtcit  u.  s.  w.  zur 

Vidyä 617 

.53—54.  Episode  über  die  Unsterblichkeit  der  Seele 624 

55—56.  Mit  Werken  verknüpfte  Vorstellungen  wie  ('händ.  1, 1,  1.  2,2, 1. 
Ait.  är.  2,  1,  2,  1.  (^ivi.  Br.  10,  5,  4,  1  gelten  nicht  nur  für 
die  eigene  ^tlkhä,  i^underu,  wie  auch  die  Mautra's  und 
ähnliches,  allgeinciu 627 

57.  Ch&nd.  5,  II — 24  ist  der  snmasta^  nicht  der  rydsta  zu  verehr<'n  030 

58.  Stellen,  wo  Einheit  d«K   zu  Lohrendon,  Verschiedenheit   dor 

Lehre  ...  Ö32 


xxii  InhaltSYerzeichnis. 

Seite 

59.  Bei  letzterer  findet  Wahl,  nicht  Zusammenfassung  statt  634 

60.  Nur  auf  WücHche  bezugliohe  Lehren  können  zu.samm^ngefarBt 

werden .  635 

<l l — fiC).  Bei  den  55  --56  erwähnten  i»t   Z  u  s  a  m  m  e  u  fa 8  s  u  n  g   oder 

-  Wahl 636 

III ,  4. 

1-17.  Die  Upanisliad- Lehre  ohne  Werkthätigkeit  führt  den  Men- 
schen zum  Ziele.   Stellung  des  Wissenden  zu  den  Werken  639 
18—20.  Kontroverse  zwischen  Jainiini  und  B&dar&yana  ober  die  Ävra- 

wia'b .    ,     ' 649 

21  -22.  Stellen  wie  Ch&nd.  l,  1, 3.  1, 6,  L  Catap.  Br.  10, 1,  2,  2.  Ait.  Hr. 

2,  1\  2,  1  sind  nicht  blofs  siuti^  sondern  Teil  des  upästwatn  055 
•j3— 24.  Be:$chränkte  Gültigkeit  der  Legenden  Krih.  4,  5,  Kaush.  3,  1, 

Chand.  LI...  .  .         ' 057 

25.  Resume  von  1—17:  Wissen  ohne  Werke  führt  zum  Ziel  .    .  058 
26— 27.  l'ajwa,  ddnam,  tapas  u.  s.  w.  als  Mittel  zur  Wissenschaft  ."  .  658 
28—31.  In  Lebenbgefahr  ist  VernachlÄssigung  der  Speisegesetze  statt- 
haft .       .  : 661 

32—35.  Auch  wer  nicht  nach  Wissen  begehrt,  mufs  die  d^rama-Jcaf' 
mani  betreiben,  da  sie  das  Wiissea  nur  fordern,  nicht  er- 

zeugen 664 

36—39.  Auch  die  aus  Armut  A^rama-losen  siod  zur  Vidy^  berufen   .  067 

40,  Character  indelebilis  des  Ürddhiinttati-iieMUhäniS .       .    .       .  669 

41 — 42.  Inwieweit  für  den  gefallenen  Brahmacorin  Bufse  möglich  V  .  670 

43.  Ausschliefsung  desselben  hei  wdhäpätaka'^  und  upd^pätaka^^  672 

44—46.  Ob  die  updaana^i»,  Sache  des  yajamdna  oder  ritvti  sind?  .       672 

47—49.  Inwieleru  Brih  3,  5,  1  die  ^1  fra »ki-s  zu  verstehen  sind    .    .    .  674 

IM). .„tav  jjtf)  ;t'vT)ji:.-  (Li  TÖt  TT^'öCa  ..."  —  „Xate  ^twaa;"   ....   677 

'   51.  Das  ^Wissen  als  Frucht  dieser  Mittel  erfolgt  hier,  wenn  kein« 

stärkere  aüudriyd  r.aWh  da  ist,    sonst  im    nächsteh 

Leben .  •>79 

52.  Ein  Mehr  und  Minder,  infolge  der  verächiedenen  Kraft  der 
bddhanas  besteht  nur  bei  den  sayunä  vidydh ,  nicht  in 
der  Tiirgund  vidyd    . .  680 

IV,  1. 

1—2.  Der  pratyaya  Ata  jlnuin  ist  zu  üben,  bis  Intuition  erreicht 

ist  .      ^ 685 

3.  Dann   erfolgt  IdeotitiU  von   Ich  niu\  Braliman;  für    den   Er- 

wecklf-u  jriebt  es  kein  T  bei,  k.ine  Wahrnehmung,  keinen 
Veda  mehr  . 691 

4.  ..Du  «ollst  dir  kein  Hildiiis  tj^rutthmu^  machen!"     .    .        .    .  693 

5.  ( liäud.  Ti,  1*.».  i   /  ,n,lit}n\  hrahvhv'i  wird  bruhmnn  von  ddttya 

prädi  eiert 694 

6.  Hingegen  (band    1.  .'J.  l  \vir<l  dUittfu  von    uU^Üha  prudieiert.  697 
7 — 1(>.  Das  7fpä>aiunn  nl»e  jimu  »^iti-eutl,  nirht  liogeud  oder  stehend  .   700 


lAhaltsverzeichniB.  .         xxiu 

BeitA 

11.  [m   übiig^Q  ist  Ort,  Zeit  und  Himmelsrichtung  gleichgültig, 

nur  ToUige  Ungestdrtheit  erforderlich 701 

12.  Die  up/JUfanä'9  bezwecken  teils  samyagdarfanmny  teils  abh^i- 

daya;  erstere  sind,  bis  der  Zweck  erreicht  ist,  letztere 
bis  zum  Tode  zu  Oben 702 

13.  Bei  erreichter  Erkenntnis  erfc^lgt  die  Yemiehtong  frflherer, 

Unmöglichkeit  kOnftiger  Sünden.    (Die  Kraft  des  karman 
ist  paralysiert.) 704 

14.  Vemiehtoug  auch  der  guteu  Werke.    Warum  ? 706 

12j.  Fortbcstehen  des  Leibes  trotz  der  Erlösung  bis  lor  Tilgung 

der  angebrochenen  Werkfrucht    T'>pferscbeibe;  Doppel- 
mond   707 

16—17.  Opfer  u.  s.  w.  sind  nicht  mehr  für  den  Brahmavid,  wohl  aber 

noch  für  den  Sctgunavid  verbindlich 709 

18.  Lantemde  Wirkung  von  Opfer  u.  s.  w.  mit,  aber  auch  ohne 

Wissen 710 

19.  Nach  Abbttfsung  des  karviuiHi  Tod  uz|d  mit  ihm  Kaivalyam  712 

IV,  2. 

1-^2.  (JLparavidyä.)    Beim  Tode  i^eheu  die  indriyd'B  in  das  mona^f 

ein .   .  714 

3.  Das  manas  in  den  prana 716 

4 — 6   Der  prdtia  in  den  rrijndnätman  ijfi'a),  dieser  in  die  Elemente  717 
7.  Von  hier  gelaugt  der  Amdron  zur  YerkOrpemng,  der  Vidtm 

zur  Unsterblichkeit.    Dieses,  amriiatvam  ist  äpekshikam  719 
s — II.  Fortdauer  des  „feiuen  Leibet«'^    Sein  Wesen  beschrieben  .    .  721 
12—14.  (PnraridydJ     Für    den     Akiimayamäna    (Parabrahmarid) 

giebt  es  keinen  Auszug  der  Seele;  er  ist  schon  Brahman  722 

15.  Seine  pfäna'fi  gehen  anf  in  Brahman,  das  Grobe  wird  zu  Erde 

u,  8.  w. ^ .725 

16.  Sein  Aufgehen  geschieht  ohne  Rest,  nicht,  wie  sonst,  mit 

Rest .    .«  726 

17.  (Äparavidyd.)    Der   Vidrän  (nxoterisch  Wissende)  geht  aus 

durch  die  101'^^  Ader  (die  andern  durch  andere)  .  727 

18—19.  Von  da  durch  einen  Sonnenstrahl,  der  bei  Tag  und  Nacht,  .  728 
20— 2i.  im  Sommer  wie  im  Wiuter  vitrhanden  hi,    (Anders  Sdükhya- 

Yoga)  730 

IV,  3. 

1.  Stationen  des  Weges:  ndäi,  —  rui^tm,  —  arcia,  —     .    .       .  732 

2.  ahaVy  —  dpuryamduapakshn^  —  ythi  t^hud  udah  eti,  ---  saai' 

vatsara,  —  vatfu,  —  dditya.    -        .    .  ...       .  734 

3.  eandra,  —  vidyut,        varunoloku,   -    indra^  -  prajdpatt      736 
4—6.  Diese  sind  Führer  der  Seele,  den*n  Organe,  weil  sie  eingepackt 

sind,  nicht  funktionieren  i:]{\ 

7—^14.  Endstatiou :  Brahnuui,  nicht  das  aligegenwärtige /iamw  hrahina, 
sondern  das  aparatOy  sayunam  ifrahnuLf  welches  als  Kdr- 
yam  vergänglich  ist.    Kramnmukti  ...  .  739 


XXIV  [nhaltsyerzeichms. 

»eile 

15—16.  Die  aber  Brahman  uoter  einem  pratikam  verehren,  haben 

andern  Lohn 75(> 

IV,  4. 

1—3.  (Paravidpii,)    Ideutitüt  der  erlösten  mit  der  in  Unwissen, 

Leiden,  Vergänglichkeit  {gebundenen  Seele    .    .       .    .  752 

4.   Unio  myatica 754 

Cy—1,  (Apararidi/d:)    (-harakteristik  des  (unvollkommen)  Erlösten.  755 
8-9.  Die  „Wünsche"  (C)hJind.  8,  2)  des  Erlösten.    Freiheit  desselben  758 

10— 14,  Ob  der  Erlöste  Orfrane  (manas  u.  s.w.)  besitze? 759 

15—16.  Wnnderkr&fte  desselben:  Beseelung  mehrerer  Leiber  zugleich  761 
17-22.  Sein    atQvaryam    und    dessen    Schranken.    Schilderung    von 
Brahmaloka,    Nachdem  ihm  dort  das  Samyagäarganatn 
zu  TcH   geworden,   geht  auch    er  in  das  ewige,   voll- 
kommene Nirvanam  ein 763 


Aussprache. 

Li  indischen  Wörtern  ist 

c^  ch  wie  tsch^  techh 
j,  jh  wie  d8eh^  dsehh 

zu  sprechen. 


ERSTER  ADHYÄYA. 


I>aiJSniM,  VedAuta. 


Des  ersten  AdhyAya 

ERSTER    PlDA. 


Omi    Varahmng  dem  bfliligcn  YAavAeTftl 

.  Einleitung.  »"•  ^ 

I  Objekt  (vishaya)  und    Subjekt  (tiahayin),    wie    sie    als  5 
ihren  Bereich  die  Vorstellung  des  „Du^'  [Nicht-Ich]  und  des  „Ich'^ 
haben,  sind  so  entgegengesetzter  Natur  wie  FLastemis  und  Licht. 
I  Steht  es  nun  fest,  dafs  das  Sein  des  einen  in  dem  andern  nicht  6 
zutrifft,  so  folgt  um  so  mehr,  dafs  auch  die  Qualit&ten  (dharma) 
I  des  einen  bei  dem  andern  nicht  statthaben.    Hieraus  ergiebt  sich,  7 
dafs  die  Übertragung  (adhyäsa)  des  als  seinen  Bereich  |   die  8 
Vorstellung  des  „Du*'  habenden  Objektes  und  seiner  Qualitäten  auf 
das  als  seinen  Bereich   die  Vorstellung  des  >,Ich**  habende,  rein 
geistige  Subjekt,   |  und  umgekehrt,  dafs  die  Übertragung  des  Sub-  9 
jektes  und   seiner    Qualitäten    auf  das    Objekt    folgerichtigerweise 
falsch  ist.  —  Und  doch  ist  den  Menschen  dieses ,  auf  falscher  Er- 
kenntnis beruhende  (miihf^d-jndna'nimüta).  Wahres  und  Unwahres 
[d.  h.  Subjektives  und  Objektives]  paarende   Verfahren  angeboren 
(naisargika)^  dafs  sie  die  Wesenheit  und  die  Qualitäten  des  einen 
auf  das  andere  übertragen,  Objekt  und   Subjekt,  obgleich    »ie  ab- 
solut verschieden  (atpanta-vivikta)  sind,   nicht  voneinander  unter- 
scheiden I  und  so  z.  B.  sagen  „das  bin  ich*',  „das  ist  mein".  |  —  10  11 

I  'Aber  was  ist  unter  dieser  „Übertragung"  zu  verstehen?* —  12 
Wir  antworten :  sie  ist  das  auf  Erinnerung  |  beruhende  Erscheinen  13 
eines  früher  Gesehenen  an  einem  anderen.  —  Manche  hingegen  de- 
finieren sie  als  die  Übertragung  der  Qualitäten,  die  der  einen  Sache 
zukommen,  auf  eine  andere;  —  |  einige  wiederum  als  einen  Irrtum,  14 
der  dadurch  bedingt  sei,  dafs  man  den  Unterschied  der  Sache  nicht 
auffasse,  auf  welche  die  Übertragung  geschehe;  —  wieder  andere 
erklären  sie  als  die  Annahme  von  Qualitäten  au  dem  Gegenstande 


4  Q&rtraka-mlm&Dsft 

der  Übertragung)  welche  seinem  Wesen  entgegengesetzt  seien.  — 
Wie  dem  auch  sei,  darin  ist  Übereinstimmung,  dafs  sie  das  Er- 
scheinen der  Qualität  der  einen  Sache  an  einer  anderen 
ist.  Und  so  zeigt  sie  sich  auch  in  der  Wahrnehmung  des  gemeinen 
Lebens,  wenn  z,  B.  die  Perlmutter  als  Silber,  oder  der  Mond, 
wiewohl  er  einer  ist,  als  zwei  erscheint. 

—  ^Aber  wie  ist  es  mögUch,  auf  das  innere  Selbst,  da  es  doch 
'nicht  Objekt  ist,  die  Qualitäten  von  Objekten  zu  übertragen?  Denn 
^ein  jeder  überträgt  doch  nur  auf  ein  vor  ihm  stehendes  Objekt  | 
16  'ein  anderes  Objekt;  und  du  selbst  sagtest  [oben],  dafs  das  der 
^Vorstellung  des  „Du"  entbehrende  innere  Selbst  kein  Objekt  sei 
^(avisha^atvam)?*  —  Wir  antworten:  dasselbe  ist  doch  nicht  in 
jedem  Sinne  Nicht-Objekt;  denn  es  ist  das  Objekt  der  Vorstellung 
des  Ich;  und  nur  darum  nimmt  man  ja  auch  allgemein  ein  inneres 
Selbst  an,  weil  es  der  Wahrnehmung  nicht  unzugänglich  ist.  Auch 
besteht  eben  keine  Notwendigkeit,  dafs  man  nur  auf  ein  vor  uns 
stehendes  Objekt  ein  anderes  Objekt  übertragen  könne;  indem  z.  B. 
auf  den  Weltraum  (akäga)^  wiewohl  er  nicht  wahrnehmbar  ist, 
Unerfahrene  die  dunkle  Farbe  des  Grundes  und  dergleichen  über- 

16  tragen.  |  Ebenso   ist  es   nicht  ausgeschlossen,   dafs  man   auch   auf 
das  innere  Selbst  überträgt,  was  nicht  das  Selbst  ist. 

Diese  so  beschaffene  Übertragung  erklären  die  Philosophen 
für  ein  Nichtwissen  (avidyä)  und  bezeichnen  im  Gegensatze 
dazu  die  genaue  Bestimmung  der  Natur  eines  Dinges  als  das 
Wissen  (vidyä),  Ist  dem  aber  so,  dann  folgt,  dafs  der  Gegen- 
stand, auf  welchen  eine  [derartige,,  falsche]  Übertragung  stattfindet, 
durch  eine  in  ihr  begründete  Fehlerhaftigkeit  oder  Beschaffenheit 
nicht  im  mindesten  betroffen  wird. 

Diese,  „Nichtwissen"  genannte,  das  Selbst  und  das  Nicht- 
Selbst  miteinander  verwechselnde   Übertragung    bildet  nun   die 

17  Voraussetzung,  unter  welcher  alle  Beschäftigung  mit  Beweisen  |  oder 
zu  Beweisendem,  und  zwai*  auf  weltlichem  wie  auf  vedischem  Ge- 
biete ^  stattfindet;  und  ebenso  beruhen  auf  ihr  alle  Lehrbücher, 
mögen  sie  nun  Gebote  und  Verbote  oder  auch  die  Erlösung  be- 
treffen. —  *Aber  wie  ist  es  möglich,  dafs  die  Erkenntnismittel, 
'wie  Wahrnehmung  u.  b.  w.,  und  auch  die  Lehrbücher  sich  auf  den 
'Bereich  des  im  Nichtwissen  Beruhenden  beziehen?*  —  Antwort: 
weil  mau  ohne  den  Walin,  dafs  in  Leib,  Sinnesorganen  u.  s.  w. 
das  „Ich"  und  das  „Mein**  bestehe,  kein  Erkennender  sein  kann, 
und  folglich  eine  Bethätigung  der  Erkenntnismittel  nicht  möglich 
ist.  Denn  ohne  die  SinrciHorgane  zur  Hülfe  zu  nehmen,  findet 
eine  Thätigkeit  des  Wahrnebmens  u.  s.  w.  nicht  statt;  die  Verrich- 
tung der  Sinnesorgane  aber  wiederum  ist  nicht  möglich  ohne  einen 

18  Standort  [den  Leib];  (  keinerlei  Aktion  des  Leibes  aber  i^t  mög- 
lich, ohne  dafs  man  auf  ihn  das  Sein  des  Selbstes  (der  Seele, 
dtwan)  übertrüge;  und  ohne  dafs  dieses  alles  stattfindet,  d.  h.  bei 


Einleitung.  5 

der  [von  der  Luiblichkeit]  unabhängigen  Seele  ist  eine  Erkennt- 
oistbätigkeit  gar  nicht  möglich.  Ohne  Erkenntnisthätigkeit  aber 
geht  das  Erkennen  nicht  vor  sich.  Folglich  beziehen  sich  die 
Erkenntnisn^ittel ,  Wahrnehmung  u.  s.  w.  sowie  die  [erw&hnten] 
Lehrbücher  auf  den  Bereich  des  im  Nichtwissen  Beruhenden.  — 
Femer  auch  deswegen  [gehört  die  weltliche  und  die  vedische  Er- 
kenntnis in  den  Bereich  des  Nichtwissens],  weil  [dabei]  ein  Unter: 
schied  von  den  Tieren  nicht  stattfindet.  Denn  sowie  die  Tiere, 
wenn  z.  B.  ein  Ton  ihr  Ohi'  berührt,  |  falls  die  Erkenntnis  durch  19 
diesen  Ton  u.  s.  w.  f&r  sie  von  unangenehmer  Art  ist,  sich  davon 
wegwenden,  und,  falls  sie  angenehm  ist,  sich  hinzuwenden,  —  wif? 
sie  z.  B.,  wenn  ü)ie  einen  Menschen  mit  einem  aufgehobenen  Stocke 
in  der  Hand  vor  sich  sehen,  in  der  Meinung:  „der  will  mich 
flchlagcn^S  ^^  fliehen  suchen,  und  wenn  sie  ihn  mit  einer  Hand 
▼oll  frischen  Graset^  sehen ,  sich  zu  ihm  hinwenden :  —  ebenso 
pflegen  auch  die  Menschen,  wiewohl  ihre  Erkenntnis  entwickelter 
ist  (vputpantia-cittäh) ,  -  wenn  sie  Starke  von  grausigem  Ansehen 
schreiend  und  mit  gezückten  Schwertern  iu  den  Händen  wahr- 
nehmen, sich  von  ihnen  abzuwenden  und  zu  den  Entgegengesetzten 
sich  hinzuwenden.  -«~  Sonach  ist,  iu  Bezug  auf  Mittel  und  Gegen- 
stände des  Erkennens,  das  Verfahren  bei  Menschen  und  Tieren 
das  gleiche.  Allerdings  geht  bei  den  Tieren  die  auf  das  Wahr- 
nehmen u.  s.  w.  folgende  Th&tigkeit  ohne  vorheriges  Urteilen  (vi' 
Deka)  vor  sich;  aber,  wie  man  au  der  Gleichheit  damit  ersieht, 
ist  auch  bei  den  [geistiger]  Entwickelnng  teilhaften  {yyutpaiUmatäm) 
Menschen  ..die  auf  das  Wahrnehmen  u.  s.  w.  folgende  Thätigkeit 
für  jene  Zeit  [der  falschen  Erkenntnis,  vgl.  p.  449,3]  entschieden 
die  nämliche;  |  und  wenn  hingegen  zu  einer  Werkthätigkeit  gemäfs  ^ 
dem  Schriftkanon  nur  ein  solcher,  der  vorher  die  [erforderliche] 
Einsicht  (buddhi)  ei-worben  hat,  und  keiner,  der  nicht  die  Verbin- 
dung der  Seele  mit  der  andern  Welt  erkannt  hat,  zugelassen  wird, 
so  ist  doch  zu  dieser  Zulassung  nicht  erforderlich,  dafs  man  die 
vom  Ved&nta  zu  lehrende,  den  Hunger  und  die  Übrigen  [Begierden] 
hiüter  sich  lassende,  von  den  Unterschieden  zwischen  Brahmanen, 
Kriegern  u.  s.  w.  Abstand  nehmende  Wahrheit  Über  die  vom  Süigi^ 
sdra  (der  Seelen  Wanderung)  freie  Seele  [erkannt  liabe].  Denn 
diese  kommt  bei  der  Betrauung  [mit  dem  Opferwerke]  nicht  zur 
Anwendung,  ja,  sie  steht  mit  derselben  in  Widerspruch.  Und  in- 
dem der  Kanon  der  Vorschriften  [nur]  vor  der  sothanen  Erkennt- 
nis der  Seele  in  Wirkung  steht,  so  cratreckt  er  sich  nicht  über 
den  Bereich  des  im  Nichtwissen  Beruhenden  hinaus.  So  z.  B.  wenn 
es  heifst:  „der  Brahmane  soll  opfern^',  so  sind  diese  und  ähnliche 
kanonische  Vorschriften  nur  möglich,  sofern  mau  Kasten,  AgrarMC% 
(Lebensstadien),  Lebensalter  und  andere  unterschiedliche  Zustände 
auf  das  Selbst  überträgt.  Diese  Übertragung  aber  ist,  wie  wir 
baheu,    die  Annahme   einer  Sache   da,   wo  nie    nicht    ist.     So    wie 


6  (&riraka*in)niän&ft 

daher  jemand,  wenn  es  seinem  Sohne,  seiner  Gattin  und  dergleichen 
21  schlecht  oder  gut  geht,  |  zu  sagen  pflegt,  „es  geht  bei  mir 
schlecht  oder  gut^^,  .  und  damit  Qualitäten  von  Aufseudingen  auf 
das  Selbst  (die  Seele)  überträgt:  ebenso  auch  übei*trägt  er  auf 
dasselbe  Qualitäten  des  Leibes,  wenn  er  denkt:  „ich  bin  fett,  ich 
bin  mager,  ich  bin  weifs,  ich  stehe,  gehe,  springe;"  und  ebenso 
Qualitäten  der  Sinnesorgane,  wenn  er  denkt:  „ich  bin  stumm, 
„entmannt,  taub,  einäugig,  blind";  und  ebenso  die  Qualitäten  des 
Innenorgans  [an(ahJcarav<Ji^n ^  d.  h.  des  Monas],  Verlangen,  Ent- 
Bjiiheidung,  Zweifel,  Entschlufa  u.  s.  w.  [vgl.  Biih.  1,6)3];  — -  so 
also  überträgt  er  den  Vorsteller  des  Ich  (ahampratyayin  =  Monas) 
auf  die  seinen  Verrichtungen  lediglich  als  Zuschauer  (säkshift) 
gegenüberstehende  innere  Seele,  und  umgekehrt  die  allem  als  Zu- 
schauer beiwohnende  innere  Seele  auf  das  lunenorgan  u.  s.  w. 
[d.  h.  auf  die  Sinnesorgane,  den  Leib  und  die  Gegenstände  der 
Aufsenwelt]. 

So  steht  es  mit  dieser  anfanglosen,  endlosen,  angebomen 
32  Übertragung,  welche  ihrem  Wesen  nach  eine  falsche  |  Annahme 
ist,  alle  Zustände  des  Thuns  und  des  Geiiiefsens  [oder  Leidens] 
hervorbringt  und  die  Sinneswahrnelunung  aller  Menschen  bcfafst. 
Sie,  welche  die  Ursache  des  Unheils  ist,  zu  beseitigen  und  das 
Wissen  von  der  Einheit  der  .Seele  zu  lehren,  —  das  ist  der  Zweck 
aller  Vedäntatexte  [d.  h.  der  Upanishad's].  Und  wie  dieses  den 
Gegenstand  aller  Vedäntatexte  ausmacht^,  so  wollen  auch  w^ir  den- 
23  selben  in  dieser  |  ^äriraka'mimän^  [Erforschung  der  verkörperten 
Stiele]  darlegen. 


Erstes  Adhikaranam. 

In  dtim  L(jhrbuche  der  Vedänta-mimä'fieä  [Erforschung  der  Upa- 
niiihad'sj,  welches  wir  erklären  wollen,  lautet  das  erste  Sütram 
wie  folgt :  ' 

1,    atha  ato  hrahma'jijnäsäy  iti 
rmnmehr  daher  die  Brahmanforschung. 

Das  Wort  atha  (nunmehr)  bedeutet  hier  unmittelbare  Folge, 
oicht  einen  Vorsatz,  da  dieBrahmanforschung  [wörtlich:  derWunsch, 
Brahman  zuerkennen]  nicht  Gegenstand  eines  Vorsatzes  sein  kann; 
da  ferner  dafür,  [das  Wort  atha]  als  Segenswunsch  zu  fassen,  im 
Inlialtp  des  Satzes  keine  Berechtigung  liegt;  denn  nur  wo  es  einem 
schon  anderweit  ausgedrückten  Inhalte  sich  anschliefst,  liegt  dem 
Worte  atha  dnß  Motiv  zu  Grunde,  dadurch,  dafs  man  es  zu  Gehör 


Sütram  1.  i.  1.  7 

bringt,  ei  neu  SegenBunansch  auszusprechen.    |   Hier  aber,  wo  es  sich  24 
um  die  Erfüllung  einer  vorher  rege  gemachten  Erwartung  handelt, 
kann  es  in  seiner  Bedeutung  einer  „unmittelbaren  Folge"  nicht  ent- 
behrt werden.     Steht  nun  die  Bedeutung  „unmittelbare  Folge"  fest, 
so  fragt  sich:   so  wie  die  Pflicht -Forschung  [die  Karma-mimänsä 
des  Jaimini]  notwendigerweise  das  Veda*Studium  zur  Voraussetzung 
hat,  was  ist  in  diesem  Sinne  die  Voraussetzung  der  Brahmanforschung, 
auf  die   sie   sich   notwendigerweise  bezieht?     Das  ist  zu   erklären. 
Die  Voraussetzung  nies  Veda-Studiums   nun  ist  beiden  gemeinsam.  { 
Liegt    also   der   Unterschied   vielleicht  darin,    dafs    hier    [bei   der  26 
Brahmanforschung]  eine  Kenntnis  der  Werke  vorausgesetzt  wird?  — 
Mit  nichten!    Denn  auch  vor  der  Pflichtforschung  ist  für  den,  wel- 
clier  den  Vedanta  studiert  hat,  eine  Erfoi'schung  des  Brabman  zu- 
lässig.    Und   so    wie  [beim   Tieropfer]   für   die  Zerstückelung  des 
Herzeus   u.  s.  w.   eine  bestimmte  Folge  erfordert  wird,   indem  der 
Gang  vorgezeichnet  ist,  in   derartiger  Weise  ist  hier  kein  Gang  | 
vorgezeichnet.      Denn  für  die   Annahme,  dafs  sich  Pfiichtforschung  26 
und  Brahmanforschi^ng  verhielten  wie  Grund  und  Folge,  oder  wie 
Gebot  und  Gebotenes,  ist  kein  Beweis  vorhanden;  auch  sind  beide 
verschieden,  sowohl  was  ihre  Frucht   als  was  den  Gegenstand  der 
Forschung  betrifft.     Nämlich  die  Erkenntnis  der  Pflicht  bringt  als 
Frucht  Beglückung  (ahhyudaya)  |  und  bezieht  sich  auf  Observanz;  27 
die  Erkenntnis  des  Brahman  hingegen  hat  als  Frucht  das  höchste 
Gut  {in^eyasaniy  d.  h.  Erlösung]  und  bezieht  sich  nicht  auf  irgend 
eine   weitere   Observanz.     Femer:   die   zu   erforschende  Pflicht  ist 
ein  Zukünftiges,  zur  Zeit  der  Erkenntnis  noch  nicht  Vorhandenes, 
welches  von  dem  Thuu  des  Menschen  abhängig  ist;  hier  hingegen 
ist  das-  ^u  erforschende  Brahman  ein  schon  Vorhandenes,  weil  schon 
von  Ewigkeit    her  Bestehendes,  '  welches    nicht    von    irgend  einem 
Thun  des  Menschen  abhängig  ist.     Ein  weiterer  Unterschied   liegt 
in  der  Art,  wie  die  Aufforderung  zu  beiden  stattfindet.     Denn  die 
Aufforderung,   wie  sie  ein  Merkmal  der  Pflicht  bildet,  beschränkt 
sich  darauf,   innerhalb   ihres  Bereiches   den  Menschen   anzutreiben, 
ohqe  dafs  sie  ihn  belehrte.     Die  auf  das  Braihman  bezügliche  Auf- 
forderung hingegen  will  lediglich  den  Menschen  belehren;  und  da 
es  eine  [blofse]  Belehrung  ist,  welche   hier  aus   der  Aufforderung 
resultiert,    so  wird  der  Mensch,  |  bei  dieser  Belehrung  nicht  ver-  28 
])flichtet,  sondern  es  verhält  sich  dabei  ähnlich,  wie  wenn  man  sich 
über  eine  Sache   dadurch   belehrt,   dafs  man   sie   dem  Auge   nahe 
bringt.  —  'Aber  da  dem  so  ist,   was   sollen   wir   denn   annehmen, 
'als  dessen    unmittelbare  IB'olge    die    Brahmanforschung    bezeichnet 
*wjrd?'  ^ —     Wir    antworten:    [I.]     die    Unterscheidung    der 
ewigen  und  der  nichtewigen  Substanz;  [II.]  Verzichtung 
auf  einen  Geuufs   des   Lohnes   seiner  Bemühungen,    hier 
und  im  Jenseits;  [III.]  Erlangung  der  [sechs]  Mittel,  Ge- 
mütsruhe,   Bezähmung  u.  s.  w.    [Entsagung,    geduldiges    Ertragen, 


R  Clti1raka-mfniltns& 

Meditation,  Glaube];  [IV.]  das  Verlangen  nach  Erlösung. 
Wenn  diese  vorbanden  sind,  so  kann  auch  vor  der  PHichtfurschuug 
ebenso  gut  wie  nach  ihr  das  Brahman  erforscht  und  erkannt  wer- 
den; nicht  aber  umgekehrt.  Somit  wii'd  duroh  das  Wort  cMa  die 
unmittelbare  Folge  auf  die  Erlangung  der  erw&hnten  Mittel  an- 
gedeutet. 

DaB  Wort  atas  (daher)  bezeichnet  einen  Grund:  weil  nämlich 
der  Veda  erklärt,  dafs  das  Feueropfer  und  die  sonstigen  [Werke], 

29  welche  zum  Glücke  dienen,  |  eine  Frucht  bringen,  die  vergänglich 
ist,  —  denn  es  heifst:  „darum,  gleichwie  hienieden  die  durch 
,. Werke  gewonnene  Welt  vergeht,  also  auch  vergeht  im  Jenseits 
„die  durch  heiligen  Wandel  gewonnene  Welt"  u.  s.  w.  (Chänd. 
8,  1,  6),  weil  femer  das  höcliste  Ziel  dcR  Menschen  als  durch  die 
Erkenntnis  des  Brahman  zu  erreichen  bezeichnet  wird  durch  die 
Worte:  „wer  Brahman  kennt,  erlangt  das  Höchste"  u.  s.  w.  (Taitt. 
2,  1),  —  darum  ist  unmittelbar  nach  Erlangung  der  erwähnten 
Mittel  die  Brahmanforschung  ins  Werk  zu  setzen. 

Die  Brahmanforschung  (brahfna-jijndsd)  bedeutet  die  Erforschung 
des  Brahman;  Brahman  aber  ist,  wie  weitoriiin  erklärt  werden 
wird,  dasjenige,  „woraus  Ursprung  u.  s.  w.  dieses  [Weltalls]  ist"  \ 

30  (Sütram  1,  1,2).  Darum  darf  man  bei  dem  Worte  Brahman  nicht 
an  eine  andere  Bedeutung,  wie  z.  B.  etwa  an  die  Brahmanen-Kaste, 
denken.  Der  Genitiv  „des  Brahman"  bedeutet  eine  [auf  Brahman 
als  Objekt  bezügliche]  Thäiigkeit,  nicht  eine  blofse  Ergänzung 
[des  Begriffs  der  Forschung,  unbestimmt  in  welchem  Sinne];  denn 
die  Erforschung  findet  statt  in  Hinsicht  auf  ein  zu  Erforschendes, 
ein  andres  Objekt  der  Forschung  aber  liegt  nicht  vor.  —  'Aber', 
könnte  mau  sagen,  ^dafs  das  Brahman  der  Gegenstand  der  Forschung 
4st,  wird  dadurch  nicht  ausgeschlossen,  dafs  man  den  Genitiv  als 
*den  der  Ergänzung  ansieht;  du  in  der  Allgemeinheit  der  Verbin- 
\lung  [mit  einem  Genitiv,  der  blofs  zur  Ergänzung,  unbestimmt  in 
*  welchem  Sinne,  dient]  die  besonderen  Fälle  [also  auch  der  hier  er- 
'forderliche  Genitivus  objcctivus]  enthalten  sind.'  —  Wenn  man 
dies  auch  zugeben  wollte,  so  würde  es  doch  eine  zwecklose  £r- 
schweiomg  sein,  auf  das  deutliche  Objektsein  des  Wortes  „des 
Brahman"  zu  verzichten,  um  vermittelst  der  Allgemeinheit  [und 
Unbestimmtheit  der  Genitiv  Verbindung]  ein  undeutliches  Objektsein 
desselben  anzunehmen.  —  *Sie  ist  doch  nicht  zwecklos,  denn  siu 
'bat  den    Zweck ,    sämtliche    mit    dem   Brahmanbegriü'    zusammen- 

31  ^hängende  |  Untersuchungen  [über  seine  Merkmale,  div*  Beweis- 
^methodiiu,  Beweisgründe,  Mittel  und  Frucht  seiner  Erkenntnis]  als 
^berechtigt  anzuerkennen.'  —  Das  bestreiten  wir,  weil  durch  Be- 
fassung  der  Hauptsache  auch  dasjenige,  was  sich  auf  dieselbe  be- 
zieht, als  Zweck  schon  mit  einbegriffen  ist.  Die  nauptsache  näm- 
lich ist  das  Brahman,  sofern  seine  Erlangung  durch  die  Erkenntnis 
das  dabei  am  meisten  Gewünschte  au:jmacht.     Ist  nun  diese  Haupt* 


/ 


Süktram  I.  i.  1.  9 

sache  unter  dem  Gegenstände  der  Forschung  befafst^^eo  ist  damit 
zugleich  dasjenige  als  Zweck  mit  einbegriffen,  ohne  dessen  Er- 
forschung die  Erforschung  des  Brahman  nicht  möglich  ist;  daher 
es  nicht  noch  erst  besonders  erwähnt  zu  werden  braucht;  ähnlich 
wie  durch  die  Worte  „der  König  kommt'*  angedeutet  wird,  dafs 
der  König  mitsamt  seinem  Gefolge  kommt.  Ebendasselbe  crgiebt 
£(ich  auch  aus  dem  Zusammenhange  der  Schrifttexte;  denn  wenn 
es  z.  B.  in  Stellen  wie:  „Dasjenige,  fürwahr,  woraus  diese  Wesen 
„entspringen"  u.  s.  w.  (Taitt.  3,1)  weiter  heifst:  „das  erforsche, 
„das  ist  das  Brahman",  so  beweisen  diese  Worte  offenbar,  dafs 
Brahman  der  Gegenstand  der  Forschung  ist;  und  dem  entspricht 
das  Sütrara,  wenn  man  den  Genitiv  „des  Brahman"  im  Sinne  der 
Thätigkeit  ninmit. 

Die  Forschung  (j^näsd)  bedeutet  den  Wunsch  zu  erkennen; 
denn  das  Erkennen,  welches  als  sein  Endziel  das  Erlangen  |  hat,  32 
ist  der  Gegenstand  des  dabei  ausgedruckten  Wunsches,  indem  ein 
Wunsch  sich  bezieht  auf  einen  gewünschten  Erfolg.  Es  wird  also 
gevrünscht,  das  Brahman  durch  die  Erkenntnis  als  Mittel  zu  er- 
langen; denn  das  Erlangen  des  Brahman  ist  das  Endziel  des  Men- 
schen, weil  durch  seine  Erlangung  das  Nichtwissen  und  das  übrige 
Unheil,  welches  den  Samen  der  Seelenwandei*ung  (samsära)  bildet, 
völlig  ausgerottet  wird.    Darum  also  ist  das  Brahman  zu  erforschen. 

—  'Ist  nun  dieses  Brahman  bekannt  oder  unbekannt?  Wenn 
'es  bekannt  ist,  so  braucht  man  es  nicht  zu  erforschen,  ist  es  aber 
'unbekannt,  so  kann  man  es  nicht  erforschen !  *  —  |  Auf  diese  Ein-  33 
Wendung  antworten  wir:  was  zunächst  das  Brahman  betrifft,  so 
ist  es  ein  seiner  Natur  nach  ewiges,  reines,  weises  und  freies,  all- 
wis9endes  und  mit  Allmacht  ausgestattetes  Wesen;  denn  diese 
Eigenschaften  der  Ewigkeit,  Reinheit  u.  s.  w.  ergeben  sich,  wenn 
man  das  Wort  Brahman  analysiert,  indem  man  der  Bedeutung  der 
Wurzel  hrih  („ausrcifsen")  nachgeht.  Die  Existenz  des  Brahman 
aber  wird  daraus  erwiesen,  dafs  es  das  Selbst  (die  Seele)  von 
allem  ist;  denn  ein  jeder  nimmt  die  Existenz  seines  eignen 
Selbstes  an,  indem  er  nicht  sagen  kann:  „ich  bin  nicht."  Würde 
nämlich  nicht  die  Existenz  dos  eignen  Selbstes  allgemein  ange- 
nommen, so  könnte  alle  |  Welt  sagen:  „ich  bin  nicht."  Das  Selbst  34 
aber  ist  das  Brahman.  —  'Aber,  wenn  das  Brahman  wirklich  als 
'das  Selbst  allgemein  anerkannt  wird,  so  ist  es  doch  schon  bekamit, 
'und  hieraus  folgt  wieder,  dafs  es  nicht  erst  erforscht  zu  werden 
'braucht?*  —  Dem  ist  nicht  so,  weil  in  Bezug  auf  seine  Merkmale 
Uneinigkeit  besteht.  So  z.  B.  behaupten  das  ungebildete  Volk  und 
die  Materialisten,  das  Selbst  sei  nur  der  mit  Geistigkeit  ausge- 
stattete Leib;  andre  wiederum  sehen  dos  Selbst  in  den  die  Er- 
kenntnis bewirkenden  Sinnesorganen;  andre  in  dem  Manas;  wieder 
andre  in  der  blofsen  Vorstellung  des  jedesmaligen  Augenblicks: 
wieder  andi-e   in  dem  Nichts  (QÜnyam)',  einige  behaupten,  es  sei 


10  (jj!&riraka-mimllLn8& 

die  den  Leib  u.  a.  w.  überdauernde,  umwandemde,  handelnde  und 
leidende  Seele;  etwelche  sagen,  ee  sei  nur  die  leidende,  nicht  die 
handelnde  Seele;   wieder  andre,  es    sei   der  von  ihr    verschiedene, 

35  allwissende  und  allmächtige  Gott  (tgvara);  \  noch  andre,  es  sei 
das  [walire]  Selbst  der  gouiefsenden  (individuellen)  Seele.  So 
stehen  viele  einander  entgegen  und  stützen  sich  dabei  auf  Argu- 
mente und  Schriftworte  oder  d<3n  Schein  derselben.  Wollte  man 
nun  unbedacht  das  eine  oder  das  andre  annehmen,  so  könnte 
man  an   seiner  Seligkeit  Schaden   nehmen   und   in  Unheil  geraten. 

36  Darum  I  ibt  eine  Vornahme  der  Brahmanforschung  und,  infolge 
derselben,  eine  Untersuchung  der  Yedantatexte ,  unterstützt  durch 
eine  ihr  nicht  widersprechende  Keflexion,  als  ein  Mittel  zur  Selig- 
keit zu  empfehlen. 


Ztoeites  Adhikaranam. 

Das  Brahman  ist,  wie  wir  fanden,  zu  erforschen.  Welcher 
Beschaffenheit  ist  nun  dieses  Brahman?  Darauf  antwortet  der 
verekrangswürdige  Verfasser  des  Sütram,  es  ist  dasjenige, 

2.   janma-ddi  dsya  yata\  iti 
woraus  Ursprung  u.  s.  w.  dieses  [Weltalls]  ist. 

Janman,  der  Ursprung,  der  Anfang.  Das  Bahuvrlhi  -  Com- 
positum [janma-ddii  Ursprung  u.  s.  w.],  cliont  um  die  Bosohaffcn- 
heiten  dessen  zu  kennzeichnen,  was  unter  dem  Worte  asjfa  [diebe» 
Weltalls]  zu  verstehen   ist;    der   Sinn    des    Compositums  ist:    „Ur- 

37  Sprung,  |  Bestand  und  Vorgang.^*  Dafs  der  Ursprung  den  Anfang 
macht,  folgt  aus  der  Autorität  der  Schrift  und  aus  der  Natur  dci- 
Sache.  Aus  der  Autorität  der  Sclirifl;  deim  es  heifst:  „dasjenige, 
„fürwahr,  woraus  diese  Wesen  entspringen,  [wodurch  sie,  ent- 
„ Sprüngen,  leben,  und  worein  sie  dahinscheidend  wieder  eingehen]'* 
(Taitt.  3,1).  In  dieser  Stelle  wird  für  Ursprung,  Bestand  und 
Vergang  eine  bestimmte  Reihenfolge  gelehrt.  Weitoi-  folgt  das- 
selbe auch  aus  der  Natur  der  Sache:  denn  ein  Ding  kann  nui' 
bestehen  und  vergehen,  sofern  es  [vorher]  durcli  den  Ursprung 
Wesenheit  empfangen  hat.  Das  Wort  asifa  „dieses  [Weltalls]" 
weist,  sofern  es  ein  Pronomen  demonstrativum  ist,  auf  einen  in 
unmittelbarer  Wahrnehmung  u.  s.  w.  vorliegenden  Eigenschaftsträger 

38  hin;  |  und  sofern  es  im  Genitiv  steht,  besagt  es,  dafs  janma-ädf 
„  das  Entspringen  u.  s.  w.  '^  •  als  Eigenschaften  mit  ihm  zu  verbin- 
den sind. 


Sütrani  I.  i.  2  IJ 

Yata\  ifi  ((liv^eiiige  woraus)  weist  auf  eitio  Ursache  hin  und^  ist 
so  zu  ergänzen:  die  Ursache,  aus  welcher  Ursprung,  Bestand  und 
Vorgang  dieser  in  Namen  und  Formen  ausgebreiteten,  viele  Han- 
delnde und  (Tenlefsende  beschliefseuden,  die  nach  Baum,  Zeit  und 
Ursache  speciell  bodtimmte  Frucht  der  "Werke  enthaltenden,  in 
einer  auch  für  den  Gedanken  unfafsbaren  Anordnung  gestalteten 
Welt  [herrührt],  —  diese  allwissende  und  allmächtige  Ursache  ist 
das  Drahman.  Ursprung,  Bestand  und  Untergang  werden  hier 
erwähnt,  sofern  alle  andren  Wandlungen  des  Seins  |  in  diesen  39 
dreien  inbegriffen  sind.  Wollte  man  hier  hingegen  die  von  Yäska 
(p.  31,  15  ed.  Roth)  aufgestellten  [Phasen  der  Existenz] :  „er  ent- 
steht, ist",  u.  B.w.  [„wächst,  wandelt  sich,  schwindet,  vergeht"] 
verstehen,  so  könnte,  da  diese  auch  während  des  Bestehens  der 
Welt  wahrgenommen  werden,  dadurch  Ursprung,  Bestand  und 
Vorgang  der  Welt  aus  der  Wurzelursache  nicht  ausgedrückt  zu 
sein  scheinen;  um  diesen  Schein  zu  vermeiden,  werden  diejenigen 
[Phasen]  erwähnt,  welche  besagen,  dafs,  so  wie  der  Ursprung  aus 
dem  Brahmau  ist,  ebenso  der  Bestand  und  der  Vergang  in  eben- 
demselben stattfinden.  '£s  läfst  sich  nämlich  für  die  wie  bezeich- 
net beschaffene  Welt  eine  andre  Ursache  als  den  wie  bezeichnet 
beschaffenen  Gott  nicht  annehmen,  indem  sich  weder  aus  einer 
ungeistigen  Urmaterie,  |  noch  aus  Atomen,  noch  aus  dem  Nichtsein,  40 
noch  aus  der  Wändersjeele  der  Ursprung  u.  s.  w,  der  Welt  begrei- 
fen läfst,  und  ebensowenig  aus  ihrer  eignen  Natur,  sofern  alle 
die  besonderen  Zustände  des  Raumes,  der  Zeit,  und  der  Ursache 
das  [zu  erklärende]  Gegebene  bilden.  Dieses  ist  nur  eine  Schlufs- 
folgerung,  welche  jedoch  von  den  an  der  Gausalität  Gottes  Fest- 
baltenden als  beweiskräftig  angesehen  wird  für  die  Existenz  u.  s.  w. 
eines  über  die  Wanderseele  hinausliegcnden  Gottes.  —  *Wird 
^nun  vielleicht  auch  hier,  in  unserem  Sütram,  nur  auf  diese  Schlufs- 
^folgerung  hingedeutet?*  —  Doch  nicht!  Denn  der  Zweck  der 
Sütra^s  ist  vielmehr  der,  die  Upanishadworte  zu  einem  Blumen- 
kranze zusammenzureihen ,  indem  es  Upanishadworte  sind,  welche 
in  den  Sütra^s  citiert  und  betrachtet  werden.  Denn  allein  dadurch, 
dafs  man  den  Sinn  der  heiligen  Worte  betrachtet  und  hierbei 
stijhen  bleibt,  wird  |  die  Erlangung  des  Brahman  vollbracht,  nicht  41 
aber  dadurch,  dafs  man  Schlufsfolgerungen  und  sonstige  Beweis- 
mittel anwendet.  Sind  aber  einmal  solche  Vedantatexte ,  welche 
die  Ursache  für  Ursprung  u.  s.  w.  der  Welt  anzeigen,  vorhanden, 
so  ist  weiterhin  auch  ein  Schlufs verfahren,  welches  zur  Bestätigung, 
dafb  man  den  Sinn  der  Schriftwortc  wirklich  erfafst  hat,  dient 
und  mit  denselben  nicht  in  Widerspruch  tritt,  als  ein  Beweismittel 
nicht  unzulässig.  Denn  auch  von  der  Schrift  selbst  wird  die  Re- 
flexion herbeigezogen.  So,  wenn  es  heifst:  „man  soll  ihn  hören, 
„soll  ihn  verstehen",  (Brih.  2,  4,  6);  und  ferner:  „wie  jener  be-  42 
„lehrt  und  verständig  zu  den  Gandhareru  heimgelangt,   also  auch 


12  ^lirlraka-m)m&n$li 

,y\et  ein  Mann,  der  hienieden  einen  Lehrer  gefanden,  sich  hewufst** 
(Ch4nd.  6,  14,  2).  In  diesen  Worten  weist  die  Schrift  sich  selbst 
zur  Gefährtin  die  menschliche  Erkenntnis  zu.  Auch  sind  nidit  so 
wie  bei  der  Pflichtforschung  die  Schriftworte  die  alleinige  Autorität 
auch  bei  der  Brahmanforschung;  vielmehr  haben  hier  die  Schrift- 
argumente und,  je  nachdem  es  kommt,  auch  die  aus  der  Wahr- 
nehmung u.  8.  w.  geschöpften  Argumente  Beweiskraft,  und  zwar 
weil  die  Brahmanforschung  in  der  unmittelbaren  Wahrnehmung 
ihr  Endziel  findet,  und  weil  sie  sich  auf  einen  thatsäohlich  vor- 
handenen Gegenstand  richtet.  Denn  wo  es  sicli  um  Pflichterfüllung 
handelt,  kommt  die  Wahrnehmung  nicht  in  Betracht,  und  sind 
mithin  die  Sehriftworte  die  einzige  Autorität;  auch  schon  deswegen, 
weil  eine  zu  erfüllende  Pflicht  in  ihrer  Verwirklichung  von  dem 
Menschen  abhängig  ist;  denn  ein  weltliches  wie  ein  vedisches 
Werk  kann  gethan  werden  oder  nicht  gethan  werden  oder  anders 
gethan  werden,   sowie  man  zu  Pferde  reisen  kann^  oder  zu  Fufs, 

43  oder  sonstwie,  |  oder  überhaupt  nicht.  So  z.  B.  wenn  es  heifit: 
„er  benutzt  beim  Übernachtsopfer  die  sechzehnteilige  [Strophe]^*, 
—  „er  benutzt  nicht  beim  übemachtsopfer  die  sechzehnteiUge 
„[Strophe]",  (vgl.  p.  370, 1.  483, 1);  oder:  „er  opfert  nach  Sonnen- 
aufgang" T-  „er  opfert  vor  Sonnenaufgang"  (Ait.  br.  5,  31 ,  1),  so 
han*delt  es  sich  dabei  um  Vorschriften  und  Verbote,  und  hierbei 
hat  es  einen  Sinn,  von  einer  Wahlfreiheit,  von  Regeln  und  *von 
Ausnahmen  zu  reden.  Ein  wirklicher  Gegenstand  hingegen  läfst 
keine  Wahlfreiheit  darüber  zu,  ob  er  so  oder  so  ist  oder  nicht 
ist.     Mag  immerhin,  wo  es  sich  um  ein  Auswählen  handelt,  dieses 

44  von  dem  Dafürhalten  des  Menschen  |  abhängig  sein,  so  ist  doch 
die  Erkenntnis  der  Wesen sbeechaffenheit  eines  Gegenstandes  nicht 
von  dem  Dafürhalten  des  Menschen  abhängig,  sondern  allein 
von  dem  Gegenstande  selbst.  Wenn  z.  B.  der  Gegenstand  ein 
Baumstamm  ist,  so  kann  er  nicht  nach  der  wahren  Erkenntnis  ein 
Baumstamm  oder  ein  Mensch  oder  sonst  etwas  sein;  denn  dafs  es 
ein  Mensch  oder  sonst  etwas  sei,  ist  eine  falsche  Erkenntnis,  und 
nur  dafs  es  ein  Baumstamm  ist,  ist  die  wahre  Erkenntnis,  indem 
dieselbe  von  dem  Gegenstande  abhängig  ist.  Wo  es  sich  also  um 
irgendwie  beschaffene  Gegenstände  handelt,  da  wird  die  Richtig- 
keit der  Erkenntnis  bedingt  durch  das  Objekt.  Ist  dem  so,  dann 
mufs  aucli  die  Erkenntnis  des  Brahman  nur  durch  das  Objekt 
bedingt  sein,  weil  es  sich  dabei  um  einen  wirklich  vorhandenen 
Gegenstand  handelt.  —  'Aber,  wenn  es  sich  bei  Brahman  um  einen 

^wirklich  vorhandenen  Gegenstand  handelt,  mufs  dann  derselbe 
^nicht  ein  blofses  Objekt  der  andern  [weltlichen]  Erkenntnismittel 
'sein,  und  ist  somit  die  Untersuchung  der  Upanishadworte  nicht 
'überflüssig?'  —  Doch  nicht!  Denn  da  Brahman  kein  Objekt  der 
Sinne  ist,  so  würde  sich  sein  [Kausal-]  Nexus  mit  der  Welt  nicht 
[mit  Sicherheit]  ergreifen  lassen.  ^  Näinlich:  die  Sinne  haben  ihrer 


Sütram  I.  i.  2.  13 

Natur  nach  als  Objekt  die  Aufsendinge  und  nicht  das  Brahman. 
I  Wftte  nun  Brahman  ein  Objekt  der  Sinne,  so  würde  man  diese  46 
Welt  aU  eine  mit  Brahman  verknüpfte  Wirkung  wahrnehmen. 
Nun  man  aber  die  Wirkung  allein  wahrnimmt,  so  läfst  sich  [ohne 
Offenbarung]  nicht  ausmachen,  ob  sie  mit  Brahman  oder  yielleicht 
mit  sonst  etwas  [als  Ursache]  verknüpft  ist,  [da  dieselbe  Wirkung 
verschiedene  Ursachen  haben  kann].  Somit  hat  unser  Sütram  nicht 
den  Zweck,  eine  Schlufsfolgerung  darzulegen,  sondern  vielmehr, 
auf  das  Yedäntawort  hinzuweisen.  Welches  ist  nun  dasjenige  * 
Yedäntawort,  auf  welches  durch  unser  Sätram  hingedeutet  wird? 
In  der  Stelle,  die  anhebt  mit  den  Worten:  „Bhrigu,  fürwahr,  der 
,,Sobn  des  Yaruna,  trat  vor  seinen  Vater  Varuna  und  sprach: 
„ «  Lehre  mich,  Verehrungswürdiger,  das  Brahman» ",  heifst  es  wei- 
terhin: „dasjenige,  fürwahr,  woraus  diese  Wesen  entspringen,  wo- 
„durch  sie,  entsprungen,  leben,  und  worein  sie  dahinscheidend 
„wieder  eingehen,  das  suche  zu  erkennen,  das  ist  das  Brahman" 
(Taitt.  3,  1),  und  das  Resultat  dieser  Forschung  wird  angegeben 
in  den  Worten:  |  „die  Wonne  wahrlich  ist  es,  aus  wekher  diese  46 
„Wesen  entspringen,  die  Wonne,  durch  welche  sie,  entsprungen, 
„leben,  die  Wonne,  in  welche  sie  dahinscheidend  wieder  eingehen^' 
(Taitt.  3,  6).  Und  so  liefsen  sich  noch  manche  andere  derartifi^e 
Stellen  anführen,  welche  das  seiner  Natur  nach  ewige,  reine,  weise, 
freie,  allwissende  Wesen  als  die  Weltursache  bezeichnen. 


Drittes    Adhikaranam, 

l>as  Brahman  wurde,  indem  es  als  Weltursache  aufgezeigt 
wurde,  für  allwissend  erkläi't.  Dieses  zu  bestätigen,  sagt  [der 
Lehrer]  weiter: 

3.    Qastra-yoni-tvM ,  iä  47 

wegen  des  Gruud-seiiis  des  [Schrift-]  Kanon's. 

Der  grofse  vom  Jüigveda  anfangende  Schrifbkanon ,  welcher, 
durch  mancherlei  Wissensdisciplinen  vorstärkt,  wie  eine  Lampe 
alle  Dinge  beleuchtet  und  gewissermafsen  allwissend  ist,  hat  als 
Grund,  als  Ursache  das  Brahman.  Denn  nicht  kann  ein  solcher 
Kanon  wie  der  Bi^vcda  u.  s.  w.,  der  mit  der  Eigenschaft  der  All- 
wissenheit ausgestattet  ist,  von  einem  andern  als  einem  Allwissen- 
den I  herrühren.  Denn  auch  sonst,  wenn  irgend  ein  ausführ-  48 
lich(Ȋ  Lehrbuch  von  einem  ausgezeichneten  Manne    hervorgebracht 


1 4  (,''äriraka-ml;aliDS& 

« 

worden  ist,  wie  z.  B.  das  dei  Grammatik  \ou  l\i«/n«,  wiewohl 
»ich  dieses  nur  erst  auf  «iu  eiiizelneti  Gi^V.iet  des  Wisäcus  bezieht, 
so  niiomt  mau  doch  allgomeiu  an,  dals  der  Urheber  noch  mehr 
wisse,  als  es  enthält;  um  wieviel  mehr  mula  man  [wo  eS  sich  um 
ein  so  universelles  Werk  wie  den  Veda  liaudeltj  aunt^hmen,  dafs 
das  grofso  Wetou,  welche»  den  in  viele  Zweige  ({'äkha)  ausein- 
andergehenden, der  £inteiluog  in  Götter,  Tiere,  Menschen,  Kasten, 
A^rama^^  u.  s.  w.  zu  Grunde  Hegenden,  Ri^veda  u.  s.  w.  genannten 
Schacht  alles  Wissens  muhelos,  zum  Spiele,  dem  Aushauche  eines 
Menschen  vergleichbar,  aus  sich  liervorgebritchb  hat,  —  wie  die 
Schrift  sagt:  „aus  diesem  grofsen  Wesen  ausgehaucht  worden  ist 
„der  pigvedn^^  u.  s.  w,  (ßrih.  2,  4,  10),. —  dafs  dieses  grofse  Wfesen 
eine  überschwengliche  AllwisHenlieit  und  Allmacht  besitzen  mufs. 
Oder   auch   [man   kann   das  ^ütram  folgendermafscn  erklären]: 

49  das  erwähnte  Lehrbuch  des  Higveda  u.  s.  w.  |  ist  der  Grund,  der 
Erkeuntnisgrund ,  die  Ursache  für  die  Annahme  jenes  Brahman, 
wenn  man  anders  sein  Wesen  in  gebührender  W^eise  erforscht; 
denn  das  Brahman,  welches  die  Ursaclie  für  Ursprung  u.  s.  w.  des 
Weltalls  ist,  kann,  das  ist  die  Mtiinung  [des  Siitram],  nur  aus  dem 
Schrifbkanon  als  Beweisgrunde  erkannt  werden.  Daher  der  Schrift- 
kanon schon  im  vori;^cn  Süti'am  [als  Beweisgrund]  herangezogen 
wurde  in  den  Worten:  ,.füi*wahr,  woraut«  diese  Wesen  entspringen" 
u.  s.  w.  (Taitt.  3,  1).  —  'Aber  wozu  noch  das  gegenwärtige  Sütram, 

50  ^da  doch  der  Autor  schon  im  vorigen  Sütram  |  damit,  dafs  er  den 
^Schriftkanon  [als  Beweisgrund]  heranzog,  das  Grundsein  des  Schrift- 
^kanons  für  die  Annahme  des  Brahman  anerkannte  V^  —  Wir  ant- 

■ 

Worten:  dort  war  in  dem  Wortlaute  des  Sütram  der  Schriftkanon 
nicht  in  deutlicher  Weise  herangezogen,  und  so  körnte  man  auf 
die  Meinung  kommen,  als  werde  der  Ursprung  u,  s.  w.  der  Welt 
[aus  Brahman]  als  eine  blofse  [weltliche]  Schlufsfolgerung  vorge- 
bracht. Diese  Meinung  zu  beseitigen,  ist  der  Zweck  des  vorlie- 
genden Sütram:  „wegen  des  Grundseins  des  Schriftkanous.'* 


Viertem  Adhikaranam, 

'Aber'  [so  könnten  hier  die  Anhänger  des  Jaimini  einwenden] 
'wie  kann  man  behaupten,  dai's  der  Schrifbkanon  die  Bestimmung 
'habe,  als  Beweisgrund  für  das  Brahman  zu  dienen?  Denn  es 
'hiefs  doch:  „dieweil  der  Zweck  der  heiligen  Lehre  die  Werke  sind, 
',,so  ist  zwecklos,  was  diesem  Zweck  nicht  dient"  (Jaim.  1,  2,  1); 
'in  diesen  Worten  wird  als  Zweck  des  Schriftkanons  das  [rituelle] 
&l  ^Work  gelehrt;  |  folgt  daraus  nicht,  dafs  die  Yedäntatexte 
'zwecklos  sind,  da  sie  keine  Werke  als  Zweck  haben?  Oder  soll 
'man  annohmen,    dafs    sie  bezwecken,    über   den   Handelnden,    die 


S6traiil  I.  ].  4  15 

^Gottheiten  n.  s.  w.  aufzuklären,  und  aomit  einen  besonderen 
*Teil  der  Werk- Vorschriften  bilden?  Oder  etwa,  dafs  sie 
^besEwecken,  Yerehrungen  u.  s.  w.  als  eine  neae  Art  von  Werken 
Vorzuschreiben?  Denn,  eine  traditionelle  Belehrung  über  die  Natur 
^eines  fertig  vorhandenen  Gegenstandes  ist  doch  nicht  denkbar,  da 
^ein  fertig  vorhandener  Gegenstand  in  den  Bereich  der  Wahr- 
^nehmung  u.  s.  w.  gehört.  Und  eine  traditionelle  Belehrung  über 
'ihn,  ohne  dafs  es  sich  dabei  um  zu  Thuendes  und  zu  Meidendes 
'handelte,  kann  doch  nicht  das  Ziel  des  Menschen  sein.  Wendet 
'man  ein,  dafs  demzufolge  auch  Worte  wie  „er  weinte''  |  u,  s.w.  52 
'(Taitt.  Saiph.  1,  5, 1, 1)  zwecklos  seien,  so  ist  das  nicht  zuzugeben; 
'denn  nach  der  Kegel:  „'mit  Vorschriften  zu  eins  verbunden,  be- 
'„ zwecken  sie  der  Vorschriften  Anpreisung''  (Jaim.  1,  2,  7),  sind 
'sie  zweckdienlich,  nämlich  zur  Anempfehlung.  Und  was  die  Man- 
'tra*s  [Hymnen  und  Spräche] :  „Zur  Labung  dich"  und  wie  es  weiter 
'geht  (Taitt.  Saiph.  1,  1,  1,  1),  betrifft,  so  wurde  ihre  Zusammen- 
'gehorigkeit  zu  den  Werken  dahin  erklärt,  dafs  sie  bei  den  Cere- 
'monien  als  Mittel  der  Vollbriugung  in  Anwendung  kommen. 
'Überhaupt  ist  nicht  zu  ersehen  oder  zii  erweisen,  welchem  Zwecke 
'irgendwelche  Texte  des  Veda,  abgesehen  von  ihrem  Zusammenhang 
'mit  den  Ceremonial- Vorschriften,  dienen  könnten.  |  Überall  nun,  53 
'wo  es  sich  nur  um  die  Natur  eines  fertig  vorhandenen  Gegenstan-« 
'des  handelt,  findet  eine  Vorschrift  nicht  statt,  weil  alle  Vorschriften 
'sich  auf  ein  Thun  beziehen.  Folglich  mufs  man  annehmen,  dafs 
'die  Vediintatexte  den  Zweck  haben,  tiöer  die  Natur  der  bei  den 
'Werken  in  Betracht  kommenden  Thäter,  Gottheiten  u.  s.  w.  auf- 
*zukl&ren,  und  somit  nur  einen  besonderen  Teil  der  Werk- 
'Vorschriften  bild'^n.  Wollt  ihr  aber  dies,  aUs  Scheu  davor, 
^einem  fremden  Ressort  untei*stellt  zu  werden,  nicht  zugeben,  so 
^müfct  ihr  doch  wenigstens  annehmen,  dafs  sie  auf  die  Thätig- 
'keit  der  Verehrung  u.  s.  w.  dessen,  worauf  sich  ihre  Lehren 
*  beziehen,  abz  wecken.  Somit  folgt,  dafs  ein  „Grandsein  des  Schrift- 
'kanons'^  für  das  Brahman  nicht  statthat.' 

Auf  diese  Einwendung  «itworten  wir  wie  folgt: 

4.    tat  tUy  samanvayät 
jenes  viel  mehr,  wegen  der  Übereinstimmung. 

Das  Wort  tu  (vielmehr)  be/Aveckt,  die  Einwendung  des  Gegners 
abzulehnen.  Tat  (jenes),  d.  h.  jenes  allwissende,  allmüchtige  Brah- 
man, wird  als  Ursache  für  Ursprung,  Bestand  und  Vergang  der 
Welt  aus  dem  Kanon  des  Vedanta  erkannt.  Warum?  sanianvaf/ät, 
„wegen  der  Übereinstimmung";  denn  in  allen  Ved&ntatexten  finden 
sich  Worte,  welche,  indem  sie  eben  nur  diesem  Zwecke  dienen, 
in  der  Darlegung  dieser  Sache  |  miteinander  übereinstimmen.     So,  64 


16  Q&iiraka>m)oi&usä 

wenn  es  heilst:  „Seiend  uur,  o  Teurer,  war  dieses  am  Anfang, 
„eines  nur  und  ohne  zweites"  (Ch&nd.  6,  2,  1);  —  „Wahrlich, 
«, diese  Welt  war  zu  Anfang  der  Atman.  allein"  (Ait.  1,  1,  1);  — 
„Dieses  Brahnian  ist  ohne  Früheres  und  ohne  Späteres,  ohne  Inneres 

^i5  ,.  und  ohne  Äufseres;  diese  Seele  ist  'das  Brahman,  das  I  allver- 
„ni^hmende"  (Rrih.  2,  5,  19);  —  „Brahmau  allein  ist  jenes  Unsterb- 
„licho  im  Osten,  [Brahman  im  Westen,  Brahmau  im  Süden  und 
„im  Norden I"  {Mund.  2,  2,  1}),  —  Wenn  man  die  unverkenn- 
bare Übereinstimmung  beachtet,  mit  welcher  sich  Stellen  wie 
diese  auf  die  Naturwosenheit  des  Brahman  beziehen,  so  ist  es  un- 
möglich, ihnen  einen  andren  Zweck  unterzulegen,  wenn  man  nicht 
den  Fehler  begehen  will,  was  dasteht  anfser  Acht  zu  lassen  und 
ihm  was  nicht  dasteht  unterzuschieben.  Auch  ist  es  nicht  zu  er- 
weisen, dafs  diese  Vedantaworte  den  Zweck  haben,  über  die 
Natur  des  Handelnden,  der  Gottheiten  u.  s.  w.  zu  be- 
iehren. Denn  wenn  die  Schrift  sagt:  „[wo  aber  einem  alles  zum 
„eigenen  Selbste  geworden  ist,  .  .  .]  wie  sollte  er  da  irgend  wen 
„sehen?"  u.  s.  w.  (Brih.  2,  4,  14),  so  hebt  sie  damit  die  Werke, 
die  Thäter  und  die  Belohnungen  derselben  auf.  Auch  folgt  daraus, 
dafs  es  sich  um  die  Naturbestimmung  eines  wirklich  vorhandenen 
Gegenstandes  handelt,  noch  nicht,  dafs  derselbe  in  den  Be- 
reich der  Sinneswahrnehmung  und  der  übrigen  [weltlichen 
Erkenntnismittel]  gehören  müsse.  Denn  Worte  wie  „das  bist  du*^ 
(Ch2^nd.  6,  8,  7),  welche  lehren,  dafs  die  Seele  Brahman  ist,  können 
ohne  den  Schnflkanon  nicht  erkannt  werden.  Wenn  aber  be- 
hauptet wurde,  dafs,  wo  es  sich  nicht  um  ein  zu  Meidendes  oder 
zu  Thuendes  handele,  eine  Unterweisung  zwecklos  sei,  so  ist 
dieser  Einwurf  nicht  zutreffend.  Denn  gerade  dadurch,  dafs  man 
die  Seele  als  das  allem  Meiden  und  Thun  enthobene  Brahman 
(Tkennt,    wird  man  frei  von    aller  Not   und    des  Endzweckes    des 

56  Menschen  teilhaftig.  |  Anders  steht  es,  wo  es  sich  um  eine  Be- 
lehrung Ober  die  Gottheiten  [des  Opferknltus]  u.  s.  w.  handelt. 
Eine  solche  ist  olme  Widerspruch  auch  da  möglich,  wo  eine  an 
die  betreffende  Stelle  geknüpfte  Verehrung  den  eigentlichen  Zweck 
bildet.  Nicht  aber  [lies:  natu]  kann  in  dieser  Weise  das  Brahman 
im  Gefolge  einer  Vorschrift  der  Verehrung  vorkommen.  Denn  wo 
[wie  bei  Brahman]  nur  eine  Einheit  besteht,  da  fallt  alles  Meiden 
und  Thun  fort,  und  das  ganze  Bewufstsein  der  Zweiheit  von  Werk, 
Thäter  u.  s.  w.  wird  zunichte.  Denn  nachdem  das  Bewufstsein 
der  Zweiheit  durch  die  Erkenntnis  der  Einheit  des  Brahman  auf- 
gehoben worden,  kann  es  nicht  wieder  Platz  greifen,  etwa  in  der 
Art,    dafs    ein   Zugehörigsein    zu    Vorschriften    der   Verehrung    in 

07  Bi'zug  auf  das  Bnihman  behauptet  würde.  |  Wenn  auch  im  übrigen 
bi^treffs  der  Vedatexte  ein  Hichtschuursein  derselben  ohne  Zusam- 
mophung  mit  den  Ritualvorschriften  nicht  zu  konstatieren  ist,  so 
ist  doch,  weil  die  Erkenntnis  des   Ätman  das  letzterreichbare  Ziel 


SOtram  I.  i.  4.  17 

ist.  dem  auf  sie  gerichteten  Teile  des  Schrifikanons  die  Beweis- 
kraft nicht  abzusprechen.  Und  diese  Beweiskraft  des  Schriftkanons 
beruht  nicht  etwa  auf  einer  blofsen  Folgerung,  so  dafs  sie  noch 
anderweitiger  Belege  aur  Stütze  bedürfte.  —  Somit  ist  bewiesen, 
dafs  der  Schriftkanon  den  Erkenntnisgrund  för  das  Brahman 
ausmacht. 

Da  aber  stehen  andere  gegen  uns  auf  und  sagen:  ^wenn  auch 
^das  Brahman  seine  Bewahrung  in  dem  Schriftkanon  hat,  so  wird 
'doch  das  Brahman  nur  deswegen  von  dem  Kanon  gelehrt. 
*weil  es  in  den  Bereich  der  Verehrungen  Und  der  Vor- 
^schriften  gehört;  so  wie  ja  auch  über  Opferpfosten,  Opferfener 
und  andere  nicht  weltliche  Dinge  Ton  dem  Kanon  Belehrung  er- 
^teilt  wird,  weil  sie  zu  den  Yorschriften  mitgehören.  |  Warum  dieses?  58 
'Weil  der  Sehrifikanon  nur  den  Zweck  hat,  zu  Handlungen  anzu» 
'treiben  und  tou  ihnen  abzuhalten.  Denn  also  heifst  es  bei  den 
'Schriftkundigen:  ,, ersichtlich  ist  ja  dessen  Zweck,  nämlich  über 
'„die  Werke  Belehrung*' ;  auch  bedeutet  ja  das  Wort  „Aufforderung" 
'(rodanä)  die  Antreibung  zu  einer  That.  Und  eben  zur  Erkennt- 
'nis  desselben  [was  als  Pflicht  gefordert  wird]  dient  die  Unter- 
'Weisung.  Auch  heifst  es:  „die  dabei  vorkommenden  [Begriffe] 
%,  werden  zugleich  mit  einem  [imperativen]  Verbalbegriffe  vorge- 
%, bracht^*  (Jaim.  1,1,2^),  und:  „dieweil  der  Zweck  der  heiligen 
'„Lehre  |  die  Werke  aind,  so  ist  zwecklos,  was  diesem  Zweck  nicht  d9 
S,di»mt"  (Jaim.  1,  2,  1).  Somit  hat  der  Schriftkanon  seinen  Zweck 
'darin,  dafs  er  den  Mensich en  zu  gewissen  Dingen  antreibt  und  von 
'gewissen  Dingen  abhält,  und  nur  als  Ergänzung  dazu  schliefst 
'sich  Weiteres  an.  Weil  nun  die  Vedäntateicte  mit  ihm  [dem 
'übrigen  Kanon}  von  gleicher  Art  sind,  so  mufs  man  annehmen, 
'dafs  auch  sie  demselben  Zwecke  dienen.  Steht  aber  die  Vor- 
'schrift  als  Zweck  fest,  so  folgt,  dafs,  ebenso  wie  für  den^  der  nach 
'himmlischem  Lohne  u.  s.  w.  begehrt,  das  Feueropfer  u  s.  w.  als 
'Mittel  befohlen  wird,  ebenso  auch  für  den,  welcher  nach  Uusterb- 
'lichkeit  begehrt,  die  Erkenntnis  des  Brahman  befohlen  wird.'  — 
Aber  wurde  nicht  oben  gesagt,  dafs  dabei  doch  eine  Wesensver- 
schiedenheit des  zu  Erforschenden  statthat,  sofern  es  .jiofa  im 
Werkteile  des  Veda  uni  die  Erforschung  einer  zukünftigen  Pflicht 
handelt,  hier  hingegen  um  das  schon  bestehende  und  ewig  vor- 
handene Brahman?  Mufs  somit  nicht  angenommen  werden,  dafs 
von  der  Frucht  der  P^rkenntnis  der  Pflicht,  welche  erst  erfiüllt 
werden  soll,  die  Frucht  der  Erkenntnis  i^.es  Brahman  wesensver- 
schieden  ist?  —  'Dies  braucht  nicht  angenommen  zu  werden-, 
'denn  nur  w^eil  es  mit  einer  zu  erfüllenden  Vorschrift  verknüpft 
'ist,  wird  das  Brahman  überhaupt  gelehrt.  Denn  wenn  es  heifst 
*„den  Ätman  fürwahr  roU  man  sehen"  (Brih.- 2,  4,  5);  —  „der 
'„Atman,  der  |  vom  Übel  fiei  ist,  .  .  .  den  soll  man  erforschen,  den  60 
'„soll  man  suchen  zu  erkennen"  (Chänd.  8,  7,  1);  —  „darum  soll 


18  Qftrtraka-mlfliltnsft 

'„man  ihn  allein  als  den  Atman  verehren".  (Bfih.  1,4,7);  —  ,,den 
S,Ätman  allein  soll  mau  als  die  Welt  verehren."  (Brih.  1,  4,  16); 
^ —  »wer  Brahman  kennt,  der  wird  seihst  zu  Brahman".  [frei  nach 
*Mund.  .%  2,  9],  —  so  sind  das  Vorschriften,  auf  Grund  deren  sich 
'die  PVage  erheht,  wer  denn  dieser  Atman,  dieses  Brahman,  sei? 
'und  als  Antwort  unternehmen  es  alle  Vedäntatextb ,  seine  Natur 
'darzulegen^  indem  sie  ihn  als  das  ewige,  allwissende,  allgegen- 
'wärtige,  ewig  bedürfnislose,  ewig  reine,  weise,  freie  Wesen,  als 
'„die  Erkenntnis,  die  Wonne,  das  Brahman"  (Brih.  ;5,  9,  28)  u.  s.  w. 
'schildern.  Und  als  die  aus  seiner  Verehrung  erfolgende  Frucht 
'kann  die  nur  aus  dem  Schriftkanon,  nicht  durch  Sinneswahr- 
'nehmung  erkennbare  Erlösung  angesehen  werden.  Wollte  man 
^lingegen  das  Bralunan  nicht  zu  den  zu  erfüllenden  Vorschriften 
'rechnen,  so  dafs  dabei  nur  die  Erklärung  des  Gegenstandes  und 
'kein  Thun  oder  Meiden  stattfände,  so  würden  die  Vedantaworte 
'solchen  Sätzen  wie  „die  Erde  besteht  aus  sieben  Weltteilen"  oder 
'„der  König  kommt"  vergleichbar  und  wie  sie  zwecklos  sein/  — 
Aber  könnte  nicht  auch  bei  der  blofseii  Erklärung  eines  Gegen- 
standes, z.B.  wenii  es  heifst  „dieses  hier  ist  ein  Strick  und  keine 
„Schlange"  ein  Zweck  bestehen,  nämlich  die  Beseitigung  der  durch 
den  Irrtum  erzeugten  Furcht?  Könnte  nicht  ebenso  hier  bei  der 
Erklärung  des  Wesens  des  von  der  Seelenwanderung  freien  Atman 
ein  Zweck  bestehen,  nämlich  die  Beseitigung  des  Irrtums,  als  oh 
die  Seele  eine  wandernde  sei?  —  'Dem  möchte  so  sein,  wenn, 
'ebenso  wie  die  Wahnvorstellung  der  Schlange  nach  Erklärung  des 
'Wesens  des  Strickes,  so  auch  die  Wahnvorstellung  der  Seelen- 
' Wanderung  durch  die  blofse  Erklärung  der  Natur  dos  Brahman 
'beseitigt  würde.  Nun  aber  wird  dieselbe  nicht  beseitigt,  denn 
'auch  an  dem,  welchem  das  Brahman  mitgeteilt  worden  ist,  zeigen 
61  'sich  ebenso  gut  wie  vorher  |  Lust,  Schmerz  und  die  übrigen  der 
'Seele  im  Stande  der  Wanderung  zukommenden  Eigenschaften. 
'Und  auch  wenn  es  heilst:  „ihn  soll  man  höreu,  soll  man  verstehen 
'„soll  man  überdenken"  (Bnh.  2,  4,  5),  so  folgt  daraus,  dafs  auch 
'in  der  auf  das  Hören  folgenden  Zeit  ein  Vorstehen  und  Cberdcn- 
'ken  des  Atman  noch  zu  betreiben  ist.  Somit  hat  man  anzunehmen, 
'dafs  das  Brahman  nur  darum  von  dem  Schriftkauou  gelehit  wird, 
'weil  es  in  den  Bereich  der  Verehrungen  und  der  Vorschriften 
'gehört.' 

Auf  diese  Einwendung  antworten  wir,  dafs  dem  nicht  so 
ist,  und  zwar,  weil  zwischen  den  Werken  und  dem  Brah- 
man, sowohl  was  das  Wissen  um  dieselben,  als  auch  was 
die  beiderseitige  Frucht  desselben  betrifft,  Wesensver- 
schiedenheit besteht.  Nämlich,  unter  dem  Namen  Pfliclit 
begreift  man  gewisse  aus  der  Schrift  und  Smriti  h^^kanute,  in 
Werken,  Worten  und  Gedanken  bestehende  Leistungen,  deren 
Erfor.««chung   durch   das   Buch,    welches    anfangt    mit    den    Worten: 


Sfttram  I.  i.  4.  19 

„Nunmehr  daher  die  Pflichtforschung"  (Jaim.  1,  1,  1)  u.  s.  w.  in  . 
Sütra's  gefafst  wurde;  und  ebenso  war  in  demselben  das  Gegen- 
teil  der  Pflicht,  das  Unrecht  u.  s.  w.,  da  auch  das  Verbot  den 
Charakter  der  Aufforderung  hat,  zu  erforschen,  damit  man  es  ver- 
miede; und  als  Frucht  dieser  beiden,  welche  den  Charakter  der 
Aufforderung  .  tragen  und  Heil  und  Unheil  bewirken ,  der  Pflicht 
und  der  Yers^ündigung,  liegen  zu  Tage  Lust  und  Leid,  wie  sie 
gleichfalls  in  That-eii,  Worten  und  Gedanken  empfunden  werden, 
aus  der  Verbindung  der  Sinne  mit  den  Sinnesobjekten  resultieren 
und  von  Brahman  [inusc,  mythologisch  personificiert]  an  abwärts 
[durch  die  Menschen-  und  Tiei^welt  hindurch]  bis  hinein  in  die 
Pflanzenwelt  sich  erstrecken.  Hierbei  herrscht,  nach  der  Schrift- 
ofl:enbamng,  unter  den  verkörperten  ^ Seelen  vom  menschlichen 
Dasein  aufwärts  bis  zum  Brahman  hin  |  ein  Mehr  oder  Minder  ß^ 
von  Lust,  aus  welcliem  auf  ein  Mehr  oder  Minder  von  geübter 
Pflicht  als  Ursache  zu  schliefsen  ist.  Aus  diesem  Mehr  oder  Min- 
der der  geübten  Pflicht  läfst  sich  weiter  zurückschliefsen  auf  ein 
Mehr  oder  Minder  des  Betraut-worden-seins  [mit  dem  Opferwerke], 
und  dieses  Mehr  oder  Minder  des  Betrautseins  wiederum  ist  be- 
kanntlich abhängig  von  der  Bedürftigkeit,  der  Würdigkeit  und 
andern  Bedingungen.  Hierbei  gelangen  diejenigen,  welche  zwar 
auch  nur  das  Opferwork  u.  s.  w.  betreiben,  jedoch  durch  Wissen 
und  Meditatioh  sich  dabei  auszeichnen,  auf  dem  nordwärts  führen- 
den Pfade  [dem  Deva/yäna,  Götterwege]  ins  Jenseits;  diejenigen 
hingegen,  welche  nur  Opfer,  fromme  Werke  und  Almosen  [ohne 
Wissen  und  Meditation]  geübt  haben,  gehen  durch  den  Rauch  [des 
Leichenfeuers]  u.  s.  w.  den  südlichen  Weg  [den  J^itriyäna,  Väter- 
weg; vgl.  über  beide  Wege  die  Abschnitte  III,  1  und  IV,  ;ij;  und 
auch  für  diesen  letztem  Weg  ergiebt  sich  ein  Mehr  oder  Minder 
von  Lust,  sowie  ein  Mehr  oder  Minder  der  sie  bedingenden  Mittel 
[der  Werkthätigkeit]  aus  Schriftstellen  wie:  „Nachdem  sie  daselbst 
„verweilt  haben,  solange  ein  Kest  bleibt"  u.  s.  w.  (Chand.  5, 10,  16). 
ICbenso  wird  von  der  Menschenwelt  abwärts  bis  hinein  in  die 
Hölle  und  in  die  Pflanzenwelt  jedes  Teilchen  von  Lust  |  nur  be-  63 
wirkt  durch  Erfüllung  der  vom  Gebote  vorgeschriebenen  Pflicht, 
^o  dafs  auch  hier  ein  Mehr  oder  Minder  stattfindet.  In  ähnlicher 
Weise  läfst  sich  daraus,  dafs  die  empörgestiegenen  und  herab- 
gesunkenen verkörperten  Seelen  ein  Mehr  oder  Minder  von  Schmerz 
•:deiden,  schliefsen  auf  ein  Mehr  oder  Minder  der  ihn  bedingenden, 
durch  Unterlassungsgebote  gekennzeichneten  ijbertretungen  und 
solcher,  welche  sie  begangen  haben.  In  dieser  Weise  wird  für 
diejenigen,  welche  noch  mit  den  Schwächen  des  Nichtwissens  u.  s.  w. 
behaftet  sind,-  ein  Mehr  oder  Minder  von  Tugend  und  Untugend, 
ein  durch  sie  bedingtes  Knipfaugen  eines  bestimmten  Leibes  und 
ein  aus  ihm  folgendes,  zeitweiliges  Mehr  oder  Minder  von  Lust 
und   Schmerz,   wie    e»    naturgemäA*   der  Wanderung   der  Seele   zu- 


20  gfcrtraka-zntmlöflft 

kommt,  nach  den  Lehren  der  Schrift  und  Sm;*iti  allgemein  nnge- 
nommen.  Und  dem  entsprechend  sagt  die  Schrift:  „denn  weil  er 
„bek(Vrpert  ist,  ist  keine  AWehr  möglich  der  Lnst  und  des 
„ Schmerzes*'  (Ghfl^d.  8,  12,  1).  Mit  diesen  Worten  char/^kterisiert 
sie  die  Natur  der  Seelenwanderung  so  wie  sie  oben  angegeben 
wurde.  Dann  aber  fahrt  sie  fort:  „den  Körperlosen  aber  berühren 
„Lust  und  Schmers  nicht"  (Chänd.  8,  12,  1).  Indem  die  Schrift 
in  diesen  Worten  dem  Körperlosen  ein  Berührtwerdenkön- 
nen  durch  Lust  und  Schmerz  abspricht,  so  folgt,  dafs  sie 
für  seinen  körperlosen,  Erlösung  genannten,  Zustand  die  Bewirk- 
barkeit  durch  eine  auf  Befehl  geübte  Pflicht  in  Abrede  stellt. 
Denn  wo  es  sieh  um  die  Wirkungen  von  Pflichtgeboten  liandelt, 
da  läfst  sich  ein  Berührt  werden  durch  Lust  und  Schmerz  [als 
Wirkungen  der  erfüllten  oder  verletzten  Pflicht]  unmöglich  in 
Abrede  stellen.  Behauptet  ihr,  dafs  die  Körperlosigkeit  eben 
eine  Folge  der  Pflichterfüllung  sei,  so  bestreiten  wir  das, 
und  zwar,  weil  die  Körperlosigkeit  der  ursprüngliche  Zu- 

64  stand  [der  Seele]  ist.  j  Denn  es  heifst  (Kfttb.  2,  22): 

„Den  Körperlosen  in  den  Körpern, 
„Den  Dauernden  im  Wechselnden, 
„Den  grofsen,  weiten  Geist,  wer  diesen 
„Als  Weiser  kennt,  der  leidet  nicht;  ^ 

—  tJ^er  odemlose,  wünschelose,  lichte^'  (Mun^.  2,  1,  2);  —  „denn 
„diesem  Geiste  haftet  nichts  an"  (Bfih.  4,  3,  15).  Aus  Schrift- 
stellen wie  diesen  ergiebt  sich,  dafs  jener,  „Erlösung"  genannte. 
Zustand  der  Körperlosigkeit  von  der  Frucht  der  Pflichterfüllung 
wesensverschieden y  und  dafs  er  ein  ewiger  ist«  Mag  immerhin 
sonst  auch  dasjenige  ewig  genannt  werden,  was  sich  nur  unmerk- 
lich ändert,  in  der  Art,  dafs,  welche  Wandlungen  auch  daran  vor 
sich  gehen,  doch  die  Erkenntnis,  dafs  es  dieselbe  Sache  wie  vor- 
her sei,  nicht  umgestofsen  wird,  —  wie  z.  B.  die  Erde  u.  s.  w.  in 
der  Meinung  derer,  welche  die  Welt  für  ewig  halten,  oder  wie 
die  6una*8  der  Sänkhyaphilosophen,  —  hier  handelt  es  sich  [nicht 
um  ein  solches,  sondern]  um  das  absolut  reale,  allerhabene,  ewige, 
wie  der  Äther  alldurohdringende,  von  aller  Veränderung  freie, 
allgenugsame,  unteilbare,  sich  selbst  als  Licht  dienende  Sein;  und 
dieses  körperlose  Sein,  in  welchem  weder  Gutes  noch  Böses,  noch 
eine  Wirkung,  noch  die  Dreiheit  der  Zeiten  statthaben,  dieses 
heifst  die  Erlösung; 

„Tom  Guten  frei  nnd  frei  vom  Bösen, 
„Von  ürsach'  und  von  Wirkung  frei, 
„Frei  von  Vergangoem  und  Ziikünftgem ", 

wie  die  Schrift  (Käth.  2,  14)    sagt.     Darum  ist  er  [der  Zustand 

65  der  Erlösung]  eben  jenes  Brahman,    dessen  Erforschung  |  hier  aur 


Sütram  I.  i.  4.  21 

Sprache  gebracht  wurde.  Wäre  das  Brahman  als  ein  Bestandteil 
der  Pflicfatlehre  zu  betrachten,  und  würde  somit  die  Erlösung 
als  etwas  aufzufassen  sein,  was  sich  durch  irgendein 
Thun  verwirklichen  liefse,  so  würde  sie  nicht  ewig  sein; 
denn  die  Erlösung  wäre  in  diesem  Falle  nur  ein  besonders  hoher 
Grad  der  erwähnten  Werkfrüchte,  welche  in  einem  Mehr  oder 
Minder  bestehen  und  vergänglich '  sind.  Dafs  aber  die  Erlösung 
ein  Ewiges  ist,  das  wird  von  allen,  die  überhaupt  eine  Erlösung 
lehren,  angenommen.  Es-  ist  somit  unberechtigt,  die  Belehrung 
über  das  Brahman  als  einen  Teil  der  Pfiichtlehre  zu  betrachten. 
Auch  heifst  es:  „wer  Brahman  erkennt,  [  wird  ztr  Brahman"  66 
(Mupd.  3,  2,  9);  —  „zunichte  werden  dessen  Werke,  der  jenes 
„Höchst'  und  Tiefste  schaut"  (Mund.  2,  2,  8);  —  „wer  dieses  Brah- 
„  man'  Wonne  kennt,  dem  macht  es  alle  Angst  verschwinden"  (Taitt. 
2,  9);  —  „o  Janaka,  du  hast  den  Frieden  erlangt"  (Bfih.  4,  2,  4); 

—  „dieses    wufste  allein  sich  selbst;   und   es   erkannte:    «ich   bin 
„Brahman  1»;  dadurch  ward  es  zu  diesem  Weltall"  (Bfih.  1,4,  10); 

—  „wo  wäre  Irrtum,  wo  Kummer  für  einen' der  die  Einheit  schaut?" 
(Iga  7);  —  diese  und  andere  Schriftstellen  beweisen,  dafs  sofort 
auf  di^  Erkenntnis  des  Brahman  die  Erlösung  erfolgt, 
und  gestatten  nicht,  eine  andere  Wirkung,  die  dazwischen  läge, 
anzunehmen.  Und  auch  die  -  Stelle :  „dieses  erkennend  hub  Yäma- 
,,deva,  der  Riahi,  an:  «ich  war  einst  Manu,  ich  war  einst  die 
„Sonne»''  (ßrih.  1,4,10),  —  läfst  sich  zum  Beweise  dafar  an- 
ftihren;  dafs  zwischen  dem  Scheuen  des  Brahman  und  dem  Werden 
zur  Seele  des  Weltalls  nichts  zu  Vollbringendes  in  der  Mitte 
liegt;  ähnlich  wie,  wenn  man  sagt:  „er  steht  und  singt",  zwischen 
dem  Stehen  und  dßm  Singen  keine  andere  Wirkung,  die  letzteres 
bewirkte,  zwisehenliegt.  Femer,  wenn  es  heifst:  „denn  du  bist 
„unser  Vater,  der  du  uns  aus  unserm  |  Nichtwissen  zu  dem  Jen-  67 
„seitigen  Ufer  hipüberführst"  (Pra^na  6,  8);  —  „denn  ich  habe 
„von  solchen,  die  dir  gleichen,  gehört,  dafs,  wer  den  Atman  kennt, 
„über  den  Kummer  hinaus  ist;  ich  aber,  o  Herr,  bin  bekümmert; 
„führe  du  mich  hinaus  über  den  Kummer"  (Chänd.  7,  1,  3),  und 
wie  es  nachher  heifst:  „so  zeigte  ihm,  dessen  Verdunkelung  ge- 
„wichen  war,  das  Ufer  jenseit  der  Finsternis  der  heilige  Sanat- 
„kumära''  (Chänd.  7,  26,  2),  —  so  beweisen  Schriftstellen  dieser 
Art,  dafs  die  Frucht  der  Erkenntnis  des  Atman  nur  darin  be- 
steht, dafs  die  Hemmnisse  der  Erlösung  zunichte  wer- 
den; und  dafür  spricht  auch  das  von  dem  Lehrer  [Gotama]  voraus- 
geschickte und  durch  die  [ganze,  nachfolgende]  Nyäya- Lehre  be- 
stätigte Sütram:  „indem  von  Schmerz,  Geburt,  Tbätigkeit,  Sünde, 
„Irrtum  durch  Schwinden  des  jedesmal  folgenden  das  unmittelbar 
„vorhergehende  schwindet,  erfolgt  die  Erlösung'*  (Nyaya-sütra  1,1»  2); 

I  das  Schwinden  des  Irrtums  aber   wird  bewirkt   durch   die  Er-  66 
kenntnis  der  Einheit  des  Brahman  und  der  Seele.     Dies^ 


22  r^'äi'iraka-inimilkusll 

ErkenntDis  der  Einheit  von  Brahman  und  Seele  ist  nicht  etwa 
eine  blofRe  Parallelsetzung,  wie  sie  z.  B.  Htatthat  in  den 
Worten:  „denn  unendlich  ist  das  Manas,  unendlich  sind  die  Vi^ve 
„dev&h,  unendlich  ist  die  Welt,  die  er  durch  dieses  erwirbf* 
(Brih.  3,1,9);  sie  ist  auch  keine  symbolische  Yorstellungs- 
weise,  etwa  wie  wenn  in  den  Worten:  ^als  Brahmaii  soll  man 
„das  Manas  Terehren"  (Chänd.  3,  18,  1),  „als  Brahman  lehre  man 
„die  Sonne  begreifen^^  (Chand.  3,  19,  1),  auf  Manas  und  Soune  die 
symbolische  Yorstellungswoi^e  derselben  aU  Brahman  übertragen 
wird"  weiter  ist  sie  auch  nicht  veranlafst  durch  die  An- 
schickunrg  zu  einem  bestimmten  Thun  [ab  wäre  Brahman 
z.  B.  nur  darum  die  Seele,  weil  er  das  Wachstum  des  Leibes  be- 
förderte], etwa  wie  es  heifst:  „wahrlich,  der  Wind  ist  der  an  sich 
„Raffer**  [der  übrigen  Elemente  beim  Weltuntergang,  Chand.  4,  3, 1], 
„wahrlich  der  Lebenshauch  ist  der  an  sich  Kaffer"  [der  Leibes- 
organe im  Schlafe)  Chand.  4,  3,  2] ;  sie  ist  endlich  auch  nicht,  etwa 
wie  das  Beschauen  des  Opferschmalzes  [durch  die  Gattin  '  des 
Opferbringers]  eine  zii  den  Werken  gehörige,  besondere  Art 
der  Weihe.  Wäre  nämlich  die  Erkenntnis  der  Einheit  von 
Brahman  und  Seele  nur  aufzufassen   als   eine   Art  Parallelsetzung 

69  u.  s.  w.,  I  so  würde  bei  Stellen  wie:  „das  bist  du"  (Chand.  6,  8,  7); 
—  „ich  bin  Brahman"  (Brih.  1,  4,  10);  —  „diese  Seele  ist  das 
„Brahman"  (Brih.  2,  6,  19),  die  Verknüpfung  der  W^orte,  welche 
die  Einheit  von  Brahman  und  Seele  als  eine  Thatsache  aussprechen 
will,  uicht  zu  ihrem  Rechte  kommen.  Auch  würde  das.  was  als 
Frucht  der  Vernichtung  des  Nichtwissens  verheifsen  wird  in  der 
Stelle  „dem  spaltet  sich  des  Herzens  Knoten,  dem  lösen  alle 
„Zweifel  sich"  (Mund.  2,2,8),  sich  nicht  [mit  einer  blofs  figür- 
lichen Gleichsetzung  von  Brahman  und  Seele] ,  vertragen.  Endlich 
würden  auch  Stellen  wie  „wer  das  Brahman  erkennt,  wird  zu 
„Brahman"  (Mund.  3,  2,  9),  welche  einen  Übergang  in  das  Sein 
des  Brahman  ausdrücken,  bei  Annahme  einer  blofseu  Parallel- 
seizung  u.  s.  w.  nicht  vollständig  zutreffen.  Somit  ergicbt  stich, 
dafs  die  Erkenntnis  der  Einheit  von  Brahman  und  Seele  nicht 
eine  blofse  Art  der  Parallelsetzung  u.  s.  w.  ist.  —  Hieraus  folgt, 
dafs  das  Erkennen  des  Brahman  nicht  von  irgend  einer  Thä- 
tigkeit  des  Menschen  abhängig  ist,  sondern  vielmehr,  ge- 
rade so  wie  die  Erkenntnis  eines  Gegenstandes,  der  in  den  Bereich 
der  Sinneswahrnehmung  und  der  übrigen  Erkeimtnismittel  gehört, 
abhängig  ist  lediglich  von  dem  Gegenstande  selbst. 

Da  dem  t;o  ist,  so  kann  das  Brahman  oder  auch  die  Erkennt- 
nis desselben  auf  keine  Weise  unter  den  Begriff  eines 
Bewirkbaren  gebracht  werden.  Und  auch  dadurch  nicht,  dafs 
man  es   als   eine  Wirkung   der  Thätigkeit  de»  Erkennen» 

70  auffafst,  läfst  sich  |  Brahman  unter  den  Begriff  eines  Bewirkbaren 
bringen.     Denn  durch  Worte  wie:    „verschieden   isVs  von  allem, 


Sütram  I.  i.  4.  23 

,,wa8  wir  kennen,  und. höher  als  das  Unbekannte  auch'^  (Kena  1,  3) 
wird  seine  Bewirkbarkeit  durch  eine  Thätigkeit  des  Erkennens  * 
verneint;  sowie  auch  durch  die  Stelle:  „durch  welchen  er  dieses 
alles  erkennt,  wie  sollte  er  den  erkennen?"  (Brih.  2,  4,  14).  — 
Ebenso  unstatthaft'  aber  ist  es  weiter,  die  Erkeiintnis  Braliman*s 
als  eine  Wirkung  der  Thätigkeit  de»  Verehrens  aufzu- 
fassen. Denn  nachdem  in  den  Worten.:  „was  unaussprechlich  durch 
„das  Wort ,  wodurch  das  Wort  aussprechlich  wird "  (Kena  1 ,  4) 
hervorgehoben  worden,  dafs  Brahman  überhaupt  kein  Objekt  [der 
Erkenntnis  oder  der  Verehrung]  sei,  so  heifst  es  weiter:  „das 
„i^oUst  du  wissen  als  das  Brahman,  nicht  jenes,  was  man  dort 
„verehrt." 

Meint  ihi ,  wenn  Brahman  kein  Objekt  sei ,  so  sei  auch  das 
„Grundsein  des  Schriftkanons"  für  dasselbe  unmöglich,  so  gebeu 
wir  das  nicht  zu.  Denn  der  Schriftkanon  hat  nur  den  Zweck, 
dafs  er  die  von  dem  Nichtwissen  aufgestellte  Trennung  [zwischen 
Brahman  und  Seele]  aufhebt.  Der  Schriftkanon  nämlich  verfolgt 
keineswegs  die  Absicht,  das  Brahman  als  ein  so  und  so  beschaffe- 
nes Objekt  hinzustellen,  sondeni  er  lehrt  vielmehr,  dafs  das 
Brahman  unser  inneres  Selbst'  und  darum  kein  Objekt 
ist,  und  in  diesem  Sinne  ist  er  bemülit,  die  von  dem  Nichtwissen 
aufgeatellte  Spaltung  in  Subjekt  des  Wissens,  Objekt  des  Wissens 
und  Wissen  zu  beseitigen.  Darum  sagt  der  Kanon:  „wer  nicht 
„begreift,  nur  der  begreift  es,  und  wer  begreift,  der  weifs  es  nicht; 
„nicht  erkannt  vom  Erkennenden,  erkannt  vom  Niphterkennenden" 
(Kena  2,  ll);x —  und:  „nicht  |  sehen  kannst  du  den  Seher  des  71 
„Sehens,  nicht  hören  kannst  du  den  Hörer  des  Hörens,  .  .  .  nicht 
„erkennen  kannst  du  den  Erkenner  des  ^kennens"  u.  s.  w.  (Brih. 

3,  4,  2). 

Die  Erlösung  besteht  also  nur  darin,  dafs  das  von  dem  Nicht- 
wissen behauptete  Wanderersein  der  Seele  vernichtet  und  dadurch 
die  Natur  der  Seele  als  des  ewigen  und  freien  Wesens  erkannt 
wird.  Bei  dieser  Auffassung  der  Erlösung  kann  man  nicht  ein- 
wenden, dafs  dieselbe  dadurch  zu  etwas  Vergänglichem  werde. 
Wer  hingegen  die  Erlösung  ansieht  als  etwas  Bewirkbares, 
der  mufs  sie  folgerichtigerweise  betrachten  als  bedingt  durch 
Wirkungen  von  Gedanken,  WorteTi  oder  Werken;  und  ebenso  steht 
68,  wenn  man  sie  als  eine  Umwandlung  auffafst;  in  beiden  Fällen 
aber  folgt  unweigerlich,  dafs  die  Erlösung  etwas  Vergängliches  ist. 
Denn  die  Erfahrung  zeigt,  dafs  weder  die  Produkte  einer  Um- 
wandlung, wie  z.  B.  saure  Milch,  noch  die  Produkte  einer  Wirkung, 
wie  z.  B.  Gef^fso,  ewig  .sind.  Und  auch  in  dem  Sinne  ist  nicht 
an  eine  Wirkung  zu  denken,  dafs  die  Erlösung  ein  zu  Er- 
langendes wäre;  denn  da  sie  als  das  eigentliche  Wesen  des 
eignen  Selbstes  bereits  besteht,  so  braucht  sie  nicht  erst  erlangt 
zu   werden.     Und   wenn   das  Brahman   auch  unser   eignes   [indivi- 


24  ^"ArirakA-iiiimansa 

dueiies]  W^sen  überragt,  so  ist  es  darum- doch  nicbt  etwas,  was 
'   erst  erlangt  werden  müfste.     Denn  wegen   seiner  Allgegenwari  ist 
das  Brahman,    ähnlicli  wie   der  Raum,    von   solcher  Art,    dafs   es 
von  jedem  immer  schon  thatsächlich  besessen  wird. 

Aber  auch  insofern  ist  die  Erlösung  durch  kein  Tlmn  bedingt, 
als  sie  durch  [moralische]  Besserung  (aaiiiskdra)  nicht 
erreichbar  ist.  Denn  alle  Besserung  geschieht  an  dem  zu 
Bessernden  durch  Zulegung  von  Tugenden  oder  Ablegung  von 
Fehlern.  Durch  Zulegung  von  Tugenden  kommt  Erlösung  nicbt 
zu  Stande;   denn  sie   besteht   in   der   Identität  (svarüpatvam)   mit 

72  dem  keiner  Zulegung  von  Vollkommenheit  fähigen  Brahman;  |  und 
ebensowenig  durch  Ablegung  von  Fehlern:  denn  das  Brahman, 
in  der  Identit&t  mit  welchem  die  Erlösung  besteht,  ist  ein  ewig 
reines  Wesen.  —  *Aber  wenn  sonach  die  Erlösung  nur  eine  Be- 
*schaffenhcit  (dharma)  des  eignen  Selbstes  ist,  nur  dafs  dieselbe 
^uns  verborgen  bleibt,  kann  sie  nicht  dadurch  sichtbar  gemacht 
'werden,  dafs  man  das  Selbst  durch  eigne  Thätigkeit  läutert,  ebenso 
Svie  der  Glanz  als  Beschaffenheit  des  Spiegels  dadurch,  dafs  man 
'denselben  durch  die  Thätigkeit  des  Putzens  reinigt?'  —  Das  geht 
nicht  an,  weil  das  Selbst  {uinian)  kein  Objekt  der  Thätigkeit  sein 
kann.  Denn  eine  Thätigkeit  kann  sich  nicht  anders  verwii-klichen, 
als  indem  sie  das  Objekt,  auf  welches  sie  sich  bezieht,  verändert. 
Würde  nun  das  Selbst,  der  Ätman,  durch  eine  Thätigkeit  verän- 
dert, 80  wäre  er  nieht  ewig,  und  Worte  wie  „unwandelbar  wird 
„er  genannt''  (ßhag.  G.  2,  25)  wären  unrichtig,  was  nicht  annehm- 
bar ist.  Folglich  kann  es  keine  Thätigkeit  geben,'  die  sich  auf 
das  Selbst  als  Objekt  bezieht;  bezieht  sie  sich  aber  auf  ein  andres 
Objekt,  so  wird  eben  das  Selbst  nicht  von  ihr  betroffen  und  folg- 
lich auch  nicht  gebessert.  —  'Aber  lehrt  nicht  die  Erfaliiiing, 
'dafs  durch  Thätigkeiten,  welche  sich  auf  den  Leib  beziehen,  durch 
'Waschen,  Mundausspülen,  Tragen  der  Opferschnur  u.  s.  w.,  auch 
'die  Seele  als  Träger  des  Leibes  geläutert  wird?'  —  Mit  uichten! 
sondern  dasjenigOi  was  dabei  geläutert  wird,  ist  nur  das  aus  Loib 
u.  8.  w.  zusammengesetzte,  von  dem  Nichtwissen  angenommene 
Selbst.  Denn  dafs  Waschungen,  Mundausspülen  und  dergleichen 
vom  Leibe  unabtrennbar  sind,  lehrt  der  Augenschein;  und  liieraus 
folgt,  dafs  durch  derartige,  den  Leib  zur  Voraussetzung  habende 
fCeremonien]    nur   ein   gewisses,    aus    ihm    bestehendes    und    vom 

73  Nichtwissen  als  das  Selbst  aufgcfafstes  [loh]  geläutei-t  wird.  |  So  wie 
nämlich  mittels  der  auf  den  Leib  bezüglichen  Heilkunst  das  Gleich- 
gewicht unter  den  Körperstoffen  hergestellt  und  hierdurch  für  das- 
jenige, welches  aus  ihnen  zusammengesetzt  ist  und  als  sie  gilt, 
die  Frucht  der  Gesundheit  erzielt  wird  und  zwar  in  Bezug  auf 
dasjenige,  von  welchem  der  Satz  ,.ich  bin  gesund"  gilt,  ebenso 
beziehen  sich  Waschungen,  Mundausspülen,  Tragen  der  Opferschnur 
und  derartige  Verrichtungen  auf  die  Läutejivng  desjenigen ,  wovon 


Sütnun  L  1.  4.  25 

der  Satz  gilt  „ich  bin  rein,  bin  geläutertes  ud<^  d*9  ^^^  ^^^  ^^s 
durch  den  Leib  bedingte  [individuelle  Ich].  Denn  nur  aus  diesem, 
ans  dem  das  Ich-Bewufstsein  bewirkenden  und  zugleich  das  Objekt 
der  Ich -Vorstellung  bildenden  [individuellen]  Bewurstseinstrftger 
gehen  alle  Werke  hervor,  und  er  allein  ist  es,  welcher  auch  ihre 
Fracht  genicfst.  Denn  es  heiXst  in  einem  Liedverse  der  Schrift: 
„der  eine  ilst  die  süfse  Beere,  der  andre  schaut  nicht  essend  zu'' 
(Mund.  3,  1,  1);  —  und  femer:  „aus  Manas,  Sinnen  und  dem 
„Leib  verbunden,  benennen  «den  Geuiefser»  ihn  die  Weisen" 
(Käth.  3,  4).  — X  Hingegen  wenn  es  heifst  (Qvet.  6,  11): 

„Der  eine  Gott  in  allen  Wesen  weilend, 

,^ Durchdringend  alle,  aller  innere  Seele, 

„Des  Werks  Aufseher,  alles  Sein  erfüllend, 

„Zuschauer,  reiner  Geist,  |  bestimmnngsloser" ;  74 

—  sowie  auch  (t^k  8): 

„Alloberall  weilt  £r,  als  reines  Wesen, 
„Als  leiblos,  unverwundbar  uud  gelenklos, 
„Als  lauter  und  von  Übel  unbetroffen '^,  — 

so  beweisen  diese  beiden  Yersstellen,  dafs  das  Brahman  eine  kei- 
ner Steigerung  fähige  Übersohwenglichkeit,  und  dafs  es  eine  un- 
wandelbare Reinheit  besitzt.  Die  Erlösung  aber  ist  das  Sein  als 
Brahman.  Folglich  ist  auch  die  Erlösung  nicht  durch  eine  Läute- 
rung zu  vollbringen.  Und  deshalb  kann  auch  kein  Mensch  irgend 
eine  sonstige  Möglichkeit  ausfindig  machen,  die  Werke  in  die 
Erlösung  hereinzubringen.  Somitsteht  fest,  dafs  nur  und 
allein  die  Erkenntnis,  und  im  übrigen  keine  Spur  von 
Werken  hierher  gehört  und  zulässig  ist. 

'Aber  ist  nicht  auch  die  Erkenntnis  eine  That  des 
'Geistes?*  —  Mit  nichten!  weil  sie  von  einer  solchen  wesentlich 
verschieden  ist.  Denn  eine  That  nehmen  wir  da  an,  wo  es  sich 
nicht  um  die  Naturbeschafifenheit  eines  Dinges  handelt,  sondern 
vielmehr  etwas  befohlen  wird,  und  dieses  von  der  intellektuellen 
Bethätigung  des  Menschen  abhängig  ist.  So,  wenn  es  heifst:  „die 
„Gottheit,  für  welche  |  man  die  Opfergabe  bereitet  hat,  an  die  75 
„  denke  man,  wenn  man  den  Opferruf  sprechen  will"  (Ait.  Br.  3,  8,  1), 
und:   „während  der  Dämmerung   soll   man   im  Geiste  meditieren", 

—  so  findet  zwar  auch  in  derartigen  Fällen  ein  Meditieren,  d.  h. 
ein  geistiges  Denken  statt,  aber  dasst^lbe  kann  doch  von  dem 
Menschen  vollzogen  werden  oder  nicht  vollzogen  werden  oder  au- 
dsis  vollzogen  werden,  weil  es  eben  von  dem  Menschen  abhängig 
if<t.  Die  Erkenntnis  hingegen  wird  erzeugt  durch  einen  Beweis, 
und  der  Beweis  bezieht  sich  auf  einen  wirklich  vorhandenen  Gegen- 
stand; darum,  kann  man  von  der  Erkenntnis  nicht  sagen,  dafs  sie 
vollzogen  werden,  oder  nicht  vollzogen  werden,  oder  anders  voll- 


26  -  Q:\ri  raka-mimäiisi)i 

zogen  werden  könne;  'vielmehr  ist  Bio  nur  abhängig  vun  dem 
Gegenstande  allein;  dieser-  aber  ist  weder  von  einer  Auffurderung 
noch  von  einem  Menschen  abhängig;  und  darunr  besteht,  wiewolil 
auch  die  Erkenntnis  ein  geistiges  Thun  ist,  doch  ein  grof^er 
Unterschied.  Und  wenn  es  z.  13.  heifst:  „der  Mann  fürwahr,  o 
,)Gautama,  ist  ein  Fener;**  —  „das  Weib  fürwahr,  o  Gautama, 
„ist  ein  Feuer'*  (Chäud.  5,  7,  1.  8,  1),  so  ist  hier  das  Auffassen 
des  WtiibeS  und  des  Mannes  als  ein  Feuer  zwar  ein  intellektueller 
Akt,  aber  weil  derselbe  durch  eine  blofse  Aufforderung  veraulafst 
wird,  so  ist  es  ein  blofses  Werk  und  darum  vom  Menjicheu  ab- 
hängig. Hingegen  wo  es  sich  darum  handelt,  das  wirkliche  Fouer 
als  Feuer  aufzufassen,  da  ist  die  Erkenntnis  des  Feuers  nicht  von 
einer  Auffordeioing  abhängig,  noch  atich  von  einem  Mcnbchcn  ab- 
hängig, sondern  sie  ist  abhängig  allein  von  dem  zur  Sinneswahr- 
nehmuiig  gehörigen  Gegenstände,  und  darum  ist  sie  eine  blofse 
Erkenntnis  und  kein  Werk;    und  ebenso  hat   es   mit   allen  Gegen- 

76  ständen,  die  ein  Objekt  de^  Beweises  s«ind,  j  seino  Bewandtnis. 
l)a  dem  so  ist,  so  folgt,  dufs  auch  die  auf  das  als  Seele  schon 
wirklich  vorhandene  Brahman  bezügliche  Erkenntnis  nicht  von 
einer  Aufforderung  nbhängig  ist.  Darum  werden  alle  auf 
dasselbe  bezüglichen  Impeiative,  auch  wenn  si^  aus  der  Schrift 
stammen,  weil  der  Gegenstand  ein  nicht  befehlbarer  ist,  au  ihm 
ebenso  stumpf  wie  die  Schneide  eines  Schermessers  an  einem  Steine, 
und  zwar,  weil  sie  sich  auf  einen  Gegenstand  beziehen,  welcher 
keinem  Thun  und  Lassen  ui.  erworfcn  ist. 

'Aber  welchen  Sinn  haben  dann  solche  Worte  wie:  „den  Aiiuan 
*„färwahr  soll  man  sehen,  soll,  man  höi*en"  (Brih.  2,4,5),  welche 
*dach  dem  x\nscheine  nach  eine  Vorschrift  enthalten?'  — 
Wir  antworten:  sie  haben  den  Zweck,  von  den  Gegenständen  d^T 
natürlichen  Bestrebungen  abzuwenden.  Denn  der  den  Aufsendingen 
nachstrebende  Mensch  geht  von  dem  Grundsatze  aus:  „ich  will 
„das  Erwünschte  erlangen,  das  Nichterwünschtc  meiden;'*  und  auf 
diesem  Wege  kann  er  das  letzte  Ziel  des  Menschen  nicht  eri'eichen. 
Um  nun  denjenigen,  der  das  letzte  Ziel  des  Menschen  zu  erreichen 
})egehrt,  von  der  Sphäre  der  natürlichen,  dem.  Aggregate  tler 
Wirkungh. Organe  [d.  h.  dem  Leibe]    eignen  Bestrebungen    abzuwen- 

77  den  |  und  ihn  der  Sti'ömung  nach  auf  die  innere  Seele  hinzulenken, 
dazu  dienen  solche  Worte  wie:  „den  Atman  fürwahr  soll  man 
„  sehen "  u.  s.  w.^  (Bph.  2,4,  5).  Nachdem  er  aber  auf  die  Er- 
forschung des  Atman  [d.  h.  seines  eignen  Selbstes]  hingewendet 
worden  ist,  .so  wird  ihm  die  weder  ablehnbare  noch  bewirkbaro 
Wesenheit  des  Atman  (Selbstes)  aufgezeigt  in  Worten  wie:  „dieses 
„ist  das  Weltall,  was  «liose  Seele  ist''  (Brih.  2,  4 ,  6) ;  —  „wo  aber 
„einem  alles  zum  eignen  Selbste  geworden  ist,  wie  sollte  er  da 
„irgendwen  sohen,  .  .  .  irgendwcn  erkennen,  ,  .  .  wie  sollte  er 
„den  Erkenuer  erkennen?'*   (Brih.  4,  5,  15);    —    „diese  Seele   ist 


Sütram  I.  i.  4.  27 

„das  Brahman"  (Brih.  2,  5,  10),  u.  s.  w.  —  Wenn  ihr  behauptet, 
dafd  die  Erkenntnis  des  Ätman  nicht  unter  die  Rubrik  der  Pflicht- 
vorschriften gehöre,  weil  sie  sich  ebensowenig  vermeiden  wie  be- 
wirken labse,  60  ist  das  ganz  und  gar  auch  unsere  Meinung.  Denn 
dat«  ist  eben  unsere  Krone  und  unser  Stobs,  dafs,  nachdem  die 
Erkenntnis  der  Seele  als  des  Brahman  erfolgt  ist,  alle  Pflichtvor- 
schriften ein  Ende  haben  und  ein  Zustand  der  Verwirklichung 
aller  Zwecke  eintritt.    Und  so  sagt  auch  die  Schrift  (B|rih.  4,  4,  12): 

* 

„Wer  als  den  Ätman  sich  erfafst  hat  in  Gedanken, 

„Wie  mag  der  wünschen  noch,  dem  Leibe  nachzukra&ken!^' 

und  die  Smriti  lehrt  (Bhag.  G.   15,  20): 

„Wer  dieses  weifs,  der  ist  der  wahrhaft  Weise, 
„Der  hat,  o  Bh&raia,  das  Ziel  erreicht.*^ 

Darum  kann  das  Brahman  weder  \inter  den  Gegenständeu  der 
Verehrung  noch  unter  denen  der  Vorschrift  mitbefafst  werden. 
Wenn  femer  von  einigen  [den  Anhängern  des  Prabh&kara] 
behauptet  wird,  ^aufser  den  Vorschriften  des  Gebotes  und  Verbotes 
'und  dem,  was  als  Anhang  zu  ihnen  gehöre,  sei  eine  Abteilung 
*des  Veda,  welche  nur  der  Erklärung  eines  Gegenstandes 
'diente,  nicht  vorhanden,'  so  geben  wir  das  nicht  zu;  denn 
der  von  den  Upanishad's  gelehrte  Geist  |  gehört  nicht  als  Anhang  78 
zu  einem  andern  Teile.  Denn  der  nur  aus  den  Upanishad's  zu  . 
erkennende,  der  Wanderung  nicht  tinterworfene  Geist,  das  Brahman, 
ist  von  der  vierfachen  Substanz  [vgl.  Sutram  3,1,  20] ,  wie  sie 
dem  Entstehen  u.  s.  w.  unterworfen  ist,  wesensverschieden,  bildet 
seine  eigne  Abteilung  und  gehört  nicht  als  Anhang  ku  einer 
andern.  Auch  kann  man  nicht  von  ihm  behaupten,  dafs  er  nicht 
sei  oder  nicht  erreichbar  sei:  denn  die  Schrift  in  den  Worten: 
„er  aber,  der  Atman,  ist^  nicht  so  und  ist  nicht  so"  (Bf ih.  3,  9,  26), 
bezeichnet  ihn  als  den  Atman  (das  Selbst),  das  eigne  Selbst  aber 
kann  man  nicht  leugnen.  —  'Aber,  wenn  der  Atman  der  Gegen- 
'stand  dos  Selbstbewufstseins  ist,  ist  es  dann  nicht  nnstatt- 
'haft,  zu  behaupten,  dafs  er  nur  aus  den  Upanishad's 
'erkannt  werden  könne V*  —  Doch  nicht!  Vielmehr  liegt  die 
Antwort  auf  diese  Einvendung  darin,  dafs  er  ein  [blofser]  Zu- 
schauer (säkshin)  ist.  Denn  nicht  läfst  sich  über  die  handelnde 
Seele,  welche  Objekt  des  Selbstbewufstseins  ist,  hinaus  derjenige, 
4er  als  ihr  Zuschauer  in  allen  Wesen  wohnt,  der  mit  sich  iden- 
tische, eine,  allerhöchste,  ewige  Geist  aus  dem  Werkteile  des  Veda 
oder  aas  irgend  einem  Systeme  der  Reflexion  von  irgend  jemandem 
erkennen,  obgleich  er  das  Selbst  von  allem  ist;  darum  aber  läfst 
er  sich  auch  von  niemandem  |  leugnen  oder  zd  einer  Beigabe  des  79 
Werkteiles  verdrehen;   denn  wer  ihn   leugnet,  eben  dessen  Seele 


28  Qärtraka-miinänB& 

ist  er;  und  gerade  weil  er  die  Seele  von  allem  ist,  darum  kann 
man  ihn  weder  Üiehen  noch  auch  suchen.  Denn  alles,  was  ▼ergeht, 
ist  durch  Umwandlung  entstanden  und  vergeht,  indem  es  sein 
Ende  findet  in  dem  Geiste;  der  Geist  aber  ist,  weil  keine  Ursache 
des  Vergehens  da  ist,  unvergänglich,  und  weil  keine  Ursache  der 
Veränderung  da  ist,  darum  ist  er  der  allerhabene  und  ewige,  und 
darum  eben  seiner  Katur  nach  ewig  rein  und  frei  [oder  erlöst]. 
Darum  heifst  es  (Kätli.  3,  11): 

« 

„Über  dea  Geist  ist  nichts  erhabeu, 
„£r  ist  Endziel  nud  höchster  Gang"; 

—  „nach  diesem  von  den  Upanishad's  gelehrten  Geiste  frage  ich 
.,dich"  (Brih.  3,  9,  26);  —  diese  Bezeichnung  des  Geistee  als  „des 
„von  den  Upanishad's  gelehrten^'  ist  nur  dann  zutreffend,  wenn 
er  in  den  Upanishad*s  als  deren  eigentlicher  Gegenstand  dargelegt 
wird.  Somit  beruht  die  obige  Behauptung,  dafs  es  keinen  Teil 
des  Veda  gebe,  der  sich  auf  einen  fertJg  vorhandenen  Gegenstand 
bezöge,  auf  einer  blofsen  Übereilung. 

Was  ferner  die  Berufung  auf  die  Kenner  des  Sinnes  der 
Schiiftlehre  betrifft,  wenn  sie  z.  B.  sagen:  „ersichtlich  ist  ja  dessen 
„Zweck,  nämlich  über  die  Werke  Belehrung",   so  ist  festzuhalten, 

60  dafs  dieses  Wort  sich  auf  die  Pflichtforschung  bezieht,  |  mithin 
nur  von  dem  Teile  des  Kanon  zu  verstehen  ist,  welcher  von  Ge- 
-  boten  und  Verboten  handelt;  und  wenn  es  ferner  bei  ihnen  heifst: 
„dieweil  der  Zweck  der  heüigen  Lehre  die  Werke  sind,  so  ist 
„zwecklos,  was  diesem  Zweck  nicht  dient*^  (Jaim.  1,  2,  1),  so  würde 
freilich  aus  diesem  Worte,  wenn  man  es  in  strengem  Sinne  ver- 
stehen wollte,  folgen,  dafs  die  Unterweisung  über  ein  wirklich 
Vorhandenes  zwecklos  wäre ;  aber  wenn  nun  doch  der  Schriftkanon, 
abgesehen  von  den  Vorschriften  der  Gebote  und  Verbote  und  dem 
was  zu  ihnen  gehört,  auch  noch  über  ein  wirklich  Vorhandenes 
Belehrung  erteilt,  mit  welchem  Rechte  schliefst  man  aus  seiner 
Abzweckung  auf  das,  was  sein  soll,  dafs  er  nicht  auch  Belehrung 
erteilen   könne  über    die    allerhabene    und    ewige  Natur    dessen. 

Hl  was  ist?  I  Und  eine  Belehi*ung  über  das,  was  ist,  ist  doch  kein 
Werkgebot.  —  'Aber  wenn  das,  was  ist,  auch  kein  Werkgebot  ist, 
*so  kann  es  doch  als  Hülfsmittel  bei  einem  Werkgebote  dienen, 
<und  somit  würde  die  Belehrung  über  das,  was  ist,  doch  immer 
'das  Werkgebot  als  Zweck  haben.'  —  Diese  Einwendung  trifft 
nicht  zu.  Gewifs  ist  das  Werkgebot  der  Zweck,  und  doch  wird 
die  Belehrung  erteilt  über  das  Wesen,  welches  die  Kraft  besitzt, 
das  Werkgebot  aufzuheben.  Daffe  Aber  das  Werkgebot  der  Zweck 
ist,  diis  gerade  veranlafst  diesjc  Belehrung.  Und  damit,  dafs  dem 
ibo  ist,  bleibt  die  Belehrung  über  jenes  Wesen  um  nichts  weniger 
Belehrung.  —   ^\be^  diese  Belehrui^g  zugegeben,  was  hast  du  denn 


Sütram  1.  l  4.  29 

'von  ihr  [da  sie  doch  nicht  zu  Werken  führt]  ? '  —  Wir  antworten ; 
gerade  so  [wie  mit  der  Belehrung  zum  Zwecke  der  Werke]  ver- 
hält es  sich  auch  mit  der  Belehrung  über  das  Wesen  des  [vorher] 
unbekannten  Atman.  N&mlich  durch  ihre  Erlangung  wird  die 
falsche  Erkenntnis^  welche  die  Ursache  der  Seelenwanderung  ist, 
zunichte,  und  hierin  liegt  der  Grund  für  diese  Belehrung;  sie 
hat  daher  ebenso  gut  ihren  Zweck  wie  eine  Belehrung  über  Dinge, 
die  als  Mittel  zu  den  Werken  dienen.  —  Und  auch  sonst  kommt 
es  ja  vor,  dafs  eine  Belehrung  erteilt  wird  über  ein  blofs  passives 
Verhalten,  z.  B.  wenn  es  heifst:  ,,  einen  Brahmunen  soll  man  nicht 
tüten."  Hier  ist  weder  TOn  einem  Werke  noch  von  einem  Mittel 
zu  Werken  die  Rede.  |  Wäre  die  .  Unterweisung  über  alles ,  WaR  82 
nicht  dem  Zwecke  der  Werke  dient,  zwecklos,  so  würde  folgen, 
dafd  solche  Anweisungen  zu  einem  i^assiven  Verhalten,  wie  diese: 
«.einen  Brahmanen  soll  man  nicht  töten'S  zwecklo»  wären,  und  das 
könnt  ihr  selbst  nicht  wollen.  Und  das  kann  man  dcch  auch 
nicht  behaupten,  dafs  durch  blofse  Anhängung ,  der  Negationspar- 
tikel an  das  in  seinem  natürlichen  Sinne  genommene  Wort  „töten^^ 
eine  noch  nicht  vollbrachte  [noch  zu  vollbringende]  Handlung 
bezweckt  werde,  mit  Ausnahme  des  passiven  Verhaltens,  welchef» 
in  der  Enthaltung  von  der  Handlung  des  Tötens  liegt.  Denn 
das  ist  der  natürliche  Sinn  der  Negationspartikel,  dafs  sie  |  ein  83 
Nichtsein  dessen,  womit  sie  verbunden  ist,  zu  verstehen  gieht,  und 
die  Erkenntnis  dieses  Nichtseins  [d.  h.  Nichtsein  soll  ens]  wird  zur 
Ursache  eines  passiven  Verhaltens  und  kommt,  dem  Feuer  ähnlich, 
w-enn  kein  Brennstoff  da  ist,  aus  sich  selbst  zum  Erlöschen.  Es 
ist  somit  nur  ein  passives  Verhalten  in  Betreff  der  in  Rede 
stehenden  That,  was  wir  als  Sinn  solcher  Verbote  wie:  „einen 
Brahmanen  soll  man  nicht  töten*^  erkennen,  zum  Unterschiede  von 
dem  Zeugungsgelübde  u.  a.  [welche  zwar  auch  der  Form  nach 
negativ  sind,  jedoch  ein  positives  Verhalten  involvieren].  Folglich 
ist  anzunehmen,  dafs  jeuer  Ausspnich  [Jaimini*s]  von  „der  Zweck- 
„losigkeit**  auf  das  [im  Vedanta  gelehrte]  Ziel  des  Menschv^n  keine 
Anwendung  findet  |  und  sich  nur  auf  Legenden  und  sonstige  [in  84 
den  Br&hmana's  vorkommende]  Erklärungen  vorhandener  Sachen 
b(izicht. 

Wenn  weiter  behauptet  wurde,  dafs  die  Erklärung  einer 
blofsen  Sache  ohne  Verwendung  derselben  für  ein  zu 
erfüllendes  Gebot  zwecklos  sei,  wie  Sätze  von  der  Art  wie: 
„die  Erde  besteht  aus  sieben  Weltteilen^*,  so  ist  das  schon  abge- 
wiesen worden.  Denn  auch  wo  es  sich  um  die  Erklärung  einer 
blofsen  Sache  handelt,  wie  in  dem  Satze:  „dieses  ist  ein  Strick 
„und  keine  Schlange",  ist  der  Zweck  ersichtlich.  —  'Aber  wurde 
^nicbt  bereits  darauf  hingewiesen,  dafs  eine  solche  Zweckraäfsigkeit 
Vic  bei  der  Belehrung  über  die  Natuj*  des  Strickes  hier  nicht 
^vorliegt,  indem  auch  bei  demjenigen,  welchem  das  Brahnian 


30.  (^&rlraka-mlm&n8& 

'mitgeteilt  worden  ist,  der  Zustand  der  Seeleiiwanderung 
*so  wie  vorher  fortdauert?'  —  Darauf  antworten  wir:  Man 
darf  nicht  behaupten,  dafs  für  den,  welcher  erkannt  hat,  dafs  die 
Seele  Braliman  ist,  der  Satfisära  wie  bisher  fortbestehe,  weil  er 
mit  dem  Brahmaiisein  der  Seele  in  Widerspruch  st^^ht.  Denn  weil 
die  Eiiahrung  zeigt,  wie  derjenige,  welcher  in  dem  Wahne  lebt, 
der  Leib  n.  s.  w.  sei  das  Selbst,  dem  Schmerz,  der  Furcht  und 
andern  [Affekten |  unterworfen  ist,  darum  folgt  noch  nicht,  dafs 
ebenderselbe,  nachdtnn  er  auf  Grund  der  Autorität  des  Veda  sein 
Selbst  als  das  Brahman  erkannt  und  dadurch  jenen  Wahn  ver- 
nichtet hat,  auch  noch  weiterhin  den  auf  falscher  Erkenntnis  be< 
ruhenden  [Affekten]  dos  Schmerzes,  der  Furcht  u.  s.  w.  unterwor- 
fen bleibe.  Denn  wenn  die  Erfahrung  z.  B.  lehrt,  dafs  ein  rei- 
cher Hausherr,  der  dem  Wahne  des  Reichtums  huldigt,  über  den 
Verlust  seines  Reichtum«  Schmerz  empfindet,  so  folgt  daraus  nicht, 
dafs  eben  derselbe,  nachdem  er,  [dem  brahmanischen  Brauche  ge- 
mäfs,  im  Alter  als  Vi^naprastha]  in  den  Wald  gezogen  ist  und 
sich  von  dem  Wahne  des  Reichtums  befreit  hat,  ebenso  wie  vor- 
her noch  über  den  Verlust  dos  Reichtums  Schmerz  empfinde.  Und 
wenn  einer,  der  Ohninge  trägt,  an  der  Vorstellung,  Ohrringe  zu 
tragen,  Lust  empfindet,  so  kommt  für  ebendenselben,  nachdem  er 
sich  der  Ohrringe  entäufsert  hat  und  von  der  >  Vorstellung,  sie  zu 
tragen,  frei  geworden  ist,  doch  auch  jene  aus  dem  Tragen  der 
Ohrringe  cntspringondo  Lust  in  Wegfall.  Dies  meint  die  Schrift, 
wenn  sie  sagt:  „AVahrlich,  das  Unkorperliche  wird  von  Lust  und 
„Schmerz  nicht  berührt"  (('hand.  ft,  12,  1).  Behauptet  ihr,  dafs 
erst  nach  Hinfall  des  Körp(!rs  die  Unkörperlichkeit  er- 
85  langt  werde,  nicht  bei  Lebenszeiten,  |  so  geben  wir  dies  nicht 
zu,  weil  die  Behiiftung  mit  dem  Körper  [nur]  auf  der  falschen 
Erkenntnis  boruht.  Denn  das  Behaftetseiu  des  Selbstes  mit  einem 
Körper  läfst  sich  gar  nicht  ander«  begreifen,  als  indem  man  es 
auffafst  nls  eine  irrige  Ej*knniiinia,  entspringend  aus  dem  Wahne, 
als  bestände  das  Selbst  in  dem  liOibe.  Denn  wir  haben  gezeigt, 
dafs  [für  das  Selbst |  der  Zustand  der  Körperlosigkeit  ein  ewiger 
int,  und  zwar,  weil  er  nicht  durch  Werke  bedingt  wird  [nur  was 
zur  Frucht  der  Werke  gehört,  ist  vergänglich],  l^hauptet  ihr 
etwa,  A'äi'fi  die  Körperlichkeit  die  Folge  der  von  ihm  [dem 
körperlosen  AtmanJ  vollbrach tcrn  guten  und  bösen  Werke 
sei,  so  bcr^troHcn  wir  das;  denn  weil  seine  Verbindung  mit  dem 
Leibe  unwahr  ist,  deswegen  ist  auch  die  Behauptung,  dafs  der 
Ätman  Gates  und  Böses  gethan  habe,  unwahr.  Denn  die  Be- 
hauptungen,  dafs  er  mit  einem  Körper  behaftet  sei,  und  dafs  er 
venuittelst  desselben  gute  und  böse  Werke  vollbracht  habe,  stützen 
sich  wechselseitig  immer  eine  auf  die  andre  [bilden  einen  circuiu^i 
vitiüsus],  und  folglich  ist  die  Behauptung  einer  Anfanglosigkeit 
[jene«?  wochselsr  iticen  Sichl)pdingenrv|  eine  blofse  Kette  von   lanter 


Sfttram  r.  i.  4.  31 

blinden  Gliedern;  denn  eine  Behoftnng  des  Atman  mit  Werken 
ist  unmüglicH,  weil  ein  Thätersein  von  ihm  ausgeBchloasen  i^t.  — 
^iber  vidleicht  benteiit  sein  Thätersein,  ähnlich  wie  bei  Königen 
*uud  dergleichen,  in  .seinem  biornen  Zugegensein  V  *  —  Auch  da.s  geht 
nicht  an.  |  Denn  liei  Königen  und  dergleichen  ist  ein  derartiges  86 
Thäteryein  niöglifch  zufolge  ihres  auf  8pendung  d^s  Unterhaltes  u.  s.  w. 
bernlienden  Verbundenseins  mit  den  Dienern;  iji  Betreff  des  Atman 
hingegen  lufst  sich  nichts  antifindig  machen,  was,  wie  dort  die 
Spendung  des  Unterhaltes  u.  s.  w.,  eine  Verbindung  desscilbeu  mit 
den  Leibcsgliedern  als  ihres  Herrn  verursachen  könnte;  vielmehr 
ist  die  Ursache  dieser  Verbindung  offenbar,  nämlich,  dafs  sie  auf 
einem  falschen  Wahne  beruht.  Hiermit .  ist  auch  schon  die  Mei* 
nung  abgefertigt,  als  »ei  es  der. Atman,  welcher  die  Opfer  [durch 
die  Leibesorgane  als  seine  Diener]  veranstalte. 

Nun  könnte  man  sagen:  ^dafs  man  den  dem  Selbste  angehörigen 
*Leib  u.  8.  w.  für  das  von  I^eib  u.  s.  w.  verschiedene  Selbst  (atman) 
^ansieht,  das  ist  eine  uneigentliche,  aber  nicht  eine  falsche 
'Auffassung.'  Aber  dem  ist  nicht  so;  denn  Un eigentlichkeit  und 
Eigejitlichkeit  der  Auffassung  kommen  nur  da  in  Frage,  wo  zwei 
Dinge  von  anerkannter  Verschiedenheit  vorliegen.  Ist  nämlich  die 
Verschiedenheit  der  beiden  Dinge  anerkannt,  —  wie  denn  z.  B. 
ein  andres  diejenige,  mit  Mähneu  u.  s.  w.  ausgestattete,  nach  ihren 
allgemeinen  und  besondern  Merkmalen  speciell  bestimmte  Gestalt 
ist,  welcher  Name  und  Vorstellung  eines  Löwen  im  eigentlichen 
Sinne  zukommen,  und  ein  andres  ein  Mann,  der  mit  den  ^e.wöhn- 
licheu  Eigenschaften  des  Löwen,  mit  (.ürausamkeit,  Heldenmut  u.  s.  w. 
begabt  ist,  --  so  sind  .bei  einem  solchen  Manne  Name  und  Vor- 
stellung eines  Löwen  uneigentlich  zu  nehmen;  hingegen  wo  es 
sich  nicht  um  zwei  anerkaimt  verschiedene  Dinge  handelt,  da  sind 
Name  und  Vorstellung  des  einen,  wenn  sie  dem  andern  zugeschrie- 
ben werden,  zurückzuführen  auf  einen  Irrtum  und  nicht  als  un- 
eigentlich anzusehen.  So  wenig  man  es  daher  als  eine  uneigent- 
liche Auffassung  bezeichnen  wird,  wenn  einer  in  anbrechender 
Dunkelheit  auf  einen  Baumstamm,  dessen  Unterscheidungsmerk- 
male als  Baumstamm  er  nicht  wahrgenommen,  Namen  und  Vor- 
stellung eines  Menrfchen  übei^rägt,  oder  wenn  einer  auf  die  Perl- 
mutter ohne  weiteres,  indem  er  sie  für  Silber  hält,  dessen  be- 
stimmte Benemmng  und  Vorstellung  überträgt,  |  ebensowenig  kann  87 
es  eine  nneigt*ntliche  Auffassung  genannt  werden,  wenn  einer  auf 
das  Aggregat  von  Leib  und  [Organen  |  unbedachterweise  und 'infolge 
einer  mangelnden  Unterscheidung  zwischen  dem,  was  das  Selbst, 
und  dem,  was  nicht  das  Selbst  ist,  den  Namen  und  die  Vor- 
stellung des  „Ich"  überträgt.  Und  selbst  von  Gelehrten,  welche 
den  Unti'rscliied  zwischen  dem  Selbste  und  dem,  was  nicht  das 
Selbst  ist,  kennen,  werden  [im  praktischen  Gebrauche]  Naipe  und 
Vorstellung  derselben  so  wenig  auseinandergehalten  wie  von  Ziegen- 


32  v^^^^^°)^n^^Ä9^ 

und  Schafhirten.  —  Aus  ät^xa  (i-esagten  crgiebt  sich,  dafs  von  ftllen 
denjenigen,  welche  überhaupt  die  Existenz  eines  über  den  Leib 
u.  8.  w.  hiuausliegenden  Selbstes  annehmen,  die  Vorstellung,  als 
sei  der  Leib  u.  a.  w.  das  Ich,  nicht  als  eine  aneigentliche,  sondern 
als  eine  falsche  anzusehen  ist.  Folglich  beraht  das  Behafletsein 
Wt  dem  Körper  nur  anf  einer  falschen  Vorstellung,  und  damit 
ist  bewiesen,  dafs  der  Wissende  schon  bei  Lebzeiten  kör- 
jp erlös  ist.  Und  dem  entsprechend  sagt  eine  auf  den  Brahman- 
wissenden  bezügliche  Schriftstelle:  „wie  eine  Schlangenhaut  tot 
„und  abgeworfen  auf  einem  Ameisenhaufen  liegt,  also  liegt  dann 
^,dieser  Körper;  aber  das  Körperlose,  das  Unsterbliche,  das  Leben 
„ist  lauter  Brahman,  ist  Uuter  Licht"  (Brih.  4,  4,  7);  und:  ;,mit 
„Augen,  als  wäre  er  ohne  Augen,  mit  Ohren,  als  wäre  er  ohne 
„Ohren,  mit  Rede,  als  wäre  er  ohne  Rede,  mit  Manas,  als  wäre 
„er  ohne  Münas,  mit  Leben,  als  wäre  er  ohjie  Leben";  und  auch 
.  die  Smriti  zeigt  in  der  Stelle:  „Was  ist  das  Wesen  des  im  Wissen 
„Festen?",  u.  s.  w.  (Bhag.  G,  2,  54),  wo  sie  die  Merkmale  des  in 
der  Erkenntnis  feststehenden  Wissenden  aufzählt,  wie  er  von  allem 
Thun  und  Treiben  entbunden  ist.  —  Somit  besteht  für  den,  wel- 
cher das  ßrahmansein  der  Seele  erkannt  hat,  das  Wanderersein 
derselben  nicht  wie  vordem  weiter,  und  bei  wem  das  Wanderersein 

88  noch  wie  vordem  weiter  besteht,  |  der  hat  ebeix^noch  nicht  erkannt, 
dafs  die  Seele  das  Brahman  ist;  das  ist  gewifs. 

Wenn  endlich  noch  behauptet  wurde,  dafs  das  Brahman  zu 
der  Abteilung  von  den  Vorschriften  gehören  müsse,  und  dafs  die 
Bestimmung  seiner  Natur  nicht  Selbstzweck  sein  könne,  weil 
(Brih.  2.4,  5).  auch  nach  erfolgtem  Hören  noch  weiterliin 
ein  Meditieren  und  Erforschen  desselben  gefordert 
werde,  so  bestreiten  wir  das,  indem  [an  der  betreflFenden  Stelle] 
das  Meditieren  und  Erforschen  nur  ein  Erkennen  bedeuten.  Ja, 
wenn  das  erkannte  Brahman  noch  zu  einem  anderweitigen  Zwecke 
in  Anwendung  gebracht  würde,  so  möchte  seine  Zugehörigkeit  zu 
den  Vorschriften  ihre  Richtigkeit  haben;  dem  aber  ist  nicht  so, 
weil  das  Meditieren  und  Erforschen  [keine  weiteren  /wecke  bilden, 
simdem|  ebenso  wie  das  Hören  nur  ein  Erkennen  bedeuten. 

Somit  steht  fest,  dafs  das  Brahman  nicht  als  ein 
Gegenstand  der  Verehrung  oder  der  Vorschrift  vom 
Schriftkanon  gelehrt  wird,  dafs  somit  das  Brahman  um 
seiner  selbst  willen  vom  Schriftkanon  gelehrt  wird;  und 

89  dieses  wird   erwiesen  |   aus  „der  Übereinstimmung"    der 
Vedantatexte. 

Da  dem  so  iet,  so  ist  es  berechtigt,  dafs  [im  Anschlüsse  an 
die  Sutra's  der  Karma-mimänsa}  mit  den  Worten  „Nunmehr  daher 
„die  Brahmanforschung"  (Sütram  1,  1,  1),  ein  [neues]  Lehrbuch 
beginnt.  Wäre  der  Zweck  Verehrung  oder  Vorschrift,  so  würde, 
nachdem   angefang'^n   worden   war:    „Nunmehr    daher    die   Pflicht- 


SAtram  1.  i.  4.  3-J 

„foiv^churigV  (Jaim.  1,  1,  1),  kein  neues  Lehrbach  mehr  anzufangen 
sein;  <lenn  in  dieBem  Falle  würde  noch  einmal  angefangen  werden 
wap  schon  angefangen  war;  es  würde  dann  nur  heif^en  dürfen: 
„Niinmehr  daher  die  übrige  Pflichtforschiing'*,  ähnlich  wie  es  [bei 
/ainiini  4,  1,  1]  heifst:  ,,  Nunmehr  daher  die  Forschung  nach  dem 
,,Z wecke  des  Opfers  und  dem  Zwecke  des  Menschen/'  Weil  aber 
vi»^lmehr  die  Erkenntnis  der  Einheit  von  Brahman  und  Seele  [bei 
Jaintini]  noch  nicht  als  Thema  angekündigt  wurde,  so  ist  es  in 
Ordnung,  dafs  mit  den  Wort-en:  „Nunmehr  daher  die  Brahman- 
,,forschung'^  ein  neues,  diesem  Zwecke  dienendes  Lehrbuch  anhebt. 

Somit  wird  durch  die  Erkenntnis:  „ich  bin  Brahman"  (Brih. 
1>4,10)  allen  Ritualgesetzen  und  allen  andern  [d.h.  weltlichen] 
Erkennt nisioitteln  ein  Ende  gemacht,  denn  nachdem  die  unfliehbare 
und  unsuchbare  Erkenntnis  des  zweiheitlosen  Atman  eingetreten 
ist,  können,  nach  Aufhebung  der  Objekte  wie  des  Subjekts  der 
Erkenntnis,  die  Erkenntnismittel  nicht  weiter  bestehen.  Und  es 
heifst  ja  [in  dem  Gedichte  eines  B rahman^yiss enden] : 

„Nicht  kann  ouneigentUrh»  der  Atman  heiPäen, 
..Weil  er  den  Wahn  verdrängt,  in  Leib  und  Kindern 
„Und  Ähnlichem  das  eigne  Selbst  zu  sehen. 
„Wer  sich  erkannt  hat  als  das  Seiende, 
„Wer  sich  als  Brahman^  als  den  Atman  weifs, 
„Wie  sollte  dem  ein  Werk  zu  thun  noch  bleiben?  — 
„Bevor  zum  Wissen  führt  die  Ätraanforsckung, 
„Bestehet  ein  Erkennersein  des  Atman. 
„Ist  er  orforseht,  so  bleibt  nur  der  Erkeuner, 
„Von  Schuld  und  allen  Mängeln  frei,  nichts  weiter, 
„lind  wie  der  Wahn,  als  sei  der  Leib  das  Selbst, 
„Erzeugt  wird  auf  dem  Wege  des  Beweises, 
„So  steht's  mit  aller  weltlichen  Beweiskunst. 
,,Bei  uns  hingegen  wurzelt  der  Beweis 
„Nur  in  des  eignen  Selbstes  Urgewifsheit*' 


Fünftes  Adhikarauam, 

I  Wir  haben  im  Bisherigen  auseinandergesetzt,  wie  die  Yedantji-  i><> 
vrorte,  indem  sie  den  Zweck  verfolgen,  die  Seele  als  das  nrahmaa 
zu  lehren,  und  vermöge  dieses  Zweckes  in  der  Aufi'ttb>?ung  der 
Seele  als  das  Brahman  übereinstimmen,  bei  der  Darlegung  des 
Brahman  srtehen  bleiben,  ohne  dasselbe  weiter  zu  irgend  einer 
Wirkung  in  Anwendung  zu  bringen.  Das  Brahman  aber  ist,  wie 
wir  sagten,  die  allwissendr-  -und  alljuäclitige  Ursache  für  Ursprung, 
UKüsaaii,  Vaäiato.  3 


34  ClLrtraka-mlmiiÄs& 

Bestand  und  Vergang  der  Welt.  Die  SänhJ^ä'B  hingegen  und 
andre,  in  der  Meinung,  daOs  [die  Weltursache,  als]  ein  wirklich  vor- 
handener Gegenstand,  sich  auch  durch  andre  [d.  h.  weltliche]  Erkennt- 

91  nismittel  |  begreifen  lassen  müsse,  geraten  bei  ihren  Schlüssen  auf 
andre  Weltursachen,  wie  z.  B.  auf  die  Urmaterie  (pradhänam)  n.  &  w.; 
und  in  diesem  Sinne  legen  sie  dann  auch  die  Yed&ntaworte  ans. 
'Auch  in  allen  Yed&ntaworten  aber%  so  meinen  die  SAtikhya^^f 
^welche  von  der  Weltschöpfung  handelten,  werde  nur  mittels 
^Schlufsfolgerung  aus  der  Wirkung  auf  die  Ursache  geschlossen, 
'und  was  die  Verbindungen  der  Urmaterie  mit  d,en  Purusha*s  [indi- 
'yiduellen  Seelen]  betreffe,  so  würden  dieselben  [ganz  ohne  Offen- 
'barung]  lediglich  durch  Schlufsfolgerung  erkannt\  — *-  Die  Anhänger 
des  Katfäda  hingegen  schliefsen  auf  Grund  der  nämlichen  Schrift- 
texte auf  einen  Gott  (i^,vara)  als  die  bewirkende  Ursache  und  auf 
die  Atome  als  die  inhärierende  Ursache.  Und  so  giebt  es  noch 
andre  Anhänger  der  Beflexion,  welche  sich  auf  den  Schein  von 
Schriftworten  und  den  Schein  von  Argumenten  stützen  und  im 
gegenwärtigen  Falle  ala  die  Vertreter  der  zu  bekämpfenden  Mei- 
nung betrachtet  werden  können.  Darum  werden  von  dem  der 
Wortbedeutungen,  Schriffctexte  und  Argumente  kundigen  Iielirer, 
um  zu  beweisen,  dafs  die  Vedäntatexte  als  Zweck  die  Erkenntnis 
des  Brahman  haben,  jene  Aufstellungen  von  scheinbaren  Schrift- 
zeugnissen und  Argumenten  als  gegnerische  Meinung  vorangestellt 
und  widerlegt. 

Die  8äfMyä*B  also,  indem   sie  als  die  Ursache  der  Welt   die 
mit  den  drei  Gutj^'s  (Qualitäten)   ausgestattete,   ungeistige  Urma- 

92  terie  (pr<idkänafn)  \  ansehen,  sagen  wie  folgt:  'Die  Vedantatexte, 
'von  denen  du  behauptetest,  dafs  sie  für*  das  allwissende  und  all- 
'mächtige  Brahman  als  Ursache  der  Welt  Zeugnis  ablegten,  die 
'lassen  sich  auch  für  die  Ansitht,  •  dafs  die  Urmaterie  die  Ursache 
^der  Welt  sei,  verwenden.  Eine  Allmacht  zunächst  läfst.  sich  auch 
'von  der  Urmaterie  hinsichtlich  dessen,  was  eine  Umwandlung  der- 
'selben  ist,  annehmen;  und  ebenso  läfst  sich  die  Allwissenheit  auf- 
'recht  halten.  —  Du  willst  wissen,  wie?  —  Nun,  was  du  unter 
'Wissen  verstehst,  das  ist  nur  eine  Beschaffenheit  des  Satfvaw 
'[einer  der  drei  Guna'B  der  Urmaterie],  denn  die  Smriti  sagt: 
'„das  Sattvam  bringt  hervor  das  Wissen"  (Bhag.  G.  14,  17).  Und 
'mit  dieser  Beschaffenheit  des  Sattoam^  dem  Wissen  als  Organ  des 
'Wirkens  ausgerüstet,  werden  gewisse  FurushiC»  allwissend,  nämlich 
'die  bekannten  Yogin'%,  Denn  die  Allwissenheit  besteht  nur  in 
'einem  keiner  Steigerung  mehr  f&higen  Grade  des  Sattvam.  Und 
Won  einem  blofsen  [der  Urmaterie  und  ihrer  Gund's  entbehrenden] 
^Purusha,  welcher  keine  Organe  des  Wirkens  besitzt  und  aus 
'blofser  Perception  besteht,  kann  mau  doch  nicht  behaupten,  dafs 
'er  allwissend   sei,    oder   auch   nur,    dafs   er   irgend    etwas    wisse. 


Sütram  I.  i.  5.  35 


'Die  Urmaterie  hingegen  enth&lt,  vermdg^  ihres  Bestehens  aus  den 
'drei  Gu^a's,  auch  das  die  Ursache  all^s  Erkennens  'bildende  Sat- 
^toam  im  ürzastande  in  sich,  und  so  kann  anch  der  Urmaterie 
'selbst,  obwohl  sie  ein  Ungeistiges  ist,  doch  eine  Allwissenheit  in 
'aneigenÜichom  Sinne  von  den  Ved&ntatexten  zogescluieben  werden. 
'Und  auch  do,  der  du  ein  allwissendes  Brahman  annimmst,  kiumst 
'die  ihm  zugeschriebene  Allwissenheit  doch  nur  dahin  Terstehan, 
'dafs  sie  in  einer  blofsen  F&higkeit,  alles  wissen  zu  können,  be- 
istehe ;  denn  das  Brahman  kann  doch  nicht  so  .  gedacht  werden, 
'dafs  es  beständig  ein  auf  alles  bezügliches  Erkennen  tliatsächlich 
'ausübte.  Denn  in  diesem  Falle,  bei  einer  beständigen  Ausübung 
'des  Erkennens,  |  Mrürde  die  Freiheit  des  Brahman  in  Betreff  der  d3 
^Thätigkeit  des  Erkennens  aufgehoben  werden.  Gebt  ihr  aber  zu, 
'dafs  die  Ausübung  nicht  beständig  stattfinde,  nun  so  wird  bei 
'einem  Ruhen  der  Thätigkeit  des  Erkennens  auch  das  Brahman 
.'ruhen;  dann  aber  folgt,  dafs  seine  Allwissenheit  nur  in  einer 
^Fähigkeit,  alles  wissen  zu  können,  besteht.  —  Hierzu  kommt, 
'dafs,  nach  deiner  eignen  Annahme,  das  Brahman  vor  der  Welt« 
'Schöpfung  von  allem  dem,  was  zu  einem  Thun  erforderlich  ist, 
'entblöfst  ist.  Und  dafs  auch  ohne  die  Mittel  des  Erkennens, 
'ohne  Leib,  Sinnesorgane  u.  s.  w.,  von  irgend  jemandem  eine  Er- 
'kenntnis  zu  Stande  gebracht  würde,  das  ist  undenkbar.  —  End* 
'lieh  ist  zu  bemerken,  dafb  wohl  die  Urmaterie,  weil  sie  ihrer 
'Natur  nach  vielheitlich  und  somit,  gleichwie  Thon  und  dergleichen, 
'einer  Umwandlung  fähig  ist,  zur  Weltursache  sich  eignet,  nicht 
'aber  das  nnzusammengesetzte  und  seinem  Wesen  nach  einheitliche 
'Brahman.' 

Gegen  diese  Behauptungen  [der  Srf/üb^^a's]    ist    das    folgende 
Sütram  gerichtet  : 


5.    iksJuiter  na,  oQahdam 
wegen  des  Erwägens  nicht;  scliriftwidrig ! 

« 

Es  geht  nicht  an,  für  die  von  den  Rankliyd'B  als  Ursache  der 
Welt  aufgestellte  ungeiritige  Urmaterie  in  den  Vedäntaworten  eine 
Stütze  zu  finden;  denn  dieselbe  ist  „Bchriftwidrig";  —  inwiefern 
Hchriftwidrig?  „wegen  des  Erwägens";  d.  h.  weil  die  Weltursache 
als  einer,  der  erwägt,  von  der  Schrift  hingestellt  wird.  Wie  das  ? 
Nun,  weil  es  in  ihr  heifst:  „Seiend  nur,  o  Teurer,  war  dieses  am 
„Anfang,  eines  nur  und  ohne  zweites";  und  weiterhin:  „dasselbige 
„erwog:  «ich  will  vieles  sein,  will  mich  fortpflanzen»;  da  schuf 
„es  das  Feuei*"  (Chänd.  6.  2);  —  diese  Worte  behaupten,  dafs  die 
durch  das  Wort  „dieses"  bezeichnete,  in  Namen  und  Gestalten 
ausgebreitete  Welt   vor   ihrem  Ursprünge  nur    als    „das   Seiende" 

3* 


36  C^&rlnka-iiilmlülksIL 

Torhaadeo  war,  und  Eeigen,  wie  eben  dieses  in  Rede  Stehende 
nnd  als  „das  Seiende^^  Bezeichnete  nach  vorhergehendem  Erwägen 
da«  Feuer  u.  s.  w.  schnf.  Und  ebenso  heifst  es  an  einem  andern 
Orte:  „Wahrlich  diese  Welt  war  au  Anfang  der  Aiman  allein;  es 

M  „war  nichts  andres  da,  die  Augen  aufsuschlagen.  |  Er  erwog:  «ich  will 
„nun  Welten  schaffen»;  da  schuf  er  diese  Welten**  (Ait.  1,  1,  1); 
—  auch  diese  Worte  besagen,  dafs  der  Schöpfung  ein  Erwägen 
vorangegangen  sei.  Und  an  einem  andern  Orte,  wo  die  Bede  ist 
von  dem  „sechsehnteiligen  Geiste^*,  heifst  es  von  ihm:  „er  erwog; 
„da  schnf  er  den  Odem"  (Pra^na  6,  3).  Wenn  das  Sätram  sagt: 
„wegen  des  Erwägens*',  so  kommt  es  hierbei,  ähnlich,  wie  wenn 
es  [bei  Jaimini]  heifst:  „wegen  des  Opferns",  auf  den  Sinn  der 
Wurzel,  nicht  auf  die  Wurzel  (iksk)  selbst  an.  Wenn  es  daher 
heifst:  „der  alles  kennt  (jna)  und  alles  weifs  (vid)^  des  Bufse 
„ganz  Erkenntnis  ist,  aus  diesem  ist  Brahman  [Hirai^paffarbha]  ent- 
„standen,  Name,  Gestalt  und  Nahrungskeim'*  (Mu^d.  1,  1,  9),  so. 
kann  man  auch  Worte  wie  diese,  welche  sich  auf  den  allwissenden 
Gott  als  die  Ursache  beziehen,  zum  Belege  [des  Sültram]  anfUireii. 
Wenn  hingegen  behauptet  wurde,  dafs  auch  die  Urmaterie, 
vermöge  des  Wissens  als  einer  Beschaffenheit  des  SaUvam^  für 
allwissend  gelten  könne,  so  geht  dies  nicht  an;  denn  in  dem  Zu« 
Stande  als  Urmaterie  besteht,  vermöge  des  [in  ihm  herrschenden 
Gleichgewichts  der  [drei]  Gtmä'B  [Sattvatn,  Bajas  und  Tatnas 
das  Wissen  als  eine  Beschaffenheit  des  Saitvam  noch  nicht.  — 
*  Aber  wir  sagten  doch,  dafs  dieselbe  vermöge  der  Fähigkeit,  alles 
*zu  wissen,  för  allwissend  gelten  könne?'  —  Auch  das  geht  nicht 
an.  Denn  will  man  der  Urmaterie,  auf  Grund  der  im  Gleich- 
gewichtsstande der  Guna*%  dem  Satlvam    einwohnenden  Fähigkeit 

95  des  Wissens,  eine  Allwissenheit  beilegen,  nun,  |  so  mufs  man 
ihr  auch,  auf  Grund  der  dem  Rajas  und  Tainas  einwohnenden 
Fähigkeit,  das  Wissen  zu  hemmen,  zugleich  ein  eingeschränk- 
tes Wissen  beilegen.  Hierzu  kommt ^  dafs  die  blofse  Funktion 
des  Sativam,  ohne  dafs  .ihm  ein  [Purushu  als]  Zuschauer  (säkshin) 
zur  Seite  stünde,  noch  kein  Wissen  genannt  werden  kann.  Die 
Urmaterie  aber  kann,  weil  .ungtdstig,  nicht  den  Zuschauer  dabei 
bilden.  Folglich  ist  eine  Allwissenheit  der  Urmaterie  unmöglich. 
Bei  den  Yoffin's  hingegen  ist,  weil  sie  geistig  sind,  eine  Allwissen- 
heit, soweit  sie  in  einem  alles  überragenden  Grade  [des  Wissens] 
besteht,  möglich,  daher  man  sich  auf  sie  dabei  nicht  berufen  dar! 
Oder  wollt  ihr,  dafs  das  „Erwägen*'  der  Urmaterie  durch  einen 
[ihr  einwohnenden  Purusha  als]  Zuschauer  bedingt  sei,  ähnlich  wie 
z.  B.  das  Brennen  der  Eisenkugel  durch  das  [sie  durchglühende] 
Feuer  bedingt  ist?  In  diesem  Falle  ist  die  Sache  in  Ordnung; 
denn  eben  jenes  [der  Urmaterie  als  Zuschauer  einwohnende  Princip], 
worauf  das  „Erwägen**  derselben  beruht,  das  ist  das,  im  eigent- 
lichen Sinne  des  Worts,   allwissende  Braliman  als  Ursache  der  Welt. 


BAtnun  I.  i.  6.  37 

Wenn  hingegen  behauptet  wurde,  dafa  aach  dem  Brahman  eine 
Allwissenheit  im  eigentlichen  Sinne  nicht  beigelegt  werden  könne, 
weil  bei  einer  fortwährenden  Bethätigung  des  Erkennens  die  Frei- 
heit hinsichtlich  der  Thatigkeit  des  Erkennens  aufgehoben  werde, 
so  wollen  wir  darauf  antworten.  Vorher  aber  müssen  wir  den 
geehrten  Gegner  fragen,  ob  er  wohl  behaupten  kann,  dafs  auch 
bei  Annahme  einer  fortwährenden  Bethätigung  des  Erkennens  der 
Allwissenheit  nicht  [im  strengsten  Sinne]  Genüge  geleistet  werde? 
Was  nämlich  die  Auffassung  derselben  als  ein  fortwährendes  Wissen 
betrifft,  sofern  dasselbe  [blofs  potentiell]  im  Stande  ist,  alle  Ob- 
jekte 2U  beleuchten,  so  steht  diese  mit  dem  Begriff  eines  Allwissen- 
den in  Widerspruch.  Denn  da  sie  kein  [wirklich]  fortwährendes 
Wissen  ist,  sofern  sie  manchmal  erkennt  und  manchmal  wieder 
nicht,  so  ist  selbst  sie  noch  keine  [wahre]  Allwissenheit.  Dieser 
Fehler  fUlt  weg,  wenn  man  [mit  uns]  eine  ununterbrochene  Fort- 
dauer des  [aktuellen]  Erkennens  annimmt.  —  ^Aber  bei  einer 
^solchen  ununterbrochenen  Fortdauer  des  Erkennens  läfst  sich  doch 
'nicht  die  Freiheit  [des  Brahman]  hinsichtlich  des  Erkennens  auf- 
brecht haltenl*  —  Das  bestreiten  wir,  denn  auch  bei  der  wärmen- 
den und  leuchtenden  Sonne  läfst  sich,  obwohl  sie  ohne  Unterlafs 
wämat  und  leuchtet,  doch  von  einer  Freiheit  derselben  hinsichtlich 
dieser  Wirkungen  reden.  —  'Aber  die  Sonne  wärmt  und  leuchtet 
'doch  nur  darum,  weil  ein  zu  erwärmendes  und  zu  erleuchtendes 
'Objekt  mit  ihr  yerbunden  ist ;  |  für  das  Brahman  hingegen  besteht  9€ 
'vor  der  Weltschöpfung  keine  solche  Verbindung  mit  einem  Werke 
*[d.  h«  Gegenstand]  des  Erkennens;  daher  der  Vergleich  nicht  pafst.'  . 
-  Wenn  auch  kein  Werk  [zu  beleuchtender  Gegenstand]  vorhan- 
den ist,  so  kann  man  doch  sagen,  die  Sonne  leuchte,  und  ihr  somit 
ein  Thätersein  beilegen.  Ebenso  geht  es  an,  dafs  dem  Brahman, 
selbst  wenn  kein  Werk  seines  Erkennens  vorhanden  sein  sollte,' 
durch  di?  Worte:  „dasselbige  erwog'S  ein  Thätersein  beigelegt  wird; 
daher  dtr  Vergleich  nicht  unpassend  ist.  Nun  sind  aber  jene 
Schriftstellen,  die  von  einem  Erwägen  des  Brahman  reden,  um  so 
mehr  angemessen,  als  sie  wirklich  ein  Werk  des  Brahman  dabei 
im  Auge  haben.  —  'Aber  was  könnte  das  wohl  für  ein  Werk  sein, 
'welches  vor  der  Weltschöpfung  für  das  Erkennen  Gottes  ein 
'Objekt  bilden  könnte?'  —  Wir  antworten:  es  sind  die  weder  als 
seiend  noch  als  nicht -seiend  definierbaren,  noch  nicht  entfalteten, 
zur  Entfaltung  drängenden  Namen  und  Gestalten  [der  Sinnen  weit]. 
Denn  dasjenige,  durch  dessen  Gnade,  wie  die  Anhänger  des  Yoga- 
Systems  annehmen,  auch  die  Yogin's  ein  anschauliches  Wissen  von 
Vergangenem  und  Zukünftigem  haben,  um  wie  viel  mehr  mufs 
diesem,  nämlich  dem  ewigen  reinen  Gotte,  ein  auf  Ursprung,  Be- 
stand und  Vergang  der  Welt  bezügliches,  unaufhörliches  Wissen 
zugeschrieben  werden! 


8$  giilrAka-DiirainBft 


Wenn  weiter  behauptet  wurde,  dafs  vor  der  Weltschdpfung^ 
dem  Brahman,  ohne  dafs  es  mit  einem  Leibe  n.  s.  w.  behaftet 
w&re,  ein  Erwftgen  nicht  möglich  sei,  so  h&lt  auch  das  nicht  gegen 
97  das .  Vorbemerkte  Stand.  |  Ben^  wie  def  Sonne  das  Leuchten,  so 
kommt  dem  Brahman  als  ewige  Wesensbeschaffenheit  das  Erkennen 
su^  daher  es  keiner  Organe  des  Erkennencr  bedarf*  Ja,  bei  der 
im  Nichtwissen  befangenen,  wandernden  Seele  mag  das  Entstdien 
einer  Erkenntnis  durch  den  Leib  u.  s.  w.  bedingt  sein,  nicht  aber 
bei  Gott,  f&r  welchen  eine  Ursache  der  Hemmung  des  Wissens 
nicht  l>esteht.  Und  dafs  Gott  keines  Leibes  u.  s.  w.  bedarf,  und 
dafs  sein  Erkennen  ohne  jedes  Hemmnis'  vor  sich  geht,  das  be- 
zeujßfen  auch  folgende  beiden  SchriftTerse  (^et.  6,  8  und  3,  19): 

„An  ihm  ist  keine  Wirkung,  kein  Organ; 
„Nicht  ist  ihm  jemand  gleich  noch  ftberlegen. 
„Sein  höchstes  Können  geht  nach  allen  Seiten, 
„Ureigen  ist  ihm  Wissen,  Kraft  und  Wirken."* 

„Ohn*  H&nde  greift  er,  ohne  Fafse  läuft  er, 
„Schaut  ohne  Augen  und  hört  ohne  Ohren; 
„Er  weifs  was  vifsbar,  aber  ihn  weifo  Niemand, 
„Er  keifst  der  grofse  Geist,  der  allerhöchste." 

08  I  —  'Aber  es  giebt  ja  doch  gar  keine,  eine  Ursache  der  Hemmung 
^des  Wissens  in  sich  enthaltende  und  von  Gott  verschiedene,  wan- 
^demde  Seele;  denn  die  Schrift  sagt:  „nicht  giebt  es  aulser  ihm 
'„einen  Sehenden,  .  .  .  nicht  giebt  es  aufser  ihm  einen  Erkennen- 
'„den**  (Brih.  3,7,  23);  was  soll  es  also  heifseii,  wenn  behauptet 
'wurde,  dafs  bei  der  wandernden  Seele  das  Entstehen  des  Wissens 
'an  die  Bedingung  eines  Leibes  u.  s.  w.  geknüpft  sei,  bei  Gott 
'  'hingegen  nicht?*  —  Darauf  antworten  wir:  allerdings  giebt  es 
keine  von  Gott  verschiedene,  wandernde  Seele;  gleichwohl  aber 
nimmt  man  die  Verbindung  [des  Ätman]  mit  den  UpäähVn  (Be- 
stimmungen) des  aus  Leib  u.  s.  w.  bestehenden  Aggregates  an, 
ähnlich  wie  die  Verbindung  des  Raumes  mit  deii  UpddhpB  von 
Töpfen,  Krügen,  Berghöhlen  u.  s.  w. ;  und  durch  sie  zeigt  sich  der 
Sprachgebrauch  des  gemeinen  Lebens  nach  Wort  und  Vorstellung 
bedingt,  indem  man  von  einer  Höhlung  des  Topfes,  des  Kruges' 
u.  B.  w.  redet,  wiewohl  dieselben  unabhängig  vom  Weltraum  gar 
nicht  bestehen ;  und  hierdurch  veranlafst  kommt  auch  die  falsche 
Erkenntnis  zum  Vorschein,  alß  gebe  es  in  dem  Welträume  einen 
von  ihm  verschiedenen  Raum  innerhalb  des  Topfes.  Ganz  ebenso 
steht  es  auch  im  vorliegenden  Falle  mit  der  falschen  Erkenntnis, 
als  gebe  es  eine  von  Gott  verschiedene,  wandernde  ^Seele^  und 
dieser  Irrtum  wird  bewirkt  dadurch,  dafs  man  [den  Atman]  von 
seiner  Verbindung  mit  den  Upddhi^B  des  Aggregates  von  I^eib  a.  s.  w. 
nicht  unterscheidet.     Und  so  gewinnt  es   den  Anschein,  als  wenn 


Süiram  I.  i.  5.  39 

das  Seiende,  numlicli  das  Solbat,  in  das  Aggregat,  von  Leib  u.  s.  w., 
welche  utc^ht  das  Selbst  sind,  mit  seiner  Selbutheit  eingegangen 
wäre,  I  und  zwar  nur  infolge  einer  jedesmal  [bei  jeder  neuen  t)9 
Verkörperung]  als  Vorauesetsong  vorli ergegangenen  falsehen  Er- 
kenntnis. Steht  aber  einmal  in  dieser  Weise  das  Wanderersein 
[der  Seele]  als  Voraussetzung  fest,  so  ist  als  eine  weitei*e  Folge- 
rung berechtigt,  dafs  das  Erkenner-  sein  dieser  wandernden  Seele 
durch  den  Leib  u.  s.  w.  bedingt  ist. 

Wenn  endlich  noch  gesagt  wurde,  dafs  man  wohl  die  aus 
vielerlei  znsammengesetzte  Urmaterio  als  Weltursache  annehmen 
könne,  so  wie  den  [aus  vielen  Teilen  bestehenden]  Thon  [als  Ur- 
sache der  Gef&fse],  nicht  aber  das  unzusammengescizte  Hrahmau, 
8o  ist  diese  Einwendung  damit  schon  beantwortet,  dafs  eine  iTi^ 
materie  schriftwidrig  ist»  Dafs  man  aber  auch  durch  die  blofso 
Ueflexion  das  Brahman,  nicht  aber  die  Urmaterie  und  dergleichen, 
als  Weltnrsache  einweisen  kann,  das  wird  der  Autor  weiter  unten 
ansführen,  von  der  Steile  an,  wo  es  heifst:  „nein!  wegen  Wesens- 
„ Verschiedenheit  von  dieser  [Welt]*'  u.  s.  w.  (Sütram  2,  1,  4). 

—  liier  könnte  man  einwenden:  *Wenn  gesagt  wurde,  daft^ 
'die  ungoistige  Urmaterie  nicht  Ursache  der  Welt  sein  könne, 
'weil  die  Schrift  von  einem  „ Erwägen ''  rede,  so  Iflfst  sich  das 
^auch  anders  auffassen.  Denn  auch  ein  Ungeistiges  wird  in  bild- 
lichem Sinne  als  ein  Geistiges  vorgestellt,  etwa  wie  man  mit 
'Bezug  auf  den  bevorstehenden  Einsturz  eines  Ufers  sagt:  „das 
S,Ufer  will  eii^stürzen'^ ;  hier  wird  das,  wiewohl  ungeistige,  Ufer 
4n  bildlichem  Sinne  als  ein  geistiges  vorgestellt.  Pjbenso  kann 
*die,  wiewohl  ungeistige,  Urmaterie,  indem  die  Schöpfung  aus  der- 
*selbcn  bevorsteht,  in  bildlichciu  Sinne  als  ein  Geistiges  vorgestellt 
'und  von  ihr  gesagt  werden,  dioKolbige  „erwog'"  (Chand.  6,  2,  3). 
'Wie  nämlich  im  Leben  ein  Mensch,  dei  ein  geistig«-  ist,  nachdem 
er  gebadet  und  gcgcs8<m  hat,  orwilgt:  „den  Nachmittag  will  ich 
S.ins  Dorf  fahren",  und  sodann  dem  entsprechend  als  Determinierter 
'handelt.  |  -ebenso  handelt  auch  die  Urmaterie,  indem  sie  in  die  \0<t 
'Gestalten  des  Mahad  u.  s.  w.  eingeht,  als  Determinierte,  und  wird 
'daher  in  bildlichem  Sinne  als  ein  Geistiges  aufgcfafst.'  -—  Aber 
mit  welchem  Kochte  verläfst  man  den  eigentlichen  Sinn  des  Er- 
wägens  und  nimmt  den  bildlichen  an?  —  'Deswciü^cn  weil,  wenn 
'es  weiter  heifst:  „dieses  Feuer  ei-wog",  „dieses  Wflsser  erwog'- 
'(Chand.  6,2,3.  4),  auch  Wasser  und  Feuor,  wiewohl  sie  doch 
'ungeistig  sind,  in  bildlichem  Sinne  als  ein  Geistiges  aufgefafst 
*werden.  Darum  mufs  man  aucli  da,  wo  von  der  Thätigkeii  des 
'Seienden  die  Kede  ist,  das  Erwägen  in  bildlichem  Sinne  auffassen, 
'weil  doch  einmal  alles  Reden  [der  Schrift]  vorwiegend  in  Bildern 
'sich  bewegt.'  — 

Gegen  diese  Behauptung  ist  das  folgende  SiUram  gerichtet: 


6.    gaunag  cen?  na!  dtma-^bdät 
bildlich,  meint  ihr?    Nein!  wegen  des  Wortes  Atman. 

Wenn  behauptet  viirde,  dafa  die  ungeistige  Urmaterie  unter 
dem  Worte  „das  Seiende"  (Ch&nd.  6,  2,  1)  zu  verstehen  sei,  und 
dafB  das  ihr  zugeschriebene  „Erwägen"  (Gh&nd.  6,  2,  3),  ebenso 
wie  bei  dem  Wasser  und  Feuer,  bildlich  zu  nehmen  sei,  so  ist 
das  unzulässig.  WaruniV  „wegen  des  Wortes  Atman."  Denn 
Tiachdem  es  zu  Anfang  hiefs  (Ghaud.  6,  2,  1):  „Seiend- nur,  o  Ten- 
,,rer,  war  dieses  am  Anfang",  und  weiter  „dasselbige  erwog,  .  .  . 
„da  schuf  es  das  Feuer";  und  nachdem  die  Schöpfiuig  von  Feuer, 
Wasser  und  Nahrung  berichtet  worden  ist,  so  werden  jenes  .vor- 
erwähnte, erwägende  „Seiende"  und  die  Genannten,  Feuer,  Wasser 
und  Nahrung,  unter  der  Benennung  als  (lottheiten  zusanunengefafst, 
worauf  es  hcifst:  „jene  Gottheit  [das  Seiende]  erwog:  «wohlan, 
„ich  will  in  diese  drei  Gottht^iton  [Feuer,  Wasser,  Nalurung]  mit 
„diesem  leb<'nden  Atman  [der  individuellen  Seele]  eingehen  und 
„au^einanderbreiten  Namen  und  Gestalten»"  (Ghänd.  6,  S,  2). 
Wäre  hier  die  ungeistige  Urmaterie  in  bildlichem  Sinne  unter  dem 
Erwägenden  zu  verstehen,  so  mtifste  man  auf  eben  dies^be,  ak 
das  in  Rede  Stehende,  auch  die  Worte  „diese  Gottheit"  u.  s.  w. 
beziehen,  und  dann  könnte  die  Gottheit  nicht  die  individuelle 
Seele  (Jiva)  als  ilu-en  Atman  (ihr  Selbst)  bezeichnen.  Denn  das 
Wort  Jiva  [individuelle,  eigentlich:  lebendige  Seele]  bedeutet  den 
geistigen  Aufseher  des  Leibes  und  den  Träger  der  Lebensorgane, 
wie  der  Sprachgebrauch  und  die  Etymologie  [von  jiv  leben]  be- 
weist. Wie  könnte  dieser  „der  Atman"  der  ungeistigen  Urmaterie 
heifben?  Denn  Atman  (Selbst)  bedeutet  ja  die  eigentliche  Natur; 
101  I  die  geistige  individuelle  Seele  kann  aber  nicht  die  eigentliche 
Natur  der  ungeistigen  Urmaterie  sein.  Vielmehr  mufs  man  hier 
das  Erwägende  im  eigentlichen  Sinne  auffassen  als  das  geistige 
Brahmau,  denn  bei  diesem  ist,  wo  es  sich  um  die  individuelle 
Seele  handelt,  die  ßezeiclmung  derselben  als  der  Atman  (das  Selbst) 
des  Bvahman  zulässig.  So  wenn  es  heifst:  „Was  jenes  Feine  ist, 
„dessen  Wesens  ist  dieses  Weltall,  das  ist  das  Reale,  das  ist  der 
„Atman,  das  bisl  du,  o  ^vetaketu!"  (Chänd.  6,  8,  7),  so  bezeichnet 
hier  die  Schrift  in  den  Worten  „das  ist  der  Atman"  mit  dem 
Worte  „Atman"  das  vorhererwahn  l'eine  als  den  Atman,  \md 
diesen  weist  sie  in  den  Worten:  „uas  bist  du,  o  Qvetaketu"  als 
die  Seele  (ä^mati)  des  geistigen  (^vetaketu  auf.  Was  hingegen  das 
Wasser  und  das  Feuer  betrifft,  m»  ergiebt  sich  ihre  Ungeistigkeit 
daraus,  dafs  sie  Objekte  sind,  sowie  aucli  daraus,  dafs  sie  bei  der 
AuseinanderbreitULig  zu  Namen  und  Gehtaltcn  u.  s.  w.  nur  ah 
Mittel  55nr  Verwendung  kommen,  so  dafs  hier  ijicht,  wie  dort  durcli 


S^^tram  I.  i.  6.  41 

das  Wort  Atman,  irgend  ein  Grund  vorliegt,  das  ihnen  zuge- 
schriebene „Erwägen-*'  im  eigentlichen  Sinne  und  nicht  vielmehr, 
wie  bei  dem  Ufer  [welchen  einstürzen  will]  im  übertragenen  Sinne 
ftufzufansen.  Übrigens  wird  diesen  beiden  das  Erwägen  auch  nur 
mit  Rücksicht  darauf  beigelegt,  dafs  sie  von  dem  „Seiendeu^* 
regiert  werden,  während  hingegen  bei  dem  „Seienden'^  das  Erwä- 
gen, wie  bemerkt,  wegen  des  Wortes  Ätman  nicht  uneigentlich 
aufgeCafst  werden  darf. 

Hier  konnte  man  [von  Seiten  der  Säökhya's]  einwenden:  'auch 
^bei  der  ungeistigen  |  Urmaterie  ist  das  Wort  Ätman  zulässig,  so-  103 
'fern  sie  es  ist,  welche  [nach  der  Theorie  der  Sankhya's]  alle 
'Zwecke  des  Atman  vei^wirklicht ;  ähnlich  wie  ein  Miuister,  der  alle 
'Zwecke  eines  Monarchen  verwirklicht,  dessen  Ätman  (Selbst)  ge- 
^nannt  werden  kann,  indem  der  Füret  sagt:  „Bhadraseua  ist  mein 
'„Selbst  [mein  andres  Ich]."  Denn  die  Urmaterie  ist,  indem  sie 
'für  den  Purusha^  den  Ätman  [der  Sankhyalehrc],  sowohl- das  üe- 
*niefsen  [der  Frucht  seiner  Werke]  als  auch  die  Erlösung  verwirk- 
'lioht<,  demselben  ebenso  behülflich,  wie  es  dorn  Fürsten  in  den 
'Oeschttften  des  Kriegs  und  des  Friedens  der  Minister  ist.  —  Oder 
'auch  man  kann  sag^n,  das  eine  Wort  Ätman  kann  sich  auf  Gci- 
'Rtiges  und  auch  auf  Ungeistiges  beziehen,  wie  letzteres  z.  B.  in 
'den  Ausdrücken  „das  Selbst  der  Elemente",  „das  Selbst  der  Sinne" 
'geschieht;  ähnlich  wie  ja  auch  das  eine  Wort  „Licht"  das  Opfer 
'[den  Jpotishfoma]  und  das  Brennen  bezeic}inet.  Mit  welchem 
'Rechte  also  behauptet  man  auf  Grund  des  Wortes  Ätman,  dafs 
'das  Erwägen  nicht  im  bildlichen  Sinne  verstanden  werden  könne  ?^ 

Auf  diese  Einwendungen  antwortet  der  Lehrer: 


7.    tan-nishthasya  moksha-upade^t 
weil  von  dem  in  ihm  Stehenden  Erlösung  gelehrt  wird. 

Unmöglich  kann  die  ungeistige  Urmaterie  auf  das  Wort  Atman 
gestützt  werden.  Denn  die  Schrift,  nachdem  sie  (Chand.  6,  8,  7) 
mit  den  Worten:  „das  ist  die  Seele  (ätmany^  das  vorerwähnte 
Seiende,  Feine  wieder  aufgenommen,  zeigt  durch  die  Worte:  „das 
,,bi8t  du,  o  Qvetaketu!"   von  dem  geistigen  Qvetaketu,  der  erlöst 


stehe  und   lehrt  dann 
die  Erlösung   erlange, 


werden  soll,  dafs  er  in  ihm  [dem  Atman 
weiter,  wie  ein  solcher  [in  ihm  stehender 
indem  sie  sagt:  „ein  Mann  der  hienieden  einen  Lehrer  gefunden 
„hat,  ist  sich  bewufst:  «diesem  [Welttreiben]  werde  ich  nur  so 
.,lange  angehören,  bis  ich  erlöst  sein  werde;  darauf  werde  ich 
„heimgehen»"  (Chand.  6,  14,  2).  Würde  nämlich  unter  dem 
Seienden  die  ungeistige  Urmaterie  verstanden,  und  auf  sie  mit 
dem  Worte  „das  bist  du"  verwiesen,  so  hiefse  dieses  so  viel,  als 


42  ^4riraka-min\ftnsä 

^  wenn   dorn  nach  Erlösung    verlangenden  GoMttgeu    gefragt    würde: 

,,du  bist  ein  Ungeistiges";  dann  aber  würde   der  Kanon,   der   das 

^  103  Gegenteil  versichert,  |  den  Endzweck   des  Mentichen   nicht  förderp 

und  mithin  ohne  Autorität  sein.     Dem  unfehlbaren  Kanon  aber  die 

^  Autorität  absprechen,  —  das  geht  nicht.     Und   wenn   der  Kanon 

f  seine  Autorität  dazu  benutzen  wollte,  lun  dem  Unwissenden,  nach 

Erlösung  Suchenden,  ein  Ungeistiges,  welches  nicht  Seele  ist,  als 
die  Seele  aufzuzeigen,  so  würdo  dieser,  indem  er  sich  in  gläubigem 
Vertrauen  an  diese  Aiifl^sung  der  Seele,  wie  der  Blinde  an  den 
Kuhschwauz,  hielte,  die  von  ihr  verschiedene  [wahre]  Seele  nicht 
kennen  lernen;  er  würde  somit  den  Weg  zum  Ilcile  verfehlen  und 
in  Unheil  geraten.  Wie  daher  der  Kanon  dem,  der  nach  himm- 
lischem Lohne  u.  h.  w.  begelirt,  als  Mittel  hierzu  das  Feueropfer 
u.  B.  w.  der  Wahrheit  gemufs  zu  wissen  giebt,  so,  mufs  mtün  an- 
nehmen, giebt  er  auch  dem,  der  nach  Erlösung  begehrt,  in  den 
Worten:  --„das  ist  die  Seele,  das  bist  du,  o  Qvetaketu*'  (Chand.  6,  8,  7) 
der  Wahrheit  gemäfs  das  Wesen  des  Atman  (Seele)  zu  wissen. 
Steht  es  so,  dann  hat  es  auch  seine  Richtigkeit  mit  dem  Gleich- 
nisse von  der  Freisprechung  nach  Anfassen  der  glühenden  Axt 
(Chand.  6,  16),  durch  welches  gelehrt  wird,  dafs,  wer  die  Wahr- 
heit aussagt,  zur  Erlösung  gelangt.  Im  andern  Falle  uämlidi, 
wenn  hier  nur  in  uneigentlichem  Sinne  die  Wesenheit  der  Seolu 
als  „das  Seiende"  gelehrt  würde,  so  hätten  wir  es,  älmlich  wie  in 
Worten,  wie:  „ich  bin  der  Hymnus,  so  soll  er  denken*'  (Ait.  är. 
2,  1,  2,  6),  mit  einer  blofsen  Pitrallelsetzung  zu  thun,  eine  solchn 
aber  könnte  nur  vergänglichen  Lohn  bringen;  daher  sie  keine  An- 
weisung zur  Erlösung  sein  würde.  Somit  ist  das  Wort  Atntau 
von  dem  Seienden,  dem  Feinen,  nicht  in  blofs  bildlichem  Sinne  7u 
verstehen.  —  Anders  ist  es  in  dem  Beispiele  vom  Minister.  Ilitr 
liegt  die  Verschiedenheit  von  Fürst  und  Minister  vor  Angen,  und 
darum  kann  [ohne  Mifsverätündiiis  zu  besorgen  |  in  dem  Ausdrucke 
,,Bhadrasqna  ist  mein  Selbst"  das  Wort  Selbst  (dtmnn)  in  unoigent- 
lichem  Sinne  gebraucht  werden.  Aber  deswegen,  weil  ein  Wort 
104  irgendwo  in  bildlichem  Sinne  gebraucht  wird,  |  ht  man  nicht  be- 
rechtigt, die  Bildlichkeit  auch  da  anzunehnion ,  wo  das  Wort  zu 
dem  Beweise  einer  Sache  dient;  weil  man  sich  sonst  auf  nichts 
mehr  verlassen  könnte.  —  Wenn  aber  weiter  behauptet  wurde, 
dafs  das  Wort  „Atman*'  eine  gemeinschaftliche  Bezeichnung  für 
(leistiges  und  Ungeistiges  sei,  so  wie  das  W(nt  „Licht'*  für  das 
Opfer  und  das  Brennen,  so  geben  wir  das  nicht  zu.  weil  eint* 
solche  Annahme  zweier  Bedeutungen  gegen  die  Rege)  ist.  Somit 
bezieht  sich  das  Wort  Atmun  im  eigentlichen  Sinne  nur  auf  Gei- 
stiges und  kann  bei  den  Elementen  u.  s.  w.  nur,  sofeni  man  sie 
bildlich  als  ein  Geistiges  auffafst,  angewendet  werden  in  Aus- 
drücken wie  „das  Selbst  (dtman)  der  Elemente ^S  „das  Selbst  der 
„Sinne^^     Wäre  aber  auch    das  Wort  Atman    [für  Geistiges    und 


SAtmm  I.  L  7.  43 

ÜDgcUtiges]  gemeinsam,  so  dürfte  doch  nicht,  ohne  eine  [entspre* 
chende]  Titelüberschrift  oder  irgend  ein  dafür  entscheidendes 
Zttsatewort,  beliebig  die  eine  oder  andere  Bedeutung  angenommen 
werden.  Im  vorliegenden  Falle  nun  liegt  kein  entscheidender  - 
Grund  Tor,  es  auf  Ungeistiges  zu  beziehen.  Vielmehr  ist  die 
Rede  von  dem  als  ein  Erw&gendes  erwähnten  Seienden,  und  mit 
diesem  wird  in  Verbindung  gesetst  der  geistige  ^>vetaketu.  Denn 
dafs  dem  geistigen  Qvetaketu  nidit  ein  ungeistiges  Selbst  beige- 
legt werden  kann,  haben  wir  bereits  gesehen.  Somit  steht  fest, 
dafs  das  Wort  Atman  hier  ein  Geistiges  bedeutet.  Und  auch  das 
Wort  Licht  bedeutet  in  der  Anwendung  des  gewöhnlichen  Lebenn 
nur  das  Brennende  und  wird  auf  das  Opfer  nur  angewendet  wegen 
seiner  sur  Erl&uterung  herbeigezogenen  Analogie  mit  dem  Brennen- 
den.    Daher  das  Beispiel  nicht  pafst. 

Eine  andre  Erklärung  [von  Sütram  6 — 7]  geht  dahin,  dafs 
schon  im  erstem  Sütrar^i  das  Wort  Atman  durch  Ausschliefaung 
alles  Denkens  an  eine  Bildlichkeit  oder  [für  Geistiges  und  Un- 
geistiges] Gemeinsamkeit  desselben  |  klargelegt  werde,  und  dafs  105 
fiodann  in  den  Worten:  „weil  von  dem  in  ihm  Stehenden  Erlösung 
„gelehrt  wird^^  ein  selbständiger  Grund  für  die  Ablehnung  der 
Urmaterie  als  Weltursaohe  folge. 

Somit  ist  nicht  die  ungeistige  Urmaterie  unter  dem  „Seienden** 
zu  verstehen.  Und  warum  weiter  kann  das  „  Seiende '*  nicht  die 
Urmaterie  [der  Sankhja's]  sein?    Antwort: 


8.    heyatvchavacamc  ca 
auch,  weil  ein  Abgehen  nicht  befohlen  wird. 

Gesetzt,  es  wäre  nur  die  nicht  der  Atman  seiende  Urmaterie, 
welche  unter  dem  „Seienden*'  zu  veratehen  wäi'e  und  durch  die 
Worte:  „das  ist  die  Seele  (Atman),  das  bist  du"  (Ch&nd.  6,  8,  7) 
hier  gelehrt  würde,  so  würde  die  Schrift,  da  einer  nach  Anhören 
dieser  Unterweisung  erst«  was  nicht  Atman  ist,  kennen  würde,  ihn 
hierbei  nicht  stehen  lassen,  sondern  weiter,  um  den  eigentlichen 
Atman  zu  lehren,  ein  Abgehen  davon  befehlen.  Ähnlicli  wie  einer, 
wenn  er  die  Arvndhali  [einen  kleinen  Stern  in  der  Nähe  des 
Siebengestims]  zeigen  will,  zuerst  auf  einen  gi'ufsen  Stern,  den  er 
nicht  meint,  als  wäre  dieser  die  Arundhati^  hinlenkt,  dann  aber 
von  demselben  abgeht  und  die  Ärundhati  selbst  zeigt,  ebenso 
würde  die  Schrift  [in  unserm  Falle]  sagen,  dafs  [das  bisher  Ge- 
lehrte] noch  nicht  der  Atman  sei.  So  aber  drückt  sie  sich  keines- 
wegs aus.  I  Vielmehr  durch  den  ganzen  sechsten  Abschnitt  [der  106 
ChändostyO'üpanishad]  bleibt  sie  dabei,  den  Atman  nur  als  jenes 
„Seiende"  zu  lehren.  —  Das  Wort  „auch"   [im  Sütram]  hat  den 


--  --rv 


44  ^&riraka-inlm&n3& 

Zweck,  Doch  einen  weitern  Grund  anzudeuten,  nämlich,  dafs  das 
gegebene  V^csprechen  unerfüllt  bleiben  würde  [wenn  das  Seiende 
nicht  der  Atman  wäre].  Wenn  auch  ein  Abgehen  befohlen  vrürde 
[und  somit  der  obige  Grund  wegfiele],  so  würde  doch,  [als  ^in 
damit  nicht  gehobenes  Bedenken  gegen  die  Auffassung  des  „Seien- 
den" als  Urmaterie]  bestehen  bleiben,  dafs  das  gegebene  Verspre- 
chen unerfüllt  bliebe.  Denn  es  war  [zu  Anfang  der  Stelle]  ver- 
sprochen worden,  dafs  damit,  dafs  die  Ursache  erkannt  würde, 
alles  [wegen  seiner  Identität  mit  der  Ursache]  erkannt  worden 
sein  solle.  Nämlich  es  hiefs  (Chänd.  6,  1,  3  fg.):  ,>Ha8t  du  denn 
.,auch  der  Unterweisung  nachgefragt,  durch  welche  [auch]  das 
„Ungehörte  ein  [schon]  Gehörtes,  das  Unverstandene  ein  Yerstan- 
„denes,  das  Unerkannte  ein  Erkanntes  wird?  —  Wie  ist  denn,  o 
„Ehrwüi-diger,  diese  Unterweisung?  —  Gleichwie,  o  Teurer,  durch 
„einen  Thou klumpen  alles,  was  aus  Thon  besteht,  erkannt  ist,  auf 
„Worten  beruhend  ist  die  Umwandlung,  ein  blofser  Name,  Thon 
„nur  ist  es  in  Wahrheit,  . . .  also,  o  Teurer,  ist  diese  Unterweisung." 
107  I  Gesetzt .  nämlich,  dafs  durch  die  Erkenntnis  der  als  das  „Seiende" 
aufzufassenden  Urmaterie  der  Inbegriff  der  Welt  der  Objekte,  de- 
ren Ursache  sie  ist,  erkannt  wäre,  —  sei  es  unter  Anbefehlung 
eines  Abgehens  davon  oder  nicht  [d.  h.  provisorisch  oder  definitiv], 
—  so  würde  damit  doch  nicht  der  Inbegriff  der  erkennenden  und 
geniefsenden  Subjekte  erkannt  sein,  weil  diese  keine  blofse  Um- 
wandlung der  Urmaterie  sind. 

Darum  ist  es  unstatthaft,  unter  dem  „Seienden"   die  Urmaterie 
zu  verstehen.-  —  Und  warum  weiter  ist  dies  unstatthaft?  Antwort: 


9.    sva-apyayät 
wegen  des  Eingehens  in  sich. 

In  Bezug  auf  eben  jene,  unter  dem  „Seienden^*  zu  verstehende 
Weltursache  sagt  die  Schrift  (Chand.  6,  8,  1):  „wenn  der  Mensch 
„schläft,  so  ist  er  eingegangen  in  das  Seiende;  weil  er  dabei  in 
„sich  selbst  eingegangen  ist  (svam  apito  bhavoH),  darum 
„hcifst  es:  er  schläft  (soapiii).^^  —  Diese  Schriftstelle  will  den 
von  dem  Menschen  [in  einem  gewissen  Zustande]  gebräuchlichen 
Ausdruck  svapiti  „er  schläft"  erklären.  Dabei  ist  unter  dem 
Worte  svam  (in  sich  selbst)  der  Atman  zu  verstehen,  von  dem  als 
„dem  Seienden"  vorher  die  Rede  war.  In'  diesen  ist  [der  Schla- 
fende] apita.  d.  h.  „er  ist  eingegangen".  Die  Wurzel  i  mit  der 
Präposition  api  bedeutet  ein  Vergehen,  wie  daraus  zu  ersehen, 
dal's  prabhava-apyapau  für  „das  Entstehen  und  V^jrgehen"  gebraucht 
werden.  Nämlich  wenn  die  Seele,  durch  die  vom  l^fanas  ausgehen- 
den Upädhi'ß  [d.  h.  durch  die  Sinnesorgane]  mit  den  Bestimmungen 


Sütram  L  i.  9.  45 

[der  Objekte]  m  Varbindung  gesetzt,  |  die  Objekte  der  Sinnes-  108 
Organe  ergreifend,  ihre  [der  Objekte]  Bestimmungen  auffal'st,  so 
sagt  man,  sie  wache;  wenn  sie  hingegen,  nur  dnrch  frühere  Ein- 
drücke (väsa9fä)  derselben  bestimmt,  Traumbilder  schaut,  so  wird 
sie  [in  der  Stelle  Chftnd.  6,8,2,  nach  C^ankara^s  Auffassung  der- 
selben] „Manas^^  genannt;  wenn  sie  endlich,  im  Tiofschlafe,  wo 
beide  Arten  der  Upddki^n  [Sinnesorgane  und  Manas]  zur  Ruhe 
kommen,  unter  Weglall  der  durch  diese  Upadhi'%  bedingtem  Be- 
stimmungen in  ihr  eigenes  Selbst  (äiman)  gleichsam  zergangen  ist, 
so  heilst  es  von  ihr  (Chänd.  6,  8,  1),  sie  sei  „eingegangen  in  sich 
selbst^'  (svam  aptia).  Es  ist  hierbei  ähnlich,  wie  wenn  die  Schrift 
z.  B.  die  Etymologie  des  Wortes  hriäayaw  (Herz)  erklärt  und 
dabei  sagt:  „wahrlich  dieser  Atman  ist  im  Herzen  (hrifli);  und 
„dieseB  ist  seine  Auslegung:  hfidi  apatn  (im  Herzen  ist  er),  darum 
„heifat  es  kfidapam*^  (Chänd.  8,  3,  3);  oder  wie  wenn  sie  die  Ur^ 
Sache  jier  a^cwäyd-udanyä  (Hünger  und  Durst)  genannten  Zuetände 
anzeigt,  indem  sie  sagt:  „die  Wasser  führen  das  Gegessene  weg^S 
„die  Glut  fahrt  das  Getrunkene  weg^'  [und  somit  a^andifd  von  ar 
und  nty  ud^^n^d  von  udam  und  nl  e^mologisierend  ableitet,  Ohänd. 
6,8,3.  5].  Ähnlich  verfahrt  die  Schrift  hier,  wenn  sie,  um  zu 
lehren,  dafs  [der  Schlafende]  in  sich,  d.  h.  in  den  Atman,  in  das 
„Seiende^'  eingegangen  sei,  diese  Sache  durch  die  Etymologie  des 
Wortefi  Süapiti  erläutert.  Dafs  aber  der  geistige  Atman  in  die 
nngeistigo  Urmaterie  seiner  Wesenheit  nach  eingehe,  ist  unmöglich. 
Wollte  man  hingegen  die  Urmaterie  auch  unter  dem  Subjekte  des 
Satzes  [„er  ist  in  sich  eingegangen'^]  wegen  der  reflexiven  Form 
(ätmiyatvdt)  desselben  verstehen,  so  würdo  auch  dann  der  Wider- 
Hpruch  statthaben,  dafs  ein  Geistiges  in  ein  Ungeistiges  einginge. 
Auch  sagt  eine  andre  Schrifbstelle:  „von  dem  erkenntnisartigen 
„Selbste  umschlungen  weifs  er  nicht,  was  draufsen  und  was  drinnen 
„ist''  (Bph.  4,  3,  21);  hieimit  wird  gelehrt,  dafs  im  Zustande  des 
Tief  schlafe»  |  ein  Eingang  in  ein  Geistiges  [nämlich  in  das  er-  109 
kenntni Bartige  Selbst]  stattfinde.  —  Nur  jenes  Geistige  also,  in 
welches  alle  geistigen  Wesen  [im  Tiefschlafe]  eingehen,  darf  als 
die  durch  das  Wort  „das  Seiende"  bezeichnete  Weltursache  ver- 
standen werden,  nicht  aber  die  Urmaterie  [der  Sänkhya^s]. 

Und  warum  weiter  kann  die  Urmaterie  nicht   die  Weltursache 
sein?    Antwort: 


1 0.    gati-säm  anya  t 
wegen  der  Gleichheit  des  Ganges. 

Läge,  wie  in  der  Anschauungsweise   der  Reflexionsphilosophen, 
auch  in  den  Yedäntatexten  eine  zwiespältige  Auffassung  der  WeH- 


46  Cftrlraka-iii!mi&8& 

Ursache  Tor,  so  dafe  manclunal  das  geistige  Brahman  als  Ursache 
der  Welt  vorkäme,  manchmal  die  ungeistige  TJrmaterie  and  maadi- 
mal  wieder  etwas  andres,  so  könnte  vielleicht  daran  gedacht  wer» 
den,  im  Sinne  deijenigen  Schrifbstellen,  welche  die  Urmaterie  für 
die  Weltursache  erklärten,  auch  die  Stelle  von  dem  „Erwägen'^ 
(Chänd.  (>,  3,  3)  zu  deuten;  nun  aber  ist  dem  nicht  so;  vielmehr 
itit  in  allen  Yedantatexten  der  Gedankengang,  dafs  die  Weltursache 
ein  Geistiges  ist,  der  gleiche.  Denn  es  heifst  a.  B.:  „gleichwie 
„aus  dem  flammenden  Feuer  nach  allen  Seiten  sprähend  die  Ynn- 
„keu  entspringen,  ebenso  entspringen  aus  diesem  Atmaii  alle  Le- 
-  „bcnsorgane,  je  nach  ihrem  Standorte;  aus  den  Lebensorganen  die 
„Götter,  aus  den  Göttern  die  Welten'^  (Kaush.  3,  3);  —  „fürwahr, 
„aus  diesem  Atman  ist  der  Äther  entstanden"  (Taitt.  2,  1);  — 
,,kurz,  aus  dem  Atman  her  rührt  diese  ganze  Welt*'  (Ghänd. 
7,  26,  1);  —  „aus  dem  Atman  wird  dieses  Leben  geboren^*  (PraQua 
3)  3);  —  in  dieser  Weise  lehren  alle  Yedantatexte,  dafs  der  Atman 
die  Weltursache  ist.  Das  Wort  Atman  aber  bedeutet,  wie  wir 
sahen,  ein  Geistiges.  Und  darin  liegt  eine  grofso  Gewähr  für  die 
Wahrheit,  dafs  alle  Yedftntastellen  in  der  Auffassung  der  Welt- 
Ursache  als  ein  Geistiges  eine  ähnliche  Gleichheit  des  Ganges  ein- 
halten, wie  das  Auge,  wenn  es  immer  nur  die  Gestalten  [das  Ohr, 
1 10  wenn  es  immer  nur  die  Töne]  auffafst  u.  s.  w.  Also,  |  „wegen  der 
„Gleichheit  des  Ganges"  mufs  das  allwissende  Brahman  als  die 
Weltursache  gelten. 

Und  warum  weiter  mufs  das  allwissende  Brahman   als  Welt- 
ursache gelten?    Antwort: 


11.    {Tutatväc  ca 
auch  wegen  der  Offenbarung. 

Aber  auch  nach  seinem  eigentlichen  Namen  wird  der  allwissende 
Gott  als  Ursache  der  Welt  von  der  Schrift  offenbart,  wenn  es 
in  der  Vers-Upanishad  der  (Joetäcvatara^a  von  dem  vorher  genann- 
ten allwissenden  Gotte  heifst  (^Vet.  6,  9): 

„Iirsache  ist  er,  Herr  des  Ilerm  der  Sinne, 
„Kein  Herr  ist  über  ihm  und  kein  Erzeuger.'* 

Somit  steht  es  fest,  dafs  das  allwissende  Brahman  die  Ursache 
der  Welt  ist,  nicht  aber  die  ungeistige  Urmaterie  oder  irgend, 
etwos  anderes. 


Sfttram  I.  i.  11.  47 

Die  Yedantivtexte ,  welche  iu  den  Sütra's  „woraus  llrspran^ 
,.u.  8.  w.  dieses  [Weltalls]  hV^  bis  ,^auch  wegen  der  Offenbarung^^ 
(Suiram  1,  1,  2 — 11)  citiert  worden  aind,  von  denen  wurde,  auf 
Grund  einer  Analysis  derselben,  dargethan,  dafs  sie  den  Zweck 
lLHl)en,  den  allwissenden  tuid  alhnäcLtigcn  Gott  als  die  Ursache 
für  Ursprung,  Bestand  und  Vergang  der  Welt  darzulegen.  |  Ferner  111 
wurde,  durch  Hinweisuug  auf  „die  Gleichheit  des  Ganges'^  (Sfttram 
],  1,  10)  erklärt,  dafs  alle  Ved&ntatexte  eine  geistige  Weltursache 
lehren.  Worin  nun  die  Veranlassung  des  weiter  Folgenden  liegt, 
das  wollen  wir  erörtern.  —  Etf"  wird  nämlich  das  Brahman  erkannt 
in  zwei  Formen:  [erstlich]  als  charakterisiert  durch  Beilegungen 
(upddhOy  welche  ans  der  Mannigfaltigkeit  seiner  tJuiwandlungen 
in  [d^'e  Welt  der]  Namen  und  Gestalten  entspringen;  und  [zweitens] 
im  Gegensalze  dazu  als  frei  von  allen  Beilegungen.  Denn  die 
Schrift  sagt:  „Denn  wo  eine  Zweiheit  gleichsam  ist,  da  sieht  einer 
„den  andern,  ...  wo  aber  einem  alles  zum  eignen  Selbste  gewor- 
„den  ist,  wie  sollte  er  da  irgendwen  sehen?"  (Bfih.  4,  5,  16);  — 
„wenn  einer  [aufser  sich]  kein  andres  sieht,  kein  andres  hört,  kein 
„andres  erkennt,  das  ist  die  Unbeschränktheit  (hhüman);  wenn  er 
„aber  ein  andres  sieht,  ein  andres  hört,  ein  andres  erkennt,  das 
„ist  das  Beschränkte  (cUpam);  die  Unbeschränktheit  fürwahr  ist 
„das  TJnsterbliche ,  das  Beschränkte  aber  ist  sterblich"  (Ch&nd. 
7,  24,  1);  —  „wenn  alle  Formen,  überdenkt  der  Weise  und  sie  als 
„Namen  blofs  begreifend  dasitzt"  (Taitt.  &r.  3,  13,  7);  —  „ohne 
„Teile,  ohne  W^erkc,  ruhig,  ohne  Fleck  und  Makel,  Brücke  der 
„Unsterblichkeit,  ausgebranntem  Feuer  gleich"  (^Jvet.  6,  19);  — 
„es  ist  nicht  so  und  ist  nicht  so"  (Brih.  2,  3,  6);  —  |  „es  ist  112 
„nifht  grob  und  i»t  nicht  fein,  nicht  kurz  und  nicht  lang"  (Brih. 
3,  8,  8);  —  „Mangel  ist  der  eine  Ort,  Fülle  der  andre."  —  In 
dieser  Weise  wird  von  den  Schrifttexten  an  tausend  Stellen  darauf 
hingewiesen,  dafs  das  Brahman,  je  nachdem  es  ein  Objekt  des 
Wissens  oder  des  Nichtwissens  ist,  zwei  Formen  besitzt.  Was 
dabei  den  Standpunkt  des  Nichtwissens  betrifft,  so  hat  auf  ihm 
alle  Beschäftigung  mit  dem  Brahman  das  Merkmal,  dafs  sie  das 
Objekt  der  Verehrung  u.  s.  w.  von  dem  verehrenden  Subjekte 
unterscheidet.  Dabei  bezwecken  manche  VerehrungcMi  des  Brahman 
Ikglückung  (ahhytidaya)  y  andre  hingegen  stufenweise  Erlösung 
(hramamükti) y  und  wieder  andre  Gedeihen  des  Opferwerkes;  und 
diese  ilire  Verschiedenheit  richtet  sich  nach  der  Verschiedenheit 
di.T  Beilegung  der  besondem  Attribute.  Obgleich  es  nämlich  einer 
und  derselbe  höchste  Ätman  und  Gott  ist,  welcher,  bald  durch 
diese  bald  durcli  jene  besoudern  Atti-ibute  gekonnzeichnet,  den 
(iegenstand  der  Verehrung  bildet,  so  sind  doch,  je  nach  den  ver- 
ehrten Attributen,  die  Früchte  der  Verehrung  verschiedene;  denn 
die  Schrifb  sagt:  „je  nachdem  er  ihn  verehrt,  demgemäJ's  wird  ob 
.,roit  ihm",  und  „wie  sein  Wille  (kndti)  ist  in  dieser  Welt,  danach 


48  ^'üHrakA-mtmaiisä 

,,wirA  der  Mensch,  wenn  er  dahingeschieden  iat**  (Chand.  3,14,  1); 
und  die  Smriti  lehrt  (Bhag.  G.  8,  6): 

„An  welches  Sein  er  denkend  hier  auis  diesem  Leibe  scheidet, 
„In  dieses  Sein  wird  jedesmal  er  drüben  eingekleidet/* 

U3  J  Freilich  ist  es  einer  und  derselbe  Atman,  welcher  in  allen  Krca* 
toreu,  den  unbeweglichen  [Pflanzen]  wi«  den  beweglichen  [Tieren. 
Menschen,  Göttern],  eingehüllt  steckt;  doch  aber  wii'd,  je  nachdem 
ihm  im  eineolnen  [behufs  seiner  Verehrunf*  unter  einer  hestimint^^n 
Form]  ein  mehr  oder  weniger  hoher  Grad  der  Geistigkeit  [die  sein 
eigenUiches  Wesen  ausmacht]  beigelegt  wird,  das  Wesen  dea,^  wif- 
.wolil  [an  sieh]  allerhab^nen ,  ewigen  und  eingestnltigen ,  Atnuin 
höher  und  höher  hinauf  durch  die  speciellcu  [ihm  beigelegten) 
Kräfte  der  Göttlichkeit  deutlicJior  und  immer  deutlicher  offenhart, 
wie  denn  die  Schrift  sagt:  „wer  desselbigen  Selbst  deutlicher  er- 
,,kenut."    Und  auch  in  der  Smriti  heifst  es  darüber  (Bhag.  G.  10,  41): 

„Alles  was  mächtig  ist  und  schön  und  Üppig, 
„  Das,  wisse,  ist  ein  Teil  von  meiner  Kraft/* 

Überall  nämlich,  wo  sich  ein  besonders  hoher  Grad  seiner  Macht- 
entfaltung u.  8.  w.  zeigt,  da  wird  diese  als  [persönlicher]  Gott  zur 
Verehrung  anbefohlen.  In  'dieser  Weise  wird  auch  unser  Autor 
darlegen,  wie  z.  B.  unter  dem  goldenen  Mann  in  der  Sonnenscheibo 
(Chdnd.  1,  6,  6)  wegen  des  Merkmals  seiner  Erhabenheit  über 
114  alles  €  bei  |  [nicht  irgend  eine  individuelle  Seele,  sondern]  nur  die 
höchste  verstanden  worden  darf  (Sütram  1,  1,  20—21);  und  das- 
selbe läfst  sich  in  den  Sütra's:  „der  Äther,  weil  seine  Merkmale-' 
(1,  1,  22)  u.  s.  w.  verfolgen.  Weil  nun  in  dieser  Weise  die  Er- 
kenntnis des  Atman,  welche  allerdings  [wo  sie  rein  ist |.  die  sofor- 
tige Erlösung  bewirkt,  doch  auch  wiederum  [zum  Zwecke  der  Ver- 
ehrung, die  noch  keine  Erlösung  bewirkt]  auf  dem  Umwege  sol- 
cher besondern  Beilegungen  [von  Attributen]  mitgeteilt  wird,  so 
könnte,  wenn  nicht  die  specielle  Verbindung  mit  den  Beilegungen 
hinsichtlich  ihrer  Beziehung  auf  die  höchste  oder  auf  eine  niedere 
[individuelle]  Seele  klargelegt  würde,  ein  Zweifel  darüber,  ob  bie 
auf  die  höchste  oder  auf  eine  niedere  Seele  sich  beziehen,  obwal- 
ten; und  dieser  Zweifel  mufs  durch  Untersuchung  des  Zusammen* 
hanges  der  betreff endep  Schvifts4:ello  ins  Klare  gebracht  werden; 
wie  dies  z.  B.  schon  gleich  in  der  Stolle  „der  Wonneartige,  wegen 
,,der  Uäufigkeif  (Sütraui  1,  1.  12)  der  Fall  ist.  —  Weil  also  in 
dieser  Weise  das,  wiewohl  einheitliche,  Brahmun  bald  als  mit  Bei- 
legungen verbunden,  bald  ohne  alle  Verbindung  mit  Beilegungen, 
dort  zum  Zwecke  der  Verehrung,  hier  aiim  Zwecke  der  Erkenntnis, 
in  den  Ved&ntatexten  vorgeführt   wird,    so   ist   die   nächstfoigende 


Sutirua  L  t.  li.  49 

Reihe  von  Sütra's  [bis  1,4,22]  beetunnit,  dieses  im  Einzelnen 
darsulegen.  Und  wenn  in  dent  Sütram  „wegen  der  Gleichheit  des 
„Ganges"  (1,  1,  10)  die  Unznlässigkeit  andrer,  nicht  geistiger  Welt- 
orsachen  ausgesprochen  wurde,  so  wird  auch  dies,  bei  Besprechung 
weiterer,  auf  Brfdunan  bezüglicher  Schriftstellen,  durch  Ausschliefsung 
andrer  Weltursachen  als  des  Brahman  seiuü  nähere  Ausführung 
finden. 


Sechstee  AdkUcaranam. 

9 

12.    änandamayo  'hhyäsdt 
der  Woimeartige,  wegen  der  Häufigkeit. 

Im  Taittiriyakam  werden  [um  den  Kern  des  Menschen,  den 
Atman,  der  sein  eigentliches  Selbst  ist,  zu  finden,  vier  andre  Selbste, 
in  denen  jenes  wie  in  Schalen  steckt,  nach  und  nach  in  Abzug 
gebracht,  und  nachdem  in  dieser  Weise]  der  Keihe  nach  der 
nahrungsartig'e,  odemartige,  manasartige  und  erkennt- 
uiäartige  [Atman]  durchgegangen  (Taitt.  2,  1 — 4),  so  heilst  es 
weiter :  „wahrlich  von  diesem  erkenntnis artigen  verschieden  ist  in- 
,. wendig  in  ihm  der  wonneartige  Atman"  (Taitt.  2,  5)-  Hier  er- 
hebt sich  die  Frage:  wird  an  dieser  Stelle  mit  dem  Worte  „der 
wonueartige"  |  das  höchste  Brahman  bezeichnet,  von  dem  vorher  115 
in  den  Worten  „Wahrheit,  Erkenntnis,  Unendlichkeit  ist  das  Brah- 
„man'*  (Taitt.  2,  1)  die  Rede  war,  oder  hat  man  unter  dem  Wonne- 
artigen ebenso  wie  unter  dem  Nahrungsartigen  u.  s.  w.  etwas  von 
Brahman  Verschiedenes  zu  verstehen? 

Angenommen  also,  'der  Wouneartige  sei  von  Brahman  verschie- 
'den  und  heifse  nur  im  uneigentlichen  Sinne  der  Atman.  Warum? 
*Weil^  er  mit  dem  Nahrungsartigen  u.  s.  w.,  die  nur  uneigentlich 
'als  Atman  bezeichnet  werden,  in  einer  Linie  steht.^  —  Das  mag 
ja  sein,  aber  darum  kann  doch  der  Wonneartige,  als  der  innerste 
von  allen,  der  eigentliche  Atman  sein!  —  'Doch  nicht!  denn  erst- 
4'ich  ist  er  [nicht  wie  der  eigentliche  Atman  unteilbar,  sondern] 
'mit  dem  „Lieben''  u.  s.  w.  als  mit  seinen  Teilen  behaftet  sodann 
'lehrt  auch  die  Schrift  sein  Verkörpertsein.  Wäre  unter  ihm  der 
'eigentliche  Atman  zu  verstehen,  so  könnte  keine  Behaftung  des- 
'selben  mit  dem  „Lieben"  u.  s.  w.  stattfinden;  es  heifst  aber  von 
'ihm:  „sein  Haupt  ist  das  Liebe"  u.  s.  w.  (Taitt.  2,  5).  Und  auch- 
'sein  Verkörpertsein  wird  gelehrt,  wenn  es  heifst:  „sein  verkörper- 
'„teB  Selbst  ist  eben  dasselbe  wie  das  des  vorherigen"  (Taitt.  2,  5); 
'das  heifst:   das  körperliche  Selbst   des    vorigen,   nämlich    des  Er- 

BnrtMv,  YtdAixta.  4 


50  Q&i1rakft-iDtin&ns& 

^kenntnisartigeo,  ist  eben  daaiielbe  wie  bei  dem  Wonneariigen 
*(änandamaife).  Hat  er  aber  einen  Körper,  so  ist  es  nicht  möglich, 
'ron  diesem  die  [nur  der  individuellen  Seele  eigene]  Berühmng 
'mit  Liebem  und  Unliebem  fernzuhalten.  Somit  ist  unter  dem 
S,wonneartigen  Ätman"  nur  die  wandeVnde  Seele  en  verstehen.^ 

Auf  diese  Annahme  wird  [im  Sütram]  erwidert:  „der  Wonne- 
„artige,  wegen  der  Häufigkeit";  d.  h.  der  Wonneartige  mufi  der 
höchste  Atman  sein;  warum?  „wegen  der  Häufigkeit*';  nämlich 
nur  bei  dem  höchsten  Atman  geschieht  es,  dafs.  das  Wort  „Wonne'S 
und  zwür  häufig,  gebraucht  wird.     So  heifst  es   von   dem  Wonne- 

116  artigen,  |  „fürwahr,  er  ist  die  Essenz"  (TaitL  2,  7);  und  nachdem 
er  für  die  Essenz  erklärt  worden,  heifst  es  weiterhin:  „denn  wer 
„die  Essenz  erlangt  hat,  den  erf&Ut  Wonne;  denn  wer  möchte 
„atmen  und  wer  leben,  wenn  in  dem  Weltenraume  [oder:  wenn 
„der  Weltenranm,  vgl.  p.  136,  7]  nicht  diese  Wonne  wäre?  — 
„Denn  er  ist  es,  der  Wonne  schaiFet.  .  .  .  Dieses  ist  die  Er* 
„forschung  der  Wonne.  .  .  .  Der  gehet  ein  zu  diesem  wonnearti- 
„gen  Selbste.  .  .  •  Wer  dieses  Brahman'  Wonne  kennt,  dem  macht 
„es  alle  Angst  yerschwinden'*  (Taitt.  3,  7 — 9)  und:  „da  erkannte 
„er,  dafs  Brahman  die  Wonne  ist'*  (Taitt.  3,  6).  Und  auch  an 
einer  andern  Schriftstelle  wird  in  den  Worten:  „Brahman  ist 
„Wonne  und  Erkenntnis"  (Brih.  3,  9,  28)  das  Wort  „Wonne"  von 
Brahman  gebraucht.  Wegen  dieser  Häufigkeit  also,  mit  der  das 
WoH  „Wonne"  von.  Brahman  gebraucht  wird,  ist  zu  schliefsen, 
dafs  der  „wonneartige  Atman"  dos  Brahman  bedeutet.  Wenn  aber 
behauptet  wurde,  dafs,  weil^  or  mit  dem  „nahrungsartigen"  und 
den  flbrigen  uneigentlichen  Atman's  in  einer  Linie  stehe,  auch  der 
„wonneartige"  nicht  der  eigentliche  Atman  sein  könne,  so  ist  das 
nicht  stichhaltig,  weil  dabei  der  wonneartige  von  allen  der  innerste 
ist.  Denn  nur  um  dvn  eigentlichen  Atman  aufzuzeigen,  erwähnt 
die  Schrift,  indem  sie  sich  dem  menschlichen  Erkenntnisvermögen 
anpafst,  zuerst  den  „nahrungsartigen",  nämlich  den  Leib,  welcher 
nicht  der  Atman  ist  und  nur  vou  ganz  Verblendeten  für  den 
Atman  gehalten  wird,  und  dann  weist  sie,  ähnlich  wie  bei  einer 
in  den  Schmelzticgcl  gev/orfenen  Metallstatue  das  Kupfer  h.  s.  w. 
abfliefst,  von  diesem  auf  einen  innerlicliercn  und  abermals  itmer- 
lieberen  hin,  und  indem  sie  mittels  des  jedesmal  vorhergehenden 
in  gleicher  Weise  immer  auf  den  jedesmal  folgenden,  wiewuhl 
auch  dieser  noch  nicht  der  Atman  ist,  um  der  leichteren  Fafslich- 

117  keit  willen  hinleitct,  |  so  fuhrt  sie  zuletzt,  als  nuf  den  inneixtcn 
von  allen,  auf  dt^n  eigentlichen  Atman,  nämlich  den  i^onneartigen, 
hin.  Dies  ist  die  natürlichste  Auffassung  der  Sache.  Ähnlich 
nämlich  wie  bei  dem  [oben,  zu  Sütram  1,  1,  8  gebrauchten]  Gleich- 
nisse von  der  Anmdhati  Rui  allerlei  Sterne,  welche  nicht  im 
eigentlichen  Sinne  die  Af*undhati  sind,  hingezeigt  werden  kann, 
der  Stern  aber,   auf  den  zuletzt  liingeieitet   wird,    die   eigentliche 


SAtram  l.  i.  V2.  51 

Ärundhati  sein  mnfs,  so  folgt  auch  hier,  dafs  der  „wonnoartige^S 
weil  er  der  innerste  von  allen  ist,  der  eigentliche  Ätman  sein 
mnfs.  Wenn  du  aber  Joben]  behauptetest,  dafs  es  unangemessen 
sei,  dem  eigentlichen  Atman  das  „Liebe''  n.  s.  w.  als  sein  Haupt 
U.S.W,  beizulegen,  so  ist  darauf  Ssu  entgegnen,  dafs  diuse  Bei- 
legung durch  die  Bestimmungen  der  unmittelbar  vorhergogangoneii 
Atman*s,  nicht  aber  durch  die  eigne  Natur  des  innerstem  Atiuan 
veranlafst  wurde.  Und  auch  was  das  Verkörpertsein  des  woune- 
artigen  Atman  betrifft,  so  wurde  dasselbe  nur  im  Zusammenhange 
mit  der  Reihe  der  Körper  des  nahrungsariigen  u.  s.  w.  erwähnt, 
daher  man  ihm  um  deswillen  doch  nicht  geradezu  ein  Yerk('»rpert- 
sein,  wie  es  bei  der  wandernden  Seele  stattßndet,  zuHchreibon 
darf.  Somit  folgt,  dafs  der  „wonneartige'*  nur  der  höchste  Atman 
sein  kann. 


/" 


13.    mkära-^ahdan  fui!    iti  ceti?    na!    prävuryät 

wegen  des  Umwtindlungs -Wortes  nicht,  meint  ihr? 

Nein,  wegen  der  Reichliebkeit. 

Man  könnte  sagen:  *der  wonneai*tige  kann  doch  nicht  der 
^höchste  Atman  sein;  waram?  „wegen  des  Umwaudlungswortes*^; 
*denn  wenn  ich  sage  änanda-vhatja ,  wonne-aiiig,  so  habe  ich  hier 
'ein  von  dem,  was  das  Erststehende  [anandn^  Wonne]  ausdrückt, 
Verschiedenes  Wort,  welches  eine  Umwandlung  besagt,  indem  das 
'Suffix  'fiwya  (-artig)  eine  Umwandlung  bedeutet;  somit  weist, 
'ebenso  wie  die  Worte  „nahrungsai*tig*'  u.  s.  w.,  auch  das  Wort 
'„wonneartig '^  auf  den  Bereich  des  Umgewandelten  hin/  —  Auf 
diese  Einwendung  ist  zu  erwidern,  dafs  dem  nicht  so  ist,  indem 
das  Suffix  'imaya  auch  im  Sinne  der  Reichliebkeit  stehen  kann. 
Denn  wo  ^maya  einem  ihm  vorgesetzten  Worte  angeh&ngt  wird, 
da  kann  |  nach  der  [grammatischen]  Smriti  -maya  auch  im  Sinne  118 
der  Reichlichkeit  stehen;  wie  z.  B.  ein  nahrungsartiges  (mina-niaya) 
Opfer  ein  an  Nahrung  reiches  Opfer  bedeutet.  So  kann  auch  das 
Brahman,  weil  es  reich  an  Wonne  ist,  das  „wonneartige''  genannt 
werden.  Wte  reich  aber  das  Brahman  an  Wonne  ist,  das  wird 
dadurch  angezeigt,  daf»  (Taitt.  2,  8;  vgl.  Brih.  4,  3,  33),  von  der 
Menschenwelt  anfangend,  für  die  jedesmal  höhere  Region  eine 
Verhnndertfachung  der  Wonne  angenommen,  für  das  Brahman  aber 
eine  Unsteigerborkeit  der  Wonne  <felehrt  wird.  Folglich  ist  -maya 
im  Sinne  der  Reichlichkeit  zu  nohmen. 


•""TVPf 


52  Q&rtraka-mtmftn8& 

14.    taddrhetU'-vyapade^Ac  ca 
auch,  weil  er  als  ihre  Ursache  bezeichnet  wird. 

Auch  dämm  mnls  man  -maya  im  Sinne  der  Reichlichkeit 
neiimen,  weil  die  Schrift  das  Brahman  als  die  Ursache  der  Wonne 
bezeichnet,  wenn  sie  sagt:  „denn  er  ist,  der  die  Wonne  schaffet*' 
(Taitt.  2,  7),  d.  h.  der  die  Wonne  schafft.  Denn  wer  andern  Wonne 
schafft,  der  mnfs  natürlich  reich  an  Wonne  sein,  sowie  im  Leben 
der,  welcher  andern  Reichtum  schenkt,  selbst  viel  Reichtum  be- 
sitzen mufs«  Also,  weil  -maya  auch  im  Sinne  der  Reichliohkeit 
verstanden  werden  kann,  darum  mul's  der  Wonneartige  der  höchste 
Atman  sein. 

15.    mäntra-varnikam  eva  ca  giyate 
auch  wird  es  als  Schriftlied  gesungen. 

Auch  darum  mufs  der  „wonneartige'*  der  höchste  Atman  sein, 
weil,  nachdem  es  hiefs:  „wer  Brahman  kennt,  erlangt  das  Höchste**, 
und  weiter:  „Wahrheit,  £rkennfcnis,  Unendlichkeit  ist  das  Brahman'' 
(Taitt.  2,  1),  das  Brahman,  von  welchem  in  diesem  Liede  die  Rede 
ist,  und  welchem  als  Merkmale  die  Wahrheit,  die  Erkenntnis  und 
die  Unendlichkeit  beigelegt  werden,  aus  welchem  vermittelst 
des  Äthers  u.  s.  w.  die  beweglichen  und  unbeweglichen  Wesen 
entstanden  sind,  und  welches,  nachdem  es  die  Wesen  erschaffen, 
U9  in  eben  dieselben  |  eingegangen,  in  der  Höhle  [des  Herzens]  wohnt, 
und  zu  dessen  Auffindung  zu  dem  jedesmal  „andern,  innerlichem 
„Atman"  (Taitt.  2,  5)  fortgeschritten  wird,  —  weil  dieses  Brahman 
hier  in  einem  Schriftliede  besungen  wird  als  „der  von  ihm  ver- 
*  Bchiedene,  innerlichere  Atman,  der  wonneartige."  Es  ziemt  sich 
aber,  die  Mantrd'B  [Lieder  und  Sprüche  des  Yeda]  mit  den  Brak" 
mana's  [theologischen  Erklärungen]  für  eines  Sinnes  zu  halten, 
weil  beide  sich  jucht  widersprechen;  denn  sonst  würde  [in  den 
Bräkmaf!ia\'\  Aufgebung  des  in  Rede  Stehenden  [der  Mautra's^  auf 
die  sie  sich  beziehen]  und  Übergang  zu  einem  nicht  in  Rede 
Stehenden  eintreten.  Auch  wird  nicht  so  wie  von  dem  „nahrungs- 
''artigen"  u.  s.  w.  auch  von  dem  „wonneartigen"  noch  ein  anderer, 
innerlicherer  unterschieden.  Und  in  ihm  wurzelt  auch  »,jenes 
„Wissen  des  BhjrigUy  Sohnes  des  Varuna^\  (Taitt.  3,  6)  [von  dem 
der  folgende  Teil  der  Taittiriya-Upanishad  handelt],  denn  e« 
heifst  [in  ihm,  Taitt.  3«  6]:  „da  erkannte  er,  dafs  das  Brahman 
,^die  Wonne  ist."  —  Somit  kann  der  „wonneartige"  nur  der  höchste 
Atman  sein. 


Sütram  I.  x.  16.  53 

16.    na  itaro^  ^nupapaüeh 
nicht  der  andere,  weil  unzutreffend. 

Auch  aus  folgendem  Grande  rnufs  der  „wonneartige^'  d«r  höchste 
Atoian  sein  und  „nicht  der  andere";  —  der  andere,  d.  h.  die  von 
Gott  Terschiedene,  wandernde  individuelle  Seele.  Nicht  die  indi- 
vidnelle  Seele  also  kann  durch  das  Wort  „wonnoartig'*  beaeichnet 
werden;- warum?  „keil  es  unzutreffend  ist.'^  Denn  von  dem  wonne- 
artigen  heifst  es  weiterhin:  „er  begehrete:-  «ich  will  vieles  sein, 
„wUl  mich  fortpflansen»;^  er  hülste  BuTse;  nachdem  er  Bufse  ge- 
„bftlst»  sdiuf  er  dieses  Weltall,  was  immer  vorhanden  ist"  (Taitt. 
2,  6).  Hier  wird  etwas  erwähnt,  was  vor  der'  Schöpfung  der  Kör- 
per a.  s.  w.  I  vorhanden  war,  nämlich  der  Zustand,  wo  die  er-  120 
schaffenen  Umwandlungen  noch  nicht  als  verschieden  von  dem 
Schöpfer  bestanden.  Es  würde  aber  unzutreffend  sein,  die  Schöpfung 
aller  Umwandlungen  aus  einem  andern  als  dem  höchsten  Atman . 
abauleiten. 


17.    bheda-vyapadeiäc  ca 
und  wegen  der  Hervorhebung  des  UnterBchiede». 

Aueh  darum  kann  der  „  wonneartige  *^  nicht  der  wandernde 
Ätman  sein,  weil  es  von  dem  wonneartigen  heifst:  „fürwahr  er  ist 
„die  Essenz;  denn  wer  die  Essenz  erlangt  bat,  den  erfüllt  Wonne'* 
(Taitt.  2,  7).  Hier  wird  der  Unterschied  zwischen  dem  indivi- 
duellen und  dem  wonneartigen  Atman  hervorgehoben.  Denn  der- 
jenige, welcher  erlangt  wird,  kann  nicht  derselbe  sein  wie  der, 
welcher  erlangt.  —  'Aber  wie  kann  dann  befohlen  werden,  den 
'Ätman  zu  erforschen,  und  wie  können  Schrift  und  Smriti  be- 
'haupten,  dafs  es  nichts  Höheres  gebe  als  die  Erlangung  des 
'Atoan  [d.  h.  unseres  eignen  Selbstes],  wenn,  wie  du  sagst,  der- 
'Jentge,  welcher  erlaugt  wird,  nicht  derselbe  ist  wie  der,  welcher 
'erlangt?*  —  Schon  recht!  aber  gleichwohl  ist  von  dem  Selbste 
(Atman),  obgleich  es  darum  unabänderlich  das  Selbst  bleibt,  die 
Wesenheit  unbekannt,  und  infolgedessen  wird  von  dem  Volke  der 
Leib  u.  s.  w.,  obwohl  er  nicht  das  Selbst  ist,  zuversichtlich  für  das 
Selbst  angesehen.  Obgleich  daher  das  Selbst  schon  als  der  Leib 
u.  s.  w.  vorliegt,  so  ist  doch  das  Selbst  dieses  Selbstes  nicht  er- 
forscht und  zu  erforschen,  nicht  erlangt  und  zu  erlangen,  nicht 
vernommen  und  zu  vemelunen,  nicht  begriffen  und  zu  begreifen, 
nicht  erkannt  und  zu  erkennen;  daher  eine  Hervorhebung  des 
Unterschiedes  in  diesem  Sinne   statthaft  ist.     Allerdings   aber  ist 


64  Qftrlraka*inimliÄs& 

68  im  Sinne  der  höchsten  Realität  (parama-arihalcut)  nicht  gestat- 
tet, einen  von  dem  allwiasenden  höchsten  Gotte  verschiedenen 
Sehenden  oder  Hörenden  anzunehmen,  denn  es  heifst  „nicht  giebt 
,,es  aufser  ihm  einen  Sehenden*'  u.  s.  w.  (Bfih.  3,  7,  23);  während 
hingegen  anderseits  dieser  höchste  Gott  von  dem  durch  das  Nicht- 
wissen aufgestellten,  verkörperten,  handelnden  und  geniefsenden 
Erkenntnis-Selbste  (v^iidnäifHan)  vi  schieden  ist,  ebenso  gut  wie 
von  dem  Zauberer,  welcher  mit  Schild  und  Schwert  in  der  Hand 
an  einem  Faden  in  die  Hohe  zu  klimmen  scheint,  eben  derselbe 
131  Zauberer  9  |  indem  er  dabei  in  Wirklichkeit  auf  der  Erde  stehen 
bleibt,  verschieden  ist;  oder  wie  von  dem  Räume  rn  den  GefUfseo, 
wie  er  durch  deren  Bestimmungen  (upddbi)  abgegrenzt  wird,  der* 
selbe  Raum,  sofern  ,er  durch  diese  Bestimmungen  nicht  abgegrenzt 
wird,  verschieden  ist.  Auf  diese  Verschiedenheit  des  individuellen 
und  des  höchsten  Ätman  bezieht  es  sich,  wenn  gesagt  wurde: 
„nicht  der  andere,  weil  unzutreffend^*,  sowie:  „und  wegen  der  Her- 
„vorhebung  des  Unterschiedes"  (SAtram  1,  1,  16 — 17). 


18.     Kdtndc  ca  na  anumdna-apdcshd 

auch  ist,  wegen  des  Begehrens,  kein  Gedanke 

an  das  Erschlossene. 

Von  dem  Wonneartigen  heifst  es:  „er  begehrete,  ich  will  vieles 
„sein,  will  mich  fortpflanzen *'  (Taitt.  2,6).  Weil  er  in  diesen 
Worten  als  ein  Begehrender  geschildert  wird,  so  ist. ferner  auch 
nicht  daran  zu  denken,  das  Erschlossene,  d.  h.  die  von  den  Sdfikh$fa*s 
angenommene  ungeistige  Urmaterie  für  den  Wonneartigen  und  die 
Weltursache  zu  halten.  Obwohl  diese  Urmaterie  schon  in  dem  Sh- 
tram  „wegen  des  Erw&gens  nicht;  schriftwidng!^^  (1, 1,  5)  abgelehnt 
worden  war,  so  wird  sie  doch  hier,  mit  Beziehung  auf  das  in 
einem  der  vorigen  Sütra^s  citierte  Wort  vom  Begehren,  gelegentlich 
nochmals  widerlegt,  um  „die  Gleichheit  des  Ganges"  (1,1,10) 
noch  weiter  darzuthnn. 


19.    asmin  asya  ca  tad-yogam  gästi 
auch  lehrt  er  in  ihm  seine  Verbindung  mit  selbigem. 

Auch  darum  darf  man  das  Wort  „wonneartig**  nicht  von  der 
Urmaterie  oder  der  individuellen  Seele  verstehen,  weil  er,  d.  h. 
der  Schriftkanon,  in  ihm,  in  dem  wosneartigen  Atman,  von  dem 
die  Rede  ist,  seine,  nämlich  des  erweckten  individuellen  Atman, 


Sdtram  I.  i.  19. 


55 


■Verbiudang  mit  selbigem  lehrt;  |  die  „Verbindung  mit  selbigem '^  132 
iBt  die  Verbindimg  mit  dem  Atmuu  desselben,  d.  b.  der  Übergang 
in  seine  Wesenheit,  mit  andern  Worten,  die  Erlösung.  Nämlich 
die  Schrift  sagt:  „denn  wenn  er  in  jenem  Unsichtbaren,  Unkörper- 
„liehen,  Unaussprechlichen,  Unergründlichen  den  Frieden^  den  • 
„Standort  findet,  dann  ist  er  zum  Frieden  eingegangen;  wenn  er 
,, hingegen  in  ihm  [wie  in  den  vier  ersten  noch]  eine  Höhlung, 
„ein  andres  annimmt,  dann  hat  er  Unfrieden**  (Taitt.  2,  7);  das 
heifst:  wenn  einer  in  jenem,  dem  Wonneartigeu ,  ein  noch  so  ge- 
ringes andres,  nicht  mit^ihm  Identisches,  erblickt,  dann  wird  er 
von  dem  Unfrieden  der  Seelen  Wanderung  nicht  frei;  wenn  er  hin- 
gegen in  jenem,  dem  Wonueartigen,  unterschiedlos  in  Identität  mit 
ihm  verharrt,  dann«^  wird  er  von  der  Furcht  der  Seelen  Wanderung 
frei;  und  dieses  pafst,  wenn  man  e»  auf  den  höchsten  Atman, 
nicht  aber,  wenn  man  es  auf  die  Urmaterie. bder  die  individuelle 
Seele  bezieht.  Folglich  ist  erwiesen,  dafs  der  wonneartige  nur 
der  höchste  Atman  sein  kann. 


Hier  nun  aber  ist  Folgendes  zu  bemerken.  Nachdem  in  den 
Ausdrücken:  ,>fürwdur,  dieser  Mensch  ist  nahrungssaftortig;  .  .  .  von 
„diesem^nahrungssaftartigen  verschieden,  innerlicher  ist  der  ödem- 
„artige  Atman,  .  . '.  von  ihm  verschieden,  innerlicher  ist  der  manas- 
„artige  Atman,  .  .  4  von  ihm  verschieden,  innerlicher  ist  der  erkennt- 
„nisartige  Atman"  (Taitt.  2,  1 — 4),  -^  nachdem  hier  fortwährend 
-majfti  (-artig)  im  Sinne  einer  Veränderung  gebraucht  war,  so 
geschieht  es  ohne  Grund  und  heifst  sein  Futter  nur* halb  verdauen, 
wenn  man  'bei  dem  Wonneartigen  in  gezwungener  Weisa  -maya 
im  Sinne  der  Reichlichkeit  nimmt  und  unter  dem  wonneartigen 
Atman  das  Brahman  versteht.  Beruft  ihr  euch  darauf,  dafs  in 
dem  Liederverse  an  der  Spitze  des  Abschnittes  [„Wahrheit,  £r- 
„kenntnis,  Unendlichkeit  ist  das  Bi*ahman",  Taitt.  2,  1]  das  Brah- 
man erwähnt  wird,  |  nun  dann  müfst  ihr  auch  den  Nahrungsartigen  123 
u.  s.  w.  auf  das  Brahman  beziehen.  —  Zwar  könnte  einer  sagen: 
'dafs  man  den  Nahrungsartigen  und  die  folgenden  nicht  auf  das 
/Brahman  bezieht,  ist  in  der  Ordnung,  weil  von  jedem  derselben  jcdes- 
^mal  auf  einen  andern  innerlichorcn  Atman  verwiesen  wird;  von 
*dera  Wonneartigen  hingegen  wird  auf  keinen  andern  innerlicheren 
^Atmaii  mehr  verwiesen;  somit  ist  der  Wonneai'tige  das  Brahman, 
*weil  sonst  von  dem  [zufolge  des  Mantra\  im  Anfang  der  Stelle] 
'in'  Rede  Stehenden  [in  dem  folgenden  Brdhmimam]  abgegangen 
^und  auf  ein  nicht  in  Rede  Siehendes  übergegangen  werden  würde.* 
—  Barauf  antworten  wir:  wenn  auch  von  dem  Wonneartigen  nicht 
so  wie  von  dem  Nahrungsartigen  u.  s.  w.  auf  einen  andern  innor- 
licheren  Atman   verwiesen  wird,    so   kann    doch    der  Wonneartigo 


56  ^äriraka-mlm&n8& 

nicht  das  Brahman  sein,  und  zwar,  weil  es  in  Bezug  auf  den 
Wonueat'iigen  heifRt:  „Liebes  ist  sein  Haupt,  Freude  seine  redite 
„Seite,  Freudigkeit  seine  linke  Seite,  Wonne  sein  Leib,  Brahman 
„sein  Unterteil,  seine  Grundlage"  (Taitt,  2,  5).  Hier  wird  ja  das 
Brahman ,  von  dem  in  der  Mantrastelle  zu  Eingang  die  Rede  ist, 
wo  es  hiefs:  ,.Wahrheit,_Erkenntni8,  Unendlichkeit  ist  das  Brah- 
,jnan'*  (Taitt.  2,  1),  dieses  Brahman  wird  hier  bezeichnet  als  „das 
„Unterteil,  die  Grundlage",  und  nur  um  seine  AuüQndung  zu  er- 
leichtem, werden  von  dem  Nahrungsartigen  an  bis  zu  dem  Wonne- 
artigen  hin  fünf  Hüllen  (Ärofa>  desselben  aufgestellt;  wie  kann  man 
also  behaupten,  dafs  hier  von  dem  [nach  jener  Mantrastelle]  in  Rede 
Stehenden  [im  folgenden  Brahmanam]  abgegangen  und  auf  ein 
nicht  in  Rede  Stehendes  übergegangen  werde  V  —  *Ab.er  wird 
'nicht  hier  das  Brahman  nur,  sofern  es  einen  Teil  des  Wonnc- 
124  ^artigen  bildet,  als  *  Unterteil  und  Grundlage  |  bezeichnet,  ebenso 
'wie  es  auch  bei  dem  Nahrungsartigen  u.  s.  w.  hiefs,  dies  oder  das 
^sei  sein  Unterteil,  seine  Grundlage;  wie  kann  man  also  hier 
*„Brahman"  [statt  in  ihm  —  etwa  in  der  Bedeutung  „Gebet"  — 
'eine  Nebenbestimmung  des  „Wonneartigen"  zu  sehen]  für  die 
'eigentliche  Hauptsache  erklären?*  —  Deswegen,  eö  antworten  wir, 
weil  das  Brahman  als  Thema  vorangestellt  worden  war.  —  'Aber 
^dafs  das  Brahman  noch  in  einem  [besonderxi]  Teile  des  Wonne- 
^artigen  wiedererkannt  wird,  das  würde  doch  nicht  hindern,  dafs 
'von  Brahman  als  Thema  die  Rede  ist,  nur  dafs  schon  der  [ganze] 
^ Wonneartige  das  Brahman  ist!*  —  Darauf  erwidern  wir:  in  diebem 
Falle  würde  eben  dasselbe  Brahman  einerseits  der  wonneartige 
Atman,  an  dem  die  Teile  sind,  und  andrerseits  sein  Unterteil, 
seine  Grundlage,  d.h.  ein  Teil  desselben  sein,  und  dieses  wäre 
eine  Ungereimtheit.  Muls  man  sich  aber  einmal  für  das  eine  oder 
das  andre  entscheiden,  so  ist  es  angemessen,  erst  in  den  Worten: 
„Brahman  ist  sein  Unterteil,  seine  Grundlage"  die  Hinweisung  auf 
Brahman  zu  finden,  weil  hier  das  Wort  „Brahman"  vorkommt, 
nicht  aber  schon  in  der  Erwähnung  des  Wonneartigen,  weil  das 
Wort  „Brahman"  dabei  nicht  vorkommt.  Auch  heifst  es,  nachdem 
Brahman  als  das  Untei*teil,  die  Grundlage,  bezeichnet  worden  ist 
(Taitt.  2,  6):  „Darüber  ist  auch  dieser  Vers:* 

„Der  ist  nur  ein  nicht  Seienden  der  Brahman  als  nicht  seiend  weiEs*, 
„Wer  Brahman  weifs  als  Seiendes,  wird  dadurch  selbst  ein  Seiender." 

In  diesem  Verse  wird,  ohne  Heranziehung  des  Wonneartigen,  viel- 
mehr in  Bezug  auf  das  [eben  als  Unterteil  und  Grundlage  er- 
wähnte] Brahman  Vorzug  und  Mangel  des  Bewufstseins  von  seinem 
Sein  oder  Nichtsein  erörtert,  und  daraus  folgt,  dafs  in  den  Worten 
„Brahman  ist  das  Unterteil,  die  Grundlage"  allerdings  von  Brah- 
man als  der  eigentlichen  Hauptsache  die  Rede  ist.     Auch  kann  ja 


Sttram  I.  l  19.  57 

über  das  Sein  oder  Nichtsein  des  wonneariigen  Atman  kein  solcher 
Zweifel  [wie  ihn  der  Vers  bespricht]  bestehen,  indem  der  Wonne- 
artige vermöge  seiner  M^kmale  des  Lieben,  der  Freude  u.  s.  w. 
allgemein  bekannt  ist.  —  ^Aber  wie  kann  es  geschehen  wenn 
S,6rahman^'  hier  fiir  die  eigentliche  Hauptsache  gelten  soll,  |  dafs  125 
^dieses  Brahman  in  den  Worten :  „Brahman  ist  sein  Unterteil«  seine 
^,Grundlage"  als  das  [blofse]  Unterteil  des  wonneartigen  bezeich* 
^netwird?^  —  Das  hat  nichts  zu  bedeuten,  weil  damit  nur  gesagt 
werden  soll,  dafs  die  Wonne  des  Brahman,  nach  Art  eines  Unter- 
teils, „das  Unterteil,  die  Grundlage 'S  d.h.  die  letzte  Basis,  der 
eigentliche  Ursitz  aller  weltlichen,  gewordenen  Wonne  ist,  nicht 
aber,  dafs  erstere  nur  ein  Teil  der  letztem  sei.  Denn  eine  andre 
Schriftstelle  sagt:  „von  einem  Teilchen  dieser  Wonne  haben  ihr 
„Leben  die  andern  Kreaturen'*  (Brih.  4, 3,  32).  Auch  könnte, 
wenn  der  Wonneartige  das  Brahman  w&re,  wegen  seiner  Gliederung 
in  Liebes  u.  s.  w.,  nur  an  das  unterschiedhafte  [niedere]  Brahman 
gedacht  werden:  dafs  aber  hier  von  dem  unterschiedloson  [hohem] 
Brahman  die  Rede  ist,  ergiebt  sich  aus  dem  Folgenden,  wo  die 
Unerreichbarkeit  desselben  durch  Rede  und  Verstand  hervorgehoben 
wird,  indem  es  heifst  (Taitt.  2,  9):     ' 

„Vor  dem  die  Worte  kehren  um 
„Und  die  Gedankoi  ohne  ihn  zu  finden; 
„Wer  dieses  Brahman'  Wonne  kennt, 
„Dem  macht  es  alle  Angst  verschwinden.^' 

Auch  würde,  wenn  das  Brahman  [durch  das  Wort  „wonneartig''] 
nur  als  „reich  an  Wonne''  bezeichnet  werden  sollte,  auch  auf  ein 
Vorhandensein  von  Leid  in  dem  Brahman  zu  schliefsen  sein,  weil 
orfahrungsm&fsig  jede  Reichlichkeit  an  einer  Sache  eine  'Spärlich- 
keit an  dem  Gegenteile  derselben  voraussetzt.  Wäre  dem  aber  so, 
so  würde  die  Schriflstelle :  „wenn  einer  [aufser  sich]  kein  andres 
„sieht,  kein  andres  hört,  kein  andres  erkennt,  das  ist  die  Unbe- 
„schränktheit"  (Chand.  7,  24),  welche  besagt,  dafs  in  Brahman  als 
der  Unbeschränktheit  das  ihr  entgegengesetzte  [Beschränkte  oder 
Spärliche,  alpam]  nicht  vorhanden  sei,  widersprechend  sein.  Hierzu 
kommt,  dafs,  da  „das  Liebe"  u.  s.  w.  je  nach  den  Leibern,  ver- 
schieden ist,  auch  der  [aus  ihm  bestehende]  „wonneartige"  Atman 
I  ein  verschiedener  sein  mufs;  das  Brahman  aber  ist  nicht  je  nach  126 
den  Leibern  verschieden,  denn  die  Schriftstelle  „Wahrheit,  Er- 
„kenntnis,  Unendlichkeit  ist  das  Brahman"  (Taitt.  2,  1)  bezeugt 
seine  Unendlichkeit,  und  auch  eine  andre  Schriftstelle  sagt  von 
ihm  (gvet.  6,  11): 

„Der  eine  Gott,  in  allen  Wesen  weilend, 
„Durchdringend  alle,  aller  innere  Seele." 


58  •  (^ärlraka-mliit&a8& , 

Weiter  ist  zu  bemerken,  dafs  „die  Häufigkeit",  mit  der  der  Wonne- 
artige von  der  Schrift  erwähnt  werden  soll  (Sütram  1,  1,  12),  gar 
niclit  statthat.  Vielmehr  ist  es  nur  das  ''dem  Snfiix  vorangehende 
Woi*t  [änandaj  Wonne],  welches  allenthalben-  häufig  erwähnt  wird ; 
z.  B.  wenn  es  heifst:  „fürwahr,  er  ist  die  Essenz;  denn  wer  die 
„Essenz  erlangt,  den  erfüllt  Wonne;  denn  wer  .mochte  «tmen  und 
„wer  leben,  wenn  in  dem  Weltenraume  nicht  diese  Wonne  wärc  V 
„ —  Denn  er  ist  es,  der  die  Wonne  schafi*et"  (Taitt.  2,  7);  — 
„dieses  ist  die  Erforschung  der  Wonne"  (Taitt.  2,  8);  —  „wer 
„dieses  Brahniau'  Wonne  kennt,  dem  macht  es  alle  Angst  ver- 
„schwinden"  (Taitt.  2,  9);  —  „da  erkannte  er,  dafs  das  Brahman 
„die  Wonne  ist"  (Taitt.  3,  6).  Ware  es  ausgemacht,  dafs  man 
das  Wort  wouneartig  auf  Brähman  bezichen  müsse,  so  würde  auch 
weiterhin,  wo  die  .„Wonne"  allein  genannt  wird,  der  „Wonneartige" 
wieder  vorkommen  müssen.  Es  steht  also  viebnehi*  so,  dafs  der 
„Wonneartige"  *  noch  gar  nicht  das  Brahman  ist,  wie  wir  dies 
daraus,  dafs  „Liebes  sein  Haupt"  ist,  und  aus  andern  Gründen  er- 
wiesen  haben.  Darum  heilst  es  auch  in  einer  andern  Schriftstclle : 
„Brahman  ist  Wonne  und  Erkenntnis"  (Brih.  3,  9,  28);  wo  also 
nur  das  dem  Suffix  vorangehende  Wort  „Wonne"  auf  das  Brah- 
man bezogen  wird;  und  ebenso  liegt  in  der  Stelle:  „wenn  in  dem 
„Weltenraume  nicht  diese  Wonne  wäre"  u.  s.  w.  (Taitt.  2,  7  fg.) 
eine'  auf  Brahman  bezügliche  Anwendung  [des  Wortes  „Wonne '-J, 
nicht  aber  eine  öftere  Wiederholung  des  „Wonneartigen"  vor. 
Was  aber  die  noch  weiterhin  vorkommende  Wiederholung  des 
Wortes  „Wonne"  in  Verbindung  mit  dem  Suffixe  j,-artig"  betiifft 
in  der  Stelle:  „zu  jenem  wonneartigen  Ätman  zieht  er  sich  empor** 
(Taitt.  2,  8),  so  bezieht  sich  dies  gar  nicht  auf  das  Brahman, 
127  I  weil  es  in  einer  Linie  steht  mit  dem  Sich -emporziehen  zu  den 
andern  Ätman^s,  dem  nahrungsartigen  u.  s.  w.,  welche  blofs  durch 
Umwandlung  entstanden  und  noch  gar  nicht  der  [eigentliche]  Atman 
sind.  —  'Aber  wenn  in  dem  Wonneaiiigen,  zu  dem  [der  Wissende 
'nach  dem  Tode]  sich  emporziehen  soll,  ebenso  wenig  wie  in  dem 
'Nahrungsartigen  das  Brahman  zu  finden  ist,  so  würde  dann  über- 
'haupt  nicht  gesagt  werden,  dafs  der  Lohn  des  Wissenden  die  £r- 
'langung  des  Brahman  ist?'  —  Dieser  Einwand  ist  untriftig,  dn, 
in  dem  Emporziehen  zu  dem  Wonneartigen  zugleich  ausgedrückt 
liegt,  dafs  der  Wissende  das  „sein  Unterteil,  seine  Grundlage'', 
bildende  Brahman  als  Lohn  erlangt,  was  dann  weiter  ausgeführt 
wird  in  den  Worten:  „Dartiber  ist  auch  dieser  Vers:  Vor  dem  die 
„Worte  kehren  um"  u.  s.  w.  (Taitt.  2,  9).  Wenn  aber  (Sütram 
1,  1,  18)  darauf  verwiesen  wurde,  dafs  das  Schriftwort:  „er  be- 
„gehrete,  ich  will  vieles  sein,  will  mich  fortpfianzen"  (Taitt.  2,  6) 
in  Zusammenhang  stehe  mit  der  Erwälinung  des  „Wonneartigen", 
so  ist  zu  bemerken,  dafs  dasselbe  vielmelu*  sich  bezieht  auf  da^ 
„Brahman",  welches  in  noch  viel  unmittelbarerem  Zusammenhang 


Sötram  I.  i.  Id.  5f> 

mit  ihm  erwähnt  wurde  in  den  Worten:  „Brahman  ist  sein  Ünter^ 
„teil,  seine  Grandlage/^  Somit  beweist  jenes  Schriftwort  keines- 
wegs, dafff  der  „Wonneartige^^'da»  Brohmau  ist;  dann  aber  dürfen 
auch  die  weitem  Ausführungen,  „fürwahr,  er  ist  die  Essenz"  u.  s*  w. 
(Taitt.  2,  7),  da  sie  auf  jenes  Schriftwort  zui'ückweisen  ^  nicht  auf 
den  „Wonneartigen  ^'  bezogen  werden.  —  ^Aber  ist  nicht  die  Be- 
'Zeichnung  des  Brahman  durch  das  Maskulinum  in  den  Wbrten: 
'„er  begehrete"  u.  8.  w.  (Taitt.  2,  6)  unstatthaft?'  —  0  nein!  denn 
auch  in  den  Eingangsworten:  „tTürwahr,  aus  diesem  Atman  ist  der 
,,Äther  entstanden"  (Taitt  2,  1),  wurde  das  Brahman  unter  der 
inaskulineu  Bezeichnung  aU$  der  Atman  eingefOlirt.  Was  aber  die 
„Lehre  des  Bhriguj  Sohnes  dos  Varw*a^^,  betrifft:  „da  erkannte 
„er,  dafs  das  Brahman  die  Wonne  ist^^  (Taitt.  3,  6),  so  kommt 
hier  weder  das  Suffix  -waya  vor,  noch  ist  auch  davon,  dafs  das 
Liebe  sein  Haupt  u.  s.  w.  sei,  die  Rede;  daher  hier  mit  Recht  die 
Wonne  für  das  Brahman  erkl&rt  wird.  Es  iat  somit  festzuhalten, 
dafs  ohne  ein,  -wenn  auch  noch  so  geringes,  Greifen  zu  unter- 
schiedlichen Bestimmungen  von  dem  Brahman,  wie  es  an  sich 
(svatas)  ist,  nicht  gesagt  werden  kann,  dafs  das  Liebe  sein  Haupt 
u.  &•  w.  aei.  Au  unserer  Stelle  nun  aber  besteht  nicht  die  Absicht, 
I  das  untei*8chiedhafte  [niedere]  Brahman  zu  lehren,  weil  dabei  138 
von  Brahman  gesagt  wird,  dafs  es  den  Bereich  der  Worte  imd 
Gedanken  übersteige.  Es  steht  somit  fest,  dafs,  ebenso  wie  bei 
dem  Nahrungsartigen  u.  s.  w.,  auch  bei  dem  Wonneartigen  das 
Suffix  -matfa  im  Sinne  einer  Umwandlung  und  nicht  im  Sinne 
der  Reichlichkeit  zu  fassen  ist. 

Was  aber  die  Sütra*s  betrifft,  so  mufs  man  sie  in  folgender 
Weise  auslegen.  —  Die  Frage  ist,  ob  man  in  den  Worten:  „Brah- 
„man  ist  das  Unterteil,  die  Grundlage^'  das  Brahman,  sofern  es 
einen  Teil  des  wonneartigen  bildet,  oder  sofern  es  selbst  die 
eigentliche  Hauptsache  ist,  zu  verstehen  hat?  Angenommen  also, 
*es  sei  hier,  wegen  des  Wortes  „Unterteil",  als  ein  blofser  Teil 
^[des.  Wonneaxtigen]  anzusehen',  so  antwort-en  wir:  »der  wonne- 
„artige,  wegen  der  Häufigkeit^*  (Sütram  1,  1,  12);  d.h.  in 
der  Besprechung  des  wonneartigen  Atman  ist  das  in  den  Worten 
„das  Brahman  ist  sein  Unterteil,  seine  Grundlage''  vorkommende 
Brahman  als  die  eigentliche  Hauptsache  anzusehen,  „wegen  der 
„Häufigkeit",  d.  h.  weil  in  dem  abschliefsenden  Verse  „der  ist  nur 
„ein  Nichtseiender**  (Taitt.  2.  6)  das  Brahman  für  sich  allein  [und 
nicht  als  Teil  eines  andern]  mehrfach  erwähnt  wird.  - —  „Wegen 
„des  Umwandlungs-Wortes  nicht,  meint  ihr?  Kein,  we- 
ngen  der  Reichlichkeit"  (Sütram  1,  1,  13).  'Was  einen  Teil 
'bezeichnet,  das  bezeichnet  in  der  Regel  eine  Umwandlung  [etwas 
'Gewordenes];  das  Unterteil  bezeichnet  einen  Teil;  somit  kann 
'hier  ,, Brahman"  nicht  als  die  eigentliche  Hauptsache  [als  das 
'weltschdpferische  Princip,  von  dem  die  ganze  Stelle  liandelt]  auf- 


60  g&riraka-mtmiMi 

^gefaffft  werden.'  —  Dieser  Behauptung  ist  entgegensiitretaa.  Wir 
bestreiten  dieselbe  auf  Grund  davon,  dafs  auch  ,,weg<ni  der  Beich- 
),lichkeit^*  [mit  der  hier  flberaU  Teile  erwähnt  werden]  die  Be* 
Zeichnung  Brahman's  als  eines  Teiles  denkbar  ist.  Nteüidi  die 
„Beichlichkeit'*  ist  das  Vorkommen  einer  Rctgel  nach  und  bedeutet 
eine  regelmäfsige  Erwähnung  von  Teilen.  Naohdem  n&mUdi  bei 
dem  Nahrungsartigen  u.  s.  w.  gewisse  Teile  als  sein  Haupt  u.  s.  w. 
aufgezählt  worden  waren,  und  nun  auch  bei  dem  Wonneartigeii 
andre  Teile  als  sein  Haupt  u.  s.  w.  su  erwähnen  waren,  so  be- 
zeichnet die  Schrift,  um  des  regelmälidgen  Vorkommens  der  Tmle 
willen,  das  Brahman  als  „sein  Unterteil,  seine  Grundlage*',  nicht 
aber,  als  wollte  sie  hier  [wirkliche]  Teile  erwähnen,  da  ja  ,,wegen 
„der  Häufigkeit*'  des  Vorkommens,  wie  es  hiefs,  bereits  festgestellt 
worden  war,  dala  „Brahman"  hier  im  eigentlichen  Hauptsinne 
stehe.  —  „Auch,  weil  er  als  ihre  Ursache  bezeichnet 
129  „wird**  (Sütram  1,  1,  14).  |  Nämlich  als  Ursadie  von  all^n  durch 
Umwandlung  Entstandenen,  mit  EiBschlnfs  des  Wonneartigen,  wird 
Brahman  [in  dem  Weiterfolgenden]  bezeichnet,  wo  es  heifst:  „die- 
„ses  alles  schuf  er,  was  immer  vorhanden  ist**  (Taitt.  2,6);  und 
weil  das  Brahman  die  Ursache  [von  allem]  ist,  deswegen  kann  es  nicht 
im  strengen  Sinne  des  Worts  als  ein  Teil  des  Wonneartigen, 
dessen  Ursache  es  ist,  bezeichnet  werden.  —  Auch  die  Übrigen 
Sdtra's  mufs  man,  je  nachdem  es  sich  trifft  (tßiUhdsainbhavam)^  so 
auffassen,  dafs  sie  nur  das  unter  dem  Worte  „Unterteil**  zu  Ter- 
stehende  Brahman  zu  erklären  bezwecken. 


Siebentes  Adhikaranam. 

20.    antas,  tad-dharma-upadefät 
der  im  Innern,  wegen  Aufzeigung  seiner  Eigenschaften. 

Ein  heiliger  Text  sagt:  „aber  der  goldene  Mann  (purusha)^ 
„welcher  im  Innern  der  Sonne  gesehen  wird,  mit  goldenem  Bart 
„und  goldenem  Haar,  bis  in  die  Nagelspitzen  ganz  von  Golde,  — 
„seine  Augen  sind  wie  die  Blüten  des  fop^asa-Lotus,  sein  Name 
130  ,,i8t  «Hoch»  (ud)t  denn  |  hoch  über  allem  Übel  ist  er;  hochhebt 
„sich  über  alles  Übel ,  wer  solches  weifs.**  So  heifst  es  in  kosmo- 
logischem  Sinne;  darauf  ebenso  in  psychologischem  Sinne:  „aber 
„der  Mann,  welcher  im  Innern  des  Auges  gesehen  wird**  u.  b.w. 
(Ghänd.  1,  6 — 7).  Es  erhebt  sieh  die  Frage,  ob  hier  irgend  eine, 
zufolge  eines  Übermafsez  ron  Wissen  und  Werken  erhobene,  wan- 
dernde [individuelle]  Seele    in    der  Sonnenscheibe    und    im  Auge 


Sütram  I.  i.  20.  Gl 

som  Zwecke   der   Verehrung  hingeatellt  wird,   oder  vielmehr   der 
ewig  vollkommene,  höchste  Gott? 

Angenommen  also,  'es  sei  vbn  einem  wandernden  [individuellen] 
^\traan  hier  die  Rede.  Warum?  weil  von  ihm  gesagt  wird,  dais 
'er  eine  Gestalt  hahe.  Denn  was  den  Fu/uska  (Mann,  Geist)  in 
^der  Sonne  hetrifft,  so  wurden  die  Worte,  die  ihm  eine  Gestalt 
'„mit  goldenem  Barte''  u.  s.  w.,  «beilegen,  bereits  erwähnt;  und 
'weiter  wird  auch  auf  den  Purusha  im  Auge  ebendieselbe  Gestalt 
'mittels  Verweisung  bezogen,  indem  es  heifst:  „die  Gestalt,  welche 
S jener  hat.  die^  hat  auch  dieser"  (Chänd.  1,  7,  5).  DsSh  aber 
'der  höchste  Gott  eine  Gestalt  besitze,  kann  man  nicht  behaupten, 
'weil  die  Schrift  sagt,  er  sei:  „unhörbar,  unborührbar,  ungestaltet, 
'„unvergänglich"  (Kath.  3,  15).  Ferner  deswegen,  weil  [in  der 
'fraglichen  Stelle]  von  einem  Standorte  die  Rede  ist;  denn  es  heifst, 
'der  Pwrusha  sei  „im  Innern  der  Sonne",  „im  Innern  des  Auges". 
'Dem  höchsten  Gotte  aber  kann  als  dem  Standortlosen,  nur  auf 
'seine  eigne  Majestät  Gegründeten  und  Alldurchdringenden  ein 
'Standort  nicht  zugeschrieben  werden,  denn  die  Schrift  sagt: 
'„worauf,  o  Herr,  gründet  er  sich?  -^  Er  gründet  sich  auf  seine 
'„eigne  Majestät"  (Chiind.  7,  24,  1),  und  in  einer  andern  Stelle 
'beifst  es  von  ihm,  er  sei  „dem  Äther  gleich  allgegenwärtig  ewig" 
'(^gl-  P-  172,  5).  Femer  [kann  in  unserm  Texte  der  Manu  in 
'Sonne  und  Auge  nicht  der  höchste  Gott  sein],  weil  von  einer 
'Grenze  seiner  Herrschaft  die  Rede  ist,  denn  es  heifst:  |  ,.die  131 
',, Welten,  welche  von  jener  [Sonne]  aufwärts  liegen,  über  die 
*„herrBcht  er  und  über  die  Wünsche  der  Götter"  (('band.  1,  6,  8). 
'Diese  Worte  bezeichnen  eine  Grenze  der  Herrschaft  des  Sonnen- 
^Purunha,  sowie  weiter  -eine  solche  für  den  Puntsha  im  Augo  in 
'den  Worten  liegt:  „die  Welten,  welche  von  jener  abwärts  liegen, 
'„über  die  herrscht  er  und  über  die  Wünscha  der  Menschen" 
'(Chand.  1,  7,  6).  Von  dem  höchsten  Gotte  aber  läfst  sich  nicht 
'annehmen,  dafs  seine  Herrschaft  eine  beschränkte  sei;  denn  die 
*Schrift  sagt  von  ihm  ganz  allgemein :  „er  ist  der  Herr  des  Weltalls, 
S,er  ist  der  Gebieter  der  Wesen,  er  ist  der  Hüter  der  Wesen;  er 
'„ist  die  Brücke,  welche  diese  Welten  auseinanderhält,  dafs  sie 
'„nicht  verflifcfsen"  (Brih.  4,  4,  22).  Folglich  kann  der  Purusha 
'im  Innern  des  Auges  und  der  Sonne  nicht  der  höchste  Gott  sein.' 

Hierauf  antworten  wir:  „der  im  Innern,  wegen  Aufzeigung 
„seiner  Eigenschafben";  d.  h.  der  Purusha,  der  im  Innern  der 
Sonne  und  im  Innern  des  Auges  von  der  Schrift  angenommen 
wird,  mufs  der  höchste  Gott  und  nicht  eine  wandernde  Seele  sein. 
Warum?  „wegen  Aufzeigung  seiner  Eigenschaften'';  nämlich  seine, 
des  höchsten  Gotiesi,  Eigenschaften  werden  hier  aufgezeigt.  So, 
Wenn  es  heifst:  „sein  Name  ist  «Hoch»",  und  weim  weiterhin  die- 
ser Name  des  Sonnten -Purnsha  in  den  Worten:  „dt^nn  hoch  über 
,,allem  Übel  ist  er"  aus  seiner  Erhabenheit  über  alles   Übel  abgc 


*/ 


62  C^riika-mini&ns6, 

leitet  wird,  und  ebendieser  so  erklärte  Name  wird  dann  weiter 
auch  auf  den  -  Punisha  im  Auge  überwiesen  durch  die  Worte 
,^enes  Name  ist  sein  Name".  Die  Erhabenheit  über  alles  übel 
aber  wird  von  der  Schrift^ nur  dem  höchsten  trotte  araerkannt, 
indem  sie  z.  B.  sagt:  „der  Atman,  der  sündlose"  n.  s.  w.  (Ch&nd. 

132  8,  7,  1).  I  Weiter  wird  von  dem  Purusfia  im  Auge  mit  den  Worten: 
„er  ist  die  l?w,  er  das  SAmant  »er  das  Preislied,  er  der  Opfer- 
„»pruch,  er  das  Gebet ^'  (Chänd.  1,7,5),  versichert,  dafs  er  das 
Selbst  von  Jfic,  Säman  u.  s.  w.  sei ,  was  auf  den  höchsten  Gott 
zutrifH,  sofern  er  die  allgemeine  Ursache  und  das  Selbst  in  allem 
ist.  Und  nachdem  fic  und  Sdman  in  kosmologischer  Besiebnng 
für  das  Selbst  der  Erde  und  des  Feuers  und  in  psychologischer 
Beziehung  för  das  Selbst  der  Rede  und  des  Odems  erklärt  worden 
sind,  so  heifst  es  weiter  von  dem  kosmologischen  Puruslu»:  «,8eine 
„Gelenke  [oder:  Gesänge?. ^£«^ate]  sind  Bic  und  Sdman^^  (Chand. 
1,  6,  8);  und  dann  ebenso  von  dem  psychologischen:  „jenes  Ge- 
„lenke  sind  auch  seine  Gelenke"  (Chänd.  1,  7,  5);  nnd  dies  ist 
nur  möglich,  sofern  er  das  Selbst  von  allem  ist.  Femer  in  den 
Worten:  „darum  die,  welche  hier  zur  Laute  singen,  die  besingen 
„ihn;  deswegen  wird  ihnen  Gut  zu  teil"  (Ch&nd.  1,  7,  6),  liegt 
ausgesprochen,  dafs  auch  in  den  weltlichen  Gesängen  immer  nur 
jeuer  [Ptirusha]  besungen  wird;  auch,  das  pafst  zu  der  Auffassung 
desselben  als  den  höchsten  Gott,  von  dem  die  Bhagavad-QUäh 
sagen  (Bhag.  G.  10,  41): 

„Alles,  was  kräftig  ist  nnd  schön  nnd  üppig, 
„Das,  wisse,  ist  e^n  Teil  von  meiner  Kraft." 

133  I  Auch  die  ihm  zugeschriebene,  schrankenlose  Willkür  -  Herrschaft 
über  die  Welt  weist  auf  den  höchsten  Gott  hin.  Wenn  aber  be* 
hauptet  wurde,  dafs  die  Erwähnung  der  Gestalt  in  den  Worten 
„mit  goldenem  Bart"  u.  s.  w.  auf  den  höchsten  Gott  nicht  passe, 
so  erwidern  wir,  dafs  auch  bei  dem  höchsten  Gotte  eine  auf  Wunsch 
zur  Begnadigung  eines  Verehrers  angenommene  Scheingestalt  (niäffä" 
rmyam  rupam)  wohl  denkbar  ist;  denn  die  Smriti  sagt  (Mahäbhä- 
ratam  12,  12909): 

„Ein  Schein  ist  es,  von  mir  bewirkt,  dafs  du  mich  schaust,  o  Närada, 
„In  aller  WeseL  Eigenschaft;  sonst  war'  ich  nicht  zu  scheu  ja." 

Ferner  ist  zu  bemerken,  dafs  da,  wo  die  Natur  (rüpam)  des  hoch* 
sten  Gottes  unter  Feruhaltung  aller  Unterschiede  gelehrt  wird,  der 
Sohriftkanon  Ausdrücke  gebraucht  wie:  „nicht  hörbar,  nicht  föhl- 
„bar,  nicht  gestaltet,  unvergänglich"  (Käth.  .3,  15).  Anderseits 
aber  kaim  auch  der  höchste  Gott,  Weil  er  "von  allem  die  Ursache 
ist,  znm  Zwecke  der  Verehrung  vorgestellt  werden  als  charakteri* 


S6tram  I.  i.  20.  63 

Biert  durch  gewisse  Qualitäten  der  Umwandlung  [der  Seh6pfung, 
die  eine  Umwandlung  von  ihm  ist],  z.B.  wenn  es  heifst,  er  sei 
},allwirkend ,  allwflnschend ,  aliriechend,  allschmeckend '^  (Chand. 
3,14,2),  und  ebenso  wird  es  mit  seiner  Bezeichnung  als  der 
Mann  „mit  goldenem  Barte ^^  stehen.  Wenn  weiter  behauptet 
wurde,  dafs  der  höchste  Gott  nicht  gemeint  sein  kdqno,  weil  von 
einem  bestimmten  Standorte  die  Rede  sei,  so  ist  zu  bemerken,  dafi^ 
auch  dem  nur  in  seiner  eignen  Majestät  stehenden  höchsten  Gottc 
zum  Zwecke  der  Verehrung  ein  bestimmter  Standort  wohl  zuge- 
schrieben werden  kann,  weil  Brahroan  wie  der  Kaum  allgegenwärtig 
ist  und  daher  als  das  innere  Selbst  jedes  Wesens  aufgefafst  werden 
kann.  Auch  die  Erwähnung  der  Grenzen  seiner  Herrschaft  ge- 
schieht nur  mit  Rücksicht  auf  die  Unterscheidung  eines  kosmischen 
uad  eines  psychischen  Gebietes,  wie  sie  hier  sum  Zwecke  der  Ver- 
ehrung aufgestellt  wird.  Somit  steht  fest,  dafs  es  der  höchste 
Gott  ist,  welcher  hier  als  „der  im  Innern '*  des  Auges  und  der 
Sonn?  [wohnende  Purusha]  aufgewiesen  wird. 


21,    hheda-^vyapade^iXc  ca  anyah  i34 

auch  wegen  Hervorhebung  der  Verschiedenheit 

zu  untersclieiden. 

Auch  ini  von  den  individuellen  Seelen,  wie  sie  der  Somie  und 
äen  übrigen  Körpern  zugeschrieben  werden,  zu  unterscheiden  der 
Hin  innerlich  lenkende  (aniarydmin)  Gott,  denn  seine  Verschieden- 
heit von  ihnen  wird  in  einer  and(ni)  Schriftstelle  hciTorgehoben, 
wo  es  heiff^t:  „der  in  der  Sonne  wohnend,  von  der  Sonne  ver- 
,,schieden  ist,  den  die  Sonne  nicht  kennt,  dessen  Leib  die  Sonne 
„ist,  der  die  Sonne  innerlich  regiert,  der  ist  deine  Seele,  dein 
„innerer  Lenker,  dein  Unsterbliches''  (ßrih.  .^,7,  9).  Wenn  hier 
von  dem  „iniiern  Lenker'^  gesagt  wird,  derselbe  sei  von  der  Sonue 
verBohieden,  und  die  Sonne  kenne  ihn  nicht,  so  liegt  darin  deutlich 
ausgesprochen,  dafs  er  [nämlich  der  höchste  Gott  als  der  innere 
Lenker]  von  dt*r  Sonne  als  einer  bewulsten,  individuellen  Seele 
/n  unterscheiden  ist.  Ebenderselbe  aber  muls  auch  an  unserer 
Stelle,  wegen  der  Gleichartigkeit  beider  Texte,  unter  dem  Furusha 
„im  Innern^*  dor  Sonne  verstanden  werden.  Daher  es  unzweifel- 
Juift  nur  der  höchste  Gott  sein  kann^  der  dabei  gemeint  ist. 


64  gMnJEVmlm&fM 


A^tes  Adhikarananu 

22.    dkäfos,  taUlihgät 
der  Äther,  weil  seine  Merkmale. 

Im  Ckändoffjfam  kommt  folgende  Stelle  vor:  „Welches  ist  der 

„Ausgangspunkt  dieser  Welt?  —  Der  Äther,  so   sprach  er,  denn 

„der  Äther  allein  ist  es»  aus   dem  alle  diese  Wesen   hervorgehen, 

135  „  I  und  in  welchen  sie  wieder  untergehen,  der  Äther  ist  &lter  als 

„sie  alle,  ier  Äther  ist  das  höchste  Ziel*'  (ChAnd.  1,  9,  1). 

Hier  erhebt  sich  die  Frage,  ob  mit  dem  Worte  „Äther"  das 
höchste  Brahman  oder  das  Naturelement  des  Äther^  gemeint  ist. 
Woher  diese  Frage?  Weil  das  Wort  in  beiderlei  Sinne  verwendet 
wird.  Denn  als  Bezeichnung  eines  besondem  Elements  ist  das  Wort 
Äther  im  Gebrauche  des  Lebens  wie  im  Veda  ja  sehr  üblich. 
Zuweilen  jedoch  vrird  es  auch  von  Brahman  gebraucht,  in  der  Art, 
dafs  aus  dem  Zusammenhange  der  Rede  oder  wegen  Erwähnung 
von  Eigenschaften,  die  nicht  beiderseits  gemeinsam  sind,  die  Be- 
siehung  auf  Brahman  eine  unzweifelhafte  ist.  So  z.  B.  wenn  es 
heifst:  „wenn  in  dem  Äther  [Weltenraume]  nicht  diese  Wonne 
„wäre"  (Taitt.  2,  7),  oder  „der  Äther,  wahrlich,  ist  es,  welcher  die 
„Namen  und  Oestalten  auseinanderdehnt;  worin  diese  beiden  sind 
„[oder:  was  in  diesen  beiden  ist],  daseist  das  Brahman"  u.  s.  w. 
(Ch&nd.  8|  14).  Daher  also  obiger  Zweifel.  •  Aber  welches  ist  nun 
hier  das  Richtige? 

Man  könnte  denken:  'das  Element  des  Äthers.  Warum?  Weil 
'dieses  wegen  des  häufigem  Gebrauches  sich  zunächst  im  Bewufst- 
'sein  einstellt.  Denn  es  kann  nicht  behauptet  werden,  dafs  das 
'eine  Wort  ,J(.ther"  eben  wohl  für  beide  [das  Element  und  Brah- 
'man]  gebraucht  werden  könne;  weil  dann  bei  dem  Worte  [der 
'Fehler  der]  Doppelsinnigkeit  eintreten  würde.  Man  mufs  also 
'annehmen,  dafs  das  Wort  „Äther"  von  Brahman  nur  in  übertra- 
^genem  Sinne  vorkommt,  sofern  das  Brahman  in  vielen  Stücken, 
'z.  B.  in  der  Alldurchdringung  u.  s.  w.,  allerdings  dem  Äther  ähnlich 
'ist.  Wo  aber  der  eigentliche  Sinn  eines  Wortes  ausreicht,  da 
'hat  man  kein  Recht,  zu  dem  uneigentliohen  Sinne  zu  greifen. 
'Und  an  unserer  Stelle  ist  es  ja  doch  möglich,  den  eigentlichen 
'Äther  za  verstehen.*  —  Aber  zu  der  Annahme,  dafs  das  Element 
des  Athere  gemeint  sei,  pafst  doch  nicht  das  Folgende,  wo  es 
heifst:  „denn  der  Äther  ist  es,  aus  dem  alle  diese  Wesen  hervor- 
„gehen"  u.  s.  w.  (Ch&nd.  1,  9,  1).  —  'Das  ist  kein  Fehler,  weil 
'auch  das  Element  des  Äthers  als  die  Ursache  angesehen  •  werden 
'kann,   welche   durch   die   Zwischenstufen   des  Windes  u.  ä.  w.   zur 


äAivam  I.  l  82.  65 

^^Telt  sieh  entwickelt  hat.  Denn  es  heifat  bekaimtlicL :  ^JP^rwahr, 
*^yJMB  diesem  )  Äimaa  ii«t  der  Äther  enttftandenf.  ana  dem  Äther  der  13€ 
*„Wind,  HOB  dem  Winde  das  Feuer"  o.  s.  v.  (Taitt.  2,  1).  Aaeb 
'dafs  der  Äther  na  isneerer  Stelle  (Chand.  1,  9^  1)  ^^.der  älteste 
*;,iind  allervortrefflichste'^  genannt  wird,.  läM  sich  von  dem.  Ele^ 
^ent  des  Äthei*s,  sofern  man  ihn  mit  den  andern  Elementen  ver- 
gleicht, verstehen.  Somit  ist  unter  diem.  Worte  .^Äther^^  das  £W« 
^ent  dps  Äthers  zu  verstehen/ 

Anf  diiesc  Behauptung  erwidern,  wir:  „der  Äther  »..weil  seine 
nMeriuBsle-^,  d.  h.  unter  dem  Worte  Äther  mni^  man  hier  das 
Brahioan  vecstehen;  wanun?  weil!  seine  Merkmale  dabai  vorkom- 
mea;  demt  wenn  es  hellst:  ,^dar  Äther  ist  es,  aas  de»  alle  diese 
^Wesan  hervorgehen",  sa  ist  diese»  ein  Merkmal  das  höchsteoi 
Btahman;  denn  nach'  den  Gnmdsitaen  der  Yedaetatexta  ist  es  das 
hüchste  Bfeahman,  aus  vrelehem  die  Sntstehung  d^  Wesen  statthaL 
— -**Ab«r  wurde  nicht  gecaigt,^  dafe  auch  das  Elc-meni  des  Äthers 
^s  die  Ursache  angesehen  werden  kann,  welche  dordi  die  Zwi* 
*a«heastnfen  des  Windes  u.  s.  v.  sich  zur  Weh  entwickelt  hat?* 
—  Alferdings  ja,  das  wurde  geteigt.  Aber  gleichwohl  darf  man 
Ider  mar  die  Wurzel  Ursache  d.  h.  das  Brahman  verstehen,  weil 
aonat  der  Ausdruck :  ^er  Äther  allein  ist  efi.*-',  und  dss  den  Wesen 
^ig^^^ne  Adjektham  |,alle^  nicht  passend  sein  würden.  lind 
wenn  es  weiter  von  den  Wesen  heifst,  der  Äther  sei  es  »,  in  wel- 
schen sie  wieder  «ntergelien*^,  so  liegt  auch  hier  ein  Merkmal  des 
Brahman  vor;  t/nd  auch  in  den  folgenden  Worten:  ^der  Äther  ist 
„Alter  als  sie  aUe^  der  Ätlier  ist  das  höchste  Ziel",  ist  von  einem 
Älter-sein  die  Rede,  wie  es  in  dieser  Unbedingtheit  nur  dem  hdch- 
■tan  Atman  allein  beigelegt  werdon  kaun,  wie  dies  z.  B.  geschieht 
in  der  Stelle:  „er  ist  älter  als  die  Erde,  ftlter  als  der  Luftraum, 
„filter  als  der  Himmel,  älter  als  diese  Welten"  (Chand.  3,  14,  3)- 
Ferner  ist  auch  die  Bezeichnung  als  .,das  hdchsto  Ziel'^  nur  auf 
den  höchsten  Äünan,  weil  er  die  letzte  Ursache  ist,  gani  zutreffend ; 
wiü  denn  auch  eine  Schriftstelle  sagt:  „Brahman  ist  Wonne  und 
„Verstand,  des  Oaben- Spenders  höchstes  Ziel"  (Bfih.  3,9,28). 
Hierzu  kommt,  dafs  [von  den  drei  Männern,  die  sich  an  unserer 
Stelle  Ch&nd.  1,  8 — 9  über  den  letzten  Urgrund  des  Vdgtfhn  un- 
terreden] Jaiealij  nachdem  er  gegen  die  Auffassung  des  ^äldvatya 
den  Vorwurf  der  Endlichkeit  [seines  Erklärungsgrundes]  erhoben 
hat,  I  etwas  Unendliches  bezeichnen  will  und  als  solches  don  137 
f,Äther*^  nennt;  und  indem  er  diesen  Äther  mit  dem  üdgitha  in 
Znsammenhang  bringt,  so  schliefst  er  mit  den  Worten:  „dieser 
„Allervortrefflichste  ist  der  UdffUha,  er  ist  der  Unendliche" 
(Chänd.  1,9,2);  diese  Unendlichkeit  aber  ist  ein  Merkmal  des 
Brahman.  Was  ferner  die  obige  Bemerkung  betrifft,  dafs  mtin  b^i 
dem  Worte  „Äther'*  zunächst  an  das  Element  als  das  bekanntere 
denke,  so  entgegnen  wir  darauf:    wenn   man   auch   yamächst  daran 


66  Q&i1raka-miinkQ8& 

denkt,  so  kann  man  doch  dabei  nicht  stehen  bleiben,  wenn  man 
die  im  weitern  Verlaufe  vorkommenden,  dem  Brahman  eigenen  Be- 
stimmungen zu  Gerichte  bekommt.  Dafs  aber  das  Wort  „Äther" 
auch  von  Brahman  gebraucht  wird,  wiesen  wir  »chon  oben  au8 
der  Stolle  nach:  „der  Äther,  wahrlich,  ist  es,  welcher  die  Namen 
„und  Gestalten  auseinauderdehnt*^  (Ghand.  8,  14).  Und  in  der- 
selben Weise  werden  auch  die  mit  „Äther"  synonymen  Worte  von 
138  Brahman  gebraucht,  |  wenn  es  z.  B.  heifst:  „des  Liedes  Laut,  auf 
„den  im^h ochsten  Räume  die  Götter  allesamt  sich  niederliefscn^' 
(Kigv,  1,  164,  39);  —  „dieses  ist  die  Lehre  des  Bhfigu,  Sohnes 
„des  Varuffa,  die  in  dem  höchsten  Räume  gegründet  steht'* 
(Taitt.  3,6);  —  „Gm!  Brahman  ist  Freude,  Brahman  ist  Weite, 
„die  uranfängliche  Weite"  (Brih.  5,  1,  1  vermengt  mit 
Chand.  4,  10,  5)  u.  s.  w.  —  Hieraus  ergiebt  sich,  dafs  man  auch 
ächon  zu  Anfang  unserer  Stelle,  da  wo  das  Wort  „Äther"  vor- 
kommt, dieses  um  des  weiter  Folgenden  willen  auf  das  Brahman 
beziehen  mufs;  ähnlich  wie  man  in  der  Stelle:  „Agni  studiert  die 
„Lektion"  auch  schon  unter  dieser  zu  Anfang  vorkommenden  Be- 
zeichnung als  „Agni"  den  Brahmanenschüler  zu  verstehen  bat. 
Somit  ist  bewiesen,  dals  (Ghli.nd.  1,  9,  1)  unter  dem  Worte  „Äther" 
clas  Brahman  zu  verstehen  ist. 


Neuntes  Adhikaranam* 

23.    ata'  eva  pt^tnah 
aus  eben  dem  Grunde  der  Präna  (Odem,  Leben). 

Bei  der  Besprechung  des  Udffitha  heifst  es:  „die  Gottheit ^  o 
„Preisrufer,  auf  welche  sich  der  Preisruf  bezieht",  —  und  weiter: 
„Welches  ist  diese  Gottheit?  —  Der  Präna y  so  antwortete  er: 
„denn  alle  diese  Wesen  (hhiUa)  gehen  ein  in  den  .Prikna  und  aus 
„dem  Prana  [wöi*tlich:  in  Bezug  auf  den  Präna]  entspringen  sie; 
„dieses  ist  die  Gottheit,  auf  welche  sich  der  Preisruf  bezieht" 
(Chand.  1,  10,  8  —  1,11,5).  Hier  sind  Frage  und  Klarstellung 
ebenso  wie  im  Vorigen  zu  behandeln.  Nämlich  in  Stellen  wie: 
„denn  das  Leben  (prdna)  ist  die  Bindungsstätte  des  Manas^^ 
(Chftnd.  6,  8,  2)  oder  „des  Odems  (prdna)  Odem"  (Brih.  4,  4,  18), 
139  wird  (  das  Wort  „Prana"  von  Brahman  gebraucht;  hingegen  be- 
deutet es  gewöhnlicher  im  Leben  und  im  Yeda  eine  Abart  des 
Windes;  daher  die  Frage  sich  erhebt,  welches  von  beiden  hier 
unter  dem  Worte  Pröna  zu  verstehen  ist.  Was  ist  also  hier  das 
Richtige? 


'  Sütram  I.  i.  23.  67 

Man  könnte  sagen:,  'das  Richtige  ist  hier,  unter  Präi^  den 
'eine  Abart  des  Windes  bildenden,  in  fänf  Funktionen  [als  IVd^a, 
'Apäna,  Vyäna^  Samäna^  Udäna]  sich  bethfttigendea  Lebensodem 
'zu  ▼  erstehen;  denn  in  dieser  Bedeutung  wird  das  Wort  Präna^ 
*wic  bereits  bemerkt,  am  gewöhnlichsten  gebraucht/* —  Aber  muls 
mau  nicht  hier  ebensp  wie  im  vorigen  [Adhikara^am]  das  Brahman 
verstehen,  „weil  seine  Merkmale*^  vorkommen?  Denn  auch  hier 
konmit  doch  im  Verlaufe  der  Stelle  das  Eingehenlassen  und  Her- 
vorgehenlassen  der  Wesen  vor,  welches  als  die  Sache  des  höchsten 
Gottes  anzusehen  ist.  —  'Dem  ist  nicht  so,  weil  lEIingehen  und 
'Hervorgehen  der  Wesen  auch  in  Bezug  auf  den  Mukhpa  Prdpa 
'(llauptlebensodem)  von  der  Schrift  gelehrt  wird.  Denn  in  diesem 
'Sinne  heilst  es:  „wahrlich,  wenn  der  Mensch  schl&ft,  dann  gehet 
S,in  das  Leben  ein  die  Rede,  in  das  Leben  das  Auge,  in  das  Le- 
S,ben  das  Ohr,  in '  das  Leben  das  Manas;  wenn  er  aufwacht,  so 
'„werden  sie  aus  dem  Leben  wiederum  geboren"  (^tapatha-br&h- 
'manam  10,  3,  3,  6).  Und  das  ist  ja  auch  dureh  blofse  Wahr* 
'nehmuBg  zu  erkennen,  dafs  zur  Zeit  des  Schlafes  die  Funktion 
'des  Präna  nicht  unterbrochen  wird,  während  die  Funktionen  der 
'Sinnesorgane  unterbrochen  werden  und  erst  zur  Zeit  des  Erwa- 
'chens,  wieder  in  die  Erscheinung  treten.  Und  auch  darum,  weil 
'die  Sinnesorgane  [Gehör,  Gefühl,  Gesicht,  Oesohmaok,  Geruch^  den 
'eigentlichen  Kern  der  Wesen  [bhüta^  hi«r  „der  Elemente**:  Äther, 
'Luft,  Feuer,  Wasser,  Erde]  bilden,  l&fst  sich  das  im  Verlaufe  der 
'Stelle  vorkommende  Eingehen  und  Hervorgehen  der  Elemente 
'(bknia)  auch  von  dem  Mukhya  Präna  ohne  Widerspruch  verstehen. 
'Hierzu  kommt,  dafs  an  unserer  Stelle  (Gh&nd.  1,  11,  6 — 9)  sofort 
'nach  Erwähnung  des  Prana  als  der  Gottheit  des  Prastäva  (Vor- 
'gesanges)  die  Sonne  und  die  Nahrung  als  die  Gottheiten  des  Üd' 
^gUha  (Hauotgesanges)  und  Pratikdra  (Zwischengesanges)  |  genannt  140 
'werden;  diese  aber  können  nicht  das  Brahman  sein,  und  wegen 
'der  Analo^fie  mit  ihnen  kann  auch  der  Pr&na  nicht  das  Brahman 
'sein.'  — 

Auf  diese  Behauptung  erwidert  der  Verfasser  der  Sütra's: 
„aus  eben  dem  Grunde  der  Prana";  nämlich,  wie  es  im  vorher- 
gehenden Sütram  hiefs:  „wegen  seiner  Merkmale".  Aus  diesem 
Grunde,  weil  auoh  hier  wieder  seine  Merkmale  vorkommen,  mufs 
das  höchste  Brahman  auch  unter  dem  Worte  „Präna"  verstanden 
werden,  indem  auch  dem  Prä^a  hier  von  der  Schrift  Merkmale 
beigelegt  werden,  welche  dem  Brahman  angehören;  nämlich  es 
heifst:  „denn  alle  dieso  Wesen  gehen  ein  in  den  Prä^a,  und  aus 
„dem  Präna  entspringen  sie"  (Ghänd.  1,  11,  5);  wenn  hier  für  d^i 
Ursprung  und  Untergang  aller  Wesen  als  Ursache  der  Präna  an- 
gegeben wird,  so  beweist  dies,  dafs  der  Präna  das  Brahman  sein 
muls.  —  'Aber  wir  sagten  doch,  dafs,  auch  wenn  man  unter  dem 
'Präna  den  Mukhya  Präna  verstehe,  das  Kingehen  und  Hervorgehen 

5* 


68  C^iraka-mlm&ÄBlL 

^der  Wesen  ohne  Widenpracb  bestehen  Icönne,  indem  wir  dabei 
*aaf  die  Erscheinungen  des  Einschlafens  und  Erwachens  hinwiesen.* 
«—  Darauf  dient  zur  Antwort:  beim  Einschlafen  und  Erwachen 
sind  es  nur  die  Sinnesorgane  allein,  welche  in  den  Pr&na  eingehen 
und  wieder  aus  ihm  hervorgehen;  an  unserer  Stelle  hingegen  redet 
die  Schrift  nicht  nur  von  allen  Sinnesorganen,  sondern  von  allen 
Wesen  mitsamt  ihren  Leibern  und  den  in  sie  eingegangenen  indi- 
viduellen Seelen,  wenn  sie  sagt:  „alle  diese  Wesen  (bkutah^'^  Und 
selbst  wenn  man  hier  unter  den  Wesen  (^bküta)  nur  die  [fünf] 
Elemente  (mahäbMta)  verstehen  will,  so  bleibt  auch  dann  wahr, 
dafs  dem  Pr&na  Merkmale  beigelegt  werden,  welche  nur  dem  Brah* 
man  eigen  sind.  —  'Aber  lehrt  nicht  die  Schrift,  dafs  die  Sinnes* 
'organe  mitsamt  den  Sinnendingen  beim  Einschlafen  und  Etwachen 
Hn  den  Pr&na  ein-  und  aus  ihm  wieder  hervorgeben;  denn  es 
^heifst  doch:  „wenn  einer  so  eingeschlafen  ist, -dafs  er  kein  Traiim- 
141  *„bild  I  schaut,  so  ist  er  eins  geworden  in  jenem  Pranaj  dann 
\,gehet  in  ihn  ein  die  Rede  mitsamt  .allen  Namen,  [das  Auge  mit- 
'„saint  allen  Gestalten,  das  Ohr  mitsamt  allen  Tdnen}^^  n.  s.  w. 
'(Kaush.  8,  3)?*  -'—  Auch  an  dieser  Stelle  iat  ea,  weil  seine  Merk- 
male vorkommen,  Brahman  allein,  welches  unter  dem  Pr&via  ver» 
standen  werden  kann.  Wann  aber  weitar  behauptet  wurde, .  dafs 
das  Wort  Prft^  nicht  Brahman  bedeoten  könne,  weil  daneben  die 
Nahrung  und  die  Sonne  erwfihnt  wftrden,  eo  ist  das  'ungereimt; 
denn  wenn  einmal  ans  dem  Zusammenhange  die  Beziehung  des 
Wortes  Prfina  auf  das  Brahman  festgestellt  worden  ist,  so  tbut  es 
gar  nichts  aur  Sache,  was  aufserdem  noch  daneben  erwähnt  wird. 
Wenn  ferner  geltend  gemacht  wurde,  dafs  das  Wort  „Präna"  am 
gewöhnlichsten  den  f&uffaoben  Lebenshaueh  bedeutet,  so  ist  dieser 
Punkt  ganx  ebenso  zu  behandeln  wie  es  bei  dem  Worte,  „Äther** 
[im  vorigen  Adhikaranam]  geschah.  Somit  steht  fest,  dafs  der  als 
die  Gottheit  des  Prasf^va  erwähnte  Prana  (Ghand.  1,  11,  &)  das 
Brahman  bedeutet. 

Einige  wollen  dieses  Suiram  beziehen  auf  die  Stilen 
„des  Odems  Odem*'  (pränasya  prä^nh^  Brih.  4,  4.  18)  und:  „das 
„Leben  (präna)  ist  die  Bindungsstätte  des  Manüs*^  (Chand.  6,  8,  2); 
aber  beides  ist  unpassend,  weil  au  diesen  Stellen,  wegen  des 
Zweimalstehens  des  Wortea  {.prdi^asyti  p^dnah]  und  wegen  des  in 
Rede  stehenden  Thema's  ein  Zweifel  [daräber,  dafs  Brahman  ge- 
meint ist]  nicht  obwalten  kann.  Denn  wie  in  dem  Ausdrucke 
„der  Vater  des  Vaters"  ein  anderer  der  im  Genitiv  stehende  Va- 
ter, und  ein  anderer  der  im  Nominativ  stehende  Vater  des  Vaters 
sein  mufs,  ebenso  ist  in  dem  Ausdrucke  „der  Odem  des  Odems '% 
wegen  des  Zweimalstehens,  der  „Odem  des  Odems"  offenbar  ein 
Anderer  als  der  gewöhnliche  Odem.  Denn  eine  und  dieselbe  Sache 
kann  nicht  nebeneinander  als  Nominativ  und  Genitiv  von  sich 
selbst  unterscliieden  werden.     Und  ebenso  versteht  es  sich  [betreffs 


S&tram  I.  u  23.  69 

der  zweiten  Stelle,  Chand.  6,  8,  2J  von  selbet,  dafs,  wenn  von 
einer  Sache  als  Thema  die  Rede  ist,  und  sie  dabei  einmal  unter 
anderm  Namen  vorkommt,  eben  jene  in  Rede  stehende  Sache  ver- 
standen werden  mufs.  Denn  wenn  z.  B.  vom  Lichtopfer-  die  Rede 
ist,  und  es  hei  (st  dabei:  ,pnit  jedem  neuen  Frühling  toll  man  das 
„Licht  darbringen",  so  bedeutet  hier  das  Wort  „Licht"  dasselbe 
wie  „Lichtopfer".  Ebenso  steht  es,  wenn  von  dem  höchsten 
Brahman  ala  Thema  die  Rede  ist,  und  es  heifst  dabei:  „denn  das 
,4^ben  (prdfjka)  ist  die  Bindungsst&tte  |  des  Manas"  (Ch&nd.  6,  8,  2);  ^^^ 
hier  ist  ja  nicht  daran  zu  denken,  dafs  das  Wort  „Leben"  (präfta) 
eine  blolse  Abart  des  Windes  bedeuten  könne.  Weil  somit  bei 
diesen  Stellen  kein  Zweifel  obwalten  kann,  so  ist  die  Heranziehung 
derselben  [zum  gegenwärtigen  Sütram]  unpassend.  Was  hingegen 
den  (Ch&nd.  1,  11,  6)  als  Gottheit  des  Prastäva  erwähnten  Präna 
betrifft,  so  haben  wir  die  Frage,  die  gegnerische  und  die  endgül- 
tige Meinung  darüber  durchgegangen. 


>» 


Zehntes  Adhikaranam, 

^4*  jyotig,  caranor-abhidhAnät 
das  Licht^  wegen  Erwähnung  der  Füfse. 

£s  heifst  in  der  Schrift:  „nun  aber  das  Licht,  weiches  jenseits 
des.  Himmels  dort  erglänzt,  auf  dem  Rücken  von  allem,  auf  dem 
,»Rücken  von  jedem,  in  den  höchsten,  allerhöchsten  Welten,  das 
„ist  gewifslich  dieses  Licht  inwendig  hier  im  Menscbfln"  (Gh&nd. 
3,  13,  7).  Hier  erhebt  sich  die  Frage,  ob  unter  dem  Wcnrte  „Licht" 
ein  Licht  wie  das  der  Sonne  und  dergleichen,  oder  aber  das  höchste 
Brahman  zu  verstehen  ist?  Dafs  auch  solche  Worte,  welche  zu- 
nächst eine  andre  Sache  bedeuten,  sich  auf  das  Brahman  beziehen 
können,  „weil  seine  Merkmale"  dabei  vorkommen,  sahen  wir  be- 
reits. Es  fragt  sich  daher,  ob  an  unserer  Stelle  ein  Merkmal  des 
Brahman  sidi  vorfindet  oder  nicht. 

Angenommen  also,  'unter  dem  Worte  Licht  sei  hier  das  der 
^Sonne  oder  dergleichen  zu  verstehen;  warum?  wegen  des  Gebrau- 
'ches;  indem  die  beiden  Worte  „Finsternis"  und  „Licht"  gebräuch- 
'lich  sind,  um  zwei  im  Gegensatz  zu  einander  stehende  Dinge  zu 
^bezeichnen«  Daarjenige,  was  die  Verrichtung  des  Auges  hemmt, 
'wie  z.B.  das '  nächtliche  Dunkel  (cärvaram)^  wird  „Fiustemis" 
'genannt;  was  hingegen  dieselbe  befördert,  |  wie  die  Sonne  und  143 
'dergleichen,  ist  das  „Licht"«     Ebenso  ist  auch  der  von  der  Schrift 


1 


70  C^rlrftka-mlmlüäei 

^branohte  Aoadruck  „erglAnst^  von  der  Sonue  und  Derartigem 
^üblich.  Ton  dem  BrahnoAn  hingegen,  welches  der  Sichtbarkeit 
'u.  t.  w.  ermangelt,  könnte  die  Sohrilt  nicht  im  eigentlichen  Sinne 
'sagen,  dafs  es  „ergUnxt^'.  Femer  [kann  das  Brahman  nicht  ver- 
'standen  werden] ,  weil  die  Schrift  dem  „Lichte''  den  Himmel  als 
'Grenze  setst.  Denn  das  Brahman,  welches  der  Same  allee  Beweg- 
'liehen  nnd  Unbeweglichen  ist  und  alles  als  Seele  erfallt,  kann 
'nicht  den  Himmel  als  die  Grenze  [jenseits  deier  ek  ist]  haben* 
'Das  erschaffene  Licht  hingegen  ist  räumlich  begrenzt,  so  dafs  der 
'Himmel  seine  Grenze  bilden  kann,  und  der  Text  redet  ausdrück- 
'lieh  Ton  dem  „Licht,  welches  jenseits  des  Himmels"  sei.'  —  Aber 
ist  nicht  auch  das  erschaffene  Licht  allerwftrts  verbreitet,  so  dafs 
seine  Abgrenzung  auf  den  Raum  jenseits  des  Himmels  unpassend 
ist?  Sollen  wir  somit  nicht  lieber  an  das  ursprüngliche,  noch 
nicht  [durch  Zumischung  von  Wasser  und  Nahrung,  Ch&nd.  6, 2 — 4] 
dreifadi  gemachte  Feuer  denken?  —  'Doch  nicht!  denn  jenes 
'noch  nicht  dreifkch  gemachte  Feuer  findet  [in  der  Welt]  keine 
'Vwwendung/  —  Kann  denn  die  Verwendung  nicht  eben  darin 
bestehen,  dafs  es  zur  Verehrung  empfohlen  wird?  —  'Nein!  denn 
'nur  solche  Dinge,  welche  toch  anderweite  Verwendung  finden, 
'z.  B.  die  Sonne  und  dergleichen,  werden  von  der  Schrift  zur  Ver- 
'ehrung  empfohlen.  Auch  lehrt  die  Schrift  in  den  Worten:  „jede 
'„einzelne  Ton  ihnen  aber  will  ich  dreifach  machen"  (Ch&nd.  6,  3,  3); 
'dafs  alles  Feuer  ohne  Ausnahme  ein  dreifach  gemachtes  sei.  End- 
'lieh  ist  auch  nicht  zu  erweisen,  dafs  das  noch  nicht  dreifach  ge- 
'machte  Feuer  auf  den  Baum  jenseits  des  Himmels  eingeschränkt 
144  *8ein  müsse/  |  —  Nun  gut,  es  mag  also  unser  schon  dreifach  ge- 
mischtes Feuer  sein,  welches  unter  dem  „Lichte"  zu  verFcehen  ist. 
Aber  vrie  steht  es  dann  damit,  dafs,  wie  wir  bereits  erinnerten, 
dieses  „Licht"  sich  auch,  als  Herdfeuer  u.  s.  w.,  diesseits  des  Him- 
mels Yorfindet?  —  'Das  schadet  nichts.  Denn  wenn  sich  auch 
'das  „Licht"  allerwärts  hin  erstreckt,  so  steht  damit  doch  nicht 
'in  Widerspruch,  dafs  es,  zum  Zwecke  der  Verehrung,  au  irgend 
'einem  bestimmten  Orte,  also,  wie  es  hier  heifst,  „jenseits  des 
'„Himmels"  angeschaut  wird.  Nicht  aber  ist  ebenso  auch  bei  dem 
'Brahman,  weil  dasselbe  orüos  (nishpradeca)  ist,  die  Verlegung  an 
^einen  bestimmten  Ort  berechtigt.  Auch  die  Vielumfassung,  welche 
'in  den  Worten  „auf  dem  Bücken  von  jedem,  in  den  höchsten, 
'„allerhöchsten  Welten"  ausgesprochen  liegt,  wird  passender  von 
'dem  natürlichen  Lichte  verstanden.  Und  wenn  es  weiter'  [mittels 
einer  in  den  Upanishad's  häufigen  Identifikation  des  Kosmischen 
und  des  Psychischen]  'heifst,  jenes  Licht  jenseits  des  Himmels  sei 
'„gewifslich  dieses  Licht  inwendig  hier  im  Menschen"  (Chänd. 
^3,  13^  7),  so  haben  wir  hier  eine  bildliche  Übertragung  des  Jen- 
'seitigen  Lichtes  auf  das  Licht  im  Bauche  [die,  gewöhnlich  jäthara 
^Offni   genannte,    Feuerkraft    der    Verdauung].     Es    bemhen    aber 


SÜtTAIR  I.  I.  24.  '  71 

'derartige  Übertragungen  auf  einer  gewissen  Gleichartigkeit^  wie 
'diese  z.  B.  auch  statthat,  wenn  es  heiM  „[der  Mann,  der  in 
S  Jener  Sonnenscheibe  ist,]  dessen  Haupt  ist  Mur  (Erde);  das  eine 
\,Haupt  ist  diese  eine  Silbe''  (B)-ih.  5,  5,  3).  Dafs  aber  das 
'Bauchlicht  nicht  Brahman  sein  kann,  steht  fest,  weil  die  Schrift 
'da,  wo  es  heifst:  „dieses  ist  seine  Anschauung,  .  .  .  dieses  ist 
'„seine  H5rung",  die  [Körper-] W&rme  und  das  [Ohren-]  Sausen  als 
'seine  Merkmale  angiebt  (Ch&nd.  3,  13,  7.  8).  Ferner  auch,  weil 
'es  weiter  heifst:  „darum  soll  man  dieses  [Licht]  verehren  als 
'„etwas,  welches  man  siehet  und  höret"  (Chänd.  3>  13,  8).  Bafs 
'hier  nicht  Brahman  gemeint  sein  kann,  ist  endlich  auch  noch 
'daraus  ersichtlich,  dafs  die  Schrift  in  dsn  Worten:  „der  wird  an- 
'„gesehen  und  gehört,  wer  solches  weifs"  (Ohd.nd.  3,  13,8),  nur 
'einen  gelingen  Lohn  yerheifst,  während  die  Verehrung  des  Brah- 
'man,  wie  man  annehmen  darf,  einen  grofsen  Lohn  bringt.  Hierzu 
'kommt  anderseits,  dafs  weder  im  Zusammenhange  der  Stelle  selbst 
'dem  „Lichte'S  irgendein  Merkmal,  aus  dem  sich,  wie  bei  dem 
'„Prtoa"  und  dem  „Äther",  auf  Brahman  schliefsen  liefse,  beige- 
'legt  wird,  noch  auch  in  dem  vorhergehenden  Zusammenhange 
'irgendwie  Ton  Brahman  die  Rede  ist.  Denn  wenn  es  [im  Yorher- 
'gelienden  Chänd.  3,  12,  1]  heifst:  „wahrlich,  diese,  ganze  ent- 
'„standene  Welt  ist  die  ^rdya^rl",  so  ist  hier  nig:  von  einem  Me^ 
'trum  die  Rede.  Aber  selbst  zugegeben,  dafs  |  in  der  vorher-  145 
'gehenden  Stelle  irgendwie  von  Brahman  die  Rede  sei,  so  liegt, 
'doch  an  unserer  Stelle  kein  Kenuzsichen  vor,  an  dem  man  däs- 
'selbe  wiedererkennen  könnte.  Denn  dort  hiefs  es:  „Drei  [Füfse] 
'.„sind  Unsterblichkeit  im  Himmel  droben"  (Oh&nd.  3}  12,  6)^  — 
'wo  also  der  Himmel  als  der  eigentliche  Gegenstand,  —  hier  hin- 
'gegen:  „das  Licht,  welches  jenseits  des  Himmels"  (Chand.  3,  12,  7),  ^ 
' —  wo  der  Himmel  als  die  Grenze  erwähnt  wird  [jenseits  deren 
'erst  der  Gegenstand  sich  vorfindet].  Somit  ist  es  nur  das  natür- 
'liche  Licht,  welches  man  an  unserer  Stelle  zu  verstehen  hat.'  — 
Auf  diese  Annahme  erwidern  wir,  dafs  unter  dem  Liciite  hier 
das  Brahman  verstandeu  werden  mufs;  warum?  „wegen  Erwähnung 
„der  Füfse"  (carana)^  wobei  caratta  soviel  bedeutet  wie  päda 
(Fufs).  Nämlich  in  der  vorhergehenden  Stelle  (ChUnd.  3,  12,  6) 
war  das  Brahman  als  vierföfsig  geschildert  worden  mittels  der 
[aus  dem  Pwrfi5Äff-Liede,  Rigv.  10,  90,  3  entlehnten]  Verse: 

„So  grofs  die  Majestät  ist  der  Natur, 
„So  ist  doch  gröfser  noch  der  Geist  erhoben; 
„Ein  Fufs  von  ihm  sind  alle  Wesen  nur, 
„Drei  sind  Unsterblichkeit  im  Himmel  droben." 

I  Die  drei  Füfse  des  vierfüfsigen  Braliman,  welche  hier  als  unsterb-   146 
lieh    und   zum    Himmel    gehöng    aufgezeigt    werden,    eben    diese 


72  ^iknniika-miniftlteli 

sind  ftuch  an  unserer  Stelle  wiflydenso^rkennen  und  zwar  daran, 
dafs  [aaeh  das  Licht,  von  dem  unsere  Stelle  redet]  als  zam 
Himmel  gehörig  bezeichnet  wird.  Wer  dies  verwerfen  uad  "hier 
an  ein  na^Arliches  Licht  denken  w.ollte,  der  würde  sich  eines  Ab- 
gehen» Vvcm  dem  Thema  and  Übersprhigena  auf  ein  Nicbtiibema 
schuldig  machen.  Und  nicht  mxr  in  der  Stelle  von  dem  Lichte 
[von  der  wir  reden]  kehrt  das  3i*ahman  wieder,  soadera  auch 
noch  weiterhin  in  der  unmittelbar  darauf  (Ch^nd.  3,  14)  folgenden 
(Jaf^/Z/^a* Lehre  sehen  wir  es  wiederkehren;  daher  man  auch  an 
unserer  Stelle  unter  dem  Lidite  das  Brahman  verstehen  mufs. 
Wenn  aber  geltend  gemacht  wurde,  dafs  die  beidmi  Ausdruoke 
„ Licht ^*  und  „erglänzt^'  gewöhnlich  von  dem  erschaffenen  lichte 
gebraucht  würden,  so  stehtT  das  UAserer  Auffassung  nicht  im  W^g», 
weil,  wenn  einmal  auf  Grund  deeseo,  was  vorhergeht,  die  Beziehimg 
auf  Brahman  festgestellt  worden,  jene  beiden  Attsdr&oke  «ich  ganz 
wohl  auch  von  Brahman  verstehen  laasen,  sofern  dasselbe  bildlioh, 
.  wegen  seiner  Ähnlichkeit  mit  demseibea,  als  ein  glänzendes,  wiik- 
liches  Licht  vorgestellt  werden  kaan«  Wie  denn  auch  «in  Mantra- 
Vers  [von  „dem  grofsen  Geiste^*]  sagt  (TaitL  br.  3,  12,  9,  7): 

1  ^Durch  den  die  Senne  kudilet  glntentflammU' 

'  Oder  a«ch  darum;  weil  das  Wort  „Li<!lit^^  nicht  ansschliefslich  von 
dem  die  Yerrichtung  des  Ao^es  ermöglichendeit  Lichtelemente  ver^ 
standen  su  werden  brauditi  da  es  auch  anderweit  gebraucht  wird, 
z.B.  wenn  ee  heilst:  ^jdenn  bei  dem  Lichte  der  Rede  sitzt  er" 
(Brih.  4,  3,  5)  cäatz  „deä  Geistes  Licht  soll  sich  [des  Opferscbmal- 
„zes]  freuen'*  (Taitt.  samh.  1,  5,  3|  2).  Also  alles,  was  einem  eine 
147  Sache  }  offenbart^  d.as  kann  als  ein  ,, Licht"  bezeichnet  worden. 
Ist. dem  so,  dann  ist  auch  bei  Brahman,  weil  es  vermöge  seiner 
G^stigkeit  die  Ursache  ist,  welche  die  ganze  Welt  offenbar  macht, 
der  Gebranch  des  Wortes  „  Licht''  am  Platze.  Daher  auch  die 
Schrift  von  ihm  sagt:  ,kihm,  dem  Glänzenden,  glUnzt  alles  naeh, 
„von  seinem  Glänze  ergl&nzt  diese  ganze  Welt''  (Kä(h.  5,  15)  und : 
„ihn  ehren  als  imsterblich  Leben  die  Götter,  als  der  Lichter  Licht" 
(Bfih.  4,  4,  16).  Wenn  weiter  behauptet  wurde,  dafis  die  Be» 
schrAnknng  auf  den  Raum  jenseits  des  Himmels  auf  das  allgegen- 
wärtige Brahman  nicht  passe,  so  ist  darauf  zu  erwidern,  dafs  mit 
der  Allgegenwart  des  Brahman  eine  zum  Zweck  der  Verehrung 
unternonunene  Anschauung  desselben  an  einem  bestimmten  Orte 
nicht  streitet.  —  'Aber  wir  sagten  doch,  dafs  das  Brahman  ortlos 
'sei,  dafs  somit  die  Verlegung  desselben  an  einen  bestimmten  Ort 
'nicht  angehet  *  — •  Das  hat  nichts  zu  sagen.  Denn  wenn  auch 
das  Brahman  ortlos  ist,  so  kann  es  doch,  zufolge  seiner  Ver- 
knüpfung mit  bestimmteu  Beilegungen  (upddhi)  an  einen  bestimm- 
ten Ort  verlegt  werden.     So  z.  B.  kommen  in    der  Schrift  Ver- 


Sütam  I.  I.  24.  73 

chrungen  vor,  bei  denen  das  Brabman  in  der  Sotme,  im  Ange,  im 
Herzen  aufgefafist  wird,  also  als  an  einen  beetittuaten  Ort  gebun- 
den erscheinf.  Damit  erledigt  sich  denn  9xudi  der  Einwurf,  der 
aas  der  Yielamfassnng,  wie  eie  in  den  Worten:  „auf  dem  Rücken 
„von  jedem"  4RisgesproGhen  liegt,  entnommen  wurde.  Wenn  weiter 
behauptet  wurde,  dafs,  wegen  seiner  Übeilnagung  auf  das  ajis  dier 
[Körper-]  WüTBie  und  dem  [Ohren-]  Sausen  «rkennbare,  Bstfirlifihe 
Bauchlichtj  a«ioh  -das  Licht  jenseits  des  Hinmels  nur  ein  Baturlicbee 
sein  könne,  so  iei  arnjch  das  unzutraffead^  weil  auch  da«  hdobBt« 
Bi-abman,  so  gut  wie  es  den  „Namen''  «l  s«  w.  als  sein  Symbol  hjct 
(vffi.  Cband.  7,  1,  ö  fg.),  auch  da«  fiaiiditicht  als  sein  Sjnibol 
haben  kann;  wenn  as  aber  dabei  heilst:  ^ darum  soll  man  dieses 
^Licht]  verehren  da  etwas,  welches  man  sidiet  und  höret"  (Ghaad. 
.%  18,  8),  so  mufs  diese  Sichtbarkeit  md  Höii>axkeit  auf  RechnuBg 
des  Symbols  gesetzt  werden.  |  Wenn  femer  wegen  der  Yerheifsung  ^^^ 
^ines  nur  geringen  Lehnen  die  Beziehung  auf  Brahman  bestritten 
wurde,  so  ist  auch  daa  unzutreffend.  Denn  es  ist  kein  Grund,  als 
Begel  aufsustellen,  dafs  man  nur  bei  einer  gewissen  Höhe  des 
-Lohnes  an  Brahman  und  bei  einer  gewissen  nicht  an  dasselbe  zu 
d<9nken  habe.  Denn  wo  das  von  aller  Verbindung  mit  Unterschie- 
den (vigesba)  freie,  höchste  Brahman  (param  hrahma)  als  Seele 
nadigewiesen  wird,  da  giebt  es,  wie  [aus  der  Schrift]  zu  ersehen, 
nur  eine  einsige  Frucht,  nämlich  die  Erlösung;  wo  hingegen  das 
Bralunan  in  einer  Verbindung  mit  unterschiedlichen  Attributen 
(gtUfa-vi^esKa)  oder  in  einer  Verbindung  mit  unterschiedlichen 
Symbolen  (prattka^vi^esha)  vorkommt,  da  werden  hohe  und  niedi-ige, 
Jtfdoch  nur  auf  den  Safitsära  beschränkte  (satfisdra-ffocarä^i  eva) 
Belohnungen  von  der  Schrift  verheifsen;  so  in  Stellen  wie:  „er  ist 
„eS)  Welcher  die  Nahrung  geniefst  und  der  Geber  des  Guten,  ist. 
.,Der  findet  Gutes,  wer  Solches  weifs'^  (Brih.  4,4,  24).  Wenn 
endlich  auch  in  dem  Zusammenhange  der  Stelle  selbst  kein  Merk- 
mal des  Lichtes  vorkommt,  welches  auf  Brahman  hinwiese,  so  liegt 
doch  ein  solches  in  den  vorhergehenden  Worten  vor  und  mufs  von 
dort  her  auf  unsere  Stelle  mitbezogen  werden.  Dieses  meint  der 
Verfasser  der  S&tra's,  wenn  er  sagt:  „das  Licht  wegen  Erwähnung 
„der  Füfse."  —  *Aber  wie  darf  man  deswegen ,  weil  Brahman  in 
^einem  andern  Zusammenhange  in  der  Nähe  vorkommt,  die  Stelle 
^vom  Lichte  entgegen  ihrer  eigentlichen  Beziehung  umdeuten?'  — 
Dieser  Einwand  ist. nicht  begründet;  denn  wenn  es  heifst:  „das 
„Lichty  weiches  jenseits  des  Himmels"  fyad  atak  paro  dwo  jjfotih)^ 
so  wird  hier  durch  das  voranstehende  Pronomen  yacf  (welches) 
krafk  der  ihm  eignen  Bedeutung  das  vorher  erwähnte  und  an  der 
Zugehörigkeit  [des  Lichtes]  ^um  Himmel  [als  dieses]  wiedei-zuer- 
kennende  Brahman  wieder  aufgenommen;  daher  mit  gutem  Grunde 
auch  daa  Wort  „Liclit*^  auf  Brahman  bezo^n  wird.  Somit  ist  unter 
dem  au  unserer  Stelle  erwähnten  „Lichte"  daa  Brahman  zu  verstehen. 


74  Qirlrakvmtmftnsä 

149      25.    chando  *bhidhdnän  na.  iti  cm?  na!  iathd  ceto- 

'fTpam-fügadät,  tathä  M  darfanam 

wegen  der  Erwähnung  des  Metrums  nichts  meint  ihr? 

0  nein!    weil  dadurch  die  Fixierung  der  Gedanken 

ausgedrückt,  indem  dies  erweisbar. 

Noch  wurde  behauptet,  dafs  auch  in  dem  Vorhergehenden 
nicht  von  Brahman  die  Rede  sei,  indem  in  den  Worten  f  „fürwahr 
,,die  Gäyatri  ist  alles  dieses  Gewordene,  was  immer  vorhanden  ist'% 
(Chand.  3,  12,  1)  nur  das  Gäyairi  genannte  Metrum  erwähnt 
werde;  dieses  bleibt  noch  zu  widerlegen. 

Aber  wie  kann  man  nur  bestreiten,    dafs    in    der  Erwähnung 
des  Metrums  das  Brahman  gemeint  sei,   da  doch  in  dem  Verse: 
„So  grofs  die  Majestät  ist  der  Natur^^  u.  s.  w.,  das  Brahman  [ent* 
sprechend  dem  Gr%a<r(-Metrum ,  welches  aus  dreimal  vier  iamhi- 
scheu  FüJIsen   ^-^  ^^  ^J- y^^  besteht]   als  vierfüfsig    hingestellt 
worden  war?  —  'Dem  ist  nicht. so\  könnte  man  sagen,  'vielmehr 
^st  in  den  Worten  „fürwahr  die  GäyaiH  ist  alles  dieses"  von  der 
^[wirklichen]  Qayairi   die  Rede,    und  nachdem    eben    diese    ihrer 
^Beschaffenheit    nach    durch    die    [sechs]  Bestandteile    [des  Natur- 
'ganzen,  nämlich:]   Wesen,    Erde,    Leib,    Herz,    Rede  und  Odem 
^[richtiger:    Erde    und  Wesen,    Leib    und  Prdna^H  (Sinnesorgane), 
^Herz  und  Fräfj^a^s  (die  fQnf  Lebenshauche)]    erläutert  worden,    so 
'heifst  es  weiter  (Chänd.  3,  12,  5 — 6):   „dieses  ist  di^  viei-füfsige, 
S,sechsfache^  Guyatri ;  eben  dieses  wird  dargelegt  durch  den  Vers : 
S,«so  grofs  die  Miyestät  ist  der  Natur»;"  hier  wird  dev  Vers  mit 
'Beziehung  auf  die  eben  ihrer  Beschaffenheit  nach  erklärte  Gäyairi 
^angeführt;  wie  kann  man  denselben   also   ohne  Veranlassung   auf 
^das  vierfüfsige  Brahman  beziehen?     Und  wenn  das  Wort   „Brah- 
Sfi^&i^''  dabei  vorkommt,    indem  es  [im  Anschlnfs  an  den  citierten 
'Vers]  heifst:  „Fürwahr  was  dieses  Brahman  ist"  (Ghänd.  3,  12,  7), 
'so  ist  auch  dieses,  weil  von  dem  Meknm  die  Rede  ist,  nur  [etwa 
'indem  brahman  „Gebet"  bedeutet]  auf  das  Metrum    zu   beziehen. 
'Denn  auch  an  der  [kiirz  vorhergehenden]  Stelle:   „wer   also  diese 
'„Brahman-Upanishad  weifs"  (Chänd.  3,  11,  3),  bedeutet  dies  soyiol 
'wie  „Veda-Upanishad",    Somit  ist  „wegen  Erwähnunj^  des  Metrums" 
'auzunehmen,   dals  hier. nicht  von  Brahman  die  Rede  ist/  —  Auf 
diese  Einwendung  entgegnen   wir,    dafs   dieselbe   ohne  Grund   ist, 
„weil   dadurch    die  Fixierung    der   Gedanken    ausgedrückt"    wird: 
d.  h. :  dadurch,  nämlich  durch  das  Gäyatrt  genannte  Metrum,  wird 
eine  Fixierung  der  Gedanken,  ein  Concentrieren  des  Denkens,  auf 
das    in   jenem  Metrum    angeschaute   Brahman    von    unserm  Texte 
150  ausgedrückt,  |  indem  er  sagt:  „fürwahr  die  Gäyairi  ist  diese  ganze 


Sütram  I.  i.  25.  75 

„Welt"  (Ch&nd.  3^  12,  1).  Denn  yon  der  Oäpairi  als  einer  blofsen 
Anordnung  von  Silben  kann  nicht  behauptet  werden,  dafs  sie  das 
Selbst  (die  Seele)  von  allem  sei.  Es  ist  somit  das  Brahman  als 
Weltareiaohd,  welches  hier,  aufgef&fst  als  die  aus  ihm  entstandene 
Gdyairiy  bezeichnet  wird  als  dasjenige,  welches  „diese  ganze  Welt" 
sei;  ebenso  wie  es  [im  Folgenden,  Ch&nd.  3,  14,  1]  heifst:  „für- 
wahr „das  Brahman  ist  diese  ganze  Welt."  Dafs  aber  alles  Ent- 
standene der  Weltursache  immanent  ist,  werden  wir  zeigen  bei 
den  Worten:  „Identität  mit  ihm,  wegen  des  Schriftwörts  von  dem 
„Sich-anklammem  und  anderen"  (Sütram  2,  1.  14).  „Indem  dies" 
[wie  die  Schlufsworte  unseres  Sütram  lauten]  auch  anderweit  „er- 
„weisbar*^  ist,  dafs  Brahman  in  Gestalt  einer  seiner  Umwandlungen 
verehrt  wird,  denn  es  heifst  z.  B.:  „er  ist  es,  den  die  Bahvfica^s 
„[Priester  des  piffvedä]  als  das  gi'ofse  Preislied,  er,  den  die 
^^Ädhcaryu's  [Priester  des  Yajurvedd]  als  das  Opferfeuer,  den  die 
^ßhandoga^  [Priestor  des  Sämavedd]  als  das  groDse  Gelübde  über- 
„denken**  (Ait.  &r.  3,  2,  3,  12).  Somit  ist  auch  unter  der  Erwäh- 
nung des  Metrums  im  Vorhergehenden  das  Brahman  zu  verstehen; 
und  eben&o  wird  dieses  an  unserer  Stelle  als  „das  Licht"  bezeich- 
net, um  noch  eine  weitere  Art  seiner  Verehrung  vorzuschreiben. 

Ein  anderer  [Erklärer]  behauptet:  Brahman  wird  hier 
geradezu  als  die  Gäyatri  bezeichnet,  wegen  der  Gleichheit  der 
Zahl.  Denn  so  wie  die  Gäyatri  aus  vier  Füfsen  zu  je  sechs  Sil- 
b',in  [in  welche  hier  die  dreimal  acht  Silben  der  Gäyatri  unbe- 
recüügterwei&e  zerlegt  werden]  besteht,  j  so  ist  auch  das  Brah-  l&l 
man  vierfufsig.  „Indem  dies  erweisbar"  daraus  ist,  dafs  auch 
anderweit  Worte,  welche  ein  Metrum  bedeuten,  wegen  der  Gleich- 
heit der  Zahl  von  andern  Dingen  gebraucht  werden.  So  z.  B.  an 
der  Stelle*  ,4)eide,  die  einen  fünf  [die  {Elemente)  und  die  andern 
„fünf  [die  Sinnesorgane],  welche  zehn  machen,  sind  das  ITnYam" 
der  bachste  Wurf  beim  Würfelspiele,  zehn  Augen  zählend 
leifst  es  weiter:  „tlieses  ist  die  Viräj  [ein  zehnsilbiges  Metrum' 
„die  Speiseesserin"  (Chänd.  4,  3,  8).  —  Nach  dieser  Auffassung 
wird  das  Brahman  selbst  [als  die  Gäyatri]  bezeichnet,  und  liegt 
eine  „Erwähnung  des  Metrums"  überhaupt  nicht  vor,  weil  im 
Vorhergehenden  schon  von  Brahman  die  Rede  war. 


36.    hhiAa-ddv^ädorvyapadeQa-upapatteQ  ca  evam 

ebenso  auch,  weil  Bezeichnung  der  Wesen  u.  s.  w.  als 

seiner  Füfse  möglich. 

Und  auch  aus  folgendem  Grunde  mufs  man   es   „ebenso"   auf- 
fassen«    In   der   vorhergehenden   Stelle  ist  das    Brahman  gemeint, 


«r^ 


76  Qluriraka-m1iBims& 

weil  di«  Wesen  tu  «.  w«  bIjb  seine  Füll»  l»ezeidmet  werden.  Denn 
nachdem  TfaMü,  £rd«,  Leib  and  Herz  [dhee  haffentlicb  doch  nicht 
als  die  vier  f^be!  Tgl.  auch  p.  149,  9]  genannt  worden,  heilst 
es  weiter:  ,,die8i»  ist  die  vierföTsige,  sechsüache  GdyatrV^  (Chind. 
3,  12,  5).  Dean  ohne  dieses  auf  Brahinan  zu  beliehen  [lies  151,  IG 
ebenso  wie  151,  11  brahtulndgrayat^e],  bei  dem  blofsen  Metmm 
wären  die  Wesen  n.  s.  w/  als  seine  FüXse  nicht  „mdglich^^  Auch 
könnte  nicht,  wenn  es  nicht  auf  Brahman  bezogen  werden  sollte, 
der  Yers  dabei  stehen:  „So  grofs  die  Majeet&t  ist  der  Katar*'  u.  s.  w. 
Denn  in  diesem  Verse  wird  Brahman  seiner  eignen  Essenz  nach 
bezeichnet;  denn  nnr  von  ihm  ist  die  in  den  Worten:  „ein  Fufs 
„von  ihm  sind  alle  Wesen  nur,  drei  sind  Unsterblichkeit  im  Hini- 
„mel  droben*^  liegende  Allbeseelung  zutrl^ffend,  und  auch  schon  im 
152  Purushch  I  Liede  [dem  Liede  Rigv.  10,  90,  welchem  dieser  Vers 
ursprünglich  angehört]  kommt  dieser  Vers  so  vor,  dafs  man  ihn 
nur  Yon  Brahman  verstehen  kann.  Und  auch  die  Smpti  lehrt  von 
Brahman  ebendieselbe  Wesensbeschaffenheit  [wie  dieser  Vers],  wenn 
sie  sagt  (Bhag.  G.  10,  42): 

„Nachdem  ich  schuf  aus  einem  Teil  von  mir 
,^as  Weltenall,  steh'  ich  doch  ganz  vor  dir.*' 

Aach  wird  in  den  [unmittelbar  auf  obigen  Vers  folgenden]  Worten: 
„Fürwahr,  was  dieses  Brahman  ist'^  auf  dasselbe  hingewiesen;  und 
unter  den  obwaltenden  Umständen  mufs  man  hier  an  Brahman  im 
eigentlichen  Sinne  [nicht  in  irgend  einem  andern  Sinne  dieses 
Wortes,  wie  oben  p.  149,  12  behauptet  wurde]  denken.  Auch 
die  in  den  Worten:  „Fürwahr  dieses  sind  die  fünf  Mannen  des 
Brahman"  (Ch^nd.  3,  13,  6)  auftretende  Auffassung  der  fünf  Bohr- 
löcher des  Herzens  als  der  fünf  Mannen  des  Brahman  ist  nur 
möglich,  sofern  es  das  [eigentliche]  Brahman  ist,  zu  welchem  eine 
Beziehung  derselben  ausgedrückt  werden  soll.  Hieraus  folgt,  dafs 
in  der  [unserer  Stelle  vom  „Lichte**]  vorhergehenden  Stelle  wirk- 
lich von  Brahman  die  Rede  ist.  Und  eben  dieses  Brahman  ist 
weiter  auch  unter  dem  „Lichte^*  zu  verstehen,  indem  man  aus  der 
Zugehörigkeit  desselben  zum  Himmel  in  ihm  das  Brahman  wieder* 
erkennt;  dabei  bleibt  es. 


Ü7     upadega-bhedan  na,  iH  cen,  na!  uhhaydsmin 

api  amrodhät 

wegen  der  Verschiedenheit  der  Bezeichnung  nicht,  meint 
ihr?    Nein!    weil  in  beidem  kein  Widerspruch. 

Wenn  endlich  noch  [p.  146,  1  fg.]   behauptet   wurde,  dafs  in 
dei*  vorhergehenden  Stelle  in  den  Worten  „drei  sind  Unsterblich- 


86trau  I.  i.  37.  77 

,)keit  im  Himmel  droben*^  (Cb&nd.  d,  12,  6)  der  Himmel  bezeichnet 
werde  im  Lokativ  als  der  Ort,  wo,  hingegen  in  unserer  Stelle 
in  den  Worten  j^dtka  Licht  welches  jenseits  des  Himmels"  (Ch&nd. 
3,  13,  7)  im  Ablativ  al»  der  Ort,  jenseits  deKsen  der  fragliche 
Gegenstand  sich  befinde,  >  und  dafs  „wegen  dieser  Verschiedenheit 
„der  Beaeichnnng"  das  dort  Gemeinte  nicht  als  das  hier  Gemeinte 
wiedererkannt  werden  dürfe,  so  bleibt  das  noch  |  xu  widerlegen.  ^^ 
Wir  bestreiten  die  Gültigkeit  dieses  Einwandes,  weil  in  betdem 
ein  Widerspruch  nicht  liegt.  I>enn  es  ist  „kein  Widerspruch",  in 
beiden  Beaeiclmungen,  der  lokativen  und  der  ablativen,.  das  selbe 
als  gemeint  anauerkennen.  Denn  so  wie  im  SpradigiebraoGhe  des 
gemeinen  Liä>ena  bei  einem  Palken  seine  VerbLndun^  mit  einer 
Baumspitae  aaf  beide  Art  beeeichnet  werden  kanjfi»  iadem  man 
sagen  kann,  der  Falke  befinde  sich  auf  der  I^um&ptixo  und  er 
befmde  sich  oberhalb  der  Banmspitee,  elienso  kann  aneb  von  ßrah» 
man,  wiewohl  es  sich  in  dem  Himmel  befindet ^  dock  auch  gesagt 
werden,  es  befinde  !;icli  jenaeits  des  Himmels. 

Ein  anderer  [Erklirer]  behauptet:  so  wie  im  Sprachge» 
brauche  des  gemeinen  I^ebens  von  einem  Falken»  anch  wenn  er 
nicht  mit  der  BaumspitBo  verbunden  ist,  beides  gesagt  werden 
kann^  er  befinde  sich  auf  der  Baumspitae,  |  und  er  befinde  sidi  ^^ 
über  der  Baumspitze,  ebenso  kann  auch  von  dem  Brahman,  wie- 
wohl es  sich  jenseits  das  Himmels  befindet,  dooh  auch  gesagt 
werden,  es  befinde  sich  in  dem  Himmel. 

Ans  diesen  Gründen  also  hat  man  das  in  der  vorhergehenden 
Stelle  in  Rede  stehende  Brahman  auch  an  unserer  Stelle  wieder- 
zuerkennen, und  somit  steht  fest,  dafs  auch  unter  dem  Worte 
„r^icht^*   nur  das  höchste  Brahman  verstanden  werden  darf. 


Elftes  AiUnkorayam, 

28.    pränas,  tathä  anugamit 
der  Präna  (Leben,  Odem),  'weil  man  dies  ersieht. 

Es  findet  sich  in  der  Kauahttaki-hmhitaita-upamshad  eine  Le- 
gende von  Indra  und  Pratardana,  welche  anflingt  mit  den  Worten : 
„Pratariana,  flUw^ahr,  der  Sohn  des  Divodasa,  ging  ein  zu  der 
,,)iebeu  Wohnung  des  Indra  durch  Kampf  und  durch  Tapferkeit^' 
(Kaush.  3,  1).  Im  Verlaufe  dieser  Erzählung  heifst  es:  „Kr  [Indra] 
,, sprach  tu  ihm:  Ich  bin  der  Odem  (pravia)^  bin  das  Erkenntnis- 
,,Selb8t  {pTOJffüi'dimau)]  als  diese»,  als  imsterblichos  Leben  verehre 


78  rär)raka-mlm4ns& 

„mich"  (Kaush.  8,  2);  und  weiterhin:  „aber  flkrwahr  das  Leben 
,/praiia)  nar,  das  Erkonntnis- Selbst  umspannt  diesen  Leib  und 
„richtet  ihn  auf'^  (Kaush.  3,  3),  nnd  sodann:  „nicht  die  Rede  soll 
„mau  erforschen,  sondern  erkennen  den,  der  da  redet"  (Kaush.  3,  8), 
und  zum  Schlüsse:  „dieser  Pr^na  allein  ist  das  Erkentttnis-Selbst, 
„ist  die  Wonne ;  er  altert  nicht  und  stirbt  nicht"  u.  s.  w.  (Kaush. 

155  3,  8).  —  I  Hier  erhebt  sich  die  Frage,  ob  an  diesen  Stellen  mit 
dem  Worte  „Präna"  blofa  der  Wind  bezeichnet  wird  oder  die 
Seele  der  Gottheit  [Indra]  oder  die  individuelle  Seele  oder  das 
höchste  Brahman?  —  'Aber  haben  wir  nicht  schon  in  dem  Sütram 
S,au8  eben  dem  Grunde  der  Pr£lna"  (1,  1,  23)  dargelegt,  dafs  das 
^Wort  Prana  sich  auf  Brahman  beziehen  kann,  und  findet  sich 
^nicht  auch  hier  wieder  ein  Merkmal  des  Brahman,  wenn  es  heilst: 
*„er  ist  die  Wonne,  er  altert  nicht  und  stirbt  nicht?"  Woher 
*also  jetzt  wieder  der  Zweifel?'  —  Darum,  so  antworten  wir,  weil 
an  unserer  Stelle  yei'schicdenaiüge  Merkmale  vorliegen.  Es  findet 
sich  nämlich  an  derselben  nicht  nur  ein  Merkmal  des  Brahman, 
sondern  auch  noch  andere  lulerkmale.  Denn  wenn  Indra  sagt  „so 
„erkenne  micli^',  so  ist  das  ein  Merkmal  dafür,  dafs  nur  von  einer 
Götterseele  die  Rede  ist;  und  wenn  es  heifst  „er  umspannt  diesen 
„Leib  und  richtet  ihn.  auf",  so  liegt  hierin  ein  Merkmal  des 
[Muhhifa]  Präna;  endlich  heifst  es  auch  wieder:  „nicht  die  Rede 
„soll  man  erforschen,  sondern  erkennen  den,  der  da  redet"  u.  s.  w. : 
dieses  ist  ein  Merkmal  der  individuellen  Seele.  Somit  ist  der 
Zweifel  berechtigt. 

Angenommen  also,  ^der  „Pr&na"  sei  der  gewöhnliche  Wind'.  — 
Darauf  antworten  wir,  dal's  man  unter  dem  Worte  Prä^a  das 
Brahman  verstehen  mufs;  warum?  „weil  man  dies  ersieht";  d.  L 
weil,  wenn  die  Stelle  nach  dem,  was  vorhergeht  und  nachfolgt,  in 
Betracht  gezogen  wird,  der  Zusammenhang  als  auf  Brahman  ab- 
zweckend ersichtlich  ist.     Zunächst  nämlich  sagt  Indra  am  Anfange 

156  zu  Pratardana:  „wähle  ein  Geschenk";  |  und  nachdem  Pratardana 
das  höchste  Ziel  des  Menschen  als  das  vorzüglichste  Geschenk 
bezeichnet  hat,  fügt  er  hinzu:  „wähle  du  für  mich  was  du  als  das 
„Beste  für  den  Menschen  erachtest."  Hierauf  wird  ihm  als  das 
Beste  der  Präna  gelehrt;  wie  sollte  er  also  nicht  der  höchste 
Atman  sein?  Denn  die  Erlangung  des  Besten  ist^  nicht  anders 
möglich  als  durch  die  Erkenntnis  des  höchsten  Atman;  dieses 
beweisen  Schriftstellen  wie  (Qvet.  3,  8): 

„Wer  diesen  kennt,  geht  zar  Unsterblichkeit; 
„Nicht  giebt  es  einen  andern  Weg  zum  Geben"; 

auch  heifst  es  (Kaush.  3,  1):  „wer  mich  erkennt,  dessen  Stätte 
„[im  Himmel]  wird  durch  keinerlei  Werk  geschmälert,  nicht  durch 
„Diebstahl,    nicht   durch  Tötung    der  Leibesfrucht";    dieses    pafftt 


Sfttram  I.  l  28.  79 

uor,  wezm  man  es  von  firabman  versteht >  indem,  wie  bekannt, 
nach  Erkenntnitt  des  Brahman  alle  Werke  zu  nichte  werden,  wie 
(!enn  die  Schrift  z.  B.  sagt  (Mun^*  2,  2,  8) : 

„Za  nichte  werden  dessen  Werke, 
,yDer  Jenes  Höchst'  und  Tiefste  schant" 

Aach  dafs  er  das  Erkenntnis-Selbst  ist,  pafät  nnr  auf  Brahman; 
denn  von  dem  ungeistigen  Winde  kann  man  nicht  sagen,  er  sei 
das  Erkenntnis-Selbst.  Und  ebenso ,  wenn  es  am  Schlüsse .  heifst 
„er  ist  die  Wonne,  er  altert  nicht  und  stirbt  nicht",  so  passen 
diese  Bezeichnungen  als  Wqnne  u.  s.  w.  im  vollen  Sinne  nur  auf 
Brahman  allein;  ebenso  wie  das  Folgende:  „er  wird  nicht  höher 
>,darch  gute  Werke  und  nicht  geringer  durch  böse  [d.  h.  er  ent- 
„hält  sich  aller  Werke];  denn  er  allein  läfst  das  gute  Werke  thun 
„den,  welchen  er  aus  diesen  Welten  emporführen  will,  und  er  allein 
„läfst  das  böse  Werke  thun  den,  welchen  er  aus  diesen  Welten 
„abwärts  f&hren  will",  und  „er  ist  der  Welten -Hüter,  er  ist  der 
„Welt-Gebieter,  er  ist  der  Welten-Herr"  (Kaush.  3,  8).  Alles  die- 
ses kann  man  verstehen >  wenn  man  es  auf  das  höchste  Brahman, 
nicht  aber,  wenn'  man  es  auf  den  Mukh^a  Präß^a  bezieht.  Somit 
ist  der.  iV^tk>  bier  das  Brahman. 


29.    na,  vaktur  (Uma-wpadeQädj  iä  ced?  adhyatma-       157 

samhandha-bhümd  M  asnUn. 

nicht,  weü  der  Redende  sich  selbst  bezeichnet,  meint 
ihr?   Aber  es  ist  ja  darin  eine  Menge  von  Beziehungen 

auf  die  innere  Seele. 

Auf  die  Behauptung,  dafs  ier  Pr&na  das  Brahman  sei,  wird 
eingewendet,  ^dafs  man  bei  dem  Worte  Präna  „nicht"  das  höchste  ' 
'Brahman  verstehen  düife ;  weshalb  ?  „weil  der  Redende  sich  selbst 
S,bezeichnet".  Nämlich  der  Redende,  d.  h.  Indra,  ist  eine  be- 
istimmte, individuelle  Gottheit,  und  diese  erklärt  dem  Pratardana 
'sich  selbst,  denn  es  heifst:  „so  erkenne  mich",  und  weiter:  „ich 
S,bin  der  Präna,  bin  das  Erkenntnis-Selbst";  hier  wird  der  Präna 
'durch  das  Wort  „ich"  als  das  Selbst  des  Redenden  bezeichnet: 
^wie  kann  er  also  das  Brahman  sein?  Denn  dem  Brahman  kommt 
^doch  kein  Reden  zu,  indem  die  Schrift  von  ihm  sagt,  dafs  er 
S,ohne  Rede,  ohne  Verstand"  (Brih.  3,8,8)  sei.  Hierzu  kommt 
'weiter^  dafs  ludru  von  sich  nur  solche  Eigenschaften  zu  rühmen 
^weifs,  die  zwar  wohl  auf  individuelle  Wesen,   nicht  aber   auf  das 


80  Q'üirakA-mtiiilüQgl^ 

^Brahman  pasBen;  so  z.  B.  weniL  es  sagt:  „lA  ersoblug  den  drei- 
S,köpfigen  Tüdshfraf  ich  gab  die  BOfser,  ireiclie  sich  dem  Yeda- 
SfWorie  abgewandt  [so  erkl&rea  die  Yedanlatkeologeii  das  aas 
^tarurmagJMy  «UDfreigebig»  Ait.  br.  7,  28  zurechtgelegte  artm^ 
\ymükha]^  dcit  wilden  Hunden"  (Kaush.  3^^  1).  Die  Be^ieichncBg 
*ala  Ptäna  ist  auf  Indra  passend  wegen  seiner  KraHigkeit;  denn 
*es  bellst  „fürwahr,  die  Kraft  ist  Leben  (prd^y\  Indra  aber  gilt 
'f&r  die  Gottheit  der  Kraft,  und  alles,  was  Kraltftofserung  ist,  das 
4att  wie  in  an  sagt,  ein  Werk  des  Indra.  Auch  dafii  der  Priaa 
Sias  Erkenntnia-Selbet  Iteifst,  pafst  2iii>  einer  GSttecseele,  wegen  der 
^{Jngeheranitheit  ihrer  Erkenntnis;  denn  die  Giüter  haben,  wie  man 
Suigt,  eine  ungehemmte  Erkenntnis.  Steht  es  abmr  einmal  fest, 
^dai»  die  Seele  dee  Gottes  [Indra],  ^meiut  sei«  so.  mufs  man  die 
^Worte,  welche  üib  för  das  Beste  tt.  s.  w.  erkl&ren,  so  gut  es  gofat, 

i&S  «I  eben  darauf  he»^«.  Damm  also,  weil  dar  Rodende,  n&miicb 
^ladra^  sich  selbst  bcseichnet,  kajcm  der  Pr&^  nicht  das  BrahoMin 
*aein.    ■ — • 

Dieser  Einwurf  wird  ins  Gleiche  gebraeki  durch  die  Worte 
[des  Sütram];  n^ber  es  ist  ja  darin  eine  Menge  Ton  Besiehiugco 
„auf  die  innero  S>eele.^*  —  Beaiehungen  auf  die  innere  Seele,  d.  h» 
auf  das  innere  Selbst;  von  solchen  ist  eine  Menge,  eine  grolsse 
Anzahl  dario^  in  dem  betreienden  Abschnitte,  zu  bemerken.  So 
^wenn  es  hei/st:  so  lange  in  diesem  Leibe  der  PriLna  weilt,,  »o  lange 
weilt  das  Leben"  (Kaush.  3^  2).  Nur  auf  den  Prana,  das  Elrkennt- 
nis-Selbst  im  Innern,  pafst  die  Freiheit,  das  I^ben  au  gehmot  und 
zu  nehmen,  von  der  hier  die  Rede  ist,  nicht  aber  auf  irgoid  eine 
bestimmte  Gottheit,  welche  selbst  [vom  Priina]  abhängig  ist«  Ferner 
wird  durch  die  Worte:  „und  die  Seligkeit  der  Lebensorgane  liegt 
,,in  dem,  was  sie  sind^'^  (Kaush.  3,  2)  auf  den  das  innere  Selbst 
bildenden  Pr&na  als  auf  den  Trager  der  Sinnesorgane  hingewiesen. 
Weiter  heifst  es:  „der  Pra^a  (Leben)  nur,  das  Erkenntnis  «Selbst, 
„umspannt  diesen  Leib  und  richtet  ihn  auf"  (Kaush.  3,  3);  und: 
„nicht  die  Rede  soll  man  erforschen,  sondern  erkennen  den,  der 
),da  redet";  und  weiter:  „wie  bei  einem  Wagen  der  Radkranz  an 
•  „den  Speichen,  und  die  Speichen  an  der  Nabe  befestigt  sind,  so 
„sind  diese  Wesenselemente  an  den  Erkenntniselementen  und  die 

160  „Erkenntniselemente  |  an  dem  Präna  befestigt.  Dieser  Pr&^a  allein 
„ist  das  Erkenntnis -Selbst,  ist  di^  Wonne;  er  altert  nicht  und 
„stirbt  nicht"  (Kaush.  3,  8);  —  wap  hier  iUr  alle  Beschäftigung 
der  Sinnesorgane  mit  den  Sinnendingen  als  die  Nabe  aller  Speichen 
hingestellt  wird,  das  ist  nur  das  innere  Selbst  (prafyag-diman), 
und  von  eben  demselben  heifst  es  (Kaush.  3,  8)  zum  Schiasse: 
„n  er  ist  meine  Seele!»,  so  soll  man  begreifen."  Diese  Worte 
passen  nur,  wenn  man  sie  von  dem  innern  Selbste,  nicht  wenn 
man  sie  von  einer,  selbst  wieder  von  anderm  abhängigen,  Indivi- 
dualgestalt   [des   Indra]   versteht.     Und   auch    eine  andre  Schrift 


Sdlram  L  i.  29.  81 

■ 

stelle  s^:  „das  Brahman  ist  diese  Seele",  die  .  allvemehmende'* 
(Brih.  2,  5,  19).  Somit  ist,  wegen  der  .«Meoge  von  Besiehungen 
,,aaf  die  innere  Seele",  hier  eine  Belehrung  über  Brahman  und 
nicht  eine  solche  über  eine  Götteraeele  zu  Terstehen. 

^Aber  wie  kommt  ee  dann,  dafs  der  Redende  [Indra]  doch  von 
*sic)i  eelbtt  redet?'  —  Antwort: 


30.    ^ästra-drishti/ä  tu  upadego,   Vämadeva-vat 

venaöge  einer  Schrift- Anschauung  vielmehr  [geschieht] 
die  Bezeichnung,  wie  bei  Vamadeva: 

■ 

Die  Öötterseele,  weiche  den  Namen  Indra  führt,  bezeichnet 
ihren  Atman  als  den  hdohsten  Atman,  weil  sie,  vermöge  -  einer, 
nach  dem  2ieugiiis  der  Schrift,  den  Heiligen  (rishi)  eignen  An- 
schauung, sich  selbst  als  das  höchste  Brahman  anschaut  und  daher 
sagen  kann:  „so  erkenne  michl*'  Dies  geschieht  ebenso,  wie  wenn 
es  heifst:  „Dieses  erkennend  hub  Ydmadeva,  der  Bishi,  an  (Kigv. 
„4,  26,  1):  «Ich  war  einst  Manu,  ich  war  einst  die  Sonne»"  (Brih. 
1,  4,  10);  denn  die  Schrift  sagt  [ebendaselbst]:  „und  wer  Immer 
„von  den  Göttern  dieses  [durch  die  Erkenntnis:  f<icb  bin  Brahman»] 
„mne  ward,  der  ward  eben  zu  demselbigen/^  Wenn  aber  femer 
bemerkt  wurde,  dafs  Indra  nach  den  Worten:  „so  erkenne  mich!^* 
sich  selbst  wegen  individueller  Vorzüge,  wegen  der  Tötung  des 
Trdshira  u.  s.  w^  rühme,  so  hüben  wir  darauf  Folgendes  xa  ent- 
gegnen. Die  Erwähnung  der  Tötung  des  Tväshfra  u.  s.  w.  ge- 
schieht liier  gar  nicht,  um  das  Objekt  der  Erkenntnis,  den  Indra^ 
zu  verherrlichen,  so  als  wollte  er  sagen:  „weil  ich  solche  Werke 
„vollbracht  habe,  darum  erkenne  mich!",  sondern  vielmehr,  um 
die  Erkenntnis  zu  verherrlichen.  Dies  ergiebt  sich  daraus,  dafs 
noeh  Erw&lmung  der  Tötung  des  Tväskfra  und  anderer  Gewält- 
thsten  I  im  Folgendon  eine  Hoohpreisung  der  Erkenntnis  sich  an^  i60 
schliefst,  indem  es  heifst:  „die weil  ich  dieses  that,  so  wurde  mir 
„doch  dabei  kein  Haar  geschmälert  (loma  miyale);  darum  auch, 
„wer  mich  erkennt,  dem  wird  durch  keinerlei  Werke  [die  er  be- 
„gabgen  haben  mag]  seine  Stätte  im  Himmel  geschmälert  (loko 
jjnUyaUy''^  u.  s.  w.  (Kaush.  3,  1).  Das  heifst  mit  andern  Worten: 
weil  mir,  obwohl  ich  derartige  Greuelthaten  beging,  doch,  wegen 
meines  Werdens  zn  Brahmau,  kein  Haar  geschädigt  wurde,  darum 
auch  jeder  änderte,  der  mich  erkennt,  dem  mrd  seine  Stättt  im 
Himmct  durch  keinerlei  Werke,  welclie  sie  auch  immer  sein  m^gen, 
geschädigt.  Was  er  aber  zu  diesem  Zwecke  erkannt  haben  mufs, 
das  ist  das'Brahihan,  wie  es  weiterhin  dargelegt  wird  in  den 
Worten:  „ich  bin  der  Odem  (präna)^  bin  das  Erkenntnis- Selbst' 
(Kaush.  3,  2).  —  Folglich  handelt  diese  Stelle  von  Brahman. 


>i* 


82  Q&rlrftka-mlmltnsa 

31.  jiva'-mtüiliyapräna-lmgän  na,    iti  een?    nd!    upAsä- 
'  traividhyäd^  ä$ritatvddy  iha  tiul-yogät 

wegen  der  Merkmale  der  individuellen  Seele  un4   des 

Mukhya  Präna  nicht,  meint  ihr?    O  nein!   wegen  der 

Dreifachheit  der  Verehrung,  wegen  des  Beziehens, 

und  weil  auch  hier  Verbindung  mit  ihm. 

Man  konnte   einwenden:    'wenn  auch,    wegen  der  Menge    von 
^Beziehungen    auf  das  innere  Selbst,    eine  Götterseele,    die   selbst 
'wieder  von   andBren  abhängig  ist,    nicht  gemeint  sein  kann,    so 
'kann  die  Stelle  doch  auch  nicht  auf  das  Bralimou  gehen.    Warum? 
'weil  ein  Merkmal  der  individuellen  Seele,  und   weil   ein  solches 
'des  Mukhya  l^&na  dabei  vorkommt.     Was  zunächst   die  indivi- 
'du^le.  Seele  betrifft,  so  liegt  offenbar  ein  Merkmal  derselben  vcr, 
'wenn  es  heifst:  ,^icht  ,dio  Rede  soll  man  erforschen,  sondern  er- 
161  ^„kennen  den\  der  da  redet"  (Eausb.  3»  8);  hier  wird  offenbar  |  ^e- 
'boten,  die  individuelle  Seele,  wie  sie  durch  die  Organe  der  Rede 
'u.  s.  w.  cdch  bethätigt  und  der  Aufseher  der  Organe  des  Wii*kens 
4st,  t\k  erforschen.     Ebenso  findet  sich   ein  Merkmal   des  Muhhya 
^Pränüy  wenn  es   heifst:   „aber  fürwahr   das  Loben  nur,   das  £r- 
'„kenntnis-Selbst    umspannt    diesen    Leib    und    richtet    ihn    auf^' 
'(Kaush.  3,  3)«     Das  Aufrichten  des  Leibes   nämlich   ist   die  Saclio 
'des  Mukhya  Prä^.     Auch  wird  in  der  Stelle  von  dem  Rangstreite 
'der  Organe  (Pra^na  2,  3)    von    den  Lebensorganen    gesagt:    „zu 
%,ihnen  sprach  der  edelste  Präfta:    «Irret  euch  nicht;  ich   bin    e.% 
'„der  ich,  mich  fünffach  teilend,    dieses   Rohrgewächs    stütze    und 
'„aufrecht  halte.»"     Diejenigen,  welche  (Kaush.  3,  3)  lesen:  iniafii 
^garirat}*  parigjihya^  müssen  so  erklären:   „indem  er  diesen,  näm- 
'„lich  den  individuellen  Atman  oder  auch  den  Komplex  der  Organe, 
^«umspannt,  richtet  er  den  Leib  auf."     Auch  die  Bestimmung,  dafs 
'der  Prana  das  Erkenntnis- Selbst  sei,   pafst   sowohl   auf  die   indi- 
viduelle Seele,  wegen  ihrer  Geistigkeit,  als  auch  auf  den  Mukhi/a 
'Präna,  sofern  er  die  Stütze  der  übrigen,  die  Erkenntnis  bewirken- 
'den,  Organe  ist.     Auf  die  individuelle  Seele  und  auf  den  MnJcJfffn 
'Präna  pafst  es   ferner,    dafs   einerseits  zwischen   dem  Präna  und 
*dem  Erkenntnis- Selbste  venuöge  der  Gemeinsamkeit  ihres  Wirkens 
'NichtVerschiedenheit   und   anderseits   der    eignen  Natur  nach  Vor- 
'schitidenheit,  beides  nebeneinander,  behauptet  wird,    indem   es  so- 
'wohl  heifst   „der  Präna   ist   die   Erkenntnis   und   die   Erkenntnis 
'„ist  der  Präna"^  (Kaush.  3,  3),  als  auch:  „zusammen  wohnen  beide 
S,iii  diesem   Leibe,  und  zusammen  ziehen  beide  aus"  (Kaush.  3,  4). 
'Denkt  man  hingegen  an  Brahman,    was   sollte  sich  da  unterschei- 


Satram  1.  l  31.  83 


i 


'den  und  von  wem?  Somit  ist  hier  an  die  indiyiduelle Seele  und 
'den  Mtikhya  Präftaf  eei  es  an  eines  von  beiden,  sei  es  an  beide 
'zugleich,  zu  denken,  nicht  aber  an  das  Brahman/ 

Auf  diese  Einwendung  heilst  es  [im  S&tram]:  dem  ist  nicht  so, 
„wegen  der  Dreifachheit  der  Verehrung".  Ware  dem  nämlich  so, 
dann  würde  hier .  eine  dreifache  Verehrung  stattfinden ,  d.  h.  eine 
Verehrung  der  individuellen  Seele,  eine  Verehrung  des  Mükhya 
Präna  und  eine  Verehrung  des  Brahman.  |  Dieses  aber  läfst  sich  163 
für  eine  und  dieselbe  Stelle  nicht  annehmen,  und  dafs  unsere 
Stelle  eine  einheitliche  ist,  ergiebt  sich  sowohl  aus  dem  Eingange 
als  auch  aus  dem  Schlüsse  derselben.  Denn  zu  Eingang  hiefs  es : 
„so  erkenne  mich",  und  weiter:  ,,ich  bin  der  Präna,  bin  das  Er- 
.jkenntnis-Selbst;  als  dieses,  als  unsterbliches  Leben,  verehre  mich;" 
und  zum  Schlüsse:  „dieser  Präna  allein  ist  das  Erkenntnis^Selbst, 
„ist  die  Wonne,  er  altert  nicht  und  stirbt  nicht."  Hieraus  ist 
ersichtlich,  dafs  Anfang  und  Ende  übereinstimmen,  dafs  man  somit 
einen  einheitliche^  Gegenstand  anzunehmen  hat.  Auch  läfst  sich 
gerade  das  Merkmal  des  Brahman,  welches  dabei  vorkommt,  nicht 
so  umdeuten,  dafs  e^  sich  auf  etwas  anderes  bezieht,  indem  das 
Befestigtsein  der  zehn  Wesenselemente  und  Erkenntniselemente  in 
ihm  [als  der  Radnabe]  von  einem  anderen  als  Brahman  nicht  ver- 
standen werden  kann.  —  Femer  mufs  Brahman  verstanden  werden 
„wegen  des  Beziehens",  d.  h.  weil  auch  anderweit  das  Wort  Prä^, 
wegen  dabei  vorkommender  Merkmale  des  Brahman,  sich  auf  das 
Brahman  bezieht.  „Und  weil  auch  hier",  z.  B.  wegen  der  Er- 
wähnung, dafs  [ihn  zu  erkennen]  das  Erspriefslichste  sei,  eine 
„Verbindung  mit  ihm",  d.  h.  mit  einem  Merkmale  des  Brahman, 
vorliegt,  deswegen  mufs  die  ganze  Unterweisung  auf  das  Brahman 
bezogen  werden.  Wenn  aber  [vom  Gegner]  auf  das  Merkmal  des 
Mnkhtfa  PrCmn  verwiesen  wurde,  sofern  es  heifst:  „er  umspannt 
„diesen  Leib  und  richtet  ihn  auf",  so  beweist  dies  nichts,  Weil 
die  Funktion  des  Prana,  wegen  seiner  Abhängigkeit  von  dem 
höchsten  Atman,  bildlich  auch  auf  den  höchsten  Atman  übertragen 
werden  kann.     Denn  die  Schrift  sagt  (Kath.  5i  5): 

„Nicht  lebt  durch  Einhauch  oder  Aushauch  irgend  wer; 
„Durch  eiuen  andern  leben  beide,  der  sie  trägt." 

Wenn  weiter  auf  da«  Merkmal  der  individuellen  Seele  hingewiesen 
wurde,  welches  in  den  Worten  liegt:  „nicht  die  Rede  soll  mau 
„erforschen,  sondern  erkennen  den,  der  da  redet"  (Kaush.  3,  8), 
so  reicht  auch  das  nicht  hin,  um  die  Auffassung  [des  Präna]  als 
Brahman  zu  widerlegen;  denn  das,  was  man  „individuelle  Seele'' 
nennt,  ist  im  absoluten  Sinne  gar  nicht  von  Brahman  verschieden, 
wie  dies  Sclirifts teilen  wie:  „das  bist  du''  (Chänd.  6i  8,  7),  „ich 
„bin  Brahman"  (Brih.   1,  4,  10)  u.  s.  w.  beweisen.     Vielmehr  ist  es 

6* 


84  ^ttrtraka^mlinknflit 

das  Brahmaa  selbst,  welches,  indem  es  in  die  darch  die  UpAdkpB 
der  BuddM  (Intellekt)  n.  s.  w.  bedingte  Bestimmtheit  eingebt,   als 

163  die  |  handelnde  und  leidende  individuelle  Seele  bezeichnet  wird. 
iHTenn  es  daher,  tun  auszudrücken,  dafs  diese,  nach  Aufhebung 
der  durch  die  UpädhC»  gesetzten  Bestimmungen,  mit  Brahman 
identisch  ist,  an  unserer  SteUe  (Kaush.  3,8)  heifst:  „nicht  die 
„Rede  soll  man  erforschen,  sondern  erkennen  den,  der  da  redet*^ 
so  liegt  in  einer  derartigen,  zur  Yergegenwäitigung  des  innem 
Selbstes  dienenden  Aufweisung  [der  individuellen  Seele  als  Brah* 
man]  kein  Widerspruch.  Und  auch  eine  andere  Schriftstelle  be- 
weist, dafs  eben  jenes  Selbst,  welches  die  Thätigkeiten  des  Spre- 
chens u,  8.  w.  ausübt,  das  Brahman  ist,  wenn  es  heifst  (Eena  1,  4): 

„Was  unaussprechlich  durch  das  Wojrt, 
„Wodurch  das  Wort  ausspreehlich  ist, 
„Das  sollst  du  wissen  als  das  Brahman, 
„Nicht  jenes,  was  man  dort  verehrt.^ 

Wenn  weiter  noch  mit  Beziehung  auf  die  Worte  „zusammen  weilen 
„diese  beiden  in  dem  Leibe  und  zusammen  ziehen  sie  aus**  (Kaush. 
3j  i)  eingewendet  wurde,  dafs  diese  Erwähnung  der  Versohieden- 
heit  des  Pr&na  und  des  Erkenntnis -Selbstes  zu  der  Behauptung, 
dafs  hier  Brahman  gemeint  sei,  nicht  stimme,  so  hat  das  nichts 
zu  sagen,*  indem  eine  solche  Hervorhebung  der  Verschiedenheit 
von  BuddM  (Intellekt)  und  Präita  (Leben),  als  zweier  Upädhi^s 
der  innem  Seele,  welche  in  ihren  beiden  Krftften  (gakti)  des  £r- 
kennens  und  des  Wirkens  wurzeln,  wohl  zulässig  ist.  Und  damit 
steht  nicht  in  Widerspruch,  dafs  die  mit  der  Zweiheit  jener 
UpädhfB  behaftete  innere  Seele  ihrem  eigentlichen  Wesen  nach 
einheitlich  ist,  und  dafs  demgemäfs  in  den  Worten  „der  Präi^a  ist 
„die  Erkenntnis^^  (Kaush.  3,  3)  diese  beiden  wiederum  zur  Einheit 
zusammengefafst  werden. 

Man  kann  aber  auch  die  Worte  [des  Sütram]:  „0  nein! 
„wegen  der  Dreifachheit  dei*  Yerehruug,  wegen  des  Beziehens,  und 
„weil  auch  hier  Verbindung  mit  ihm",  anders  erklären,  nämlich 
so:  auch  wenn  Brahman  gemeint  ist,  so  widersprechen  dem  die 
dabei  vorkommenden  Merkmale  der  individuellen  Seele  und  des 
Mükhya  JPräna  nicht;  warum?  „wegen  der  Dreifachheit  der  Yer- 
„ehrung",  dl  h. '  weil  hier  von  einer  dreifachen  Verehrung  des 
Brahman  die  Rede  ist,  nämlich  in  seiner  Eigenschaft  als  Präna,  in 
seiner  Eigenschaft  als  Erkenntnis  und  seiner  eigentlichen  Beschaffen- 
heit nadi.  Denn  wenn  es  he^.fst:  „als  das  unsterbliche  Leben 
„verehre  mich;  Leben  ist  Odem"  (Kaush.  3,  2)  und  „  er  umspannt 
„diesen  Leib  und  richtet  ihn  auf,   darum   soll   man  ihn  verehren 

164  „als  die  Erbauung*^  (Kaush.  3,  3),  |  so  erscheint  hier  Brahman  in 
seiner  Eigenschaft  als  Prana.     Weiter,  wenn  es  heifst:  „wir  woUen       j 


Sütriun  I.  I.  31.  36 

„auBlegen,  Wi^  in  dieser  Erkenatnii  alle  Wesen  eins  sind''  (Kaush. 
3,  4)  und  sodann:  „die  Bede  molk  aus  ihr  einen  Teil  heraus;  ihr  . 
„nach  aufsen  versetstes  Wesenselameni  ist  der  Name'*  (Kaush.  3,  6) 
Und :  „  durch  die  Erkenutnis  besteigi^  er  die  Bede  und  erlangt 
„mittels  der  Bede  alle  Namen^  (Kaush.  3,  6),  so  erscheint  Brahman 
hier  in  seiner  Eigenschaft  als  Erkenntnis.  Endlich  wenn  es  heifst: 
„diese  aehn  Wesenselemente  beaiehen  sich  auf  die  Erkenntnis  und 
,idie  zehn  Erkenntniselemente  auf  die  Wesei^;  denn  wären  die 
„Wesenselemente  nicht,  so  wären  auch  die  Erkenntniselemente 
„nicht,  und  wären  die  Erkenntniselemente  nicht,  so  wären  auch 
„die  Wesenselem^nte  nicht;  denn  durch  eins  ohne  das  andere 
„kommt  keine  Ei-scheinung  (rüpam)  zu  Stande;  auch  ist  dies  nicht 
„  I  eine  Vielheit  [von  Aufsendingen  und  Organen],  sondern  wie  bei  165 
„einem  Wagen  der  Badkranz  an  den  Speichen  und  die  Speichen  an 
„der  Nabe -befestigt  sind,  so  sind  diese  Wesenselemente  an  den 
„Erkenntniselementen  und  die  Erkenntniselemente  an  dem  Präna 
„befestigt;  dieser  Präi^a  ist  das  Erkenntnis -Selbst"  (Kaush.  3,  8), 
so  ist  hier  [von  dem  Präi^]  die  Bede  in  seiner  Eigenschaft  als 
Brahman.  Somit  wird  hier  die  einheitliche  Verehrung  des  Brahman, 
sofern  dasselbe  in  seiner  Eigenschaft  als  jene  beiden  üpddhi^B  und 
dann  noch  seiner  eigentümlichen  Natur  nach  vorkommt,  als  eine 
dreifache  dargelegt.  [Dies  ist  statthaft  „wegen  des  Beziehens", 
d.  h.  weil]  auch  an  andern  Oi-ten,  z.  B.  in  Stellen  wie  „Geist  ist 
„seilt  Stoff,  Leben  sei|i  Leib"  u.  s.  w.  (Ghänd.  3,14,  2)  da»  Be- 
ziehen einer  Verehrung  auf  Brahman  in  Gestalt  seiner  Upädhi*B 
vorkommt;  „und  weil  auch  hier  Verbindung  mit  ihm"  [d.  h.  eine 
solche  Verbindung  des  Brahman  mit  einem  UpädM]  anzunehmen 
ist,  indem  aus  Anfang  und  Ende  der  Stelle  sich  ergiebt,  dafs  hier 
überall  nur  von  demselben  Gegenstande  gehandelt  wird,  und  doch 
dabei  Merkmale  des  Präna,  der  Erkenntnis  und  des  Brahman  zu 
Tage  treten. 

Somit  ist  bewiesen,  dafs  diese  Stelle  als  eine  solche,   die  von 
Brahman  handelt,  |  aufzufassen  ist.  166 


Bo  lautet  iu  dem  Kommtntore  vur  srhAbeuen   (TartraJb«-mfm«iu«,  dem  Werke  der 
Terebnwgewttrdigen  Fftfie  det  erleuehten  (Toüftiira,  im  ersten  AMpaifa  der  erete  Paäa, 


IteH  ersten  AdhyAya 

ZWEITER   PADA, 


Verehrung  dem  höchsten  Atmait  ? 

Schon  im  ersten  Päda  wurde  in  der  Stelle  „woraus  Ursprung 
,^u.  8.  w.  dieses  [Weltalls]  ist"  (Sütram  1,1,2)  gelehrt,  äaSa  die 
Ursache  für  das  Entstehen  u.  s.  w.  der  ganzen  Welt  vom^ther 
an  abwärts  das  Brahman  ist.  Auch  dafs  dieses,  die  Ursache  der 
ganzen  Welt  bildende,  Brahman  seiner  Wesensbeschaifenheit  nach 
Alldurchdringung,  Ewigkeit,  Allwissenheit,  Allbeseelnng- und  ähn- 
liche Eigenschaften  besitze,  ist  bereits  auseinandergesetzt  worden. 
Hierbei  wurden  gewisse  Texte,  deren  Beziehung  auf  Brahman 
[obgleich  sie^  wie  der  Glossator  anmerkt,  deutliche  Merkmale 
des  Brahman  enthielten]  zweifelhaft  sein  konnte,  weil  dabei  gewisse, 
in  der  Regel  von  andern  Gegenständen  gebräuchliche  Ausdrücke 
[wie  Äther,  Licht  u.  s.  w.]  vorkamen,  durch  Darlegung  der  örtinde, 
warum  sie  auf  Brahman  zu  beziehen  seien,  als  auf  das  Brahman 
bezüglich  erwiesen.  Nun  giebt  es  aber  noch  andere  Stellen,  bei 
denen  es,  weil  sie  undeutliche  Merkmale  des  Brahman  enthalten, 
zweifelhaft  sein  kann,  ob  sie  von  dem  höchsten  Brahman  oder 
etwa  von  einem  andern  Gegenstande  handeln.  Zu  ihrer  Klar- 
legung sind  der  zweite  und  dritte  Päda  bestimmt  [wobei,  nach 
dem  Glossator,  der  zweite  Päda  das  Brahman  vorwiegend  als  Ge- 
genstand der  Verehrung,  der  dritte  als  Gegenstand  der  Erkenntnis 
behandeln  soll]. 


Erstes  Adhikaranam. 

1 .    sarvatra-prasiddhchupadeQät 
weil  sie  das  allerwärts  Angenommene  lehren. 

In  der  Schrift  heifst  es  wie    folgt:    „Gewifslich   dieses  Weltall 
„ist  Brahman;   ab  Tajjalän  [in  ihm  werdend,  vergehend,  atmend] 


Sütram  I.  ii.  1.  87 

„Holl  man  e»  ehren  in  der  Stille.  -^  Fürwahr,  aus  Willen  (hratu) 
„ist    der    Mensch    gebildet ;    wie    sein   Wille   ist    in    dieser  Welt,  \ 

„  I  danach  wird  der  Mensch,  wenn  er  dahingeschieden;  darum  167 
„möge  man  trachten  nach  [gutem]  Wiillen.  - —  Monas  (Geist)  ist 
„sein  Stoff,  Odem  sein  Leib'^  u.  s.  w/  (Ghftnd.  3,  14)/  —  Es  erhebt 
sieh  die  Frage,  ob  hier  nicht,  weil  das  Bestehen  a^s  Manas  als 
Sto£f  u.  s.  w.  als  Qualit&ten  vorkommen ,  irgend  eine  verkörperte 
Seele  als  G^enstand  der  Terehrang  angewiesen  wird,  oder  ob  das 
höchste  Brahmfm  damit  gemeint  ist?      " 

Angenommen  also,  ^es  handele  sich  um  eine Terkörperte  Seele; 
'warum?  weil  eine  solche,  als  der  Oberherr  über  die  Organe  des 
^Wirkens,  anerkauntermafsen  mit  Manas  u.  s.  w.  verbunden  ist, 
^nicht  aber  das  höchste  Brahman,  welches  vielmehr  von  der  Schrift 
%,der  odemlose,  »wafia^lose,  reine"  (Mund.  2,  1,2)  genannt  wird/  — 
Aber  wurde  nicht  in  den  Worten  „gewifslich  dieses  Weltall  ist 
„Brahman**  das  Brahman  mit  seinem  eignen  Namen  erwähnt?  Wie 
kann  man  also  auf  den  Gedanken  kommen,  dafs  es  sich  hier  um 
die  Verehrung  eines  verkörperten  Atman  handele?  —  'Das  hat 
'nichts  zu  sagen,  indem  der  Zweck  dieser  Stelle  gar  nicht  der  ist, 
'eine  Verehrung  des  Brahman  vorzuschreiben,  sondern  vielmehr 
^nur,  die  Stille  [des  Gemütes]  zu  empfehlen;  daher  es  heifrtt: 
Sfgewifslich  dieses  Weltall  ist  Brahman;  als  Tajjalän  soll  man  es 
'„ehren  in  der  Stille."  Das  heifst  mit  andern  "Worten:  weil  diese 
'ganze,  durch  Umwandlung  entstandene  Welt  in  Wahrheit  nur 
'Bi-ahman  ist,  indem  sie  aus  ihm  geboren  (tajja)^  in  ihm  vergehend 
^(taUa)  und  in  ihm  atmend  (tadan)  ist,  und  weil,  sofern  das 
'Weltall  nur  diese  eine  Seele  ist,  alle  Leidenschaften  u.  s.  w.  un- 
'angemessen  sind,  darum  soll  man  die  Verehrung  in  der  Stille 
'[des  Gemütes]  üben.  Ist  aber  der  Zweck  dieser  Stelle  nur  die 
'Vorschrift  der  Gemütsrulie,  so  kann  man  nicht  aufrecht  halten, 
'dafs  die  eine  Verehrung  des  Brahman  enthalte;  vielmehr  wird  die 
'Verehrung,  um  die  es  sich  hier  handelt,  durch  die  Worte:  „darum 
'„möge  man  trachten  nach  Willen"  vorgeschrieben.  |  „Wille",  (kratu)  168 
'bedeutet  Entschlufs,  Absicht,  und  mit  Bezug  auf  ihn  heifst  es: 
\^Manas  ist  sein  Stoff,  Odem  sein  Leib",  worin  ein  Merkmal  der 
'individuellen  Seele  liegt  Wir  behaupten  also,  dafs  sich  diese 
'Verehrung  auf  die  individuelle  Seele  bezieht;  und  wenn  es  weiter 
'heifst:  „all wirkend  ist  er,  allwünschend"  (Chänd.  3,  14,  2),  so 
'läfst  sich  auch  dieses  Schriftwort,  zufolge  des  Wechsels  [ihrer 
'Wanderungen],  auf  die  individuelle  Seele  beziehen.  Femer  wenn 
'es  heifst:  „dieser  ist  meine  Seele  iin  innem  Herzen,  kleiner  als 
%,cin  Reiskorn  oder  Gerstenkorn"  (Chftnd.  3,  14,  3) »  so  pafst  das 
'Wohnen  1h  dem  Herzen  und  das  Sehrkleiusein  wohl  auf  die,  eine 
^Nadelspitze  gi'ofse  (vgl.  (^vet.  6,  8),  individuelle  Seele,  nicht  aber 
'auf  das  unBegrenzte  Brahman.'  —  Aber  heifst  es  nicht  weiter: 
„er   ist  gröfser   als   die  Erde"   u.  s.  w. ;   und  würde   dieses  niclit, 


88  (;&rtraka-mtm&ft8& 

von  d«r  begrenzten  [individuellen  Seele]  gesagt,  unpassend  aein?  — 
^Darauf  erwidern  wir,  dafs  die  überm&fsige  Kleinheit  und  die 
**überm&fBige  Grdfse  nicht  beidö  auf  das  Nämliche  bezogen  werden 
^können,  weil  sie  sich  widersprechen;  mufs  man  aber  bei  einem 
^on  beiden  atehen  bleiben,'  so  ist  es  billig,  bei  der  Kleinheit 
'stehen  zu  bleiben,  weil  sie  zuerst  erw&hnt  wurde.  Die  Grölae 
^hingegen  mag  sich  auf  das  Brahman-sein  derselben  beziehen. 
'Steht  es  nun  also  fest,  dafs  von  der  individuellen  Seele  die  Bede 
4st,  so  darf  man  auch  die  Erwähnung  des  Brahman  am  Schlüsse: 
^^dieses  ist  das  Brahman'*  (ChUnd.  3,  14,  4)  gleichfalls,  um  sie  im 
'Sinne  des  Themas  aufzufassen,  nur-  auf  die  individuelle  Seele 
'beziehen.  Somit  ist  es.  die  individuelle  Seele,  deren  Verehrung 
'auf  Grund  ihrer  Bescha£fenheiten,  sofern  „Üfanos  ihr  StofP'  u.  s.  w. 
'ist,  hier  befohlen  wird.* 

Auf  diese  Annahme  erwidern  wir,  dafs  es  nur  das  höchste 
Brahman  sein  kann,  welches  hier  in  seinen  Qualitäten:  „JITanas 
„ist  sein  Stoff"  u.  s.  w.  der  Verehrung  empfohlen  wird;  warum? 
„weil  sie  das  allerwärts  Angenommene  lehren";  d.  h.:  die  in  allen 
Ved&ntatexten  angenommene,  durch  das  Wort  „Brahman"  bezeich- 
169  nete  Weltursache,  welche  |  auch  hier  zu  Anfang  der  Stelle  durch 
die  Worte :  „gewifsUch  dieses  Weltall  ist  Brahman",  erw&hnt  wurde, 
eben  jdieee  wird,  als  bestimmt  durch  die  Qualitäten,  nach  denen 
,yMan(i$  ihr  Stoff"  n.  s.  w.  ist,  hier  zur  Sprache  gebracht.  Und 
auf  diese  Weise  braucht  kein  Aufgeben  des  Themas  und  Obergehen 
auf  ein  Nichtthema  hier  angenommen  zu  werden.  —  'Aber  wir 
'sagten  doch,  dafs  das  Brahman  im  Eingange  der  Stelle  nur  um 
'der  Vorschrift  der  Gemütsruhe  willen,  nicht  aber  um  seiner  selbst 
'willen  erwähnt  werde?''  —  Darauf  antworten  wir:  wenn  auch 
das  Brahman  um  der  Vorschrift  der  Gemütsruhe  willen  erwähnt 
wurde,  so  steht  es  doch  in  unmittelbarer  Nachbarschaft  der  Aus- 
sprüche, dafs  y^Manas  sein  Stoff"  u.  s.  w.  sei;  die  individuelle 
Seele  lüngegen  kommt  weder  in  der  Nähe  dieser  Aussprüche  vor, 
noch  wird  sie  überhaupt  nur  nach  ihrem  eigentlichen  Namen  er- 
wähnt, [während  für  Brahman  beides  der  Fall  ist;]  das  ist  der 
Unterschied. 


170  2.    vivcdcshUa-gumi-upapiUteg  ca 

und  weil  die  beabsichtigteu  Eigenschaften  zutreffen. 

„Beabsichtigt'*  bedeutet  hier  das,  was  zu  sagen  gewünscht  wird. 
Zwar  ist  der  Veda  kein  Werk  von  Menschenhand,  ist  nicht  etwas, 
das  uns  irgend  jemand  sagte ;  daher  auch  bei  ihm  ein  [derartig^ 


Sfttram  f.  II.  2.  ^9 

Wunsch  al»  Zweck  nicht  angeuommen  werden  kann.  Inzwischen 
kann  doch  hildlioh  .von  einem  solchen  die  Rede  »ein,  sofern  als 
Fracht  [des  Wunsches]  dabei  beateht,  dafs  wir  etwas  [im  Veda 
Vorkommendes]  uns  zi|  eigen  machen.  Denn  auch  im  gemeinen 
Leben  nennen  wir  das,  was  in  den  Worten  so  dargelegt  wird, 
dafs  wir  es  uns  va  eigen  machen  sollen ,  das  Beabsichtigte ,  und 
was  wir  uns  nicht  zu  eigen  machen  sollen  das  Nicht-Beab sichtigte. 
Ebenso  bildet  auch  im  Yeda  das,  was  ausgesprochen 'wird,  damit 
wir  es  uns  aneignen,  das  Beabsichtigte,  das  Übrige  das  Nicht- 
Beabsiefatigie.  Aneignung  und  l^ichtaneignung  aber  richten  sich 
bei  einem  Yedatexte  danach ,  ob  etwas  als  Zweck  vorliegt  oder 
nicht  vorli^. 

So  bedeuten  auch  hier  [in  unserm  Stitram]  „die  beabsichtigten 
„Eigenschaften^*  diejenigen,  welche  hingestellt  werden,  damit  wir 
aie  zum  Zwecke  der  Verehrung  acceptieren.  Biese  also,  nämlich 
djkfs  „sein  Batschlufs  Wahrheit  ist  u.  s.  w.,  treffen  zu  auf  das 
höchste  Brahman.  Denn  dafs  sein  Batschlufs  Wahrheit  ist,  palBt 
auf  den  höchsten  Ätman,  sofern  derselbe  in  Bezug  auf  Schöpfung, 
Erhaltung  und  Vernichtung  der  Welt  eine  unbegrenzte  Machtvoll- 
kommenheit besitzt.  Ond  als  Eigenschaften  des  höchsten  Ätman 
werden  ja  auch  an  der  Stelle  „das  Selbst,  das  sündlose ^'  u.  s.  w. 
(Ch&nd.  8,  7,  1)  erwähnt,  dafs  „sein  Wünschen  wahrhaft,  wahrhaft 
yjsein  Batschlufs"  sei  (Ch&nd.  8,7,1).  Und  die  weiteren  Worte 
[an  unserer  Stelle  ChlLnd.  3,  14,  2]  „sein  Selbst  die  Unendlichkeit*^ 
[wörtlich:  sein  Selbst  ist  der  dJcd^a,  Äther,  Raum]  u.  s.  w.  besagen,, 
dafs  sein  Selbst  dem  [unendlichen]  Räume  vergleichbar  ist. 
Die  Ähnlichkeit  aber  des  Brahman  mit  dem  Räume  besteht  darin, 
dafs  beide  unter  anderm  die  Eigenschaft  der  Allgegenwart  (sarva- 
gaialvam)  besitzen.  Und  eben  darauf  weisen  auch  die  Worte: 
„er  ist  gröfaor  als  die  Erde"  u,  s.  w.  (Ch&nd.  3,  14,  3)  hin.  Aber 
auch  wenn  man  die  Stelle  dahin  erklärt,  dafs  sein  Seihst  dem 
Baume  [nicht  vergleichbar,  sondern]  gleich  sei,  so  pafst  auch 
dieses  zu  dem  die  ganze  Welt  hervorbringenden  und  alles  beseelen- 
den Brahman,  dafs  der  Raum  sein  Selbst  ist ;  und  aus  eben  diesem 
Grunde  heifst  es  weiter  von  dem  Ätman,  er  sei:  „allwirkend" 
u.  B.w.,  [„allwünschend,  allriechend,  allschmeckend,  das  All  um- 
„fassend,  schweigend,  unbekümmert"].  In  dieser  Weise  treffen  die 
hier  zum  Zwecke  der  Verehrung  „beabsichtigten  Eigenschaften" 
auf  das  Brahman  zu.  Wenn  aber  hehauptet  wurde,  dafs  die  Stelle 
„ManOB  ist  sein  Stoff,  Odem  sein  Leib"  |  ein  Merkmal  der  indivi-  171 
duellen  ^^Aa  enÜialte,  welches  auf  das  Brahman  nicht  passe,  so 
erklären  wir,  dafs  auch  dieses  [Merkmal]  auf  Brahman  pafst,  so* 
fem  die  der  individuellen  Seele  zukommenden  Qualitäten  wie 
y^Manas  ist  sein  Stoff"  u.  s.  w.  auoh  dem  Brahman  zukommen, 
we.l  dasselbe  die  Seele  von  allem  ist.  Und  in  diesem  Sinne  heifst 
68  von  Brahman  in  der  Schrift  (Qvet.  4,  3): 


90  Cärlraka-mlmiftsi 

„Du  bist  das  Weib,  du  bist  der  Mann,  das  Mädchen  und  der  Knabe, 
„Geboren,  wächst  dxL  allerwärts,  da  wankst  als  Greis  am  Stabe*/' 

nnd  die  Smriti  sagt  (Bhag.  G.  3,  13)  : 

„Nach  allen  Seite^i  streckt  es  FOfs'  und  Hände,    . 
„Nach  allen  Seiten  Augen,  Haupt  und  Mund ; 
„Nach  allen  Seiten  hört  es  in  den  Räumen, 
„Umhüllend  allerwärts  das  Weltenrand.'* 

Wab'  aber  die  Schriftstelle  „der  odemlose,  manaslose,  reine", 
(Mund.  2,  1,  2)  betrifft,  so  bezieht  sich  dieselbe  auf  das  reine 
[d.  h.  atiributloee]  Brahman;  die  gegenwärtige  Stelle  hingegen, 
^^Manas  ist  sein  Stoff,  Odem  sein  Leib",  bezieht  sich  auf  das 
attributhafte  Brahman;  das  ist  der  Unterschied.  Also,  „weil  die 
„beabsichtigten  Eigenschaften  zutreffen",  darum  ist  es  das  höchste 
Brahman,  auf  welches  hier  zum  Zwecke  der  Verehrung  hinge- 
wiesen wird. 


3.    anupapattes  tu  na  ^Arirah 
wegen  Unzutreftendheit  hingegen  nicht  die  verkörperte. 

Im  vorigen  Sütrani  wurde  gesagt,  dafs  „die  beabsichtigten 
„Eigenschaften"  auf  das  Braliman  zutroffen;  im  gegenwärtigen  wird 
die  Unzutreffendheit  derselben  auf  die  individuelle  Seele  ausge- 
drückt, wobei  das  Wort  „hingegen"  zur  Bekräftigung  dient.  Nur 
auf  das  Brahman  alRo  passen,  wie  gesagt,  die  Eigenschaften 
„Manns  ist  sein  Stoff"  u.  s.  w.,  nicht  aber  auf  die  verkörperte, 
172  individuelle  Seele,  |  weil  man  Eigenschaften  wie:  „sein  Wünschen 
„ist  wahrhaft,  sein  Selbst  die  Unendlichkeit",  —  „schweigend, 
„unbekümmert",  —  „gi'öfser  als  die  P^rde"  (Ch&nd.  3,  14,  2 — 3) 
so  ohne  weiteres  der  verkörperten  Seele  nicht  beilegen  kann. 
Der  Ausdruck  „verköi-perte "  bedeutet  das  Sein  in  einem  Körper. 
—  'Aber  ist  nicht  auch  Gott  in  dem  Köi-per?'  —  Allerdings  ist 
er  in  dem  Körper;  aber  er  ist  nicht  blofs  in  dem  Körper;  denn 
die  Schriftstellen  „gröfser  als  die  Erde,  gröfser  als  der  Luitrauni" 
(Chänd.  3,  14,  3)  und  „dem  Äther  gleich  allgegenwärtig,  ewig", 
beweisen,  dafs  er  alles  durchdringend  ist.  Die  individuelle  Seele 
hingegen  ist  blofs  in  dem  Körper,  indem  ohne  einen  Körper  als 
Standort  des  Geniefscns  ein^  Wirksamkeit  derselben  unmöglich  ist. 


8ütram  I.  ii.  4.  91 


4.    karnia'-kartri'Vjfapadeguc  ca 

und  wegen  der  Unterscheidung  als  Thatobjekt 

und  Thäter. 

Auch  darum  können  die  Qualitäten  j,Manets  ist  sein  StofT*' 
u.  8.  w.  sich  nicht  auf  die  verkörperte  Seele  beziehen,  weil  dabei 
eine  Unterscheidung  zwischen  Thatobjekt  und  Thäter  stattfindet, 
riämlich  in  der  Worten:  „zu  ihm  werde  ich  von  hier  abscheidend, 
„eingehen**  (Ch4nd.  3,  14,  4).  „Zu  i^im^S  d.  h.  zu  dem  in  Rede 
stehenden,  Mancts  als  Stoff  u.  s.  w.  habenden,  zu  verehrenden 
Atman,  welcher  hierdurch  als  Gegenstand  der  That,  als  das  zu 
erlangende  Objekt,  unterschieden  wird;  während  die  Worte 
„ich  werde  eingehen"  die  verehrende,  verkörperte  Seele  als  Thäter,. 
als  das  erlangende  Subjekt  bezeichnen.  „Ich  werde  zu  ihm 
„eingehen"  bedeutet:  „ich  werde  ihn  erlangen"  (lies:  präptd  asmi). 
Wo  aber  von  einem  Hingehen  zu  jemandem  die  Rede  ist,'  da  kann 
es  nicht  ein  und  derselbe  sein,  welcher  als  Thatobjekt  und  als 
Thäter  von  einander  unterschieden  wird.  Und  ebenso  ist  das  Ter- 
liältnis  zwischen  einem  Objekte  der  Verehrung  und  dem  verehren- 
den Subjekte  nur  möglich,  wenn  der  Standort  beider  ein  verschie- 
dener ist.  Auch  darum  also  kann  es  nicht  der  verkörperte  Atman 
sein,  der  hier  durch  die  Eigenschaften,  dai's  ^^Manas  sein  Stoff" 
u.  8.  w.  sei,  charakterisiort  wird. 


5.    (iobda-nu^Mt  \n 

■ 

wegen  Vei-schiedenheit  des  Wortes. 

Auch  darum  ist  der,  welcher  das  ^yManas  als  Stoff"  u.  s.  w. 
zu  Eigenschaften  hat,  von  der  verköi*perten  Seele  zu  unterscheiden, 
weil  eine  „Verschiedenheit  des  Wortes"  vorliegt,  sofern  es  bei 
Behandlung  desselben  Themas  an  einer  andern  Schriftstelle  heifst: 
„wie  ein  Reiskorn  oder  Gerstenkorn  oder  Hirsekorn  oder  eines 
„Hirsekornes  Kern,  also  ist  dieser  goldige  Geist  inwendig  in  der 
„Seele"  (Qatap.  br.  10^6,3,2);  hier  ist  es  ein  anderes  Woi*t, 
welches  zur  Bezeichnung  der  verkörperten  Seele  dient,  nämlich 
das  im  Lokativ  stehende  „in  der  Seele",  und  ein  anderes,  von 
diesem  unterschiedenes  Wort,  nämlich  das  im  Nominativ  stehende 
Wort  „Geist"  (purueha),  weldies  zur  Bezeichnung  desjenigen  Atman 
dient,  dem  als  Qualitäten  ^^Manas  als  Stoff"  u^s.  w.  beigelegt 
werden.  Hieraus  ergiebt  sich,  dafs  die  beiden  [Atman's]  ausoin*- 
anderzuhalten  sind. 


92  Qirtrmka-mlmk&slL 

6.    smrite^  ca 
auch  wegen  der  Smriti. 

Auch    die  Smpti    lehrt    die   Venchledenheit    des    verkörperten 
und  des  höchBten  Atman,  wenn  sie  -sagt  (Bhag.  G.  18,  61): 

„Im  Heraen  aller  Wesen  wohnet  Gott, 
„Wie  Wurfgeschosse  künstlich  sie  regierend/' 

—  'Aber*,  so  könnte  man  fragen,  Ver  ist  denn  diese  verkörperte 
'Seele,  welche  von  der  höchsten  Seele  verschieden  sein  soll  und 
'mit  den  Worten  „wegen  Unzutreffendheit  hingegen  nicht  die  ver- 
'„körperte"  (Sutram  1,  2,  3)  hier  ausgeschlossen  wird  ?  Lehrt  nicht 
'die  Schrift,  wenn  sie  sagt  ,püdit  giebt  es  aufser  ihm  einen  Sehen« 
'„den,  nicht  giebt  es  aufser  ihm  einen  Hörenden''  .(Bpih.  3,  7,  23)» 
'dafs  es  eine  von  der  höchsten  Seele  verschiedene  Seele  gar  nicht 
'giebt?  Und  auch  die  Smriti  sagt:  ,^Ä.ls  Leibeskenner  wisse  mich 
'„in  allen  Leibern,  Bh&rata!"  O^hag.  0.  13,  2.)'  —  Hierauf  ist 
zu  antworten:  allerdings  ist  es  wahr,  dafs  es  nur  die  höchste 
Seele  ist,  welche,  durch  die  Upädfifü  von  Leib,  Sinnesorganen, 
Manas  und  Buddhi  abgegrenzt,  von  Unwissenden  als  die  ver- 
körperte Seele  aufgefafst  wird,  ähnlich  wie  wenn  der  Raum,  ob- 
gleich er  ohne  Grenzen  ist,  doch  vermöge  der  Vpädhi^^  von 
Töpfen,  Krügen  u.  s.  w.  erscheint,  als.  wäre  er  [durch  dieselben] 
abgegrenzt.  Und  in  Anbetracht  dessen-  ist  eine  Befassung  mit 
der  Zweiheit  von  Thatobjekt  und  Th&ter  nicht  unzultadg,  so  lange 
174  noch  nicht  |  durch  die  Worte  „das  bist  du"  (Gh4nd.  6,  8,  7)  die 
Lehre  von  der  Einheit  der  Seele  begriffen  ist.  Ist  aber  die  Ein- 
heit der  Seele  begriffen  worden,  so  tritt  allerdings  für  alle  Th&tig' 
keit  des  Bindens,  Lösens  u.  s.  w.  ein  völliges  Aufhören  ein. 

7.    arhhakorokaS'tvät  tad^yapadeQäc  ca  na^  iti  cen?  na! 

nicAyyatväd  evam^  vyomavac  ca 

weil  seine  Behausung  winzig  und  auch  [von  ihm]  dies 
aufgewiesen,  nicht,  meint  ihr?  O  nein^  weil  er  auf 
diese  Weise  bemerklich  gemacht  werden  soll,  und  es 

ist  wie  bei  dem  Baume. 

„Winzig"  bedeutet  klein;  „ Behausung '^  die  Wohnst&tle.  — 
'Weil  nach  den  Worten:  „er  ist  meine  Seele  im  innem  Herzen'^ 
^(Ch&nd.  3,  14,4),  sein  Standort  ein  engbegrenzter  ist,   und   weil 


Summ  I.  II.  7.  93 

* 

^iioch  in  den  eigens  dazu  bestimmten  Worten:  „kleiner -als  ein 
^Reiskorn  oder  Gerstenkorn"  (Ghänd.  3,  14,  3)  seine  Kleinheit  auf- 
^gewiesen  wird,  deswegen/  so  könnte  man  meinen, ''ist  es  nur  die 
^nadelspitzegrofse,  verkörperte  Seele, ^welche  hier  besprochen  wird, 
^nicht  der  allgegenwärtige  höchste  Atman.'  —  Diese  Behauptung 
ist  zu  entkräften.  Wir  entgegnen  darauf,  dafs  der  Einwand  ohne 
Grund  ist.  Allerdings  kann  von  demjenigen,  was  räumlich  begrenzt 
ist,  unter  keinen  Umständen  behauptet  werden,  dafs  es  allgegen- 
wärtig sei;  hingegen  ist  bei  dem  Allgegenwärtigen,  weil  es  an 
allen  Orten  sich  befindet,  auch  die  Aufseigung  desselben  in  einem 
begrenzten  Baume  bx  gewissem  Sinne  statthaft,  ähnlich  wie  der, 
welcher  Beherrscher  der  ganzen  £rd^  ist,  dooh  auch  ids  Beherr- 
scher der  Stadt  Ayoikyä  bezeichnet  werden  kann.  —  'Aber  in 
'welchem  Sinne  wird  denn  von  Gott,  der  doch  allgegenwärtig  ist, 
'ausgesagt,  dafs  seine  Behausung  eng,  und  dafs  er  kleiner  [als  ein 
'Reiskorn  und  Gerstenkorn]  sei?'  —  „Weil  er",  so  erwidern  wir, 
„auf  diese  Weise  bemerklich  gemacht  werden  soll."  Denn  auf 
diese  Weise,  nämlich  sofern  er  mit  jener  Gruppe  von  Eigenschaften 
der  Kleinheit  u.  s.  w.  behaftet  erscheint ,  wird  Gott  dort,  in  der 
Lotosblume  des  Herzens,  bemerklich  gemacht,  als  vorstellbar  auf- 
gezeigt, ähnlich  wie  Bari  [Vishnu]  in  dem  ftv/er^dma- Steine; 
denn  dort  ist  er  für  das  erkennende  Bewufstsein  ergreifbar,  |  indem  175 
Gott,  obgleich  allgegenwärtig,  dort  als  Gegenstand  der  Verehrung 
seinen  Sitz  hat.  Und  es  ist  dieses  anzusehen  „wie  bei  dem  Baume". 
Wie  n&mlich  der  Raum,  der  doch  allgegenwärtig  ist,  mit  Beziehung 
auf  ein  Nadelöhr  u,  s.  w.  als  in  enge  Behausung  eingeschlossen 
und  sehr  klein  bezeichnet  werden  kann,  ebenso  auch  das  Brahman. 
Diese  Enge  der  Behausung  und  Kleinheit  des  Brahman  dienen, 
um  ihn  auf  diese  Weise  bemerklich  zu  machen,  und  sind  nicht  im 
Sinne  der  höchsten  Realität  zu  verstehen.  —  Wollte  jemand  wegen 
dieses  Wohnens  des  Brahman  im  Herzen  behaupten,  dafs  was  im 
Herzen  wohne  in  die  einzelnen  Leiber  verteilt  sein  müsse,  das 
seinem  StMidort  nach  Verteilte  aber,  ähnlich  wie  die  Papageien 
u.  s.  w.  [in  den  verschiedenen  Käfigen],  den  Mängeln  der  Vielheit- 
lichkeit,  Teilbarkeit  und  Vergänglichkeit  anheimfalle,  und  dafs 
dieses  dann  auch  auf  Brahman  seine  Anwendung  finden  müsse,  — 
80  ist  auch  diese  Behauptung  [durch  das  Gesagte]  bereits  widerlegt. 

8.    sambhoga-präpUrj  Ui  cen?  na!  vaigeshyät 

dafs  er  mitleide,  meint  ihr,  folge?    O  ndn!  wegea 

der  Unterschiedlichkeit. 

Man  konnte  einwenden:  ^wenn  das  wie  der  Raum  allgegenwär- 
'tige  Brahman  mit  dem  Herzen-  alles  Lebenden  verbunden  ist,  und 


J 


94  ^•^rtraka-mim^si 

'sich  auch  insofern,  als  es  geistiger  Natar  ist,  von  der  verkdrper- 
'ten  Seele  nicht  unterscheidet,  so  mufs  es  doch  ebenso  wie  diese 
'auch  an  dem  Genüsse  von  Lust  und  Schmerz  teilnehmen;  und  dies 
^scheint  lEiuch  «aus  der  Einheit  [des  Ätman]  sich  zu  ergeben.  Denn 
'es  giebt  ja  aufser  der  höchsten  Seele  gar  keine  andere,  wandernde 
'Seele,  indem  die  Schrift  sagt:  „nicht  giebt  es  aufser  ihm  einen 
'„Erkennenden"  (Brih.  3,  7,  23).  Folgt  nicht  hieraus,  dafs  die 
'h()ch3te  Seele  an  den  Leiden  der  Seelen  Wanderung  teilnehmfn 
'mufs?'  —  Auf  diese  Meinung  entgegnen  wir:  „0  nein,  wegen  der 
„Unterschiedlichkeit."  Denn  zunächst  folgt  daraus,  daib  Brahman 
mit  dem  Herzen  alles  Lebenden  verbunden  ist,  keineswegs,  d^fs 
es  ebenso  wie  die  verkörperten  Seelen  an  den  Leiden  teilnimmt, 
176  I  „wegen  der  Unterschiedlichkeit";  d.h.  weil  gleichwohl  ein  Unter- 
schied besteht  zwischen  der  verkörperten  Seele  und  dem  höchsten 
Gotte;  die  eine  ist  handelnd  und  geniefsend,  vollbringt  Gutes  und 
Böses  und  erleidet  Lust  und  Schmerz ;  der  andere  hingegen  besitzt 
die  Eigenschaften  der  Freiheit  von  allem  übel  u.  s.  w.  Darum 
also,  weil  die  beiden  verschieden  sind,  leidet  die  eine,  der  andere 
aber  nicht.  Folgte  aus  dem  blofsen  Zugegensein  und  ohne  weitere 
Teilnahme  an  dem  Thatvermögen  einer  Sache  eine  Teilnahme  nii 
ihren  Wirkungen,  so  würde  z.  B.  der  Raum  auch  mit  den  Körpern 
verbrennen  müssen.  Übrigens  ist  uns*  diese  Schwierigkeit  sowie 
auch  ihre  Hebung  gemeinsam  mit  allen  denen,  welche  [wie  die 
Sänkh^a*s  u.  a.]  eine  Vielheit  der  Seelen  und  dabei  eine  Allgegen- 
wai't  derselben  lehren.  Wenn  aber  weiter  behauptet  wurde,  dafs 
wegen  der  Einheit  des  Brahman,  und  weil  es  eine  andere  Seele 
nicht  giebt,  das  Brahman  an  dem  Leiden  der  verkörperten  Seele 
teilnehmen  müsse,  so  ist  darauf  Folgendes  zu  erwidern.  Zunächst 
müssen  wir  dich,  du  Freund  der  Götter,  fragen,  mit  welchem 
Rechte  du  behauptest,  dafs  es  keine  andere  Seele  aufser  Brahman 
gebe?  Willst  du  dich  etwa  berufen  auf  Schriftstellen  wie:  „das 
„bist  du"  (Chand.  6,  8,  7),  «ich  bin  Brahman"  (Brih.  1,  i,  10), 
„nicht  giebt  es  aufser  ihm  einen  Erkennenden"  (Brih.  3,7,  23)? 
Nun,  dann  mufst  du  den  Sinn  der  Schriftworte  auch  in  ^chrift- 
mäfsiger  Weise  auffassen  und  darfst  es  nicht  bei  einer  halben 
V^erdauung  bewenden  lassen.  Die  Schrift  aber,  sofern  sie  durch 
das  Wort  „das  bist  du",  das  von  allem  Übel  u.  s.  w.  freie  Brahman 
als  das  Selbst  der  verkörperten  Seele  aufweist,  bestreitet  überhaupt 
sogar,  dafs  die  verkörperte  Seele  das  Leiden  empfinde.  Wie  kannst 
du  also  schliefsen,  dafs  darum,  weil  sie  leide,  auch  das  Brahman 
Irtiden  müsse!  —  Oder  aber  du  nimmst  die  Einheit  der  verkörper- 
ten Seele  mit  dem  Bruhroan  nicht  an :  nun  dann  trifft  das  auf  dem 
-  falschen  Wahne  [der  empirischen  Anschauung]  beruhende  Leiden 
die  verköri)crtc  Seele;  das  Brahman  hingeuon  wird,  weil.es  seinem 
Wesen  nach  die  jüber  Jonen  Wahn  crhabciiej  absolute  Realitiit  iM, 
von  dem  Leiden  nicht  berfthit.     Denn  deswegen,  weil  Unerfahrene 


Sütram  I.  ii.  8.  95 

die  blaue  Farbe  des  Grandes  u.  s.  w.  dem  Himmeisraume  andichten, 
kann  das  Merkmal  der  blauen  Farbe  u.  a.  w.  nicht  im  Sinne  der 
absoluten  |  Realität  dem  Himmelsraume  beigelegt  werden.  —  In  177 
diesem  [idealistischen,  aufsor  in  dem  oben  angenommenen 
realistischen]  Sinne  sagt  unser  Sütrani:  „0  nein,  wegen  di;r 
„Unterschiedlichkeit/^  I).  h.  auch  wem:  man  die  Einheit  annimmt, 
so  braucht  man  nicht  zuzugeben,  dafs  bei  dem  Leiden  der  ver- 
körperten Seele  das  Brahman  mitleide,  „wegen  der  Unterschiod- 
„lichkeit^ ;  niimlich  es  besteht  ein  Unterschied  zwischen  der  falschen 
]!!rkenntnis  und  der  vollkommenen  Erkenntnis;  auf  der  falschen 
Erkenntnis  beruht  das  Leiden,  auf  der  vollkommenen  Erkenntnis 
die  Anschauung  der  Einheit;  durch  das  von  der  falschen  Erkonnt- 
nis  angenommene  Leiden  wird  die  durch  die  vollkommene  Erkennt- 
nis angeschaute  Kealität  nicht  berührt.  Somit  lafst  sieh  nicht 
behaupten,  dafs  Gott  von  dem  Leiden  auch  nur  im  geringsten 
betroffen  weMe. 


Zweites  Adhikaranam. 

9.    attd,  cara-acara-grahanat 

der  Esser,  wegen  Befassung  des  Beweglichen  und 

Unbeweglichen. 

In  den  VallVs  [„Ranken*^  genannten  Textabteilungen]  der 
Knfha'a  heifst  es  (Kath.  2,  25): 

„Dem  Krieger  imd  Brahmanen  sind  wie  Brei, 
„Den  mit  des  Todes  Brühe  er  hegiefst,  ■— 
„Wer  ist  der  Maun,  der  weifs,  wo  dieser  ist?" 

Hier  ist,  wie  die  Worte  „Brei"  und  „Brühe"  zeigen,  von  einem 
„Esser*'  die  Rede,  und  es  kann  zweifelhaft  sein,  ol)  dieser  Esser 
das  Feuer  ist,  oder  die  individuelle  Seele  oder  die  höchste  Seele, 
indem  ein  entscheidendes  Merkmal  nicht  hervorgehoben  wird,  und 
alle  drei,  das  Feuer,  die  individuelle  Seele  und  die  höchste  Seele, 
in  dem  betreffenden  Textbuche  sowohl  in  den  [von  Nacik^tas  ge- 
stellten] Fragen  als  auch  in  den  [von  Yavm  gegebenen]  Antwor- 
ten vorkommen. 

I  Angenommen  also  etwa,  *der  Esser  sei  das  Feuer;  warum?  178 
•weil  dafür  sowohl  die  Schrift,  z.  B.  in  der  Steile  „das  Feuer  int 
*der  Speiseesser"  (Brih.  1,  4,  6),  als  auch  die  Erfahrung  sprechen. 
'Oder,  det  Esser  mag  die  individuolle  Seele  sein,  wie  in  der 
^Stelle:  „der  eine  ifst  die  süfse  Beere",  niclit  aber  der  höcliste 
'Atman,  von  dem  es  eben  daselbst  heifst:  „der  and're  schaut  niclit 
',, essend  zu"  (Mund.  ;i,  1,  1).'   — 


Y    -       -,•       J^.* 


96  C&riraka-müBÄj^ 

Auf  diese  Aunahme  erwidei-n  wir,  dafs  der  Estjer  hier  der 
höchste  Ätman  sein-  mafB;  warum?  „wegen  Befassung  des  Beweg- 
„lichen  und  ünheweglic&en^**  N&mlich  „das  Bewegliche  und  Un* 
„bewegliehe 'S  d«  h.  die  Pflanzenwelt  und  die  der  beweglichen 
Wesen,  werden  hier  unter  dem  befafst,  was,  nadidem  es  mit  der 
Brühe  des  Todes  übergoBsen  worden,  gegessen  werden  solL  Bei 
einer'  derartigen  Speise  aber  kann  im  vollen  Sinne  ein  anderer 
als  der  höchste  Atman  nicht  der  Easa:  sein;  auf  den  höchsten 
Ätman  aber  paust  es,  dafs  er  alles  esse,  sofern  er  es  ist,  der  alles 
durch  Umwandlung  Entstandene  wieder  yemichtet.  •—  'Aber  in 
^unserer  Stelle  ist  eine  Befassung  alles  Beweglichen  und  Unbe- 
^weglichen  doch  nicht  ersichtlich;  wie  kapn  man  also  dieae  „Be- 
Sifassung  des  Beweglichen  und  Unbeweglichen '^  als  wäre  sie  eine 
'ausgemachte  Sache ,  als  Beweisgrund  aufgreifen  ?  * Dieser  Ein- 
wand ist  nichtig,  indem  man  daraus,  dafs  der  Tod  die  Brühe  ist, 
auf  den  ganzen  Komplex  der  lebenden  Wesen  [Pflanzen,  Tit:re, 
Menschen]  schliefsen  mufs,  wobei  Brahmanen  und  Krieger,  weil 
sie  die'  höchste  Stelle  einnehmen,  passend  dem  Zwecke  entsprechen, 
als  Beispiele  zu  dienen.  Wenn  aber  mit  Berufung  auf  die  Stelle: 
„der  andVe  schaut  nicht  essend  zu''  (Mund.  3,  1,  1)  bestritten 
wurde,  dafs  der  höchste  Aünan  der  Esser  sein  könne,  so  bemerken 
wir,  dafs  jenes  Gleichnis  ihm  nur  den  Genufs  der  Frucht  der 
Werke  abspricht,  da  von  dieser  dort  die  Rede  ist,  nicht  aber 
das  Vernichten  alles  Erschaffenen,  indem  in  allen  Yed&ntatexteu 
das  Brahman  als  die  Ursache  des  Entstehens,  Bestehens  niid  Yer« 
gehens  der  Dingo  allgemein  angenommen  wird.  Darum  kann  der 
,,Esser"  hier  nur  der  höchste  Atman  sein. 


17^  10.    prakaranclc  ca 

auch  wegen  der  Voi'anstellung. 

Auch  darum  muTs  man  unter  dem  Esser  hier  den  höchsten 
Atman  verstehen,  weil  in  den  Eingangsworten:  „Nicht  wird  ge- 
,^boren  oder  stirbt  der  Weise ^'  u.  s.  w.  (Kath.  2,  18)  der  höchste 
Atman  als  das  zu  Behandelnde  vorangestellt  wird.  Es  ist  aber 
regelrecht,  an  das  Vorangestellte  zu  denken.  Übrigens  ist  auch 
die  Schwer-Erkennbarkeit,  welche  ausgedrückt  liegt  in  den  Worten: 
„wer  ist  der  Mann,  d»r  weils,  wo  dieser  ist",  ein  Merkmal  des 
höchsten  Atman. 


Sfttram  I.  n.  U.  97 


Drittes  Adhikaranam, 

11.    giiMm  pravLshtau;  Mnutnau  M,  tad^-darganät 

dio  beiden  in  die  Höhle  eingegangenen;  denn  zwei 
Seelen  [sind  gemeint],  wie  erBichtlich. 

Ebenfalls  in  den  VaUVs  der  Katha's  heifst  es  (Kath.  3,  1): 

„Erftlllung  trinkend  ihres  Thnns  im  Leben 

„Sind  beide  eingegangen  in  die  Höhle, 

„Im  Höchsten,  das  des  HAchsten  eine  H&lfte  [d.  h.  im  Herzen]*, 

„Schatten  und  Licht  nennt  sie  wer  Brahman  kennet, 

„Und  wer,  der  Fener  FOnlzahl  unterhaltend, 

„Das  Naeiketas-Fener  dreimal  zflndet." 

Es  erhebt  sich  die  Frage,  ob  unter  den  „beiden '*  hier  die 
Buddhi  und  die  individuelle  Seele  oder  die  individuelle  und  die 
höchste  Seele  gemeint  sind.  Gesetzt,  es  sei  von  der  Buddhi  und 
der  individuellen  Seele  die  Rede,  so  wtU*de  hier  gelehrt  werden, 
dafs  die  individuelle  Seele  von  dem  Aggregate  der  Organe  des 
Wirkens,  an  deren  Spitse  die  Buddhi  steht,  wesensverschieden  sei; 
dies  konnte  hier  sehr  wohl  als  Zweck  der  Belehrung  vorschweben, 
weil  vorher  die  Frage  aufgewgrfen  worden  war  (K&th  1,  20): 

„Ein  Zweifel  waltet,  wenn  der  Mensch  gestorben; 
„«Er  ist»,  so  sagen  einige,  und  andre,  «er  ist  nicht» : 
„Das  möchte  ich  von  dir  belehrt  erkennen, 
„Das  ist  die  dritte  der  versprochenen  Gaben/' 

I  Oder  aber  man  mufs  die  individuelle  und  die  höchste  Seele  ver-  180 
titehen;   dann  würde  hier  gelehrt  werden,   dafs   die   höchste  Seele 
von    der    individuellen   Seele    wesenaverschieden    sei;    aucli    dieses 
konnte  hier  als   Zweck  der  Belelurung  vorschweben,   weil   vorher 
die  Frage  aufgeworfen  worden  war  (Kath.  2,  14): 

„Vom  Guten  frei  und  frei  vom  Bösen, 
„Von  Ursach'  und  von  Wirkung  frei, 
„BYei  von  Vergting'nem  und  Zuktiuft'geni,  — 
„Das  sage  mir,  was  dieses  sci!^^ 

Da  kommt  nun  einer  und  wirft  uns  ein,  'dafs  alle  beide  Au- 
fnahmen nicht  zulässig  sind;  warum?  weil  das  Erfüllung  Trinken 
Men  Gennfs  der  Frucht  der  Werke  bedeutet,  wie  au»  dem  Zusatae 
S^hres  Thuns  im  Leben ^'  ersichtlich  ist;  und  das  pafst  zwar  auf 
'den  geistigen  Kshetrajna  (die  individuelle  Seele),  nicht  aber  auf 
'die  ungeistige  Buddhi;  hier  hingegen  redet  die  Schrift,  wie  der 
'Dual  pibaniau  (trinkend)  beweist,   dayon,   dafs  es  zwei  sind,   die 

DsvitB«,  VcdAftU.  7 


9« 


^&rlraka-mim&ii8ft 


181 


*da  trinken.  Aus  dieüem  Grunde  ist  es  zunüchst  nicht  zuläsaig, 
'hier  an  die  Bnddhi  und  den  Kshetrajna  zu  denken.  Aus  dem- 
*ftelben  Grunde  aber  gebt  es  weiter  nicht  nn,  an  unserer  Steile 
*den  Kshetra^ita  und  den  höchsten  Ätman  zu  verstehen ;  denn  wenn 
^auch  der  höchste  Ätman  geistig  ist,  so  paist  doch  nuf  ihn  das 
'Trinken  der  Erfüllung  nicht;  denn  ein  Uedervers  sagt  von  ihm: 
'pder  andre  schaut  nicht  essend  zu"*  (Miiud.  3,  1,  1).  —  Auf  diese 
Einwendung  erwidern  wir,  dafs  dieselbe  nicht  zulässig  ist;  indem 
z.  B.  in  dem  Ausdiiicke:  „die  Leute  gehen  mit  Sonnenschirmen '', 
auch  wenn  in  Wirklichkeit  nur  einer  einen  Sonnenschirm  trägt, 
in  übertragenem  Sinne  von  einem  Tragen  mehrerer  geredet  werden 
kann;  in  ähnlicher  Weise  kann  hier,  wiewohl  in  Wirklichkeit  nur 
der  eine  der  Trinkende  ist,  doch  die  Kede  davon  sein,  dafs  beide 
trinken.  Oder  auch  man  kann  sagen :  die  Seele  allein  trinkt,  Gott 
aber  macht  sie  trinken,  und  weil  er  sie  trinken  macht,  heifst  es 
auch  von  ihm:  „er  trinkt",  wie  man  ja  auch  ganz  gewohnlich  von 
einem,  der  backen  läfst,  sagt,  „er  bäckt."  Anderseits  wiederum 
wäre  es  auch  möglich,  hier  an  die  BuddM  xm(\.  den  K^ietrajm 
zu  denken,  soferii  dabei  dem  Organe  [d.  h.  der  Buddki]  in  über- 
Tagenem  Sinne  ein  Thätersein  beigelegt  würde,  ähnlich  wie  wenn 
man  zu  pagen  pflegt:  „das  Holz  heizt"  [anstatt:  das  Feuer  heizt |. 
Auch  kann  es  sich,  da  hier  von  psychologischen  Verhältnissen  die 
Rede  ist,  um  keine  andern  zwei,  welche  die  Erfüllung  trinken,  als 
die  einen  oder  die  andern  der  beiden  geuiuinteu  handeln;  daher 
die  Frage  gerechtfertigt  ist,  ob  man  hier  die  Bnddhi  und  die  in* 
dividuelle  Seele,  oder  aber  die  individuelle  und  die  höchtse  Seele 
zji  verstehen  habe. 

Angenommen  also,  Mie  Buddhi  und  die  individuelle  Seele 
^(ksheirajna)  seien  zu  verstehen;  warum?  weil  sie  als  „die  beiden 
S,in  die  Hohle  eingegangenen"  geschildert  werden.  Mag  man  unter 
'der  Höhle  den  Leib  oder  das  Herz  verstehen,  in  beiden  Fällen 
'kann  man  sagen,  dafs  die  Buddhi  und  dei'  KsJidrqjtki  in  diese 
*Höhlo  eingegangen  seien.  Wns  hingegen  das  allgegenwärtige 
'Brahman  betrifft,  so  zierat  es  sich  nicht,  so  lange  ein  anderer 
'Au.iweg  ist,  dasselbe  als  an  einen  bestimmten  Ort  gebiuiden  auf- 
^zufassen.  Femer  auch  die  Worte  „ihres  Thuns  im  Leben"  be- 
'weisen,  dafs  man  hier  über  die  Sphäre  der  Werke  nicht  hinaus- 
'zugehen  hat.  Der  höchste  Atmun  aber  bewegt  sich  nicht  in  der 
^Sphäre  der  guten  oder  bösen  Werke,  denn  die  Schrift  sagt  von 
*ihra,  „daist  er  nicht  wächst  durch  Werke  oder  minder  wird" 
'(Brih.  4,  4,  23).  Auch  die  Bezeichnung:  „Schatten  und  Licht" 
4st  zutrefiend,  wenn  man  annimmt,  dafs  ein  tieifttiges  [der  Kshe- 
Hrajnd]  und  ein  Nichtgeistiges  [die  Buddhi,  als  Organ  der  Seele] 
^gemeint  sei,  indem  diese  einander  wie  Schatten  und  Licht  ent- 
^gegengesetzt  sind.  Somit  ulso  wären  hier  die  Buddhi  und  der 
^Kshetrajna  zu  verstehen.' 


Sfttram  I.  ii.  11.  99 

Auf  diese  Annahme  entgegnen  wir,  dafs  man  yielmehr  hi^r  die 
indiyiduelle  und  die  höchste  Seele  yerstehen  mufs;  warum?  ,tdenn 
,,zwei  Seelen",  beide  geistig  und  von  gleichartiger  Natur,  müssen 
hier  gemeint  sein;  denn  wo  eine  Zahl  yorkommt,  da  kann  jeder 
doch  nur  an  gleichartige  Dinge  denken,  und  wenn  es  z.  B.  heifst: 
„zu  diesem  |  Ochsen  mufs  man  einen  zweiten  suchen 'S  ^^  ^^t  der  182 
zweite,  den  man  sucht,  natfirlich  ein  Ochse  und  nicht  etwa  ein 
Pferd  oder  ein  Mensch.  So  auch  hier;  da.  zun&chst  aus  dem  • 
Merkmale  des  Trinkens  der  £rfiillung  feststeht,  dafs  an  das  be- 
wufste  Selbst  [die  individuelle  Seele,  vijfiäfiäiman\  zu  denken  ist, 
und  es  sich  weiter  darum  handelt,  den  zweiten  zu  ermitteln,  so 
kann  unter  diesem  nur  ein  Oleichartiges,  mithin  nur  der  ebenfalls 
geistige  höchste  Atman  verstanden  werden.  —  'Aber  wir  bemerkten 
'doch,  da^  wegen  des  Eingegaugenseins  in  die  Höhle 'an  den 
'höchsten  Atman  nicht  gedacht  werden  dflrfe?'  —  Darauf  haben 
wir  zu  erwidern,  dafs  vielmehr  sowohl  in  der  Schrifb  als  in  der 
ßmriti  mehr  als  einmal  von  einem  solchen  Eingegangensein  des 
hödisten  Atman  in  die  Höhle  [des  Herzens]  die  Rede  ist.  So 
z.  B.,  wenn  es  heifst :  „tief  in  der  Höhle  weilt  versteckt  der  Alte" 
(Kath.  2,  12);  —  »wer  es  als  dieses  weifs  verborgen  in  der  Höhle 
„und  im  höchsten  Räume''  (Taitt.  2,  1);  —  „den  Atman  suche  auf, 
„der  in  die  Höhle  einging"  (Smriti)  u.  s.  w.  Dafs  nämlich  das, 
wiewohl  allgegenwärtige,  Brahman  zum  Zwecke  seiner  Auffassung 
ohne  Widerspruch  auch  an  einem  bestimmten  Orte  angewiesen 
werden  könne,  haben  wir  bereits  oben  (S.  92  %.)  gesehen.  Das 
Weilen  in  der  Welt  der  guten  Werke  aber  kann,  ähnlich  vrie  das 
Tragen  des  Sonnenschirmes,  wenn  es  auch  eigentlich  nur  von  einem 
der  beiden  gilt,  doch  auch  beiden  ohne  Widerspruch  beigelegt 
worden.  Und  auch  die  Bezeichnung  derselben  als  „Schatten  und 
„Licht"  ist  nicht  unzulässig,  weil  in  der  That  das  Wanderersein 
und  Nicht  wanderersein  der  Seele  einander  in  ähnlicher  Weise  ent- 
gegengesetzt sind,  wie  der  Schatten  und  das  Licht;  indem  nämlich 
dtiü  WandererHein  der  Seele  auf  dem  Nichtwissen  beruht,  wäht*end 
Hie  im  Sinne  der  höchsten  Realität  keine  wandernde  ist.  Somit 
hat  man  unter  den  beiden  in  die  Höhle  Eingegangenen  die  indivi- 
duelle und  die  höchste  Seele  zu  verstehen.  Und  warum  weiter 
mufs  man  unter  ihnen  die  individuelle  und  die  höchste  Seele  ver- 
stehen? —  Antwort; 

12.    vigeshandc  ca 
auch  wegen  der  Scheidung. 

Auch,  weil  eine  Scheidung  eben  zwischen  der  individuellen  und 
der  höchsten  Seele  gemacht  wird,   wenn  weiterhin  |  in   demselben  183 
Werke,  da  wo  es  heifst  (Käth.  3,  3): 

7* 


100  Qlrtrakft-mlm&&8i 

y^li  Wa^senleaker  wi^se  dich, 

„Als  einen  Wagen  deinen  Leib**  u.  s.  w^ 

in  dieser  Parabel  vom  Wagenlenker,  Wagen  u.  s.  w.,  von  der 
Schrift  die  individnelle  Seele  einem  zur  Wanderang  und  Erloming 
dahinfahrenden^Wagenlenker  yergliclien  wird,  während  sie  bingcgon 
den  höchsten  Atman  mit  dem  Endziele,  zu  dem  derselbe  liitii^hri, 
vergleicht,  in  den  Worten  (KUth.  3,  9): 

„Der  Mann  erreicht  das  Ziel  des  W^es, 
„Das,  was  des  Vishnu  höchster  Schritt^' 

Und  eben  diese  Unterscheidung  findet  sich  auch  im  yorhcrgehen- 
den  Teile-dea  Werkes,  da  wo  es  heifst  (Kftäi.  2,  12): 

„Schwer  zu  erschauen,  in  Dunkel  eingegangen, 
„Tief  in  der  Höhle  wellt  versteckt  der  Alte; 
„Ihn  weils  als  Qoti  durch  innigste  Verbindung 
„Der  Weise  und  irird  frei  von  Leid  und  Freude*,*' 

auch  hier  werden  beide,  die  individuelle  und  die  höchete  Seele, 
ahl  Subjekt  und  Objekt  des  Wissens  voneinander  unterschieden. 
Hierzu  kommt,  dafs  4^r  Gegenstand,  von  dem  unsere  Stelle  han- 
delt, der  höchste  Atman  ist.  Denn  wenn  es  (K&th.  3,  1)  heifat: 
„Die  Brahmanwisser  sagen'*,  so  ist  diese  nähere  Bestimmung  derer, 
die  das  Folgende  sagen^  nur  dann  gerechtfertigt,  wenn  es  sich  in 
ihm  um  den  höchsten  Atman  handelt.  Somit  sind  es  die  indivi- 
duelle und  die  höchste  Seele,  von  denen  unsere  Stelle  redet. 

Dieselbe  Methode  ist  anzuwenden  bei  der  Stelle  (Mund.  3,  1 ,  1): 

„Zwei  Freunde  schön  befiedert  wisse 
„Auf  ehiem  Baum  verbunden  du;**  — 

auch  hier  können,  weil  von  psychischen  Verhältnissen  die  Rede  iat, 
nicht  zwei  natürliche  Vögel  verstanden  werden.  Vielmehr  zeigt 
das  Weiterfolgende: 

„Der  eine  ilkt  die  sQfse  Beere, 
„Der  andre  schaut  nicht  essend  zu**, 

dafs  unter  ersterem,  wie  das  Merkmal  des  Essens  beweist,  die 
individuelle  Seele,  unter  letzterem,  wie  sich  aus  dem  Nichtessen 
und  blofsen  Zuschauen  ergiebt,  der  höchste  Atman  zu  verstehen 
ist.  Auch  sind  ea  diese  beiden,  welche  als  Subjekt  und  Objekt 
des  Erkennens  von  der  Schrift  unterschieden  werden  in  dem  darauf 
folgenden  Mantra  (Mu^d.  3,  1,  2): 


Sütram  I.  ii.  12.  lOl 

,,Zu  solchem  Baom  yersank  und  liegt  gebannt 

,411  Unfreiheit  der  Geist  und  Wahn  und  Schmerzen; 

y,Wohl  ihm,  wenn  er  |  als  Gott  in  sich  erkannt  184 

„Den  andern  hat;  dann  weicht  das  Leid  vom  Herzen  1" 

Andere  Meinung:  „Zwei  Freunde  schön  befiedert'^  u.  s.  w.; 
dieser  Vers  ist  nicht  für  den  Siddh^nta  (die  endgültige  Ansicht) 
dieses  Abschnittes  verwendbar,  weil  er  im  Painffi-räkasf/a-bräh' 
mafMim  anders  erklärt  wird,  nämlich  folgendermafsen :  „«der  eine 
„ifst  die  süfse  Beere»,  —  das  ist  das  Sattvam;  «der  andre  schaut 
,,nichtes8end  zu  r>,  —  nichtessend  blickt  auf  ihn  herab  der  Geist 
iiijna);  diese  beiden  sind  das  Saitvam  und  der  Kshctrajfia  (Seele)." 
Mau  könnte  denken,  dafs  in  dieser  Stelle  das  Wort  Sativam  die 
individuelle  Seele  und  das  Wort  Ksheirajfia  den  höchsten  Ätman 
bedeute;  aber  dies  geht  nicht  an,  nicht  nur,  weil  Sativam  und 
K^ielrajna  ganz  überwiegend  gebräuchlich  sind,  um  das  Innenorgan 
antahkaranam^  d.  h.  das  Manas]  und  die  verkörperte  Seele  zu 
)ezRiühnen,  sondern  weil  -sie  auch  als  solche  ebendaselbst  [im 
Taingi^ahasyarhrahnianain]  erklärt  werden,  wenn  es  weiter  heifst: 
„Dasjenige  ist  das  Sattvam^  womit  man  das  Traumbild  schaut; 
,,aber  die  im  Körper  befindliche  [oder:  verkörperte,  ^äHra^y  zu- 
„schauende  Seele,  die  ist  der  Kshetrajm;  beide  zusammen  sind 
„das  Sativam  und  der  KshetrajnaJ'^  —  Ebensowenig  aber  kann 
man  die  obige  Stelle  für  den  Pürvapaksha  (die  gegnerische  Mei- 
nuog)  in  dieseni  Adhikaranam  verwenden.  Denn  es  ist  hier  nicht 
die  Ilede  von  dem  verkörperten  Atman,  dem  Kshetrajnay  sofern 
er  mit  den  Eigenschaften  des  Sarnsära,  dem  Thätersein,  Geniefser- 
sein  u.  s.  w.,  behaftet  ist;  sondern  vielmehr,  sofern  er,  über  alle 
Eigenschaften  des  Sarihsära  erhaben,  seinem  Wesen  nach  das  Brah- 
man  und  rein  geistiger  |  Natur  ist;  denn  die  Stelle  [im  Faifigi-  185 
rahasi/a^hrähmanam]  erklärt  ihn  durch  die  [ebenfalls  metrischen] 
Worte:  „nichtessend  blickt  auf  ihn  herab  der  Geist  (jüa).^^  und 
andere  Stellen  der  Schrift  und  Smriti  sagen:  „das  bist  du"  (Gh&nd. 
(6,  8,  7);  —  „auch  als  den  Eshetrajna  sollst  du  mich  wissen" 
(Bhag.  G.  13,  2),  u.  s.  w.  Nur  auf  diese  Weise  kommt  auch  die 
Zusanunenfassung  der  Lehre  zu  ihrem  Rechte,  welche  sich  zeigt 
in  den  Worten  [des  Painsri'rakasya'bruhmanam] :  „beide  zusammen 
„sind  das  Sativam  und  der  Kshetrajna,  —  Fürwahr,  an  dem,  der 
„Solches  weifs,  bleibt  kein  Staub  hängen"  u.  s.  w.  —  *Aber  wie 
'ist  es,  bei  dieser  Auffassung,  zu  erklären,  dafs  in  den  Worten 
'[des  Paingi-ralKisyarbrahmatiamI  „«der  eine  ifst  die  süTse  Beere», 
S/las  ist  das  .SatU:am^''  dem  nichtgeistigen  Sativam  ein  Geniefser- 
•sein  zugeschrieben  wird?'  —  Wir  antworten:  diese  Schriftstelle 
hat  gar  nicht  die  Absicht,  dem  ungeistigen  Sativam  ein  Geniefser- 
soin  zuzuschreiben,  sondern  iln-e  Absicht  ist  vielmehr  zu  zeigen, 
dafs   der    geistige   KshetrajFui    [in   Wahrheit]   Nicht-Geniefser    und 


•      •        »  •       4  • 


•        •  «  • 


.  . .  •-  ;  •  :    .•    .  jQg-  -'  girlraka-mimftnsll 

seinem  Wesen  nach  Brahman  ist.  Zu  diesem  Zwecke  legt  sie 
dem  SattvafHy  sofern  dasselbe  [z.  B.  nach  der  Sänkht^a'ljehve]  als 
Modifikationen  die  Lust  u.  s.  w.  hat,  das  Geniefsersein  in  über- 
tragenem  Sinne  bei.  Nämlich  das  ganze  Thätersein  und  Geniefser- 
sein^  wird  dem  Sattvam  und  Kshetrc^na  nur  beigelegt,  sofern  man 
ihre  beiderseitigen  Wesenheiten  nicht  unterscheidet.  Der  höchsten 
Realit&t  nach  hingegen  kommt  es  weder  dem  ein^n  noch  dem 
andern  zu,  weil  das  Sattvam  ein  ungeistiges,  der  Kshetrajna  aber 
ein  unmodificierbares  Princip  ist.  Und  wenn  man  bedenkt,  dafs 
das  ganze  Sattcam  seiner  Natur  nach  nur  von  dem  Nichtwissen 
(avidifä)  aufgestellt  wird,  so  kommt  ihm  jenes  [Thätersein  and 
Geniefsersein]  erst  recht  nicht  zu.  Und  in  diesem  Sinne  sagt  aach 
die  Schrift:  „Nämlich  wo  gleichsam  ein  anderes  ist,  da  sieht  der 
„eine  das  andere ^^  u.  s«  w.  (Brih.  4.  3^  31,  vgl.  B|*ih.  4,  5,  15); 
diese  Worte  besagen,  dafs,  vergleichbar  der  Beschäftigung  mit 
dem  im  Traum  gesehenen  Elefanten  und  dergleichen  (Brih.  4,  3,  20), 
die  '  ganze  Beschäftigung  mit  dem  Thätersein  u.  s.  w.  nur  dem 
Bereiche  des  Nichtwissens  angehört.  Und  wenn  es  heifst:  „wo 
„aber  einem  alles  zum  eigenen  Selbste  geworden  ist,  wie  sollte  da 
„einer  den  anderen  sehen *S  v.  s.  w.'  (Brih.  4,  5,  15),  so  besagen 
diese  Worte ,  dafs  für  den ,  welcher  die  Unterscheidung  (mveka) 
erlangt  hat,  die  ganze  Beschäftigung  mit  dem  Thätersein  u.  a.  w. 
aufgehoben  ist. 


Viertes  Adhikaranajn, 

*.  • 

186  13,    antara*  upapcuteh 

der  innere,  wegen  der  Zutreftüng. 

Die  Schrift  sagt:  „der  Mann,  den  man  in  dem  Auge  sieltet, 
,.dcr  ist  der  Atman,  so  sprach  er,  der  ist  das  Unsterbliche,  das 
,. Furchtlose,  der  int  das  Brahman.  Dainim  auch,  wenn  man  Feit 
,,odcr  Wasser  ins  Auge  bringt,  so  flicfsct  es  ab  nach  den  Ilanderu^- 
(Chänd.  4,  15,  1).  —  Ks  eVhobt  sich  die  Frage,  ob  hier,  wo  vom 
Auge  die  Rede  ist,  das  Spiegelbild  in  demselben  gememt  ist,  oder 
die  individuelle  Seele,  oder  die  dem  betreffenden  Orgaue  vor- 
stehende Götterseele,  oder  etwa  ob  Gott  hier  zu  verstehen  ist? 

Abgenommen  zunächst,  *es  sei  das  Abbild,  wie  es  den  Menschen 
'widerspiegelt,  gemeint.  Warum?  Weil  dieses,  wie  allbekannt, 
Sich  im  Auge  zeigt,  und  weil  die  Worte  „der  Mann,  den  man  in 
*.,dem  Auge  siebet"  auf  etwas  allgemein  Bekanntes  hinweisen.     - 


S6tram  I.  ii.  18.  103 

'Oder  maii  mnfs  die:»p  Tliiiweisung  auf  die  individuelle  Seele  be- 
'ziehen,  indem  die»«,  sofern  sie  durch  daif  Alige  die  GMialten  biekt, 
-in  dem  Auge  |  gegenwärtig  ist;  auch  spricht  für  diese  Annahme  1S7 
*da8  Wort  Atman.  —  Oder  es  i8<;  der  Ptirusha  (Mann,  Geist)  der 
'Soone  gemeint,  indem  diener  das  Auge  unterstützt;  denn  die 
'Schrift  sagt:  „jener  fulst  durch  die  Strahlen  in  diesem"  (Brih. 
*5,  f>,  2):  und  auch  die  Bestimmungen  der  Unsterblichkeit  u.  .s.  w. 
*^ind  in  gewissem  Sinne  auf  eine  (röttertfccle  zutreffend.  Hingegen 
^kanii  Gott  hier  nicht  gemeint  sein,  weil  dabei  ein  bestimmter 
*Ort  bezeichnet  wird.' 

Auf  diese  Axmahmc  erwidern  wir,  dafs  es  allerdings  der  höchste 
Gatt  ist,  welcher  hier  unter  dem  Manne  im  Innern  de»  Auges  zu 
verstehen  ist;  warum  V  „wegen  der  Zutrpffung",  d.  b.,  weil  auf 
den  höchsten  Gott  die  hier  vorkommenden  Eigensehaft^n  zutreffen. 
Denn  schon  dies,  dafs  er  der  Atman  genannt  wird,  trifft  im 
eigentlichen  Sinne  nur  auf  den.  höchsten  Gott  zu,  von  dem  es 
heifst  „das  ist  der  Atman,  das  bist  du''  (Chand.  $,  S>  7).  Und 
auch  die  Unsterblichkeit  nnd  Furclitlosigkeit  werden  als  diesem 
eigen  mehr  als  einmal  von  der  Schrift  erwälint.  Dazu  kommt, 
dufs  dieser  Ort  im  Auge  ein  für  den  höohsten  Gott  angemessener 
ist;  denn  so  wie  der  höchste  Gott  durch  keinen  Fehler  befleckt 
wird,  da  die  Schrill  iliu  als  sündlos  u.  s.  w.  sehildbrt,  ebenso  wird 
aach  von  dorn  Orte  im  Auge  gesagt,  dafs  er  von  alter  Befleckung 
frei  bleibe,  indem  es  heilst:  „darum  auch,  wenn  man  Fett  oder 
„Wasser  ins  Auge  bringt,  so  Hief^et  es  ab.  nach  den  Rändern'' 
(Chand.  4)  15,  1).  Auch  die  weiteren  Bestiuuuun gen ,' dafs  er  der 
Liebesliort  u.  s.  w.  sei,  passen  auf  Gott:  und  es  heifst  ja  [im  Ver- 
laufe unserer  iStelleJ .  „ihn  nennet  man  den  Liebeshori,  denn  er  ist 
,.ein  Hort  alles  Lit»ben:  .  .  .  er  heifset  auch  der  l^iebesfürst  [wört- 
,,lich:  liiebesführcr] ,  denn  alles  Liebt;  füJirct  er;  .  .  .  vy  lieif'set 
.,auch  der  Glauzesfüri^i,  denn  in  all^n  Welten  erglänzet  er"  (Chand. 
4,15,  2 — 1).  Darum  also,  „wegen  der  Zntrefiung'S  ist  „der-innere"' 
der  höclujte  Gott. 


]4,    stMmirädi'VyapaJe^äc  ca  i88 

auch  \fvM  ihui  StÄiidorte  luid  anderes  beigelegt  werden. 

^\ber  wie  kann  dem  Bralmian,  welclies  wie  der  Äther  allgegen- 
•würtig  Ist,  iler  kleine  Standort  im  Auge  zugeschrieben  werden?' 
—  Wir  antworten:  es  würde  dieses  eine  Ungehörigkeit  sein,  m^oBn 
ihm  nur  dieser  eine  Standort  zugeschrieben  würde;  es  werden  ja 
abor  auch  andere  Standorte  desselben,  z.  T).  die  Erde  u.  s.  w., 
erwähnt,  wenn  *^ß  heif«t:  „der  in  der  Erde  wohnend*'  u.  s.  w. 
(Brih.  3,  7,  3),  und  unter   diesen  Standorten   wird   auch   das  Auge 


_VT 


B. 


104  QiHrakft-iiiim&nfllt 

genannt,  dann  es  heifst:  „der  in  dem  Auge  wohnend'^  u.  s.  w. 
(Brih.  3,  7, 18).  Wenn  unser  Sütram  sagt:  .,attch  weil  ihm  Stand- 
„orte  und  anderes  beigelegt  werden",  so  bedeutet  der  Zusatz  „und 
„anderes",  dafs  es  nicht  nur  ein  bostinunter  Standort  ist,  welcher 
uhangemessenerweise  dem  Brahman  beigelegt  wird,  sondern  auch 
Namen  und  Gestalten  werden  ihm  zugeschrieben;  und  obgleich 
Derartiges  bei  dem  namenlosen  und  gestaltlosen  Brahman  unange- 
messen ist,  so  sagt  doch  die  Schrift  z.  B.  von  ihm  „sein  Name  ist 
„<rhoch»"  (Ch&nd.  1,6,6)  und  schildert  ihn  ab  den  Mann  „mit 
.jgoldenem  Barte"  u.  s.  w.  (ChS,nd.  1,  6,  6).  Obgleich  nämlich  das 
Brahman  eigentlidi  attributlos  ist^  so  wird  es  doch  hier  und  da 
von  der  Schrift,  indem  sie  ihm  Namen  und  Gestalten  als  Attribute 
beimifst,  zum  Zwecke  der  Verehrung  als  attributhaft  hingestellt, 
wie  wir  dies  ja  bereits  auseinandergesetzt  haben.  Und  audi  das 
sahen  wir  schpn,  dafs  das  Brahman,  obwohl  es  allgegenwärtig  ist, 
doch,  um  der  Auffafsbarkeit  willen,  ohne  Widerspruch  an  einen 
speciellen  Standort  verlegt  werden  kann,  ähnlich  wie  Yishi^u  in 
den  (^dtaffräma-Siün. 


15.    st^ha-vigisJUa-^bhidhäfUld  eva  ca 
auch  8chon  wegen  seiner  Erwähnung  als  specificierte  Lust. 

Auch  schon  darum  kann  hier  kein  Zweifel  darüber  sein,  ob 
Brahman  in  diesem  Texte  erwähnt  werde  oder  nicht,  weil  die  Be- 
ziehung auf  das  Brahman  sicher  steht  „schon  wegen  seiner  Er- 
„wähnung  als  specificierte  Lust."  Nämlich  das  Brahman,  welches 
zu  Anfang  des  Textes  als  eine  specificierte  Lust  auftrat  in  den 
Worten  j^Brahnuin  ist  Leben,  Brahman  ist  Freude,  Brahman  ist 
„Weite"  (Chänd.  4,  10,  6),  eben  dieses  wird  auch  an  unserer  Stelle 
[als  der  Mann  im  Auge]  erwähnt;  denn  es  ist  billig,  dafs  man  an 
189  dem,  was  als  Thema  vorangestellt  worden,  festhält.  |  Hierzu 
kommt,  dafs  in  den  [zwischen  beiden  zwischenliegenden]  Worten 
„den  Weg  zu  ihm  aber  wird  dir  der  Lehrer  zeigen"  (ChÄnd. 
4,14,1)  [keine  Belehrung  über  Brahman,  weil  diese  schon  im' 
Vorherigen  gegeben  war,  sondern]  nur  eine  Beschreibung  des 
Weges  zu  ihm  in  Aussicht  gestellt  wurde.  —  ^Aber  was  soU  es 
^heifsen,  dafs  Brahman  zu  erkennen  sei  in  der  zu  Anfang  des 
Textes  vorkommenden  „specificierten  Lust?"'  —  Wir  wollen  darauf 
antworten.  Zunächst  also  sagen  die  Feuer:  „Brahman  ist  Leben, 
,,Brtfhman  ist  Freude,  Brahman  ist  Weite",  worauf  Upakogala  er- 
widert: „Ich  weifs,  daf^  Brahman  das  Leben  ist;  aber  die  Freude 
„tind  die  Weite,  die  weifs  ich  nicht."  Hierauf  wird  ihm  entgegnet: 
,, Wahrlich,  die  Weite,  das  ist  die  Freude,  und  die  Freude,  das 
„ist   die  Weite."     Das  hier   vorkommende  Wort  „Weite"   ('kha%n) 


Sütram  I.  ii.  15.  105 

bedeutet  zttn&chst  and  gewöhnlich  das  Element  des  Äthers  (dka^a). 
Würde  nun  2ur  Specifikation  desselben  das  eine  Lust  ausdrückende 
Wort  „Freude"  (kam)  nicht  hinzngenommen ,  so  müfste  m«a  an- 
nehmen, dafs  hier  das  Wort  Brahman  mit  dem  Element  des  Äthers 
nur  verbunden  werde  um  auszudrücken,  dafs  der  Äther,  so  wie 
anderwärts  (Gh&nd.  7,  1,  6)  der  Name  u.  s.  w.,  ein  Symbol  (pratl- 
Jcam)  des  Brahman  sei.  Ebenso  steht  es  mit  dem  Worte  „Freude^* 
(kam)f  welches  gewöhnlich  die  allbekannte,  aus  der  Berührung 
der  Sinnesorgane  mit  den  Sinnendingen  entspringende .  Lust  be- 
deutet. Würde  an  unserer  Stelle  nicht  zur  Specifikation  der 
„Freude"  das  Wort  „Weite"  hinzugefügt,  so  müfste  man  annehmen, 
dafs  hier  die  weltliche  Lust  als  das  Brahman  bezeichnet  werde. 
Nun  sich  aber  die  Worte  „Freude"  und  „Weite"  gegenseitig  spe- 
cifieieren,  so  bedeuten  beide  zusammen  das  seinem  -Wesen  nach 
Lust  seiende  Brahman.  Wäre  hier  das  Wort  „Brahman"  nicht 
zweimal  |  gesetzt,  hiefse  es  blofs:  „Brahman  ist  die  Weite,  die  190 
„Freude",  sb  würde  das  Wort  „Freude"  nur  zur  Specifikation  des 
Wortes  „Weite"  dienen,  und  man  müfste  die  „Freude",  als  eine 
blofse  qualitative  Bestimmung  auffassen.  Um  dies  zu  verhindern, 
wird  bei  beiden  Worten,  Weite  und  Freude,  das  Wort  Brahman 
als  HauptbegrifF  {^iras^  d.  h.  Subjekt]  beigefügt,  und  es  heifst: 
„Brahman  ist  Weite,  Brahman  ist  Freude."  Dies  geschieht,  damit 
man  auch  bei  der  „Lust"  [nicht  an  diese  als  Qualität,  sondern] 
an  den  Träger  der  Qualität  denken  soll.  In  dieser  Weise  also 
wird  zu  Anfang  der  Stelle  das  Brahman  „als  specificierte  Lust" 
bezeichnet.  Wenn  femer  die  Feaer,  Gärhapatya  u.  s.  w.,  nachdem 
ein  jedes  seine  eigentümliche  Wichtigkeit  dargelegt  hat,  hinzusetzen : 
„nun  weifst  du,  o  Teurer,  die  Lehre  von  uns  und  die  Lehre 
„vom  Atman",  so  geben  sie  durch  dieses  rückblickende  Wort  zu 
erkennen,  dafs  das  Brahman  ächon  im  Vorherigen  dargelegt  sei. 
Und  wenn  sie  hinzufügen:  „den  Weg  zu  ihm  eben  wird  dir  der 
„Lehrer  zeigen",  so  wird  hier  nur  die  Darlegung  des  Weges  zu 
Brahman  in  Aussicht  gestellt,  mithin  die  Absicht,  noch  etwas  an- 
deres mitzuteilen,  [nämlich  das  Brahman  selbst,  eben  weil  Brahman 
schon  im  Vorhergehenden  mitgeteilt  war,]  ausgeschlossen.  Wenn 
es  daher  [in  den  Worten,  mit  welchen  der  Lehrer  darauf  seine 
Belehrung  anhebt]  heifst:  „wie  an  dem  Blatte  der  Lotosblüte  das 
„Wasser  nicht  haftet,  so  haftet  keine  böse  That  an  dem,  der  Sol- 
„ches  weifs",  so  beweisen  diese  Worte,  indem  sie  dem,  der  den 
„Mann  im  Auge"  |  kennt,  Unantastbarkeit  durch  das  Böse  beilegen,  191 
dafs  unter  dem  Mann  im  Auge  das  Brahman  zu  verstehen  ist. 
Es  ist  somit  das  schon  vorher  in  Rede  stehende  Brahman,  von 
welchem  der  Standort  im  Auge  und  die  Eigenschaften,  dafs  er  der 
Liebeshort  u.  r.  w.  sei,  ausgesagt  werden.  Und  um  sodann  für 
den,  welcher  es  kennt,  den  Weg  zu  ihm  durch  die  FPamme  [des 
I^eichenfeuers]  u.  s.  w.  zu   schildern,   zu   diesem  Zwecke  heifst  es 


7- 


106  ^IkHraka-mlm&usri 

vorweg:    „der  Mann,    dou  man  in  dem  Auge   Blähet. ,    der  ist  der 
„Atnian,  so  sprach  er"  (Chänd.  4,  16,  1). 

16.    Qruta'Upafvishatka-gati-ahhidhd/näc  ca 

auch  weil  der  Weg  des  Üpanishad-Hörers  [als  zu  ihm 

führend]  erwähnt  wird. 

.  Auch  darum  ii^t  unter  dem  Mann  im  Auge  der  höchste  Gott 
zu  verstehen,  weil  der  Weg,  welclier  für  den  Upanishad- Hörer, 
d.  h.  für  den  Hörer  des  Wissens  der  Geheimlehre  [lies:  gnUa- 
rahast/a-vtjnänastfd],  für  den  Brahmanwisser,  unter  dem  Namen 
des  „Güiiei*weges**  von  .der  Schrift  und  Smpiti  gelehrt  wird,  — 
denn  die  Schrift  sagt:  „aber  auf  dem  nördlichen  Pfade  werden 
„diejenigen,  welche  durch  Bufse,  dui*ch  Leben  als  Brahmanenschüler, 
„durch  Glauben  und.  durch  Wissenschaft  den  Ätman  erforscht 
„haben,  befördert  (ahhijäyante)  in  die  Sonne;  dieses  fürwahr  ist 
„der  Ruhepunkt  der  Lebensgeister,  dieses  ist  das  Unsterbliche,  das 
„Furclitlose,  dieses  ist  das  höchste  Ziel,  von  diesem  kehren  sie  nicht 
„mehr  zurück  ^^  (Pra^na  1,  10);  und  auch  in  der  Smriti  heifst  es 
(Bliag.  G.  8,  24): 

1»2  „Dturch  Feuer,  Licht  und  Tag  und  helle  Hälfte 

„Des  Monats  and  die  Jahreshälfte,  wo 
„Gen  Nord  die  Sonne  zielit,  durcli  diese  wandernd, 
„Geh'u  ein  in  Brahman  die  das  Brahmau  wissen^^, 

—  weil  dieser  Weg  hier  erwähnt  wird  als  bestimmt  für  diejenigen, 
welche  d^m  Mann  im  Auge  kennen;  denn  es  heifst  von  ihnen  [ani 
Schlufs  der  Stelle,  Ohänd.  i,  15,  5]:  „darum  [wenn  solche  gestor- 
.fbenj,  mag  man  sie  nun  bestatten  oder  auch  nicht,  so  gehen  sie 
„ein  in  die  Flamme  [des  fieichenfeuers]",  und  weiterhin  [nach  Ytv- 
wähnung  mehrerer  Zwischen  Stationen]  „aus  der  Sonne  in  den 
„Mond,  aus  dorn  Monde  in  den  Blitz;  daselbst  ist  ein  Mann,  der 
„ist  nicht  wie  ein  Mensch;  der  führet  sie  hin  s&u  Brahman.  Drh 
,>i»t  der  Götterweg,  der  Brahmanweg.  Üio  den  gehen,  für  die  iat 
„/.n  diei?em  irdisclien  Strudel  keine  Wiedurkehr."  Da  es  feststeht, 
diUs;  dor  liier  geschilderte  Weg  der  ilev  Brahmanwisser  ist,  so  folgt 
diiraiUh,  dafB  der  seinen  Standort  im  Au^fo  habende  Mann,  von  dem 
uusert;  Stellii  redet,  das  Brahman  ist. 

17,    avdraathiter  asambhaodc  ca  na  itarah 

Wiegen   ihr  Unbeständigkeit   und    der  ünzutrefleiidheit 

nicht  ein  anderer. 

Wenn  oben  behauptet  wurde,  dafs  der  im  Auge  Weilende  auch 
das   Spiegelbild    oder   eine   individuelle    oder   eine    göttliche   Seele 


Sutram  I.  ii.  17.  107 

sein  könni*,  so  entgegnen  wir  darauf,  dafs  ,; nicht  ein  anderer'*, 
z.  B.  das  Spiegelbild  oder  dergleichen,  vci^ntanden  werden  darf; 
warum?  ;, wegen  der  Unhesiändigkcit.^*  Denn  was  zunächst  das 
Spiegelbild  betnfiTt,  so  befindet  sich  dieses  nicht  bestiindig  im 
Auge.  Nämlich  nur  wenn  eine  Person  an  das  Auge  herantritt, 
zeigt  sich  im  Auge  daH  Bild  dieser  Person,  entfernt  sie  sich  aber, 
so  ist  es  nicht  mehr  zu  sehen.  Auch  besagen  die  Worte,  ,>der 
„Mann,  welchen  man  im  Auge  siebet",  wie  au»  der  Ncboneinander- 
stellung  hervorgeht,  dafs  hier  ein  Mann,  welcher  im  eigenen  Auge 
[niclit  in  einem  fremden]  zu  sehen  ist,  zur  Verehrung  empfohlen 
wird;  man  darf  aber  die  Stelle  nicht  so  auffassen,  als  müfste  man 
zur  Zeit  der  Andacht  irgend  einen  andera  Menschen  zur  Hervor- 
bringung  eines  Spiegelbildes  sich  vor  Augen  bringen  und  diesen 
dann  verehren.  Und  auch  die  Stelle:  „mit  diesem  Leibe  gehet  es 
„zugleich  zu  Grunde"  (Chänd.  8,  9,  1),  |  zeugt,  für  die  „ünbe-  103 
„ständigkeit"  eines  solchen  Spiegelbildes.  Weiter  auch  kann  dus 
Spiegelbild  nicht  gemeint  sein,  „wegen  der  ünzutrefFendheit",  d.  h., 
weil  die  [hier  vorkommenden]  Eigenschaften  der  Unsterblichkeit 
u.  s.  w.  auf  das  Spiegelbild  nicht  zutreffen.  —  Ebensowenig  aber 
kann  man  von  der  individuellen  Seele  behaupten,  dafs  sie  sich  aus- 
schliefslich  im  Auge  befinde,  da  sie  vielmehr  allgemein  mit  dem 
ganzen  Leibe  und  den  Sinnesorganen  verbunden  ist;  wälu*end  hin- 
gegen bei  dem  Brahmas,  obwohl  es  alldurchdnngend  ist,  eine  zum 
Zwecke  der  Auffassung  angenommene  Verbindung  desselben  mit 
dem  Herzen  und  andern  speciellen  Orten  in  der  Schrift  vorkommt. 
(Jbrigens  gilt  ebenso  gut  [wie  für  das  Spiegelbild]  auch  für  die 
individuelle  Seele,  dafs  die  Eigenschaften  der  Unsterblichkeit  u.  s.  w. 
1>ei  ihr  ..unzutreffend"  sind.  Denn  wenn  auch  der  individuelle 
Atman  von  dem  höchsten  Ätman  eicrentlich  nicht  verschieden  ist, 
so  wird  demselben  doch  in  Folge  des  Nichtwissens,  der  Begierden 
und  der  Werke  eine  Sterblichkeit  in  uneigentlichem  Simie  beige- 
legt und  ebenso  die  Furcht,  so  dafs  die  Unsterblichkeit  und  Furcht- 
losigkeit auf  ihn  nicht  passen;  und  ebenso  sind  audi  die  Bezeich- 
nungen als  I^iebeshort  u.  s.  w.  auf  denselben,  da  er  der  Gottheri'- 
liehkeit  faicvari/am)  ermangelt,  nicht  anwendbar.  —  Was  endlich 
die  Annahme  betrifft,  dafs  eine  Götterseele  hier  gemeint  sei,  so 
könnte  einer  solchen  zwar  nacli  der  Stelle  „jener  fufst  durcli  die 
„Strahlen  in  diesem"  (Brih.  5,  5,  2)  das  Weilen  im  Auge  beigelegt 
werden,  aber  es  pafst  nicht  auf  sie,  dafs  der  Mann  im  Auge  „der 
„Ätnmn"  genannt  wird,  weil  sie  eine  Gestalt  der  Aufsenwelt  ist. 
Und  auch  die  Eigenschaften  der  Unsterblichkeit  u.  s.  w.  würden 
nicht  auf  eine  Göttersecle  passen,  weil  eine  solche,  nacli  der 
Schrifllehre,  entstanden  und  vergänglich  ist.  Denn  wenn  auch 
von  einer  „Unsterblichkeit"  der  Götter  die  Rede  ist^  so  bedeutet 
diea  doch  nur  ein  Bestehen  derselben  durch  lauge  Zeit;  und  auch 
ihre  Gottherrlichkeit  (ai^varyam)  ist  keine  ursprüngliche,  sondern 


108  9^raka-iiiiinlLn6& 

eine  solche,  welche  von  dem  höchsten  Gotte   abhängig  ist.     Denn 
ein  SchrifUied  sagt  (Taitt.  2,  8):         . 

9,AiiB  Furcht  vor  ihm  geht  iMif  die  Sonne, 
^QS  Furcht  Tor  ihm  fthrt  hin  der  Wind, 
„Ans  Furcht  Tor  ihm  nur  tummeln  sich 
„Mond,  Feuer  und  zuf&nft  der  Tod.^ 

194  I  Somit  kann  unter  dem,  der  im  Auge  weilet,  nur  der  höchste 
Gott  verstanden  werden.  Wenn  aber  derselbe  dabei  durch  den 
Ausdruck  „den  man  im  Auge  siebet"  als  etwas  Bekanntes  ange- 
führt wird,  so  bezieht  sich  dieses  auf  die  SchriftofiPenbarung,  be- 
trifft den  Wissenden  und  ist  zu  betrachten  als  eine  Yerheirliclmng 
des  Wissens. 


Fünftes  Adhikaranam, 

18.    antaryämt,  adhida/iva-ddishu^   tad-dharma-vyapadefät 

der  innere  Lenker  in  der  Göttersphäre  u.  s.  w.,  wegen 
Nachweisung  seiner  Eigenschaften. 

In  einem  Schrifttexte  (B}*ih.  3,  7,  1)  wird  gefragt  nach  , jenem 
„innem  Lenker,  der  diese  Welt  und  die  andere  Welt  und  alle 
„Wesen  innerlich  regiert",  und  als  Antwort  darauf  heilst  es:  „der 
„in  der  Erde  wohnend  von  der  Erde  verschieden  ist,  den  die  Erde 
„nicht  kennt,  dessen  Leib  die  Erde  ist,  der  die  Erde  innerlich 
„i^egiert,  der  ist  deine  Seele,  der  innere  Lenker,  der  unsterbliche" 
u.  s.  w.  (Brih.  3,  7,  3  fg.)*  Hier  ist  die  Rede  von  einem,  der  in 
der  Göttersphäre,  der  Weltsphäre,  der  Yedasphäre,  der  Opfer- 
sphäre, der  Wesensphäre  und  der  Ätmansphäre,  inwendig  darinnen 
wohnt  und,  weil  er  dieselben  regiert,  ihr  „innerer  Lenker'^ 
(antary&min)  genannt  wird.  Da  dies  ein  neu  auftretender  Name 
ist,  so  erhebt  sich  die  Frage,  was  unter  demselben  zu  verstehen 
ist,  etwa  eine  die  Göttersphäre  u.  s.  w.  repräsentierende  Götterseele, 
oder  ii'gend  ein  mit  den  [acht]  Machtvollkomm enheiten,  sich  atom- 
klein u.  8.  w.  zu  machen,  begabter  Yogin^  oder  der  höchste  Atman, 
oder  irgend  etwas  anderes? 
195  Was  I  sollen  wir  also  zunächst  annehmen?  Etwa  dieses,  dafs, 
*weil  der  Name  [Antaryaniin]  ein  unbekannter  ist,  auch  der  Träger 
'desselben  irgend  etwas  anderes  Unbekanntes  sei?'  —  Aber  ein 
ganz  fremdes  Wesen^  welches  eiue  roch  nie  gesehene  Gestalt  hätte, 


mnm  L  u.  18.  109 

ist  doeh  in  die^r  Weise  aasranehmen  nicht  möglich;  auch  ist  das 
Wort  Aniarffämk^  „innerer  Lenker^S  sofern  es  von  der  Thätigkeit 
eines  Lenkens  voA  innen  heraus  hergenommen  ist,  nicht  so  völlig 
anbekannt.  —  'Angenommen  also,  der  innere  Lenker  bedeute 
4rgend  eine  die  Erde  u.  s.  w.  repräsentierende  Naturgottheit;  denn 
'in  diesem  Sinne  sagt  die  Schrift:  „der  die  Erde  als  Grundlage, 
S^das  Feuer  als  Reich,  den  Verstand  als  Licht  hat''  u.  s.  w.  (Brih. 
'3,  9,  10);  eine  solche  Naturgottheit,  welche,  mit  Organen  des 
'Wirkens  begabt,  die  Erde  u.  s.  w.  von  innen  heraus  lenkte,  könnte 
'füglioh  für  jenen  .  innem  Lenker  gelten.  Oder  auch  irgend  ein 
^Tapin^  welcher,  der  YoUendung  teilhitftig  geworden,  in  alles  inncr- 
'lich  einzudringen  vermag,  könnte  darum  der  innere  Lenker  ge- 
'nannt  werden«  Hingegen  voii  dem  höchsten  Ätman  kann  dies 
'nicht  verstanden  werden,  weil  derselbe  keine  Organe  des  Wirkens 
'be^jitzt.' 

Auf  diese  Einwendung  antworten  wir  wie  folgt.  Der,  welcher 
hier  als  „der  innere  Lenker  in  der  Göttersphäre  u.  s.  w."  geschil- 
d<^rt  wird,  kann  nur  der  höchste  Atman  und  kein  anderer  sein; 
warum?  „wegen  Nachweisung  seiner  Eigenschaften";  d.h.,  seine, 
des  höchsten  Atman  Eigenschaften  werden  hier  von  der  Schrift 
nachgewiesen.  Deim  dafs  er  die  ganze  durch  Umwandlung  ent- 
standene und  in  die  Göttersphäre  u.  s.  w.  sich  ,  zerlegende  Welt, 
die  Erde  u.  s.  w.,  von  innen  heraus  lenke,  dieses  innerliche  Lenken 
läfst  sich  nur  als  eine  Eigenschaft  des  höchsten  Atman  denken; 
denn  wenn  er  wirklich  die  Ursache  alles  Entstandenen  ist,  so 
können  auch  alle  Kraftäufserungen  als  von  ihm  ausgehend  gedacht 
werden;  |  die  Worte  aber  „der  ist  deine  Seele  (ätmanh  der  innere  196 
„Lenker,  der  unsterbliche",  reden  von  einem  Seelesein  und  Un- 
sterblichsein, welches  im  vollen  Sinne  nur  auf  den  höchsten  Atman 
sutrifft.  Und  wenn  es  heifst :  „den  die  Erde  nicht  kennt^',  so  be- 
weisen diese  Worte,  indem  sie  den  innem  Lenker  als  der  Erd- 
gottheit unbekannt  schildern,  dals  dieser  innere  Lenker  von  der 
[die  Erde  repräsentierenden]  Götterseele  verschieden  ist;  denn 
sich  selbst  kennt  doch  diese  Erdgöttheit,  indem  sie  sich  bewufst 
ist:  „ich  bin  die  Erde".  Ebenso  pafst  auch  die  Nachweisung  des- 
selben als  „unsichtbar",  „unhörbar'^  u.  s.  w.  (Brih.  3,  7,  23)  auf 
den  von  Gestalt  u.  s.  w.  freien  höchsten  Atman.  Wenn  aber  be- 
hauptet wurde,  dafs  der  höchste  Atman  nicht  innerlich  lenken 
könne,  weil  er  keine  Organe  des  Wirkens  besitze,  so  ist  das  nicht 
richtig;  deiin  eben  durch  die  Wirkungsorgane  derjenigen,  welche 
er  lenkt,  ist  er  im  Besitz  von  Organen  des  Wirkens.  Dafs  aber, 
wenu  man  Gott  als  den  innem  Lenker  auffasse,  dieser  selbst 
wiederum  einen  andern  innem  Lenker  haben  müsse  und  so  fort, 
dafs  somit  ein  regressua  in  if^niium  eintrete,  diese  Einwendung 
läfst  sich  darum  nicht  machen,  weil  in  Gott  keine  Yielheitlichkeit 
statthat.     Wäre  auch  in  ihm  Yielheitlichkeit,  so  würde  allerdings 


110  gftrlraka-mlmkikBlL 

der  r^€8SU8  in  infimtum  anvenneidlich  sein.  —  Somit  ist  unter 
dem  „Tunern  Lenker"  der  höchste  Ätman  zu  yerstehen. 


19.    na  ca  smArtamy  artadräharma-abhüapät 

niclifc  aber  das  Überlieferte,  weil  erwähnt  wird  was 

ihm  nicht  zukommt. 

^Das  mag  ja  sein,  könnte  man  einwenden,'  *aber  die  £igen- 
'Schäften  der  Unsichtbarkeit  u.  s.  w.  kommen  doch  auch  der  von 
*der  Smriti  der  Sänkhya^h  angenommenen  tJrmaterie  zu,  indem 
'auch  diese  von  ihnen  als  ein  von  Gestalt  u.  s.  w.  Freies  aufgefafst 
^wird.     Denn  es  heifst  bei  ihnon  (Manu  1,  5): 

'„Unerfonchbar  und  unerkennbar, 
^Gleichsam  im  Schlafe  ganz  und  gar." 

197  'Auf  diese  würde  auch  das  innere  Lenken  passen,  |  weil  sie  die 
'Ursache  alles  Erschaffenen  ist.  Somit  könnte  es  filso  die  Urma- 
'terie  sein,  welche  als  „der  innere  Lenker''  von  der  Schrift  be- 
'zeichnet  würde;  und  wennschon  diese  durch  die  Worte,  „iiregen 
'„des  £rwägen8  nicht;  schriftwidrig!"  (Sütram  1»  1,  Ö)  abgewiesen 
'wjorden  ist,  so  könnte  sie  doch  hier,  weil  die  Bestimmungen 
'der  Unsiohtbarkeit  u.  s.  w.  auf  sie  passen,  wieder  in  Frage  kom- 
'men.'  —  Hierauf  dient  zur  Antwort,  dafs  luiter  dem  innern 
Lenker  „nicht  das  Überlieferte",  d.  h.  die  Urmaterie,  verstanden 
werden  kann;  warum?  „weil  erwähnt  wird,  was  ihm  niclit  zu- 
„kommt".  Denn  wenn  auch  die  Bezeichnungen  als  das  Unsichtbare 
u.  s.  w.  auf  die  Urmaterie  passen,  so  dooh  nicht  die  [daneben- 
stehenden]  Bezeichnungen  als  der  Sehende  u.  s.  w.,  indem  die  Ur- 
materie, wie  sie  von  jenen  [Sankhyaphilosophen]  aufgefafst  wird, 
ein  ungeistiges  Wesen  ist.  Hier  aber  [bei  der  Darstellung  des 
„innern  Lenkers"]  heifst  es  im  weitem  Verlaufe  der  Stelle:  „er  ist 
„sehend  nicht  gesehen,  hörend  nicht  gehört,,  verstehend  nicht  ver- 
„standen,  erkennend  niclit  erkannt"  (Bfih.  3,  7,  23).  Und  auch 
dafs  er  „der  Ätraan"  genannt  wird,  ist  aui  die  Urmaterie  [aus  den 
zu  Sütrani  1}  1,  6  entwickelten  Gründen]  nicht  zutreffend. 

'Aber  wenn  die  Urmaterie  nicht  unter  dem  innern  Lenker 
'verstanden  werden  kaim,  weil  ihr  die  Eigenschafben  des  Atman- 
'seins  und  des  Sehens  nicht  zukommen,  so  ist  vielleicht  mit  dem 
'innern  Lenker  die  verkörperte  Seele  gemeint;  denn  diese  ist  iu- 
'folge  ihrer  Geistigkeit  sehend,  hörend,  verstehend  und  erkennend. 
'Aucb  ist  sie^  als  das  Innere  in  uns,  der  Atman  und  auch  unsterb- 
'lich,  sofern  sie  [nach  jedem  Leben  wieder  aufs  neue]   die  YergeL- 


Sfttram  I.  ii.  19.  lU 

'lang  für  ihre  guten  uud  böseu  Werke  empfängt.  Und  auch  dio 
'Eigciiscliaften  der  UuBiclitbarkuit  u.  s.  w.  passen  »ehr  gut  auf  die 
'innere  Seele,  sofern  es  ein  Widerspruch  sein  würde,  dafs  die 
'Thätigkeiten  des  Sehens  u.  s.  w.  sich  auf  den  Th&ter  selbst  be- 
'zögen,  wie  denn  ja  auch  die  Schrift  sagt:  „nicht  sehen  kannst 
*„da  den  Seher  des  Sehens"  u.  s.  w.  (Ilfih.  3,4,  2).  Auch  ist  es 
'die  innere  Seele,  welcher,  sofern  sie  der  Geniefser  ist,  das 
'Vomiögen  eigen  ist,  den  Komplex  der  Organe  des  Wirkons  von 
'iancu  heraus  zu  regieren.  Es  ist  somit  die  verkörperte  Seele, 
'weiche  hier  unter  dem  „innern  Lenker"  verstanden  werden  mufs.' 
Auf  diese  Behauptung  antwortet  [der  Lehrer]: 


20.    gäriraQ  ca,  uhluiye  \n  hi  hhedena  enam  ddhiyate     i98 

und  die  verkörperte,  denn   beide  losen   so,   dafs  jene 

unterschieden. 

„Und^*  auch  nicht  —  dieses  „nicht"  hat  man  aus  dem  vorigen 
SQtram  zu  ergänzen  —  „die  verkörperte"  Seele  darf  unter  dem 
innern  Lenker  verstanden  werden.  Denn  wenn  auch  die  Eigen- 
schaften des  Sehens  u.  s.  w.  ihr  zukommen,  so  kann  sie  doch  nicht, 
sofern  sie  durch  die  LjjädhfB,  wie  der  Raum  durch  die  Gefäfse, 
abgegrenzt  ist,  allgemein  als  der  inwendig  in  der  Erde  u.  s.  w. 
weilende  und  dieselben  regierende  Geist  bezeichnet  werden.  Hierzu 
kommt,  dafs  „beide"  Vedaschulcu,  die  Jiänva*»  uud  die  MädhyaU' 
dina^B,  an  der  Stelle  „so  lesen,  dafs  jene",  dio  verkörperte  Seele, 
von  dem  innern  Lenker  „unterschieden"  wird,  indem  auch  sie, 
ebenso  wie  die  Erde  u.  s.  w.,  einer  der  Standorte  desselben  ist 
und  von  ilun  innerlich  gelenkt  wird.  Denn  die  Känva*a  lesen 
(ßrih.  3,  7,  22):  „Der  in  der  Erkenntnis  wohnend"  u.  s.  w...  und 
die  Mddhf/andina^s  lesen  [an  der  entsprechenden  Stelle,  Qatap.  br. 
14,  6,  7,  30]  „der  in  dem  Selbste  wohnend".  Liest  man  [mit  ihnen] 
„der  in  dem  Selbste  wohnend",  so  ist  unter  dem  Worte  „Selbst" 
hier  die  verkörperte  Seele  zu  verstehen;  aber  auch  wenn  man  liest 
„der  in  der  Erkenntnis  wohnend",  so  kann  hier  das  Wort  „Er- 
„kenutnis"  ebenfalk  nur  die  verkörperte  Seele  bedeuten,  denn  der 
„erkenntnisartige"  Atman  [riplänamaj/a,  vgl.  Taitt.  2,  4;  gewöhn- 
licher vijnänätnian  genannt]  ist  die  verkö]*perte  Seele.  Somit 
steht  08  fest,  dafs  man  unter  dem  innern  Lenker  nicht  die  ver- 
körperte Seele,  sondern  Gott  zu  verstehen  hat,  —  *Aber  wie  kann 
^roan  in  dem  einen  Leibe  zwei  Sehende  annehmen,  nämlich  Gott 
'aln  den  innern  Lenker  und  die  von  ihm  verschiedene  verkörperte 
*Seele?  Worin  |  die  Unanf^eraeKsenheit  liege,  fragt  ihr?  nun  darin,  199 
^dafs  das  Schriftwoit:  „nicht  giebt  es  auiser  ihm  einen  Sehenden" 


112  C'&iiraka«>inlm£iii6ä 

*(Bfih.  3,  7,  28)  dieser  Aimahme  entgegen  ist.  Denn  nach  Üiiu 
^giebt  es  ftuiser  dem  in  Rede  stehenden  innem  Lenker  keinen  an- 
'deren.  Behenden,  hörenden,  denkenden  and  erkennenden  Ätman. 
'Und  dafs  die  Stelle  nur  den  Zweck  habe,  einen  zweiten  inner» 
^Lenker  aaseuschliefsen,  Iftfst  sich  nicht  annehmen,  indem  an  einen 
'solohen  z«  denken  keine  Veranlassung  ist,  auch  das  Schriftwort 
'ganz  allgemein  sich  aasdrückt.'  —  Hieraaf  erwidern  wir:  diese 
Bezaiohnang  des  Unterschiedes  ZMrischen  der  verkörpert-en  Seele 
und  dem  innem  Lenker  beruht  nur  auf  den  Upä^Vs  der, Organe 
des  Wirkens,  wie  sie  vom  Nichtwissen  aufgestellt  w.erden,  and  ist 
nicht  im  höchsten  Sinne  real.  Denn  es  giebt  in  Wahrheit  nur 
eine  innere  Seele  und  nicht  zwei,  die  Auffassung  dieser  einen  als 
zwei  aber  wird,  ebenso  wie  die  des  [besonderen]  Raumes  im  GefiLTse 
innerhalb  des  grofsen  Raumes,  nur  bedingt  durch  die  Tfpddh^H, 
Und  auf  diesen  Upädhi^B  beruht  es,  dafs  solche  Schriftstellen, 
welche  Subjekt  und  Objekt  der  Erkenntnis  unterscheiden ,  daA 
femer  die  Erkenntnismittel  wie  Wahrnehmung  u.  s.  w.,  das  Be» 
wufstsein  des  Samsära  und  der  Sohriftkanon  der  Gebote  und  Ver- 
bote, alles  dieses  miteinander  möglich  ist.  —  Und  in  diesem  Sinne 
sagt  die  Schrift:  „denn  wo  eine  Zweiheit  gleichsam  ist,  da  sieht 
„einer  den  anderen'';  mit  diesen  Worten  läfst  sie  für  den  Bereich 
des  Niditwissens  alles  Thun  und  Treiben  bestehen;  wenn  es  aber 
weiter  heifst:  „wo  aber  einem  alles  zum  eigenen  Selbste  geworden 
„ist,  wie  sollte  da  einer  den  anderen  sehen"  (Bfih.  4,  6,  16),  so 
erkl&rt  die  Schrift,  mit  diesen  Worten ,  dafs  in  dem  Bereiche  des 
Wissens  alles  Thun  und  Treiben  [des  Samsära]  nicht  mehr  besteht. 


SeeliMea  Adhikarana$n* 

^^00  21.    adric^va-ädi-gunako,  dharma-uktel^ 

der  mit  deu  £igen»chaften  der  Unsichtbarkeit  ü.  8.  w., 
wegen  Nennung  seiner  Qualitäten. 

Die  Schrift  nagt:  „aber  die  höhere  [Wissensohaft]  ist  die«  durch 
„welche  jenes  Unvergängliche  erkannt  wird,  das  Unsichtbare,  Un- 
„greifbare,  Namenlose,  Farblose,  ohne  Augen  und  Ohren,  ohn' 
„Hand'  und  Füfsc,  ewig,  alldurchdringend,  allgegenwärtig,  sehr 
„fein,  unvergänglich,  was  als  der  Wesen  Mntterschofs  die  Weisen 
„schauen'*  (Mund.  1,  1,  5).  —  £s  erhebt  sich  die  Frage,  ob  unter 
dreflem,   „mit  den  Eigenschafken   der  Unsichtbarkeit  u.  s.w."  ans- 


Sütram  L  n.  2L  113 

geätatteten  MutterBchofse   der  Wesen    die  Urmaterie   zu  Terstehen 
ist,  oder  die  verkörperte  Seele,  oder  vielmehr  der  höchste  Gott? 

Man  könnte  denken,  dafs  es  das  Richtige  sei,  *hior  unter  dem 
'Mutterschoise  der  Wesen  die  ungeistige  Urmaterie  zu  verstehen, 
^sofern  auch  in  dem  hinzugefügten  Gleichnisse  nur  Ungeistiges 
'vorkommt,  wenn  es  [a.  a.  0.  weiter]  heifst:  „Wie  eine  Spinne 
'„auslälst  und  zurücknimmt  [den  Faden],  wie  die  Pflanzen  aus  der 
S,£rde,  wie  aus  dem  Lehenden  die  Haare  wachsen,  90  aus  dem 
S,UnvergängUchen  das  Weltall"  (Mund.  1,1,  7).'  —  Aber  sind 
nicht  die  Spinne  und  der  Mensch,  die  hier  in  dem  Gleichnisse 
vorkommen,  geistige  Wesen?  —  'Doch  nicht,  so  antworten  wir, 
'denn  aas  einem  blofsen  Geiste  kann  nicht  der  Faden,  können 
^nicht  die  Haare  hervorgehen;  vielmehr  ist  der  zwar  von  einem 
'Geiätigen  bewohnte,  selbst  aber  ungeistige  Leib  der  Spinne  die 
'Ursache  des  Fadens,  sowie  der  Leib  de&  Menschen  die  der  Haare. 
^Hierzu  kommt,  dafs  wir  zwar  an  früheren  Stellen,  wiewohl  die 
'[dort  erwähnt«^]  Unsichtbarkeit  u.  s.  w.  dazu  gepafst  hätten,  doch 
'nicht  die  Urmaterie  verstehen  durften,  weil  die  [daneben  stehende] 
^Bezeichnung  als  das  Sehende  u.  s.  w.  auf  dieselbe  nicht  pafste; 
^1  dais  hier  hingegen  die  Eigenschafben  der  Unsichtbarkeit  u.  s.  w.  201 
^auf  die  Urmaterie  passen,  und  auch  dabdi  von  keiner  Eigenschaft 
'die  Rede  ist,  die  ihr  widerspräche.*  —  Aber  es  heifst  doch  wei- 
terhin (Mund.  1,  1,  9)  ,)der  alles  kennt  und  alles  weifs'S  ^^^  diese 
Fortsetzung  pafst  doch  nicht  auf  die  ungeistige  Urmaterie!  Wie 
kann  man  also  unter  dem  Mutterschofse  der  Wesen  die  Urmaterie 
verstehen?  —  'Darauf  erwidern  wir:  wenn  es  heilst:  „die  [Wissen- 
S,8chaft},  durch  welche  jenes  Unvergängliche  erkannt  wird,  das 
'„Unsichtbare"  u.  s.  w.,  so  wird  hier  der  mit  den  Eigenschaften 
Mer  Unsichtbarkeit  u.  s.  w.  ausgestattete  Mutterschofs  der  Wesen 
'ab  „das  Unvergängliche''  bezeichnet,  und  mit  demselben  Namen 
'wird  er  benannt,  wenn  es  weiter  unten  heifst:  „noch  höher  als 
'„das  höchste  Unvergängliche"  (Mund.  2,  1,  2);  wohingegen  der- 
'jenige,  welcher  hier  „noch  höher''  als  dieses  Unvergängliche  ge- 
'nannt  wird,  eben  jener  „der  alles  kennt  und  alles  weifs'^  sein 
'mag,  während  der  daneben  als  „das  Unvergängliche"  erwähnte 
'Mutterschofs  der  Wesen  nur  die  Urmaterie  sein  kann.  —  Soll 
^aber  unter  dem  Worte  „Mutterschofs"  [nicht  die  materielle  son- 
'dernj  die  bewirkende  Ursache  verstanden  werden,  nun,  so  könnte 
'auch  die  verkörperte  Seele  der  Mutterschofs  sein,  sofern  sie  durch 
'ihre  guten  und  bösen  Werke  alle  Wesen,  welche  entstehen,  mit 
'schaffen  hilft.' 

Auf  diese  Annahme  antworten  wir,  dafs  unter  dem  ..Jiiit  den 
„Eigenschaften  der  Unsichtbarkeit  u.  s.  w."  ausgestatteten  Mutter- 
schofse nur  der  höchste  Gott  und  kein  anderer  verstanden  werden 
kann.  Woraus  schliefsen  wir  dasV  „wegen  Nennung  seiner  Quali- 
„t&tcu",  d.  h.,  weil  hier  eine  Qualität  des  höchsten  Gottes  genannt 

üfkumaM,  VvdAutiL  8 


114  Q&rlraka-mtmlknsa 

wird,  wenn  es  heifst:  „der  alJos  kennt  und  alles  weifß"  (Mund. 
1,  1,  9);  denn  es  kann  weder  von  der  nngeistigen  ürmaton«,  noch 
auch  von  der  verkörperten  Seele,  deren  Gosichtskrräs  durch  die 
UpCulki^H  eingeschränkt  ist,  behauptet  werden,  dafs  sie  alles  kennen 
und  alles  wissen.  —  'Aber  wir  wiesen  doch  darauf  hin,  dafs  diese 
^Eigenschaft  des  AUkennens  und  Allwissens  erst  demjenigen  hei- 
*gelegt  wird,  was  hier   „höher    als"    der  unter  dem  „Unvergäng- 

202  *„lichen**  S5U  verstehende  Mutterschofs  der  Wesen  heifst,  |  dafs  sie 
*8ich  somit  nicht  auf  diesen  Muiterscliofs  der  Wesen  seihst  beziehen 
*kann!'  —  Darauf  erwidern -wir,  dafs  das  nicht  angeht;  weil  die 
Sclirift,  nachdem  sie  durch  die  Worte:  „So  aus  dem  ünvergang- 
„ liehen  das  Weltall"  den  vorerwiilinten  Mutterschofs  der  Wesen 
als  die  materiale  Ursache  alles  Entstandenen  bezeichnet  hat,  sofort 
darauf  als  eben  diese  materiale  Ursache  des  Entstandenen  jenes 
allwissende  Wesen  nennt,  indem  sie  sagt  (Mui^d.  1,  1,  9): 

„Der  alles  kennt  und  alles  weifs,  des  Bufse  ganz  Erkenntnis  ist» 

„Aus  diesem  ist  Brahman  entstanden,  Name,  Gestalt  und  Nahnmgskeim^'* 

Da  somit  aus .  der  Gleichheit  der  Schilderung  zu  ersehen,  dafs  hier 
von  demselben  wie  vorher  die  Bede  ist,  so  ergiebt  sich,  dafs  e^ 
nur  das  in  Rede  stehende  Unvergängliche,  als  Mutterschofs  der 
Wesen,  sein  kann,  als  dessen  Qualitäten  hier  das  Allkennen  und 
All  wissen  genannt  werden.  Und  wenn  es  weiter  unten  heifst: 
„noch  höher  als  das  höchste  Unvergängliche"  (Muiid.  3,  1,  2),  so 
ist  auch  dies  nicht  von  etwas  zu  verstehen,  welches  noch  höher 
als  das  in  Rede  stehende,  den  Mutterschofs  der  Wesen  bildende. 
Unvergängliche  wäre.  Mit  welchem  Recht  wir  das  behaupten, 
fragt  ihr?  Weil  in  den  funmittelbar  vorher  Mund.  1,  2,  13  stehen* 
den]  Wollten; 

„Durch  die  man  kennt  das  Unvergängliche,  den  Geist,  die  Wahrheit, 
„Die  Wissenschaft  vom  Brahman  legte  er  ihm  aus  mit  Klarheit",  — 

nur  das  vorhererwähnte,  den  Mutterschofs  der  Wesen  bildende, 
„mit  den  Eigenschaften  der  Unsichtbarkeit  u.  s.  w."  ausgestattete 
Unvergängliche  als  dasjenige  bezeichnet  wird,  worüber  eine  Be- 
lehrung durch  das  Folgende  in  Aussicht  gestellt  wird.  Warum 
dieses  [im  Folgenden  Mitgeteilte]  aber  trotzdem  „noch  höher  als 
„das  höchste  Unvergängliche  '^  (Mund.  2,1,2)  genannt  wird ,  dae 
werden   wir   in   einem   späteren   Sütram   erklären.     Hierzu  kommt, 

203  I  dafs  es  [im  Eingänge  der  Upanishad]  hiefs,  zwei  Wissenschaften 
müsse  man  kennen,  die  höhere  und  die  niedere;  und  nachdem'  als 
die  niedere  Wissenschaft  der  liigveda  u.  s.  w.  bezeichnet  worden 
war,  so  wurde  weiter  gesagt:  „Aber  die  höhere  ist  die,  durch 
„welche  jenes  Unvergängliche  erkannt  wird'*  u.  s.  w.  Hier  wird 
das  „Unvitrgängliche"  hIs  der  Gegenstand  der  höheren  Wissenschaft 


Sfttram  I.  u.  21.  115 

* 

bezeichnet.  Würde  nun  aber  dieses  mit  den  Eigenschaften  der 
Unsichtbarkeit  u.  s.  w.  ausgestattete  Unvergängliche  für  etwas  an- 
deres als  den  höchsten  Gott  gehalten,  so  könnte  die  Wissenschaft 
von  ihm  nicht  die  höhere  heifsen.  Nämlich  diese  Einteilung  der 
Wissenachaft  in  eine  niedere  und  höhere  wird  darum  gemacht, 
weil  die  eine  als  ihre  Frucht  Beglückung,  die  andere  hingegen 
das  höchste  Gut  [d.  h.  Erlösung]  bringt.  Dafs  aber  die  Wissen- 
schaft von  der  Urmaterie  das  höchste  Gut  als  Frucht  habe,  wird 
niemand  behaupten  wollen.  Bestünde  hier  die  Absicht,  den  höch- 
sten Atman,  wie  oben  behauptet  wurde,  als  ein  höheres  gegen  das 
den  Mntterschofs  der  Wesen  bildende  Unvergängliche  hinzustellen, 
80  müfsten  [in  der  Eingangsstelle]  drei  Wissenschaften  in  Auasicbt 
genommen  werden.  Es  werden  aber  vielmehr  nur  .zwei  Wissen- 
schaften als  zu  wissen  aufgestellt.  Und  auch  die  vorhergehende 
Frage:  „was  ist  das,  o  Ehrwürdiger,  mit  dessen  Erkenntnis  die 
„ganze  Welt  erkannt  ist?"  (Mund.  1,  1,  3),  welche  auf  die  eine 
Erkenntnis  abzweckt,  die  der  Inbegriff  aller  Erkenntnis  sei,  ist 
nur  dann  am  Platze,  wenn  von  dem  alles  b')8eelenden  Brahman 
die  Rede  sein  soll,  nicht  aber,  wenn  es  sieh  van  di^  blofs  für  das 
Ungeistige  den  Ausgangspunkt  bildende  Urmaterie  oder  um  die  , 
ein  zu  Geniefsendes  aufser  sich  habende, '  geniefsende  [individuelle] 
Seele  handelt.   Auch  helfet  es  [in  den  Eingangsversen  Mund.l,  1, 1]: 

,J)er  lehrte  seinem  ältesten  Sohn  Atharva     < 

,)üas  Brahmanwissen,  |  alles  Wissens  Grundstein.'*  ^OA 

Wenn  hier  das  Brahmanwissen  als  Thema  aufgestellt  und  sodann, 
nach  Unterscheidung  des  niedem  und  hohem  Wissens,  als  Gegen- 
stand des  höhern  Wissens  das  „Unvergängliche"  bezeichnet  wird, 
so  folgt  daraus,  dafs  das  Wissen  von  ihm  jenes  Brahmanwissen 
ist.  Und  diese  Bezeichnung  als  „Brahmanwissen"  würde,  wenn 
das  durch  dasselbe  zu  erlangende  Unvergängliche  nicht  das  Brah- 
man wäre,  hinföUig  werden.  Die  niedere  Wissenschaft  aber,  d.h. 
die  auf  den  Rigveda  u.  s.  w.  bezügliche  Werkwissenschsft  wird 
hier  zu  Eingang  der  Wissenschaft  von  Brahman  erwäimt,  um  das 
Brahmanwissen  zu  verherrlichen.  Denn  wenn  es  [im  weitem  Yer- 
laufe,  Mund.  1,  2,  7]  heifst: 

„Doch  wandelbar  und  unbeständig  sind 

„I^ie  achtzehn,  die  sich  auf  das  Opfer  stützen, 

„In  denen  ausgedrückt  das  niedere  Werk  liegt.  — 

,^er  Thor,  der  dieses  als  das  Heil  begrüfst, 

„Verfällt  dem  Alter  und  dem  Tod  aufs  ueue^S  u-  ^-  v*» 

5^0  wird  hier  eine  Verwerfung  jener  niedem  Wissenschaft  ausge- 
sprochen; und  nachdem  sie  verworfen  worden,  so  wird  gezeigt, 
wie  der,  welchei'  sich  von  ihr  abwendet ,  für  die  höhere  Wissen- 
schaft berufen  sei,  in  den  Worten  (Mund.  1,  2,  12): 

8* 


116  C'^I'^^'BlI^^l'^^ 

^Betrachtend  diese  Welt,  gebaut  durch  Werke, 
„Soll  Yon  ihr  ab  sich  wenden  der  Brahmane! 
,,Wa3  anTollbringlich  ist,  yoUbringt  kein  Werk; 
„Dies  zu  erkenuen  soll  mit  Brennbok  er 
„Zu  einem  Lehrer  gehen,  der  die  Schrift  kennt 
„Und  in  dem  Brahman  festgewurzelt  steht** 

Wenn  weiter  bemerkt  wurde,  dafs  deswegen,  weil  in  dem  Gleich- 
nisse von  ungeistigen  Dingen,  wie  Erde  u.  s.  w.,  die  Rede  ist,  auch 
das  Verglichene,  n&mlich  der  Mutterschofs  der  Wesen,  ein  Ungei- 
stiges sein  müsse,  so  ist  das  unzutreffend,  weil  keine  Regel  yer- 
langt,  dafs  das  Gleichnis  und  das  Verglichene  absolut  gleich  sein 
205  [lies:  sämtßcnä]  müssen,  |  wie  denn  z.  B.  deswegen,  weil  die  im 
Gleichnisse  yorkommenden ,  Erde  u.  s.  w.,  grobmateriell  sind,  der 
verglichene  Mutterschofs  der  Wesen  nicht  grobmatenell  2u  sein 
braucht.  Somit  kann  also  unter  dem  „mit  den  Eigenschaften  der 
„Unsichtbarkeit  u.  s.  w."  ausgestatteten  Mutterschofse  der  Wesen 
nur  der  höchste  Gott  verstanden  werden. 


23.    viQ€shana-'bheda-'Vi/apade(äbhyän  ca  na  itarau 

nicht  die  beiden  andern,   wegen   der   Kennzeichnung 
und  der  Bezeichnung  der  Verschiedenheit. 

Und  auch  aus  folgendem  Grunde  mufs  der  Mutterschofs  der 
Wesen  den  höchsten  Gott  uud  „nicht  die  beiden  andern",  die  ver- 
körperte Seele  oder  die  Urmaterie,  bedeuten;  aus  welchem?  „wegen 
„der  Kennzeichnung  und  der  Bezeichnung  der  Verschiedenheit.'* 
Nämlich  uubere  Stelle  kennzeichnet  den  in  Rede  stehenden  Mutter- 
schofs der  Wesen  durch  Merkmale,  die  der  yerkörperten  Seele 
nicht  zukommen,  wenn  sie  sagt:  „denn  himmlisch  ist  der  Geist, 
„der  ungestaltete,  der  draufsen  ist  uud  drinnen,  ungeboren,  der 
„odemlose,  wünschelose,  reine^'  (Mund.  2,  1,  2).  Diese  Kennzei^- 
nung  als  der  „himmlische"  u.  s.  w.  pafst  nicht  auf  die  vom  Nicht- 
wissen aufgestellte,  dem  Wahne  eines  Umgreuztseins  nach  Name 
und  Gedtalt  hingegebene  und  die  Qualitäten  derselben  auf  ihr 
eigenes  Selbst  beziehende,  verkörperte  Seele.  Es  springt  also  in 
die  Augen,  dafs  hier  derjenige  Geist  gemeint  ist,  welcher  den 
Gegenstand  der  Upatiishaä'a  bildet.  —  Ebenso  aber  bezeichnet  die 
Schrift  auch  die  Verschiedenheit  des  in  Rede  stehenden  Mutter- 
schofses  der  Wesen  von  der  Urraaterie,  wenn  sie  sagt:  „noch  höher 
„als  das  höchste  Unvergängliche."  Das  „Unvergängliche"  bedeutet 
hier  [allerdings  nicht  etwa  diese  Urmaterie,  pondem  vielmehr  nur] 
206  den  noch  nicht  entfalteten,  alle  Namen  |  und  Gestalten  der  Samen- 


Sütram  I.  ii.  22. 


117 


kraft  DAch  in  sieb  enthaltenden  feinen  Leib  derWesen  (bhAkh 
suksJmfam)y  wie  er  Gott  als  Grundlage  [der  Schöpfung]  dient  und 
nichts  weiter  als  ein  Upddhi  [eine  Nebenbestimmung  an  dem  Yfe- 
sen]  Gottes  ist.  Dieser  [feine  Leib,  das  ,, Unvergängliche^']  steht 
als  unerschaffen  höher  als  alles  Erschaffene.  Wenn  nun  die  Schrift 
mit  „Bezeichnung  der  Verschiedenheit'*  von  einem  redet,  der  ,^och 
.»höher  als  dieses  Höchste^'  stelle,  so  ist  [fürs  erste]  klar,  dafs  hier 
der  höchste  Atman  gemeint  ist.  Man  darf  [aber  femer]  nicht  meinen, 
dafs  hier  [von  der  Schrift]  an  irgend  eine  selbständige  Wesenheit, 
au  eine  sogenannte  Urmaterie  [im  Sinne  der  Sänkhya's]  gedacht 
[lies:  abhpupaffanif/a]y  und  dann  die  Bezeichnung  der  Verschieden- 
heit [Gottes]  von  dieser  zum  Ausdrucke  gebracht  werde,  sondern 
CS  ist  vielmehr  so:  wollte  man  selbst  eine  solche  Urmaterie,  wie 
sie  der  Schrift  nicht  widerspräche,  aufstellen,  indem  man  annähme, 
dafs  es  der  „feine  Leilr'  sei,  welcher  unter  den  [von  der  Urmaterie 
üblichen]  Worten  „das  Unoffenbare"  u.  s.  w.  |  zu  verstehen  wäre,  207 
so  kann  man  das  thun:  aber  auch  dann  ist,  wegen  „der  Beseich- 
„nung  der  Verschiedenheit"  [auch]  von  dieserr  [im  Sinne  des  Ve- 
danta  umgedeuteten  Urmaterie],  als  der  [letzte]  Mutterschofs  der 
Wesen  [nicht  sie  sondern]  der  höchste  Gott  anzusehen;  —  das  ist 
es,  waa  hier  [im  Sütriun]  gelehrt  wird. 

Und    warum    weite?:    mufs    der   Mutterschofs    der    Wesen    der 
höchste  Gott  sein?     Antwort: 


23.    rüpa-upanyäsäc  ca 
auch  wegen  der  Schilderung  seiner  Gestalt. 


Hierzu  kommt,  dafs,  nachdem  in  den  auf  die  Stelle  „noch 
.,höher  als  das  höchsi/O  Unvergängliche"  unmittelbar  folgenden 
Worten:  „aus  ihm  entsteht  der  Odem"  (Mund.  2, 1,  3),  die  Schöpfung 
der  Wesen  vom  Odem  abwärts  bis  zur  Erde  hin  gelehrt  worden, 
die  Gestalt  joben  jenes  Mutterschofses  der  Wesen,  wie  sie  aus 
allem  Ei*schaffenen  zusammengesetzt  ist,  in  anschaulicher  Weise 
geschildert  wii'd,  indem  es  heifst  (Mund.  2,  1,  4): 

,.Seiu  Haupt  ist  Feuer,  seine  Augen  Mond  und  Sonne, 
„Die  Himmelsgegenden  die  Ohren,  seine  Stimme  ist  des  Veda  Offcnbarang. 
„Wind  ist  sein  Hauch,  sein  Herz  die  Welt,  aus  seinen  Füfsen  Erde;  ^ 
„Er  ist  das  inn*re  Selbst  In  allen  Wesen." 

Diese  Schilderung  palst  nur  au^  den  höchsten  Gott,  weil  er  die 
Ursache  aller  seiner  Umwandlungen  ist,  nicht  auf  die  individuelle 
Seele,  deren  Machtgröfse  eine  beschränkte  ist;    und  ebensowenig 


118  C^i^akA-inim&n8& 

ist  diese  Schilderung  der  Gestalt  bei  der  Urmaterie  zuläsaig,  weil 
auf  sie  nicht  pafst,  dafs  sie  das  innere  Selbst  der  Wesen  sei.  Somit 
ergiebt  sich,  dafs  unter  dem  Mutterschofso  der  Wesen  nur  der 
höchste  Gott  and  nicht  die  beiden  anderen  verstanden  werden 
können.  Aber  woher  wissen  wir,  dafs  die  hier  geschildeiiie  Ge- 
stalt auf  den  Mutterschofs  der  Wesen -sich  bezieht?  Daher,  weil 
von  diesem  vorher  die  Rede  war,  und  weil  die  Worte  „aus  ihm" 
auf  dieses  Vorhergehende  zurückweisen.  Da  in  diesem  von  dorn 
Mutterschofso  der  Wesen  gehandelt  würde,  so  folgt,  dafs  auch  die 
Worte:  „aus  ihm  entsteht  der  Odem"  —  „er  ist  das  innere  Selbst 
„in  allen  Wesen"  u.  s.  w.  nur  auf  den  Mutterschofs  der  Wesen 
sich  beziehen  können;'  ähnlich  wie,  wenn  von  einem  Lehrer  die 
Rede  war,  und  es  weiter  heifst:  „von  ihm  lafs  dich  belehron,  er 
„hat  die  Yeda'B  und  die  Yedanga^s  durchstudiert",  dieses  Wort 
208  sich  nur  auf  den  Lehrer  |  bezichen  kann.  —  'Aber  wie  kann  dem 
*mit  den  Eigenschaften  der  Unsichtbarkeit  u.  s.  w.  ausgestatteten 
'Mutterschofse  der  Wesen  eine  individuelle  Gestalt  zugeschrieben 
'werden?'  —  Hierin  liegt  kein  Fehler,  weil  die  Stelle  nur  be- 
zweckt, die  Allbeseelung  durch  denselben  zu  lehren,  nicht  aber 
ihm  einq  individuelle  Gestalt  zu  geben;  und  es  steht  damit  ähnlich 
wie  mit  der  [auch  nicht  buchstäblich  zu  nehmenden]  Stelle:  „ich 
„bin  die  Kahrung,  ich  bin  die  Nahrung,  und  ich  bin  der  Esser 
„der  Nahrung"  (Taitt.  3>  10,  6). 

Andere  hingegen  meinen,  dafs  diese  Schilderung  der  Ge- 
stalt sich  gar  nicht  auf  den  Mutterschofs  der  Wesen  beziehe,  weil 
sie  mitten  unter  solchen  Dingen  vorkommt,  die  entstanden  sind; 
denn  vorher  hiefs  es  (Mund.  2,  1,  3): 

„Ans  ihm  entsteht  der  Odem,  der  Verstand  und  alle  Sinne, 
„Aus  ihm  entstehen  Äther,  Wind  und  Feuer 
„Das  Wasser  und,  alltragende,  die  Erde;"  — 

hier  werden  die  Wesen  vom  Odem  an  bis  zur  Erde  hin  ihrer  Ent- 
stehung nach  geschildert;  und  ebenso  ist  wieder  in  dem,  was  auf 
die  fraglichen  Worte  folgt,  von  einem  Entstehen  die  Rede,  von 
den  Worten  an:  „aus  ihm  entsteht  das  Feuer,  dcasen  Holz  die 
„Sonne  ist"  (Mund.  2,1,4)  bis  zu  den  "V^orten  „aus  ilim  die 
„Kräuter  all'  mit  ihren  Säften"  (Mund.  2,  1,  9).  Wie  kann  zwi- 
schen diesen  beiden  Stellen,  die  beide  von  Entstandenem  reden, 
plötzlich  ohne  Veranlassung  eine  Schilderung  der  Gestalt  des 
Mutterschofses  der  Wesen  zwiächencingeschoben  werden?  Aucb 
die  Lehre  von  der  Allbeseelung  [braucht  hier  noch  nicht  verstan- 
den zu  werden,  denn  sie]  wird  erst  nach  Abschlufs  der  Darstel- 
lung von  der  Schöpfung  ausgesprochen  in  den  Worten  „Geist  nur 
„ist  dieses  All,  das  Werk"  u.  s.  w.  (Mund.  2,1,  10).  Nun  sehen 
wir  aber  weiter,   wie  von  Schrift  und  Smriti   die  Entstehung   des 


Sütram  I.  ii.  23.  119 

Prajäpati  als  der  im  UniverBam  verköi'pei'tün  Seelo  geschildert 
wird;  z.  B.  wenn  es  heifst  (Bigv.  10,  121,  1): 

„Als  gold'uer  Keim  ging  er  hervor  sstt  Anfang; 
„Geboren,  war  er  einziger  Herr  der  Schöpfung; 
„Er  stOtzt  die  Erde  und  den  Himmel  droben: 
„Wer  ist  der  Gott,  dafs  wir  ihm  opfernd  dienen?" 

Die  Worte  „ging  er  hervor"  bedeuten  soviel  wie,  „ward  er  gebo* 
ren."     Ähnlich  heifst  es  (Märkandeya-pnranam  45,  64): 

„Er  ist  der  Erste  der  Verkörperten, 

„Er  heifst  der  Gellst,  |  der  Wesen  Anfangsschöpfer,  ^^^ 

„Er  giiig  hervor  am  Anfang  als  der  Brahm&n.'* 

Auf  diesen  erschaffenen  Purusha  [wenn  wir  uns  entschliefsen,  ihn 
und  nicht  den  höchsten  Ätman  in  der  Schilderung  Mund.  2,  1,  4 
zu  erkennen]  würde  es  auch  passen,  dafs  er  „das  innere  Selbst  in 
allen  Wesen^^  ist,  sofeni  er  als  Lebensliauch  im  Innern  aller  Wesen 
seinen  Standort  hat.  —  Wer  diese  Auffassung  teilt,  der  znofs  das 
Sütram  so  erklären,  dafs  erst  die  spater  in  den  Worten  „Geist 
„nur  ist  dieses  All,  das  Werk"  u.  s.  w.  (Mund.  2,  1,  10)  folgende 
„Schilderung  seiner  Gestalt"  als  des  Allgcstaltigen  dem  Zwecke 
dient,  den  höchsten  Gott  zu  lehren. 


Siebentes  Adhikaranam, 

24.    vaigvdnarahy  sMhäranorQaMcinViQc^lutt 

der  All  verbreitete,  wegen  Specificierung  der 
allgemeinen  Ausdrücke. 

„Was  ist  unsere  Seelo,  was  das  Brahman?  .  .  .  Diesen  allver- 
„breiteten  (vai^vänara)  Ätman,  den  du  jetzt  studierst,  |  mögest  du  210 
,.uns  mitteilen" ;  nach  diesen  Worten,  und  nachdem  Hinunel,  Sonne, 
Wind,  Äther,  Wasser  und  Erde  nls  mit  den  Eigenschaften  der 
Wohlkräftigkeit  u.  s.  w.  verbunden,  und,  unter  Verworfung  der 
Verehi'ung  des  einen  oder  andern  von  ihnen,  als  das  Haupt  u.  s.  w. 
des  allverbreiteten  Ätmun  bezeichnet  worden,  heifst  es:  „wer  aber 
„diesen  Ätman  Vaigvänara  (den  allverbreitoten)  so,  —  als  eine 
„Spanne  laug  —  und  als  unmefsbar  grofs  verehrt,  der  isset  Nahrung 
„in  allen  Welten,   in  allen  Wesen,   in   allen  Leibern.     An  diesem 


120  ^liXriraka-inimaiisa 

„Atman  Vaigviinara  ist  das  Haupt  Wohlkraft,  sein  Auge  ist  Allfomi, 
„sein   Odem   Souderweg,    mm  Leib    die    weite    Zusamnienkittung, 

211  „I  sein  Eingeweide  der  Reichtum;  die  Erde  ist  seine  Füfse,  seine 
„Brust  das  Opferbett,  seine  Haare  die  Opferstreu,  sein  Herz  ist 
„das  (rarÄ^^pa^yrt-Feue^,  sein  Mauas  das  Anvahdrffapacafta-Vener, 
„sein  Mund  das  ^ÄaföMj/ya-Feuer**  u.  s.  w.  (Chand.  6,  11 — 24).  — 
Hier  erhebt  sich  die  Frage,  ob  unter  dem  Ausdrucke  Vaicvänara 
(all verbreitet)  das  Verdauungsfeuer  zu  verstehen  ist  oder  daa 
Element  des  Feuers  oder  die  dasselbe  repräsentierende  Gottheit, 
oder  eine  verkörperte  Seele,  oder  endlich  der  höchste  Gott?  Wo- 
her nun  wieder  dieser  Zweifel?  Weil  das  Wort  Vaicvänara  als 
gemeinsamer  Ausdruck  für  das  Verdaunngefeuer,  das  Feuerelement 
und  die'  Gottheit^  [-A-gni]  verwendet  wird ,  und  weil  [das  dabei 
stehende  Wort]  Aiman  sowohl  die  verkörperte  Seele  als  auch  den 
höchsten  Gott  bezeichnen  kann.  Welches  von  diesen  also  soll 
man  hier  verstehen  und  welches  nicht?  das  ist  die  Frage. 

Angenommen  zunächst,  '[der  Atman  Vai^v&nara]  bedeute  das 
*  Verdauungsfeuer  (jafhara  agni).  Warum?  weil  das  Wort  zuweilen 
'speciell  in  dieser  Verwendung  vorkommt,  z.  B.  wenn  es  heifst: 
'„dieses  ist  das  Feue^  Vai^xanara^  welches  hier  inwendig  im  Men- 
S,schen  ist,  durch  welches  diese  Nahrung  verdaut  [wörtlich:  ge- 
*„kocht]  wird,  die  man  so  isset"  (Brih.  6,9,  1).  —  Oder  Vaf^ä- 
'nara  ist  kurzweg  das  Feuer,  weil  der  Ausdruck  [nicht  nur  spe- 
*ciell  sondern]  selbst  allgemein  in  diesem  Sinne  gebraucht  wird; 
'z.  B.  in  der  Stelle  (Rigv.  10,  88,  12): 

'„Bern  Weltall  von  den  Göttern  ist  das  Feuer 
*jyVaigvdnara  verliehn  als  Tageszeichen." 

< —  Oder  es  ist  die  Gottheit,  deren  Leib  das  Feuer  ist,  denn  auch 
'von  dieser  [d.  h.  von  Agni]*  kommt  Yaigvänara  vor,  denn  die 
'Schrift  sagt  z.  B.  (Rigv.  1,  98,  1): 

212  '„liafst  in  der  Huld   Vat^vilnara^s  ans  |  bleiben, 

'„Denn  er  ist  ja  der  Wesen  Farst  and  Segner/* 

■ 

'In  dieser  und  ähnlichen  Stellen  bedeutet  das  Wort  die  mit  Macht- 
^icrrlichkeit  u.  s.  w.  ausgestattete  Gottheit  [des  Agni].  —  Oder 
'vielleicht  mufs  man,  weil  das  Wort  mit  dem  Worte  At*nan  koor- 
'diniei*t  steht,  und  weil  in  den  Eingangsworten:  „was  ist  unser 
'„Atman,  was  das  Brahman?"  das  Wort  Atnian  allein  vorkommt, 
'das  Wort  Vaicvänara  in  der  Uindeutung  als  Atman  verstehen? 
'In  diesem  Falle  könnte^  es  aber  nur  die  verkörperte  Seele  bedeu- 
'ten,  indem  diese,  vermöge  ihres  Geniefserseins  dem  Vai^väwwii 
'fdem  Feuer  als  dem  Verzehrenden]  nahe  steht;  wie  denn  aach 
'die  Bestimmung    als   „eine   Spanne  lang"    auf   sie    zufolge    ihrer 


Sfttram  I.  u.  24.  121 

^ÜmgrenzoDg  durch  die   UpädhfB  padsen  würde.     Somit  darf  nicht 
*Gott  unter  dem   Vaicvänara  verstanden  werden.' 

Auf  diese  Behauptung^  erwidern  wir,  dafs  vielmehr  der  Vaigvd- 
nara  hier  den  höchsten  Ätman  bedeuten  mufs;  warum?  „wegen 
Specificierung  der  allgemeinen  Ausdrücke^*,  d.  h.  weil  die  beiden 
allgemeinen  Ausdrücke  hier  specificiert  werden.  Denn  wenn  auch 
die  beiden  hier  gebrauchten  Ausdrücke,  Alman  und  Yaicvdnara^ 
von  allgemeinerer  Art  sind,  sofern  Vaigvänara  dreierlei  und  Ätman 
asweierlei  bedeuten  kann,  so  findet  sich  doch  hier  eine  specificie- 
rende  Bestimmung,  aus  der  ihre  Beziehung  auf  den  höchsten  Gott 
erhellt;  denn  wenn  es  heifst:  „fürwahr  an  diesem  Atman  Yaii^vanara 
„ist  das  Haupt  Wohl  kräftigkeit"  u.  s.  w.  (Chänd.  5,  18,  2),  so 
kann  es  doch  nur  der  höchste  Gott  sein,  |  dem  der  Himmel  als  213 
Haupt  o.  s.  w.  zugeschrieben  wird,  und  der  sodann  in  einem  an- 
deren Zustande  als  das  innere  Selbst,  zum  Zwecke  der  Meditation, 
geschildert  wird;  dies  ergiebt  sich  daraus,  dafs  er  die  Ursache  • 
[von  allem]  ist.  Denn  weil  die  Ursache  in  allen  Zuständen  der 
Wirkung  der  Träger  dieser  Zustände  ist,  deswegen  können  [an 
Gott]  die  Himmelswelt  u.  s.  w.  als  seine  Glieder  bezeichnet  werden. 
Femer  wenn  es  heifst :  „der  isset  Nahrung  in  allen  Welten,  in  allen 
y^Wesen»  in  allen  Leibern^-  (Chand.  5,  18,  1),  so  paXst  diese  Er- 
wähnung eines  Lohnes,  der  in  allen  Welten  u.  s.  w.  seine  Ver- 
wirklichung findet,  nur,  wenn  man  dabei  an  die  höchste  Ursache 
denkt.  Auch  wird  in  den  Worten  „so  verbrennen  alle  6ünden" 
u.  8.  w.  (Chänd.  5,  24,  3)  gelehrt,  dafs  alle  Sünden  desjenigen,  der 
dieses  weifs,  verbrennen.  Endlich  auch  die  Zusammenstellung  der 
Worte  Atman  und  Brahmnn  zu  Anfang,  wo  es  hiefs:  „was  ist 
„unsere  Seele,  was  das  Brahman?^^  —  alles  dieses  miteinander  sind 
Merkmale  des  Brahman,  welche  dafür  sprechen,  dafs  hier  der 
höchste  Gott  zu  verstehen  ist.  Somit  kann  der  Vai^.vänara  nur 
den  höchsten  Gott  bedeuten. 


25.    smaryamämm  anuniänam  syädy  iti 
auch  sofern  das  Smritiwort  zur  Bestätigung  dienen  mag. 

Auch  darum  mufs  der  Vaigvdnara  der  höchste  Gott  sein,  weil 
die  Smriti  eben  mit  Bezug  auf  den  höchsten  Gott  eine  ähnliche 
Gestalt,  deren  Mund  Feuer  und  deren  Haupt  der  Himmel  sei,  als 
die  aus  allen  drei  Welten  bestehende  Gestalt  desselben  erwähnt, 
wenn  es  heifst  (Mahäbh.  12,  1656): 

„Des  Mimd  das  Feuer,  dessen  Haupt  der  Himmel, ' 
, J)es  Nabel  Äther,  dessen  Fülse  Erde, 
„Des  Aug'  die  Sonne,  dessen  Ohr  die  Pole, 
„Verehrung  zollet  diesem  Geist  der  Weiten!" 


122  C^{^aka-mliii&n8& 

■ 

Indem  dicscB  „Smptiwort*^  über  Oottos  Gestalt  auf  ein  Schriftwort 
als  seine  ursprüngliche  Quelle  zurückschliefsen  läfst,  kann  es  „Eur 
„Bestätigung  dienen^S  ^*  h.  es  kann  als  ein  Kennzeichen  und  Be- 
weisgrund dienen,  welclier  jene  Meinung,  dafs  unier  dem  Worte 
Vaicvänara  der  höchste  Gott  zu  verstehen  sei,  bestätigt.  Das 
Wort  „sofern"  (Ui)  bedeutet  eine  Ursache,  und  besagt,  dafs,  weil 
ein  derartiger  Beweisgrund  vorliegt,  auch  darum  der  Vai^wänari' 
214  (Jor  liüchste  Gott  sein  mufs.  Wenn  auch  die  Worte  |  „Verehrung 
„zollet  diesem  Geist  der  Welten"  auf  eine  Lobpreisung  abzwecken, 
so  sprechen  sie  doch,  sofern  ein  als  ihre  Quelle  dienendes  Voda- 
wori  daneben  nicht  fehlt,  dafür,  dafs  sich  die  Sache  in  Wirklich- 
keit so  verhält.  Und  auch  das  folgende  Smritiwort  läfst  sich  hier 
anführen : 

„Des  Haupt  der  Himmel,  wie  die  Weisen  sagen, 
„Des  Nabel  Äther  ist,  dem  Mond  und  Sonne 
„Als  Augen  dienen,  dessen  Ohr  die  Pole, 
„Und  dem  die  Erde  Füfse  ist,  den  wisse 
„Als  unbegreiflich  Selbst,  als  Wesensförd'rer." 


^6*.    Qobda'ädibhyOy  ^fdahiyratishthän&n  na^    üi  cen?    na! 
üithd  drishü'Upadegdd,  asambhavM,  pun^Juim  ajpi  ca 

enam  adhiyate 

wegen  des  Wortes  u.  s.  w.  und  wegen  der  Einwohnung 

nicht,  meint  ihr?    0  nein!  weil  so  Aufzeigung  in -der 

Ad  schauung,    und  weil  sonst  Unmöglichkeit;   ja,    sie 

lesen  ja  auch  von  ihm  als  einem  Menschen. 

Man  könnte  sagen:  'der  Vai^änara  kann  doch  nicht  der 
'höchste  Gott  sein;  warum?  „wegen  des  Wortes  u.  ä.  w.  und  wegen 
S,dcr  Einwohnung."  Was  zunächst  das  Wort  angeht,  so  ist  das 
*Wort  Vaicvänara  auf  den  höchsten  Gott  nicht  passend,  weil  6& 
•von  einer  anderen  Sache  gehräuchlich  ist;  und  dasselhe  gilt  von 
*dem  [in  der  zu  Chänd.  6,  11 — 18  parallelen  Stelin  des  Affniraha- 
^syam  vorkommenden]  Worte  „Feuer",  wenn  es  heifst:  „diesos  ist 
*„das  Feuer  Vaii'cänara^''  (?atap.  hr.  10,  6,  1,  11).  Der  Zusatz 
'„u.  s.  w."  [im  Sutram]  bezieht  sich  auf  die  Ausdeutung  der  drei 
*Opferfeuer,  des  Gärhapatyafeuers  als  des  Herzens  u.  s.  w.  [des 
^ Vaicvänara^  siehe  Chuud.  5,  18,  2],  so  wie  aucli  auf  die  [nicht 
Mem  liöchston  Atman,  sondern]  dem  Leben  darzubringenden  Spen- 
^dim,  wie  sie  von  den  Worten  an:  „das  Erste,  Beste,  was  gegessen 
•wird,  das  ist  gleicli  als  ein  Opfer"  (Chfuid.  5.  19,  1)  das  Thema 


Sütram  L  it.  2G.  12:^ 

^der  SiclU)  bildeu.  Aus  diesen  Gründen  also  mufs*  man  unter  dem 
^Vai{;vdnara  das  Verdauungsfouer  verstehen;  und  hierzu  kommt 
^noch  die  „Einwohnung^*,  deren  die  Sclirift  gedenkt,  wenn  sie  sagt:  ^ 
SjWer  es  als  dem  Menschen  einwohnend  weifs"  (^'atap.  br.  10,  6, 1,  1 1); 
*auch  diese  pafst  zu  der  Annahme,  dafs  das  Verdau ungsfeuer  | 
'gemeint  sei.  Wenn  aber  behauptet  wurde,  dafs  wegen  der  I>e-  315 
'Stimmung  „sein  Haupt  ist  Wohlkräftigkeit",  der  Vai^cdnara  der 
'höchste  Atman  sein  müsse,  so  fragen  wir,  woher  die  Zuversicht  der 
^Forschung  stammt,  mit  der  man,  wo  doch  Merkmale  für  beide 
'Annahmen  vorliegen,  nur  an  dasjenige  Merkmal  sich  hält,  welches 
'für  den  höchsten  Gott,  und  nicht  an  dasjenige,  welches  für  das 
'Yerdauungfifeuer  spricht  ?  —  Oder  auch ,  es  könnte  hier  eine  Be- 
'zeichnung  des  aufserhalb  und  innerhalb  [des  Menschen,  vgl.  Ohand. 
'6,  7)  6]  bestehenden  Elementes  des  Feuers  vorliegen;  denn  auch 
'von  ihm  lüfst  sich  die  Verbindung  mit  der  Himmelswelt  u.  s.  w. 
'begreifen  nach  dem  Verse  (Rigv.  10,  88,  3):     * 

'„Der  durch  sein  Glänzen  ausgebreitet  hat 
'„Die  Erde  drunten  und  den  Himmel  droben, 
'„Die  beiden  Ufer  und  was  zwischen  ihnen." 

' —  Oder  auch,  man  kann  annehmen,  dafs  die  Bezeichnung  der 
'Himmelswelt  u.  s.  w.  als  die  Glieder  auf  die  Gottheit  [Agni]  sich 
'bezieht,  welche  dieselben  vermöge  ilirer  Gottherrlichkeit  zum 
'Leibe  hat.  Somit  ist  unter  dem  Vai^änara  nicht  der  höchste 
'Gott  zu  verstehen.' 

Darauf  antworten  wir:  „0  nein!  weil  so  Aufzeigung  in  der 
„Anschauung";  d.  h.:  es  geht  nicht  an,  aus  den  angefühi*ten  Grün- 
den, „wegen  des  Wortes**  u.  s.  w.,  den  höchsten  Gott  hier  abzu- 
lehnen; warum?  „weil  so",  d.  h.  indem  man  das  Vcrdauungsfouor 
als  [zunächst]  gemeint  gelten  läfst,  „Aufzeigung  in  der  Anschauung" 
stattfindet;  nämlich  der  höchste  Gott  wird  hier  in  der  Anschauung 
[symbolisch]  als  das  Verdauungsfeuer  Vai^vänara  aufgezeigt,  älio- 
lich  wie  in  der  Stelle  (Chand.  3,  18,  1)  „das  Manas  r.oil  man 
„verehren  als  das  Brahman"  [Manas  u.  h.  w.  Symbole  des  Brahman 
sind].  Oder  auch  man  kann  annehmen,  dafs  der  Upiidhi  des  Ver-  . 
dauungsfeuers  Vai^vänara  hier  dem  höchsten  Gotte  zu  seiner  Ver- 
anschaulichung beigelegt  wird;  ahnlich  wie  es  Isich  nicht  um 
Symbole  sondern  um  Upädhi's  des  Brahman  handelt,  wenn  es] 
z.  B.  heifst:  „Manaa  ist  sein  Stoff,  Odem  sein  Leib,  Licht  seine 
„Gestalt"  (Chand.  3, -14,  2).  |  Hierzu  kommt  weiter,  dafs  „sonst",  21C 
d.  h:  wenn  hier  der  höchste  Gott  nicht  gemeint  wäre,  mithin  das 
Verdauungsfeuer  schlechtweg  verstanden  werden  müfste,  in  der 
Bestimmung  „sein  Haupt  ist  Wohlkrivftigkeit"  u.  s.  w.  eine  ^^X'in- 
„möglichkeit"  liegen  würde.  Dal's  übrigens  diese  Bestimmung 
ebensowenig  mit  der  Annahme,  dafs  hier  die  Gottlieit  [Agni]'  oder 


124  ^ärlraka-mimäÄsft. 

das  Element  des  Feuers  gemeint  sei,  sich  in  Einklang  bringen 
läfst,  das  werden  wir  im  nfichsten  Sütram  zeigen.  Endlich  könnte, 
.  wenn  das  blofse  Verdauungsfener  gemeint  wäre ,  von  demselben 
nur  gesagt  werden,  dafs  es  dem  Menschen  einwohne,  nicht  aber, 
dafs  es  selbst  Mensch  (purtisha)  sei.  Nun  aber  „lesen  sie  ja 
„von  ihm  als  einem  Menschen";  nämlich  die  Schule  der  Yäjasa- 
neyin^s  liest  [an  der  parallelen  Stelle  des  ^atapaiha-hrähmanam]: 
„dieses  Feuer  Vai^tänara  ist  das,  was  der  Mensch  ist;,  wer  also 
,.dieses  Feuer  Vai^änara  als  Menschen,  als  menschenartig  dem 
„Menschen  innerlich  einwohnend  weifs"  u.  s.  w.  (^"Jatap.  br.  10,  6, 
1,  11).  Dies  pafst  nicht  auf  das  Yerdauuugsfeuer.  Auf  den  höchsten 
Grott  aber  pafst,  weil  er  die  Seele  von  allem  ist,  beides,  dafs  er 
Mensch  sei,  und  dafs  er  dem  Menschen  einwohne.  —  Diejenigen 
hingegen,  welche  in  unserm  Sütram  die  Lesart  haben:  purMsha- 
vidluim  api  ca  enam  adhiyate^  ,ga,  sie  lesen  ja  auch  von  ihm  als 
,^einem  Menschenartigen",  müssen  dies  folgendermafsen  erklären. 
Wenn  man  das  blofse  Verdauungsfener  versteht,  so  könnte  nur 
von  ihm  gesagt  sein,  dafs  es  dem  Menschen  einwohne,  nicht  aber, 
dafs  es  selber  menschenartig  sei.  Nun  aber  lesen  die  Yäjasaneyin's 
ja  auch  von  ihm  als  einem  Menschenartigen,  denn  es  heifst,  wer 
es,  ,.als  menschenartig  dem  Menschen  innerlich  einwohnend  weifs" 
(Qatap.  br.  10,  6,  1,  11).  Dafs  der  Vaigvänara  aber  „menschen- 
„artig"  heifst,  beruht  auf  dem  Vorhergehenden,  wo  er  geschildert 
wird  in  kosmologischer  Hinsicht  von  dem  Himmel  als  seinem 
Haupte  an  bis  herab  zu  der  Erde  als  dem,  wodurch  er  steht 
(^""atap.  br,  10,6,1,  4 — 9) ,  und  in  psychologischer  Hinsicht  von 
dem  gewöhnlichen  [Kopfe]  als  seinem  Haupte  an  [lies:  prasiddha^ 
mttrdh€Uva'ädt]  bis  herab  zu  dem  Kinne  als  dem,  wodurch  er  steht 
(^^'atap.  br.  10,  6,  1,  II).  Dieses  wird  [in  seiner  Bezeichnung  als 
,  ,men8chenartig"]  zusammengefafst« 

37.    ata*  eva  na  devatd  hhütan  ca 
ebendarum  nicht  die  Gottheit  oder  das  Element. 

Wenn  hingegen  (p.  215,  5)  behauptet  wurde,  dafs  die  in  den 
Worten  „sein  Haupt  ist  Wohlkräftigkeit"  liegende  Vorstellung 
von  Oliederu  auch  auf  das  Element  des  Feuers  passe,  weil  es  in 
dem  citierten  Verse  mit  der  Himmelswelt  u.  s.  w.  in  Beziehung 
317  erscheine,  |  oder  auch  auf  die  Gottheit  [Agni],  welche  die  Himmels- 
weit  u.  s.  w.  vermöge  ihrer  Gottherrlichkeit  als  Leib  besitze,  so 
bleibt  das  noch  zu  widerlegen.  Wir  entgegnen:  „eben  darum ^% 
aus  den  genannten  Gründen,  kann  der  Vaigvänara  nicht  die  Gott- 
heit und  auch  nicht  das  Element  des  Feuers  sein.  Denn  auf  da« 
Element  des  Feuers,  dessen  Wesen  blofs  in  der  Wärme  und  dem 
Lichte  besteht,  pafst  die  Annahme  des  Himmels  als  seines  Hauptes 


Sütram  L  il  27.  125 

u.  s.  w.  nicht;  denn  oIb  ein  Erschaffenes  kann  es  nicht  das  Seihst 
(älfnan)  eines  andern  Erschaffenen  sein.  Ebensowenig  pafst  die 
Annahme  des  Himmels  als  Haupt  a.  s.  w.  auf  die  GotÜieit  des 
Feuers,  ungeachtet  der  ihr  zukommenden  Gottherrlichkeit;  denn 
sie  Lst  nicht  die  Welt  Ursache  [ist  gleichfalls  nur  ein  Erschaffenes], 
und  ihre  Gottherrlichkeit  ist  ron  dem  höchsten  Gotte  abhangig.  — 
Dafs  endlich  auch  das  Wort  „Atmau'*  nicht  asulüssig  ^sein  würde, 
ist  allen  den  genannten  Annahmen  entgegenstehend. 

28,    saJcshäd  api  ävtrodhafn  Jaiminih 
aach  wenn  geradezu,  Bei  kein  Widerspruch,  ßo  Jaimini« 

Im  Vorherigen  wurde  gelehrt,  dafs  der  höchste  Gott,  sei  es 
unter  dem  Symbole  des  Terdauungsfeuers,  sei  .es  durch  den 
IJpädhi  des  Verdauungsfeuers,  hier  zur  Verehrung  aufgestellt 
iKrerde,  um  den  Bestimmungen  von  dem  innerlich  Einwohnen  u.  s.  w. 
gerecht  zu  werden;  jetzt  aber  heifst  es:  auch  ohne  |  die  Annahme  21S 
«ines  Symboles  oder  eines  Uplldhi's  könne  man  hier  „  geradezu  ^^ 
eine  Verehrung  des  höchsten  Gottes  vorgeschrieben  finden,  ohne 
dafs  dadurch  ein  Widerspruch  entstünde;  uSo'^  meint  der  Lehrer 
„Jaimini".  —  'Aber  steht  mit  einem  solchen  Absehen  von  dem 
'Verdauungsfeuer  nicht  der  Ausspruch  der  Schrift  von  dem  innern 
'Einwohnen  in  Widerspruch,  sowie  auch  die  in  dem  Ausdrucke 
SiV^c'i^  des  Wortes  u.  s.  w.'*  (Sütram  1,  2,  26)  angedeuteten  Gründe?' 
—  Darauf  ist  zu  erwidern :  was  zunächst  das  Schriftwort  von  dem 
innern  Einwohnen  betrifft,  so  steht  dasselbe  nicht  damit  in  Wider- 
spruch; denn  in  den  betreffenden  Worten:  „wer  es  als  menschen- 
„arlig  dem  Menschen  innerlich  einwohnend  weifs"  (Qatap.  br;  10, 
6,  1,  11)  liegt  gar  keine  Beziehung  auf  das  Verdauungsfeuer  vor, 
indem  dieses  weder  das  Thema  bildet  noch  auch  mit  Namen  ge" 
nannt  wird;  vielmehr  steht  es  so,  dafs  dasjenige,  welches  das  Thema 
der  Stelle  bildet  und  als  menschenartig  mittels  menschlicher  Kör- 
perteile vom  Schädel  an  bis  zum  Kinne  hin  vorstellig  gemacht 
wird,  dafs  dieses  auch  gemeint  ist,  wenn  es  heifst:  „wer  es  als 
„menschenartig  dem  Menschen  innerlich  einwohnend  weifs'',  ähnlich 
etwa,  wie  man  den  Ast  [die  äufsere  Gestaltung  des  Baumes]  dem 
Baume  [auch]  innerlich  befestigt  sieht.  —  Oder  auch  man  kann 
sagen:  der  höchste  Gott,  von  dem  hier  die  Rede  ist,  und  welcher 
in  psychologischem  wie  in  kosmologischem  Sinne  nur  als  Upädhi 
[als  eine  nur  vom  verehrenden  Subjekte  ihm  beigelegte  Bestimmung] 
auch  die -Menschenartigkeit  besitzt,  dieses  höchsten  Gottes  [nicht 
durch  die  Upadhi's  bedingte,  sondern  von  ihnen]  freie  Gestalt  als 
des  innern  Zuschauers  (säkshin)  ist  es,  mit  Beziehung  auf  welche 
CS  heifst:  „wer  ihn  als  menschenartig  dem  Menschen  innerlich 
„einwohnend   weifs".     Steht  aber   durch  Betrachtung   des   Vorher- 


126  C^ral(A-ml]ii&)i8& 

gehenden  und  des  Nachfolgenden  fest,  dafs  man  an  den  höchsten 
Atman  za  denken  hat>  so  wird  sich  auch  das  Wort  Vaif;vdnara 
219  in  irgend  einer  Weise  von  ihm  |  verstehen  lassen;  also  etwa,  weil 
er  alles  und  jeder  (vifva^  ca  narag  ca)  ist,  oder  weil  er  der  eine 
(nara)  in  allen  (vigve)  ist,  oder  weil  alle  Menschen  (m^üe  naräh) 
sein  eigen  sind,  darum  heifut  der  höchste  Gott  Vicvänara  als  der 
allheseeletfde;  denn  Vai^vänara  ist  nur  so  viel  wie  Vigvänaraf  in- 
dem die  Derivativbildung  ebenso  wie  b^i  räkshasa  und  väyasa 
[statt  rakihas  und  vaya8\  den  Sinn  nicht  modifioiei*t.  Und  auch 
das  daneben  vorkommende  Wort  agni  (Feuer)  mag  sich,  etwa  in- 
dem man  zur  ErkläiTing  desselben  als  (igrani  (,)der  oberste  Führer*^) 
oder  dergleichen  seine  Zuflucht  nimmt ^  auf  den  höchsten  Atman 
beziehen.  Endlich  auch  die  Auffassung  desselben  als  das  Gärha- 
patya-'Fener  u.  s.  w.  (Chftnd.  5,  18»  2)  und  die  [sich  daran  an- 
schliefsende]  Besprechung  der  dem  Leben  (prä$f<i)  darzubringenden 
Spenden  (Chand.  5,  19 — 24)  lassen  sich  daraus,  dafs  der  hödiste 
Atman  die  Seele  in  allem  ist,  erklären. 

Aber  in  welchem  Sinne  ist  es,  wenn  man  die  Stelle  auf  den 
höchslen  Atman  bezieht,  zu  verstehen,  dafs  die  Schrift  ihn  (Chand. 
6,  18,  1)  „eine  Spanne  lang'*  nennt?  —  Um  dieses  zu  erklären 
heifst  es: 

29.    ahhivyaktery  üi  Agmarathyah 
wegen  der  Offenbarung,  so  Agmarathya. 

Obwohl  der  höchste  Gott  eine  alles  Mais  übersteigende  Gröfse 
hat,  so  kann  doch  seine  Bezeichnung  als  eine  Spanne  lang  ihren 
Gmind  haben  in  dem  Zwecke  „der  Offenbarung".  Nämlich  der 
höchste  Gott  offenbart  sich  als  der  Gröfse  nach  eine  Spanne  lang 
zum  Frommen  seiner  Verehrer,  denen  er  sich  an  besonderen  Orten, 
z.  B.  im  Herzen  u.  s.  w.,  als  an  den  Stätten  seiner  Wahmehmbar- 
keit  auf  besondere  Weise  offenbart.  Daher  würde  auch  auf  den 
höchsten  Gott  die  Schnftstelle  von  der  Spannenlänge  passen-  „we- 
„gen  der  Offenbarung";  —  „so"  meint  der  Lehrer  „Agmarathya". 

220  30.    anusrnriter.  Bädarih 

wegen  der  Erinnerung  [des  sich-Denkens],  meint  BädarL 

Oder  er  wird  eine  Spanne  lang  genannt,  weil  er  in  Erinnerung 
gebracht  wird  von  dem  Manas,  welches  in  dem  eine  Spanne  grofsen 
Herzen  wohnt;  die  Ausdrucksweise  ist  dabei  ähnlich,  wie  wenn 
man  so  viel  Gerste,  als  in  einen  Scheffel  geht,  einen  Scheffel  Gerste 
nennt.  Denn  wenn  auch  bei  der  Gerste  das  eigentliche  Quantum 
durch  die  Einfüllung  in  den  Scheffel  angezeigt  wird,   während   es 


SAtram  I.  n.  30.  127 

hier  an  dem  höchsten  Gotte  keinerlei  Quantum  giebt,  welches 
durch  die  EinfQllnng  in  das  Herz  angezeigt  werden  könnte,  so  ist 
diese  Auffassung  doch  auf  Grund  der  angezogenen  Schriftstelle 
für  zulässig  zu  erachten,  ähnlich  wie  ja  auch  zuweilen  die  Erin- 
nerung an  einen  Gegenstand  [uneigentlich]  als  eine  [wirkliche] 
Umklammerung  (älambanam)  desselben  bezeichnet  wird  (Tgl.  K&th. 
2,  17).  —  Oder  auch  man  mufs  den  höchsten  Gott,  obwohl  er 
nicht  eine  Spanne  lang  ist,  doch  als  eine  Spanne  lang  „sich  den- 
„ken^^  (anu87Haratti^afy)  y  damit  das  Schnftwort  von  seiner  Span- 
nenlange- nicht  unverwirklicht  bleibe  [also,  iva  i]  Ypoc^i)  TcXiQpu^!.]. 
In  dieser  Weise  dient  die  Stelle  yon  der  Spanneulänge  beim  höch- 
sten Gotte  zum  Zwecke  „der  Erinnerung" ;  —  so  meint  der  Lehrer 
„Bädari/* 


31.    sampatter,  Ui  Jaiminis,  tathd  M  darq^yati 

m 

wegen  der  Gleichsetzung ,  meint  Jaimini,  weil  sie  es 

80  erklärt. 

Oder  die  Schriftstelle  von  der  Spannenlänge  bezweckt  eine 
,fGleic&setzung'^ ;  warum?  „weil  die  Schrift  es  so  erklärt";  nämlich 
in  dem  ^rahmanam  der  Yäjasaueyin's ,  wo  derselbe  Gegenstand 
behandelt  wird,  werden  die  Glieder  des  VaiQvänara^  welche,  sofern 
derselbe  die  Seele  des  Weltganzen  ist,  sich  vom  Himmel  an  bis 
zur  Erde  hin  |  erstrecken,  in  psychologischer  Hinsicht  gleichgesetzt  221 
den  Teilen  des  Leibes,  die  sich  von  der  Schädeldecke  an  bis  zum 
Kinne  hin  erstrecken,  und  hierbei  erklärt  die  Schrift,  dafs  der 
höchste  Gott  einer  Spanne  an  Länge  gleichgesetzt  werde,  indem 
sie  sagt:  „die  Götter,  leicht  erkennbar,  haben  sich  gleich  gemacht 
„gleichsam  einer  Spanne  an  Länge;  und  ich  will  sie  dir  also  er- 
„klären,  dafs  ich  sie  dem  Mafse  einer  Spanne  gleichsetze.  —  Und 
„er  sprach,  indem  er  auf  den  Schädel  wies:  dieses  ist  der  über- 
tragende Vaiyvanara;  und  indem  er  auf  die  Augen  wies:  dieser 
„ist  der  wohlkräftige  Yai^v&nara;  und  indem  er  auf  die  Nase  wies : 
„dieses  ist  der  Sonderweg  habende  Yaiyvänara;  und  indem  er  auf 
,,den  Hohlraum  im  Munde  wies:  dieses  ist  der  weite  Vai^'v&nara; 
„und  indem  er  -auf  das  Wasser  im  Munde  wies:  dieses  ist  der 
„reiche  Vaiyvanara:  und  indem  er  auf  das  Kinn  (cuvukam)  wies: 
,. dieses  ist  der  wolilgegründete  Vai^vänara*^  ((,'atap.  br.  10,  6,  1, 
10 — 11).  Unter  cuvnJcam  (Kinn)  ist  der  flache  Knochen  unterhalb 
des  Mundes  zu  verijlehen.  Allerdings  werden  im  Yäjasaneyakam 
dem  Himmel  die  Eigcuschaft  der  Üben*agung  |  und  der  Sonne  die  .222 
Kigenschuft  der  Wohlkruftigkeit  zugeschrieben,  wahrend  hingegen 
im  Cfaändogyam  dem  Himmel   die  Wohlkräftigkeit  und  der  Sonne 


12S  C^rtrakft-mimHÄEä 

die  AUgestaltigkeit  beigelegt  werden;  aber  diese  Abweiehoug  ändert 
an  der  Sache  nichts,  da  die  Stelle  von  der  Spannenl&nge  ohne 
Unterschied  in  allen  Qakhä^s  anerkannt  wird.  —  Es  ist  der  Lehrer 
„Jaimini",  welcher  die  Meinung  vertritt ,  dafs  die  Stelle  von  dör 
Spannenlänge  am  passendsten  als  eine  solche  „Gleiohsetzung*^  be- 
zweckend aufgefafst  werde. 


32.    ämananü  ca  enam  asniin 
auch  überliefern  sie,  dafs  er  hier. 

„Auch  überliefern  sie",  nämlich  die  Jäbdla*s,  „dafs  er^\  der 
höchste  Gott,  „hier",  d.  h.  swiaehen  Schädel  und  Kinn  aufzufassen 
sei;  denn  es  heifst  bei  ihnen  (Jäbäla-Upanishad  2.  p.  438):  , Jener 
„unendliche,  verborgene  Atman  wohnt  in  dein  Unabgetrennten ; 
„darum  heifst  er  der  Unabgetrennte.  —  Wo  wohnt  er  denn?  — 
„Er  wohnt  zwischen  Varai^ä  und  Nd^*^  [eigentlich  Namen  zweier 
Flüsse  in  der  Nähe  von  Fidrd^o^,  Benares].  —  9)Wer  ist  dit;  Va- 
„rairi(S  und  wer  die  Nd^'^*'  —  Auf  diese  Frage  werden  sie  bestimmt 
als  der  Augenbrauenbogen  (varaii^)  und  die  Nase  (näsikä)^  und 
zur  Erklärung  der  Yarai^  nnd  Nci^  wird  gesagt:  weil  sie  alle 
von  den  Sinnesorganen  begangenen  Sünden  abwende  (väräyati)^ 
darum  heifse  sie  Varasiä^  und  weil  sie  alle  von  den  Sinnesorganen 
begangenen  Sünden  vernichte  (nä^ayati)^  darum  heifse  sie  Nä^; 
223  worauf  es  weiter  heifst  (Jäb&la-Üp.  2,  p.  440):  |  ,tUnd  welches 
fjist  sein  Standort?  —  Es  ist  der  Bindepunkt  zwischen  den  Augen- 
,,brauen  und  der  Nase;  dieses  ist  derselbe  Bindepunkt  wie  der 
„zwischen  der  Himmelswelt  und  dem  Höchsten."  —  Somit  ist  der 
Schriftausdruck  „eine  Spanne  lang"  bei  dem  höchsten  Gotte  an- 
gemessen. 

Auch  der  (Chand.  5,  18,  1)  daneben  vorkommende  Ausdruck 
ahhivimäna  (etwa:  „übermefsbar")  hat  Beziehung  darauf,  dafs  er 
die  innere  Seele  ist.  Äbhivimärfn  heifst  esr,  weil  er  von  allen 
lebenden  Wesen  als  die  innere  Seele  CLbhüdmiyate  (als  sich  gegen- 
überstehend ermessen,  erkannt  wird);  oder  er  heifst  Ahhivimäna^ 
weil  er  als  die  innere  Seele  dbhigata  (zugänglich)  und,  wegen 
Mangels  eines  Mafsstabes  viniäna  (unmefsbar)  ist',  oder  auch,  weil 
er  die  ganze  Welt  als  ihre  Ursache  ahhivimin^te  (ermifst). 

Somit  ist  bewiesen,  dafs  der  Vaigvänara  den  höchsten  Gott 
bedeutet. 

Sü  laut«i  in   dem  K-nvotneuUre  inr  erhabenen   ^aKraJLa  -  mfmaiba,   dem  Werke  der 
vrrehrungswUrdige^  Vflfiie  des  erlauchten  gahkura ,  im  ersten  Ailiffaya  der  zweite  Fad«. 


Des  ersten  Adhyftya 

DRITTEE  PADA. 

VeMlirQiiit  dem  hüehstSR  Atniftnl 


Erstes  Adhikaranam. 
1.    äyur-hhü-adi-ayatanam,  sva-^abdät  324 

der  Stutzpunkt  von  Himmel,  Erde  u.  s.  w.,  wegen  des 

ihm  eigentümlichen  Wortes. 

Es  heilst  in  der  Schrift  (Mund.  2,  2,  5) : 

y^er  Ort,  in  welchem  Himmel,  Erd'  and  Luftraum, 
,,yer8taiid  und  aUe  Sinne  sind  gen^pben, 
,,Den  wifet  ihr  als  den  Einen,  als  den  Atman; 
„Die  andern  Reden  lasset  ihr  beiseite;  — 
„Dies  ist  die  Brücke  der  Unsterblichkeit.*' 

Hier  wird  auf  etwas  hingewiesen,  was  für  den  Himmel  u.  s.  w., 
sofern  dieselhen  ihm  eingewoben  sind,  „der  Stützpunkt"  ist;  und 
es  erhebt  sich  die  Frage,  ob  dieser  Stützpunkt  das  höchste  Brah- 
man  oder  etwas  anderes  sei? 

Angenommen  also,  'der  Stützpunkt  bedeute  irgend  etwas  anderes; 
Vanun?'  weil  es  heifst:  „er  ist  dit)  Brücke  der  Unsterblichkeit." 
'Zu  einer  Brücke  gehören,  nach  weltlichen  Begriffen,  Ufer;  man 
'kann  aber  nicht  behaupten,  dafs  das  liöchste  Brahman  Ufer  habe ; 
'I  denn  die  Schrift  sagt  von  ihm  es  sei  „das  £ndlose,  Uferlose"  225 
*(Brih.  2,4,12).  Mufs  man  aber  ciurnal  unter  dem  Stützpunkte 
*etwas  anderes  als  Brahman  verstehen     so  liefse  sich  ja  an  die  in 

Bkussiv,  Ved&nto,  9 


130  Qariraka-mimänsil 

Mer  Smriti  vorkommende  Urmaterie  denken,  welche,  sofern  sie  die 
'Ursache  der  Welt  ist,  als  deren  Stützpunkt  bezeichnet  sein  könnte. 
* —  Oder  es  könnte  der  in  der  Schrift  vorkommende  Wind  sein, 
*vou  dem  es  heifst:  ,.der  Wind,  fürwahr,  o  Gnutaroa,  ist  jener 
S,Faden;  denn  durch  den  Wind  als  Faden  sind  diese  Welt  und 
',  jene  Welt  und  alle  Wesen  zu  einem  Büschel  zusammengebunden" 
*(Brih.  3,  7,  2);  in  dieser  Stelle  sagt  die  Schrift  auch  von  dem 
^Winde  aus,  dafs  er  [die  Welten]  auseinanderhalte.  —  Oder  auch, 
*es  ist  vielleicht  die  vorkörperto  Seele  zu  verstehen,  sofern  diese, 
Vermöge  ihres  Gcniefserseins ,  für  die  zu  geniefsende  Weltausbrci- 
'tung  eine  Art  Stützpunkt  bildet.' 

Auf  diese  Annahmen  erwidern  wir:  „der  Stützpunkt  von  Him- 
„mel,  Erde  u.  s.  w.";  dyn-hlmvau  sind  dyaus  (der  Ilimmel)  und 
bhüs  (die  Erde);  dyu^hhü-adi  [im  Sütram]  bedeutet  die  [Reihe  von 
Wesen],  in  welcher  diese  beiden  den  Anfang  machen.  Also  der 
Himmel,  die  Erde  und  der  Luftraum,  das  Manas  und  die  Pranas, 
d.h.  die  aus  ihnen  bestehende,  ganze  Welt  ist  es,  von  der  unsere 
Schriftstelle  sagt,  sie  sei  eingewoben:  der  Stützpunkt  aber,  in 
weichem  diese  eingewoben  ist,  kann  nur  das  höchste  Brahman  sein; 
watum?  „wegen  des  ihm  eigentümlichen  Wortes'S  d.h.  wegen  des 
Wortes  „Ätman^';  denn  es  steht  das  Wort  „Atman^*  dabei,  indem 
es  heifst:  „den  wifst  ihr  als  den  Einen,  als  den  Ätman'^  (Mund. 
226  2,  2,  5).  Das  Wort  „Ätmau"  |  aber  ist  völlig  angemessen  nur,  wo 
es  sich  um  den  höchsten  Atman,  nicht  wo  es  sich  um  eine  andere 
Sache  handelt.  Auch  wird  öfter  unter  Nennung  eines  gerade  ihm 
eigentümlichen  Namens  das  Brahman  von  der  Schrift  'als  dieser 
Stützpunkt  bezeichnet;  so  wenn  es  heifst :  „alle  diese  Kreaturen  haben 
„das  Seiende  als  Wurzel,  das  Seiende  als  Stützpunkt,  das  Seiende 
„als  Grundlage"  (Chd,nd.  6,8,4);  und  auch  an  unserer  Stelle  wird 
sowohl  vorher  als  nachher  das  Brahman  mit  seinem  eigentlichen 
Namen  genannt;  denn  es  heifst  [vorher,  Mund.  2,1,  10]:  „Geist 
„nur  ist  dieses  All,  das  Werk,  die  Bufse,  Brahman  und  das  Höchst- 
„unsterbliche",  und  [nachher, 'Mund.  2,  2,  11]:  „das  Brahman,  das 
„Unsterbliche,  ist  diese  Welt  im  Osten  und  im  Westen,  das  Brah- 
„man  im  Süden  und  im  Norden."  Wenn  nun  aber  hierbei  die 
Rede  ist  von  einem  Stützenden  und  einem  Gestützten,  und  in  dem 
Satze  „das  Weltall  ist  Brahman",  beide  in  demselben  Casus  mit- 
einander verbunden  werden ,  so  könnte  man  auf  den  Gedanken 
kommen,  dafs,  ähnlich  wie  ein  mannigfach  zusammengesetzter 
Baum  aus  Asten,  Stanun  und  Wurzel  besteht,  so  auch  vieUeicht 
der  Atman  ein  mannigfacher,  aus  mancherlei  Essenzen  bestehender 
sei.  Um  diesem  Zweifel  zu  begegnen,  fügt  die  Schrift  noch 
eine  [dem  Atman]  eigene,  besondere  Bestimmung  hinzu,  indem  sie 
sagt:  „den  wifst  ihr  als  den  Einen,  als  den  Atman";  das  be- 
deutet: man  darf  nicht  meinen,  als  wenn  für  den  Atman  die  Aus- 
breitung seiner  Wirkungen  charakteristisch  wäre,  als  wenn  er  somit 


Sütram  I.  in.  1.  131 

als  ein  mannigfacher  gedacht  werden  müfsie;  sondern  viebnehr 
diese  Ausbreitang  der  Wirkungen  ist  dae  Werk  des  Nichtwissens; 
und  indem  ihr  dieselbe  durch  das  Wissen  aufhebt,  so  erkennt  ihr 
jenen  Einen,  der  ihr  Stützpunkt  ist,  den  seiner  Essenz  nach  ein- 
heitlichen Atman.  |  Denn  wie  einer,  wenn  man  zu  ihm  sag^  „hole  9i7 
„das  her,  worauf  Devadatta  sitzt",  den  Sitz  holt,  nicht  aber  den 
Deradatta,  so  wiM  auch  hier  gefordert,^  dafs  man  nur  den  ak 
StQtzpunkt  bezeichneten  einwesentlichen  Atman  erkenne,  wfthrend 
hingegen  eine  Verknüpfung  desselben  mit  der  Unwahrheit  der 
Umwandlungen  Ton  der  Schrift  in  Abrede  gestellt  wird,  wenn  sie 
sagt  (K»th.  4,  10): 

„Von  Tod  zu  Tode  wird  verstrickt, 
„Wer  eine  Vielheit  hier  erblickt'' 

Die  Satzverbindung:  „das  Weltall  ist  Brahman"  hingegen  bezweckt, 
die  Vielheit  aufzuheben,  nicht  aber  das  Brahman  als  aus  vielerlei 
Essenzen  bestehend  darzulegen;  denn  dafs  dasselbe  seiner  Essenz 
nach  einheitlich  ist,  beweisen  die  Worte:  „gleichwie  der  Salzblock 
„kein  [unterschiedliches]  Innere  oder  Äufsere  hat,  sondern  durch 
„und  durch  ganz  aus  Geschmack  besteht,  so,  fürwahr,  hat  auch 
„dieser  Atman  kein  [unterschiedliches]  Innere  oder  Äufsere,  son- 
„dern  besteht  durch  und  durch  ganz  aus  Erkenntnis"  (Brih.  4,  5,  ISjk 
Somit  ist  der  Stützpunkt'  von  Himmel,  Erde  u.  s.  w.  das  höchste 
Brahman.  Wenn  aber  behauptet 'wurde,  dafs  wegen  des  Wortes 
von  der  Brücke,  und  weil  eine  Brücke  zwei  Ufer  zu  haben  pflege, 
der  Stützpunkt  von  Himmel,  Erde  u.  s.  w.  etwas  anderes  als  Brah- 
man sein  müsse,  so  erwidern  wir,  dafs  die  Erwähnung  der  Brücke 
hier  nur  bedeuten  soll,  dafs  [der  Atman  das  Weltgebäude]  ausein- 
anderhalte, nicht  aber,  dafs  er  [aufser  sich]  Ufer  und  was  sonst 
[einer  Brücke  zukommt]  haben  müsse.  Denn  wenn  z.  B.  eine  ge- 
wöhnliche Brücke  aus  Erde  und  Holz  besteht,  so  braucht  man 
darum  doch  nicht  anzunehmen,  dafs  auch  hier  von  einer  Brücke 
aus  Erde  und  Holz  die  Rede  sei.  Übrigens  liegt  auch  in  dem 
Begriffe  des  Wortes  setu  (Brücke)  nur  das  Auseinanderhalten, 
I  nicht  aber  das  Hliben  von  Ufern  und  dergleichen;  denn  seiner  2f8 
Etymologie  nach  stammt  seht  von  der  Wurzel  s/,  welche  „binden" 
bedeutet. 

Nach  einer  andern  Auffassung  wäre  es  ^nur  das  in  den 
Worten:  „den  wifst  ihr  als  den  Einen,  als  den  Atman"  erwähnte 
Wissen  vom  Ätman  sowie  das  in  den  Worten:  „die  andern 
1, Reden  lasset  ihr  beiseite"  geforderte  Beiseitelassen  der 
Worte,  welches  beides  hier,  weil  es  die  Unsterblichkeit  bewirkt, 
als  „die  Brücke  der  Unsterblichkeit"  von  der  Schrift  erwähnt 
würde,  nicht  aber  der  Stützpunkt  des  Himmels  und  der  Erde 
selber.     Daher  die  Behauptung,  dafs  wegen  Erwähnung  der  Brücke 

9* 


k. "^ 


*-*^v 


132  ^&r1raka-intmäns& 

der  Stützpunkt  des  Himmela  und   der  Erde    etwas    anderes    sein 
müsse  als  BrahmaB)  angereimt  sein  würde. 


2,    inukta-upasripya-vyctpadefät 
wegen  Bezeichnung  als  der  Zufluchtsort  der  Erlösten. 

Auch  dämm  mufs  der  Stützpunkt  des  Himmels  und  dir  Erde 
das  höchste  Brahman  sein,  weil  er  bezeichnet  wird  „als  der  Zu* 
„flüchtsort  der  Erlösten*^  d.  h.  als  der  Zufluchtsort  ftir  die  Eriösten. 
Nämlich  [um  diese  nfiher  zu  charakterisieren]:  da  ist  zunftohst  das 
Nichtwissen»  welches  den  Leib  und  [seine  Organe],  obwohl  sie 
nicht  das  Selbst  (iiman)  sind,  in  dem  Bewufstsein:  ^dies  bin  ich" 
für  das  Selbst  h&lt;  sodann  die  Liebe  zu  dem,  der  diese  [unsere 
Leibliehkeit]  achtet  u.  s.  w»,  der  Hafs  gegen  den,  der  sie  Terad^ 
tet  u.  8.  w.,  die  Furcht  vor  allem,  was  sie  schädigt,  der  Wahn, 
—  kura  diese  ganze  Heerschar  des  Unheils,  wie  sie  in  UDend- 
licher  Terzweigung  sich  ausbreitet  und  an  uns  allen  zu  Tage  tritt. 
Im  Gegensatxe  dazu  stehen  diejenigen,  welche  von  dem  Nichtwissen, 
der  Liebe,  dem  Hasse  und  den  übrigen  Oebrechen  erlöst  sind; 
und  diese  Erlösten  sind  es,  als  deren  Zufluchtsort  und  Eingangs- 
Stätte  dasjenige  bezeichnet  wird,  was  vorher  als  Stataponkt  des 
Himmels  und  der  Erde  geschildert  worden  war;  denn  die  Schrift 
sagt  weiterhin  (Mund.  2,  2,  8):  ' 

2Sd  (  „Wer  jenes  Höchst'  und  TiefiGrt;e  schaut, 

„Pem  spaltet  sich  des  Herzens  Knoten , 
„Dem  lösen  alle  Zweifel  sich, 
„Und  seine  Werke  werden  nichts: . 

.  und  sodann  heifst  es  (Mund.  3,  2,  8): 

„So  geht,  erlöst  Ton  Name  und  Gestalt, 
„Der  Weise  ein  zum  göttlich-höchsten  Qeiste.'^ 

Dafs  aber  dieser  Zufluchtsort  der  Erlösten  kein  anderer  als  das 
Brahman  ist,  steht  aus  der  Schrift  fest,  wenn  sie  z.  B.  sagt 
(Brih.  4,  4,  7): 

„Wenn  alle  Leidenschaft  verschwunden, 
„Die  iu  des  Menschen  Herzen  nistend  schleicht, 
„Dann  hat  der  Sterbliche  Unsterblichkeit  gefunden, 
„Dann  hat  das  Brahman  er  erreicht/' 

Dafs  hingegen  die  Erlösten  zur  Urmaterie  oder  dergleichen  als 
ihrem    Zufluchtsorte    eingingen,    davon    ist    nirgendwo    die    Rede. 


Sa^m  I.  ui.  2.  133 

Aach  wird  in  den  Worten:  „ihn  wüst  ihr  als  den  Einen,  als  den 
„Ätman,  die  andern  Redeh  lasset  ihr  beiseite"  (Mu94-  2,  2,  6), 
hervorgehoben  I  dafs  man  den  Stützpunkt  des  Himmels  und  der 
Erde  nur  erkennen  könne,  nachdem  man  die  Reden  beiseite  ge« 
li^ssen,  und  eben  dies  wird  in  einer  andern  Schriftstelle  in  Bezug 
auf  daa  Brahman  gelehrt,  wenn  te  heifst  (Brih.  4,  4,  21) : 

„Ihm  foraehet  nach,  die  Weisheit  zu  erringen, 
„Nicht  Worten  viel,  die  nur  Beschwerde  bringen*'; 

I  anch  darum  also  kann  der  Stützpunkt  von  Himmel,  Erde  u.  s-  w.  230 
nur  das  höcbste  Brahman  sein. 


3.    na  anumänamj  a4aC'Chabddd 
nicht  das  Gefolgerte,  weil  nicht  Rede  von  ihm. 

Dafs  hier  von  Brahman  die  Rede  ist,  dafüi*  wurde  ein  specieller 
Grand  angegeben;  dafär  aber,  dafs  hier  von  etwas  anderem  die 
Rede  sei,  lifst  sich  nicht  in  dief^er  Wmse  ein  specieller  Grund 
angeben.  Damm  heifst  es:  „nicht  das  Oefolgerte^S  d.  h.  die  von 
der  Smpti  der  Stekhya's  aufgestellte  Urmaierie,  darf  hier  unter 
dem  Stützpunkte  des  Himmeld  und  äer  Erde  verstanden  werden. 
Warum?  f,weU  nicht  Rede  von  ihm";  die  „Rede  von  ihm''  ist  eine 
auf  J6ne_  ungeistige  Urmaterie  hinweisende  Rede ;  von  dieser  also 
ist  „nidit  Rede^*  d..  h.  keine  Rede.  Denn  es  kommt  an  unserer 
Stelle  kein  Wort  vor^  welches  auf  diese  ungeistige  urmaterie  hin- 
wiese, ao  dafs  man  sie  unter  der  Ursache  und  dem  Stützpunkte 
der  Welt  verstehen  dürfte.  Wohl  aber  findet  sich  hier  ein  Wort, 
welches  auf  das  ihr  entgegengesetzte  Geistige  hinweist,  wenn  es  heifst: 
^^der  alles  kennt  und  alles  weifs'^  u.  s.w.  (Mund.  1,  l^  9).  Aus 
eben  diesem  Grunde  darf  man  hier  auch  nicht  auf  den  Wind  als 
den  Stfitspunkt  von  Himmel,  Erde  u.  s.  w.  zurückgehen. 

4.    prdna-bhric  ca 
noch  auch  der  Lebensträger. 

Wenn  es  auch  auf  den  Lebensträger,  d.  h.  auf  ^die  individuelle 
Seele,  passen  würde,  dafs  der  Stützpunkt  der  „Atmau'*  genannt 
und  als  ein  Geistiges  geschildert  wird,  |  so  pafst  auf  die  indivi-  931 
dueUe  Seele,  welche  nur  eine  durch  die  Up&dhi^s  eingeschränkte 
Erkenntnis  hat,  doch  nicht  die  Bestimmung  des  Allkennens  und 
Ailwissensi  und  darum,  weil  such  von  ihm-  „nicht  Bede^^  ist,  l&At 


134  9^i1raka-mim&ä8i 

•■  . 

sicli  auch  der  Lebenstrager  nicht  unter  dem  Stützpunkte  des 
mels  und  der  Erde  yerstehen.  Und  noch  viel  weniger  pafst  dieses 
selbst)  dafs  er  der  Stützpunkt  des  Himmels  und  der  Erde  sein 
soll,  auf  den  durch  die  Up&dhi's  eingeschränkten ,  nicht  alldurch- 
dringenden Lebensträger«  Dafs  um  seinetwillen  ein  neues  Sütram 
gemacht  wurde,  geschah  wegen  des  Folgenden.  Denn  warum  dati 
man  weiter  nicht  auf  den  Lebensträger  als  auf  den  Stützpunkt 
des  Himmels  und  der  Erde  zurückgehen?     Antwort: 


5.    bheda-Vifapadefät 
wegen  Hin  Weisung  auf  die  Verschiedenheit. 

Auch  findet  sich  hier  eine  „Hinweisung  auf  die  Vei-schiedenheit^', 
sofern  in  den  Worten:  „den  wifst  ihr  als  den  Einen,  als  den 
„Atman'*  eil)  Objekt  und  ein  Subjekt  der  Erkenntnis  erwähnt 
wird.  Das  Subjekt  der  Erkenntnis  ist,  wegen  seines  Bedürfnissee 
nach  Erlösung,  der  Lebensträger,  und  somit  bleibt  übrig,  dafs 
das  durch  das  Wort  „Atman"  bezeichnete  Brahman,  das  Objekt 
der  Erkenntnis,  der  Stützpunkt  des  Himmels  und  der  Erde  isei.  — 
Und  warum  weiter  kann  nicht  der  Lebensträger  unter  dem  Stütz- 
punkte des  Himmels  und  der  Erde  verstanden  werden?    Antwort: 

ff,   prakaranät 
wegen  des  Vorhabens. 

Auch  ist  das  gegenwärtige  Vorhaben  auf  den  höchsten  Atman 
gerichtet;  denn  wenn  es  [zu  Anfang  der  üpani^ad]  heifst:  „Waa 
„ist  das,  o  Ehrwürdiger,  mit  dessen  Erkenntnis  diese  ganze  Welt 
„erkannt  ist?"  (Mun^.  1,1,3),  so  liegt  hier  die  Absicht  vor,  in 
einer  Erkenntnis  alle  Erkenntnis  zu  befassen;  denn  allerdings 
ist  durch  die  Erkenntnis  des  alles  beseelenden  höchsten  Atman 
diese  ganze  Welt  erkannt,  nicht  aber  durch  die  blofse  Erkenntnis 
des  Lebensträgers.  —  Und  warum  weiter  ist  nicht  der  Lebens- 
träger unter  dem  Stützpunkte  des  Himmels  und  der  Erde  zu  ver- 
stehen? Antwort: 

7.    sthitirodanähhyän  ca 
auch  wegen  des  Dabeistehens  und  des  Essens. 

Im  Verlaufe  der  Stelle  von  dem  Stützpunkte  des  Himmels  und 
der    Erde,    bei    den    Worten:    „zwei    Freunde    schön    befiedert 


Sütram  I.  ui.  7.  135 

„WMse  auf  einem  Baum  verbunden  da"  (Mun^*  3,  1«  1),  ist  weiter- 
hin I  von  einem  Dabeistehen  und  einem  Essen  die  Rede,  indem  es  232 
heilst:  „der*  eine  ifst  die  süfse  Beere"  —  dies  bedeutet  das  Essen 
[lies  a^nam]  der  Frucht  der  Werke,  --r  „der  and're  schaut  nicht 
essend  ^"   —  dies    bedeutet    ein    müfsiges  Dabeistehen,  —  und 
dieses  beides,  nämlich  das  Dabeistehen  und  das  Essen,   mufs  man 
hier   von  Gott  und  von  dein  Kshetrajäa  (der.  individuelleil  Seele) 
verstehen.    Wird  nun  unter  dem  Stützpunkte  des  Himmels  und  der 
Erde  Crott  verstanden,  so  ist  es  in  der  Ordnung,  dafs  dieser,  näm- 
lich Gott}  weil  von   ihm  die'  Kode  war,   als  von   dem  Kshetrajna 
verschieden  hervorgehoben  wird ;   im   andern  Falle  wüi'de  die  Er- 
wähnung Gottes,   von  .dem  doch  keine  Bede  gewesen,  unmotiviert 
und  zusammenhanglos  sein.  —  'Aber  folgt  nicht  bei   deiner  Auf- 
'fassung  hinwiderum,   dafs  es  unmotiviert  ist,  dafs  der  Kshetrajn^ 
*als   von  Gott   vcröchieden   hervorgehoben  wird.'   —    Docli   nicht, 
weil  eine  solche  Hervorhebung  überhaupt  nicht  in  der  Ablaicht  der 
Schrift   liegt«     Denn  der  Kshetrajna,  wie  er  als  Thäter  und  Ge- 
niefser  in  den  einzelnen  Leibern,  mit  dem  Up&dhi  der  Buddhi  ver- 
bunden, besteht,  wird  nur  von  Seiten  der  Erfahrung  angenommen 
[worin  eben  das  Motiv  seiner  Erwähnung  liegt],  um  seiner  selbst 
willen  aber  von   der  Schrift  überhaupt  nicht  erwähnt.     Gott  hin- 
gegen wird,   weil   er  von  der  Erfahrung  nicht  angenommen  wird, 
van   der  Schrift  um   seiner  selbst  willen  gelehrt;    daher  bei  ihm 
eine   unmotivierte    [nur  gelegentliche]   Erwähnung  nicht  angemes- 
sen sein  würde.     Übrigens  haben  wir  schon  bei  dem  Sütram:  „die 
„beiden  in  die  Höhle  eingegangeneu,  denn  zwei  Seelen"  (1,  2,  11), 
bewiesen,  dafs  unter  den  beiden  Yögeln  in  diesem  Verse  Gott  und 
der  Eshetrajüa  zu  verstehen  sind:  und  wenn  darunter,  gemäfs  der 
aus  der  Painffi-UpaniShad  geschöpften  [oben,  S.  101  fg-  schon  be- 
sprochenen] Auslegung  das  Sattvam  und  der  Kshetrajna  verstanden 
werden  sollen,  so  geht  auch  das  ohne  Widerspruch  an.    Wie  das? 
Nun,  weil  von  dem  Lebensträger,  wie  er,  dem  Räume  in  den  Ge- 
fäfsen  vergleichbar,  unter  der  Vorstellungsform  seiner  Upadhi's,  des 
Sattvam  u.  s.  w.,  in  den  einzelnen  |  Leibern  sich  der  AutfaHi$ung  dar-  233 
bietet,  durch  unsere  Stelle  ausgeschlossen  wird,  dafs  er  der  Stütz- 
punkt von  Him^nel  und  Erde  sein  könne;   während   hingegen  der- 
jenige, welcher  allerdings  auch  [als  der  Kshetrajna]  in  allen  Leibera 
wohnt,  sofern  man  ihn  in    seiner  Befreitheit   von   den  Üpädhi's  in 
Betracht  zieht,    kein  anderer  als   der  höchste  Atmaii  ist.     So  wie 
nämlich   die  Iläunio  iii   den   Gefafsen   u.  s.  w.,    sofern  man   sie   in 
ihrer  Bofreitheit  Von  den  Upadlü^s  der  GefÜfse   in  Betracht   zieht, 
nichts  anderes  sind  als  der  grofse  Weltraum,  ebenso  ist  auch  der 
Lebensträger  [d.  h.  di^r  Ksltetrajfta^  die  individuelle  Seele],  sofern 
er  von   dem    liöchsten  Atman    nicht    verschieden    gedacht    werden 
kann,  nicht  [als  der  Stützpunkt  des  Himmels  und  der  Erde]  abzu- 
weisen; ebenderselbe  hingegen,  sofern  er  unter  der  Vorstellungsform 


136  QMraka-inimlläBa 

des  Saitvam  u.  s.  w.  aufgefaÜBt  wird,  darf  nicht  als  d^  ßtfitspuakt 
des  Himmels  und  der  Erde  betriurhtet  werden.  Somit  kann  der 
Stütsptinkt  des  'Himmels  und  der  Erde  nur  das  höchste  Brahman 
sein.  Übrigens  iat  dies  schon  durch  das  Sötram  .^der  mit  den 
„Eigenschaften  der  Unsichtbarkeit  u.  s.  w.,  wegen  Nennung  seiner 
„Qualitäten^*  (1,  2,  21)  als  bewiesen  eu  erachten,  da  mitten  in  der 
dort  besprochenen  Stelle  von  dem  Mutterschofse  der  Wesen  die 
gegenwärtig  uns  beschäjtigenden  Worte:  ,,Der  Ort  in  welchem 
Himmel,  Erd'  nad  Luftraum"  u.  s.  w.,  sich  vorfinden.  Nor  dafs 
sie,  behufs  ausführlicherer  Betrachtung,  hier  nochmals  vorgenom- 
men wurden. 


Zweites  Adhikaranam. 

'8.    bhumd^  safHprasäddd  adhi  upadefät 

die  Uhbeschränktbeit,   wegen  der  Höherstellung  über 

die  Vollberuhigung. 

Die  Schrift  sagt:  „Die  Unbeschränktheit  (hhüman)  aber  mafa 
„man  suohen  zu  erkennen.  • —  Ja,  die  Unbeechränktheit,  Verehmugs- 
„würdiger,  möchte  ich  ex^ennen.  —  Wenn  einer  [aofser  sich]  keia 
^anderes  sieht,  kein  anderes  hört,  kein  anderes  erkennt,  das  ist 
„die  Unbeschränktheit;  wenn  er  hingegen  ein  anderes  sieht,  ein 
S^4  „anderes  hört,  ein  anderes  erkennt,  t  das  ist  die  Beschränktheit 
t/olpam)'^  n. «.  w.  (Chand.  7 ,  23—24}  —  Hier  erhebt  sich  die 
Frage,  ob  unter  der  Unbeschränkthcii  der  Präna  (das  Leben)  2a 
▼erstehen  ist>  oder  der  höchste  Ätman.  —  'Woher  diese  Frage?*  — 
Kon,  was  sunftchBt  das  Wort  „Unbeschrftnktheit'*,  bhüm^mi  hetriffky 
so  bezeichnet  dasselbe  einen  Zustand  der  Grofse,  da  nach  der 
Smfiti-Regel:  ^fbahor  lopo  i^lm  ca  bahoh^^  —  „bei  hahu  [mit  Hman\ 
„AnefaU  [des  /]  und  hhii  etott  bahu^^  (Panini  6,  4,  168),  da«  Wort 
bhuman  auf  ein  Zustand-Suffix  endigt.  Welcher  Art  ist  nnn  dieser 
Zustand  der  GrÖfse?  Das  ist  n&her  zu  bestimmen.  Sofern  in  der 
NAhe  das  Wort  vorkommt:  „Der  Pr&^a,  fürwahr,  ist  grofser  (tM§dn) 
als  die  HoShung''  (Ch&nd.  7,  15, 1),  kann  es  scheinen«  als  sei  unter 
dem  Bhüman  der  Pr4i^a  zu  verstehen.  Anderseits  jedoch  kann  es 
scheinen,  wenn  man  die  Aufstellung  des  Themas  in  den  Fiingwiga- 
werten  erw&gt:  „denn  ich  habe  von  solchen,  die  dir  gleiohen^  ge* 
„hört,  dais,  wer  den  Ätman  kennt,  über  den  Kammer  hinaus  ist; 
„ich  aber,  o  Herr,  bin  bekümmert;  führe  du  mich  hinaus  über  den 
yyKnmmer*'  (Ch&nd.  7,  l»  3),  dafs  der  Bhüman  vielmehr  den  höebsten 


SOtram  I.  ui.  8.  187 

Atman    bedeutet.     Welches   soll    man  nun    davon   aanehmeD    und 
weldies  aufgeben?     Das  ist  hier  die  Frage. 

'Angenommen  also,  der  Bhüman  bedeute  den  Pr&^^u  Worum? 
*Weü  ilber  ihn  hinaus  die  Kette  von  Fragen  und  |  Antworten'  235 
{welche  Chänd.  7,  1 — 15,  jedesmal  nach  dem,  was  gröfser  sei, 
forschend,  vom  Namen  zu  Rede,  Manas,  Entschlufs,  Gedanken, 
Xeditation,  Erkenntnis,  Kraft,  Nahrung,  Wasser,  Glut,  Äther, 
Erinnerung,  Hoffnung  und  endlich  zum  Pr^^a  weiter  schreitet] 
'nicht  weiter  fortgeführt  wird.  Denn  wfthrend  es  hiefs:  „Giebt  es, 
*„o  Herr,  ein  Gröfseres  als  den  Namen?"  —  „Ja,  die  Rede  ist 
Sigi'ofser  als  der  Name 'S  und  ebenso:  ,^.Oiebt  es,  o  Herr,  ein 
'„Gröfseres  als  die  Bede?"  —  „Ja,  das  Manas  ist  gröfser  als  die 
^„Rede'S  und  in  dieser  Weise  die  Reihe  der  Fr£gen  und  Antworten 
*vom  Namen  Au  bis  zum  Vrkna,  hin  immer  weiter  fortschreitet,  so 
^findet  sicli  über  den  Pr&i^a*  hinaus  weiterhin  keine  derartige  Frage 
*und  Antwort  mehr,  so  als  wexm  es  hiefse:  „Giebt  es,  o  Herr,  ein 
'„Grdiseres  als  den  Pr&na"  und  geantwortet  wurde:  „Ja,  dies  und 
S,das  ist  gröfser  als  der  Prfina."  Vielmehr,  nachdem  der  Präna 
^f&r  gi'dfser  als  [alle  PrinoipienJ  vom  Namen  an  bis  zur  Hoffnung 
^bin  in  den  Worten:  „Ja,  der  Pr^a  ist  gröfser  als  die  Hoffnung^' 
*u.  8.  w.  (Chand.  7,  15,  1)  ausführlich  erklärt  worden,  und  nachdem 
'demjenigen,  der  den  Präi^a  kenne,  das  Pr&dikat  eines  Absprechend 
*^(ativddin)  zuerkannt  worden  in  den  Worten:  „[Fürwahr,  wer  also 
*„8ieht  und  denkt  und  erkennt,  der  ist  ein  Abspreoher;  und  wenn 
S,mxn  Bu  ihm  sagt:]  du  bist  ein  Absprecher!  so  soll  er  es  zuge- 
\iben  und  nicht  leugnen'*  (Chftnd.  7,  15,  4),  —  so  heÜst  es  weiter: 
'„Der  aber  nur  ist  der  rechte  Absprecher>  welcher  durch  die  Wahi*- 
S,heit  abspricht'*  (^Chand.  7,  16);  hier  wird  das  Absprechersein 
'dessen,  der  dem  PrlLna  huldige,  wieder  aufgenommen  und,  ohne 
'dafs  jder  Pr4na  fallen  gelaasen  würde,  schreitet  die  Bede  weiter 
'fort  durch  die  Reihenfolge  von  Wahrheit  u.  s.  w.  bis  zum  Bhüman 
'iun  p^ahrheit,  Erkenntnis^  Verstand,  Glaube,  Gewifsheit,  That, 
'Lust,  Bhüman,  ChÄnd.  7,  16^24]i  worau9  folgt,  dafs  die  Sefarifi 
'dea  Pr&9a  eben  für  den  Bh^an  hält/  *—  Aber  wenn  der  Pr&na 
üSr  den  Bh&man  erklärt  wird,  wie  soll  man  dann  das  Wort  ver- 
stehen, welches  als  Charakter  des  Bhüman  angiebt:  „wenn  einer ~ 
„[aufser  sich]  kein  anderes  sieht"  u.  s.  w.?  —  *  Hierauf  erwidern 
'wir:  weil  im  Zustande  des  TiefsdJafes,  wo  die  Sinnesorgane  in 
'den  Prä^a  eingehen,  keine  Thätigkeit  des  Sehens  u.  s.  w.  statt- 
'findet,  I  deswegen  kann  man  die  in  den  Worten  „wenn  einer  kein  236 
'„anderes  sieht^'  liegende  Charakterisierung  auch  auf  den  Pr&^ 
'beziehen,  und  so  sagt  auch  die  Schrift,  nachdem  sie  in  den  Worten 
'„er  sieht  nicht,  er  hört  nicht"  u.  s.  w.  (Pragna  4,  2)  den  Zustand 
'd«8  Tiebchlafes  als  einen  solchen  geschildert  hat,  in  welchem  die 
'Thätigkeit  alier  Organe  zur  Ruhe  kommt,  weiter:  ,,daiin  halten 
',,iiQr  die  Wachtfeuer  des  Pr&na  in  dieser  Stadt  Wacht"  (Pia^na  4,  3). 


1 38  ^'iirti;aka-mi  mA  i'isa 

'Indem  diese  Stelle  eben  in  jenem  Zustande  [des  Tiefschiafes]  dem 
'fünffachen  Pra^a  ein  Wachen  zuschreibt,  lehrt  sie,  dafs  der  Pr&na 
4m  Tiefschlafe  die  Oberhand  hat.  Und  auch  die  Last,  welche 
'dem  Bhüman  in  den  Worten:  „fürwahr  der  Bhüman  ist  die  Luat'^ 
'(Ch&nd.  7,  28)  beigelegt  wird,  läfst  sich  damit  wohl  vereinigen; 
'denn  auch  die  Stelle:  „daselbst  siebet  dieser  Gott  keine  Träume, 
'„dann  herrscht  in  diesem  Leibe  ganz  die  Lusi'f.  (Prayna  4,  6), 
'lehrt  eben  für  den  Zustand  des  Tiefschiafes  das  Vorherrschen  der 
'Lust.  Femer  auch  die  Stelle:  „der  Bhüman  ist  das  Unsterbliche" 
'(Ch&nd.  7|  24,  1)  spricht  nicht  gegen  den  Prft^a;  denn  die  Schrift 
'sagt:  „der  Präna  ftür^ahr  ist  das  Unsterbliche"  (vgl.  Kaush.  3,  2).' 
—  Aber  wie  läfst  sich  mit  der  Auffassun|^  des  Bhüman  als  Prftna 
die  Stolle  in  Einklang  bringen :  „wer  den  Atman  kennt,  ist  über  den 
„Kummer  hinaus'^  (Chand.  7,^1,  3),  in  welcher  als  Moüv  des  Vor- 
habens das  Verlangen,  den  Atman  zu  erkennen,  bezeichnet  wird? 
*-  'Daduroh,  so  antworten  wir,  dafs  hier  unter  dem  Atman  eben 
'der  Pr&i^  verstanden  wird.  Dem  entspricht  es,  dafs  die  Stelle: 
'„der  Prai^a  ist  Vater,  der  Präna  Mutter,  der  Präna  Bruder,  der 
'„Prana  Schwester,'  der  PrAna  Lehrer  und  Brahmane"  (Chand.  7, 15, 1) 
'den  PriLna  für  den  Atman  (die  Seele)  in  allen  Wesen  erklärt,  so 
'wie  auch,  dafs  es  weiter  heifat:  „wie  die  Speichen  eingefügt  sind 
'„in  die  Nabe,  so  ist  alles  in  diesen  Präna  eingefügt"  (Chand. 
^7, '15,  1).  Aus  dieser  Stelle  von  der  Allbeseelung  und  aus  dem 
'Oleichnisse  von  den  Speichen  und  der  Nabe  erkläit  sich  auch, 
'warum  dem  Prftna  die  den  Bhüman  charakterisierende  unermefs- 
'liehe  Gröfse  beigelegt  wird.  Folglich  ist  der  Bhüman  der  Prana; 
'dieses  ist  unsere  Annahme.' 

Hierauf  erwidern  wir  wie  folgt.  Nur  der  höchste  Atman  und 
nicht  der  Prlli^a  kann  hier  unter  dem  Bhüman  verstanden  werden. 
237  I  Warum?  „Wegen  der  Höherstelluug  über  die  Vollberuhigung", 
Die  „Vollberuhigung"  (samprtisdda)  bedeutet  hier  den  Zustand  des 
Tiefschlafes,  wie  sich  schon  aus  der  Worterklärung,  sofern  man  in  die- 
sem vollständig  zur  Ruhe  kommt  (samyah  prasidati)^  ergiebt,  sowie 
auch  daraus,  dafs  im  Brihadaranyakam  die  VoUberuliigung  (satnprd^ 
sdda)  mit  den  Zuständen  des  Träumens  und  des  Wachens  zusammeu 
erwähnt  wird  (Brih.  4,  3, 15).  Und  weil  nun  in  diesem  Zustande  der 
Vollberuhigung  der  Prana  wach  bleibt,  darum  ist  hier  [in  den  Worten 
des  Sütram]  unter  der  Vollbemhigung  der  Prana  zu  verstehen, 
und  der  Sinn  der  Worte  ist:  „weil  der  Bhüman  höher  gestellt 
„wird  als  der  Prana."  Wäre  nun  der  Prana  auch  wieder  unter 
dem  Bhüman  zu  verstehen,  so  würde  er  höher  gestellt  werden  als 
er  selbst,  was  widersinnig  ist;  denn  es  heifst  ja  nicht  im  VorKeri- 
gen:  „der  Name  ist  gröfser  als  der  Name",  so  dafs  der  Name 
höher  als  er  selbst  gestellt  würde,  sondern  es  wird  vielmehr  von 
dem  Namen  auf  ein  anderes  [als  das  Gröfaere]  hingewiesen,  näm- 
lich auf  die  Rede,  denn  es  heifst:   „ja,   die  Rede   ist  gröfser  als 


Sütram  I.  in.  8.  139 

„der  Name'%  und  in  derselben  Weine  wird  auch  von  der  Rede  a.  s.  w. 
bis  zum  Pr4na  hin  das  Nächstfolgende  jedesmal  als  das  Höhere 
hingestellt;  in  eben  derselben  Weise  aber  wird  der  BhOunan  höher 
gestellt  als  der  Fr&na,  und  folglich  mufs  er  von  dem  Prft^a  ver- 
schieden sein.  —  'Aber  hier  kommt  doch  nicht  mehr  weiter  die 
'Frage  vor,  „giebt  es,  o  Herr,  ein  Gröfseres  als  den  Prfti^a",  und 
'ebensowenig  die  Antwort,  „ja,  dies  und  das  ist  gröfser  als  der 
^„Pr&na'^;  wie  kann  man  also  behaupten,  dafs  der  Bhüman  höher 
'gesteht  werde  als  der  Pr&^a?  Auch  wird  ja  das  auf  den  Präna 
'bezügliche  Absprechersein  weiterhin  wieder  aufgenommen,  denn  es 
^heifst:  „der  aber  nur  ist  der  rechte  Absprecher,  welcher  durch  die 
'„Wahrheit  abspricht",  so  dafis  |  eine  Höherstellung  über  den  Prana  *238 
^hinaus  doch  überhaupt  gar  nicht  stattfindet!*  —  Hierauf  erwidern 
wir:  Bun&chst  ist  es  nicht  richtig,  dafs  jene  Herbeiziehuug  des. 
Absprecherseins  so  geschieht,  dafs  dasselbe  sich  auf  den  Prai^ 
bezöge;  vielmehr  wird  ein  Unterschied  [von  dem  Absprecbersein 
auf  Grund  der  Erkenntnis  des  Präna]  hervorgehoben  in  den  Worten 
„welcher  durch  die  Wahrheit  abspricht."  —  'Aber  kann  sich 
jjiicht,  auch  jene  Hervorhebung  des  Unterschiedes  auf  den  Prana  . 
'beziehen?  Nämlich,  so  wie,  wenn  man  sagt:  „der  ist  der  rechte 
'„Opferer,  welcher  die  Wahrheit  spricht",  hiermit  nicht  gemeint 
'ist,  dafs  jeder,  welcher  die  Wahrheit  spricht,  auch  ein  Opferer 
'sei,  sondern  nur  dei jenige,  welcher  wirklich  opfert,  das  Sprechen 
'der  Wahrheit  aber  als  ein  Merkmal  des  Opferers  hervorgehoben 
'wird,  ebenso  liegt  auch  in  den  Worten:  „der  aber  nur  ist  der 
'„rechte  Absprecher,  welcher  durch  die  Wahrheit  abspricht",  nicht, 
'dafs  jeder,  der  die  Wahrheit  spricht,  ein  Absprecher  sei,  sondern 
'nur  dafs  deijeuige  es  sei,  welcher  die  in  Rede  stehende  Erkennt- 
'nis  des  Prä^a  besitzt,  wobei  als  Merkmal  dessen,  der  den  Prana 
'kennt,  das  Sprechen  der  Wahrheit  angegeben  wird.*  —  Diese  . 
Auffassung  lasten  wir  nicht  zu,  weil  sie  vom  Schrifbsinne  abweicht; 
denn  die  Schrift  fafst  hier  das  Absprecbersein  so  auf,  dafs  dasselbe 
durch  das  Sprechen  der  Wahrheit  erlangt  wird,  indem  sie  erklärt, 
dafs  deijenige  der  rechte  Absprecher  sei,  welcher  durch  die  Wahr- 
heit abspreche.  Hierbei  ist  von  der  Erkenntnis  des  Prana  gar 
keine  Rede.  Vielmehr  würde  es  nur  um  des  Vorhergehenden 
willen  geschehen,  wenn  man  die  Erkenntnis  des  Präna  damit  in 
Verbindung  brächte.  Dann  aber  würde  dem  Vorhergehenden  zu 
Liebe  vom  Schriftsinne  abgegangen  werden.  Aufserdem  würde 
dann  auch  das  Wörtchen  „aber"  nicht  passen,  welches  ein  Abgehen 
von  dem  Vorhergehenden  anzeigt;  denn  wenn  es  heilst:  „der  aber 
„nur  ist  der  rechte  Absprecher",  und  weiter:  „die  Wahrheit  aber 
„mufs  man  somit  erforschen"  (Chänd.  7,  16,  1),  so  wird  in  diesen 
Worten  ein  neuer  Anlauf  genommen,  und  dies  beweist,  dafs  von 
einer  neuen  Sache  |  die  Rede  sein  soll.  Es  ist  damit  ähnlich,  wie  239 
weim  es  sich  z.  6.   um   die  Verherrlichung   eines   solchen    handelt. 


140  ^MriMca-miinänslL 

der  einen  der  vier  Yeden  kannt,  und  dann  weiter  gesagt  wird; 
„der  aber  iBt  ein  grofser  Brahmane,  welcher  alle  Tier  Veden  kennV; 
hier  handelt  es  eich  nicht  mehr  um  die  Kenner  eines  Veda^  son- 
dern um  etwas  Neues,  namlioh  um  die  Verherrlichung  desjenigen, 
welcher  aUe  vier  Veden  kennt.  Auch  braucht  der  Übergang  zu 
einer  neuen  Sache  hier  nicht  notwendig  in  der  Form  von  Frage 
und  Antwort  stattaufinden;  vielmehr  kann  ein  solcher  Übergang 
zu  etwas  Neu^n  auch  dadurch  bewirkt  werden,  dafs  mit  dem  Vor- 
hergehenden kein  Zusammenhang  stattfindet;  so  hier,  wo  Nftrada, 
nachdem  er  die  bei  dem  Präna  abschliefsenden  Anpreisungen  an- 
gehört bat,  stille  schweigt,  und  nun  Sanatkumära  ihn  ans  freien 
Stücken  weiter  fördert.  Weil  nämlich  das  Abaprechersein  durch 
die  Erkenntnis  des  PrÄna,  welcher  in  den  Bereidi  dei^  Unwahrheit 
der  Umwandlungen  gehört,  kein  wahres  Absprechersein  ist,  darum 
heifst  es  weiter:  „der  aber  nur  ist  d^  rechte  Abspreoher,  welcher 
„durch  die  Wahrheit  abspricht«*  (Chänd.  7,  16,  1).  Die  Wahrheit 
bedeutet  hier  das  höhere  Brahmani  weil  es  die  hödiste  Beaütät 
ist,  und  weil  eine  andere  Schrift  sagt:  „Wahrheit,  Erkenntnis, 
„Unendlichkeit  ist  da»  Brahman«'  (Taitt  2,  1).  Hierdurch  angeregt 
sagt  N&rada:  „ich  mödite,  o  Herr,  durch  die  Wahrheit  absprechen*^, 
und  darauf  hin  wird  er  durch  eine  Reihe  von  Mittelgliedern,  wiö 
Erkenntnis  u.  s.  w.,  auf  den  Bhäman  hingef&hrt.  Also  die  Wahr* 
S40  heit,  welche  höher  steht  als  der  Pr&^a,  |  und  deren  Mitteilung 
hier  verheifsen  wird,  diese  eben  liegt  in  dem  Bhüman;  dieses  er^ 
giebt  sich  als  der  Sinn  der  Schrift.  Der  Bhäman  wird  somit 
höher  gestellt  als  der  Pr&i^a,  ist  folglich  von  ihm  verschieden  und 
mufs  als  der  höchste  Atman  aufgefafst  werden.  Hierzu  stimmt  es 
auch,  dafs  zu  Anfang  als  Motiv  des  Vorhabens  der  Wunsch  aa« 
(gegeben  wurde,  den  Atman  zu  erkennen.  Dafs  hierbei  unter  dem 
Ätmao  der  PriLna  zu  verstehen  sei  [wie  p.  236,  11  behauptet 
wurde],  l&fst  sich  nicht  annehmen;  denn  der  Pr&na  ist  nicht  der 
Atman  im  eigentlichen  Sinne.  Hierzu  kommt,  dafs  das  Aufhören 
des  Kummers  nicht  anders  aIs  durch  die  Erkenntnis  des  höchsten 
Atihan  möglich  ist;  denn  eine  andere  Schriftstelle  sagt:  „es  ist 
„kein  anderer  Weg  zum  GFehen**  (Qvet.  6,  16).  Es  hiels  aber  zu 
Eingang  unserer  Stelle:  ^fOhte  du  mich,  o  Herr,  hinaus  über  den 
„Kummer*'  (Ch&nd.  7,  1,  8),  und  zum  Sdilusse  heifst  es:  „sq  zeigte 
„ihm,  dessen  Verdunkelung  gewichen  war,  da«  Ufer  jenseits  der 
„Finsternis  der  heilige  Sanatkumara*'  (Gh&nd.  7,  26,  2).  Unter 
der  Finsternis  ist  hier  das  Nichtwissen  zu  verstehen,  welches  die 
Ursache  des  Kummers  u.  s.  w.  ist.  Wftre  hingegen  der  Pt&^B  der 
letzte  Zweck  der  Anpreisung,  so  könnte  ferner  auch  nicht  die 
Abhängigkeit  des  Pr^a  von  einem  andern  hervorgehoben  w^den; 
nun  aber  sagt  das  Brähmanam  (Ch&nd.  7i  26,  1):  „von  dem  Atman 
„rührt  her  der  Pr&^a."  Wollte  endlich  jemand  behaupten,  data 
zwar  am  Schlüsse  des  Abschnittes  der  höchste  Atman  gemeint  sein 


Sfttram  L  ni.  8.  141 

möge,  dafa  aber  unter  dem  Bhümao  nooh  der  Frftna  verstatiden 
werden  müsse,  so  ist  das  nicht  zuzugeben,  weil  von  den  Worten 
an:  „aber  worauf  gründet  denn  er  sich,  o  Herr?  —  Er  gründet 
„sich  auf  seine  eigne  Majest&i*^  (Ghftnd.  7,  24,  1)  bis  zum  Ende 
des  Abschnittes  immerfort  nur  von  dem  Bhüman  die  Rede  ist. 
Auch  was  die  {von  dem  Gegner  p.  236,  16  für  den  Pr&na  geltend 
gemachte]  unermefslicfae  Gröise  der  dem  Bhüman  beigelegten  Ge- 
stalt betrifii,  so  pafst  dieselbe  noch  viel  besser  auf  den  höchsten 
Atman,  sofern  dieser  die  Ursache  von  allem  ist. 


9.    dkarma-upapatfeg  ca  24 1 

auch  wegen  des  Zutreffens  der  QualitäteD. 

Hierzu  kommt,  dals  auch  die  dem  Bhüman  zugeschriebenen 
Qualitäten  auf  den  höchsten  Ätman  zutreifen;  denn  wenn  es  heilst: 
wenn  einer  kein  anderes  sieht,  kein  anderes  hört,  kein  anderes 
erkennt,  das  ist  der  Bhüman**  (Gh&nd.  7,  24,  1),  so  wird  hier  von 
dem  Bhüman  ein  Aufhören  der  Th&tigkeiten  des  Sehens  u.  s.  w. 
gelehrt,  und  dieses  Aufhören  der  Thätigkeiten  des  Sehens  u.  s.  w. 
ist  bekanntlich  ein  Merkmal  des  höchsten  Ätman,  sofern  eine  an- 
dere Schriftstelle  aagt:  „wo  aber  einem  alles  zum  eignen  Selbste 
,,geworden  ist,  wie  sollte  er  da  irgend  wen  sehen '^  u.  s.  w.  (Brih. 
4,  6,  15).  Und  auch  was  jenes  [aus  Pra^na  4,  2 — 3  geltend 
gemachte]  Aufhören  der  Th&tigkeiten  des  Sehens  u.  s.  w.  im  Zu- 
stande des  Tiefschlafes  betrifft,  so  ist  auch  dies  nur  bestimmt,  die 
Unberührbarkeit  des  Atman  [von  den  Eindrücken  der  Sinnenwelt], 
nicht  aber  die  Wesenheit  des  Fr&na  zu  schildern,  da  an  der  be- 
treffenden  Stelle  [vgl.  Pra^^.  4,  7]  von  dem  höchsten  Atman  die 
Rede  ist.  Und  auch  die  Lust,  welche  als  in  diesem  Zustande 
herrschend  ^bezeichnet  wurde,  soll  nur  dienen  um  zu  lehren,  dafs 
eben  der  Atman  seinem  Wesen  nach  Lust  ist;  denn  die  Schrift 
sagt  [von  der  Wonne  des  Brahman]:  „dieses  ist  seine  höchste 
„Wonne;  durch  ein  kleines  Teilchen  nur  dieser  Wonne  haben  ihr 
,^Leben  die  andern  Kreaturen"  (Brih.  4,3,  32);  und  so  hoifst  es 
auch  an  unserer  Stelle  „die  Unbeschränktheit  (hhuman),  das  ist 
„die  Lust;  in  der  Beschränktheit  ist  keine  Lust;  darum  ist  die 
„Unbeschränktheit  die  Lust*^  (Chand.  7,  23,  1);  wenn  liior  die 
mangelhafte  (sämapa)  Lust  [der  Beschränktheit]  ausgeschlossen 
wird,  so  beweist  dies,  dafs  der  als  Lust  aufgefafste  Bhüman  das 
Brahman  ist.  Auch  die  Erwähnung  der  Unsterblichkeit  in  den 
Worten  „die  Unbeschränktheit  ist  das  Unsterbliche"  (Chänd.  7,  24,  1) 
weist  auf  die  höchste  Ursache  hin,  indem  die  Unsterblichkeit  alles 
Erschaffenen  nur  eine  relative  ist,  wie  denn  auch  eine  andere 
Schriftstelle  sagt:    „was  von  ihm    verschieden,    das    ist    leidvoll" 


142  Qlliriraka-mtinaits& 

(Brih.  3,  4,  2).  Ebenso  steht  es  mit  den  übrigen  Qualitäten,  dafs 
er  die  Wahrheit  ist,  dafs  er  auf  seine  eigene  Migestät  sich  grün- 
det, dafs  er  allgegenwärtig  und  die  Seele  von  allem  ist;  alle  diese 
342  I  dem  Bhüman  Ton^der  Schrift  beigelegten  Qualitäten  passen  nur 
auf  den  höchsten  Atman  und  auf  nichts  anderes.  Somit  ist  be- 
wiesen, dafs  der  Bhüman  den  höchsten  Ätman  bedeutet.    - 


Drittes  Adkikaranam. 

10.    aksharam,  ambara-anta-dkriteh 

das  Unvergängliche,  wegen  der  Befassung  bis  zum 

Äther  hin. 

Es  heifst:  „aber  worin  ist  denn  der  Äther  eingewoben  und 
„angewoben?  —  Er  antwortete:  es  ist  das,  o  Gärgi,  was  die 
„Brahmanen  das  Unrergängliche  (aksharam)  nennen;  es  ist  nicht 
„grob  und  nicht  fein*^  u.  s.  w.  (Bph.  3,  8,  7 — 8).  Hier  erhebt 
sich  die  Frage,  ob  unter  dem  „unvergänglichen"  (olksharam)  der 
Buchstabe  [welcher,  als  das  nicht  weiter  auflösliche  Urelement  der 
Rede,  Ton  den  Indem  aksharam  genannt  wird]  oder  aber  der 
höchste  Gott  zu  vei*stehen  ist. 

Man  könnte  denken:  'da  in  Ausdrücken  wie  akst^ara-samä-- 
^vmaya  (Buchstabenverzelchnis,  Alphabet)  das  Wort  ak^haram  für 
SjBuchstabe"  gebräuchlich,  und  von  dem  Gebräuchlichen  abzuwei- 
'chen  nicht  ziemlich  ist,  da  ferner  auch  in  andern  Schriftstellen, 
'wie :  „dieses  Weltall  ist  nur  der  Laut  Om"  (Chänd.  2 ,  23,  4)  die 
'[drei  in  Om  enthaltenen]  Buchstaben  zum  Zwecke  ihrer  Ver- 
mehrung für  die  Seele  des  Weltganzen  erklärt  werden,  so  sei  auch 
'an  unserer  Stelle  unter  dem  aksharam  nur  der  Buchstabe  zu  rer- 
'stehen.' 

Auf  diese  Annahme  ist  zu  erwidern,  dafs  das  Wort  aksharam 
hier  nur  den  höchsten  Atman  bedeuten  kann;  warum:  „wegen  der 
„Befassung  bis  zum  Äther  hin",  d.  h.  weil  er  alles  durch  Um- 
wandlung Entstandene  von  der  Erde  an  bis  zum  Äther  hin  in 
sich  befafst.  Nämlich  die  Gesamtheit  alles  Umgewandelten,  Erde 
u.  8.  w. ,  wie  es  durch  die  Dreiheit  der  Zeiten  [Vergangenheit, 
Gegenwart,  Zukunft]  sich  verteilt,  wird  durch  die  Worte:  „das 
„ist  angewoben  und  eingewoben  in  dem  Äther"  (Brih.  3,  8,  7)  als 
in  dem  Äther  gegründet  nachgewiesen ;  und  auf  die  weitere  Frage : 
„aber  worin  ist  denn  der  Äther  eingewoben  und  angewobeh?^' 
243  wird  zur  Antwort  auf  jenes  |  Unvergängliche   (aksharam)   hinge- 


Sütrani  L  m.  10.  143 

wiesen;  und  ebenso  heilst  es  ^um  Beschlüsse:  „fürwahr  in  diesem 
„Unv4^r<?änglichen  ist  der  Äther  einj^ewobon  und  ungewoben,  oGTirgl" 
(Brih.  liy  8, 11).  Diese  „Befnssung  alles  Seienden  bis  zum  Äther  hin" 
kann  von  keinem  andern  als  von  Brahman  ausgesagt  werden,  und 
auch  wenn  es  (Chand.  2/  23,  4)  heifst:  „dieses  Weltall  ist  nur  der 
„Laut  OiM*S  so  wird  auch  hier  der  Laut  Om  als  ein  Mittel  der 
ßrlangung  des  Brahman  der  Anpreisung  halber  erwähnt.  Darum, 
und  weil  in  dem  Worte  akshnram  liegt,  dafs  es  nicht  vergeht 
(na  ksharati)y  und  dafs  es  durchdringt  (acnute),  also  wegen  der 
Ewigkeit  und  der  Alldurchdringung,  bedeutet  aksharam  das  höhere 
Brahman. 

*Das  mag  ja  sein',  könnte  man  einwenden,  *aber  wenn  die  Bo- 
'fassung  voll  allem  bis  zum  Äther  hin  als  die  Abhängigkeit  alles 
'Gewordenen  von  seiner  Ursache  verstanden  wird,  dann  kann  diese 
^Befassung  von  allem  bis  zum  Äther  hin  auch  von  denen  geltend 
^gemacht  werden,  welche  die  Urmaterie  für  die  Weltursache  halten; 
'mit  welchem  Rechte  also  findet  man  in  dieser  Befassung  eine 
'Darlegung  des  Brahman?^  —  Darauf  dient  zur  Antwort: 


11.    sä  ca  praQasanM 
und  eine  solche,  wegen  des  Geheifses. 

„Und  eine  solche^'  d.  h.  ein  Werk  des  höchsten  Gottes  ist  die 
Befassung  von  allem  bis  zum  Äther  hin  „wegen  des  Geheifses"; 
denn  von  einem  Geheifse  ist  hier  die  Rede,  wenn  es  heifst:  „auf 
„dieses  Unvergäiiglichou  Oeheifs,  o  Gargi,  stehen  auseinanderge- 
„halten  Sonne  und  Mond"  u.  s.  w.  (Brih.  3 ,  8,  9).  Dieses  Geheifs 
kann  nur  eine  Wirkung  des  höchsten  Gottes,  nicht  aber  eines 
Ungeistigen  sein.  Denn  ungeistigen  Dingen,  welche,  wie  z.  B.  der 
Tbon,  die  Ursache  der  Gefäfse  u.  s.  w.  sind,  kommt  ein  auf  die 
Gefäfse  u.  s.  w.  bezügliches  Befehlen  nicht  zu. 

12.    anya-bhava-vjfävritteQ  ca  244 

auch  wegen  der  Ausschliefsung  anderer  Möglichkeit, 

„Auch  wegen  der  Ausschliefsung  anderer  Möglichkeit",  —  auch 
aus  diesem  Grunde  mufs  man  unter  dem  Worte  dksharam  das 
Brahman  verstehen,  so  dafs  die  Befassung  von  allem  bis  zum 
Äther  hin  seih  Werk  und  nicht  das  eines  andern  ist.  Aber  was 
heifst  das:  „wegen  der  Ausschliefsung  anderer  Möglichkeit?"  — 
f^Andere  Möglichkeit"  ist  die  Möglichkeit  eines  andern;  die  Aus- 
schliefsung einer  solchen  ist  die  „Ausschliefsung  anderer  Möglichkeit." 


^^Ti 


144  C^r'^^^^'^^i^^^sü 

Das  heifst  mit  andern  Worten:  das  anderej  von  Brahman  Verschie- 
dene, welches  man  hier  als  unter  dem  Worte  ak^iaram  zu  verstehen 
mutmafsen  könnte,  dessen  Möglichkeit  schliefst  die  Schrift  selbst  von 
diesem  alles  bis  zom  Äther  hin  befassenden  Uiivergänglichem  aus, 
wenn  sie  sagt:  „wahrlich  dieses  Unvergängliche,  o  Gärgi,  ist  sehend 
„nicht  gesehen,  hörend  nicht  gehört,  denkend  nicht  gedacht,  erken- 
y,nend  nicbt  erkannt"  (Bnh.  3,  8,  11);  hier  würden  die  Bezeichnung 
gen  als  „nicht  gesehen"  u.  s.  w.  auch  auf  die  Urmaterie  passen,  hin- 
gegen die  Bezeichnungen  als  ),8ehend"  u.  s.  w.  passen  nicht  auf  sie, 
wegen  ihrer  Ungeistigkeit.  Und  wenn  es  ebendaselbst  weiter  heilst: 
„nicht  giebt  es  anfser  ihm  ein  Sehendes,  nicht  giebt  es  aufser  ihm 
„ein  Hörendes,  nicht  giebt  es  aufser  ihm  ein  Denkendes,  nicht 
„giebt  es  aufser  ihm  ein  Erkennendes*'  (Brih.  3,  8,  11),  so  darf 
man,  wegen  der  in^  dieser  Stelle  vorliegenden  Bestreitung  einer 
Yielheitlichkeit  des  Ätman,  unter  dem  Worte  ahiharam  auch  nicht 
die  mit  den  Up&dhi*s  behaftete  verkörperte  Seele  verstehen,  da 
durch  die  [vorhergehenden]  Worte:  „es  ist  ohne  Auge,  ohne  (Hu*, 
„ohne  Rede,  ohne  Manas"  •  (Brih.  3,  8,  8)  jede  Behaftung  mit 
Up&dhi*s  [von  dem  hohem  Brahman]  ausgeschlossen  wird.  Ohne 
solche  Up&dhi's  aber  kann  es  gar  keine  verkörperte  Seele  geben. 
Darum  ist  [nicht  sie,  sondern]  nur  das  höchste  Brahman  luiter 
dem  „Unvergänglichen" 'zu  verstehen;  das  ist  gewifs. 


Viertes  Adhikaranam. 

S45  13.    iksh(Ui'Jcarma'Vyapade(ät  sah 

weil  als  Werk  (Objekt)  des  Schauens  bezeichnet,  er. 

„Fürwahr,  o  Satyak&ma,  der  Laut  Om  ist  das  höhere  und  das 
„niedere  Brahman.  Darum .  erlangt  der  Wissende,  |  wenn  er  sich 
„auf  denselben  stützt,  das  eine  oder  das  andere"  (Pra^na  6,  2). 
Im  Verlaufe  dieser  Stelle  heifst  es:  „wenn  er  hingegen  durch  alle 
„drei  Elemente  des  Lautes  Otn  den  höchsten  Geist  meditiert^  u.  s.  w. 
(Pra^na  5,  5).  Hier  entsteht  die  Frage,  ob  in  dieser  Stelle  von 
einer  Meditation  des  höhern  oder  des  niedem  Brahman  die  Bede 
ist,  indem  ja  nach  den  Eingangsworten  der  Wissende,  wenn  er 
sich  auf  den  Laut  Om  stützt^  ^von  dem  hohem  und  niedem  [Brah- 
man] das  eine  oder  das  ändert  erlangt. 

Angenommen  also,  'es  sei  hier  von  dem  niedem  Brahman  die 
^Rede;  warum?  weil  in  den  Worten  „nachdem  er  in  das  Licht,  in 
'„die  Soime  eingegangen"  und  „von   den  Säman-hiedem  wird   er 


do'tnim  I.  in.  18.  145 

/,»0mporge£ahrt  aar  Bralunanwelt^'  (Pragna  5,  6)  demjenigen,  der 
'solebeg  weifs,  eine  räumlich  begrenzte  Belohnung  yerheifsen  wird. 
*Denn  wer  das  höhere  Brahman  erkannt  hat,  der  kann  nicht  eine 
^ftnmlich  hegrenste  Belohnung  erlangen,  weil  das  höhere  Brahman 
'allgi^^nwftrtig  ist.  Man  darf  nicht  einwenden,  dafa  hei  der  Auf- 
^faseuttg  als  das  niedere  Brahman  die  Bezeichnung,  dala  er  „den 
^„höchsten  Geiat^'  meditiere,  nicht  paese,  indem,  im  Vergleich  mit. 
4em  I^eihe,  der  Pr&na  [d.  h.  das  niedere  Brahman  als  Prinoip  des 
individuellen  Lebens]  als  das  Höhere  besseichnet  werden  kann/ 

Auf  diese  Einwendung  antworten  wir,  dafs  es  nur  das  höhere 
Brahman  sein  kann,  welches  hier  zur  Meditation  empfohlen  wird; 
warum?  „weil  er  als  Werk  (Objekt)  des  Schauens  be2eichnet  [ 
„wird/'  Das  Schauen  bedeutet  ein  Sehen,  da  der  Begriff  des  24G 
Schauens  unter  dem  ^[allgemeineren]  des  Sehens  befafst  (daixana* 
^äpyam)  wird.  Der  hier  aur  Meditation  empfohlene  Geist  wird) 
nämlich  im  weiteren  Verlaufe  als  ein  Objekt  der  Thätigkeit  des 
Schauens  bezeichnet,  denn  es  heifst  (Pra^na  5,  Ö):  ;,dann  schaut  er 
„ihn,  der  höher  ist  als  dieser  höchste  Komplex  des  Lebens,  den 
„in  der  Burg  [des  Leibes]  wohnenden  Geist  (purü^ayonn  purusham).^* 
Die  Th&tigkeit  des  Meditierens  könnte  sich  auch  auf  ein  Objekt 
beziehen,  welches  in  Wirklichkeit  nicht  so  ist,  indem  man  auch 
einen  Gegenstand  des  blofsen  Wunsches  meditieren  kann;  die 
Th&tigkeit  des  Schauens  hingegen  mufs  als  Objekt  einen  Gegen- 
stand haben,  Welche^  wirklich  in  der  Erfahrung  ebenso  vorhanden 
ist;  darum  kann  nur  der  höchste  Atman,  weil  nur  er  der  Gegen* 
stand  der  vollkommenen  Erkenntnis  ist,  hier,  unter  dem  Objekte 
der  Thfitigkeit  des  Schauens  verstanden  werden.  Und  eben  der- 
selbe ist  anzuerkennen  als  deijenige,  welcher  vorher  mit  den  Worten 
„der  höchste  Geisf  als  Gegenstand  der  Meditation  bezoichnet 
wird.  —  *Aber  bei  der  Meditation  hiefs  es  doch  „  der  höchste 
S,€ki8t*^,  und  bei  dem  Schauen  heifst  es  „höher  als  der  höchste"; 
Vie  kann  also  hier  der  'nämliche  an  beiden  Stellen  verstanden 
^werden?*  —  Wir  antworten:  zunächst  sind  die  Worte:  „der  höchste^' 
und  „Geist"  an  beiden  Stellen  gemeinsam,  und  unter  dem  „Kom- 
plexe des  Lebens^'  ist  nicht  etwa  der  vorher  erwähnte,  zu  medi- 
tierende Geist  zu  verstehen,  so  dafs  der  zu  schauende  Geist  noch 
hoher  als  dieser  höchste,  und  ein  anderer  wäre.  —  ^Aber  was  ist 
denn  der  „Komplex  des  Lebens*'?*  —  Wir  antworten:  „Komplex^'' 
bedeutet  eine  Kompaktheit,  welche,  auf  das  Leben  bezogen,  ein. 
,;Komplex  des  Lebens"  heilst,  |  der  so  atts  Leben  besteht  wie  der  247 
Salzklumpen  aus  Salz;  nämlich  deijenige  Zustand  des  höchsten 
Atman,  in  welchem  er,  zufolge  der  Upädhi's,  als  die'  solidarische 
Gesamtheit  der  individuellen  Seelen  [d.  h.  alu  H%ranyagarhha\  er- 
sdieint,  und  welcher  höher  steht  als  die  Siimendinge  und  Sinnes- 
organe, dieser  ist  hier  unter  dem  {^Komplexe  des  Lebens"  zu  ver> 
stehen.  —  Andere  Meinung:  es  heifst  onmittelbar  vorher:  „von 

,  V^däBtft.  10 


248 


146  C^^i'^^-iA^inUlsIt 

„den  S&miui-Liedeni  wird  er  emporgefährt  zur  Brahmanwclt*';  diese 
Braliinanwelt  wird,  weil  sie  höher  steht  als  die  anderen  Welten, 
hier  der  „Komplex  des  Lebens"  genannt.  Weil  nämlich  alle  Le- 
benden (indiridtiellen  Seelen^,  wie  sie  mit  den  Organen  umhüllt  sind, 
in  dem  aUe  Oi^ane  beseelenden  und  die  Brahmanwelt  bewohnenden 
Hiranyagarhha  su  einem  Aggregate  vereinigt  sind,  darum  heifst 
die  Brahmanwelt  der  „Komplex  des  Lebens".  —  Der  noch  höher 
als  dieser  Komplex  stehende  höohste  Ätman,  welcher  das  Objekt 
des  Schauens  bildet,  dieser  ist  konsequenterweise  auch  schon  als 
das  Objekt,  um  das  es  sich  bei  dem  Meditieren  handelt,  anzu- 
nehmen. Auch  pafst  die  [schon  beim  Meditieren  yorkommende] 
Bezeichnung  als  der  „höchste  Geist"  nur  dann,  wenn  man  sie  auf 
den  höchsten^ Atmau  bezieht;  denn  der  „höchste  Geist"  ist  eben 
der  'höchste  Atman,  „höher  als  der  kein  andVes  ist  vorhanden" 
(vgL  Qvet.  3,  9);  ¥rie  auch  eine  andere  Schriftstelle  sagt  (K&^h.  3, 11): 

„Über  den  Geist  ist  nichts  erhaben, 
„Er  ist  Endziel  und  höchster.  Gang." 

Denn  wenn  zu  Anfang  der  Laut  Om  auf  Grund  seiner  Zerlegung 
in  die  drei  Buchstaben  o-ff-m]  für  das  höhere  und  niedere  Brah- 
man  erklärt,  sodann  aber,  als  der  Gegenstand,  welcher  durch  den 
[ungeteilten]  Laut  Om  zu  meditieren  sei,  der  „höchste  Geist"  be- 
zeichnet wurde,  so  folgt  hieraus,  dafs  mau  unter  dem  höchsten 
Geiste  das  höhere  Brahman  zu  verstehen  hat.  Femer  auch  wenn 
es  heifst:  „gleich  wie  ein  BauchfÜfsler  (Schlange)  von  seiner  Haut, 
„also  wird  selbiger  befreit  von  dem  Übel"  (Pra^na  5,  5),  so  be- 
weisen diese  Worte,  indem  sie  als  Lohn  eine  Befreiung  von  dem 
Übel  verheifsen,  dafs  es  sich  hier  um  die  Meditatjion  des  höchsten 
Atman  handelt.  Wenn  endlich  behauptet  wurde,  dafs  für  die 
Meditation  des  höchsten  Atman  eine  räumlich  begrenzte  Belohnung 
nicht  angemessen  sei,  so  entgegnen  wir,  dafs  allerdings  für  den- 
jenigen, welcher  den  höchsten  Atman  meditiert,  indem  er  sich 
dabei  auf  den  dreiteiligen  Laut  Om  stützt,  als  Frucht  die  Er- 
langung der  Brahmanwelt  und,  durch  sie  als  Zwischenstufe,  die 
vollkommene  Erkenntnis  (Mtnyog-dari^anam)  erreicht  wird,  so  dafs 
wir  hier  eine  Hinweisung  auf  die  Stufenerlösung  (kramamukti) 
anzunehmen  haben,  daher  der  Einwand  unbegründet  ist.  [Doch 
nicht  so  ganz;  da  nach  dem  System  eben  diese  Stufenerlösung  die 
Frucht  der  Meditation  des  niedern  Brahman  ist,  während  die  des 
höhern  unmittelbar  zur  Erlösung  führt.] 


S&tram  t.  m.  l4  141 

Fünftes  Adkikaranam. 

14.    dahara\  uttarebhyah  ^^ 

der  kleine  [Baum],  wegen  des  Folgenden. 

Die  Schrift  sagt:  „bier  in  dieser  Brahmansiadt  [dem  Leibe] 
„ist  ein  Haue,  eine  kleine  Lotosblume  [das  Herz];  inwendig  darin- 
,,nen  ist  ein  kleiner  Raum  (Äther);  was  in  dem  ist,  das  soll  man 
„erforschen,  das  wahrlich  soll  man  suchen  zu  erkennen*^  u.  s,  w. 
(Gh&nd.  8,  1,  1).  Hier  fragt  es  sich,  ob  der  kleine  Raum  (Äther) 
in  der  kleinen  Lotosblume  des  Herzens  das  Element  des  Äthers 
bedeutet  oder  die  individuelle  Seele  oder  die  höchste  Seele?  Woher 
diese  Frage?  Wegen  der  Worte:  „Raum**  (älcä^a)  und  „Brahman- 
„stadt'S  Das  Wort  äkäQa  (Raum,  Äther)  wird  nämlich  in  der 
Schrift  sowohl  von  dem  Elemente  des  Äthers  als  auch  von-  dem 
höchsten  Brahman  gebraucht;  daher  es  sich  fragt,  ob  der  „kleine 
„[Raum]^*  das  Element  des  Äthers  oder  der  Allerhöchste  ist.  Ebenso 
fragt  es  sich  bei  dem  Worte  „Brahmanstadt^S  ob  hier  mit  dem 
Namen  „Brahman"  die  individuelle  Seele  bezeichnet  wird,  so  dafs 
der  Leib  als  ihre  Stadt  die  „  Brahmanstadt "  heifst,  oder  ob  die 
Brahmanstadt  die  Stadt  des  liöchsten  Brahman  selbst  bedeutet; 
daher  der  Zweifel  sich  erhebt,  ob  es  der  individuelle  oder  der 
höchste  Atman  sei,  welchem,  sei  es  dem  einen  oder  dem  andern, 
als  dem  Herrn  der  Stadt,  der  Besitz  des  „kleinen  Raumes"  zuzu- 
sprechen ist. 

Angenommen  also,  ^weil  das  Wort  äkd^a  gewöhnlich  das  Ele- 
*ment  des  Äthers  (Raumes)  bezeichnet,  der  „kleine"  bedeute  hier 
*das  Ätherelement;  diesem  würde  im  Hinblick  auf  den  kleinen 
^Bezirk  desselben  [im  Herzen]  jene  |  „Kleinlieit"  beigelegt  werden;  -260 
4n  der  Stelle:  „wahrlich  so  grofs  dieser  Weltraum  ist,  so  grofs 
S,ist  dieser  Raum  inwendig  im  Herzen"  (Chänd.  8,  1,  2),  hätten 
^wir  auf  Grund  der  Unterscheidung  seines  Vorhandenseins  in  der 
^Aufsenwelt  und  im  Innern  eine  Gegenüberstellung  beider  als  Muf»- 
^stab  und  Gemessenes;  und  die  weitere  Behauptung,  dafo  Hinunel 
'und  Erde  inwendig  in  [jenem  kleinen  Räume]  beschlossen  seien 
^(Chand.  8,  1,  3),  wäre  dahin  zu  verätehen,  dafs  der  Raum  [im 
'Herzen  mit  dem  Welträume]  vermöge  seiner  Natur  als  die  Mög- 
*lichkeit  des  Erfulltwerdens  (avakäga-ätnianä)  eine  Einlieit  bilde. 
' —  Oder  auch  man  könnte  annehmen,  der  „kloine  [Raum]"  sei, 
^weil  er  als  die  „Brahmanstadt"  bezeichnet  wird,  die  individuelle 
'Seele;  denn  der  Leib  könnte  die  Brahmanstadt  lieifsen  als  die 
'Stadt  der  individuellen  Seele,  sofern  er  von  dieser  durch  ihre 
'eignen  Werke  fin  einem  früheren  Dasein]  erworben  worden  ist; 
'dals  er  aU  die  Stadt  des  Brahman  bezeichnet  würde,  müfsto  bild- 

10* 


r%:t 


148  giiriraka-iDtiiilUUik 

'lieh  ventandeti  werden;  denn  f^iiich  hat  das  höchste  Brahman 
^zü  dem  Leihe  nicht  die  Beziehong  eines  Besitzers  zu  dem  Besits- 
*htme,  Dae  Yenreilen  des  Besitzers  der  Stadt  an  einem  einaelnen 
*Orte  derselben  geach&he  so  wie  bei  einem  Könige  [der  aaeb  nur 
'an  einer  bestimmten  Stelle  seines  Beiches  residiert].  Da  nAtpHch 
^die  individuelle  Seele  m  ihrem  Up&dhi  das  Hanas  hat,  das  Uanas 
'aber  seinen  Sitz  vorwi^end  im  Herren  hat,  so  konnte  auch  von 
*der  indiTidttellen  Seele  gesagt  werden^  dafs  sie  inwendig  im  Herzen 
Srohne.  Die  ihr  beigelegte  ,,Kleinh0il''  würde  dazu  stimmen^  dafs 
'sie  {Qvet.  6,  8)  „eine  Nadelspitze  groXIs'*  genannt  wird>  und  ihre 
'Oteichsetznng;  mit  dem  Welträume  wiederum  erklärt  sich  aus  der 
'Absicht,  ihre  Identität  mit  Brahman  cu  betonen.  Übrigens  ist 
'auch  gar  keine  Rede  davon,  dafs  man  den  kleinen  Raum  er* 
forschen  und  zu  erkennen  suchen  solle ,  sondern  dieser  wird  nur 
'vorgenommen,  um  das,  „was  darinnen  ist",  wie  es  heifst,  mithin 
'ein  von  ihm  selbst  Verschiedenes  näher  su  bestimmen.' 

2^1  Hierauf  |  geben  wir  zur  Antwort,  dafe  unter  dem  ,,kleinen 
f^Raume"  nur  der  höchste  Gott  verstanden  werden  kann  und  nicht 
das  Element  des  Äthers  oder  die  individuelle  Seele.  Warum? 
„wegeo  des  Folgenden",  d.  h.  wegen  der  aus  dem  weiteren  Fort- 
gange der  Stelle  sich  ergebenden  Gründe.  Denn  nachdem  der 
kleine  Raum  als  zn  betrai^ten  angegeben  worden,  und  es  sodann 
weiter  hieis;  „wenn  sie  zu  ihm  sagen,  ...  was  ist  denn  dort,  daa 
i,man  erforschen  soU^  das  man  soll  suchen  zu  erkennen",  so  folgt 
auf  diesen  Einspruch  die  Begleidmqg  in  den  Worten:  „dann  soll 
,yer  sagen*  wahrlich  so  gvofs  dieser  Weltraum  ist,  so  grofs  ist 
^dieser  Raum  inwendig  im  Herzen;  in  ihm  sind  beide,  der  Himmel 
•,und  die  Erde  beschlossen"  u.  s.  w.  ;(Chltnd.  8,  1,  2 — 3).  Wenn 
hier  die  Schrift  yen  dorn  Baume,  welcher  um  der  Kleinheit  der 
Lotosblume  willen  selbst  klein  erschien,  diese  Kleinlieit  durch 
Gloichsetziuig  m.it  dem  allgemeinen  Räume  abwehrt,  so  folgt  daräuB^ 
dafs  sie  zugleich  die  Vorstellung,  als  sei  der  kleine  Raum  der  ele- 
mentare Raum  (Äther),  abwehrt.  /Denn  wennschon  das  Wort  dkäga 
(Äther,  Raum)  ursprunglich  den .  elementaren  Raum  (Äther)  bedeu- 
tet, so  geht  es  doch  nicht  an,  dafs  dieser  [in  obigen  Worten]  sich 
selbst  gleichgesetzt  werde;  daher  der  Gedanke  an  das  Element  des 
Baumes  (Äthers)  ausgeschlossen  wird.  —  ^ Aber  wir  sagten  Aoch. 
schon,  dafs  der  Raum,  obwohl  er  einer  sei,  doch  auf  Grund  der 
in  ihm  angenommenen  Unterscheidung  des  Äuisern  ,und  des  Innern 

252  .'als  Mafsstab  und  Gemessenes  |  einander  entgegengestellt  werden 
*könne!'  —  So  geht  es  ni^ht!  Denn  das  ist  kein  zulässiger  Aus- 
iBireg.  dafs  man  sich  auf  eine  blofs  pcünatHch]  angenommene  Ver- 
sohiedenheit  beruft.  Ab^  selbst  wenn  man  auf  Grund  einer  Beli- 
ehen blofs  angenommenen  Verschiedenh^t  den  Gegensatz  des 
Mafsfitabes  und  des  Gemessenen  sich  ausmalt,  so  ergiebt  sich,  dafs 
der  Innenraum,    weil  er  begrenzt  ist,    nicht    den  Aufsenraom   als 


SiUram  I.  ui.  14.  1^ 

Mafs  haben  kamt.  —  'Aber  auch- wenn  man  e»  von  dem  hdchsteii 
^Goite  Torsteht,  so  kann,  weil  eine  andere  Schriftstelle  von  diesem 
'sagt,  er  sei.^ygrdfser  als  der  Rauni'''(Qatap.  br.  lO,  6,  3,  2),  der 
'Riuim  doch  auch  nicht  als  Mafs  diMien!*  -:-  Dieser  Einwand  ist 
nicht  triftig;  denn  unsere  Schhftstelle  will  nur  die  infolge  der 
Umkleidung  mit  der  Lotosblume  sich  ergebende  Kleinheit  von 
Gott  abwehren,  nicht  aber  «von  ihm  l^ren,  dafs  er  so  oder  so 
grofs  sei.  Wollte  sie  beides  zugleich  hier  lehren,  so  wurde  die 
Stelle  ihre  Einheit  einbüTsen.  Auch  könnte  nicht,  bei  der  ange- 
nommenen Unterscheidung  [von  Aufsentanm  und  Innenraum]  gesagt 
werden,  dafia  in  der  von  der  Lotosblume  umschlossenen  einaelnen 
Stelle  des  Weltraumes  Himmel  und  Erde^  beschlosBeD  seien.  End- 
lich auch,  wenn  es  hei/st:  „das  ist  der  Ätman,  der  sfindlose,  frei 
„vom  Alter,  frei  vom  Tod  und  frei  vom  Leiden,  ohne  Hunger  und 
„ohne  Durst;  sein  Wünschen  ist  wahrhaft,  wahrhaft  sein  RatschlaÜB** 
(Chlknd.  8,  1,  5),  so  können  die  hier  erwähnten  Eigenschaft^en  des 
Atmauseins,  der  Sündlosigkeit  u.  s.  w.  dem  Elemente  des  Baumes 
unmöglich  zukommen.  Und  wenn  anderseits  auch  das  Wort  Atmao 
auf  die  individuelld  Seele  passen  würde,  so  bleibt  doch  der  Ge- 
danke an  die  individuelle  Seele  |  um  der  andern  Gründe  willen  25^; 
ausgeschlossen;  denn  von  der  durch  die  Upftdhi^s  eingeschränkten, 
der  Gröfse  einer  Nadelspitze  gleichgesetzten,  individuellen  Seele 
Iftfst  sich  die  durch  die  Umkleidung  mit  der  Lotosblume  bedingte 
Kleinheit  nicht  [wie  in  unserer  Stelle  geschieht]  aufheben.  Meint 
ihr,  die  Allgegenwart  werde  der  individuellen  Seele  beigelegt,  um 
ihre  Identit&t  mit  Brahman  anzuzeigen,  so  wollen  wir  doch  lieber 
sagen,  dafs  dasjenige,  durch  Identität  mit  welchem  die  Allgegen- 
wart der  individuelle^  Seele  angezeigt  werden  soll,  nämlich  dafs 
das  Brahman  geradezu  hier  ab  das  allgegenwärtig;e  u.  s.  w.  be- 
zeichnet werde.  Wenn  weiter  behauptet  wurde,  dafs,  wenn  es 
heifse:  „die  Brahmanstadt^S  die  bildliche  Bezeichnung  als  Stadt 
.durch  die  individuelle  Seele  veranlafst  sei,  und  dafs  es  somit  die 
individuelle  Seele  sein  müsse,  welcher  wie  einem  Könige,  als  dem 
Herrn  dieser  Stadt,  der  Aufenthalt  an  einer  einzelnen  Stelle  der- 
selben zugeschrieben  werde,  so  erwidern  wir  darauf,  dafs  hier  der 
Leib,  weil  er  wirklich  eine  Stadt  des  höchsten  Brahman  ist,  ab 
die  „Brahmanstadt*^  bezeichnet  wird,  indem  das  Wort  „Brahman'^ 
im  eigentlichen  Sinne  zu  nehmen  ist;  nämlich  auch  Brahman  ist 
mit  dieser  Stadt  verbunden,  sofern  sie  die  Stätte .  seiner  Wahr- 
nehmbarkeit ist;  denn  die  Schrift  sagt:  „dann  schaut  er  ihn,  der 
„höher  ist  als  dieser  höchste  Komplex  des  Lebens,  den  in  der 
„Burg  [des  Leibes]  wohnenden  Geist*'  (Pragna  5,  6)>  und:  „das 
^^Bt  fürwahr  jener  Purusha  (Geist),  welcher  in  allon  Burgen  (pünfku) 
„als  Burgbewohner  weilt''  (Brih.  2,  5,  18).  Oder  auch ,  die  Stadt 
gehört  der  individuellen  Seele,  und  das  Brahman  wird  als  in  die- 
ser Stadt  gegenwärtig  erkannt;   ähnlich  wie  wenn  man   sagt,  dafs 


150  (^iLrlrAka-mlm&nslk 

254  I  Yighnu  in  dem  (^MagrämO'Steme  gegenw&rtig  sei;  Hierzu  kommt, 
dafs  es  weiter  in  unserer  Stelle  heifst:  „und  gleichwie  hienieden 
„der  Genufs,  den  man  durch  die  Arbeit  erworben^  dahinschwindet, 
„Ro  schwindet  auch  im  Jenseits  der  durch  die  guten  Werke  er* 
„worbene  GenuTs  dahin**,  und  nachdem  hiermit  ausgesprochen,  dafs 
die  Frucht  der  Werke  eine  endliche  sei,  so  heifst  es  weiter:  n^er 
„aber  von  hinnen  scheidet,  nachdem  er  die 'Seele  (äiman)  erkannt 
„hat  und  jene  wahrhaften  Wünsche,  dem  wird  zu  Teil  in  allen 
„Welten  ein  Leben  in  Freiheit";  hier  wird  gesagt,  dafs  die  Frucht 
der  Erkenntnis  des  in  Rede  stehenden  kleinen  Raumes  eine  un- 
endliche sei,  und  dies  beweist,  dafs  der  höchste  Ätman  darunter 
zu  verstehen  ist.  Wenn  aber  endlich  noch  behauptet  wurde,  dafs 
der  kleine  Raum  gar  nicht  das  lU  Suchende  und  zu  Erforschende 
sei,  dafs  derselbe  vielmehr  nur  erwfthnt  werde,  um  ein  anderes 
[nämlich  das,  was  in  ihm  sei]  n&her  zu  bestimmen,  so  antworten 
wir:  handelte  es  sich  nicht  um  die  Erforschung  des  Raumes  selbst, 
so  Vürde  nicht  mit  den  Worten  „wahrlich  so  grofs  dieser  Welt- 
„raum  ist,  so  grofs  ist  dieser  Raum  inwendig  im  Herzen'*  u.  u.  w» 
noch  eine  besondere  Auseinandersetzung  über  die  Natur  des  Rau- 
mes beigefugt  werden.  —  *Aber  dient  nicht  vielleicht  auch  diese 
'Auseinandersetzung  nur,  um  auf  das  Vorhandensein   der  inwendig 

•  4n  dem  Räume  befindlichen  Dinge  hinzuweisen?  Denn  es  heifst 
*ja:  „wenn  man  zu  ihm  sagt:  hier  in  dieser  Brahmanstadt  ist  ein 
*,.Hau8,  eine  kleine  Lotosblume;  inwendig  darinnen  ist  ein  kleimsr 
*„Raum;  was  ist  denn  dort  [in  dem  Räume],  was  man  erforschen 
*„8oll,  was  man  soll  suchen  zu  erkennen?**  —  uhd  um  die  hier 
'aufgeworfene  Frage  zu  beantworten  wird,  nach  erfolgter  Gleich- 
'setzung  mit  dem  Welträume,  dargelegt,  dafs  Himmel  und  Erde  u.  s.  w. 
*in  dem  kleinen  Räume  beschlossen  seien  [woraus  folgt,  dafs  es 
*sich  nicht  um  den  Baum,  sondern  um  dessen  Inhalt  handelt].'  — 

255  Aber  dem  ist  nicht  so;  denn  wäre  dem  so,  |  so  würde  dasjenige  als 
das  zu  Erforschende  und  zu  Erkennende  angegeben  werden,  was,  wie 
z.  B.  der  Himmel  und  die  Erde,  inwendig  in  dem  Räume  beschlossen 
ist;  dem  entspricht  aber  nicht  das  Folgende,  wo  es  heifst:  „in  ihm 
„sind  beschlossen  die  Wünsche,  er  ist  der  Atman  der  sündlose** 
(Ch&nd.  8,  1,  5);  hier  wird  jener  in  Rede  stehende,  Himmel  und  Erde 
als  Inhalt  in  sich  befassende  Raum  [selbst,  nicht  blofs  sdn  Inhalt] 
wieder  herangezogen,  und  sodann  heifst  es :  „wer  aber  von  hinnen 
„scheidet,  nachdem  er  die  Seele  erkannt  hat  und  jene  wahrhaften 
„Wünsche**  (Ch&nd.  8,  1,  6);  diese  Fortsetzung  beweist,  wie  sich 
aus  dem  eine  Zusammenfassung  anzeigenden  Wörtchen  „und**  er- 
giebt,  dafs  es  sich  sowohl  um  eine  Erkenntnis  des  die  Wünsche 
befassenden  Ätman  als  auch  um  die  der  von  ihm  befafsten  Wünsche 
handelt;  und  hieraus  folgt,  dafs  auch  schon  im  Anfange  der  Stelle 
dazu  aufgefordert  wird,  ebenso  wohl  den  in  der  Lotosblume  des 
Herzens  befindlichen  kleinen  Raum  wie  die  inwendig  in   ihm  be- 


i 


Sütram  I.  iii.  14.  151 

echloBscnen  waliren  Wünsche,  den  Himmel  und  die  Erde  u.  s.  w., 
zu  erkennen.  Es  isi  also  dieser  Raum,  welcher,  aus  den  ausge- 
führten Gründen,  als  der  höchste  Gott  aufzufassen  ist. 


15.    gati'Qobdäbhyämy  tathä  hi  drishtam,  Ungan  ca 

wegen  des  Q  ehens  und  des  Wortes ;  denn  dafs  dem  so, 
ist  ersichtlich,  und  dies  ein  Anzeichen. 

Es  war  gesagt  worden,  dafs  der  kleine  Raum  wegen  der  im 
Folgenden  liegenden  Gründe  der  höchste  Gott  sein  müsse.  Diese 
Gründe  sollen  jetzt  im  Einzelnen  dargelegt  werden.  Und  zwar 
mufs  der  kleine  Raum  darum  der  höchste  Gott  sein,  weil  im  Ver- 
laufe der  Stelle  „das  Gehen  und  das  Wort**  vorkommen,  welche 
auf  den  höchsten  Gott  hinweisen.  |  Denn  erstens  heifst  es :  „ehenso  256 
„finden  alle  Kreaturen  diese  Brahmanwelt  nicht,  ohwohl  sie  tag- 
„taglich  [im  tiefen  Schlafe]  in  sie  eingehen'^  (Chand.  8,  3,  2).  Wenn 
hier  von  dem  in  Rede  steheAden  und  als  die  Brahmanwelt  be- 
zeichneten kleinen  Räume  gelehrt  wird,  dafs  die  unter  den  Krea- 
turen zu  yerstehenden  individuellen  Seelen  in  denselben  eingehen, 
80  beweist  dies,  dafs  der  kleine  Raum,  das  Brahman  ist.  Denn 
„dafs  dem  so  ist",  dafs  die  individuellen .  Seelen  tagtäglich  im  Zu- 
stande des'  Tiefschlafes  in  das  Birahman  eingehen,  „ist  ersichtlich" 
aus  einer  andern  Schriftstelle  (Gh^nd.  6,  8.  t),  wo  es  heifst:  „als- 
„dann  ist  er,  o  Teurer,  eingegangen  in  das  Seiende«"  Auch  sagt  , 
man  ja  im  Gebrauche  des  gewöhnlichen  Lebens  von  einem  tief 
Schlafenden  „er  ist  Brahman  geworden"  oder  „er  ist  zu  dem 
„Brahmansein  eingegangen".  Zweitens  aber  beweist  auch  „das. 
„Wort",  nämlich  das  Wort  „Brahmanwelt"  in  seiner  Anwendung 
auf  den  in  Rede  stehenden  kleinen  Raum,  indem  es  den  Gedanken 
an  die  individuelle  Seele  und  das  Ätherelement  ausschliefst,  dafs 
derselbe  das  Brahman  bedeutet.  —  ^Aber  kann  das  Wort  „Brah- 
S,manwelt"  nicht  auch  die  Welt  des  Kamaläsana  [des  persönlich 
^gedachten  Drahm4n]  bedeuten?^  —  Allerdings,  wenn  das  Compo- 
situm als  ein  Compositum  im  Genitivverhältnis  aufgefafst  und  auf- 
gelöst wird  als  „die  Welt  des  Brahman".  Löst  man  es  aber  so 
auf,  dafs  di^  beiden  Glieder  coordiniert  sind,  so  dafs  die  Brahman- 
welt „Brahman  als  Welt"  bedeutet,  so  kann  es  nur  auf  das  höchste 
Brahman  sich  beziehen.  Und  eben  jenes  [aus  Chand.  6,  8,  1]  „er-  . 
„sichtliche"  tagtägliche  Eingehen  in  die  Brahmanwelt  |  ist  „ein  An-  257 
„zeichen"  dafür,  dafs  man  [auch  an  unserer  Stelle,  Ch4nd.  8,  3,  2]  den 
Ausdruck  „Brahmanwelt"  im  Sinne  der  Coordination  [der  beiden  in 
ihm  enthaltenen  Begriffe]  zu  fassen  hat.  Denn  dafs  die  Kreaturen 
tagtäglich  in  die,  Sattfaloka  genannte,  Himmelswelt  des  erschaffenen 
[niedern]  Brahman  eingingen,  daran  ist  doch  nicht  zu  denken. 


/ 


152  C&rlrakft-mimftnai 

16.    dhriteg  ca^  mähimno  ^sya  asmin  upalabdheh 

auch  wegen  des  Haltens,   weil  von  ihm  solche  Gröfse 

bezeugt. 

,,Anoh  wegen  ded  Haltens"  ma|s  der  kleine  Banm  der  höchste 
Gott  sein.  Nämlich,  nachdem  nach  den  Worten  ,,  inwendig  darin- 
„nen  ist  ein  kleiner  Raum"  und  nach  YorausBchicknng  der  Gleieh- 
setznng  desselben  mit  dem  Welträume  das  Beschlossensein  des 
Weitganzen  in  dem  kleinen  Räume  sowie  die  Bestimmung  desselben 
dufch  das  Wort  ^tman"  und  durch  die  Eigenschaften  der  Sund- 
losigkeit  u.  8.  w.  vorhergegangen,  so  heilst  es  von  eben  diesem 
kleinen  Räume,  und  ohne  dafs  der  Gegenstand  der  Betrachtung 
gewechselt  hätte:  „der  Ätman,  der  ist  die  Brücke,  welche  diese 
„Welten  auseinanderhält-,  dafs  sie  nicht  verfliefsen'^  (Chänd.  8, 4, 1); 
die  Worte  „welche  auseinanderhält^^  (pidkriti)  bedeuten,  wegen 
ihrer  Coordination  mit  dem  Worte  Atman^  einen,  der  die  Thätig- 
keic  des  Auseinanderhaltens  übt  (mdhärayitat)^  da  nach  der  Smriti 
[der  Grammatikei"]  ktic  [d.  h.  das  Suffix  -4%  in  p%dknt%\  den  Thäter 
anzeigt.  Wie  nämlich  im  gemeinen  Leben  bei  einer  [zur  Be- 
wässerung über  die  Felder  geleiteten]  Wassermasse  die  Brücke 
[der  Damm  zwischen  den  Feldern]  zum  Auseinanderhalten  dient, 
damit  die  richtigen  Verhältnisse  der  Grundstücke  nicht  verfliefsen, 
•  00  hält  auch  der  Atman  die  zur  Yiellieit  der  Individualität  u.  s.  w. 
^I>8  zeräpalten^i  Welteu  |  gemäfs  ihrer  Einteilung  in  Kasten,  Agrama^fi 
(Lebensstadien)  u.  s.  w.  als  Brücke  (Damm)  auseinander,  „dafs  sie 
nicht  verfliefsen  ^S  d.  h.  damit  sie  sich  nicht  vermengen«  Die  in 
diesem  Auseinanderhalten  liegende  „Ghröfse"  wird  hier  dem  vorher- 
erwähnten „kleinen  Räume'*  beigelegt;  und  eine  „solche  GrcSrae-*^ 
kommt  nur  dem  höchsten  Gotte  zu,  wie  es  eine  andere  Schriftst^lle 
„bezeugt",  in  der  es  heifst:  „auf  dieses  Unvergänglichen  Geheilt, 
„o  Gärgl,  stehen  auseinandergchnlten  Sonne  und  Mond^'  u.  s.  w. 
(ßrih.  3,  8,  9);  und  ebenso  sagt  eine  <»ndere  Stelle,  deren  Beziehung 
auf  den  höchsten  Gott  aufser  Zweifel  steht:  „er  ist  der  Herr  der 
„Welt,  er  ist  der  Gebieter  der  Wesen,  er  ist  der  Hüter  def  Wesen, 
„er  ist  die  Brücke,  welche  diese  Welten  au<9einanderfialt ,  dafs  sie 
„nicht  verfliefsen"  (Brih.  4, 4,  22).  So  folgt  „auch  wegen  des  Haltens", 
dafs  der  kleine  Raum  den  höchsten  Gott  bedeuten  mufs. 

1 7.    prasiddheg .  ca 
auch  wegen  der  Üblichkeit, 

Auch  darum  ist   der  höchste  Gott    unter    dem    kleinen  Räume 
inwendig  im  Menschen  zu  verstehen,  weil  das  Wort  dkdgä  (Raum, 


Satram  I.  iit  17.  153 

« 

Äther)  bei  dem  höchsten  Gotte  üblich  ist,  wie  num  aus  seinem 
Gebrauche  ersieht  in  den  Stellen:  „der  Äther  isi  es,  welcher  Na- 
,^en  nnd  Gestalten  auseinanderd^nt*^  (ChÄnd.  8,  14),  —  „alle 
„diese  Wesen  gehen  herrcM:  aas  dem  Äther**  (Ch&nd.  1,  9,  1).  Von 
der  individuellen  Seele  hingegen  wird  niemals  das  Wort  äMca 
gebraucht.  Was  endlich  das  Element  des  Äthers  (Ranmes)  betrifft^ 
so  ist  zwar  von  diesem  das  Wort  äkäga  allgemein  üblich,  doch 
ist  dasselbe  hier  nicht  anzunehmen,  namentlich  weil  es,  wie  wir 
sahen,  nicht  möglich  ist,  dafs  der  Äther  (Baum)  zu  gleicher  Zeit 
der  Mafsstab  und  das  Gemessene  sein  könne. 


JA    itara-parämarf(U  8a\  Ui  cen?  na!  asanibJiavät      259 

wegen  tieräbrung  des  andern,  dieser,  meint  ihr?  Nein! 

wegen  der  Unmöglichkeit. 

• 

—  ^Aber  wenn  unter  dem  kleinen  Baume  um  des  weiter  Folgen- 
'^en  willen  der  höchste  Gott  verstanden  werden  soll,  so  ist  zu 
'bemerken,  dafs  in  dem  weiter  Folgenden  ebenso  gut  auch  die 
individuelle  Seele  berührt  wird;  denn  es  heifst:  „und  was  diese 
%,YoIlberuhigung  (samprasäda)  ist,  die  erhebt  sich  aus  diesem 
^„Leibe,  steigt  empor  zu  dem  höchsten  lachte  und  tritt  hervor  in 
Sfihrer  eigenen  Gestalt;  das  ist  die  Seele,  so  sprach  er"  (ChlUad.  8,  3, 4). 
'Das  Wort  „Yollbertihigung*^  welches  in  einer  andern  Schriftstelle 
'(Brih.  4*,  3,  15)  den  Zustand  des  Tief  schlaf  es  bezeichnet,  kami 
'hier  nichts  anderes  als  den  Träger  dieses  Zustandes,  nämUch  die 
^individuelle  Seele,  bedeuten;  denn  nur  von  dem,  welcher  in  dem 
'Leibe  wohnt,  d.  h.  von  der  individnellen  Seele,  kann  gesagt  wer- 
'den,  dafs  sie  sich  in  dieser  Weise  Über  den  Leib  erhebe;  fthnlioh 
'wie  (Gh&nd.  8,  12,  3)  von  dem  Winde  u.  s*  w.,  weil  sie  in  dem 
'Baume  wohnen,  ein  Erheben  über  den  Baum  gelehrt  wird.  Und 
'wenn  femer  das  Wort  „Äther  (Raum)",  obwohl  es  nicht  im  ge- 
' wohnlichen  Gebrauche  den  höchsten  Gott  bedeutet,  doch  wegen 
'Miterwähnung  von  Eigenschaften,  die  dem  höchsten  Gotte  zakom- 
'men,  s.  B.  in  der  Stelle:  „der  Äther  ist  es,  welcher  Namen  und 
'„Gestalten  auseinanderdehnt"  (Chand.  8,  14),  auf  den  höchsten 
'Gott  bezogen  wird,  so  kann  es  mit  demselben  Bechte  auch  einmal 
'[nämlich  an  unserer  Stelle]  auf  die  individuelle  Seele  bezogen 
'werden.  Also  ,, wegen  Berührung  des  andern"  ist  dieser,  d.  h. 
'die  individuelle  Seele  auch  schon  unter  dem  kleinen  Baume  in- 
'wendig  im  Menschen  zu  verstehen.* 

IMese  Annahme  |  bestreiten  wir;   warum?  „wegen  der  Unmög-  260 
„lichkeit";  denn  die  individuelle  Seele,   wie  sie   durch  den  Wahn 
des  Begrenttseins  von  den  Upädhi's   der  Buddhi  u.  s.  w.   entsteht. 


154  (^Äriraka-mlmäiiis& 

kann  nicht  dorn  Welträume  gleichgesetzt  werden.  Aach  könn^i 
dem,  welcher  in  dem  Wahne,  die  Upidhi's  als  Eigenschaften  zu 
besitzen,  befangen  ist,  die  Eigenschaften  der  Sündiosigkeit  u.  s.  w. 
nicht  zugeschrieben  werden,  wie  wir  dieses  bereits  im  ersten  Sütram 
[dieses  Adhikaranams  1,  3,  14]  dargelegt  haben,  hier  aber  wieder- 
holen, um'  dem  fortgesetzten  Zweifel  zu  begegnen.  Auch  wird  es 
weiter  unten  wieder  vorkt>mmen  in  dem  Sütram:  „und  um  des 
.,andei*n  willen  [geschieht]  die  Berührung"  (1,  3,  20). 


Sechstes  Adkikaranam. 

m 

/ 

19.    tdtaräc.  ced?  ämr-bhuta-svarüpas  tu 

wegen  des  Spätem,  meint  ihr?    Ja,  aber  in  seiner 

offenbar  gewordenen  Natur! 

Die  Meinung,  dafs  [unter  dem  kleinen  Räume,  Ch&nd.  8,  1,  1} 
„wegen  Berührung  des  andern"  die  individuelle  Seele  zu  verstehen 
sei,  wurde  „wegen  der  Unmöglichkeit"  abgewiesen;  jetzt  aber  wii*d, 
durch  Besprcngung  des  Toten  mit  dem  Nektar  [der  Rede]  eine 
Auferstehung  des  Zweifels,  ob  nicht  doch  die  individuelle  Seele 
gemeint  sei,  bewirkt  *„ wegen  des  Spätem",  d.  h.  wegen  der 
*[Chand.  8,  7 — 12  nachfolgenden]  Erzähluug^  von  Prigäpati.  Nach- 
*dem  nämlich  hier  mit  den  Worten:  „der  Atman,  der  sündlose", 
'u.  s.  w.  das  Suchbu  und  Erforschen  des  mit  den  Eigenschaften 
261  *der  Sündiosigkeit  ausgestatteten  Ätmau  |  in  Aussicht  gestellt  wor- 
'den,  sof  weist  die  Schrift  zunächst  durch  die  Worte:  „der  Mann, 
S,der  in  dem  Auge  gesehen  wird,  der  ist  der  Atman",  auf  den  im 
*Auge  als  das  Sehende  weilenden  individuellen  Atman  hin,  und 
'indem  sie  auf  eben  diesen  immer  wieder  mittels  der  Formel 
'(Ch&nd.  8,  9,  3.  10,  4.  11,  3)  „diesen  aber  will  ich  dir  weiter 
'„erklären",  zurückgreift,  so  giebt  sie  dadurch  zu  erkennen,  dafs 
*in  den  [auf  jene  Formel  folgenden]  Stellen:  „der  in  dem  Traume 
*„hen'lich  daliin wandelt,  das  ist  der  Atman**  (Chand.  8,  10,  1),  — 
^jdarum,  wenn  einer  so  eingeschlafen  ist  ganz  und  gar  und  völlig 
*„zur  Ruhe  gekommen,  dafs  er  kein.  Traumbild  sieht,  das  ist  der 
'„Atman"  (Chand.  8,  11,  1),  immer  nur  die  in  einen  andern  Zu- 
'stand  übergegangene  individuelle  Seele  verstanden  werden  müsse. 
'Und  wenn  sie  sodann  eben  dieser  die  Eigenschaften  der  Sünd- 
'losigkeit  u.  s.  w.  in  den  Worten:  „dieses  ist  das  Unsterbliche,  das 
%,Furchtlo8e,    dieses  ist   das  Brahman"   (Chand.  8,  11 1  1)  beilegt 


l 


N 


Sütram  I.  m.  19.  '  155 

^and  hierauf,  —  nachdem  sie  mit  den  Worten:  „fürwahr,  hiermit 
S,hat  er  den  Atman  noch  nicht  erkannt,  und  dafs  er  es  selbst  ist, 
S,no€h  auch  diese  Kreaturen  *S  die  Mangelhaftigkeit  des  Zustandes 
*des  Ti«fschlafe8  ins  Auge  gefafst  hat,  —  mit  der  Formel :  „diesen 
S,aber  will  ich  dir  weiter  erklären'*  und  den  nachfolgenden  Worten : 
S,denn  es  ist  nicht  |  anderweit  zu  finden,  als  in  diesem**  dazu  262 
*öbergeht,  die  Verbindung  mit  dem  Leibe  als  das  Verwerfliche 
Einzustellen  und  im  Anschlüsse  daran  fortfährt:  „so  auch  erhebt 
*„Bich  diese  VoUberuhigüng  (samprasäda)  aus  diesem  Leibe,  gehet 
*„ein  in  das  höchste  Licht  und  tritt  dadurch  hervor  in  eigener 
*„6e8talt;  dieses  ist  der  h5chste  Geist**  (Chänd.  8«  12,  3),  —  so 
*i8t  es  keine  andere  als  die  individuelle  Seele,  welche  hier,  in 
*ihrer  Erhebung  über  den  Leib  von  der  Schrift  fü'r  den  „höchsten 
*„ Geist*'  erklärt  wird.  Somit  ist  es  nicht  „unmöglich^'  [wie  das 
'vorige  Sütram  behauptete],  dafs  die  individuelle  Seele  die  Eigen- 
'Schäften  des  höchsten  Gottes  besitze,  und  folglich  hat  man  auch 
'in  der  Stelle  „inwendig  darinnen  ist  ein  kleiner  Raum*'  (Chänd. 
*6,  1,  1)  keine  andere  als  die  individuelle  Seele  zu  verstehen.^ 

Wenn  einer  so  kommt,  dann  soll  man  ihm  antworten:  ^,Ja, 
i,aber  in  seiner  offenbar  gewordenen  Natur!**  Das  Wort  „aber** 
dient  zur  Widerlegung  der  gegnerischen  Behauptung  und  bedeutet, 
dafs  mau  auch  nicht  „wegen  des  Späteren**  hier  an  die  individuelle 
Seele  denken  darf;  wai*um?  weil  dort  von  der  individuellen  Seele 
nach  ihrer  offenbar  gewordenen  Natur  die  Rede  ist.  „In  seiner 
„offenbar  gewordenen  Natur**  bedeutet,  dafs  ihre,  nämlich  der  in- 
dividuellen Seele,  Natur  offenbar  geworden  ist.  Die  Benennung 
als  „individuelle  Seele"  erhält  sie  in  Anbetracht  dessen,  was  sie 
vorher  gewesen  ist.  Der  Sinn  [dieser  Sütraworte]  aber  ist  folgen- 
der. Nachdem  die  Schrift  mit  den  Worten:  ;,der  Mann,  den  man 
„im  Auge  siehet**  (Chänd.  8,  7,  4),  auf  den  im  Auge  gesehenen 
Sehenden  hingewiesen  und  diesen  durch  die  Stelle  von  dem  Wasäer- 
eimer  (Gb^nd.  8,  8,  1 — 3)  als  nicht  mit  dem  Leibe  identisch  hin- 
gestellt hat  und  sodann  durch  die  Formel:  „diesen  aber  will  ich 
„dir'*  u.  s.  w.  eben  diesen  immer  wieder  und  wieder  als  das  zu 
Erklärende  herangezogen  hat,  so  geht  sie  durch  die  Mittelstufen 
der  Erwälmung  des  Traumschlafes  und  des  Tiefschlafes  endlich 
dazu  Über,  mittels  der  Worte  „er  gehet  ein  in  das  höchste  Licht 
„I  und  tritt  dadurch  hervor  in  eigener  Gestalt"  eben  jene  indivi-  263 
daelle  Seele  nicht  nach  dem,  was  sie  als  individuelles  Wesen  ist, 
sondern  nach  dem,  was  ihre  absolut  reale  Natur  ist,  d.  h.  als  das 
höchste  Brahman  zu  erklären.  Nämlich  das  „höchste  Licht *^  in 
welches  sie  nach  dieser  Schriftstelle  eingehen  soll,  ist  eben  das 
höchste  Brahman;  dieses  aber  besitzt  die  Eigenschaften  der  Sünd- 
iosigkeit  u.  s.  w.,  und  eben  dieses  ist  im  Sinne  der  höchsten  Rea- 
lität nach  kanonischen  Aussprüchen  wie  „das  bist  du**  (ChÄnd.  6,  8,  7) 
da«  eigentliche   Wesen   der  individuellen   Seele,    nicht   aber   jenes 


a    ■ 


1Ö6 


(kiiraka-mlm4Ä8ä 


andere,  welches  durch  die  Up&dhi'e  bedingt  wird.  Solange  man 
n&mlieh  das  die  Yielheitlichkeit  als  Merkmal  habende  Nichtwissen, 
welches  dem  Halten  eines  Baumstammes  für  einen  Menschen  ver- 
gleiofabar  ist»  nicht  beseitigt  und  das  allerhöchste,  ewige,  seinem 
Wesen  nach  schauende  Selbst  durch  die  Erkenntnis  „ich  bin 
,3i'Abman''  (Bfih.  1,  4,  10)  noch  nicht  erlangt  hat,  so  lange  ist 
die  individuelle  Seele  individuell.  Wenn  man  sich  aber  durch 
das  Schriftwort  erheben  läfst  über  das  Aggregat  von  Leib,  Sinnen, 
Manas  und  Buddhi  und  von  der  Schrift  darüber  belehrt  wird, 
dafs  man  nicht  ein  Aggregat  von  Leib,  Sinnon,  Manas  und  Buddhi, 
nicht  eine  wandernde  Seele,  sondern  vielmehr  jenes  ist,  von  dem  es 
heifst  (Chänd.  6,  8,  7):  „das  ist  das  Reale,  das  ist  die  Seele''  — 
aus  reiner  Erkenntnis  bestehend  —  »das  bist  du*',  dann  erkennt 
man  das  höchste,  ewige,  seinem  Wesön  nach  schauende  Selbst,  und 
indem  man  sich    dadurch    über    den  Wahn   seines  Leibes  u.  a*  w. 

264  I  erhebt,  so  wird  man  zu  eben  jenem  allerhöchsten,  ewigen,  seinem 
Wesen  nach  schauenden  Selbste;  denn  so  sagt  dio  Schrift:  „für* 
„wahr,  wer  dieses  höchste  Brahman  kennt,  der  wird  selbst  au 
„Brahman"  (Mund.  3,  2,  9),  und  dieses  ist  eben  die  absohit  wahre 
Natur  der  individuellen  Seele,  in  der  sie,  aus  dem  Leibe  sich  er- 
hebend, hervortritt  in  ihrer  eigenen  Gestalt.  —  'Aber  wie  ist  es 
'möglich,  dafs  das  Allerhöchste  und  Ewige  seine  eigene  Gestalt 
'schon  habe  und  doch  in  dieser  seiner  eigenen  Gestalt  erst  hervor- 
'trete?  Denn  anders  ist  es  mit  Gold  und  ähnlichen  Stoffen.  Bei 
'diesen  ist,  wenn  ihre  eigene  Gestalt  durch  die  Yermengung  mit 
'fremden  Stoffen  überwältigt  wurde,  so  dals  die  verschiedenartigen 
'Merkmale  derselben  an  ihnen  sich  zeigten,  dadurch,  dafs  man  sie 
'durch  Zusatz  von  ätzenden  Materien  und  andere  Mittel  reinigt, 
'ein  Hervortreten  in  ihrer  eigenen  Gestalt  allerdings  möglich.  Und 
'ebenso  ist  z.  B.  bei  den  Sternen,  deren  Glanz  am  Tage  überwältigt 
'worden  war,  nach  Beseitigung  dessen,  was  ihn  überwältigt  hatte, 

•  'in  der  Nacht  ein  Hervortreten  in  ihrer  eigenen  Gestalt  möglich. 
'Hingegen  bei  dem  das  Geistige  .als  Licht  Habenden,  Ewigen  ist 
'eine  derartige  Überwältigung  durch  irgend  ein  anderes  nicht  mög- 
lich, weil  [das  Geistige]  so  wenig  wie  der  Baum  [von  den  Vor- 
'gangen  in  der  Körperwelt]  betroffen  wird,  sowie  auch 5  weil  die 
'Wahrnehmung  dem  widerstreitet.  Denn  Sehen,  Hören,  Denken 
'und  Erkennen,  das  ist  die  Natur  der  individuellen  Seele,  und 
'diese  tritt  an  ihr,   wie  die  Wahrnehmung   zeigt,   auch  ohne  dafs 

265  'sie  sich  über  den  Körper  erhöbe,  |  allezeit  hervor;  denn  jede  indi- 
'viduelle  Seele  kann  nur  handeln,  indem  sie  sieht,  hört,  denkt  und 
'erkennt,  da  ohne  dieses  ein  Handeln  nicht  möglich  ist.  Träten 
'diese  Eigenschaften  an  der  Seele  erst  dann  hervor,  wenn  sie  sich 
'über  den  Leib  erhöbe,  so  würde  das  [durch  sie  bedingte]  Handeln 
'vor  der  Erhebung,  wie  es  doch  die  Wahrnehmung  zeigt,  unmöglich 
'sein.     Welcher  Art  soll   also  jenes  Erheben  über  den  Leib   und 


Sdtram  I.  m.  19,  157 

^welcher  Ai*t  jenes  Hervortreten  in  eigener  Gestalt  sein?*  —  Uieranf 
dient  zur  Antwort:  ehe  die  Erkenntnis  der  Getrenntheit  (livfhi) 
eintritt,  ist  die  da9  Sehen  o.  s.  w.  als  I^cbt  habende  Naturbe- 
schaffenheit  dw  individuellen  Seele  voh  den  DpMhij  des  Leibes, 
der  OrganQ,  des  Maaas,  der  Buddhi.  der  Objekte  und  der  £mpfiu« 
dnng  gleichsam  unabgetrennt;  —  ähnlich  Mrie  bei  einem  reinen 
Bergkrystalle  die  Pnrchsichtigkeit  und  Klarheit  ab  seine  Natorbe« 
schaffenheit  vor  der  Auffassung  seiner  Getrenntheit  von  den  UpMhi^s 
der  roten  oder  blauen  Farbe  gleichsam  unabgetrennt  ist,  wfthrend 
hingegen,  nachdem  die  Anlfassong  seiner  Getrenntheit  mittels  der 
Erkenntnis  hervorgebracht  worden ,  für  die  Folgeeoit  der  Berg- 
krystall ,  wie  er  dann  weiter  fortbesteht ,  ib .  der  Dnrcbsichügkeit 
und  Klarheit  als  in  seiner  eigenen  Nat9r  so  au  sagen  erst  hei-vor^i 
tritt,  wiewohl  er  auch  schon  vorher  ebenderselbe  war;  -<—  ebenso 
entsteht  bei  der  von  den  DpAdhi's  des  Leibes  u.  s.  w.  noch  nicht 
abgetrennten  individttellen  Seele  die  durch  das  Schriftwort  be- 
wirkte JBrkenntnis  der  Getrenotheit  und  als  Frucht  dieser  £«rkennt- 
nis  der  G^trenntheit  die  Erhebnng  über  den  Leib  {  und  das  Her-  266 
vortreten  in  eigener  Gestalt,  d.  h.  die  Erkenntnis  der  eigenen  Katar 
als  blofse  Seele.  Also  nur  auf  der  Getrenniheit  und  Ungetrennt' 
heit  beruht  die  Uakörperbohkeit  und  Körperlichkeit  der  indivi- 
dnellen  Seele;  denn  das  Schriftlied  sagtv  dar  ohne  Körper  in 
„den  Kdrpem^^  (K&th.  2,  22).  Und  auch  die  Smpti  lehrt  in  den 
Worten  (Bfaag.  G.  13,  31): 

„A^cb  wSÜirend  er  Im  Leibe  weilt,  Kaunteya, 
„Ist  er  nicht  handelnd  und  wird  nicht  befleckt^, 

dafs  die  'Körperlichkeit  und  Unkorperlichkeit  keinen  Unterschied 
an  dem  Atmön  begründet.  So  lange  also  die  Erkenntnis  der  Ge-  * 
trenntheit  nicht  stattfindet,  ist  die  Sefele  ihrer  eigenen  Natur  nach 
nicht  offenbar  nnd  durch  die  Erkenntniä  der  Getrenntheit  wird, 
so  'lu  sagen,  ihre  eigene  Natur  oßfenbar,  denn  ein  anderes  0£f\3n- 
barwerden  und  Nichtoffenbarwerden  ihrer  eigenen  Natur  ist  nicht 
denkbar^  weil  es  sich  eben  dabei  nur  um  ihre  eigene  Natur  handelt. 
Somit  beruht  die  .ünteriKsheidung  zwischen  der  individuellen  Seele 
uiad  dem  höchsten  Gotte  nur  auf  der  falschen  ESrkenntnis  und  ist 
in  Wirklichkeit  gar  nioht  vorhanden,  indem  die  eine  wie  der  an- 
dere, ymlich  wie  der  Raum,  [von  den  körperlichen  Vorgängen] 
onbetroffen  bleiben«  Und  warum  muTs  man  dieses  so  annehmen? 
Weil  nach  den  Worten:  ,^der  Mann,  der  in  dem  Auge  gesehen 
„wird^*,  es  weiter  heilst:  j^das  ist  das  Unsterbliche,  das  Furchtlose, 
„das  Brahman**  (Ghind.  8,  7,  4).  W&re  hier  tmter  dem  als  der 
Sehende  im  Ad^s  Rekannten  und  um  des  Sehens  willen  Angenom* 
menen  ein  anderer  sa  verstehen  als  das  die  Merkmale  der  Un- 
sterWchkeit  und  Furchtlosigkeit  tragende  Biahman,  so  könnte 
jen^  nioht  ab  Subjekt   mit    dem    nnsterbliohen   und    furchtlosen. 


158  ^Ariraka-mimMs^ 

Brahman  als  Prädikat  in  demselben  Satze  Terbonden  vorkomtaen. 
Auch  darf  man  nicht  etwa  denken,  dafs  hier  von  dem  im  Ange 
gesehenen  Spiegelbilde  die  Rede  sei,  weil  in  diesem  Falle  Pr^i- 
pati  [indem  er  es  unsterblich  i;.  s,  w.  nennt]  eine  Unwahrheit  ge- 
sagt haben  würde.  Ebenso  das  zweite  Mal,  wo  es  heifst:  „er,  der 
„in  dem  Traume  herrlich  dahergeht"  (Chänd.  8,  10,  1),  darf  man 
nicht  an   einen   andern  denken   als   an   den   das   erste  Mal  «ufge- 

267  zeigten  sehenden  Geist  im  Auge.  |  Denn  es  heifst  in  den  Torher- 
gehenden  Worten:  „diesen  aber  will  ich  dir  weiter  erklären" 
(Ch&nd.  8,  9,  3),  und  [dasselbe  lehrt  die  Erfahrung;  dehn]  wenn 
einer  sagt,  „diese  Nacht  habe  ich  im  Traume  einen  Elefanten  ge- 
„sehen,  und  sehe  ihn  doch  jetzt  nirgendwo",  so  verwirft  er  nach 
dem  Erwache^i  das  besehene  Objekt,  das  sehende  Subjekt  hingegen 
erkennt  er  als  das  nämliche  an,  denn  er  sagt:  „eben  ich,  der  ich 
„das  Traumbild  gesehen  habe,  ich  als  ebenderselbe  sehe  jetzt  im 
„wachen  Zustande."  —  Ebenso^ist  es  beim  dritten  Male,  wo  es  heifst: 
„fürwahr,  damit  hat  er  den  Atman  noch  nicht  erkannt  und  dafs 
er  es  selbst  ist,  noch  auch  diese  Kreaturen"  (Ch&nd.  8,  11,  1); 
hier  lehrt  die  Schrift,  dafs  im  Zustande  des  Tiefschlafes  die  Er- 
kenntnis der  Unterschiede  aufhört,  nicht  aber,  dafs  der  Erkennende 
aufhöre.  Und  wenn  es  dabei  heifst:  „er  ist  eingegangen  zur  Yer- 
mchtung^^  (Chand.  8,  11,  1),  so  soll  auch  dies  nur  eine  Vernichtung 
der  [individuellen]  Erkenntnis  der  Unterschiede,  nicht  aber  eine 
Yernichtung  des  erkennenden  Subjektes  bedeuten,  von  dem  eine 
andere  Schriftstelle  sagt:  „denn  nicht  giebt  es  für  den  Erkenner 
„eine  Unterbrechung  des  Erkennens  wegen  s^ner  Unverganglich- 
„keit"  (Brih.  4,  3,  30).  Ebenso  steht  es  endlich,  wenn  es  zum 
vierten  Male  heifst:  „diesen  will  ich  dir  weiter  erkl&ren^  denn  es 
„ifit  nicht  anderweit  zu  finden  als  in  diesem"  (Chand.  8,  11,  3); 
nämlich  nachdem  mit  den  Worten :  „sterblich,  fürwahr,  o  Mächtiger, 
„ist  dieser  Leib"  u.  s.'W.  (Chänd.  8,  12,  1)  die  Verbindung  mit 
den  Upädhi's  des  Leibes  u.  s.  w.  eingehend  widerlegt  worden,  so 
heifst  es  von  der  mit  dem  Worte  „Yollberuhigung"  bezeichneten 
individuellen  Seele:  „sie  tritt  hei-vor  in  ihrer  eigenen  Gestalt" 
(Ghänd.  8)  12,  3);  wenn  die  Schrift  sich  dieses  Ausdrucks  bedient, 

268  um  den  Übergang  der  Seele  in  die  |  Wesenheit  des  Brahman  an- 
zuzeigen, so  giebt  sie  hierdurch  zu  verstehen,  dafs  es  eine  von 
dem  unsterblich  und  furchtlos  gearteten  Brahman  verschiedene 
individuelle  Seele  gar  nicht  gebe. 

Einige  Ausleger  allerdings,  welche  sich  daran  stoliien, 
dafs  hier,  wo  doch  der  höchste  Atman  gelehrt  werden  soll,  mit 
den  Worten :  „diesen  will  ich  dir  weiter  erklären^^  die  individuelle 
Seele  herbeigezogen  werde,  nehmen  au,  dafs  damit  vielmehr  auf 
den  zu  Eingang  erwähnten,  Sündlosigkeit  u.  s.  w.  besitzenden  At- 
man als  denjenigen,  welchen  die  Schrift  weiter  erklären  wolle, 
hingewiesen  werde.     Aber  hierdurch  sehen   sie  sich  genötigt,  das 


Sfttram  I.  m.  19.  159 

von  der  Schrift  gebrauchte  Pronomen  „diesen 'S  welches  doch  nur 
auf  ein  in  der  Nähe  Stehendes  gehen  kann,  auf  ein  Fernstehendes 
zu  beziehen;  und  ebenso  steht  damit  das  Wort  „wieder**  nicht  in 
Einklang,  indem  [bei  dieser  Annahme]  das  zweite  Mal  nicht  das 
Nämliche  verstanden  werden  dürfte-,  welches  das  erste  Mal  ver- 
standen wurde.  Wenn  wirklich  unter  den  Worten  „diesen  will 
„ich  dir  weiter  erklären"  bis  zum  vierten  Male  hin  jedes  Mal 
etwas  anderes  zu  verstehen  wäre,  so  wOrdö  folgen,  dafs  Prajäpati 
ein  Betrüger  sei.  Man  muTs  also  vielmehr  annehmen,  dafs  die 
nur  vom  Nichtwissen  aufgestellte,  nicht  absolut  reale  Natur  der 
individuellen  Seele,  nach  welcher  sie  als  handelnd  und  geniefsend, 
als  mit  Liebe,  Hafs  und  andern  Mängeln  besudelt  und  mancherlei 
Unheil  anheimgegeben  erscheint,  dafs  diese  Natur  durch  das  Wissen 
att%ehoben,  und  an  ihrer  Statt  die  entgegengesetzte,  sündlose  u.  s.  w. 
Natur  des  höchsten  Gottes  [als  das  wabre  Wesen  der  Seele]  gelehrt 
wird;  ähnlich  wie  man  einen  Gegenstand,  durch  Aufhebung  des 
Wahnes,  dafs  er  eine  Schlange  sei,  als  blofsen  Strick  [erkennt] 
u.  dgl.  —  Andere  Erklärer  wiederum  halten  die  individuelle 
Natur  der  Seele  für  absolut  real,  und  ihnen  stimmen  einige 
der  unsrigen  bei.  Gegen  sie  alle,  welche  Widersacher  der  voll- 
konunenen  Erkenntnis  von  der  Einheit  des  Atman  sind,  |  richtet  ^^9 
sich,  um  sie  zu  widerlegen,  das  gegenwärtige  ffäriraka-BTich,  wel- 
ches lehrt,  dafs  nur  der  einheitliche  höchste,  Gott  die  oberste  und 
ewige  intellektuelle  Wesenheit  ist,  welche  infolge  des  Nichtwissens, 
ähnlich  wie  der  Zauberer  infolge  des  Zaubers,  als  eine  vielfaltige 
[der  individuellen  Seelen]  erscheint,  während  doch  [in  Wahrheit] 
keinerlei  intellektuelle  Wesenheit  aufser  Gott  JBxistieift.  Wenn 
aber  nichtsdestoweniger  der  Verfasser*  der  StLtra's  bei  Stellen,  die 
vom  höchsten  Gotte  handeln,  die  Meinung,  als  wäre  in  ihnen  die 
individuelle  Seele  zu  verstehen  [die  doch  gar'  nicht  existiert]  ^  be- 
kämpft, wie  es  z.B.  gleich  in  den  Worten:  „nein,  wegen  der 
„Unmöglichkeit"  (Süiram  1,  3,  18)  geschehen,  so  ist  seine  Absicht 
dabei  folgende.  Da  auf  den  seiner  Natur  nach  ewigen,  reinen, 
weisen,  freien  imd  wahrhaftigen,  allerhöchsten  und  ewijgen,  [von 
der  Körperwelt]  unberührten  und  gestaltlosen  höchsten  Atman  die 
ihm  entgegengesetzte,  individuelle  Natur,  ähnlich  wie  die  Blauheit 
des  Grundes  auf  den  Weltraum,  fälschlich  übertragen  zu  werden 
pfl^^  so  will  unser  Autor  durch  Schriftworte,  welche,  wenn  man 
sie  nur  richtig  versteht,  die  Einheit  des  Atman  lehren  und  jene 
Yielheitlichkeit  widerlegen,  diesem  Irrtume  steuern,  und^  zu  diesem 
Zwecke  erhärtet  er  die  Verschiedenheit  des  höchsten  Atman  von 
der  individuellen  Seele;  hierbei  aber  ist  es  nicht  etwa  seine 'Absicht, 
diese  Verschiedenheit  der  höchsten  Seele  von  der  individuellen 
seinerseits  zu  lehren,  sondern  er  referiert  nur  die  vom  Nichtwissen 
aufgestellte  und  im  gemeinen  Leben  angenommene  Vielheit  der 
Seelen.     Seine  Absicht  ist  dabei  keineswegs,  die  nur  unter  Voraus- 


160  ^Mrakft-mlmftndä 

Setzung  dieses  natürlichen  Thätorseins  und  GemefserseinB  möglichen 
WerkyorBchrifteu  [des  Yeda]  zu  bestreiten;  aber  als  den  eigent- 
lichen Endzweck  der  Schrift  bezeichnet  er,  [durch  Jene  Accommo- 
dationen  an  den  empirischen  und  rituellen  Standpunkt  hindurch] 
die  Einheit  der  Seele  zu  lehren  ^  wie  dies  z.3.  au  Stellen  wie 
,,yermög&  einer  Schriftanschauung  vielmehr  [geschieht]  die  Bezeich- 
„nung,  wie  bei  V^madeya*^  (SüLtram  1,1,  30)  hervortrat.  Übrigens 
haben  wir  bereits  auseinandergesetzt,  wie  man  den  Widerspruch 
mit  den  Werkvorschriften  dadurch  zu  vormeiden  hat,  dafs  man 
zwischen  dem  Wissenden  und  dem  Nichtwissenden  [fUr  den  die 
Werkvorschriften  bestimmt  sind]  unterscheidet. 


370  30.    anya^-arthag  ca  pardmargah 

und  um  des  andern  willen  [geschieht]  die  Berührung. 

^Die  Berührung  der  individuellen  Seele,  welche  im  Veriaufe 
^der  Stelle  von  dem  kleinen  Baume  in  den  Worten  „nun  aber 
S,diese  Yollberuhigung^*  u.  s.  w.  (Ch&nd.  8,  3,  4)  sich  zeigt,  kann, 
'wenn  der  kleine  BMun  auf  den  höchsten  Gott  gedeutet  wird, 
'weder  den  Zweck  haben,  eine  Verehrung  der  individuellen  Seele 
^zu  lehren,  noch  auch,  eine  Bestimmung  des  in  Jtede  stehenden 
'[höchsten  Oottes]  darzulegen.  Somit  scheint  zu  folgen,  dafs  diese 
'Berührung  swecUos  ist.'  --*  Darauf  dient  zur  Antwort:  „um  des 
„andern  willen  [geschieht]  die  Berührung"  der  individuellen  Seele; 
also  nicht,  um  bei  der  Katur  der  individuellen  Seele  stehen  zu 
bleiben,  sondern  um  bei  der  Natur  des  höchsten  Gottes  anzulangen. 
Nfimliofa  so.  Die  hier  unter  dem  Worte  „Vollberuhigung"  zu  ver» 
stehende  individuelle  Seele,  welche  in  der  Th&tigkeit  des  Wachens 
der  Aufs^er  in  dem  Käfige  des  Leibes  und  der  Sinnesorgaoe  ist, 
und  welche  [im  Schlafe],  in  den  Adern' umherschweifend,  die  aus 
den  VoTBiellungen  des  Wachens  gezimmerten  Traumbilder  schaut, 
eben  diese  erhebt  sich,  einer  inneren  Zuflnclit  begehrend,  über 
den  zweifachen  Wahn  der  Leiblichkeit  [im  Wachen  und  Tr&umen], 
indem  sie  im  Tiefsohlafe  in  das  unter  dem  „höchsten  Lichte"  und 
dem  ,3aame"  zu  verstehende  höchste  "^rahman  eingeht,  die  Mög- 
lichkeit des  individuellen  Erkennens  hinter  sich  l&fst  und  dadurch 
in  eigener  Gestalt  hervortritt.  Das  höchste  Licht,  in  welches  sie 
dabei  eingeht,  und  durch  das  sie  in  eigener  Gestalt  hervortritt, 
dieses  ist  als  jler  mit  den  Eigenschaften  der  Sündlosigkeit  u.  s.  w. 
ausgestattete  Ätman  zu  verehren.  Dies  ist  der  Z  veck,  „um  deaeen 
„willen"  die  Berührung  der  individuellen  Seele  geschieht,  welche 
man  daher,  auch  wenn  man  die  Stelle  auf  den  höchsten  Gott  be- 
zieht, hier  zugeben  kann. 


SAtram  T.  in.  21.  161 

21.    älpa-grutery  iti  cet?    tad  uktam 

wegen  der  Stelle,  wonach  er  klein,  meint  ihr? 

Darüber  war  die  Bede. 

Wenn  endlich  noch  behauptet  wurde,*  dafs  die  in  der  Stelle 
,4nwondig  darinnen  iM;  ein  kleiner  Raum"  hervorgehobene  Kleinheit 
des  Raumes  auf  den  h(>ohBten  Gott  nicht  padse,  wohl  aber  auf  die 
(^Vet.  5,  8)  mit  einer  Kadelspitzs  yerglichene  indiyiduelle  Seele, 
I  so  bliebe  das  noch  zu  widerlegen.  Aber  diese  Widerlegung  ist  271 
schon  gegeben  worden  da,  wo  wir  auseinandersetzten,  dafs  die 
Erwähnung  der  Kleinheit  des  höchsten  Gottes  einer  bestimmten 
Absicht  diene,  n&miich  in  dem  Sütram:  ,,weil  seine  Behausung 
„winzig  und  auch  [von  ihm]  dies  aufgewiesen,  nicht,  pneint  ihr? 
„0  nein!  weil  er  auf  diese  Weise  bemerklich  gemacht  werden  soll, 
„und  es  ist  wie  bei  dem  Raume^'  (1)2,  7).  Die  dort  gegebene 
Widerlegung  ist,  wie  unser  Sütram  andeutet,  hierher  zu  beziehen. 
Übrigens  wird  jene  Kleinheit  von  der  Schrift  selbst  widerrufen 
(pratifUlUa)  durch  die  Gleiohsetznng  mit  dem  Welträume,  welche 
in  den  Worten  liegt:  „wahrlich  so  grofs  wie  der  Weltraum  ist,  so 
„grofs  ist  dieser  Raum  inwendig  im  Herzen"  (Ghand.  8,  1,  3). 


Siebentes  AdJiikaranam. 

22.    anukrites;  tasya  ca 
.    wegen  der  Nachmachung;  und  „von  seinem"  — 

Die  Schrift  sagt  (Mund.  2,  2,  10  =  Käth.  5,  15): 

„Dort  leuchtet  nicht  die  Sonne,  nicht  Mond  und  Sterne, 
„Noch  leuchten  jene  Blitze,  viel  weniger  irdisches  Feuer, 
„Ihm,  der  da  leuchtet,  leuchtet  alles  nach, 
„Das  Ganze  hier  erglänzt  von  seinem  Lichte." 

Hier  ist  zweifelhaft,  ob  untAr  dem,  der  da  leuchtet,  dem  alles 
nachleuchtet,  und  von  dessen  Lichte  die  ganze  Welt  hier  erglänzt, 
irgend  eine  Lichtmaterie  oder  der  erkenntuisartige  Atraau  \prajfia' 
ätmd^  d.  h.  die  höchste  Seele]  zu  verstehen  ist. 

Angenommen  also,  ^es  sei  unter  dem,    „der  da  leuchtet'S  eine 
^Lichtmaterie  zu    verstehen;    warum?    weil    er    das    Leuchten    der 
^Sonne  u.  s.  w.,    welche    gleichfalls  Lichtmaterien   sind,    aufhebt.  { 
'Denn  die  Erfahrung  zeigt ,   wie   die    natürlichen  Lichtcjuelleii   des  272  ' 
'Mondes,    der  Sterne    n.  ?.  w.   bei   Tage,    während   die   gleiohialls 

DsuttBv,  VediD^a.  11 


162  ClLrtraka*mtn4n84. 

*natarltche  Lichtquelle  der  Sonne  leuchtet»  nicht  leuchten.    Hieraue 
*iet  SU  Bchliefsen,  dafs  daqenige,  in  deeeen  Oegenwart  Mond  und 
'alle  Sterne  miteamt   der  Sonne    nicht   leuchten,   gleicfaüalls   eine 
^natürliche  Lichtquelle  sein  tnudi.    Auch  da£i  demeelhen  die  tkbrigea 
S,nachleuchten'S  ist  nur  daon»  wenn  ee  sdbet  eine  natfbrliche  Licht- 
'quelle  ist,    sutreffend ,' indem  ein  Nachahmen    nur   unter  Wesen 
^gleicher  Art  stattfindety  s.  B.  wenn  der  eine  das  Oehen  des  andern 
'nachahmt.     Somit  mufs  hier  irgend  eine  Lichtmaterie  gemeint  »ein.* 
Auf  diese  Annahme  erwidern  wir,  dafs  nur  der  erkenntnisartige 
Ätman  (Gott)  gemeint    sein    kann.     Warum?    „wegen    der  Nach- 
^,machung^S  d.  n.  wegen  des  Nachahmens;  n&mlich  die  Worte  y^hm^ 
„der  da  leuchtet,  leuchtet  alles  nach''  reden  yen  einem  Nachleuch- 
ten, welches,  wenn  man  den  £rkenntQisarti|fen  versteht,  ganz  pas 
send  ist,  denn  von  dem  erkenntnisartigen  Aiman  sagt  die  Schrift 
„Licht  ist  seine   Gestalt,    sein  Ratschlufs    ist  Wahrheit"    (Chändl 
3,  14,  3);  während  hingegen,  wie  die  Erfahrung   beweist,    ni^t 
behauptet  werden  Irann,  dafs  die  Sonne  u,  s.  w.  irgend  einer  andern 
Lichtmaterie  nachleuchteten.   .  Und  auch  darum ,    weil    alle  Licht- 
materien  ihrem  Wesen  nach   gleichartig  sind,    können    die  Sonne 
u.  s«  w.  nicht  von  einer  andern  Lichtmaterie  abh&ngig    sein ,    auf 
deren  Leuchten  hin  sie  nadileuühteten:  denn  man  kann  2.  B.  nicht 
273  eegen,  dafs  die  eine  Lampe  |  der  andern  Lampe  nachleuchte.    Wenn 
weiter  behauptet  wurde,    dafs  ein  Nachahmen  nur  unter   gleich- 
artigen Dingen  statthabe,  so  ist   dieses  kein  unbedingtes  Gesetz, 
indem  auch  verschiedenartige  Dinge  einander  nachahmen;  wie  z.  B. 
eine  glühende  Eisenkugel  dem  Feuer    nachahmt,    indem    sie    dem 
brennenden  Feuer  nachbrennt;   oder  wie  dei^  Staob  dec  Erde  dem 
dahinfahrenden  Winde  nachfälirt.     Wenn  unser  Sütram'sagt:  „we- 
,^en  der  Nachmachung",  so  deutet  es  damit  auf  das  Nachleuchten 
hin,  w&hrend  in  den  weitem  Worten  „und  von    seinem"  auf  die 
vierte  Zeile  des  in  Rede  stehenden  Verses   hingewiesen  wird,   wo 
es  heifst:  „das  Ganze  hier  erglänzt  von  seinem  Lichte."     Indem 
diese  Worte  besagen,   dafs  die  Sonne  u.  s.  w.  jenes  Licht  als  Ur- 
sache ihres  Glanzes  haben,  ^so  nötigen  sie  zu  schliefsen,  dafs  das- 
selbe der  erkenntnisartige  Atman  ist.     Denn  von  diesem  sagt  eine 
andere  Schriftstelle:  „ihn  ehren  als  unsterblich  Leben  die.  Götter, 
„als  der  Lichter  Licht"  (Bfih.  4,  4«  16).     Dafs  hingegen  das  Licht 
der  Sonne  u.  s.  w.  durch  ein  anderes  Licht  leuchte,  ist  unerweis- 
lich und   auch  gegen   die  ESrfahrung,  nach  welcher   vielmehr  dem 
einen  Lichte  durch  das  andwe  [z.  B.   dem   des  Mondes  durch  die 
Sonne]  Abbruch  gethan  wird.  —  Oder  auch  man  kann  annehmen, 
dafs  es  nicht  nur  die  im  Verse  erwähnten  Lichtbr  der  Sonne  u.  s.  w. 
sind,  von  denen  das  durch  jenes  Licht  bedingte  Glänzen  ausgesagt 
wird,   sondern   es   heifst  vielmehr    ausnahmslos:    „das  Ganze    hier 
,terglänzt  von  seinem  Lichte]";   d.  h.  die  Offenbarung  dieser  gan- 
zen, in  Namen  und   Gestalten   zur  Vergeltung   der   That  an   dem 


SOtniü  I.  HI.  98.  163 

Thftter  enistaodnien  Welt  wird  bedingt  durch  das  Yoriumdenseui 
dee  Brahmanlichtes,  Ähnlich  wie  die  Offenbarung  aller  Oeetaltan 
doreh  das  Vorhandensein  des  Sonnenlichtes  bedingt  wird.  [Dafs 
nnter  dem  Lichte  Brahman  zu  Terstehen  istj  ergiebt  sich  auch 
aas  dem  in  dem  Verse:  JDort  leuchtet  nicht  |  die  Sonne^'  gebrauch-  974 
ten  Worte  „dorb',  weldias  anzeigt,  dafs  man  an  das  Vorhererw&hnte 
EU  denken  hat;  vorher  aber  war  Von  Brahman  die  Rede,  denn  es 
.  hiefs:  „der  Ort,  in  welobem  Himmel,  Erd'  und  Luftraum  gewoben 
,;ist"  u.  s.w.  (Mu94'  S,  2,  5),  und  gleich  darauf:  „in  goldener, 
„höchster  Halle  liegt  staublos  das  Brahman  ungeteilt;  das  ist  das 
„Beine,  ist  der  Lichter  Licht,  ist  was  die  wissen,  die  den  Ätman 
„kennen'^  (Hu^d.  2,  %  9) ,  worauf,  um  den  hier  gebrauchten  Aus» 
druck  „der  'Lichter  Licht ^*  zu  erklären,  es  weiter  heifst:  „dort 
„leuchtet  nicht  die  Sonne"  u.  s.  w.  Wenn  ferner  noch  behauptet 
wurde,  dafs  die  Aufhebung  des  Leuchtens  der  Lichter  wie  Sonnt 
tt.  8«  w.  nur  mdgUch  sei  dadurch,  dafs  eine  andere  Lichtmaterie 
leuchte,  ähnlich  wie  die  Aufhebung  des  Leuchtens  der  übrigen 
Gestirne  dadurdb,  dafs  die  Sonne  leuchte,  so  machten  wir  hingegen 
bereits  geltend,  dafs  jenen  Effekt  des  „Nachleuchtens"  [der  Sonne 
u.  s.  w.]  eine  eben  solche,  andere  Lichtmaterie  nicht  zu  bewirken 
im  Stande  sein  würde  (na  samhkavaH).  Auf  Brahman  pafst  auch, 
dafs  das  Leuchten  aller  jener  andern  Lichter  £in  jenem  einen  Uchte] 
aufgehoben  sei;  denn  alles,  was  wahrgenommen^  wird, >  kann  *  nur 
dtttdi  das  Brahman  als  Lieht  wahrgenommen  werden,  während 
hingegen  das  Brahman  durch  kein  anderes  Licht  wahrgenommen 
wird«  weil  es  seiner  Natur  nach  Selbstlioht  ist,  so  .dafs  die  Sonne 
u.  s.  w.  in  ihm  leuchten;  denn  das  Brahman  offenbart  alles  andere, 
I  wird  aber  selbst  durch  nichts  anderes  offenbart;  indem  die  Schrift  275 
sagt:  „dann  dienet  er  sich  selbst  als  Licht"  (Brih.  4,  3,  6)  und; 
„er  ist  ungreifbar,  denn  er  wird  nicht  ergriffen"  (Brih.  4,  2,  4). 


^3.    api  ca  smaryate 
wie  auch  die  Smriti  ßagt. 

Und  auch  die  Smriti  gedenkt  jener  Natur  des  erkenntnisartigen 
Attnaii,  wenn  es  in  den  BhagavddgiiCC^  heifst  (Bhag.  G.  15,  6): 

„Dort  leuchtet  Sonne  nicht  noch  Mond  noch  Feuer ; 
„Die  dorthin  gehen,  kehren  nicht  zurdck;  - 
„Das  ist  die  höchste  St&tte,  wo  ich  wohne^'; 

und  femer  (Bhag.  G.  16,  12): 

„Das  Licht,  das  von  der  Sonne  aus  die  ganze  W^t 
„Erhellt,  das  Licht  des  Mondes  und  des  Feuers  Licht, 
„Das  alles,  sollst  du  wissen,  ist  mein  eigen  Licht." 

11* 


164  Qlirlrakft-miiniiksfl 


Achtes  Adhikaranam, 

24,    fdhdäd  eva  prämitah 

m 

'wegen  des  Wortes  schon  der  Gemessene. 

Die  Schrift  sagt:  „zoUhodi  steht  in  des  Leihes  Mitte  der  Ptt- 
„rasha"  (K&th.  4,  12),  und:  „der  Pomsha,  sollhoch  an  Lange,  wie 
„eine  Flamme  ohne  Rattch,  der  Herr  des,  das  da  war  und  sein 
976  „I  wird,  er  ist  es  hent'  nnd  morgen  anoh;  -^  wahrlich  dieses  ist 
„das"  (Kftth.  4,  13).  Hier  fragt  sich,  ob  unter  dem  EoUhohen 
Pumsha  die  individuelle  Seele  oder  dw  höchste  Atman  zu  ver* 
stehen  ist. 

Man  könnte  denken^  *es  sei  die  individuelle  Seele  gemeint,  weil 
'ein  bestimmtes  Ma(s  dabei  angegeben  wird;  denn  von  der  höchsten 
*Seele,  welche  sich  in  unendlicher  Ausdehnung  erstreckt,  könnte 
'nicht  gesagt  werden,  dafs  sie  als  Umfang  die  Gröfse  eines  Zolles 
'habe,  während  bei  der  individuellen  Seele,  zufolge  ihrer  Behaftung 
'mit  den  Upadhi^s,  die  zollhohe  Gröfse  in  gewissem  Sinne  passen 
'würde;  wie  auch  die  Smriti  sagt  (Mahäbh4ratam  3,  16763): 

'„Da  zog  gleichwie  an  Stricken  aus  deu^  Leibe 
'„Des  Satyavant,  an  Länge  einen  Zoll  hoch, 
'„Den  Pomsha,  gehorchend  seinem  Willen, 
'„Tkma,  der  Todesgott,  mit  Kraft  heraus." 

'Der  höchste  Gott  kann  es  nicht  sein,  den  Yama  hier  mit  Kraft 
'herauszieht;  steht  es  aber  fest,  dafs  hier  unter  dem  „an  Länge 
'„einen  Zoll  hohen  Purusha"  die  wandernde  Seele  zu  verstehen  ist, 
'so  liegt  nahe  anzunehmen,  dafs  diese  auch  an  unserer  Stelle  ge- 
'meint  sei.' 

Hierauf  erwidern  wir:  der  (Käth.  4,  12^—13)  als  zollhoch  „ge- 
„messene"  Purusha  mufs  der  höchste  Atman  sein;  warum?  „wegen 
„des  Wortes",  welches  lautet:  „der  Herr,  des  das  da  war  und  sein 
„wird"  (K&th.  4,  13);  denn  kein  anderer  als  der  höchste  Gott 
kann  ohne  Einschränkung  als  der  Herr  des  Vergangenen  und  Zu- 
künftigen bezeichnet  werden.  Femer  auch  wegen  des  Wortes: 
„wahrlich  diesos  ist  das"  (Kath.  4,  13) ;  hier  bezieht  sich  die  Schrift 
377  auf  eine  vorher  aufgeworfene  Frage,  |  und  der  Sinn  ist :  „wahrlich, 
„dieses  ist  das,  wonach  du  fragtest^S  nämlich  das  Brahman.  Denn 
nach  dem  Brahman  war  hier  gefragt  worden  mit  den  Worten 
(Kath.  2,  14): 


„Was  frei  vom  Guten  und  vom  Bösen,  ron  Ursach^  und  von  Wirkung  frei, 
„Frei  vom  Vergangenen  und  Zukünftigen,  das  sage  mir,  was  dieses  sei. 


IC 


Sittram  I.  m.  24.  165 

„Wegen  des  Wortes  scbon''  [^Bg^  unser  SAiram],  d.  b.  schon  wegen 
unserer  Schriftstelle  selbst,  die  Qm  mit  Namen  bezeicbnet  als  „den 
„Herrn  [den  das  da  war  und  sein  wird]'',  muTs  man  hier  auf  den 
höchsten  Gott  echliersen. 

'Aber  wie  kann  dem  allgegenwärtigen  höchsten  Atman  in  dieser 
'Weise  ein  beschränkter  Umfang  beigelegt  werden?*  —  Darauf 
antworten  wir: 


25.,  hridij  ap^shayä  tu,  manushya-adhikdratvdt 

im  Herzen ,.  doch  mit  Bücksicht,  weil  die  Menschen 

berufen. 

Obwohl  der  höchste  Ätman  allgegMiwftrtig  ist,  so  wird  „doch 
„mit  Rücksicht"  auf  sein  Weilen  „im  Heraen^',  gesagt,  cUfs  er 
einen  Zoll  grofs  sei ,  ähnlich  wie  man  von  dem  [an  sieh  unend- 
lichen] Baume,  mit  Rücksicht  auf  [den  Raum  zwischen  zwei]  Elno- 
ten  eines  Rohres,  sagt,  dafs  er  eine  Elle  lang  sei.  Denn 'geradezu 
[und  ohne  diese  Rücksichtnahme]  kann  es  doch  nicht  yon  dem 
aU^  Mafs  überstöigenden  Atman  heifsen,  er  sei  einen  Zoll  hoch; 
ein  anderer  aber  als  der  höchste  Atman  kann  hier  nicht  rerstan* 
den  werden,  wie  wir  an  seinen  Bezeichnungen  als  „der  Herr"  u.  s.  w, 
erkannten.  —  'Aber  der  Umfang  der  Herzen  ist  doch  je  nach  der 
'Verschiedenheit  der  lebenden  Wesen  eine  variable  Gröfse,  so  dafs 
'sich  auch  nicht  einmal  mit  Rücksicht  auf  sie  die  zollgro&e  Länge  • 
'I  auirechthalten  läfst?'  —  Auf  diesen  Einwurf  wird  im  Sütram  978 
geantwortet:  „weil  die  Menschen  berufen/'  Obwohl  nämlich  der 
Schriftkanon  ohne  Unterschied  der  Person  Torgeht,  so  wendet  er 
sich  doch  ausschliefslich  an  die  Menschen,  sofern  diese  der  Er- 
lösung sowohl  fähig  als  auch  bedürftig  sind,  auch  [mit  Ausnahme 
der  QAdrä*ti]  von  dem  durch  das  [Sakrament  des]  Upanapanam 
[der  Einflihrung  bei  einem  Lehrer  unter  Umgürtung  mit  der  Opfer- 
schnur] bedingten  Oebrauche  der  Schrift  nicht  ausgeschlossen  sind, 
wie  dieses  in  dem  Abschnitte  über  die  Berufiing  (Jaim.  6,  1,  26  fg.) 
ausgeführt  wurde.  Der  Leib  der  Menschen  nun  aber  ist  von  einem 
bestimmten  Umfange,  und  diesem  entsprechend  ist  auch  ihr  Herz 
Ton  einem  bestimmten  Umfange,  nämlich  von  der  Oröfse  eines 
Zolles.  Weil  also  ,,die  Menschen"  zum  Oebrauche  des  Schrift- 
kanons „berufen"  sind,  so  ist,  „mit  Rücksicht"  auf  das  Weilen  des 
höchsten  Atman  „in  dem  Herzen"  der  Menschen,  die  Bezeichnung 
desselben  als  „zollhoch"  eine  angemessene.  Wenn  weiter  behaup- 
tet wurde,  dafs  wegen  der  Bezeichnung  des  Umfanges  und  wegen 
der  angeführten  Smptistelle  unter  dem  ZoUgrofsen  nur  die  wan- 
dernde Seele  Terstanden  werden  könne,  so  haben  wir  darauf  zu 


166  giclnka*iDliii4fiBil 

erwidern,  dafs  Uermit,  ähnlich  wie  durch  die  Worte  „du  ist  die 
879  „Seele^  das  bist  du^^  (Ch&nd.  6,  8,  7),  |  Ton  dem,  obwohl  in  der 
wandernden  Seele  TorKegenden,  sollhohen  [Ätman]  gelehrt  werden 
■oll,  dafB  er  das  Brahman  iai.  Nftmlidi  den  TedUjitatexten  iat  ein 
xweifaches  Verfahren  eigen:  eritena  bezwecken  sie,  die  Vfatnr  des 
höchsten  Atman  dannl^gen,  nnd  aweitens  bezwecken  sie,  die  indi- 
Vidaelle  Seele  als  mit  dem  höehaten  Atman  identisch  nai^uweisen. 
An  unserer  Stelle  nun  liegt  nur  die  Absicht  ror,  die  Identitftt  der 
individuellen  Seele  mit  dem  höchsten  Atman,  nicht  aber  den  zoll-* 
grofsen  Umfang,  sei  es  des  einen  oder  andern,  zu  erweisen.  Dafe 
dieses  allein  der  Zweck  ist,  bekundet  die  Schrift  durch  die  weiter 
folgende  Stelle  (KAth.  6»  17): 

„ZolUioch,  als  innVe  Seele,  weilet  stets 
„Der  Porosha  im  Herz  der  Kreaturen; 
„Ihn  ziehe  aus  dem  Leibe  mit  Bedacht, 
„Wie  ans  dem  Schilfgras  einen  Halm  man  auszieht, 
„Dm  wisse  als  unsterblich,  als  das  Beine.^ 


Neuntes  Adhikaranam* 

SSO  36.    tad-^upari  api  Bddaräyanah  y  sambhavät 

auch  die  über  ihnen ,  lehrt  Bädarajana,  wegen  des 

Zutreffens. 

Wir  fanden,  dafs  die  zollhohe  Oröfse  des  Purusha  von  der 
Schrift  erwähnt  werde  „mit  Rücksicht'*  auf  die  Gröfse  des  Men- 
schenherzens, „weil  iüe  Mensehen'*  ron  dem  Schriftkanon  „berufen** 
werden. 

■  Bei  dieser  Gelegenheit  ist  Folgendes  zu  bemerken.  Zugegeben, 
dafs  es  die  Menschen  spd,  welche  Tom  Schriftkanon  berufen  wer« 
den,  so  liegt  doch  hier,  wo  es  sidi  um  die  Erkenntnis  des  Brah- 
man  handelt,  kein  Orund  vor  zu  der  Annahme,  dafs  nur  die  Men- 
schen allein  zu  ihr  berufen  seien.  Vielmehr  sind  zur  Erkenntnis 
„auch  die  über  ihnen**  Stehenden,  n&mlioh  die  Götter  u.  s.  w., 
berufen;  8o  meint  der  Lehrer  B4dar&yana;  warum?  „wegen  des 
„Zutreffens",  d.  h.  weil  die  Bedingungen  der  Bedürftigkeit  u.  s.  w., 
welche  die  Ursache  der  Berufung  sind,  auch  auf  die  Götter  u.  s.  w. 
zutreffen.  Was  nämlich,  zunächst  die  Bedürftigkeit  zur  Erlösung 
betrifft,  so  trifft  diese  auch  auf  die  Götter  u.  s.  w.  zu,  indem  die« 
selbe  bei  ihnen  vornehmlich  ans  der  Einsicht  entspringt,  dafs  ihr 


stumm  I.  lu.  26.  167 

Haektyermögeo,  weil  es  dem  Bereiche  des  Erschaffenün  angehört, 
ein  Yergängliohes  ist.  Weiter  aber  trifft  es  auch  aaf  sie  xu^  dafs 
sie  aar  Erlösung  fllhig  sind,  weil  sie,  nach  dem  ttbereinstimmenden 
Zeiignisae  der  Mantra*8  und  ihrer  Auslegungen,  der  epischen  und 
der. mythologischen  Gedichte  sowie  anch  der  Erfahrung,-  |  Indivi-  981 
doalit&t  u.  s.  w.  besitzen.  Auch  werden  dieselben  nirgendwo  aus- 
geschlossen, und  auch  der  das  Upanapanam  u.  s.  w.  zur  Bedingung 
machende  Heilskanon  steht  ihrem  Berufensein  nicht  entgegen ;  denn 
das  Upanoi^anam  geschieht  zum  Zwecke  des  Yedastudiums;  den 
Göttern  aber  ist  der  Veda  schon  von  selbst  [und  ohne  Studium] 
offenbar.  Übrigens  ist  aus  der  Schrift  zu  elrsehen,  wie  auch  Oötter, 
um  der  Wissenschaft  teiihaft  zu  werden,  sich  der  Brahmanenschü- 
lerschaft  unterwerfen,  denn  es  heifst  a,B.:  „hundert  und  ein  Jahr 
„wohnte  der  Mächtige  [Indra]  als  BFafamanenschüIer  bei  Praj&pati*' 
(GhÄnd.  8,  11,  3),  und:  „Bhrigu,  fQrwahr,  der  Sohn  des  Varuna, 
„trat  Tor  seinen  Vater  Yarona  und  sprach:  t lehre  mir,  Yerehrungs- 
„würdiger,  das  Brahman  »"  (Taitt.  d,  1);  und  wenn  auch  in  Bezug 
auf  die  Werke  eine  Ursache  angegeben  wurde,  warum  die  Götter 
u.  s.  w.  zu  ihnen  nicht  berufen  sein  können,  indem  es  hiefs:  „nicht 
„die  Götter,  weil  keine  andern  Gottheiten  [denen  sie  opfern  könn- 
„ten]  vorhandenes  —  „nicht  die  Risbi's,  weil  keine  andere  Rishischaft 
„vorhanden**  (^abarasvämin  zu  Jaim.  6, 1.  5»  p.  605, 19.  20),  so  steht 
es  dooh  anders  bei  dem  Wissen.  Denn  -wo  es  sich  um  die  Berutu..|f 
des  Indra  u.  s.  w.  zum  Wissen  handelt,  liegt  kein  Werk  zu  thun  vor, 
welcdies  an  den  Indra  u.  a.  w.  gerichtet  wäre,. und  wo  es  sich  jim 
die  des  Bhrigo  u,  s.  w.  handelt,  kein  solches,  welches  um  der  Zu- 
gehörigkeit zum  Stamme  des  Bhrigu  u.  s.  w.  willen  [diesem]  dar- 
Buhringen  wäre;  folglich  ist  kein  Grund  vorhanden,  worum  zum 
Wissen  nicht  auch  die  Götter  und  Bishi^s  berufen  seiQ  könnten. 
[Und  auch  die  Schriftstelle  von  der  zollhohen  [eigentlich:  eines  282 
Daumens  Breite  hohen]  Grefse  des  Pumsha  steht  mit  der  Berufung 
der  Götter  nicht  in  Widerspruch,  sofern  bei  ihnen  die.  Breite  ihres 
eigenen  [göttlichen]  Daumens  den  Mafsstab  bildet. 


27.    virodhah  karmani,    iti  cen?   na!   mieha-pratipatter 

darQanät 

Widerspruch  in  Betreff  des  Werke«,  meint  ihr?  O  neinl 
wegen  Annehmung  verschiedener,  weil  die«  ersichtlich. 

^Nun  gut*,  könnte  man  sagen,  *aber  wenn  man  sich  die  Be- 
*rafung  der  Götter  zum  Wissen  dadurch  begreiflich  macht,  dafs 
'man  ihnen  Individualität  u.  s.  w.  zuschreibt,  so  mui's  man  um  eben 
^dieser  Individualität  willen  weiter  auch  annehmen,  dafs  Indra  u.  s.  w. 


168  g&rlraka-mtm&osA 

'ebenso  gut  wie  die  Opferpriester  und  andere  mit  ihrer  leibhaftigen 
'Gegenwart  an  der  Opferhandlung  beteiligt  sind;  daraus  aber  würde 
'ein  „Widerspruch  in  Betreff  des  Werkes^'  folgen;  denn  dafs  Indra 
^.  8.  w.  an  dem  Opfer  mittels  leibhaftiger  Gegenwart  teilnehmen, 
'ist  gegen  den  Augenschein,  und  ist  auch  nicht  möglieh;  denn 
'wenn  dem  einen  Indra  gleichzeitig  viele  Opfer  dargebracht  werden, 
'so  ist  es  nicht  möglich,  dafs  er  bei  allen  leibhaftig  gegenwärtig  sei.* 
.  Darauf  erwidern  wir,  dalk  hier  kein  Widerspruch  vorliegt; 
283  warum?  „wegen  Annehmung  verschiedener";  |  d.  h.  weil  ein,  wie- 
wohl einheitliches,  Götterwesen  gleichzeitig  verschiedene  Gestalten 
annehmen  kann.  Woher  wissen  wir  das?  „weil  dies  ersichtlich" 
ist;  n&mlich  aus  einer  Schriftstelle,  welche  zuerst  auf  die  Frage: 
„wie  viel  Götter  giebt  es?"  zur  Antwort  giebt:  „drei  und  drei 
„hundert  und  drei  und  drei  tausend"  (3306),  und  auf  die  weitere 
Frage:  „welches  sind  diese?"  erwidert:  „das  sind  nur  ihre  Kräfte; 
„Götter  aber  giebt  es  nur  drei  und  dreifsig"  (Brih.  3,  9,  1 — 2); 
aus  dieser  Schriftstelle  ist  ersichtlich,  dafs  jedes  einzelne  Götter- 
wesen gleichzeitig  mehrere  Gestalten  annehmen  kann.  Weiter 
aber  lehrt  -dieselbe  Schriftstelle  von  den  drei  und  dreifsig  Göttern, 
[indem  sie  dieselben]  durch  Vermittlung  von  sechs  u.  s.  w.  [zuletzt 
auf  einen  zurückführt],  in  den  Worten:  „welches  ist  der  eine  Gott? 
„ —  Das  Leben,  so  sprach  er"  (Bfih.  3,  9,  9),  —  dals  alle  Götter 
als  einheitliches  Wesen  den  Präna  (Leben)  haben,  und  dafs  dieser 
einheitliche  Präna  gleichzeitig  mehrere  Gestalten  annehmen  kann« 
Ferner  sagt  auch  die  Smriti  (Mahllbh.  12,  11062): 

„0  Fürst,  viel  tausend  Leiber  kann  der  Yogin 
„Sich  schaffen  nach  erlangtem  Kraftvermögen 
„Und  auf  der  Erde  wandeln  durch  sie  alle. 
,    „In  einigen  geniefst  er  Sinnesfreuden, 
„In  andern  übt  er  furchtbarliche  Bufse, 
„Und  wieder  fafst  er  alle  sie  zusammen, 
„Gleichwie  die  Sonne  ihrer  Strahlen  Scharen." 


284 


Stellen  wie  diese  lehren,  dafs  sogar  die  Yogin's,  nachdem  sie  die 
acht]  Machtvollkommenheiten,  sich  atomklein  u.  s.  w.  zu  machen, 
erlangt  haben,  gleichzeitig  in  verschiedene  Leiber  eingehen  können ; 
um  wie  viel  mehr  mufs  dies  von  den  Göttern  gelten,  welche  von 
Geburt  an  jene  YoUkommenheiten  schon  besitzen!  Mittels  dieser 
Fähigkeiten  also,  verschiedene  Gestalten  anzunehmen,  zerteilt  sich 
jede  einzelne  Gottheit  in  viele  Gestalten  und  nimmt  auf  diese 
Weise  gleichzeitig  an  vielen  Opfern  teil;  dafs  sie  aber  dabei  von 
andern  nicht  gesehen  wird,  beruht  auf  dem  ihr  zukommenden 
Vermögen,  sich  unsichtbar  zu  machen. 

Die  Worte  des  Sütrams  „wegen  Annehmung  verschiedener, 
„weil  dies  ersichtlich",  lassen  sich  auch  noch  anders  erklä- 
ren, nämlich  folgendermafsen.     Auch  bei  individuellen  Wesen  ist, 


Sütram  I.  m.  27.  169 

wo  es  sieb  am  Gebote  bandelt,  die  ein  [f&r  sie  zu  vollbringendes] 
Werk  betreffen,  eine  „Annehmnng  verscbiedener^*  [Gaben]  „ersiobt- 
„licb^'.  In  manchen  Fällen  freilich  kann  das  eine  Individunm 
nicht  gleichzeitig  an  vielerlei  teilnehmen;  so  wie  z.  B.,  wenn  viele 
Speise  darbringen,  der  eine  Brahmane  nicht  gleichzeitig  von  ihnen 
gespeist  werden  kann;  in  andern  Fällen  aber  kann  das  eine  Indi- 
viduum gleichzeitig  an  vielerlei  teilnehmen;  wie  z.  B.  indem  viele 
Verehrung  zollen,  der  eine  Brahmane  gleichzeitig  von  ihnen  allen 
diese  Verehrung  entgegennimmt.  In  ähnlicher  Weise  steht  es  auch 
hier;  denn  das  Opfer  beruht  wesentlich  in  [den  beiden  Momenten] 
der  Vermachung  (uddega)  und  der  Verzichtung  (pairityäga)*y  es  ist 
aber  wohl  möglich,  dafs  viele  gleichzeitig  auf  das,  was  ein  jeder 
besitzt, . verzichten  und  dasselbe  einer  einzigen,  wennschon,  indivi- 
duellen, Gottheit  vermachen.  Somit  tritt,  auch  wenn  diu  Götter 
Individualität  haben,  durchaus  kein  „Widerspruch  in  Betreff  des 
„Werkes"  ein. 


28.    gabda',    iti  cen?    na!   atah  prabhaväty  pratyitkshor  285 

anumän&Vhydm 

in  BetrefiF  des  Schrift  Wortes,   meint  ihr?    Nein,    weil 
aus  diesem  ihr  Ursprung,   nach   der  Wahrnehmung 

und  Folgerung, 

« 

Man  könnte  einwenden:  *mag  auch  durch  Annahme  der  Indivi- 
^dualität  der  Götter  u.  s.  w.  kein  „  Widerspruch  in  Betreff  des 
'„Werkes"  eintreten,  so  ist  doch  ein  solcher  unvermeidlich  „in 
S,Betreff  des  Schriftwortes".  Nämlich  [bei  Jaimini  1,  1,  5]  wird, 
^mit  Berufung  darauf,  dafs  „die  Verbindung  des  Wortes  mit  der 
'„[betreffenden]  Sache  eine  ursprüngliche"  ist,  die  Autorität  des 
'Vedawortes  als  eine  „unbedingte"  [nicht  vom  Entstehen  und  Ver- 
'gehen  der  betreffenden  Sachen  abhängige]  hingestellt.  Im  vor- 
^liegenden  Falle  nun  aber  folgt  aus  der  Auffassung  der  Gottheiten 
'als  individueller  Wesen,  dafs  dieselben,  wenn  sie  auch  vermöge 
^ihrer  Machtvollkommenheit  gleichzeitig  die  Spenden  verschiedener 
'Opferwerke  entgegennehmen  können,  doch,  um  eben  jener  ihnen 
'beigelegten  Individualität  willen,  ebenso  gut  wie  unser  einer  ge- 
'boren  werden  und  sterben  müßsen.  Da  uun  zwischen  dem  ewigen 
'Vedaworte  und  dem  niehtewigen  Gegenstande,  von  dem  es  redet 
'[nämlich  den  Göttern],  eine  ewige  Verbindung  unmöglich  ist,  so 
,8cheint  hierdurch  „in  Betreff  des  Scliriftwortes",  eine  Erschütterung 
'der  ihm  zuerkannten  Autorität  herbeigeführt  zu  werden.'  — 
Auf  diese  Behauptung  erwidern  wir,  dafs  auch  in  dieser  Hinsicht 


170  ^ir1nka-]&!m&te4 

[d.  h.  „in  Betreff  des  Schriftwories^t«  welobes  ewig  »t  und  dock  Tön 
nic&tewigen  Ödttern  redet]  kein  Widersprach  besteht,  und  der 
Grund  ist,  „weil  aus  diesem  ihr  Ursprung'^;  d.  b.  weil  „aus  diesem", 
aus  dem  vedisdien  Worte,  die  ganxe  Welt  mit  Einsohlufs  der 
Götter  «nisprungen  ist.  —  'Aber  wurde  nicht  in  dem  S&tram 
S,wx>raus  Ursprung  u.  s.  w.  dieses  [Weltalls]  ist"  (1,1)2)  gelehrt» 
^afs  die  Welt  aus  Brahman  entsprungen  sei?  Wie  kann  es  also 
'hisjl:  heifsen,  sie  sei  aus  dem  Schriftworte  entsprungen?  Gesetst 
!286  *aber  auch,  |  der  Ursprung  dieser  Welt  aus  dem  Yedaworte  werde 
^sugegeben,  wie  kann  dadurch  der  gegenwärtige  „Widerspruch  in 
'„Betreif  des  Sdliriftwort^s"  vermieden  werden?  Denn  [die  Götter, 
'wie  z.  B.]  die  Fosif's,  Stidra's,  Ädiipd'ß,  Vigve  devä^,  Mamfs 
^sind  s&mtlich,  weil  sie  entstanden  sind,  nicht  ewige  Wesenheiten. 
•  *Sind  dieselben  aber  nicht  ewig,  so  folgt  anTenneidlich,  dafs  auch 
'die  von  ihnen,  von  den  Vasu*H  u.  s.  w.,  handelnden  Yedastellen 
ebenfalls  nicht  ewig  sind.  Denn  die  Erfahrung  lehrt  allgemein, 
'wie  2.  B.  erst  dann,  wenn  dem  Devadatta  ein  Sohn  geboren  woi> 
'den,  diesem  ein  Name,  «.  B.  Tajnadatta,  gegeben  wird.  Somit 
'ist  allerdings  jener  „Widerspruch  in  Betreff  des  Schriftwortes'*  vor- 
'handen.'  —  Hierauf  entgegnen  wir,  dafs  dem  nicht  so  ist,  weil  die 
Verbindung  zwischen  dem  Worte,  z.  B.  dem  Worte  „Kuh",  und 
der  entsprechenden .  Sache  sich  als  eine  ewige  erweist.  Denn  wenn 
auch  die  Individuen  (v;yaiM,  wörtlich:  Kfinifestationen)  der  Kühe 
u.  8.  w.  entstehen,  so  folgt  daraus  doch  nicht,  dafs  auch  die  Gat- 
tungen (äkrüi^  wörtlich:  Gestalt,  c?5o(,  species)  derselben  entstan- 
den sind;  vielmehr  sind  es  bei  Substanzen,  Qualitäten  und  Aktio- 
nen immer  nur  die  individuellen  Erscheinungen  (v^kti)j  nicht  aber 
die  Gattungen  (dkriti),  welche  entstehen.  Nun  sind  aber  die 
Yedaworte  mit  den  Gattungen,  nicht  mit  den  Individuen,  vei*bun* 
den ;  denn  wegen  der  Zahllosigkeit  der  Individuen  ist  eine  Verbin- 
dung des  Vedawortes  mit  ihnen  nicht  zu  bewerkstelligen.  Wenn 
also  auch  die  Individuen  erst  in  der  Zeit  entstehen,  so  bleiben 
doch  die  Gattungen  ewig  bestehen,  und  darum  liegt  in  der  Be^ 
nennuBg  derselben  dui*ch  die  ewigen  Vedaworte,  Kuh  u.  s.  w.,  kein 
•287  Widerspruch.  |  Ganz  ehciso  steht  es  auch  bei  den  Göttern.  Wenn 
auch  zuzugeben  ist,  dafs  die  individuellen  Erscheinungen  derselben 
entstanden  sind,  so  bleiben  doch  ihre  Gattuns^en  ewig  bestehen, 
und  darum  liegt  kein  Widerspruch  darin,  dafs  diese  mit  den  im 
Veda  ewig  vorhandenen  Worten,  Vasti  u.  a,  w. ,  verbunden  sind. 
Was  aber  bei  den  Göttern  u.  s.  w.  die  nähere  Bestimmung  der 
Gattungen  betrifft,  so  hat  man  dies€>  aus  den  in  den  Mantra's  und 
Arthavüda's  (Erläuterungen)  vorliegenden  individuellen  Bestimmungen 
zu  entnehmen.  Nämlich  solche  Worte  wie  Indra  u.  s.  w.  bedeuten^ 
ähnlich  wie  z.  B.  das  Wort  „Generalis  nur  das  Innehaben  eines 
bestimmten  Postens.  Wer  also  gerade  den  betreffenden  Posten 
bekleidet .   der  "fülirt  den  Titel  Indra   u,  s.  w. ,   so   dafs   hier  kein 


SHtram  I.  m.  ^.  171 

Anfliofs  zu  finden  ist.  Übrigens  ist  dieses  EntsUndensein  der 
Welt  aus  dem  Vedaworte  nicht  in  dem  Sinne  in  nelunen,  als  ban- 
delte es  sieb,  wie  bei  dem  Entstandensein  ans  Brabauun,  ttm  eine 
materielle  Ursaebe;  Boadern  es  ist  Tielmehr  so  m  verstehen,  daüs, 
w&hrend  das  Yedawort,  als  der  Aasdmck  des  beharrlichen  Seins 
ewig  und  für  ewig  mit  der  entsprechenden  Sache  terbnnden  ist, 
nnr  das  dem  Ansdmidce  '  des  Tedawortes  konforme  HenroiifeheB 
der  Individnan  der  Dinge  ein  Entspringen  dersell^en  an^  dem 
Yedaworte  genannt  wird.  Aber  woher  wissen  wir,  dafs  di>  Welt 
aus  dem  Yedaworte  entsprangen  ist?  Wir  wissen  es  „nach  der 
,y Wahrnehmung  und  Folgerung".  Die  „Wahrnehmung*^  bedeutet 
hier  die  QruH  (Schriftoffenbamng) ,  weil  sie  keines  Beweisgründe» 
«uTser  ihr  bedarf,  und  die  „Folgerung''  bedeutet  dieSiNfi^i,  weil  diese 
noch  eines  Beweisgrundes  aufser  ihr  bedfUilig  ist.  Di<^e  beiden 
also  lehren,  dafs  vor  der  Sch&pfung  schon  das  Yedawort  bestand; 
denn  eine  Schriftstelle  sagt  [in  einer  allegorischen  Auslegung  von 
Rigv«  9,  62,'  1 :  „Da  rannen  Tropfen  durch  das  Sieb  schnell  lun  zu  . 
„aUem  Glücksgenufs"] :  „«Da»,  |  nach  diesem  Worte  schuf  Pn^-  2S8 
„pati  die  Götter,  «rannen»,  nach  diesem  die  Menschen,  cTropfens, 
.„nach  diesem  die  Yäter,  a durch  das  Sieb»,  nach  diesem  die 
„D&monen  (grahü)^  «schnell  hini,  nach  diesem  den  Lobgesang, 
„«zu  allem»,  naih  diesem  das  Preislied,  nGlücksgenufs»,  nac^ 
„diesem  die  übrigen  Kreaturen*'  [nach  der  Glosse  aus  einem  Chan^ 
dog€^bTähmanam\  Ebenso  sagt  eine  andere  Stelle:  „da  genofs  er 
„in  seinem  Geiste  die  Bede  [das  vorweltliche  Yedawort]  als  Be- 
„gattung*'  (Brih.  1,  2,  4).  In  dieser  Weise  wird  an  manchen 
Stellen  von  der  Schrift  gelehrt,  dafs  vor  der  Schöpfung .  schon  das 
Yedawort  da  war.    und  ebenso  sagt  die  Smriti  (MaliÄbh.  12,  8534): 

,J>er  durch  sich  selbst  ist  liefs  zuerst  ausströmen 
„Das  Wort,  das  ewige,  oho'  Eud'  und  Anfang, 
„Bas  göttliche,  das  wir  im  Yeda  lesen, 
,  »Yon  welchem  alle  Weltentwicklong  ansang." 

Das  Ausströmenlassen  des  Wortes  bedeutet  hier  [nickt  eine 
Schöpfung  desselben,  sondern  nur]  dafs  er  seine  Fortüberlieferung 
in  Gang  brachte,  indem  eine  andere  Art  der  Ausströmung  (Schöpfung) 
für  etwas,  was  „ohn'  End'  und  Anfang'^  ist,  sich  nicht  annehmen 
läfBt;  denn  so  heifst  es  weiter  (Mah&bh.  12,  8535): 

„Es  schuf  der  Wesen  Name  und  Gestalt 
^Und  ihrer  Werke  fortgesetztes  Treiben 
„Gem&rs  dem  Yedaworte  Gott  su  Anfang"; 

und  ebenso  heifst  es  (Manu  1,  21):  2}^9 

„Er  schuf  die  Kamen  aller  Wesen 
„Und  ihrer  Werke  Einzelheit 
„Dem  Yedawort  gernftH»  su  Anfang 
„Und  die  Zustände  mannigfach.** 


172  g&rlimka-mlm&uB& 

Dftfs  man  übrigens,  wenn  man  sich  anschickt,  irgend  eine  Sache 
hervorzubringen,  zaerat  an  das  Wort  denkt,  welches  sie  ausdrückt, 
und  emi  dann  sich  an  die  Sache  begiebt,  das  ist  uns  allen  aus 
der  Erfahrung  bekannt.  In  ähnlicher  Weise  schwebten  dem  (reiste 
des  Weltschöpfers  PnJÄpati  vor  der  Schöpfung  die  Vedaworte 
vor,  und  erst  darauf  schuf  er  die  ihnen  entsprechenden  Dinge. 
Und  so  sagt  auch  die  Schrift:  „dieses  ist  die  Erde,  so  sprach  er^ 
„und  schuf  die  Erde*'  u.  s.  w.  (Taitt.  br.  2,  2,  4,  2).  Diese  Stelle 
beweist,  dafs  entsprechend  den  seinem  Geiste  vorschwebenden 
Worten,  Erde  u.  s.  w.,  die  ihm  vorschwebenden  Welten,  Erde  u.  s«  w., 
erschaffen  worden  sind. 

Aber  wie  sollen  wir  uns  das  Wort  vorstellen,  welchem  gemftfs 
die  Dinge  geschaffen  worden  sind? 

*Man  mufs',  so  spricht  einer  [ein  Gegner],  'darunter  ^nicht  die 
*  Summe  der  einzelnen  Buchstaben  des  Wortes,  sondern]  den  Sphofa 
'[das  Aufplatzen,  das  plötzliche  BewuTstwerden  beim  Anhören  der 
'Buchstaben  des  Wortes]  verstehen;  denn  bei  der  Annahme,  dafs  die 
'Buchstaben  [des  Wortes  die  Träger  seiner  Bedeutung  seien],  ist, 
'da  diese,  [kaum]  entstanden,  zerstieben,  ein  Entstehen  der  Lidivi- 
'duen,  wie  Gatter  u.  s.  w.,  aus  dem  ewigen  [Veda-]  werte  nicht 
'möglich.  Dazu  kommt,  dafs  die,  [kaum]  entstanden,  zerstiebenden 
'Buchstaben  je  nach  der  Aussprache  anders  und  wieder  anders  ver- 
290  'nommen  wcorden.  |  So  ist  es  z.  B.  möglich,  einen  bestimmten 
'Menschen,^  auch  ohne  dafs  man  ihn  sieht,  indem  man  ihn  vorlesen 
'hört,  an  dem  Tone  mit  Bestimmtheit  zu  erkennen  und  zu  sagen 
'„Devadatta  liest"  oder  „Yajnadatta  liest".  Und  diese  entgegen- 
'gesetzte  Auffassung  der  [nämlichen]  Buchstaben  beruht  doch  nicht 
'auf  Irrtum,  indem  keine  Auffassung  vorhanden  ist,  welche  sie 
'widerlegte.  —  Überhaupt  kann  man  nicht  annehmen»  dafs  der 
'Sinn  eines  Wortes  aus  den  [biofsen]  Buchstaben  erkannt  werde, 
'denn  [erstlich]  Iftfst  sich  nicht  annehmen,  dafs  Jeder  einzelne 
'Buchstabe  für  eich  den  Sinn  kund  macht,  weil  sie  von  einander 
'verschieden  sind;  [zweitens]  ist  auch  [der  Wortsinn]  keine  [blofse] 
'Vorstellung  der  Summe  der  Buchstaben,  weil  dieselben  der  Reihe 
'nach  folgen  [wobei  die  einen  schon  zerstoben  sind,  wenn  die  an- 
'deren  ausgesprochen  werden].  Steht  es  nun  vielleicht  [drittens] 
'so,  dafs  der  letzte  Buchstabe,  unterstützt  von  dem  Eindrucke 
^(saifiskdra) ,  den  die  Ferception  der  vorhergehenden  Buchstaben 
'erzeugt  hat,  den  Sinn  kund  macht?  Auch  das  geht  nicht.  Denn 
nur]  das  Wort  selbst,  unter  Voraussetzung  der  Auffassung  der 
Buchstaben -] Verbindung ,  thut,  aufgefafst,  den  Sinn  kund,  wie 
'der  Rauch  [dessen  zerstiebende  und  immer  neu  sich  erzeugende 
'Teilchen  itir  sich  allein  die  Vorstellung  des  Rauches  nicht  zu 
'geben  vermögen].  Auch  ist  eine  Auffassung  des  „letzten  Buch- 
'„stabens,  unterstützt  von  dem  Eindrucke,  den  die  Ferception  der 
'„vorhergehenden  Buchstaben  erzeugt  hat",  nicht  möglich,  weil  die 


Sütram  I.  ni.  28.  173 

'Eindrücke  nichts  Wahrnehmbares  [mehr]  sind.  —  Ist  es  denn  nun 
*  vielleicht  [viertens]  der  letzte  Buchstabe,  unterstützt  von  den 
4n  ihrer  Nachwirkung  percipierten  Eindrücken  [der  vorhergehen- 
den], welcher  den  Sinn  kund  macht?  —  Auch  nicht;  denn  auch 
'das  Sicherinnem,  wie  es  die  Nachwirkung  der  Eindrücke  ist,  ist 
'eine  Beihe  [von  Yorstellungen  in  der  Zeit,  —  was  oben,  zweitens, 
'schon  besprochen  wurde].  —  <8onaoh  bleibt  nur  übrig ,  dafs  das 
*Wort  [als  Ganzes,  d.  h.  sein  Sinn]  ein  Sphofa  [ein  Aufplatzen]  ist, 
'welcher  dem  Percipierenden ,  |  nachdem  dieser  durch  Fereeption  291 
*der  einzelnen  Buchstaben  den  Samen  der  Eindrücke  empfangen 
^ and  denselben  mittels  der  Fereeption  des  letzten  Bu«hstabenB  zur 
'Reife  gebracht  hat,  in  seiner  Eigenschaft  als  eine  einheitliche 
'Vorstellung  plötzlich  einleuchtet.  Und  diese  einheitliche  Yorstel- 
'lung  ist  keine  Rückerinnerung,  die  sich  auf  die  Buchstaben  be- 
'sdge;  denn  die  Buchstaben  sind  mehrere  und  können  daher  nicht 
'das  Objekt  der  einheitlichen  Vorstellung  sein.  Dieser  [Sphofa^ 
^e  Wortseele,  wie  man  sagen  könnte],  wird  bei  Gelegenheit  der 
^Aussprache  [nur]  wiedererkannt  [nicht  erzeugt],  und  ist  daher 
'ewig,  [sowie  auch  einheitlidi,]  indem  die  Vorstellung  der  Vielheit 
'sich  nur  auf  die  Buchataben  bezieht.  Somit  ist  das  Wort  [d.  h. 
'sein  Sinn]  in  Gestalt  des  Sphofa  ewig,  und  aas  ihm  als  Benennen- 
^dem  entspringt  als  zu  Benennendes  ^e  zum  Behuf  der  Vergeltung 
*der  Werke  an  dem  Th&ter  entstandene  Welt.' 

Hingegen  erkl&rt  der  ehrvrürdige  Upavarsha  [ein  alter  IflimäAsa- 
und  F6(ian^- Lehrer]:  nur  die  Buchstaben  sind  das  Wort  — • 
[Gegner:]  'Aber  ich  habe  doch  gesagt,  dafs  die  Buchstaben,  sowie 
'sie  entstehen,  zerstieben.'  —  [Upavarsha:]  Dem  ist  nicht  so,  denn 
man  erkennt  sie  wieder  als  die  nämlichen.  —  [Gegnern]  'Dafs  man 
'sie  wiedererkennt,  beruht  bei  ihnen  darauf,  dafs  aie  den  [früheren] 
'ähnlich  sind,  etwa  so  wie  bei  den  Haaren.'  —  [Upavarsha:']  0 
nein!  denn  dafs  es  ein  Wiedererkennen  [der  näB^hchen,  nicht  blofs 
ähnlicher]  ist,  wird  durch  keine  andere  Erkenntnis  widerlegt.  — 
[Gegner:]  'Das  Wiedererkennen  hat  nur  in  den  Gattungen  (ükriii) 
'seinen  Grund  [wenn  ich  wiederholt  a  spreche,  so  ist  es  nicht  das 
'Individuum  a,  sondern  die  Gattung  a,  welche  in  den  verschiede- 
'nen  Individuen  wiederkehrt].'  —  [Uptwarsha:]  Nein,  sondern  es 
ist  ein  Wiedererkennen  der  Individuen.  Ja,  wenn  man  beim  Spre- 
chen, wie  0OB8t  bei  Individuen,  z.  B.  bei  Kühen,  |  immer  andere  392 
und  andere  Buchstaben-Individuen  vernähme,  so  würde  das  Wieder- 
erkennen in  den  Gattungen  seinen  Grund  hüben:  dem  aber  ist 
nicht  so;  denn  es  sind  die  Buchstaben -Individuen  selber,  welche 
beim  Sprechen  [immer  wiederkehr/en  und]  wiedererkannt  werden, 
und  [wenn  einer  das  nämliche  Wort,  z.  B.  „Kuh",  wiederholt,  so] 
nisont  man  an,  dafs  er  zweimal  das  Wort  „Kuh",  nicht  aber  dafs 
er  zwei  Worte  „Kuh'*  ausgesprochen  habe.  —  [Gegner:]  'Aber  die 
'Buchstaben  werden  doch  [wie  oben  geltend  gemacht]  je  nach  der 


174  gMrAka*mlmftfi8& 

'Yersohiedenlieit  d«r  Aussprache  als  Tersohie^eiie  Ternommea,  da 
'man,  wie  schon  gesagt,  ddn  Unterschied  zwischen  Devadatta  and 
^Yajnadatta  ans  itUß  blolsen  Tone  ihres  Torlesens  heraoshören 
•  ^kann.  '  [Das  Wiedersrkennen  eines  Buchstaben  mnfs'  also  ein  sol- 
'ches  der  Species,  nicht  des  je  nach  der  Aussprache  Terschiedenen 
^Individuums  6«n.]'  —  [Upßvarsha:]  Unbeschadet  der  genauen 
Bestiionitheit  des  auf  die  Buchstaben  sich  beziehenden  Erkennens, 
lassen  sich  doch  die  Buchstaben  [mehr]  verbunden  oder  [mehr] 
getrennt  aussprechen;  und  sonach  hat  die  verschiedene  Auffassung 
der  Bttchstal^en  in  der  Verschiedenheit  des  Aussprechenden  ihren 
Orund,  nicht  aber  in  der  Natur  der  Buchstaben.  i>^emer:  auch 
der,  welcher  die  Verschiedenheit  in  die  Individuen  der  Buchstaben 
[statt  in  die  Art  ihrer  Aussprache]  verlegt,  mufs^  wenn  eine  Er- 
kehntnie  m^Uch  werden  soU^  {zunlUshst]  Gattungen  für  die  Buch- 
staben ansetzen  und  dann  annehmen,  dafs  diese  [Gattungen]  durch 

S93  fremde  Einfifisse  verschieden  auifgefafst  werden;  |  und  da  ist  doch 
die  Annahme  als  einfacher  vorzu^ixehen,  dafs  bei  den  Individuen 
der  Buchstaben  durch  fk'emde  Einflftsse  die  Auflassung  der  Ver- 
schiedenheit, durch  ihre  eigene  Natur  hingegen  das  Wiedererkennen 
derselben  bedingt  iet.  Denn  dadurch  eben,  wird  die  Annahme,  *  als 
läge  eine  Verschiedenheit  in  den  Buchstaben,  widerlegt,  dafs  ein 
Wiedererkennen  derselben  stattfindet.  —  [Gegner:]  'Aber  wie  kann 
^es  geschehen,  dafs  der  Laitt  pa,  welcher  doch  einer  ist,  zugleich 
'ein  verschiedenartiger  ist,  wenn  zur  selben  Zeit  mehrere  ihn  ana- 
^sprechen,  und  [ebenso]  wenn  er  mit  dem  Akut,  dem  Gravis,  dem 
<3ircumflex,  mit  dem  Nasal,  ohne  Nasal  ausgesprochen  wird? 
'Willst  du  etwa  diesem  Einwände  dadurch  entgehen,  dafii  du  be- 
^hanptest,  diese  Verschiedenheit  der  Auffassung  werde  nicht  durch 
*die  Buchstaben,  sondern  durch  den  Ton  (dhvant)  veranlafst,  so 
'möchte  ich  fragen,  was  denn  das  ist,  was  du  unter  „Ton''  ver- 
'stehst?'  —  [Upamrsha:]  Es  ist  dasjenige,  welches,  wenn  man  es 
aus  der  Feme  hört  und  den  Unterschied  der  Buchstaben  nicht 
auffallt,  an  das  Ohr  schlägt,  und  welches  die  nahe  Sitzenden  ver- 
anlafst, die  Unterschiede  der  Tiefe  [lies  mandraiva^]  und  Höhe 
[des  Tones]  den  Buchstaben  aufzuhängen.  Und  allerdings  ist  es 
dieser  [Ton],  durch  welchen  die  Unterschiede  der.  Betonung  mit 
dem  Akut  u.  s.  w.  bedingt  sind,  nicht  aber  durch  die  eigene  Natur 

294  der  Buchstaben.  |  Denn  die  Buchstaben  werden,  [unabhängig  vom 
Ton]  so  wie  sie  ausgesprochen  werden,  wiedererkannt.  Nimmt 
man  dies,  an,  so  haben  die  Wahrnehmungen  der  Accentuation  eine 
Basis,  im  anderen  Falle  nicht;  denn  was  die  Buchstaben  betri£Ffc, 
so  werden  sie  nur  wiedererkannt  und  sind  [ein  jeder  von  sich] 
nicht  verschieden;  man  müfste  also  annehmen,  dafs  die  Untei'- 
schiede  der  Accentuation  in  ihrer  Verbindung  und  Trennung  lägen; 
Verbindung  und  Trennung  aber  sind  nichts  Wahrnehmbares,  und 
man  kann  sich  nicht  auf  sie  stützen ,  um  zur  Erklärung  der  Unter- 


Satram  I.  in.  28.  175 

fldhieda  bei  den  BachBiaben  stehen  so  bleiben;  fcäglicl^  würden  die 
Wahrnehmangeu  der  Aceentoation  u.  s.  w.  keine  Basis  haben  [ohne 
Annahme  des  Tones].  Auch  darein  darf  man  sich  nicht  verrennen^ 
daTs,  weil  die  Aceentuation  Terschieden  ist,  auch  die  su  erkennen* 
den  Bncfaitaben  Terschieden  seien.  Denn  weil  die  eine  Sache  Spal* 
tnngen  aeigt,  daroin  brancht  sie  eine  andere,  nicht  mitgespiUtene, 
nicht  anch  su  zeigen;  wie  man  denn  z,  B.  deswegen,  weil  die.'In- 
diTidaen  unter  sich  verschieden  sind,  noch  nicht  annimmt,  dafs 
auch  die  Gattung  Terschieden  sei.  Und  da  es  somit  möglich  ist, 
aus  den  I^nchstaben  den  Sinn  lu  erkennen,  so  ist  die  Hypothese 
des  Sphofa  unnötig.  -^  [Gegner:]  ^Aber  der  Bpho{a  ist  gar  keine 
'Hypothese,  sondern  ein  Gegenstand  der  Wahrnehmung.  Denn  in 
'der  Erkezmtnis  \p%iddlu]^  nachdem  sie  [verschiedene]  Eindrücke 
'durch  Auffassen  der  einseilnen  Buchsitaben  empfangen  hat,  |  leuchtet.  295 
'urpl^tslich  [der  Sinn  des  Wortes]  auf.*  *-^  [XJpavarsha:^  Dem  ist 
nicht  so:  denn  auch  diese  Erkenntnis  [des  Sinnes  des  Wortes]  be- 
zieht sich  auf  die  Buchstaben.  Nachdem  nämlich  die  Auffassung 
der  einzelnen  Buchstaben  \z,  B.  des  Wortes  „Kuh'^]  der  Zeit  nach 
Torhergegangen  ist,  so  folgt  ihnen  diese  einheitliche  Erkenntnis 
(buddki)  ,4^uh^S  deren  Gegenstand  die  Gesamtheit  der  Buchstaben 
und  sonst  nichts  weiter  ist.  —  [Gegner:]  ^ Womit  beweisest  du 
*das?'  —  [üpavarskai]  Damit,  dafs  auch  der  so  entstandenen  Er- 
kenntnis [„Kuh**]  die  Buchstaben  K.  u.  s.  w. ,  nicht  aber  die  Buch« 
Stäben  T.  u.  s.  w.  anbauen;  denn  wenn  der  Gegenstand  dieser  Er- 
kenntnis ein  Spkofa^  ein  von  dem  Buchstaben  K.  u*  s.  w.  ver- 
schiedenes Ding  w&re,  so  würden  ebenso  wenig  wie  die  Buchstaben 
T.  u.  8.  w.  auch  die  Buchstaben  K.  u.  s.  w.  mit  ihm  etwas  zu  thun 
haben;  dem  aber  ist  nicht  so;  und  darum  ist  diese  einheitliche 
Erkenntnis  [des  Begriffes  nicht  ein  Sphofay  sondern]  nur  eine  auf 
die  Buchstaben  sich  beziehende  Erinnerung  (varna-visJtayä 
smritih),  —  [Gegner:]  'Aber  wie  ist  es  möglich,  dsfs  die  ver- 
'schiedenen  Buchstaben  der  Gegenstand  einer  einheitlichen  Erkennt* 
'nis  sind?'  —  [Upavarsha:]  Darauf  erwidern  wir:  auch  ein  Nicht- 
Einheitliches  kann  Gegenstand  einer  einheitlichen  Erkenntnis  sein, 
wie  man  ersieht  an  Beispielen  wie:  eine  Reihe,  ein  Wald,  ein 
Heer,  zehn,  hundert,  tausend  u.  s.  w.  Denn  die  Erkenntnis  des 
Wortes  „Kuh"  als  einer  Einheit  ist,  indem  sie  bedingt  wird  durch 
die  Aussonderung  des  einen  Sinnes  in  den  vielen  Buchstaben,  eine 
accessorische  {aupacdriki) j  so  wie  die  Erkenntnis  Ton  Wald,  Heer 
u.  s.  w.  es  ist.  —  [Gegner:]  'Aber  wenn  |  die  blofsen  Buchstaben  206 
'dadurch,  dafs  sie  in  ihrer  Gesamtheit  in  die  Sphäre  einer  ein- 
*heitlichen  Erkenntnis  eintreten,  das  Wort  ausmachten,  so  würde 
'zwischen  Worten  wie:  järä  (die  Liebhaber)  und  rdjä  (der  König), 
^kapi  (der  Affe)  ufid  pika  (der  Kuckuk)  ein  Unterschied  nicht  ge- 
'macht  werden,  denn  es  sind  dieselben  Buchstaben;  und  doch  ge- 
'ben  sie  in  anderer  Verbindung  einen  anderen  Sinn/  —    [üpaveur- 


176  '  C^trakarin)Tn!tns& 

sha:]  Barauf  antworten  wir:  auch  wenn  eine  Betastung  Hämtlicher 
Buchstaben  stattfindet»  so  können  doch,  so  wie  Ameisen  nur, 
,  wenn  sie  ihre  Aufeinandexfolge  einhalten,  zur  Vorstellung  eitler 
Reihe  werden ,  auch  die  Buchstaben  nur  dann,  wenn  sie  ihre  Auif- 
einanderfolge  einhalten,  zur  Vorstellung  des  Wortes  werden,  [wo- 
mit dem  Einwände  des  Gegners  aber  nur  ausgewichen  ist,]  und 
darin,  dafs,  auch  bei  Nicht -Verschiedenheit  der  Buchstaben,  zu- 
folge der  Verschiedenheit  ilirer  Reihenfolge,  eine  Verschiedeiibeit 
der  Worte  aufgafafst  wird,  liegt  kein  Widerspruch.  Indem  also 
bestimmte  Buchstaben,  in  ihrer  Reihenfolge  u.  s.  w.  aufgefafst,  nach 
dem  überlieferten  Spracbgebrauche  mit  einem  bestimmten,  [durch 
sie]  aufgefafeten ,  Sinne  verbunden  sind,  so  kommen  sie,  wiewohl 
in  ihrem  eigenen  Gebrauche  als  einzelne  Buchstaben  aufgefafst, 
sofort  in  der  das  Ganze  umtastenden  Erkenntnis  gerade  als  die 
297  -und  die  zum  Bewufstsein  |  und  übermitteln  dadurch  ohne  Fehl  den 
und  den  bestimmten  Sinn.  —  Somit  ist  die  Annahme,  dafs  die  Buch- 
staben [der  Träger  des  Sinnes]  sind,  die  einfachere,  wohingegen 
die  Annahme  des  Spkota  da»  Sinnfällige  verlaust  und  ein  Über- 
sinnliches hypostasiert,  wobei  angenommen  wird,  dafs  diese  be- 
stimmten Buchstaben,  der  Reihe  nach  aufgefafst,  den  Sphofa  offen- 
baren, und  dieser  Spkota  dann  erst  den  Sinn  offenbart,  was  doch 
eine  ziemlich  schwierige  Annahme  ist.  Zugegeben  also,  dafs  die 
Buchstaben,  je  nachdem  man  sie  ausspricht,  andere  and  wieder 
andere  sind,  so  mufs  man  doch  unweigerlich  annehmen,  dafs  als 
das,  worauf  sich  das  Wiedererkennen  stützt ,  ein  Identisches  in  den 
Buchstaben  vorhanden  ist,  und  dafs  bei  den  Buchstaben  die  vor- 
gesetzte Absicht,  den  Sinn  mitzuteilen,  in  diesem  Identischen  über- 
mittelt wird. 

Somit  ist  es  kein  Widerspruch,  anzunehmen,  dafs  die  Indivi- 
duen der  Götter  u.  s.  w.  aus  den  ewigen  Vedaworten  entstan- 
den sind. 


^9.  ata'  eva  ca  nityatvam 
und  gerade  darum  die  Ewigkeit. 

Gegen  die  Ewigkeit  des  Veda,  welche  schon  dadurch  feststeht, 
däfs  der  durch  sich  selbst  Seiende  beim  Schaffen  [der  Dinge  an 
die  entsprechenden  Worte]  sich  erinnern  mufs,  war  wegen  <h»r 
Annahme  des  Entstanden^eins  der  individuellen  Erscheinungen  der 
Götter  u.  s.  w.  ein  Widerspruch  zu  befürchten.  Um  diesen  zu  be- 
seitigen hiefs  es  [im  vorigen  Sütram] :  „weil  aus  diesem  ihr  ür- 
298  „Sprung/*  |  Jetzt  nun   wird  jene    schon  feststehende  Ewigkeif  de*' 


Sütram  L  in.  29.  177 

Veda  noch  des  weiteren  erh&riet  durch  die  Worte:  ),iind  gerade 
„daram  die  Ewigkeit'^;  d.  h.  [nicht  nur  obgleich  die  Götter  ent- 
standen sind,  sondern]  gerade  darum,  weil  die  Welt  mit  Göttern 
u.  8.  w.  um  der  festbestimmten  Formen  willen,  welche  sie  seigt, 
nur  aus  dem  Yedaworte  entstanden  sein  kann,  mufs  man  die  Ewig- 
keit des  Yedawortes  annehmen.  Und  dieses  lehrt  auch  der  Schrift- 
vers (RigT.  10,  71,  3): 

„Mit  Andacht  folgten  sie  der  Rede  Spuren 
„Und  fanden  sie  einwohnend  in  den  Rishi's.'* 

Aus  dem  hier  erwähnten  Finden  der  Rede  folgt,  dafs  dieselbe 
schon  vorhanden  sein  mufste.  Hiermit  stimmt  auch  die  Smfiti  des 
Vedavy&sa  überein,  wenn  er  sagt  (Mahäbh.  12,  7660): 

„Die  Veden  und  die  epischen  Gedichte, 
„Die  beim  Weltende  sieh  ?erborgen  hatten, 
„Empfingen  bQfsend  nun  zuerst  die  Weisen 
„Durch  dessen  Gnade,  der  da  durch  sich  selbst  ist.*' 


30.    samäna-näma-rüpatväc  ca  ävrittau  api  avirodho, 

dar^anM  smriteg  ca 

und   wegen   der  Gleichheit   der  Namen   und  Gestalton 
ist  auch  bei  der  Wiederkehr  kein  Widerspruch,  wegen 

der  Offenbarung  und  der  Smriti. 

^Nun-ja',  könnte  man  sagen,  *dem  möchte  wohl  so  sein,  wenn 
'die  Individuen  der  Götter  u.  s.  w. ,  ähnlich  wie  wir  es  bei  den 
'Individuen  der  Tiere  u.  s.  w.  sehen,  in  ununterbrochener  Reihen- 
'folge  entstünden  und  vergingen ;  dann  würde  in  Bezug  auf  Namen,  - 
*Namenträger  und  Namengeber  eine  Uuunterbrochenheit  des  Welt- 
'treibens  bestehen,  der  Zusammenhang  [der  Welt]  würde  ein  ewi- 
*ger  sein,  und  der  „Widerspruch  in  Betreff  des  Schrifbwortes " 
'[welches  die  neu  entstehenden  Götter  immer  wieder  mit  denselben 
'Namen  belegt]  wäre  vermieden.  Aber  wie  nun,  wenn  eimniil  das 
'ganze  Universum,  alle  seine  Namen  und  Gestalten  verlierelnd, 
'spurlos  zu  Grunde  geht  und  sodann  wieder  aufs  neue  entsteht,  -^ 
'wie  Schrift  und  Smriti  es  versichern ,  —  wie.  läfst  sich  dann  |  dem  290 
'Widerspruche  [dafs  die  im  Yeda  gelehrten  Götter  als  dieselben 
'wieder  neu  erstehen  sollen]  entgehen?' 

Hierauf  dient  zur  Antwort:    „wegen  der  Gleichheit  der  Namen 
„und   Gestalten".      Zunächst  nämlich   mufs    man    auch  für    diesen 

DcuuJUi,  VedAnt».  12 


178  C'^rlraka-mtmlin8& 

Fall  daran  festhalten,  dafs  der  Sams&ra  ein  anfangsloser  ist.  Und 
diese  Anfangslosigkeit  ^es  Samsara  wird  der  Lehrer  darlegen  in 
dem.Sutram:  „und  diese  ergieht  sich,  und  sie  wird  auch  ver- 
„nommen"  (2^  1,  36).  Ist  aber  der  Saqis&ra  anfangslos,  dann  steht 
es  so  damit,  dafs ,  gleichwie  in  Bezug  auf  Euischlafen  und  Er- 
wachen, obgleich  dieselben  von  der  Schrift  als  ein  Untergehen 
und  Neuentstehen  geschildert  werden,  doch,  weil  das  Treiben  in 
dem  folgenden  Zustande  des  Wachelis  dasselbe  ist  wie  in  dem  vor- 
hergehenden ,  kein  Widerspruch  stattfindet ,  —  ebenso  die  Sache 
sich  verhält  bei  dem  Untergehen  und  Nouentstehei\  einer  ganzen 
Weltperiode  (fta(pa>.  Dafs  nämlich  das  Einschlafen  und  Wieder- 
erwachen ein  Untergehen  und  Neuentstehen  int,  lehrt  die  Schrift, 
wenn  sie  sagt:  „wenn  einer  so  eingeschlafen  ist,  dafs  ^  er  kein 
„Traumbild  schaut,  so  ist  er  eins  geworden  in  jenem  Präna;  dann 
„gehet  in  ihn  ein  die  Rede  mitsamt  allen  Namen,  das  Auge  mit- 
„samt  allen  Gestalten,  das  Ohr  mitsamt  allen  Tönen,  das  Manas 
„mitsamt  allen  Gedanken;  und  wenn  der  Mensch  wieder  erwacht, 
„dann  geschieht  es,  dafs,  gleichwie  aus  einem  brennenden  Feuer 
„nach  allen  Seiten  die  Funken  entspringen,  ebenso  auch  aus  die- 
„sem  Atman  alle  Lebeusorgane,  ein  jedes  zu  seinem  Standorte  hin, 
„entspringen,  aus  den  Lebensorganen  die  Götter,  aus  den  Göttern 
„die  Welten"  (Kaush.  3,  3).  -r-  Man  könnte  einwenden:  ^f&r  den 
^Schlaf  mag  dies  .ja  gelten:  denn  da  während  desselben  das  Trei- 
'ben  der  übrigen  Menschen  ununterbrochiin  fortbesteht,  und  auch 
'das  Treiben  des  Eingeschlafenen  und  Wiedererwachenden  selber 
'an  dasjenige  des  früheren  Wachezustandes  anknüpfen  kann,  so 
'liegt  hier  kein  Widerspruch  vor.  Anders  aber  ist  es  bei  dem 
300  ^grofsen  Weltuntergauge;  |  hier  wird  das  ganze  Welttreiben  auf- 
'gehoben,  und  daher  ist  es  nicht  möglich,  dafs,  entsprechend  dem 
'Treiben  in  der  vormaligen  [ Welt-]Geburt ,  das  Treiben  der  neuen 
'Weltperiode  wiederanknüpfen  könne/  —  Dieser  Einwurf  ist  nicht 
zutreffend.  Denn  wenn  auch  der  alles  Treiben  zu  nichte  machende 
grofse  Weltuntergang  einmal  eintritt,  so  ist  es  doch  möglich,  dafs, 
mit  Bewilligung  des  höchsten  Gottes  (i^vara),  die  Götterherren 
(igvaräh)  wie  Hiranyagarhha  u.  s.  w.  an  das  Treiben  der  vorigen 
Weltperiode  wieder  anknüpfen.  Denn  wenn  auch  die  gewöhn- 
lichen Lebewesen,  wie  die  Erfahrung  zeigt,  nicht  im  Stande  sind, 
an  ihr  eigenes  Treiben  in  einer  vormaligen  Geburt  wiederanzu- 
knüpfen, so  braucht  dies  doch  nicht  ebenso  wie  bei  gewöhnlichen 
Wesen  sich  bei  den  Götterherren  zu  verhalten.  Denn  so  wie,  ob- 
gleich alle  ohne  Unterschied  Lebewesen  (Seelen,  pränin)  sind,  doch 
vom  Menschen  an  bis  herab  zur  Pflanze  eine  mehr  und  mehr  zu- 
nehmende Hemmung  der  Erkenntnis  und  Machtvollkommenheit 
sich  wahrnehmen  läfst,  ebenso  findet  vom  Menschen  nach  aufwärts 
zu  bis  zu  Hiranyagarbha  hin  [welcher,  das  oberste  Götterwesen, 
das  persönlich    gedachte   Brahman,    der   Brahman    ist]   eine  mehr 


Sfttnm  L  m.  ao.  179 

und  mehr  annehmend«  EDtfaltnng  der  Erkenniaiii  nnd  Macht* 
Tollkommonheit  statt,  und  dieae  höchste  MachtTollkommeiiheit  jener 
[swar  nicht,  wie  daa  Br4hman,  schlechthin  unvergänglichen,  aher 
doch]  mehr  als  einmal  in  der  nächsten  Weltperiode  (antdcälpa) 
XL.  8.  w.  zum  Vorschein  kommenden  [Oötterherren]  wird  ron  Schrift 
und  Smriti  ausdrücklich  bezeugt  und  läfst  sich  daher  nicht  in  Ab- 
rede stellen.  Und  hieraus  folgt,  |  dafs  von  jenen  Oötterherren,  301 
Hiraftyagarhha  u.  s.  w.,  indem  sie,  zufolge  ihrer  in  der  vergange- 
nen Weltperiode  bewährten  Ausgezeichnetheit  an  Wissen  und  Wer« 
ken,  in  der  gegenwärtigen  Weltperiode  wieder  zum  Vorschein  kom- 
men, mit  Bewilligimg  des  höchsten  Gottes,  eine  Wiederanknüpfung 
an  das  Treiben  der  vorherigen  Weltperiode,  ähnlich  wie  bei  dem 
Einschlafenden  und  Wiedererwachenden,  bewirkt  werden  kann.  Und 
so  sagt  die  Schrift  (Qvet.  6,  18): 

,J>er  Gott,,  der  einst  den  Brahmän  [Hiranyagarbka]  hat  erschaffen, 

„Und  ihm  die  Veden  flbergeben  hat, 

yfiet  sieh  als  Gott  im  Selbstbewuistsein  zeigt, 

„Bei  ihm  find'  ich,  Erlösung  suchend,  Zuflucht^* 

Und  die  Suiriti  des  Qaunaka  und  der  andf'rn  [Verfasser  von  Pra- 
ti^äkh3ra's]  lehrt,  dafs  die  Dekaden  [des  Kigveda,  nachdem  sie  zu- 
nächst dem  Hirca^ißaparbha  übergeben  worden  waren,  darauf]  von 
Madhucehandas  [dem  Verfasser  der  Anfangshymnen  im  Rigveda] 
nnd  den  Übrigen  ^ishi*»  geschaut  worden  sind.  Und  in  der« 
selben  Weise  werden  für  jeden  Veda  [als  Schauer  desselben]  die 
Rishi's  der  einzelnen  Abteilungen  nebst  dem  Übrigen  [was  zum 
Studium  desselben  erforderlich  ist]  überliefert.  Ja,  die  Schrift 
lehrt,  dafs  man  nur  nach  vorausgehender  Kenntnis  des  [betreffen- 
den] Rishi  mit  einem  Mantra  (Hymnus,  Spruch)  sich  beschäftigen 
daif;  denn  es  heifst:  „wer  einen  Mantra  zum  Opfer  oder  Studium 
„verwendet,  bhne  dafs  er  von  ihm  Rishischaft,  Metrum,  Gottheit 
„und  rituelle  Verwendung  kennt,  |  der  stöfst  an  einen  Baumstamm  302 
„oder  Wlt  in  eine  Grube  ^*  [föhrt  in  #lne  Pflanze  oder  kommt  in 
die  Hölle,  —  wie  die  Vedäntatheologen  dies  erklären];  und  wei- 
ter: „darum  soll  man  .bei  jedem  einzelnen  Mantra  diese  kennen.*' 
(Ärshepa-'brähmanam  p.  3,  ed.  Bumell.)  Weiter  aber  [folgt  aus 
dieser  Identität  des  Veda  in  den  verschiedenen  Weltperiöden  die 
„Gleichheit  der  Namen  und  Gestalten**  in  denselben;  nämlich  im 
Veda]  wird  die  Pflicht  geboten,  damit  die  Lebewesen  der  Lust  teil- 
haft werden,  und  die  Pflichtverletzung  verboten,  damit  sie  sich 
vor  Unlust  bewahren.  Nun  beziehen  sich  die  Zuneigung  und  Ab- 
neigung [zu  Lust  und  Unlust,  wie  sie  vom  Ritualgesetze  zu  Trieb- 
federn des  Handelns  gemacht  werden],  auf  eine  der  Erfahrung  ge- 
roäfs  von  der  Schrift  gelehrte  Lust  und  Unlust  (dfishta-ätii^ravika- 
^ukha^'dufjjcha) y  nicht  auf  eine  solche,  welche  von  dieser  wesens- 

12* 


180  Ctolraka>inlmlA8& 

tronidiieden  wäre;  and  hieraus  folgt,  dafs  die  lar  Vergeltung  der 
Pflichterföllnng  und  Pflichtverletcung  [auch  nach  dem  grofsen  Welt- 
untergänge] immer  wieder  neaentstehende  Weltschöpfung  von  fthn- 
lichem  Charakter  wie  die  vorherige  Schöpfung  sein  muTs.  Und 
eine  Srnpüstelle  (Mah4bh.  12,  8525  fg.;  vgl.  Manu  1,  28 --29)  sagt 
[indem  aie  nicht  nur  das  Leiden,  sondern  auch  das  Thun  des 
Menschen  von  seinen  Werken  in  der  vorhergehenden  Geburt  ab«- 
h&ngig  sein  läTst]: 

i^IMe  Werke,  welche  in  der  frftheren  Schöpfung  Jeder 
y,Sich  auserw&hlt,  zu  diesen  strebt  er  hin, 
„Indem  et  immer  wieder  wird  geboren; 
„Ob  Haft  ob  Liebe,  Mitleid  oder  Hftite, 
„Recht  oder  unrecht,  Loge  oder  Wahrheit,  — 
,jZa  allem  sind  im  voraus  sie  gestaltet; 
„Daher  yerschiedenheit  der  Neigung  waltet'^ 


dos  I  Diese  Welt  also  geht  swar  au  Grrunde,  aber  so,  dafs  die 
Krifte  (^akÜ)  von  ihr  abrig  bleiben,  und  diese  Kr&fte  sind  die 
Wnrsel,  aus  der  sie  wieder  hervorgeht;  denn  sonst  würden  wir 
eine  Wirkung  ohne  Ursache  haben.  Nun  kann  man  nicht  an- 
nehmen, dafs  die  Krftfte  [aus  denen  die  Welt  neu  hervorgeht] 
verschiedener  Art  [von  denon,  ans  welchen  sie  früher  hervorging] 
seien«  Darum  muTs  man  angeben,  dafs,  trota  der  immer  wieder* 
holten  Unterbrechung  [des  Weltumlaufes],  für  die  [neu]  entstehen- 
den Reihen  der  Welträume,  wie  Erde  u.  s.  w.,  fftr  die  Reihen  der 
Gruppen  der  lebenden  Wesen,  Götter,  Tiere  und  Menschen,  und 
fOi"  die  verschiedenen  Zust&nde  der  Kasten,  A^ama's,  Pfliohten 
und  Belohnungen  in  dem  anfangslosen  Sams&ra  eine  notwendige 
Bestimmtheit  (nipatatvam)  vorhanden  ist,  ähnlieh  der  notwendi- 
gen Bestimmtheit  in  der  Verbindung  der  [fünf]  Sinnesorgane  mit 
den  fünf]  Elementen;  denn  auch  bei  diesen  Ufst  sich  nicht  für 
die  jedesmalige  Schöpfung  die  Möglichkeit  einer  Verschiedenheit, 
etwa  eo,  dais  es  ein  sechstes  Sinnesorgan  und  Element  gäbe,  ab- 
sehen. Indem  somit  das  Treiben  ein  ähnliches  ist,  und  es  mög- 
lich macht,  [bei  einer  Neu -Schöpfung]  an  das  Treiben  in  der 
früheren  Weltperiode  wieder  anxuknüpfen,  so  schweben  bei  der 
jedesmaligen  Schöpfung  den  [dieselbe  bewirkenden]  Götterherren 
(iQvaräi^)  solche  Bestimmtheiten  vor,  welche  gleiche  Namen  und 
Gestalten  [mit  den  vormaligen]  haben,  und  zufolge  dieser  „Gleich- 
„heit  von  Namen  und  Gestalten"  geschieht  es,  dafs  „auch  bei  der 

304  „Wiederkehr",  |  d.  h.  auch  wenn  man  eine  totale  Neuschöpfung  nach 
totaler  Vernichtung  der  Welt  annimmt,  dennoch  „kein  Widerspruch'^ 
gegen  die  Autorität  u.  s.  w.  des  Vedawortes  sich  erheboi  läfsi. 
Diese  „Gleichheit  der  Namen  und  Gestalten"  beaeugen  die  Schrift 
uiid  die  Smriti;  so  in  den  Worten  (Rigv.  10,  190,  3): 


'^n-^^ 


S6tram  L  m.  80.  181 

,,Wie  vordem  (!  —  ffothd  pikream)  schaf  der  Schöpfer  Mond  and  Sonne, 
,,Den  Laftraom  nnd  dts  Licht,  und  Erd'nud  Himmel;*' 

das  beifst  [vermeintlich]:  so  wie  der  höchste  Gott  die  Welt  mit 
Sonne,  Hond  u.  s.  w.  in  der  vorhergehenden  Weltperiode  gebildet 
bat,  ebenso  bat  er  sie  auch  wieder  in  der  gegenwärtigen  Welt- 
penode gebildet.  Ebenso  beifst  es  in  der  Stemopfer- Ordnung 
(Taitt.  br.  3,  1,  4,  1):  „4^^'  (Oott  des  Feners)  begehrte,  der  Speise^ 
„esser  der  Götter  zu  sein;  da  bot  er  dem  Affni,  wie  er  in  Gestalt 
„der  KrUtikälj^  [Sternbild  der  Plejaden]  besteht,  einen  Opferkochen 
„in  acht  Schalen  dar.^*  Hier  haben  der  .^^t,  welcher  darbietet, 
und  der  Agni,  welchem  er  es  darbietet,  gleiche  Namen  nnd  Gor 
stalten;  daher  man  sich  auch  [freilich  wohl  mit  Unrecht]  auf  diese 
Schrütstelle  berufen  kann.  Und  auch  die  Sipriti  sagt  [die  beiden 
ersten  Yerse  Mahftbh.  12,  8636.  8660]: 

„Die  Rishi's,  die  der  Ewige  am  Ende 
,,Der  grofsen  Welteanacht  hervorgebracht, 
„Denen  verlieh  er  abermals  die  Namen 
„Und  ihre  Schannngen  des  Yedaworts.'^  — 
i  „Wie  in  des  Jahres  Kreislanf ,  mannigfach  305 

„Gestaltet,  immer  als  dieselben  sieh 
„Der  Jahreszeiten  Glieder  wiederholen, 
„So  in  den  Weltenaltem  alle  Wesen.  — 
„Nach  ihren  Stellen  sind  die  frahem  Götter 
„Gleichartig  denen,  welche  jetzt  wir  haben, 
„Ein  jeder  Gott  sich  selbst  an  Form  und  Namen.'^ 


Hl.    madhih4dishu  osanAhavdd  anodUkäram  Joiminih 

wegen  der  Unmöglichkeit  bei  der  Honiglehre  u.  s.  w. 

lehrt  ihre  Nichtberufung  Jaimini. 

Hier  wird  das,  was  wir  über  das  Beruf ensein  auch  der  G5tter 
zum  Brahmanwissen  angenommen  haben,  umzustürsen  versucht. 
Nämlich  der  Lehrer  Jaimini  meint,  ^dafs  die  Götter  nicht  zur 
^Wissenschaft  berufen  seien;  warum?  „wegen  der  Unmöglichkeit 
%,bei  der  Honiglehre  u.  s.  w."  Wären  dieselben  nämlich  zum  Brah- 
^manwissen  berufen,  so  würde-  folgen,  dafs  sie  auch  zur  „Honig* 
■lehre"  {Madhumdyä^  Chänd.  3,  1 — 11)  und  ähnlichen  Lehren  be- 
*rttfen  seien,  da  auch  diese  zum  Lehrinhalte  [der  Upanishad's] 
^gehören;  das  aber  ist  unmöglich  aus  folgendem  Grunde.  Wenn 
*e8  beifst:  „fürwahr  diese  Sonne  ist  der  Honig  der  Götter^-  (Chänd. 
'3,  If  1),    so  können   es  nur  die  Menschen   sein,   welche   hier  den 


182  C'fcrtraka-inlm&i»s& 

'Sonnengott  (Adüya)  unter  der  Änffaesung  als  Honig  verehren 
'sollen;  denn  wären  auch  die  Götter  u.  b.  w.  mit  unter  den  Ver- 
'ehrem  zu  verstehen,  so  würde  der  Sonnengott  einen  andern  Sonnen- 

306  'gott  verehren  müssen,  was  unmöglich  ist.  |  Und  wenn  weiter  [eben* 
^daselbst]  die  fünf  am  die  Sonne  sich  sammelnden  Nektartrfinke, 
'das  Rote  u.  r.  w.,  durchgegangen  werden  [lies  anukraniya\  und 
'dabei  gezeigt  wird,  wie  der  Reihe  uach.f^f  Götterklassen,  näm- 
'lieh  die  Fo^t^'s,  Budra'^^  Adityä'Bi  Marut^B  und  Sddki/a's  von 
'je  einem  dieser  Nektartränke  leben,  und  wenn  es  dann  weiter 
'heifst:  „wer  diesen  Nektar  also  kennt,  der  wird  zu  einem  der 
'„Fasu's,  schaut  durch  den  Agni  als  Haupt  jenen  Nektar  und  sät- 
'„tijy^  sich  an  ihm"  u.  s.  w.  (ChUnd.  3,  6,  3  fg.)?  so  wird  hier  ge- 
'lehrt,  dafs  diejenigen,  welche  den  Nektar  erkennen,  von  dem  die 
^Vüsü'b  u.  8.  w.  leben,  die  Machtherrlichkeit  der  Volsu^b  u.  s.  W.  er- 
'langen.  Wie  steht  es  aber  mit  den  V<iSU^B  u.  s.  w.  selbst,  [wenn 
'auch  sie  zu  dieser  Wissenschaft  berufen  sein  sollen?]  Welche 
'andern,  von  dem  Nektar  lebenden,  Vosu^b  u.  s.  w.  sollen  sie  er- 
'kennen,  und  welche  andere  Machtherrlichkeit  der  Va^B  u.  s.w. 
'sollen  sie  erlangen?  — -Ferner  wetm  es  heifst:  ».'^^i  ^^^  ^^  Fufs, 
'„Vayu  ist  ein  Fufs,  Aditya  ist  ein  Fufs,  die  Himmelsgegenden 
'„sind  ein  Fufs  [des  Brahman]^'  (Ch&nd.  3,  18,  2),  —  oder:  „Väyu 
'„(der  Wind)  fürwahr  ist  der  an  sich  Raffer*'  (Ch&nd.  4,  3,  1),  — 
'oder:  „Aditya  ist  das  Brahman,  das  ist  die  Lehre"  (Chand.  C3, 
*19,  1),  —  PO  können  doch  zu  den  derartigen  Yerehrangen  der 
'Götterwesen  unmöglich  die  Götterwesen  selbst  berufen  seint  — 
'Und  ebenso  wenig  kann  in  Stellen  wie:  „diese  beiden  [Ohren]  hier 
'„sind  [die  Rishi's]  Gotama  und  Bharadväja^  dieses  nämlich  ist 
\,Gotamay  und  dieses  Bharadväja"  (ßrih  2,  2,  4),   die  zu  einer  | 

307  'Verehrung  der  Rishi's .  in  Beziehung  stehen ,  eine  Berufung  eben 
'dieser  Rishi's  zu  derartigen  Lehren  angenommen  werden.' 

'Und  warum  weiter  können  die  Götter  .u.  s.  w.  nicht  zur  Wissou- 
schafb  berufen  sein?     Antwort: 


32,    jyoüshi  hhdvdc  ca 
'auch  weil  im  Lichte  ihr  Sein'. 

'Jene  am  Himmel  befindliche  Lichtscheibe,  welche,  Tag  und 
'Nacht  mächtig  schweifend,  die  Welt  erleuchtet,  auf  diese  [und 
'die  entsprechenden  anderen  Naturerscheinungen]  beziehen  sich  die 
'von  Göttern,  wie  Aditya  [dem  Sonnengott]  u.  s.  w.,  redenden  Schrift- 
•Worte,  wie  der  gewöhnliche  Gebrauch  der  Worte,  sowie  auch  das 
*in  der  augeführten  Stelle  weiterhin  Folgende  [Chand.  3,  6,  4:  „so 
'„lange  Aditija  im  Osten  aufgehen  und  im  Westen  untergehen  wird^*] 


Sfttram  L  ui.  32.  183 

^boweifit;  und  es  geht  nicht  an,  der  Liehtscheibe,  als  hätte  sie  ein 
^Herz  u.  8.  w. ,  Individualität,  und,  als  hätte  sie  Gisdanken,  die 
^fbeim  Brahman wissen  vorauszusetzende]  Bedürftigkeit  u.  s.  w.  bei- 
^zumessen,  da  sie  offenbar  ebenso  wenig  wie  der  Lehm  und  der« 
^artige  Dinge  Oedanken  besitzt.  Dasselbe  gilt  auch  von  Agni 
^[Feuer  und  Gott  des  Feuers]  und  den  übrigen.*  —  Nun  ja,  könnte 
man  sagen,  aber  doch  bleibt  unsere  Meinung  imwiderlegt,  da  die 
Individualität  u.  's.  w.  der  Götter  u.  s.  w.  sich  aus  den  Mantra^B 
(Hynmen  und  Sprüchen)  und  Arihavddä*s  (theologischen  Erklärun- 
gen in  den  Brahmana^s),  aus  den  Iiihä$a*B  und  'Purdna*B  (epischen 
und  mythologischen  Gedichten)  sowie  aueh  aus  der  Erfahrung  er- 
giebt.  «—  'Diese  Behauptung  bestreiten  wir.  Denn  was  zunächst 
'die  Erfahrung  betrifft,  so  kommt  dieser  gar  keine  selbständige 
'Beweiskraft  zn;  denn  durch  Erfalfrung  feststehend  heifst  eine 
^Sache,  welche  nur  aus  den  [weltlichen]  Beweismitteln  wie  Wahr- 
'nehmung  u.  s.  w.,  sofern  deren  Bestimmungen  keinem  Bedenken 
'unterliegen,  sich  ergiebt.  In  unserm  Falle  aber  |  kommt  keinem  308 
'der  [weltlichen  Beweismittel  wie]  Wahrnehmung  u-  s.  w.  Beweis- 
'kraft  zu.  Auch  die  Itihäsa'B  und  Puräna^B  erfordern,  weil  sie  nur 
^menschlichen  Ursprungs  sind,  immer  noch  das  B^gnindetsein  durch 
'eine  weitlsre  Autorität.  Und  was  femer  die  Arthaväda^B  betrifft, 
'so  stehen  diese  im  einheitlichen  Zusammenhange  mit  den  [rituel- 
*len]  Vorschriften  und  dienen  zu  derMi  Anempfehlung,  daher  sie 
'nicht  für  siöh  allein  bei  der  Frage  nach  der  Individualität  u.  s.  w. 
'der  Götter  eine  Ursache  der  Entscheidung  abgeben  können.  Die 
^Manira*B  aber  endlich,  wie  sie  vom  Schriftkanon  u.  s.  w.  zur  Ver- 
' Wendung  [bei  den  Geremonien]  anbefohlen  werden,  bilden  einen 
'integrierenden  Teil  der  [rituellen]  Verrichtungen,  dienen  zum  Aus- 
'drucke  [des  dabei  Vorkommenden]  und  können  daher  in  keiner 
*Saohe  Beweiskraft  haben',  —  wie  jene  [Anhänger  des  Jaimini]  be- 
haupten. ^Folglich*,  schliefsen  sie,  'ist  es  unmöglich,  dafs  die  Göt- 
'ter  u.  s.  w.  zum  Bralmianwissen  berufen  seien.* 


SB.    bhdvan  tu  Bddaräyam;  'sti  ki 

sie  sind  es  doch,  lehrt  Bädaräyana;   denn  sie  ist 

Thatsache. 

Das  Wort  „doch"  dient,  um  die  gegnerische  Meinung  abzu- 
lehnen. Nämlich  der  Lehrer  Bädaräyana  nimmt  an,  dafs  auch  die 
Götter  u.  s.  w.  trotzdem  berufen  dind;  denn  wenn  auch  zu  solchen 
Lehren.,  bei  denen,  wie  z.  B.  bei  der  „Honig1ehre'\  eine  Ein- 
mischung der  Götter  vorkommt,    eine  Berufung   dieser  selbst  frei- 


184  QIMraka-mtinJ^8& 

lieh   uamögUch  ist,    so    iat  die  Berufung  der  Götter   cur  reinen 

309  Brabmanwissentichaft  doch.  „Thatsache",  sofern  eine  solche  Beru- 
fang  dorch  die  Bedürftigkeit  und  Fähigkeit  [cur  Erlösung],  durch 
das  Kichtausgeschlossensein  von'  derselben  u.  s.  w.  bedingt  wird. 
Denn  wenn  auch  diese  Eemfong  fEir  gewisse  Lehren  unmöglich  ' 
ist,  so  ist  sie  danun  doch  nicht  für  d\e  Fälle,  in  welchen  sie 
möglioh  ist,  in  Abrede  su  stellen.  £9  können  ja  auch  nicht  alle 
Menschen,  ja  nicht  einmal  die  ßrahmanen,  su  allen  [heiligen  Bräu- 
chen] berufen  sein,  wie  z.  B.  nicht  zur., Königsweibe;  und  was  dort 
gilt,  das  mufs  auch  hier  gelten.  Dafs  aber  die  Götter  u.  s.  w. 
zur  Brahmanlehre  berufen  sind,  dafür  haben  wir  ein  sprechendes 
Anzeichen  in  der  Schrift,  wenn  es  heifst:  „Wer  immer  von  den 
„Göttern  dieses  [durch  die  Erkenntnis:  *^ich  bin  Brahman'*]  inne 
„ward,  der  ward  eben  zu  demselbigen,  und  eben&o  von  den  Ri- 
„shi's,  und  ebenso  von  den  Menschen**  (Brih.  1,4,  10).  Femer 
auch  in  der  Stelle:  „Da  sprachen  sie  [die  Götter  und  Dämonen]: 
"wohlan  lafst  uns  den  Atman  erforschen,  durch  dessen  Erkenntnis 
*'man  al)'^  Welten  erlangt  und  alle  Wönsche!  Da  machte  von  den 
„Göttern  Indra  sich  auf  den  Weg  und  von  den  Dämonen  Yiro- 
„cana"  (Chäud.  8,  7,  2).  Und  auch  die  Smriti  berichtet  unter  an- 
derm  die  Uoterredung  des  Yäjiiavalkya  mit  dem  Gandharva  [nach 
dem  Glossator  im  Mokshadharma^  Mahäbh.  12].  Wenn  aber  be- 
liauptet  wurde:  „auch  weil  im  Lichte  ihr  Sein"  bestehe,  deswegen 
seien  die  Götter  nicht  berufen,  so  antworten  wir:  obgleich  die 
zur  Bezeichnung  der  Gottheiten  dienenden  Worte  [lies:  ^übäxi^y 
wie  AäAtya  u.  s.  w. ,  sich  auch  auf  das  Licht  u.  s.  w.  beziehen,  so 
bedeuten  sie  doch  [zugleich]  die  entsprechenden,  mit  Geistigkeit, 
Gottherrlichkeit  u.  s.  w.  begabten  Götterwesen;  denn  in  diesem 
Sinne  werden    sie    in  den   Ifan^ra's  und  ATtha%>äAa^f^  gebraucht; 

310  und  I  die  Götter  haben,  kraft  ihrer  Gottherrlichkeit,  das  Ver- 
mögen, entweder  als  Selbst  (ätman)  des  Lichtes  u.  s.  w.  zu  ver- 
harren oder  auch  nach  Belieben  die  entsprechende  Individualität 
(vigraha)  anzunehmen;  den^  also  sagt  die  Schrift  bei  Erklärung 
der  «Su^raAman^^- Formel  {Shadvmga^br.  1,  1):  „«o  Widder  des 
^^Medhätitkiy)^  nämlich  als  Widder  einstmals  raubte  Indra  den  Käi^va- 
„Spro/s  mdhätitkV\  Und  die  Smpti  erzäUt  (Mahabh.  1,  4397), 
wie  Äditya  in  Mannesgestalt  die  Kunti  besuchte.  Ja,  auch  der 
Lehm  und  ähnliche  StofiFe  haben  nach  der  Schriftlehre  geistige 
Vorsteher,  denn  es  heifst:  „der  Lehm  sprach^'  —  „die  Wasser 
„sprachen*'  (Qatap.  br.  6,  1,3,  2.  4).  Was  aber  die  [fünf]  Natur- 
elemente, wie  das  Licht  u.  s.  w.,  betrifft,  so  ist  zuzugeben,  dufb 
dieselben  auch  als  Sonne  u.  s.  w.  ungeistige  Wesen  sind;  aber  auch 
sie  haben  als  Vornteher  geistige  Götterwesen;  denn  so  erscheinen 
»ie,  wie  bereits  bemerkt  (p.  287,  3)  in  den  Mantrd*B  und  Ärtha- 
väda'n.' —  Wenn  aber  weiter  behauptet  wurde,  dafs  die  Manira's 
und  Arthai äda*9,  weil  ihr  Zweck  ein  anderer  sei,  nicht  als  Beweis 


Öfttram  I.  in.  83.  185 

für  die  IndividuaUt&i  der  Gotter  u.  s.  w.  gelten  köDnten,  so  haben 
wir  zu  bemerken,  dafs  es  beim  Beweise  des  Seins  oder  Nicht- 
seins nur  auf  die  Glaabwürdigkeit  der  Quelle,  nicht  aber  darauf 
ankommt,  ob  sie  diesen  oder  jenen  Zweck  v«^rfolgt.  Denn  auch 
wenn  z.  B.  einer  zu  einem  andern  Zwecke  ausgegangen  ist,  so 
kann  er  darum  doch  bemerken«  ob  sich  auf  dem  Wege  zufällig 
Gras,  Blätter  und  dergleichen  |  befinden.  —  ^Aber',  so  könnte  311 
^an*  einwenden«  ^in  dem  erw&hntezi  Beispiele  liegt  die  Sache  doch 
^anders.  Denn  dort  ist  es  die  Wahrnehmung,  auf  Grund  deren 
^wir  das  Vorhandensein  von  Gras,  Blättern  u.  dgU  annehmen;  hier 
^hingegen  ist  der  zur  Anempfehlung  beigefiigte  Arthaväda  mit  der 
^angeordneten  Vorschrift  zu  einem  Zusammenhange  verbuhden, 
'daher  man  in  ihm  nicht  eine  besondere,  auf  Thatsächliches  be- 
'züglicho  Ättfserung  Aehen  darf.  Denn  wenn  ein  ganzer  Batz  bin- 
^dende  Kraft  hat^  so  braudit  ein  in  ihm  Torkommender  Neben* 
^satz  darum  für  sich  allein  noch  nicht  bindende  Kraft  zu  haben. 
^So  z.  B.  wenn  es  in  der  Schrift  heifst:  „keinen  Branntwein  trinkt  i** 
'so  ist,  weil  diese  drei  Worte  in  dem  negativen  Satze  miteinander 
'verbunden  stehen,  als  einziger  Sinn  das  Verbot  des  Branntwein- 
'trinkens  zu  verstehen ,  nicht  aber  darf  man ,  weil  dabei  die  bei- 
'den  Worte:  „Branntwein  trinkt''  miteinander  verbunden  stehen, 
'zugleich  ein  Gebot,  Branntwein  zu  trinken,  darin  finden.*  —  Hier- 
auf ist  zu  erwidern,  dafs  in  diesem  Beispiele  allerdings  die  Sache 
anders  liegt.  Es  ist  richtig,  dafs  man  bei  dem  Verböte  des  Brannt- 
weintrinkens,' wegen  der  Einheit  des  Wortzuscunmenhangs ,  nicht 
einem  Teile  dieser  Wortverbindung  noch  einen  Sinn  beilegen  darf; 
wo  hingegen  eine  angeordnete  Vorschrift  und  ein  Arthaväda  (Er- 
klärung) zusammenstehen,  da  ergeben  die  Worte  des  Artliaväda 
für  sich  allein  einen  auf  ein  Thatsächliches  bezüglichen  Zusammen- 
hang, und  sodann  erst  werden  diese  Woirte,  sofern  sie  den  Zweok 
der  Vorschrift  klarlegen,  zu  einer  Anempfehlung  derselben.  So 
sind  z.  B.  in  der  Stelle:  „£in  dem  Väyu  heiliges  weifses  Gefäfs 
„soll  ergreifen,  wer  nach  Wohlstand  begehrt"  (Taitt.  saiph.  2,  1,  3, 1) 
diese  zu  der  angeordneten  Vorschrift  gehörigen  Worte:  „Ein  dem 
j.Väyu  heiliges"  u.  s.  w.,  durch  die  Vorschrift  miteinander  ver- 
bunden. Ander»  aber  |  steht  es  mit  den  darauffolgenden,  einen  312 
Atihat äda  bildenden  Worten:  „Wahrlich,  der  Väyu  (Wind)  ist  die 
„schnellste  Gottheit;  und  an  den  Vä.yu  wendet  er  [der  Solches 
„thut]  sich  mit  dem  ihm  gebührenden  Anteile;  der  führet  ihn  hin 
„zu  dem  Wohlstande."  Hier  heifst  es  nicht  mehr  [in  der  Form 
einer  Vorschrift]:  „der  Väyu  soll  ergreifen"  oder:  „die  echuellsto 
„Gottheit  soll  ergreifen*'  u.  dgl.,  sondern  die  Ärthavdda-W orte  bil- 
den, indem  sie  die  Natui*  des  Väyu  rühmen,  einen  zwischeneinge- 
schobenen  Zusammenhang  für  sich,  und  indem  sie  besagen:  „so 
„ausgezeichnet  ist  die  Gottheit,  auf  die  sich  dieses  Werk  bezieht", 
so  dienen  sie    dazu,    die   vorhergehende  Vorschrift  anzuempfehlen. 


136  (^ärirftka-mim&üad. 

Wenn  dabei  der  Inhalt  der  [als  Arthavdda  zwischen  die  Vorschriften] 
eingesohobeneii  Stelle  eine  Sache  ist,  die  schon  ans  andern  Er- 
kenntnisgründen festsieht  [z.  B.  aus  der  Wahrnehmung;  so  in  dem 
Satze  Väj.  samh.  23,  10:  „Agni  (das  Feuer)  ist  Arzenei  gegen  die 
,,K&lte^^] ,  so  besteht  der  Ärthaväda  in  der  blofsen  Nachsagung 
(anuväda)  derselben  [und  ist,  im  Sinne  Qankara's,  ein  Vidpamäna' 
ärthaväda].  Wo  er  hingegen  mit  andern  SrkenntnisgrOnden  in 
Widerspruch  steht  [z.  B.  in  dem  Satze:  „der  Opferpfosten  ist  die 
„Sonne"],  da  besteht  der  Ärthaväda  in  einem  Gunavdda  [in  einer 
uneigentlichen,  figürlichen  Aussage].  Wo  aber  weder  das  Eine  noch 
das  Andere  stattfindet  [also  wenn  es  sich  um  Aussagen  handelt, 
die  von  der  Erfahrung  weder  best&tigt  noch  widerlegt  werden, 
—  und  auf  solche  kommt  es,  wenn  die  Autorität  der  Schriftoffen- 
barung erwogen  werden  soll,  vor  allem  an],  sollen  wir  da,  weil 
kein  anderer  Erkenntnisgrund  vorhanden  ist,  einen  blofsen  Gu^w 
vdda^  odet  sollen  wir,  weil  kein  anderer  Erkenntnisgrund  der 
Sduriftaussage  widerspricht,  <3inen  Vidyamäna-arthaväda  annehmen? 
Hier  mufs  jeder,  dem  es  um  Überzeugungen  zu  thun  ist.  einen 
VidyaifnAna-arthuc^da  [die  Offenbarung  einer  transscendenten  That- 
Sache]  nicht  aber  einen  Gunacäda  [so  statt  gu^iänutäda  zu  lesen] 
annehmen.*  Alles  dies  gilt  auch  von  den  Muntra'».  —  Ja,  noch 
mehrl  Auch  die  Vorschriftfin  selbst,  sofern  sie  zu  Opfern  auf- 
fordern, die  dem  ludra  und  den  andern  Göttern  darzubringen  sind, 
setzen  die  [individuelle]  Gestalt  des  ludra  u.  s.  w.  voraas;  denn 
es  ist  nicht  möglich ,  den  Indra  u.  s.  w. ,  wenn  sie  keine  solche 
313  Gestalt  haben,  im  Denken  vorzustellen;  |  ohne  sie  aber  im  Den- 
ken vorzustellen;»  kann  einer  bestimmten  Gottheit  ein  Opfer  nicht 
dargebracht  wei'deu.  Und  auch  die  Schrift  läfst  sich  vernehmen: 
„die  Gottheit,  für  welche  man  die  Opfergabe  bereitet  hat,  an  die 
„denke  man,  wenn  man  den  Opferruf  sprechen  will'*  (Ait.  br.  3,  8,  1). 
Dafs  aber  die  Natur  einer  Sache  in  dem  blofsen  Namen  bestehe, 
kann  man  nicht  annehmen,  indem  Name  und  Sache  zweierlei  sind. 
Somit  muCs  die  Gestalt  des  Indra  u.  s.  w.^,  ebenso  wie  sie  in  den 
Mantra's  und  Arthavada's  vorkommt,  von  jedem,  der  die  Schrift 
überhaupt  als  Autorität  festhält,  angenommen  werden.  In  der 
erwähnten  Weise  können  nun  auch  weiter  die  Itihäsa^n  und  Pu- 
ränä^B^  sofern  s^ie  auf  den  dafür  mafsgebenden  Mantra's  und  Ar- 
thavada's  fufsen ,   al&  Zeugnisse  für   die   Individualität   der  Gatter 


*  (Jankar a  ucterscheidet  also,  wie  es  scheint,  nur  zwei  Unterarten 
des  Arthavdda,  den  Gvnaväda  und  den  Vidyamdna' arthavdda.  Letz- 
terer wird  voii  Späteren  weiter  zerlegt  in  den  Änuvdda^  der  die  empiri- 
schen, und  den  Bhuta-arthaväda  ^  der  die  transscendenten  Thatsachen 
begreift,  üie  im  Veda  mitgeteilt  werden  (vgl.  Moäkttfudana  in  Webers 
Indischen  Studien  l,  S.  15). 


Sfttram  I.  iii.  38.  187 

benutzt  werden.  Ja,  möglicherweise  fufses  dieselben  sogai'  auf 
der  Wahrnehmung;  denn  wenn  etwan  auch  tur  uns  nicht  wahr- 
nehmbar ist,  80  konnte  es  doch  für  die  Altvordern  wahniehmhar 
sein.  Und  dem  entsprechend  wird  z.  B.  von  der  Smriti  über- 
liefert, dafs  Vyäsa  [der  Autor  des  Miihdbhäratam]  und  andere  mit 
den  Göttern  und  [Rishi's]  in  der  Wahi*nehmung  Verkehr  gepflogen 
haben.  Wer  aber  behaupten  wollte,  dafs  es,  so  wie  für  die  jetzt 
Lebenden,  auch  für  die  Altvordern  nicht  möglich  gewesen  sei, 
mit  Göttern  u.  s.  w.  zu  verkehren,  der  würde  |  die  Mannigfaltig-  'Mi 
keit  der  Welt  leugnen;  er  könnte  auch  behaupten,  dafs  es,  so  wie 
jetzt,  auch  zu  andern  Zeiten  keinen  weltbeherrschenden  Fürsten 
gegeben  habe,  und  somit  würde  er  die  auf  die  Königsweihe  be- 
züglichen Gebote  [an  denen  ihr  Anhänger  des  Jaimini  doch  fest- 
haltet] nicht  gelten  lassen:  er  könnte  femer  annehmen,  dafs,  so 
wie  jetzt,  auch  zu  andern  Zeiten  die  Pflichten  der  Kasten  und 
A^rafna*B  keine  feststehende  Regel  gehabt  hätten  f  imd  somit  müfste 
er  den  Gesetzes -Kanon,  welcher  die  Regeln  dafür  angiebt,  für 
zwecklos  erklären.  Man  mufs  daher  festhalten,  dafs  die  Alt- 
vordern, zufolge  hervorragender  Verdienste,  ^mit  Göttern  und 
[Rishi^s]  sichtbarlich  verkehrt  haben;  so  stimmt  es  zusammen. 
Auch  sagt  die  Smriti  (Yogasütra  2,  44):  „durch  Studium  [wird  er- 
langt] mit  der  geliebten  Gottheit  Vereinigung '\  Und  wenn  dieselbe 
weiter  lehrt,  dafs  der  Yopa  als  Lohn  die  Herrschaft  über  die  Natur 
verleihe,  bestehend  [in  der  Freiheit  von  der  Körperlichkeit  und 
ihren  Gesetzen,  nnd  dadurch]  in  der  Fähigkeit,  sich  atomklein  zu 
machen  u.  6.  w. ,  so  ist  auch  das  nicht  durch  einen  blofsen  Macht* 
Spruch  von  der  Hand  zu  weisen.  Und  auch  die  Schrill  läfst  die 
Maditvollkommenheit  des  Yoga  gelten,  wenn  sie  sagt  (Qvet.  2,  12): 

„Aus  Erde,  Wasser,  Feuer,  Luft  und  Äther 
„Entspringt  und  bildet  sich,  fünffachen  Wesens, 
„Die  Yio^ -Tugend.    Wer  zu  ihr  gelangt, 
„Für  den  giebt  es  nicht  Krankheit  mehr  noch  Alter, 
,9Noch  auch  den  Tod;  weil  ihm  zu  Teil  geworden 
„Ein  Leib  gebildet  aus  dem  Y<>.9a-Feucr.'* 

Auch  die  Fähigkeiten  der  Rishi*B,  dieser  Schauer  der  Mantra^s  und 
Brähmana'Sy  darf  mau  nicht  nach  unsern  |  Fähigkeiten  bemessen.  315 
Somit  folgt,  dafs,  was  die  liihäsa*»  und  Puräi^^B  [über  die  Natur 
der  Götter]  enthalten,  wohlbegründet  ist.  Und  auch  die  An- 
schauungen der  gewöhnlichen  Menschen  hat  man  nicht,  soweit  es 
angeht,  als  unbegründet  *  von  der  Hand  zu  weisen. 

Somit  ist  es  berechtigt,  auf  Grund  der  Mantra's  u.  s.  w.  die 
Individualität  der  Götter  anzunehmen,  und  da,  aus  demselben 
Grunde,  auch  die  Bedürftigkeit  u.  s.  w.  auf  dieselben  zutrifft,  so 
folgt,   dafs   auch   die   Götter  u.  6.  w.  zur  Braiimanwissonschaft  bo- 


rmfen  aind.  Und  aaA  die  Ansduurangei)  von  der  Stofeiwrlfiaaiig 
(IcramarmMi)  atiiiiinmi  hiennit  raummen  [Bofem  du  Daaeio  «b 
Gott  ein«  Totvtafe  der  Midgfiltigen  Erldmiig  bilden  kann]. 


Zehnte»  Adhikara^am. 

.34.    i-ujf  asya,  tad-anädara-Qravatiät  tad-ädrava^, 
sücycUe  ki 

denn  auf  den  Kummer  desselben,  «eil  er,  ihre  Miie- 

achtung  vernehmend,  zu  ihm  hinlief,  wird  dadurch 

angeepielt. 

Die  BeacbrftnkuDg  des  Bemfeoiseins  auf  die  Menschan  wurde 
Temeint,  indem  dugelegt  wnrde,  dafa  «och  di«  GStter  n.  ■.  w. 
zur  WJMentchftft  beraf«n  sind.  Ist,  nun  «benio  weiter  die  Be- 
aclirftnkuDg  des  Bernfennins  »nf  die  Zwiegeborenen  [die  Hitglie? 
der  der  drei  obem  Kasten,  Brähmana'B,  Kshatri^a'o  und  Fdifya's] 
zu  verneinen,  und  eine  lierufutig  such  der  Qücira'»  [der  Anga- 
bürigen  der  rierten,  untenten  Kute]  anzunehmen?  —  Diesen  Zwei- 
fel zu  heben,  dient  das  gegenwärtige  Adhikoranam. 

Angenommen  also,  'auch  der  Qftdra  sei  zur  Wissenschaft  be- 
'rufen,  da  die  Merkmale  der  Bedürftigkeit  unä  der  F&higkeit  auf 
'ihn  zutreffen;  daher  auch,  w&hrend  es  z.B.  heifst;  „der  ^ftdra 
'„ist  zum  Opfer  nicht  tuzulaesen"  (Taitt.  saiph.  7,  1,  1,  6),  in  ent- 
316  'sprechender  Weise  |  ein  Verbot  wie  etwa:  „dar  ^dra  ist  zur 
'„Wissenschaft  nicbt  zniulaBsen",  sich  in  der  Schrift  nicht  findet. 
'Hierzu  kommt,  dafs  der  Grund,  welcher  den  Qüdra  von  der  Be- 
'rufung  SQ  den  Werken  ansHchliefst,  n&mlich  seine  Nichtznlfiasig- 
'keit  zum  Opferfener,  eine  Berufung  zur  Wissenschaft  nicht  oo- 
'möglich  macht;  denn  auch  bei  einem  solchen,  der  [die  heiligen 
'Feuer]  Aiiavanlya  u.  b.  w,  nicht  besitzt,  ist  es  nicht  unmäglicb, 
'dafx  er  zur  Wissenschaft  gelangt.  —  Hierzu  kommt  ein  Anzeichen, 
'welchen  das  Berufensein  des  ^üdra  be^tigt.  Nbmlicb  in^  der 
'Lehru  vom  Satttvarga  [dem  Winde  als  dem  an  sich  Baffer],  fee- 
'zeicbnct  die  Schrift  den  nach  der  Erkenntnis  begehrenden  Jiifia- 
'rruli,  den  Enkelsofan,  mit  dem  Worte  „Qädra",  denn  es  heibt  [in 
'der  Autwort,  die  ibni  liaikva  giebt]:  „Oho!  ftir  ein  Geschmeide 
-„und  Gefahr,   du  ((kdra?     Behalte  sie  für  dich  mitsamt  den  Eli- 


Sfttrftm  I.  in.  d4.  189 

*^ea^^  (Ghftnd.  4,  2,  3).  Ebenso  lehrt  die  Smriti,  dafs  Vidura 
'und  andere,  obwohl  ans  einem  (/ädra-Schofse  entsprungen,  doch 
*cn  bestimmten  Wissenschaften  gelangt  sind.  Sonach  folgt,  dafs 
'der  Qüdra  aar  Wissenschaft  bemfen  ist.* 

Aof  diese  Annahme  antworten  wir  wie  folgt.  Der  Qüdra  ist 
nicht  berufen,  weil  er  den  Yeda  nicht  lesen  darf.  Denn  nur  der- 
jenige, welcher  den  Teda  gelesen  und  den  Inhalt  des  Yeda  er- 
kannt hat,  ist  zu  dem,  was  dieser  Inhalt  darbietet,  |  berufen.  317 
Der  QÄdra  aber  darf  den  Yeda  nicht  lesen,  weil  das  Studium  des 
Yeda  zur  Yoraüssetzung  das  Upanayanam  [die  Einführung  bei 
einem  Lehrer]  hat,  das  Upanayanam  aber  sich  nur  auf  die  drei 
[obem]  Kasten  erstreckt.  Was  aber  die  Bedürftigkeit  betrifft,  so 
ist  diese,  wo  die  Fähigkeit  mangelt,  kein  zureichender  Grund  zur 
Berufung;  und  auch  die  Fähigkeit  im.  blofs  weltlichen  Sinne  reicht 
dazu  noch  nicht  hin,,  indem  für  eine  geistliche  Sache  eine  geist- 
liehe Fähigkeit  erforderlich  ist.  Die  geistliche  Fähigkeit  aber  ist 
durch  die  Ausschliefsung  des  Yedastudiums  mit  ausgeschlossen.  Was 
endlich  den  Spruch:  „der  Qüdra  ist  zum  Opfer  nicht  zuzulassen'S 
betrifft,  so  bedeutet  derselbe,  weil  er  aus  einer  allgemeinen  Regel 
[dafs  nur  der  Yedakundige  zu  dessen  Inhalt  an  Werken  und»  Leh- 
ren berufen  ist]  abfliefst,  zugleich  die  Nichtznlässigkeit  zum  Wis- 
sen, indem  die  Regel  allgemein  [für  Werke  und  Wissen]  gilt.  Wenn 
du  endlich  die  Erwähnung  des  Wortes  „Qüdra"  in  der  Saij/^varga- 
Lehre  für  ein  Anzeichen  seines  Berufenseins  hältst,  so  bemerken 
wir,  dafs  darin  kein  Anzeichen  dafür  liegt,  weil  keine  Regel  da- 
bei vorkommt,  denn  ein  Anzeichen  wird  bedeutsam  etat  durch  den 
Ausspruch  einer  Regel,  eine  Regel  aber  liegt  hier  nicht  vor. 
Übrigens  würde  |  das  hier  vorkommende  Wort  Qüdra  höchstens  318 
eine  Berufung  des  ^üdra  aHein  zu  der  Sfai^var^a-Lehre  bedeuten, 
weil  es  auf  sie  Bezug  hat,  nicht  aber  zu,  allen  Lehren.  Da  aber 
das  Wort  dabei  nur  in  einem  Arthavdda  [nicht  in  der  Yorschrift 
eines  Vidki]  vorkommt,  so  ist  es  vielmehr  aufser  Stande,  die  Be- 
rufung des  Qüdi-a,  wozu  es  auch  immer  sein  möge,  zu  begründen. 
Hierzu  kommt,  dafs  man  das  Wort  Qüdra  an  dieser  Stelle  so  auf-  . 
fassen  kann,  dafs  es  sich  [nicht  auf  einen  Qüdra,  sondern]  auf 
einen  Berufenen  bezieht.  Nämlich  folgendermafsen.  Wenn  (Chand. 
4,  1,  3)  die  Gans  spricht:  „wer  ist  denn  der,  von  dem  du  redest, 
„als  wäre  er  ein  Raikva  mit  dem  Ziehkarren  ^S  so  empfindet  Jana- 
gmti,  der  Enkelsohn,  indem  er  die  in  diesem  Worte  der  GanR 
liegende  „Mifsachtung'^  seiner  selbst  vernimmt,  darüber  Kummer; 
und  auf  diesen  Kummer  (quo)  wird  von  dem  Rishi  Raikva  durch 
jenes  Anreden  mit  dem  Worte  cü-dra  „angespielt",  indem  er  näm- 
lich dadurch  das  ihm  eigene  übernatürliche  Sehervermögen  [wel- 
chem jenes  nächtliche  Zwiegespräch  der  Gänse  sc^on  bekannt  wäi*] 
bekunden  will.  So  erklärt  sich  die  Sache;  denn  ein  geborener 
Qüdra  würde  unmöglich  berufen  sein  können.    Aber  inwiefern  wird 


190  C^lTlraka-intiii&nsIl 

daroh  das  Wort  rü-dra  auf  jenen  Kummer  angespielt?  —  „Weil 
„er*^,  so  lautet'  die  Antwort,  „zu  ihm  hinlief";  d.  h.  weil  J&na^.rati 
zu  dem  Kummer  (^)  hinlief  (du-drchva)^  oder  Yon  dmn  Kumm^ 
fiberlaufen  wurde,  oder  aus  Kummer  au  dem  lUdkra  lunlief;  — 
in  dieser  Weise  läfst  sich  ^-dra  hier  in  seiner  e^mologischen 
Bedeutung  verstehen,  da  es  in  der  traditionellen  Bedeutung  nn- 
aulässig  ist.  Und  dafs  dies  die  richtige  Etymologie  ist,  offenbart 
die  Schiifk  in  der  besprochenen  Erzählung. 


319  35.    kshatriyatva-gatef  ca  uttaratra  Caitrarathena  ling&t 

und  weil  für  den  Schlafs,  dafs  er  ein  K&hatriya,  wei- 
terhin   ein  Indiciiim,    dafs  er  mit  einem   Caitraratha 

[zusammen  erwähnt  wird]. 

Dafs  J^na^ruti  kein  Qüdra  von  Geburt  ist,  folgt  ferner  auch 
daraus,  dafs  „weiterhin ^S  in  der  Ausführung  des  Gegenstandes, 
„ffir  den  Schlufs,  daCs  er  ein  Kshatriya"  sei,  „ein  Indicium*'  vor^ 
liegt  darin,  „dafs  er  mit  einem  Caitraratha",  nämlich  mit  dem 
Ähhipratärin^  der  ein  Kshafcriya  ist,  zusanunen  erwähnt  wird. 
Nämlich  weiterhin  bei  Ausfährung  der  Samvarga-Ijehre  kommt  der 
aus  der  Familie  des  Gitraratha  stammende  Kshatriya  Ahhipratärin 
vor;  denn  es  J^eifst:  „Es  geschah  einmal,  dafs  dt^r  Sohn  des  (^n- 
,)naka,  ein  Käpepa,  und  ,der  Sohn  des  Kakshasena,  Äbhipratdnn^ 
„als  sie  sich  von  ihrem  Koche  auftischen  liefsen,  von  einem  Brah- 
„manenschüler  angebettelt  wurden"  (Chänd.  4,  3,  5).  Dafs  aber 
AbhiprcUdrin  Aus  der  Familie  des  Gitraratha  stammt,  mufs  man 
daraus  schliefsen,  dafs  er  mit  einem  K&peya  verbunden  erscheint; 
denn  dafs  der  Sohn  des  Gitraratha  mit  den  Kdpepa'u  verbunden 
war,  ist  aus  der  Stelle:  „da  nun  vollbrachten  f^r  den  Sohn  des 
„Gitraratha  die  Käpeifa^B  das  Opfer"  (Paiicavinya-br.  20,  12,  5) 
ersichtlich;  wo  aber  die  Opferpriester  desselben  Namens  sind,  da 
pflegen  auch  die  Veranstalter  des  Opfers  desselben  Namens  zu  sein. 
Dafs  ferner  Abhiprafärin  ein  Kshatriya  ist,  mufs  man  wiedei*um 
daraus  schliefsen,  dafs  aus  der  Stelle:  „darum  ward  der  Abkomm- 
„ling  des  Gitraratha  der  einige  Meister  der  Kriegerschaft"  (Pan- 
cavin^a-br.  20,  12,  5)  die  Zugehörigkeit  [der  Abkömmlinge  des 
Gitraratha]  zur  Kriegerkaste  sich  ergiebt.  Mit  diesem  Kshatriya 
320  Abhipratdrin  zusammen  also  wird  Jdnagnäi  in  demselben  |  Lehr- 
abschnitte erwähnt,  und  dies  deutet  darauf  hin,  dafs  auch  er  ein 
Kshatriya  ist.  Denn  es  ist  das  Gleichartige,  was  in  der  Regel 
zusammen  erwähnt  zu  werden  pflegt.  **  Und  auch  daraus ,  dafs 
JdfMgruti  als  mit  königlicher  Macht,   die   sich   in  der  Aussendung 


Sütram  l.  m.  35.  191 

des  TmchseMes  u.  b.  w.  zeigt,  auBgerüstet  erBcheiot,  ist  auf  seine 
Zagehörigkeit  zur  Kahatnyakast«  zu  schliefsen.  —  Somit  mnfs  man 
[weil  in  dieser  £rzfthlang  das  Wort  ^üdra  in  etymologischem  Sinne 
zu  nehmen  ist]  schliefsen,  dafs  ein  wirklicher  Cüdra  nicht  zur 
Wissenschaft  berufen  sein  kann. 


36.    sarnskära-parämargäty  tad-abhäva-ahhilApäc  ra 

auch  wegen  Bofassung  der  Sakramente,  und  weil 

diese  ihm  nicht  zuerkannt. 

Auch  darum  ist  der  Qüdra  nicht  berufen,  weil,  bei  den  [im 
Veda  Yorliegeuden]  Fällen  von  Mitteilung  einer  Wissenschaft,  die 
Sakramente,  das  Upanayanain  (die Einführung  bei  dem  Lehrer)  u.  s.  w., 
mitbefafst  werden;  denn  es  heifst  z.  B:  „da  führte  er  ihn  ein'' 
(^tap.  br.  11,  5,  3,  13);  —  „«belehre  mich,  o  Herr»,  mit  die- 
„sen  Worten  trat  er  bei  ihm  in  di^  Lehre**  (Ch&nd.  7,  1,  1);  — 
„Brahman  als  Ziel,  Brahman  als  Grundlage  habend,  das  höchste 
„Brahman  suchend  sprachen  sie:  «er  wird  uns  dieses  alles  er- 
„klären»  und  traten,  mit  Brennholz  in  der  Hand,  an  den  ver- 
„e^ngswürdigen  Pippalslda  |  heran**  (Prayna  1,  1);  —  und  auch  321 
weim  es  heifst:  „zu  ihnen  sprach  er,  ohne  sie  erst  einzuführen** 
(Ch&nd.  5,  11,  7),  so  ergiebt  sich  [aus  dem  Vorhergehenden],  dafs 
die  Betroffenden  die  Einfühlung  bereits  erlangt  hatten..  —  Bern 
^'üdra  nun  werden  diese  Sakramente  „nicht  zuerkannt**,  denn  in 
den  Worten:  „Der  Qddra  als  vierter  bildet  die  nur  einmal  ge- 
„borene  Kaste**  (vgl.  Manu  10,  4)  erklärt  'die  Smriti,  dafs  der 
Cttdra  nur  einmal  [nicht  durch  das  Upanayanam  zum  zweiten  MalcJ 
geboren  sei;  auch  heifst  es  z.  B.  (Manu  10,  126): 

„Der  ^üdra  kann  kein  Efsverbot  verletzen; 
„Noch  ist  der  Sakramente  würdig  er.** 


37.    tad-abMva-nirdharanc  ca  pravritteh 

auch  weil  [erst]  nach  Bestätigung,  dafs  er  kein  solcher, 

der  Übergang. 

Auch  darum  ist  der  Qüdra  nicht  berufen,  weil  [in  der  Erzäh- 
lung von  Hntyakäma^  dem  Sohne  der  Jabälä^  Ohand.  4,  4  fg.] 
Gautama   erst   dazu    übergeht,    den    Sohn    der  Jahdlä   einzuführen 


192  g&rlraka-mh&äAslL 

und  za  belehren,  nachdem  «r  darin,  dafs  derselbe  die  Wahrheit 
sprach,  eine  „Bestätigung,  dafs  er  kein  solcher'',  kein  ^üdra,  sei, 
gefunden  hatte;  denn  die  Schrift  l&fst  ihn  sagen:  „nur  ein  Brah- 
„mane  kann  so  offen  sprechen;  hole  dag  Brennholz  herbei,  mein 
„Lieber,  ich  werde  dich  einführen,  weil  du  nicht  von  der  Wahr- 
„heit  abgewichen  bist"  (Chlind.  4,  4,  5). 


382    38.    ^avana-adht^ayafia'artha-praUahedhdt  srnrüec  ca 

und  weil  die  Smriti  ihn  von  Hören,  Lesen  und  Inhalt 

ausschliefst. 

Auch  darum  ist  der  ^üdra  nicht  berufen,  „weil  die  Smriti  ihn 
„von  Hören,  Lesen  und  Inhalt  ausBchliefst" ;  denn  die  Smriti  lehrt, 
dafs  der  Qudra  auszuschliefaen  sei  vom  Hören  des  Yeda,  aussu- 
schliefsen  vom  Lesen  des  Yeda  und  auszuschliefsen  von  der  Er« 
kenntnis  und  Befolguilg  seines  Inhaltes,  Zunilchst  also  wird  er 
ausgeschlossen  vom  Hören  des  Yeda  durch  die  Worte:  „wenn  er 
„aber  den  Yeda  mit.  anhört,  so  soll  man  ihm  die  Ohren  mit  Zinn 
„oder  Lack  voUgiefsen",  und:  „der  Qudra  ist  wie  eine  Leichen- 
„statte,  die  man  betritt;  darum  soll  man  in  Gegenwart  eines  Qü>> 
„dra  nicht  studieren.*'  —  Schon  hieraus  folgt,  dafs  der  Q^dra 
ferner  auch  vom  Lesen  des  Yeda  ausgeschlossen  ist;  denn  wenn 
die  Schrift  schon  nicht  einmal  in  seiner  G-egenwart  gelesen  werden 
darf,  8o  ist  noch  viel  weniger  statthaft,  dafs  er  selbst  die  Schrift 
lese;  heifst  es  ja  doch  sogar:  „Auf  Aussprechen  steht  Zung- 
„abschneidüng;  auf  Behalten  vom  Leibe  Scheidung.'*  —  Aus  eben 
diesen  Gründen  folgt  endlich  das  Ausgeschlossensein  des  ^^ddra 
von  dor  Erkenntnis  und  Befolgung  des  Yeda-Inhaltes;  auch  heifst 
es:  „dem  ^'ildlra  öffne  nicht  den  Sinn!''  (Manu  4,  80)  und:  „der 
„Zwiegeborenen  Yorrechte  sind:  Yedastudium,  Opfer  und  Sehen- 
„ken.'*  —  Wo  hingegen,  wie  bei  Vidura  [dem  Sohne  des  Vpdsa 
von  einem  ^!üdraweibe],  bei  den  Dltarmav^äda^B  [als  Jäger  wieder- 
geborenen Brahmaneu]  u.  s.  w.  in  Folge  der  früher  [in  einer  vor* 
maligen  Geburt]  vollzogenen  Sakramente  die  Erkenntnis  [auch  ohne 
Yedastudium]  zu  Tage  tritt,  da  ist  nicht  zu  hindern,  dafs  auch 
die  Frucht  der  Erkenntnis  [d.  h.  die  Erlösung]  erlangt  wird,  da 
die  Erkenntnis  nur  eine  einartige  Frucht  bringt.  [Dafs  aber  in 
solchen  Ausnahmefallen  ein  (^üdra  auch  ohne  Yedastudium  zur  Er- 
kenntnis gelangt,  erkl&rt  sioli  daraus,  dafs,]  wie  die  Smriti  in 
den  Worten:  „man  soll  sie  den  vier  Kasten  lehren"  (Mah&bh.  13, 
323  12360)   anordnet,    zum  Lesen   der  Itihäsa's  und  Furäna'n   \   alle 


Sütram  I.  ui.  38»  193 

vier  Kasten  berafen  sind.  Was  hingegen  die  Berafimg  betrifit,' 
sofern  sie  den  Yeda  Btir  Voranssetznng  hat,  so  bleibt  es  dabei, 
dafs  von  dieser  die  Qüdra^s  ausgeschlossen  sind. 


Elfte»  Adhikarananik 

39.    kampandt 
wegen  deB  Bebens. 

Hiermit  ist  die  gelegentliche  Untersuchung  über  die  Berufung 
beendigt,  und  wir  wenden  uns  nunmehr  wieder  zu  den  uns  ob- 
liegenden Erörterungen  über  den  Sinn  der  Schrifbtexte  zurück.  — 
Es  heifst  (K&tli.  6,  1) : 

*  ■  # 

„Der  Prftna  ist's,  in  dem  die  ganze  Welt, 
„Was  immer  ist,  entsprungen,  zitternd  gebt; 
„Gar  furchtbar  ist  er,  ein  gezückter  Blitzstrahl; 
,9 Wer  diesen  weifs,  dem  wird  Unsterblichkeit." 

Auf  dieses  Wort  weist  unser  Sütram  hin,  indem  das  in  der 
Stelle  vorkommende  Wort  „zittern"  (^)  durch  das  im  Sütram  ge- 
brauchte Wort  „beben"  (Icamp)  erklärt  wird.  Die  Stelle  besagt 
also,  dafs  das  ganze  Weltleben  pulsiert,  indem  es  den  Prana  alä 
Grundlage  hat;  und  dabei  ist  von  einem  groiseu  und  furchterre- 
genden „Blitzstrahl",  wie  es  heifst,  die  Bede,  welcher  gezückt  sei, 
und  durch  dessen  Erkenntnis,  wie  die  Schrift  sagt,  Unsterblich- 
keit erlangt  werde.  Wer  ist  nun  dieser  Präna,  und  wer  dieser 
furchtbare  Blitzstrahl?  Das  ist  nicht  deutlich  und  daher  zu  unter- 
suchen. 

Angenommen  also,  'unter  dem  „JPrdiHi"  (Hauch,.  Leben)  sei, 
^dem  Sprachgebrauche  gemäfs,  der  [entsprechend  den  fünf  Lebens- 
^hauchen]  fünffache  Weltwind,  und  unter  dem  „Blitzstrahle"  sei, 
^ebenfalls  dem  Sprachgebrauche  gemäfs,  der  Donnerkeil  zu  ver- 
'stohen,  welcher  hier  als  Machtzeichen  des  [Gottes  des]  Windes 
'erwähnt  werde.  Nämlich  diese  ganze  Welt  wurzelt  und  geht  zit- 
*ternd  in  dem  fünffachen,  |  durch  das  Wort  y'^Prdfia^''  bezeichneten,  324 
'Winde  (Windgotte),  und  aus  dem  Winde  als  Ursache  geht  a^ch 
•der  grofee,  schreckliche  Blitzstrahl  hervor.  Denn  aus  dem  Winde, 
'indem  er  sich  zum  Gewitter  [lies:  parjanya]  fortentwickelt,  ent- 
'wickeln  sich,  wie  man  annimmt,  Blitz, .  Donner,  Regen  und 
^Donnerkeil.     Aus  der  Erkenntnis  des  Windes   aber  folgt   die  be- 

Daouui«,  VedAut».  13 


194  ^/ärh^aka-iMimStnsft 

'sa^te  UuBterbliclikeit;  denn  so  sagt  eine  andere  Schriftstelle : 
S;<^^i^iiui  ist  der  Wind  die  Besonderheit  [als  Lebenshauch],  und  der 
*„"Wind  die  Allgemeinheit  [als  Weltodem]:  der  wehrt  dorn  Wieder- 
*„tode,  wer  Solches  weifs."  (Brih.  3,  3,  2).  Dieser  Wind  also  ist 
^an  onBerer  Stelle  zu  verstehen.' 

Auf  diese  Annahme  erwidern  wir,  dals  man  hier  vielmehr  das 
Brahman  verstehen  mnfe;  warum?  weil  dabei  das  Vorhergehende 
und  das  Nachfolgende  zu  berücksichtigen  ist.  Nämlich  sowohl  in 
dem  vorhergehenden  als  in  dem  J  nachfolgenden  Teile  des  Werkes* 
ist,  wie  der  Augenschein  zeigt,  von  Brahman  die  Rede,  und  es 
läfst  sich  nicht  annehmen,  dafs  hier  auf  einmal  mitten  dazwischen 
vom  Winde  gehandelt  werde.  Was  also  zunächst  das  Vorher- 
gehende betrifft,  so  heifst  es  [unmittelbar  vorher,  KAth.  6,  1]: 

„Dies  eben  ist  das  Reine,  dies  das  Brahman, 
„Dies  eben  heifset  das  Unsterbliche. 
„Auf  dieses  lehnen  sich  die  Welten  alle, 
„Und  dieses  Oberschreitet  keine  je;"  — 

hier  ist  die  Rede  von  dem  Brahman,  und  das  selbe  mufs  man 
auch  in  unsern  Worten  verstehen,  erstlich,  weil  sie  unmittelbar 
nachfolgen,  und  sodann,  weil  man  an  der  in  den  Worten:  „der 
„rräna  ist's,  in  dem  die  ganze  Welt  .. .  zitternd  geht'^  liegenden 
Befassung '  des  Weltganzen  das  Brahman  wiedererkennt.  Dazu 
325  kommt,  dafs  das  Wort  Prd^a  (Odem,  Leben)  |  auch  von  dem  höch- 
sten Atman  gebraucht  wird;  denn  es  heifst  z.  B.  von  ihm,  er  sei: 
„des  Odems  Odem^^  (Brih.  4,  4.,  18),  und  auch  das  zitternde  Gehen, 
wie  es  hier  vorkommt,  pafst  nur  auf  den  höchsten  Atman,  nicht 
auf  den  blofsen  Wind  [sei  es  als  Weltodem  oder  als  Lebensodem], 
denn  es  hiefs  ja  (Käth.  5,  5): 

„Nicht  lebt  durch  Einhaach  oder  Anshauch  irgend  wer; 
„Durch  einen  andern  leben  alle  Sterblichen, 
„In  welchem  diese  beiden  sind  gegründet." 

—  Was  ferner  das  [auf  unsere  Stelle]  Nachfolgende  betrifft,  so 
heifst  es  weiter  (Käth.  6,  3): 

„Aus  Furcht  vor  diesem  brennt  das  Fener, 
„Aus  Furcht  vor  ihm  die  Sonne  brennt , 
„Aus  Farcht  vor  diesem  rennen  Indra 
„fJud  Vdyu  und  der  Tod  zufünft." 

Auch  hier  kann  nur  das  Brahman  und  nicht  der  Wind  gemeint 
sein,  weil  es  heifst,  dafs  die  Welt  mit  Einschlufs  des  Väf^u  (Win- 
des)  sich  vor  ihm  fürchte.  Ebendasselbe  Brahman  aber  mufs  an 
unserer   Stelle  verstanden  werden,    erstlich,    weil   sie  unmittelbar 


Sütram  I.  in.  39.  195 

vorhergeht,  und  sodaon,  weil  man  an  dem  in  den  Worten:  „gar 
,,farchtbar  ist  er,  ein  gezückter  Blitzstrahl"  liegenden  Zuge,  dafs 
vor  ihm  sich  alles  fürchtet,  das  Brahman  wiedererkennt.  Und 
auch  das  Wort  „Blitzstrahl^^  wird  hier  gebraaoht,  weil  die  Furcht 
vor  Brahman  eine  ähnliche  wie  die  Furcht  vor  dem  Blitzstrahle 
ist.  Denn  gleichwie  ein  Mensch  denkt:  „ein  gezückter  Blitzstrahl 
„könnte  [gleichsam]  mein  Haupt  treffen,  wenn  ich  seinem  Befehle 
„nicht  nachk&me",  und  durch  diese  Furcht  getrieben  den  Befehl 
eines  Königs  u.  s.  w.  vollzieht,  so  vollzieht  diese  ganze  Welt,  das 
Feuer,  der  Wind,  die  Sonne  u.  s.  w.,  durch  die  Furcht  vor  dem 
Brahman  getrieben,  die  ihr  obliegenden  Verrichtungen,  und  darum 
heifst  das  Brahman  furchtbar  und  wird  mit  einem  Blitzstrahle 
verglichen..  Und  in  ähnlicher  ^yeise  sagt  eine  andere  auf  Brah- 
man  bezügliche  Schriftstelle  (Taitt.  2,  8): 

0 

m 

„Aus  Furcht  vor  ihm  geht  auf  die  Sonne, 
„Aus  Furcht  vor  ihm  iährt  hin  der  Wind, 
,^U8  'Furcht  vor  ihm  nun  tummeln  sich 
„Mond,  Feuer  und  zufünft  der  Tod." 

I  Dafs  an  unserer  Stelle   das  Brahman  zu  verstehen   ist,    ergiebt  326 
sich  weiter  auch  daraus,  dafs  die  Unsterblichkeit  aU  Frucht  [sei- 
ner Erkfnntnis]  verheifsen  wird;  denn  es  ist  das  Brahman,  diirch 
dessen   Erkenntnis    die   Unsterblichkeit    erlangt    wird;    indem    ein 
Schriftvers  (Qvet.  6,  16)  sagt: 

„Wer  ihn  erkannt  hat,  übersteigt  den  Tod; 
„Nicht  giobt  es  einen,  andern  Weg  zum  Gdien." 

Wenn  hingegen  an  einer  andern  Stelle  (Bph.  3,  3,  2)  als  Jjohn 
der  Erkenntnis  den  YAyu  Unsterblichkeit  verheifsen  wird,  so  kanti 
diese  nur  eine  relative  sein.  Denn  an  demselben  Orte  heifst  es, 
unter  Wechsel  des  Themas,  in  Bezug  auf  den  höchsten  Atman: 
„was  von  ihm  verschieden,  das  ist  leidvoll"  (Brih.  3,  4,  2),  wo« 
mit  ausgesprochen  ist,  dafs  VAyu  und  [die  übrigen  Gottoi*]  dein 
Leide  unterworfen  sind.  Endlich  folgt  auch  aus  dem  [in  de)*  Ka- 
thaka-Upanishad]  behandelten  Thema  mit  Gewifsheit,  dafs  an  un- 
serer Stelle  der  höchste  Atman  zu  verstehen  ist.  Denn  nach  die- 
sem  war  zu  Anfang  gefragt  worden,  in  den  Worten  (K&th.  2,  14); 

„Vom  Guten  frei  und  frei  vom  Bösen, 
„Von  Ursach*  und.  von  Wirkung  frei, 
„Frei  von  Vergangenem  imd  Zukünftigem , 
„l>as  sage  giir  was  dieses  sei.'^ 


13 


\ 

^ 


196  Värtraka-mlmftBSl 


ZwolfU»  Adkdkaraf^ann. 

40.  Jyathrj  darganät 
das  Licht,  weil  dies  ersichtlich. 

Die  Schrift  sagt:  „diese  VoUbemhigiuig  erhebt  sich  aas  dte- 
^,8em  Leibe,  gehet  ein  in  das  höchste  Licht  und  tritt  dadurch 
^jhervor  in  eigener  Gestait^^  (Gh&nd.  8,  12,  3).  Hier  ist  fraglidi, 
.ob  unter  dem  Worte  „ Lieht ^'  das  auf  das  Auge  bezügliche,  die 
Finsternis  veradieuGhende  Lichtelement  oder  aber  das  höchste  Brah- 
man  zu  verstehen  ist 

399  I  Angenommen  also,  'unter  dem  „Lichte"  sei  das  gewöhnliche 
'Lichtelement  au  verstehen;  warum?  weil  das  Wort  Licht  bei  die- 
^sero  ftblich  ist.  Allerdings  sahen  wir  in  dem  Sütram:  „das  Licht, 
Sf^eSeA  Erw&hnung  der  Füfse'^  (1,  1,  24) ,  wie,  um  des  Themas 
'willen,  das  Wort  Licht  unter  Aufgebnng  seines  eigentlichen  Sin- 
*nes  auf  Brahman  zu  beziehen  war.  Aber  in  unserer  Stelle  ist 
'nicht  so  wie  dort  ein  Grund-  vorhanden,  von  dem  eigentlichen 
'Sinne  abzugehen.  Und  ebenso  heifst  es  ja  auch  in  dem  [kurz 
'vorbeigehenden]  Kapitel,  das  von  den  Adern  handelt  (Gh&nd.  8,  6): 
'„wenn  er  nun  so  aus  diesem  Leibe  heranstritt,  dann  steigt  er 
'„an  diesen  Strahlen  in  die  Höhe"  (Ghand.  8,  6,  5).  Auch  hier 
'wird  von  dem  nach  Erlösung^  Verlangenden  gesagt,  dafs  er  zur 
'Sonne  gelange.  Somit  ist  unter  dem  Lichte  nur  das  gewohnliche 
'Lichtelement  zu  verstehen.' 

Auf  diese  Annahme  erwidern  wir,  dafs  mit  dem  „Lichte",  nur 
das  höchste  Brahman  gemeint  sein  kann;  warum?  „weil  dies  er- 
sichtlich" ist;  d.  h.  aus  dem  Thema  der  Stelle  ist  ersichtlich,  dafs 
Brahman  als  Gegenstand  der  Kede  vorschwebt.  Denn  in  den  Ein- 
gangsworten „der  Ätman,  der  sündlose"  (Ch&nd.  8,  7,  1),  wird  der- 
jenige Atman,  welcher  die  Eigenschaften  der  Sundlosigkeit  u.  s.  w. 
besitzt,  als  Thema  vorangestellt  und  als  der  Gegenstand,  welchen 
man  erforschen  und  zu  erkennen  suchen  müsse,   hervorgehoben,   j 

328  und  hieran  wird  im  Folgenden  durch  die  Formel:  „diesen  nber  will 
„ich  dir  weiter  erklaren"  (Chand.  8,  9,  3.  10,  4.  11,  3)  immer 
wieder  angeknüpft.  Fenier  wird  in  den  Worten:  ,.den  Körper- 
„losen  aber  berühren  Lust  und  Schmerz  nicht'*  (Chänd.  8,  12,  1) 
gesagt)  dafs  jener  Eingang  in  das  hochrote  Licht  stattfinde,  um 
dadurch  die  Körperlosigkeit  zu  erlangen;  eine  andere  Körperlosig- 
keit  aber  als  die  durch  das  Werden  zu  Brahinan  ist  nicht  denkbar. 
Endlich  wird  auch  -^  i  jenes  „höchste  Licht"  näher  bestimmt 
durch  die  Worte;  „dieses  ist  der  höchste  Geist**  (Ch&nd.  8,  12,  3). 
—  Wenn  hingegen   geltend   gemacht    wurde,    dafs    der   nach   Er- 


SCktram  I.  in.  40.  197 

Idsiuig  Verlangend«  snr  Sonne  bingehe,  [so  beweist  das  nichts;] 
auch  bedeutet  dieses  Eüngehen  zur  Sonne  nicht  eine  endgültige 
Erlösung,  weil  damit  ein  Ausziehen  und  Hingehen  [der  Seele]  ver- 
bunden ist,  w&hrend  bei  der  endgültigen  Erlösung  [auch  bei  dem 
„Eingänge'^  in  das  höchste  Licht,  vgl.  Sütram  4,  4,  1 — 3]  kein 
Ausziehen  oder  Hingehen  stattfindet,  wie  wir  dies  weiter  unten 
sehen  werden. 


DreizAnte^  Adkikaranam. 

4L    äkägo^  'Hha'antaraiva-ädU-vyapadefäl 

der  Haum  (Äther),  wegen  der  Bezeichnung  seiner 

Anderwesenheit  u.  s.  w. 

Die  Schrift  sagt:  „der  Akd^a  (Äther,  Baum)  ist  es,  welcher 
„die  Namen  und  Gestalten  auseinanderdehnt;  was  in  diesen  bei- 
f^den  ist,  das  ist  das  Brahman,  das  ist  das  Unsterbliche,  das  ist 
„der  Atcian<<  ((Mnd.  8,  14).   ~ 

Wenn  man  sich  fragt,  ob.  unter  dem  Yfo]^  Äkäea  das  höchste 
Brahman  oder  nur  das  bekannte  Element  des  ÄkäQa  zu  verstehen 
sei,  so  kann  es  angemessen  scheinen,  'sich  für  das  Element  zu 
^entscheiden  y  |  weil  das  Wort  AM^  gewöhnlich  von  diesem  ge->  399 
^bram^t  wird,  und  weil  auch  das  Auseinanderdehnen  der  Namen 
*und  Gestalten  sich  von  eben  demselben  verstehen  lalst,  sofern 
^der  Ahäga  (Raum)  es  ist,  welcher  die  Möglichkeit  der  Raum- 
'erföUung  (avakäga)  darbietet.  Hierzu  kommt,  dafs  ein  deutliches 
'Merkmal  des  Brahman,  wie  etwa  das  Schöpfersein  u.  dgl.,  nicht 
•vorliegt,' 

Auf  diese  Annahme  erwidern  wir,  idafs  vielmehr  das  höchste 
Brahman  hier  unter  dem  Worte  Akä^a  verstanden  werden  mufs; 
warum?  „wegen  der  Bezeichnung  seiner  Anderwesenheit  u.  s.  w/%' 
denn  wenn  die  Schrift  sagt:  „was  in  diesen  beiden  [den  Namen 
„und  Gestalten]  ist,  das  ist  das  Brahman",  so  bezeichnet  sie  da- 
durch, dafs  der  Akäga  andern  Wesens  als  die  Namen  und  Ge« 
stalten  ist.  Es  giebt  aber  aufser  Brahman  nichts,  was  andern 
Wesens  als  die  Namen  und  Gestalten  sein  könnte;  denn^allea  was 
durch  Umwandlung  entstanden  [d.  h.  alles  was  nicht  ursprünglich, 
nicht  Brahman]  ist,  ist  eben  als  die  Namen  und  Gestalten  aua- 
einandergebreitet.     Und   auch    das  Auseinanderdehnen  der  Namen 


,r 


198  Ql^riraka-mimausA 

und  Gestalten  kommt  iu  unbeBchränktem  Sinne  niemandem  aiulei'S 
-  als  dem  Brahman  zu;  denn  die  Schrift  lehrt  in  den  Worten:  „ich 
„will  mit  diesem  lebenden  Selbste  in  sie  [Feuer,  Wasser  und  Erde] 
„eingehen  und  auseinanderbreiten  Namen  und  Gestalten"  (Chänd. 
6,  3,  2)f  dafs  dieses  Auseinanderbreiten  ein  Werk  des  Brahman  ist. 
—  ^Aber  wird  nicht  iu  diesen  Worten  das  Auseinaodordehnen  der 
'Namen  und  Gestalten  offenbar  auch  dem  lebenden  Selbste  (der 
Hndividuellen  Seele*)  zugeschrieben?'  —  Allerdings,  aber  nur,  um 
daduv*ch  ihre  Identität  mit  Brahman  anzuzeigen.  Übrigens  liegt 
schon  darin,  dafs  einem  das  Auseinanderdchnen  der  Namen  und 
Gestalten  zugeschrieben  wird,  ausgesprochen,  dafs  er  der  Schöpfer 
u.  B.  w.  derdelben  ist,  mithin  ein  Merkmal  des  Bralmian.  Und  auch 
ZZO  wenn  es  dabei  heifst:  „das  |  ist  das  Brahman,  das  isi  das  Unsterb- 
„liche,  das  ist  der  Ätman^S  bo  ist  auch  das  ein  Beweis  dafür,  dafs 
Ton  Brahman  geredet  wird.  —  Schon  oben  hiefs  es:  „der  Äther 
„(äkäga),  weil  seine  Merkmale"  (Sütram  1,  1,  22),  wovon  das  Gegen- 
wärtige eine  weitere  AusfEÜirung  ist. 


Vie^'zehntes  Adhikaranam. 

42.    sttshupti'-iiikränty&r  bhedena 

wegen  derjenigen  als  versohii^den  bei  Tiefschlaf  und 

Auszag. 

D.  h.  „wegen  der  Bezeichnung",  wie  man  [aus  dem  vorigen 
Sütiram]  herübernehmen  mufs.  —  Im  sechsten  Abschnitte  des  J3re- 
hadäranyakam  heifst  es:  „was  ist  das  für  ein  Selbst?  —  Es  ist 
„unter  den  Lebensorganen*  der  aus  Erkenntnis  bestehende,  in  dem 
„Herzen  innerlich  leuchtende  Geist"  (Bph.  4,  3,  7);  mit  diesen 
Worten  beginnt  eine  längere  Auseinandersetzung,  die  sich  auf  das 
Selbst  (den  Atman,  die  Seele)  bezieht.  Es  fragt  sich,  ob  dieselbe 
imr  den  Zweck  hat,  die  Natur  der  wandernden  Seele  darzulegen, 
oder  ob  sie  den  Zweck  hat,  die  Natur  der  nichtwandernden  mit- 
zuteilen? — 

Angenommen  also,  'es  handele  sich  nur  um  die  l^atur  der 
'wandernden  Seele;  warum?  wegen  des  Anfangs  und  wegen  des 
'Schlusses.  Zu  Anfang  nämlich  heifst  es:  „es  ist  unter  den  Lebens- 
SfOrganen    der  aus   Erkenntnis  bestehende"   (Brih.  4,  3,  7);    dies 


Sütrrtm  I.  m.  42.  199 

weist  auf  die  verkÖrpei*te  Seele  hin;  und  da  in  den  SchlufswortxMt : 
S,wfthrlich  dieses  grofse,  uogeborene  Selbst,  dos  ist  unter  den 
'„Lebensorganen  jener  aus  Erkenntnis  bestehende '^  (B^-ih«  4,  4,  22), 
^das  Thema  das  näinlicho  geblieben  ist,  so  mufs  man  annehmen, 
'dafs  auch  in  dem  mittleren  Teile  durch  Besprechung  der  Zustände 
'des  Wachens  u.  s.  w.  eben  dasselbe  [d.  h.  die  Natur  der  verkörper- 
ten Seele]  auseinandergesetzt  werden  soll.' 

Auf  diese  Annahme  erwidern  wir,  dafs  der  in  Rede  stehende 
Abschnitt  vielmehr  den  Zweck  hat,  über  den  höchsten  Gott  zu 
belehren,  und  nicht  blolB  von  .der  verkörperten  Seele  zu  erzählen; 
I  warum  V  „wegen  der  Bezeichnung'^  des  höchsten  Gpttes  „als  ver^  331 
„schieden"  von  der  verkörperten  Seele  „bei  Tiefschlaf  und  Aus- 
2u^«<.  Was  also  zunächst  den  Tiefschlaf  betrifft,  so  heifst  es: 
„so  auch  hat  dieser  Geist,  von  dem  erkenntnisartigen  Selbste  um< 
„schlungen,  kein  Bewufstseiii  von  dem,  was  aufsen  oder  innen 
„ist"  (Biih.  4,  3,  21).  Hier  bezeichnet  die  Schrift  den  höchsten 
Gott  als  von  *  der  verkörperten  Seele  verschieden.  Unter  dem 
„Geiste"  muis  hier  die  verkörperte  Seele  verstanden  werden,  weil 
es  ihre  Sache  ist,  „Bewufstsein"  von  etwas  zu  haben;  denn  nur 
wo  die  Möglichkeit  besteht^  ein  „Bewufstsein  von  dem,  was  aufsen 
„oder  innen  ist",  zu  haben,  konnte  von  einem  Aufhören  dieser 
Möglichkeit  [im  Tiefschlafe]  die  Rede  sein.  Unter  dem  „erkennt- 
„nisartigen  Selbste"  hingegen  ist  der  höchste  Gott  zu  verstehen,  weil 
nur  er  von  der  als  Allwissenheit  sich  zeigenden  Erkenntnis  ewig 
ungeschieden  *ist.  —  Ebenso  heifsi  es  weiter  in  der  Stelle,  die 
vom  „Auszuge"  der  Seele  handelt:  „also  auch  gehet  dieses  körper- 
„liche  Selbst,  von  dem  erkenntnisartigen  Selbste  belastet,  knar- 
„rend"  (Brih.  4,  3,  35);  auch  hier  wird  der  höchste. Gott  als  von 
der  individuellen  Seele  verschieden  bezeichnet;  nämlich  unter  dem 
„körperlichen  Selbste"  ist  die  individuelle  Seele  als  der  Hert  des 
Körpers  zu  verstehen,  wohingegen  das  „erkenntnisartige  Selbst" 
wiederum  den  höchsten  Gott  bedeutet.  Somit  ergiebt  sich,  dafs 
„wegen  der  Bezeichnung  als  verschieden  bei  Tiefschlaf  und  Aus- 
„zug",  der  Zweck  der  ganzen  Stelle  in  der  Belehrung  über  den 
höchsten  Gott  besteht.  Wenn  l^gegen  behauptet  wurde,  dafs 
der  Zweck  der  Stelle  vielmehr  auf  die  körperliche  Seele  gerichtet 
sei,  weil  zu  Anfang,  Mitte  und  Ende  Merkmale  derselben  vor- 
kommen, so  bemerken  wir  zunächst  was  den  Anfang  betrifft,  dafs 
die  Worte  „es  ist  unter  den  Lebensorganen  der  aus  Erkenntnis 
bestehende"  (Brih.  4,  3,  7)  nicht  dazu  dienen  sollen,  die  Natur  der 
wandernden  Seele  darzulegen,  |  sondern  vielmehr,  nach  Erwähnung  332 
der  Natur  der  wandei-nden  Seele,  ihre  Identität  mit  dem  höchsten 
Brahmt^n  darzulegen;  denn  wenn  es  daselbst  weiter  heifst:  „es 
„ist  als  ob  sie  sänne,  es  ist  als  ob  sie  schwankend  sich  be- 
„wegt^j"  (Brih.  4,  3,  7),  so  zeigt  diese  Fortsetzung  deutlich,  dafs 
es  sich    daruu)   liandeli,    die  Eigenschaften   der  wandernden  Seele 


200  QMraka^mim^BlL 

[als  nur  seheinbar]  auBsascbliefiieii.  Und  gans  diesem  Anfange 
entsprechend  heilst  es  zusammenfassend  am  Schlüsse:  „wahrlich« 
^,die8es  greise  ungeboreae  Selbst,  das  ist  unter  den  Lebensorganen 
j Jener  ans.  Erkenntnis  bestehende'*  n.  s.  w.  (Brih.  4,  4,  22),  das 
heilst:  daqenige,  was  unter  den  Lebensorganen  als  die  ans  Er- 
kenntnis bestehende,  wandernde  Seele  angesehen  wird,  das  wahr- 
lich ist  ftls  dieses  grofse  angeborene  Selbst,  als  der  höchste  GFOtt, 
von  uns  erkannt  worden.  Wer  aber  in  dem  mittleren  Teile,  weil 
darin  von  den  Znst&nden  des  Wachens  n.  s.  w.  gehandelt  wird, 
«ine  Darlegung  der  Natur  der  wandernden  Seele  «tu  finden  meint, 
fär  den  wird  es  auch  möglich  sein,  sich  nach  Osten  2U  bewegen 
und  dabei  nach  Westen  su  kommen.  Denn  wenn  die  Bchxift  hier 
der  Zustfinde  des  Wachens  u.  s.  w^  gedenkt,  so  geschieht  es  ja 
nicht  in  der  Absicht,  das  Be&ngensein  in'  diesen  Zuständen  und 
das  Wanderersein  der  Seele  zu  lehren,  sondern  vielmehr  gerade 
umgekehrt,  um  zu  zeigen,  dafs  die  Seele  [in  Wahrheit]  ron  diesen 
Zuständen  frei  und  dem  Wanderersein  nicht  unterworfen  ist.  Dies 
ergiebt  sich  daraus,  dafs  in  der  Stelle  [nicht  etwa  nach  den  Zu- 
ständen des  Wachens,  Traumes,  Tiefechlafes  gefragt  wird,  sondern] 
Schritt  fEür  Schritt  die  Bitte  sich  wiederholt:  „rede  weiter  von  dem, 
„was  zur  Erlösung  dient '*  (Bph.  4,  3,  14.  15.  16),  und  Schritt  fßr 
Schritt  in  Erwiderung  derselben  gesagt  wird:  ,| davon  wird  er 
„nicht  berührt;  denn  diesem  Oeiste  haftet  nichts  an*'  (Bfih.  4,  3, 
16.  16.  vgl.  18),  wie  es  denn  auch  weiterhin  heiüit:  „dann  ist  Un- 
„berührtheit  vom  Guten  und  Unberührtheit  Tom  Bösen,  dann  hat 
333  ^,er  überwunden  alle  |  Qualen  seines  Herzens'*  (Bpih.  4,  3,  22). 
Hieraus  ergiebt  sich,  dais  der  Zweck  der  Stelle  darin  besteht,  die 
Natur  der  niqht  [d.  h.  nur  scheinbar]  der  Wanderung  unterworfenen 
Seele  darzulegen. 


wegen  der  BenennungeiL  als  Herr  u.  s.  w. 

Auch  danoB,  so  ist  das  Sütram  «oüsufassen,  besteht  der  Zweck 
unserer  Stelle  darin,  die  Natur  d«r  nicht  der  Wanderung  unter- 
worfenen Seele  su  lehren,  weil  in  derselben  solche  „Benennungen 
„als  Herir  u,  e.  w.*^  von  ^  der  Seele  iporkommen,  welche  ihre  nicht- 
wandernde  Nater  beweisen,  ihre  wandernde  ^Natur  hingegen  »us- 
Rchlief&en.  Denn  wenn  es  z.  B.  heifst,  der  Atraan  sei  „aer  Herr 
„des  Weltalis,  der  Gebieter  des  Weltalls,  der  Fürst  des  WeLtaUs*' 
(Btik.  4,  4,  %),    so  bezwecken  derartige  Aussprüche,    das  nioht- 


Sfttram  I.  m.  43.  201 

wandernde  Wesen  der  Seele  darzulegen;  und  wenn  eu  [ebenda*- 
selbst  weiter]  heiTst:  „er  wird  nioht  höher  dnrcli  gute  Werke,  er 
.,wird  nicht  geringer  durch  böse  Werke  ^S  so  bezwecken  derartige 
Aussprüche  y  die  Natur  eines  wandernden  Wesens  von  ihr  ans- 
zuschUefsen.  —  Somit  ergiebt  sich,  dafs  es  der  nicht  wandernde 
höchste  Oott  ist,  von  welchem  unsere  Stelle  handelt. 


So  Iftatet  in  dem  Kommentar*  sur  «trhftbenen  (^iriraia  •  mhnaAMii ,  dem  Werke  der 
▼erebnuigtwttrdiseu  Tflfse  dei  erlauehtea  ^ankara ,'  im  ereten  Adhya*fa  der  dritte  Pada. 


•  i 


Des  ersten  Adhyftya 

VIERTER  PADA. 


Omt  ^Vereliruiig  dem  höchHten  Ätm»ül 


Erstes  Adhikaranam. 

m 

334  i.  (hmmdnikam  api  ekesMmj  üi  cen?  m!  garlra-rupaka- 

vinyasta-grihtter,  darQuyati  ca 

auch  das  Gefolgerte  sei  nach  einigen  [Texten  schrift- 

gemäfß],   meint  ihr?    Nein!    weil  unter  dem  in   dem 

Gleichnisse  Versinnbildlichten  der  Leib  verstanden 

wird,  wie  auch  ersichtlich. 

Nachdem  (Si\tran)  1,  1,  1)  „die  Brahmanforschung^^  in  Auseicht 
genoniiiien  und  als  Merkmal  des  Brahraan  (Sutram  1 ,  1 ,  2)  an- 
gegeben worden  war,  es  sei  dasjenige,  „woraus  Ursprung  n.  b.  w. 
„dieses  [Weltalls]  ist",  so  stieg  das  Bedenken  auf.  dafs  dieses 
Merkmal  zugleich  auch  der  Urmatcrie  [der  S&nkhya's]  zukommen 
könne;  daher  dieselbe  durch  die  Worte:  „wegen  des  Erwägens 
,^icht;  schriftwidrig"  (Sütram  1,  1,  5)  als  schriftwidrig  verworfen 
wurde;  und  sodann  wurde  gezeigt,  dafs  eine  „Gleichheit  des  Gau* 
„ges"  (Sütram  1,  1,  10)  in  Bezug  auf  die  Behauptung  des  Brahman 
als  Weltursache,  nicht  aber  in  Bezug  auf  die  Behauptung  der  Ur- 
materie  aU  Wcltursachc  in  den  Vedan  tatexten  vorliege.  Dieses 
>V!irde  in  dem  bisherigen  Teile  des  Werkes  weiter  ausgefilhrt.  Nun 
aber  bleibt  folgendes  Bedenken  noch  bcHtchen.  Man  könnte  sa- 
gen*,   ^die    Behauptung,    dafs   die  Unnaterie   schriftwidrig  sei,    ist 


Sfttram  l.  iv.  1.  '    203 

'nicht  lialtbftr;  A^inn  es  giebt  in  einigon  Vedascbulon  Texte,  welche 
'allem  Anscheine  nach  die  Urmaterie  lehren;  and  daher  kommt  es, 
'dafs  die  Urmaterie  als  Weltursache ,  eben  weil  sie  aus  dem  Yeda 
'sich  erweisen  l&fst,  von  grofsen  und.  erhabenen  Weisen,  von  Ka- 
^pila  I  und  andern,  angenommen  worden  ist/  Daran  also  konnte  335 
man  sich  anklammem.  Und  in  der  That,  so  lange  nicht  dar- 
gethan  wird,  dafs  jene  Teztstellen  sich  auf  etwas  anderes  als  die 
Urmaterie  beziehen,  so  lange  ist  der  Satz,  dafs  das  allMrissende 
Brahman  die  Weltursache  ist,,  wenn  auch  bewiesen,  doch  noch 
nicht  Yollkommen  ins  Reine  gebracht.  Um  dah^r  zu  beweisen, 
dafs  jene  Stellen  sich  auf  etwas  anderes  beziehen,  wird  die  nun- 
mehr folgende  Auswahl  derselben  zur  Sprache  gebracht.   • 

'„Auch  das  Gefolgerte"  als6\  könnte  man  sagen,  'd.  h.  auch 
'die  durch  blofse  Schlufsfolgerung  erkannte  Urmaterie,  ist  „nach 
'einigen"  Vedaschulen  für  schriftmäfsig  zu  halten.  Denn  es  lieifst 
'im  Kdfhükam :  „den  Grofsen  überragt  das  Unerschlofsne,  das  Uner- 
'„schlofsne  überragt  der  Geist"  (KS.th.  3, 11).  Hier  werden  der  Grofso, 
'das  Unerschlofsne  und  der  Geist,  also  dieselben  Principion,  mit 
'denselben  Namen  und  in  derselben  Stufenfolge  anerkannt,  vrie  sie 
'auch  in  der  Smpti  [der  Sänkhya^B]  vorkommen.  Hier  mufs  das 
^Unerschlossene  (avyaMam)^  weil  es  in  der  Smriti  so  vorkommt, 
'und  weil  das  Unerschlossene  etymologisch  sich  ausweist  als  das- 
'jenige,  welches,  als  der  Sinnes walirnehmung  unzugänglich,  ver« 
^schlössen  ist,'  die  von  der  Smriti  aufgestellte  Urmaterie  bedeuten. 
'Und  eben  wegen  ihrer  Offenbarung  durch  die  Schrift  (^ahdavaU 
Hvam)  ist  ihre  Unwahmehmbarkeit  durch  die  Sinne  (a^abdatvam) 
'kein  Grund  gegen  sie.  Diese  also  ist  als  die  Weltursache  an- 
'zuerkennen,  weil  Schrift  und  Smfiti  sowie  auch  die  Befiexion  für 
'sie  eintreten.' 

Hierauf  ist  zu  erwidern,  dafs  dem  nicht  so  ist,  weil  jene  Kd- 
/^a^a* Stelle  gar  nicht  den  Zweck  hat,  die  Existenz  des  Grofsen 
und  des  Unerschlossenen,  wie  sie  von  der  Smriti  aufgestellt  wer- 
den, zu  lehren.  Denn  von  einer  selbständigen  Weltursache,  wie 
sie  die  Smriti  in  ihrer  aus  den  drei  Guna's  bestehenden  |  Urmaterie  33C 
annimmt,  von  einer  solchen  ist  hier  keineswegs  die  Rede;  und  nur 
der  Name,  welchen  sie  ihm  giebt,  liegt  hier  in  dem  Worte  „das 
„Unerschlossene"  vor.  Dieser  Name  aber  kann,  weil  er  nach  seiner 
Etymologie,  als  dasjenige,  welches  nicht  erschlossen  ist,  aufgefafst 
werden  'mufs ,  auch  für  irgendein  anderes  feines  und  schwererkenn- 
bares Wesen  gebraucht  werden.  Denn  dieses  Wort  ist  diu'chaus 
nicht  durch  den  Sprai:hgebrauch  für  eine  bestimmte  Sache  sank- 
tioniert; diejenige  Sanktion  durch  den  Sprachgebrauch  aber,  welche 
die  Anhänger  der  Urmaterie  ihm  l^eimessen,  beruht  eben  nur  auf 
der  von  ihnen  beliebten  Terminologie  und  kann  bei  einer  auf  den 
Inhalt  des  Veda  gerichteten  Untersuchung  nicht  von  Einflufs  sein. 
Die  Gleichheit  der  Reihenfolge   aber  [der   di'ei  Ausdrücke  mahad, 


204  QMraka-miin&nBfc 

ßvyokiam^  pwrmhd\  beweist  niohts  fOr  die  Gleichheit  der  Sachen 
^o  lange  nicht  die  Wiedererkeanung  ihrer  Natorbeschaffenheit  hin- 
Eutritt,  and  wenn  man  im  Pferdestalle  einen  Ochsen  stehen  sieht, 
jo  wkd  ihn  kein  Verständiger  dämm  f&r  ein  Pferd  halten.  Be- 
trachtet man  aber,  wt)Ton  luer  geredet  wird,  so  zeigt  sich,  dafs 
4iid8  keineswegs  die  von  den  Gegnern  aufgestellte  Urmaterie  ist, 
'„weil  unter  dem  in  dem  GlMohnisse  Yersinnbildlichten  der  Leib 
..verstanden  wird^*;  d«  h.  M  ist  der  in  dem  [yoriiergehenden]  Oleich-« 
nisse  ab  der  Wagen  vendnnlHldliohte  Leib,  welcher  hier,  an  iüd- 
serer  Stelle,  von  der. Schrift  unter  dem  Worte  „das  Unersddos* 
337  „sene*^  [  verstanden  wird.  Warum?  wegen  des  Themas  und  wegen 
dessen,  was  sonst  dabei  vorkommt.  Denn  so  ist  es  „ersichtUdi** 
<kU8  dem  tinmittelbar  vorhergehenden  Teile  des  Werks,  in  welchem 
der  Atman,  der  Leib  u«  s.  w.  unter  dem  Gleichnisse  eines  Wagen- 
fahrers, Wagens  u.  s«  w,  vorstellig  gemacht  wird.  Beün  es  heilst 
(KÄth.  3,  3—4): 

,J)er  Atman,  wisse,  ist  ein  Wagenfahrer/ 
„Sein  Wagen  ist  der  Leib,  die  Buddhi  ist 
„Der  Wagenlenker,  Zflgel  ist  das  Manas. 
,^e  Sinne  sind  den  Rossen  zn  vergleicban, 
„Die  Sinnendinge  bilden  ihre  Bahn. 
„Den  Atman,  mit  den  Sinnen  nnd  dem  Manas 
„Verbanden,  nennt  der  Weise  den  «Geniefser».'' 

Weiter  wird  gezeigt,  wie  einer  ans  dem  Mangel  an  Zügelung  der 
Sinne  u.  s.  w.  dem  Samsära  verfällt,  während  diejenigen,  welche 
dieselben  zügeln,  das  Ziel  des  Weges,  nämlich  „jenen  hödisten 
„Schritt  des  Vishif^^  erreichen;  da  sich  hierbei  die  Frage  erhebt, 
was  unter  dem  Ziel  des  Weges  und  unter  dem  höchsten  Schritte 
des  Viski^u  zu  verstehen  sei,  so  wird  weiterhin  der  höchste  Atman, 
wegen  seiner  Erhabenheit  über  die  erwähnten  Suine  u.  s.  w.,  als 
das  Ziel  des  Weges  und  der  höchste  Schritt  des  VishfU^  aufgewiesen 
in  den  Worten  (KÄth.  3,  10— 11): 

■ 

„Den  Sinnen  Überlegen  'sind  die  Dinge, 
„Den  Dingen  überlegen  ist  das  Manas, 
„Dem  Manas  überlegen  ist  die  Buddhi, 
„Die  Buddhi  überragt  Atman,  der  Grofse, 
„Den  Grofsen  überragt  das  ünerschlofsne, 
„Das  ünerschlofsne  überragt  der  Geist 
„Dem  Geiste  ist  nichts  anderes  überlegen, 
„Er  ist  das  Endziel,  er  der  höchste  Gang.*' 

• 

3ab  I  Hier  werden  von  der  Sclirifb  eben  dieselben  Gegenstande,  die 
Sinne  u.  s.  w.,  verstanden,  welche  in  dem  vorhergehenden  Gleioh- 
nisse  vom  Wagen  als  die   Pferde  u.  s.  w.   vorkommen;    denn  ein 


Sütram  L  rr.  1.  *    20(1 

Abgehflm  von  dem  Y jrbaben  unä  eisi>  Übergehen  anf  ein  nicht  Vor* 
gehabtes  ivt  nicht  animnehmea.  Hierbei  nun  werden  die  Sinne, 
das  Manas  und  die  Bnddhi  mit  d^iselben  Namen  wie  vorher  be« 
seidinet.  Die  „Dinge ^*  hingegen  bedeuten  dais,  was  yorher  die 
„Sinnendinge'S  d;  h.  die  Gegenstände  der  Sinneswahmehmung,  hielk 
und  als  die  Bahn  der  Sinnenrosse  beaeichnet  wurde.  Dafs  diese 
Sinnendinge  höher  stehen  als  die  Sinne,  und  dafs  die  Sinne  nur 
die  Halter,  die  Sinnendinge  hingegen  die  Gegenhalter  sind,  ist  ja 
aus  der  Schrift  (Brih.  3,  2)  bekannt.  Das  Manas  wiederum  steht 
hoher  als  die  Sinnendinge,  sofern  die  Beschäftigung  der  Sinne  mit 
den  Sinnendingen  in  dem  Manas  ihre.  Wurzel  hat.  Das  Manas 
hingegen  wird  überragt  von  der  Buddhi,  weil  das  zu  Geniefsende 
[als  Besultat  der  Thätigkeit  von  Manas  und  Sinnen],  erst  indem 
OS  in  die  Buddhi  eingeht,  dem  Geniefser  zugänglich  wird.  „Die 
„Buddhi  überragt  Atman  derGrofse^';  dies  mnfs  derselbe  sein,  der 
vorher  durch  die  Worte  „der  Atman,  wisse,  ist  ein  Wagenfahrer" 
als  der  im  Wagen  Fahrende  vorgestellt  worden  war.  Denn  dafs 
dem  90  ist,  ergiebt  sich  schon  aus  dem  [beide  Male  vorkommen* 
den]  Worte  „ Atman *S  sowie  auch  daraus,  dafs  er,  als  der  Ge* 
niefsende,  höher  als  die  Werkzeuge  des  Geniefsens  steht;  als  der 
,,Grofse**  aber  wird  er  bezeichnet,  sofern  er  der  Besitzer  [des 
ganzen  Leibes]  ist.  —  Oder  auch,  wenn  man  bedenkt,  was  die 
Sinriti  [von  Hiran^offarbha,  dem  persönlichen  Brahman]  sagt: 

„Als  Manas  wird  er  anfgezähR,  als  Gro&er, 
„Als  Denken,  als  der  Brahmto,  ah  die  Burg, 
„Als  Buddhi,  ak  der  Ruhm  und  als  der  Herr, 
„Ah  die  Erkenntnis  und  ah  das  Bewufstsein, 
„Ah  Qeistigkeit  und  ah  Erinnerung*^, 

[,,8ü  wird  mit  synonymen  Worten  Atman  der  Grofse  dargelegt", 
wie  es  bei  einer  teilweise  identischen  Aufzählung,  Mahäbh.  13,  1011, 
beifst],  und  wenn  man  erwägt,  dafs  es  audh  in  der  Scfarifb  heifst 
(gvet.  6,  18): 

I  .,Der  Gott,  der  einst  den  BrahmÄn  hat  erschaffen  331) 

„und  ihm  die  Veden  fibergeben  hat",  -- 

so  konnte  man  zu  der  Annahme  geneigt  sein,  dafs  es  die  Buddhi 
des  erstgeborenen  Hiranyagarbha  ^  als  der  letzte  Grund  aller  [in- 
dividuellen] Buddhi*s,  aei,  welche  hier  als  „der  grofse  Atman"  be- 
zeichnet werde.  Oben  [in  dem  Gleichnisse]  war  diese  unier  d^^r 
Buddhi  mit  einbegrififen,  liier  aber  wird  sie  noch  apart  erwähnt, 
um  zu  zeigen,  dafs  auch  sie  schon  höher  steht  als  solche  Buddhi 's, 
wi^  wir  sie  haben.  Jedoch  mufs  man  bei  dieser  Auffassung  an- 
nehmen, dafs  der  wagenfahrende  Atman  [da  er  dann  nicht  unter 
dem  „grofsen  Atman"  zu  verstehen   ist]   in   der,   freilich   auf   den 


206  Qärlraka-mt]näiis& 

höchsten  Atman  bezüglichen,  weiter  folgenden  Erwähnung  cles 
„Geistes*^  (purtisha)  miteinbegriffen  wird;  und  allerdings  ist  vom 
Standpunkte  der  höchfiten  Realität  aus  zwischen  dem  höchsten 
Atman  und  dem  individnellen  Atman  ein  Unterschied  nicht  vor- 
handen. —  Somit  bleibt  [von  den  in  dem  Gleichnisse  versinnbild- 
lichten Gegenständen]  nur  allein  der  Leib  noch  übrig;  nnd  wenn 
die  Schrift  an  unserer  Stelle,  .um  auf  den  „höchsten  Schritt"  hin- 
zuweisen, die  übrigen  vorher  [in  dem  Gleichnisse]  vorkommenden 
Stücke  wieder  durchgeht,  und  wenn  dabei  das,  was  als  „das  Un- 
erschlosseno"  bezeichnet  wird,  überschiefst,  so  ist  der  SchluTs  ge- 
rechtfertigt, dafs  damit  der  aus  der  vorherigen  Aufzählung  über- 
.  schieÜBende  Leib  gemeint  sei.  Wenn  nämlich  die  Schrift  hier  von 
dem  aus  Leib,  Sinnen,  Manas,  Buddhi,  Sinnendingen  und  Em- 
pfindung verbundenen  und  auf  dem  Nichtwissen  beruhenden  „Ge- 
„niefser"  [d.  h.  von  der  individuellen  Seele]  redet,  und  dabei  durch 
Yergleichung  des  Leibes  u,  8.  w.  mit  einem  Wagen  u.  s.  w.  den 
Weg  zur  Wanderung  und  den  zur  Erlösung  schildert,  so  ist  ihre 
Absicht  dabei,  die  Auffassung  der  Innern  Seele  als  Brahman  zu 
lehren;  darum  heifst  es  (Käth  3,  12): 

,,In  allen  Wesen  weilt  verborgen  er 
„Als  Atman  und  tritt  nicht  ans  Licht  hervor; 
„Zu  schau'n  ist  er  durch  äofserstes  Verständnis, 
„Durch  feinstes  Solchen,  die  das  Feine  schau'n"; 

^^  I  und  nachdem  hier  die  Schrift  die  Schwierigkeit,  zu  dem  „höch- 
„sten  Schiitte  des  Yishnn"  zu  gelangen,  hervorgehoben,  so  lehrt 
sie  weiter  als  Mittel ,  zu  ihm  zu  gelangen ,  den  Yoffa  in  den  Wor- 
ten (Käth.  3,  13): 

„£s  hemme  Rede  samt  Verstand  der  Weise; 
„Er  liemme  beides  im  Erkenntnisselbst, 
„Und  die  Erkenntnis  in  dem  grofsen  Selbste, 
^,Und  dieses  wieder  in  dem  Kuheselbst;*^  — 

das  heifst:  mau  soll  die  Hede  in  dem  Manas  hemmen,  man  soll 
die'  Thätigkeit  d^r  äiifseren  Sinne,  das  Reden  u.  s.  w. ,  unter- 
drücken und  in  dem  blofsen  Manas  verharren;  aber  auch  das 
Manas,  da  es  dem  Denken  und  Wollen  (vikalpa)  der  Siuuendinge 
zugewendet  ist,  boU  man,  in  der  Erkenntnis,  dafs  dieses  Denken 
und  Wollen  ein  sündliches  ist ,  niederhalten  in  der  durch  das  Wort 
„Erkenntnis"  bezeichneten  Buddhi,  deren  Naturwesenheit  dus  Be- 
Bchliefscn  ist;  und  auch  diese  Buddhi  soll  man  in  dem  grofsen 
Ätmau,  —  sei  es,  dafs  darunter  der  „Genielser"  oder  auch  die 
erstanfängliche  Buddhi  [des  Jlira'njtagarhha^  gleichsam  das  „ewige 
„Subjekt  des  Erkennens"]  zu  verstehen  ist,  —  durch  Vertiefung 
in  dessen  Feinheit  (Schwererkciinbarkeit)  hemmen ,  und  den  grofsen 
Atman  endlich   soll  man  in   dem   „ruhigen  Atman**,    d.  h.  in  dem 


Sütram  I.  iv.  1.  207 

in  Rede  stehendeiv  böcliBtoii  „Geiste",  als  dem  letzten. „Endziele" 
versenken. 

Somit  folgt  aus  der  Betrachtung  des  Vorhergehenden  and  des 
Nachfolgenden,  dafs  hier  an  die  von  den  Gegnern  aufgestellte  Ur- 
materie  zu  denken  keine  Veranlassung  vorliegt. 


2.    sükshmam  tu.  tad-arhatvät 
vielmehr  der  feine,  weil  dieser  ein  Becht  darauf  hat 

Wir  haben  gezeigt,  dafs  man  wegen  des  Themas  und  wegen 
des  21u8ammenhang6s  der  Stelle  unter  dem  Worte  „das  Unerschlos-* 
mn^*'^  den  Leib  und  nicht  die  Dmiaterie  zu  verstehen  hat.  |  Da  841 
nun  aber  erhebt  sich  die  Frage:  ^wie  kann  der  Leib  ein  Kecht 
Maranf  haben,  als  das  „Unerschlossene"  bezeichnet  zu  werden,  da 
'ja  doch  der  Leib  vermöge  seiner  Grobkörperlichkeit  vollkommen 
'walirnehmbar  ist  und  daher  vielmelir  ein  Recht  darauf  iiat,  das 
'Erschlossene  zu  heifsen,  während  das  „Unerschlossene*'  hingegen 
^nnr  ein  Nichtwahrnehmbares  bezeichnen  kann'.  —  Darauf  dient 
zur  Antwort:  es  ist  „vielmehr  der  feine*'  Leib,  welcher  in  seiner 
Eigenschaft  als  die  Ursache  [des  groben  Leibes]  hier  gemeint  ist, 
indem  das  Feine  (Unwahrnehmbare)  ein  Recht  darauf  hat,  das 
„Unerschlossene'^  zu  heilten.  Wenn  also  auch  dieser  grobmaterielle 
Leib  als  solcher  kein  Recht  auf  den  Namen  des  Unerschlossenen 
hat,  i»o  hat  doch  das  ihm  als  Ih^sprung  dienende  Feinwesentliche 
der  Elemente  ein  Recht  darauf,  das  „Unerschlossene"  zu  heifsen; 
und  iier  Name  [„Leib"],  welcher  [eigentlich  nur]  diesem  Ursprüng- 
lichen zukommt,  wird  [weiter  auch]  von  dem  aus  ihm  Entsprun? 
genen  [d.  h.  dem  groben  Leibe]  gebraucht,  wie  dies  in  der  Schrift 
öfter  vorkommt,  denn  es  heifst  z,  B.  (Rigv.  9,  46,  4)>  },den  Rausch- 
„trank  mischet  mit  den  Kühen"  [d.  h.  mit  der  Milch].  Mit  Be- 
ziehung auf  diesen  [feinen  Leib  der  Dinge]  sagt  auch  die  Schrift: 
„Diese  Welt  hier  war  damals  nicht  entfaltet"  (Brih.  1,  4,  7),  wo- 
mit sie  lehrt,  dafs  diese  jetzt  entfaltete  und  in  Namen  und  Ge- 
stalten zersplissene  Lcbeuswelt  in  dem  Urzustände  noch  nicht  zu 
Namen  und  Gestalton  entfaltet  war,  sondern  nur  der  Samenkrafb 
nach  bestand  und  daher  mit  Recht  als  „das  Unerschlossene"  be- 
zeichnet wird  [lies:  avydkta'Qdbda^yogyani]. 

5,    tad-adlmmt^ädy  arthavat 
weil  von  ihm  abhängig,  sachentsprechend. 

liier   könnte   der  Gegner  einwenden:    'wenn   ihr  zugebt,    dafs 
'diese  Welt,    vor   der    Entfaltung   der  Namen   und   Gestalten,    als 


208  g'ftrlraka-mlinJLti8& 

^Same  derselben  bestehend,  in  diesem  Ursnsiande  das  „Unersdilos- 
S,8ene"  genannt  su  werden  ein  Recht  hat,  wenn  ihr  femer  an- 
/erkennt,  dafs  auch  der  [feine]  Leib,  weil  er  jenem  Urzustände 
'entstammt,  auf  die  Benennung  als  das  „Unerschlossene**  Anspruch 
'hat,    nun  dann  ist  damit  eben  jene  Behauptung,    dafs   die  Ur- 

342  'materie  die  Weltursache  sei,  wenn  dem  |  wirklich  so  ist  [wie  ihr 
'sagt],  bestätigt!  Denn  gerade  der  Urzustand  unserer  jetzigen  Welt 
'ist  es,  den  wir  unter  der  „Urmaterie"  verstehen \  —  Darauf 
dient  zur  Antwort:  wenn  wir  irgendeinen  selbständigeu  Urzustand 
als  die  Ursache  der  Welt  ansähen,  so  würden  wir  allerdUugs  jener 
Behauptung  der  Urmaterie  als  der  Ursache  Eingang  gewähren; 
nun  aber  nehmen  wir  vielmehr  an ,  dafs  jener  Urzustand  der  Welt 
von  dem  höchsten  Grotte  „abhängig'',  nicdit  aber  ein  selbständiger 
war,  und  einen  solchen  mufs  man  allerdings  annehmen,  weil  er 
„sachentsprechend"  ist;  denn  ohne  ihn  kann  die  Schöpferthätigkeit 
des  höchsten  Gottes  nicht  statthaben,  weil  eine  Thätigkeit  des- 
selben, ohne  dafs  er  mit  Kräften  ausgerüstet'  wäre,  uudenkbar 
ist;  sowie  auch,  weil  die  Erlösten  [nur  darum]  nicht  wieder  ge- 
boren werden,  weil  bei  ihnen  die  Samenkrafk  durch  das  Wissen 
verbrannt  ist;  denn  im  Nichtwissen  besteht  jene  fiamenkraft, 
welche  als  daa  „Unerschlossene"  bezeichnet  wird  und  dem  höch- 
sten Gotte  als  Grundlage  des  Schaffens  dient,  jener  aus  Blend- 
werk (mäyä)  gebildete«  grofse  Tiefschlaf,  in  welchem  die  noch  nicht 
des  Erwcushtseins  zur  Erkenntnis  ihrer  eigentlichen  Natur  teil- 
haftig gewordenen,  und  [darum]  wandernden  Seelen  befangen  liegep« 
Eben  dieses  Unerschlossene  wird  [im  Gegensatze  zu  BrahmanJ 
manchmal  als  der  „Äther"  (äkäQa)  bezeichnet,  z.  B.  wenn  es  heifst: 
„in  diesem  Unvergänglichen  [d.  h.  Brahman]  ist  der  Xther  ein- 
„gewoben,  o  G&rgi"  (Brih.  3,  8,  11);  manchmal  heifst  es  auch  das 
„Unvergängliche'*,  z.  B.  in  der  Schriftatelle:  „noch  höher  als  das 
„höchste  Unvergängliche"  (Mund.  2,  1>  2);  und  zuweilen  wird  es 
als  ein  „Zauber"  (mäyä)  gekennzeichnet,  wie  in  dem  Schriftverse 
(gvet.  4,  10): 

„Ein  Zauber,  wisse,  ist  die  Umatur, 

„Und  der  ihn  zaubert,  ist  der  höchste  Gott" 

343  I  Denn  als  das  „Unerschlossene"  Mfird  dieser  „Zauber"  bezeichnet, 
weil  es  nicht  möglich  ist,  ihn  als  eine  Wegenheit  noch  auch  als 
das  Gegenteil  vorzustellen,  und  eben  dasselbe  ist  es,  von  dem 
unsere  Stelle  sagt:  „den  Grofsen  überragt  das  Unerschlofsne" 
(Kath.  3,  11),  weil  das  Unerschlossene  den  Vorrang  vor  dem  Grofsen 
hat,  falls  man  unter  letzterem  die  Buddhi  des  HiranycLgarbha  ver- 
steht; ist  aber  unter  dem  Grofsen  die  individuelle  Seele  zu  ver- 
stehen, 80  heifst  es  auch  dann:  „den  Grofsen  überragt  das  Un- 
„erschiofsne ",  weil  das  Sein  der  individuellen  Seele  von  dem  Un- 


Bttnm  l.  IV.  3.  209 

erachlo08eAe&  abhängig  ist.  Denn  das  Uoerscblossene  ist  das 
Nichtwissen,  in  der  Bebaftoiig  ittit  dem  Nichtwissen  aber  entspann 
sich  nnd  bewegt  sieb  das  ganae  Thnn  and  Treiben  der  indiyi- 
di^ellen  Seele.  Diese  Überlegenheit  des  Unersohlossenen  über  das 
Grofse  gilt  nnn,  indem  beide  a}r  ungetrennt  behandelt  werden, 
andb  fl&r  den  aus  ihm  gebildeieD  [feinen]  Leib.  Denn  wenn  auch 
ebenso  gut  wie  der  [feine]  Leib  aoeh  die  [ihm  entspre^ienden] 
Sinnesorgane  eine  Umwaodhzng  des  Unersohlossenen  sind,  »f>  ist 
doch  hier  mir  der  Leib,  yenaöge  der  Zusammenfaasang  mit  ihns, 
unter  dem  Unersdbiosseiien  mul  Terttehen ,  da  die  Sam^  u.  s.  w. 
schon  unter  ihrem  eigenen  Kamen  erwähnt  waren,  und.  nur  der 
Leib  noch  übrig  bleibt.  —  Andere  hingegen  erklären  [dieses 
und  das  Torige  S^tram}  wi»  folgt.  Der  Leib  ist  xwei&eh: 
der  grobe  und  der  feine;  der  grobe  ist  dieser  hier»  welcher  wahr- 
genommen wird;  der  feine  ie^mdgt^r  yon  dem  e»  weiter  unten 
heifstr  „beim  Eingange  in  cuMsr  tos  üun  verschiedenen  [groben 
^^Leib]  rennt  sie  [die  Seele]  umsshloagen  [yön  demr  Israeli  Leibe], 
„wegen  der  Fra^e  und  Darlegvng^^  ^Sütrmn  3.  1,  1).  Diese  beiden 
Leiber  nan  wxnrden  vorker,  ohne*  sie  zu  unterscheidett ,  aW  der 
„Wagen ^  bezeichnet ,  währm^  an  nnaarer  Stelle  hnigegen  miter 
dem  „ünerechlossendn'^  nur  ^^^^  feuo"  Leib  verstanden  werden 
darf,  t  99^6^  [o^f]  dieser  ein  Recht  d^orauf  hat",  das  Uncr8<^k»asene  344 
XU  h«i&en  (Sütram  1,  4,  2).  Und  „weil  von  ihm  abhängig*^  das 
Treiben  der  Bindung  und  Losong  [von  der  Leiblichkeit,  au  wei- 
terer WisndcmBg}  ist,,  darum  steht  ec  höher  als  die  individuelle 
Seeler  „sachestsp^eohend'^  (Sfttram;  1,  4,  .7)^  d.  h.  entsprechend  dem, 
dftf?  die  Sachen  (l>inge)r  weil  die.  TMtigkeit  der  Sinne  ,^voa  ihnen 
,^hiVngig^*  ist,  höher  als  diese « fpesteüt  werden.  Wer  so  meint, 
der  möge  uns  doch  auf  Folgendes  antworten:  da  vorher 
beide  Leiber  ohn»  Unterschtpd  als  der  Wagen  bezeichnet  worden 
warea,  wie  kommt,  e»,  dafs,  wo  doch  die  Vorhererwähnung  und 
das  übRgble^en  [bei  Bestimmiing  der  Stucke  im  Gleichnisse]  für 
beide  gemeimuHn  lÄt,  nadrher  mn  iniserer  Steife^  nxti'  d^r  feine  Leib  ■ 
urrd  m3bt  au^ck  wieder  Aer  grobe  verstanden»  wird?  — -  Dir  ant- 
wortet vielleicht:  'wir  können  mir  den*  Sinn  des:  i}herlieferten  er- 
*^gretfen,  nicht  aber  daa  Überlieferte  zur  Rede  stellen-r  überliefert 
'aber  ist  das  Wort  „das  Unerschlossene*^,  und'  dieses  kann  nur  den 
^feinen  Leib  bedeuten^  mcfet  dm  andern,  weil  dieser  offenbar  ist.^ 
—  Aber  diese  Antwort  ist  mefat  zulässig;,,  weil  düe-  Ergreifung  des 
Sinnes  dadurch  bedingt  wird,,  daJs  die  Stelle  eine  einheitlidte  ist» 
Denn  beides,  daa  an  der  ersten  tuuL  das  an  der  späteren  Stelle 
Überlieferte ,^  giebt,  wefon  m-an:  nicht  die  EinkeFt  der  SW;1<»  vor*- 
auflsetat,  übcrkaapt  keinen  Sinn,  weü  dann  ein;  Abgelien  von  dem 
Erstgemeipfben  und  das  Überspringen  zu  einem  Nichtig  «meinten 
[d.  hu  eine  Zweideutigkeit  des  Wortes  „Leib"*]  eintreten  wurde, 
^edenfiklls  Hegt   die  Auffas^uiag   der  Stelle   al»  ein«*r-  einheit- 

1^ 


210  Qd.rtraka-mlin&n8& 

liehen  in  der  «Absicht  der  Schrift.  Wäre  nun  die  Schriftabsicht 
diese,  dftfs  beide  Leiber  ohne  unterschied  [wie  ihr  wollt  an  der 
ersten,  dann  aber  konsequenterweise  auch  an  der  zweiten  Stelle] 
verstanden  werden  sollten,  so  würdet  ihr  [die  ihr  das  Gemeint- 
sein beider  Leiber  für  die  zweite  Stelle  leugnet]  die  von  der  Schrift 
gewollte  Verknüpfung  [beider  Stellen]  nicht  annehmen,  und  folg- 
lich nicht  einmal  die  Einheit  der  ganzen  Stelle  gelten  lassen,  ' 
345  geschweige  denn  [wie  ihr  behauptet],  „den  Sinn  des  Überlieferten 
„ergreifen".  —  Und  auch  das  dürft  ihr  nidit  glauben,  dafs  hier 
[an  der  Ic^tztern  Stelle]  darum  der  feine  Leib  allein  verstanden' 
wei'deu  müsse,  weil  es  schwierig  sei,  [die  Seele]  von  diesem  rein- 
zuwaschen, dafs  hingegen  jder  grobe  Leib,  weil  es,  zufolge  der 
Ekelhaftigkeit  des  Sinnlidien,  leicht  sei,  [die  Seele]  von  ihm  rein- 
Tsuwaschen,  nicht  vorstanden  zu  werden  brauche  [lies:  agraliaiiam]. 
Denn  es  handelt  sich  hier  gar  nicht  darum,  ii'gend  etwas  rein- 
zuwaschen, da  von  der  ganzen  Stelle  nichts  ausgesprochen  wird, 
was  zu  einer  Reinwaschung  aufforderte.  Vielmehr  liegt  die  ganze 
Absicht  der  Stelle  darin,  zu  erklären,  was  jener  höchste  Scliritt 
des  Vishnu  «ei,  wie  aus  der  sofortigen  Uinweisung  auf  diesen 
erhellt.  Denn  nur  in  dieser  Absicht  geschieht- es ,  dafs  die  Schrift 
immer  eines  höher  als  das  andere  stellt,  bis  es  heifst:  „dem 
„Geiste  ist  nichts  andres  überlegen".  — '  Doch  wie  dem  auch  sei, 
da  auch  nach  eurer  Meinung  das  Ausgeschlossensein  der  ürmaterie 
zutrifft,  so  mögt  ihr  es  meinetwegen  so  halten,  wir  sind  uns  [in 
dem,  worauf  es  ankommt]-  vollkommen  einig. 


4.    jneyatva-avacanäc  ca 
und  weil  nicht  gesagt,   dafs   es   erkannt  werden  solle. 

Hierzu  kommt,  dafs  die  Ürmaterie  von  den  Sankhya's  für  ein 
Erkennbares  erklärt  wird,  indem  sie  behaupten,  dafs  die  Er- 
lösung hervorgehe  aus  der  Erkenntnis  des  Unterschiedes  zwischen 
den  Guna^s  [aus  denen  die  Ürmaterie  besteht]  und  dem  Pui-usha; 
ohne  aber  die  Natur  der  Guua's  erkannt  zu  haben,  ist  es  nicht 
346  möglich,  den  Unterschied  derselben  von  dem  Purusha  |^  zu  ver- 
stehen. Auch  erklären  sie  gelegentlich,  dafs,  um  bestimmte  Macht- 
vollkommenheiten (vibhüH)  zu  erlangen,  die  Ürmaterie  erkannt 
werden  müsse.  Von  einer  solchen  Forderung  nun  aber,  „dafs  es 
„erkannt  werden  solle  ^S  ist  bei  dem  uns  vorliegenden  Unerschlos- 
senen  keine  Rede.  Denn  der  Ausdruck  „das  Ünerschlossene"  ist 
ein  blofses  Wort,  und  es  wird  durchaus  nicht  dabei  gesagt,  dafs 
man  das  Unerschlossene  erkennen,  oder  dafs  man  es  vorehren  solle. 
Dafs  aber  in  der  p]rkenninis  eines  Woi*tsinnes,   welcher  gar  nicht 


SDtram  1,  iv.  4.  211 

gelehrt  wird,  das  Ziel  des  Menschen  bestehe,  kann  man  unmöglich 
annehmen.  Auch  hieraus  also  folgt,  doXs  mit  dem  „Unerschlos- 
senen^'  die  üimaterie  nicht  gemeint  sein  kann.  Nach  unserer  Auf- 
fassung hingegen  hat  die  ganze  Auseinandersetzung  nur  den  Zweck, 
am  Leitfaden  der  in  dem  Gleichnisse  vom  Wagen  yeranschaulich- 
ten  Gegenstände,  des  [feinen]  Leibes  u.  s.  w. ,  zu  dem  „höchsten 
„Schritte  des  Vishnu*^  hinzuführen,  und  dagegen  ist  nichts  einzu« 
wenden. 


5.    vadatiy  iti  ceii?  na!  pr6jno  hij  prakarandt 

sie  sage  es,   meint  ihr?    O  nein,  denn  es  ist  der 
Erkenner,  wegen  des  Vorhabens. 

r 

Hier  konnte  der  Säilkhya  einwenden:  *eure  Berufung  darauf, 
'dafs  „nicht  gesagt  werde,  dals  es  erkannt  werden  solle"  (Sü- 
'tram  1,  4,  4),  ist  unberechtigt;  warum?  nun,  weil  in  der  That  in 
'dem  weiterhin  Folgenden  von  der  Schrift  gesagt  wird,  daJfe  die 
'unter  dem  „Unerschlossenen"  zu  versterbende  TJrraateriö  erkannt 
'werden  solle,  denn  es  hoifst  (Katb.  3,  15): 

'„Unhörbar  und  unfühlbar,  uuver^änglieh, 

'„Unsichtbar,  ewig,  unschmeckbar,  uuriecbbar, 

S,Ohtt'  End'  und  Aufang,  höher  als  der  Grofse, 

•„ Unwandelbar  ist  er;  —  wer  ihn  erkennt, 

'„Der  wird  erlöset  aus  des  lodes  Kadien."  ^ 

I  'liier  wird  ja  die  Urmaterie,  so  wie  sie  von  der  Smriti  als  der  347 
'Sinneswahrnehmung  unzugänglich  und  dpm  Mahad  (Grofsen)  tiber- 
'legen  geschildert  wird,  gerade  so  als  dasjenige,  was  man  er- 
'kennen  müsse,  hingestellt!  Dieses  mufs  denn  doch  die  Urmaterie, 
'und  diese  folglich  auch  unter  dem  „Uncrscblossenen*'  zu  verst-eben 
'.^ein!'  —  Darauf  antworten  wir:  es  ist  nicht  die  Urmaterie,  welche 
hier  als  das  zu  Erkennende  hingestidlt  wird,  soudern  .,os  ist  der 
„Krkenner",  d.  h.  der  höchste  Atnian,  dessen  Erkenntnis  hier  ge- 
fordert wird;  so  mufs  man  es  annehmen;  warum?  „wegen  des  Vor- 
„habens",  denn  um  den  Erkenner  entspann  sieb  und  dreht  sich  das 
ganze  Vorhaben,     Denn  es  heifst  (Käth.  3,  IJ): 

,.Dem  Geiste  ist  nichts  anderes  überlegen, 
„Er  ist  das  Endziel,  er  der  höchste  Gang"  j 

--  hier  wird  auf  den  Erkenner  hingewiesen.     Und  (Kfttb.  3,  12): 

,Jn  allen  Wesen  weilt  verborgen  er 
.,Alb  Atniau  und  tritt  nicht  ans  Licht  hervor"; 

14* 


212  C'^rtri^-intmMM 

—  hier  wird,  doroh  Hervorhebung  seiner  Schwererkennbarkeit 
gerade,  dem  Wonaohe,  dafs  man  iki  ericennen  mfisse,  Anadmok 
gegeben.     Und  (EAfh.  3, 18): 

„Es  hemme  Rede  samt  Verstand  der  Weise^; 

^^  hier  wird  befohlen,  dafs  man,  gerade  nm  ihn  eu  erkennen,  die 
Rede  [lies:  väg]  n.  s.  w.  Iiemmen  müsse.  Und  als  die  Fmeht  die- 
ser Erkenntnis  wird  (Eftth.  3,  15)  die  „Erlösnng  ans  des  Todes 
„Rachen^'  verheifsen.  Dafs  aber  durch  eine  blofse  Erkenntnis  der 
tJrmaterie  die  Erlösnng  ans  des  Todes  Rachen  erreicht  werde,  das 
können  doch  die  S&fikhya*s  selbst  nicht  wollen;  denn  ihre  Annahme 
geht  ja  dahin,  dals  durch  die  Erkenntnis  des  geistigen  Atmen 
[ihres  Purusha]  die  Erlösnng  aus  des  Todes  Rachen  bedingt  sei. 
Da(s  >ber  der  Atman,  eben  als  der  „Erkenner'S  die  Eigenschaft 
habe,  nicht  durch  die  Sinne,  Gehör  u.  s.  w.,  wahrgenommen  wer- 
den SBu  können,  das  wird  ja  in  allen  Vedftntatexten  ausgesprochen. 
Somit  kann  es  nicht  die  ürmaterie  sein,  von  der  hier  gesi^  wird^ 
dafs  man  sie  erkennen  solle,  noch  auch  kann  sie  es  sein,  weldie 
unter  dem  „Unerschlossenen*^  au  verstehen  ist. 


6.    trayänäm  eva  ea  evam  npanyäsah  pragna^  ca 

auch  ist  nur  dreier  in  solcher  Art  Vorbringung  und 

ErfoiguBg. 

Auch  darum  darf  man  nicht  annehnon,  dafs  die  Ürmaterie 
unter  dem  Unerschlossenen  zu  verstehen  sei,  oder  als  das  zu  Er- 
kennende bezeichnet  werde,  weil  „nur  drei**^  Gegenstände,  n&m- 
lich  das  [Opfer-]Feuer,  die  individuelle  Seele  und  der  höchste 
348  Atman,  in  diesem  Buche,  d.  h.  in  den  Yalirs  der  Katha*s,  |  behufs 
der  Erfüllung  der  [beiden  letzten  unter  den  drei  von  Nacike- 
tas  erbetenen]  Wünsche  als  Themata  der  Besprechung  vorgebracht 
werden,  und  nach  ihnen  war  auch  nur  gefragt  worden;  und  es 
findet  keines  weitem  Gegenstandes  Erfragung  oder  Yorbringung 
statt.  Zunächst  also,  [wenn  Naciketas  bei  Gelegenheit  des  zweiten 
Wunsches  K&th.  1,  13  sagt]: 

„Du  kennst  das  Feuer,  das  den  Himmel  au&chliefst, 
„Erkläre  es,  o  Tod,  mir,  der  da  glaubet**^ 

so  wird  hier  nach  dem  Feuer  [als  dem  ersten  Gegenstande]  ge- 
fragt. —  Ferner,  [wenn  Naciketas  bei  Gelege'nheit  seines  dritten 
Wunsches  Käth.  1,  20  sagt:] 


SAtram  I.  iv.  6.  218 

„Ein  Zweifel  waltet,  wenn  der  MenaGh  gestorben; 
„«Er  ist»,  so  sagen  einige,  und  andre  «er  ist  nicht»; 
„Das  möchte  ich  Ton  dir  belehrt  erkennen, 
„Das  ist  die  dritte  der  rersproch^nen  Gaben 'S 

so  besieht  sich  dieses  auf  die  individaello  Seele  [als  den  zweiten 
der  drei  Gegenstände.  —  Endlich  [wenn  Naoiketas,  ebenfalls  bei 
Gelegenheit  seines  dritten  Wuiisches,  K4th.  2,  14  dem  Yama  in  die 
Kede  fällt  mit  den  Worten:} 

„Vom  Gnten  frei  und  frei  vom  Bösen, 
„Von  Ursach'  und  von  Wirkung  frei, 
„Frei  von  Vergangenem  and  ZukQnft'gem,  — 
„Das  sage  mir  was  dieses  sei!*'  — 

so  bezieht  sich  dies  aof  den  höchsten  Ätman  [als  don  dritten 
Gegenstand].  —  Ebenso  steht  es  mit  der  Beantwortang.  Zunächst 
heifst  es  (Kath.  1,  15): 

„Das  Opferfeuer,  das  der  Grund  der  Welt  ist, 
„Erkl&rte  er  ihm  und  die  Altarsteine, 
„Wie  viele  ihrer  und  wie  sie  zu  ordnen''; 

dies  geht  auf  das  Feuer.  —  Sodann  (Käth.  5,  6 — 7): 

„Wohlan  so  will  ich  dir  es  denn  verkünden, 
„Das  ew'ge  und  geheimnisvolle  Brahman, 
„Und  was,  nachdem  der  Mensch  dem  Tod  verfallen, 
,^us  seiner  Seele  wird,  o  Gantama,"  — 
I  „In  einen  Muttorschofs  die  Einen  eingehen,  349 

„Verkörpernd  sich  zu  neuer  Leiblichkeit, 
„In  eine  Pflanze*  mttssen  andre  fahren, 
„Je  nach  dem  Werk,  je  nach  dem  Schriftgebrauch '^; 

dies  bezieht  sich  auf  die  individuelle  Seele.  —  Endlich  die  lange 
Ausführung,  welche  anfangt  mit  den  Worten  (E&th.  2,  18): 

„Nicht  wird  geboren  oder  stirbt  der  Weise "  u.  s.  w. 

bezieht  sich  auf  den  höchsten  Atman.  Hingegen  kommt  nicht  „in 
„solcher  Art",  eine  auf  die  ürmaterie  bezügliche  Frage  vor,  und  da 
nach  ihr  nicht  gefragt  war,  so  war  auch  keine  Veranlassung,  sie 
vorzubringen;  so  [ist  der  Sinn  des  Sütrams].  — 

Hier  könnte  man  Folgendes  einwerfen:    ^SoU  man   annehmen, 
'dafs    die  auf   die  Seele    bezügliche  Frage:    „ein  Zweifel    waltet. 


*  M.  Müller  übersetzt  (188^):   into   inorganic  matter,  —  Nun  und 
nimmermehr!    Vgl.  mein  „System  des  Ved&nta"  (1883),  8.  257  fg; 


.  214  C'^riraka-mimä^fisfl 

*„wenn  der  Menscli  gestorben"  (K&tb.  1,  20),  dafs  diese  Frage 
*init  den  Worten:  „vom  Guten  frei  und  frei  vom  Bösen"  u.  s.  w. 
'(Kätb.  2,  14)  als  dieselbige  wieder  aufgenommen  wird,  oder  vnrd 
*bier  eine  von  ibr  verschiedene,  noch  nicht  dagewesene  Frage  auf- 
*geworfen?  Wpzu  das?  Nun,  wenn  es  dieselbe  Frage  wie  vorher 
"sein  soll,  die  hier  wieder  aufgenommen  wird,  so  fallen  die  beiden 
'auf  den  Atman  [als  die  individuelle  und  die  höchste  Seele]  be- 
^züglichen  Fragen  in  eine  zusanunen,  und  wir  behalten  nur  zwei 
^Fragen,  die  nach  dem  Feuer  und  die  nach  dem  Atman;  dann 
*durfte  nicht  von  einer  „Erfragung  und  Vorbringung  dreier**  Fra- 
*gen  [im  Sütram]  geredet  werden.  Behauptet  ihr  hingegen ,  dafs 
*in  diesen  "Worten  eine  neue,  noch  nicht  dagewesene  Frage  auf- 
'geworfen  werde,  nun  dann  müfst  ihr,  so  gut  wie  ihr  zulafst,  dafs 
*noch  eine  neue,  nicht  in  der  Erfüllung  der  [drei]  Wünsche  ein- 
*begri£Fene  Frage  angenommen  wird ,  mit  demselben  Rechte  zu- 
'lassen,  dafs  eine,  wenn  auch  in  den  Fragen  nicht  einbegriffene, 
*  Vorbringung  der  Urmaterie  angenommen,  werde!'  —  Darauf  dient 
zur  Antwort:  es  fallt  uns  gar  nicht  ein,  hier  in  dieser  Weise  eine 
neue,  nicht  in  der  Erfüllung  der  [drei]  Wünsche  einbegriffene 
Frage  anzunehmen,  indem  der  Eingang  der  Stelle  dies. nicht  zu* 
läfst.  Denn  der  Zusammenhang  der  Stelle  erstreckt  sich,  von  der 
350  Bewilligung  der  [drei]  Wünsche  |  im  Eingange  an  in  Form  einer 
Unterredung  zwischen  dem  Tode  und  Naciketas  bis  zum  Schlüsse 
der  Eathavallf  s  hin^  N&mjich  der  Tod  hatte  dem  ihm  von  seinem 
Vater  zugesandten  Naciketas  drei  Geschenke  versprochen;  Na- 
ciketas nun  wählt  als  erstes  Geschenk  von  diesen  dreien  die  Be- 
gütigung seines  Vaters,  als  zweites  die  Kenntnis  des  Opferfeuers, 
als  drittes  die  Kenntnis  des  Atman ;  daher  es  nach  den  Worten 
„ein  Zweifel  waltet,  wBun-der  Mensch  gestorben*'  u.  s.  w.  heifat: 
„das  ist  die  dritte  der  versprochenen  Gaben"  (Kfrth.  1,  20).   Würde 

-•nun  wirklich  in  den  Worten  „vom  Guten  frei  und  ft'ei  vom  Bösen" 
(K&th.  2,  14)  eine  neue  Frage  aufgeworfen,  so  würde  bei  dieser 
Annahme  einer  Frage,  welche  noch  Über  die  Bewilligung  der  [drei] 

•  Wünsche  hinausläge,  die  Stelle  mit  sich  selbst  im  Widerspi*uch 
stehen  [was  unmöglich  ist].  —  *Aber  mufs  nicht  doch,  wegen  der 
'Verschiedenheit  dessen,  wonach  hier  gefragt  wird  [vom  Vorheri- 
'gen],  eine  neue  Frage  hier  angenommen  werden  ?  Denn  die  vor- 
'herige  Frage  bezog  sich  ja  auf  die  individuelle  Seele,  indem  in 
'Betreff  dieser  der  Zweifel,  welcher  waltet,  wenn  der  Mensch  ge- 
'sterben ,  ob  er  ist  oder  nicht  ist,  —  dieser  Zweifel  ausgesprochen 
'wurde.  Auf  die  individuelle  Seele  nun  aber  wiederum  kann,  da 
'sie  sich  im  Bereiche  des  Guten  und  Bösen  befindet,  nicht  die 
'Frage  nach  dem,  was  vom  Guten  u^nd  Bösen  frei  sei,  passen; 
'hingegen  pafst  diese  Fi*age  auf  den  Erkeniier  [den  höchsten  Atman], 
'weil  dieser  über  das  Gute  und  Böse  erhaben  ist.  Und  auch  die 
'Struktur  (ckdyd)  der  beiden  Fragen  zeigt  sich  nicht  als  die  näm- 


Sütram  L  iv.  6.  215 

^liche;  denn  die  eretero  fragt  danach,  ob  etwas  sei  oder  nicht  sei; 
^die  zweite  hingegen  iRt  auf  eine  [als  seiend  vora^8g6setzte]  über 
'das  Gute  und ^  das  Böse  hinausliegende  Wesenheit  gelichtet.  Da 
^mah  somit  hier  nicht  dasselbe  wie  vorher  wiedererkennen  kann, 
'so  mufs  man  annehmen,  dafs  es  zwei  Fragen  sind,  ,und  nicht  dafs 
'nur  die  vorherige  Frage  im  Folgenden  wieder  aufgenommen  werde.' 
—  Diese  Ausführung  bestreiten.  Mrir,  und  zwar  auf  Grund  der 
Anschauung,  dafs  die  individuelle  Seele  und  der  Erkenner  eine 
Einheit  ausmachen.  |  Gewifs  wäre  ein  Unterschied  des  Erfragten  35 1 
und  somit  ein  Unterschied  der  beiden  Fragen  zuzugeben,  wenn 
die  individuelle  Seele  wirklich  von  dem  Erkenner  verschieden 
wäre;  diese  Verschiedenheit  besteht  aber  in  Wahrheit  nicht,  wie 
•aus  andern  Schriftstellen,  z.  B.  „das  bist  du"  (Chänd.  6,  8,  7)  u.  s.  w., 
hervorgeht.  Und  auch  an  unserer  Stelle,  wenn  auf  die  Frage  nach 
dem,  was  vom  Guten  u.  s.  w.  frei  sei,  in  den  Worten: „nicht  wird 
„geboren  oder  stirbt  der  Weise",  die  Antwort  gegeben  wird  durch 
eine  Verneinimg  des  Geborenw^erdens  und  Sterbens,  so  ist  dies  be- 
weisend für  die  Identität  der  verkörperten  Seele  und  des  höchsten 
Gottes.  Denn  die  Verneinung  einer  Sache  ist  nur  da,  wo  die 
Möglichkeit  derselben  vorhanden  ist,  berechtigt.  Eine  solche  Mög- 
lichkeit des  Geboren  Werdens  und  Sterbens  aber  ist  nur  für  die 
verkörperte  Seele,  wegen  ihrer  Berührung  mit  dem  Körper,  nicht 
fiir  den  höchsten  Gott  vorhanden.  —  Ebenso,  wenn  es  heifst 
(Kath.  4,  4): 

„Wer  den,  durch  welchen  wir  den  Traumbezirk 

,.Und  den  Bezirk  des  Wachens,  beide,  schauen.,— 

„Wer  diesen  als  den  alldurchdringenden , 

„Den  groTsen  Atman  wohl  begriffen  hat, 

„Der  ist  ein  Weiser  imd  befreit  vom  Kummer ! "  — 

wenn  hier  die  Schrift  demjenigen  Wesen,  welches  im  Traume  und 
Wachen  schaut,  also  doch  der  individuellen  Seele,  die  Gröfse  und 
Alldurchdringung  beilegt,  und  erklärt,  dafs  wir  durch  Wohlbegrei- 
fung  derselben  vom  Kummer  befreit  >vürden,  so  giebt  sie  damit 
zu  verstehen,  dafs  die  individuelle  Seele  von  dem  „Erkenner" 
[dem  höchsten  Atman]  nicht  verschieden  ist.  Denn  dafs  es  die 
Erkenntnis  des  Erkenuers  ist,  durch  welclie  die  Befreiung  vom 
Kummer  eintritt,  ist  eine  Grundanschaunng  des  Vedf^nta.  —  Ebenso 
in  den  Worten  (Kath.  4,  10): 

„Was  hier  ist,  das  ist  eben  doi*t  [in  Brahmau], 

„Was  dort,  zugleich  auch  hier  am  Ort, 

„Von  Tod  zu  Tode  wird  verstrickt, 

„Wer  ein  [von  Brahman]  Verschied 'nes  hier  erblickt",  — 

)  wird  es  verboten,  eine  Verschiedenheit  zwisclien  der  individuellen  352 
Seele   und   dem    Erkenner   zu    erblicken.    —     Ferner   auch,    wenn 


216  9fcrtra]ca-ml]nlt&B& 

gleich  nach  der  Frage  tf^er  die  ExiBtenz  der  individuellen  Seele 
(Eft^h.  1,  20),  der  Tod  versetzt:  „wähl*  eine  andre  Oabe  Nacike- 
„tas!"  (KÄ^h.  1,  21)  und  darauf  den  Naciketas  durch  mancherlei 
Lockungen  in  Versuchung  fuhrt,  dann  aber,  nachdem  Naciketas 
sich  nicht  hat  abbringen  lassen,  diesen,  nach  Darlegung  des  Unter- 
schiedes zwischen  der  Glückseligkeit  und  dem  höchsten  Gute  (2, 
1 — 2)  und  nach  Darlegung  des  [entsprechenden]  Unterschiedes 
zwischen  Nichtwissen  und  Wissen  (2,  4),  zu  preisen  unternimmt 
mit  den  Worten:  >,Nach  Wissen  trachtest  du,  o  Naciketas,  nicht 
„konnten  dich  die  Lockungen  verführen'^  (2,  4),  und,  schon  eine 
blofse  Frage  dieser  Art  preisend,  hinzufügt  (2,  12): 

„Schwer  zu  erschauen,  in  Dunkel  eingegangen^. 
„Tief  in  der  Höhle  weilt  versteckt  der  Alte; 
„Dm  weifs  als  Gott  durch  innigste  Verbindung 
„Der  Weise  und  wird  frei  von  Leid  und  Freude", 

—  so  muTs  man  schliefsen,  dafs  auch  hierdurch  schon  die  Iden- 
tität der  individuellen  Seele  mit  dem  £rkenner  ausgesj^rochen  wer- 
den soll.  Denn  [wenn  man  diese  nicht  schon  hier,  sondern  erst 
durch  eine  weitere  Frage  veranlafst  finden  will,]  wenn  ntan  an- 
nehmen will,  dafs  Naciketas  diejenige  Frage,  um  deren  willen  er 
so  grofses  Lob  von  Seiten  des  Todes  einerntete,  sofort  nach  die- 
sem Lobe  fallen  liefse,  um  (2,  14)  eine  neue  Frage  aufzuwerfen, 
so  w&re  jene  ganze  Lobpreisung  am  unrechten  Orte  ausgesprochen 
worden,  und  darum  mufs  man  annehmen,  dafs  es  nur  eben  jene 
353  Frage  „Ein  Zweifel  waltet**  u.  s.  w.  (1,  20)  ist,  welche  |  in  den 
Worten  „Vom  Guten  frei'*  u.  s.  w.  (2,  14)  wieder  aufgenommen 
wird.  —  Wenn  aber  der  Gegner  sich  oben  auch  auf  die  Ver- 
schiedenheit in  der  Struktur  der  Frage  berief,  so  ist  das  kein 
Einwand;  denn  es  ist  eine  [weitere]  Bestimmung  eben  desselben 
Gegenstandes,  nach  welcher  beim  zweiten  Male  gefragt  wird.  Denn 
vorher  war  die  Frage  nach  der  Existenz  der  vom  Leibe  befreiten 
Seele,  und  nachher  wird  nach  der  Befreiung  ebenderselben  Seele 
von  der  Seelenwanderung  gefragt.  So  lange  iiftmlich  das  Nicht- 
wissen nicht  beseitigt  wird,  so  lange  bleibt  sowohl  die  Befangen- 
heit im  Gdten  und  Bösen  als  auch  die  Individualit&t  der  indivi- 
duellen Seele  unbeseitigt;  durch  Beseitigung  des  Nichtwissens  hin- 
gegen wird  sie  als  der  Erkenner  gem&fs  dem  Schriftworte;  „das 
„bist  du"  (Chänd.  6,  8,  7)  begriffen;  ob  aber  dae  Nichtwissen  uoch 
besteht  oder  ob  es  gehoben  wird,  das  begründet  fiOr  das  Objekt, 
auf  das  sich  dasselbe  bezieht,  keinen  Unterschied;  sondern  so 
wie  einer  einen  liegen  gebliebenen  Strick  in  der  Finsternis  für 
eine  Schlange  hält  und  voll  Furcht  und  zitternd  vor  ihr  flieht, 
und  ein  anderer  zu  ihm  sagt:  „fürchte  dich  nicht,  es  ist  keine 
„Schlange,   es  ist  nur  ein  Strick",  und  jener,  nachdem  er  dieses 


Sütram  L  ly.  0.  217 

gehört  bat,  die  Furcht  vor  der  Schlange  und  das  Zittern  und  das 
Fliehen  aufgiebt,  und  wie  hierbei  für  die  Zeit  des  Haltens  für 
eine  Schlange  and  für  die  der  Beseitigung  dieses  Irrtums  in  Betreff 
des  Objektes  selbst  nicht  der  geringste  Unterschied  besteht,  gan2s 
ebenso  ist  es  auch  in  unserem  Falle.  Und  daher  kommt  es,  dafs 
auch  durch  die  Worte  „nicht  wird  geboren  oder  stirbt  der  Weise" 
(Kath.  2,  18)  die  Antwort  auf  die  Frage  nach  dem  Sein  oder  Nicht- 
Boin  gegeben  werden  kann.  —  Das  Sütram  aber  mufs  man  dahin 
auffassen,  dafs  es  [mit  seiner  Unterscheidung  dreier,  statt  nur 
zweier  Gegenstände,  nach  denen  gefragt  wird]  auf  die  vom  Kicht- 
wissen  aufgestellte  Verschiedenheit  zwischen  der  individuellen  Seele 
und  dem  Erkenner  Rücksicht  nimmt.  Denn  wiewohl  die  Frage  nach 
dem  Atman  eine  einheitliche  ist,  so  kann  doch,  sofern  einerseits  schon 
an  der  blofsen  Existenz  der  im  Tode  vom  Leibe  befreiten  Seele  ge- 
zweifelt wurde,  und  anderseits  die  durch  den  Sams&ra  bedingten  Natur- 
beschaffenheiten,  das  Thätersein  u.  s.  w.,  noch  nicht  |  an  derselben  354 
beseitigt  waren,  die  Sache  [vom  Sütram]  dahin  aufgefafst  werden, 
dafs  das  Erstere  sich  auf  die  Seele  als  individuelle,  das  Letztere, 
wegen  der  Erwähnung  der  Erhabenheit  über  Gutes  und  Böses,  auf 
ebendieselbe,  sofern  sie  der  „Erkenner"  ist,  beziehe;  daher  es 
mit  der  Unterscheidung  £der  drei  Gegenstande]  des  Feuers,  der 
individuellen  und  der  höchsten  Seele  seine  Richtigkeit  hat.  Zu 
der  Behauptung  hingegen,  dafs  hier  von  der-Urmaterie  die  Rede 
sei,  pafst  weder  die  Verleihung  der  Geschenke,  noch  die  Frage, 
noch  die  Antwort;  daher  es  hiermit  eine  ganz  andere  Bewandt- 
nis hat. 

7.  mahad-vac  ca 

auch  ist  es  ebenso  wie  mit  dem  Grofsen. 

Ebenso  wie,  wenn  von  den  Sankliya's  das  Wort  Mahad  (der 
oder  das  Grofse)  von  der  blofsen  [ungeistigen]  zuerst  [aus  der  Ur- 
materie]  hervorgehenden  Wesenheit  gebraucht  wird,  darum  im  ve- 
dischen  Gebrauche  das  Wort  noch  nicht  dasselbe  zu  bedeuten 
braucht,  in  Stellen  wie:  „die  Buddhi  überragt  Atman  der  Grofse" 
(K4th.  3,  10),  —  „den  alldurcbdringeuden ,  den  grofsen  Atman" 
(Ka^h.  2,  22),  —  ,.ich  kenne  diesen  Purusha,  den  Grofsen"  (Qvet. 
3,  8),  —  weil  dabei  das  Wort  Atman  vorkommt  und  aus  andern 
Gründen,  —  ebenso  braucht  auch  das  Wort  „das  Unerschlossene" 
im.vedischen  Gebrauche  nicht  die  Urmaterie  zu  bedeuten.  Auch 
darum  also  liefst  sich  die  Schriftmäfsigkeit  „des  Gefolgerten",  der 
von  der  Smpti  gelehrten  Urmaterie,  nicht  aufrecht  halten. 


218  Q&riraka-mliii&ii8& 


Zweites  Adhikavanam, 

355  ^  '  s.    eamasavad,  avigesMt 

weil,  wie  bei  dem  Becher,  ünentschiedenbeit. 

Wiederum  behauptet  der  Verfechter  der  Urmaterie,  dafs  die 
Schriftvidrigkdt  derselben  sich  nicht  aufrecht  halten  lasse;  warum? 
*wegen  des  Verses  (^vet.  4,  6): 

S,Die  eine  Ziege  (Ungeborene,  ({ja)  rot  und  weils  and  schwarz, 
SfWirft  yiele  Jangen,  die  ihr  gleichgestaltet  (lies  sarupdh)', 
'„Der  eine  Bdck  (Ungeborene,  aja)  in  Liebesbranst  bespringt  (hegt)  sie, 
S,Der  andre  Bock  yerläfst  sie,  die  genossen^*;  — 

4n  diesem  Verse  sind  unter  den  Worten  „rot  und  weifs  und  schwarz'' 
Jdie  drei  Gnna's  der  Sänkhyalehre ,  nämlich]  das  EajaSy  Saitvam 
^und  Tamas  zu  verstehen.  Pas  Rote  ist  das  Rajas  (Leidenschaft), 
weil  es  seiner  Natur  nach  aufreget  (ratet);  das  Weifse  ist  das 
Saitvam  (Wesenheit,  Güte),  weil  es  seiner  Natur  nach  aufhellt; 
das  Schwarze  ist  das  Tamas  (Finsternis),  weil  es  seiner  Nati;r 
'nach  verdunkelt.  £^  ist  die  Gleichgewichtslage  dieser  Guna's, 
'welche  hier  nach  der  Beschafifenheit  der  Teile,  aus  deneii  sie  be- 
isteht, als  „rot  und  weifs  und  schwai'z"  bezeichnet  wird.  Und 
'weil  diese  die  ursprüngliche  ist,  darum  heifst  sie  ajä  (die  Ün- 
'geborene),  indem  die  Saükhya's  von  ihr  [d.  h.  von  der  Urmaterie] 
'sagen:  „Erschaffend,  nicht  erschaffen  ist  die  Urnatur"  (Säiikhya- 
'karikd  3).*  —  Aber  bedeutet  das  Wort  ajä  nicht  nach  dem  Sprach- 
gebrauc^e  eine  Ziege?  —  *PVeilich  wohl!  Aber  dieser  Sprach- 
'gebrauch  darf  hier  nicht  mafsgebend  sein,  weil  es  sich  in  der 
'Stelle  um  das  Wissen  [von  der  Natur  der  Dinge]  handelt.  Jene 
'Unnaterie  also  gebiert  viele,  mit  den  drei  Guna's  behaftete  Jun- 
**gen;  und  von  ebenderselben  wird  gesagt,  dafs  der  eine  Un- 
'geborene  [aja,  was  auch  „Bock"  bedeutet],  d.  h.  der  ein  Purtisha 
'(Geist,  Tndividualseele)  sie  „in  Liebesbrunst",  in  Zuneigung,  An- 
3ÖC  'hänglichkcit,  |  „hege",  indem  er,  zufolge  des  Nichtwissens,  die- 
'selbe  für  sein  eigenes  Selbst  ansieht  und  demgemäfs,  aus  Un- 
'vermögen  [sein  wahres  Ich,  den  Ptiruska,  von  der  Urmaterie]  zu 
'unterscheiden,  sich  selbst  für  den  Träger  der  Lust,  Unlust  und 
'Verblendung  [als  welche  sich  die  drei  Guna*s  bethätigeu]  hält 
'und  somit  in  der  Seelenwanderung  befangen  bleibt;  —  während 
'hiuwiderum  ein  anderer  „Üngeborener",  d.  h.  ein  Puinisha^  der 
'jene  Erkenntnis  der  Verschiedenheit  [seiner  selbst  von  der  Ur- 
'materie]  erlangt  hat  und  nicht  mehr  an  ihr  hängt,  „sie",  nämlich 
'die  Urmaterie,  „verläfst",  sie,  „die  genossen",  deren  Geniefsen  zu 


SÄtram  T.  iv.  8.  219 

^Ende  gegangen   ist;    diese   also   verläfst   er,    das   heif&t,    er  wird 
^von  ihr  erlöst.     Somit  sind  die  Aufstellungen   der  Anhänger  des     ^ 
'Kapila  über   die  Urmaterie  u.  s.  w.   allerdings  in   der  Schnft  ge- 
'gründet.'  — 

Auf  diese  Ansicht  erwidern  wir,  dafs  die  Behauptung,  die 
S4nkhyalehre  sei  in  der  Schiift  gegründet,  sich  unmöglich  auf  den 
angeführten  Vers  stützen  kann ,  weil  Mieser  Vers  an  und  für  sich 
überhaupt  keiner  Doktrin  zur  Stütze  zu  dienen  vermag.  Denn  zu 
jeder  Doktrin,  welcher  Art  sie  auch  immer  sein  möge,  pafst  jene 
Auseinandersetzung  des  Verses,  dafs  [die  Urmutter  der  \Ve»en'J 
eipe  „Ungeborene"  sei  u.  s.  w. ,  und  für  die  Behauptung,  dafs  hier 
speciell  die  Sänkhyalehre  verstanden  werden  müsse,  liegt  in  den 
Textworten  kein  Grund  vor;  „wie  bei  dem  Becher",  d.  h.  ebenso  * 
wie  von  dem  Verse  (Brih.  2,  2,  3) : 

„Der  Becher,  der  nach  unten  seine  Mündung,     • 
„Und  der  nach  oben  seinen  Boden  hat",  — 

an  und  für  sich  nicht  beliauptet  werden  kann,  dafs  unter  dem 
Becher  dieses  oder  das  verstanden  werden  müsse,  weil  jene  Aus- 
einandersetzung von  dem  Becher,  der  seine  Mündung  nach  un- 
ten u.  s.  w.  hat,  in  irgend  einer  Weise  auf  allerlei  pafst.  Ebenso 
besteht  auch  bei  unserem  Verse  „ünentschiedenheit"  darüber,  was 
unter  der  einen  ajÄ  (Ziege,  Ungeboreuen)  verstanden  werden  müsse, 
und  es  läfst  sich  nicht  beiraupten,  dafs  unter  der  aja  gerade  die 
Urmaterie  [der  S&nkhya's]  )  zu  verstehen  sei.  —  *Aber  so  wie  in  357 
*der  Stelle  von  dem  Becher  aus  den  weiter  folgenden  Worten: 
S,damit  ist  dieser  Kopf  hier  gemeint,  denn  der  ist  ein  Becher, 
'„der  die  Mündung  unten  und  den  Boden  oben  hat"  (Bph.  2,  2,  3) 
'sich  ergiebt,  dafs  an  einen  bestimmten  Becher  zu  denken  ist,  was 
^ist  deim  in  entsprechender  Weise  an  unserer  Stelle  unter  der  ajjä 
*zu  verstehen?'  —  Darauf  antworten  wir; 


A   jyotir-upakrama  tu,  tatM  hi  adhiyata'  eke 

vielmehr  die  vom  Lichte  anhebende,  denn  so  haben 

,     es  einige. 

Man  mufs  unter  der  hier  erwähnten  ajä  diejenige  [Urmutter 
der  Wesen]  verstehen ,  welche ,  selber  aus  dem  höchsten  Gotte  ent- 
sprungen, „vom  Lichte  anhebend"  aus  [den  drei  Urelemcuten] 
Glut,  Wasser  und  Nahrung  besteht  und  die.  uraatur  bildet,  aus 
der  die  vier  Klasr^en  der  [organischen]  Wesen  (vgl.  über  sie  Sü- 
trara  3,  1,  20)  entspringen.     Das  Wort  ., vielmehr"  dient  hier  zur 


220  QHriraka-mim&ns^ 

Bekräftigung.  Nämlich  man  mofs  unbedingt  hier  unter  der  ^ 
diejenige  [Urmutter]  verstehen,  welche  aus  den  drei  [ür-]Elemen- 
ten,  nicht  aber  diejenige,  welche  aus  den  drei  6una*8  besteht. 
Warum?  „Denn  so  haben  es  einige*^  Yedaschulen,  welche  da^ 
wo  sie  des  Ursprunges  von  Olut,  Wasser  und  Nahrung  aus  dem 
höchsten  Gotte  gedenken,  gerade  diesen  das  „rote  und  [weifse 
und  schwarze]*^  Aussehen  beilegen,  denn  es  heifst  bei  ihnen:  „WfLS 
„an  dem  [gewöhnlichen,  aus  den  drei  Urelementen  zusammen- 
„gesetzten]  Feuer  das  rote  Aussehen  ist,  das  hat  es  von  der  Glut, 
„was  das  weifse,  das  von  dem  Wasser,  was  das  Schwarze,'  das 
„von  der  Nahrung"  (Ghand.  6,  4,  1).  Diese  drei  [Urelemente]  also, 
die  Glut,  das  Wasser  und  das  Feuer  sind  auch  an  unserer  Stelle 
zn  verstehen,  wie  sich  schon  aus  der  Gleichheit  der  Ai^sdrücke 
358  „rot*^  u.  8.  w.  ergiebt,  |  sowie  auch  daraus,  dafs  diese  Ausdrücke 
„rot  und  weifs  und  schwarz ^^  eigentlich  und  ursprünglich  jene 
drei  Arten  des  Aussehens  bedeuten  und  erst  in  übertragenem  Sinne 
auf  die  Guna^s  bezogen  werden.  Auch  gilt  als  Begel  [der  Schrift- 
auslegung],  dafs  man  das  Unzweifelhafte  [Chänd.  6,  4,  1]  zu  be- 
nutzen hat  um  sich  das  Zweifelhafte  [Qvet.  4,  5]  zu  erschliefseu. 
Aber  auch  an  unserer  Stelle  selbst,  wenn  es  schon  au  Anfang 
helfet:  ,)die  Brahmanlehrer  sprechen:  aWas  ist  der  Weltengrund, 
„das  Brabman?]»"  (Qvet.  1,  1),  und  wenn  gleich  im  Eingange  der 
Stelle,  in  den  Worten  (^vet.  1,  3): 

„Nachhängend  ihm  in  smnender  Yeriiefimg 
„Erblickten  sie  der  Gottheit  Eigenkraft 
„Verhaut  in  den  ihr  eig'&en  Qoalit&ten'S  — 

eine  von  dem  höchsten  Gotte  ausgehende  Kraft  als  die  Schöpferin 
der  ganzen  Lebenswelt  angenommen  wird,  wenn  femer  auch  in  dem, 
was  auf  unsere  Stelle  weiterhin  folgt,  in  dem  Verse  (Qvet.  4,  10) : 

,,Euii  Zauber  (mu^a),  wisse,  ist  die  Urnatur, 
„Und  der  ihn  zaubert,  ist  der  höchste  Gott*^ 

und  in  den  Worten  ((^vet.  4,  11): 

„Wer  als  den  Einen  ihn  begriffen  hat, 
„Der  über  jedem  Mutterschofse  waltet  *S 

eben  jene  [von  Gott  abhängige  Schöpferkraft]  wieder  vorkommt, 
80  kann  man  doch  nicht  annehmen,  dafs  in  dem  [dazwischen  ste- 
henden] Verse  von  der  ajd  irgend  eine  von  Gott  unabhängige  ür- 
natur,  eine  „ürmaterie"  [im  Sinne  der  Sänkhya's]  gemeint  sein 
könne.  Vielmehr  ergiebt  sich  aus  dem  Vorhergehenden,  dafs  eben 
jene  noch  nicht  zu  Namen  und  Gestalten  entfaltete,  göttliche 
[Schöpfer  .]Kraft,    welche    den    Urzustand    aller    Namen    und    Ge- 


Sütram  I.  vr.  9.  221 

stalten  bildet,  auch  in  unserem  Verse  yerstanden  werden  müsse; 
das  ist  es,  was  wir  behaupten.  Dafs  aber  schon  jene  [(i^ä^  die 
Schöpferkraft,]  als  eine  dreifach^  bezeichnet  wird,  geschieht  mit 
BesiAung  darauf,  dafs  alles  aus  ihr  Entstandene  jene  D^eifach- 
heit  [der  Urelemente]  an  sich  trftgt. 

Aber  wie  kann  diese,  wenn  sie  um  der  Dreifachheit  tou  Glut, 
Wasser  und  Nahrung  willen  selbst  schon  dreifach  ist,  als  ajä 
(Ziege,  XJngeborene)  aufgefafst  werden?  |  Denn  weder  haben  Gut,  359 
Wasser  und  Nahrung  irgend  etwas  von  der  Gestalt  einer  Ziege 
an  sich,  noch  auch  kann,  da  Glut,  Wasser  und  Nahrung  nach  der 
Schrift  entstanden  sind,  das  Wort  e»;a  hier  in  dem  Sinne  ver- 
standen werden,  dafs  es  die  „Ungeborene'*  bedeutet!  — 

Hierauf  giebt  der  Lehrer  zur  Antwort: 


10.    Icalpanä-upadeg&c  ca^  madhu-ddivad,  avirodhäk 
» 
auch  ist,    weil   es  eine  Bezeichnung  durch  ein   Bild 

ist,  so  wie  bei  dem  Honig  u.  s.  w.,  kein  Widerspruch. 

Der  Ausdruck  Hfjä  steht  hier  nicht  in  dem  Sinne,  dafs  es  sich 
um  die  Gestalt  einer  Ziege  handelt;  ebenso  wenig  aber  ist  er 
etymologisch  [als  „die  Ungeborene ^^]  zu  verstehen;  sondern  es  ist 
„eine  Bezeichnung  durch  ein  Bild*S  d.  h.  es  wird  hier  die  bild- 
liche Vorstellung  einer  Ziege  gebraucht,  um  dadurch  die  durch 
Glut,  Wasser  und  Nahrung  gekennzeichnete  Urmutter  der  beweg- 
liehen und  unbeweglichen  [organischen  Wesen]  zu  bezeichnen. 
Gleichwie  es  nämlich  im  Leben  wohl  vorkommen  mag,  dafs  irgend 
eine  Ziege ,  welche  rote,  weifse  und  schwarze  Farbe  an  sich  trägt, 
viele  Zicklein  wirft  und  auch  solche  Zicklein,  die  ihr  gleich-  . 
geutaltet  (lies:  8arüpa9)  sind,  und  wie  der  eine  Bock  diese  Ziege 
„in  Liebesbrunst  bespringt *S  ein  anderer  Bock  aber  sie,  die  [bis 
dahin  seinen  Umgang]  genossen  hatte,  „verläfst",  ebenso  gebiert 
auch  die  lüer  gemeinte,  durch  Glut,  Wasser  und  Nahrung  gekenn- 
zeichnete, dreifarbige  Urmutter  der  Wesen  aus  sich  heraus  viele, 
ihr  gleichgestaltete,  sowohl  beweglich  als  unbeweglich  [als  Tiere 
und  Pflanzen]  geartete  Umwandlangen,  und  diese  wird  von  dem 
im  Nichtwissen  befangenen  Kshetrajna  (der  individuellen  Seele) 
genossen,  von  dem  Wissenden  hingegen  verlassen.  Man  denke 
aber  nicht,  weil  der  eine  Kshetrigna  sie  hege  und  der  andere  sie 
verlasse,  dafs  darum  in  Wirklichkeit  eine  Vielheit  der  Eshetrajna^s, 
wie  sie  von  den  Gegnern  angenommen  wird,  sich  ergeben  müsse. 
Denn  unsere  Stelle  beabsichtigt  keineswegs,  eine  Vielheit  von  Kshe- 
trajna's  zu  lehren,  |  sondern  nur,  den  Gegensatz  der  Gebunden-  360 
heit    und    der  Erlösung    zu    veranschaulichen.      Diesen   Gegen.sa1z 


222  ^äriraka-mimäi^KH 

zwischen  Gebundenheit  und  Erlösung  legt  sie  dar,  indem  sie  der 
gemeinen  Anschauung  von  einer  Vielheit  der  Seelen  sich  an- 
»chliefst;  diese  Vielheit  aber  beruht  nur  auf  den  Upädhi's,  ist  die 
Folge  einer  irrigen  Erkenntnis  und  nicht  im  höchsten  Sinne  als 
real  zu  betrachten,  indem  die  Schrift  z.  B.  sagt  (Qvet.  6,  11): 

„Der  eine  Gott,  versteckt  in  allen  Wesen, 
„Durchdringend  alle,  aller  innere  Seele/^ 

Es  ist  dies  „sowie  bei  dem  Honig  u.  s.  w.";  d.  h.  so  wie  die  Sonne, 
die  doch  kein  Honig  ist,  als  Honig  bezeichnet  wird  (Chänd.  3«  1),  und 
die  Rede,  welche  keine  Milchkuh  ist,  als  Milchkuh  (Brih.  5,  8), 
und  die  Himmelswelt  u.  s.  w.,  welche  keine  Feuer  sind,  als  Feuer 
(Brih.  6,  2,  9),  in  ähnlicher  Weise  wird  auch  hier  dasjenige,  was 
keine  Ziege  ist,  als  eine  Ziege  bezeichnet.  Somit  liegt  „kein  Wider- 
„spruch"  darin,  dafs  von  Glut,  Wasser  und  Nahrung  hier  das  Wort 
ajä,  Ziege',  gebraucht  wird. 


DritteB  Adhikaranam, 

« 

11,    na  samJcJiyd'U2)asamgraMd  apiy  nänä-bhäväd 

atirekMc  cd 

auch  nicht  durch  ZusammeDfassuug  der  Zahl,   weil 
Ungleichartigkeit  vorlianden   und  wegen  des  Über- 

schiefsens. 

Nachdem  auf  diese  Weise  der  Vers  von  der  ajä  aufser  Frage 
gestellt  ist,  so  beruft  sich  der  Sankhya  wieder  auf  einen  andern 
Vers,  in  welchom  es  heifst  (Brih.  t,  4,  17): 

„In  dem  die  fünf  Fünf  Wesenheiten 
„Mitsamt  dem  Raum  gegrilndet  stehen, 
„Den  weifg  als  meine  Seele  ich, 
„Unsterblich,  den  Unsterblichen.*'  — 

'In  diesem  Verse  ist  von  fünf  Ftinfwesenheiten ,  d.  h.  von  einer 
Tünfzahl  die  Rede,  auf  welche  sich  eine  andere  Fünfzalil  bezieht, 
361  'wie  sich  aus  dem  Zweimalt<tehen  des  Woi*tos  „fünf"  |  ergiebt; 
'diese  fünf  Fünfheiten  also  betragen  zusanmien  fünfundzwanzig: 
'gerade  so  viele  aber  wie  durch  diese  Funfuudzwanzigzahl  zu  zäh- 
'len  beabsichtigt   werden,    gerade   so    viele  werden  von    den  San- 


Sütrain  I.  iv.  11.  223 

'khya's  an  Principien   aufgezählt,   denn   es   heifat  bei   ihnen  (San- 
*khya.k&rik&  3): 

^^Erschaffend,  nicht  erschaffen  ist  die  Utnator, 
'„Erschaffend  nüd  erschaffen  zählen  sieben  wir, 
'„Sechzehn  au  Zahl  ist  das,  was  nur  erschaffen  ist, 
'„Nicht  schaffend  und  auch  nicht  erschaffen  int  der  Geist;'' 

'diese  von  der  Smriti  angenommenen  fünfundzwanzig  Principien 
'werden  in  der  in  unserer  Schriftstelle  vorkommenden  Funfund- 
'zwanzigzahl  zusammengefaist,  und  hieraus  folgt,  dafs  diese  Prin- 
'cipien,  die  Unnaterie  u.  s.  w.,  auch  schriftmüfsig  sind.'  —  Auf 
diese  Behauptung  ei^tgegnen  wir:  „auch  uicht  durch  Zui^ammcii-  . 
„fassung  der  Zahl"  darf  man  hoffen,  die  Schnftmäfsigkeit  der 
Urmaterie  |  u.  s.  w.  zu  erweisen;  warum?  „weil  Ungleichartigkeit  362 
„vorhanden".  Nämlioli  jene  fünfundzwanzig  Principien  sind  unter- 
einander ungleichartig  und  tragen  nicht  nach  Gruppen  zu  je  fünf 
einen  gemeinschaftlioheu  Charakter,  so  dafs  in  der  Fünfundzwanzig 
fünf  andere  Zahlen  zu  je  fünf  enthalten  wären;  wo  aber  ein  sol- 
ches einheitliches  Band  fehlt,  da  sind  in  einer  Vielheit  [nur  Ein- 
heiten, aber]  nicht  Zahlengruppen  wie  Zweihciten  u.  k.  Iv.  ent- 
halten. —  Man  könnte  einwenden:  'es  ist  eben  nur  di'e  Fünfund- 
'zwan;(igzahl,  welche  hier  [mtdHplicando]  durch  ilire  Teilzahlen  ' 
'angedeutet  wird,  ähnlich  wie  [addendo]  in  dem  Ver^e: 

'„Der  Jalu'e  fünf  und  sieben  liefs  nicht  regnen 
'„Der  hunderlkräftige  Gott'',  — 

'>'on  einer  regenlosen  Zeit  von  zwölf  ♦Jahren  die  Bede  ist.'  — 
Aber  auch  das  geht  nicht.  Denn  schon  das  ist  an  dieser  Mei- 
nung bedenklich,  dfik  man  zur  Annahme  einer  uneigentlichen  Aus- 
drucksweise seine  Zuflucht  nehmen  mufa.  Hierzu  aber  kommt, 
dafs  das  zweite  \yort  „fünf"  tnit  dem  Worte  „Wesenheiten"  zu 
dem  Compositum  „Fünfwesenheiten"  verbunden  ist;  denn  dafs  beide 
nur  ein  Wort  bilden,  steht  durch  den  Sprachaccent  fest  [pänca 
pancajanuJ/\;  und  bei  einer  andern  Verwundung  desselben  Aus- 
druckes (Taitt,  Hainh.  1,  6,  1,  2)  heilst  es:  pancänam  tvä  pancaja" 
nänäm,  \  wo  also  beide  Begriffe  nur  ein  Wort  mit  einem  Ac-  363 
cente  und  einem  CasussufBxe  bilden.  Wegen  dieser  Composition 
nun  ist  es  nicht  zulässig,  ein  distributives  Verhältnis  anzunehmen, 
so  dafs  pßüca  panca  hiefse  „jedesmal  fünf*.  Darum  [weil  das 
distributive  Verhältnis  überhaupt  ausgeschlossen  ist],  darf  man  nicht 
die  Fünfzahl  als  zweimal  gemeint  auffassen  und  verstehen:  „fünf 
zu  je  fünf".  Und  überhaupt  [selbst  wenn  keine  Composition  vor- 
läge] kann  die  zweite  FüTifzahl  nicht  durch  die  erste  Fünfzahl 
näher  bestimmt  werden,  so  dafs  fünf  Füufzahlen  herauskämen,  weil 
diese  [die  erste  Fünfzahl  nur  das  Hauptwort  „Wesenheiten",  aber] 


'224  C^^i*^^*^^!»^^ 

nicht  cUw  Nebenwort  [die  zweite  Fünfzahl]  näher  zu  bestimmen 
im  Stande  ist.  —  ^Aber  wenn  die  „Wesenheiten",  nachdem  ihnen 
'schon  eine  Fünfzahl  beigelegt  ist,  nochmals  durch  eine  Fünfzahl 
'näher  bestimmt  werden,  so  müssen  sie  doch  als  fünfundzwanzig 
'angenommen  werden,  ebenso  wie  wenn  ich  fünf  Fünfstücke  habe, 
'diese    doch    zusan^nen    fünfundzwanzig    Stück    ausmach.en!'    -^    | 

364  Nein!  antworten  wir;  denn  bei  den  Fünfstücken  ist  es  in  der 
Ordnung,  dafs  ich,  da.  sie  erst  zusammengefafst  werden  sollen, 
frage,  wie  viele  ihrer  sind,  weil  noch  der  Wunsoh  besteht,  ihre 
Anzahl  zu  erfahren,  worauf  sie  dann  als  fünf  Fünfstücke  näher 
bestimmt  werden;  in  unserm  Falle  hingegen  ist  durch  das  Wort 
„Fünfwesenheiten"  schon  von  vom  herein  die  Anzahl  bekannt, 
und  da  somit  der  Wunsch  nicht  mehr  besteht,  die  Frage,  wie 
viele  ihrer  sind,  aufzuwerfen  und  ihre  Anzahl  zu  erfahren,  so  kön- 
nen dieselben  nicht  noch  erst  als  fünf  Fünfwesenheiten  näher  be- 
stimmt werden.  Aber  selbst  wenn  hierin  eine  weitere  Besämmung 
läge,  so  könnte  diese  doch  nur  eine  solche  der.  Fünf  zahl  [des 
Nebenbegriffes,  nicht  des  HanptbegrifTes  „Wesenheiten"]  sein,  und 
dafs  dies  nicht  zulässig  ist,  wurde  bereits  bemerkt.  Somit  kön- 
nen also  mit  den  „fünf  Fünfwesenheiten"  nicht  die  fünfundzwan- 
zig Principien  [der  Sänkhya*s]  gemeint  sein.  Femer  aber  auch 
können  diese  .fünfundzwanzig  Principien  nicht  verstanden  werden 
„wegen  des  Überschiefsens".  Es  findet  nämlich,  wegen  des  Atman 
und  des  Akä^a  [die  in  unserer  Stelle  neben  den  fünf  Fünfweaen- 
heiten  noch  besonders  erwähnt  werden]  ein  Obersehielsen  üb^r  die 
Fünfuiidzwanzigzahl  statt.  Denn,  was  zunächst  den  Atnian  betrifft, 
so  wird   dieser  an   unserer  Stelle,    indem    es    si^    um    da*  „&e- 

S65  „gründetsein"  [der  fünf  Fünfwesenheiten]  handelt,  |  als  der  Trager 
derselben  bezeichnet,  sofern  dasjenige  was  (Bpüi.  4,  4,  17)  dar^ 
den  Lokativ  „in  dem"  angedeutet  wird,  in  den '  folgenden  Wort«a 
„den  weifs  als  meine  Seele  ich'*  als  der  Atman  wied^  aufgenom- 
men wird.  Der  Ätmau  aber  ist  so  viel  wie  der  geiat^  PureslM^ 
[der  Sänkhjalehre] ;  dieser  nun  ist  in  der  Fflnfondawanzfgyahl 
[ihrer  Principien]  schon  einbegriffen,  und  ea  gebt  mehi  «n^  em 
und  dasselbe  als  das  Getragene  und  zugleich  als  de»  Triger  ob- 
zunehmen:  mag  man  aber  auch  eine  andere  Sache  [unter  de» 
Träger]  verstehen,  jedenfalls  ergiebt  sich  ein  Übersdnifs  über  die 
Zahl  der  Principien,  welcher  mit  der  Grundansehanung  [des  S4n- 
khyasystemes]  in  Widerspruch  steht.  Ebenso^  wenn  e»  ferner  wseh 
(Brih.  4,  4,  17)  heifst:  „mitsamt  dem  Raum  gegründet  st^m,% 
so  ist  auch  diese  besondere  Erwähnung  des  Bauzses  (äkA^)^  der 
schon  in  der  Fünfundzwanzigzabl  einbegriffen  war,  sieht  ziadd^saig; 
versteht  man  aber  darunter  etwas  anderes,  so  tritt  d«r  scIka  ge- 
rügte Fehler  [einer  Überschreitung  der  Funfundzwanzigzakl]  ein.  — 
Wie  kann  man  auch  überiianpt  wegen  des  bldsen  Toriremmens 
einer  Zahl   sogleich  denken,   dafs   die  sonst  von  der  Sekrift  nicht 


Sfttrara  1.  iv.  11.  225 

gelehrten  fünfundzwanzig  Priucipien  damit  gemeint  seien,  zumal 
(las  hier  gebrauchte  Wort  janä  von  diesen  Principien  nicht  ge- 
bräuchlich ist,  und  die  Zahl  sich  auch  dadurch  erklärt,  dafs  man 
an  etw&«r  anderes  denkt.  —  ^Aber  was  soll  man  denn  unter  den 
'fünf  I  Fünfwesfinheiten  verstehen?'  —  Wir  antworten:  nach  der  366 
Bestimmung  der  [grammatiBcben]  Smriti:  „Himmelsrichtung  und 
,,Zahl  [werden  komponiert]  nur  in  Nameii"  (Pjinini  2,  1,  60),  mufs 
es  ein  Name  sein,  zu  welchem  die  Worte  „fünf**  und  „Wesen- 
,,heiten'^  komponiert  werden,  und  somit  mufs  es  mit  Beziehung 
auf  eine  konTentionelle  Benennung  geschehen,  dafs  hier  von  ge- 
MriBsen  >,Fünf Wesenheiten^ ^  die  Rede  ist,  nicht  aber  mit  Beziehung 
auf  die  Principien  der  Sankhyalehre ;  und  um  hervorzuheben,  wie 
viele  der  „Fünfwesenheiten"  sind,  wird  nochmals  die  Zahl  „fünf" 
hinzugefügt,  wobei  der  Sinn  ist,  dafs  es  gewisse  sogenannte  „Fünf- 
.., Wesenheiten "  giebt,  und  dafs  derselben  fünf  sind;  etwa,  wie  wenn 
man  sagt:  „die  Sieben-Rishi's  [das  Siebengestirn]  sind  sieben". 

Aber  wer  sind  diese  sogenannten  „Fünfwesenheiten"?  —  Dar- 
auf dient  zur  Antwort: 


12.    präna-ädayo,  väkya-^esMt 

der  Prana  (Odem)   und   die  andern,   wegen   des 

Folgenden. 

In  dem  Verse,  welcher  auf  den  von  den  „Fünf Wesenheiten" 
folgt,  werden,  um  die  Natur  des  Brahman  darzulegen,  fünf  Stücke, 
nämlich  der  Prdna  (Odem)  u.  s.  w.,  erwähnt,  indem  es  hßif^  (Qa- 
täp.  br.  14,  7,  1},  21,  parallelmit  Brih*  4,  4,  18): 

„Des  Odems  Odem  und  des  Auges  |  Auge,  367 

„Des  Ohres  Ohr,  sowie  der  Nahrung  Nahrung, 
„Wer  diese  kennt,  und  des  Verstand's  Verstand;"   — 

und  diese  fünf  in  dem  Folgenden  erwähnten  Stücke  sind  wegen 
des  unmittelbaren  Dabeistehen  a  unter  den  Fünf  Wesenheiten  z\i  ver- 
stehen. —  *Aber  wie  pafst  auf  den  Prana  u,*b.  w.  das  Wort  Jana 
'(Wesenheiten)?'  —  Nun,  pafst  das  Wort  Jana  etwa  besser  a>if 
euere  [Stekhya-]Principien  ?  Da  man  aber,  in  dem  einen  wie  dem 
andern  Falle,  einmal  von  dem  Gebräuchlichen  abgehen  mufs,  so 
hat  man  hier,  um  des  Nachfolgenden  willen,  den  Prana  u.  s.  w. 
zu  verstehen  und-  wegen  ihres  Znsam'menstehens  mit  dem  Worte 
Jana  anzunehmen,  dafs  es  der  Prana  u.  s.  w.  sind,  welche  hier 
einmal  Jana  (eigentlich:  „Leute")  genannt  worden.  lT)rigcns  wird 
axLCb  das  Wort  yfl[ann!>*'  (purusha)y  welchiM  mit  jana  gleichhedeu- 

Otuine«,  Yed&uta.  15 


220  C^rlraka-intm&&fift 

tend  ist,  von  den  Präna's  (Lebenshauchen)  gebrnucht,  denn  es 
heifst  von  ihnen:  „dieses  fürwahr  sind  die  fünf  Mannen  des  Brali- 
mau^'  (Cyind.  3,  13,  6),  und  ein  anderes  Brähmanam  sagt:  „der 
„PrÄua  fürwahr  ist  Vater,  der  Pr&na  Mutter"  (Chund.  7,  15,  1). 
Wegen  des  Kompositumn  aber  steht  ohne  Widen*ede  fest,  dals  die 
Zusammenfügung  [„Fünfwesenheiten"]  eine  konventionelle  Bezeich- 
nung bildet.  —  ^Aber  wie  kann  man  hier  eine  konventionelle  Be- 
^Zeichnung  finden,  da  doch  der  Ausdruck  nirgendwo  vorher  sich 
'vorfindet?'  —  Man  kann  es,  so  antwortet  einer  [der  früheren  Er- 
klärer], ebenso  gut  wie, bei  dem  Worte  „Ausbruch"  u.  s.  w.  Denn 
wenn,  wegen  des  Zusammenstehens  mit  einem  bekannten  Begiiffe, 
mit  ihm  ein  Wort,  dessen  Begriff  unbekannt  ist,  ssu  verbinden  ist, 

368  so  wird  letzteres,  weil  es  mit  ersterem  vereinigt  |  zur  Aussprach«* 
kommt,  in  den  Bereich  seiner  Bedeutung  hineingedrängt,  wie  z.  B. 
bei  den  Ausdrücken:  „er  opfert  einen  Ausbruch",  —  „er  schnei- 
„det  einen  Balken  zurecht",  —  „er  bereitet  eine  Streu  zu"  [die 
unbestimmten  Ausdrücke:  Ausbruch,  Balken,  Streu,  <.lni*ch  den  Zu- 
sammenhang, in  dem  sie  stehen,  als  technische  Namen  für  ein  be- 
stimmtes Opfer,  den  Opferpfosten  und  das  Opferbette  sich  aus- 
weisen]. Ebenso  mufs  auch  in  nnserm  Falle  das  Wort  „Fünf- 
„wesenheiten",  da  aus  der  Analysis  des  Kompositums  feststeht, 
dafs  es  eine  Benennung  ist,  diese  aber  ein  zu  Benennendes  er- 
fordert, auf  die  im  Nächstfolgenden  namhaft  gemacht;en  Pr&na  u.  s.  w. 
sich  beziehen.  Einige  hinwiderum  wollen  unter  den  „Fünfwesen- 
„heiten"  die  Götter,  Ahnen,  Gandharven,  Dämonen  und  Rakshas^ 
verstehen;  wieder  andere  denken  an  die  vier  Kasten  und  an  die 
Nishäda's  als  fünfte;  und  da  in  der  That  in  dem  Ausdrucke  paft- 
ca^anyä  vig  das  Wort  pancajana  sich  auf  Yolksstämme  bezieht,  so 
läJQst  sich  etwas  Derartiges  auch  hier  ohne  Widerspruch  annehmen. 
Der  Lehrer  [Badaräyana]  aber,  dem  es  nur  darauf  ankommt,  zu 
zeigen,  dafs  hier  nicht  die  fünfundzwanzig  Principien  verstanden 
werden  dürfen,  erklärt  sich  wegen  des  Folgenden  für  den  Odem 
u.  s.  w.  —  Man  könnte  einwenden:  ^der  Präna  u.  s.  w.  kann  zwar 

369  ^verstanden  werden  |  in  der  Recension  der  Mädhyandina^  da  diese 
'  *(^atap.  br.  14,  7,  2,  21)  unter  dem  Präna  u.  s.  w.  auch  die  Näh- 
erung erwähnen;  aber  wie  können  unter  den  Fünf  Wesenheiten  der 
'Präna  u.  s.  w.  in  der  Recension  der  Känva*8  (Brih.  4,  4»  18)  ver- 
'standen  werden,  da  diese  unter  dem  Präna  u.  s.  w.  die  Nahrung 
'nicht  mit  erwähnen?*  —  Hierauf  dient  zur  Antwort: 

13.    jyotishä  eheshäm^  asati  anne 
durch  das  Licht  bei  einigen,  wo  die  Nahrung  fehlt. 

Wo,   wie  bei   den  Känva's,   die  Nahrung  nicht  erwähnt  wird, 
da  wird  die  Fünf  zahl  „durch   das  Licht"  ergänzt;    diese  nämlich 


Sütram  I.  iv.  13.  227 

haben  m  dem  Verse,  welcher  d^m  von  den  fünf  Fünf  Wesenheiten 
vorhergeht,  zur  Bezeichnung  der  Natnr  des  Brahroan  den  Ausdruck 
,,Licht'S  indem  sie  lesen:,  „ihn  ehren  die  Götter'  als  der  Lichter 
„Licht"  (Prih.  4,  4,  16).  —  *Aber  wie  ist  es  möglich,  wo  doch 
^beide  in  gleicher  Weise  dieses  Licht  erwähnen,  dafs  unter  der 
4n  dem  ebenfalls  gemeinsamen,  folgenden  Verse  vorkommenden 
^Fünfzahl  von  den  einen  das  Licht  einbegriffen  wird  nnd  von  den 
'andern  nicht?'  —  Darauf  antwortet  einer  [der  früheren  Er- 
klärer] :  „wegen  der  Verschiedenheit  der  Rücksicht " ;  nämlich  die 
Mtldhyandina*s  nehmen ,  indem  sie  unter  der  Fünfwosenheit  die  in 
demselben  Verse  znsammengenaimten,  den  Prana  u.  s.  w.  vorstehen, 
auf  jenes  in  dem  andern  Verse  erwähnte  Licht  keine  Rücksicht; 
die  K^va's  hingegen  nehmen,  weil  sie  jenes  nicht  haben,  eine 
solche  Rücksicht;  und  wegen  dißser  „Verschiedenheit  def  Ruck- 
„sicht"  findet  in  dem,  wenn  auch  gemeinsamen,  |  Verse  ein  Mit-  370 
begreifen  oder  Nichtniitbegreifen  dcüs  Lichtes  statt,  ähnlich  wie  bei 
derselben  übernächtigen  Feier,  je  nach  Verschiedenheit  des  ge- 
brauchten Textes,  eine  BenntEung  oder  Nichtbenutzung  der  sechs-* 
zehnteiligen  Strophe  stattfindet  (vgl.  p.  43,  Seite  12). 

Da  dem  so  ist,  so  ist  also  durchaus  kein  Zeugnis  der  Schrift 
vorhanden,  welches  für  die  Urmaterie  [der  Sänkhja^s]  einträte; 
was  aber  die  Annahme  derselben  auf  Grund  der  Smriti  und  der 
Reflexion  betrifft,  so  werden  diese  noch  weit-erhin  ihre  Wider- 
legung finden. 


Viertes  Adkikaranam. 

14.    Mranaivena  ca  ökaca-ädishu  yathä'Vyapadishta- 

ukteh 

9 

und  weil  er  ak  Ursache  von  Äther  u.  s.  w.  in  der 
[aach  anderweit]  bezeichneten  Weise  genannt  wird. 

Wir  haben  das  Kennzeichen  des  Brahman  dargelegt  (Sütram  1, 
1,  2),  wir  haben  auch  bewiesen,  dafs  die  Ved&ntatexte  in  Bezug- 
auf Brahman  „die  Gleichheit  des  Ganges'^  (1,  1,  10)  einhalten,  und 
wir  haben  endlich  gezeigt  [namentlich  in  dem  letzten  Abschnitte 
1,  4,  1 — 13],  dafs  die  Lehre  von  der  Urmaterie  [der  SAnkhya's] 
nicht  schriftgemi^fs  ist.  —  Nun  erhebt  sich  von  neuem  folgender 
Zweifel.  ^Es  ist  gar  nicht  möglich',  so  konnte  man  sagen,  'zu 
'beweisen ,  dafs  das  Brahman  die  Ursache  der  Entstehung  u.  s.  w. 
'der  Welt  sei,    noch  auch,   dafs   die  auf  das  Brahman  bezüglichen 

16* 


228  V&Hraka-mhnaABft 

*Ved.^ntat<'xte  „die  Qleicfaheii  des  Crsng«s''  einhalten;  warum?  weil 
'sie  sich  sichtbarlich  widenprechen»  Denn,  jd  nach  den  einzelnen 
*Tedltn^Rtpxten  erscheint  die  Weltschöpfong  als  eine  andere  und 
Frieder  andere,  indem  die  Texte  bezäglich  der  Reihenfolge  und 
'anderer  Punkte  nicht  mit  einander  übereinstimmen.  So  heifst  pf 
^an  der  oinen  Stelle:  „aus  dem  Atxnan  ist  der  Äth^  entstanden^' 
'(Taitt.  2i  ]);  hier  wird  beriehtei/  dal»  die  Schöpfung  mit  dem 
/Äther  begonnen  habe,  w&hrend  sie  nach  oiuer  andern  Stelle  mit 
Mem  Feuer  begann,'  denn  es  heifst:  ,,da  schuf  er  das  Feuer ^' 
'(Chand.  6,  2,  3),  und  wieder  nach  einer  andern  Stelle  mit  dem 
*Odem,  indem  es  heifst:  ^,da  schuf  er  den  Odem,   aus  dem  Ödem 

'.itl  *„den  Glauben"  (Pracna  6,  4);  {  und  an  noch  andern  Stellen  wird 
'die  Entstehung  der  Welt  ohne  jfidc  Beobachtung  einer  Reihenfolge 
•gelehrt;  so  z.B.  wonn  es  heifst:  ,, da  schuf  er  diese  Welten:  [es 
*„8ind]  die  Flut,  die  Strahlen,  der  Tod,  die  Gewässer'  (Ait.  1,  1,  2). 
^ —  Hierzu  kommt,  dafs  zuweilen  von  der  Schöpfung  so  geredet 
'wird,  als  sei  das,  was  vor  ihr  war,  das  Nichtseiende  gewesen;  so 
*in  den  Stellen:  „nichtseiend  war  zir  Anfang  diese  Welt:  aus  die-» 
*„8em  ist  das  Seiende  entstanden"  (Taitt,  2,  7),  uod :  „diese  Welt 
S,war  zu  Anfang  nichtsoiend^  dieses  [Ntchtseiende]  war  das  Seiende; 
S,diese8  wurde  zu  der  Realit&t*)  (Ghind.  3,  19,  J,  wo  unsere  Stelle 
'liest:  tat  satyaw  abhavat).  An  andern  Stellen  hingegen  wird 
'jener  Annahme  eine«  Xichtseienden  widersprochen  und  anerkannt, 
•dafhi  das  Schöpfungswerk  von  einem  Seienden  ausgehen  mufste*; 
'so  heifst  es  z.  B.:  „da  sagen  nun  einige,  diese  Welt  sei  zu  An» 
S,fang  das  Niclitsciendc  gewesen",  und  weiter:  »wie  könnte  e« 
*,,aber,  o  Teurer,  also  sein,  so  «»prach  er,  wie  sollte  aus  einem 
*„Nichtsciondon  das  Seiendt«  entstanden  sein?  seiend  also,  o  Teurer, 
*„war  diese  W<*lt  zu  Anfang"  (Ohand.  6,  2,  1.  2).  Ja  an  «inlgen 
*Stellen  wird  sogar   ausgesprochen,   dafs   die  Weltentwicklung  von 

372  'selber  angefangen  habe,  |  wenn  es  z.  B.  heifst:  ,, diese  Welt  hier 
*„war  damals  nicht  entfaltet;  eben  dieselbe  entfaltete  sich  in  Namen 
'j^ind  Gestalton''  (Brih,  1,  4,  7).  Da  somit  mannigfacher  Wider- 
'spmch  herrscht,  ein  Wahlbelieben  al>er  [wie  es  bei  gebotenen 
/Werken  vorkommen  kann],  hier,  wo  es  sich  um  ein  in  Wirklich' 
*keit  Vorhandenes  handelt,  niiht  m(>glich  ist,  so  scheint  es,  daik 
*jener  unbedingte  Vorzug,  den  nian  den  Behauptungen  der  Vedftatar 
'text«  llber  die  Woltursache  giebt,  nicht  gerechtfertigt  ist,  dafs  es 
^vielmehr  richtiger  ist,  den  Aufstellungen  der  Smriti  tind  d^r  Re- 
'flexion  zuzustimmen  lind  eine  andere  Weltursache  [als  die  vonx 
*Ved^nta  gelehrte)  anzuit^hmen.'  —  Auf  diese  Annahme  antworten 
wirj  gesetzt  auch,  es  bestünde  in  den  verschiedenen  Ved|Uitat«xten 
in  Bezug  «uf  die  erschaifeneji  Dinge,  den  Äther  a«.a.  w.>»  hinstdht- 
lieh  ihrer  Reihenfolge  u.  h.  w.,  ein  VVid«rspruch,  so  lifgt  doch  in 
Betreft*  des  Schöpfers  derselben  dui'chaus  kein  Widerspruch  vor; 
warum?   „weil   er  in  der  [auch  anderweit]  bczeichlneten  Weise  ge- 


Sütram  I,  iv.  II.  22t) 

,aiannt  wird^^  Ganz  so  n&mlich,  wie  in  dem  einen  Vedantutexte 
der  Allwissende)  Allmächtige,  AUbeseelcnde,  ZweitloBo  hU  Weli- 
urtNicljü  bezeicliaet  wird,  ganz  ebeu»u  wird  er  auch  als  solche  be« 
zeichnet  in  den  andern  Vedantätextcn.  So  wie  ab$o  z.  B.  in  der 
Stolle:  ,,Walirheit,  Erkenntnis,  Unendlichkeit,  ist  das  Brahuian" 
(Taitt.  2;  1)  schon  gleich  durch  dtis  Wort  „Erkenntnis"  und  durch 
das  weiter  folgende,  eben  dai*auf  bezügliche  Wort  von  .dem  Be* 
gohren  (Taitt.  2,6)  da»  Brahman  |  als  ein  geistiges  Weiten  dar-  373 
gestellt  und  durch  Ausschliefsung  aller  weiteren  Schöpfungsniittel 
iils  der  Uott,  dsr  die  Weltui-sache  ist,  erklärt  wurde,  so  wie  weiter 
diircii  das  auf  das  BraLnian  bezügliche  Wort  ,^tman"  und  mittels 
des  Eindringens  dui'cli  die  Hüllen  des  Leibes  u.  s.  w.  hindurch 
ins  Innere  (Taitt.  2,  2 — 5)  dieses  Brahman  als  die  innere  Seele  in 
uns  nilen  erhärtet  wurde,  so  wie  endlich  in  den  Worten:  ,,ich  will 
„vit'ies  sein,  will  mich  fortpflanzen"  (Taitt.  2,  6)  auf  Grund  des 
dem  Atman  beigelegten  Wunsches,  vieles  zu  sein,  die  Identität  der 
er^chuifenen  Dinge  .mit  dem  Schöpfer  gelehrt  wurde,  —  und  auch 
in  den  Wui-ten:  „da  schuf  .er  diese  ganze  Welt,  was  immer  vor- 
,,hundyn  ibt"  (Taitt.  2,  6). erklärt  die.  Schrift,  indem  sie  das  Er- 
schafiensein  der  ganzen  Welt  aufzeigt,  dafs  vor  der  Schöpfung  nur 
der  zweitlose  Schöpfer  vorhanden  gewesen,  —  so  wie  also  in  die- 
ser Stelle  [der  Taittiriya-Upanishad]  das  Brahman  als  die  Welt- 
ursache anerkannt  wird,  ganz  ebenso  und  mit  densißiben  Merkmalen 
wird  es  als  solche  auch  in  den  andern  Texten  anerkannt;  denn 
wenn  es  z.,  B.  heifst:  ,, diese  Welt,  o  Teurer,  war  zu  Anfang  nur 
„das  Seiende,  Eines  nur  und  ohne  Zweites;  dassolbige  erwog: 
.jftieh  will  vieles  sein,  will  mich  fortpflainseU » ,  da  schuf  es  das 
„«Feuer»  (Chand.  8,  2,  2 — 3),  und  wiederum:  ^^diese  Welt  war  zu 
„Anfang  der  Atman  allein;  es  war  nichts  anderes  da,  die  Augen 
,, aufzuschlagen;  derselbige  erwog:  «ich  will  nun  Welten  schaffen »^^ 
CAiL  1,  1,  1),  80  ist  der  Inhalt  derartiger,  die  Schilderung  des 
Wesens  der  Weltursache  bezweckender  Stellen  in  allen  Yedänta* 
texten  ein  widerspruchloser.  Es  ist  also  vielmehr  nur  -das  Er- 
schaffene, in  Bezug  auf  welches  ein  Widerspruch  vorzuliegeh  scheint, 
sofern  die  Schöpfung  das  eine  Mal  mit  dem  Akaca  |  und  das  an-  374 
dere  Mal  mit -dem  Feuer  anhebt,  und  dergleichen  mehr.  Man 
dai*f  aber  nicht  behaupten,  dafs  deswegen,  weil  in  Bezug  auf  die 
Weitwirkung  ein  Widerspruch  vorliege,  es  nicht  in  der  Absicht 
des  Yedänta  liegen  könne,  das  Brahman  als  Weltursache,  über 
welches  in  allen  Yedantatexten  Übereinstimmung  herrscht,  zu  leh- 
ren; weil  aus  dieser  Behauptung  zu  viel  folgen  würde  [z.  B.  dafs, 
weil  die  Tränme  verschieden  von  dem  im  Wachen  Erlebteil  sind, 
auch  das  Subjekt  als  Träger  beider  nicht  das  nämliche  »ein  könne], 
tibrigens  wird  der  Lehrer  jene  Nichtübereinstimmung  der  VedAnta- 
texte  in  Betreff  der  Weltwirkuug  ins  Gleiche  bringen  in  dem  Ab- 
schnitte, welcher  anfangt  mit  den  Worten:   „Nicht  der  Äther,  weil 


230  Q&rinika-mlm&a8& 

,,kein  Schriftwort ^'  (Sütrom  2,  3,  1  fg.).  Eb  würde  aber  nicht« 
ausmachen,  wenn  jene  NichtübereinstimniDng  in  Betreff  der  Welt« 
wii'kung  wirklich  bestünde ,  weil  auf  sie  sich  die  Belehrung  gur 
nicht  erstreckt.  Nämlich  die  Schrift  hat  gar  nicht  die  Absicht, 
über  diese  mit  der  Schöpfung  beginnende  Weltausbreitung  eine 
Belehrung  zu  erteilen,  weil  weder  ersichtlich  ist,  noch  auch  irgendwo 
gesagt  wird  oder  auch  denkbar  ist,  dafs  irgend  etwas,  worauf  es 
für  den  Menschen  ankommt,  hiervon  abhängig  sei,  da  ja  doch  in 
den  auf  das  Brahman  bezüglichen  Worten  von  Anfang  bis  zu  Ende 
samt  .und  sonder»  Übereinstimmung  der  Lehre  sich  ergiebt.  Auch 
lehrt  die  Schrift  selbst,  dafs  die  Darlegung  der  Schöpfung  u.  8.  w. 
nur  den  Zweck  habe,  das  Brahman  kennen  zu  lehren,  denn  sie 
sagt:  „zu  der  Nahrung,  o  Teurer,  als  Wii'kung,  suche  als  Ursache 
„das  Wasser,  zu  dem  Wasser  als  Wirkung  suche  als  Ursache  das 
„Feuer,  zu  dem  Feuer  als  Wirkung  suche  als  Ursache  das  Seiende'^ 
(Chand.  6,  8^  4).  Auch  aus  den  Gleichnissen  vom  Thon  u.  s.  w. 
folgt,  däfs  die  Darlegung  der  Schöpfung  u.  s.  w.  nur  geschieht, 
um  die  Identität  ihrer  als  Wirkung  mit  der  Ursache  auszusprechen. 
375  ]  In  demselben  Sinne  äufsem  sich  auch  die  Kenner  der  Überliefe- 
rung, wenn  sie  sagen  (Gaudapäda,  Mändükya-karik&  3,  15): 

„Wenn  durch  den  Thon,  das  Kupfer  und  die  Funken* 
„Und  sonstwie  eine  Schöpfuog  wird  gelehrt, 
„So  ist  dies  nur  ein  Mittel,  um  zu  zeigen, 
„Dafs  keine  Vielheit  irgendwie. besteht.'^ 

Was  hingegen  das  Brahman  betrifft,  so  lehrt  die  Schrift,  dafs  aller- 
dings an  die  Erkenntnis  desselben  eine  Frucht  sich  knüpft,  wenn 
sie  sagt:  „wer  Brahman  erkennt  erlangt  das  Höchste^^  (Taitt.  2,  1), 
—  „wer  den  Atman  erkennt  übersteigt  den  Kummer"  (Chnnd.  7, 
1,  3),  —  «^er  ihn  erkannt  hat  äbei*steigt  den  Tod"  (^vet.  3,  8). 
Und  diese  Frucht  ist  schon  gegenwärtig  zu  erlangen;  denn  wem 
durch  die  Worte  „das  bist  du"  (Chänd.  6,  8,  7)  die  Erkenntnis, 
dafs  er  der  nichtwandornde  Atman  sei,  aufgegangen  ist,  für  den 
liai  sein  Bestehen  als  eine  wandernde  Seele  das  Ende  erreicht. 

Wenn  aber  ferner  von  dem  Gegner  oben  (p.  371)  behauptet 
wurde,  dafs  auch  in  Betreff  der  Weltursache  ein  Widerspruch  vor- 
liege, weil  es  (Taitt.  2,  7)  heifse,  „diese  Welt  war  zu  Anfang  das 
„Nichtseiende",  ho  bleibt  das  noch  zu  widerlegen.  Zu  diesem 
Zwecke  heifst  es: 


*  Chänd.  <i,  1,  4— 5:  „(Gleichwie,  o  Teurer,  durch  einen  Thouklumpän 

„alles,  was  aus  Thon  besteht,   erkannt  ist;   ,, gleichwie,  o  Teurer, 

„durch  einen  kupfernen  Knopf  alles  was  aus  Kupfer  besteht  erkannt 
„if.l",  u.  s.  w.  —  Mand.  2,  1, 1:  „Wie  aus  dem  wohlentflammten  Feuer  die 
„Flinken  '*  u.  s.  w. 


Satram  I.  iv.  15.  ^Sl 

15.    samdkaKshni 
wegen  der  Heranziehung, 

Wenn  es  lieifst:  „Nichtseiend  wai-  zu  Aiifaug  fliöMo  Welt*'  (Taitt. 
2.  7),  so  wird  liieroiit  nicht  ein  weRüplone:«  NichtBeiendes  für  die 
"WelturBache  erklärt;  denn  es  liieJ's  V(»rlier  (Taitt.  2,  6): 

,J)er  i8t  uur  ein  Kichtsciender,  wer  Brabniau  als  uichtiseicnd  weiis; 
.,Wer  Brahnian  weif's  als  Seiendes,  wird  dadurch  selh.st  ein  Seiender;*' 

liier  wird  unter  Verwerfung  der  Behauptung,  dalrf  [jsn  Anfang]  das 
^Nichtseiende  gewesen  sei,  |  das  durch  das  Merkmal  der  Existenz  37C 
gekennzeichnete  Brahman;  auf  Grund  der  [unmittelbar  vorhergehen- 
den J  Reihenfolge  der  [ihm  abgestreiffen]  Hüllen  des  nahrungs- 
artigeji  Selbstes  u.  s.  w.  (Taitt.  2»  1  —  5),  für  den  Atman  in  un.s  [diu 
innere  Seele]  erklärt,  und  nachdem  in  den  darauf  folgenden  Wor- 
ten: v.derselbige  begehrte*'  (Taitt.  2.  6)  eben  dieser  in  Bede  ste- 
hende Atman  wieder  herangezogen  M'^orden,  um  eingehend  zu  zeigen, 
wie  aus  diesem  die  Schöpfung  hervorgegangen,  und  dieses  wieder 
zusammengefafst  worden  in  den  Worten:  .,dioKps  nennen  sie  die 
„Realität *S  so  wird  mit  den  Worten:  „darüber  ist  auch  dieser 
„Vers"  mit  Bezug  auf  obi'U  jenen  in  Red«  stehenden  Gegenstaml 
der  Vers  beigebracht:  „nichtseieud  war  zu  Anfang  diese  Welt" 
(Taitt.  2,  7).  Ware  nun  in  <liesem  Verse  ein  wesenloses  Nicht- 
seiendes  zu  verstehen,  so  wäre  ein  anderes  das  |aus  dem  Vorher- 
e^ehenden]  Herangezogene  und  ein  anderes  das  [zu  «einer  Krlüutc- 
rung]  Beigebrachte,  und  die  Stelle  würde  H«nnit  oJme  Zusammen- 
hang sein.  Man  mnfs  daher  vielmehr  annehmen,  dafs  hier,  in 
Anbeti-acht  dafs  das  Wort  ,. das  Seiende*'  gewöhnlich  von  der  in 
Namen  nnd  (testalten  ausgebreiteten  Welt  der  [empirischen]  Dinge 
gebraucht  wird,  sofeiii  doch  diese  Weltausbreitnng  damals  noch 
nicht  vorhanden  gewesen,  in  uncige?itlicheni  Sinne  gesagt  wird, 
das  vor  der  Weltschöpfun«^  seiend  vorhandene  Hrahman  sei  gleich- 
sam ein  Nichtseiendes  geM'esen.  —  In  derselben  Weisse  ist  auch 
die  Stelle  zu  behandeln:  „diese  Welt  war  zu  Anfang  nichtseiend ** 
(Chand.  3.  19,  l),  sofern  [unmittelbar  darauf  zur  Erläuterung! 
die  Worte  herangezogen  werden:  ,.die«es  [  Mi  cht  seiende  |  war  das 
,, Seiende'*.  Denn  wäre  hier  ein  absolutes  Nichtsein  zu  verstehen, 
warunt  hiefse  es  dann  wohl  weiter:  ., dieses  war  das  Seiende V**  — 
Und  auch  wenn  es  heifst:  „da  sagen  nun  einige,  nichtseiend  sei 
„diese  Welt  zu  Anfang  gewesen**  (Chand.  G,  2,  1),  so  ist  in  dieser 
Anführung  der  Meinnntj  einiger  nicht  eine  Beziehung  auf  eine  an- 
dere Stolle  der  Schrift  auznnehraen,  du  ein  Wahlbelieben,  wie  e.s 
wohl    bei   vorgeschriebenen  Werken   stattfindet,    hier,    wo   es   jjich 


232  ^'ariraka-mimäüsa 

um  einen  wirklich  vorhandenen  Ge*(ünstand  handoji.  nicht  zuläiJBig 
ifit.  Nur  also,  um  die  von  der  Schrifc  angonommeno  Auffassung, 
dafs  das  Seiende  zu  Anfang  war,  zu  bestätigen,  wird  diese  von 
stumpfen  Geistern  aufgeatellto  Lehre  von  dem  Nichtseitinden  alb 
dem  Anfänglichen  angefübi't  und  widerlogt;  so  ist  es  anzunehmen. 
—  Ferner  wenn  es  heifst:  „diese  Welt  war  damals  nicht  entfaltet; 
„[ebendieselbe  entfaltete  sich  in  Nnnien  und  Gestalten]*'  (Brih. 
377  1,  4,  7),  so  ist  auch  hier  nicht  davon  die  Hede,  dafs  sich  die  Welt^ 
ohne  erkennendes  Subjekt  {adhtfdkshä)  aus  sich  heraus  entfaltet 
habe.  Denn  sogleich  darauf  heifst  es:  y^in  sie  ist  jener  [Atman] 
„eingegangen  bis  in  die  Nagelspitzeu  hinein^'  (Brih.  1,  4,  7);  hier 
wird  als  derjenige,  welcher  in  die  entfaltete  Weltwirkung  ein- 
gegangen sei,  das  erkennende  Subjekt  herangezogen.  Wäre  hier 
an  eine  Weltentfaltung  ohne  erkennendes  Subjekt  zu  dehken,  so 
müssen  wir  fragen,  wer  denn  wohl  durch  das  unmittelbar  folgende, 
auf  ein  Vorhererwähntes  sich  beziehende  Pronomen  „jener"  als 
derjenige,  welcher  in  die  entfaltete  Weltwirkung  eingegangen  sei, 
herangezogen  werden  solle?  Ja,  auch  die  Schrift  sagt,  dafs  dies 
von  dem  Eingehen  des  geistigen  Atman  in  den  Leib  zu  verstellen 
sei,  indem  sie  die  Geistigkeit  des  Eingegangenen  bezeugt  in  den 
[weiter  folgenden]  Woi^eu:  ,,als  sehend  heifst  er  Auge,  als  hörend 
„Ohr,  als  verstehend  Verstand"  (Brih.  1,  4,  7).  Auch  ist  zu  schlie- 
fsen,  dafs  ebenso  wie  sich  die  Welt  heute  noch  nur  unter  Voraus- 
setzung eines  erkennenden  Subjektes  {itdhyaksha)  zu  Namen  und 
Gestalten  entfaltot  [d.'  h.  ebenso  wie,  nach  Kants  Worten:  „wenn 
„ich  das  denkende  Subjekt  wegnehme,  die  ganze  Körperw(;lt  weg- 
„fallen  mufs"],  ebenso  dieses  auch  bei  der  Anfangsschöpfung  ge- 
wesen sei,  denn  es  ist  unzulässig,  eine  der  [unmittelbaren]  Er- 
fahrung widerstreitende  Annahme  [für  die  Urzeit]  aufzustellen. 
Und  auch  eine  andere  Schrittstelle:  „icb  will  mit  diesem  lebenden 
„Selbste  [der  individuellen  Seele]  in  sie  eingehen  und  aus- 
„einanderbreiten  Namen  und  Gestalten"  (Gfaand.  6>  3»  3)  lehrt,  dafs 
nur  vermittelst  des  erkennendeii  Subjektes  die  Ausbreitung  der 
Welt  vor  sich  gegangen  ist.  —  Wenn  endlich  auch  die  Foi'iii  des 
Verhum  finihun  in  dem  Ausdrucke:  „die  Welt  entfaltete  sich-* 
den  Thät<^r  der  Handlung  [eigentlich]  schon  einschliefst«  so  ist 
dies  doch  dahin  aufzufassen,  dafs  die  Leiclitigkeit ,  mit  der  die 
Welt,  natürlich  unter  Voraussetzung  des  höchsten  Gottes  als  l'hä- 
'terM,  sich  entfikltete,  darin  ausgesprochen  liegt,  ähidich  wie  in  dem 
Ausdrucke:  „das  Feld  mäht  sich 'S  aFs  geschah«^  es  von  selbst,  na- 
türlicJi  ein  mälicndf*«  Subjekt  vai  crgänzLii  int.  —  Oder  auth  mnu 
kann  annehnitjn,  dafs  dirso  [rtiflexive]  Vorbullorm  |  nicht  den  Thillvr 
schon  L'inschlief^t,  ßoudern]  nur  die  IluiidUiug  «lusiUiickt,  und  «lufs 
der  durcii  die  Sache  gebotene  Thätor  dabei  stilli<i'hweigeud  vorauh- 
gcpotzt  wird,  ähnlich  wie  in  dem  Ausdrucke;  „die  Dorfätrafse  be- 
.,lebt  sich"  [die  dioseU»«  belebenden  iMenschen|. 


SiUrani  I.  iv.  U'u  235 

Fünft €9  A  dhikn  ra  n  a  in . 

10.    jafjad'Vfkilvad 
weil  es  die  Welt  bedeutet.  378 

foi  Kaushiiaki-lir&hnianam  hei  ist  es  in  dvv  Uiituiredung  zwi- 
aalivii  Balaki  und  Ajatayatru:  „der,  fürwahr,  o  Duiriki,  wulcher 
,.der  Macher  jener  [von  dir  erwähnten]  Geister  int,  ja  (ra)y  desucn 
,,Oeraächte  dieses  hier  ist,  der  fürwahr  mufs  irforacht  werden*' 
(Kaush.  4,  19^.  Es  erhebt  sich  ditj  Frage,  oh  als  das  zu  Erfor- 
sclieude  hier  die  individuelle  Seele  bezeichnet  wird  oder  de»* 
Mukhya  Prana  (Hauptlebensodem)  oder  der  höchste  AtmanV  An- 
geDoiamen  also,  *es  sei  der  Lebensodem  (präuu)  »eniehit;  warum V 
•Weil  68  heilst:  „dessen  Gemachte  < Wirkung)  dieses  hier  ist",  und 
*weil  die  in  der  [Körper-]Bewegüng  liegende  Wirkung  von  dem 
'Lebensodem  ausgeht;  auch  wird  im  Verlaufe  in  den  W^orten  „dann 
•,,wird  er  in  diesem^ Lebensodem  zur  Einheit"  (Kaush,  i,  20)  das 
•Wort  Lebensodem  (prana)  erwähnt,  und  dieses  Woit  bezeichnet 
^in  der  Regel  den  Hauptlebensodem  (imikhya  ii^ma).  Hierzu 
'kommt,  dafs  die  von  Bal&ki  vorher  als  der  Geist  in  der  Sonne, 
*der  Geist  in  dem  Monde  u.  s.  w.  bezeichneten  Geister  ebenfalls 
'ein  Gemachte  des  liebeusodems  sind,  indem  die  Gottheiten  der 
*Sonne  (Aäiti/aJ  u.  s.  w.  specielle  Standorte  dct  Lebensodenis  sind, 
^wie  an«  einer  andern  Schriftstelle  bekannt  ist,  in  der  es  heifut: 
'„Welche»  ist  der  eine  Gott?  —  |  Das  Leben  (pnma)^  so  sprach  379 
'.,er,  dieses  nennen  sie  das  Brahman'*  (Brih.  3,  9,  9).  —  Oder  man 
*kaoa  annehmen,  dafs  es  die  individuelle  Se«le  ist,  welche  hier 
'als  dwi  zu  Erforschende  bezeichnet  wird,  und  dafa  unter  ihrem 
'Gemüdite  die  .guten  und  bösen  Werke  zu  verstehen  sind.  Und 
'wenn  es  keifst:  „dessen  Gemachte  dieses  hier  ist'',  so  kiuni  -eben 
'dieselbe,  weil  sie  der  Geniefser  ist,  als  der  Macher  jener  zum 
'Gf^nuHse  mitbehüliliclu'n  Geinter  betrachtet  werden.  Und  auch 
'weiterhin  findet  sich  noch  ein  Merkmal  der  indiyidaellcn  Seele; 
'nämlich  nachdem  BMAki,  um  den  als  da8  zu  Erforschende  hin- 
'gestellten  „Macher  jener  Geister''  zu  erfahren,  ein  Schüler  des 
'Ajata^atru  geworden  ist,  wird  von  tUesem,  um  es  zu  lehren,  ein 
sS(*hlafeuder  angerodet :  und  nnehdem  daraus,  d^fs  er  den  Ton  der 
*Anrede  nicht  vornimmt,  bewiesen  worden,  dafa  die  Sinnesorgane 
'(ftrmäh)  u.  6.  w.  niclit  da.s  Geniefsejuk'  [Empfindende |  sind,  so 
*zeigt  der  König  AjAtavatrn  woitrr  dadurch,  dafs  er  <lcn  Schlafen- 
'den  durch  einen  Stockschiag  aufweckt,  <lafs  die  von  den  Sinn«»- 
'organcn  u.  s.  w.  verschiedene  individuelle  Seele  der  Geniefser 
'[Empflnderj  ist.     Ebenso  findet 'sich  weiterhin    noch   ein  Merkmal 


234  (;ftrirÄk»-mtm*i"iiä 

'der  individuelleu  Seeld,  wenn  t-s  kcifüt:  ., darum,  wto  der  Pricripal 
'„durch  seine  Leut«  nich  nfthrt,  odor  wif  die  LkuI«  den  IViiicipal 
'„emAhrvii ,  £u  auch  nührt  sich  dieKeti  ErkenntniBsulIiat  cliin:h  jent; 
'„Sulhste,  m  emUwen  jmo  Si>lbst<'  dieses  SelVei"  (Kmibli.  4,  201.  | 

380  VAuch  ist  die  Ik-zvichniuig  der  individuell eu  Seele  rIs  I.ehiMisodem 
^(prätja)  j'twütnd,  weil  aif  die  Trftgeiin  der  Lebens oigniie  (prüttiik) 
'ist.  Somit  mul's  niun  hier  entweder  die  individu>:l1i;  Scelu  oder 
'nuch  den  HauptlebeuBodem  vorstehen,  nicht  aber  den  böchHteii 
'(lott,  weil  sich  keine  Merkmitlc  dieses  l«tist«ron  voi-finden.'  — 

Auf  diese  Annahme  untwurten  wir  wie  folgt.  Kur  der  höchst^) 
(toll  Iconi)  unter  dem  „Muclier  jener  Geister"  Tci'stsudun  werd«n ; 
waruraV  wegen  des  Yornohniens  der  Stelle.  Nändich  das  Vorneh- 
men unserer  Sti^lle  geht  dithiii,  daf»  Bälüki  en  unternimmt,  sicli 
mit  dem  Ajäta^atru  zu  unterreden,  nra  ihm  dos  Bndiman  zu  er- 
klären; aber  nachdem  er  einige  auf  die  ^nno  u.  e.  w.  Bezug  hii- 
bende,  nur  der  Veranschaulichung  des  un eigentlichen  Brahmaii 
flies  iimukht/a'brahuia"  wie  H80,  9]  dienenden  Geister  genannt  hat, 
Ri)  Fuhweigt  er  still,  und  nuu  ist  en  Ajätaeatru ,  welcher,  nachdem 
er  mit  den  Worten:  „uuihoust  also  hiuit  du  nüch  sur  Unterredung, 
„um  mir  das  Brnhmnn  xv  erklilreu,  »ufgcfurdort "  (samttpä'lai/ish- 
fbiifi-,  Tank,  liest:  miin'adishß&di),  seine  Erklärungen,  als  nur  das 
uneigentlich 0  Tti'shuian  betreffend,  abgewiesen  (Kiiush.  4,  19),  es 
unternimmt,  einen  andern,  niimlieli  den  ..Maclior"  Jener  [von  Bäläki 
genannten  Geister]  als  denjeidgen,  :inf  dessen  Krforschung  es  an- 
komme, xur  S]<i-nchc  XU  hringitn.  Wenn  imn  auch  dieatT  wiedi;r 
nur  der  Vurati^idiaulichung  des  uiieigenl liehen  Urfthman  diuut«,  i>u 
würde  dat  Vornehmen  der  Stelle  nicbt  «ur  Vorwirklinhung  ge- 
langen; darum  kaini  hii^r  nur  der  höchste  Gott  verstanden  werden. 
Und  auch  als  „Macher  jener  Geister"  kann  in  voller  Unhediugt- 
heit  kein  andfirer  bAh  der  hücl)^te  <iott  beaeicbnot  Wurden.  Femer 
wenn  es  hcifHt:  ;, dessen  üi'miiehle  (Wirkmiffl  dieses  hier  ist",  so 
kann  hiermit  weder  auf  die  Wirkung  der  [K  lirper-JKewegnng  nuch 

;if)l  auf  ü'if  des  Guten  und  Itriseii  |  hingewiesen  werden,  indem  weder 
dies«  nuch  jene  in  Rede  steht  oder  aneh  nur  erwähnt  wird.  Eheu- 
Hu  wenig  kann  damit  fmit  den  Wortim  „dieses  hier")  auf  diu 
-  „Geister"  hingewiesen  werden,  indem  auf  diese  wlion  durch  dii- 
vorhergehenden  Worte:  -.welcher  di'r  Mnehei-  jener  Geister  ist- 
hingewiesen  worden  war.  anch  /u  ihnen  das  liier  gebrauchte  Octtus 
|fie«/rttfft]  nicht  stimmen  würde.  Endlich  kann  nuch  [unter  den 
Worti-n  ..dieses  hier"]  nicht  das  auf  die  Geister  bezügliche  Madien 
oder  die  Kracht  dieses  Alachens  verstanden  werden,  indem  beiden 
schon  in  dem  W<!i-tH  „Macher"  cinbegnffen  ist.  Somit  bleibt  übrig, 
daffl  man  nnter  dem  Pronomen  „diesen  hiei-"  {vtnif)  die  in  der  An- 
schauung unmittelbar  vorlictreude  Welt  verstehon  mufs;  nnd  eben 
diese  heilst,  sofern  sie  gemacht  wnrde,  ein  „Gemächt-e"'.  —  'Aber 
'auch  von   der  Welt  gilt  ja  doch,   dal's  .sie  „nicht  in   Rede    steht 


86traai  I.  iv.  16.  235 

S^oder  auch  nur  erwähnt  wird"!*  —  Ganz  re.cht!  ab«r  bei  dem 
Fehlen  einer  specielleu  Bestimmaug  kann  durch  den  allgemeinen 
Ausdruck  [,,dieBe8  biei**^]  wegen  der  [in  ihm  liegenden]  Verweisung 
auf  etwas  Naheliegendes,  nur  auf  einen  in  der  N&he  vorkommen- 
den Gegenstand  hingedeutet  werden,  und  doch  kann  dieser  nicht 
in  irgend  etwas  Speciellem  bestehen,  da  etwas  Specie]les  [worauf 
dieser  Ausdruck  passen  könnte]  nicht  vorhergeht.  Da  nun  ferner 
im  Vorhergehenden  von  den  Geisteiii,  welche  nui*  einen  Teil  der 
Welt  ausmiichen,  speciell  die  Rede  war,  so  folgt,  dafs  hier  die 
Welt  selbst,  ohne  weitere  Einschränkung  auf  etwas  Specielles,  ver- 
t^tanden  wm*den  mnfs.  Der  Sinn  des  Ganzen  also  ist  folgender: 
„derjenige,  welcher  der  Macher  jeuer  einen  Teil  der  Welt  aus- 
^machenden  Geistor  ist,  —  ja,  wozu  diese  Einschränkung!  —  er, 
„dessen  Gemachte  diese  ganze  (lies:  hfiisnani)  Welt  ohne  Unter* 
„schied  ist  [der  ist  zu  crrorschen]^^  Das  Wort  „ja"  [vd  in  vai- 
tad=:vd  etad]  hat  dabei  den  Zweck,  der  Vorstellung  eines  auf 
einen  einzelnen  Teil  [der  Welt]  eingeschränkten  Machersdns  ent- 
gegenzutreten. Hierbei  werden  die  von  Baläki  füi*  das  Brahmaii 
gehaltenen  |  und  als  diesen  ausgegebenen  (reister,  um  zu  zeigen,  '^^'^ 
flafs  sie  nicht  Brahmuii  sind,  zu  besonderen  Bestimmungen  [des 
Brahmau]  herabgesetzt,  und  so  —  wie  wenn  man  neben  dem  Brah- 
manen  noch  den  Pilgeimönch  [der  selbst  nur  ein  Brahmane  ist] 
erwähnt,  —  wird  der  Macher  dieser  Welt  im  Ganzen  und  [da- 
neben noch]  im  Einzelnen  als  dasjenige  hingestellt,  welches  man 
erforschen  müsse.  Dafs  aber  der  Macbcr  der  ganzen  Welt  der 
höchste  Gott  ist,  wird  in  allen   Veduutatexten  bestätigt. 


17.   ßva-rnukhi/iipräna-linyän  na!    iti  cet*^    iad 

vyäkhyiitam 

wogen  der  Merkmale  der   individuellen  Seele  und  des 
jVlukhyfi  Pruna    nicht,    meint  ihr?      Darüber    ist   ge- 
handelt worden. 

Noch  wurde  behauptet,  dals  man  wegen  des  im  Verlaufe  der 
Stelle  vorkommenden  Merkmales  der  individuellen  Seele  und  wegen 
des  Merkmales  des  Mukhya  Prana  (Hauptlebeusodems)  nur  eins 
von  diesen  beiden  hier  verstehen  dürfe,  nicht  aber  den  höchsten 
(iott;  diese  Behauptung  ist  noch  zu  erledigen.  Die  Antwort  lautet: 
sie  ist  schon  erledigt  und  zwar  durch  die  Stelle:  „wegen  der  Drei- 
.,fachheit  der  Verehrung,  wogen  des  ßeziehens  und  weil  auch  hier 
„Verbindung  mit  ihm''  (Sutraiu  1,  1.  31).  Nämlich,  wäre  dem  so, 
so  würde  hier  eine  dreifache  V'erehrung  statthaben,  eine  Verehrung 


236  ^ftrtrftkft-mimiugk 

der  iDdividuellen  8uele,  Aas  Mukhya  Präna  und  des  BraliniBn;  das 
gellt  sber  uicht  ad,  denn  aus  dem  Anfaiige  und  dem  Ende  tkvr 
Slolte  ei'giflbt  licli,  daÜE  aie  sich  auf  Uruliman  be;£ioht.  Dafs  su- 
uftchst  der  Anfang  eich  auf  Brabmaii  bezitsht^  haben  wir  ecfauu 
erwiesttn;  aber  aucb  das  Ende  mufa,  weit  in  Uun  ein  unUbcrtraff- 
lieber  Lohn  verlieifson  wird,  sieb  auf  Brafatnan  bezie)ien',  wenn  es 
huiftrt:  „alles  übel  acbtägt  ab,  über  alle  Wesen  erlangt  Principalitüt, 
I  „Aut«aomic,  Oberherrlichkeit,  j  wer  solches  weifs"  (Kauah.  1,  20)-  — 
'Aber  int  nicht  unter  diusen  Umst&nden  durch  die  Ei'klttrung  def 
'Stelle  Ton  Fratardana  (Sütram  1,1,  26 — 31)  die  gegenwärtig. 
'Steilo  schon  miterkUrt  i"  —  Doch  niubtl  sundurn  woil  betreffs  der 
Worte  „ja,  deKsen  Gemachte  dieseti  liier  ist"  die  IlBziefaaug  auf 
Bridimark  dort  noch  nicht  feBtgestelH  worden  war,  dai-um  wird  hier 
der  nochuials  nicb  erlebende  tiedanka  an  die  individuelle  Seele 
uud  den  Hukhya  Präija  widerlegt.  Dafs  übrigens  auch  da«  [Kaush. 
4,  20  gebrauchte]  Wort  Prä^a  sich  auf  Brahman  beaiehen  kann, 
eraieht  man  aa>  der  Stelle  „denn  der  I'räna,  o  Teurer,  ist  die 
„BindungBstattu  des  Manns"  (Chänd.  6,  8,  1).  Wog  endlich  das 
Merkmal  der  individuellen  Seele  bctiiffl,  welches  ku  Anfang  und 
Knde  der  Stelle  sich  vorfindet,  so  kann  uiitn  seine  Verwendung 
ht^i  dem  Brahman  damit  reclitfertigeii ,  dnfs  dadurch  die  IdeBtitüt 
[des  Brahmau  uud  der  Seele]  angedeutet  werden  soll. 


18.    iintfa-ariitan  tu  Jaimirüh,    pra^mi-vifiikhlfän^liyäm; 
api  ca  evam  ehe. 

vielmehr  um  des  andern  vriUen,  meint  Jaimmi,  wegen 
der  Frage  und  Darlegung;   auch  [lesen]  bo  einige. 

f^biigcDB  bruucht  man  hier  gikr  nicht  darüber  zu  streiten,  ob 
an  dieser  Stelle  diu  iudivtduelle  Sfiele  oder  das  UrahuDin  gemeint 
sei,  weil,  wiä  der  Lehrer  Jaimiiii  behauptet,  die  Erwähnung  der 
individuellen  Sude  an  dieser  Stelle  gt-schieht  „um  des  aoderu 
„willen",  d.  h.  um  der  Darlegung  des  Drahmau  ivillen;  warum? 
„Wogen  der  Frage  nnd  Darlegung"  Erstlich  also  wegen  der 
frage;  denn  wenn  ex  auch  zunsi^hst  die  über  die  LebeuBOT^ane 
hin  nun  liege  »de  individuelle  Seelü  ist,  welche  boiin  Aufwecken  des 
iSchlalcnden  geweckt  wird,  so  findet  aicli  doch,  dafs  das  hier  Ge> 
meinte  auch  noi-b  Aber  die  individuelle  Seele  hinausliogt,  weuii  es 
hnifst  (Kau^h.  4,  19):  -wo  weilte,  u  B»14kt,  jetst  eben  dieser 
,.MaDn'.'  wo  war  alleH  dicseh  Fan  ihmj^u'oher  ist  ee  gekommen';''' 
—  und  dafür  spricht  zweitens  auch  din  Antwort,  wenn  in  der- 
selben   gesagt    wird:    „wenn    der    EinguHchtafene    kciu    Traiunbiltl 


Sfttran  I.  iv.  18.  237 

„schaut,  I  dann  int  er  in  dieRetn  Präl^a  znt  Einheit  geworden*',  3S4 
und  weiter:  ,^  «ntspviiigen  aas  diesem  Ätman  alle  Lebensorgane, 
,Je  nach  ihr^n  Standorte:  aus  den  Liohensorgaiien  die  Götter,  aus 
„den  Göttern  die  Welten"  (Kaush.  4,  20);  es  ist  n&nilich  das  höchst^' 
Brahma^,  mit  welchem  im  Tiefschlafe  die  individnelle  Seele  zur 
Einheit  zusammengeht,  und  das  höchste  Brahman,  aus  welchem, 
flach  den  Chrutidsätzen  des  Veduuta,  die  Leheiisorgane  und  die 
ganze  Ührige  Welt  wieder  hervorgehen.  Dasjenige  hIro,  in  wel- 
chem der  Ton  allem  Wachen  freie,  reine  Schlaf  der  individuellen 
Seele  als  ihre  von  der  Erkenntnis  der  durch  die  Up^dhi's  beding- 
ten Unterschiede  befreite  Eigennatur  zur  Geltung  kommt,  und 
woraus  ihre,  im  Verluste  jener  Eigennatur  bestehende  Wiederkehr 
stattfindet,  dieses  wird  hier  als  der  höchste  Atman  zu  erforschen 
anbefohlen.  „Auch  [lesen]  so  einige"  Vedalehrer,  nämlich  die 
Vrijasaneyin^s,  indem  sie  in  dieser  Unterredung  zwischen  Bäläki 
und  Aj4tacati*u,  nachdem  sie  die  individnelle  Seele  geradezu  mit 
dem  Worte  „die  erkennthisartige"  namhaft  gemacht  haben,  sodann 
den  Abel  sie  hinftusliegenden  höchsten  Atman  erwähnen.,  wenn  es 
weiter  bei  ihnen  heifst:  „was  jener  erke|intnisartige  Geist  ist,  wo 
„war  der  jet^t,  woher  ist  er  jetzt  .|  gekommen?"  und  als  Antwort  385 
darauf:  „der  Kaum,  der  da  inwendig  im  Herzen  ist,  darin  liegt 
„er"  (gatap.  br.  14,  5,  1,  16—17  =  Brih.  2,  1,  16—17).  Denn 
dafs  dfui  Woit  „Raum"  von  dem  höchsten  Atman  gebraucht  wird, 
e^hen  wir  -auch  in  der  Stelle:  „inwendig  darinnen  ist  ein  kleiner 
„Raain^'  (Ch&nd.  8,  1,  l)i  und  wenn  es  am  angeführten  Orte  weiter 
heifst:  ,,aus  ihm  entspringen  alle  diese  Selbste"  (^'atap.  br.  14,  5, 
1,  23  nicht  Brih.  2,  1,  20),  so  ist  aas  der  Behauptung,  dafs  die 
mit  den  Upadhi^s  behafteten  Selbste  aus  einem  andern  entspringen, 
die  Erklärung  zu  entnehmen,  dafs  ihre  Ursache  der  höchste  Atman 
ist.  Znr  Widerlegung  der  Ansicht  aber,  dafs  der  [Mukhya]  Pr&na 
hier  gemeint  sei ,  dient  zum .  Oberflusse  die  Verweisung  auf  ein 
über  den  Präi^a  und  die  übrigen  [Lebensorgane]  Hiuausliegendes. 
welche  dn^ch  die  lliatsache  der  Aufweckung  des  Schlafenden  selbst 
gegeben  wird. 


ifcf^ftfifes  A  dhihirn  nam. 

1 !).    vAJtya  -  anvayat 
w^en  des  Zusammenhanges  der  Stelle. 

Im  Brihadilraityakam  heifst  es  in  dem  Abschnitte  von  der  Mai- 
treft  (B|*ih.  2.  4,  parallel  mit  4,  5):  «fürwahr,  nicht  um  des  Gatten 


238  CÄiiraka-mlroiiü«& 

„willen",  und  wie  es  weiter  geht,  —  „turvahr  nicht  um  des  Welt- 
„alls  willen  ist  das  Weltall  lieb,  sondern  um  des  Selbstes  willen 
,4St  das  Weltall  lieb;  das  Selbst  fürwahr- soll  man  sehen,  hören, 
„verstehen  und  erforschen,  o  Maitreyi,  wer  das  Selbst  sieht,  hört, 
'  „versteht  und  erkennt,  der  weifs  diese  ganze  Welt"  (Brih.  2,  4,  5). 
Hier  kann  man  zweifeln,  ob  unter  dem,  was  man  sehen,  hören 
u.  8.  w,  soll,  die  individuelle  Seele  oder  der  höchste  Atman  zu 
verstehen  ist.  Woher  nun  wieder  dieser  Zweifel?  Weil,  dem  Ein- 
gänge der  Stelle  zufolge,  wegen  des   dort  durch  jas  Wort  „lieb'' 

38G  gekennzeichneten  |  Selbstes  als  eines  geniefsendeu,  es  scheinen  kann, 
als  werde  damit  auf  die  individuelle  Seele  hingewiesen;  während 
hinwiderum  darin,  dafs  mit  Erkenntnis  des  Selbstes  alles  erkannt 
sein  soll,  ein  Hinweis  auf  den  höchsten  Atman  liegt. 

Angenommen  also^  'es  handele  sich  um  die  individuelle  Seele; 
^ warum?  wegen  des  Einganges;  denn  wenn  gleich  im  Eingange 
'durch  die  Bemerkung,  dafs  der  Gatte,  die  Gattin,  der  Sohn,  der 
'Reichtum  u.  s.  w.,  kurz  dafs  die  ganze  als  Objekt  des  Genjefsens 
'vorhandene  Welt  um  des  Selbstes  willen  lieb  sei,  das  durch  das 
'Wort  „lieb"  als  der  [individuelle]  Geniefser  gekennzeichnete  Selbst 
'vorkommt,  und  hierauf  sofort  zu  jenem  Sehen  u.  s.  w.  des  Selbstes 
'aufgefordert  wird,  auf  welches  andere  Selbst  (als  die  individuelle 
'Seele]  könnte  dieses  sich  beziehen?  Ferner  gegen  die  Mitte  hin 
'heifst  es:  „dieses  grofse,  endlose  uferlose  Wesen,  aus  reiner  Er- 
'„kenntnis  bestehend,  erhebt  sich  aus  diesen  Kreaturen  und  geht 
'„wiederum  mit  ihnen  zu  Grunde;  nach  dem  Tode  ist  kein  Be- 
'„wufstsein"  (Brih.  2,  4,  12);  hier  wird  von  eben  jenem  vorher  er- 
' wähnten  grofsen  Wesen,  von  dem  es  geheifsen  hatte,  man  solle 
'es  schauen,  gesagt,  dafs  es  sich  in  Gestalt  der  individuellen  Seele 
'aus  den  Wesen  erhebe,  und  hieraus  folgt,  dafs  es  sich  dabei  nur 
'um  eine  Aufforderung,  die  individuelle  Seele  zu  schauen,  handelte. 
'Ebenso  wenn  es  heifst:  „wie  sollte  man  doch  den  Erkenner  er- 
'., kennen"  (Brih.  2,  4,  14),  so  beweist  dieser  Beschlufs  (lies:  upa- 
^satfiharanaffi)  mit  einem  das  Thätersein  bezeichnenden  Worte,  dafs 
'hier  nur  die  individuelle  Seele  gemeint  ist,  und  dafs  man  folglich 
'den  Satz,  „durch  Erkenntnis  des  Selbstes  sei  alles  erkannt",  un- 
'eigentlich  davon  zu  verstehen  hat,  dafs  alles  als  Objekt  des  Ge- 
'niefsens  Vorhandene  um  des  Geniefsers  willen  da  ist.' 

Auf  diese  Annahme  erwidern  wir,  dafs  es  vielmehr  eine  Hin- 
weisung auf  das  höchste  Selbst  ist,  welche  hier  vorliegt;  warum? 
„wegen  des  Zusammenhanges  der  Stelle".  Nämlich  wenn  man  den 
Zusammenhang  der  Stelle   nach  Früherem  und  Späterem^  erwägt,  | 

387  so  zeigt  sich,  dafs  ihre  einzelnen  Teile  einen  auf  den  Atman  be- 
züglichen Zusammenhang  ergeben.  Wir  wollen  zeigen  in  welcher 
Weise.  Nachdem  Ydjnavalkya  erklärt  hatte:  „auf  Unsterblichkeit 
„aber  ist  keine  Hoffnung  durch  Reichtum"  (Brih.  2,  4,  2),  so  er- 
widerte Maitreyi;    „wodurch  ich  nicht  unsterblich  werde,  was  soll 


Süüam  1.  IV.  19.  2S9 

„ich   daroit  thun?  ttäle   mir  lieber,  o  Herr,   daä  WisBen  mit,  wel- 
sches da  besitzest**  (Brili.  2,4,3);  und  nachdem  sie  durch  diese 
Worte  ihrcD  Wunsch  nach  der  Unsterblichkeit  kund  gegeben  hat, 
so   erteilt  ihr  darauf  TAjnavalkya  die  Belehrung  über  den  Atmaii. 
Es  ist  aber  die  Unsterblichkeit  nicht  anders  zu  erlangen  als  durch 
die  Erkenntnis   des  .höchsten  Ätman,  wie   die  Lehren   sowohl   der 
Schrift   als   auch    der   Smriti  bekunden.     Ferner,  wenn   es    heilst, 
dafs  man  durch  Erkenntnis  des  Atman  alles  erkannt  habe,  ko  kann 
dies  in  vollem  Sinne  nur  von  der  Erkenntnis  der  höchsten  Welt- 
ursache  gelten;   es  ist  aber   nicht  zulässig,   sich   damit  zu  helfen, 
dafs  man  diese  Stelle  in  uneigentlichem  Sinne  nimmt,  weil  sofort, 
nachdem  in   der  Erkenntnis  des  Atman   die  Erkenntnis   von  allem 
in  Aussicht    gestellt  worden    war,    in   dem  nächstfolgenden   Satze 
eben  jene  [höchste  WeltursacheJ   dargelegt  wird   in   den   Worten: 
„der  Brahmanenstaud  schliefst  den  von  sich  aus,  welcher  den  Brah- 
„manenstand   auf  serhalb  des  Atman  weifs*^  u.  s.  w.  (Brih.  2,  4,  6): 
d.  h.  wer   die  Welt,  bestehend  aus  Brahmauen,  Kiiegeni  u.  s.  w., 
so  ansieht,   als  habe    sie   aufserhalb   de»  Atman   durch   sich   selbst 
ihre  Existenz,    der    ist    im    Irrtum,  und    ihn    schliefst    eben    die 
von  ihm   img  aufgefafste  Welt,   bestehend  aus  Brahmanen,   Krie- 
gern u.  8.  w.,  von  sich  aus.    Und  nachdem  liierdurch  die  Annahme 
einen  Vielheit  verboten,  so  folgen  die  Worte:    „diese   ganze  Welt 
„i«t,  was  dieser  Ätman  ist"  (Bfih.  2,  4,  6J,  welche  lehren,  dafs  die 
ganze   objektive  Welt  nicht  aufserhalb   des   Atman  besteht.     Und 
eben   dieses  ihr  Inbegriffen  sein   in   dem  Atman  wird  weiter  durch 
die  Gleichnisse   von  der  Trommel  u.  s.  'w.   be<«tätigt.     Auch   wenn 
es  weiter  heifst:  „aus  diesem  grofsen  Wesen  ist  ausgehaucht  wor- 
"den  I  der  Rigveda"  u.  s.  w.  j[Brih.  2,  4,  10  und  4,  6,  11),  so  wird  388 
hiermit   der  vorhererwähnte  Atman   für  die  Ursache   der  Weltaus- 
breitung    in  Namen    [„der  Rigveda  ^^  u.  s.  w.j,    Gestalten    [„diese 
Welt"  u.  s.  w.,  nur  Brih.  4,  5,  11]  und  Werken  |„was  man  opfert** 
u.  s.  w.,  nur  Brih.  4,  5,  11]  erklärt,   und  dies  «beweist,    dafs   diuv. 
unter  nur  der  höchste   Atman   verstanden   werden  kann.     Ebenso 
wird  weiter  in  der  Stelle  von  dem  Einiglingsorte  (Brih.  4,  5,  1 2 — 
13)  für   deB  Einigungsort ^^  dieser  Weltausbreitung  mitsamt  Objek- 
ten,  Sinnen  und  Innenorgan  dasjenige  erklärt.,  was,  „ohne  Inneres 
„und   ohne  Aufseres,   durch  und   durch  ganz    aus   Erkenntnisstoff 
„besteht",  und  auch  dieses  beweist,  dafs  unter  jenem  [Selbste]  nur 
der  höchste  Atman  gemeint  sein  kann.     Somit  folgt,  dafs  die  liier 
vorliegende  Anleitung,    zu  sehen,    zu  hören  u.  s.  w.,  sich  auf  den 
höchsten  Atman  beziehen  mufs.     Wenn  hingegen  behauptet  wuvdo, 
dafs  diese  Anleitung  zu  sehen  u.  s.  w.,  weil  mit  der  Kennzeichnung 
de»  Selbstes  durch  das^Wort   „lieb"   begonnen   worden    war,   sich 
auf  den   individuellen   Atman   beziehen   müsse,  >  so    antworten    wir 
hierauf: 


240  giirtraka-mlmins^ 

20,    pratiinä-siddher  lihffam  Agniarathyah 

als  Zeichen  der  Bewährung  der  Verlieifsung ,  meint 

Agniarathya, 

Es  ßndet  sich  in  unserer  Stelle  die  Verlieifsung ,  dafs  darch 
die  Erkenntnis  des  Atman  diese  ganze  Welt  erkannt  werden  aolle 
(ßrih.  2,^4,  5),  wie  es  denn  auch  heifst:  „dieses  Weltall  ist  was 
„dieser  Äiroan  ist'*  (Brih.  2,  4,  6).  Es  ist  die  Bewährnng  dieser 
Verheifsung,  welche  angedeutet  wird  durch  das  Zeichen,  dafs  [mit 
allem  andern  auchj^  der  durch  das  Wort  „lieb"  gekennzeichnete 
[also  individuelle]  Atman  hier  als  das,  was  man  sehen  u.  s.  w. 
solle,  erw&hnt  wird.  W&re  nämlich  der  individuelle  Atman  von 
dem  höchsten  verschieden^  so  wftre,  auch  nach  Erkenntnis  des 
höchsten  Atman,  damit  der  individuelle  Atman  noch  nicht  erkannt, 
und  die  Verheifsung,  dafs  durch  P^rkenntnis  dos  einen  alles  er- 
kannt werden  solle,  würde  sich  nicht  bewähren.  Somit  findet  um 
der  „Bewährung  der  Verheifstmg"  willen  der  Ausgang  von  dem 
Punkte  aus  statt,  wo  die  individuelle  und  die  höchste  Seele  in 
eins  zusammenfallen:  so  meint  der  Lehrer  Acmarathya. 

389         3J,    lithramishyatd*  evam-hhävad,  iü  Audulomih 

weil  Rie  hei  ihrem  Auszuge   dazu  werden  wird, 

raeint  Audulomi. 

Weil  eben  die  individuelle,  durch  die  Berührung  mit  dem  Ag- 
gregate der  Upädhi's  von  Leib,  Sinnen,  Manas  und  Buddki  be- 
fleckte Seele,  naclidem  sie  dnrch  Betreiben  der  Hoilsmittel,  wie 
Ernennen,  Meditieren  u.  s.  w. ,  zur  Ruhe  gekommen,  ,»'bei  ihrem 
„Auszuge"  aus  dem  Aggpregate  des  Leibes  u,  s.  w.,  mit  dem  höeh* 
sten  Atman  zur  Einheit  gelangen  wird ,  deswegen  nimmt  unsere 
Stelle  ihren  Ausgangspunkt  von  der  Einheit  beider;  so  meint  der 
Lehrer  Audulomi;  und  dem  entsprechend  sagt  auch  die  Schrift: 
,.so  auch  erhebt  sich  diese  Vollbernhigung  aus  diesem  Leibe,  gehet 
„ein  in  das  höchste  Licht  und  tritt  dadurch  hervor  in  eigener 
„Gestalt"  (Chänd.  8,  12,  3);  und  an  einer  andern  Stelle  wird  durch 
das  Gleichnis  von  den  Flüssen  gelehrt,  dafs  die  individuelle  Seele 
[als  solche  nur]  herulit  auf  [der  illusorischen  Welt  der]  Namen 
und  Gestalten  (Mund.  3,  2,  8): 

„Wie  Flüsse  rinnen  und  im  Ocean, 
„Auff^ebend  Name  und  Gestalt,  verschwinden, 
„So  gehl,  erlöst  von  Name  und  Gestalt, 
„Der  Weise  ein  zum  göttlich  höchsten  Geiste"; 


Sfttraa  I.  it.  ^L  241 

d;  h.  so  wie  in  der  Welt  die  Flilsse  die  Namen  und  Gevtalten,  auf 
denen  sie  beruhen,  aufgeben  und  in  den-  Ocean  eingehen,  ebenso 
giebt  auch  die  individuelle  Seele  die  Namen  und  Gestalten,  auf 
denen  sie  beruht,  auf  und  geht  zu  dem  höchsten  Geiste  ein;  so 
ist  der  Sinn  der  Stelle  aufzufassen,  wenn  anders  das  Gleichnis 
und  das  Verglichene  einander  entspreofaAn  sollen. 


S^.    avaslhiter^  Ui  JS[ä(4ikrUsnah  390 

wogen  des  Bestehens,  so  Kä^akritsna. 

Weil  eben  jener  höchste  Ätman  auch  in  Gestalt  des  indivi- 
duellen Atman  sein  Bestehen  hat,  deswegen  ist  jenes  Ausgehen 
von  der  Einheit  beider  berechtigt;  so  meint  der  Lehrer  Kd^«- 
kfitsna.  Und  so  sagt  auch  ein  6r&hmanam:  „ich  will  [in  Feuer, 
„Wasser  und  Nahrung]  mit  diesem  lebenden  Selbste  [der  indivi- 
„duellen  Seele]  eingehen  und  auseinanderbreiten  Namen  und  Qe« 
„stalten"^  (Ghänd.  6,  3)  2);  hieran»  ist  ersichtlioli }  dafs  es  der 
höchste  Ätman  selbst  ist,  welcher  [auch]  in  Gestalt  der  indivi- 
duellen Seele  sein  Bestehen  hat.  Eben  dieses  lehrt  auch  ein  Schrift- 
vers wie  (Taitt.  Ar.  3,  12,  7): 

„Wean  alle  Formen  überdenkt  der  Weise 
„Und  sie  als  Namen  blofs*  begreifend  dasitzt** 

Auch  wird  bei  der  Schöpfung  des  Feuers  u.  s.  w.  eine  besondere 
Schöpfung  der  individuellen  Seele  nicht  erwähnt  in    dem   Sinne, 
als  wenn  die  individuelle  Seele  von  der  höchsten  verschieden  und 
eine   Umwandlung  derselben  wäi*e.  —    Die  Meinung   des  Lehrers 
Ka9akritsna  geht  also  dahin,  dafs  die  individuelle  Seele  der  nicht- 
um^ew2i>ideite  hochätü   Gott    und  nicht  von    ihm  verschieden   sei. 
A^maratliy»  hingegen   nimmt    an,    dafs    zwar    die  Absicht   darauf 
gerichtet  sei,   die  individuelle  Seele  als  identisch  mit  dem  liöch- 
sten  Atman  zu  erweisen,   dafs    aber,    da  dieselbe   doch,   zur  „Be- 
„wnlirung  der  Torheifsung*',   wie  es  hiefs,  in  einer  Weise  erwähnt 
werde,  die  auf  sie  als  etwas  Eigentamliches  Bezug  nehme,  ein  ge- 
wisses Verhältnis   von  Wii*kung  und  Ursache  [mithin  nicht  völlige 
Identit&t]   als  in  der  Absicht  liegend  angenommen  werden  müsse. 
Von  Audulomi  endlich  wird  aus  der  Stelle  geradezu  gefolgert,  dafs 
die  Identität   und  Nichtidentität    sich   auf  zwei   verschiedene   Zu-   . 
stände  der  Seele  bezögen.    Hierbei  ergiebt  sich,  dafs  die  Meinung 
des  Kä^akritsna  die   schriftmäfsige   ist,    weil   sie   sich   an  die  von 
der  Schrift  verfolgte  Absicht  h&lt,  wie  zn  ersehen  ist  ans  Schrift* 
stellen  wie    „das   bist  du''  (Chänd.  6^8,7)  und   ähnlichen.     Und 
da  dem  »o  ist,  so  ist  es  in  Orduui^,  dafs  scheu  aus  der  Erkennt- 

BaiTtuur,  VedAnta.  16 


■U2  girinks-mimUek 

ms  der    indiTiduellflii  Swile    die   UuRtürblichkeit    erfolgt.     Würde 
hingegea  die  indiTiduolle  Se«le    als   eino  Umwtuidiuag   [Am  hucb- 

391  sten]  ftufgefaftit,  so  könnte,  da  jede  Umwandlnug,  |  iudeio  aie  wie- 
der mit  dem,  woratu  sie  ntngewandelt  worden,  zusammeugeht, 
dem  Untergänge  anheim&Ut ,  aus  ihrer  Erkenntnis  die  UuHtarb- 
licLkeit  nicht  erfolgep.  Da  somit  auf  ihr  [wegen  ibrer  Identität 
mit  der  höcbateD  Seele]  die  Weltanab reitung  in  IJamea  und  Ge- 
stalten siebt  beruhen  kann,  ao  folgt,  dale  dt^aelbe  nur  auf  den 
IJp&dbi's  berulit  und  der  indiriduellen  Seele  [Höh:  jive}  nur  nn- 
eigeutlicb  [in  der  Stelle  üh&cd.  6,  3,  3]  beigelegt  wird.  Ana  dem- 
selben Grunde  bat  man  auch  die  Entstehung  der  indiTiduellen 
Seelen,  welche  hin  und  wider  von  der  Schrifi  durch  dM  Beispiel 
von  den  aus  dem  Feuer  entspringenden  Funken  vorgebragen  wird 
(Brih.  2,  1,  20.  Kaush.  4,  20-  MnniJ.  3,  1,  1),  als  eine  solche  auf- 
zufassen, welche  nur  auf  den   UpAdhi'B  beruht. 

Wenn  femer  noeb  behauptet  wurde,  dofs  er  [det  Veda,  an  nn- 
Horer  Stelle  Brib.  2,  4,  12],  wenn  er  I^e,  dafs  jenes  grofs«  We- 
sen uelbet,  von  dem  die  Rede  sei  und  zu  dessen  Betrachtung  auf- 
gefordert werde,  erich  in  Gestalt  der  iodividnellen  Seele  aua  den 
Kreaturen  erltebe,  damit  eb  erkennen  gebe,  dafs  es  nur  die  in- 
tlividuelle  Seele  sei,  zu  deren  Betrachtung  hier  aufgefordert  werde, 
so  lassen  sielt  «uch  gegen  diese  Bebuuptuug  unsere  drei  Sfttras 
verwenden.  Nämlich  so:  „Als  Zacken  der  Bewährung  der  Ver- 
„he^sung  meint  Ärmarathya"'  (1,  4,  20).  Verbeifsen  war  worden, 
dafs,  wenn  der  Atman  erkannt  sei,  diese  ganze  Welt  erkannt  sei, 
und  es  war  gesagt  worden:  „dieses  Ganze  ist  was  dieser  Atmnn 
„ist":  und  dieses  wurde  daraus  bewiesen,  dafs  die  ganze  Wett- 
HUibreitung  in  Namen ,  Gestalten  und  Werken  aus  dtr  Einbeit 
entspringe  und  in  die  Einh<«it  wieder  vergebe;  aowie  auch  daraus, 
dai's  mittels  der  Gleichnisse  von  der  Trommel  u.  s.  w.  (Brili.  2,  4, 
7  fg.)  das  Inbegriffensein  dur  Wirkung  in  der  Ursache  dargelegt 
wurde.  Diese  erwähnte  Verheifsung  ist  es,  deren  Dewähniug  on- 
gc.leutct  wurde  durch  das  Zeichen,  dafs  darauf  hinf^ewiesen  wnrde, 
wii'  dos  grolue  Weaen  als  iudividnelle  Seele  sich  iius  den  Kren- 
liiren  erhebe;  so  meint  der  Lehrer  A^maiathya;  denii  da  Un- 
getrenntheit  [zwiechen  der  liöciisteu  und  der  Individuellen  Seele] 
be.itehe  (Hoferu  jene  auch  in  dieser  vorhunden  sei,]  so  sei  es  in 
der  Ordnung,  dafe  mit  der  Erkenntnis  des  Einen  die  Erkenntnis 
des  AH'k  verheifsen  werde.  —  „Weil  sie  bei  ihrem  Auszüge  dazu 
„werden  wird,  meint  Audulomi"  {1,  4,  21).     Weil  die  individuelle 

HS2  Seele  bei  ihrem  Auszuge.  1  naciidem  sie  vermöge  dor  Erkenntnis, 
Meditation  u.  s.  w.  zur  Hulie  gekommen,  mit  dem  höchsten  Ätman 
cini.  werden  wird,  deswegen,  so  meint  der  Lehrer  Audulomi,  witr? 
den  an  unserer  Stell«  btiide  als  idcntiKch  behandelt.  —  ..Wegen 
„'/es  Üfstehetts ,  so  Jiä'^aJcritsna"  (1,  4,  :i2).  Weil  es  gerade  die 
liiirbste  Seele  ist,  welche  auch  in  Gestalt  dieser  individuellen  Seele 


Satram  1.  iv.  22.  243 

ihr  Bestehea  hat,    deswegen  werden   hier  beide   als  identisch  be- 
handelt; 80  meint  der  Lehrer  Käyakfitsna. 

^Aber  ist  es  nicht  vielmehr  ein  Geständnis  der  Vernichtung 
*[der  individuellen  Seele],  welches  in  den  Worten:  „aus  diesen  . 
S,Kreaturen  erhebt  sie  sich  und  mit  ihnen  geht  sie  wieder  zu 
^„Gruiide;  nach  dem  Tode  ist  kein  Bewnfstsein"  (Brih.  2,  4,  12) 
'vorliegt?  Wie  lu.nn  man  also  hier  eine  Behandlung  derselben  f^ls 
'identisch  [mit  der  höchsten  Seele]  sehen?'  —  Dieser  Einwurf  ist 
ohne  Belang;  denn  das  hier  vorliegende  Gest&ndnis  der  Vernich- 
tung besagt  nur  eine  Vernichtung  der  individuellen  Erkenntnis; 
und  dafs  der  Sinn  der  Worte  ein  anderer  [als  der  vom  Gegner 
angenommene]  ist,  legt  die  Schrift  selber  dar,  indem  sie  weiter 
die  Einwendung  folgen  Iftfst:  „damit,  o  Herr,  hast  du  mich  ver- 
„ wirrt,  dafs  du  sagst,  nach  dem  Tode  sei  kein  Bewufstsein''  (nur 
Brih.  2,  4,  13),  und  darauf  zur  Antwort  giebt,  „nicht  Verwirrung 
„wahrlich  rede  ich;  unvergänglich  wahrlich  ist  dieser  Atman,  un- 
„zerstörbaren  Wesens,  aber  eine  Loslosung  desselben  von 
„der  Materie  vollzieht  sich^*  (mäträ-asaffisarffos  tu  asya  hha- 
vati,  die  letzten  Worte  nur  in  der  Madhyandina-Rec);  das  heifst 
mit  andern  Worten:  dieser  „durch  und  durch  aus  Erkenntnis  be- 
„stehende''  Atman  ist  kein  anderer  als  der  allerhöchste  und  ewige, 
und  es  ist  keine  Möglichkeit  einer  Vernichtung  desselben;  aber 
von  der  Materie,  d.  h.  von  den  Sinnendingen  und  Sinnesorganen, 
wie  sie  vom  Nichtwissen  geschaffen  sind,  vollzieht  sich  durch  das 
Wissen  eine  LoslÖsung  desselben.  Hört  aber  die  Behaftung  mit 
ihnen  auf,  i*o  hört  auch  die  durch  sie  bedingte  individuelle  Er- 
kenntnis auf,  und  dai*um  heifst  es:  „nach  dem  Tode  ist  kein  Be- 
„wufstsein*'  (Brih.  2,  4,  12). 

Wenn  endlich  noch  behauptet  wurde,  dafs  um  des  Schlusses 
der  Stelle  willen,  wo  in  den  Worten  „wie  sollte  man  doch  den 
„Erkenüer  {vijnäiar)  \  erkennen''  (Brih.  2,  4,  14)  ein  den  Thäter  393 
einer  Handlung  bezeichnender  Ausdruck  (vijnätar)  vorkommt,  nur 
die  individuelle  Seele  es  seiti  könne,  zu  deren  Betrachtung  vor- 
her aufgefordert  worden  sei,  so  ist  auch  dem  durch  die  Auf- 
fasHUUg  des  Kuc^akritsna  zu  begegnen.  Ferner  auch:  wenn  es 
heifst:  „denn  wo  eine  Zweiheit  gleichsam  ist,  da  sieht  einer  den 
j.auderu"  u.  s.  w.  (Brih.  2,4,  14),  so  wird  in  diesen  Worten  die, 
in  dem  Bereiche  dos  Nichtwissens  gültige,  individuelle  Erkenntnis 
des  Sehens  ui  s.  w.  geschildert;  sodann  aber  wird  durch  die  Worte : 
„wo  aber  einem  alles  zum  eigenen  Selbste  geworden  ist,  wie  sollte 
„er  da  irgend  wen  sehen'*  u.  s.  w.,  dargelegt,  dafs  in  dem  Be- 
reiche des  Wissens  jene  individuelle  Erkenntnis  des  Sehens  u.  s.  w. 
nicht  mehr  statttindet.  Und  wenn  man  weiter  meinen  könnte, 
dafs  in  Ermangelung  eines  Objektes  der  Atman  doch  sich  selbst 
criccmien  könne,  so  antworten  darauf  die  Worte:  „wie  sollte  er 
„doch   den  Erkeuner   erkennen?"     Und   hieraus   folgt,    dafs,    eben 

16* 


244  gfcrlnka- 

v«il  dttr  Zweck  der  St«Qe  duin  besteht,  dan  Aufhurun  dur  iu- 
dividuellen  Erkenntnis  zn  lehren,  [der  Ätoiao,]  obgleicli  er  nur 
aui  blofaem  färkenutniestoffe  besteht,  doch  hier  durch  das,  [eigent- 
tich  nur]  unter  VoransaetKung  Ton  Objekten  gültige  und  eine  «nT 
sie  bezügliche  Thktigkeit  ausdrückende  Wort  anf  -tar  [nBmlich 
rynätar  Erkenner]  bezeichnet  wird.  Wir  haben  aber  oben  schon 
die    SchriflmBrsigkeit    der  AufT&asung    des   Kä^Bkritaua    dargelegt, 

3M  nnd  AUS  ihr  folgt,  dais  die  Trennung  Ewischen  individueller  |  und 
höchster  Seele,  wie  sie  ihren  Onmd  hat  in  den  UpEldfai's,  aAmlich 
dem  Leibe  u.  s.  w.,  welche  ans  den  toui  Nichtwissen  au^estnllten 
Namen  und  Oeetalteti  entspringen,  —  dab  diese  Trennung  im 
-  hJicfaaten  Sinne  nicht  real  ist,  und  dieser  Qed&nke  nuiTs  von  allen, 
die  sich  zum  Vedftnta  bekennen,  angenommen  werden,  auf  Grand 
nolcher  Schriftatellen  wie:  „seiend  nur,  o  .Tenntr,  war  dieses  au 
„Anfang,  Eines  nur  und  ohne  Zweites"  (Ch&od.  6,  2,  1);  —  „diese 
„ganze  Welt  ist  allein  der  Ätman"  (Ch&nd.  7,  35,  St);  —  „Brah- 
„man  allein  ist  diese  ganze  Welt"  (Hnp^.  3,  2,  11);  —  „dieses 
„Weltall  ist  was  diese  Seele  ist"  (Bph.  3,  4,  6);  —  „nicht  giebt 
„Ort  aufser  ihm  einen  Sehenden"  {Brih.  3,  7,  23);  —  „nicht  giebl 
„es  noTser  ihm  ein  Sehendes"  (Brih.  3,  8,  11);  —  ferner  uach  auf 
Qruad  von  SmptisteHeD  wie:  „Väsudeva  ist  .diese  ganze  Welt" 
(Bhag.  G.  7,  19);  —  „als  Seele  !4ollst  dn  wissen  mich  in  allen  Leibern, 
„Bhikrata"  (Bhtig.  G.  13,  3);  —  „den  einen  höchsten  Gott  in  allen 
„Weaoa  stehend"  (Bhag.  G.  13,  27)  u.  s.  w.  —  Ferner  auch,  w:eil 
die  Annahme  einer  Vielheit  verboten  wird  in  Stellen  wie:  „wer 
„da  glaubt  nein  audercr  ist  ei-  und  ein  anderer  hin  ioha,  der  ist 
„nicht  weise"  (Brih.  1,  4,  10):  —  „von  Tod  zu  Tode  wird  ver- 
„strickt,  wer  eine  Vielheit  hier  erblickt"  (Brih.  4,  4,  19)  u.  s.  w. 
—   Ferner    Wi^mi    es   hellst;    „t'ilrwohr    dieser  grofae,    unguboreiie 

:i!l>  „Ätman,  der  nicht  alterjide,  nicht  welkende,  {  unsterbliche,  fnrcht- 
„losc,  ist  dnu  Brahman"  (Urih.  4,  -1,  2ä),  so  wird  hier  dem  Ätman 
alle  Umwandlung  abguspi'ocheii.  Wäi'e  dem  nicht  so,  so  könnten 
die  nach  Erlösung  Trocbtcndun  zu  der  fsie  bedingenden]  unwider- 
legbaren Erkenntnis  nicht  gelangen,  und  es  wäre  nicht  möglich, 
„sich  des  Sinnes  [der  LelireJ  wohl  au  versichern".  Es  steht  aber 
vielmehr  fu^it,  dafs  die  auf  den  Atman  l>ezügliche,  uUem  Begehren 
ein  Ende  machende  Erkeontoiti  eine  uuwideiJcgbarc  ixt;  und  die 
Schrift  redet  von  aolchen,  „die  sich  des  Sinnes  der  Vedäntalehru 
„wohl  versi^ert"  (Mund.  3,  2,  6),  so  wie  sie  auch  sagt:  „er  schaut 
„die  Einheit  an  und  Schmerz  und  Wahn  verschwindet*'  (1^&  7)' 
and  auch  die  Smriti  handelt  von  den  Merkmalen  „des  im  Wissen 
„Festen"  (Bhag,  G.  2,  54).  Ist  aber  die  vollkommene  Erkenntnis, 
welche  die  Eiohwt  der  individuellen  nnd  der  höchsten  Seele  zom 
Gegenstande  hat,  eine  feststehende,  so  ist  es  eitele  Mühe,  des- 
wegen weil  in  dem  Sntze:  „der  Kshetrajöa  (die  individuelle  Seele) 
„ist  der  höchste  Ätmun"    eine  blof^e  Verschiedenheit  der    Namen 


Satrain  I.  iv.  22.  245 

▼ortiegt,  zu  behnapten,  der  Kshetrajiia  müsse  Ton  dem  höcliB(«n 
Atmioi  und  der  höchste  Ätman  von  dem  Rsheingöa  versohiedea 
sein,  nnd  so  mit  Hartnäckigkeit  an  einer  Yerschjedenheit  de»  Atman 
feetsuhalten.  Dmm  es  ist  einer  und  derselbe  Atman,  welcher,  ku- 
folge  einer  blofsen  Verschiedenheit  der  Namen,  auf  mehrerlei  Art 
beeeichnet  wird.  Und  wenn  es  heifst:  „Wahrheit,  Pirkenntnis,  Un- 
„endlichkeit  ist  dea  Brahman;  wer  dieses»  weiis  |  verborgen  in  der  396 
„Höhle  [dös  Hei-zens]"  (Taitt.  2,  1),  so  gilt  dies  nicht  nur  von 
irgend  einer  bestimmten  [alle  andern  aiisschliefnenden |  Höhle;  auch 
giebt  es  keine  Ton  Brahman  verschiedene  Seele,  die  in  der  Höhle 
verborgen  wäre,  denn  die  Schrift  lehrt  in  den  Worten:  „nachdem 
.,er  sie  geschaifcn,  ging  er  in  dieselbe  oin^*  (Taitt.  2  r>)i  dafs  es 
der  Schöpfer  selbst  ist,  welcher  in  sie  eingogangaa  ist.  Diejeni- 
gen aber,  welche  hartnäckig  sind  nnd  den  Sinn  des  "Vedtluta  be- 
drängen, die  bedrängen  damit  die  zum  Heile  führende  vollkommene 
Erkenntnis,  halten  die  Erlösung  für  tdwas  Gemachtes  [nicht  durch 
Wissen,  sondern  durch  Werke  Tjcroichbares]  und  [folglich]  Ver- 
gängliches und  fügen  fiich  nicht  dem,  was  regelrecht  i^i. 


246  ^ftriraka-mtm&nsft. 


Siebentes  Adliikaranam. 


23.    prakritiQ  ca,  pratynä-drishtänta-anuparodhat 

auch  der  ürstoff,  weil  Verheifsung  und  Gleichnis 

widersprucbkrs. 

Wir  haben  gesehen  (zu  Sütram  1,1)1  Seite  7),  dafs,  sowie 
um  der  Beglückung  willen  die  Pflicht,  ebenso  um  des  höchsten 
Gutes  [der  Erlösung]  Willen  das  Brahman  erforscht  werden  xnusse; 
und  dieses  Brahman  war  weiter  gekennzeichnet  worden  als  „das- 
, jenige,  woraus  Ursprung  u.  s.  w.  dieses  [Weltalls]  ist"  (Sutram  1, 
1,  2).  Nun  kann  dieses  Kennzeichen  eben  wohl  zweierlei  bedeu- 
ten: däfs  das  Brahman  die  materielle  Ursache  der  Welt  ist, 
wie  der  Thon  die  des  Gefafses,  das  Gold  die  des  Geschmeides, 
und  dafs  es  die  bewirkende  Ursache  der  Welt  ist,  wie  [in 
den  genannten  Beispielen]  der  Töpfer  und  der  Goldschmied  es 
397  sind.  Daher  |  erhebt  sich  die  Frage,  in  welchem.  Sinne  die  Ur- 
sächlichkeit des  Brahman  zu  verstehen  sei;  und  da  scheint  es  zu- 
nächst, als  'könne  Brahman  nur  die  bewirkende  Ursache  der  Welt 
'sein;  warum?  weil  die  Schrift  sagt,  dafs  seiner  Schöpferth&tigkeit 
'eine  Absicht  Torhergegangen  sei;  dieses  nämlich  ergiebt  sich  aus 
'Schriftstellen  wie:  „er  fafste  die  Absicht,  ...  da  schuf  er  den 
'„Odem"  (Pra^na  6,  3.  4);  ein  Schaffen  aber,  welchem  eine  Absicht 
'vorhergeht,  kann  erfahrungsmäfsig  nur  von  den  bewirkenden 
'Ursachen,  wie  dem  Töpfer  u.  s.  w.,  verstanden  werden.  Und  ebenso 
'lehrt  die  Erfahrung,  dafs,  wenn  die  Frucht  der  Wirkang  zu  Stande 
'kommen  soll,  verschiedene  ursächliche  Faktoren  [sowohl  materielle 
'als  bewirkende  Ursachen]  zusammenwirken  müssen ;  und  dieses  Ge- 
'setz  hat  man  auch  bei  dem  erstanfanglichen  Werkmeister  gelten 
'zu  lassen.  Hierzu  kommt,  dafs  derselbe  „der  Herr"  (Gott,  Ij^ara) 
'heifst;  von  einem  Herrn  aber,  z.  B.  von  einem  [irdischen]  Könige 
'oder  von  Yaivasvata  [dem  Beherrscher  der  Unterwelt],  kann  man 
'nur  sagen,  dafs  er  die  bewirkende  [nicht  die  materielle]  Ursache 
'sei.  Dem  entsprechend  ist  auch  von  dem  höchsten  Herrn  £Gott] 
'anzunehmen,  dafs  er  nur  die  bewirkende  Ursache  der  Welt  sein 
'kann.  Hierzu  kommt,  dafs  die  Wirkung,  nämlich  diese  Welt^  wie 
'die  Erfahrung  beweist,  aus  Teilen  bestehend,  ungeistig  und  un- 
'rein  ist,  und  dafs  somit  auch  die  Ursache  derselben  eine  dem 
'entsprechende  sein  mufs,  indem  Wirkung  und  Ursache  gleichartig 


Sötram  T.  iv.  2^  247 

*zu  sein  pflegen.  Uas  Bmhinan  nun  aber  ]n\i  dif»««.«  Merkmale 
'nicht;  denn  ea  ist,  wie  die  hjclirift  sa^t,  ,,rahig,  workloe,  ungeteilt, 
S,tadello8  und  fleckenlos"  (^vet.  6,  19);  und  somit  bleibt  uiolits 
^anderes  übrig,  als  für  die  Welt  noch  eine  von  |  Hrahman  ver-  4)98 
^scliiedene  materielle  Ursache  als  Trägerin  jener  Eigenschaften  der 
'Unreinheit  ii.  s.  w.  aufzustellen,  wie  eine  solche  von  der  Sniriti 
'[der  Sänkhya*8]  anr  die  Hand  gegeben  wird,  indes  die  von  Brah- 
*maii  ols  Weltorsache  handelnden  Schriftstellen  «ich  nur  auf  eine 
'Erörterung  der  bewirkenden  Ursache  der  Welt  beschranken/ 

Auf  diese  Annahme  entgegnen  wir:  „auch  der  Urstoft'",  d.  h. 
Brahman  ist  auch  als  die  materielle  Ursache  der  Welt  zu  betrach- 
ten und  nicht  blofs  als  ihre  bewirkende  Ursache;  warum?  „weil 
„Yerheifsung  und  Gleichnis  widerspruchlos ",  d.  h.  nur  so  sind  die 
Yerheifsungen  und  die  Gleichnisse,  die  in  der  Schrift  darüber  vor- 
kommen, frei  von  Widerspruch.  Was  nämlich  zunächst  die  Yer- 
heifsungen betrifiPt,  so  hiefs  es:  „hast  du  denn  auch  der.  Unter- 
„weisung  nachgefragt,  durch  welche  [auch]  das  Ungehörte  ein 
„[schon]  Gehörtes,  das  Un vertat andeiie  ein  Yerstandenes,  das  Uner- 
„kannte  ein.  Erkanntes  wird?"  (Ghand.  6,  1,  3);  dies  ist  dahin  zu 
verstehen,  dafs  durch  die  Erkenntnis  jenes  einen  alles  andere,  auch 
wenn  es  ein  Unerkanntes  wai*,  zu  einem  schon  Erkannten  worden 
soll.  Dieses  nun  also,  dafs  durch  die  Pirkenntnis  des  einen  alles 
erkannt  werden  soll,  trifft  nur  dann  zu,  wenn  es  von  einer  Er- 
kenntnis der  materiellen  Ursache  der  Welt  verstanden  wird:  indem 
in  der  materiellen  Ursache  die  Wirkung  schon  enthalten  ist,  wäh- 
rend hingegen  die  bewirkende  Ursache  die  Wirkung  nicht  schon 
enthält;  denn  die  Erfahrung  zeigt,  wie  z.  B.  der  Baumeister  nicht 
schon  das  Haus  enthält.  Ebenso  steht  es  weiter  mit  dem  „Gleich^ 
„nisse",  wenn  es  (Chiind.  6,  1,  4  weiter)  heifst:  „gUdchwie,  o  Teurer, 
„durch  einen  Thonklumpen  alles  was  aus  Thon  besteht,  oi-kannt 
„ist;  an  Worte  sich  klammernd  ist  die  Umw.indlung,  ein  blofser 
„Name,  Thon  nur  ist  es  in  Wahrheit".  Dieses  Gleichnis  kann  sich 
nur  auf  die  materielle  Ursache  beziehen;  und  dasselbe  gilt  von 
dem,  was  weiter  folgt,  dafs  durch  eine  Kupferperle  alles,  was 
aus  Kupier  bestehe,  |  und  durch  eine  Np.g(>ischere  alles,  was  aus  399 
Eisen  bestehe,  erkannt  werden  könne  (C^itlnd.  G,  1,  5.  6).  Ebenso 
steht  die  Sache  in  andern  Stellen  der  Schrift.  So  z.  B.  wenn  es 
heifst:  „was  mufs,  o  Yerehrangswürd' ger,  erkannt  sein,  damit  diese 
„ganze  Welt  erkannt  sei?"  (Muiid.  1,  1,  3),  so  liegt  hierin 
„die  Yerheifsung";  und  wenn  es  weiter  heifst:  „so  wie  aus  der 
„Erde  die  Kräuter  entspringen"  (Mund.  1,1,7),  so  liegt  hierin 
das  Gleichnis.  Und  wieder  an  einer  andern  Stelle  lautet  die  Yer- 
heifsung: „fürwahr,  von  wem  das  Selbst  gesehen,  gehört,  verstan- 
„doA  und  erkannt  worden  ist,  v  on  dem  wird  diese  ganze  Welt  ge- 
„wufst"  (Brih.  4,  5,  6);  und  das  Gleichnis  lautet:  ,.mit  diesem  ist  es, 
„gleichwie  maTi,  wenn   eine  Trommel   gerührt   wird,   die  Töne   da 


248     .  CärlMha-mlinUsi 

„dmarMii  nicht  greifen  kauii;  hat  mna  aber  die  Tvoiamel  gegriffca 
.,oder  den  TiüinmelBohläger,  ao  hat  mwi  [ftach]  den  Ton  gegriffen' 
(B|ih,  2|  4,  7).  In  dieser  Woise  liegen  in  den  versohledenen  VedAn- 
tatexten  je  nach  den  ümatändcn  [formnlierte]  YerheifKungen  und 
UleicbniBse  vor ,  weiche  al»  Beveis  ditfOr  su  nehmen  aind ,  dafa 
fBrafaman  auch]  die  materielle  Ursache  [der  Welt]  i»t.  Dnd  auch 
der  'Ahlatlv  yatas  „woraus"  in  dar  Stelle;  „daBJenige,  fürwahr, 
„woraus  diese  Wesen  entspringen"  (Taitt.  3,  1)  ist,  nach  der  Be- 
stimmung der  [grammatischen]  Smriti:  jani-kartvli  prakriHlt,  „der 
„ürstoff  doa  Subjektes  des  Werdens  [tbt  ein  apätlämam,  steht  im  Ab- 
lativverbältais]"  (Ffl^ini  1,  i,  30),  dahin  aufcufossen,  dah  daa  Ab- 
latiTVerhültnie  hier  den  Urstoff  bedenten  mur«.  Dafs  aber  Brshmsn 
aufserdem  anoh  die  bewirkende  üiudie  der  Welt  sein  mnrs, 
folgt  daraus,  dafs  es  aufser  ihm  kein  der  Schöpfung  vorstehendes 
Wesen  giebt.  WAhrend  nftmlioh  in  der  Erfahmng  die  materiellen 
Ursachen,  wie  z.  B.  der  Thon  imd  das  Gold,  sich  immer  nur  inso- 
400  fern  entwickeln ,  als  sie  |  einen  ihnen  vorstehebden  Topfer  and 
(roldsohmied  sur  Voraussetzung  hnben,  so  hat  hingegen  das  Brah> 
luaii  als  mateiielle  Ursache  kein  solchem  von  ihm  selbst  versohie- 
denes  und  ihm  vnrstehendes  Wesen  zur  Voraussetzung,  indem  diu 
Schrift  versichert,  dafs  dasselbe  vor  der  Schöpfung- „Eines  nnr 
„und  ohne  Zweites"  (ühUnd.  6,  2,  1)  gewesen  sei.  Auch  eigiebt 
sich,  wie  leicht  zu  sehen,  dieses  Ausgeschlossensein  eines  andern 
Vorstehers  [aui'ser  Hrabman]  zugleich  daraus,  dafs  „Verheifsung 
„und  Gleichnis  wider spmchtos"  sind;  denn  gesetzt,  man  nähme  hier 
noch  einen  von  der  materiellen  Ursache  verschiedenen  Vorsteher 
an,  so  würde  wiederum  nicht  zutreffen,  änh  durch  Erkennntnis  des 
einen  altes  erki'nnt  sei ,  und  die  [erw&hnten]  Verhsifa'ongen  und 
(ileichnisse  würden  Widersprechend  sein.  Somit  ergiebt  sich,  dafs 
der  Ätman  sowohl,  weil  kein  Vorsteher  aufs»  ihm  vorhanden,  die 
bewirkende,  als  tnch,  weil  kein  Urstoff  anAer  ihm  vorhanden, 
die  matericlla  Ursache  [der  Weltschöpfnng]  ist. 

Und  warum  weiter    mufs   der  Atman   die  bewirkende  und   stt-, 
gleich  die  materielle  Uruu^e  sein? 


34.    abkidJtyä-tipadecäc  ca 

auch  wegen  ErwlUuiung  der  Absicht 

Auch  die  Erwfthnung  der  Ab  ^icht  beweist,  dsXs  der  Atniaa  das 
Bewiii:e»de  und  zugleich  der  Stoff  ist,  wenn  es  heifst:  „er  be- 
,£ehrta,  ich  will  vieles -sein,  will  jnich  fortpflanzen"  (Taitt.  2,  6), 
und:  „dasselbige  beabsichtigte,  ich  w/U  vieles  sein,  will  mich  fort- 


Sütram  i.  iv.  24.  249 

„pflanzen"  (Chand.  6)  2,  8).  Hier  ist  aus  der  nach  vorhergehendem 
BcabstchtigeD  aas  freien  Stücken  erfolgenden  Efitwickluag  zu 
schlie&en,  daft  der  Ätman  die  bewirkende  Ursache  ist;  und  aus 
den  Worten  „ich  will  vieles  sein",  ist,  da  es  [nur]  der  innere 
Atman  ist,  dem  die  Absicht,  vieles  zu  sein,  beigelegt  wird,  zu 
schliefseu,  dafs  derselbe  auch  die  materielle  Ursache  ist. 


25.    sCtkshac  ca  uhkaya-ämnändt  40i 

offenbar  auch,  wegen  der  Erwähnnng  beider. 

Hier  folgt  ein  weiterer  Grund  dafür,  dafs  der  Atman  die  ma- 
terielle Ursache  der  Welt  ist:  auch  daraiis  nämlich  ergiebt  sich, 
dafu  dos  Brahmon  der  Urstoff  ist,  weil,  indem  dabei  „ offenbar ^^, 
nur  da»  Brahman  als  Ursache  angenommen  wird,  „beider^',  des 
Entstehens  und  des  Vergehens  der  Welt  „Erwähnung**  geschieht 
in  der  Stelle:  „fürwahr  aus  dem  Äther  allein  entspringen  alle  diese 
„Wesen,  und  in  den  Äther  gehen  sie  wieder  unter^*  (Ch&nd.  1«  9,  !)• 
Denn  dasjenige,  woraus  et>ra8  entspringt,  und  worein  es  wieder 
vergeht,  ist  für  dasselbe  bekanntlich  di'3  materielle  Ursache,  sowie 
die  Erde  für  Reis,  Gerste  u.  s.  w.  Hier  zeigt  die  Schrift  „offen- 
„bar^S  dafs  keine  weitere  materielle  Woltursache  anzunehmen  ist, 
indem  sie  sagt:  „aus  dem  Äther  allein'^  Was  aber  das  Vergehen 
betrifft,  so  kann  dasselbe  bei  einer  Wirkung,  wie  die  Eiiahmng 
lehrt,  nur  in  der  ihr  eigenen  materiellen  Ursache,  statthaben. 


26.    (itma-hriteh  parmdmät 
wegen  der  Selbstmachung  durch  ümschaffiing. 

Auch  darum  ist  das  Brahman  der  Urstoff,  weil  es  in  oiuer  Be- 
trachtung über  das  Brahman  heifst :  „  dieses  machte  selber  sich 
„selbst"  (Taitt.  2,  7),  worin  liegt,  dafs  der  Ätman  zugleich  das 
lk?wirkte  und  das  Bewirkende  ist;  das  J bewirkte,  sofern  er  sich 
selbst  machte,  und  das  Bewirkende,  sofeni  er  selbst  dieses  that.  — 
'Aber  wie  ist  es  möglich,  von  einem  vorher  schon  fertig  Vorhan- 
'denen  und  nun  als  Bewirker  Auftrotenden  zu  behaupten,  dai's  es 
*nuii  erst  gemacht  werde?'  —  |  Wir  antworten:  .,durT;h  Umschaf-  402 
„fung".  Denn  wenn  auch  der  Ätman  schon  vorher  fcrlifi-  vorhan- 
den war,  so  konnte  er  doch,  ohne  dadurch  von  sich  sellist  ver- 
schieden   zu   werden   (lies:   ät.ma'avi*:e8h€na),   durch    Umwandlung 


250  ^'&nrakit-mlniatts& 

seines  Selbstes  (vikara-äUnanä)  sidi  selbst  „umschoffeii".  YArn^ 
solche  „I.'mschaflrang"  durch  Umwandluiig  des  Selbstes  sehen  wir 
z.  B.  auch  mit  den  Stoffeu  der  Natur,  dem  Tbone  u.  s.  w.,  vor  sieb 
gebe».  Aus  der  dabeistehenden  Bestimmung  aber  „dieses  machttr 
„selber^*  ist  zu  ontnebmcn,  dafs  auch  als  bewirkende  Ursache  nichts 
anderes  dabei  mitwirkte. 

Oder  auch  man  kann  die  Worte:  „dui*ch  Umschaflfung**  als  ein 
besonderes  Sütram  betrachten,  dessen  Sinn  dann  ist:  auch  darum 
i^t  das  Brahman  zugleich  die  materielle  Ursache  .  der  Welt,  weil 
diese  „Umschaffung^'  des  Brahman  selbst  durch  Umwandlung  seines 
Selbstes  von  der  Schrift  gelelirt  wird,  wenn  sie  z.  B.  mit  gramma- 
tischer Koordination  [des  Brahman  und  der  Welt]  sagt:  „er  war 
„das  Seiende  und  das  Jenseitige,  das  Aussprechliche  .und  das  Un- 
„aussprechliche'^  (Taitt.  2,  6). 


27.    yonig  ca  hi  giyitte 

■ 

auch  wird  er  ja  besungen  als  der  [Mutter-lScLofs, 

Auch  darum  ist  Brahman  der  Urstoff,  weil  Brahman  auch  als 
pder  [Mutter-jSchofs '*  gefeiert  wird  in  Yedäntastellen  wie  (Mund. 
3,  1,  3): 

„Ben  Schöpfer,  Herrn  und  Geist, 
„Den  Mntterschofs,  das  Brahman^' 

und  (Mund.  1,  1,  6): 

„Was  als  der  Wesen  Scbofs  die  Weisen  schauen  *^ 

Das  Wort  „  Scbofs  ^^  bedeutet  ja  auch  im  gewöhnlichen  Gebrauche 
des  Lebens  den  Stoff,  wenn  z.  B.  die  Erde  als  der  [Mutter-] 
Schofs  der  Kräuter  und  Bäume  bezeichnet  wird,  und  auch  bei 
403  dem  weiblichen  Schofse  |  trifft  es  zu,  dafs  er  für  die  Leibesfrucht, 
sofern  sie  einen  Teil  desselben  bildet,  die  materielle  Ursache  ist. 
Zuweilen  allerdings  bedeutet  das  Woi't  Schofs  {yon%)  blofs  den 
Standort;  so,  wie  der  Zusammenhang  zeigt,  in  der  Stelle  (Higv. 
1,  104,  1): 

„Ein  Schofs  zum  Sitzen  ist,  o  Indra,  dir  bereitet ^^ 

Hier  aber  (Mund.  1,  1,  6)  mufs  es  den  Urstoff  bedeuten,  wie  er- 
sichtlidi  ist  aus  den  nachfolgenden  Worten:  „wie  eine  Spinne  den 
„Faden  ausläfst  und  wieder  zurückzieht"  (Mund.  1,  1,  7). 


\  S^trara  I.  iv.  27.  251 

Somit  ist  bcwie.^eu,  dnüii  cIhs  Bralimaii  die  materielle  Ursache 
ist.  Wcuu  hingegen  behauptet  wurde,  dafs  das  Bewirken  nach 
vorhergehender  Absicht  der  Erfahrung  gemäfs  nur  bei  den  be- 
wirkenden ÜTSÄchen,  dem  Töpfer  u.  s.  w.,  nicht  bei  den  mateiiel- 
len  Ui*sachen  vorkomme,  bo  antwoHcn  wir  darauf,  dafs  es  sich 
hier  gar  nicht  zu  verbalten  braucht,  wie  in  der  Erfahrung;  denn 
der  Gegenstand,  um  den  es  sich  hier  handelt,  ist  durch  Schlüsse 
[aus  der  Wahrnelimung]  nicht  zu  erfassen;  weil  er  aber  nur  durch 
Offenbarung  zu  erfassen  ist,  deswegen  braucht  es  sich  mit  ihm 
nur  80  zu  verhalten,  wie  die  Offenbarung  es  lehrt;  die  Offen** 
barung  aber  lehrt,  dafs  Gott,  trotz  des  Beabsichtigens ,  auch  die 
materielle  Ursache  ist',  wie  bereits  gesagt  wurde'  Übrigens  wer- 
den wir  weiterhin  noch  alle  derartigen  Einwendungen  ausführlich 
beantworten. 


Achfes  Adhikaranam, 

38.    etena  sarve  vyäkhyätdj  vyäkhyätäh 
damit  sind  alle  besprochen,  besprochen. 

Von  dem  Sütram:  „wegen  des  Erwägens  nicht;  seh rift widrig ! " 
(1,  1,  5)  an  wurde  die  Behauptung,  dafs  die  Urmaterie  die  Welt- 
ursache  sei,  von  den  Sütra^s  selbst  auf  immer  neue  Zweifel  hin  | 
bekämpft,  weil  scheinbar  in  den  Yedäntatexten  gewisse  Anzeichen  404 
vorkommen,  welche  jene  Meinung  bestärken  und  auf  den  ersten 
Blick  minddr  Begabten  einleuchten  könnten.  Auch  ist  jene  Mei- 
nung dadurch,  dafs  auch  sie  die  Identität  der  Wirkung  mit  der  . 
Ursache  annimmt,  der  Vedantalehre  verwandt;  daher  sie  auch  von 
manchen  Verfassern  von  Dharmasütra's ,  wie  z.  B.  von  Devala,  in 
ihren  Lehrbüchern  angenommen  worden  ist;  darum  ist  an  ihre 
Widerlegung  so  viel  mehr  Mühe  verwendet  worden  als  an  die 
Widerlegung  der  die  Atome  und  anderes  als  Weltursache  betrach- 
tenden Lehren.  Indessen  mufste  doch  nun  auch  noch  über  die 
letzteren,  weil  sie  der  Lehre  von  dem  Brahman  als  Weltursache 
entgegen  sind,  das  Verwerfungsurteil  ausgesprochen  werden,  in- 
dem sonst  auch  ihre  Meinung  durch  irgend  eine  Andeutung  des 
Veda  bestärkt  zu  werden  scheinen  möchte  und  auf  den  ersten 
Blick  Minderbegabten  einleuchten  könnte.  Darum  weist  unser 
Autor,  gleichwie  einer,   der    den  Hauptringer  geworfen  hat,   über 


253  Qäriraka-mimltAs& 

das  Bishei-ige  hinaus,  indem  er  sagt:  „damit",  mit  ddm  bisher 
zur  Widerlegung  der  Ui'materie  als  Weltursache  beigebrachten 
Komplexe  von  Sätzen  ,,8ind  alle^^  nämlich  auch  die  Verfechter 
der  Atome  u.  s.  w.  als  Weltursache,  als  widerlegungsweise  „be- 
„»prochen^'  zu  betrachten;  indem  n&mlich  auch  sie,  das  ist  die 
Meinung,  ähnlich  wie  die  Anh&nger  der  Urmaterie)  in  der  Schrift 
4(y5  keine  Stutze  finden,  |  ja  mit  derselben  in  Widerspruch  stehen. 

Die  Wiederholung  des  Wortes:  „besprochen,  besprochen'*  seigt 
den  Abschlufs  den  Adhyaya  an. 


Sit  lautet  in  dem  KoiQmeatara  xar  ozhabenen  {fariraka-wfntanant  dem  Werke  d«r 
▼erohmogswUrdigeii  Fttfs«  des  Mcbabenen  (^ankara,  des  Schülers  der  erUmcIiten  Far«« 
de«  erhabenen  (ronndn,  im  ersten  Ad^jaya  der  viert«  Pada. 


Ende  des  arsten  Adhy&ya. 


ZWEITER  ADHYÄYA. 


Des  zweiten  Adhyftya 


ERSTER  PADA 


Erstes  AcIInkaranam^ 

L    smnü'anm^aM^a'doshn''prasanga\  Hl  cen?  na!      406 
anya-srnriti  -  anavaM^a  -  dosha  -prasangdt. 

Es  trete  der  Fehler   ein,    dafs   die  Smriti   keine   Be- 
rechtigung habe,   meint  ihr?    Nein,   weil   [wenn  man 
die   eine  Smriti  zuläfst]   der  Fehler  eintritt,    dafs  die 
andern  Smriti's  keine  Berechtigung  haben. 

Im  ei^sten  Adhyaya  wurde  bewiesen,  dafs  der  allwisseude  und 
allm&cbtige  Gott  die  Ursache  ist  für  die  Entstehung  der  Welt, 
80  wie  der  Thon  für  die  der  Gefüfse,  das  Gold  für  die  der  Ge- 
schmeide; dafs  er  femer  nach  Entstehung  der  V/elt,  vermöge  spi- 
ner Eigenschaft  als  der  liegierer,  die  Ursache  ist  für  das  Fort- 
bestehen dor  Welt,  so  wie  der  Zauberer  für  das  des  Zaubers: 
und  dafs  er  endlich  auch  die  Ursache  ist  für  die  lloabsorptiou 
der  aus  ihm  herausgesetzten  Welt  in  sein  eigenes  Selbst, 
SU  wie  der  Erdengmnd  für  die  vier  Klassen  der  [orgauischenj 
Wesen;  > —  und  eben  dieser  [allwissende  und  allmächtige  Gott]  ist 
die  Seele  in  einem  jeden  von  uns.  —  Alles  dieses  haben  wir 
durch  den  Nachweis  der  Übereinstimmung  der  Vcdantatexto  er- 
wiesen und  dabei  die  Lehren  von  der  Urmaterie  u.  t«.  w.  als  schrift- 
widrige verworfen.  Nunmehr  ist  es  unsere  Aufgabe,  den  Wider- 
spruch   der    Smriti  -  Reflexion    auf    ihrem    eigenen    Gebiete    [d.  h. 


l)l«>',Jk. 


■  256  C&rlraka-mlminsk 

I  glcicIifallB  durch  Reflexiou]  zu  üntkräfleD  (P&da  S«  1),  sodann,  von 

E  den   Theonon  der   Ürmaterie  n«  a«  w.   za   beweisen,    dafs   es   nur. 

W  Scheingründe  sind,  mit  denen   sie  si^  brüsten  (PAda  2,  2),  und 

ondlich  darzuthon,  dafs  die  verschiedenen  Ved&ntatexte  in  Bezug 
auf  den  Hergang  bei  der  Weltschöpfung  u.  s.  w.  nicht  mit  einander 
in  Widerspruch  stehen  (Päda  2,  3 — 4).  Dieser  Art  ist  der  Gegen- 
stand, zu  dessen  Abhandlung  der  zweite  Adhyäya  bestimmt 
ist.  —  Zunächst  also  kommt  es  darauf  an,  den  Widerspruch  der 
Smriti  darzulegen  und  zu  entkräften. 

'Wenn  behauptet  wurde \  so  könnte  man  sagen,  'dafs  nur  das 

r  ^allwissende  Brahman  die  Ursache   der  Welt  sein    könne,    so   ist 

^^'7  'das  unpassend;  |  warum?  „weil  dann  der  Fehler  eintritt,  dafs  die 

f.  -„Smriti  keine  Berechtigung  hat''.    Nämlich  sowohl  diejenige  Smriti, 

'welche,  als  ein  Lehrgebäude  auftretend,  Ton  dem  grolsen  Weisen 
*[Kapila]  aufgebracht  und  von  seinen  Schülern   angenommen  wor- 

^  'den  ist,  als   auch  andere  Sm|*ititexte,- welche   in  ihre  Fufstapfen 

'  'treten,    diese  alle  haben,  wenn  es   so  steht,    keine  Berechtigung 

'zu  mstieren,  sofern  der  Zweck  der  Abfassung  darin  besteht,  die 
'ungeistige  ürmaterie  als  die  selbständige  Ursache  der  Welt  auf- 
'zuweisen.  Was  allerdings  die  Smriti  des  Manu  und  ähnliche  be- 
'trifft,  welche  bemüht  sind,  in  Bezug  auf  das,  was  zur  Pflichtlehre 
'gehört  und  auf  [vedisoher]  Vorschrift  beruht,  z.  B.  das  Feuer- 
'opfer  u.  s.  w. ,  den  dabei  beabsichtigten  Zweck  zu  erörtern,  so 
'haben  diese  eine  Berechtigung  der  Existenz,  sofern  sie  ausein - 
'andersetzen,  wie  die  und  die  Kaste  zu  der  und  der  Zeit  auf  die 
'und  die  Weise  bei  einem  Lehrer  einzuführen  ist,  wie  der  Lebens- 
'wiuidcl  zu  gestalten,  wie  das  Vedastudium ,^^ie  die  Entlassung 
'des  Schülers,  wie  seine  Verbindung  mit  einer  MiterfüUerin  des 
'Gesetzen  zu  bewerkstelligen  ist,  indem  sie  auf  diese  Weise  die 
'mannigfaltigen  Pflichten  der  vier  Kasten  und  Lebensst-adien ,  wie 
'sie  den  Zweck  des  Menschen  bilden,  auseinandersetzen.  Anders 
'u})er  steht  es  mit  der  Smriti  des  Kapila  und  ähnlichen;  diese  haben 
.  'CS  nicht  mit  einem  Gegenstand  der  Pflichterfüllung  zu  thun,  son* 
'ihiva  sind  aufgebracht  worden  zu  dem  Zwt«cke,  die  vollkommene 
'Erkenntnis,  wie  sie  der  Weg  zur  Erlösung  ist,,  dar  zulegen;  müssen 
'wir  ihnen  nun  hiei*zu  die  Berechtigung  abspreclien,  so  tritt  der 
403  'Fall  ein,  dafs  sie  zu  gar  keinem  Zwecke  tauglich  sind;  |  darum 
'mufs  man  vielmehr  die  Vedantatexto  so  erklären,  dafs  sie  mit 
^jenen  übereinstimmen.'  — 

Aber  wie  ist  es  möglich,  nachdem  wir  durch  all  die  Gründe, 
„weg^n*  des  Erwägens"  (Sütram  1,  ],  5)  u.  s.  w. ,  als  Inhalt  der 
Schrift  -festgestellt  haben,  dafs  das  allwissende  Brahman  allein  die 
Weltursache  sei,  dieses  Resultat  nun  wieder  blofs  deswegen  an- 
zufechten, weil  sonst  der  Übelstand  eintrete,  dafs  die  Smriti  keine 
Berechtigung  hiAe!  Und  allerdings  ist  ein  solcher  Angriff  fiär 
selbständige  Denker  bedeutungslos.    Aber  die  Leute  sind  meisteiL* 


Sfttram  11.  i.  1.  257 

teils,  in  ibrem  Denkoii  unBelbständig  and  nicht  im  Stande,  den 
Schriftsinn  aus  pich  sulbst  heraus  anfzu fassen;  daher  hio  h\c\\  viel- 
leicht anf  die  von  bf^rühtnten  ITi4iel>ern  herrührende  Smnti  stützen 
könnten  und  den  Schriftsinn  ihror  Autorität  gemüfs'  anzunehmen 
geneigt  sein  möchten,  der  von  nn.s  verfafsten  Auslegung  liingegen, 
wegen  der  Verehrung  für  jene  Urheber  der  Sniriti ,  kein  Vertrauen 
schenken  würden.  *Auch  wird  ja',  so  können  die  Gegner  noch 
geltend  machen,  Won  der  Smriti  erwähnt,  dafs  ein  Kapila  und 
^1ndere  eine  seherartige,  unfehlbare  Erkenntnis  gehabt  hatten;  ja 
*e8  giebt  sogar  eine  Stelle  der  Schrift,  welche  sagt  (C^Vet.  5,  2): 

*,J)er  mit  dem  weisen  Kapila  zu  Anfang, 
^„Nachdem  gezeugt  er,  schwanger  ging  im  Geiste, 
Vünd  ihn  geboren  wünschte  zu  erschauen." 

I  ^Damni    darf  man   nicht   die  Gedanken   dieser  Müuner   als   nicht  409 
*zur  Sache  gehörig  erachten.    Auch  stellen  sie  den  Schriftsinn  fest, 
andern  sie  dabei    [ebenso  wie  ihr]    sich  auf  die  Reilexioii  stützen; 
'und  auch  darum  mufs   man   die  Vedantatexte   der  Smritiiehre  gc- 
*mäf8  auslegen.'  —  So  lautet  der  erneute  Angriff.   — 

Ihm  wird  gewehrt  mit  den  Worten:  „nein!  weil  [wenn  man 
„die  eine  Smriti  zuläfst]  der  Fehler  eintritt,  dafs  die  andern  Smri- 
„ti's  keine  Berechtigung  haben.'*  Wenn  man  nämlich  deswegen, 
weil  Bonst  für  die  Smriti  keine  Berechtigung  sein  würde,  die  Lehre 
von  Gott  als  der  Weltursache  beanstandet,  so  trifft  es  sich,  dafs 
mau  eben  damit  andern  Smrititexten,  welche  gleichfalls  lehren, 
dafs  Gott  die  Weltursache  sei,  die  Berechtigung  absprechen  mufs. 
Wir  iK'oUen  dieselben  anführen.  An  der  Stelle:  „Was  jenes  un- 
„erkennbar  Feine  ist'S  ^^  welcher  von  dem  hödisten  Brahman 
gehandelt  wird,  heifst  es  von  ihm:  „er  wird  als  innres  Selbst  der 
„Wesen,  als  ihre  Seele  anerkannt**;  und  weiter:  „von  diesem  ging 
„dos  Unerschlofsne  aus  mit  den  drei  Guna's,  Bester  der  Brahma« 
„nen*'  (Mahabh.  12,  13679  fg.).  Ebenso  heifst  es  auch  an  einer 
andern  Stelle:  „das  LTnerschlofsnc  löst,  o  Priester,  im  gunalosen 
„Purusha  sich  auf"  (Mahabh.  12,  12895).  —  Ferner,  sagt  ein  Pu- 
ranam  (fast  wörtlich  Mahubh.  12,  11211): 

I  „So  höret  denn  die  Summa  von  dem  allen:  410 

„När&yana  ist  diese  Welt,  der  Alte; 
„Er  hat  zur  Schöptungszeit  die  Welt  geschaffen; 
„Er  zur  Vernichtungszeit  verschlingt  sie  wieder 

—  Und  in  den  BhagavadgU}Vs  (7,  6)  heifst  es: 

„Ich  bin  für  diese  ganze  Welt 
„Der  Urspnmg  und  der  Untergang.*' 

—  Ebenso  lafst  sich  mit  Bezug  auf  den  höchsten  Atman  Apn- 
Btamba  vernehmen  (Dharmasütra  1,  8,  23,  2):  „aus  ihm  entstanden 

IHvanwK,  VeAktiln.  17 


258  Qiirtraka-mlm&Äsfi 

„sind  die  Leiber  alle;  er  ißt  die  Wurzel  immerdar  und  ewig".  — 
» —  In  dieser  Weise  wird  oft  genug  auch  von  den  Smrititext^n 
Gott  als  die  bewirkende  und  auch  als  die  materielle  Ursache  aJi- 
erkannt.  Tritt  nun  jemand,  gestützt  auf  die  Autorität  einer  Srariti, 
gegen  uns  auf,  so  können  wir  ihm,  ebenfalls  gestützt  auf  jiie  Au- 
tpiität  einer  Smriti,  die  Antwort  geben;  das  bedeutet  diese  Hervor- 
hebung als  eines  Übel  Standes ,  dafs  [wenn  die  eine  Smriti  gelten 
soll]  „die  andern  Smriti's  keine  Berechtigung  haben".  Was  aber 
die  Texte  der  Schrift  betrifft,  so  haben  wir  bewiesen,  dafs  ihr 
Zweck  dahin  geht,  die  Weltursache  zu  offenbaren;  und  wenn  die 
Smrititexte  darüber  miteinander   in  Widerspruch   stehen,    so   dafs 

411  man  notwendigerweise  |  eine  Smriti  aufgeben  mufs,  um  die  andere 
zu  halten,. nun  so  bilden  diejenigen  Smrititexte,  welche  der  Schrift 
folgen,  die  Richtschnur,  und  die  andern  verdienen  keine  Berück- 
sichtigung; daher  es  auch  in  dem  Kapitel  von  der  Richtschnnr 
heifst:  „widerspricht  sie,  so  weise  man  sie  ab,  wenn  nicht,  so 
„dient  «ie  zur  Stütze"  (Jaim.  1,  3,  3).  —  Es  ist  aber  auch  nicht 
abzusehen,  wie  irgend  jemand  ohne  die  Schrift  das  Übersinnliche 
vernehmen  sollte,  da  ein  Anlafs,  auf  dasselbe  zu  schliefsen,  [in 
dem  Sinnlichen]  nicht  vorliegt.  Meint  ihr,  dafs  dies  bei  einem 
Kapila  und  ähnlichen  doch  möglich  sei,  weil  sie  als  Yollondete 
{siddka)  ein  unbeschränktes  Erkennen  besitzen,  so  bestreiten  wir 
das,  weil  auch  jene  Vollendung  nur  eine  bedingte,  ist.  Nämlich 
die  Vollendung  wird  bedingt  durch  Erfüllung  der  [ceremoniellen] 
Pflicht,  diese  Pflicht  aber  beruht  auf  [vedischer]  Aufforderung; 
darum  kann  der  Inhalt  der  schon  vorher  vorhanden  gewesenen 
[yedischen]  Aufforderung  [die  Pflicht  zu  betreiben  oder  auch  den 
Atman  als  Weltursache  zu  erkennen]  nicht  durch  die  Behauptun- 
gen eines  erst  hinterher  [durch  Betreibung  jener  Pflicht]  zur  Voll- 
endung gelangten  Menschen  zweifelhaft  gemacht  werden,  zumal, 
wenn  in  der  auf  jene  Vollendeten  zurückgehenden  Anschauungs- 
weise eine  Vielheit  [der  Meinungen]  sich  zeigt;  und  da,  wie  oben 
nachgewiesen,  in  der  auf  die  Vollendeten  zurückgehenden  Smriti 
eine  derartige  Zwiespältigkeit  wirklich  vorliegt,  so  giebt  es,  um 
[über  die  widersprechenden  Meinungen  hinaus]  ins  Klare  zu  kom- 
men, gar  keinen  andern  Ausweg  als  diesen,  dafs  man  sich  an  die 
Schrift  hält.  Und  auch  Leute  von  unselbständigem  Urteil  dürfen 
darum  doch  nicht  ohne  Weiteres  für  irgend  eine  bestimmte  Smriti 
Partei   nehmen,    weil,    wenn  man   vielmehr  (tu)  sich   irgend  einer 

412  beliebigen  Partei  anzuschliefsen  berechtigt  wäre,  wegen  der  Man- 
nigfaltigkeit der  menschlichen  Meinungen,  der  [unmögliche]  Fall 
eintreten  würde,  dafs  die  Wahrheit  selbst  ein  Nichtbeständiges 
wäre.  Darum  mufs  auch  ein  solcher  [der  nicht  mit  eignen  Augen, 
i^ondern  nur  mit  denen  der  Smriti  zu  sehen  vermag]  durch  Be- 
achtung des  Widerspruches  der  Smrititexte  gegen  einander  und 
durch  Scheidung   dessen,   was    der  Schrift  gomäfs   ist,    auf  einem 


Sütram  II.  f.  1.  259 

gesniiden  Wege  der  £rkenntmti  zustreben.  •—  Wenn  hingegen  oben 
auf  eine  Schriftstelle  hingewiesen  wurde,  welche  von  dem  hohen 
Wissen  des  Kapila  spricht,  so  reicht  auch  das  nicht  hin,  um 
einer  Meinung  des  Kapila,  falls  sie  der  Schrift  widerspricht,  Glau- 
ben zu  verschaffen;  denn  die  ganze  Übereinstimmung  der  Schrift 
[mit  der  Smritianschauung]  liegt  hier  in  dem  blofsen  Kamen  des 
Kapila;  es  giebt  aber  noch  einen  andern  Kapila,  nämlich  den 
V^rbrenner  der  Söhne  des  Sagara  (vgl.  Mahabh.  3,  8831  fg.;  12, 
10613  fg.),  der  auch  Yasudeva  heijfst;  wo  ea  sich  aber  um  eine* 
andere  Sache  handelt,  die  der  Zutreffung  auf  den  vorliegenden 
Fall  ermangelt,  da  kann  diese  nichts  beweisen.  Übrigens  giebt 
es  auch  eine  Schriftstelle,  welche  die  Geistesgröfse  des  Manu  preist, 
indem  sie  sagt:  „fürwahr,  alles  was  Manu  gesagt  hat,  das  ist  Ar- 
„zenei"  (Taitt.  samh.  2,  2,  10,  2);  Manu  aber  sagt  (12,  91): 

• 

„Wer  alle  Wesen  in  sich  selbst,  sich  selbst  in  aller  Wesenheit 
„Erkennt,  der  opfert  nur  dem  Selbst  und  gehet  ein  zur  Herrlichkeit"; 

in  dfesen  Worten  preist  Manu  die  Lehre,  dafs  alles  Seele  sei,  und 
verwirft  folglich  die  Ansicht  des  Kapila;  Kapila  nämlich  kommt 
in  seinen  Schlüssen  nicht  zu  der  Anschauung,  dafs  die  ganze  Welt 
der  Atman  sei,  sondern  nimmt  vielmehr  eine  Vielheit  von  Seelen 
an.  Ebenso  [wie  mit  Manu]  steht  es  mit  dem  [  Mah&bh&ratam,  wo  413 
die  Frage  aufgeworfen  wird: 

„Smd  viele  Geister  oder  ist  nur  einer?  ^' 

worauf  als  gegnerische  Behauptung  aufgestellt  wird: 

,,Wenn  wh-  dem  Sänkhyam  und  dem  Yoga  folgen, 
„So  gäbe  es,  o  Fürst,  der  Geister  viele"; 

zu  ihrer  Widerlegung  heifst  es  dann  (Mahabh.  12,  13715): 

„Ein  Ursprung  nur  ist  all  der  vielen  Geister, 
„Der  gunalose  Geist;  er  ist  das  Weltair^; 

und  weiter  heifst  es  (Mahabh.  12,  13743  fg.): 

„Er  ist  mein  Selbst  und  deins  und  aller  andern 

„Verkörperten,  doch  ist  er  unerkennbar, 

„Weil  er  Zuschauer  blofs  in  allen  ist. 

•„Ganz  Haupt,  ganz  Arm,  ganz  Füfse,  Augen,  Nase, 

„Durchdringt  die  Wesen  er  allein  und  wandelt 

„Nach  freier  Willkür  wie  es  ihm  gefällt"^,. 

in  diesen  Worten   liegt    ausgesprochen,    dafs  alles  allein  die  Seele 
ist;  eben  dasselbe  aber  lehrt  auch  die  Schrift,  wenn  sie  sagt  (t^k  7) : 

I  „Wer  aller  Wesen  Schar  nur  als  sein  Selbst  empfindet,  414 

„Der  schaut  die  Einheit  an,  und  Schmerz  und  Wahn  verschwindet." 

17* 


260  g&i1raka.-mim&A8& 

Also  auch  darin  widerspricht  die  Lehre  Kapila^s  dem  Yeda  und 
widerspricht  dem  mit  dem  Yeda  gehenden  Worte  des  Mano,  dafs 
Kapila  eine  Vielheit  von  Seelen  annimmt,  nicht  nur  darin,  dafa 
er,  wie  wir  besprochen  haben,  eine  selbständige  Umator  annimmt. 
Nun  ist  aber  die  Autorität  des  Veda  in  Bezug  auf  seinen  Gegen- 
stand eine  unbedingte,  wie  die  der  Sonn»  auf  dem  Oebiete  der 
Gestalten,  während  hingegen  die  Autorität  von  Menschenworten 
in  Bezug  auf  ihren  Gegenstand  bedingt  wird  durch  den  Grund, 
auf  den  sie  sich  stützt,  und  von  dem  sie  durch  die  Erinnerung 
des  Redenden  getrennt  wird;  das  ist  der  grofse  Unterschied;  und 
darum  ist  es  kein  Fehler,  wenn  f&r  die  Smriti  auf  Punkten ,  wo 
sie  dem  Yeda  widerspricht,  keine  Berechtigung  sich  angeben  läfst. 
Und  warum  ist  femer  die  der  Smriti  abgehende  Berechtigung 
kein  Fehler? 


2.    UareshAn  ca  anupalahdheh 

auch  wegen  Nichtwahmehmbarkeit  der  andern. 

* 

Auch  die  andern  Principien  aufser  der  Urmaterie,  welche  von  der 
Smriti  als  Umwandlungen  der  Urmaterie  betrachtet  werden,  näm- 
lich das  Grofse  und  die  Übrigen,  auch  diese  sind  weder  im  Yeda 
noch  in  der  Ei*fahrung  nachzuweisen.  Was  allerdings  die  Elemente 
und  die  Sinnesorgane  betrifft,  so  mag  von  diesen  in  der  Smriti 
gehandelt  werden,  da  sie  aus  dem  Yeda  und  der  Erfahrung  be* 
kannt  sind;  das  Grofse  aber  und  die  folgenden  Principien  sind 
415  der  Erfahrung  |  und  dem  Yeda  unbekannt;  daher  eine  Smfiti  über 
dieselben  ebenso  wenig  zulässig  ist,  wie  über  ein  sechstes  Sinnes- 
organ oder  Element.  Und  wenn  hier  und  da  ein  Schriftvers  auf 
jene  sich  zu  beziehen  scheint,  so  haben  wir  bewiesen,  dafs  dem 
nicht  so  ist  an  der  Stelle:  „auch  das  Gefolgerte  sei  nach  einigen" 
(Sütram  1,  4,  1).  Ist  nun,  —  das  ist  der  Sinn  unseres  Sütrara,  — 
der  Smriti  in  Bezug  auf  die  Wirkung  keine  Autorität  beizulegen, 
so  konunt  ihr  eine  solche  auch  nicht  in  Bezug  auf  die  Ursache 
zu;  und  auch  darum  schadet  es  nichts,  wenn  für  die  Smpti  keine 
Berechtigung  sich  nachweisen  läfst.  —  Diejenigen  aber  überhaupt, 
welche  sich  auf  die  Reflexion  stützen  [wozu  auch  die  Anhänger 
der  Smriti  gehören],  werden  noch  weiterhin,  in  dem  Sütram  „nein, 
„wegen  der  Wesensverschiedenheit  ^*  (2,  1,  4}  und  den  folgenden, 
ihre  Entwurzelung  findeu. 


Sütram  U.  i.  3.  261 


Zweites  Adhikaranam, 

3.    etena  Yogah  pratpuktah 
damit  ist  [aucb]  der  Yoga  abgefertigt. 

Mit  dieser  Widerlegung  der  Sftnkhya-Siimti  ist  aach  die  Yoga- 
Sniriti  als  widerlegt  za  betrachten,  auf  welche  hier,  über  die  er« 
stere  hinaus,  verwiesen  wird;  denn  auch  in  ihr  werden,  in  Wider- 
spruch mit  der  Schriftlehre,  die  selbständige  Urmaterie  als  Welt- 
ursache und  die  weder  der  Erfahrung  noch  dem  Yeda  bekannten - 
Principien  des  Grofsen  u.  s.  w.  ah  Wirkung  angenommen.  —  Aber 
ist  dieses,  wenn  dem  so  ist,  und  beide  [als  gleich]  der  gleichen 
Regel  unterliegen,  nicht  schon  durch  das  Vorhergehende  erledigt? 
wozu  also  wird  hier  abermals  darauf  hingewiesen?  —  Deswegen, 
weil  hier  noch  folgendes  weitere  Bedenken  zu  erledigen  bleibt. 
'Der  Yoga  nämlich*,  so  könnte  man  sagen,  'wird  im  Yeda  als  ein 
'Hülfsmittel  der  vollkommenen  Erkenntnis  vorgeschrieben.  So 
'z.B.,  wenn  es  heifst:  „ihn  soll  man  hören,  verstehen,  überden- 
S,ken*'  (Brih.  2,  4,  5).  Und  an  der  Stelle  „wer  dreifach  hoeh- 
S,gerichtet  grade  hält  den  Leib''  (Qvet.  2,  8)  wird  nach  Bespre- 
'chung  des  rechten  Sitzens  |  in  der  Upanishad  der  Qo^äfvatara^a  iiü 
'eine  ausiilhrUohe  Anleitung  zur  Betreibung  des  Yoga  erteilt.  Auch 
'finden  sich  im  Yeda  tausendfach  Andeutungen,  welche  den  Yoga 
'betreffen;  z.  B.  wenn  es  heifst:  „das  ist  was  man  den  Yoga  nennt, 
'„der  Sinne  starke  Fesselung"  (Käth.  6,  11),  und:  „dies  Wissen 
'„und  die  ganze  Yoga-Weise"  (Käth.  6,  18)  u.  s.  w.  Auch  heifst 
'os  in  dem  Lehrbuche  des  Yoga:  „nunmehr  folgt  als  Hülfsmittel 
'„der  Erkenntnis  der  Wahrheit  der  Yoga".  Hiermit  wird  der  Yoga 
'als  ein  Hülfsmittel  der  vollkommenen  Erkenntnis  anerkannt.  Sollte 
'daher  nicht,  auf  Grund  dieser  teilweisen  Übereinstimmung,  an- 
'zunehmen  sein,  dafs,  ähnlich  wie  die  Smriti  des  Achtwerkes  [des 
Panini]  und  andere,  auch  die  Smfiti  des  Yoga  eine  unwiderleg* 
'bare  sei?'  —  Auch  dieses  weitere  Bedenken  wird  durch  die  Yer» 
allgemeinerung  [des  vom  Sftnkhyam  Gesagten  auch  fGUr  den  Yoga] 
erledigt.  Wenn  nämlich  auc3i  eine  teilweise  Übereinstimmung  statt- 
findet, so  ist  doch  auch  die  vorher  [beim  Sänkhyam}  hervorgeho- 
bene  teilweise  Nichtübereinstimmung  offenbar  hier  vorliegend.  — 
Es  giebt  ja  viele  Smriti's,  die  sich  mit  psychologischen  Fragen 
beschäftigen,  aber  nur  die  Smriti  des,Sänkhyam  und  des  Yoga 
werden  mit  Fleifs  widerlegt,  weil  diese  beiden  in  dem  Rufe  ste- 
hen, als  könnten  sie  das  höchste  Ziel  des  Menschen  lehren,  weil 
femer  sie  von  gelehrten  Männern  gebilligt  worden  sind,  und  sich 
auf  Andeutangen  der  Schrift  stützen,  indem  es  z.  B.  heifst  (Qvet. 
6,  13): 


•i    X 


.i 

r 


262  Q&rlrakarmlm&ii8& 

„Den  auch  das  Sänkhyam  nnd  der  Yoga  lehren , 
„Wer  diesen  Weltengrand  als  Gott  erkannt, 

417  I  „Der  wird  befreit  von  allen  Erdenbanden.'* 

—  Die  Verwerfung  dieser  Lehren  aber  beruht  darauf^  dafs  weder 
durch  die  Erkenntnis  der  SAnkhya-Smriti  noch  auf  dem  Wege  des 
Yoga,  sofern  dieser  vom  Yeda  sich  entfernt,  das  höchste  Gut  [die 
Erlösung]  verwirklicht  werden  kann.  Denn  die  Schrift  erklärt, 
dafs  es  kein  anderes  Mittel  zur  Erlangung  des  höchsten  Gutes 
gebe,  als  die  vedische  Erkenntnis  von  der  Einheit  des  Atman  [lies 
ätfna-ekatva-vijnänät]^  wenn  es  heifst  (Qvet.  3,  8): 

„Wer  ihn  erkannt  hat,  übersteigt  den  Tod, 
„Nicht  giebt  es  einen  andern  Weg  zum  Gehen.^^ 

Das  Sclnkhyam  nämlich  und  der  Yoga  sind  dtualistisch  und  er- 
kennen die  Einheit  des  Atman  nicht  an.  Was  aber  das  angeführte 
Schriftzeugnis  betrifft,  in  dem  es  hiefs:  „den  auch  das  Sankhyam 
„und  der  Yoga  lehren'*  (Qv-et.  6,  13),  so  ist  dies  dahin  zu  ver- 
stehen, dafs  hier  die  vedische  Erkenntnis  und  Meditation  wegen 
ihrer  Verwandtschaft  damit  durch  die  Worte  Sankhyam  und  Yoga 
bezeichnet  werden.  So  weit  aber  die  Sänkhya-  und  Yoga-Smiiti 
nns  nicht  widersprechen,  so  weit  geben  wir  gern  ihre  Berechti- 
gung zu.  So  z.  B.  wenn  es  heifst:  „denn  diesem  Geiste  haftet 
„nichts  an"  (Brih.  4,  3,  16),  so  wird  die  hier  von  der  Schrift  ge- 
lehrte Keinheit  des  Geistes  [vom  Sinnlichen]  von  den  S&nkhya's 
bei  der  Schilderung  des  gunalosen  Geistes  adoptiert  (vgl.  Eapila- 
sütra  1,  15).  Ebenso,  wenn  z.  B.  die  Schrift  in  den  Worten:  „der 
'  „Pilgermönch,  farblosen  Kleides,  kahlköpfig  und  ungeleitef  (Ja- 
bS.la-.Up.  5,  p.  452)  die  von  ihr  angenommene  Beharrliohkeit  in 
der  Entsagung  lehrt,  so  wird  dies  von  den  Anhängern  des  YT>ga- 
systems  da,  wo  sie  von  der  Pilgerschaft  u.  s.  w.  handeln,  adop- 
tiert. —  In  dieser  Weise  hat  man  sich  allen  auf  Reflexion  ge- 
gründeten Smritistellen  gegenüber  zu  verhalten.  Sollte  es  sich 
herausstellen,   dafs  auch  sie  durch  Reflexion  und  Sachgemäfsheit 

418  die  Erkenntnis  der  Wahrheit  fördern,  so  mögen  sie  dieselbe  [  immer- 
hin fördern;  zu  schöpfen  aber  ist  die  Erkenntnis  der  Wahrheit 
nur  aus  den  Y ed&ntatexten ;  denn  die  Schrift  sagt:  „nicht  ohne 
„Yedakunde  wird  erkannt  der  Grofse"  (Taitt.  br.  3,  12,  9,  7),  und: 
„ich  frage  dich  nach  jenem  Geist,  den  die  Upanishad's  lehren" 
(Brih.  3,  9,  26). 


Sütram  II.  i.  4.  263 

Drittes  Adhikaranam, 

4.    ^n<iy  vilakshamtvad  asya^  tathätvan  ca  f^abdät' 

^nein!  wegen  Wesensverschiodenheit  von  dieser  [Welt]; 
und  auch  aus  dem  Schriftworte  ergiebt  sich,  dafs  dem    . 

so  ist; 

I>HS  BraLman  ist  die  bewirkenrle  und  die  uiatene.lle  Ursache 
dieser  Welt.  W^a«  die  Sini-iti  gegen  die-^se  unsere  Bchauptang  ein- 
wendete, ist  erledigt  worden;  nunmehr  handelt  es  sich  darum,  die 
Kinwenduugen  der  Reflexion  zu  erledigen.  —  Aber  wie  können 
bei  dieser  von  der  heiligen  Überlieferung  gelehrten  Sache  aus  der 
Reflexion  entspringende  Einwendungen  überhaupt  Platz  greifen? 
Mufs  nichi,  ebenso  wie  bei  der  Pflichtlehre,  auch  in  der  l-ehre 
vom  Rrahman  die  heilige  Überlieferung  eine  rücksichtslose  jun- 
bedingtej  (Geltung  haben?  —  Diese  Position  möchte  als  unangreif- 
bar gelten,  wenn  der  Oegenstand,  um  den  es  sich  hier  handelt, 
durch  kein  anderen  Erkenntnismittel  ergrundbar  und  nur  durch 
die  heilige  llberlieferung  erkennbar  wäre,  wie , dies  bei  der  Pflicht, 
weil  sie  ein  zu.  Verwirklichendes  ist,  in  der  That  stattfindet.«  Aber 
das  Brahman  ist  vielmehr  zu  erforschen •  als  etwas,  welches  .schon 
in  "Wirklichkeit  vorhanden  ist,  und.  bei  einem  wirklich  vorhande- 
nen Objekte  sind  auch  andere  l^eweisraitt-el  aiifser  der  Off'enbarung 
am  Platze,  wie  [es]  z.B.  bei  der  Erde  u.  s.  w.  [die  Wahrnehmun-' 
gen  der  Sinju?]  sind.  .Vhnlich  nun,,  wie  man,  wenn  zwei  Schrift- 
stelUq;!  einandei-  widfH'sprechen,  die  eine  im  Sinne  der  andern 
deutet,  so  könnte  man  ja,  wo  die  Schrift  einem  andern  Beweis- 
mittel widerspricht,  die  Schriftstelle  im  Sinne  dessjielben  dcoten. 
Hierzu  kommt,  dafs  die  Vernunftbetrachtung,  welche  nach  Analo- 
gie doH  AVyhrnehmbaren  das  ünwahrnehmbare  kennen  lehrt,  |  der  4J9 
unmittelbaren  Auffassung  der  Sache  naher  steht,  während  hingegen 
die  Schrift,, sofern  sie  ihre  Sache  nur  durch  Erzählungen  darlegt, 
von  derselben  doch  weiter  entfernt  ist.  Dafs  aber  die  Erkennt- 
nis des  Brahman,  welche  das  NicJitwisson  zu  nichte  macht  und  die 
Erlösung  vollbringet,  in  einer  solchen  unmittelbaren  Auffassung  sich 
vollendet,  ist  darum  zuzugebo),  weil  die  Frucht  derselben  eine 
in  der  Wahrnehmung  vorlietrendo  int.  Und  auch  die  Schrift,  wenn 
sie  in  der  Stelle:  „man  soll  ihn  hören,  soll  ihn  verstehen"  (Brih. 
2,  4,  5)  aufser  dem  Hören  aiu;h  noch  ein  Verstehen  anbefiehlt,  giebt 
damit  zu  erkennen,  dufs  hierbei  auch  die  Reflexion  zu  achten  ist. 
Dalier  wird  hier  wiederum  ein  Einwurf  erhoben,  welcher  auf  die 
Reflexion  gegründet  ist,  und  derselbe  lautet:  „neini  wegen  "Wosens- 
„verschiedenhoit   von   dieser   [Welt]'*.     Nämlich:   *weun  behauptet 


'7:  '-^"-W"-^-  'f  %:. 


»•• 


.1  i;»».  .'> 


264  ^&rlraka-mlm&n8ä 

'wurde,  dafs  das  geistige  Brohman  auch  die  materielle  Ursache 
'der  Welt  sei,  so  geht  das  nicht  an;  warum?,  „wegen  der  Wesens- 
'  „Verschiedenheit  dieser  "Welt  als  Produkt  von  dem,  was  ihr  als 
4hren  Urstoff  bezeichnet.  Nämlich  diese  Welt,  welche  eine  Wir- 
'kung  des  Brahman  sein  soll,  ist  von  dem  Brahman  wesens- 
'verschieden,  sofern  die  Wahrnehmung  lehrt,  dafs  dieselbe  un- 
'geistig  und  unrein  ist;  das  Brahman  wiederum  ist  von  der  Welt 
'wesensverschieden,  sofern  es  ncu;h  der  Schrift  geistig  und  rein  ist. 
'Bei  Wesensverschiedeuheit  aber  ßndet  ein  Verhältnis  als  Urstoff 
'und  Produkt  nicht  statt,  indem  z.  B.  Produkte  wie  die  Geschmeide 
'nicht  den  Thon  als  Urstoff,  und  Produkte  wie  Thongefäfse  nicht 
'das  Gold  als  Uratoif  haben  können.  Vielmehr  werden  aus  dem 
'Thon  nur  die  dem  Thon  entsprechenden  Produkte,  und  aus  dem 
420  'Golde  I  die  dem  Golde  entsprechenden  hervorgebracht*  In  ähn- 
'licher  Weise  muls  auch  diese  Welt,  wisil  sie  ungeistig  und  mit 
'Wohl,  Wehe  und  Wahn  behaftet  ist,  als  Wirkung  einer  ungeisti- 
'gen  und  [in  Folge  der  drei  Guna's,  Satlvam,  Hajos  und  Tamas] 
'mit  Wohl,  Wehe  und  Wahn  behafteten  Ursache  betrachtet  wer- 
'den,  nicht  aber  als  eine  solche  des  von  ihr  wesensverschiedenen 
^Brahman.  Die  Wesensverschiedenheit  dieser  Welt  aber  von  Bnüi- 
'man  ergiebt  sich  daraus,,  dafs  sie,  wie  die  Erfahrung  zeigt,  nicht 
'Reinheit  und  Geistigkeit  besitzt.* 

'Denn  erstlich  ist  diese  Welt  unrein,  weil  sie  zufolge  ihrer 
'[durch  Sattvam,  Rajas  und-  Tamas  bedingten]  Behaftung  mit  Wohl, 
'Wehe  und  Wahn  die  Ursache  von  Freude,  Schmerz  und  Ver- 
'zweiflung  ist  und  sich  als  solche  durch  Himmel  und  Hölle  auf- 
'wäHs,  und  abwärts  erstreckt.' 
^  'Zweitens  ist   diese  Welt  ungeistig,   weil   sie  sich  dem  Oei- 

'stigen  [d.  h.  dem  Purusha]  gegenüber ,  sofern  sie  nur  da»  YTork- 
'zeug  der  [von  ihm  gewollten]  Wirkungen  ist,  als  ein  blofses 
'Mittel  zum  Zwecke  (upakaranam)  verhält.  £in  solches  Verhältnis 
'aber  als  Zweck  und  Mittel  zum  Zwecke  findet  unter  zwei  gleich- 
'artigen  Dingen   nicht  statt,   indem  z.  B.  von   zwei  Lampen  nicht 

I  'die  eine  das  Mittel  zum  Zwecke  [der  Beleuchtung]  der  andern 
^  'sein  kann.*  —  Aber  könnte  nicht  auch  ein  Geistiges,  ein  Werk- 
'i                             zeug  für   die  Wirkungen   [eines   andern   Geistigen]   bilden,   indem 

es,  etwa  wie  der  Diener  seinem  Herrn,  der  geniefsenden  Seele  als 
Mittel  zum  Zwecke  dient?  —  'Duch  nicht!  Denn  auch  bei  dem 
'Herrn  und  Diener  ist  der  letztere  nur,  insofern  er  ein  Ungeisti- 
'ges  ist,  Mittel  zum  Zwecke  des  Geistigen.  Es  ist  nämlich  nur 
'der  jenem  Geistigen  angehörige  ungeistige  Teil,  bestehend  aus 
:■.  'der  Buddhi  und  den  übrigen  [Organen],  welcher  dem  andern  Gei- 

II  'stigen  als  Mittel  zum  Zwecke  dient,  nicht  aber  jenes  Geistige 
.\-  '[der  Puntshd]  selbst,  indem  dieses  für  sich  nicht  im  Stande  ist, 
:^i  .'die  Zwecke  des  andern  Geistigen  zu  fördern  oder  auch  zu  hem- 
j                              'men,  da,  wie  die  Sankhya's  annehmen,   die  Geistigen  [Purusha' s] 


Sütram  II.  i.  L  265 

^absolut  thatlos  sind.  —  iät  daher  irgend  etwas  Werkzeug  einer 
'Wirkung,  so  kann  es  nur  ein  Ungeistiges  sein.  —  I  Hierzu  kommt,  421 
'[als  ein  weiterer  Beweis  der  Ungeistigkeit  der  Welt  und  mithin 
'Wesensverschiedenheit  von  Brahman],  dafs  bei  Gegenständen  wie 
'z.  B.  Holzstücken  und  Erdschollen  ein  Beweis  ihrer  Geistigkeit 
'absolut  nicht  zu  erbringen  ist,  wie  ja  auch  diese  Einteilung  [der 
'Weltwesen]  in  geistige  und  ungeistige  allgemein  anerkannt  wird. 
'Darum  also  kann  wegen  ihrer  Wesensverschiedenheit  von  Brahman 
'diese  Welt  nicht  aus  ihm  als  T'^^rstoff  entspringen.  —  Allerdings 
'könnte  jemand,  mit  Hinblick  auf  den  von  der  Schrift  gelehrten 
'Ursprang  der  Welt  aus  einem  Geistigen,  dieser  Lehre  zu  Liebe 
'geneigt  sein,  die  ganze  Welt  als  ein  Geistiges  aufzufassen,  indem 
'ja  doch  das  Produkt  dem  Stoffe  entsprechen  mufs;  nur  dafs  das 
'Geistige  als  solches  in  Gestalt  seiner  Produkte  nicht  wahmehm- 
'bar  wäre,  ähnlich  wie  auch  an  den  Seelen,  welche  offenbar  ein 
'Geistiges  sind,  in  den  Zuständen  des  Schlafes  und  der  Ohnmacht 
'die  Geistigkeit  nicht  wahrgenommen  wird;  ebenso  würde  auch  an 
'Holzsiücken  und  Erdschollen  die  in  ihnen  liegende  Geistigkeit 
'blofs  nicht  wahrgenommen  werden.  Hiernach  würde  der  eigent- 
'licho  Unterschied  nur  darin  liegen,  dafs  das  Geistige  das  eine 
'Mal  wahrnehmbar,  das  andere  Mal  nicht  wahrnehmbar  wäre,  wie 
'allerdings  auch  darin,  dafs  es  in  dem  einen  [letztem]  Falle  [als 
'Körper]  gestaltet,  in  dem  andern  nicht  gestaltet  wäre;  im  übri- 
'gen  aber  würden  die  Werkzeuge  des  Wirkens  und  die  Seelen  beide 
'eben  wohl  ihrem  Wesen  nach  geistig  sein  und  das  Verhältnis  von 
'Urstoff  und  Modifikation  desselben  könnte  zwischen  dem  Brahman 
'und  ihnen  ohne  Widerspruch  angenommen  werden.  Und  so  wie 
'zwischen  dem  Fleische  [des  menschlichen  Leibes]  und  [den  Nah- 
'rungsmitteln  wie]  Suppe  und  Reisbrei,  obwohl  beide  eben  wohl 
'erdartig  sind,  doch,  auf  Grund  ihrer  speciellen  Verschiedenheit, 
'ein  gegenseitiges  Verhältnis  von  Zweck  und  Mittel  besteht,  ebenso 
'könnte  es  auch  in  unserm  Falle  sein;  und  auch  die  allgemein  au- 
fgenommene Zweiteilung  [in  Geistiges  und  Ungeistiges]  würde  aus 
'diesem  Grunde  nicht  in  W^iderspruch  damit  stehen.  Gesetzt  durch 
'eine  derartige  Argumentation  liefse  sich  die  aus  der  Geistigkeit 
''Und  Ungeistigkeit  entnommene  Wesensverschiedenheit  [zwischen 
'Brahman  und  Welt]  heben,  |  so  wurde  damit  doch  jene  andere,  422 
'in  der  Reinheit  und  Unreinheit  begründete  Wesensverschiedenheit 
'nicht  aufgehoben  sein;  aber  auch  jene  erstere  Wesensverschiedon- 
'heit  läfst  sich  doch  wohl  richtiger  auch  nicht  heben,  so  sagt  [in 
'unserm  Sütram  der  Opponent],  denn  „auch  aus  dem  Schriftworte 
'„ergiebt  sich,  dafs  dem  so  ist".  Nämlich  jene  Geistigkeit  aller 
'Dinge  wird  in  der  Erfahrung  doch  nicht  wahrgenommen,  sondern 
'nur,  um  des  Schrift  Wortes  von  der  Geistigkeit  der  Weltursache 
'willen,  durch  eine  blofse  Versteifung  auf  das  Schriftwort  aus- 
'spekuliert  [lies:   utprekshynte]\    nun   aber   trifft   es   sich,   dafs    sie 


2Hf5  <;&rlraka-mSmäusa 

'mit  dor  Scbrift  selbst  in  Widerspruch  steht,  weil  „aueh  aus  dem 
*,,Schinftworte  sich  üfgiobt,  daf»  deoi  so  ist",  d.  h.  dafs  die  Welt 
*von  ihrem  [vermeintliclieii]  Urstofi'e  weseua verschieden  ist.  Denn 
*wenu  die  Sclwift  sagt:  „Bewufstseiii  und  ünbewuretReiu''  (Taitt. 
*2,  fi),  HO  behauptet  sie  hiermit  die  Unbewufetheit  eines  Teiles  der 
*VVclt  und  giebt  damit  zu,  daf«?  die  ungeistige  Welt  von  dem  gei- 
rstigea  ßrahmau  Wesens  verschieden  ist/ 

Aber  wird  nicht  an  andern  Stellen  auch  die  Geistigkeit  der 
tYir  ungeistig  gehaltenen  Elemente  und  Sinnesorgane  von  der  Schrift 
behauptet,  wenn  sie  sagt:  „die  Erde  sprach,  die  Wasser  sprachen" 
(Catap,  br.  6.  1,  3,  2.  4).  —  „diese  Glut  erwog,  diese  Wasser  er- 
„v.'ogeu"  (Chand.  (>,  2,  3.  4)?  Hier  wird  doch  in  Be»zug  .auf  die 
Elemente  eine  f Feistigkeit  gelehrt,  lind  ebenso  in  Bezug  auf  die 
Sinnesorgane,  wenn  es  heifst:  „diese  Lebensorgane  stritten  einst 
„um  den  Vorrang;  und  sie  gingen  zu  dem  Brahman"  (Brih.  6, 
1,  7),  und  „da  sprachen  sie  zur  Rede,  singe  du  für  uns  den  Ud- 
„jjitha"  (BrIh.  1,  .3,  2).  Hier  wird  die  Geistigkeit  docli  auch  den 
ISinncsorgunou  beigelegt. 

Darauf  giebt  f»r  [nämlich  der  Gegner]  zur  Antwort: 


»3:i        .5.    'ahhimäni-Vf/apfidef^s  tu,  iHQesIfa-amigoMhhydm' 

*  vielmehr    IJezeiclinung    der    verfcretendeii,    wegen    dos 
Uuterricrliiedes  und  wegen  der  Eiitsprectiiing.' 

Das  W^ort  „vielmehr"  soll  diesem  Zweifel  wohren»  *Man  darl* 
'alö'o  nicht  wegen  Schrift  wollen  wie  „die  Erde  sprach"  den  Ele- 
nienien  und  Sinnesorganen  eine  Geistigkeit  zuschreil)en,  weil  diesbs 
'eine  „Bezeicliimng  der  vertretenden"  ist.  Nämlich  die  geistigen 
'Gottheiten,  welche  die  Erde  u.  s.  w.  vortreten  und  din  lltnlo  u.  s.  w. 
•vertreten,  diese  werden  dargestellt  in  solclien  Thätigkeiten ,  wie 
'j^ie  geistigen  Wesen  zukommen,  z.  B.  Reden,  Unterreden  u.  s.  w  , 
Vnicht  aber  die  Elemente  und  Sinnesorgane  als  sulcho.  WaioimV 
*„wegen  des  Unterschiedes  und  wogen  der  Entsprechul»g*^  Es  ist 
'uämlicJi,  wie  oben  gezeigt^,  ein  Unterschied  zwischen  den  geuio- 
'fsoiideu  Seelen  und  den  Elementen  nebst  Sinnesorganen,  worauf 
*eben  die  Einteilung  in  Geistiges  und  Ungeistiges  beruht;  wäre 
*alles  ein  Geistiges,  so  würde  dieser  Unterschied  nicht  statthaben. 
*Aucli  werden  von  der  Schule  der  Kaushitakin's  in  der  Stelle  vom 
*Streit  der  Sinne  diese,  um  der  Meinung  zu  wehreu,  als  wären 
'nur  die  Organe  zu  verstehen,  und  um  auf  die  ihnen  vorstehenden 
'gcsistigon  Wesrn  hinzuweisen,  als  „Gottheiten"  bezeichnet;  denn 
'e**  heifst:  „diese  Gottheiten,  fürwahr,  stritten  um  den  VoiTang" 
'(Köush.  %  14),  und:  „alle  diese  Gottheiten,  fürwahr,  nachdem  sie 


Sfttram  Ih  r..5.  267 

*„den  Vorrang  des  Prana  erkannt  hatten"  (Kauöli.  2,  14).  JJierzu 
^kommt,  daffl  überall  in  der  Natur  solche  „entsprechenden"  vor- 
^stehenden,  geistigen  Gottheiten  von  den  Mantra's  und  Arthava- 
*da^8,  von  den  epischen  und  mythologischen  Gedichten  augenomraeu 
'werden,  und  die  Stelle  „Agni  als  Rede  ging  ein  in  den  Mund'' 
^u.  s.  w.  (Ait.  1,  2,4)  bezeugt,  dafs  auch  für  die  Sinnesorgane 
'solche  ,, entsprechende"  Gottheiten  als  ihre  Patroninnen  anzuneh- 
'men  sind.  Auch  heifst  es  im  Verlaufe  der  Stolle  vom  Streit  i^Qv 
^Sinne:  |  „diese  Lebensorgane  gingen  hin  yai  ihrem  Vater  Praju-  424 
'„pati  und  sprachen"  (Chand.  5,  1,  5):  hier  wird  g/cbchildert,  wie 
'dieselben  zu  Prajapati  gehen,  damit  er  über  deii  VoiTang  eut- 
'scheide,  wie  sie  sodann  seinem  Vorschlage  gemals  eines  nach  dem 
'andern  ausziehen,  und  wie  dabei  durch  die  Ähnlichkeit  [des  Zu- 
'Standes  beim  Auszuge  der  übrigen]  und  die  Verschiedenheit  [bei 
'dem  des  PrÄna")  der  Vorrang  des  Prana  zu  Tage  tritt,  worauf  die 
'andern  ihm  eine  Spende  darbringen;  dieser  ganze  Vorgang  spielt 
'sich  ganz  „entsprechend"  ab,  als  geschähe  er  unter  unseres  Gleichen, 
'und  bestätigt,  dafs  dabei  die  vertretenden  [Gottheiten]  zu  ver- 
'stehen  sind.  Und  auch  wenn  es  heifst:  „jene  Glut  beabsichtigte" - 
'(Chand.  6,  2,  3),  so  bezieht  sich  jenes  Beabsichtigen  auf  die  höchste 
'Gottheit,  welche  in  den  „entsprechenden"  Umwandlungen  derselben 
'als  eine  [geistige]  Vorsteherin  gegenwärtig  ist.  —  Somit  ei'giebt 
'sidi,  dafs  diese  Welt  von  Brahman  wesensverschieden  ist,  und 
'dafs  sie  wegen  der  Wesensverscliiedenheit  von  ihm  nicht  ^rahipan 
'zum  Urstoffe  Baben  kann/ 

Auf  diesen  Einwurf  antwortet  der  Lehrer: 


6.    drigijate  tu 
vielmehr  zeigt  die  Erfalirung. 

Das  Wort  „vielmehr"  weist  die  Ansicht  des  Gegners  ab.  Wenn 
behauptet  wurde,  dafs  diese  Welt  wegen  der  Wesensverschieden- 
heit  nicht  Brahman  zum  Urstoffe  haben  könne,  so  ist  dioser  Grund 
nicht  zwingend;  denn  „die  Erfahrung"  des  gewöhnlichen  Lebens 
„zeigt",  wie  aus  anerkannt  geistigen  Wesen,  z.  B.  Menschen,  die 
davon  wesens verschiedenen  Haare,  Nägel  u.  s.  w.  entspringen,  und 
wie  aus  anerkannt  Ungeistigem,  z.  B.  aus  dem  Miste,  Mistkäfer  u.  s.  w. 
entspringen.  —  'Aber  sind  nicht  vielmehr  nur  die  ebenfalls  un- 
'geistigen  Körper  der  Menschen  die  Ursachen  der  ungeistigen 
'Haare ,  Nägel  u.  s.  w.,  |  und  ebenso  die  ungeistigen  Körper  der  420 
'Mistkäfer  u.  s.  w.  die  Wirkungen  des  ungeistigen  Mistes  u.  s.  w.?* 
—  Wir  antworten:  auch  wenn  man  es  so  nimmt,  so  hat  doch 
einiges  Ungeistige  [die  organische  Materie]  ein  Geistiges  zu  seiner 


268  gMraka-mIm&nsli 

Unterlage,  und  anderes  [die  unorganiache  Materie]  wieder  nicht; 
so  dafs  immerhin  jene  Wesensverschiedenheit  [awischen  unorga> 
nisoher  und  organischer  Materie  als  Ursache  und  Wirkung]  be- 
steht. Und  jedenfalls  bleibt  jene  auf  blo&er  Umwandlung  be- 
ruhende Abweichung  tob  der  ursprünglichen  Natur  eine  grofse,  in- 
dem s.  B.  die  Menschen  u.  s.  w.  von  den  Haaren  und  Nftgeln  u.  s.  w. 
an  Gestalt  u.  s.  w  verschieden  sind,  und  ebenso  der  Mist  n.  t.  w. 
von  den  Mis]tk&fern  u.  s.  w.  Und  überhaupt  würde  bei  völliger 
Identität  [von  Ursache  und  Wirkung]  der  ganze  Oegensata  s wi- 
schen dem  Urstoffe  und  seinen  Umwandlungen  zu  nichte  werden. 
Oder  wollt  ihr  vielleicht  einwenden,  dafs  ^doch  eine  gewisse  Orund- 
*  Wesenheit,  wie  etwa  das  Bestehen  aus  Erdstoff,  bei  den  Menseben 
'u.  3.  w.  vorhanden  sei,  die  bei  den  Haaren  Und  Nftgeln  u.  s.  w. 
'sich  wiederfinde,  und  ebenso  die  des  Mistes  u.  s.  w.  bei  den  Misi- 
*käfem  u.  s.  w.'?  —  nun,  dann  müssen  wir  bemerken,  dafs  in  die- 
sem Sinne  auch  die  Grundwesenheit  des  Brahman,  nämlich  seine 
Eigenschaft,  das  Seiende  zu  sein,  auch  in  dem  Äther  und  der  übri- 
gen Sclföpfuug  sich  wiederfindet.  Und  wenn  ihr  euch  auf  die 
Wesensverschiedenheit  stützen  wollt,  um  den  Ursprung  der  Welt 
aus  Brahman  zu  bemängeln,  so  mögt  ihr  uns  doch  auf  Folgendes 
antworten:  soll  vielleicht  1)  eine  Nichtübereinstimmung  mit  der 
vollen  Wesenheit  des  Brahman  schon  für  eine  Wesensverschieden- 
heit gelten,  oder  soll  2)  die  Wesensverschiedenheit  sich  auf  alles 
und  jedes,  oder  3)  nur  auf  die  Geistigkeit  des  Brahman  erstrek- 
ken?  Im  ersten  Falle  wird  überhaupt  das  ganze  Yerhältnis  von 
Urstoff  und  Produkt  unmöglich  gemacht;  dehn  ohne  ein  Hinaus- 
reichen [der  Wirkung  über  die  Ursache]  findet  überhaupt  kein 
Verhältnis  von  Urstoff  und  Produkt  statt.  Im  zweiten  Falle  | 
42(j  streitet  man  gegen  ein  allgemeines  Zugeständnis;  denn  der  Augen- 
schein lehrt,  wie  wir  zeigten,  dafs  die  der  Natur  des  Brahman 
zukommende  Bestimmung  des  Seins  sich  bei  dem  Äther  und  den 
übrigen  Geschöpfen  wiederfindet.  Im  dritten  Falle  fehlt  es  an 
einer  [auch  vom  Gegner  zugestandenen]  Argumentationsbasis  (dfisk- 
fänta);  denn  welche  derartige  Argumentationsbasis  liefse  sich  wohl 
für  die  Behauptung,  dafs  das  der  Geistigkeit  Ermangelnde  nioht 
aus  Brahman  stammen  könne,  dem  Verfechter  der  Ursächlich- 
keit des  Brahman  gegenüber  auftreiben,  da  derselbe  ja  annimmt, 
dafs  diese  ganze  Welt  der  Objekte  [aus  der  ihr  euer  Wider- 
legungsbeispiel  schöpfen  müfstet]  in  Brahman  ihren  Urstoff  hat? 
Selbstverständlich  streitet  diese  Annahme  auch  gegen  die  heilige 
Überlieferung,  als  deren  Endzweck  wir  erkannt  haben,  das  gei- 
stige Brahman  als  bewirk-ende  und  zugleich  als  materielle  Ursache 
der  Welt  zu  lehren.  Wenn  hingegen  behauptet  wurde,  dafs  auf 
das  Brahman  als  ein  wirklich  Vorhand ones  auch  die  andern  [welt- 
lichen] Erkenntnismittel  ihre  Anwendung  finden  müfsten,  so*  ist 
auch   dieses  ■  ein  blofses  Postulat.     Denn   in   den  Bereich  der  An- 


Sütram  IL  i.  6.  269 

sohammg  fällt  unser  Gegenstand  nioht,  weil  er  keine  Gestalt  u.  s.  w. 
hat;  und  in  den  Bereich  der  Schlnfsfolgening  und  der  übrigen 
Erkenntnismittel  nicht,  weil  keine  Merkmale  desselbdn  [in  der 
Erfahrung]  vorliegen.  Vielmehr  ist  dieser  Gegenstand,  ebenso 
gut  wie  die  Pflichtvorschrift,  nur  an«  der  heiligen  Überlieferung 
zu  erkennen.  Und  dies  lehrt  auch  die  Schrift, '  wenn  es  heifst 
(K&th.  2,  9): 

„Nicht  ist  durch  GrttbeUi  jener  Sinn  sn  fassen; 
„Nur  wenn  ein  anderer  uns  ihn  verktbidet, 
„Dann  wird,  o  Teuerster,  er  leicht  begriffen"; 

und  Rigyeda  (10,  129,  6.  7): 

„Wer  weifs  es  wohl,  wer  mag  es  hier  Terkünden, 
„Woher  sie  kam,  woraus  sie  ward,  die  Schöpfung?'^ 

I  Diese  beiden  Verse  beweisen,  dafs  auch  för  die  Vollendeten,  und  427 
würen  es  .selbst  Götterherren,  die  Ursache  der  Welt  schwer  isu  er- 
gründen ist.     Auch  in  der  Smfiti  heifst  es: 

„Bestimmungen,  dis  unerkennbar  sind, 

„Die  lassen  sich  durch  Denken  nicht  ermitteln; 

„Denn  darum  eben  ist  es  nnerkennhar, 

„Weil  es  erhaben  über  alles  ist, 

„Was  ihr  als  Umatur  ergrabein  mögtl**  — 

„Undenkbar  und  unoffenbar,  unwandelbar  wird  er  genannt**; 

(der  letzte  Vers  Bhag.  G.  2,  25);  und  femer  (Bhag.  G.  10,  2): 

„Nicht  Götterscharen  und  nieht  gro&e  Weisen 
„Vermögen  meinen  Ursprung  zu  ergründen, 
„Weil  ich  der  Anfting  aller  Götter  bin 
„Und  aller  grofsen  Weisen  allerwftrts.^^ 

—  Wenn  weiter  daraus,  dafs  die  Schrift  aufser  dem  Hören  auch 
das  Verstehen  empfiehlt,  geschlossen  wurde,  dafs  dieselbe  auch 
die  Reflexion  für  schätzbar  halte,  so  reicht  dieser  Scheingrund 
nicht  aus,  um  der  dürren  Reflexion  zur  Wesenheit  zu  verhelfen; 
denn  dort  ist  nur  von  einer  auf  die  Schrift  gerichteten  Reflexion 
die  Rede,  als  welche  allerdings  an  dem  Innewerden  der  Sache 
ihren  Anteil  hat,  von  einer  Reflexion  z.  B.,  welche  erkennt,  dafs 
der  Atman  vom  Zustande  des  Traumes  und  von  dem  des  Wachens, 
weil  er  von  beiden  gleichm&fsig  verschieden  ist,  nicht  betroffen 
wird,  dafs  er  im  Tiefschlafe  die  Weltausbreitung  aufgiebt  und  mit 
dem  wahrhaft  seienden  Ätman  eins  wird,  und  dafs  er  daher  sei- 
nem wahren  Wesen  nach  frei  von  der  Weltausbreitung  ist,  dafs 
endlich  die  Weltausbreitung,  weil  sie  aus  Brahman  entspringt,  nach 
dem  Satze  von  der  Identität   der  Ursache   und  der  AVirkuug  über 


270    '  (.*äriral<a-m!inftus& 

I 
BraliiUtiu  hinaus  keinen  Bestand  hat:  —  eine  solche  •  Reflexion  ist 
■4'28  es,  welche  von  der  Schritt  empfohlen  wird.  |  Dafs  hingegen  eine 
hlofse  [nicht  auf  dei*  Schrift  fufseude]  Heflexion  trügerisch  ist, 
wird  der  Lehrer  an  der  Stelle:  „1)ei  Unbegründetheit  der  R©- 
„flexion"  (SiUram  2,  1,  11)  zeigen.  Wer  aber  [in  der  oben 
p.  421,  3  fg.  Ausgeführten  Weine]  auf  Grund  des  Schriftwortes  von 
dem  Geistigen  als  der  Weltursache  die  ganze  Welt  als  ein  Gei- 
stiges anfzufEissen  geneigt  wäre,  der  könnte  auch  die  Schriftstelle 
von  der  Einteilung  in  Geistiges  und  üngeistiges,  Bcwufstsein  und 
„TJnbewufstsein"  (Taitt.  2,  6)  dahin  verstehen,  däls  das  Geistige 
teils  wahrnehmbar  und  teils  nicht  wahrnehmbar  sei.  Hingegen  ist 
es  vielmehr  der  Gegner  [aus  der  SÄnkhyaachule] ,  zu  dessen  An- 
sicht diese  von  der  Schrift  gelehrte  Einteilung  nicht  pafst.  Wie 
das?  Nun,  weil  die  Sclu:ift  hier  in  den  Worten:  „Bewufstsein  und 
„Nichtbowufstsein  ward  er"  (Taitt.  2,  ß)  lehrt,  dafs  die  höchste 
Ursache  in  Gestalt  der  ganzen  Welt  ihr  Bestehen  hat.  Mit  dem- 
selben Hechte  nun,  mit  dem  ihr  bestreitet,  dafs  das  Geistige  zu 
einem  Ungeistigen  werden  könne,  wegen  seiner  Wesensv'erschieden- 
heit,  mit  demselben  Rechte  bestreiten  wir,  dafs,  das  Ungeidtige 
[euere  Urmaterie]  zu  einem  Geistigen  werden  kann  [was  freilich 
die  Sankhya's  vom  Standpunkte  ihres  ursprünglichen  Dualismus 
aus  auch  nicht  behaupten].  —  Da  wir  aber  vielmehr  jenen  ganzen 
Einwand  aus  der  Wesensverschiedenheit  bereits  widerlogt  haben, 
so  bleibt  es  dabei,  dafs,  wie  die*  Schrift  es  lehrt,  das  Geistige 
als  die  Weltnrsaehe  festzuhalten  ist. 


7.    asadj  iti  cen?  na!  praUshedha^mätratvdt 

ein  Nichtseiendes 5  meint  ihr?  Nein!  weil  es  eine  blofse 

Negation  ist. 

Man  könnte  einwenden:  *wenn  das  geistige,  reine,  der  Sinues- 
*  Wahrnehmung  entrückte  Brahman  als  Ursache  angenommen  \irii^d 
42^  'für  die  ihm  entgegengesetzte,  ungeiatige,  |  unreine,  sinnlidi  wahr- 
^nchmbare  Wirkung,  so  folgt  doch,  dafs  die  Wirkung  vor  ihrem 
'Ursprünge  „ein  Nichtseiendes"  gewesen  ist,  und  dieses  steht  mit 
'deiner  Annahme,  dafs  die  Wirkung  ein  Seiendes  gewesen  sei,  ziicht 
'in  Einklang.'  —  Aber  diese  Einwendung  ist  ohne  Grund  >  „weil 
„es  eine  blofse  Negation  ist";  d.  h.  die  Behauptung  von  dem 
Nichtsein  der  Wirkung  ist  eine  rein  negative ,  und  dasjenige,  was 
durch  dieselbe  negiert  wird,  ist  gar  nicht  das  Seiende,  [die 
Substanz].  Diese  Negation  reicht  also  nicht  hin,  um  das  Sein 
der  Wirkung  vor  ihrem  Ursprünge  zu  bestreiten;  vielmehr  steht 
es  so  damit,   dafs   diese  Wirkung   [die  Welt]    eben   so  wie  sie  im 


SCiiram  IT.  i.  7,      '  27 J 

gegenwärtigen  Augenblicke  nur  durch  das  Selbst  ihr«ir  Ursache 
(das  Bralinian]  besteht,  ebenso  auch  echun  vor  ihrem  Ursprünge 
bestand.  Nämlich  auch  jetsst  besteht  diese  Wirkung  nicht  nn- 
abliäugig  und  ohne  das  Selbst  ihrer  Ursache;  denn  die  Schrift 
sagt:  „das  Weltall  schliefst  den  aus,  der  das  Weltall  aufsmhalb 
„des  Selbstes  weifrf"  (Brih.  2,  4,  G);  darin  aber,  dal»  die  Wirkung 
nur  durch  das  Selbst  der  Ursache  besteht,  ist  für  sie  zwischen 
jetzt  und  der  Zeit  vor  ihrem  Ursprünge  kein  Unterschied.  — 
^Aber  ist  liicht  das  sinnlich  unwahrnehmbare  Brahman  die  Ur- 
^sache  der  [wahrnehmbaren]  Welt?'  —  Schon  recht!  aber  das 
beweist  nicht,  dafs  die  sinnlich  walurnehmbare  Wirkung  vor  ihrem 
Ursprünge  oder  auch  gegenwilrtig  ohne  das  Selbst  der  Ursache  be- 
stünde. Es  läfst  sich  mithin  nicht  behaupten,  dfifs  die  Wirlcung 
vor  ihrem  Ursprünge  ein  Nichtseiendes  gewesen  sei.  [D.  h.  das 
Sein  liegt  nicht  in  dem  Accidens,  sondern  in  der  Substanz,  in 
welcher  Wirkung  und  Ursache,  Welt  und  Brahman  identisch  sind.] 
Übrigens  werden  wir  die  Frage  noch  ausführlicher  bei  der  Lehre 
von  dei-  Identität  der  Wirkung  mit  der  Ursache  (Sütram  2,  1, 
14  fg.)  behandeln. 


8.    ^apUau  tadvat-pi'asangud  asamaüjasam' 
Veil  es  bei  ihrem  Eingehen  wie  sie  wird ,  ungereimt. 

Man  könnte  einwenden:  *wenn  die  grobmaterielle,  teilbare,  un- 
'geistige,  begrenzte  und  unreine  |  Wirkung  das  Brahman  zur  Ur-  430 
'sache  haben  soll,  so  ist  anzunehmen,  dafs  diese  Wirkung  bei 
*ihrem  Eingeben,  beim  Weltuntergange,  indem  sie  der  Ursache 
'eingemischt  wird,  so  dafs  sie  nicht  mehr  von  ihr  verschieden  ist, 
'die  Ursache  durch  ihre  Beschaffenheit  besudeln  wird,  so  dafs  nach 
'dem  Eingange  auch  die  Ursache,  nämlich  das  Brahman,  ebenso 
'gut  wie  die  Wirkung  eine  unreine  u.  s.  w.  Beschaffenheit  anneh- 
'men  wirtl;  nnd  darum  ist  die  Lehre  der  Upanishad^s,  dafs  das 
'allwissende  Brahman  die  Ursache  der  Welt  sei,  ungereimt.  — 
'Zweitens  ist  sie  ungereimt,  weil,  nach  dem  Eingange  des  Geteilten 
'in  das  Ungeteilte,  beim  abermaligen  Hervorgehen  desselben  keine 
'bestimmende  Ursache  vorhanden  ist,  der  zufolge  die  Welt  in  ihrer 
'speciellcn  Bestimmtheit  als  geniefsende  Seelen  und  zu  geniefsende 
'Objekte  u.  s.  w.  hervorginge.  —  Drittens  ist  diese  Lehre  un- 
'gereimt,  weil  bei  dem  Eingänge  der  geniefsenden  Seelen  zur  Un- 
'geteiltheit  mit  dem  Brahman  auch  die  Ursachen  der  Werke  zer- 
'gehen,  und,  wenn  man  gleichwohl  ein  Wiederhervorgehen  auch 
'ohno  sie  annimmt,  die  Möglichkeit  nicht  aasgeschlossen  ist,  dafs 
'auch   die   Erlösten   wieder   hervorgehen.    —    Oder   soll    man    viel- 


272  gärir»ka-mim&n6& 

deicht  annehmen,  dafs  diese  Welt,  auch  nach  ilirem  Eingange,  in 
^dem  höchsten  Brahman  in  ihrer  Geteiltheit  fortbestehe?  Dann 
'ist  der  Eingang  gar  kein  solcher,  und  euere  Behauptung,  dafs 
*die  Wirkung  über  die  Ursache  nicht  hinausreiche,  wird  2u  einer 
'ungereimten.' 

Darauf  dient  zur  Antwort: 


431  9.    na  tu,  drishtä/nta-hhäväd 

dem  aber  ist  nicht  so,   weil  Beispiele  vorhanden. 

Es  ist  aber  yielmehr  in  unserm  Systeme  durchaus  keine  Un- 
gereimtheit vorhanden.  Denn  was  zunächst  die  Behauptung  be- 
trifft, dafs  die  Wirkung  bei  ihrem  Eingange  in  die  Ursache  diese 
durch  ihre  Beschaffenheit  besndebi  könne,  so  ist  das  kein  triftiger 
Einwand;  warum?  „weil  Beispiele  vorhanden".  Es  giebt  nämlich 
Beispiele  daf&r,  dafs  die  Wirkung  bei  ihrem  Eingehen  in  die  Ur- 
sache diese  durch  ihre  Beschaffenheit  nicht  besudelt.  So  sind 
z.  B.  die  Geföfse  u.  s.  w.  aus  dem  Thon  entsprungene  Produkt« 
und  zeigen  in  ihrem .  Zustande  der  Oeteiltheit  oben,  unten  und  in 
der  Mitte  mancherlei  Verschiedenheiten;  und  doch  bemengen  sie, 
indem  sie  wieder  in  ihren  Urstoff  zurückgehen,  diesen-  keineswegs 
mit  den  ihnen  eigentümlichen  Beschaffenheiten.  So  sind  femer 
die  Geschmeide  u.  s.  w.  Produkte  aus  Gold,  und  doch  bemengen 
sie  bei  ihrem  Eingange  in  das  Gold  dieses  nicht  mit  ihren  EÜgen- 
Schäften.  So  sind  endlich  die  vier  Klassen  der  [organischen] 
Wesen  Produkte  der  Erde,  und  doch  wird  die  Erde  beim  Ein- 
gange derselben  mit  deren  Beschaffenheit  nicht  bemengt.  Hin- 
gegen findet  sich  für  die  Behauptung  des  Gegners  kein  Bei- 
spiel; vielmehr  würde  es  gar  kein  wirklicher  Eingang  sein,  wenn 
die  Wirkung  in  der  Ursache  ihrer  Beschaffenheit  nach  fort- 
bestünde. Übrigens  bedeutet  auch  der  Satz  von  der  Identität 
der  Wirkung  und  Ursache  nur,  dafs  die  Wirkung  das  Wesen 
der  Ursache,  nicht  aber,  dafs  die  Ursache  das  Wesen  der  Wir- 
kung an  sich  trage,  wie  wir  dies  an  der  Stelle  „wegen  des 
„Schriftwortes  von  dem  sich  Anklammem  und  andern"  (Sütram 
2,  1,  14)  auseinandersetzen  werden.  Endlich  ist  auch  die  Be- 
432  hauptung,  \  dafs  die  Wirkung  bei  ihrem  Eingange  in  die  Ur- 
sache diese  mit  ihrer  Beschaffenheit  bemengen  werde,  eine  zu  enge; 
denn  auch  während  des  Bestehens  der  Weltwirkung  würde  der- 
selbe Fall  eintreten,  da  wir  behaupten,  dafs  auch  dann  schon  Ur- 
sache und  Wirkung  identisch  sind;  denn  wenn  es  heifst:  „dieses 
„alles  ist  was  diese  Seele  ist''  (Brih.  2,  4,  6),  —  „Seele  nur  ist 
„dieses  Gans^e*'  (Chänd.  7,  25,  2),  —  „Brahman  allein  ist  dieses 
„Unsterbliche  im  Osten"  (Mund.  2,  2,  11),   —  „fürwahr  dieses  All 


Sütram  IL  i.  9.  273 

^\8i  Br^man'^  (Ghand.  2,  14,  1),  —  so  beweisen  diese  und  andere 
Sehriffcstellen ,  dafs  ohne  Unterschied  in  allen  drei  Zeiten  [Ver- 
gangenheit, Gegenwart  nnd  Zukunft]  die  Wirkung  von  der  Ur- 
sache nicht  verschieden  ist.  Und  was  man  hierbei  festzuhalten 
hat,  dafs  nämHch  die  Ursache  von  der  Wirkung  nicht  befleckt 
wird,  weil  die  Wirkung  und  ihre  Qualitäten  nur  vom  Nichtwissen 
aufgestellt  werden ,  das  gilt  in  gleicher  Weise  auch  von  dem  Ein- 
gange der  Welt  in  das  Brahman.  Hierfür  haben  wir  noch  ein 
anderes  Gleichnis.  Wie  nämlich  der  Zauberer  durch  das  Blend" 
werk  (ma^äX  welches  er  aus  sich  heraussetzt,  in  allen  drei  Zeiten 
nicht  alteriert  wird,  weil  dasselbe  wesenlos  ist»  so  wird  auch  der 
höchste  Ätman  dureh  das  Blendwerk  des  Samsara  nicht  alteriert. 
Und  gleichwie  derjenige,  welcher  ein  Traumgesicht  schaut,  dureh 
das  Blendwerk  des  Traumgesichtes  nicht  alteriert  wird,  weil  die 
Seele  im  Wachen  und  Schlafen  von  diesen  Zuständen  nicht  be- 
troffen wird  (vgl.  Bfih,  4,  3,  15 — 16),  ebenso  wird  auch  der  eine, 
unwandelbare  Zuschauer  der  drei  Zustände  [Wachen,  Traumschlaf, 
Tiefschlaf]  von  der  wandelbaren  Dr^iheit  der  Zustände  nicht  al- 
teriert. Denn  es  ist  ein  blofses  Blendwerk,  wenn  der  höchste 
Ätman  als  das  Subjekt  dieser  drei  Zustände  erscheint;  ähnlich 
wie  wenn  ein  Strick  eine  Schlange  zu  sein  scheint.  Darum  sagen 
die  der  Yedänta  -  Überlieferung  kundigen  Liährer  (Gaudapäda, 
Mandükya-kar.  1,  16): 

I  „Wenn  ans  des  anfanglosen  Blendwerks  Schlummer  4^9 

„Die  Seele  aufwacht,  dann  erwacht  in  ihr 
„Das  ungebome,  schlummerlose  Eine.'' 

Es  ist  somit  nicht  richtig ,  dafs  bei  dem  Eingange  die  Ursache 
ebenso  wie  die  Wirkung  mit  den  Mängeln  der  Materialität  u.  s.  w. 
behaftet  werde.  —  Wenn  weiter  behauptet  wurde,  dafs  nach  dem 
Eingange  der  gesamten  Geteiltheit  in  das  Ungeteilte  für  ein  Wieder- 
hervoi^eben  zu  seiner  Geteiltheit  eine  bestimmende  Ursache  nicht 
vorhanden  sein  könne,  so  ist  auch  dieser  Einwand  unzutreffend, 
nnd  zwar  wiederum,  „weil  Beispiele  vorhanden  sind".  So  wie 
nämlich  in  dsn  Zuständen  des  Tiefschlafes,  der  Meditation  u.  s.  w., 
obwohl  in  ihnen  die  ursprüngliche  Ungeteiitheit  wiedererlangt  wird, 
doch,  weil  die  falsche  Erkenntnis  noch  nicht  widerlegt  ist,  beim 
Erwachen  wiederum  die  frühere  Geteiltheit  eintritt,  ebenso  mufs 
es  sich  auch  hier  verhalten;  und  dafür  zeugt  die  Schrifbstelle : 
„also  fikrwahr  haben  auch  alle  diese  Kreaturen,  wenn  sie  [in  Tief- 
„schlaf  und  Tod]  in  das  Seiende  eingehen,  kein  Bewufstsein  dsvon, 
„dafs  sie  eingehen  in  das  Seiende.  Selbige,  ob  sie  liier  Tlgor  sind, 
„oder  Löwe,  oder  Wolf,  oder  Eber,  oder  Wurm,  oder  Vogel,  oder 
„Bremse,  oder  Mücke:  was  sie  immer  sein  mögen,  dazu  werden 
„sie  wieder  gestaltet*'  (Ch&nd.  6,  9,  2  —  3).  So  wie  nämlich,  zur 
Zeit  des  Bestehens  der  Welt,  in  dem  gleichwohl    ungeteilten  hoch- 

Dmuwv,  VedAnt».  18 


274  C'ärtraka-mlmftAsil 

Bten  Ätman  das  durch  die  falsche  Erkenntnis  bedingte  Treiben 
der  Geteiltheit  einem  Traumgesichte  gleich  ungehindert  fortbesteht, 
so  mufs  man  schliefsen,  dafs  auch  nach  dem  Eingange  der  Welt 
[in  das  Brahman]  die  durch  die  falsche  Erkenntnis  bedingte  Mqg- 
434  lichkeit  (f;akti)  der  Geteiltheit  fortbesteht.  —  |  Damit  ist  auch 
schon  die  Möglichkeit,  als  könnten  die  Erlösten  wieder  hervor- 
gehen, abgewiesen,  weil  eben  bei  ihnen  die  falsi^he  Erkenntnis 
widerlegt  ist.  —  Wenn  endlich  zum  Schlüsse  noch  auf  die  andere 
Möglichkeit  hingewiesen  wurde,  dafs  diese  Welt,  auch  nach  ihrem 
Eingange,  in  dem  höchsten  Brahman  in  ihrer  Geteiltheit  fort- 
bestehe, so  wird  ein  solcher  Gedanke  schon  durch  ups^re  ganze 
Auffassung  [der  Identität  von  Welt  und  Brahman]  ausgeschlossen. 
Somit  ergiebt  sich,  dafs  die  Lehre  der  Upanishad's  in  keiner 
Weise  eine  ungereimte  ist.. 


10.    sva-paksha-doshäc  ca 
und  weil  die  Fehler  auch  auf  ihrer  Seite. 

Auch  kommen  „auf  ihrer",  auf  der  Gegner  „Seite"  eben  jene 
[an  uns  gertigten]  Fehler,  als  beiderseits  gemeinsame,  zum  Vor- 
scheine. Wir  wollen  zeigen,  in  welcher  Weise.  Es  war  behauptet 
worden,  dafs  diese  Welt  wegen  der  Wesensverschiedenheit  nicht 
das  Brahman  zum  Urstofif  haben  könne  (2,  1,  4).  Aber  dasselbe 
gilt,  wenn  man  als  UrstofF  eine  Urmaterie  behauptet,  denn  auch 
dann  mufs  man  annehmen ,  dafs  die  sinnlich  wahrnehmbare  Welt 
aus  der  sinnlich  nicht  wahrnehmbaren  Urmaterie  hervorgegangen 
sei.  Aus  demselben  Grunde,  d.  h.  weil  auch  sie  das  Hervorgehen 
einer  von  der  Ursache  weseus verschiedenen  Wirkung  annehmen, 
ist  den  Gegnern  ferner  mit  uns  gemeinsam  das  Verfallen  in  die 
Behauptung:  dafs  die  Wirkung  vor  ihrem  Ursprünge  ein  Nicht- 
seiende^  gewesen  sei  (2,  1,  7).  Ebenso  ist  weiter  beiderseits  ge- 
meinsam die  Folgo,  dafs  beim  Eingehen  der  Wirkung  [in  die  Ur- 
sache], weil  dasselbe  als  das  Gelangen  zu  einem  Zustande  der 
Ungeteiltheit  mit  derselben  aufgefafst  wird ,  die  Ursache  ebenso 
[unrein  u.  s.  w.]  wie  die  Wirkung  werden  mufs  (2,  1,  8).  Femer: 
wenn  die  Umwandlungen,  mit  Aufhebung  aller  ihrer  speciellen 
435  Bestimmungen  |  beim  Eingange  in  den  Zustand  der  Ungeteiltheit 
übergehen,  was  wird  dann  aus  den  je  nach  den  einzelnen  Pum- 
slia^s  bestimmten  Unterschieden,  denen  zufolge  vor  dem  Unter- 
gange  der  eine  Unnaterienstoff  diesem ,  der  andere  jenem  -Purusha 
zukam?  TTnmüglicb  kennen  dieselben  doch  bei  dem  Wiedei'hervor- 
gelien  als  eben  dieselbigen  wieder  festgestellt  werden,  da  keine 
dies  bewirkende  Ursache  vorhanden  ist.    Soll  aber  die  Feststellung 


Sötraiö  II.  I,  10.  -  275 

auch  ohne  Ursache  möglich  sein,  nun  dann  folgt  [das  Undenk- 
bare], dafs  auch  die  Erlösten,  hei  denen  gleichfalls  eine  Ursache 
des  Uervorgehena  .nicht  vorhanden  ist,  dor  abermaligen  Bindung 
verfallen  können.  Will  man  aber  unterscheiden  zwischen  solchen 
Individualbe^timinuhgen,  welche  beim  Eingange  die  Ungeteiltheit 
erlangen,  und  solchen,  welche  es  nicht  thun,  so  folgt,  dafs  die 
letzteren  eben  nicht  Wirkungen  der  Urmaterio  sein  können.  — 
Alle  diese  Bedenken  also  sind  beiderseits  gemeinsam  urd  daher 
nicht  der  einen  Partei  von  der  andern  vorzurücken ;  —  durch  den 
Hinweis  hierauf  bestärkt  unser  Sütram  die  Rechtfertigung  in  Be- 
treff derselben,  sofern  [in  ihrer  Annahme  auch  von  Seiten  der 
Gegner]  die  Unumgänglichkeit  derselben  stich  zeigt. 

11,    tarka'ap^'atishthanäd  api  anyathä  anumeyam,  iti  ced? 

evam  apl  (wimohsha-prasangah 

bei  Unbegründetheit  der  Reflexion  könne  man  ja 
anders  reflektieren,  meint  ihr?  Auch  so  kommt  ihr 
-  nicht  loa  [oder:  auch  so  ist  keine  Möglichkeit  der 

Erlösung]. 

Auch  darum  darf  die  blofse  Reflexion  in  einer  durch  die  hei«- 
lige  Überlieferung  zu  erkennenden  Sache  sich  nicht  dagegen  er- 
heben, weil  Reflexionen,  welche  ohne  die  heilige  Überlieferung^  . 
nur  auf  der  Spekulation  der  Menschen  beruhen,  als  unbegründet 
sich  herausstellen,  indem  eine  solche  Spekulation  der  richtigen 
Zügelung  ermangelt.  So  werden  z.  B.  die  von  einigen  Saclikundi- 
gen  mit  Mühe  erdachten  Reflexionen  von  andern  noch  Sachkundi- 
geren als  blofs  scheinbare  erkannt,  und  die  von  diesen  erdachten 
wiedjBnim  ebenso  von  andern.  Darum  ist  man  niemals  sicher,  dafis 
derartige  Reflexionen  wohlbegründet  sind,  |  indem  der  menschlichen  436 
Meinungen  mancherlei  sind.  —  'Aber  wenn  da  einer  ist  von  an-  , 
'erkannter  Gröfse,  ein  Kapila  oder  ein  anderer,  der  eine  Reflexion 
'ersonnen  hat,  so  könnte  man  doch  auf  diese  als  wohlbogründet 
'sich  verlassen*?  —  Auch  so  fehlt  es  an  der  rechten  Begründungj 
indem  auch  die  anerkannt  grofsen  Bahnbrecher,  wie  Kapiln,  Ka- 
nada u.  8.  w. ,  sich  offenbar  widersprechen. 

Vielleicht  wendet  mau  ein:  'nun  wohl,  so  werden  wir  anders 
'reflektieren,  so  dafs  jener  Fehler  der  Unbegründetheit  vermieden 
'wird.  Denn  das  kann  doch  niemand  behaupten,  dafs  eine  wohl- 
'begründete  Reflexion  überhaupt  nicht  existieren  könne,  weil  oben 
'jene  Behauptung  von  der  Unbegründetheit  aller  Rufloxionen  sich 
'.selbst  nur  auf  Reflexion  stützen  würde,  .sofern  man  aus  der  Wahr- 

18* 


276  V     ^ftrirAka-intinliüisä 

'nehmung,  dafs  gewisse  Reflexionen  unbegründet  sind^  darauf 
'schlierst,  dafs  auch  die  übrigen  derartigen  Reflexionen  unbegrün- 
'det  sein  müssen.  Soll  aber  in  dieser  Weise  alle  und  jede  Re- 
'flexion  grundlos  sein,  nun,  dann  hört  überhaupt  alle  auf  Erfahrung 
'gegründete  Thätigkeit  auf.  Denn  nur  auf  der  Analogie  mit  der 
'▼ergangenen  und  gegenwärtigen  Erfahrung  beruht  es,  dafs  man 
'auch  einen  bisher  noch  nicht  betretenen  Weg  einschlagen  kann, 
'um  2ur  Lust  zu  gelangen  und  dem  Leid  zu  entgehen.  Und  auch 
'bei  der  Schriftauslegung,  wo  es  sich  darum  handelt,  bei  einer 
.  'Kontroverse  über  den   wahren  Sinn  der  Schrift,   den   unrichtigen 

437  'Sinn  zu  |  widerlegen,  kann  die  Feststellung  des  richtigen  Sinnes 
'nur  dadurch  erreicht  werden,  dals  man,  und  zwar  mit  Hülfe  der 
'Reflexion,  den  Zusammenhang  der  betreffenden  Stelle  prüft.  Und 
'dies  ist  auch  die  Meinung  des  Manu,  wenn  er  sagt  (12,  105  fg.): 

'y^nsebauulig,  Folgerung  und  dann  die  Schrift 
'„In  ihren  mannigfaeheii  Überlieferungen, 
',',Mit  diesen  dreien  wohlbekannt  mufs  sein, 
'„Wer  Klarheit  über  das,  was  Pflicht  ist,  wünscht" 

'„Nur  wer  die  Pflichtbelehrungen  der  Weisen 
'„Weifs  auszulegen  durch  Reflexion, 
'„Die  übereinstimmt  mit  des  Veda  Richtschnur, 
'„Der  weirs  was  Pflicht  ist  und  kein  andrer  sonst" 

'Auch  ist  das  ja  gerade  der  Vorzug  der  iCeflexion,  was  ihr  die 
'Unbeständigkeit  derselben  nennt.  Denn  durch  diese  wird  es  mög- 
•  'lieh,  eine  mangelbafte  Reflexion  fallen  zu  lassen  und  einer  tadel? 
'losen  Reflexion  sich  zuzuwenden.  Denn  wenn  ein  Früherer  geirrt 
'hat,  so  folgt  deswegen  doch  noch  nicht,  dafs  man  audi  selbst 
'irren  mufs,  und  darum  ist  aus  der  Unbeständigkeit  der  Reflexion 
'kein  Vorwurf  gegen  uns  zu  erheben.*  — 

Hierauf  erwidern  wir:  „auch  so  kommt  ihr  nicht  los";  denn 
wenn  ^8  sich  auch  herausstellen  sollte,  dafs  auf  manchen  Oebieten 
die  Reflexion  begründet  ist,  so  kann  sie  doch  auf  dem  Gebiete, 
von  dem  hier  die  Rede  ist,  nicht  von  dem  Vorwurfe  der  Un- 
begründetheit freigesprochen  werden.  Denn  es  ist  nicht  möglich, 
dieses  überaus  tiefe,  mit  der  Erlösung  susammenhängende  Wesen 
des  Seienden  ohne  die  heilige  Überlieferung  irgend  wie  zu  er- 
kennen. —   Denn   in   den   Bereich   der  Waürnehmung  fallt  dieser 

438  Gegenstand  nicht,  weil  er  keine  Gestalt  u.  s.  w.  hat,  |  und  auch 
nicht  in  den  Bereich  der  Folgerung  und  der  übrigen  Erkenntnis'^ 
mittel,  weil  keine  Merkmale  u.  s.  w.  desselben  vorhanden  sind, 
wie  wir  dies  bereits  auseinandergesetzt  haben.  Femer:  in  dem 
Satze,  dafs  die  Erlösung  aus  der  vollkommenen  Erkenntnis  hervor- 
geht, stimmen  alle,  welche  überhaupt  eine  Erlösung  lehren,  über- 
ein;   diese    vollkommene    Erkenntnis    nun    ist    einartig,    weil    sie 


*J 


Htknm  IL  l  11.  277 

▼OQ  ihrem  Gegenstauide  abh&n^fig  ist;  denn  nur  ein  solcher  Gegen* 
stand  heilst  real,  welcher  in  einartiger  Weise  besteht,  und  die 
diese  Einartigkeit  befassende  Erkenntnis  wird  die  ToÜkommrae 
Erkenntnis  genannt,  wie  wenn  man  z.  B.  erkennt,  dafs  das  Feaer 
heifs  ist.  Ist  dem  aber  so,  dann  ist  in  Beanig  auf  die  ypU- 
kommene  Erkenntnis  ein  Widerspruch  unter  den  Menschen  nicht 
statthaft.  Bei  den  Erkenntnissen  aus  Reflexion  nun  lehrt  der 
eine  so  und  der  andere  so,  und  es  ist  allgemein  bekannt,  wie 
sehr  sie  sich  widersprechen.  Denn  was  der  eine  Denker  als  die 
vollkommene  Erkenntnis  aufstellt,  das  wird  von  einem  andern 
wieder  niedergerissen,  und  was  dieser  aufstellt,  das  reifst  wie- 
derum ein  anderer  nieder,  wie  das  ja  allbekannt  ist.  Wie  sollte 
also  die  aus  der  Reflexion  entspringende  Erkenntnis,  da  ihr  Gegen- 
stand kein  etnartig  beharrender  ist,  die  vollkommene  sein  können? 
Denn  auch  das  z.  B.  wird  keineswegs  von  allen  Anh&ngem  der 
Reflexion  zugestanden,  dafs  der  Vertreter  der  Lehre  von  der 
Urmaterie  [als  der  Verbreitetesten  Reflexionstheorie]  unter  allen 
Reflexionsdeäkem  den  ersten  Rang  einnehme,  so  dafs  man  etwa 
seine  Meinung  als  die  vollkommene  Erkenntnis  betrachten  dürfte. 
Hinwiderum  ist.  es  ja  auch  nicht  möglich,  |  alle  Denker  der  Ver-  439 
gangenheit,  Gegenwart  und  Zukunft  an  einem  Orte  und  m  einer 
Zeit  zu  versammeln,  um  ihr  übereinstimmendes  und  auf  denselben 
einheitlichen  Gegenstand  gerichtetes  Gutachten  als  die  vollkommene 
Meinung  zu  proklamieren.  Was  hingegen  den  Veda  betrifft,  so 
ist  es  begreiflich,  dafs  dieser,  falls  er  wirklich  [wie  wir  es  an- 
nehmen] ewig  und  die  Ursache  des  Entstehens  aller  Erkenntnis 
ist,  allerdings  eine  unwandelbare  Sache  zu  seinem  Gegenstande 
hat;  und  darum  ist  die  aus  ihm  entspringende  Erkenntnis  die  voll- 
kommene, und  dieses  in  Abrede  zu  stellen,  dazu  sind  alle  Denker 
der  Vergangenheit,  Gegenwart  und  Zukunft  zusammengenommen 
nicht  vermiögend.  —  Somit  steht  es  fest,  dafs  diese  unsere,  auf 
die  Upauishad's  gegründete  Erkenntnis  die  vollkommene  Erkennt- 
nis ist.  Weil  aber  aufser  ihr  eine  vollkommene  Erkenntnis  nicht 
möglich  ist,  deswegen  ist  auch  „keine  Möglichkeit  der  Erlösung*' 
von  der  Seelenwanderung  [auf  aufservedischem  Wege]  absehbar.  — 
Es  steht  sonach  durch  die  heilige  Überlieferung  und  durch  die 
ihr  sich  anschlief  sende  Reflexion  fest,  dafs  diais  geistige  Brahman 
sowohl  die  bewirkende  als  auch  die  materielle  Ursache  der  Welt  ist. 


278  (;'&riraka-mim^8lt 


VieHes  Adhikaranam. 

12,    etena  gisht^a-aparigrahä^  api  vyäkhyätah 

damit  sind   auch  die   von   den  Gelehrten  nicht  ange- 
nommenen besprochen. 

Weil  die  Lehre  von  der  Urmaterie  der  vedischen  Anschauung 
verwandt  ist,  weil  sie  mit  ßehr  bedeutender  Kraft  der  Keilexion 
ausgestattet  ist,  und  weil  sie  von  gewissen  dem  Veda  anhängen- 
den Gelehrten  wenigstens  teilweise  angenommen  'worden  ist,  des- 
wegen wurde  zunächst  auf  die  Theorie  von  der  Urmaterie  als 
440  Weltursache  zurückgegangen,  um  die  aus  der  Reflexion  |  gegen 
die  Yedantaworte  richtbaron  l^linwürfo  aufzustellen  und  zu  wider- 
legen. Nun  ist  aber  denkbai*,  dafs  noch  andere  Angriffe  der  Re- 
flexion, welche  sich  auf  die  Lehre  von  den  Atomen  n.  s.  w.  stützen, 
von  gewissen  trägeren  Geistern  gegen  die  Vedantalehre  unter- 
nommen werden  mögen.  Auf  diese  wird  nach  der  Regel,  dafs 
man  nur  den  stärksten  Ringer  zu  werfen  braucht,  das  Gesagte 
hier  erweiterungsweise  bezogen;  „die  von  den  Gelehrten  nicht  au- 
fgenommenen **  sind  solche,  welche  bei  keinen  Gelelurten  Beifall 
gefunden  haben;  und  das  Sütram  besagt,  dafs  damit,  d.  h.  ver- 
mittelst der  oben  geführten  Widerlegung  der  Lehre  von  der  Ur- 
materie als  der  Weltursache,  auch  diejenigen  Theorien  von  .  den 
Atomen  u.  s.  w.  als  Weltursache,  welche  von  Gelehrten  wie  Manu 
und  Vyasa  auch  nicht  einmal  teilweise  angenommen  worden  sind, 
als  widerlegungsweise  „besprochenes  und  somit  als  beseitigt  zu 
betrachten  sind.  Weil  der  Grund  der  Widerlegung  der  nämliche 
ist,  deswege:i  ist  es  nicht  notwendig,  hier  von  neuem  auf  die 
Zweifel  einzugehen.  Und  auch  das  gilt  hier  wiederum  in  gleicher 
Weise,  dafs  die  Weltursache  wegen  ihrer  zu  grofsen  Tiefe^  von 
der  Reflexion  nicht  ergründbar  ist,  dafs  die  Reflexion  ohne  Be- 
stand ist,  dafs  auch  durch  ein  Reflektieren  auf  andere  Weise  hier 
nicht  loszukommen  ist,  und  dafs  die  Schrift  jenen  Lehren  wider- 
spricht, wie  das  ja  die  Gründe  waren,  auf  denen  unsere  Wider- 
legung beruhte. 


Satram  11.  i.  13.  279 


Fünftes  AdlvUcaranam. 

13.    bhoktr-äpatter  avibMgaQ  cet?    syäd!  lokavat        44i 

wegen    des   Eingänge«    des    Geniefsers    Ungeteilthoit, 
meint  ihr?     Nun  ja!    wie  in  der  Erfahrung, 

Wiederum  wird  hier  die  Lehre  vom  Brahman  als  der  Welt- 
ursache in  anderer  Weise  auf  Grund  der  Reflexion  angegriffen.  — 
'Wenn  auch  die  Schrift  innerhalb  ihres  Gebietes  Autorität  i^t,  so 
^kann  sie  doch  da,  wo  ein  Gebiet  schon  durch  eine  andere  Au- 
'torität  in  Besitz  genommen  ist,  nicht  an  ihrem  Platze  sein,  wie 
>z.  B.  die  Mantra's  und  Arthavada^s  [da,  wo  es  sich  nicht  um  Gc- 
'böte,  sondern  um  Erkenntnis  handelt];  denn  auch  die  Reflexion 
*ist,  wie  wir  gern  zugeben,  aufserhalb  ihres  Gebietes  unbegründet, 
'z.  B.  da,  wo  es  sich  um  rituelle  Gebote  und  Verbote  handelt/  — 
Aber  was  soll  demi  daraus  folgen?  —  'Nun,  wenn  dem  so  ist, 
'so  ist  es  doch  ungereimt,  dafs  die  Sclu'ift  in  einer  durch  andere 
'Erkenntnismittej  ausgemachten  Sache  widerspricht.'  —  Aber  worin 
soll  denn  dieser  Widerspruch  gegen  eine  durch  andere  Erkenntnis- 
mittel ausgemachte  Sache  bestehen?  —  'Wir  wollen  es  sagen. 
^Ausgemacht  ist  durch  die  Erfahrung  die  Zweiteilung  der  Welt  in 
'Geniefser  und  zu  Geniefsendes  [Subjekt  und  Objekt];  der  Ge- 
'niefser  ist  die  geistige,  verkörperte  Seele,  das  zu  Geniefsende  sind 
'die  sinnlich  wahrnehmbaren  Objekte.  So  ist  z.  B.  Devadatta  der 
'Geniefser  und  der  Reisbrei  das  zu  Geniefsende.  Diese  Zwei- 
'teilung  nun  würde  gogenstandlos  werden,  wenn  der  Geniefser  ein 
*zu  Geniefsendes  oder  das  zu  Geniefsende  ein  Geniefser  1  wer-  442 
'den  könnte.  Ein  solcher  Übergang  des  einen  in  das  Sein  des 
'andern  scheint  aber  unvermeidlich,  wenn  man  die  Identität  beider 
^mit  Brahman  als  der  höchsten  Ursache  annimmt.  Und  ein  sol- 
'cher  Widerspruch  gegen  jene  allgemein  anerkannte  Zweiteilung 
'ist  unstatthaft;  vielmehr  mufs,  so  wie  heutzutage  die  Zweiteilung 
'in  Geniefser  und  zu  Geniefsendes  erfahrangsm&fsig  besteht,  eben 
'dieselbe  auch  für  die  Vergangenheit  und  Zukunft  angenommen 
'werden.  Weil  also  durch  die  Annahme  von  Brahman  als  Welt- 
'ursftche  jene  anerkannte  Zweiteilung  in  Geniefser  und  zu  Geniefsen* 
*des  unmöglich  wird,  darum  kann  Brahman  nicht  die  Weltursache 
'sein.'  — 

Sollte  jemand  hiermit  kommen ,  so  mufs  man  ihm  antworten : 
„nun  ja!  wie  in  der  Erfahrung";  d.  h.  auch  bei  unserer  An- 
schauung läfst  sich  jene  Zweiteilung  aufrecht  halten,  indem  dafür 
ein  Erfahrungsbeispiel  eintritt.  Die  Erfahrung  nämlich  zeigt,  wie 
die  Umwandlungen  des  Oceans,  z.  B.  Schaum,  Wellen,  Wogen  und 


T. 


280  g&iiraka-miiD&aBlL 

Wasserblasen,  obwohl  sie  mit  dem  aus  Wasser  bestehenden  Ocean 
identisch  sind,  doch  von  einandet  sich  unterscheiden,  und  in  der 
Verschlingung  u.  s.  w.  miteinander  ihr  Wesen  bethätigen.  Und 
obwohl  diese  Umwandlungen  mit  dem  aus  Wasser  bestehenden 
Ocean  identiecli  sind,  so  können  doch  Schaum,  Wollen  u.  s.  w.  ihre 
[begriffliche]  Wesenheit  nicht  miteinander  vertauschen;  obwohl  sie 
aber  ihre  Wesenheit  nicht  miteinander  vertauschen  können,  so  wird 
dadurch  doch  ihre  Identität  mit  der  ganzen  Wassermasse  •  nicht 
443  ausgeschlossen.  |  Ebenso  ist  es  auch  hier  in  unserm  Falle.  Weder 
braucht  man  anzunehmen,  dafs  Geniefser  und  zu  Oeuiefsendes  in 
einander  übergehen,  noch,  dal's  sie  darum  mit  dem  höchsten  Brafa- 
man  nicht  identisch  sind.  Allerdings  ist  der  Geniefser  eigentlich 
kein  Produkt  des  Brahman;  denn  wenn  es  heifst:  „nachdem  er 
„dieses  geschaffen,  ging  er  in  dasselbe  ein*^  (Taitt.  2,  6),  so  liegt 
darin,  dafs  der  Schöpfer  selbst  ganz  und  unverändert  [als  In- 
dividualseele]  in  die.  Schöpfung  eingegangen  ist  und  nun  „der 
„Geniefser"  genannt  wird;  aber  nichtsdestoweniger  findet  nach 
seinem  Eingange  in  die  Schöpfung  eine  auf  den  Up^dhi^s  be- 
ruhende Spaltung  desselben  [in  Geniefser  und  zu  Geniefsendes, 
Subjekt  und  Objekt]  statt,  der  Eiuscliränkung  vergleichbar,  weL^e 
der  Weltraum  durch  die  Üpadhi*s  der  Gefäfse  u.  s.  w.  erleidet.  — 
Hieraus  folgt,  dafs,  unbeschadet  der  Identität  mit  Brahman  als 
der  höchsten  Ursache,  doch  die  Zweiteilung  in  Geniefser  und  ssu 
Geniefsendes  ähnlich  wie  die  Verschiedenheit  zwischen  den  Wel- 
len u.  s.  w.  des  Oceans  zu  Rechte  bestehen  bleibt. 


Sechstes  Adhikaranam. 

14.    tad-afianyatvam,  drmyibhana'gabda'ädibhffah 

Identität  mit  ihm ,   wegen  des  Schriftwortes  von  deäi 

sich  Anklammern  und  anderen. 

Durch  die  Worte  „nun  ja!  wie  in  der  Erfahrung"  (Sdtram  2, 
1,  13)  hatten  wir  dem  Gegner  geantwortet,  indem  wir  jene  em- 
pirische Zweiteilung  in  Geniefser  und  zu  Geniefsendes  zugaben. 
Nun  ist  aber  im  Sinne  der  höchsten  Realität  jene  Zweiteilung 
[zwischen  Objekt  und  Subjekt,  Welt  und  Brahman]  gar  nicht  vor- 
handen, indem  diese  beiden  als  Wirkung  und  Ursache  miteinander 
identisch  sind.  Die  Wirkung  ist  die  vom  Äther  anfangende,  weit- 
ausgebreitete Welt,  die  Ursache  ist  das  höchste  Brahman,  und  mit 


Sütram  II.  i.  14.  281 

(lieser  Ürsaclie  ist  jene  Wirkung  im  Sinne  der  höchsten  Realität 
identisch  und  erstreckt  sich  nicht  üher  dieselbe  hinaus.  |  Warum?  444 
„wegen  des  Schriftwortes  von  dem  sich  Anklammern  und  anderen^^ 
Das  Schriftwort  von  dem  sich  Anklammern  zunächst  ist  folgendes. 
Nachdem  (Chand.  6»  1,  3)  verheifsen  worden  war,  dafs  durch  Er- 
kenntnis des  einen  alles  erkannt  werden  solle,  so  heilst  es  weiter 
mit  Bezugnahme  auf  ein  Gleichnis:  „gleichwie,  o  Teurer,  durch 
„einen  Tlionklumpeu  alles,  was  aus  Thon  besteht,  erkannt  ist,  an 
„Worte  «ch  klammernd  ist  die  Umwandlung,  ein  blofser  Name, 
„Thon  uur  ist  es  in  Walirheit^^  (Chand.  6,  1,  4).  Das  heifbt:  durch 
einen  einzigen  Thonklumpen  wird,  indem  man  ihn  im  Sinne  der 
höchsten  Realität  seinem  Wesen  nach  als  Thon  erkennt,  alles  aus 
Thon  Bestehende,  Krüge,  Becken,  Töpfe  u.  s.  w. ,  weil  es  gleich- 
falls seinem  Wesen  nach  Thou  ist,  erkannt,  indem  „die  Umwand- 
„lung  an  Worte  sich  klammernd,  ein  blofser  Name  ist'';  d.  h.  nur 
auf  dem  blofsen  Woiie  beruht,  nur  an  dieses  klammert  sich  die 
Umwandlung  in  Kn'ige,  Becken  und  Töpfe,  nicht  aber  geschieht 
an  der  Substanz  irgend  etwas,  was  Umwandlung  heifsen  könnte; 
vielmehr  ist  dieselbe  ein  blofser  Name,  eine  Unwahrheit,  Thon 
nur  ist  es  in  Wahrheit.  Dieses  Gleichnis  bezieht  sich  auf  das 
Brahman,  und  von  ihm  als  dem  Gegenstande  des  Vergleiches  mufs 
man  auf  Grund  der  Schriftanssage  von  dem  sich  Anklammern  an 
Worte  schliefsen,  dafs  eine  aufserhalb  des  Brahman  bestehende 
fWelt-]Wirkung  gar  nicht  vorhanden  ist.  Und  weiter  erklärt  die 
Schi'ift,  nachdem  sie  dargelegt,  wie  Glut,  Wasser  und  Nahrung 
nur  eine  Wirkung  des  Brahman  sind ,  dafs  ebenso  wiederum  die 
Produkte  aus  Glut,  Wasser  und  Nahrung  keinen  Bestand  über 
Glut,  Wasser  und  Nahrung  hinaus  haben;  indem  es  heifst:  |  „ver-  445 
„schwunden  ist  das  Feuersein  des  Feuers,  an  Worte  eich  klam^ 
„memd  ist  di<^  Umwandlung,  ein  blofser  Name,  drei  Naturen  nur 
„sind  es  in  Wahrheit"  (Chand.  6,  4,  1).  —  Der  Zusatz:  „und  an« 
„deren"  im  Sütram  weist  auf  weitere  Schriftworte  hin,  wie: 
„dessen  Wesens  ist  dieses  Weltall,  das  ist  das  Reale,  das  ist  die 
„Seele,  das  bist  du"  (Chand.  6,  8,  7),  —  „dieses  alles  ist  was 
„diese  Seele  ist"  (Bph.  2i  4,  6),  —  „Brahman  nur  ist  dieses  Ganze" 
(Mund.  2,  2,  11),  —  „Ätman  nur  ist  dieses  Weltall"  (Chänd.  7, 
25,  2),  —  „nicht  ist  hier  Vielheit  irgendwie"  (Bph.  4,  4,  19); 
Worte  wie  diese,  welche  bezwecken,  die  Einheit  des  Atman  su 
lehren,  kaun  man  ebenfalls  hier  anführen.  Auch  ist  es  auf  kei- 
tt«ra  andern  Wege  als  diesem  möglich,  dafs  durch  Erkenntnis  von 
einem  alles  erkannt  wetde.  Wie  daher  der  Baum  in  Töpfen, 
Krügen  u.  s.  w.  mit  dem  grofsen  Welträume  identisch  ist,  oder 
wie  das  Wasser  der  Luftspiegelung  mit  der  Salzsteppe  identisch 
ist,  sofern  es,  näher  betrachtet,  verschwindet  und  an  sich  (svarü- 
pena)  gar  nichts  Wahrnehmbares    ist,    so    hat    auch    diese  Welt- 


282  (^'ariraJa]i-in!inÄiis& 

auebreitung   in  Geniefsur  uud   zu  Geniefseudes  übor  das  Brahmau 
hinaus  keine  Existenz. 

'Ist  es  nun  vielleicht  mit  der  Darstellung  des  ßrahtnan  als  die 
^vielen  Wesen  so  bestellt,  dafs,  gleichwie  ein  Baum  mancherlei 
'Zweige  besitzt,  so  auch  das  Brabman  an  die  Bethätigung  von 
-mancherlei  Kräften  gebunden  ist?  Nämlich  auf  diesem  Wego 
'lassen  sich  die  Einheit  und  die  Vielheit  beide  als  real  betrachten ; 
'ähnlich  wxQ  der  Baum  als  Baum  eine  Einlieit  und  als  die  Zweige 
'eine  Vielheit  bildet;  oder  wie  das  Wasser  als  Ocean  eine  Einheit 

446  'und  als  Schaum,  Wellen  u.  s.  w.  eine  Vielheit  bildet;  |  oder  wie 
'der  Thon  als  Thon  eine  Einheit  und  als  Topfe  oder  Becken  eine 
'Vielheit  bildet.  Es  würde  dann  durch  Erkenntnis  des  Bruhman 
'nach  seiner  Einheit  die  Erlösung  bewerkstelligt  werden,  und  durch 
'Erkenntnis  desselben  nach  seiner  Vielheit  das  auf  den  Werkteil 
'[des  Veda]  gestützte  weltliche  und  vedische  Treiben  vor  sich  ge- 
*hen,  und  dieser  Auffassung  wüi'den  auch  die  Beispiele  von  dem 
'Thone  u.  s.  w.  angemessen  sein.'  —  Aber  dem  ist  durchaus  nicht 
so!  Demi  wenn  es  heifst:  „Thon  nui*  ist  es  in  Wahrheit"  (Chand. 
6,  1,  4),  so  wird  in  dem  Gleichnisse  behauptet,  dafs  nur  die  Ur- 
natur  Wahrheit  hat,  während  in  der  Stelle  von  dem  Anklammern 
an  Worte  ausgesprochen  liegt,  dafs  die  Produkte  derselben  auf 
Unwahrheit  beruhen;  und  dem  entsprechend  heifst  es  auch  von 
dem,  was  den  Gegenstand  jener  Vergleiche  bildet:  „dessen  Wesens 
„ist  dieses  Weltall,  das  ist  das  Reale"  (Chand.  6,  8,  7),  —  hier- 
mit wird  erklärt ,  dafs  nur  die  höchste  Ursache  allein  Realität 
habe;  —  und  in  den  weiter  folgenden  Worten:  „das  ist  die  Seele, 
„das  bist  du,  o  (^YQt&k.ei\i^^i  wird  gelehrt,  dafs  die  verkörperte 
Seelo  ihrem  Wesen  nach  Brahman  ist.  Und  dieses  Brahman-sein 
der  verkörperten  Seele  wird  aufgewiesen  als  ein  an  sich  schon 
Vollbrachtes,  nicht  als  ein  durch  irgend  eine  Anstrengung  zu  Voll- 
bringendes; und  daher  kommt  es,  dafs  dieses  von  der  Schrift  ge- 
lehrte Brahman-sein  der  Seele,  wenn  es  erkannt  wird,  dazu  dient, 
das  angeborene  Verkörpertsein  derselben  zu  widerlegen,  ähnlich 
wie  durch  die  Erkenntnis,  dafs  es  ein  Strick  ist,  die  Erkenntnis, 
dafs  es  eine  Schlange  sei,  widerlegt  wird.  Mit  der  Widerlegung 
des  Verkörpertseins  aber  ist  das  ganze  auf  ihm  beruhende  natür- 

447  liehe  Welttreiben  widerlegt,  |  dem  zuliebe  man  einen  andern,  ver- 
Bchiedeuheitlichen  Teil  an  dem  Brahman  annehmen  wollte.  Dem 
entsprechend  erklärt  die  Schrift  durch  die  Worte:  „wo  aber  einem 
„alles  zum  eigenen  Selbste  geworden  ist,  wie  sollte  er  da  irgend 
„wen  sehen"  u.  s.  w.  (Bfih.  2j  4,  14),  dafs  für  denjenigen,  welcher 
das  Seele-seiu  des  Brahman  erkennt,  das  gesamte,  zur  Vergeltung 
der  Werke  an  ihren  Thätem  dienende  Welttreiben  nicht  mehr 
existiert.  Mau  darf  aber  nicht  behaupten,  dafs  dieses  Nichtsein 
des  Welttreibens  nur  als  auf  bestimmte  Zustände  beschränkt  ge- 
lehrt werde,   denn  die  Woi-te  „das  bist   du"  (Chaud.  6,  8,  7)  zei- 


Sfttram  11.  i.  14.  283 

gen,  dafs  das  Sein  als .  Brahmau  nicht  auf  1)estimmtc  Zustände 
eiDge^'chränkt  ist.  Auch  durch  das  Gleichnis  von  dein.  Diebe 
(ChA,nd.  6,  16)  lehrt  die  Schrift  die  Bindung  dessen,  der  die  Un- 
widirheit  sogt,  und  die  Erlösung  dessen,  der  dio  Wahrheit  sagt, 
und  zeigt  dadurch,  dals  nur  die  Einheit  allein  im  höchsten  8inne 
real  ist,  und  dafs  die  Vielheit  nur  aus  einer  falschen  Erkenntnis 
herausklafft.  Wftre  beides  real,  so  könnte  von  einer  Kreatur, 
auch  wenn  sie  noch  in  dem  empirischen  Welttreiben  befangen 
liegt,  nicht  gesagt  werden,  dafs  daä,  was  sie  aussage,  unwahr  sei. 
Eben  dasselbe  wird  bezeugt  durch  die  Worte:  „von  Tod  zu  Tode 
„wird  verstrickt,  wer  eine  Vielheit  hier  erblickt"  (Brih.  4,  4,  19), 
welche  die  ganze  Anschauung  der  Vielheit  verbieten.  Auch  wärde 
nach  jener  [von  uns  bestrittenen]  Auffassung  der  Spruch:  „aus 
„der  Erkenntnis  die  Erlösung"  nicht  bestehen  können,  weil  man 
dabei  als  Ursache  des  SainsAra  nicht  eine  durch  die  vollkommene 
Erkenntnis  zu  beseitigende  falsche  Erkenntnis  annehmen  könnte; 
denn  wären  beide  Erkenntnisse  wahr,  .wie  liefse  sich  dann  durch 
Erkenntnis  der  Einheit  die  der  Vielheit  beseitigen? 

^\ber  wenn  man  einzig  und  allein  die  Einheit  für  das  Beale 
>hält,  so  giebt  es  also  keine  Vielheit,  |  und  die  weltlichen  Er*-  44.8 
^kenntnismittel,  Wahrnehmung  u.  s.  w. ,  werden  umgestofsen,  weil 
*sie  gegenstandlos  werden,  ähnlich  wie  das  Halten  dessen  für  einen 
^Menschen,  was  iil  Wahrheit  nur  ein  Baumstamm  ist.  Weiter  aber 
^wird  auch  der  in  Greboten  und  Verboten  sich  ergehende  Schrift- 
'kanon,  welcher  die  Vielheit  voraussetzt,  falls  diese  nicht  e^cistiert, 
^umgestofsen.  L^nd  auch  der  Kanon  der  Erlösung  sogar  setzt  doch 
''die  Zweiheit  von  Schüler  und  Lehrer  voraus  und  scheint,  falls 
'diese  nicht  existiert,  gleichfalls  umgestofsen  zu  werden;  und  wie 
'ist  es  dann,  wenn  der  Kanon  der  Erlösung  unwahr  ist,  möglich, 
'dafs  die  von  ihm  gelehrte  Einheit  der  Seele  wahr  sei?'  —  Hier- 
auf dient  zur  Antwort:  diese  Einwendungen  treffen  nicht  zu;  denn 
alles  Welttreiben  bleibt  so  lange  wahr,  wie  das  Brahman-sein  noch 
nicht  erkannt  ist,  ähnlich  wie  das  Treiben  im  Traume  wahr  bleibt, 
so  lange  noch  kein  Erwachen  erfolgt  ist.  So  lange  nämlich  von 
jemandem  die  Einheit  mit  dem  allein  realen  Atman  noch  nicht  er- 
kannt ist,  so  lange  kommt  er  gar  nicht  zu  dem  Bewufstsein,  dafs 
daa  Welttreiben  in  Erkenntnismitteln,  Erkenntnisobjekten  und 
Zwecken  unwahr  sei;  vielmehr  hält  jede  Kreatur  das,  was  blofs 
Umwandlung  [des  allein  realen  Brahman]  ist,  infolge  der  irrigen 
Vorstellung  eines  „Ich"  und  eines  „Mein"  für  die  Seele  und  das 
der'  Seele  Angehörige  und  ermangelt  der  Erkenntnis  ihres  ui*- 
sprünglichen  Brahman-seins ;  und  daher  kommt  es,  dafs  vor  dem 
Erwachen  zum  Brahman-sein  das  gesamte  weltliche  und  vedische  . 
Treiben  zu  Rechte  besteht,  |  ebenso  wie  der  gewöhnliche  Mensch,  449 
wenn  er  eingeschlafen  ist  und  im  Traume  sich  selbst  in  hohen  und 
niedi-igen   Stellungen  sieht,    diese   Erkenntnis   für  gesichert,    weil 


284  g&rtraka-mtminBll 

durcb  den  AdgeiMoliein  für  bestätigt,  erachtet,  so  lange  «r  nicht 
erwacht,  ohne  dafs  er  während  dieser  Zeit  ein  Bewafstsein  da- 
von hätte,  dafs  jene  Wahrnehmungen  nur  aof  Schein  beruhen.' 

^Aber  wie  ist  es  mdglich,  dafs  durch  das  Vedäntawort,  wel« 
'ches  doch  gleichfalls  nicht  real  ist,  das  reale  Identischaein  mit 
^Brahman  erkannt  ¥rird?  Man  stirbt  doch  nicht  daran,  dafs  man 
*von  einer  Strick-Schlange  gebissen  wird,  and  ebenso  wenig  kann 
'man  das  Luftspiegelungswasser  zum  Trinken  oder  Baden  Ter» 
wenden?'  —  Diese  Einwendung  trifft  nicht  zu,  weil  die  dorcli 
das  eingebildete  Schlangengift  u.  s.  w.  veranlafste  Wirkung  des 
Sterbens  u.  s.  w.  doch  wirklich  wahrgenommen  wird,  indem  ja 
auch  der  im  Zustande  des  Traumes  Befangene  die  Wirkungen  des 
Schlangenbisses  und  des  Wasserbades  in  Wirklichkeit  empfioidet. 
Wollt  ihr  euch  etwa  darauf  berufen,  dafs  auch  diese  Wirkung  eine 
blofs  unwahre  sei,  so  antworten  wir:  wenn  auch  bei'  dem  Träu- 
menden die  Wirkung  des  Schlangenbisses  und  des  Wasserbades 
unwahr  ist,  so  ist  doch  die  Erkenntnis  dieser  Wirkung  ein  voll- 
kommen reales  Resultat  und  wird  als  solches  auch,  nachdem  man 
erwacht  ist,  nicht  widerlegt.  Denn  wenn  der  aus  dam  Traum 
Erwachende  auch  die  getränmte  Wirkung  des  Schlangenbisses  und 

450  des  Wasserbades  fCbr  unwahr  erkennt,  |  so  kann  dodi  keiner  die- 
ses, dab  er  jene  Wirkungen  erkannt  hat,  für  unwahr  erklären. 
Aus  dieser  Thatsache,  dafs  die  Erkenntnis  des  Träumenden  nicht 
[durch  das  Erwachen]  widerlegt  wird,  folgt  [nebenbei  gesagt,  aadi] 
die  Hinfälligkeit  der  Behauptung,  dafs  das  Selbst  nur  in  der  Leib- 
lichkeit bestehe.     Und  so  sagt  auch  die  Schrift  (Oi&nd.  5»  2,  9): 

„Wenn  er  im  Traum  mit  Weibern  Liebeshändel  flicht, 
„So  deutet' auf  Gelingen  solches  Traumgesicht"; 

in  diesen  Worten  lehrt  sie,  daOs  infolge  des  wiewohl  unrealen 
Traumgesichtes  doch  das  Gelingen  eines  realen  Erfolges  erlangt 
wird.  Ebenso  wird  in  der  Schrift,  nachdem  sie  vorher  von  ge- 
wissen im  Zustande  der  [wachen]  Wahrnehmung  zu  teil  geworde- 
nen Unglückszeichen  (arishfam)  gesprochen  und  von  dem,  welchem 
sie  widerfahren,  erklärt  hat:  „der  soll  wissen,  dafs  er  nicht  lange 
„mehr  leben  wird'^  (Ait.  är.  3,  2,  4,  7),  im  weiter  Folgenden  ge- 
sagt: „aber  wenn  einer  im  Traume  einen  schwarzen  Mann  mit 
„schwarzen  Zähnen  sieht,  und  dieser  ihn  tötet"  u.  s.  w.  (Ait.  &r. 
3,  2,  4,  17);  —  hier  lehrt  die  Schrift,  wie  durch  ein  solches,  wie- 

451  wohl  unreales  Traumgesicht  |  doch  das  reale  Sterben  vorbe  deutet 
wird.  Auch  ist  ja  allbekannt,  dafs  die  des  Regelmäfsigen  und 
der  Ausnahme  Kundigen  [die  Traumdeuter]  erklären,  wie  durch 
das  eine  Traumgesicht  bevorstehendes  Gutes  und  durch  das  andere 
bevorstehendes  Übel  vorherverkündigt  wird.  In  ähnlicher  Weise 
kann   man   beobachten,    wie    die    wirklichen    aus    [gesprochenen] 


Sötram  II.  i.  14.  285 

Laoten  bestehenden  Silben  durch  die  Erkenntnis  der  nichtwirk- 
lichen aus  [geschriebenen]  Buchstaben  bestehenden  Silben,  erkannt 
werden. 

Hiersu  kommt  [als  weiterer  Grund  gegen  die  Annahme  einer 
einheitlichen  und  einer  vielheitlichen  Seite  an  Brahman],  dafs  jene 
Erkenntnisart,  welche  die  Einheit  des  Atman  übermittelt,  vhie  end- 
gültige ist,  welche  über  sich  hinaus  nichts  mehr  zu  wünschen 
übrig  läfst.  Denn  w&lirend  z.  B.  die  Aufforderung  „man  boH 
„opfern"  die  Fragen  übrig  läfst,  wem,  was  und  wie  man  opfern 
soll,  so  läfst  das  Wort  „das  bist  du^*  nicht  in  dieser  Weise  irgend 
etwas  zu  wünschen  übrig,  weil  sich  seine  Erkenntnis  auf  die  Ein*- 
heit  aller  Dinge  mit  dem  Atman  bezieht.  Wäre  nämlich  noch 
ein  anderer  nicht  [in  Brahman]  miteinbegriffener  Gegenstand  vor- 
handen, so  wurde  [auch  nach  Erkenntnis  des  Brahman]  das  Ver- 
langen noch  fortbestehen.  Nun  aber  ist  kein  anderer,  nicht  in 
der  Einheit  des  Atman  miteinbegriffener  Gegenstand  vorhanden, 
auf  den  sich  das  Verlangen  richten  könnte.  —  Man  darf  aber 
nicht  behaupten,  dafs  eine  derartige  Erkenntnis  nicht  möglich  sei; 
denn  die  Schrift  sagt:  „also  w^urde  er  von  ihm  belehrt"  ((/hand, 
6,  16,  3)v  und  als  Mittel  zu  dieser  Erkenntnis  wird  das  Hören 
und  Lehren  des  Vedawortes  und  anderes  anbefohlen.  —  Ferner 
darf  man  auch  nicht  behaupten,  dafs  diese  Erkenntnis  zwecklos 
oder  eine  Täuschung  sei;  |  ersteres  nicht,  weil  als  ihre  Frucht  die  45^ 
Vernichtung  des  Nichtwissens  erfahr ungsmäfsig  sich  zeigt;  letzteres 
nicht,  weil  eine  andere,  sie  widerlegende  Erkenntnis  nicht  exi^tiert. 
I)enu  nur  vor  der  Erkenntnis  der  Einheit  des  Atman  bleibt,  wie 
wir  gezeigt  haben,  die  ganze  Betreibung  eines  Unrealen  als  eines 
Realen  in  weltlichem  und  vedischem  Sinne  in  Kraft  bestehen.  Lst 
hingegen  durch  die  endgültige  Erkenntnisart  die  Einheit  des  Atnnm 
übermittelt  worden,  so  ist  damit  das  gesamte  ihr  vorhergehende 
vielheitliche  Treiben  widerlegt,  und  keine.  Möglichkeit  mehr  vor- 
bilden, das  Brahman  für  ein  seiner  Natur  nach  vielheitliches  za 
halten. 

*Aber  mufs  man  nicht  aus  den  in  der  Schrift  vorgebrachten 
'Gleichnissen  vom  Thon  u.  s.  w.  schliefsen,  dafs  das  Brahman  vom 
'Schriftkanon  als  ein  wandelbares  aufgefast  werde,  da  doch  der 
'Thon  und  ähnliche  Dinge  erfahrungsmäfsig  der  Umwandlung  unter- 
'liogen?*  —  Wir  antworten:  mit  nichten!  denn  wenn  es  heifst: 
„fürwahr,  dieses  grofse  ungeborene  Selbst  ist  nicht  alternd,  un- 
„sterblicb,  furchtlos,  ist  das  Brahman"  (Brih.  4,  4,  25),  —  „er 
„aber,  der  Atman,  ist  nicht  so  und  ist  nicht  so"  (Brih.  .3,  9,  26)) 
—  „nicht  grob  und  nicht  fein"  (Brih.  3,  8,  8),  —  so  beweisen 
Schriftstellen  wie  diese,  indem  sie  alle  Verändei'ung  von  ihm  aus-  ^ 
schliefsen,  dafs  das  Brahman  über  dieselben  erhaben  ist.  Denn 
das  geht  doch  nicht  an,  dafs  das  eine  Brahman  zugleich  den  Um- 
wandlungen unterworfen  uud  von  ihnen  frei  sei.  —   'Aber  könnte 


286  (,^&draktt-miiiifi.jisä 

*es   nicht   damit  sein,    wie  mit    dem    Stehen    und   Gehen    [welche 
'gleichfalls  das   eine  Wesen   in  verschiedenen  Zuständen  zeigen]?' 

453  —  I  Das  geht  nicht  au,  weil  dius  Brahman  von  der  Schrift  be- 
stimmt wird  als  das  über  alles  Erhabene;  denn  es  ist  unmöglich, 
dafs  das  allerhabene  Brahman  verschiedene  Qualitäten  an  sich 
trage,  wie  [der  einheitliche  lieib]  die  Zustände  des  Stehens  und 
Gehens;  denn  eben  dadurch  ist  das  Brahman  das  allerhabene  und 
ewige,  weil  es,  wie  wir  gezeigt  haben,  aller  Veränderung  ent- 
hoben ist.  Man  dai^  daher  auch  nicht  behaupten,  dafs,  so  wie 
die  Erkenntnis  der  Einwesentlichkeit  des  Braliman  als  Frueht  die 
Erlösung   verwirkliche,    in   ähnlicher  Weise   die  Erkenntnis  seines 

,  Umgewandeltseins  in  die  Gestalt  der  Welt  an  und  für  sich  irgend 
eine  Frucht  hervorbringe ,  indem  hierfür  ein  Beweis  [in  der  Schrifl] 
nicht  vorhanden  ist.  Denn  nur  für  die  Erkenntnis,  dafs  das  aller- 
höchste Braliman  die  Seele  [in  uns]  ist,  wird  eine  Frucht  von 
dem  Schriftkanon  vcrheifsen  an  der  Stelle:  „dieser  Atmon  ist  nicht 
„so  und  ist  nicht  so'*,  wo  es  weiter  heiM:  „o  Janaka,  du  hast 
„den  Frieden  erlangt"  (Brih.  4,  2,  4).  Weil  somit  da,  wo  es  sich 
um  das  Brahman  handelt,  nur  aus  der  Erkenntnis  der  Freiheit 
des  Brahman  von  allen  Eigenschaften  und  Unterschieden  die  Er- 
langung einer  Frucht  abgeleitet  wird,  so  folgt,  dafa  dasjenige, 
was  dabei  ohne  Fruchtverheifsung  in  der  Schrift  vorkommt,  wie 
K.  B.  die  Umwandlung  des  Brahman  in  die  Gestalt  der  Welt  u.  dgl.,' 
nur  und  allein  als  Mittel,  das  Brahman  zu  erkennen,  zur  Verwen- 
dung kommt,  —  entsprechend  der  Regel:  „was  neben  einem  Ver- 
„heifsung  Habenden  keine  Verheifsung  habend  vorkommt,  ist  Glied 
„desselben",  —  nicht  aber  zur  Erlangung  einer  besondem  Frucht 
vorgeführt  wird.  Denn  taan  darf  nicht  etwa  meinen,  als  brächte 
die  Erkenntnis  des  Umwandlungsseins  des  Brahman  das  Urawand- 

454  lungssein  der  Seele  als  Frucht;  |  denn  die  Erlösung  ist  ein  all- 
erhabener und  ewiger  Zustand  [aus  dem  keine  Rückkehr  in  die 
Wandlungswelt  durch  irgend  welche  Erkenntnis  möglich  ist], 

^Aber  bei  deiner  Behauptung,  dafs  das  allerhabene  Brahman 
*dic  Seele  sei,  ist  doch  die  Einheit  [alles  Seienden]  das  alleinige 
^Resultat;  hiermit  ist  die  Annahme  eines  Verhältnisses  [zwischen 
*Oott  und  Seele]  als  des  Beherrschers  und  des  zu  Beherrschenden 
'unvereinbar;  und  damit  steht  das  [Sütram  1,  1,  2  gegebene]  Ver- 
'sprechen,  [den  allwissenden]  Gott  als  die  Weltursache  nachzu- 
*weisen,  in  Widerspruch!'  —  Dieses  Argument  geben  wir  nicht  zu, 
weil  die  Allwissenheit  [sei  es  Gottes  oder  dos  Brahman -Wissers, 
welche  beide  die  Realität  des  Gewufsten  voraussetzen]  sich  nur 
bezieht  auf  die  Ausbreitung  des  Samen»  der  aus  Kichtwiä.sen  be- 
stehenden Namen  und  Gestalten.  Denn  wenn  es  z.  B.  heifst:  ,,fulr- 
•  „wahr  aus  diesem  Atman  ist  der  Äther  enstanden"  (Taitt.  2,  1), 
so  besagen  Schrift,stellen  dieser  Art,  dafs  Ursprung,  Bestand  und 
Vergang   der  Welt    von   einem   seiner  Natur   nach  ewigen,   reinen, 


SAtram  II.  i.  14  2^7 

weisHD,  freien,  allwissenden  und'  allmächtigen  Gott  herrühren,  nicht 
aber  von  einer  iingeibtigen  Urmaterie  oder  l)erartigein ,  und  dies 
ist  der  Inhalt  dessen,  was  durch  die  Worte  „woraus  Ursprung  u.  s.  w. 
„dieses  [Weltalls]  ist''  (Si&tram  1,  1,  2)  versprochen  worden  war. 
Dieses  Versprechen  bezieht  sich  also  nur  auf  jenen  Zustand  [des 
eine  Weltausbreitung  annehmenden  Nichtwissens],  und  darum  stellt, 
was  wir  gegenwärtig  behaupten,  nicht  mit  demselben  in  Wider- 
spruch. —  'Aber  wie  sollte  es  nicht  damit  in  Widerspruch  stechen, 
^da  du  doch  jetzt  die  absolute  Einheit  und  Zweitlosigkeit  d'es 
'Atman  behauptest?'  —  Höre,  inwiefern  es  nicht  der  Fall  ist.  Es 
ist  das  ^Nichtwissen ,  von  welchem  gleichsam  als  der  Leib  des  all- 
wissenden Gottes  die  weder  als  ein  Seiendes  hoch  als  das  Gegen- 
teil definier  baren  Namen  und  Gestalten  als  die  Ursache  der  Welt* 
ausbreitung  des  Samsara  aufgestellt  werden,  und  diese  Namen  und 
Gestalten  sind  es,  welche  von  der  Schrift  und  der  Smriti  als  eine 
zauberartige  Kraft  des  allwissenden  Gottes  und  als  der  UrstoiF 
der  Welt  bezeichnet  werden;  von  diesen  beiden  [Namen  und  Ge- 
stalten] aber  ist  der  allwissende  Gott' verschieden ;  denn  die  Schrift 
sagt:  „der  Akäga  (Äther,  Raum)  ist  es,  welcher  die  Namen  und 
„Gestalten  auseinanderdehnt;  was  in  diesen  beiden  ist,  das  ist  das 
,yBrahman"  (ChÄnd.  8,  14,  1);  —  „ich  will  mich  auseinanderdehnen 
.,in  Namen  und  Gestalten**  (Chänd.  6,  3,  2);  —  „wenn  alle  Por- 
omen überdenkt  der  Weise  und  sie  als  Namen  blofs  |  begreifend  Abb 
jjdasitzt"  (Taitt.  ar.  3,  12,  7);  —  „er,  der  den  einen  Samen  macht 
„zu  einer  Vielheit"  (Qvet-  6,  12)  u.  s.  w.  In  diesem  Sinne  pafst 
sich  der  höchste  Gott  den  Upädhi's  der  auf  dem  Nichtwissen  be- 
ruhenden Namen  und  Gestalten  an,  ähnlich  wie  der  Weltcnrauni 
sich  den  Upä,dhi's  der  Gefässe  und  Krüge  anpafst,  und  so  kann 
man  sagen,  dafs  Gott  über  die  [eigentlich]  nur  sein  eigenes  Wesen 
seienden,  dem  Raum  in  den  Gefässen  vergleichbaren,  dem  Ag- 
gregate der  Organe,  welche  aus  den  vom  Nichtwissen  aufgestellten 
Namen  und  Gestalten  bestehen,  sich  anpassenden,  individuell  ge- 
nannten Einzelseelen,  vom  empirischen  Standpunkte  aus  betrachtet, 
eine  Herrschaft  ausübt.  Somit  ist  das  Herrschersein  Gottes,  sowie 
auch  seine  Allwissenheit  und  Allmacht,  nur  gültig  in  Bezug  auf 
die  Abgrenzungen  der  aus  dem  Nichtwissen  bestehenden  Upädhi's; 
im  Sinne  der  höchsten  Realität  hingegen  läfst  sieh  von  dem  Atman, 
weil  er  seiner  Natur  nach  alle  Upadhi's  als  ein  Objektives  ab- 
geworfen hat,  nicht  behaupten,  dafs  auf  ihn  die  Verhältnisse  des 
Beherrschens,  Beherrschtwerdeny,  der  Allwissenheit  u.  s.  w.  An- 
wendung finden.  In  diesem  Sinne  heifst  es:  „wenn  einer  kein  an- 
„deres  sieht,  kein  anderes  hört,  kein  anderes  erkennt,  das  ist  die 
„ünbeschi'änktheit"  (Chand.  7,  24,  1)  und:  „wo  aber  einem  alles 
„zum*  eigenen  Selbste  geworden  ist,  wie  sollte  er  da  irgend  wen 
.,sehen?"  u.  a.  w.  fBrih.  2,  J,  14).  In  Stellen  wie  diesen  lehren  die 
Vodanta<«xtc.  dafs  auf  dem  Standpunkte  den  höehsten  Realität  das 


Tr~ 


288  Qllirlrakti-miin&nsli 

■ 

gajize  empirische  Treiben  niclit  existiert.  Und  ebenso  heiM  es 
auch  in  den  Gottesliedem  (Bhag.  G.  5,  14): 

„Das  Thätersein  and  auch  die  Werke  schafft 
„Nicht  Gott  in  dieser  Welt,  noch  die  Verbindung 
„Von  Werk  und  Lohn;  dies  wirkt  die 'Sclbstnatnr. 
„Hingegen  der  Allmächtige  nimmt  nicht  an 
„Das  Böse  oder  Gute  irgend  wessen; 
„Doch  weil  vom  Nichtwissen  verhüllt  das  Wissen, 
„Damm  geh'n  die  Geschöpfe  in  der  Irre." 

45C  I  In  dieser  Weise  wird  [von  Schrift  und  Smpti]  gelehrt,  dafs  auf 
dem  Standpunkte  der  höchsten  Realität  das  Treiben  von  Herrschen- 
dem und  zu  Beherrschendem  nicht  stattfindet;  für  den  Standpunkt 
des  Welttreibens  hingegen  lehrt  auch  die  Schrift  das  Treiben  von 
Hen*8chendem  u.  s.  w.,  wenn  sie  sagt:  ,yer  ist  der  H«rr  der  Welt, 
„er  ist  der  Gebieter  der  Wesen,  er  ist  der  Hüter  der  Wesen;  er' 
„ist  die  Brücke,  welche  diese  Welten  auseinanderhält,  dafs  sij  nicht 
„verfliefsen"  (Brih.  4,  4,  22);  und  ebenso  beifst  es  in  den  Gottes- 
liedem (Bhag.  G.  18,  61): 

„Gott  wohnt  im  Herzen  aller  Kreaturen 
„Und  treibt  die  Wesen  in  der  Irre  um, 
„Als  würden  durch  Maschinen  sie  geschleudert" 

Ebenso  lehrt  nun  auch  der  Yerfasser  unserer  Sütra^s  da,  wo  er 
im  Sinne  der  höchsten  Realität  apricht,  „Identität  mit  ihm^'  (Sü- 
tram  2,  1,  14);  wo  er  hingegen  im  Sinne  des  Welttreibens  spricht, 
da  vergleicht  er  durch  die  Worte  „nun  ja!  wie  in  der  Erfahrung*^ 
(Sütram  2,  1,  13)  das  Brahman  mit  dem  weiten  Ocean;  er  ver- 
wirft also  die  Ausbreitung  der  Weltwirkung  nicht,  sondern  be- 
schäftigt sich  auch  mit  der  Umwandlung  den  Brahman  in  die 
W^elt,  weil  dieselbe  bei  den  attributhaften  Verehrungen  zur  An- 
wendung kommt. 


15.    bhdve  ca  lipalabdheh 
auch  wegen  der  Wahrnehmung  in  dem  Sein. 

Auch  darum  ist  die  Wirkung  von  der  Ursache  nicht  verschie- 
den, weil  nur  „in  dem  Sein'^  der  Ursache  die  Wirkui^  wahr- 
genommen wird,  nicht  in  ihrem  Nichtsein.  So  wird  das  Gefafi^ 
'157  nur,  sofern  der  Thon  ist,  |  wahrgenommen,  nicht,  wenn  er. nicht 
ist,  und  ebenso  das  Tuch  nur,  sofern  die  Fäden  sind.  Bei  zwei 
verschiedenen  Dingen  ist  die  Wahrnehmbarkeit  des  einen  nicht 
notwendigerweise  an  die  Existenz    des  andern  geknüpft;   denn  ein 


SMram  II.  i.  15.  289 

Pferd  9.6.  tritt,  weil  es  tos  der  Kuh  ▼ersehieden  Ut,  nicht  bei 
dem  bloüsen  Yorhandensein  der  Kuh  schon  in  die  Wahrnehmung; 
und  ebenso  wenig  wird  in  dem  blofffen  Vorhandensein  des  Töpfers 
aach  schon  der  Topf  wahrgenommen,  weil  beide,  obwohl  sie  sich 
als  Bewirkendes  und  Bewirktes  zu  einander  verhalten,  doch  von 
einander  rerscbieden  sind.  ^  ^Aber  kommt  es  nicht  auch  Tor, 
'da(8  die  Wahrnehmung  des  einen  notwendig  durch  das  Sein  des 
^andern  bedingt  wird,  wie  z.  B.  die  des  Rauches  durch  das  Sein 
*des  Feuers?'  —  Wir  antworten,  nein!  Denn  auch  nachdem  das 
Feuer  erloschen  ist,  enthalten  s.  B.  die  Kohlengeftfse  der  Hirten 
noch  Bauch.  — -  *Aber  könnte  man  nicht  den  Bauch  nach  ge- 
'wisiien' Zuständen  desselben  unterscheiden,  so  dafs  eine  bestimmte 
'Art  des  Baoches  doch  nur  vorkommt,  sofern  das  Feuer  vor- 
'handen  ist?'  —  Audi  dann  bleibt  unsere  Behauptung  unanfechU 
bar;  denn  wir  behaupten,  dafs  [nicht  die  Wahrnehmung,  sondern] 
die  dem  betreffenden  [begrifflichen]  Wesen  der  Dinge  nachgebende 
(lies:  tad-Ukapa-anurMdw)  |  Temunft  (huddhi)  der  Grund  ist  458 
fär  die  Erkenntnis  der  Identität  von  UrsHche  und  Wirkung,  diese 
aber  kommt  bei  Feuer  und  Rauch  [welche,  obwohl  in  der  Wahr- 
nehmung  verbunden,  doch  ihrem  begrifflichen  Wesen  nach  ver- 
schieden stndj  nieht  in  Frag«.  — 

Oder  das  Sfttram  ist  zu  lesen: 

bhdväc  ta  upalabdhelj^y 
„auch  wegen  des  Vorhandenseins  der  Wahrnehmung". 

Das  heifst:  nicht  nur  aus  der  Schrifb  allein  folgt  die  Identität 
der  Wirkung  mit  der  Ursache,  sondern  auch  aus  dem  Vorhanden- 
sein einer  anschaulichen  Wahrnehmung  schon  folgt  diese  Identität 
beider.  Es  ist  nämliob  auch  schon  eine  ansduutliche  Identität  der 
Ursache  und  Wirkung  vorhanden.  So  wird  z.  B.  bei  einem  Ge- 
webe ans  Fäden  die  Wirkung,  welche  man  Todi  nennt,  aiifser- 
haib  der  Fäden  gar  nicht  wahrgenommen ,  sondern  nur  die  in  der 
l^änge  und  Breite  verlaufenden  Fäden  allein  werden  wahrgenom- 
men, und  ebenso  weiter  in  den  Fäden  nur  die  Fasern,  in  den 
Fasern  nur'  die  Teilchen,  aus  welchen  sie  be&tehen.  Nach  der* 
selben  anschaulichen  Wahrnehmung  ist  zu  schliefsen,  dafs  [in  den 
dreifach^  gemischten  Elementen]  nur  die  drei  Gestalten  des  Ro- 
ten^  Weifsen  und  Schwarseii  [der  ungemischten  Urelemente]  vor- 
li^en  (vgl.  Ghäud.  6,  4),  aus  diesen  dann  weiter  auf  den  rei- 
nen Wind,  den  reinen  Äther  [aus  dem  eie  entstanden  sind,  und 
der  in  Gestalt  derselben  vorliegt],  und  aus  diesem  auf  das 
eine  zweitlose  Brahman.  In  diesem  also  laufen,  wie  gesagt, 
alle  Erkenntnismittel  [sogar  die  Wahrnehmaug]  als  in  ihre  an  End- 
punkte aus. 


290  Q&nraka-roim&ns& 

16.    sattväc  ca  avarasya 
469      auch  wegen  des  [schon]  Existierens  des  Spateren* 

Auch  darum  ist  die  Wirkung  von  der  Ursache  uieht  ver- 
schieden, weil  die  der  Zeit  nach  spätere  Wirkung  schon  vor  ihrem 
Ursprünge  eben  vermöge  des  Selbstes  der  Ursache  in  der  ÜrsÄche 
ihre  Existenz  hat;  denn  die  Schiift  sagt:  ,, Seiend  uur,^  o  Teurer, 
„war  dieses  am  Anfang"  (Chllnd.  6,  2,  1);  und  „der  Atman  nur 
„allein  war  dieses  zu  Anfang"  (Ait.  1,  1,  1);  in  diesen  Stellen 
mrd  die  durch  das  Wort  „dieses"  bezeichnete  Wirkung  niit  der 
Ursache  durch  Koordination  [als  Subjekt  mit  seinem  Prädikate] 
verbunden.  .Hierzu  kommt,  dafs  etwas  da,  wo  es  nicht  schon 
seinem  Wesen  nach  ist,  auch  nicht  entstehen  kann,  indem  z.  B. 
aus  Sandkörnern  sich  kein  Öl  pressen  lä£st.  Weil  also  beide  vor 
dem  Ursprünge  der  Wirkung  schon  identisch*  waren,  deswegen 
mufs  auch  die  entsprungene  Wirkung  mit  ihrer  Ursache  identisch 
sein ;  und  wie  zu  allen  drei  Zeiten  die  Ursache,  nämlich  das  Brah- 
man,  nicht,  davon  läfst,  das  Seiende  zu  sein,  so  kann  auch  die 
Wirkung,  nämlich  die  Welt,  nicht  <Iavon  lassen,,  zu  allen  drei 
Zeiten  das  Seiende  zu  sein.  Sofern  aber  beide  das  Seiende 
sind,  insofern  sind  sie  nur  eines  (ekaü  ca  punah  sai^tvam'/y 
und  auch  daraus  folgt,  dafs  die  Wirkung  von  der  Ursache  nicht 
verschieden  ist. 


17.    asad'Vyapadegän  na!  iti  cen?  na!  dharma-antarena, 

vdkya'geshat 

wegen  der  Bezeichnung  als  nichtseiend  nicht,   meint 
ihr?  Nein!  wegen  Verschiedenheit  der  Qualität,  wegen 

dessen,  was  folgt. 

*Aber  behauptet  nicht  die  Schrift  zuweilen  auch  das  Nichtsein 
*der  Wirkung  vor  ihrem  Ursprünge,  indem  sie  z.  B.  sagt:  „nicht- 
'„seiend  nur  war  dieses  zu  Anfang"  (Chänd.  3,  19,  1)  und  „nicht- 
460  SjSeiend  fürwahr  war  dieses  zu  Anfang"  (Taitt.  2,  7)?  |  aus  dieser 
^Bezeichnung  als  „nichtseiend"  folgt  doch,  dafs  die  Wirkung  vor 
*ihrem  Urspruuge  nicht  seiend  gewesen  sein  kann.'  —  Hierauf  ist 
zu  entgegnen,  dafs  diese  Bezeichnung  der  Wirkung  als  vor  ihrem 
Ursprünge  nichtseiend  kein  absolutes  Nichtsein  bedeutet;  vielmehr 
steht  es  damit  so,  dafs  die  Qualität  als  ein  in  Namen  und  Ge- 
stalten Ausgebreitetes   verschieden    ist  von    der   Qualität    als    ein 


'eT^'^y'i 


Sütram  II.  l  17.  291 

nicht  in  Namen  und  Gestalten  AuBgebreitetesj  auf  diese  „Ver- 
,,8chiedenheit  der  Qualität'^  bezieht  es  sich,  wenn  die  Wirkung  als 
ein  vor  dem  Ursprünge  Nichtsciendes  bezeichnet  wird^  obwohl  die 
Wirkung  schon  war,  nämlich  als  identisch  mit  ihrer  Daseinsform 
als  Ursache.  Dies  steht  fest  „wegen  dessen  was  folgt ^S  indem  in 
der  Stelle  das  zu  Anfang  derselbexi  als  zweifelhaft  yorkommende 
Wort  durch  das  was  folgt  näher  bestimmt  wird.  Zunächst  also, 
wenn  es  vorher  hiefs:  „nichtseiend  nur  war  dieses  zu  Anfang  ^^ 
(Chand.  3.  19,  1),  so  wird  dasjenige,  was  hier  im  Eingange  durch 
das  Wort  „nichtseiend^^  bezeichnet  wird,  weiterhin  durch  das  Wort 
„dasselbige"  wieder  aufgenommen  und  als  das  Seiende  charakte- 
risiert, indem  es  heifst:  „Dasselbige  war  das  Seiende"  (Gh^nd.  3, 
19)  1);  auch  wäre  sonst -das  Wort  „war'*  nicht  statthaft,  da  ein 
Nichtsciendes  weder  mit  einer  vergangenen  noch  mit  einer  zu- 
künftigen Zeit  als  verbunden  gedadit  werden  kann.  Ebenso  an 
der  andern  Stelle:  „fürwahr  nichtseiend  war  dieses  zu  Anfangt* 
(Taitt.  2,  7),  kommt  im  weiteren  Verlaufe  die  Bestimmung  vor: 
„dieses  machte  selber  sich  selbst",  woraus  folgt,  dafs  hier  nicht 
ein  absolutes  Nichtsein  gemeint  sein  kann.  Somit  bedeutet  jene 
Bezeichnung  der  Wirkung  vor  ihrem  Ursprünge  als  das  Nicht- 
seiebde  nur  eine  Verschiedenheit  der  Qualitäten.  Gewöhnlich  näm- 
lich versteht  man  unter  dem  Worte  „das  Seiende"  das  in  Name 
und  Gestalt  ausgebreitete  Ding;  und  darum  heifst  es  in  uneigent- 
lichem Sinne,  dafs  die  Wirkung  vor  ihrer  Ausbreitung  zu  Namen 
und  Gestalten  gleichsam  ein  Nichtsciendes  gewesen  sei. 


18.    yukteh,  gabda-antaräc  ca  46i 

wegen  der  Richtigkeit,  und  wegen  eines  andern 

Schriftwortes. 

Auch  „wegen  der  Richtigkeit"  crgiebt  sich  das  Dasein  der 
Wirkung  vor  ihrem  Ursprünge,  sowie  ihre  Identität  mit  der  Ur- 
sache, und  auch  „wegen  eines  andern  Schriftwortes".  Zunächst 
also  wollen  wir  die  Richtigkeit  abhandeln. 

Wenn  man  saure  Milch,  Gefäfse  oder  Geschmeide  haben  will, 
greift  man,  wie  allbekannt,  zu  Milch,  Thon  und  Gold  als  ihren 
speciell  bestimmten  Ursachen ;  wer  saure  Milch  haben  will ,  der 
gebraucht  nicht  den  Thon,  wer  Gefafse  haben  will,  nicht  die  Milch. 
Dieser  Umstand  wird  bei  der  Behauptung,  dafs  die  Wirkung  ein 
Nichtsciendes  gewesen  sei,  unerklärlich.  Denn  wenn  alles  überall 
vor  seinem  Ursprünge  ein  unterschiedloses  Nichtsciendes  ist,  wie 
kommt  es,  dafs  gerade  aus  der  Milch  die  saure  Milch  entsteht, 
und  nicht  aus  dem  Thone,   und   dafs   gerade  aus   dem  Thoue  das 

19* 


292  ClftrtTAlu^iiilin&ü8& 

GeftTs  entsteht  und  nicht  ans  der  Milch?  Man  könnte  sagen: 
^urenn  auch  vorher  ein  unterschiediosefl  Nichtsein  [der  Wirkung] 
^iat,  Bo  liegt  doch  in  der  Milch  ein  gewisses  Hinaasweisen  (a<f* 
*^|fii)  auf  die  saure  Milch,  welches  dem  Thone  abgeht,  und  wie- 
«denun  in  dem  Thone  ein  gewisses  Hinausweisen  auf  das  Oef&fs, 
^welches  der  Milch  abgeht.*  Nun,  dann  folgt  eben  aus  dieser 
dem  Uraustande  eigenen  Hinausweisung  Über  sich  selbst,  dafs  die 
Behauptung  iron  dem  Nichtsein  der  Wirkung  aufkugeben,  und  die 

469  Behauptung  von  dem  Sein  der  Wirkung  erwiesen  ist;  |  und  das 
Kraftverm5gen  {fakH)y  welches  man  der  Ursache,  um  der  notwen« 
digen  Bestimmtheit  der  aus  ihr  hervorgehenden  Wirkung  willen, 
beilegen  muTs,  dieses  Kraftvermögen  könnte,  wenn  es  ein  anderes 
wäre  oder  gar  nicht  wäre,  die  Wirkung  in  ihrer  notwendigen  Be- 
stimmtheit nicht  bedingen,  wegen  der  Unterschiedslosigkeit  des 
NichtBeins  und  wegen  der  Unterschiedslosigkeit  des  Andersseins. 
Es  mufs  alsa  ein  solches  der  Ursache  eigentümliches  Kraftvermö- 
gen geben,  und  aus  diesem  Kraffcvermögen  mufs  die  ihr  etgentüm- 
liche  Wirkung  hervorgehen. 

Auch  daraus  femer,  dafs  man  an  der  Ursache  und  ihrer  Wir- 
kung, an  der  Substana  und  ihren  Qualitäten  u«  s.  w.,  eine  Tren* 
nung,  wie  sie  s.  B.  awischen  dem  Pferde  und  dem  Ochsen  be* 
steht,  nicht  wahrnimmt,  mufs  man  die  Einwesentliehkeit  beider 
folgern. 

Auch  bei  Annahme  einer  Inhärenz  [s«i»Mi94y0f  der  Wirkung 
in  der  Ursache,  a.  B.  des  Tuches  in  den  Fäden]  müfiite  man  doch 
annehmen,  dafs  diese  Inhärenx  mit  den  Inhärenaträgem  [Ursache 
und  Wirkung]  eme  Verknüpfung  (aapibandlia)  habe;  damit  diese 
Verknüpfung  möglich  würde,  müfste  man  eine  andere  und  für 
diese  wieder  eine  andere  VerknÜpfong  annehmen  und  so  ins  Un- 
endliche fort;  *  nimmt  man  hingegen  keine  solche  TorknÜpfung  an, 
so  fallen  beide  [Inhärenz  und  Inhärenzträger]  auseinander.  Oder 
soll  die  Inhärenz  selbst  von  verknüpfnngsartiger  Natur  sein, 
ao  dafs  sie  ohne  Hülfe  einer  besonderen  Verknüpfung  stdi  [mit 
den  Inhärenzträgem]  verknüpft?  Dann  kann  auch  eine  blolse 
Verbindung  [satfiifogay  der  Olieder  der  Ursache,  z.  B.  der  Fä- 
den}  von    verknüpfungsartiger  Natur    sein    und    ohne  Hülfe    der 

463  Inhärenz  |  sich  selbst  verknüpfen,  und  da  man  [in  diesem  Falle] 
volle  Identität  zwischen  der  Substanz  und  ihren  Zuständen  [z.  B. 
zwischen  den  Fäden  und  dem  Tuche]  annimmt,  so  wird  die  ganze 
Annahme  der  Inhärenz  überflüssig.  —  Wie  soll  man  sich  femer 
vorstellen,  dafs  die  Wirkung  als  die  gliederhäbende  Substanz  [das 
Tuch]  in  den  Ursach^i  als  Gliedersubstanzen  [den  Fäden]  sich 
befinde?  Soll  sie  sich  in  der  Gesamtheit  der  Olieder  befinden 
oder  in  jedem  einzelnen  Gliede?  Gesetzt  zunächst,  sie  befände 
sich  in  der  Gesamtheit  der  Glieder:  so  würde  folgen,  dafs  das 
Gliederhabende   unwahmehmbar   wäre,   da  es   unmöglich  ist,    die 


Sfttram  IL  i.  18.  298 

Gesamtheit  der  Glieder  [im  appercipierenden  Bewuiatsein]  sä- 
sammenzufassen.  Denn  eine  Vielheit,  die  in  den  gesamten  Sitsen 
steckt)  kann  nicht  durch  Apperception  einer  Anzahl  dieser  Sitae 
appercipiert  werden.  Öder  soll  die  Wirknng  gliederweise  in  den 
gesamten  Gliedern  stecken  [in  jedem  Gliede  der  Ursache  ein  Glied 
der  Wirkung]?  Auch  dann  [tritt  ein  regresw»  m  mfinitum  ein; 
denn  dann]  mafs  man  üher  die  ursprünglichen  Glieder  [der  Wir- 
kung] hinaus  weitere  Glieder  dieses  Gliederhabonden  annehmen, 
damit  es  mittels  dieser  Glieder  in  den  arsprunglichen  Gliedern 
[der  Ursache]  gliederweisc  enthalten  sein  könne;  denn  das  £chwert 
kann  in  der  Scheide  nur  stecken,  sofern  es  Glieder  besitzt,  welche 
über  die  Glieder  der  Scheide  binansliegen ,  und  somit  würde  der 
regresaus  in  infinitum  eintreten,  denn  damit  ein  Glied  der  Wir- 
kung in  einem  Gliede  der  Ursache  stecken  kann,  mufs  man  immer 
wieder  neue  und  neue  Glieder  [sowohl  der  Wirkung  als  der  Ur- 
sache] annehmen  [jedes  Glied  der  Ursache  befafst  einen  Teil  der 
Wirkung;  jeder  solcher  Teil  besteht  aus  einer  Vielheit  von  Teil- 
chen, deren  jedes  wieder  von  einem  Gliede  der  Ursache  befafst 
werden  mnfs,  und  so  ins  Unendliche  fort].  —  Oder  soll  sich  [die 
ganze  Wirkung]  in  jedem  einzelnen  Gliede  [der  Ursache]  befinden  ? 
Dann  mnls  sie,  sofern  sie  sich  an  einem  Teile  beth&tigt,  an  dem 
andern  sich  nicht  -  bethätigen.  Denn  sofern  sich.  Devadatta  au 
^mghna  befindet,  kann  er  sich  nicht  selbigen  Tages  auch  zu  P&- 
taliputram  |  befinden;  denn  wäre  er  gleichzeitig  an  mehreren  464 
Orten,  so  wäre  er  nicht  einer,  sondern  mehrere,  wie  Devadatta 
und  Yaj&adatta,  von  denen  der  eine  in  ^rughna,  der  andere  m 
Pätaliputram  wohnt.  Wollt  ihr  euch  vielleicht  dadurch  verteidi- 
gen, dafs  ihr  sagt,  die  Wirkung  werde  in  jedem  einzelnen  [Gliede 
der  Ursache]  so  befafst  wie  die  Kuh-Species  [in  jedem  Kuh-Indi- 
viduum]? so  ist  das  nicht  zulässig,  weil  dann  die  Erkenntnis  [der 
Wirkung]  nicht  erfolgen  würde.  Denn  würde  die  gliederhabende 
Wirkung,  ähnlich  wie  die  Kuh-Species  [in  den  Individuen],  in 
jedem  einzelnen  [Gliede  der  Ursache]  befafst,  so  müfste,  ebenso 
wie  das  Kuh-Sein  in  jedem  Individuum  durch  Wahrnehmung  er- 
fafst  wird,  auch  die  gliederhabende  [Wirkung,  z.  B.  das  Tuch]  in 
jedem  einzelnen  Gliede  [der  Ursache,  z.  B.  in  jedem'  Faden]  durch 
Wahrnehmung  erfafst  werden  können;  dieses  aber  ist  nicht  not^ 
wendig  der  Fall.  Würde  femer  [die  ganze  Wirkung]  in  jedem 
einzelnen  Gliede  [der  Ursache]  befafst,  so  müfste  man,  weil  es 
die  Aufgabe  ist,  das  gliederhafte  Ganze  als  die  Wirkung  zu  er- 
fassen, dieses  aber  eine  Einheit  bildet,  durch  das  Hom  zugleich 
auch  aoffasseu  können  was  Wirkung  des  Halses,  dturch  die  Brust 
was  Wirkung  des  llückcni<  itit;  das  aber  widerspricht  der  Er- 
fahrung. 

I  Femer  würde,   wenn   die  Wirkung   vor  ihrem  Ursprünge  ein  466 
Kichtseiendes  wäre,    der  Ursprung   keinen  Entspringer  haben  und 


294  Q^raka-mtm&nsft 

somit  wesenlos  sein.  Nämüch  der  Ursprung  ist  doch  eine  Tbat; 
diese  aber  moTs  einen  Tbäter  haben,  wie  die  Handlungen  des 
Gebens  u.  s.  w.;  denn  eine  That  zu  sein  und  keinen  Tbäter  zu 
haben,  das  ist  ein  Widerspruch.  Wenn  es  sich  2S.  B.  um  den  Ur- 
sprung eines  Gef&ises  handelt,  und  man  nicht  zugeben  will,  dafs 
derselbe  das  Gefäfs  zum  Thater  [nämlich  zum  Entspringer]  hat, 
so  müfste  ein  anderer  Tbäter  £tlr  denselben  angenommen  werden; 
und  ebenso  müTste,  wo  es  sich  um  den  Ursprung  von  Trink- 
schalen u.  8.  w.  handelt,  wiederum  ein  anderer  Thater  angenommen 
werden.  Soll  dem  so  sein,  so  wäre,  wenn  man  sagte:  „das  Ge- 
„fäfs  entspringt",  damit  gesagt,  dafs  der  Töpfer  oder  die  sonstige 
Ursache  entspränge;  die  Erfahrung  aber  lehrt,  dafs,  wenn  von 
einem  Entspringen  des  Gefäfses  die  F<ede  ist,  nicht  das  Ent- 
spruugensein  des  Töpfers  u.  s.  w.  verstanden  werden  darf,  indem 
ja  auch  der  Augenschein  zeigt,  dafs  dieser  schon  entsprungen 
war.  —  Oder  meint  ihr,  dafs  der  Ursprung  und  der  Empfang 
einer  Wesenheit  für  die  Wirkung  nur  darin  bestehe,  dafs  sie  mit 
dem  Sein  ihrer  Ursache  verbunden  werde?  Dann  müssen  wir  fra- 
gen, wie  denn  etwas  mit  einem  andern  verbunden  werden  kann, 
wenn  es  noch  gar  keine  Wesenheit  ]>esitzt?  Denn  nur  zwischen 
zwei  Seienden  ist  eine  Verbindung  möglich,  nicht  aber  zwischen 
einem  Seienden  und  einem  Niohtseienden ,  ■  oder  zwischen  zwei 
Nichtseienden.  Und  da  ferner  ein  Nichtsoiendes  nifht  wahrnehm- 
bar ist,  so  ist  auch  die  Grenze,  welche  man  ihm  giebt,  indem 
man  sagt  „vor  dem  Ursprünge",  unstatthaft.  Denn  nur  ein  Seien- 
des, z.  B.  ein  Feld  oder  ein  Haus,  hat  eine  Girenze,  nicht  aber 
ein  Nichtseiendes;  denn  wenn  ich  sage:  kein  Sohn  einer  Unfi'ücht- 
baren  war  vor  der  Thronbesteigung  des  Püniavai*man  König,  ro 
iÜ6  habe  icli  durch  diese  Grenzbestimmung  |  nicht  behauptet,  dafs  djr 
unvorstellbare  Sohn  einer  Unfruchtbaren  jemals  König  gewesen 
sei,  sei  oder  sein  werde.  Ja,  könnte  der  Sohn  einer  Unfrucht- 
baren infolge  der  Bemühung  ■  eines  Thäters  entstehen,  dann  wäre 
auch  jene  [von  uns  bestrittene]  Annahme  möglich,  dann  könnte 
auch  das  Nichtsein  der  Wirkung  infolge  der  Bemühung  eines 
Thäters  zu  einem  Sein  werden.  Wir  aber  sagen  so:  weil  der 
Sohn  einer  Unfruchtbaren  und  das  Nichtsein  der  Wirkung  beide 
in  gleicher  Weise  nicht  existieren,  darum  kann,  so  wie  der  Sohn 
einer  Unfruchtbaren  infolge  der  Bemühung  eines  Thäters  nicht 
seiend  werden  kann,  ebenso  auch  das  Nichtsein  der  Wirkung  in- 
folge der  Bemühung  eines  Thäters  nicht  seiend  werden. 

^Aber  wird,  wenn  dem  so  ist,  die  Bemühung  des  Bewirkers 
•nicht  überflüssig?  Denn  so  wie  sich  für  die  Ursache  niemand  zu 
^bemühen  braucht,  damit  sie  ihr  Wesen  habe,  weil  sie  es  schon 
Worher  hatte,  ebenso  brauchte  sich  dann  auch  niemand  zu  be- 
*mühen,  damit  die  Wirkung  ihr  Wesen  habe,  weil  sie,  zufolge 
*ihrer  Identität  mit  der  Ursache,  es  schon  vorher  hatte;  nun  aber 


Sfttram  II.  i.  18.  295 

'bemüht  man  sich  um  die  Wirkung;  folglich  müssen  wir,  damit 
*die  Bemühung  des  Th&ters  einen  Zweck  habe,  da^  Nichtsein  der 
'Wirkung  vor  ihrem  Ursprünge  annehmen.*  —  Aber  das  ist  nicht 
notwendig;  denn  die  Zweckmäfsigkeit  der  -Bemühung  des  Thäters 
liegt  darin,  dafs  er  die  Ursache  zu  der  Gestalt  dei  Wirkung  um- 
stellt. I  Übrigens  aber  war  auch  diese  Gestalt  der  Wirkung  be-  467 
reits  in  dem  Wesen  der  Ursache  miteinbegrifl'on ,  denn  was  in 
diesem  Wesen  nicht  schon  einbegriffen  war,  das  kann,  wie  bereits 
bemerkt  wurde,  auch  keinen  Anfang  nehmen.  Aber  dai'aus,  dafs 
man  einen  Unterschied  wahrnimmt,  folgt  noch  nicht,  dafs  das 
Bing  ein  verschiedenes  sei.  Denn  wenn  Devadatta  Arme  und 
Beine  zusammenschlägt  oder  Arme  und  Beine  ausstreckt,  so  wird 
er  durch  diesen  an  ihm  wahrgenommeneu  Unterschied  nicht  zu 
einem  andern  Dinge,  denn  man  erkennt  ihn  als  denselben  wieder; 
und  ebenso  werden  Väter  u.  s.  w.,  wiewohl  sie  täglich  in  ver- 
schiedenen Zuständen  sich  befinde'h  [sofern  sie  anderseits  Söhne  u.  &  w. 
sind],  dadurch  nicht  zu  andern  Dingen,  denn  man  sagt,  „es  ist 
„mein  Vater,  meine  Mutter,  mein  Bruder^',  erkennt  sie  somit  als 
dieselben  wieder. 

Behauptet  ihr,  dafs^  dieses  [Behan*en  der  Substanz  beim  Wech- 
sel der  Zustände]  nur  hier  und  da,  sofern  sie  [die  Substanz]  durch 
das  Entstehen  und  Vergehen  (lies:  janrnfi-uccheda^)  nicht  unter- 
geht, zutreffe,  in  andei'n  Fällen  aber  nicht,  so  bestreiten  wir  dies, 
weil  der  Augenschein  lehrt,  dafs  auch  z.  B.  bei  der  Milch  die 
saure  Milch  [nur]  ein  [besonderer]  Forrazustand  derselben  ist. 
Auch  bei  Dingen,  die  sich  der  Beobachtung  entziehen,  z.  B.  bei 
den  Kernen  des  Feigenbaumes,  steht  es  so,  dafs,  wenn  sie  durch 
andere  gleichartige  Teilchen  verstärkt  werden  und  dadurch  als 
eine  Pflanze  in  den  Bereich  der  Wahrnehmung  treten,  dieses  Ent- 
stehung genannt  wird,  und  wenn  sie  infolge  des  Schwindens  eben 
jener  Teilchen  unwahmehmbar  werden,  man  dieses  Vergehen  nennt. 
Wenn  wegen  eines  derartigen  Verborgen seins  des  Entstehens  und 
Vergehens  |  angenommen  würde,  dafs  ein  Nichtseiendes  zum  Seien-  468 
den  und  ein  Seiendes  zum  Nichtseienden  werden  könne,  so  würde 
folgen,  dafs  der  Mensch,  wie  ei*  im  Mutterleibe  weilt,  und  wie 
er  [nach  der  Geburt]  ausgestreckt  daliegt,  nicht  derselbe  sei;  es 
würde  folgen,  dafs  man  in  der  Kindheit,  Mannheit  und  im  Greisen- 
alter nicht  derselbe  sei;  ja  es  würde  folgen,  dafs  die  Thätigkeiten 
der  [anderseits  Söhne  seienden]  Väter  u.  s.  w.  keine  Kontinuität 
hätten.  Dies  ist  auch  der  Punkt,  von  welchem  aus  man  die 
[buddhistische]  Theorie  von  der  Augenblicksvemichtung  zu  wider- 
legen hat. 

Wer  hingegen  die  Wirkung  vor  ihrem  Ursprünge  für  ein  Nicht- 
seiendes  hält,  für  den  folgt,  dafs  die  Thätigkeit  des  Bewirkers 
kein  Objekt  hat;  denn  ein  Nichtsein  kann  nicht  Objekt  sein,  weil 
es  [mit  einer  auf  ein  solches  gerichteten  Thütigkeit]  stehen  würde, 


296  QMraka-mlBiääsi 

wie  wenn  man  Sohwetter  und  allerlei  andere  WalFen  dasra  Ter- 
wendete,  die  Loft  cu  durdihaaen.  Oder  soll  das  Bemühen  de« 
Thftters  zum  Objekte  die  Ursache  als  den  Trftger  der  InhArens 
haben?  Dann  wttrde  das  Bemühen  des  Thäters  ein  anderes  Ob- 
jekt [als  die  beabsiohtigte  Wirkung]  haben;  es  mflfete  somit  auch 
etwas  anderes  als  sie  [aus  diesem  Bemühen]  hervorgehen  können, 
woraus  auviel  folgen  würde  [nftmlidi  wohl:  dafs  alles  aas  allem 
werden  könnte].  Oder  soU  die  Wirkung  ein  Hiuausreichen  der 
Ursache,  der  sie  inh&rierty  Über  sich  selbst  sein?  Aach  das  geht 
nicht,  denn  dann  w&re  die  Wirkung  schon  da  [und  brauchte  nidit 
erst  bewirkt  zu  werden]. 

Es  steht  also  so,  dafs  die  Substanzen  selbst,  z.  B.  die  Mileh, 
durch  das  Dasein  als  saure  Milch  n.  s.  w.  fortbestehen  und  dabei 
den  Namen  der  Wirkung  annehmen,  und  dafs  man  sich  nicht  den- 
ken kann,  dafs  die  Wirkung  von  der  Ursache  rerschicden  sei, 
und  wenn  man  hundert  Jahre  darüber  grübelte.  Und  da  es  die 
Wurzelursache,  ist ,  welche  bis  zur  letzten  Wirkung  hin  in  Gestalt 
dieser  und  jener  Wirkung  wie  ein  Schauspieler  ,in  allen  möglichen 
Bollen  auftritt,  so  folgt  daraus  „wegen  der  Richtigkeit",  dafs  die 
469  Wirkung  |  vor  ihrem  Ursprünge  seiend  und  mit  der  Ursache  iden- 
tisch ist. 

Eben  dasselbe  folgt  aber  auch  „wegen  eines  andern  Sehrift- 
„wortes".  Im  vorigen  S&tram  war  von  dem  Verfeehter  des  Nidii- 
seienden  ein  Schriftwort  citiert  worden;  darum  heifst  ein  von  die- 
sem verschiedenes,  das  Seiende  lehrendes,  Sohrifbwort  „ein  anderes 
„Schriflwort*S  welches  lautet:  „seiend  nur,  o  Teurer,  war  dieses 
„zu  Anfang,  eines  nur  und  ohne  Zweites**  und  weiter:  „da  sagen 
„nun  einige,  nichtseiend  nur  sei  dieses  zu  Anfang  gewesen*';  hier 
berührt  die  Schrift  die  Meinung  von  dem  Nichtsein  [der  Wir- 
kung], und  nachdem  sie  dieselbe  durch  die  Worte:  „wie  kannte 
„aus  dem  Niohtseienden  das  Seiende  entstehen"  verworfen  hat,  ao 
sagt  sie  bentütigend  weiter:  „seiend  nur,  o  Teurer,  war.  dieses  zu 
„Anfang"  (Ghänd.  6,  2,  1 — 2).  Hier  wird  von  der  Schrift  die  mit 
dem  Worte  „dieses"  bezeidinete  Wirkung  vor  ihrem  Ursprünge 
mit  der  durch  das  Wort  „seiend"  bezeichneten  Ursache  zur  Ein- 
heit eines  Satzes  verbunden,  woraus  sich  das  Sein  [der  Wirkui^] 
und  ihre  Identität  [mit  der  Ursache]  ergiebt.  W&re  hingegen  die 
Wirkung  vor  ihrem  Ursprünge  ein  Nichtseiendes,  welches  erst 
nachher,  nachdem  es  entsprungen ,  der  Ursache  inhäriertet  ^^  wftre 
die  Wirkung  von  der  Ursache  verschieden,  und  dann  würde  die 
Verheifsung  der  Worte:  „wodurch  das  Ungehörte  ein  schon  6e- 
„hörtes  wird"  (ChUnd.  6,  1,  3)  nicht  erfüllt  werden;  nimmt  man 
aber  das  Sein  [der  Wirkung]  und  ihre  Identität  [mit  der  Ursache] 
an,  bo  geht  diese  Verheifsung  [dafs  in  dem  einen  alles  erkannt 
werden  solle]  in  Erfüllung. 


Sfttnm  n.  L  19.  297 

19.   pafavac  ca  47o 

und  wie  ein  Tach. 

Es  steht  damit  y  wie  wenn  ein  zuBammeng^wickeltea  Tuch  nicht 
deutlich  erkannt  wird,  ob  ^  ein  Tuch  oder  ob  es  ein  anderes 
Ding  ist;  wird  dasselbe  aber  auseinandergebreitet,  so  wird  das 
zusaauuengewickelt  gewesene  Ding  als  ein  Tuch  durch  die  Aus- 
einanderbreitung  offenbart  und  erkannt;  —  oder  wie  wenn  man 
zur  Zeit  der  Zusammenwicklung  zwar  erkennt,  dafs  es  ein  Tuch 
ist,  nicht  aber  seine  bestimmte  Länge  und  Breite,  zur  Zeit  der 
Attseinanderbreitung  aber  auch  die  bestimmte  L&nge  und  Breite 
als  die  eben  desselben  Tuches,  weil  das  Tuch  von  dem  vorher 
Zusammengewickelten  nicht  verschieden  ist.  — -  So  ist  auch  die 
Wirkung  des  Tuches  in  ihrem  Zustande  der  Ursache  als  Fäden 
des  Games  nicht  offenbar,  nachdem  es  aber  durch  die  Bemflhun* 
gen  von  Weberschiff,  Webstuhl  und  Weber  entfaltet  ist,  so  wird 
es  als  offenbar  erkannt.  —  Somit  wird  nach  der  Analogie  mit 
dem  ansammengewickelten  Tuche  und  dem  auseinandergebreiteten 
Tuche  die  Wirkung  als  mit  der  Ursache  identisch  erkannt;  das 
ist  der  Sinn. 

20.    yathd  ca  präna-^ädi 
und  wie  der  Einhauch  u.  8.  w. 

Und  gleidiwie  iu  der  Erfahrung,  wenn  die  verschiedenen  Arten 
des  Odems,  das  Einhauchen^  Aushauchen  u.  s.  w.,  durch  Anhaltoa 
des  Odems  unterdrückt  werden  und;  allein  in  der  Gestalt  ihrer 
Ursache  fortbestehend,  nur  das  Leben  als  Wirkung  hervorbringen, 
nicht  aber  lie  übrigen  Wirkungen  des  Einziehens  und  Auslassens 
[der  Luft],  dann  aber  eben  diese  Unterarten  des  Odems,  wenn 
sie  vor  sich  gehen,  auch  auTser  dem  Leben  die  übrigen  Wirkungen 
des  Einziehens  und  Auslassens  |  hervorbringen,  —  und  wie  dabei  471 
die  Unterarten  des  Odems  mit  dem  in  sie  geteilten  Odem  iden- 
tisch sind,  sofern  sie  ohne  Unterschied  die  Eigenschaft  haben,  die 
Kdrperbelebung  zu  veranlassen,  —  ebenso  ist  auch  die  Wirkung 
mit  der  Ursache  identisch.  Somit  folgt,  weil  die  ganze  Welt  eine 
Wirkung  des  Brahman  und  mit  ihm  identisch  ist,  dafs  das  Yer- 
sprech^i  der  Schrift  erfüllt  ist,  welches  sie  gab,  [wenn  sie  Be- 
lehrung verhiefs  über  'dasjenige:]  „wodurch  [auch]  das  Ungehörte 
„SU  einem  [schon]  Gehörten  wird,  das  Unverstandene  zu  einem 
„[schon]  Verstandenen,  das  Unerkannte  zu  einem  [schon]  Erkann- 
,,ten<'  (Ch4nd.  6,  1,  3). 


298  (;;ftriraka*mlin&&8lk 


Siebentes  Adhikaranam. 

21.    ^üara '  V'ifapadegddd  kita-(dcarana-ddi'do$ha^ 

'weil  sie  den  andern  [als  ihn]  bezeichnet,  [ist]  Eintritt 

'des  Fehlers,  dafs  er  das  ihm  Gute  nicht  schaffe  u.  s.  w. 

'[und  das  ihm  Schädliche  schaffe].' 

Wiederam  wird  die  Lehre,  dafs  das  Geistige  die  Weltarsache 
sei,  in  anderer  Weise  angegriffen.  'Nimmt  man  nämlich  an,  dafs 
'die  Anordnung  der  Welt  von  dem  Geistigen  ausgehe,  so  treten 
'die  Fehler  ein,  dafs  dasselbe  das  ihm  Gute  nicht  hervorgebracht 
'und  [das  ihm  Schädliche  hervorgebracht]  habe.  Warum?,  „weil 
'„sie  den  andern  [als  ihn]  bezeichnet".  Nämlich  der  andere,  d.  li. 
'die  verkörperte  Seele,  wird  von  der  Schrift  als  Braliman  be- 
'zeichnet,  wenn  sie  lehrt:  „das  ist  die  Seele,  das  bist  du,  o  ^ve- 
'„taketu"  (Chänd.  6,  8,  7);  —  oder  auch:  der  andere,  nämlich 
'das  Brahman,  wird  als  die  verkörperte  Seele  bezeichnet,  denn  es 
'heifst:  „nachdem  er  dieses  geschaffen,  so  ging  er  in  dasselbe  ein" 
'(Taitt.  2,  6) ;  hier  wird  von  dem  Schöpfer  selbst,  nämlich  dem  un- 
'erschaffenen  Brahman  gelehrt,  dafs  es  zufolge  seines  Eingehens 
'in  die  Weltwirkung  das  Wesen  der  verkörperten  Seele  ausmache; 
'und  auch  wenn  es  heifst:  „ich  will  mit  diesem  lebenden  Selbste 
'„in  sie  eingehen  und  auseinanderbreiten  Namen  und  Gestalten" 
'(Chänd.  6,  3,  2),  so  bezeichnet  hier  die  höchste  Gottheit  die  in- 
47*2  »dividuelle  Seele  als  ihr  Selbst  |  und  giebt  dadun^h  mvl  verstehen, 
'dafs  die  verkörperte  Seele  von  Brahman  nicht  verschieden  ist. 
'Hieraus  folgt,  dafs  die  dem  Brahman  beigelegte  Schöpferthätig- 
'keit  eine  solche  der  verkörperten  Seele  ist;  dann  aber  hätte  diese, 
*da  sie  der  freie  Weltschöpfer  ist,  nur  dasjenige  hervorbringen 
'müssen,  was  für  sie  selbst  gut  und  lustbereitend  ist,  nicht  aber 
'das  Übel,  nämlich  den  Komplex  von  Geburt,  Tod,  Alter,  Krank- 
'heit  und  mancherlei  anderem  Unheile.  Denn  niemand,  der  nicht 
'von  einem  andern  abhängig  ist,  baut  für  sich  selbst  ein  Gefang- 
'nis  und  geht  in  dasselbe  ein.  —  Auch  läfst  sich  nicht  annehmen, 
'dafs  der  absolut  Fleckenlose  in  den  befleckten  Leib  mit  seinem 
'Selbste  eingegangen  sei,  hätte  er  es  aber  auch  allenfalls  gethan, 
'so  würde  er  doch  [in  der  Folge]  dasjenige,  was  ihm  Leiden  bringt, 
'aus  freien  Stücken  aufgeben  und  das,  was  ihm  Lust  bereitet,  sich 
'verschaffen.  Auch  müfste  er  sich  daran  erinnern,  dafs  er  es  ist, 
*  welcher  diese  mannigfache,  bunte  Welt  geschaffen  hat;  denn  jeder, 
'der  etwas  gemacht  hat,   ist  sich  doch  dessen  bewufst,  dafs  er  es 


Sütram  IL  i.  21.  299 

'gemacht  bat.  Und  wie  ein  Zauberer  das  von  ilun  selbst  aus- 
'gebreiteie  Blendwerk  aas  freien  Stueken  und  ohne  Mühe  wieder 
4u  sich  zurückzieht,  so  würde  auch  die  verkörperte  Seele  diese 
'WeltscUöpfung  wieder  in  sich  zurückziehen.  Nun  aber  kann  die 
'verkörperte  Seele  nicht  einmal  ihren  eigenen  Leib  ohne  Mühe 
^wieder  in  sich  zurückziehen.  Deswegen,  also  weil  nicht  ersichtlieh, 
'dafs  sie  das  ihr  Gate  geschaffen  habe  u.  s.  w.,  ist  es  unrichtig 
^anzunehmen,  dafs  von  der  geistigen  Seele  die  Anordnung  der 
•Welt  herrühre';  —  so  meint  der  Gegner. 


22.    adhikam  tu,  hheda- nirdefat 

vieiraehr  das  erhabeue,  wegen  Aufzeigiing  der 

Verschiedenheit. 

Das  Wort  „vielmehr"  wehrt  der  Meinung  dea  Gegners;  es  ist 
vielmehr  das  allwissende,  allmächtige,  seiner  Natur  nach  ewige, 
reine,  weiso,  freie  Bruhman,  das  über  die  verkörperte  Seele  er- 
haben und  von  ihr  verschieden  ist,  welches  wir  für  da&  welt- 
schaffende Wesen  erklären.  |  Auf  dieses  aber  treffen  die  Fehler  473 
nicht  zu,  daffl  es  das  für  sich  Gute  nicht  hervorgebracht  habe  u.  s.  w.; 
denn  nichts  ist  für  dieses  gut,  so  dafs  es  dasselbe  hervorbringen, 
oder  übel,  so  dafs  es  dasselbe  vermeiden  sollte,  weil  es  das  ewig 
fvon  Gutem  und  £ösem]  Freie  ist.  Auch  giebt  es  für  dieses 
Wesen  keine  Scliranke  der  Erkenntnis  noch  irgend  eine  Schranke 
seiner  Macht,  weil  danselbe  allwissend  und  allmächtig  ist.  Die 
verkörperte  Seele  hingegen  ist  nicht  von  dieser  Art;  auf  sie  passen  • 
[na  zu  streichen]  die  Vorwürfe,  dafs  sie  das  für  .sie  Gute  nicht 
hervorgebracht  habe;  diese  aber  erklären  wir  auch  gar  nicht  für 
den  Schöpfer  der  Welt.  Woher  das?  „wegen  Aufzeigung  der  Ver- 
„schiedenheit"^  denn  es  heifst:  „den  Atman  fürwalu*  soll  man  se- 
„hen,  soll  man  hören,  soll  man  verstehen,  soll  man  überdenken^' 
(Brih.  2i  4,  5);  —  „den  soll  man  erforschen,  den  soll  man  suchen 
„zu  erkennen"  (Chllnd.  8,  7,  1);  —  „alsdenn  ist  er,  o  Teurer,  eins 
„geworden  mit  dem  Seienden"  (Chand.  6,  8,  1);  —  „das  körper- 
„liche  Selbst  von  dem  erkenntnisartigen  Selbste  belastet"  (Brih.  4, 
3,  35).  In  Stellen  wie  diesen  haben  wir  eine  Aufzeigung  der  Ver- 
schiedenheit von  dem  Thäter  und  seinen  Werken  u.  s.  w. ,  welche 
beweist,  dafs  das  Brahman  höher  steht  als  die  individuolle  Seele. 
—  *Aber  lieget  nicht  in  Worten  wie:  „das  bist  du"  (Chand.  6,  8,  7) 
^ebenfalls  eine  Aufzeigung  der  NichtverschiedenheitV  Wie  können 
*also  Verschiedenheit  und  Nichtverschiedi-nlieit  im  Widerspruche 
^miteinander  bestehen?'  —  Dies  ist  kein  Fühler,  denn  wir  haben 
wiederholt  dargethan,  dafs  beide  ebenso   julteiiiaiider  bestehen  wio 


300  ^Mraka-mtm^8& 

der  Weltraum  und  der  Banm  in  den  Geftlaen.  Weiter  aber  ist 
ea  sagen:  nachdem  durch  die  Aufceigang  der  Nichtveradiiedenheit 
mittels  solcher  Worte  wie:  „das  bist  du*',  die  Nichtverschieden- 
heit  sum  BewoTstsein  gekommen  ist,  so  ist  das  gaa^e  Wanderer- 
sein  der  individuellen  Seele  und  das  Schöpfersein  des  Brahmah 
▼erschwunden,  indem  das  gesamte,  aus  der  falschen  Erkenntnis 
herausklaffende,  Trüben  der  Vielheit  durch  die  vollkommene  Er- 
kenntnis niedergeschlagen  worden  ist.  Woher  sollte  da  eine  Schö- 
pfung kommen  und  woher  die  Beschuldigung,  das  ibm  Gute  nicht 
barvoigebraeht  au  haben?  Denn  der  ganze  Saqis&ra,  wie  er  als 
seine  Herkmale  das  Thun  des  Guten  und  des  Übeln  hat,  ist  eine 
durch  Nidituntersoheidung  der  Up&dhi's  (Bestimmungen),  —  wie 
sie,  hervorgebracht  durch  das  Nichtwissen,  in  dem  aus  Namen  und 
Oestaltefi  gebildeten  Aggregate  der  Werkzeuge  des  Wirkens  be* 
474  stehen,  —  bewirkte  Täuschung,  |  welche  ebenso  wie  der  Wahn 
der  Spaltungen  und  Trennungen  durch  Geburt  und  Tod  im  Sinne 
der  höchsten  Realit&t  nicht  existiert.  Solange  aber  das  vielheit- 
liche Treiben  noch  nicht  niedergeschlagen  ist,  wird  durch  Auf- 
zeigung dw  Vielheit  in  Worten  wie:  „den  soll  man  sudien  au 
„erkennen '*  (Ch&nd.  8,  7,  1)  das  Erhabensein  des  Brahman  [über 
die  individuelle  Seele]  erkannt,  welches  die  Möglichkeit  der  Be- 
schuldigung, das  ihm  Gute  nicht  vollbracht  zu  heä>en,  ausschliefst. 


23.    ctoma-ädi-vac  ca  tad-anupapatHk 

auch  wie  bei  Steinen  u.  8.  w.  ist  ünzutreffendheit 

derselben. 

Und  gleichwie  in  der  Eiiahrung  unt^r  den  Steinen,  obwohl 
sie  darin  gleich  sind,  dafs  sie  alle  ans  der  Erde  stammen,  einige 
sehr  kostbare  Edelsteine  sind,  wie  der  Diamant  oder  Beryll ^  an- 
dere von  mäfsigem  Werte,  wie  der  SüryakÄnta-Stein ,  andere  end- 
lich gemeine  Steine,  die  nur  wert  sind,  dafs  man  sie  den  Hunden 
und  Kr&hen  hinwirft,  so  dafs  unter  ihnen  eine  mannigfache  Ver- 
schiedenheit stattfindet;  —  und  gleichwie  man  an  den  Samenarten, 
obwohl  sie  alle  in  der  Erde  Wurzel  schlagen,  eine  mannigfache 
Verschiedenheit  an  Blatt,  Blüte,  Frucht,  Geruch,  Geschmack  u.  s.  w., 
vom  Sandelholze  bis  zur  Gurke  herab,  wahrnimmt;  —  und  gleich- 
wie aus  dem  Speisesafte,  der  doch  einer  ist,  das  Blut  u.  s.  w.  und 
die  Nägel,  Haare  u.  s.  w.  als  mannigfache  Wirkungen  entspringen, 
475  —  so  ist  auch  bei  dem  Brahman,  wiewohl  es  eines  ist,  |  die  Be- 
sonderheit der  individuellen  und  der  erkenntnisartigen  (pröjüa) 
Seele,   sowie   auch  die  Mannigfaltigkeit  der  Wirkungen  möglich; 


SMnm  n.  I.  2B.  SOI 

«iid  darum  ist  „Unsutreffendheit  derselben'%  d.  b.'die  von  den  Geg- 
nern erhobenen  Einwürfe  sind  nicht  zutreffend.  Zum  Überflüsse 
wollen  wir  daran  erinnern ,  dafs  die  Schrift  hier  Autorit&t  ist,  dafs 
die  Umwandlung  nur  an  Worte  sich  klammert,  und  dafs  es  damit 
steht  wie  mit  der  Mannigfaltigkeit  der  im  Traume  gesehenen 
Zust&nde. 


Achtes  Adhikarctna$n. 

24.    upasamhAra-darganän  na!  iü  cen?   na!   kshira- 

vadd  Ju 

weil  man  ein  Hinzunehmen  [von  Werkzeugen]  bemerkt, 
nicht,  meint  ihr?  —   Nein!    denn  es  ist  wie  bei  der 

Milch. 

'Die  Behauptung,  dafs  das  geistige,  eine  und  aweitlose  Brah- 
*man  die  Ursache  der  Welt  sei,  ist  unrichtig;  warum?  „weil 
S^man  ein  Hinzunehmen  [Ton  Werkseugen]  bemerkt '^  N&mlieh  aus 
^der  Erfahrung  ersieht  man,  wie  die  Töpfer,  [Weber]  u.  s.  w., 
^wenn  sie  Gefäfse,  Tuche  u.  s.  w.  machen  wollen,  yermdge  eines 
^Hinaunehmens  mannigfaltiger  mitwirkender  [Dinge],  wie  Thon, 
*8tab  und  Rad,  oder  Fäden  u.  s.  w.,  sich  mit  Hülfsmitteln  ver- 
aschen,  um  diese  oder  jene  Wirkung  zu  vollbringen.  Vom  Brah- 
'man  aber  nimmst  du  ja  an,  dafs  es  ohne  Gefährten  ist;  wie  kann 
'also,  da  demnach  keine  Hinzunahme  weiterer  Mittel  bei  ihm  mög- 
^lich  ist,  seine  SchÖpferthätigkeit  vor  sich  gehen?  £s  geht  somit 
*nicht  an,  dafs  das  Brahman  die  Ursache  der  Welt  ist.'  —  Dieser 
Einwurf  trifft  nicht  zu,  weil  [die  SchÖpferthätigkeit  des  Brahman] 
vor  sich  geht  „wie  bei  der  Milch  *S  nämlich  vermöge  der  be- 
stimmten Natur  der  Substanz.  Denn  wie  in  der  Erfahrung  Milch 
oder  Wasser  sich  aus  sich  selbst  zu  saurer  Milch  oder  Eis  um- 
wandelt I  ohne  Beihtilfe  eines  äufseren  Mittels,  so  muls  es  auch  476 
hier  sein.  —  ^Aber  die  Milch  nimmt  doch  auch,  um  sich  in  saure 
'Milch  zu  verwandeln,  äufsere  Mittel,  z.  B.  die  Wärme,  zur  Hülfe; 
'wie  kann  also  gesagt  werden,  dafs  es  sei  „wie  bei  der  Milch"?' 
—  Damit  hat  es  nichts  auf  sich;  denn  auch  hier  ist  es  doch 
immer  die  Milch  selbst,  welche  jede,  wenn  auch  noch  so  grofse, 
Umwandlung  erfährt,  nur  dafs  ihr  Werden  zu  saurer  Milch  durch 
die  Wärme  u.  s.  w.  befördert  wird.  Hätte  die  Milch  nicht  in  sich 
selbst  die  Fähigkeit,    zu   saurer  Milch  zu  werden,  so   würde  sie 


302  Q&riraka-mlmftftsa 

auch  nicht  durcK  die  Warme  u.  s.  w.  sich  zwingen  lassen,  sanre 
Milch  zu  werden.  Denn  der  Wind  z.  B.  oder  der  Äther  läfst 
sich  nicht  durch  die  Wärme  u.  s.  w.  dazu  zwingen,  saure  Milch 
zu  werden.  Das  Hinzutreten  von  Hülfsmitteln  dient  also  nur  zur 
YervoUständigujig  [der  Bedingungen].  Das  Brahman  hingegen  -ist 
ganz  mit  Kräften  erfüllt  und  hedarf  nicht  irgend  eines  andern  zu 
seiner  Yervollständigung.  Auch  sagt  darüber  die  Schrift  (^et.  6,  8): 

,,Nlcht  giebt  bei  ihm  es  Wirkung  oder  Werkzeug, 
„Nicht  hat  er  seines  Gleichen  oder  Hohem. 
477  I  „Sein  höchstes  Erafttum  lehrt  die  Schrift  als  rielfach , 

„Ihm  eingeboren,  Macht  und  Wissen  wirkend." 

Weil  also  das  Brahman,  obschon  es  eines  ist,  mit  mannigfachen 
Kräften  verbunden  ist,  so  sind  die  mannigfachen  Umwandlungen 
desselben,  „wie  bei  der  Milch'*,  u.  s.  w.  möglich. 


25.   deva-ädi-vad  api  lohe 
auch  ist  es  wie  bei  Göttern  u.  s.  w.  in  der  Erfahrung. 

'Zugestanden,  dafs  die  Milch  und  anderes,  welches  ungeistig  ist, 
'erfahrungsmäfsig  ohne  äufsere  Hülfsmittel  zu  saurer  Milch  n.  s.  w. 
'wird,  so  zeigt  doch  wiederum  die  Erfahrung,  dafs  geistige  Wesen, 
'wie  z.  B.  der  Töpfer,  nur  mit  Hülfe  einer  Reihe  von  Mitteln  ihre 
'bestimmte  'Wirkung  vollbringen;  nun  ist  das  Brahman  ein  Oeisti- 
*ges;  wie  kann  es  also  ohne  Gehülfen  wirksam  sein?'  —  Wir 
antworten:  „es  ist  wie  bei  Göttern  u.  s.  w.";  wie  nämlich  nach 
der  Erfahrung  Götter,  Ahnen,  Rishi's  und  andere  wunderthfitige 
Wesen,  obwohl  sie  geistig  sind,  ohne  irgend  ein  äufseres  Hülfs- 
mittel vermittelst  ihrer  besonderen  Herrschaftlichkeit  durch  das 
blofse  Denken  daran  aua  sich  selbst  viele  und  vielfach  geartete 
Leiber,  Häuser,  Wagen  u.  s.  w.  erschaffen,  wie  dies  die  Man^a's 
und  Arthavada's,  die  epischen  und  mythologischen  Gedichte  bo- 
zeugen;  —  oder  wie  die  Spinne  aus  sich  selbst  die  Fäden  heraus- 
läfst,  wie  das  Kranichweibchen  auch  ohne  Befruchtung  schwanger 
479  wird,  |  wie  die  Lotosblume  auch  ohne  irgend  ein  Mittel  der  Fort- 
bewegung sich  aus  einem  Teiche  in  den  andern  fortpflanzt,  -<-  so 
mufs  auch  das,  wenn  schon  geistige,  Brahman  ohne  irgend  ein 
äufseres  Hülfsmittel  aus  sich  selbst  die  Welt  erschaffen.  —  Man 
könnte  einwenden:  'die  Götter  u.  s.  w.,  die  du  da  bei  dein  Brah- 
'man  als  Beispiele  anführst,  sind  mit  dem  Brahman  in  dem  Punkte, 
'worin  du  sie  mit  ihm  vergleichst,  nicht  gleicher  Natur;  denn  es 
'handelt  sich  bei  den  Göttern  u.  s.  w.  dabei  nur  um  ihren  un- 
'geistigen  Leib;   dieser  nur   ist  das  Material  zur   Hervorbringung 


Satram  II.  i.  25  303 

'anderer  Leiber  durch  ihre  Wundermacht,  nicht  aber  ihre  geistige 
*Seele;  und  was  ferner  die  Spinnen  betrifft,  so  erzeugen  sie  durch 
*  Verzehren  kleiner  Thiere  einen  Speichel,  welcher,  in  festen  Zu- 
'stand  übergehend,  zum  Faden  wird;  und  auch  das  Kranich  Weibchen 
^empfangt  dadurch,  dafs  es  den  Ton  des  Donners  hört;  und  die 
^Lotosblume  zieht  sich  doch  nur,  weil  sie  mit  einem  Geistigen 
'[einer  Seele]  verbunden  ist,  mit  ihrem  allerdings  ungeistigen  Leibe 
'aus  einein  Teiche  in  den  andern  hinüber,  so  wie  auch  die  Schling- 
'pflanze  sich  um  den  Baum  herumzieht,  nicht  aber  kann  sie  für 
'sich  allein,  als  etwas  üngeistiges,  das  Hinüberziehen  aus  einem 
'Teiche  in  den  andern  bewerkstelligen.  Somit  passen  diese  Bei- 
'spiele  auf  das  Brahman  nicht/  —  Hierauf  ist  zu  erwidern,  dafs 
das  nichts  ausmacht,  weil  es  uns  nur  darauf  ankommt,  die  Wesens- 
verschiedenheit des  Brahman  vpn  den  als  Beispielen  gebrauchten 
Töpfern  u.  s.  w.  [welche  nur  mittels  ihrer  Werkzeuge  schaffen] 
hervorzuheben.  Denn  wie  von  den  Töpfern  u.  s.  wl  und  von  den 
Göttern  u.  s.w.,  obwohl  beide  geistig  sind,  die  Töpfer  u.  s.w., 
um  ihre  Wirkung  zu  vollbringen,  ein  äofseres  Mittel  benutzen, 
nicht  aber  die  Götter  u.  s.  w.,  —  ebenso  braucht  auch  |  das  Brali-  479 
man,  wiewohl  es  ein  Geistiges  ist,  ein  ftufseres  Mittiel  nicht  zu 
benutzen;  das  war  es  nur,  was  wir  nrit  unserer  Heranziehung  der 
Götter  u.  s.  w.  sagen  wollten.  Was  somit  für*  den  einen  möglich 
ist,  das  braucht  es  darum  bicht  unbedingt  für  alle  xa  seinj  das 
ist  unsere  Meinung. 


Neuntes  Adhikaranatn. 

» 

36.    kritsna-prasaktir,  niravayavatva-Qabda'kopo  vd 

[Umwandlung]  des  ganzen  tritt  ein,  oder  Erschütterung 
des  Schriftwortes  von  der  Gliederlosigkeit. 

Wir  haben  bewiesen,  dafs  das  geistige,  eine,  zweitlose  Brah- 
man, so  wie  die  Milch  u.  s.  w.  und  so  wie  die  Götter  u.  s.  w., 
ohne  Benutzung  eines  aufseren  Hülfsmittels  durch  Umwandlung 
seiner  selbst  die  Welt  hervorbringt.  Um  jedoch  den  Inhalt  der 
Schriftlehre  noch  mehr  ins  Klare  zu  setzen,  bringt  der  Lehrer 
einen  neuen  Einwurf  zur  Sprache,  welcher  lautet:  S, [Umwandlung] 
^,des  Ganzen  tritt  ein 'S  d.  h.  jenes  ganze  Brahman  müfste  von 
*der  Umwandlung  in  die  Gestalt  der  Wirkung  betroffen  werden, 
'weil  dasselbe  gliederlos  ist.     Hätte  das  Brahman  Teile,  wie  z.  B. 


304  QlLTirAka-iBliiiltAsIk 

*die  Erde  und  anderes,  so  könnte  sich  ein  Teil  desselben  ver- 
^wandeln,  während  der  andere  Teil  fortbestünde;  nun  aber  ist  d«8 
'Brabman  ohne  Teile,  denn  die  Schrift  sagt  (Qvet.  6,  19): 

VOhne  Teile  ohne  Werke, 
SyRtthig  ohne  Fleck  und  Makel*'; 

«und  (Mund.  2,  1,  2): 

*,,I>enn  göttlich  ist  der  Geist ^  der  ungestaltete, 
^Der  dnoHran  ist  und  drinnen,  angeboren**  — 

480  I  *sowie  auch:  „dieses  Grofse,  endlose,  uferlose,  aus  lauter  Er* 
S,kenntnis  bestehende  Wesen ^'  (Bph.  2,  4,  12);  —  „er  aber,  der 
S,Atman,  ist  nicbt  so  und  ist  nicht  so**  (Brih.  3,  9,  26);  —  „er 
'„ist  nicht  grob  und  nicht  fein"  (Bph.  3,  8,  8);  — ^  diese  und  an- 
'dere  8chriftstellen  sprechen  dem  Brahmaa  alle  Unterschiede  ab. 
'Da  eflr  somit  sich  nicht  bloIiB  einem  Teile  nach  umwandeln  kann, 
'so  wftrde  anzunehmen  sein,  dafs  es  sich  gans  umwandelte,  und 
'damit  würde  seine  Wurssel  ausgerottet  werden.  Auch  wkte  in 
Miesem  Falle  die  Aufforderung,  dafs  man  das  Brahman  schauen 
'solle  (Bfih.  2,  4,  5),  überflüssig,  da  es  ja  als  die  Weltwirkung 
'ohne  weiteres  sichtbar  yorläge,  ein  über  dasselbe  hinausreichen* 
'des  Brahman  aber  nicht  vorhanden  wäre.  Ebenso  würden  auch 
'die  Schriftworte  Ton  seiner  Ungeborenheit  (Mund.  2,  1,  2)  u.  s.  w. 
^erschüttert  werden.  Oder  soll  man  etwa,  um  diesm  Einwarfen 
'zu  entgehen,  aimehmen,  dafs  das  Brahman  in  Teile  gegliedert  sei? 
'Aach  dann  würden  diejenigen  angeführten  Schriftworte,  welche 
'seine  Ungegliedertheit  lehren,  eine  Erschütterung  erleiden.  Auch 
'würde  aus  seiner  Gegliedertheit  folgen,  dafs  dasselbe  nicht  ewig 
'wäre;  so  dafs  sich  die  letztere  Annahme  in  jedem  Sinne  als  un- 
'haltbar  zeigt'  —  So  lautet  der  Einwurf. 


27.    grutee  tu,  fobda^mülatvät 

vielmehr  wegen  der  Schrift,  weil  es  im  Schriftworte 

wurzelt. 

Mit  dem  Worte  „vielmehr"  wehrt  der  Lehrer  diesen  Einwarf 
ab.  Es  liegt  nämlich  auf  unserer  Seite  durchaus  kein  Fehler  vor. 
Und  Bunächst  ist  an  eine  Umwandlung  des  ganzen  Brahman  nicht 
4SI  zu  denken;  warum?  „wegen  der  Schrift".  |  Denn  ebenso,  wie  die 
Schrift  den  Ursprung  der  Welt  aus  dem  Brahman  lehrt,  lehrt  sie 
aach  das  Furtbestehen  des  Brahman  aufserhalb  der  Umwandlung, 
indem  sie  die  Umatur  und  ihre  Umwandlung  als  iweierlei  einander 


Sfttram  IL  i.  27.  305 

gegenüberstellt;  denn  es  keifst :'  „diese  Gottheit  betibsicbtigte: 
„wohlan,  ich  will  in  jene  drei  Gottheiten  mit  diesem  lebenden 
„Selbste  eingeben  und  anseinanderbreiten  Namen  und  Gestalten" 
(Chl^nd,  6,  3,  2);  —  und  (Ch&nd.  3,  12,'6) : 

„So  groCa  die  Majestät  ist  der  Natur, 
9,So  ist  doeh  höher  noch  der  Geist  erhoben; 
»,Ein  Fufa  Ton  ihm  siod  alle  Wesen  nur, 
„Drei  sind  Unsterblichkeit  im  Himmel  droben." 

Das  Nämliche  bezeugen  die  Schriftworte  von  seinem  Standorte  im 
Herzen  (Chänd.  8,  3,  3)  und  von  dem  Eingange  in  das  Seiende 
(Chd.nd.  6>  8,  1).  Denn  wenn  das  ganze  Brahmnn  darcb  den  Be- 
stand der  Weltwirkung  verbraucht  würde,  so  könnte  die  auf  den 
Tiefscblaf  bezügliche  Bestimmung:  „alsdfinn  ist  er,  o  Teurer,  ein- 
„gegangen  in  das  Seiende"  (Ch&nd.  6,  8,  1),  nicht  richtig  sein, 
weil  man  in  das  umgewandelte  Brahman  jeder  Zeit  schon  ein« 
gegangen  wäre,  ein  nicht  umgewandeltes  Brahman  aber  nicht  vor- 
handen sein  würde.  Hierzu  kommt,  dafs  die  Erreichbarkeit  durch 
die  Sinne  in  Betreif  des  Brahman  verneint  wird,  während  doch 
die  Weltuni Wandlung  für  die  Sinne  erreiehbar  ist,  woraus  folgte 
dafs  ein  nichtnmgewandeltes  Brahman  wirklioli  besteht.  Aber 
gleichwohl  ist  eina  „Erschütterung  des  Schriftwortes  von  der 
„Gliederlosigkeit**  nicht  suzugeb^Ay  indem  die  Gliederlosigkeit  des 
Brahman,  eben  darum,  weil  sie  von  der  Schrifb  gelehrt  wird,  fest- 
gehalten werden  mufs.  Und  in  dem  Schriftworte  wurzelt  ja  das 
Brahman,  in  der  Schrift  hat  es  seinen  Erkenntnisgrund  und  nicht 
in  der  Sinneswahmebmung  u.  a.  w. ;  d.aher  mufs  man  annehmen 
was  die  Schrift  darüber  lehrt.  Die  Schrifb  aber  lehrt  von  dem  Brah- 
man beides,  dafs  es  nicht  ganz  [von  den  Erscheinungen  absorbiert 
werde],  und  dafs  es  ohne  Teile  sei.  Kommt  es  ja  doch  auch  bei 
weltlichen  Dingen,  bei  Amuletten,  Zaubersprüchen,  |  Heilkräutern  4S2 
u.  8..  w.  vor,  dafs  sie,  vermöge  der  Verschiedenheit  von  Ort,  Zeit 
und  Ursache,  Kräfte  mit  mannigfachen,  einander  widersprechen- 
den Wirkungen  zeigen,  und  auch  diese  lassen  sich  nicht  ohne  Be- 
lehrung durch  die  blofse  Reflexion  erkennen,  und  bestimmen,  was 
für  Kräfte,  wovon  begleitet,  worauf  bezuglieh,  wozu  zweckdien- 
lich ein  bestimmtes  Ding  habe,  —  wie  sollte  es  also  möglich  sein, 
die  Natur  des  Brahman  mit  seinen  unausdenkbaren  Machtvollkom- 
menheiten ohne  die  Schrifb  zu  erkennen?  -—  Und  so  sagen  auch 
die  Purftna-Lehrer: 

„Bestimmungißn ,  die  unerkennbar  sind, 
„Die  lassen  sich  durch  Denken  nicht  ermitteln; 
„Denn  eben  darum  ist  es  unerkennbar, 
„Weil  es  erhaben  über  alles  ist, 
„Was  ihr  als  Urnatur  ergrübeln  mögt.*' 

Dbvmh»;  V«d4ntft.  20 


306  Q&rlraka-m!mftn6& 

Eb  ist  somit  die  Schrift,  in  .welcher  die  Erkenntnis  über  das  Wesen 
desjenigen,  was  der  Sinneswahmehmung  entrückt  ist,  .wurzelt. 

'Aber  ist  es  nicht  auch  für  die  Schrift  unmöglich,  eine  in  sich 
'widersprechende  Sache  zu  lehren,  wie  diese,  dafs  das  Brahman 
'ohne  Teile  sei  und  doch  auch  nicht  ganz  umgewandelt  werde? 
'Soll  das  Brahman  ohne  Teile  sein,  so  mufs  es  entweder  gar  nicht, 
'oder  es  mufs  ganz  umgewandelt  werden.  Oder  soll  es  nach  der 
^einen  Seite  sich  umwandeln  und  nach  der  andern  Seite  fort- 
'bestehen,    so  werden  zwei  Seiten   an  ihm  angenommen,    und  es 

483  'folgt,  dafs  dasselbe  in  Teile  gegliedert  ist.  |  Ja,  wo  es  sich  um 
'Werke  handelt,  und  dabei  ein  Widerspruch  vorkommt,  z.  B.  wenn 
'es  heifst:  „er  benutzt  beim  Übernachtsopfer  die  sechzehnteilige 
'„[Strophe]"  —  „er  benutzt  nicht  beim  Übernachtsopfer  die  sech- 
'„zehnteilige  [Strophe]",  —  da  kann  man  den  Widerspruch  da- 
'durch  heben,  dafs  man  die  Wahl  zwischen  beidem  freiläfst,  indem 
'die  Ausführung  einer  Pflichtregel  von  dem  Menschen  abhängt. 
'Hier  hingegen  läfst  sich  nicht  durch  Freigebung  der  Wahl  der 
'Widerspruch  heben,  indem  ein  wirklich  Vorhandenes  nicht  von 
'der  Willkür  des  Menschen  abhängt;  darum  ist  hier  schwer  zu 
'helfen.*  —  Aber  diese  Einwendung  ist  nicht  richtig,   und   zwar^ 

'  weil  festzuhalten  ist,  dafs  die  Vielheit  der  Gestalten  nur  durch 
das  Nichtwissen  hervorgebracht  wird.  Weil  das  Nichtwissen  eine 
Vielheit  der  Gestalten  annimmt,  deswegen  braucht  der  Gegenstand 
selbst  nicht  vielheitlich  zu  sein.  Denn  weil  einer,  dessen  Augen 
an  der  Timira-Krankheit  leiden,  mehr  als  einen  Mond  sieht,  sind 
doch  nicht  in  Wirklichkeit  mehrere  vorhanden.  Und  es  ist  doch 
nur  die  vom  Nichtwissen  aufgestellte  Vielheit  der  Erscheinungen 
nach  Namen  und  Gestalten,  —  sie,  welche  ausgebreitet  und  doch 
nicht  ausgebreitet  ist,  und  sich  weder  als  ein  Seiendes  noch  als 
das  Gegenteil  4efin]eren  läfst,  —  auf  welche  sich  die  Annahme  grün- 
det, dafs  das  Brahman  in  dem  ganzen  aus  Umwandlung  hervor- 
gehenden Welttreiben  seinen  Sitz  habe,  während  das  Brahman, 
seiner  absolut  realen  Wesenheit  nach ,  über  alles  Welttreiben  er- 
liaben,  unwandelbar  bestehen  bleibt.  Weil  also  die  Vielheit  der  vom 
Nichtwissen  aufgestellten  Namen  und  Gestalten  nur  an  Worte  sii;h 

484  klammernd  ist  (Chänd.  6,  1,  4),  darum  wird  |  die  Unteilbarkeit  des 
Brahman  durch  dieselbe  nicht  erschüttert.  Auch  hat  die  Schrift- 
stelle, welche  seine  Umwandlung  lehrt,  gar  nicht  den  Zweck,  diese 
Umwandlung  zu  lehren,  indem  durch  .die  Erkenntnis  derselben 
keine  Frucht  erlangt  wird;  sie  hat  vielmehr  den  Zweck,  zu  lehren, 
dafs  wir  das  allem  Welttreiben  entrückte  Brahman.  selbst  sind,  in- 
dem ddrch  diese  Erkenntnis  die  betreifende  Fracht  erlangt  wird; 
denn  in  der  Stelle:  „er  aber  der  Atman  ist  nicht  so  und  ist  nicht 
„do"  (Brih.  4,  2,  4)  heifst  es  weiterhin:  „fürwahr,  du  hast,  o  Janaka, 
„den  Frieden  erlangt".  —  Somit  ist  bei  unserer  Annahme  nicht  die 
mindeste  Veranlassung  zu  einem  Einwurfe  vorhanden. 


Sötram  II.  i.  28.  ä07 


28.    Mmani  ca  evam;  vicUräQ  ca  hi 

eben  so  auch  in  einem  selbst;  auch   werden  ja 

vielerlei. 

Man  darf  aber  überhaupt  nicht  darüber  streiten,  wie  es  mög- 
lich ist,  dafs  in  dem  einen  Brahman  ohne  Yemichtung  seines 
Wesens  die  mannigfache  Schöpfung  bestehen  kann,  weil  ja  „auch 
„in  einem  selbst",  obwohl  man  einer  ist,  beim  Träumen,  ohne 
Vernichtung  der  eigenen  Natur,  eine  mannigfache  Schöpfung  be- 
steht, wie  die  Schrift  bezeugt:  „daselbst  sind  nicht  Wagen,  nicht 
„Gespanne,  nicht  Strafsen,  sondern  Wagen,  Gespanne  und  Strafsen 
„schafft  er  sich"  u..  s.  w.  (Brih.  4,  3,  10).  Auch  die  Erfahrung 
zeigt  femer,  dafs  z.  B.  Götter  oder  Zauberer  ohne  Vernichtung 
ihrer  eigenen  Natur  vielerlei,  z.  B,  Elefanten,  Pferde  u.  s.  w.,  er- 
schaffen; in  derselben  Weise  kann  auch  in  dem  Brahman,  wiewohl 
es  eines  ist,  ohne  Vernichtung  seiner  Natur  die  mannigfach  ge- 
staltete Schöpfung  bestehen. 


29.    s^)a-paksha-dosMc  ca  485 

und  weil  der  Fehler  auch  auf  ihrer  Seite. 

Hierzu  kommt,  dafs  sich  derselbe  Einwand  auch  auf  Seiten 
dos  Gegners  gegen  dessen  Annahme  erheben  läfst.  Denn  auch 
der  Verteidiger  der  Urmaterie  nimmt  an,  dafs  die  ungegliederte, 
ungeteilte,  der  Sinneswalimehmung  entrückte  Urmaterie  die  Ur- 
sache ist  für  die  gegliederte,  geteilte  und  sinnlich  wahrnehmbare 
Weltwirkung.  Auch  bei  dieser  Annahme  folgt,  dafs  entweder  die 
Urmaterie,  weil  sie  ungegliedert  ist,  sich  ganz  umwandelt,  oder 
dafs  die  Annahme  ihrer  Ungegliedertheit  unhaltbar  wird.  —  *Aber 
'jene  Gegner  nehmen  doch  gar  nicht  an,  dafs  die  Urmaterie  un- 
*gegliedert  sei;  denn  sie  haben  ja  die  drei  Qualitäten  des  Sathaw, 
^Bajas  und  Tamas,  und  der  Gleichmäfsigkeitszustand  derselben  ist 
*die  Urmaterie,  welche  also  eben  durch  jene  Glieder  zu  einem  Ge- 
*gliederten  wird!'  —  Eine  derartige  Gliederung  reicht  nicht  hin, 
um  dem  oben  erhobenen  Einwurfe  abzuhelfen;  denn  von  jenen 
drei  Qualitäten,  dem  Sattvam,  JRajas  und  Tanias^  ist  jede  einzelne 
ebenso  wie  bei  uns  ungegliedert,  und  jede  einzelne  für  sich  bil- 
det, von  den  beiden  andern  unterstützt,  den  Stoff  für  den  ihr. 
verwandten  Teil  der  Weltausbreitung.  Somit  haben  jene  [Suü- 
khya's]  mit  uns  gemein ,  dafs  sich  „derselbe  Fehler  auch  auf  ihrer 
„Seite"    vorfindet.    |   Will   man    aber   mit   Berufung    auf   die   Uu-  486 

20* 


'»TH- 


308  Qftrlraka*in1mi6Bll 

bestäudigkeit  [and  mögliclie  Verbesserung]  der  Reflexion  (vgl. 
Sütram  2,  1,  11)  annehinen,'  dafs  die  Umatur  gegliedert  sei,  so 
werden  auch  hierdurch  gewisse  [andere]  Fehler  der  Niehtewig- 
keit  XL,  s.  w.  nicht  yennieden.  Oder  wollt  ihr  vielleicht  die  Kräfte, 
anf  welche  man  wegen  der  Mannigfaltigkeit  der  Weltwirkung  schlie- 
fsen  mufs,  für  die  Glieder  ansehen?  Nun,  diese  werden  ebenso 
gut  von  den  Brahmanlehrern  angenommen.  —  In  ahnlicher  Weise 
8t6ht  es  bei  d§n  Terfechtem  der  Atome.  Soll  ein  Atom  sich  mit 
dem  andern  so  verbinden,  dafs  es  vermöge  seiner  Unteilbarkeit 
sich  ganz  mit  demselben  verbindet,  so  kommt  es  su  keiner  Aus- 
dehnung, und  folglich  wäre  alles  nur  so  grofs  wie  ein  Atom. 
Oder  sollen  sich  die  Atome  nur  an  einer  Seite  berühren;  dann 
folgt  auch  für  jene,  daX^  die  Annahme  der  Unteilbarkeit  der  Atome 
erschüttert  wird,  so  dafs  jener  selbe  Fehler  auch  ihrerseits  ge- 
meinsam ist.  Was  aber  beiden  Parteien  gemeinschaftlich  ist,  das 
darf  die  eine  der  andern  nicht  vorrücken.  Übrigens  haben  wir, 
was  unsere  Partei  betrifft,  gezeigt,  dafs  bei  Annahme  des  Brah* 
man  der  Fehler  vermieden  wird. 


Zehntes  Adhilaranam* 

30.    sarVa-upa'-itd  ca^  tad-darqanal 

auch   ist  sie  miti  allem  ausgerüstet,    wie  dies 

ersichtlich. 

Wir  sagten  bereits,  dafs  aus  dem  Brahman,  wiewohl  es  eines 
ist,  die  mannigfache  Ausbreitung  der  Umwandlungen  möglich  wird, 
weil  dasselbe  mit  mancherlei  Kräften  verbunden  ist.  Aber  woher 
wiesen  wir,  dafs  das  höchste  Brahman'  mit  mancherlei  Kräften  | 
487  verbunden' ist?  Darauf  dient  zar  Antwort:  „auch  ist  sie  mit 
„allem  ausgerüstet,  wie  dies  ersichtlich";  d.  h.  auch  mufs  man 
annehmen,  dafs  sie,  die  höchste  Gottheit,  mit  allen  Kräften  ver- 
bunden ist;  woher?  weil  dies  ersichtlich.  Denn  in  dieser  Weise 
zeigt  die  Schrift  die  Verbindung  der  höchsten  Gottheit  mit  aller- 
lei Kräften  an  Stellen  wie:  „allwirkend  ist  er,  allwünscheud ,  all- 
„riechend,  allschmeckend,  das  All  umfassend,  schweigend,  iinbe- 
„künmiert"  (Chind.  3,  14,  2);  —  „sein  Wünschen  ist  wahrhaft, 
„wahrhaft  sein  Ratschlufs^*  (Ch&nd.  8,  7,  1);  —  ^der  alles  kennt 
„und  alles  weifs"  (Mu^d.  1,  1,  9);  —  „fürwahr  auf  dieses  Un- 
„vergänglichen  Geheifs,  o  G&rgl,  stehen  auseinandergehalten  Sonne 
„und  Mond "  (Brih.  3,  8,  9)  u.  s.  w. 


^  *  WkM  IWÜ  l^  if^TT- 


Satram  II.  i.  31.  309 


31.    vikaranatvän  na!  iU  cd?  tad  uktam 

*  .  • 

weil  er  keine  Organe  habe,  nicht,  meint  ihr?  Darüber 

ist  gesprochen. 

'Schon  recht;  aber  di6  Sphrifb  lehrt  doch,  daJs  die  höchste 
'Gottheit  ohne  Organe  sei,  „ohne  Auge  nnd  ohne  Ohr,  ohne  Rede, 
'„ohne  Verstand",  wie  es  heifst  (B|rih.  3,  8,  8);  wie  kann  nun  eine 
'solche,  trotz  ihrer  Verbindung  mit  allen  Kräften,  eine  Wirkung 
'erzeugen?  Denn  auch  die  Götter  u.  s.  w.,  welche  geistig  und 
'mit  allerlei  Kräften  versehen  sind,  vermögen  doch  bekanntlich 
'nur  zufolge  ihrer  persönlichen  Ausrüstung  mit  Organen  des  Wir- 
*kens  diese  oder  jene  Wirkung  zu  vollbringen  (lies:  prabhavanto 
^vijM^anhy  Wie  kann  femer  bei  der  liöchsten  Gottheit,  welcher 
'durch  die  Worte  „er  iet  nicht  so  und  ist  nicht  so"  (Brih.  2,  3,  6) 
'alle  Unterschiede  abgesprochen  werden,  eine  Verbindung  mit  aller- 
'lei  Kräften  möglich  sein?'  —  Was  dai-auf  |  zu  erwidern  wäre,  das  488 
ist .  Bdfaon  oben  gesagt  worden«  Nur  durch  die  Schrift  nämlich 
läfst  sieh  dieses  überaus  tiefe  höchste  Brahman  ergründen,  nicht 
ist  es  zu  ergründen  durch  die  Reflexion;  auch  ist  es  nicht  eben 
notwendig,  dafs  nur  das,  was  bei  einer  Sache  als  möglich  sich 
ergiebt,  es  auch  bei  einer  andern  sei.  Dafs  aber  das  Brahman, 
trotz  d^  AuBschliefsung  aller  Unterschiede  an  ihm,  mit  allerlei 
Kräften  verbunden  sein  kann,  erklärt  sich  dadurch,  dafs,  wie  wir 
schon  hervorhoben,  die  Vielheit  der  Gestalten  auf  dem  Nicht- 
wissen beruht.     Und  so  sagt  auch  die  Schrift  (^/vet.  3,  19): 

„Ohn'  Hände  greift  es,  ohne  Ffifse  läuft  es, 
„Ohn'  Augen  sieht  es,  ohne  Obren  hört  es 'S 

womit  sie  zeigt,   dafs  das  Brahman,   obgleich  organlos,    doch  mit 
allerlei  Fähigkeiten  verbunden  ist. 


Elftes  Adktkaratiam. 

32.    'wa,  prayojanavativät ' 
^  nicht  y  weil  ein  Beweggrund  sein  mufs.' 

Wiederum    wird  in   anderer   Weise    die   Entstehung    der   Welt 
aus   einem  Geistigen  angegriffen.   —   '£s   kaxm   nicht  der  geistige 


310  gärlraka-nilmftÄs& 

^höchste  Ätman  sein,  der  diesen  Weltkreis  eingerichtet  hat;  warum? 
^weil  zu  allem  Thun  ein  Beweggrund  vorhanden  sein  roufs.  Aus 
*der  Erfahrung  nämlich  ersieht  man,  wie  ein  geistiger,  vor  dem 
^Handeln  überlegender  Mensch  auch  eine  Handlung  von  geringer 
'Bedeutung  nicht  vornimmt,  ohne  dafs  dieselbe  mit  einem  in  ihm 
^liegenden  Beweggrunde  verbunden  wäre,  um  wie  vielmehr  eine, 
'solche  von  grofser  Bedeutung.  .  Und  mit  diesem  Brauche  der  Welt 
489  'stimmt  )  das  Schriftwort  überein:  „fürwahr  nicht  um  des  Welt- 
*„alls  willen  ist  das  Weltall  lieb,  sondern  um  des  Selbstes  willen 
S,ist  das  Weltall  Heb'^  (Bfih.  2,  4,  5).  Auch  ist  es  ja  doch 
'ein  sehr  grofses  Unternehmen,  diesen  Weltkreis  in  seiner  Aua- 
'breitung  nach' oben  Und  unten  anzuordnen.  Nimmt  man  nun  an, 
'dafs  auch  der  geistige  höchste  Atman  zu  diesem  Unternehoien 
'durch  einen  in  ihm.  liegenden  Beweggrund, getrieben  worden  sei, 
'so  widerspricht  das  der  AUgenugsamkeit  des  höchsten  Atman, 
'welche  von  der  Schrift  gelehrt  wird;  soll  hingegen  kein  Beweg- 
'grund  vorhanden  sein,  so  wird  auch  die  Thätigkeit  unmöglich. 
'Oder  soll  etwa,  ähnlich  wie  zuweilen  ein  wiewohl  geistiger  Mensch 
'sinnlos  aus  Mangel  an  Verstand  und  ohne  Beweggrund  etwas  thut, 
'so  auch  der  höchste  Atman  bei  seinem  Thun  vorgegangen  sein? 
'Diese  Annahme  würde  der  von  der  Schrift  gelehrten  Allweisheit 
'des  höchsten  Atman  widersprechen.  Darum  steht  es  nicht  richtig 
'mit  dieser  Annahme  der  Weltschöpfung  dui'oh  ein  geistiges  Wesen.' 


33.    lokavat  tu  lUä-kaivalyam 
vielmehr,  wie  in  der  Erfahrung,  ein  blofses  Spiel. 

Durch  das  Wort  „vielmehr"  wird  dieser  Einwurf  abgewehrt. 
Wie  es  nämlich  in  der  Erfahrung  vorkommt,  dafs  einer,  der  alles 
hat,  was  er  wünscht,  ein  König  oder  ein  königlicher  Minister, 
490  auch  ohne  einen  besonderen  Beweggrund  |  sich  zum  blofsen  Spiele 
mit  Scherz  oder  Lustwandeln  beschäftigt,  —  und  wie  das  Aus- 
atmen und  Einatmen  auch  ohne  ein  weiteres,  äufseres  Motiv  von 
selbst  vor  sich  gehen,  so  mag  auch  die  Thätigkeit  Gottes  ohne 
irgend  ein  anderes  Motiv  von  selbst  und  nur  zum  Spiele  statt- 
haben. Denn  es  ist  nicht  möglich,  bei  Gott  ein  weiteres  Motiv 
durch  Nachdenken  oder  aus  der  Schrift  zu  erkennen,  auch  kann 
man  nicht  ilin  selbst  darüber  interpellieren.  Wenn  übrigens  für  uns 
auch  diese  Anordnung  des  Weltkreises  als  ein  sehr  schweres  Unter- 
nehmen erscheint,  so  ist  dieselbe  doch  für  den  höchsten  Gott  nur 
ein  blofses  Spiel,  weil  sein  Kraftvermögen  unermefslich  ist.  Wenn 
femer  in  der  Erfalirung  auch  beim  blofsen  Spiele  immer  irgend 
ein  geringer  Beweggrund  vorliegt,  so  ist  hingegen  hier  auch  nicht 


Sfttram  II.  i.  33.  311 

der  allergeringBie  Beweggrund  abzusehen,  wegen  de8  Schriftwortes, 
dafs  sein  Wünschen  wahrhaft  ist  (vgl.  Chänd.  8)  7|  1).  Aber  darum 
läfst  sich  weder  annehmen,  dafs.  Gott  nicht  schaffe,  noch  dafs  er 
gedankenlos  schaffe,  wegen  der  Schriftstellen,  die  sein  Schaffen 
und  seine  All  Weisheit  lehren.  Übrigens  bezieht  sich  jene  |  Schrift-  491 
stelle  von  der  Schöpfung  nicht  auf  einen  Gegenstand,  der  in  ab- 
solutem Siime  real  wäre,  weil  sie  das  Welttreiben  in  Namen  und 
Gestalten  betrilTt,  welche  nur  auf  dem  Nichtwissen  beruhen,  und 
weil  sie  nur  den  Zweck  hat  zu  lehren,  dafs  diu  Welt  ihrem  Wesen 
nach  Brahman  ist;  —  das  darf  man  nicht  aufser  Augen  lassen. 


Zwölftem  Ädhikaranam, 

34.    vaishamya-nairghTintfe  Ha;  sa^apekshatvät;  tathd  hi 

dargayali 

Ungerechtigkeit  und  ünbarmherzigkeit  nicht;  weil  er 
Bücksicht  nimmt;   denn  so  lehrt  es  [die  Schrift]. 

Wiederum  erhebt  sich  ein  Einwurf  dagegen,  dafs  Gott  die  Ur- 
sache des  Ursprunges  u.  s.  w.  der  Welt  sei,  damit  die  schon  an* 
erkannte  Wahrheit,  wie  ein  Pfahl  durch  die  [auf  ihn  geführten] 
Schlage,  noch  um  so  mehr  sich  befestige.  -^  *Es  geht  doch  nicht, 
'dafs  Gott  die  Ursache  der  Welt  ist,  weil  er  dann  ungerecht  und 
'unbarmherzig  sein  würde.  Einige  hätte  er  zum  Genüsse  unend- 
licher Lust  erschaffen,  z.  B.  die  Götter,  andere  zum  Erdulden  un- 
*endlicher  Schmerzen,  z.  B.  die  Tiere,  und  wieder  andern,  wie 
*z.  B.  den  Menschen,  hätte  er  eine  mittlere  Stellung  angewiesen. 
^Somit  hätte  Gott  eine  ungleiche  Schöpfung  hervorgebracht,  man 
'raufste  annehmen,  dafs  er  wie  ein  menschliches  Individuum  Liebe 
'und  Hafs  empfände,  und  die  von  der  Schrift  und  Tradition  ge- 
'lehrte  Lauterkeit  ü.  s.  w.  der  göttlichen  Natur  würde  nicht  be- 
istehen können.  Femer  würde  folgen,  dafs  auch  urschuldige 
\akhala)  Menschen  die  Ünbarmherzigkeit  und  Grausamkeit  Gottes 
'füi'chten  müfsten,  weil  er  auch  sie  mit  Schmerzen  heimsuchte  | 
'und  zuletzt  alle  Kreatur  vernichtete.  Darum  also,  wegen  der  Un-  492 
'gerechtigkeit  und  Ünbarmherzigkeit,  die  ihn  treffen  würden,  kann 
'Gott  nicht  die  Ursache  der  Welt  sein.' 

Auf  diesen  Einwurf  erwidern  wir,   dafs   „Ungerechtigkeit   und 
„Ünbarmherzigkeit"  gleichwohl  Gott  „nicht"  treffen;  warum?  „weil 


312  Qlulraka-mlminBlt 

„er  RückBicht  nimmt".  Hatte  Dämlich  Gott  ohne  Rücksicht,  aus 
freien  Stücken  die  ungleichmäfsige  Schöpf ang  hervorgebracht,  so 
würden  allerdings  jene  Vorwürfe  der  Ungerechtigkeit  und  Unbarm- 
herzigkeit  erhoben  werden  können;  nun  aber  ist  seine  Schöpfer* 
th&tigkeit  nicht  ohne  Rücksichtnahme,  sondern  es  geschieht  mit 
Rücksicht  auf  etwas,  dals  Gott  die  Schöpfung  so  ungleichm&fsig 
eingerichtet  hat.  Aber  worauf  nimmt  er  denn  Rücksicht?  Wir 
antwortea:  er  berücksichtigt  die  guten  und  bösen  Werke,  und 
darum,  wegen  der  Rücksichtnahme  auf  die  guten  und  bösen  Werke 
der  zu  erschaffenden  Wesen,  ist  die  Schöpfung  eine  ungleich- 
mäfsige, während  auf  Gott  dabei  kein  Vorwurf  fallt.  Vielmehr 
ist  Gott  anzusehen  ähnlich  wie  der  Regen.  Wie  nämlich  der 
Regen  die  gemeinsame  Ursache  bildet  für  das  Wachstum  von  Reis, 
Gerste  u.  s.  w.,  während  hingegen  für  die  Ungleichheit  von  Reis, 
Gerste  u.  s.  w.  die  nichtgemeinsame,  bestimmte  Beschaffenheit  des 
jedesmaligen  Samens  die  Ursache  bildet,  ebenso  ist  Gott  nur 
die  gemeinschaftliche  Ursache  des  Entstehens  von  Göttern,  Men- 
schen u.  s.  w.,  während  hingegen  die  Ungleichheit  der  Götter,  Men- 
schen u.  s.  w.  ihre  Ursache  hat  in  den  nicht  gemeinsamen  Werken 
jeder  einzelnen  Seele.  So  kommt  es,,  dafs  Gott  wegen  der  Rück- 
sichtnahme von  den  Vorwürfen  der  Ungerechtigkeit  und  Grausam- 
keit nicht  getroffen  wird.  Aber  woher  wissen  .wir  denn,  dafs  Gott 
493  aus  dieser  Rücksichtnahme  |  den  Samsära  mit  seinen  niedrigen, 
mittleren  und  hohen  Ständen  erschafft?  Weil  die  Schrift  es  so 
lehrt,  wenn  sie  sagt:  „denn  er  machet  das  gute  Werk  thun  den, 
„welchen  er  aus  diesen  Welten  emporführen  Mdll,  und  er  hin- 
„widerum  machet  das  böse  Werk  thun  den,  welchen  er  abwärts 
„fülu'en  will"  (Kaush.  3,  8);  und:  „rein  wird,  der  Mensch  durch 
„reines  Werk,  böse  durch  böaea"  (Brih.  3,  2,  13).  Ebenso  lehrt 
auch  die  Smriti,  dafs  Gott  fördernd  und  hemmend  wirkt,  je  nach 
den  bestimmten  Werken  der  einzelnen  Seelen,  wenn  ea  heifut 
(Bhag.  G.  4,  11): 

„Die  liebe  ich,  die  hin  zu  mir  sich  wenden, 
„Und  in  dem  Mafse,  wie  sie  solches  thon." 


35.    na,  karma - avibha^thl ,  üi  cen?  na!  anäditvät 

nicht,    wegen  der  Ungesondertheit  der  Werke,   meint 
ihr?    Nein!    wegen  der  Anlanglosigkeit. 

'Wenn  die  Schrift  sagt:  „seiend  nur,  o  Teurer,  war  diese  Welt 
S,am  Anfang,  eines  nur  und  ohne  zweites*'  (Chänd.  6,  2,  1),  so 
*]ehrt  sie,    dafs  vor  der  Schöpfung  Ungesondertheit  gewesen   sei, 


Sfttram  IL  i.  35.  313 

'und  darum  gab  es  keine  Werke,  mit  Rdcksicbt  auf  welche  die 
'Schöpfung  ungleichiuäfsig  hätte  werden  können.  Für  die  *Zeit 
'nach  der  Schöpfung  liefse  sich  allerdings  annehmen,  dafs  durch 
*die  Gesondertheit  der  Leiber  die  Werke,  und  durch  die  Werke 
'wiederum  die  Gesondertheit  der  Leiber  bedingt  sei,  so  dafs  immer 
'das  eine  von  dem  andern  abhinge,  und  somit  könnte  man  zu- 
'geben,  dafs  nach  einmal  geschehener  Sonderung  Gott  mit  Rück- 
'sicht  auf  die  Werke  verführe;  hingegen  vor  jener  Sonderung  war 
'kein  Werk  vorhanden,  welches  die  Mannigfaltigkeit  hätte  bedingen 
'können,  und  daher  müfste  wenigstens  die  erste  Schöpfung  eine 
'gleichmäfsige  gewesen  sein.'  —  Aber  dieses  Bedenken  trifft  nicht 
zu,  und  zwar  {  „wegen  der  Anfanglosigkeit^'  des  Sarasära.  Hätte  ^^^ 
der  jetzt  bestehende  Samsara  einen  Anfang,  so  wäre  der  Einwurf 
berechtigt;  weil  aber  der  Saipsara  anfanglos  ist,  so  verhalten  sich 
die  Werke  und  das  Ungleichmäfsige  der  Schöpfung,  ähnlich  wie 
der  Same  und  die  Pflanze,  [immer  zu  einander]  als  Bedingendes 
und  Bedingtes,  und  darum  ist  an  dem  Verfahren  Gottes  kein  An- 
stofs  zu  nehmen.  —  Aber  woher  wissen  wir,  dafs  dieser  Samsara 
anfauglos  istV     Darauf  lautet  die  Antwoi't: 


36,    upapadyate  ca^  api  vpalabhf/ate  ca 

und  diese  ergiebt  sich,   und  sie  wird  auch  ver- 
nommen. 

Und  diese,  die  Anfanglosigkeit  des  Samsara,  „ergiebt  sich" 
Hätte  nämlich  der  Samsara  einen  Anfang,  so  würde  das  Eut* 
stehen  keinen  Grund  haben;  dann  müfsten  auch  die  Erlösten 
wiederum  in  dem  Samsara  entstehen  können,  und  ea  könnte 
jemanden  auch  solches  treffen,  was  er  nicht  verschuldet  hat,  da 
dann  die  Ungleichheit  an  Lust,  Schmerz  u.  s.  w.  ohne  Grund  sein 
würde.  Denn  Gott  kann,  wie  wir  gesehen  haben,  nicht  die  Ur- 
sache dieser  Ungleichheit  sein.  Und  auch  das  Nichtwissen  kann' 
für  sich  allein,  weil  es  einartig  ist,  nicht  der  Grund  der  Un- 
gleichheit sein,  und  nur  dann  kann  das  Nichtwissen  die  Un- 
gleichheit veranlassen,  wenn  dasselbe  bedingt  wird  durch  die  mit 
der  Leidenschaft  und  andern  Beschwerden  und  Wahnvorstellungen 
behafteten  Werke.  Auch  kann  ein  Leib  nicht  ohne  das  Werk  ent- 
stehen, ebenso  wenig  wie  die  Werke  ohne  den  Leib;  und  diese 
gegenseitige  Abhängigkeit  würde  zu  einem  Fehler  werden  [hätte 
der  Samsara  einen  Anfang].  Weil  er  aber  anfanglos  ist,  deswegen 
geht  es  wie  mit  dem  Samen  und  der  Pflanze  [die  sich  wechsel- 
seitig erzeugen!,  und  ein  Fehler  liegt  nicht  vor.  Weiter  wird 
aber  auch  diese  Anfanglosigkeit    des  Sanisära   „vernommen"  |  in  495 


814  gitriraka-inlm&n8& 

Worten  der  Schrift  und  der  Smriti.  Denn 'wenn  die  Schrift  sagt: 
„ich  will  mit  diesem  lebenden  Selbste  [in  Feuer,  Wasser  und  Nah* 
„rung  eingehen  und  auseinanderbreiten  Namen  und  Gestalten]" 
(Cb&nd.  6,  3,  2),  so  erwähnt  sie  schon  vor  der  Schöpfung  die  ver- 
körperte Seele,  welche,  weil  sie  das  Leben  trägt,  „das  lebende 
„()*lt;a)  vSelbst'^  heifst,  und  bezeugt  hierdurch,  dafs  der  Samsitra  an- 
fanglos ist.  Hätte  der  Sams&ra  einen  Anfang,  so  hätte  es  vor 
diesem  kein  zu  unterhaltendes  Leben  gegeben,  und  die  Seele 
könnte  nicht  vor  der  Schöpfung  schon  als  der  Träger  des  Lebens, 
als  das  lebende  Selbst  bezeichnet  werden.  Denn  weil  sie  erst 
künftighin  das  Leben  tragen  sollte,  deswegen  konnte  sie  doch 
nicht  so  bezeichnet  worden;  und  jedenfalls  verdient  [bei  der  Aus- 
legung der  Stelle]  vor  der  zukünftigen  Verbindung  die  schon  vor- 
herige Verbindung  den  Vorzug,  weil  sie  ein  schon  Fertiges  ist. 
Auch  der  Vers  (Rigv.  10,  190,  3): 

„Wie  vordem  schuf  der  Schöpfer  Mond  und  Sonne'* 

beweist  [vermeintlich],  dafs  schon  eine  vormalige  Weltperiode  vor- 
handen gewesen.  Ebenso  wird  auch  in  der  Sm^ti  die  Anfang- 
losigkeit  des  Saips&ra  gelehrt,  wenn  es  heifst  (Bhag.  O.  15,  3): 

„Nicht  wird  hienieden  seine  Form  verstanden, 
„Nicht  Anfang  oder  Ende,  nicht  sein  Standorf; 

und  in  einem  Pur&nam  wird  festgestellt,  dafs  „der  vergangenen 
„und  zukünftigen  Schöpfungen  kein  Mafs  ist.*' 


Dreizefintea  Adhikaranam, 

496  37.    sarva-dharma-upapatteg  ca 

und  weil  in  ihm  alle  Eigenschaften  sich  vorfinden. 

Wir  haben  als  Inhalt  des  Veda  festgestellt,  dafs  das  geistige 
Brahman  die  Ursache  und  zugleich  der  Urstofif  der  Welt  ist; 
auch  hat  der  Lehrer  die  von  den  Gegnern  erhobenen  Bedenken 
wegen  der  Wesensverschiedenheit  (Sütram  2,  1,  4)  u.  s.  w.  beseitigt. 
Jetzt  nun,  wo  er  dazu  übergeht,  die  eigenen  Aufstjllungen  der 
Gegner    zu    widerlegen,    fafst    er    vorher    das    Resultat    des    Ab- 


Ti«^ 


"'r 


Sütram  IL  i.  37. 


315 


schnitteB,  der  seine  eigene.  Lebre  enthält,  kurz  zusammen.  Wei], 
das  ist  der  Sinn,  in  jenem  als  Weltarsache  betrachteten  Brahman 
in  der  nachgewieseneu  Weise  alle  Eigenschaften,  welche  die  Welt- 
ursache haben  mufs,  sich  vorfinden,  weil  dieses  Brahman  all- 
wissend, allmächtig  und  mit  grofsen  Zaubef'kvaft  (mäi^ä)  begabt 
ist,  deswegen  ist  diese  auf  die  Upanishad's  sich  gründende  Lehre 
über  allen  Zweifel  erhaben. 


So  lautet  in  dem  Kommentare  sur  «rhabcnen  gAriraka  •  mtmänsä ,  dem  Werke  der 
Terebm|i9>iwardigeii  Ffifse  des  erhabenen  (^ankara^  des  SohtUers  der  erlauchten  Fttfse' 
des  erhabenen  G^vinda^  im  zweiten  Adkyäjfa  der  erste  Fäda. 


Des  zweiten  Adhyftya 

ZWEITER  PADA. 

Ont   Verehrung  dem  böobtten  AtsMui) 


Erstes  Adhikaranam. 

497  1.    racand-anupapatteg  ca  anumdnam 

auch   wegen  Unmöglichkeit  der  Weltordnung  ist  das 
Gefolgerte  [der  Sänkhya's  zu  verwerfen]. 

Wenn  es  auch  der  Zweck  des  vorliegenden  Lehrbnclies  ist,  den 
Sinn  der  Yedantaworte  zu  untersuchen,  nicht  aber,  wie  in  Lehr- 
büchern der  Reflexion,  aus  blofsen  Argumentationen  irgend  einen 
Satz  zu  erweisen  oder  zu  widerlegen,  so  liegt  es  doch  den  Er- 
klärern der  Yedantaworte  ob,  das  SAnkhjam  und  die  andern  Sy- 
steme, welche  der  vollkommenen  Erkenntnis  widerstreiten,  zu 
widerlegen,  und  diesem  Zwecke  dient  der  nun  folgende  Pada. 
Weil  es  nämlich  der  Zweck  der  vollkommenen  Erkenntnis  ist,  den 
Sinn  des  Ved&nta  klar  zu  ^.egeii,  so  wurde  diese  Klarlegung  und 
die  auf  ihr  beruhende  Feststellung  der  eigenen  Lehrmeinung  zuerst 
vorgenommen  in  dem  Bewulstsein,  dafs  dieselbe  wichtiger  ist,  als 
die  Widerlegung  der  gegnerischen  Meinung.  —  'Aber  genügt  es 
'nicht  für  die,  welche  nach  der  Erlösung  begehren,  als  Mittel  der- 
'selben  behufs  der  Klarlegung  der  vollkommenen  Erkenntnis  die 
^eigene  Lehrmeinung  allein  festzustellen  ?  Wozu  hilft  es,  di^  Mei- 
'nung  der  Gegner  zu  widerlogen  und  sich  dadurch  bei  ihnen  ver- 
498  'hafst  zu  machen?'  —  Schon  recht!  |  es  könnte  jedoch  geschehen, 
dafs,  indem  man   sieht,  wie  die   von  grofsen  Männern   angenom- 


Sütnoi  IL  u.  1.  317 

meneii  grotwn  Lehrsysteme  der  Sankbya's  und  anderer  anter  dem 
Vorgeben,  die  YoUkommene  Erkenntnis  zu  lehren,  ihre  Sache  füh- 
ren, gewisse  langsamere  Geister  auf  den  Gedanken  kommen  möch- 
ten, dafs  auch  sie  sum  Zwecke  der  vollkommenen  Erkenntnis 
verwendbar  seien,  und  so  könnte  Hkan  meinen,  dafs  auch  jene, 
wegen  der  Eindringlichkeit  ihrer  Gründe,  und  weil  sie  Philosophen 
[wörtlich:  Allwiseende]  heifsen,  Glauben  verdienen;  daher  eff  wohl 
der  Mühe  wert  ist,  die  Ungereimtheit  ihrer  Lehre  darzulegen.  — 
'Aber  ist  nicht  schon  vorher  durch  die  Sütra's:  „wegen  des  Er- 
'„Wagens  nicht!  schriftwidrig"  (1,  1,  5),  —  „auch  ist,  wegen  de« 
%,Bogehrena,  kein  Gedanke  an  das  Erschlossene"  (l*  1,  16)»  — 
^„damit  sind  alle  besprochen,  besprochen"  (1,  4,  28),  —  eine 
^Widerlegung  der  Lehrraeinungen  der  S^nkhya's  und  anderer  ge- 
*liefert  worden?  Wozu  also  noch  einmal  thun  was  schon  gethan 
'ist?'  —  Darauf  dient  zur  Antwort:  |  die  S&nkhya's  und  andere  4^9 
führen,  um  ihre  Lehrmeinung  zu  stützen,  auch  Yedäntastellen  an 
und  erklären  dieselben  in  einem  ihrer  Auffassung  günstigen  Sinne; 
da&  diese  Erklärungen  derselben  nur  scheinbare  Erklärungen  sind, 
so  viel  ist  bisher  bewiesen  worden.  Im  Folgenden  hingegen  soll 
ohne  Bücksicht  auf  jene  Schriftstellen  eine  selbständige  Wider* 
legung  der  Vemunffcgründe  jener  Gegner  unternommen  werden; 
das  ist  der  Unterschied. 

Die  Meinung  der  S&nkhya's  nun  zunächst  ist  folgende.  So 
wie  in  der  Erfahrung  die  Yerschiedenheiten  der  Töpfe,  Krüge  u.  s.  w. 
darin  übereinstimmen,  dafs  sie  aus  Thon  bestehen,  und  folglich 
als  ihre  Voraussetzung  eine  aus  Thon  bestehende  Gleichartigkeit 
haben  ^  —  ebenso  stimmen  alle  die  äufseren  und  inneren  Ver- 
schiedenheiten der  Welt  darin  überein,  dafs  sie  aus  Wohl,  Wehe 
und  Wahn  bestehen,  und  folglich  müssen  auch  sie  eine  aus  Wohl, 
Wehe  und  Wahn  bestehende  Gleichartigkeit  zu  ihrer  Voraus- 
setzung haben.  Diese  aus  Wohl,  Wehe  und  Walm  bestehende 
Gleichartigkeit  ist  die  aus  den  drei  Guna's  bestehende  Urmaterie, 
welche,  selbst  ungeistig  wie  der  Thon,  bemüht  ist,  den  Zweck 
des  geistigen  |  Purusha  zu  vollbringen,  und  zu  diesem  Zwecke,  500 
vermöge  der  in  ihrer  Natur  liegenden  Spaltung,  sich  in  die  mannig- 
fachen Produktwesen  umwandelt.  Ebenso '  glauben  ferner  die  S&n- 
khya's  aus  gewissen  Merkmalen  [der  Produkte],  z.  B.  aus  deren 
Begrenztheit  u.  s.  w.  (vgl.  Sankhya-karika  15),  auf  eben  jene  Ur- 
materie schliefsen  zu  dürfen.  —  Hiergegen  haben  wir  Folgendes 
zu  bemerken.  Wenn  man  die  Sache  nur  mit  Hülfe  von  Beispielen 
erwägt,  so  sieht  man,  wie  iu  der  Welt  kein  Ungeistiges  aus  sich 
selbst  und  ohne  von  einem  Geistigen  regiert  zu  werden  die  Pro- 
dukte hervorbringt,  welche  zur  Förderung  der  bestimmten  mensch- 
lichen Zwecke  dienen.  Denn  z.  B.  Häuser,  Paläste,  Betten,  Sessel, 
Lustgärten  u.  s.  w.  werden  im  Leben  [nur]  von  einsichtigen  Kunst- 


818  g&i1raka^mtm&ü8& 

501  lern  der  Zeit  [und  ihren  Ansprüchen]  gemäfs  |  zum  Zwecke,  Lust 
zu  befördern,  Unlust  abzuhalten,  eingerichtet.  £)benso  nun  steht 
es  mit  dieser  ganzen  Welt;  denn  wenn  man  sieht,  wie  z.  B.  die 
Erde  dem  Zwecke  des  Genusses  der  Frucht  der  mancherlei  Werke 
entspricht,  und  wie  z.  B.  der. Leib  von  aufsen  und  von  innen  da- 
durch, dafs  er  eine  den  verschiedenartigen  Geschöpfen  gemäfse, 
bis  ins  Einzelne  bestimmte  Anordnung  der  Teile  besitzt ,  sich .  als 
den  Standort  des  Geniefsens  der  Frucht  der  mannigfaltigen  Werke 
darstellt,  —  also,  dafs  auch  einsichtsvolle  und  höchst  bewährte 
Kiinstler  es  nicht  einmal  mit  ihrem  Verstände  zu  fassen  vermögen, 
—  wie  sollte  diese  Anordnung  von  der  ungeistigen  ürmaterie  her- 
rühren; da  doch  Erdklumpen,  Steine  u.  s.  w.  zu  so  etwas  nicht 
im  Stande  sind?  'Denn  auch  der  Thon  z.  B.  formt  sich,  wie  die 
Erfahrung  lehrt,   zu  verschiedenen  Gestalten  [nur],  sofern  er  vom 

502  -Töpfer  regiert  wird,  und   ebenso  mufs  die  Ürmaterie  |  von  einem 

andern.  Geistigen,  regiert  werden.  Denn  dafs  man  [bei  Anwendung 
dieses  Gleichnisses  auf  die  Ursache  der  Welt]  die  Wurzelursache 
nur  nach  derjenigen  Eigenschaft  des  Thones  u.  s.  w.  bestimmen 
•  dürfe,  vermöge  derer  er  die  Materie  bildet,  und  nicht  auch  nach 
derjenigen,  vermöge  derer  ihm  ein  Töpfer  u.  s.  W.  zur  Seite  steht, 
dazu  ist  doch  keine  Nötigung  vorhanden.  Auch  liegt  in  dieser 
Auffassung  [der  Weltursache  als  der  materiellen  und  der  bewirken« 
den  Ursache]  durchaus  nichts  Widersprechendes;  vielmehr  kommt 
durch  sie  auch  die  Schriftoffenbarung  zu  Ehren  ^  welche  aussagt, 
dafs  die  Weltursache  ein  Geistiges  sei.  Also,  „auch  wegen  Un- 
„mögl'ichkeit  der  Weltordnung"  darf  man  nicht  auf  ein  Un- 
geistiges als  Ursache  der  Welt  zurückgehen.  —  Ferner  „auch"  — 
durch  dieses  „aucl\"  ergänzt  das  Sütram  die  Unvollständigkeit  der 
Begründung  —  wegen  der  Unmöglichkeit  der  Gleichartig- 
keit [der  Dinge,  auf  Grund  derer  die  Sankhya's  (Earik^  15i  Sü- 
tram 1,  131)  auf  die  drei  Guna's  als  Ursache  der  Dinge  und  ihrer 
Grundbestimmungen  des  Wohles,  Wehes  und  Wahnes  schliefsen]. 
Denn  in  den,  äufseren  und  inneren,  mannigfachen  Beetimmungen, 
der  Dinge  läfst  sich  die  Gleichartigkeit  nicht  dadurch  erklären, 
dafs  man  sie  sämtlich  ihrem  Wesen  nach  für  Wohl,  Wehe  und  Wahn 

503  erklärt.  |  Nämlich  Wohl,  Wehe  und  Wahn  werden  nur  als  innere 
[Zustände]  percipiert;  die  Sinneseindrücke  hingegen  werden  [äufser- 
lich]  percipiert  als  eine  bestimmte  Gestalt  habend  und  als  eine 
bestimmte  Ursache  habend;  und  auch  wo  die  Sinneseindrücke  nicht 
verschieden  sind,  aeigt  sich,  wegen  der  Verschiedenheit  der  inneren 
Auffassung  derselben,  [bei  den  verschiedenen  Menschen]  eine  Ver- 
schiedenheit an  Wohl,  Wehe  und  Wahn  [was  unmöglich  wäre,  wenn 
diese  drei  das  Wesen  der  Aufsendinge  ausmachten].  —  Ferner: 
wenn  man  aus  der  Wahrnehmung,  dafs  die  begrenzten  Unterschiede, 
z.  B.  die  Wurzel  und  die  Püanze,  ein  gemeinschaftliches  Erschaffen- 
sein zur  Voraussetzung  haben,    darauf  schliefst,   dafs  die  äufseren 


Satram  II.  ii.  1.  319 

and  inneren  Unterschiede  der  Dinge,  weil  sie  siob  gegenseitig  ein- 
schränken! ein  gemeinschaftliches  Erschaffensein  zur  Voraussetzung 
hahen  (vgl.  S4nkhya-k&rikä  15)»  nun  dann  folgt,  dafs  auch  die 
drei  Guna's  Sativam^  Bajas  und  Tamas  [nicht  wie  die  Sänkhya's 
meinen,  die  ursprünglichen  Bestimmungen  der  Unnaterie  sind,  son- 
dern] ein  solches  gemeinschaftliches  Erschaffensein  zur  Voraus- 
setzung hahen,  weil  sie  ehenso  gut  sich  gegenseitig  einschränken. 
—  Übrigens  zeigt  die  Erfahrung,  wie  das  Verhältnis  zwischen  Ur- 
sache [Mittel]  und  Wirkung  [Zweck]  bei  solchen  Dingen  statt- 
zuhaben pflegt,  hei  denen,  wie  bei  Betten,  Stiihlen  u.  s.  w.,  der 
Schöpfung  eine  bewufste  Überlegung  vorausging;  da  nun  auch  die 
ftufseren  und  inneren  Unterschiede  der  Dinge  sich  in  dieser  Weise 
als  Ursache  [Mittel]  und  Wirkung  [Zweck]  zu  einander  verhalten 
[wie  z.  B.  Ton  und  Farbe  zu  Gehör  und  Geruch],  so  folgt,  dafs 
dieselben  nicht  ein  hlofses  Ungeistiges  zur  Voraussetzung  haben 
können. 


2.   pravritteQ  ca 
auch  wegen  der  Bewegung. 

Wenn  wir  nun  auch  einmal  von  jener  Anordnung  der  Welt 
absehen,  so  ist  es  doch  weiter  auch  die  jene  Weltordnung  als 
Resultat  habende  Bewegung,  die  Fortbewegung  aus  dem  Gleich- 
mäfaigkeitszustande,  der  Übergang  von  Sattvam,  Hajas  und  Tamas 
in  die  Gestalt  des  Seins  eines  Trägers  ihrer  als  Glieder,  sowie  der 
Umstand,  dafs  dieselben  »ich  einer  bestimmten  Wirkung  |  entgegen  504 
bewegen,  —  auch  diese  „Bewegung**  ist  es,  welche  bei  einer  iingeisti- 
gen,  für  sich  allein  bestehenden  Unnaterie  unmöglich  wird,  indem 
man  weder  an  dem  Thone  u.  s.  w.  noch  auch  bei  Wagen  u.  s.  w.  eine 
solche  wahrnimmt.  Denn  der  Thon  oder  die  Wagen  können  aus  sich 
selbst,  weil  sie  ungeistig  sind,  wofern  sie  nicht  von  Töpfern  u.  s.  w. 
oder  von  Pferden  u.  s.  w.  regiert  werden,  sich  nicht  einer  bestimmten 
Wirkung  entgegen  bewegen.  Aus  dem  Wahrnehmbaron  aber  mufs 
man  auf  das  Unwahrnebmbare  schliefsen;  und  also  auch  darum, 
weil  die  Bewegung  unmöglich  sein  würde.,  darf  man  nicht  auf 
ein  üngeistiges  als  Ursache  der  Welt  zurückschliefsen.  —  [Sftn- 
khya:]  *Al)er  ein  Geistiges  für  sich  allein  kann  sich,  wie  die  Er- 
*fahrung  zeigt,  doch  auch  nicht  bewegen.'  —  [Vedrlntin:]  Das  ist 
richtig;  aber  was  die  Erfahrung  zeigt,  das  ist  doch  nur  die  Be- 
wegung eines  Ungeistigen,  z.  B.  des  Wagens,  zufolge  seiner  Ver- 
bindung mit  einem  Geistigen,  nicht  aber  die  eines  Geistigen,  zu- 
folge seiner  Verbindung  mit  einem  Ungeistigen.  Was  ist  imn  hier 
das  Richtige?  gehört  die  Bewegung  demjenigen  an,  an  welchem 
sie  wahrgenommen  wird,    |    oder   vielmehr   demjenigen,    durch  die  505 


320  giir!rak&-mljnftn8& 

Yerbindang  mit  weichem  sie  wahrgenommen  wird?  -^  [8ftfikky&:] 
'Nun,  die  Bewegung  ist  doch  natürlich  eine  solche  desjenigen,  an 
'welchem  sie  wahrgenofmmen  wird,  indem  beide  vor  Augen  liegen, 
'während  hingegen  ein  blofaer  Geistiger  darum,  dafs  er  der  Be- 
'wegung  als  Grundlage  dient,  nicht  wie  der  Wagen  n.  s.  w.  vor 
'Augen  liegt.  Nur  daraus,  dafs  er  mit  einem  Leibe  als  Grund- 
lage der  Bewegung  verbunden  ist,  läfst  sich  beweisen,  dafs  ein 
'Geistiger  wirklich  vorhanden  ist,  indem  der  lebendige  Leib  von 
'dem  blofs  ungeistigen  Wagen  u.  s.  w.  sichtlich  verschieden  ist; 
'und  daher  kommt  es  ja  auch,  weil  man  die  Wirkung  des  Geisti- 
'gen  nur  sieht,  wenn  der  Leib  vorhanden  ist,  und  nicht  sieht, 
'wenn  er  nicht  vorhanden  ist,  dafs  die  Materialisten  auch  die  gei« 
'stige  Wirkung  nur  für  eine  solche  des  Leibes  ansehen.  Somit 
'folgt,  dafs  die  Bewegung  nur  dem  Ungeistigen  angehört.'  — 
[Vedftntin:]  Darauf  dient  zur  Antwort:  wir  behaupten  gar  nicht, 
dafs  die  Bewegung  demjenigen  Ungeistigen,  an  welchem  sie  wahr- 
genommen wird,  nicht  angehöre ;  freilich  gehört  sie  ihnL.an;  aber 
nur  durch  das  Geistige  gehört  sie  ihm  an,  so  behaupten  wir,  weil 
sie  ist,  so  lange  jenes  ist,  und  nicht  mehr  ist,  wenn  es  nicht  ist. 
Es  ist  damit  wie  mit  derjenigen  Umwandlung,  welcher  das  Holz 
u.  s.  w.  als  Grundlage  dient,  und  welche  in  Wärmen,  Leuchten  u.  s.w. 
besteht;  in  einem  blofsen  Brennen  [ohne  Holz]  ist  sie  freilich  nicht 
wahrnehmbar,  aber  doch  wird  sie  es  eben  durch  das  Brennen, 
506  weil  sie  durch  Verbindung  mit  ihm  sichtbar  wird  |  und  nach  Tren* 
iiung  von  ihm  unsichtbar  wird.  Auch  die  Materialisten  müssen 
ja  zugeben,  dafs  es  nur  der  geistige  Leib  ist,  durch  den  die  un* 
geistige  Materie  u.  s.  w.  sich  fortbewegt,  und  dafis  somit  ohne 
Frage  der  Ursprung  der  Bewegung  in  dem  Geistigen  liegt.  — 
[Sllnkhya'.j  'Aber  auch  du  mufst  doch  zugeben,  dafs  die  Seele, 
'obwohl  sie  mit  Leib  u.  s.  w.  verbunden  ist,  doch  ihrer  Natur 
'nach  blofse  Erkenntnis  und  nichts  weiter  ist  und  sich  folglicli 
'nicht  bewegen  kann,  dafs  es  somit  unrichtig  ist,  sie  als  das  Prin-^ 
'cip  der  Bewegung  zu  betrachten.'  —  [Vedantin:]  Dies  bestreiten 
wir,  weil  auch  ein  solches,  welches  selbst  keine  Bewegung  hat, 
ein  Princip  der  Bewegung  sein  kann,  wie  z.  B.  der  Magnet*  oder 
wie  die  Gestalt.  Wie  nämlich  der  Magnetstein,  obwohl  er  selbst 
ohne  Bewe^^ung  ist,  das  Eisen  bewegt,  und  wie  die  Gestalten  und 
andere  Sinuendinge,  obwohl  sie  selbst  ohne  Bewegung  sind,  doch 
die  Augen  u.  s.  w.  in  Bewegung  setzen,  so  kann  auch  Gott,  ob- 
wohl er  ohne  Bewegung  ist,  vermöge  seiner  Allgegenwart,  All- 
beseelung, Allwissenheit  und  Allmacht,  alles  bewegen.  Be- 
hauptest du  aber,  dafs  wegen  der  von  uns  gelehrten  Einheit  keine 
Bewegung  möglich   und   folglich    auch  kein   Beweger  anzunehmen 


*  Aristot.  Metaph.  12,  7,  p.  1072b 3:  xtv£i  8k  u;  ^ptojAt^v. 


SAtrun  IL  ii.  2.  321 

80^  {  8Qr  geben  wir  äas  nxebt  zn,  irmkj  wie  wir  mehr  als  einmal  ^7 
sciion  entgegnet  haben,  [das  ganze  Weltph&nomen]  nur  bemht  auf 
dem  Eingehen  [Gottes]  in  das  vom  Nichtwissen  aufgestellte  -Trug- 
bild der  Namen  und  Gestalten.  Somit  wird  die  Bewegung  mög- 
lich, wenn  man  das  Allwissende  als  Ursache  annimmt,  nicht  aber, 
wenn  man  das  Ungeistige  filr  die  Ursache  hält. 


3.   payO'fkbu-vac  cet?  tatra  api 

wie  die  Milcli  und  das  Wasser,  meint  ihr?    Auch  bei 

ihnen  — 

'Nim  JAy  aber  man  kann  doch  annehmen,  dal's,  so  wie  die  Milch, 
'obwohl  sie  ungeistig  ist,  sich  doch  aus  sich  selbst  heraus  zum 
'Wachstum  des  Kalbe»  fortbewegt,  und  wie  das  WaKser,  obwol  es 
'nngeistig  ist,  doch  aus  sich  .selbst  heraus  zum  Nutzen  der  Welt 
'dahinfliefst,  ebenso  auch  die  Uri^aterie,  wiewohl  sie  ungeistig  i»t, 
'sich  aus  sich  selbst  heraus  in  Bewegung  setzt,  um  den  Zweck 
^des  Purusha  zu  vollbringen.*  —  Aber  diese  Behai>ptung  ist  nicht 
richtig;  denn  „auch  bei*  ihnen'',  bei  der  Milch  und  dem  Wasser, 
müasen  wir  schliefsen,  dafs  ihre  Bewegung  nur  dadurch  erfolgt, 
dafs  sie  von  einem  Geistigen  regiert  werden.  Denn  ein  blofs  Un- 
geistiges, wie  der  Wagen  u.  s.  w. ,  kann  sich,  wie  wir  beiderseits 
zugeben,  nicht  bewegen.  Und  auch  die  Schrift,  wenn  sie  sagt: 
„der  in  den  Wassern  wohnend,  von  den  Wassern  verschieden  ist,  .  .  . 
„der  die  Wasser  innerlich  regiert"  (Brih.  3,  7,  4),  —  «auf  dieses 
„Untergäuglichen  Geheifs,  o  Gärgl,  fiiefsen  die  Ströme,  die  einen 
„nach  Osten"  u.  s.  w.  (Brih.  3,  8,  ^),  —  lehrt,  dafs  der  gesamte 
Tlufs  des  Weltlebens  von  Gott  regiert  wird.  Weil  also  der  Ge- 
sichtspunkt, aus  dem  man  den  Beweis  führeu  will  (sädhya-paksha) 
bei  ihn^n  gar  nicht  zulässig  ist,  kann  mit  der  Erinnerung  an  die 
Milch  und  das  Wasser  nichts  geschafft  werden.  Dazu  kommt, 
dafs  es  die  geistige  Milchkuh  ist,  welche  aus  Liebe,  auf  ihren 
Wunsch  hin  die  Milch  hervorströmen  läfst,  sowie  auch  dafs  die- 
selbe durch  das  Saugen  des  Kalbes  herausgezogen  wird.  |  Und  508 
auch  das  Wasser  ist  nicht  ohne  alle  Absicht,  sofeni  es  bei  seinem 
Fiiefsen  es  auf  die  niedriger  gelegenen  Gegenden  abgesehen  hat. 
Dafs  aber'  eine  Absiebt  ein  Geistiges  voraussetzt,  haben  wir  aller- 
wärts  bewiesen;  und  wenn  nach  dem  Sutram:  „weil  man  ein  Hinzu- 
,.nebmen  [von  Werkzeugen]  bemerkt,  nicht,  meint  ihr?  —  Nein! 
„denn  es  ist  wie  mit  der  Milch"  (2,  1,  24),  eine  Wirkung  auch 
von  selbst  ohne  eine  aufsere  Veranlassung  möglich  ist,  so  war 
dieses  nur  ein  vom  weltlichen  Standpunkte  aus  gebrauchtes  Gleich- 

PsuMim,  VediBta.  21 


«  V. 


322  QArlraka-mimlutoi 

nis;  damit  wird  nicht  nsigestorsen,  dafs  vom  Standpunkte  der 
Schrifblehre  ans  überall  [wo  eine  Bewegung  stattfindet]  eine  Ab- 
sicht Oottes  anzunehmen  ist. 


4.    vyatireka-aniwasikUef  ca  anapekshat/odt 

auch  weil,  da  nichts  darüber  hinaus  besteht,  keine 

Bücksichtnahme  möglich. 

Nach  den  S&nkbya's  bilden  die  drei  Oo^a's  in  ihrem  Gleich- 
mäfsigkeitszustande  die  Urmaterie.  Nun  aber  giebt  es  über  diese 
Urmaterie  hinaus  nichts  anderes,  aufserhalb  derselben  Bestehendes, 
auf  welches  [als  Beweggrund]  sie  Rücksicht  nehmen,  und  welches 
ihre  Bewegung  in  Gang  setzen  oder  zum  Stillstände  bringen  könnte. 
Der  Purusha  hinwiderum  verhält  sich  als  müTsiger  Zuschauer,  der 
die  Bewegung  weder  veranlassen  noch  hemmen  kann.  Es  fehlt 
also  der  Urmaterie  die  Rücksichtnahme  [auf  einen  Beweggrund], 
und  bei  dem  Mangel  einer  solchen  RüdLsichtn^^roe  ist  es  un- 
gereimt, dafs  die  Urmaterie  das  eine  Mal  sich  in  die  Formen  des 
Qrofsan  n.  i^.  w.  umwandeln  solle ,  und  das  andere  Mal  sich  nicht 
umwandeln  solle.  Bei  dein  [von  uns  angenommenen]  Gotte  hin- 
gegen ist,  wegen  seiner  Allwissenheit,  Allmacht  und  grofsen  Zauber- 
kraft, ein  Anfang  und  ein  Ende  der  Weltbewegung  denkbar. 


509  5.    anyatra-ahhAmlc  ca  na  trina-ddi-vat 

weil  [die  Milch]  nicht  anderweit  entsteht,  ist  es  nicht 

wie  mit  dem  Grase  u.  s.  w. 

'Nun  ja,  aber  man  kann  doch  annehmen,  dafs,  so  wie  Gras, 
*Blfttterwerk  und  Wasser  ohne  Rücksichtnalune  auf  eine  andere 
'bewii*kende  Ursache  blofs  durch  ihre  eigene  Natur  sieh  in  die 
Torrn  der  Milch  u.  s.  w.  umwandeln ,  ebenso  auch  die  Urmaterie 
'sich  in  die  Form  des  Grofsen  n.  s.  w.  umwandeln  kann.*  —  Aber 
woraus  schliefst*  ihr,  dafs  das  Gras  u.  s.w.  ohne  Rücksicht  auf 
eine  andere  bewirkende  Ursache  [zur  Milch  werde]?  —  'Nun, 
'weil  man  keine  andere  bewirkende  Ursache  wahrnimmt.  Denn 
'wenn  wir  irgend  eine  andere  bewirkende  Ursache  wahrnähmen, 
'so  könnten  wir  nach  Belieben  durch  die^e  oder  jene  bewirkende 
'Ursache,  indem  wir  Gras  u.  s.  w.  als  materielle  Ursache  dazu  nfth* 
'men,  die  Milch  hervorbringen.  Nun  können  wie  dieselbe  aber 
'nicht   hervorbringen;  folglieh   mufs  man  annahmen,   dafs  sie  eine 


SAtram  II.  n  5  323 

^allein  in  der  Natur  des  Grases  u.  s«  w.  begründete  Um-wandlung 
'desselben  ist,  und  ebenso  kann  es  sich  auch  mit  der  Urmaterie 
^▼erhalten.*  —  Darauf  ist  zu  erwidern,  dafs  man  an  eine  iji  ihrer 
Natur  begründete  Umwandlung  der  Urmaterie  fthnlich  wie  bei  dem 
Grase  u.  s.  w.  denken  könnte,  wenn  sich  seigte,  dafs  mit  dem 
Grase -u.  a.  w.  wirklich  eine  nur  in  seiner  Natur  begründete  Um- 
wandlung vor  sich  ginge.  Dieses  zeigt  sich  aber  keineswegs,  in- 
dem man  aufser  dem  Grase  noch  eine  andere,  bewirkende  Ursache 
wahrnimmt.  Auf  die  Frage,  inwiefern  man  diese  andere  bewirkende 
Ursache  wahrnehme,  lautet  die  Antwort:  „weil  [die  Milch]  nicht 
„aiiderweit  entsteht^*;  nämlich  nur  dann  wird  das  Gras  u.  s.  w. 
zur  Milch,  wenn  man  es  einer  Milchkuh  zuführt,  nicht  auch  ohne 
diese  oder  indem  man  es  einem  Ochsen  u.  s.  w.  zuführt.  Vollzöge 
sich  n&mlich  dieser  Vorgang  wirklich  ohne  eine  bewirkende  Ur- 
sache, so  könnte  auch  anderweit  und  ohne  Verbindung  mit  dem 
Leibe  der  Kuh  das  Gras  u.  s.  w.  zur  Milch  werden.  Aber  darum, 
weil  wir  Menschen  eine  Sache  nicht  nach  Belieben  henrorbringen 
können,  braucht  sie  noch  nicht  ohne  jede  bewirkende  Ursache  zu 
sein;  denn  nur  gewisse  Wirkungen  werden  tou  Menschen  hervor- 
gebracht,  und  gewisse  andere  wiederum  von  den  Göttern  [oder 
vom  Schicksale,  daiva].  Und  auch  die  Menschen  können  ja  mit 
Hülfe  des  geeigneten  Mittels  das  Gras  u.  s.  w.  zur  Milch  |  machen;  510 
denn  wenn  sie  natürliche  Milch  haben  wollen,  so  nehmen  sie  na- 
türliches Futter  und  geben  dasselbe  einer  Kuh  ein,  und  dadurch 
erhalten  sie  die  natürliche  Milch.  Somit  ist  es  nicht  richtig,  dafs 
wie  bei  dem  Grase  u.  s.  w.  die  Umwandlung  der  Urmaterie  in  der 
eigenen  Natur  derselben  begründet  sei. 


6.    abhyupagame  ^pi;  artha-äbhävät 

und  auch  wenn  man  dies  einräumt;   weil  kein  Zweck 

vorhanden. 

Eine  Bewegung  der  Urmaterie,  welche  in  ihrer  eigenen  Natur 
begründet  wäre,  ist,  wie  wir  gezeigt  haben,  unmöglich.  Nun 
wollen  wir  dir  aber  einmal  Glauben  schenken  und  eine  in  der 
Natur  der  Urmaterie  begründete  Bewegung  derselben  einräumen; 
so  bleibt  auch  dann  ein  Fehler  bei  der  Sache.  Warum?  „weil 
„kein  Zweck  vorhanden *'.  Wenn  nämlich,  wie  behauptet  wurde, 
die  Bewegung  in  der  Natur  der  Urmaterie  begründet  ist  und  auf 
nichts  anderes  Rücksicht  nimmt,  so  darf  sie,  so  wie  sie  auf  kein 
Hülfsmittel  Rücksicht  nimmt,  auch  auf  keinen  Zweck  Rücksicht 
nehmen.  Damit  würde  aber  die  Annahme  [der  Säfikhya's],  dafs 
die   Urmaterie    sich   fortentwickle,    um  das  Ziel  des  Purusha   zu 

21  ♦ 


S24  g&riraka-mlin&DsiL 

yerwirklichen ,  hitrf&IIig  werden.  Wenn  der  Gegner  behaupten 
sollte,  dafs  sie  nur  auf  kein  Hülfsmittel ,  nicht  auch  auf  keinen 
Zweck  Rucksicht  nehme,  so  müssen  wir  doch  in  Betreff  dieses 
Zweckes  der  Fortentwidclung  der  Unnaterie>  uns  darüber  eni« 
scheiden,  ob  d^selbe  in  dem  Genüsse  oder  in  der  Erlösung  oder 
511  in  beidem  bestehen  solle,  j  Soll  er  in  dem  Genüsse  bestehen,  so 
ist  zu  bemerken,  dafs  ein  Oeniefsen  des  für  keine  Steigerung  em- 
pfänglichen Purushä  nicht  denkbar  ist;  auch  würde  derselbe  dann 
nicht  erlost  werden.  Soll  hingegen  die  Erlösung  der  Zweck  sein, 
so  ist  diese  doch  schon  vor  der  Weitentwicklung  ToUbracht,  und 
die  Weltentwicklung  wird  zwecklos;  auch  würde  dann  [weil  kein 
Genufs,  auch]  keine  Wahrnehmung  der  Sinneseindrücke  möglich 
sein.  Nimmt  mau  endlich  an,  dafs  der  Zweck  in  beidem  bestehe, 
so  würde  wegen  ^der  Unendlichkeit  der  2U  genielkenden  Teile  der 
Urmaterie  niemal b  [eine  Beendigung  des  Genusses  und  somit]  eine 
Erlösung  eintreten.  Denn  in  einer  blofsen  Yemichtüng  des  Ver- 
langens kann  der  Zweck  der  Weltentwicklung  nicht  bestehen,  in- 
dem ein  Verlangen  weder  bei  der  Urmaterie  denkbar  ist,  weil  sie 
ungeistig,  noch  bei  dem  Purusha,  weit  er  fleckenlos  ist.  Wird 
endlich  die  Weltentwicklung  darum  angenommen,  weil  sonst  die 
Sehkraft  [de6  Purusha]  und  die  Schöpferkraft  [der  Unnaterie] 
swecklos  sein  würde,  nun  dann  folgt,  dafs,  so  wie  die  Sehkraft 
uuT^rnichtbar  ist,  auch  die  Schöpferkraft  unyemichtbar,  folglich 
der  SaqisÄra  unauf hebbar,  folglich  die  Erlösung  unmöglich  ist. 
-Somit,  ist  es  ungereimt  anzunehmen ,  dafs  die  Urmaterie  sich  um 
des  Purusha  willen  fortentwickle. 


7.    purusha 'Ofma-vad,  iti  cet?  tathd  api 

es  sei  wie  mit  dem  Id^anne  oder  dem  [Magnetj-Steine, 
meint  ihr?     Auch  auf  diese  Weise  — 

'Nun  ja,  aber  man  könnte  doch  sagen:  so  wie  ein  Mann,  wel- 
scher die  Sehkraft  besitzt  aber  der  Bewegungskraft  ermangelt,  also 
*ein  Lahmer,  indem  er  auf  einen  andern  Mann,  der  die  Bewegungs- 
912  *kraft  besitzt,  aber  der  Sehkraft  |  ermangelt,  also  auf  einen  Blin- 
*den,  hin  aufsteigt,  eine  Bewegung  veranlassen  kann.  —  oder  auch 
*wie  der  Magnetstein,  obwohl  er  seibat  ohne  Bewegung  ist,  doch 
'das  Eisen ^ bewegen  kann,  —  ebenso  könnte  mau  im  Vertrauen 
'auf  diese  Betspiele  wiederum  behaupten,  dafs  der  Purusha  die 
'Urmaterie  in  Bewegung  setzen  könne.'  —  Darauf  ist  zu  er- 
widern, daTfi  „auch  auf  diese  Weise ^*  die  Freisprechung  von  Feh- 
lem picht  erfolgen  kann.  Als  nächster  Fehler  zeigt  sich  eine  Auf- 
gebung der   VoraiTS8et£uttg;    denn    ch    war    vorausgesetzt    worden, 


8firtfam  IT.  ti.  7.  32ö 

düfs  die  Urmatem  aus  sich  selbst  in  Bewegung  komme;  ^afs  hin- 
gegen dur  Purasha  bm  Wwege>  war  nichts  vorau«goBetzt  worden. 
Wie  sollte  ferner  der  Pttrasha,  da  er  doeh  müfnger  Zuschauer  ist, 
die  ürmaterie  bewegen?  Denn  auch  der  liahme  niafs  doch  den 
Blinden  durch  Worte  ti.  s.  w.  in  Bewegung  setzen;  bei  dem  Pu* 
rushfi  hingegen  findet  keine  derartige,  die  Bewegung  veranlassende 
Tbätigkeit  statt,  weil  er  thatlo»  und  firei  von  den  6una*s  ist. 
Auch  kann  er  nicht  wie  der  Maguetstein  durch  8«ine  blofse  Nähe 
die  Uruuiterie  bewegen,  weil,  da  diese  Nähe  ewig  iist,  auch  die 
Bewegung  dann  eine  ewige  smn  müfste.  Bei  dem  Magnetsteine 
liingegen  ist  die  Nahe  nicht  ewig,  denn  seine  Annäherung  be- 
ruht auf  [unserni]  eigenen  Thun,  auch  ist  dabei  das  Bestrei-^ 
eilen  u.  s.  w.  Mitbedingung ;  so  dafo  die'  Krinneruug  an  Uen  Mann 
und  an  deii  [Magnet-jStein  iinzutrofTend  ist.  Hierzu  kommt,  dafs 
4lie  Ürmaterie  ein  Ungeistigt»,  und  der  Purusha  nur  müfsiger  Zu- 
scbatter  ist,  wodurch,  da  ein  drittes,  welches  sie  zusammenbände, 
nicht  existiert,  die,  Verbindung  lu^ider  unmöglich  wird.  Oder  soll 
die  Verbindung  durch  die  blofse  Verbind ungsfähigkcit  bedingt 
sein?  Dann  wflre,  weil  diese  Verbindungsfähigkoit  unvemichtbar 
sein  wurde,  eine  Erlösung  unmöglich«  |  Ferner  erregt,  so  wie  vor-  513 
ber,  auch  hier  der  Mangel  eines  Zweckes  Bedenkenr  Bei  dem 
höchsten  Ätman  hingegen  beruht  das  Zuschauersein  auf  seiner 
eigenen  Natur,  und  das  Bewegersein  auf  seiner  Zauberkraft;  dies 
ist  der  Vorzug  [den  er  als  Princip  der  Welt  vor  der  ürmaterie 
und  dem  Purusha  der  Sankbya^s  hat]. 


8.    aügitva-anupapaütf  ca 

auch  wegen  der  Unmöglichkeit  des  GliederhaftBeiiis. 

• 

Auch  aus  folgendem  Grunde  wird  die  Entwicklung  der  Ur-* 
materie  unmöglich.  Wenn  nämlich  das  Satlvam,  JRajas  und  Temas 
ihr  Bestehen  als  Substanzen  und  Qualitäten  von  einander  [sofom 
jede  derselben  als  Substanz  die  beiden  andern  uIh  Qualitäten  an 
sich  hat]  aufgeben  und  in  dem  gloichmäfsigen,  nur  ihre  eigene 
Natur  zeigenden  Zustande  verharren,  so  ist  dieses  der  Zustand 
der  Ürmaterie.  In  diesem  Zustande  nun  der  Beziehungslosigkeit 
ihrer  Naturen  zu  einander  können  sie  nicht,  weil  sie  sonst  ihre 
Wesenheit  einbüfsen  würden,  sich  zu  einander  verhalten  wie  Glie- 
der und  Gliederhafkes  [Qualitäten  und  Substanz].  Da  aber  etwas 
Äufserliches ,  was  dieselben  [behufs  einer  abermaligen  Weltentfal- 
tung] wieder  durcheinandermongen  könnte,  nicht  vorhanden  ist, 
so  wird  das  Hervorgehen  des  Grofsen  u.  s.  w.,  welches  die  Un- 
gleichmäfsigkeit  [Gemengtheii]  der  Guna's  zur  Voraussetzung  hat, 
unmöglich. 


326  Cärfraka-niimftnsii 


.9.    auyathä-anumUau  ca,  jna-gakti-viffogdt 

auch  wenn  man  anders  argumontiert ,  wegen  Trennung 

von  der  Erkenner- Kraft 

'Nun  wohl,  ao  wollen  wir  aD<ler8  arguüientierexi ,  so  da£B  der 
*eben  gerügte  Fehler  vermieden  wird.  Denn  die  Guna's,  welche 
'wir  annehmen ,  sind  nicht  [wie  das  Brahman]  absoluter  Natur 
514  'und  [über  allen  Zweifel]  erhaben^  |  weil  es  für  uu8  keine  [uu- 
'bedingte]  Autorität  [wie  die  Schrift  eine  ist]  giebt;  vielmehr  neh- 
*men  wir  die  BeschaÜ'ouheit  der  Guna^s  so  an,  wie  ihre  Wirkungen 
'es  erfordern;  und  in  welcher  Weise  unr  immer  das  IJerrorgehen 
'der  Wirkungen  aus  ihnen  erklärlich  wird,  dieser  Weise  entspre^shend 
'haben  wir  die  Natur  derselben  an^/unelunen.  Da  nun  die  übliche 
'Theorie  ohnehin  schon  dahin  geht,  dafs  das  Verhalten  der  Guna's 
'ein  wechselndes  ist,  so  brauchen  wir  nur  anzunehmen,  dafs  auch  in 
'ihrem  Gleichmrifsigkeitszusiando  die  Gn^a's  für  den  Eintritt  der 
'Ungleichmäfsigkeit  empfänglich  bleiben/  —  Aber  auch  so  werden 
„wegen  Trennung"  der  Urmaterie  „von  der  Erkenner -Kraft"  die 
vorbemerkten  Einwendungen  von  der  Unmöglichkeit  der  Welt- 
ordnuug  u.  s.  w.  eben  wohl  ihre  Stelle  behaupten.  Nimmt  man 
abor  durch  Argumentation  auch  noch  die  Erkonner-Krafb  an,  nun 
dmm  liört  allerdings  das  Widersprechen  auf.  Dann  haben  wir 
eine  geistige  Einheit  als  die  materielle  Ursache  der  Weltausbrei- 
tung, und  damit  haben  wir  die  ßrahmanlehre.  —  Übrigens  gesetzt 
auch,  die  Guna's  blieben  [wie  oben  vorgeschlagen  wurde]  in  dem 
(ileichmäfsigkeitszustande  für  deu  Eintritt  der  Ungleichmäfsigkeit 
empfänglich  i  so  können  sie  doch  dieser  Ungleichmäfsigkeit  nicht 
teil haft  ^werden,  so  lange  keine  Ursache  dazu  vorhanden  ist.  Oder 
sollen  sie  [auch  ohne  weitere  Ursache]  der  Unglciclimäfsigkeit  teil- 
haft werden  können,  nun  dann  müssen  sie,  da  der  Mangel  der 
Ursache  beide  Male  der  gleiche  ist,  der  Ungleichmäfsigkeit  immer 
und  überall  teilhail  werden  können;  damit  aber  würde  der  eben 
gerügte  Fehler  sich  einstellen  [dafs,  da  dann  alles  aus  allem  ent- 
stehen könnte,  die  Zweekmäfsigkeit  der  Weltorduung  unerklärlich 
sein  wiirde]. 


10,    vipriitishedhäc  ca  asamanjasam 
auch  ist  sie  wegen  der  Widersprechendheit  ungereimt. 

Auch    leidet  die   Lohre    der   Sänkhya's    daran,    dafs    dieselben 
sich  einander   widersprechen;    zuweilen   zählen   sie  sieben  Sinne»» 


Sütrun  n.  u.  10.  327 

Organe  auf  und  zuweilen  elf;  suweilen  lassen  sie  die  Schöpfung 
der  Prim&r8io£Fe  (tanm&ira)  aus  dem  Orolsen  und  zuweilen  aus 
dem  Ahaokftra  (Ich-Bewnlstsein)  henrorgehen;  zuweilen  reden  sie 
von  drei  Innenor^anen  |  und  zuweilen  von  einem;  und  das  ist  ja  516 
bekannt,  dais  sie  mit  der.  Schrift,  welche  Gott  als  die  Ursache 
lehrt,  und  mit  der  ihr  nacheifernden  Smfiti  in  Widerspruch 
stehen.  Auch  darum  also  ist  das  System  der  S&ükhya's  ein  un- 
gereimtes. 

Hier  könnte  nun  [der  Anh&nger  des  S&nkhyam]  bemerken :  *ist 
Menn  nicht  auch  das  auf  die  Upanishad's  gegründete  System  un- 
^gereimt,  indem  dasselbe  annimmt,  dafs  der  Gequälte  [d.  h.  die 
^Seelc,  wörtlich  der  Gebrannte]  und  der  Quälende  [d.  h.  der  Sai{i- 
'sära,  wörtlich  der  Brennende]  nicht  [wie  der  Purusha  und  die 
^Urmaterie  der  Sankhya's]  von  Grund  aus  Terschiedenen  Ursprungs 
^sind?  Denn  wenn  man  annimmt,  dafs  das  eine  Brahman  die  all- 
^beseelende  Ursache  der  ganzen  Weltausbrcitung  ist,  so  müssen 
'auch  der  Gequälte  und  der  Quälende  Bestimmungen  des  einen 
^Atman,  können  somit  nicht  verschiedenen  Ursprungs  sein.  Sind 
^aber  beide,  der  Gequälte  und  der  Quälende,  Bestimmungen  des 
^ einen  Atman,  so  kaöin  dieser  von  beiden,  dem  Gequälten  und 
'dem  Quälenden,  nicht  beft^eit  werden,  und  die  Lehre,  welche  die* 
'vollkommene  Erkenntnis  mitteilt,  damit  die  Qual  ein  Ende  nehme, 
'kann  ihren  Zweck  nicht  erreichen.  Denn  die  Flamme,  welche 
*als  Eigenschaften  das  Wärmen  und  das  Leuchten  hat,  kann,  weil 
*sie  eben  aus  ihnen  besteht,  von  diesen  beiden  nicht  befreit  werden. 
*Und  auch  wenn  man  an  das  Beispiel  vom  Wasser  und  seinen 
^Wellen,  Wogen  und  Schaumblasen  erinnert,  so  sind  auch  hier  an 
^dcm  einen  Selbste  des  Wassers  die  Wellen  u.  s.  w.  Bestimmungen, 
Veloho,  sofern  sie  abwechselnd  hervortreten  und  zurücktreten,  ewig 
'sind,  so  dafs  auch  hier  eine  Befreiung  des  Selbstes  des  Wassers 
'von  den  Wellen  u.  s.  w.  nicht  möglich  ist.  Hierzu  kommt,  dafs 
'für  den  Gequälten  und  den  Quälenden  eine  Verschiedenheit  des 
'Ursprunges  allgemein  angenommen  wird.  So  sind  z.  B.  der  Be- 
'z Wecker  und  der  Zweck  von  einander  |  offenbar  verschieden.  Denn  516 
'hätte  der  Bezwecker  keinen  von  ihm  selbst  verschiedenen  Zweck, 
'so  würde  dasjenige,  um  dessen  willen  die  Bezweckung  des  Be* 
'zweckers  stattfindet,  als  ein  von  ihm  schon  innegehabter  Zweck, 
^Bchon  immer  erreicht  sein,  und  somit  würde  eine  auf  denselben 
'gerichtete  Bezweckuiig  gar  nicht  statthaben;  so  wie  z.  B.  für  die 
'Flamme,  weil  sie  ihrem  Wesen  nach  Licht  ist,  der  Licht  genannte 
'Zweck  schon  immer  erreicht  ist,  mithin  eine  auf  denselben  ge- 
'richt«te  Bezweckung  nicht  stattfindet.  Denn  nur  so  lange  der 
'Zweck  nicht  erreicht  ist,  besteht  die  Bezweckung  des  Bezweckers. 
'Ebenso  wenig  würde  femer  auch  das  Zwocksein  des  Zweckes 
'statthaben;  denn  wenn  es  statt  hätte,  so  müfste  der  Zweck  sich 
'selbst  zum  Zwecke  haben,    und  das  ist  nicht  möglich.     Es  sind 


328  <;iMraka-mtraänslk 

• 

^nänilich  diese  Worte  arihin  (der  Bezwecker)  und  ariha  (der  Zwock, 
*das  Glück)  Verhältniswörter,  ein  Verhältnis  aber  ist  nijr  bei  awei 
'sich  Verhaltenden  möglich,  nicht  bei  einem  allein;  daram  bilden 
'die  Worte  artha  und  arthin  eine  Zweiheit,  und  ebenso  steht  es 
*oiit  den  Worten  anariha  und  anartfiin  (der  Unglückliche);  was 
*dem  Bezwecker  förderlich  ist,  heifst  der  Zweck,  was  ihm  hinder- 
lich ist,  der  Unzweck  (das  Unglück),  und  mit  diesen  beiden  wird 
'er  als  derselbe  abwechselnd  verbunden.  Da  nun  der  erreichte 
*Zweok  das  Seltenere,  und  der  verfehlte  Zweck  (das  Ui;iglück)  das 
^Häufigere  ist,  so  ist  die  Summe  beider  Zwecke  UnzWfjck  (Ün- 
^glück)  und  wird  darum  der  Qaälende  genannt;  der  Gequälte  hin- 
^widerum  ist  der  Purusha,  welcher  als  einer  abwechselnd  mit  bei- 
den verbunden  wird.  Sollen  nun  diese  beiden,  der  Gequälte  und 
'der  Quälende,  ihrem  Wesen  nach  eines  sein  [wie  die  Bridiman- 
Hehre  behauptet],   so  wird  die  Erlösung  unmöglich;   sind  sie  hin- 

517  ^egen  versphiedeneu  Ursprungs,     so   läfst  sich  eine  mögliche  Er- 
lösung dadurch,   dafs  man   die  Ursache  ihrer  Verbindung  meidet, 
•denken.'  —  [Vedäntin:]  Hierauf  erwidern  wir,  dafs  dem  nicht  so 
ist,    und   zw^ar  wegen   der   Einheit,    indem  durch   diese   das  Ver- 
hältnis  des  Gequälten  und   des  Quälenden   unmöglich    wird.     Der 
Vorwurf  wäre  berechtigt,    wenn   in    d^m  Einssein   als  Aiman   der 
Oequälte  und  der  Quälende  noch  als  Objekt  und  Subjekt  einander 
gegenüberstünden;   dem   ist  aber  nicht  so,   und  zwar,   wie  gesagt, 
wegen    der  Einheit.      Denn    das  Feuer  z.  B.    kann   sich,    weil   es 
eines  ist,  nicht  selbst  brennen  oder  erleuchten,  obgleich  demselben 
im   übrigen    eine  Mehrheit   der   Qualitäten   des   Brennens,    Leuch- 
tens  u.  s.  w.  und   die  Um  Wandlungsfähigkeit  zukommen.     Um   wie 
viel  weniger  kann  also  in  dem  [über  alle  Vielheit  der  Qualitäten] 
erhabenen  und  [unwandelbar]   ednheitlichen  Brahman   das  Verhält- 
nis von  Gequältem  und  Quälendem  zutreffen?  —  [S&nkhya:]  *Aber 
'wo  soll  denn  sonst  das  Verhältnis  zwischen  Gequältem  und  Quäler 
'stattfinden?'  —  [Vedäntin:]  Nun,  das  liegt  dir  ja  doch  vor  Augen, 
dafs   der   Gequälte   der    aus  den   Werken    entstandene,    lebendige 
Leib,  xind  dafs  der  Quälende  (Brennende)  [zum  Beispiel]  die  Sonne 
ist.  —  (S&nkhya :]  'Aber  das  Wort  Qual  bedeutet  doch  ein  Leiden ; 
'und  ein  spiches   kann  nur   einem   der  Eikenntnis  Fähigen ,   nicht 
'aber   dem  ungeistigen   Leibe   zukommen.     Beträfe    die   Qual    nur 
'den  Leib,    so  würde  sie  beim  Untergange  des  Leibes   von   selbst 
'vergehen,  und   man   brauchte  nicht  nach  einem  Mitlel  zu  suchen, 

618  'um  sie  zu  vemichten.'  \  —  [Vedäntin:]  Darauf  ist  zu  erwidern, 
dafs  ohne  den  Leib,  für  ein  blofses  Geistiges,  ein&  Qual  nicht 
existiert,  und  auch  du  selbst  nimmst  die  Veränderung  de«  Zu- 
Standes,  welche  man  Qual  nennt,  bei  dem  blofsen  Erkenner  [dem 
Purusha]  nicht  an,  und  ebenso  wenig  eine  Verbindung  des  Leibes 
mit  dem  Geistigen  [dem  Purusha],  weil  letzteres  sonst  von  den 
Mängeln  der  Unreinheit  u.  s.  w.   betroffen  werden  wurde.    Endlich 


Süttrant  IL  u.  ta  329 

kannst  du  doch  audi  nicht'  atinebmen,  dafs  es  die  Qual  selbst  sei, 
welche  gequält  werde;  dcJier  auch  du  das  Verbültnis  des  Gequälten 
und  des  Quftlejuien  anmöglich  [als  ein  in  metaphysischem  Sinne 
leales]  annehmen  kannst.  —  [Sankhya:]  ^Aber  kennte  nicht  viel- 
Meicht  das  Sattvam  das  Gequälte,  und  das  Rnias  der  Quälende 
^sein?*  —  [Vedl^niin :]  Auch  das  geht  nicht,  weil  eine  Verbindung 
des  Geistigen  mit  diesen  beiden  unmöglich  ist.  —  [Saökhya:] 
'Aber  man  könnte  doch  sagen ^  dafs,  vermöge  seiner  Analogie  mit 
'dem  SaUoanhf  auch  das  Geistige  gleichsam  gequält  werde.'  — 
[Vedäntin:]  Nun,  dann  folgt,  dafs  dasselbe  im  absolut  realen 
Sinne  oben  nicht  gequält  wird,  wie  aus  dem  von  dir  hinzugefügten 
AYorte  „gleichsam"  ersichtlich  ist;  denn  nur  wenn  jenes  nicht  ge- 
ii|iiält  wird,  bt  das  Wort  ,^leichsam'^  berechtigt.  Denn  wenn  ich 
sage,  die  Blindschleiche  ist  gleichsam  eine  Schlange,  so  folgt  dar- 
aus nicht,  dafs  sie  auch  giftig  ist;  oder  wenn  ich  sage,  die  Schlange 
ist  gleichsam  eine  Blindschleiche,  ao  folgt  daraus  nivht«  dafs  sie 
auch  ungiflig  ist;  und  somit  mufst  du  einräumen,  dafs  jenes  Ver- 
hältnis des  Gequälten  und  des  Qoftlenden  nur  auf  dem  Nichtwissen 
beruht  und  nicht  in^  absolutem  Sinne  real  ist.  Ist  dem  aber  so,  ) 
dann  fällt  der  ganze  Einwand  gegen  mich  weg.  Nimmst  du  hin-  519 
gegen  an,  dafs  das  Gequältwerden  des  Geistigen  in  absolutem 
Sinne  real  i^t,  so  trifft  vielmehr  dich  der  Einwand,  dafs  eine  Er- 
lösung unmöglich  ist,  zumal  du  auch  noch  die  Ewigkeit  des  Quä- 
lenden annimmst.  —  [Sänkhfa:]  *Wenn  auch  die  Möglichkeit  eines 
^Gequälten  und  Quälenden  eine  ewige  ist,  so  erfordert  doch  die 
^wirklicho  Qual  noch  eine  durch  Ursachen  bedingte  Verbindung 
^beider  mit  einander;  wird  nun  das  Nichtsehen  [des  Purusha},  in 
^welchem  die  Ursache  dieser  Verbindung  liegt,  zu  nichte,  so  tritt 
'ein  definitives  Aufhören  der  Verbindung  und  dadurch  eine  de- 
'finitive  Erlösung  ein.'  —  [Vedäntin:]  Aber  das  geht  nicht,  weil 
du  ja  doch  eine  Ewigkeit  dos  Nichtsehen«,  d.  h.  des  Tamas  (Fin- 
stornia)  annimmst.  Und  da  das  Hervortreten  und  das  Übemiächtig- 
werdon  der  Guna^s  kein  mit  Sicherheit  bewirkbares  ist,  so  ist 
auch  das  Aufhören  der  die  Verbindung  bewirkenden  Ursache  nicht 
mit  Sicherheit  bewirkbar;  damit  aber  ist  aucii  die  Trennung  keine 
sicher  bewirkbare ,  und  sonach  ist  für  die  Sä&khyalelure  die  Fol- 
gerung unvermeidlich,  dafs  eine  Erlösung  nicht  mit  Sicherheit  er- 
reichbar ist.  Die  Upanishadlehre  hingegen  hält  an  der  Einheit 
mit  dem  Atman  fest;  da  nun  das,  was  eines  ist,  das  Verhältnis 
von  Objekt  und  Subjekt  nicht  auläfst,  da  femer  die  Vielheit  der 
Umwoadliuigen  nur  an  Worte  sich  klammert,  wie  die  Schrift  lehrt 
{Ghand.  6,  1,  4)t  so  ksmn  uns  ein  Zweifel  an  der  Möglichkeit  der 
Erreichbarkeit  der  Erlösung  [weil  dieselbe  ih  Wahrheit  stets  schon 
erreicht  ist]  auch  nicht  im  Traume  einfallen.  Was  iungegen  das 
empirische  Welttreiben  betrifft,  so  ist  in  demselben  {  das  Verhält-  530 
nie  von  Oeqol^leni  and  Quälendem   überall  da  und  «n  der  Weise 


330  Qftflnka-iiitiiiAiM 

auKunehmon ,  wo  und  wie  es  sich  selgt;  dies  aber  lAfst  sieb 
nicht  gegen  uns  ins  Feld  führen,  noch  haben  wir  nötig,  es  xn 
bestreiten. 


Zweites  Adkikaranam. 

• 

Die  Lehre  von  der  Urmaterie  als  Weltnrsache  wäre  widerlegt; 
und  es  käme  jeist  dai*auf  an,  auch  die  Lehre  von  den  Atronien 
ab«  Weltursache  zu  widerlegen.  Und  zwar  ist  zunächst  auf  einen 
Einwurf  zu  antworten,  welcher  von  Seiten  des  Verteidigers  der 
Atome  als  Weltursache  gegen  den  Anhänger  des  Brnhman  aus- 
geklügelt wird.  Die  Behauptung  der  Yai^eshika's  ist  dabei  fol- 
gende: 'die  Qualitäten,  welche  der  ursächlichen  Substanz  inliarieren, 
^erzeugen  in  der  bewirkten  Substanz  neue,  ihnen  gleichartige  Qua- 
litäten, indem  die  Erfahrung  zeigt,  wie  z.  B.  aus  weifsen  Fäden 
'auch  ein  weifses  Tuch  erzeugt  wird,  während  sie  das  Gegenteil 
'nicht  zeigt.  Soll  daher  das  geistige  Brahman  für  die  Ursache 
'der  Welt  gelten,  so  mufs  auch  der  Wirkung,  d.  h.  der  Welt,  die 
'Geistigkeit  inhärieren.  Nun  zeigt  sich  aber,  dnfs  -dem  nicht  so 
'ist.  Folglich  kann  daa  geistige  Bmliman  nicht  die  UrsHche  der 
'Weit  sein.'  —  Diese  Behauptung  pariert  der  Lehrer  durch  fol 
genden  Sütratitel: 


]1.    tnahad'dtrr/fM'Vad  vä  hrasim-parimaudoJMihijnm 

|Dio  Welt  entsteht  aus  dem  llrahman,  wie  das  Mini- 
male und  Kurze  aus  dem  Kugohinulcn]  oder  wie 
das  Groföe  und  Lange  aus  dem  Kurzen  und  [mittelbar] 

dem  Kugelrunden. 

Der  Hergang  ist  nach  der  Meinung  der  Gegner  folgender.  Die 
Atome  also  verharren  eine  Zeit  lang  ohne  die  Weltwirkung  herror- 
621  zubringen,  |  geaUltet  wie  es  gerade  kommt,  in  ihrer  Umfangsform 
der  Kugelrundhoit.  Eben  dieselben  bewirken  nachmals,  nachdem 
vorher  das  Unsichtbare  (adHshfam)  u.  s.  w.  hinzugetreten  ist,  und 
sie  dadurch  der  Verbindung  toilhaft  geworden  sind,  durch  Ver- 
mittlung der  Doppelatome  u.  s.  w.  die  ganze  Wirkungswelt,  und 
hierbei  erzeugen  die  Qualitäten  der  Ursache  neue  Qualitäten  in 
der  Wirkung.     So  z.  B.  wenn  zwei  Atome  ein  Doppelatom  bilden, 


Sfttram  II.  u.  11  331 

90  benrirken  die  speciellen  QuaUtäteii  d«s  Aassehens  u.  s.  w.,  z.  B. 
die   weifse  Farbe ,    welch«  in   den. Atomen   liegen,    aufs   neue  die 
welfso  Farbe  u.  s.  w.  in  den  Doppelatomen.     Hingegen  die  Kngel- 
.rundheit,   obgleich  auch  sie  eine  ^peeielle  QnalitAt  der  Atome  ist, 
bewirkt  in  dem  Doppelatome  •  nicht  wiederum  eine  Kngelmndheit, 
indem,  wie  jene  annehmen,  das  Doppelatom  eine  andere  Umfangs- 
form   besitzt;  ftipr  die  Doppelatome  nämlich   nehmen  sie  als  Um- 
faugsformen  die  Miniroalheit  und  die  Kurzheit  an.     Wenn  weiter 
zwei    Doppclatome    [nach  ^ankara*s  Darstellung    der    Sache]    ein 
Quadrupelatom   bilden,    so    sind    auch    dann    wieder    in   gleicher 
Weise  die  den  Doppelatomen  |  inharierenden  Qualitäten  der  weÜsen  522 
Farbe  u.  s.  w.   als  Ursachen   wirksam;    hingegen  die  Miniinalheit 
und  die  Kurzheit,  obwohl  auch  sie  deu  Doppelatomen  iuhärieren, 
sind  nicht  als  Ursachen  wirksam,   indem   das  Quadi'Upelatom,  wie 
die  Atomisten   annehmen,  als  Umfangsform  die  Orofsheit  und  die 
Langheit  besitzt.    Ebenso  liegt  die  Sache,  wenn  viele  Atome,  oder 
wenn   viele  Doppelatome,   oder  wenn   ein  Atom  und  ein  Doppel- 
atom miteinander  verbunden  eine  Wirkung  hervorbringen.    G^ade 
so  gut  nun  wie  aus  dem  Atoni,  obwohl  es  kugelrund  ist,  das  mi- 
nimale und  kni*ze  Doppelatom  und  weiterhin  das  grofse  und  lange 
Tiipelatom  [aus  emem  Atom  und  einem  Doppelatom,  das  Quadrupel- 
atom aus  zwei  Doppelatomen]  u.  9.  w.  entspringt,  nicht  aber  wie- 
derum ein  kugelrundes;  —  oder  wie  aus  dem  Doppelatom,  obwohl 
es  minimal  und  kurz  ist,    das  grofse  und   lange  Tripeistom  ent- 
springt >    nicht    aber    wiederum    ein    Minimales    oder    Kurzes;    — 
ebenso   kann   aus   dem  geistigen  Brahman  die  nichtgeistige  Welt 
entstehen,  und  ich  möchte  wohl  wissen,  worin  denn  bei  dir,  Ato- 
niist,   die  Sache  anders  [und  weniger  schwierig  als  bei  uns]  liegt. 
Oder  meinst  du  vielleicht,  weil  die  bewirkte  Substanz,  die  Doppel« 
atome  u.  s.  w.,  mittels   einer   andern,   [der  Form  der  Atome]  ent- 
gegengesetzten Umfangsform    entsprängen,    deswegen    dürftest  du 
annehmen,   dafs  bei   dir  die   in  der  Ursache  liegende  Kugelruud- 
heit  u.  s.  w.  nicht  wirkungskräftig  sei;   dafs  hingegen  bei  uns  die 
Welt  nicht  erwachse  mittels  einer  andern,  dem  Geistigen,  entgegen- 
gesetzten  Qualität,  I  welche  erlaubte  anzunehmen,   dafs  das   Gei-  5S3 
stige   der  Ursache   nicht   ein   anderes  Geistiges    in    der  Wirkung 
hervorzubringen  brauche,  indem  in  dem  Ungeistigen  [der  Wirkung] 
keine^Eigenschaft  liege,  welche  ein  Ungeistiges  [der  Ursache,  ähn- 
lich wie  die  Kurzheit  u.  s.  w.  die  Kugelrundheit]  ausschlösse,  weil 
[in  der  Wirkung]  nichts  weiter  als  eine  blofse  Ausschliefsung  des 
Geistigen   liege,  —  und   dafs    deswegen   die  Entstehung  aus  dem 
Geistigen  nicht  vergleichbar    mit  der  Entstehung  aus  der  Kugel- 
rundheit sei?     [Mit  andern  Worten:  beim  Atomismus  wird  durch 
die  Kurzheit  u.  s.  w.  der  Wirkung  die  analoge  Kugelrundheit  u.  s.  w. 
der  Ursache  ausgelöst:   darum  braucht  die  Ursache  nicht,  wie  die 
Wirkung  kurz  u.  s.  w.  zu  sein;  beim  Brahmanismus  hingegen  wird 


332  QlLriraka-ni!iii&j]s& 

dttfeh  die  Ungentigkeit  der  Wirkung  kein  anaJdget»  ÄtjitiTident 
der  Ursache  ausgelöst;  daher  mufs  die  Ursache,  ebenso  wie  die 
Wirkung,  ungeistig  sein.]  Aber  das  glaube  nur  ja  nicht!  Denn< 
gerade  so  wie  die  Kugelrundheit  u.  s.  w.,.  obwohl  sie  in  der  Ur- 
sache liegt  f  doch  nicht  sich  wirkend  bethätigt,  gerade  so  ist  es 
auch  mit  dem  Geistigen,  so  dafs  hierin  die  Annahme  auf  beiden 
Seiten  eine  gleichartige  ist.  Denn  in  dem  Übergang  des  Kugel- 
runden in  eine  andere  Umfangsform  liegt  kein  (jrand  dafür,  dafs 
dasselbe  sieh  nicht  wirkend  bethatigeii  sollte,  weil  vor  der  Be- 
wirkung  einer  andern  Umfangsform  da9  Kug^lmnde  a.  s.  w.  als 
das  Bewirkende  vorausgesetzt  wurde.  Kehmt  ihr  ja  doch  sogar 
an,  dafs  die  bewirkte  Substanz  vor  dem  Entstehen  ihrer  Qualitäten 
einen  Moment  qualitätlos  sein  müsse.  Auch  sind  bei  der  Bewir- 
kung  der  neuen  Umfangsform  die  Kngelrundheit  u.  s.  w.  nicht 
etwa  anderweit  in  Anspruch  genommen,  so  dafs  sie  deswegen  eine 
ihnen  gleidiartige  neue  Umfangsform  nicht  hervorbringen  könnten, 
und  man  für  die  neue  Umfangsform  eine  andere  Ursache  annehmen 

524  dürfjjc.  I  Denn  es  heifst  in  den  Sütra's  des  Kand,da:.  „durcli  die 
„Vielheit  der  Ursache,  durch  die  Grofsheit  der  Ursache  und  durch 
„die  speciellc  Anhäufung  entsteht  das  Grofse*/  (vgl.  Vaig.  7,  1,  9); 
—  „dem  entgegengesetzt  ist  das  Minimale"  (Vai^.  7,  1,  10);  — 
„damit  sind  die  Langheit  und  die  Kurzheit  erklärt"  (Yai(.  7,  1,  17). 
Auch  kann  man  nicht  behaupten,  dafs  wegen  des,  Yorzages  be- 
sonderem Nähe  die  Vielheit  der  Ursache  wirksam  sein  sollte,  ni<^t 
aber  ihre  Kugelrundheit  u.  s.  w.;  denn  wo  es  sich  am  die  6e- 
Wirkung  einer  neuen  Substanz  oder  einer  neuen  Qualität  handelt, 
da  sind  alle  Qualitäten  der  Ursache  ohne  Unterschied  ihrem  Sub- 
strate in  gleicher  Weise  inhärierend.  Somit  ist  die  Kugelmnd- 
heit  u.  8.  w.  nur  wegen  ihrer  eigenen  Natur  nicht  bewirkend  thätig, 
ynd  ebenso  steht  es  mit  der  Geistigkeit.  Weil  man  also  sieht, 
dafs  durch  die  Verbindung  wesensverschiedene  Substanzen  ent- 
stehen, so  ist  nicht  zuzugeben,  dafs  das  Entstehen  nur  aus  Gleich- 
artigem statthaft  sei.  Meint  ihr,  wo  ea  sich  um  eine  Substanst 
handle,  da  dürfe  man  sich  nicht  auf  die  Qualitäten  berufen,  so 
bestreiten  wir  das,  weil  es  bei  unserem  Vergleiche  nur  darauf 
ankommt,  dafs  ein  Wesens  verschiedenes  Ursache  sein  kann.  Auch 
ist  kein  Grund  vorhanden,  als  Regel  aufzustellen,  dafs  mau  sich 
bei  Substanzen  nur  auf  Substanzen,  bei  Qualitäten  nur  auf  Qua- 
litäten  berufen   dürfe.      Denn  der   Verfasser    eurer  Sütra^s    selbst 

69S  beruft  sich  bei  einer  Substanz  |  auf  eine  Qualität,  wenn  er  sagt: 
„weil  die  Verbindung  von  Wahrnehmbarem  und  Unwahm^mbarem 
„unwahrnehmbar  sein  wurde,  kann  er  [der  Leib]  nicht  aus  den 
„fünf  Elementen  bestehen"  (Vai^.  4,  2,  2);  d.  h.  ebenso  wie  bei 
Wahrnehmbarem  und  Un wahrnehmbarem,  bei  Erde  und  Äther  (Baum), 
die  sie  inhärierend  habende  Verbindung  unwahmehmbar  ist,  ebenso 
roüfste  der  Leib,  wenn  er  die  fünf  teils  wahrnehmbaren,  teils  an- 


SOtram  H  n.  11.  333 

wahrnehmbaren  Elemente  ijih&rierend  hätte,  unwahmehmbar  sein; 
nun  ist  aber  der  Leib  wahrnehmbar;  folglich  besteht  er  nicht  aas 
den  fUnf  £lementeii.  In  diesem  Argumente  ist  die  Verbindung  eine 
Qualität  und  der  [mit  ihr  yerglichene]  Leib  eine  Subetanz.  — * 
übrigens  haben  wir  das  Hervorgehen  aas  Wesensverschiedenem 
schon  an  der  Stelle  „vieim^r  zeigt  die  Erfahrung**  (Sütram  2,  1,  6) 
erklärt.  —  'Aber  war  damit  nicht  auch  schon  das  Gegenwärtige 
'erledigt^?  -^  Doch  nicht  1  denn  dort  bekämpften  wir  die  Sankhya^s^ 
hier  aber .  die  Vaiyeshika's.  —  *Aber  wurde  nicht  wegen  der  Gleich- 
^artigkeit  schon  auch  auf  diese  hingewiesen  durch  die  Worte:  „da- 
*„mit  sind  auch  die  von  den  Gelehrten  nicht  angenommenen  be* 
SjSprochen"'  (Sütrara  2,  1,  12)?  —  Schon  recht!  aber  eben  dieses 
wurde  hier  zu  Eingang  der  Prüfung  der  Yaiyeshika's  durch  ein 
ihren  eigenen  Aufstellungen  entnommenes  Beispiel  näher  aus* 
gefülirt. 


Drittes  Adhdiaranam. 

12.    ubhayathd  api  na  karma,  atas  tad-abhävah         526 

auf  beide  Art  kein  Werk;  daher  keine  [Atom- 
verbindung]. 

Jetzt  wendet  sich  der  Lehrer  zur  Bekämpfung  der  Theorie  von 
den  Atomen  als  Welturuacbe.  Diese  Theorie  tritt  in  folgender 
Weise  auf.  *Der  Augenschein  lehrt,  wie  in  der  Erfahnmg  ge- 
'glicderte  Substanzen,  z.  B.  Gewebe,  hervorgebracht  werden  von 
'ihnen  entsprechenden  Substanzen,  z.  B.  den  Fäden,  indem  die- 
^selben  der  Verbindung  teilhaft  werden.  In  ähnlicher  Weise  ist 
*zu  schliefsen^  dafs  alles,  was  gegliedert  ist,  von  den  ihm  jedes- 
^mal  entsprechenden  Sabstanzen,  indem  diese  der  Verbindung  teil« 
*haft  werden,  hervorgebracht  ist.  Dasjenige,  bei  welchem  diese 
'Unterscheidung  des  Gliederhaften  und  der  Glieder  nicht  mehr 
*  weiter  durchführbar  ist,  indem  die  Reduktion  bei  ihm  ihr  Ende 
*errfeicht  hat,  ,ist  das  Atom  (paramänu).  Nun  ist  diese  ganze  Welt 
*mit  Gebirgen,  beeren  u.  s.  w.  ein  Gliedefhaftes,  und  weil  glieder- 
4iaft,  hat  sie  einen  Anfang  und  eiu  Ende.  Eine  Wirkung  aber 
'kann  nicht  ohne  Ursache  sein;  und  darum  sind*  —  dies  ist  die 
Meinung  des  Kaniida  —  'die  Atome  die  Ursaehe  der  Welt.*  Indem 
ferner  die  Atomisten  bemerken,  wie  alle  vier  Elemente,  nämlich 
Erde,  Wasser,   Feuer  und  Luft,   gliederhaft  sind,    so   nehmen  sie 


i  •  V  ••■  r  -  ^r  -■ 


334  ^^ärtraka-mtmlLnsft. 

vier  Artßn  von  Atomen  an.  'Wenn  nun  diese,  die  £rde  a^  s.  w., 
'so  za  Grunde  geben,  dafs  die  Beduktion  ihr  Ende  erreicht,  nnd 
'somit  eine  weitergehende  Teilcing  nicht  mehr  möglich  ist,  so  fährt 

527  <die  letztmalige  Teilung  auf  die  Atome,  |  und  dien  ist  die  Zeit  des 
'Weltunterganges.  Zu  der  iiur  folgenden  Zeit  der  Schöpfung  ent- 
'steht  in  den  luftartigen  Atomen  eine  durch  das  Unsichtbare  {adri- 
^shtam)  bedingte  Wirkung;  diese  Wirkung  verbindet  das  ihr  unter- 
'worfene  Atom  mit  einem  andern  Atome,  und  so  entsteht  durch 
^Vermittlung  der  Doppelatome  u.  s.  w.  die  Luft;  ebenso  das  Feuer; 
'ebenso  das  Wasser;  ebenso  die  Erde;  ebenso  der  LeilV  mitsamt 
'den  Sinnesorganen.  In  dieser  Weise  entsteht  diese  ganze  Welt 
'aus  den  Atomen,  und  dabei  entstehen  aus  dem  den  Atomen 
'eigenen  Aussehen  u.  s.  w.  die  den  Doppelatomen  eigenen  Aus- 
'sehen  u.  s.  w.,  ähnlich  wie  bei  den  Fäden  und  dem  Gewebe.* 
Dieses  ist  die  Meinung  der  Kan&dianer.  —  Hierauf  ist  Folgendes 
zu  erwidern.  Was  zunächst  den  Zustand  der  Geteiltheit  betrifft, 
so  mufs  in  ihm  eine  sich  bildende  Verbindung  von  Atomen  an- 
gesehen werden  als  bedingt  durch  ein  Werk,  wie  ja  auch  die 
Fäden  u.  s.  w.  durch  ein  Werk  zum  Gewebe  verbunden  werden. 
Für  dieses  Werk  aber  mufs,  weil  es  eine  Wirkung  ist,  irgend 
eine  bewirkende  Ursache  angenommen  werden.  Nimmt  man  sie 
nicht  an,  so  kann  wegen  Fehlens  der  bewirkenden  Ursache  bei 
den  Atomen  jenes  erstanfangliche  Werk  nicht  statthaben.  Aber 
auch  wenn  man  sie  annimmt,  auch  wenn  man  der  Wahrnehmung 
gemäfs  irgend  eine  Anstrengung  oder  einen  Anstofs  und  dergleichen 
als  die  bewirkende  Ursache  des  Werkes  zngiebt,  so  kann  doch 
bei  den  Atomen  das  erstanfangliche  Werk  nicht  statthaben^  weil 
eine  solche  bewirkende  Ursache  bei  ihnen  undenkbar  ist.  Denn 
in  diesem  Zustande  igt  eine  Anstrengung  als  Qualität  der  Seele  | 

528  undenkbar,  weil  dieselbe  noch  keinen  Leib  hat.  Denn  jede  An- 
strengung als  Qualität  einer  Seele  mufs  entstehen  in  einem  Maaad, 
indem  dasselbe  unter  gleichzeitiger  Verbindung  mit  der  Seele  auf 
einen  I^eib  sich  statzt.  Aus  demselben  Grunde  ist  auch  eine  sicht- 
bare bewirkende  Ursache,  wie  z.  B.  ein  Anstofs,  unzulässig;  denn 
dieses  alles  besteht  nur  in  der  Zeit  nach  der  Schöpfung,  kann 
somit  nicht  die  bewirkende  Ursache  des  erstanfänglichen  Werkes 
sein.    Oder  meint  ihr  vielleicht,  dafs  das  „Unsichtbare"  die  bewir- 

.  kende  Ursache  des  erstanfönglichen  Werkes  sei?  Nun,  dann  müfste 
dieses  wiederum  entweder  einer  Seele  inhärieren,  oder  es  mflfste 
den  Atomen  inhärieren,  „auf  beiderlei  Weise"  aber  ist  „kein 
„Werk",  welches  das  Unsichtbare  als  bewirkende  Ursache  hätte, 
bei  den  Atomen  möglich,  indem  das  Unsichtbare  ein  Ungeistiges 
ist.  Ein  Ungeistiges  aber  kann,  ohne  von  einem  Geistigen  regiert 
zu  werden,  von  selbst  weder  sich  noch  ein  anderes  bewegen,  wie 
wir  dies  bei  Prüfung  des  Sftnkhyasystemes  (Si\tram  2,  2,  2)  dar- 
gelegt haben.     Und  auch  die  Seele  ist,   da  ihre  Geistigkeit  sich 


StiruA  II.  u.  12.  335 

noch  nicht   entwickelt   hat,    in   jenem  Znstande    ein  Ungeistiges. 
Und  wenn  man  an  eh  die  Inhftrenz  des  Unsichtbaren  in  einer  Seele 
annimmt,    ro  kann  dasselbe  doch   nicht  bei   den  Atomen   die  be- 
wirkende Ursache  des  Werkes  bilden,  weil   die  Verknüpfung  mit 
diesen  fehlen  würde.    Nehmt  ihr  aber  eine  Verknüpfung  der  Atome 
mit  eiuem  das  Unsichtbare  schon  besitzenden  Geiste  (puruslM)  an, 
so  ist  die  Verknüpfung    eine  fortwährende,    und    folglich   müfste 
auch  die  Bewegung  eine  fortwährende  sein,  indem  etwa»  Anderes, 
welches   sie  hemmen  könnte,   nicht  vorband^  sein  würde.     Weil 
also   somit   ke^ne    notwendige  bewirkende  Ursache  für  das  Werk 
I  vorhanden  ist,   so  kann   das  erstanföugliche  Werk  bei  den  Ato-  ^^9 
men  nicht  statthaben;  hat  aber  das  Werk  nicht  statt,  so  hat  auch 
die  durch  dasselbe  bedingte   Verbindung    der  Atome  nicht  statt, 
und  hat  die  Verbindung  nicht  statt,  so    hat   auch  die  durch  die- 
selbe bedingte  Wirkung  der  Doppelatome  u.  s.  w.  nicht  statt.  — 
Ferner:   die  Verbindung   des  einen  Atomes  mit  dem   andern  mufs 
entweder  eine  solche  mit   seinem  ganzen  Wesen,  oder  mit  einem 
Teile  desselben  sein.     Sollen  sich  die  Atome  ihrem  ganzen  Wesen 
nach  verbinden,   so  kann   es  zn  keinem  Aggregate  kommen,  alles 
zusammen  kann  nur  die  Gröfse  eines  einzigen  Atomes  hab'en,  und 
der  Widerspruch  mit  der  Wirklichkeit  liegt  zu  Tage.     Soll   hin- 
gegen,  weil   in  der  Erfalurung  sich  eine  Substanz  vermöge  ihrer 
Grenzen  mit  den  Grenzen  einer  andern  Substanz  verbindet,  auch 
die  Verbindung   der  Atome   nur  an   einer  ihrer  Seiten  stattfinden, 
so  folgt,  dafs  das  Atom  Glieder  haben  mufs.    Meint  ihr,  dafs  die 
Grenzen  an  den  Atomen  nur  fingierte  seien,  so  folgt,  da  das  Fin- 
gierte nicht  wirklich    ist,    dals  auch   die  Verbindung  der  Atome 
nicht  wirklich  ist,  dafs  somit  fQr  die  bewirkte  Substanz -die  nicht- 
inhärierende  Ursache  [d.  h.  eben  die  Verbindung]  nicht  vorhanden 
ist;  fehlt  aber  die  nichtinhärierende  Ursache,  so  kann  auch  die  in  den 
Doppelatomen    u.  s.  w.    bestehende    Wirkung    nicht    erfolgen.   — 
Ebenso  femer;  wie  bei  der  Anfangsschöpfung,  weil  die  bewirkende 
Ursache   fehlt,  das  die.  Entstehung  der  Verbindung   bezweckende 
Werk  bei  den  Atomen  nicht  möglich  ist,  |  ebenso  ist  aucb  beim  530 
Weltuntergange  das  die  Entstehung  der  Trennung  der  Atome  be-     .' 
zweckende  Werk  nicht  möglich.    Denn  auch  hierbei  ist  keine  not- 
wendige bewirkende  Ursache  der  Trennung  ersichtlich.    Denn  auch 
das  Unsichtbare  hat  als  Zweck  doch  nur  die  Verwirklichung  des 
Genusses  (der  Werke  in  einem  früheren  Dasein]  und  nicht  die  Ver- 
wirklichung  der  Zerstörung.  —  Weil   somit  eine  'bewirkende  Ur- 
sache fehlt,  so  kann  weder  das  die  Verbindung  der  Atome  noch 
das  die  Trennung  der  Atome  bezweckende  Werk  entstehen;   und 
somit,  weil  eine  Verbindung  und  eine  Trennung  unmöglicli  ist,  er- 
giebt   sich,  dafs  jene  beiden,    nämlich  Weltschöpfnng  und  Welt- 
untergang, unmöglich  sind.  —  Darum  ist  diese  Theorie  von  den 
Atomen  als  dei'  Weltursache  unannehmbar. 


336  ^Mraka-mhn&ns& 

1£.    samaväya-ahhyupagamäc  ca,  sämyäd  anavasthüeh 

auch,  wenn  man  eine  Inhärenz  annimmt,  weil,  wegen 
der  Gleichmäfsigkeit ,  ein  regressus  in  infinUum, 

„Auch,  wenn  man  eine  Inbärenz  annimmt'^  —  ist  „keine  [Atom- 
„Verbindung]"  (SiVtrflm  %  2,  12)  möglich;  —  bo  hängt  es  mit  der 
vorhergehenden  Wider^gung  der  Atomrtheorie  Eusammen.  N&mlich 
der  Gegner  nimmt  an,  dafs  das  Doppelatom,  welches  aus  den  2we 
Atomen  als  ein  von  ihnen  ganz  Verschiedenes  entsteht,  den  beiden 
Atomen  inhärierend  sei.  Aber  auch  durch  diese  Annahme  kann 
der  Atomtheorie  nicht  aufgeholfen  werden;  warum i*  „weil,  wegen 
„der  Gleichmfifsigkeit,  ein  regressus  in  infiniinm^^.  Ebenso  wie 
nämlich  das  von  den  beiden  Atomen  ganz  verschiedene  Doppel* 
531  atom  durch  eine  inhärenzartige  Verknüpfung  |  mit  beiden  verknüpft 
wird,  ebenso  müfste  auch  die  Inhärenz  selbst,  weil  sio  von  den 
Inhärenzträgern  absolut  verschieden  ist,  abermals  durch  eine  zweite 
inhärenzartige  Verknüpfung  mit  den  Inhärenzträgern  verknüpft 
werden,  weil  beide  Male  eine  gänzliche  Verschiedenheit  gleich- 
niäfsigerweise  besteht;  femer  müfste  für  diese  Verknüpfung  wieder 
eine  andere  und  wieder  andere  Verknüpfung  angenommen  werden, 
und  so  würde  ein  regressus  in  infinitum  eintreten.  —  *Aber  die 
'Inhärenz  {samaväycC)  kann  in  diesem  Falle,  da  sie  ein  von  dem 
^Vorstellungsvermögen  Aufzufassendes  ist  [dem  keine  materielle 
*  Wesenheit  entspricht],  doch  nur  dann  von  ihm  aufgefafst  werden, 
^wenn  sie  mit  den  Trägem  der  Inhärenz  wesentlich  und  für  immer 
'verknüpft  ist,  nicht  aber,  wenn  sie  unverknüpft  neben  ihnen  be- 
isteht oder  auch  [in  ihrer  Verknüpfung]  di^h  eine  andere  Ver- 
'knüpfung  bedingt  ist,  und  folglich  braucht  man  nicht  fUr  jede 
'Verknüpfung  immer  wieder  eine  neue  Verknüpfung  anzunehmen 
*und  dadurch  in  den  regressus  in  infinitum  zu  verfallen.'  —  Nein! 
so  entgegnen  wir;  denn  wenn  dem  so  ist,  [dann  bedarf  es  gar 
keiner  Annahme  einer  Inhärenz  {saifi%äväya)\  denn]  dann  muf$ 
auch  die  blofse  Verbindung  {mmyoga)  schon  mit  den  Trägern- 
der  Verbindung  wesenthch  und  für  immer  verknüpft  sein  und  be-» 
darf  ebenso  gut  wie  die  Inhärenz  keiner  besondern  Verknüpfung} 
[mit  ihren  Trägem]  mehr.  Oder  soll  die  Verbindung  etwas  von 
ihren  Trägem  selbst  Verschiedenes  sein  und  noch  einer  besonJem 
Verknüpfung  mit  ihnen  bedürfen?  Nun,  mit  demselben  Kechte 
ist  dann  auch  die  Inhärenz  etwas  von  ihren  Trägem  Verschie^ 
denes  und  bedarf  noch  einer  besonderen  Verknüpfung  mit  ihnen. 
Kommt  uns  nur  nicht  damit,  dafs  ihr  sagt,  die  Verbindung  be- 
dürfe, weil  sie  eine  der  [24  von  den  Vaigeshika's  unter  der  zweiten 
Kategorie  aufgezählten]  Qualitäten  sei,  noch  einer  besonderen  Verr 
knüpfuiig,    die  Inhärenz  hingegen  nicht,   weil  sie  keine  QualitKi 


S«träm  IL  u.  Id.  337 

f sondern  eine  besondere  KBtegorie  für  sieb]  seil  D^n  der  Grand, 
uns  nacb  einer  solcben  [Verknüpfung]  umznseben  |  ist  in  beiden  532 
Fällen  der  gleicbe;  and  was  ihr  in  eurer  Terminologie  als  Qua- 
litäten [und  nicht  als  solche]  bezeichnet,  darauf  kommt  es  dabei 
gar  niclit  an.  Sobald  man  aber  die  Inharonz  für  etwas  von  ihren 
Trägem  Tersehiedenes  erklärt,  ist  der  regresms  in  infinitum  un- 
vermeidlich. Ist  er  es  aber,  so  wird  mit  der  Unbeweisbarkeit 
des  ersten  Schrittes  jeder  weitere  unbeweisbar;  es  wird  undenk- 
bar, wie  aus  zwei  Atomen  ein  Doppelatom  hervorgehen  sollte,  und 
auch  aus  diesem  Grunde  ist  die  Theorie  von  den  Atomen  als 
Weltursache  unannehmbar. 

14.    nityafn  eva  ca  bhävdt 

auch  weil   eben  sie  [die  Bewegung  u.  s.  w.*|  ewig  sein 

würde. 

Femer  müfste  man  annehmen,  dafs  die  Atome  ihrer  Natur 
nach  entweder  in  Bewegung  oder  in  Ruhe  oder  beides  oder  kei- 
nes von  beiden  seien,  indem  eine  andere  Möglichkeit  nicht  denk- 
bar idt.  Aber  auf  alle  vier  Arten  geht  es  nicht.  Gesetzt  n&mlieh, 
der  natürliche  Zustand  wäre  die  Bewegung,  so  würde  eben  die 
Bewegung  ewig  dauern,  und  die  Weltvemichtung  nicht  müglleh 
sein.  Wäre  hingegen  der  natürliche  Zustand  die  Rühe,  so  würde 
eben  die  Ruhe  ewig  sein,  und  eine  Weltschöpfung  unmöglich 
werden.  Beides  aber  zugleich  als  den  natürlichen  Zustand  an- 
zunehmen, wäre  wegen  des  Widerspruchs  eine  Ungei'eiintheit.  SoU 
endlich  der  natürliche  Zustand  der  Atome  in  keinem  von  beiden 
besteben,  und  man  nimmt,  da  Bewegung  und  Ruhe  eine  bewir- 
kende Ursache  erheischen,  als  diese  bewirkende  Ursache  etwa  das 
Unsichtbare  (adrisßifam)  an,  so  würde,  weil  dasselbe  ewig  vor- 
handen ist,  oiaeh  die  Bewegung  eii^e  ewige  sein;  soll  hingegen  in 
dem  Unsichtbaren  u.  s.  w.  nicht  das  Wesentliche  der  Sache  liegen, 
so  würde  eine  ewige  Unbewegtheit  als  Folge  sich  ergeben.  Auch 
darum  also  ist  die  Theorie  von  den  Atomen  als  Weltursacho  un- 
annehmbar. 

* 

16.    rüpa-ddi-mat-iväe  ea  viparjfajfa^  darfanäi  533 

auch  wegen   des  Ausgestattetßeins  mit  Farbe  u.  s.  w., 
sind   sie  [die   Minimalheit  und  Ewigkeit]  ein  Wider- 
spruch,   wie  eirsichtlich . 

'Die  Substanzen  sind  gUederhaft;  teilt  man  sie  nun  nacb  ihren 
Gliedern  so   lange,  bis  eine  weitere  Teilung   unmöglich  wird,   so 


338  g&rtraka-mliiiik^& 

'hat  man  die  in  vier  Arien  zerfallenden,  mit  Farbe  u.  s.  w.  ans- 
'gestatteten  Atome,  welche  die  vier  Arten  der  mit  Fai'be  a.  8.  w.  aus- 
^gestatteten  Elemente  und  das,  was  weiterhin  aus  diesen  entsteht, 
'hervorbringen,  selbst  aber  ewig  sind.'  So  nehmen  es  die  Vai^e- 
shika's  an.  Aber  diese  ihre  Annahme  entbehrt  der  Begründung, 
weil  in  dem  Ausgestattetsein  der  Atome  mit  Farbe  u.  s.  w.  ein 
Widerspruch  gegen  ihre  Minimalheit  und  Ewigkeit,  liegen  würde. 
Es  würde  nämlich  folgen,  dafs  dieselben  wiederum  im  Vergleich 
mit  einer  allerletzten  Ursache  grobstofflich  und  nicht  ewig  wären, 
und  dieses  würde  der  Voraussetzung  widersprechen.  Warum  ?  weil 
es  so  in  der  Erfahrung  „  ersichtlich*'  ist.  Denn  alles  was  in  der 
Erfahrung  als  ein  mit  Farbe  u.  s.  w.  ausgestattetes  Ding  sich  zeigt, 
das  steht  in  Beziehung  zu  seiner  Ursache  und  ist  darum  grobstoff- 

^34  lieh  und  nicht  ewig.  —  |  So  steht  z.  B.  das  Gewebe  in  Beziehung 
zu  den  Fäden  und  ist  darum  grobstofflich  und  nicht  ewig;  die 
Fäden  hinwiderum  stehen  in  Beziehung  zu  den  Fasern  und  sind 
darum  grobstofflioh  und  nicht  ewig.  Ebenso  wie  diese  Dinge  gelten 
dem  Gegner  auch  seine  Atome  als  ausgestattet  mit  Farbe  u.  s.  w.; 
folglich  müssen  auch  sie  noch  eine  Ursache  haben  und  mit  Be- 
^  Ziehung  auf  diese  grobstofflich  und  nicht  ewig  sein.  Was  die 
Gegner  als  Grund  der  Ewigkeit  angeben,  wenn  sie  sagen:  „ewig 
„ist,  was  seiend  und  ursachlos  ist"  (Vai9.  4,  1,  1),  das  ti'ifft,  auch 
wenn  es  richtig  ist,  auf  die  Atome  nicht  zu,  weil  in  der  an- 
gegebenen Weise  folgt,  dafs  sie  eine  Ursache  haben  müssen.  Was 
sie  femer  als  zweiten  Grund  für  die  Ewigkeit  hinstellen:  „die 
„Negation  « ni cht- ewig  v  ist  nur  möglich  bei  einem  bestimmten 
„Sein  [nicht  bei  dem  Sein  im  allgemeinen]''  (lies:  praUsheda'bhä- 
.  t>a^,  Vai^.  4,  1,  4),  auch  das  beweist  nicht  notwendig  die  Ewigkeit 
der  Atome;  denn  wenn  auch,  ohne  dafs  irgend  ein  ewiges  Ding 
wäre,  die  Zusammensetzung  des  Wortes  „ewig"  mit  einer  Ne- 
gation nicht  bestehen  könnte,  so  braucht  es  doch  nicht  gerade 
die  Ewigkeit  der  Atome  zu  sein,  auf  welche  dieselbe  sich  bezieht; 
denn  allerdings  giebt  es  ein  Ewiges,  aber  das  ist  das  Brahman 
als  höchste  Ursache.  Übrigens  läfst  sich  nicht  aus  der  blofsen 
Untersuchung  des  Sinnes   eines  Wortes   die  Existenz   irgend  einer 

535  Sache  erweisen;  |  vielmehr  müssen  das  Wort  und  sein  Sinn,  mit 
welchem  die  Untersuchung  sich  befafst,  erst  durch  andere  Beweis- 
mittel sicher  gestellt  sein.  Als  ein  dritter  Grund  für  die  Ewigkeit 
wird  angeführt:  „und  ein  Nichtwissen"  (Vai^.  4,  1,  6).  Wenn  man 
dies  so  erklärt,  dafs  ein  Nichtanuehmen  von  anschaulich  vor- 
handenen Ursachen  da,  wo  seiende,  vor  Augen  liegende  Wirkungen 
gegeben  sind,  eine  Unwissenheit  sei,  so  würde  folgen,  dafs  auf 
diesen  Grund  hin  auch  das  Doppelatom  [da  es  ebenfalls  als  an- 
schaulich vorhandene  Ursache  der  vor  Augen  liegenden  Wirkungen 
anzunehmen  ist]  ewig  sein  müfste.  Fügt  man  aber  als  nähere  Be- 
stimmung hinzu,   [das  Nichtwissen  sei   ein  Nichtannehmen  solcher 


Sfttrain  n.  n.  15.  339 

ITrsachenJ,  „bei  denen  keine  weitere  Sab^tans  mehr  au  Grunde 
„liege",  so  haben  wir  hier  als  Grund  der  Ewigkeit  wiederum  nur 
die  (Irsachlosigkeit;  nnd  da  diese  noch  so  e>  en  (Vai^.  4,  l-,  1)  be- 
sprocbeu  worden  war,  so  I&ge  in  den  Worten  „und  em  Nicht- 
„wissen '*  nur  eine  müfsige  Wiederholung.  Oder  soll  man  annehmen, 
dafs  aufser  durch  Zerteilung  der  Ursache  und  durch  Vernichtung 
der  Ursache  ein  dritter  Grund  des  Untergangs  nicht  mdgiich  sei, 
und  dafs  diese  Unmöglichkeit  [als  die  UnerfindHchkeit  eiTios  andern 
Grundes  und  somit]  als  „ein  Nichtwissen^'  [anderer  Gründe]  be- 
zeichnet werde,  welches  die  Ewigkeit  der  Atom^  beweise,  —  so 
ist  zu  entgegnen,  dafe  keine  Regel  vorhanden  ist,  welche  fordert, 
dafs  ein  Ding,  welches  untergeht,  notwendigerw«;iBe  nur  aus  diesen 
beiden  Gründen  untergehen  kann.  .Freilich,  wenn  man  schon  vor- 
aussetzt, dafs  die  Substanz  eine  vielheitliche  ist  und  mit  Hülfe 
der  Verbindung  die  andern  Substanzen  hervorbringt,  dann  mag 
jenes  richtig  sein.  Fafst  man  hingegen  die  Hervorbringung  so  auf, 
dafs  dabei  eine  unterschiedlose,  |  ihrem  Wesen  nacli  identische  536 
Ursache  in  einen  andern  mit  Unterschieden  behafteten  Zustand 
übergeht 9  dann  kann  der  Untergang  auch  so  stattfinden,  dafs  er, 
ähnlich  ¥rie  das  Schmilzen  der  Festigkeit  der  Butter,  durch  ein 
Zerschmilzen  des  Zustandes  der  Materialität  (mürfi)  erfolgt.  — 
Somit  fuhrt  das  Ausgestattetsein  der  Atome  mit  Farbe  u.  s.  w.  auf 
einen  Widerspruch  gegen  die  Voraussetzungen,  und  auch  darum 
ist  die  Theorie  von  den  Atomen  als  Weltursache  unsnnehrobar. 


16.    ubhaycUkä  ca  doshät^ 
und  weil  in  beiden  Fällen  ein  Fehler. 

Die  Erde  ist  grobmateriell  und  besitzt  als  Eigenschaften  Riech- 
barkeit, Schmeckbarkeit,  Sichtbarkeit  und  Fühlbai^keit.  Das  Wasser 
ist  feinmateriell  und  besitzt  als  Eigenschaften  Schmeckbarkeit,  Sicht- 
barkeit und  Fühlbarkeit.  Das  Feuer  ist  feiner  und  besitzt  als 
Eigenschaften  Sichtbarkeit  und  Fühlbarkeit.  Die  Luft  ist  das  feinste 
und  besitzt  als  Eigenschaft  die  Fühlbarkeit  (vgl.  Vaiy.  2,  1,  1 — 4). 
In  dieser  Weise  haben. die  genannten  vier  Elemente  einen  Zuwachs 
und  Abgang  von  Eigenschaften  und  dem  entsprechend  eine  gröfsere 
oder  geringere  Grobheit  und  Feinheit,  wie  dies  die  Erfahrung  zeigt. 
Ebenso  nun  mufs  man  auch  bei  den  Atomen  annehmen,  entweder 
dafs  sie  einen  Zuwachs  und  Abgang  von  Eigenschaften  besitzen, 
oder  dafs  sie  ihn  nicht  besitzen.  „In  beiden  Fällen^'  aber  wird 
der  Eintritt  eines  Fehlers  unvermeidlich.  Nimmt  man  nämlich 
für  dieselben  einen  Zuwachs  und  Abgang  von  Eigenschaften  an, 
so  folgt  aus  dem  Zuwachse  von  Eigenschaften  auch  ein  Zuwachs 
an  Materialität  (mürff)^    und   dann  sind   es  keine  Atome    mehr.  | 

22* 


340  C&rlraka-mlmlAsI 

Ö3T  Man  sage  nicht,  daia  auch  ohne  einen  Zuwachs  an  Materialität 
ein  Zuwachs  von  Eigenschaften  möglich  sei;  denn  bei  entstandenen 
Wesen  [wenigstens]  ist)  wie  die  Erfahrung  zeigte  mit  dem  Zuwachs 
an  Eigenschafben  auch  ein  Zuwachs  an  Materialit&t  gegeben.  Nimmt 
man  hingegen  jenen  Zuwachs  und  Abgai^  von  Eigenschaften  nicht 
an,  um  die  Gleichartigkeit  des  Atomaeins  zu  wahren ,  so  muXs  man 
ihnen  allen  nur  je  eine  Eigenschaft  beilegen,  und  dann  sieht  man 
nicht,  warum  das  Feuer  auch  i&r  das  Gefühl,  oder  das  Wasser 
auch  für  Gesicht  und  Gefühl,  oder  die  Erde  Auch  für  Geschmack, 
Gesicht  und  Gefühl  wahrnehmbar  ist,  da  doch  die  Eigenschaften 
der  Wirkungen  nur  ai^s  den  Eigenschaften  der  Ursachen  erfolgen. 
Oder  soll  man  allen  Atomen  alle  vier  Eigenschaften  beilegen?  dann 
müfste  das  Wasser  auch  für  den  Geruch  wahrnehmbar  sein,  das 
Feuer  auch  für  den  Geruch  und  Geschmack,  die  Luft  audi  für 
Geruch,  Geschmack  und  Gesicht,  und  das  widerstreitet  der  Er- 
fahrung. Auch  darum  also  ist  die  Theorie  von  den  Atomen  als 
Wßltursache  unannehmbar. 


17.    aparigrahäe  ca  atyantam  anapekshd 

auch  wegen  der  l^icbtAunahme  [verdient  der  Atomis- 

mus]  durcJiaQs  keine  Beachtung. 

Was  die  Theorie  [der  S&fikhya^s]  von  der  Urmaterie  als  Welt« 
Ursache  betrifft,  so  ist  diese  auch  von  einigen  Yedakundigen ,  wie 
.Manu  und  andern,  litterarisch  vertreten  worden,  in  Anbetracht, 
dafs  dieselbe  doch  durch  einen  Teil  [der  wahren  Lehre],  dafs  die 
Wirkung  die  eines  [noch  jetzt]  Seienden  ist  u.  s.  w.,  ihr  Dasein 
538  fristet.  Hingegen  ist  die  gegenwärtige  Theorie  |  von  den  Atomen 
als  Weltursache  von  gar  keinem  Gelehrten  auch  nicht  irgend  einem 
Teile  nach  angenommen  worden;  daher  sie  von  Seiten  der  Ab- 
hftnger  des  Veda  ganz  und  gar  keine  Beachtung  verdient. 

^  Hierzu  kommt,  dafs  die  Yai^eshika-s  als  Inhalt  ihrer  Lehre 
die  sechs  Kategorien  der  Substanz,  Qualität,  Wirkung,  Identität, 
Differenz  und  Inhärenz  aufstellen  als  gänzlich  voneinander  ver- 
schiedene und  mit  verschiedenen  Merkmalen  behaftete  Wesenheiten, 
etwa  wie  ein  Mensch,  ein  Pferd  und  ein  Hase  verschieden  sind. 
Und  obgleich  sie  dieses  annehmen,  so  behaupten  sie  doch  im 
Widerspruch  damit,  dafs  die  übrigen  Kategorien  von  der  Sub- 
stanz abhängig  seien.  Aber  das  geht  nicht;  denn  so  wie  zwischen 
einem  Hasen  und  einem  Grashalme  u.  s.  w. ,  weil  sie  gänzlich  ver- 
schieden sind,  keine  gegenseitige  Abhängigkeit  stattfindet,  so  kann 
auch  unter  den  Kategorien,  weil  sie  gänzlich  verschieden  sind, 
eine  Abhängigkeit  der  Qualität  und   der  folgenden  von  der  Sub- 


Sfttram  ü.  u.  17.  341 


»tanz  nicht  stattfinden.  Und  doch  beBtekt  diese  Abliftngigkeit  der 
Qualität  u.  ».  w.  von  der  Substanz.  Weil  nun  die  übrigen  Kar 
t^gorien  niu*  bestehen,  sofern  die  Subt^tanz  besteht,  und  nicht  be- 
Htehou,  wenn  sie  nicht  besteht,  so  ist  es  eben  nur  die  Substans,  s 
Welche  durch  die  Verschiedenheit  ihrer  Zustände  ü.  s.  w.  der  Ter- 
schiedenen  Namen  und  Vorstellungen  teilhaftig  wird;  ähnlich  %rie 
Devadatta,  obwohl  er  einer  ist,  durch  Verbindung  mit  vdrechiede- 
nen  Zuständen  verschiedener  Namen  und  Vorstellungen  teilhaftig 
wird.  I  Weil  dem  so  ist,  so  verfallen  sie  in  die  Lehrmeinung  d«r  63^* 
Saüidiya's  und  setzen  sich  mit  ihrer  eigenen  Lehrmeinmig  in 
Widerspruch.  —  'Aber  ist  nicht  auch  der  Rauch,  obwohl  er  Tom 
'Feuer  verschieden  ist,  dennoch  vom  Feuer  m  Abhängigkeit?*  — 
Allerdings!  aber  hierbei  wird  durch  die  Erkenntnis  der  Ver- 
schiedenheit sicher  gestellt,  dafs  der  Rauch  etwas  anderes  ist  als 
das  Feuer.  In  unserem  Falle  hingegen,  bei  einer  weifsen  Decke, 
einer  roten  Kuh,  einer  blanen  Lotosblume,  ist  es  immer  nur  die 
oder  die  Sul>stanz,  welche*"  mit  der  oder  der  Bestimmung  dem  Er- 
kennen sich  darbietet;  und  es  ist  zwischen  der  Substanz  und  den 
Qualitäten  keine  Auffassung  der  Verschiedenheit  in  der  Art,"  wie 
sie  beim  Feuer  und  beim  Rauche  stattfindet.  Somit  hat  die  Qna» 
litäl  die  Substanz  zu  ihrem  Wesen.  Damit  ist  bewiesen,  dafa 
auch  die  übrigen  Kategorien,  Wirkung,  Identität,  Differenz  und 
Inhärenz,  die  Substanz  zu  ihrem  Wesen  haben  [mithin  nicht  als 
besondere  -Kategorien  derselben  nebeugeordnet  werden  durften]. 

Man  könnte  einwenden ,  die  Abhängigkeit  der  Qualität  u.  8.  w. 
von  der  Substanz  beruhe  [nur]  darauf,  dafs  Substanz  und  Qualität 
nicht  isoliert  erkennbar  sind.  Aber  mag  man  diese  Nicht-isolieri* 
Erkennbarkeit  auffassen  als  eine  räumliche  Ungetrenntheit  oder  als 
eine  zeitliche  Uugetrenntboit  oder  als  eine  Wesens-Ungetrenntheii, 
in  keinem  Falle  ist  sie  [unter  den  Voraussetzungen  der  Atomisteu] 
zulässig.  Soll  sie  eine  räumliche  Ungetrenntheit  bedeuten,  so  wi- 
derspricht das  ihren  eigenen  Voraussetzungen.  Nämlich  die  Atomi- 
sten  nelunen  an,  dafs  das  durch  die  Fäden  hervorgebrachte  Ge- 
webe die  Stelle  der  Fäden  einnimmt,  nicht  aber  die  Stelle  des 
Gewebes.  Bei  den  Qualitäten  des  Gewebes,  z.  B.  der  weifsen 
Farbe  u.  s.  w. ,  hingegen  nehmen  sie  an ,  dafs  diese  die  Stelle  des 
Gewebes  einnehmen,  nicht  aber  die  Stelle  der  Fäden.  [Nur  awi- 
Bchen  Fäden  und  Gewebe  besteht  die  räumliche  Ungelorenntheit, 
d.  b.  ain  Austausch  des  Raumes,  nicht  zwischen  den  Fäden  und 
der  Farbe  des  Gewebes.]  Und  so  sagen  sie  auch:  „Substanzen 
„bringen  andere  Substanzen  hervor  und  Qualitäten  andere  Qua** 
„litäten^*  (Vaig.  1,1,  10),  d.  h.  |  die  Fäden  als  ursächliche  Sub-  54< 
stanzen  bringen  das  Gewebe  als  bewirkte  Substanz  hervor,  and 
die  den  Fäden  angehürigen  Qualitäten,  die  weifse  Farbe  u.  s.  w., 
bringen  in  der  bewirkten  Substanz,  dem  Gewebe,  andere  Quali* 
täten,   weifse  Farbe  u.  s.  w.,  hervor;  so  nehmen  sie  selbst  es  an. 


342  giriraka-mtni&nsli 

Diesü  ihre  Annahme  steht  mit  der  Annahme  einer  r&umlichen  Un- 
getreuntlieit  [die  sich,  wie  es  scheint,   unser  Autor  nur  als  einen 
Austausch  des  Raumes  zu  denken  vermag]  zwischen  Substanz  und 
Qualitäten  in  Widerspruch.    Oder  soll  mau  unter  der  Nicht-isoliert- 
Erkennbarkeit  eine  zeitliche  üngetrenntheit  verstehen?  dann  würde 
folgen,   dafs  auch  das  linke  und  das  rechte  Uom  einer  Kuh  [we- 
gen   ihrer  Gleichzeitigkeit]  nicht    isoliert    erkennbar    seien.     Soll 
endlich  die  Nicht-isoliert-Erkennbarkeit  in  einer  Wesons-Ungetrennt- 
heit  bestehen,  so  folgt,  dafs  die  Qualitäten  von  der  Substanz  dem 
Wesen  nach  nicht  verschieden  sind,  weil  sie  nur  durch  die  Wesens- 
Einheit  mit  ihr  [und  nicht  unabhängig  von  ihr  wie  die  Atomisten 
wollen]  aufgefafst  werden.     Und  auch  der  Ausweg,   dafs  die  Ver- 
knüpfung  isoliert  Erkennbarer  eine  blofse  Verbindung  (saifi^oya), 
hingegen  die  Verknüpfung  nicht  isoliert  Erkennbarer  eine  Inhärens 
(saynaväjfo)  sei,  ist  ein  vergeblicher,  weil  [zwischen  Wirkung  und 
Ursache   Inhärenz   besteht,    somit  Nicht -isoliert-Erkennbarkeit  be- 
stehen niüfste,  diese  aber,   d.  h.]  die  Nicht-isoliert-Erkennbarkeit 
dei*  Ursache,  da  dieselbe  doch  schon  vor  der  Wirkung  vorhanden 
w<(r,  unannehmbar  ist  (vgl.  Vai$.  7i  2,  13).     Oder   soll  diese  An- 
nahme nur  füi*  die  eine  Seite  [die  Wirkung]  gelten,  der  Art  dafs 
die  InhSreuz  eine  Verknüpfung  der  nicht-isoliert-erkennbaren  Wir- 
641  kuDg  mit  der  Ursache  Hei?   |   Auch   auf  diese  Weise  ist  die  Ver- 
knüpfung   der  vorher    noch    nicht    vorhandenen,    noch    nicht    zur 
Wesenheit   gelängten   Wirkung    mit    der    Ursache    nicht    möglich, 
weil   «ine   Verknüpfung  durch    eine    [schon   vorhandene]   Zweiheit 
.bedingt  wird.     Meint  ihr  vielleicht,   dafs  die  Wirkung,  erst  nach- 
dem sie   entstanden,  mit   der  Ursache   verknüpft  werde,   so   wird 
ein  Sein  der  Wirkung  vor   der  Verknüpfung  mit  der  Ursache  an- 
geuommeu;    damit  ist  aber  die  Nicht -isoliert -Erkennbarkeit  auf- 
gegeben,  und  die  Behauptung,    dafs   zwischen  Wirkung  und  Ur- 
sache   [notwendigerweise    nur    Inhärenz,    und]    nicht    eine    blofse 
[uufserliche]   Verbindung    und  Trennung   statthaben    könne,    wird 
hinfällig.    Und  [iu  der  That],  ebenso  gut  wie  die  Verknüpfung  der 
eben  erst  entstandenen,   noch   nicht  sich  bethätigenden  Wirkungs- 
substanz  mit  andern  Substanzen,  z.  B.  mit  dem  alldurchdringenden 
Räume,   als   eine   blofse  Verbindung  (samyoga)  und  nicht  als  eine 
Inhärenz  {samaväya)  betrachtet  wird,   mit  eben  demselben  Rechte 
braucht  auch  die  Verknüpfung  derselben  mit  der  Ursach-Substanz 
•nur   eine  Verbindung,    nicht  eine  Inhärenz   zu   sein.  —  Mag  man 
aber  die  Verknüpfung  als  Verbindung  oder  als  Inhärenz  auffassen, 
in  keinem   Falb;    lufst   sich   beweisen,    dafs  die- Verknüpfung  un- 
abhängig von  den  beiden  Verknüpften  eine  Existenz  habe  [so  dafa 
sie  der  Substanz-Kategorie,  die  Verbindung  unter  der  Qualitäten- 
Kategorie,   die   inhärenz   als  besondere   Kategorie,   nebengeordnet 
werden  dürfte].     Meint  ihr  vielleicht,   weil  Name  und  Vorstellung 
der   Verbindung    und    der  Inhärenz    auch    unabhängig  von  Name 


Siktram  U.  u.  17.  343 

und  VorBtellung  der  verknüpften  Dinge  bestehe,  |  deswegen  hätten  642 
sie  [auch  eine  von  ihnen  unabhängige]  Existenz?  Gewifs  nicht! 
Denn  auch  wo  es  sich  um  eine  Einheit  handelt,  werden  verschie- 
dene Namen  und  Vorstellungen,  je  nach  der  Beziehung  auf  sich 
selbst  oder  auf  die  AuTsendinge,  gebraucht.  So  ist  z.  B.  De^adatta 
einer  und  wird  doch  je  nach  der  Beziehung  zu  sich  selbst  oder^ 
zu  einem  mit  ihm  Verknüpften  verschiedener  Namen  und  V^or- 
stellungen  teilhaftig,  als  Mensch,  Brahmane,  schriftkundig,  frei- 
gebig, Kind,  Jüngling,  Greis,  Vater,  Bruder,  Schwiegersohn;  so 
ist  z.  B.  femer  der  Strich  nur  einer  und  wird  doch  dadurch,  dafs 
er  seine  Stelle  wechselt,  des  Namens  und  der  Vorstellung  von 
eins,  zehn,  hundert,  tausend  u.  s.  w.  teilhaftig.  Ebenso  steht  es 
auch  bei  zwei  Verknüpften;  dafs  hier  unabhängig  von  Name  und; 
Vorstellung  der  beiden  Verknüpften  der  Name  und  die  Vorstellung 
der  Verbindung  und  der  Inhärenz  gebraucht  werden,  das  beweist 
nicht,  dafs  diese  als  für  sich  bestehende  Wesenheiten  existieren. 
Denn  weil  eine  Nicht- Wahrnehmung  die  Merkmale  einer  Wahr- 
nehmung erlangt,  darum  ist  noch  nicht  das  Sein  'eines  neuen 
Dinges  gegeben.  Hierzu  kommt,  dafs,  wo  es  sich  um  zwei  mit 
einander  Verknüpfte  handelt,  Name  und  Vorstellung  der  Ver- 
knüpfung keine  kontinuierliche  Existenz  besitzen,  indem  sie,  wie 
vorher  bemerkt,  je  nach  der  Beziehung  auf  sich  selbst  oder  ein 
Aufsending,  wechseln. 

Weiter  ist  zu  bemerken,  dafs  zwischen  Atomen,  Atman  iind 
Manas,  weil  sie  keine  Ortöuiiterschiede  besitzen,  keine  Verbindung 
(satftyoga)  \  möglich  ist;  denn  nur  eine  räumlich  bestimmte  Sub-  543 
stanz  kann  mit  einer  andern  räumlich  bestimmten  Substanz  eine 
Verbindung  eingehen.  Meint  ihr,  dafs  die  Ortsunterschiede  zwi- 
schen Atomen,  Atman  und  Manas  blofs  angenommene  zu  sein 
brauchen,  so  geh^  das  nicht;  denn  damit,  dafs  man  etwas,  wenn 
es  nicht  vorhanden  ist,  annimmt,  kann  man  alles  Mögliche  be- 
weisen; imd  dafüi*,  dafs  man  nur  diese  oder  jene  nicht  vorhandene, 
widersprechende  oder  nicht  widersprechende  Sache  annehmen  darf 
und  nicht  auch  noch  weiteres,  giebt  es  keinen  Grund  eine  Schranke 
zu  ziehen ;  liierzu  kommt,  dafs  solche  Annahmen  nur  auf  sich  selbst 
beruhen,  und  dafs  man  ihrer  eine  grofse  Menge  machen  kann 
fd.  h.  dafs  sie  wohlfeil  sind].  Und  in  der  That,  wenn  die  Vai^e- 
shika's  sechs  Kategorien  annehmen,  so  ist  nicht  abzusehen,  was 
uns  hindert,  noch  weitere  über  dieselben  hinaus,  und  waren  es 
hundert  oder  tausend,  anzunehmen.  Beruft  ihr  euch  auf  An- 
nahmen, nun  dann  ist  wahr  was  nur  irgend  jemandem  einfällt« 
Der  eine,  voll  Mitleid  ftir  die  lebenden  Wesen,  könnte  annehmen, 
dafs  der  Saipsära  mit  all  seinen  Leiden  gar  nicht  *  vorhanden  sei; 
ein  anderer  könnte  in  seiner  Bosheit  annehmen,  dafs  auch  die 
Erlösten  wieder  geboren  werden,  und  niemand  könnte  beide  daran 
hindern. 


344  Qäiiraka-mimänB& 

Ferner:  [wie  soll  man  sich  die  Inhärenz  (samavdpa)  vorstellen?] 
das  gegliederte  Doppelatom  kann  mit  seinen  beiden  gliederlosen 
Atomen  doch  nicht  so  vorfiocbten  sein,  wie  [ein  K-örper]  mit  dem 
Räume;    denn   zwischen  dem   Baum  und  z.  B.  der  Erde  ist  keine 

544  solche  Verflechtung  wie  zwischen  dem  Leim  |  und  dem  Holze  [wie 
sie  hier  notwendig  sein  würde].  Meint  ihr  deswegen,  weil  das 
Verhältnis  zwischen  den  Substanzen  der  Wirkung  und  Ursache 
als  dem  Bedingten  und  der  Bedingung  anders  nicht  denkbar  sei, 
müsse  man  notwendigerweise  die  Inhärenz  zugeben,  so  bestfeiten 
wir  das,  weil  es  ein  Cirkelschlufs  ist.  Aus  der  im  voraus  fest- 
stehenden Verschiedenheit  von  Wirkung  und  Ursache  schliefst  ihr 
auf  das  Verhältnis  derselben  als  Bedingtes  und  Bedingendes,  und 
aus  ihrem  Verhältnis  als  Bedingtes  und  Bedingendes  schliefst  ihr 
auf  die  Verschiedenheit  der  beiden,  wobei,  wie  bei  der  lUid* 
Wölbung  und  den  Speichen,  immer  das  eine- durch  das  andere  be- 
dingt wird.  Wir  Anhänger  des  Vedänta  hingegen  nehmen  weder 
die  Versdiiedenheit  von  Wirkung  und  Ui^sache,  noch  ihc  Verhält- 
nis als  Bedingtes  und  Bedingendes  an,  weil  wir  die  Wirkung  nur 
für  'eineÄ  besonderen  Zustand  der  Ursache  ansehen. 

Aber  noch  mehr.  Die  Atome  sind  ränmlieh  begrenzt;  folglich 
müssen  siot  j^  nachdem  man  sechs,  acht  oder  zehn  Himmelsrich- 
tungen annimmt^  entsprechend  viele  Seiten  und  somit  Glieder 
haben.  Sind  sie  aber  gegliedert,  so  können  sie  nicht  ewig  [un- 
teilbar] sein,,  und  somit  wird  die  Annahme  ihrer  Ewigkeit  und 
Oliederlosigksit  hinfällig.  Behauptet  ihr,  dafs  dasjenige,' was  ich 
für  Glieder  h^lte,  die  durch  die  verschiedenen  Himmelsrichtungen 
Verschiedenheit  haben,  eben  die  Atome  selbst  sind,  so  geht  das 
nicht.  Wenn  man  nämlich  vom  Groben  zum  Feinen  und  immer 
Feineren  fortgeht,  so  ist  alles,  bis  auf  die  letzte  Ursache,  ver- 
gänglich. Die  Erde  z.  B.  ist,  weil  sie  im  Vergleich  mit  den  Doppel- 
atomen u.  8.  w.  das  Gröbste  ist,  obwohl  sie  ein  vorhandenes  Ding 

545  ist,  I  doch  vergänglich;  ebenso  mufs  das  Feine  und  das  noch  Fei- 
nere, weil  es  mit  .der  Erde  gleicher  Art  ist,  vergänglich  sein; 
ebenso  weiter  das  Doppelatom;  in  derselben  Weise  sind  auch  die 
Atome,  weil  auch  sie  mit  der  Erde  gleichartig  [d.  h.  einen  Raum 
erfüllend]  sind,  vergänglich.  Meint  ihr,  dafs,  wenn  sie  vergäng- 
lich sind,  doch  auch  sie  nur  durch  Zerlegung  in  ihre  Teile  ver* 
gehen  können,  so  lassen  wir  das  nicht  gelten,  weil,  wie  bereits 
bemerk);,  ein  Vergehen  auch  so  denkbar  ist  wie  das  ßchmilzen 
der  Festigkeit  der  Butter.  Wie  nämlich  bei  Butter,  Gold  u.  s.  w. 
auch  ohne  Zerlegung  in  ihre  Teile,  dui'ch  Übergang  in  den  flüssi- 
gen Zustand  mittels  der  Wärme,  eine  Vernichtung  der  Festigkeit 
stattfindet,  ebenso  kann  auch  bei  den  Atomen  durch  Übergang 
in  das  Sein  der  letzten  Ursache  eine  Vernichtung  der  Materiali- 
tät u.  s.  w.  stattfinden.  In  gleicher  Weise  braucht  auch  die  HervQr- 
bringung  der  Wirkung  nicht  notwendig  als  eine  Verbindung  von 


SAtram  U.  ii.  17.  346 

Gliedern  aufgefafst  ku  werden,  indem  z.  B.  die  Milch  und  dias 
WaBser  auch  ohne  eine  besondere  Verbindung  von  Teilen  die  Wir* 
kungen  der  sauren  Milch  und  des  Eises  hervorbringen. 

Weil  also  somit  die  Atonitheurie  durch  eine  wenig  stichhaltige 
Reflexion  zusammengestöppelt  ist,  {  weil  sie  der  Schriftlehre  von  540 
Gott  als  der  Weltursache  widerstreitet,  und  weil  sie  von  Ge- 
lehrten, die  sich  der  Schriftlehre  zuneigen,  wie  Manu  und  anderen, 
nicht  angenommen  worden  ist,  deswegen  braucht  dieser  Atom- 
theorie gar  keine  Beachtung  geschenkt  zu  werden,  von  Arya*s, 
80  mufs  man  [das  Sütram]  erg&nzen,  welchen  es  um  ihr  Seelen- 
heil zu  tlmu  ist. 


Viertes  Adhdkaranam, 

18.    sainudAj/(^  ubfiaffohetuke  'pi,  tad-apräptih 

auch  wenn   das  durch    beide  Ursachen  bedingte  Ag- 
gregat Zugestenden  wird,   ist  Unerreichbarkeit  dessen 

[was  sie  wollen]. 

Wir  haben  gefunden,  dafs  die  Doktrin  der  Vai^eahika^s ,  weil 
sie  dem  Veda  widerspricht,  und  weil  sie  von  den  (relehrten  nicht 
angenommen  worden  ist,  keine  Beachtung  verdient,  wiewohl  die- 
selbe nur  halb-nihilistisch  war,  8ofei*n  sie  mit  dem  Nihilismus  eine 
gewisse  Verwandtschaft  hat.  Noch  viel  weniger  verdient  Beachtung 
die  Doktrin  der  vollständigen  Nihilinten;  und  diese;^  wollen  wir 
jetzt  erweisen.  £s  ist  aber  diese  Doktrin  vielgestaltig,  sei  es 
durch  den  Widerspinioh  der  Dogmen,  sei  es  durch  den  der  Schüler, 
und  es  finden  sich  in  ihr  folgende  drei  Richtungen  vertreten.  Die 
einen  behaupten  die  Realit&t  der  Welt;  andere  behaupten,  dafs 
nur  die  Vorstellung  real  sei,  und  eine  dritte  Richtung  nimmt  an, 
dafs  die  Welt  nichts  sei. 

I  Diejenigen  nun  zunächst,  welche  die  Realität  der  Welt  fest-  547 
halten,  nehmen  an,  dafs  es  Aufsendinge  und  lunendinge  gebe, 
nämlich  die  Elemente  und  was  aus  ihnen  gebildet  wird,  und  das 
Geistige  und  was  aus  dem  Geistigen  besteht.  Mit  diesen  haben 
wir  es  zunächst  zu  thun.  Ihre  Elemente  sind  die  Grundstoffe, 
wie  die  Erde  u.  s.  w.,  das  ans  ihnen  Entspringende  sind  einerseits 
die  Farbe  und  die  übrigen  [Objekte  der  Wahrnehmung],  ander- 
seits das  Auge  und   die  übrigen  [Sinnesorgane].     In  der  Vierzahl 


346  Q&riraka-mim&fisa 

bestehen  auch  die  Atome  der  Erde  u.  8.  w.,  welche  ihrer  Natur 
nach  fest,  flüssig,  heifs  und  beweglich  sind;  diese,  indem  sie  sich 
zusammenscharen,  bilden  das  Sein  der  Erde  u.  s.  w. ,  wie  sie 
meinen.  Weiter  giebt  es  die  fünf  Skandha's  (Ä^te),  nämlich  Wahr- 
nehmung, Erkenntnis,  Empfindung,  Benennung  [d.  h.  Sprache]  und 
Bestrebung;  auch  diese  werden  [analog  den  Atomen  der  Aufseu- 
weit]  in  dem  eigenen  Selbste  zusammengeschart  und  bilden  jda- 
durch,  wie  sie  meinen,  das  Substrat  aller  Th&tigkeiten.  —  Hierauf 
ist  zu   erwidern:    jenes    durch  beide  Ursachen  bedingte,  in  zwei 

M8  Arten  zerfallende  |  Aggregat,  welches  die  Gegner  annehmen,  das 
durch  die  Atome  bedingte,  welches  in  einer  Zusammenscharuug 
der  Elemente  und  dessen,  was  aus  ihnen  entspringt,  besteht,  und 
das  durch  die  Skandha^s  bedingte,  welches  in  dem  Produkte  der 
fünf  Skandha*s  besteht,  —  dieses  von  ihnen  angenommene  Aggre- 
gat, obwohl  es  aus  zweierlei  Ursachen  abgeleitet  wird,  leistet 
doch  nicht  was  sie  wollen,  d.  h.  die  Entstehung  dieses  Aggre- 
gates ist  nicht  möglich;  warum?  weil  dasjenige,  was  sich  zu  ihm 
zusammenschart,  ein  Ungeistiges  ist;  denn  das  Emporflammen  des 
Geistes  wird  erst  durch  die  Vollendung  des  Aggregates  bedingt, 
und  ein  anderes  Geistiges,  wie  etwa  eine  geniefsende  Seele  oder 
einen  regierenden  Gott,  welcher  bestandig  wäre  und  das  Aggregat 
hervorbrächte,  nehmen  sie  nicht  an.  Soll  aber  die  Bewegung,  auch 
ohne  durch  etwas  Derartiges  bedingt  zu  werden,  möglich  sein,  so 
folgt,  dafs  die  Bewegung  nicht  aufhören  kann.  Aach  weil  kein 
Substrat  [der  Skandha^s]  zu  ersehen  ist,  mag  dasselbe  nun  von 
ihnen  verschieden  oder  mit  ihnen  identisch  sein,  ferner  weil  zu- 
folge ihrer  Annahme  der  Dauerlosigkeit  eine  Thätigkeit  undenkbar 
ist,  wird   die  Bewegung  jener  [Bestandteile   des  Aggregates]   un- 

549  möglich.  Somit  |  kann  das  Aggregat  nicht  zu  Stande,  kommen; 
kann  aber  das  Aggregat  nicht  zu  Stande  kommen,  so  wird  damit 
der  auf  ihm  beruhende  Weltgang  unmöglich. 


19.    itara-Uara-pratyayatvddy  iti  cen?  na!  tUpatti^-maträ'' 

nimittatüiU 

weil   [die    Nidäna's]   aufeinanderberuhen  [sei    die  Be- 
gründung hinreichend]  meint  ihr?  Nein!  weil  sie  nur 
für  ihr  [eigenes]  Hervorgehen   [nicht  für  das  des 

Aggregates]  Ursache  sind. 

Man  könnte  entgegnen:  'wenn  auch  kein  Geistiges,  wie  die 
^geniefsende  Seele  oder  der  regierende  Gott,  als  Bewirker  des 
'Aggregates  und  als  dauernd  angenommen  wird,   so  ist  der  Welt- 


Sfttnun  U.  u.  19.  347 

^gang  doch  dadurch  mdglich,  dafs  Ton  dem  Nichtwissen  und  den 
^übrigen  [Nid&na's]  das  eine  immer  die.  Ursache  des  andern  ist; 
'ist  aber  der  Weltgang  als  mr>glich  eiiiriesen,  so  brauchen  wir 
'nach  einer  weiteren  I»egründnng  uns  nicht  umsnsehen.  Diese 
'nnn^  das  Nichtwissen  u.  s.  w.,  sind  folgende :  I.  Nichtwissen,  ll.  Be* 
'strebuug,  III.  Erkenntnis,  IV.  Name  und  Gestah/*  Y.  die  sechs 
'Basen  der  Wahrnehmung,  VI.  IWuhrung,  VII.  Empfindung, 
'VIII.  der  Durst,  IX.  die  Anklammerun^,  X.  das  Werden,  XI.  die 
'Geburt,  XII.  Alter,  Tod,  |  Kummer,  Jammer,  Schmon:  und  Vcr-  550 
'zweiflung.  In  dieser  Keihc  ist  das  eine  immer  die  Ursache  dos 
'andern,  und  die  Genannten  werden  in  dem  Systeme  der  Sugata's 
'[Buddhisten]  zuweilen  summarisch  aufgezählt,  zuweilen  aiisftlhr- 
'Uch  behandelt.  Es  ht  aber  diese  Reihe  des  Nichtwissens  u.  s,  w. 
'von  der  Art,  dafs  niemand  ihrer  entraten  kann.  Da  nun  diese 
'Reihe  des  Nichtwissens  u.  s.  w.,  in  welcher  das  eine  immer  die 
'Wirkung  und  wiederum  die  Ursache  eines  andern  ist,  ohne  Unter- 
'lafs  wie  die  Schöpfmasohine  fd.  h.  die  an  einem  Rade  befestigten 
'und  mit  diesem  umlaufenden  Schöpfeimer]  heranrollt,  so  wird, 
'schon  weil  dem  so  ist,  daa  Aggregat  als  Zweck  der  Sache  po- 
'stuliert  und  ist  somit  anzunehmen.^  —  Diese  Behauptung  bestreiten 
wir.  Warum?  „weil  sie  nur  für  ihr  Hervorgehen  Ursache  sind". 
Gewils  wäre  das  Aggregat  anzunehmen,  wenn  für  das  Aggregat 
irgend  «ine  es  bewirkende  Ursache  zu  ersehen  wäre.  Sie  ist  aber 
nicht  zu  ersehen;  denn  wenn  auch  das  Nichtwissen  u.  s.  w.  eines 
in  dem  andern  seineu  Grund  hat,  so  würde  doch  das  jedesmal 
Frühei'e,  indem  es  entstünde,  nur  fiir  das  jedesmal  Folgende  die 
bewirkende  Ursache  seines  Entstehens  sein,  während  hingegen  filr 
das  Hervorgehen  des  Aggregates  keinerlei  bewirkende  Ursache  vor- 
handen ist.  —  'Aber  vrurde  nicht  bemerkt,  dafs  das  Aggregat 
'von  dem  Nichtwissen  u.  s.  w.  als  Zweck  postuliert  werde?*  — 
Darauf  ist  zu  erwidern:  wenn  das  vielleicht  eure  Meinung  ist, 
dafs  das  Nichtwissen  u.  s.  w.,  weil  sie  ohne  das  Aggregat  keine 
Weseuhaftigkeit  haben  können,  auf  das  Aggregat  als  vprhanden 
schliefsen  lassen,  nun  so  müfst  ihr  doch  für  dieses  Aggregat  irgend 
eine  bewirkende  Ursache  angeben  können.  Aber  eine  solche  ist 
nicht  einmal  möglich,  wenn  man  ewige  Atome  annimmt,  |  und  651 
wenn  [daneben]  noch  geniefsende  Seelen  als  Träger  des  Substrates 
[der  Atom  Verbindung ,  d.  h.  des  adfishfam]  bestehen,  wie  wir  bei 
Prüfung  der  Vai^eshika's  fanden;  —  wie  sollte  sie  also  möglich 
sein,  wenn  man  sogar  die  Atome  als  dauerlos,  als  der  geniefsen- 
den  Seelen  oder  auch  eines  [sonstigen]  Trägers  des  Substrates  [der 
Atomverbindung]  ermangelnd  auffafst?  —  Oder  ist  die  Meinung 
diese,  dafs  das  Nichtwissen  u.  s.  w.  selbst  die  bewirkende  Ursache 
des  Aggregates  sind?  Aber  wie  köimen  diese,  da  sie  sich  doch 
auf  dasselbe  stützen  und  dadurch  erst  Weseuhaftigkeit  empfangen, 
für  eben  dasselbe  die  bewirkende  Ursache  sein!  —  Oder  meinst 


348  g&rtraka-iiitmAösft 

du  TieDeicht,  dafs  die  Aggregate  selbst  schon  in  dem  anfanglosen 
Sams&ra  als  ein  Kontinuierliches  bestehen,  und  dafs  auf  sie  als 
ihre  Grundlage  das  Nichtwissen  n.  s.  w.  sich  stützen?  In  diesem 
Falle  müfste  aus  dem  einen  Aggregate  das  andere  hervorgehen 
und  zwar  entweder  regehnäfidg  als  ein  gleichartiges  oder  un- 
geregelt als  ein  bald  gleichartiges  bald  ungleichartiges.  Ent- 
scheidest du  dich  för  die  Ragelm&fsigkeit,  so  wird  es  unmdglich, 
dafs  die  menschliche  Person  in  einen  göttlichen  oder  tierischen 
Mutierscliofs  oder  in  die  Hölle  eingeht;  nimmst  da  die  Ungeregelt- 
heit  an,  so  würde  folgen,  dafs  die  menschliche  Person  zuweilen 
plötzlich  zu  einem  Elefanten  oder  su  einem  Gotte  und  dann  wie- 
der zu  einem  Menschen  werden  könnte;  dieses  beides  ab«*  wider- 
streitet deinen  eigenen  Annahmen.  —  Femer  deijenige,  um  dessen 
&5S  Geniefsens  willen  das  Aggregat  da  ist,  |  d.  h.  die  individuelle  Seele 
als  der  dauernde  Geniefser,  wird  von  dir  geleugnet;  somit  folgt, 
dafs  der  Genufs  nur  um  seiner  selbst  willen  da  ist  und  nicht 
von  einem  andern  erstrebt  wird,  und  ebenso  wäre  die  Erlösung 
nur  um  ihrer  selbst  willen  da,'  und  ein  anderer,  der  nach  der 
Erlösung  strebte,  wäre  nicht  vorhanden.  Soll  hingegen  ein  an- 
derer vorhanden  sein,  der  beides  erstrebt,  nun  so  mii&  es  doch 
ein.  solcher  sein,  welcher  w&hrend  der  Zeit  des  Genusses  und  der 
Erlösung  besteht;  besteht  er  aber,  so  fallt  eure  Annahme  der 
Dauerlosigkeit  dahin.  —  Soll  also  in  der  Reihe  des  l^iohtwis- 
sens  n«  s.  w.  das  eine  immer  nur  die  bewirkende  Ursache  f&r  das 
Hervorgehen  des  andern  sein,  nun  so  lafst  sie  meinetwegen  es 
sein,  jedefifalls  aber  ist  das  Aggregat  damit  nicht  zu  Stande  zu 
bringen,  weil  euch  die  geniefsende  Seele  fehlt.  —  Das  ist  unsere 
Meinung. 


20.    uttura-utpäde  ca  pürva-nirodhdt 

und  weil  beim  Entstehen  des  folgenden  [Augenblicks] 

der  vorherige  zu  nichie  wird. 

Wir  haben  gezeigt,  dafs,  weil  das  Nichtwissen  u.  s.  w.  nur  die 
bewirkende  Ursache  ist  für  das  Hervoi'gehen  [der  andern  Glieder 
der  Kette],  das  Zustandekommen  des  Aggregates  unmöglich  ist. 
Aber  auch  dieses,  dafs  das  Nichtwissen  u.  s.  w.  die  bewirkende 
Ursache  für  ihr  eigenes  Hervorgehen  sein  sollen,  ist  nicht  möglich, 
wie  nunmehr  darzuthun  sein  wird.  —  Die  Theorie  von  der  Moment- 
vemichtung  nimmt  an,  dafs,  indem  der  folgende  Augenblick  ent- 
steht, der  vorherige  Augenblick  zu  nicbte  wird.  Bei  dieser  An- 
nahme aber  kö»nnen  sich   der   frühere  und  der  spätere  Augenblick 


Sfttram  ü.  ii.  20.  849 

nicht  wie  Ursache  und  Wirlrnng  ssu  einander  verhalten;  |  denn  553 
weil  der  frühere  Augen1)lick,  indem  er  vergeht  oder  sobald  er 
vergangen  ist,  vom  Nichtsein  verschlungen'  ¥rird,  kann  er  nicht 
die  Ursache  des  folgenden  Augenblickes  sein.  Oder  ist  die  Mei- 
nung vielleicht,  dafs  der  frühere  Augenblick  die  Ursache  des  spä- 
teren ist,  während  er  noch  im  Dasein  und  in  fertig  vorhandenem 
Zustande  ist?  Auch  das  geht  nicht;  denn  bei  dci^  Annahme,  dafs 
ein  seiend  Vorhandenes  [anfser  seinem  Dasein]  auch  noch  eine  Thä«-^ 
tigkeit  übt,  folgt,  dafs  dasselbe  mit  einem  zweiten  Augenblicke 
verknüpft  ist  [was  der  Momentvemichtung  widerstreitet].  Oder  soll 
seine  Th&tigkeit  nur  darin,  dafs  es  da  ist,  bestehen?  Auch  so 
geht  es  nicht,  weil  das  Entstehen  einer  Wirkung,  ohne  dafs  sie 
von  der  Natur  der  Ursache  afficiert  würde,  unmöglich  ist.  Wird 
aber  die  Ai&oierung  durch  die  Natur  [der  Ursache]  zugegeben, 
.80  dauert  die  Natur  der  Ursache  zur  Zeit  der  Wii'kung  noch  fort, 
und  damit  wird  auf  die  Theorie  von  der  Momentvei-nichtung  ver- 
zichtet. Nimmt  man  hingegen  an,  dafs  auch  ohne  eine  Beein- 
flussung ihrer  Natur  das  Verhältnis  von  Ursache  und  Wirkung 
möglich  ist,  so  folgt  daraus  zuviel,  indem  dann  dasselbe  überall 
gelten  würde  [somit  alles  aus  allem  entstehen  könnte].  —  Hierzu 
kommt,  dafs  das,  was  man  Entstehen  und  Vergehen  nennt,  ent- 
weder 1)  das  Wesen  des  Dinges  selbst  bildet  oder  2)  eine  Ver- 
schiedenheit im  Zustande  desselben  ist  oder  3}  ein  besonderes  Ding 
für  sich  idt.  Aber  keines  von  diesen  dreien  ist  annehmbar.  Sollen 
nämlich  1)  Entstehen  und  Vergehen  das  eigene  Wesen  des  Dinges 
ausmachen,  so  würden  das  Wort  „Ding^*  und  die  Worte  „Ent-  • 
„stehen  und  Vergehen^'  Weehselbegriife  sein  [was  nicht  annehm- 
bar isf"].  Oder  soll  2)  ein  Unterschied  stattfinden  in  der  Art, 
dafs  mit  den  Worten  Entstehen  und  Vergehen '  an  dem  zwischen 
ihnen  liegenden  Dinge  der  Anfangs-  und  End-Zustand  |  bezeichnet  &54 
werden?  In  diesem  Falle  ist  das  Ding  mit  den  drei  Zeitpunktea 
des  Anfangs,  Endes  und  der  Mitte  verknüpft,  und  die  Annahme 
seiner  Dauerlosigkeit  aufgegeben.  Oder  sollen  3)  das  Entstehen 
und  Vergehen  von  dem  Dinge  absolut  verschieden  sein,  wie  ein 
Ochse  von  einem  Pferde?  Nun,  dann  wird  das  Ding  von  dem 
Entstehen  und  Vergehen  gar  nicht  berührt,  müfste  somit  «wig 
bestehen.  Soll  aber  etwa  das  Entstehen  und  Vergehen  blofs  darin 
bestehen,  dafs  das  Ding  siditbar  und  unsichtbar  wird,  so  sind 
beide  nur  Bestimmungen  an  dem  Betrachter  und  nicht  an  dem 
Dinge,  und  das  Ding  mülste  ewig  bestehen  bleiben.  —  Auch 
darum  also  ist  die  Meinung  der  Sugata's  ohne  Halt. 

*  Nach  dem  Glossator,  weil  dann  das  Ding  nicht  Entstehen  und  Ver- 
gehen als  Beatimmungen  ao  sich  tragen  könnte,  somit  ewig  sein  würde 
(iaifoh  stMirt^o^pe,  voBttmi  antarbhdväd,  vastuno  ^nddi-mianta-^at'tvem ; 
iii  api  dradifavyam). 


350  Qlüriraka-mtinlkiM 

21.    asatiy  pratijnd'-uparodhd;  yaugapadyam  anyaJQiA 

während  [sie]  nicht,  Widerspruch  gegen  die  Annahme; 

sonst  Gleichzeitigkeit. 

Nach  der  Theorie  der  Homentvemiohiang  kann,  wie  wir  ge- 
zeigt haben,  der  frühere  Angenbliok,  weil  er  von  der  Yemicfatung 
verschlungen  wird,  nicht  die  Ursache  des  folgenden  Augenblickes 
sein.  Oder  behauptet  der  Gegner  vielleicht,  dafs  die  Wirkung 
.  auch  entstehen  könne,  „w&hreud'^  die  Ursache  „nicht"  vorhanden 
ist?  Darin  würde  ein  „Widerspruch  gegen  die  Axuiahme"  liegen. 
Nämlich  die  Annahme,  dafs  der  Geist  und  das  Geistige  entstehe, 
indem  es  auf  die  vier  Arten  von  ura&chlichen  Momenten  [Bing, 
Werkseug,  Hitwirkendes,  Anstrengung]  zurückgehe,  würde  damit 
aufgegeben  sein;  auch  würde  bei  einem  ursachlosen  Entstehen  kein 
555  Hindernis  sein  dafür,  |  dafs  alles  überall  entstünde.  Oder  will 
man  das  Entstehen  de«  folgenden  Augenblickes,  während  der  vor- 
herige Augenblick  noch  fortbestehe,  behaupten?  Daraus  würde 
eine  „Gleichzeitigkeit"  von  Ursache  und  Wirkung  siph  ergeben, 
sowie  auch  ein  Widerspruch  gegen  die  Annahme;  denn  der  An- 
nahme, dafs  alle  Bestrebungen  dauerlos  sind,  würde  damit  wider- 
sprochen werden. 


22.    pratisahkhyä  *  aprcUisanJchyä  -  nirodha  -  apräpür^ 

avicehedät 

der  bewufsten  und  unbewursten  Vernichtung  Un- 
angänglichkeit,  wegen  der  IJnabtrennbarkeit. 

Ferner  behaupten  die  Nihilisten:  „Dasjenige  was,  durch  die 
„Erkenntnis  erkennbar,  von  der  Dreiheit  verschieden  ist,  ist  ent- 
„standen  und  dauerlos."  Unter  der  Dreiheit  verstehen  sie  die 
bewufste  und  unbewufste  Vernichtung  und  den  Raum.  Und  auch 
diese  Dreiheit  ist,  wie  sie  meinen,  wesenlos,  ein  blofses  Nichtsein 
und  nicht  als  real  ersichtlich.  Unter  der  bewufsten  Vernichtung 
verstehen  sie  ein  Zunichtewerden  der  Existenzen,  welcher  ein  Be- 
wufstsein  vorbeigeht;  unter  der  unbewufsten  Vernichtung  das  Gegen- 
teil; und  den  Raum  erklären  sie  für  die  blofse  Abwesenheit  von 
Hemmungen.  Was  nun  ihren  [Begriff  vom]  Raum  betrifft,  so  kom- 
556  men  wir  nachher  darauf;  |  zunächst  widerlegt  der  Lehrer  hier 
die  zwei  Arten  der  Vernichtung.   ,,Der  bewufsten  und  unbewufsten 


Satram  U.  xl  29.  851 

„Yemichtmig  Unangftngliohkeit^S  d.  h.  Unmöglichkeit  orgiebt  sich; 
waram?  „wegen  der  Unabtrennbarkeit'S  Nämlich  diese  bewafste 
und  anbewoHrte  Vemichtimg  besiehen  sich  entweder  auf  eine  Kon- 
tinoitftt  (saniäna)  oder  auf  eine  Existeiis.  Änf  eine  Kontinuit&t 
können  sie  sich  nicht  besiehen.  Denn  bei  allen  Kontinaitfiten  ist, 
weil  sie  nur  unabgetrennt  von  dem  Kontinuierlichen  als  Ursache 
und  Wirkung  [d.  h.  als  ein  Kontinuum  Ton  Zuständen,  deren  einer 
immer  die  UrMche  des  folgenden  ist]  bestehen  können,  eine  Ab- 
trennung der  Kontinuität  [von  einer  sie  tragenden  Substanz]  un- 
möglich. Femer  aber  können  sich  die  beiden  Vernichtungen  nicht 
auf  eine  Existenz  beziehen;  denn  bei  Existenzen  ist  eine  Ver- 
nichtung, wodurch  sie  kontinuitätlos  und  nicht  als  real  ersichtlich 
würden,  nicht  möglich;  denn  in  allen  Zuständen  zeigt  sich  eine 
„Unabtrennbarkeit  ^'  {d.  h»  Unzerstörbarkeit]  des  sich  Kontinuie- 
renden  [der  Substanz],  was  dadurch  erhärtet  wird,  dafs  man  [die 
Dinge  Irotz  des  Wechsels  ihrer  Zustände]  wiedererkennt.  Und 
wenn  auch  zuweilen  die  Zustände  von  der  Art  sind,  dafs  das 
Wiedererkennen  [der  Substanz]  nicht  deutlich  ist,  so  darf  man 
doch  aus  den  Fällen ,  wo  die  Unabtrennbarkeit  des  sich  Konti- 
nuierenden  [die  Unzerstörbarkeit  der  Substanz]  vor  Augen  liegt, 
den  Schlufs  ziehen,  dafs  dasselbe  auch  anderweit  stattfindet.  — 
Somit  ist  die  von  den  Gegnern  angenommene  Zweiheit  der  Ver« 
Dichtung  unstatthaft. 


23.  ubhayatM  ca  doshät  557 
und  weil  in  beiden  Fällen  ein  Fehler. 

Die  Gegner  nehmen  an,  dafs  auch  die  Vernichtung  des  Nicht- 
wissens u.  8.  w.  unter  der  bewufsten  und  unbewufsten  Vernich- 
tung einbegriffen  sei.  Nun  kann  die  Vernichtung  des  Nichtwissens 
entweder  durch  die  vollkommene  Erkenntnis  und  was  zu  ihr  ge- 
hört erfolgen  oder  aus  sich  selbst.  Bei  ersterer  Annahme  wird 
die  Behauptung,  dafs  die  Vernichtung  ursachlos  sei,  hinfällig;  bei 
letzterer  würde  folgen,  dafs  es  unnötig  ist,  jemandem  den  Weg 
[zur  erlösenden  Erkenntnis]  zu  weisen.  Weil  also  „in  beiden 
„Fällen  ein  Fehler ^^  hervortritt,  ist  dieses  System  ungereimt. 

• 

24.  äkäfe  ca^  avifeshät 

anch  beim  Baume,  weil  er  ebenso  gut  [ein  Seiendes  ist]. 

Von  den  drei  seitens  der  Buddhisten  nicht  als  real  ersichtlich 
angenommenen  Stöcken,  den  zwei  Vernichtungen  und  dem  Baume, 


862  g&rtrftka-mlmtLAsi 

haben  wir  die  Niehtabrealersichtliohkeit  der  swei  Vernichtungen 
vorher  abgewiesen.,  es  bleibt  noch  die  des  Baumes  abzuweisen. 
Die  Annahq[ie  also,  daifs  der  Baum  nicht  als  real  ersichtlich  sei, 
ist  eine  ungereimte,  weil  man  bei  ihm  „ebenso  gut*^  wie  bei  der 
bewnfsten  und  unbewnfsten  Yemiohtung  die  Sabstam&ialität  er- 
kennt; «nnftchst  aus .  dem  Zeugnisse  der  Schrift,  wenn  sie  sagt: 
„aus  dem  Atman  ist  der  ÄkÄ^a  (Raum)  entständen^'  (Taitt.  2,1); 
hieraus  ergiebt  sioh^  dafs  anch  der  Baum  substanziell  ist.  Aber 
auch  wer  {wie  die  Buddhisten]  das  Schriftseugnis  nicht  gelteu 
Iftfst,  dem  kann  man  entgegenhalten,  dafs  der  Baum  aus  der 
Qualität  des  Schalles  gefolgert  werden  mufs,  da,  wie  die  Er- 
658  falirung  zeigt,  jede  Qualität,  2.  B.  der  Geruch,  |  eine  Substanz, 
s.  B.  die  Erde,  als  ihren  Träger  hat.  —  Femer,  wenn  der  Gegner 
den  Baum  als  die  blofse  „Abwesenheit  von  Hemmungen"  definiert^ 
so  würde  daraus  folgen,  dafe  da,  wo  ein  Vogel  fliegt,  mithin  eine 
Hemmtmg  vorhanden  ist,  [kein  Baum  sein  würde  und  folglich]  für 
einen  andern  Voge),  der  hinter  ihm  beriiöge,  kein  Platz  sein 
wü]i'de.  Behauptest  du,  dafs  er  da  fliegen  könne,  wo  eine  Ab- 
wesenheit von  Hemmungen  sei ,  so  ist  zu  erwidern ,  dafs  dasjenige, 
wodurch  die  Abwesenheit  der  Hemmungen  bedingt  ist,  dieses  Sub- 
stanzielle  eben  der  Baum  ist,  nicht  aber  die  blofse  AbV^s^nheit 
der  Henmiungen.  Übrigens  verstrickt  sich  der  Sugata,  w^an  er 
den  Baum  für  die  blofse  Abwesenheit  von  Hemmungen  erktärt, 
in  einen  Widerspruch  mit  seinen  eigenen  Annahmen.  Denn  in 
dem  Lehrbuche  der  Sagata's'*'  heifst  es:  ;,worauf,  o  Ehrwürdiger, 
„stützt  sich  die  Erde?*'  und  im  weiteren  Verlaufe  der  Fragen  und 
Antworten  über  die  Erde  u.  s.  w.  heifst  es  zum  Schlüsse:  „worauf 
„stützt  sich  der  Wind?^^  und  als  Antwort  auf  diese  Frage:  „der 
„Wind  stützt  sich  auf  den  Äka^a  (Baum)".  Dieses  ist  nur  dann 
berechtigt,  wenn  der  Baum  eine  Substanz  ist;  auch  darum  also 
ist  es  ungereimt  zu  behaupten,  dafs  der  Baum  keine  Substanz  sei. 
—  Ferner,  wenn  die  Dreiheit,  bestehend  aus  den  zwei  Vernich- 
tungen und  dem  Baume,  nicht  als  real  ersichtlich  und  wesenlos 
und  dabei  doch  eWig  sein  soll,  so  liegt  hierin  ein  Widorspinich ; 
denn  was  wesenlos  ist,  das  kann  weder  eMrig  noch  unewig  sein. 
Denn,  nur  unter  Voraussetzung  einer  Substanz  kann  von  Quali- 
täten und  einem  Träger  derselben  die  Bede  sein.  Denn  wo  Qua- 
litäten und  [somit]  ein  Träger  derselben  vorliegt,  da  ist,  wie  z.  B. 
bei  einem  Topfe  u.  dgl.,  eben  Substanzialität,  nicht  aber  jene 
„  Nicht-als-roaUErkennbarkeit "  vorhanden« 


*  Vgl.  Abhidharma'koga'Vyäkhy.d  bei  BL  Müller,  üpanishada 
II,  p.  Lir:  prithivi^  bho  Qautama^  kuira  pratisJifhM  ?  —  Priikiviy  hräh* 
iißanay  ab-wanddU  praUshthüä,  —  Alhmandälam,  bho  Onuiama,  kva 
pratishthitam?  —  Tayau  pratishthiiam,  -—  F^sfur,  bko  Gaulama,  kva 
pratishtiiitah?  —  Äkd^e  pratishihitab. 


Sfttram  II.  ii.  25.  353 

25.    onusmriteQ  ca  ^^^ 

und  wegen  der  Rückerinnerong. 

Hierzu  kommt,  dafs  der  NihiHoEt,  wctm  er  die  Daaerloeigkeil 
von  allem  Seienden  behauptet,  auch  die  Dauerlosigkeit  der  Wahr- 
nf^hmung*  annehmen  mufs,  und  diesoh  geht  nicht  an,  „wegen  der 
^,Rückerinnerung^S  Die  Erinnerung,  welche  auR  der  rückwärts 
gelegenen  inneren  und  ftufseren  Wahrnehmung  hervorgeht »  heifst 
die  Rückerinnerung;  und  dietie  ist  nur  dann  möglich,  wenn  sie  v 
mit  der  Wahrnehmung  einen  und  deoHelben  Thäter  hat;  denn  es 
ist  nicht  möglich,  dafs  der  eine  Mensch  sich  erinnere  an  daa, 
was  ein  anderer  wahrgenommen  hat.  Wio  wäre  auch  sonst,  wenn 
es  nicht  ein  und  derselbe  wäre,  der  das  FiiÜiero  und  das  Spätere 
erkennete,  möglich,  su  sagen:  „ich  habe  damals  jenes  gesehen, 
,,und  jetet  sehe  ich  dieses*'?  Hierzu  kommt,  dafs  die  Annahme 
eines  Wiedererkenn'ens ,  welche  offenbar  beweist,  dafs  das  Sehen 
und  das  Sicherinnern  demselben  Thäter  zukommt,  von  aller  Welt 
zugestanden  wird,  indem  man  sagt:  „ich  habe  damals  jenes  ge- 
„sehen,  und  sehe  jetzt  dieses *^  Wäre  der  Thäter  bei  beidem 
nicht  der  nämliche,  so  würde  man  annehmen:  „ich  erinnere  mich 
„an  das,  was  ein  anderer  gesehen  haf:  niemand  aber  nimmt 
dieses  an;  denn  wo  ein  derartiger  Fall  eintritt,  da  nimmt  alle 
Welt  an,  dafs  das  Sehen  und  das  Sicherinnern  auf  einen  ver- 
schiedenen Thäter  zurückgeht,  und  man  sagt:  ,.ich  erinnere  mich 
„daran,  dafs  der  und  der  ander«  es  gesehen  hat".  Hier  aber, 
wo  es  heifst;  „ich  habe  es  gesehen*^,  mufs  selbst  der  Nihilist  zu- 
geben, dafs  für  das  Sehen  und  für  das  Sicherinnern  [  sein  eigenes  560 
und  einheitliches  Selbst  der  Thäter  ist.  Denn  das  dabei  sich  be- 
thätigende  Bewnfstsein  von  dem  eigenen  Selbste  kann  er  nicht 
leugnen  und  sagen:  „ich  bin  nicht 'S  so  wenig  wie  er  das  Feuer 
für  kalt  oder  dunkol  erklären  kann.  Ist  dem  aber  so,  so  wird 
hier  ein  und  derselbe  mit  den  beiden  Augenblicken  des  Sehens 
und  des  Sichorinnems  verknüpl^,  und  damit  wird  es  unvermeid- 
lich, die  nihilistische  Behauptung,  dafs  alles  mit  dem  Augenblicke, 
in  dem  es  besteht,  zunichte  werde,  aufeugeben.  Indem  er  ferner 
immer  fort  und  fort  die  Annahme  seines  eigenen  Selbstes  als  die 
des  nämlichen  Thäters  anerkennt  bis  zu  seinem  letzten  Atemzuge, 
und  auch  die  vergangenen  Anschauungen  von  seiner  Geburt  an 
als  solche,  die  sein  Selbst  zum  einzigen  Thäter  haben,  mitein- 
ander verknüpft,   —  wie  kommt  es,   dafs   der  Nihilist  sich  nicht 


^  upaUbäher;  rirJitiger*  vpalabdhur,  ^des  wahrnehmenden  Suhjektfis**. 

IhnuMBH,  V«d4m«.  23 


354  Q&rlraka-mlm&ilslt 

schämt  mit  seiner  Theorie  von  der  Momentvemichtuug!  Wenn 
er  behaupten  «ollte,  dafs  dieses  auch  durch  die  Ähnlichkeit  [des 
früheren  mit  dem  gegenwärtigen  Subjekte]  erklärlich  sei,  so  soll 
man  ihm  [zunächst  im  allgemeinen]  antworten :  in  dem  Satze  „die- 
„ses  ist  jenem  ähnlich"  findet  sich  die  Ähnlichkeit  auf  eine  Zwei- 
heit  bezogen;  wenn  aber  darum  der  Yerteid^er  der  Moment- 
yemichtung  meint,  dafs  es  für  die  beiden  sich  ähnlichen  Dinge 
einen  mit  sich  identischen  AufPaflsser  nicht  gebe,  dafs  somit  das 
sie  Verknüpfende  nur  durch  die  Ähnlichkeit  beider  bedingt  sei,    | 

561  so  ist  das  ein  leeres  Gerede.  Soll  die  Verknüpfung  überhaupt 
möglich  sein,  so  mufs  es  einen  einlieitlichen  Auffasser  für  die 
Ähnlichkeit  des  fdlheren  mit  dem  späteren  Augenblicke  geben,  ist 
dem  aber  so,  so  besteht  dieser  eine  während  beider  Augenblicke, 
und  die  Behauptung  der  Dauerlosigkeit  wird  hinfallig.  Behauptet 
ihr:  der  Satz  „dieses  ist  jenem  ähnlich**  sei  eine  neue  VorsteUung 
und  habe  seinen  Grund  nicht  darin,  dafs  die  Zweiheit  des  frühe- 
ren und  des  späteren  Augenblicks  aufgefafst  wei;de,  so  bestreiten 
wir  das,  denn  in  dem  genannten  Satze  werden  die  beiden  ver- 
schiedenen Begri£Pe  „dieses"  und  „jenes"  zusammengefafst;  soll 
dies  nur  eine  neue  Vorstellung  sein,  so  wäre  das  Objekt,  auf  wel- 
ches sie  sich  bezöge,  [nicht  „dieses"  und  „jenes",  sondern  nur] 
die  Ähnlichkeit  selbst;-  der  Satz  „dieses  ist  jenem  ähnlich  "wäre 
sinnlos,  und  man  dürfte  nur  sagen:  „eine  Ähnlichkeit  ist".  Wenn 
etwas,  was  allgemein  anerkannt  ist,  von  dem  Kritiker  nicht  be- 
rücksichtigt wird,  so  mag  er  im  übrigen  seine  Meinung  beweisen 
oder  eine  fremde  Meinung  bemängeln,  —  das  eine  wie  das  andere 
kann  weder  für  andere  Kritiker  noch  auch  filr  ihn  selbst  so  wie 

562  es  sich  gehört  |  in  den  Zusammenhang  seines  Bewufstseins  ein- 
treten; denn  wenn  es  ausgemacht  ist,  dafs  eine  bestimmte  Sache 
sich  so  und  nicht  ander«  verhält,  so  muDs  man  es  auch  zugeben, 
und  wer  das  Gegenteil  davon  versichert,  der  bekundet  damit 
weiter  nichts  als  seine  eigene  Geschwätzigkeit.  Ein  solches  Um» 
springen  mit  dem  Begriffe  der  Ähnlichkeit  ist  nicht  berechtigt, 
dafs.  man  ihr  Dasein  annimmt  und  das  Dasein  dessen,  was  sich 
ähnlich  ist,  nicht  annimmt.  Und  wenn  auch  [um  auf  den  be- 
sonderen Fall  zu  kommen]  mitunter  bei  einem  Aufsendinge  wegen 
der  Möglichkeit  einer  Täuschung  darüber,  ob  dieses  jenes  selbst 
oder  ihm  nur  ähnlich  sei,  ein  Zweifel  möglich  ist,  so  ist  doch  in 
Betreff  des  auffassenden  Subjektes  niemals  ein  Zweifel 
darüber  möglich,  ob  ich  jener  sei  oder  ob  ich  ihm  ^ur  ähnlich 
sei;  vielmehr  ist  es  ganz  ausgemacht,  dafs  eben  derselbe,  der  ich 
gestern  etwas  sah,  eben  derselbe  es  heute  bin,  der  ich  mich 
daran  erinnere,  indem  ich  mir  meines  Seins  unmittelbar  be- 
wufst  bin.  Auch  darum  also  ist  die  Lehre  der  Nihilisten  eine 
falsche. 


Sfltnun  II.  n.  88.  356 


26.    na  asato,  'drishtatvAt  &63 

•  •  • 

nicht  aus  dem  Nichtseiendeti ,   w^en  der  Erfahrungs- 

widrigkeit. 

Auch  daram  ist  die  Lehre  der  Nihilisten  falgoh,  weil  aus  ihrer 
Lengnting  einer  beharrenden  kontinuierlichen  Ursache  folgen  würde, 
dafs  das  Sein  aus  dem  Nichtsein  entstünde;  ja  dieses  Entstehen 
des  SeiuR  aus  dem  Nichtsein  lehren  '  sie  selbst  mit  den  Worten : 
„weil  es  nur  ^ach  ▼orheriger  Vernichtung  offenbar  wird**;  d.  h. 
*nur  indem  z.  B.  der  Same  vergeht,  entsteht  die  Pflanze;  ebenso 
'entsteht  durch  den  Vergang  der  Milch  die  saure  Milch,  durch 
^den  des  Thonklumpens  das  fertige  OefÜfs;  ginge  die  Wirkung  aus 
'einer  Ursache  henror,  die  über  den  Vorgang  erhaben  [folglieh, 
*da  alles  IndiTiduelle  wechselt,  nicht  individuell  bestimmt]  wäre, 
'so  würde  aus  ihr  ohne  Unterschied  alles  allerwärts  entstehen 
'können.  Weil  also  aus  dem  Samen  u.  s.  w.  nur,  indem  er  von 
'dem  Nichtsein  versohlungen  wird,  die  Pflanze  u.  s.  w.  hervorgeht, 
darum  entsteht  das  Sein  aus  dem  Nichtsein*;  das  ist  ihre  Meinung. 
—  Hierauf  ist  zu  erwidern:  „nicht  aus  dem  Nichtseienden,  wegen 
„der  Erfahrungswidrigkeit";  d.h.  das  Sein  entsteht  nicht  aus  dem 
Nichtsein;  entstünde  das  Sein  aus  dem  Nichtsein,  so  würde,  weil 
das  Nichtsein  ein  Unterschiedloses  ist,,  die  Annahme  einer  bestimm- 
ten Ursache  unnötig  werden,  denn  das  Nichtsein,  welches  aus  der 
VemiehtuQg  des  Samens  u.  s.  w.  hervorgeht,  würde  |  mit  einem  &$4 
Hasenhom  und  anderen  [Unmöglichkeiten]  in  seiner  Eigenschaft 
des  Nichtseins. gänzlich  übereinstimmen;  es  würde  mithin  in  dieser 
Beschaffenheit  als  ein  Nichtsein  kein  Unterschied  liegen,  der  es 
forderte^  dafs  nur  aus  dem  Samen  die  Pflanze,  nyr  aus  der  Milch 
die  saure  Milch  entspränge,  dafs  mithin  in  dieser  Weise  die  Auf- 
suchung einer  bestimmten  Ursache  das  Richtige  wäre.  Nimmt  man 
als  Ursache  ein  unterschiedloses  Nichtsein  an,  so  könnte  auch  luis 
einem  Hasenhom  n.  s.  w.  eine  Pflanze  u.  s.  w.*  entspringen;  das 
aber  ist  erfahmngswidrig.  Wird  hingegen  an  dem  Nichtsein  selbst 
ein  Unterschied  angenommen,  wie  an  der  Lotosblume  die  blaue 
oder  sonstige  Farbe,  nun  so  vrürde  daraus  für  das  mit  den  Unter- 
schieden behaftete  Nichtsein  ein  Sein  ähnlich  dem  der  Lotosblume 
folgen,  nicht  aber  würde  das  Nichtsein  die  Ursache  sein,  dafs  ir- 
gend etwas  entstünde,  eben  weil  es  ein  blojses  Nichtsein  ist,  ganz 
80  wie  das  Hasenhom  u.  s.  w.  Femer  würde,  falls  aus  dem  Nicht- 
sein das  Sein  entstünde,  jede  Wirkung  ab  mit  diesem  Nichtsein 
[der  Ursache]  behaftet  sidi  zeigen;  das  aber  ist  gegen  die  Erfah- 
rung, weil  ein  jiades  Ding  in  seiner  Art  nur  als  vermöge  des  Seins 
[seiner  bestimmten  Ursache]  besteht  und  sich  zeigt.    Denn  niemand 

28* 


356  ^irtraka-mimAAsA 

bat  noch  behauptet^  dafs  die  aus  Thon  bestehenden  OeiafBe  Um- 
wandlungen aus  den  Fftdien  oder  anderem  seien,  yielmehr  sind  alle 
darin*  einig,  dafs  das  aas  Thon  bestehende  Sein  nur  eine  Umwand- 
long  des  Thones  sein  könne.  Wenn  femer  behauptet  wurde,  dafs 
566  kein  |  Ding  ohne  Yemichtnng  seiner  Natur,  folglich  kein  Über  diese 
erhabenes  Ding  eine  Ursache  abgeben  könne,  und  dafs  darum  das 
Entstehen  des  Seins  aus  dem  Nichtsein  geschehen  müsse ,  so  ist 
das  eine  unglückliche  Behauptung,  denn  die  Erfahrung  seigt,  wie 
z.  6.  das  Gold,  indem  es  in  seinem  Sein  behant,  daher  auch  als 
solches  wiedererkannt  wird,  für  die  Wirkungen  des  Goldschmuckes 
u.  R.  w.  die  beharrende  Ursache  i^t.  Wenn  femer  bei  dem  Samen- 
korn und  anderen  Dingen  eine  Vernichtung  sich  zeigt,  so  ist  auch 
hierbei  nicht  jener  der  Yemicbtung  anheimfallende  frühere  Zustand 
für  den  späteren  Zustand  als  Ursache  anzusehen;  vielmehr  bilden 
die  nicht  rernichteten ,  kontinuierlichen  Teilchen  des  Samenkorns 
u.  B.  w.  das  ursächliche  Sein  fUr  die  Pflanze  u.  s.  w.  Weil  somit 
die  Erfahrung  zeigt,  dafs  aus  dem,  was  nicht  ist,  se.  B.  aus  dem 
Hasenhom,  kein  Seiendes  entstehen  kann,  weil  sie  ferner  zeigt,  wie 
aus  einem  Seienden,  z.  B.  aus  dem  Golde,  ein  Seiendes  entspringt, 
daher  ist  jene  Behauptung  eines  Herrorgehens  des  Seins  aus  dem 
Nichtsein  ungerechtfertigt'.  Auch  nehmen  die  Gegner  ja  selbst  an, 
dafs  aus  den  „vieren"  [Ding,  Werkzeug,  Mitwirkendes,  Anstrengung] 
der  Geist  und  das  Geistige,  und  wiederum  aus  den  Atomen  das 
Aggregat  der  Elemente  und  des  Elemeutartigen  entspringe;  und 
wenn  sie  nun  wieder  mit  der  Behauptung  kommen,  dafs  das  Sein 
aus  dem  Nichtsein  hervorgehe,  so  wird  von  den  Nihilisten  jene 
ihre  andere  Annahme  abgeleugnet,  und  die  ganze  Welt  auf  den 
Kopf  gestellt. 


566  27.    udä^nänäm  api  ca  evam  siddhih 

auch  würde  es  dann  den  Nichtsthueuden  gelingen. 

Wenn  man  annähme,  dafs  das  Sein  aus  dem  Nichtsein  hervor- 
ginge, so  würde  auch  den  Niohtsthuenden,  auch  den  Menschen,  die 
sich  nicht  bemühten,  alles,  was  sie  wollten,  gelingen,  weil  das 
Nichtsein  ja  leicht  zu  beschaffen  ist.  Der  Bauer  würde  auch  ohne 
sich  mit  der  Bearbeitung  des  Feldes  au  bemühen  das  Getreide 
wachsen  sehen;  der  Töpfer  würde  auch  ohne  sich  um  die  Formung 
des  Thones  au  bemühen  das  Gefäfs  hervorbringen;  der  Weber 
würde  auch  ohne  die  F&den  zusammenzuweben ,  gerade  «o  gut 
als  wenn  er  sie  zusammen  webte,  ein  Gewebe  erhalten;  auch 
brauchte  sich  kein  Mensch  in  Mühe  zu  versetzen,  um  ^en  Himmel 


Sütraxn  IL  il  27.  357 

oder  die  ErlösuDg  zu  erlangen.  Das  aber  geht  nicht  an  und  wird 
auch  von  niemandem  zugestanden;  und  darum  ist  jene  Annahme, 
dafs  das  Sein  aus  dem  Nichtsein  entstehe,  eine  ifalBcfae. 


Fünftee  Adhikaranam. 

28.    na  ahhäva'  upaUtbdheJi 
nicht  das  Nichtsein,  wegen  der  Apperception. 

Nachdem  in  dieser  Weise  gegen  die  realistische  Theorie  die 
Unmöglichkeit,  dass  ein  Aggregat  zu  Stande  komme,  und  andere 
Einwendungen  geltend  gemacht  worden  sind,  so  ü'itt  nunmehr  der- 
jenige Buddhist,  welcher  nur  die  Vorstellung  [der  Welt]  für  wirk- 
lich hält,  in  folgender  Weise  auf. 

[Der  Buddhist  spricht:] 

^Indern  man  die  Hinneigung  mancher  Schüler  zu  den  äufseren 
'Dingen  bemerkte,  hat  man  ihnen  zu  Gefallen  diese  Lehrmeinung 
*von  [der  Realität]  der  Aufsenwelt  aufgestellt.  Nicht  aber  ist  sie 
^die  Ansicht  Sugata's;  |  vielmehr  ist,  was  er  wollte,  die  Lehre  von  667 
^ler  alleinigen  Kategorie  (skandTui)  der  Vorstellung  (vijfiänani). 
*Nach  dieser  Voi^stellungslchre  beruht  die  Aufsengestalt  [nur]  in 
^dem  Intellekte  (buddhi)^  und  das  ganze  Welttreiben  von  Erkennen, 
^Erkanntem  imd  [Genufs  der]  Frucht  ist  nur  etwas  Innerliches; 
'und  gäbe  es  selbst  Aufseudinge,  so  würde  doch,  ohne  dafs  es  in 
*dem  Intellekte  beruhte,  dieses  Welttreiben  von  Erkennen  u.  s.  w. 
'nicht  von  statten  gehen  können. 

'Aber  womit  wird  denn  bewieben,  duk  das  ganze  Welttreiben 
'nur  etwas  Innerliches  ist,  und  dafs  es  ül>er  die  Vorstellung  hinaus 
'keine  Aufsendinge  giobt?  —  Damit,  dufs  dieselben  unmöglich  sind! 
'Angenommen  nämlich,  es  gäbe  äufser liehe  Objekte,  so  müfsten 
'dieselben,  z.  B.  die  festen  Körper,  entweder  unendlich  klein 
'(paramanu)  oder  ein  Aggregat  von  unendlich  Kleinem  sein.  Un- 
'endlich  klein  nun  kann  das,  was  die  Ferception  als  festen  Körper 
'u.  s.  w.  umgrenzen  mufs,  nicht  "«ein,  weil  ein  unendlich  Kleines 
'nicht  sichtbar  und  erkennbar  ist:  aber  auch  kein  Aggregat  von 
'UTiendlich  Kleinem:  weil  ein  solches  weder  als  verschieden  von 
'dem  unendlich  Kleinen  noch  als  identisch  mit  ihm  |  gedacht  wer-  566 
'den  kann  [nicht  als  verschieden,  weil  es  aus  ihm  besteht,  nicht 
'als  identisch,  weil  es  dann  in  allen  seinen  Teilen  sich  der  Wahr- 
'nehmung  entziehen    würde].  —  Dasselbe  gilt  von   d<*n  Gattungen 


358  (;&rlraka-mlmliÄ6li 

'[auch  diese  sind  nicht  real,  weil  sie  weder  als  identisch  mit  den 
'Individuen  noch  .als  yon  ihnen  verschieden  gedacht  «werden  können]. 

'Femer:  wenn  die  Erkenntnis  Qndnant),  die  ihrer  Natur  nach 
'ein  Allgemeines  ist,  indem  sie  allein  durch  die  Empfindung 
^(anfMtava)  erzeugt  wird,  je  nach  den  Gegenständen  limitiert  wird 
'als  Erkenntnis  der  Säule,  Erkenntnis  der  Wand,  Erkenntnis  des 
'Geföfses,  Erkenntnis  des  Gewebes,  so  ist  dies  nicht  anders  mög- 
'Uch  als  durch  eine  Modifikation  (vigesha)^  welche  die  Erkenntnis 
'betrifft.  —  Somit  mufs  man  unweigerlich  die  Wesenseinheit  (sdrü* 
^pyam)  der  Erkenntnis  mit  den  Gegenständen  zugeben.  Hat  man 
'diese  aber  zugegeben,  so  ist,  da  die  Gestalt  des  Objektes  in  der 
'blofsen  Erkenntnis  beschlossen  liegt,  die  Hypothese  (kalpanä)  der 
'Existenz  von  Dingen  überflüssig. 

'Auch  weil  die  Apperceptioh  (upalamhha)  notwendigerweise 
.  'beide  mit  einander  befafst ,  ist  keine  Trennung  von  Objekt-  und 
'Vorstellung  (wjHänam)  möglich;  denn  es  geht  nicht  an,  das  eine 
'von  diesen  beiden  zu  appercipieren,  ohne  dafs  man  auch  das  andere 
'appercipiert;  und  dem  wäre  nicht  so,  wenn  sie  ihrer  Natur  nach 
'verschieden  wären,  denn  dann  würde  kein  Grund  vorhanden  sein, 
'der  es  hinderte.     Auch  darum  also  giebt  es  keine  Dinge. 

'Es  ist  aber  dabei  wie  z.  B.  im  Traume.  Wie  nämlich  im 
'Traum  oder  bei  Sinnestäuschungen  (mäyä)  Perceptionen  (pratjßaya) 
'von  Lufbspiegelungswasser,  Gandharvastädten  u.  dgl.  ohne  äufseren 
'Gegenstand  in  der  Form  von  Aufzufassendem  und  Auffassendem 
569  '[Objekt  und  Subjekt]  entstehen,  ebenso  mufs  es  |  mit  den  Percep- 
'tionen  im  Wachen  von  Säulen  u.  s.  w.  seine  Bewandtnis  haben, 
'wie  daraus  hervorgeht,  dafs  sie  von  jenen  darin,  dafs  sie  Percep- 
' tionen  sind,  sich  nicht  unterscheiden.' 

Aber  woher  rülirt,  wenn  kein  äufseres  Objekt  vorhanden  ist, 
die  Mannigfaltigkeit  der  Perception?  —  'Wir  antworten:  von 
'der  Mannigfaltigkeit  der  [subjektiven]  Erscheinungen  (väsanä), 
'Indem  nämlich  in  dem  anfanglosen  Samsära  die  Vorstellungen  und 
'die  Erscheinungen,  so  wie  Samen  und  Pflanzen,  wechselseitig  von 
'einander  Ursache  und  Wirkung  sind,  so  erklärt  sich  die  Mannig-« 
'faltigkeit  ohne  Widerspruch.  Auch  ist  anzunehmen,  dafs  für  die 
'Regel  [das  Wachen]  so  gut  wie  für  die  Ausnahme  [den  Schlaf] 
'die  Mannigfaltigkeit  der  Erkenntnis  lediglich  in  den  Ersclieinungen 
'ihren  Grund  hat.  Und  dafs  im  Traume  u.  s.  w.  auch  ohne  Aufsen- 
'dinge  eine  Mannigfaltigkeit  der  Erkenntnis  von  den  Erscheinungen 
'hervorgebracht  wird,  darin  stimmen  wir  ja  beide  überein;  nur 
'dafs  ich  überhaupt  keine  Mannigfaltigkeit  von  Erkenntnissen,  die 
'nicht  durch  Erscheinungen,  sondern  durch  Aufsendinge  veranlafst 
'würde,  annehme.     Auch  darum  also  giebt  es  keine  Aufsendinge.^ 

[Hierauf  erwidert  der  Vedantist:] 

Auf  diese  Annahmen  entgegnen  wir:  „nicht  das  Nichtsein  wegen 


Siuram  IL  ii.  28.  359 

„der  Apperception*^ ;  d.  b.  das  NichtBein  der  Aalsendinge  läfst  sich 
nicht  behaupten;  warum?  weil  inan  &jü  appercipiert.  Denn  man 
appercipiert  das  äufsere  Objekt  je  nach  der  Perception  als  eine 
Säule,  eine  Wand,  ein  Geföfs,  ein  Gewebe;  und  was  man  apper- 
cipiert, das  kann  doch  nicht  nichtsein.  Es  kommt  mir  vor,  wie 
wenn  einer,  der  ifst,  während  sich  die  durch  das  Essen  vollbrachte 
Sättigung  gane  unmittelbar  fühlbar  macht,  sagen  wollte:  „ich  esse 
„nicht  und  werde  auch  nicht  satt".  Ebenso  ist  es,  wenn  einer 
durch  die  Berührung  mit  ^en  Sinnesorganen  ganz  unmittelbar  |  die  570 
Aufsendinge  appercipiert  und  dabei  versicliert:  „ich  appercipiere 
„nicht  und  das  Ding  da  ist  nicht  da'^  —  Wie  läfst  sich  auf  sol- 
ches Roden  etwas  geben? 

[Der  Buddhist:] 

'Aber  ich  sage  ja  gar  nicht,  dafs  ich  keine  Gegenstände  ap- 
'percipiere;  ich  behaupte  nur,  dafs  ich  nichts  aufsei'halb  der  Ap- 
'perception  appercipiere/ 

[Der  Vedantist:] 

Ja  wohl,  das  behauptest  du!  aber  nur  wegen  der  Hakenlosigkeit 
deines  Eüssels  [die  Elefanten  werden  durch  Haken  gelenkt]  und 
nicht  aus  Gründen!  Denn  wir  werden  gezwungen,  über  die  Ap- 
perception  hinaus  Objekte  anzunehmen,  und  zwar  durch  die  Ap- 
perception  selbst»  Denn  kein  Mensch  appei'cipiert  eine  Säule  odei 
eine  Wand  als  blofse  Apperception,  sondern  als  Objekte  der  Apper- 
ception  appercipiert  alle  Welt  die  Säule  und  die  Wand.  Und  dafs 
alle  Welt  das  thut,  ergiebt  sich  daraus,  dafs  auch  diejenigen,  welche 
die  Aufsendinge  bestreiten,  dafür  Zeugnis  ablegen,  wenn  sie  sagen: 
„die  innerlich  erkannte  Gestalt  erscheint  als  wäre  sie  draufsen". 
Denn  auch  sie  nehmen  das  von  aller  Welt  anerkannte  Bewufstsein 
von  dem  Draufsen  zur  Hülfe,  wenn  sie,  um  die  Aufsendinge  zu 
bestreiten,  mit  ihrem  „als  wäre  sie  draufsen"  das  Draufsi.'u  ver- 
gleichsweise heranziehen.  Denn  wie  könnten  sie  sonst  sagen:  „als 
„wäre  sie  draufsen"?  Denn  kein  Mensch  sagt:  „Vischnumitra 
„sieht  aus,  als  wäre  er  der  Sohn  einer  Unfruchtbaren."  Darum 
mufs  man,  wenn  man  in  Gemäfsheit  mit  dem,  wie  wir  uns 
der  Sache  bewufst  werden,  das  Wesen  des  Seienden  auffafst, 
sagen:  „dasselbe  erscheint  draufsen";  nicht  aber:  „als  wäre  es 
draufsen". 

*Aber  wui*de  nicht  daraus,  dafs  keine  Aufsendinge  möglich  sind, 
'geschlossen,  dufs  es  blofs  scheine,  als  wären  sie  draufsen?*  — 
I  Ja,  aber  dieser  Schlufs  ist  nicht  berechtigt.  Denn  nach  dem,  571 
was  bewiesen  oder  nicht  bewiesen  wird,  entscheidet  sich  was  mög- 
lich oder  nicht  möglich  ist;  nicht  aber  umgekeiut  nach  dem,  was 
möglich  oder  nicht  möglich  ist,  das,  was  ^u  beweisen  oder  nicht 
zu    beweisen    ist.      Denn    was    durch   eines   der   Erkenntnismittel, 


360  9ftrlraka-mlml^s4 

Wahmehmong  u.  s.  w.,  apperoipiert  wird,  das  ist  möglich  [oder: 
wirklidi:  s(imbk(nvaii\y  und  was  durch  kein  Erkennimsmittel  apper- 
dpiert  wird»  das  ist  nicht  mdg^ch  [wirklich].  Die  Aufsendinge 
nun  werden,  je.  naibh  ihrer  Art,  durch  alle  Erkenntnismittel  s^per- 
cipiert;  wie  kaiäa.man  da  auf  Grund  so  willkürlicher  Reflexionen, 
wie  die  über  die  Yerschiedenheit  oder  l^ichtyerschiedenheit  der 
Dinge  [von  den  Atomen]  behaupten,  daft  sie  nicht  möglich  sind, 
wo  man  sie  doch  appercipiert  t 

Und  darum,  weÜ  die  Erkenntnis  dem  Objekte  konform  ist, 
kommt  das  Objekt  nicht  in  WegfalL  Denn  gäbe  es  kein  Objekt, 
so  würde  jene  Konfo^rmität  mit  ihm  nicht  statthaben;  dafs  aber 
das  Objekt  existiert,  folgt  daraus,  doTs  man  es  als  draufseu  apper- 
573  cipiert.  |  Somit  hat  die  Notwendigkeit,  Ferceptionen  und  Objekte 
zugleich  zu  appercipieren,  darin  ihren  Chrund,  daijs  beide  sich  ver- 
halten wie  Mittel  und  Vermitteltes,  nicht  darin,  dals  sie  iden- 
tisch sind. 

Weiter:  wenn  man  die  Erkenntnis  des  GefUset  und  die  Er- 
kenntnis des  Gewebes  unterscheidet,-  so  liegt  die  Yerschiedenheit 
in  dem,  was  unterscheidet,  dem  Gofäfse,  dem  Gewebe,  nicht  in 
dem,  was  unterschieden  wird,  der  Erkenntnis.  Denn  eine  weifse 
Kuh  und  eine  schwarze  Kuh  sind  verschieden  in  der  Weifse  und 
Schwärze,  nicht  darin,  dafs  sie  Kühe  sind.  Also  durch  die  zwei 
wird  die  Unterscheidung  des  einen  vollbracht  und  durch  das  eine 
die  der  zwei.  ^{Sie  würden  nicht  unterschieden  w^'den,  wären  sie 
nicht  eins  darin,  dafs  sie  Erkenntnis  sind;  —  oder  soll  man  lesen: 
naikasM&c  ca  „und  nicht  durch  das  eine"?]  Folglich  sind  Objekt- 
und  Erkenntnis  verschieden.  Und  auch  darauf  können  wir  uns 
hieil'ei  berufen,  dafs  man  das  Sehen  des  Gefäf9es  und  die  Erinne- 
rung an  das  Gefäfs  unterscheidet.  Denn  auch  hier  liegt  die  Diffe- 
renz in  dem,  was  unterschieden  wird,  dem  Sehen ^  dem  Erinnern, 
nicht  in  dem,  was  sie  unterscheidet,  dem  Gef&fse;  ebenso  wie  bei 
den  Worten  Milcligeruch  und  Milchgeschmnck  die  Differenz  in  dem, 
was  unterschieden  wird,  dem  Geruch  und  dem  Geschmack,  nicht 
in  der  sie  unterscheidenden  Milch  liegt. 

Auch  kann  zwischen  zwei  [blofsen]  Vorstellungen  (vijndnam)^ 
die  zeitlich  verschieden  sind,  da  sie  sich  durch  ihr  eigenes  Zum- 
573  Bewufstsein-Kommen  aufzehren,  kein  gegenseitiges  |  Verhältnis  von 
Aufzufassendem  (grähya)  und  Auffassendem  (gr^iaka)  stattfinden, 
[die  Vorstellungen  müssen  ein  vorstellendes  Subjekt  sich  gegenüber 
haben],  indem  dadurch  die  eigenen  Annahmen  [der  Buddhisten] 
von  der  Verschiedenheit  der  Vorstellungen,  von  cl^r  Dauerlosigkeit 
u.  8.  w.  pl.q  Bestimmungen  der  Dinge,  von  dem  Individuellen  [wel- 
ches Hie  allein  gelten  lassen]  und  dem  Generellen  {welches  sie  vot- 
werfen],  von  dem  was  erscheint  (väsyam)  und  dem,  woran  es  zur 
Erscheinung  kommt  {väsakam)  u.  s  w.,  von  der  Buf  der  Überschwem- 
mung mit  dem  Nichtwissen  beruhenden  Beschaffenheit  [der  DingeJ 


•     Bttnm  tl,  II.  28.  361 

als  Beiender  und  zugleich  nichtseiender,  Ton  der  Bindung  und  von 
der  Erlösung,  —  diese  und  andere  in  der  eigenen  Bestimmung 
der  Gegner  vorkon^menden  Annahmen   hinftllig  werden  würden. 

Und  nun  weiter  t  du  nimmst  doch  eine  Reihe  von  Vorstellungen 
an;  warum  denn  nimmst  du  nicht  die  Aufsendinge,  wie  Sftule  und 
Wand,  an?  —  Du  meinst,  weil  die  Yorstellung  empfunden  wird^ 
—  Aber  die  Aufsehdinge  werden  ja  doch  auch  empfunden !  —  Oder 
meinst  du,  dafs  die  Vorstellungen,  weil  es,  ähnlich  wie  bei  einer 
Larnpe,  in  ihrem  Wesen  liege,  zu  leuchten,  ganz  von  selbst  [und 
ohne  erkennendes  Subjekt]  sich  zum  Bewufstsein  bringen,  die 
Aufsendinge  hingegen  dies  nicht  zu  thun  vermögen?  Nun  dann 
nimmst  du  also  das  absolut  Widerspruchsvolle  an,  nämlich  das 
Gerichtetsein  der  Thäügkeit  auf  das  Subjekt  des  Thuns  selbst^' 
welches  ist,  als  wenn  du  sagtest,  das  Feuer  verbrenne  sich  selbst; 
und  die  widerspruchlose,  allgemeine  Annahme,  dafs  vermittelst  der 
von  dem  eigenen  Selbste  [als  Subjekte]  verschiedenen  Vorstellnng 
das  Aufsending  empfunden  werde,  |  die  nimmst  du  nicht  an!  Das  574 
ist  ja  eine  grofse  Weisheit,  die  du  an  den  Tag  legst  1 

Übrigens  kann,  selbst  wenn  die  Vorstellung  von  dem  Aufsen- 
dinge verschieden  ist,  doch  dieselbe  nicht  an  sich  selbst  [d.  h.  ohne 
erkennendes  Subjekt]  empfunden  werden,  eben  weil  es  ein  Wider- 
spruch ist,  dafs  eine  Handlung  sich  auf  sich  selbst  [als  Objekt  der 
Handlung]  beziehe.  —  ^Aber  folgt  nicht  daraus,  dafs  ^ine  Vorstel- 
lung durch  ein  von  ihir  verschiedenartiges  [vorstellendes  Subjekt] 
'aufgefafst  werden  mufs,  1)  dafs  auch  dieses  [Subjekt]  wiederum 
^von  einem  andern,  und  dieses  wieder  von  einem  andern  [Subjekte] 
'aufgefafst  werden  mufs,  dafs  somit  ein  regressus  in  infiniium  ent- 
^stellt?  Und  ferner  2):  wenn  doch  das  Vorstellen  [d.  h.  das  vor- 
^gest^Ute  Objekt]  seinem  Wesen  nach  schon  wie  eine  I<ampe  er- 
'leuohtend  ist,  und  man  nimmt  gleichwohl  noch  ein  weiteres  Vor- 
' stellen  [ein  vorstellendes  Subjekt]  an,  folgt  dann  nicht,  da  doch 
'zwischen  beiden  wegen  ihrer  Gleichartigkeit  das  Verhältnis  von 
'Erleuchtendem  und  Erletichtetem  nicht  statthaben  kann,  dafs  diese 
'Annahme  unnötig  ist?*  —  Diese  Einwendungen  sind  beide  unzu- 
treffend; denn  da  es  sich  1)  nur  um  das  Auffassen  der  Vorstellung 
handelt,  so  erwächst  gar  kein  Bedürfnis,  das  Subjekt  der  Vorstel- 
lnng aufzufassen,  und  somit  ist  ein  regressus  in  infinitum  nicht  zu 
besorgen.  Da  femer  2)  das  Subjekt  und  die  Perception  ihrer 
Natur  nach  wesensverschieden  sind,  so  können  sie  sehr  wohl  als 
Apperception  und  zu  Appercipierendes  s>ich  zu  einander  verhalten; 
das  Subjekt  aber  ist  an  sich  selbst  gewifs  und  kann  daher  nicht 
geleugnet  werden.  Ja  noch  mehr.  Wenn  du  behauptest,  dafs  die 
Vorstellung  wie  eine  Lampe,  ohne  dafs  sie  noch  eines  andern  Er- 
leuchters  [des  Subjektes]  bedürfe,  von  selbst  sich  kund  thue,  so 
bedeutet  dies  so  viel,  wie  dals  die  Vorstellung  eines  Erkeuners 
entbehrend,    somit    der  Erkenntnis  unzugänglich  ist,    so  gut  wie 


362  (^Urtraka-nihuäüälL 

liBDipeD,  und  wären  ihrer  tausend,  wenn  sie  mitton  in  einem  Fcls- 
blook  sitzen.  —  ^Das  mag  ja  sein;  aber  da  [nacb  meiner  Auflas- 
*8ung]  die  Vorstellung  ihrem  Wesen  nach  Empfindung  ist,  so  ist 
575  *€8  die  von  mir  vertretene  Meinung,  |  welche  du  damit  anerkennst/ 
—  0  nein!  denn  die  Erfahrung  zeigt,  wie  nur,  sofern' noch  ein 
anderes,  Erkennendes,  z.  B.  das  Auge  u.  s.  w.,  als  Werl' zeug  vor- 
handen ist,  die  Lampe  u.  s.  w.  sclieintfu  kann;  woraus  folgt,  dafs 
die  Vorstellung,  ebenso  gut  wie  die  Lampe,  da  sie  nicht  weniger 
als  diese  noch  der  Sichtbarmachung  bedarf,  nur  kund  werden  kann, 
sofern  ein  anderes  Erkennendes  dabei  vorhanden  ist.  —  'Aber 
'wenn  du  so  sehr  betonst,  dafs  das  Subjekt  der  Erkenntnis  an 
'sich  selbst  gowifs  sei,  so  ist  das  nur  meine  Meinung  von  dem  sich 
'selbst  Kundmachen  der  Vorstellung,  die  du  dir  da  in  etwas  an- 
'derer  Wendung  der  Ausdrücke  zu  eigen  machst/  —  Keineswegs! 
denn  die  Vorstellung  ist  [von  dem  vorstellenden  Subjekte]  sehr 
wohl  zu  unterscheiden,  sofern  sie  entstehend,  vergehend,  vielheit- 
lich  n.  8.  w.  ist. 

Somit  haben  wir  bewiesen,  dafs  auch  die  Vorstellung,  ebenso 
gut  wie  die  Lampe,  erst  noch  des  Erkanntwerdens  durch  ein  von 
ihr  verschiedenes  [Subjekt]  bedarf. 


29.    vaidharmydc  ca  na  svapnanidi-vat 

auch  ist  es,   wegen  der  Wesensversciliedenlieit ,   nicht 

wie  im  Traume  u.  s.  w. 

Wenn  weiter  der  Leugner  der  Aufsendinge  behauptet,  dafs, 
ebenso  wie  die  Perceptionen  im  Traume,  auch  die  Perceptionen 
im  Wachen  von  Säulen  u.  s.  w.  olino  äufseren  Gegenstand  entstehen 
570  können,  weil  beide  darin,  dafs  sie  Perceptionen  |  sind,  sich  nicht 
unterscheiden,  so  ist  das  zu  widerlegen.  Wir  entgegnen:  die  Per- 
ceptionen im  Wachen  könueü  nicht  entstehen  wie  die  Perceptionen 
im  Traume;  warum?  „wegen  der  Wesens  Verschiedenheit".  Denn 
zwischen  Traum  und  Wachen  ist  Wesensverschiedenlieit.  Worin 
besteht  denn  diese.  Wesens  Verschiedenheit?  In  der  Widerlegbar- 
keit und  Nichtwiderlegbarkeit.  Denn  was  im  Traume  appercipiert 
^urde,  das  widerlegt  sich;  denn  der  Erwachte  spricht:  „irrtümlich 
„habe  ich  eine  grofse  Volksversammlung  appercipiert,  denn  es  ist 
„keine  grofse  Volksversammlung  da,  sondern  mein  Geist  war  vom 
„Schlafe  befangen,  daher  entstand  jener  In*tum".  Ebenso  finden 
die  Sinnestäuschungen  je  nach  der  Art  ihre  Widerlegung.  Hin- 
gegen giebt  es  keinen  Zustand,  in  dem  ein  im  Wachen  apperci- 
piertes  Objekt,  z.  B.  eine  Säule,  widerlegt  würde.     Dazu  kommt, 


r 


Satram  II.  ii.  29.  363 

dafs  das  Traamgesicht  eine  [blofse]  Erinnerung  ist,  das  Sehen  im 
Wachen  hingegen  eine  Apperception.  Der  Unterschied  zwischen 
Erinnerung  und  Apperoeption  aber  liegt  vor  Augen  und  macht  sich 
Ton  selbst  ftihlbar:  denn  er  besteht  darin,  dafs  man  von  einem 
Gegenstande  getrennt  oder  nicht  getrennt  ist;  und  wenn  man  sich 
z.  B.  eines  geliebten  Sohnes  erinnert,  so  appercipiert  man  ihn  nicht, 
sondern  man  wünscht  ihn  zu  appercipieren.  —  |  Da  dem  so  ist,  577 
so  kann  man  nicht  behaupten,  dafs  die  Apperception  im  Wachen 
trüge,  weil  sie,  so  wie  die  Apperception  im  Traume,  [nur]  Apper- 
ception sei.  Denn  der  Unterschied  zwischen  beiden  macht  sich  von 
selbst  fühlbar.  Was  sie  aber  selbst  fühlen,  das  dürfen  die  vermeint- 
lichen Weisen  nicht  abstreiten.  Abev  eben,  weil  ihr  Gefühl  Protest 
einlegt,  und  sie  die  Grundlosigkeit  der  Perceptiouen  im  Wachen 
an  ilmen  selbst  nicht  daHhun  können,  darum  möchten  sie  dieselbe 
BUS  der  Verwandtschaft  mit  den  Traumperceptionen  erweisen.  Aber 
eine  Eigenschaft,  die  einer  Sache  an  sich  selbst  nicht  zukommt, 
die  kommt  ihr  auch  nicht  dadurch  zu,  dafs  sie  mit  einer  anderen 
Sache  verwandt  ist.  Denn  wenn  man  fühlt,  dafs  das  Feuer  heifs 
ist,  so  wird  es  nicht  dadurch  kalt,  dafs  es  mit  dem  Wasser  ver- 
wandt ist  [sofern  es  mit  diesem  die  Qualitäten  der  Sichtbarkeit 
und  Fühlbarkeit  gemein  hat,  p.  636,  7].  Die  Verschiedenheit  aber 
zwischen  Traum  und  Wachen  haben  wir  nachgewiesen. 


30.  na  hhävOy  ' mipalabdhäh 
nicht  das  Vorbandensein,  weil  keine  Apperception. 

Noch  müssen  wir  auf  die  Behauptung  antworten,  dafs  die  Man- 
nigfaltigkeit der  Erkenntnis  auch  ohne  die  Objekte  durch  eine 
Mannigfaltigkeit  von  [subjektiven]  Erscheinungen  (vdsanä)  zu  Stande 
kommen  könne.  Wir  entgegnen:  „das  Vorhandensein^^  von  Er- 
scheinungen ist  nicht  möglich,  wenn,  wie  du  annimmst,  „keine  Ap- 
„perception"  äufserer  Objekte  stattfindet.  Denn  in  der  Apperception 
der  Objekte  I  haben  die  je  nach  dem  Objekt  verschieden  gestalte-  578 
ten  Erscheinungen  ihren  Grund;  wenn  aber  keine  Objekte  apperci- 
piert werden,  worin  sollen  da  die  mannigfaltigen  Erscheinungen 
ihren  Grund  haben?  Auch  bei  Annalime  der  Anfanglosigkeit  würde, 
vergleichbar  der  sich  aneinander  haltenden  Reihe  von  Hlinden,  nur 
ein  regressHS  in  infinitum  ohne  Rtützende  Basis  eintreten,  welcher 
das  Welttreiben  aufhöbe,  nicht  aber  eure  Meinung  bewiese.  Wenn 
femer  der  Leugner  der.  Aufsonwelt  sich  anf  die  zu  fordernde  und 
[sonst]  fehlende  Analogie  [des  Wachens  mit  dem  Traume]  beruft, 
um  zu  beweisen,  dafs  eine  Erkenntnis,  um  zu  entstehen,  als  Grund 
Erscheinungen  und  nicht  Objekte  habe,  so  ist  auch  das,  wenn  es 
80  steht  wie  wir  sagten,   als  widerlegt   zu  betrachten;   denn  ohne 


364  9fci1raka-mtmiins& 

die  Apperception  von  Objekten  können  die  Erscheinungen  über- 
haupt nicht  entstehen.  Und  da  femer  die  Apperception  ^er  Gegen- 
stände auch  ohne  die  Erscheinungen  bestehen  kann,  hingegen  die 
Erscheinungen  nicht  ohne  die  Apperception  der  Gegenstände  ent- 
stehen können,  so  dient  auch  die  zu  fordernde  und  [sonst]  fehlende 
Analogie  nur  däxu,  die  Realität  der  Objekte  zu  bestätigen.  Es 
sind  ja  auch  die  Erscheinungen  nui*  bestimmte  Eindrücke  (sa^^ 
Jcära);  Eindi'ucke  aber  können,  wie  die  Erfahrung  zeigt,  nur  durch 
eine  stützende  Basis  zustande  kommen,  fiir  dich  aber  giebt  es  eine 
solche  Basis  der  Eindrücke  nicht,  weil  du  als  Richtschnur  befolgst, 
dafs  es  keine  Apperzeption  gebe. 


570  31.    kshanücatväc  oa 

auch  wegen  der  Dauerlosigkeit. 

Wenn  du  endlich  als  Basis  der  Erscheinungen  eine  „Yorstel- 
„luiig  der  Innenheit"  (älaya'Vijnänani)  aufstellst,  so  kann  dieselbe 
ebensowenig  wie  die  „Vorstellung  der  Aufsenhoit"  (pravfitH-vijnd" 
nam)  mit  deiner  Theorie  von  der  Dauerlosigkeit  zusammen  bestehen 
und  darf  daher  nicht  als  Substrat  der  Erscheinungen  dienen.  Denn 
ohne  dafs  man  ein  Continuum,  welches  die  drei  Zeiten  verbindet, 
oder  ein  alle  Gegenstände  überschauendes  Oberstes  aunimnit,  ist 
ein  die  Erinnerungen  —  wie  sie  von  den  durch  Ranm,  Zeit  und 
Ursache  bedingten  Erecheinungen  abhängijhC  sind  —  verknüpfendes 
Thun  unmöglich.  Soll  aber  jene  „Vorstellung  der  Inndnheit^'  ein 
Konstantes  bedeuten,  so  hast  du  damit  dein  Princip  [der  Dauer- 
losigkeit] aufgegeben. 

Hierzu  kommt,  dafs  auch  auf  die  Theorie  von  der  blofsen  Exi- 
stenz der  Vorstellungen,  weil  dieselbe  in  gleicher  Weise  die  Dauer- 
losigkeit auniuimt,  diejenigen  Einwendungen,  welche  wir  gegen  die 
realistische  Theorie  betreffs  der  Dauerlosigkeit  erhoben',  in  den 
580  Worten  „und  weil  beim  Entstehen  des  |  folgenden  [Augenblicks] 
„der  vorherige  zu  nichte  wird"  (Sütram  2,  2,  20),  —  dals  diese  Be- 
denken auch  auf  die  gegenwärtige  Theorie  ihre  Anwendung  finden. 

Somit  hätten  wir  diese  beiden  Theorien  der  Nihilisten  wider- 
legt, die  Theorie,  welche  Aufsendinge,  und  diejenige,  welche  blofse 
VorsteHungen  behauptet.  Was  endlich  die  Theorie  betrifft  welche 
behauptet,  dafs  alles  Nichts  sei,  so  steht  sie  mit  allen  Begeln  des 
Erkennens  derma  fsen  in  Widerspruch,  dafs  wir  uns  mit  ihrer  Wider- 
legung nicht  zu  bemühen  brauchen.  Denn  die  vorliegende  Welt 
mit  ihi'em  Treiben,  welche  durch  alle  Woge  der  Erkenntnis  sich 
uns  aufdrängt,  läfst  ssich,  ohne  dafs  man  eine  andere  Realität  an- 
nimmt, nicht  ableugnen.  Wo  aber  eine  negative  Behauptung  un- 
möglich ist,   da  ist  eben  damit  die  positive  Behauptung  bewiesen. 


Sfttram  11.  it.  32.  365 

32.  sarvatha  anu(papaUe^>  ca 
und  weil  ee  unter  allen  umständen  unmöglich. 

In  Smnina:  anf  jede  Weise,  wo  man  aueh  immer  dies^  System 
der  ^ihiUsten  auf  seine  Begründheit  hin  prüft ,  da.  giebt  es  nach 
wie  eine  Sandgmbe,  und  wir  sehen  nicht  die  geringste  Möglichkeit, 
hier  festen  Grand  %n  finden.  Somit  ist  die  ganze  Systemmacherei 
der  Nihilisten  verfehlt.  Und  wenn  der  Sugata  (Baddha)  alle  die 
drei  Theorien  des  Bealismus,  Idealismus  und  Nihilismns,  |  welche  581 
sich  gegenseitig,  widersprechen,  gelehrt  hat,  so  hat  er  damit  nnr 
seine  eigene  mafslose  Geschwätzigkeit  an  den  Tag  gelegt,  oder  aber 
seinen  Hafs  gegen  das  Menschengeschlecht,  indem  er  bemüht  war, 
dasselbe  durch  Mitteilung  widersprechender  Lehren  in  die  Irre  zu 
führen.  „Unter  allen  Umstanden*^  verdient  dieses  System  des  Su- 
gata nicht  die  Beachtung  derjenigen,  denen  es  um  ihr  Seelenheil 
zu  thun  ist:  das  ist  die  Meinung  {des  Sütram]. 


Sechstes  Adhikaranam. 

33    nCy  ekasrnn  asambhaväi 
nicht,  weil  sie  unmöglich  bei  dem  was  Eines  ist. 

Nachdem  wir  das  System  der  Sugata's  widerlegt  haben,  so  ist 
weiter  nUiimehr  das  System  der  Vivasana's  [der  Unbekleideten, 
d.  h.  der  Jatna^n]  zu  widerlegen.  —  Die^  haben  sich  folgende 
sieben  Kategorien  ausgesonnen:  1)  die  Seele,  2)  die  Nicht- 
seele ,  3)  die  Hinströmung  [der  Seele  durch  die  Sinne  zu  den  Sin- 
nendiugon],  4)  die  Eindämmung  [dieser  Strömung],  5)  die  Zerrei- 
bung  [der  Sünde  durch  Bufsübnngon],  6)  die  Bindung,  7)  die  Er- 
lösung. —  Abkürsungsweise  nehmen  sie  auch  nur  zwei  Kategorien 
an,  die  Seele  und  was  Nichtseele  ist,  indem  die  übrigen,  je  nach- 
dem es  sich  fügt,  unter  diesen  beiden,  |  wie  sie  meinen,  mitbegrif-  582 
fen  werden  können.  —  Ferner  haben  sie  noch  eine  andere  Ein- 
teilung dieser  beiden  Kategorien,  nämlich  die  fünf  Entrtäten 
(uiükäffa):  1)  die  Entität  der  Seele,  2)  die  Entit&t^der  Korpus- 
keln (pudgala)^  3)  die  Entität  des  Gut4)n,  4)  die  Entität  des  Böseu. 
5)  die  Entität  des  Raumes;  und  auch  für  diese  wieder  zählen  sie 
manefaerlei  Unterabteilungen  auf,  welche  in  ihrem  Systeme  des  wei- 
teren durchgeführt  werden. 


366  Qlirlraka-mtm&&8lk 

Femer  bringen  sie  bei  jeder  Gelegenheit  folgende  [in  skep- 
tischer Weise  die  RelativitAt,  anekäntaivam^  alles  Seienden  behaup- 
tende] Methode  in  Anwendung,  welche  sie  die  Regel  der  sieben 
Tropen  (saptdbhanginaya)  nennen:  1)  gewissermalBen  ist  es  seiend, 

583  I  2)  gewissermalBen  ist  es  nicht  seiend,  3)  gewissermafsen  ist  es 
seiend  und  nicht  seiend,  4)  gewissermafsen  ist  es  nichtmitteilbar, 
5)  gewissermafsen  ist  es  seiend  und  nichtmitteilbar,  6)  gewisser« 
mafsen  ist  es  nicht  seiend  und  nichtmitteilbar,  7)  gewbsermafsen 
ist  es  seiend  und  nicht  seiend  und  nichtmittelbar.  In  dieser  Weise 
bringen  sie  diese  Regel  der  sieben  Tropen  auch  da  zur  Anwendung, 
wo  es  sich  [wie  bei  dem  Brahman  der  Yedantalehre]  um  eine  Ein- 
heit und  Unwandelbarkeit  liandelt.  Dazu  nun  müssen  wir  bemer« 
ken,  dafs  diese  Annahme  [einer  Relativität  alles  Seins]  „nicht^* 
berechtigt  ist;  warum?  „weil  sie  unmöglich  bei  dem  was  Eines 
„ist**;  d.  h.  da,  wo  es  sich  um  einen  einlieitlichen  Träger  von  Qua* 
litäten  handelt,  ist  es  nicht  möglich,  demselben  widersprechende 
Qualitäten,  ein  Sein  und  ein  Nichtsein  u.  s.  w.,  beizulegen,  wie  denn 
z.  B«  eine  Sache  nicht  zugleich  kalt  und  warm  sei  kann.  Nehmen 
wir  z.  B.  jene  oben  genannten  sieben  Kategorien,  welche  von  ihnen 

584  als  so  viele  {  und  'als  so  beschaffene  hingestellt  werden,  so  müssen 
diese  doch  entweder  so  sein  oder  nicht  so  sein;  anderenfalls  näm- 
lich würde  die  Behauptung,  dafs  sie  so  oder  auch  nicht  so  sein 
könnten,  eine  Erkenntnis  unbestimmter  Art  abgeben,  welche  nur 
den  Erkenntniswert  eines  Zweifels  hätte  und  keine  Richtschnur 
bilden  könnte.  —  'Aber  die  Bel^auptung,  dals  ein  [jeder]  Gegen- 
^stand  nichteinheitlichen  Wesens  sei,  ist  doch  nicht  eine  Erkennt- 
*nis  unbestimmter  Art,  und  man  kann  nicht  von  ihr  sagen,  dafs 
^sie  nur  den  Erkenntniswert  eines  Zweifels  habe  und  keine  Ricbt- 
'schnur  bilden  könne!*  —  Wir  antworten:  nein!  denn  wenn  man 
ohne  Einschränkung  die  Relativität  (änekdnta)  alles  Gegenständlichen 
annimmt,  so  folgt,  da  diese  Behauptung  doch  ebenso  gut  ein  Gegen- 
ständliches ist,  dafs  auch  auf  sie  die  Amphibolien,  dafs  sie  gewisser- 
mafsen seiend,  gewissermafsen  nichtseieud  u.  s.  w.  sei,  ihre  Anwen- 
dung finden,  dafs  somit  auch  ihr  die  Unbestimmtheit  wesentlich 
ist.  Ebenso  würde  es  von  dem  Lehrer  dieser  Behauptung  und 
von  der  Frucht  der  Behauptung  heifsen  müssen,  dafs  sie  gewisser- 
mafsen einerseits  seien  und  gewisseimafsen  anderseits  nioht  seien. 
Ist  dem  aber  so,  wie  kann  dann  der  Meister,  der  für  euch  Auto- 
rität ist,  euch  belehren,  da  doch  Mittel,  Objekt,  Subjekt  und  Aus- 

685  führung  des  Erkennens  ins  Ungewisse  gerückt  werden?  |  Oder  wie 
können  dann  die  Anhänger  seiner  Ansichten,  wenn  die  von  ihm 
gelehrte  Sache  in  der  UngewiTsheit  bleibt,  sich  danach  richten? 
Nur  wo  vollkommene  Gewifsheit  über  die  Folge  des  Handelns  vor- 
liegt, kann  man  durch  Einschlagen  der  betreffenden  Mittel  und 
Wege  ohne  Verwirrung  vorwärts  kommen,  und  sonst  nicht.  Indem 
somit  ouer  Lehrer  eine  Lehre  verkündet,  deren  Ziel  ein  ungewisses 


Sütram  IL  n.  83.  367 

bleibt,  kann  maii  seine  Worte  so  wenig  annehmen  wie  die  eines 
Betrunkenen  oder  Yerräckten.  So  zi  B.  wenn  eb  sich  um  die  obi- 
gen f&nf  Entitäten  handelt,  und  die  Möglichkeit  offen  bleibt,  dafs 
dieselben  fitnf  an  der  Zahl  »ind  oder  nicht,  so  siad  ihrer  eben 
nach  der  einen  Behauptung  fünf  und  nach  der  andern. nicht,  wo- 
raus folgt,  dafs  ihrer  letzterepfalk  entwedoi*  m^hr  an  Zahl  oder 
aber  weniger  sein  müssen.  Ebenso  wenig  pafst  ob  auf  die  obeh 
genannten  Kategorien,  dafs  dieselben  gewissermafsen  nichtmitteilbar 
seien;  sollen  sie  wirklich  nichtmitteilbar  sein,  so  kann  von  ihnen 
gar  nicht  gesprochen  werden;  es  wird  aber  Ton  ihnen  gesprochen, 
und  doch  sollen  sie  gewissermafsen  nichtmitteilbar  sein;  welches 
ein  Widerspruch  ist.  Und  wenn  dann  doch  von  ihnen  die  Rede 
ist,  und  sie  als  das,  was  sie  sind,,  mit  Bestimmtheit  hingestellt  und 
wiederam  nicht  hingestellt  werden,  wenn  es  ferner  von  dem,  was 
die  Frucht  jener  Bestimmtheit  .ausmacht,  von  der  vollkommenen 
Erkenntnis  heifsi,  dafs  sie  sei  oder  auch  nicht  sei,  und  ebenso 
von  der  ihr  entgegengesetzten,  unvollkommenen  Erkenntnis,  dafs 
sie  sei  oder  auch  nicht  sei,  so  hört  sich  ein  solches  Gerede  doch 
an,  als  wenn  einer  betrunken  oder  verrückt  wäre.  Nein!  wo  es 
sich  um  das,  was  man  glauben  soll,  wo  es  sich  um  den  Himmel 
und  die  Erlösung  handelt,  da  kann  es  nicht  heifsen,  dafs  sie  ge- 
wissermafsen sind  und  gewissermafsen  nicht  sind,  dafs  sie  |  ge-  58C 
wissermafsen  ewig  und.  gewissermafsen  nicht  ewig  sind;  mit  diBser 
Unbestimmtheit  ist  nicht  voran  zu  kommen.  Ferner  würde  dabei 
auch  der  Fall  eintreten,  dafs  dasjenige,  was,  «wie  z.  B.  die  Eintei- 
lung der  Seelen  in  ewigvollendete  u,  s.  w.  [2.  mit  der  Zeit  zur  Er- 
lösung gelangende  und  3.  nicht  erlöste],  nach  ihrer  eigenen  Lehre 
von  bestimmter  Natur  ist,  wiederum  auch  nicht  von  dieser  bestimm* 
ten  Natur  sein  könnte.  Indem  somit  in  Bezug  auf  die  Kategorien 
der  Seele  u.  b%  w.  die  entgegengesetzten  Prädikate  des  Seins  und 
des  Niöhtseins  in  Betreff  eines  und  desselben  Subjektes  nicht  statt- 
haben können,  indem  mithin,  wo  das  eine  Prädikat,  das  Sein,  vor- 
liegt, das  andere  Prädikat,  das  Nichtsein,  unmöglich  ist,  und  ebenso 
wo  das  Nichtsein  (lies:  (isattve\  vorliegt,  das  Sein  unmöglich  ist, 
so  ist  diese  Lehrmeinung  der  Arhata's  eine  ungereimte.  Und  da- 
mit sind  auqh  die  Annahmen  der  Relativität  in  Betreff  des  Einen 
und  Nichteinen,  des  Ewigen  und  Nichtewigen,  des  Überdauernden 
und  Nichtüberdauernden  [wo  es  sich  um  Gott  und  die  Seele  han- 
delt] als  widerlegt  zu  betrachten.  / 

Wenn  aber  die  Arhata's  femer  annehmen,  dafs  [zum  Zwecke 
der  Weltbildung]  aus  den  von  ihnen  „Korpuskeln^'  (ptidgala)  ge- 
nannten Minimalteilchen  Aggregat^  sich  bilden,  so  ist  dieses  schon 
durch  unsere  frühere  Widerlegung  der  Atomtheorie  widerlegt  wor- 
den, so  dafs  wir  uns  mit  seiner  Widerlegung  nicht  noch  besonders 
zu  bemühen  brauchen. 


368  gUrtraka-mimlAsIk 

34.    evan  ca  dtma-nkärtmyam 
ebenso  auch  die  Nichtallheit  der  Seele. 

.Wie  man  eiBeneits  gegen  die  ReUÜTit&tsiheorie  (späd^äda) 
einwenden  muft,  dafs  das  eine  Subjekt  nicht  enigegengesetate  Prä- 
dikate haben  kann,  so  ist  anderseits  auch  in  Betreff  der  Seele 
ein  Fehler  sn  rftgen,  nümlich  der  ihrer  Nichtallheit.  Die  Ärhata*8 
namlidi  glauben,   dafs  die  Seele  denselben  Umfang  habe  wie   der 

587  Leib.  Soll  sie  nun  |  so  grofis  sein  wie  der  Leib^  so  ist  die  Seele 
nicht  allheitlich,  ist  nicht  allgegenwärtig,  -sondern  begrenst;  daraus 
aber  würde  folgen ,  dafs  die  Seele,  wie  [alles  räumlich  Begrenite] 
z.  B.  die  Gefäfse  n*  s.  w.,  nicht  ewig  wäre.  *  Da  ferner  die  Leiber 
ihrem  Umfange  nach  nicht  sieh  gleichbleiben,  so  würde  eine  Men- 
sohenseele,  die  also  die  Orofse  eines  Menschenleibes  hätte,  wenn 
sie  etwa  durch  irgend  ein  Heranreifen  der  Werke  eine  Geburt  als 
Elefant  erleiden  müfste,  nicht  den  ganzen  Elefantenleib  durchdrin- 
gen können;  und  wenn  sie  eine  Geburt  als  Ameise  erleiden  müfste, 
so  könnte  sie  nicht  gana  in  den  Ameisenleib  eingeschlossen  wer- 
den. Dasselbe  Bedenken  findet  auch  innerhalb  des  nämlichen  Lebens- 
laufes in  Betreff  der  Kindheit,  der  Jugend  und  des  Greisenalters 
statt.  —  'Aber  kann  man  nicht  annehmen,  dafs  die  Seele  aus  un- 
'endlich  yielen  Teilchen  bestehe,  and  dafs  diese  ihre  Teilchen  bei 
'einem  kleinen  Leibe  ausammenrücken  und  bei  einem  grofsen  aus« 
'einandeiTücken?'  —  Bei  dieser  .Annahme  fragt  sich  zunächst,  ob 
diese  unendlich  vielen  Seelenteilchen  an  einem  und  demselben  Orte 
sich  gegenseitig  ausschliefsen  oder  nicht.  Sollen  sie  sich  ausschlie-* 
fsen,  so  ist  au  bemerken,  dafs  eine  unendliche  Vielheit  von  [kör- 
perlichen] Teilchen  in  einem  begrenzten  Räume  nicht  Platz  finden 
kann.  Sollen  sie  sich  hingegen  nicht  ausschliefsen,  so  würde  fol- 
gen, dafs  alle  Teilchen  nur  den  Raum  eines  einzigen  Teilchen  ein- 
nehmen würden,  eine  Ausdehnung  somit  nicht  zu  Stande  kommen 
würde,  und  die  GrÖfse  der  Seele  nur  eine  minimale  sein  könnte. 
Hierzu  kommt,  dafs  für  die  nur  den  Umfang  des  Leibes  ausfüllen- 
den Teilchen   der  Seele  eine  unendliche  Dauer  nicht  denkbar   ist. 

Oder  soll  man  vielleicht  annehmen,  dafs  abwechselnd  bei  dem 
Eingehen   in  einen  grofsen  Leib   eine  Anzahl  von   Seelenteilohen  | 

588  neu  hinzukomme,  und  dafs  bei  dem  Eingange  in  einen  kleinen 
Leih  eine  Anzahl  derselben  abgegeben  werde?  —  Hierauf  ist  zu 
erwidern : 


*  Vgl.  Melissas  bei  Simplic.  in  Arist  phys.  f.  S8b:  oO  yk^  abX  cTvai 
civ^T^v,  o,Tt  )iv)  KOL^  iaxt  (nur  das  r'änral ick  Unendliche  kaiui'zeiiiich 
unendlich  sein). 


Sfttnuif  D.  IL  a5.  369 


35.    na  ca  parydyßd  api  avirodho,  vikdra  -  ädihhydh 

aucli  nicht  durch  AbwechfiluDg  wird  dei*  Wideinsprucli 
vermieden,  wegen  der  Wandelbarkeit  nnd  anderer 

[Unzuträglichkeiten], 

),Auch  nicht  flurch  Abwechslung",  indem  einige  Teilchen  hin- 
zukommen oder  in  Abgang  kommen,  läfat  sich  die  Lehre,  dafs  die 
Seele  de»  Umfang  dos  Leiben  habe,  ohne  AVideispruch  durchführen; 
wamm?  vfail  dann  ,,die  Wandelbarkoit  and  andere  Unznträglich- 
„keiten^^  eintreten  würden.  Wenn  n&mlich  die  Seele  fort  und  foi't 
durch  das  Hinzukommen  und  Abgehen  Ton  Teilclien  vermehrt  und 
vei-mindert  wird,  so  int  al»  Folge  unabweiBbar,  dals  die  Seele  wnu- 
deTbar  sei;  ist  sie  aber  wandelbar,  ao  kann  die,  ebenso  wie  die 
Haut  nnd  Ähnliches,  nicht  ewig  sein.  Dies  aber  steht  in  Wider- 
spruch mit  den  Lehren  [der  JainaV]  Ton  der  Bindung  und  Erlö- 
sung, nach  welchen  die  mit  der  Achtzahl  der  Werke  umkleidete 
Seele  wie  eine  Flaschengurke  in  der  Tiefe  des  Samsarameeres  fest- 
sitzt und  nach  Dnrchschneidung  des  Bandes  in  die  Höhe  getrieben 
wird.  Ja  noch  mehr;  jene  hinzukommenden  und  abgolicnden  Teil* 
chcn  sind  ihrer  BoHchafPenheit  nach  kommend  und  gehend»  und  so- 
mit können  sie  ebenso  wenig  wie  der  Leib  und  anderes  Am  Wesen 
der  Seele  (des  Selbstes)  ausuiaeken.  Oder  soll  etwa  ein  bestimm- 
ter Teil  beharrlich  sein,  |  und  dieser  die  Seele  ausmachen?  Dabei  589 
wär<^  es  unmöglich  zu  bestimmen,  welches  gerade  dieser  Teil  sein 
soll.  —  Femer  rnftssen  wir  fragen,  woher  denn  jene  hinzukommen- 
den Seeionteilchen  genommen  vrerden  und  wohin  sie  bei  ihrem 
Abgange  abgeführt  werdeik?  Aus  den  Elementen  können  »ie  nicht 
herrortreton  nodl  auch  in  sie  zurückgehen,  weil  die  Seele  von  an- 
derer Natur  ist  als  die  Elemente.  Ein  anderer  Behälter  aber  de?* 
Seelenteilchen,  mag  er  gemeinsam  oder  nicht  gemeinsam  sein,  läfst 
sich  nicht  absehen,  weil  kein  Beweismittel  dafür  vorhanden  ist. 
Ferner :  wenn  dem  so  wäre,  so  würde  die  Seele  von  unbestimmter 
Natur  sein,  denn  für  das  Hinzukommen  und  Abgehen  der  Teilch(*n 
giebt  es  keine  fest  geregelte  Grenze;  damit  aber  würden  jene  [im 
Sfttram  angcdenteteuj  „andern  Uuzuträglichkeiten*^  [z.  B.  des  Vor- 
fliei'iiens  mit  dem  was  nicht  Seele  istj  sich  einstellen ;  und  folglich 
kann  mau  sich  nicht  dabei  beruhigen,  dafti  zu  der  Seele  neue 
Teile  hinzukommen  und  alto  von  ihr  abgehen. 

Oder  man  kann  dasSütram  auch  so  erklären,  Nachdem 
im  vorigen  Stitram  von  der  die  Gröfse  des  Leibes  habenden  Seele 
bewiesen  war,  dnfs  sie  wegen  des  Eingehen»  in  einen  bald  gröfse- 
ren  bald  kleinereu  Leib  nicht  allgegenwärtig  und  folglich  nicht 
owig  sein  könne,  so  wird  wuiler  \«r>?»oht,  die  Kwigkeit  der  Seel*» 

ÜSUMBV,  VmlAnt».  24 


370  Qkrtraka-mtm&nsU 

zu  retten,  indem  man  annimmt,  dafs  sie,  trotz  der  „darcb  die  Ab- 
„wechslung^*  der  Teilchen  bedingten  Unstetigkeit  ihres  Umfanges, 
sich  doch  ebenso  erhalte,  wie  die  Kontinuität  des  Stromes  [wenn 
590  auch  das  Wasser  wechselt]  immerfort  bestehen  bleibt.  |  Ebenso  ¥rie 
also  die  Rotröcke  (Buddhisten)  trotz  des  Unbestandes  der  Yorstel- 
lang  die  Kontinuität  derselben  ewig  sein  lassen,  in  ähnlicher  Weise 
könnten  es  auch-  die  Rocklosen  (Jaina*s)  machen.  In  Bezug  darauf 
wird  durch  das  vorliegende  S&tram  die  Antwort  gegeben.  Soll 
nämlich  die  Kontinuität  etwas  Nichtreales  sein,  so  würde  folgen, 
dafs  es  gar  keine  Seele  gebe;  soll  sie  hingegen  etwas  Reales  sein, 
so  würden  für  die  Seele  „die  Wandelbarkeit  und  andere  Unzuträg- 
„lichkeiten"  sich  ergeben,  so  dafs  eine  derartige  Annahme  als  un- 
zulässig sich  herausstellt. 


36.    antya-avasthiteg  ca  tthliaya-nüyatväd  aviges%ah 

auch  ist,  wegen  Bestehens   des  Endzustandes,  da  die 
beiden  [andern  Zustände  ebenso  gut]  ewig,  [zwischen 

allen  dreien]  kein  Unterschied. 

Femer  wird  noch  von  den  Jaina*s  angenommen,  dafs  der  finale, 
im  Zustande  der  Erlösung  bestehende  Umfang  der  Seele  der  ewige 
sei;  aber  ebenso  gut  müfsten  auch  die  früheren  Umf&nge  der  Seele, 
die  sie  zu  Anfang  oder  in  der  Mitte  ihres  Bestehens  hatte,  ewig 
sein,  und  somit  würde  folgen,  dafs  [zwischen  allen  dreien]  kein 
Unterschied  wäre.  Gebt  ihr  dies  zu,  so  folgt,  dafs  die  Seele  nur 
den  Umfang  eines  einzigen  Körpers  haben  kann,  folglich  keinen 
an  Umfaiig  vermehrten  oder  verminderten  Leib  anzunehmen  ver- 
mag [was  gegen  euere  Annahme  streitet].  —  Oder  aber,  wenn  ihr 
[auf  die  Behauptung,  dafs  der  finale  Umfang  der  Seele  sich  nach 
dem  des  letzten  Körpers  richte,  verzichtet  und  nur]  behauptet,  dafs 
591  der  finale  |  Umfang  der  Seele  [einerlei  ob  kleiner  oder  gröfser  als 
der  Körper]  der  beständige  sei,  nun  dann  mufs  die  Seele  auch 
schon  in  den  beiden  früheren  Zuständen  [zu  Anfang  und  zur  Mitte 
ihres  Bestehens]  diesen  beständigen  Umfang  gehabt  haben  [da  der 
variable  Umfang  des  Körpers  in  diesem  Falle  auf  sie  nicht  von 
Einflufs  sein  kann].  Dann  aber  mufs  zugegeben  werden,  dafs  die 
Seele  ohne  Unterschied  zu  allen  Zeiten  minimal  klein  oder  auch 
grofs,  nicht  aber  von  der  Gröfse  ihres  Leibes  ist. 

Hieraus  folgt,   dafs  das  System   der  Arhata*s  ebenso  wohl  wie 
das  der  Saugata^s  ungereimt  ist  und  keine  Beachtung  verdient. 


SatTHm  II.  n,  37.  371 


.    Siebentes  Adhikaranatn. 

37.   patyur  asämafljas^ät 
wogen  der  Ungereimtheit  eines  „Herrn". 

Nunmehr  wird  die  Theorie  von  Gott  oLb  der  Weltnrsache,  so- 
fern er  blofser  Vorsteher  [der  Materie,  nicht  auch  diese  selbst]  ist, 
bekämpft.  —  Aber  wie  kommen  wir  osu  diesem  [restringierenden 
Zusätze]?  —  Nun,  weil  der  Lehrer  selbst  in  den  Sütra's:  „auch 
„der  Urstoff,  weil  VerheiXsung  und  Gleichnis  widerspruchlos  ^'  (1, 
4,. 23);  —  „auch  wegen  Erwähnung  der  Absicht*'  (1,  4,  24),  einen 
Gott  aufgestellt  hat,  welcher,  sofern  er  der  Urstoff  und  zugleich 
der  Vorsteher  desselben  ist,  beide  Naturen  an  sich  trägt.  Wollte 
er  nun  hier  ohne  nähere  Bestimmung  die  Behauptung  [der  Gegner], 
dafs  Gott  die  Weltursache  sei,  bestreiten,  so  könnte  man  die  Fol- 
gerung^ ziehen,  dafs  wegen  Widerspruchs  des  Früheren  und  des 
Späteren  die  Aufste.llungen  des  Yerüassers  der  Sütra's  hinfallig 
wären.  Darum  wird  hier  mit  Vorsicht  die  Widerlegung  nur  gegen 
die  Behauptung  gerichtet,  dafs  Gott  nicht  der  Urstoff,  sondern 
blofe  der,  welcher  ihn  regiert,  blofs  die  bewirkende  Ursache  sei, 
—  eine  Behauptung,  welche  der  vom  Vedänta  gelehrten  Einheit 
[alles  Seienden]  mit  Brahman  |  entgegensteht.  Übrigens  ist  diese  5<)2 
aufservedische  Annahme  eines  Gottes  von  mancherlei  Art.  Einige 
nehmen,  indem  sie  sich  auf  das  Sänkhya-  und  Yoga- System 
stützen,  an,  dafs  Gott  nur  die  bewirkende  Ursache  ist,  sofern  er 
der  blofse  Vorsteher  ist  über  die  Urmaterie  und  die  Pmiisha's, 
und  dafs  die  Urmaterie,  die  Purnsha'd  und  Gott  von  einander  ver- 
schiedene Principien  sind.  Hingegen  nehmen  die  Anhänger  des 
Mahe^vara  (Qiva)  an,  dafs  ihre  fünf  Kategorien,  die  Wirkung 
[das  Mahad  u.  s.  w.],  die  Ursache  [die  FrakriU  und  der  l^vara]^ 
die  Andachtskunst,  das  Ritual  und  das  Leidensende  [die  Erlösung] 
von  Gott  als  dem  Herrn  der  Ei*eatur  zum  Zwecke,  die  Kreatur 
aus  ihren  Fesseln  zu  erlösen,  gelehrt  worden  seien;  wobei  sie  Gott, 
den  Herrn  der  Kreatur,  als  die  bewirkende  Ursache  hinstellen. 
Ähnliche  Auffassungen  linden  sich  auch  noch  bei  denVai^eshika's 
und  andern,  indem  dieselben,  je  nach  ihren  Voraussetzungen,  die 
einen  in  dieser,  die  andern  in  jener  Weise  Gott  als  die  bewirkende 
Ursache  hinstellen.  Diesen  allen  wird  zur  Antwort  gegeben: 
„wegen  der  Ungereimtheit  eines  Herrn";  d.  h.  es  geht  nicht  au, 
einen  Henii,  einen  Gott,  sofern  er  blofser  Vorsteher  der  Urmaterie 
und  der  Purusha's  ist,  für  die  Ursache  der  Welt  zu  erklären;  wa- 
rum? I  „wegen  der  [Ingercimthoit".    Worin  besteht  denn  diese  Un-  {)03 

24* 


372  {;iürtraka-mUn&n8& 

gereimtheit?  Darin,  dafs  Gott,  wenn  er  ee  vftre,  der  die  verschie* 
denen  Stände  der.Seolo  in  den  niedrigsten,  mittleren  mid  obersten 
Existenzen  veranlaÜBte,  mit  den  Schwäeben  der  Liebe,  des  Hasses 
tf.  s.  w.  behaftet  sein  würde  und  folglich  so  wenig  wie  wir  Gott 
sein  könnte.  Wollt  ihr  ihn  damit  verteidigen,  dafs  er  dabei  auf 
die  Werke  der  Seeleu  Rücksicht  nehme,  so  lassen  wir  diesen  [frei- 
lich auch  von  uns  ^selbst  Sütram  2,  1,  33  flg.  betretenen]  Ausweg 
[bei  euch]  nicbt  zu,  weil  dabei  die  Werke  und  Gott  sich  Wechsel« 
seitig  zu  einander  verhalten  würden  a|s  Bewegendes  und  Bewegtes, 
somit  der  Fehler  eines  Cirkels  eintreter.  würde.  Beruft  ihr  euch 
auf  die  Anfanglosigkeit  [dieser  Kausalitätskette],,  so  ist  damit  nieht 
geholfen,  weil  ebenso  gut  wie  in  der  Gegenwart  auch  in  allen  ver«* 
gangenen  Zeitläuften  jene  wechselseitige  Abhängigkeit  stattfinden, 
somit  der  Fall  von  der  Kette  der  sich  aü  einander  haltenden  Blin- 
Ö94  den  eintreten  würde.  Auch  sagt  ja  |  das  Nyaya- System:  4,.die 
„Schwächen  haben  als  Merkmal,  dafs  sie  [als  Motive]  zum  Handeln 
„antreiben*^  {Nyäya-^tram  1,  1,  18).  Denn  Niemand  unternimmt, 
wie  die  Erfahrung  zeigt,  eine  Handlung,  sei  es  im  eigenen  oder 
fremden  Interesse ,  ohne  dafs  er  mit  den  Schwächen  [der  Liebe, 
des  Hasses  und  des  Wahnes]  behaftet  wäre.  Übrigens  handelt 
jeder  Mensch  nur  in  seinem  eigenen  Interesse,  auch  wo  er  sich  um 
fremde  Interessen  bemüht;  und  hierin  liegt  eine  weitere  Ungereimt- 
heit; denn  ein  Gott,  welcher  sein  eigenes  Interesse  verfolgt«,  würde 
gar  kein  Gott  mehr  sein:  Endlich  liegt  auch  in  der  Annahme  der 
Verschiedenheit  der  Seele  (purusha)  von  Gott  sowie  in  der  An- 
nahme der  Thatlosigkeit  der  Seele  eine  Ungereimtheit. 


M5  38.    sanibandha '  anupapatteg  ca 

auch  wegen  der  Unmöglichkeit  einer  Verknüpfung. 

Und  noch  eine  weitere  Ungereimtheit:  der  Gott,  welcher  von 
der  Unnaterie  und  dem  Purusha  (Seele)  verschieden  wäre,  könnte 
dieselben  nicht  regieren  ohne  mit  ilinen  irgendwie  verknüpft  zu 
sein.  Diese  Verknüpfung  abei*  kann  weder  eine  blofse  [aggregat- 
artige] Verbindung  (saij^yoga)  sein,  weil  Urmaterie,  Seele  und 
Gott  allgegenwärtig  und  gliederlos  sind;  noch  aucdi  kann  sie  als 
eine  Inhärenz  (samaväya)  gedacht  worden,  weil  dabei  von  einem 
Inhiirierenden  und  einem  Inh&renzträger  [bei  den  Gegnern]  ni6ht 
die  Rede  ist;  noch  kann  man  an  irgend  eine  andere  als  Wirkung 
sich  ergebende  Verknüpfung  denken,  weil  das  ganze  Verhältnis 
von  Wirkung  und  Ursache  [erst  durch  jene  Verknüpfung  bedingt 
wird,  somit]  seinem  ersten  Anfange  nach  ein  unerwiesenes  bleibt« 
Fragt  ihr    wie  es  denn  die  Anhänger  des  Brahinan  halten,  so  wm- 


Sütram  IL  ii.  HH.  373 

Ben  wir  das  ab,  weil  bei  uns  die  Verknüpfung  [zwisclien  Gott  und 
SeeleJ  auf  der  Identität  beider  beruht.  Hierzu  kommt ,  dafs  der 
Brahmanlehrer  die  Natur  der  Ursache  u.  s.  w.  gemäfs  der  heiligen 
Oberlieferung  bestimmt,  dafs  sich  somit  bei  ihm  nicht  alles  not- 
wendigerweise 80  zu  verhalten  braucht,  wie  es  die  [von  Ihm  nicht 
als  absolut  real  anerkannte]  Eiiiahiiiug  lehrt;  der  Gegner  hingegen 
bestimmt  die  Natur  der  Ursache  u.  s.  w.  gem&fs  Erfahrungsbeispic- 
len,  und  somit  mufs  er  alles,  was  die  Erfahrung  lehrt,  als  richtig 
annehmen;  —  das  ist  der  Unterschied.  Meint  ihr,  dafs  auch  der 
Gegner  sich  ebenso  gut  auf  eine  heilige  Überlieferung  stütze,  weil 
da8_  von  Philosophen  (wörtlich:  Allwissenden ,.  p.  498,  4)  Überlie- 
ferte den  Wert  einer  heiligen  Ül>erlieferung  habe,  so  bestreiten 
wir  das,  weil  dabei  ein  CHrkelschlufs  stattfindet,  sofern  die  Allwis- 
senheit [jener  Philosophen]  auf  Kredit  der  heiligen  Überlieferung, 
und  I  die  Heiligkeit  der  ÜberUefening  auf  Kredit  der  Allwissenheit  596 
angenommen  wird.  Somit  ist  die  Aufstellung  eines  Gottes  von 
Seiten  der  Sinkhya-  und  Yoga-Lehrer  ungerechtfertigt;  und  in  ähn- 
licher Weise  l&fst  sich  auch  bei  den  übrigen  aufservedischen  Auf- 
stellungen eines  Gottes  je  nach  Befand  die  Ungereimtheit  erweben. 


39.    adhishihäna-anupapatteg  ca 
auch  wegen  Unmöglichkeit  eines  Substrates. 

Auch  daiiim  ist  der  von  den  Anhängern  der  Beflcxion  auf- 
gestellte Gott  unzulässig,  weil  derselbe,  ebenso  wie  der  Töpfer  den 
Thon,  irgend  welche  Urstoffe,  wenn  or  sie  bewegen  soll,  als  Sub- 
strat haben  müfste;  dieses  aber  ist  nicht  der  Fall:  denn  die  Ur- 
materie  kann,  weil  sie  unwahmehmbai*  und  der  Farbe  u.  s.  w.  er- 
mangelnd ist,  somit  von  anderer  Natur  ist  als  der  Thon  ü.  s.  w., 
dem  Gotte  nicht  als  dieses  Substrat  dienen. 

40.    karanavac  ccn?  na  hhoya-ädibhi/ah 
organhaft,  meint  ihr?  Nein!  wegen  des  Genusses  u.  s.  w. 

Aber  könnte  nicht  [„organhaft",  d.  h.]  ähnlich  wie  die  Seele 
(purusha)  als  Substrat  die  Scliar  der  Organe,  die  Sehkraft  u.  s.  w. 
hat,  obwohl  dieselben  unwahrnehmbar  und  der  Farbe  u.  s.w.  er- 
mangelnd sind,  ebenso  der  Gott  als  Substrat  die  Umiaterie  haben? 
Auch  dies  ist  unannehmbar;  denn  dafs  die  Seele  die  Schar  der 
Organe  als  Substrat  hat,  ergiebt  sich  daraus,  dafs  sie  eine  genie- 


374  <;Ariraka-mlm&nBlL 

fsende  ist;  im  Torliegenden  Falle  aber  ist  ein  Geniefsen  u.  s.  w. 
nicht    abzusehen.     Würde  aber  die  Analogie   [der  Urmaterie]  mit 

597  der  Schar  der  Organe  anerkannt,  |  so  müfste  ebenso  wie  bei  den 
wandernden  Seelen  auch  bei  Gott  ein  Geniefsen  u.  s.  w.  statthaben. 

Man  kann  die  beiden  letzten  Sütra's  auch  anders  er- 
klären. fyAuch  wegen  ünmöglichkeU  eines  Substrates" ;  d.  h.  auch 
darum  ist  der  von  den  Anhängern  der  Reflexion  angenommene 
Gott  unstatthaft,  weil,  wie  die  Erfahrung  zeigt,  ein  Herrscher  sein 
Beich  nur  beherrschen  kann,  sofern  er  ein  Substrat,  d.  h.  einen 
Leib  besitzt,  nidit  ohne  dieses  Substrat;  und  somit  müfste  man, 
diesem  Erfahrungsbeispiele  gem&fs,  wenn  man  einen  unsichtbaren 
Gott  annehmen  wollte,  auch  diesem  Gotte  irgend  einen  Leib  als 
Standort  seiner  Organe  beilegen;  dieses  aber  ist  unmöglich;  demi- 
ein Leib  entsteht  erst  im  Verlaufe  der  Schöpfung;  vor  der  Schö- 
pfung ist  er  undenkbar.  Somit  würde  dem  Gotte  das  Substrat 
fehlen;  ohne  dieses  aber  könnte  er  nicht  der  Beweger  [der  Ma- 
terie] sein,  wie  aus  der  Erfahrung  ersichtlich.  —  yyOrpanhaft,  meint 
i^ihr?   Nein!  toegen  des  Genusses  fi«  s.  w";  d.  h.  vielleicht  könnte 

598  man  im  Einklänge  mit  der  Erfahrung  auch  bei  Gott  |  irgend  einen 
[„  organhaften '^  d.  h.]  den  Standort  der  Organe  bildenden  Leib, 
wenn  man  so  will,  annehmen;  aber  auch  damit  komibt  man  nicht 
durch;  denn  wenn  Gott  einen  Leib  hat,  so  mufs  ihm  ebenso  wie 
der  wandernden  Seele  ein  Genieisen  u.  s.  w.  beigelegt  werden,  und 
dai*aus  würde  folgen,  dafs  [ebenso  wie  die  Wanderseele]  auch  Gott 
der  Göttlichkeit  ermangelte. 


41.    antavattvam  asarvajnatA  vd 
entweder  Endlichkeit  oder  Nichtallwißsenheit« 

Auch  aus  folgendem  Grunde  ist  der  von  den  Anhängern  der 
Reflexion  aufgestellte  Gott  unmöglich.  Gott  wird  nämlich  von 
ihuon  aufgefafst  als  allwissend  und  unendlich;  für  unendlich  gilt 
aber  weiter  auch  die  urmaterie  und  für  unendlich  die  von  ein- 
ander verschiedenen  Seelen.  Hierbei  nun  mufs  man  entweder  an- 
nehmen, dafs  Gott,  als  der  allwissende,  die  bestimmte  Gröfse  der 
Uimaterie,  der  Seelen  und  seiner  selbst  umgrrenzt  [d.  h.  durch  sein 
Benken  derselben  begrifflich  limitiert],  oder  dafs  er  sie  nicht  um- 
grenzt. Beiden  Fällen  aber  haftet  ein  Fehler  an.  Nämlich,  wenn 
man  das  Erstere  annimmt,  so  folgt  notwendig,  dafs  Urmaterie, 
Seele  und  Gott,  weil  ihrer  bestimmten  Gröfse  nach  umgrenzt,  [der 
Zeit  nach]  endlich  sind.  Denn  so  zeigt  es  die  Erfahrung;  indem 
jedes  Ding,  welches  seiner  bestimmten  Gröfse  nach  umgrenzt  ist, 
wie  z.  B.   der  Topf,  erfahrungsmäfsig  ein  Ende  nimmt.     Ebenso 


Sütram  IL  ii.  41  375 

nun  mufs  auch  die  Drciheit  Ton  Uimaterie,  Soelen  und  Gott,  da 
sie  ibror  bestimmten  Gröfse  nach  umgrenzt  sind,  (An  Ende  nehmen. 
Zun&cbst  nun  ist  Bchou  der  Zahlumfang,  zufolge  der  Dreilieit  Ton 
Urmatbrie,  Seeleu  und  Gott,  ein  umgrenzter;  dann  aber  muTs  in 
Betreff  dieser  Dreiheit  auch  der  Umfang  ihrer  WeseuBbeschaffen- 
heit  I  von  Gott  [indem  er  sie  der  bestimmten  Summe  ihrer  Merk-  &0<.) 
male  nach  erkennt  und  somit  begrifflich  limitiert]  umgi*enKt  werden. 
Und  allerdings  ist  die  Anzahl  der  Seelen  eine  groise  [aber  doch 
keine  unendliche];  und  hieraus  folgt,  dafs  bei  denjenigen  unter 
den  ihrer  ZahlgrölAe  nach  begrenzten  Seelen,  welche  von  dem  Sam- 
•4ra  erlöst  werden,  die  Wanderung  -  ein  Ende  nimmt,  somit  iiu* 
Wanderersein  ein  todliches  ist.  Ebenso  mufs  bei  den  übrigen,  in- 
dem sie  nach  und  nach  erlöst  werden,  die  Wanderung  und  das 
Wanderersein  ein  Endo  nehmen.  Was  aber  weiter  die  Urmaterie 
mitsami  ihren  Umwandlungen  betrifft,  so  ist  ihr  Substratsein  für 
Gott,'  da  es  um  der  Seelen  willen  besteht,  nur  durch  das  Y^an- 
dererseiu  derselben  motiviert;  nachdem  sie  aber  von  Seelen  ent- 
leert ist,  wozu  soll  sie  dann  noch  Gott  als  Substrat  dienen?  Und 
welches  Objekt  könnte  dann  noch  die  Allwissenheit  und  Allmacht 
Gottes  haben?  Ergiebt  sich  aber  hieraus,  dafs  Urmaterie,  Seelen 
und  Gott  einmal  ein  Ende  nehmen,  so  folgt  weiter,  dafs  sie  auch 
einen  Anfang  genommen  haben  müssen;  liaben  sie  aber  Anfang 
und  Eude,  so  sind  wir  bei  der  Theorie  des  Nihilismus  angelangt.  — 
Will  man,  um  diesem  Fehler  zu  entgehen,  den  letzteren  der  beiden 
oben  genannten  Fälle  annehmen,  so  werden  dann  also  Umiaterio, 
Seelen  und  Gott  selbst  nicht  von  Gott  ihrer  bestimmten  Gröfse 
nach  [denkend]  umgrenzt;  dann  stellt  sich  ein  anderer  Fohler  ein, 
sofern  damit  die  Annahme  der  Allwissenheit  Gottes  aufgegeben 
werden  mufs  [nur  ein  Endliches  kann  erkannt  werden].  — 
Auch  darum  also  ist  die  von  den  Anhängern  der  Reflexion  an- 
genommene Kausalität  Gottes  [als  blofser  causa  cfficlens,  nicht 
mcUerialis]  eine  ungereimte. 


Achtes  Adhikai'anafn. 

43.    iU2)aUi  -  asamhhavät  goo 

wegen  der  Uninöglichkeit  des  Ilervorgehenö. 

Wir  haben  die  Meinung  derjenigen,  welche  Gott  nicht  als  Ur- 
stoff,  sondern  nur  als  Regierer  und  bewirkende  Ursache  gelten 
lassen    wollen,    widerlegt.      Jetzt    bleibt    nur    noch    die  Meinung 


376  (;äiriraka-mtin&n8& 

derjenigen  zu  widerlegen,  für  welche  Ooti  sowohl  UrstofT  als  auch 
Regierer  und  somit  die  beiderseitige  Ursache  ißt.  —  Aber  haben 
wir  nicht  selbst  mit  Berufung  auf  die  Schrift  Gott  in  dieser  Weise 
oben  als  Urstoff  und  als  Regierer  erwiesen,  und  steht  es  nicht 
fcBt,  dafs  auch  die  Smriti,  sofern  sie  der.  Schrift  naclifolgt,  als 
Autorität  gilt?  Warum  wird  also  diese  Annahme  deirsetben  hier 
bekämpft?  —  Wir  antworten:  allerdings  giebt  dieser  Teil  der 
gegnerischen  Meinung  wegen  seiner  Oleichartigkeit  mit  unserer 
l^hre  zu  Ausstellungen  keine  Veranlassung-,  wohl  aber  giebt  eine 
solche  ein  anderer  Teil  dieser  Lehre;  daher  wir  ihn  bekämpfen 
müssen.  Nämlich  die  Bhägavata'h  glauben,  dai'ß  nur  der  ver- 
ehrungswürdige, einheitliche^  seinem  Wesen  nach  aus  lauter  Er- 
kenntnis bestehende  Yasudeva  die  absolute  Realit^it  ausmacht. 
Indem  dieser  sein  Wesen  vierfach  serteilt^  besteht  er  in  seiner 
Zerlegung  als  Y&sudeva,  Sankarshana,  Pradynmna  und  Auiraddlia. 
Als  y/isudeva  ist  er  der  höchste  Atman,  als  Sankarshapa  die  in- 
dividuelle  Seele,   als   Pradyumna    das  Mana«,    als    Aniruddha   das 

601  Ich-Bewulstsein.  Unter  ihnen  bildet  |  Yasudeva  den  letzten  Ur- 
grund, während  die  anderen,  8anlcai*8hana  u.  s.  w.,  seine  Wirkun- 
gen sind.  Wenn  man  diesen  so  beschaffenen  Rhagavan  hundert' 
Jalire  hindurch  durch  Nahen  zu  ihm,  Angebinde,  Opfer,  Studium 
und  religiöse  Übungen  verehii  hat,  so  wird  man  seine  Sünden  los 
und  gehet  zu.  Rhagavan  ein.  Wenn  es  nun  hierbei  heifst:  ,^ jener 
,,Narayana,  welcher  höher  als  das  Unoffenbare,  der  höchste  Atman 
„und  die  Seele  von  allem  ist,  dieser  besteht  viclfaltiglich,  indem 
„ei*  sich  selbst  dui'ch  sich  selbst  zerlegt",  so  haben  wir  auch  da- 
gegen nichts  einzuwenden,  indem  raieh  aus  Sohriftworteu  wie  „er 
„besteht  einfach,  er  besteht  dreifach^'  u.  s.  w.  (Chand.  7^  26,  2)  das 
Bestehen  des  höchsten  Atman  in  vielfältige)  Gestalt  sich  ergicbt. 
Und  auch  wenn  weiter  die  Yerehrung  dieses  Rhagavan  durcli  !Naben 
zu  ihm  u.  s.  w.  mittels  eines  unabläbsigeu  Richtens  dei*  Gedanken 
auf  ihn  gefordert  wird,  so  widersprechen  wir  auch  dem  nicht', 
weil  von  Schrift  und  Smriti  das  Sich  versenken  in  Qott  gut  ge* 
heifsen  wird.  Wenn  aber  weiter  gesagt  wird,  dafs  aus  Yasudeva 
Sankarshai^a  heiTorgehe,  aus  Sahkarshaiia  Pradyumna,  und  aus 
Pradyumna  Aniruddha,  so  müssen  wir  bemerken:  es  geht  nicht 
au,  dafs  aus  der  Yasudeva  genannten  höchsten  Seele  die  Sankar- 
shana  genannte  individuelle  Seele  hervorgehe,  weil  dabei  der  Fehler 
eintreten  würde,  dafs  die  letztere  nicht  ewig  u.  s.  w.  wäre;  denn 
wenn  die  individuelle  Seele  entstanden  ist,  so  kann  sie  nicht 
ewig  sein.  Somit  könnte  darin,  dafs  dieselbe  zu  Bhagav&n  eiii<- 
geht,    keine  Erlösung  liegen,    weil   sie  dabei   als  Wirkung,  falls 

609  sie  nicht  zugleich  die  Ursaclie  selbst  ist,  |  zu  Grunde  gehen 
wüi*de.  Darum  wird  auch  weiter  unten  der  Lehrer  die  Ent« 
stehung  d^r  individuellen  Seele  in  Abrede  stellen  mit  den  Worten: 
„nicht    das    Selbst,    weil    nicht    schriftgemäfs;    auch    wegen    der 


Sfttram  IL  ii.  12.  377 

„Ewigkeit  iiadi  jeiwn  [Schriaslellen] "  (Sutram  3,  3,  17).  ~  Somit 
ist  diese  Annahmo  uoKutrefFeud. 


43.    na  ca  kartuh  kciratmm 
auch  [entbteht]  nicht  aus  dem  Wirker  das  Werkzeug. 

Aucb  darum  ist  diesti  Anuahme  uiHSutriHfend ,  weil  die  Er- 
falirung  zeigt,  dafs  ,,uicbt  aus  dem  Wirker",  z.  B.  aus  Devadatta, 
„dati  Weilczcüg",  z.  B.  die  Axt,  hervorgeht.  Nun  lehren  aber 
die  Bliägavata^K,  dafs  aus  der  Stiele  als  Wirker,  welche  Sankar- 
8liana  heifst,  das  Manas  a]s  Werkzeng,  welehes  j^'radyumna  lieifst, 
hervorgebe,  und  duls  aus  diesem  wiederum  als  Wirker  das  Ani- 
ruddha  genannte  Ich-BowuMseiii  hervorgt^lie.  Dieses  aber  könnea 
wir,  so  lange  man  uns  keiu  Ei'f&.hrungsbeiKpiel  dafür  beibringt, 
nicht  zugeben ;  denn  eine  Sehriftstelle ,  Welche  es  lelirte ,  giebt 
es  nicht. 

44.    vynäna-adi'bhdve  vd  tad-apratishedhah 

auch  damit,  dafs  »ie  Erkenn tni»  ii.  s.  w.  nind,  ist 
keine  Abhülfe  dafür  goäcbaiTen. 

^Aber*,  könnte  man  sagen,  \jene  genannten,  Safikarshana  u.  s.  w., 
'werden  gar  nicht  als  individuelle  Seele  u.  s.  w.  hingestellt,  sou- 
'dern  sie  sind  vielmehr  sämtlich  Götterherren,  welche  mit  den 
'göttlichen  Prädikaten  des  Wissens,  der  lien-Bchaft,  Macht,  Kraft, 
'Tüchtigkeit  und  Energie  ausgerüstet  sind;  denn  es  heifst:  „diese 
*„allo  sind  YasudevaV,  sind  ohne  Mangel,  ohne  Stütze  |  und  ohne  603 
%,Tadel'';  daher  jener  (Sutrom  2,  2,  42)  gerügte  Fehler,  dafs  ein 
^Hervorgehen  derselben  unmöglich  sei,  nicht  anf  sie  zutrifft.*  — 
Barauf  erwidern  wir,  dafs  auch  so  „keine  Abhülfe  dafür  ge- 
„schaffen  ist";  näinlich  keine  Abhülfe  dafür,  dafs  ihr  Hervor- 
gehen unmöglich  ist;  es  stellt  sich  nämlich,  das  ist  der  Sinn, 
jener  Fehler,  die  Ilumöglichkeit  ihres  Hervorgehens,  in  anderer 
Weise  wieder  ein.  Wie  dasV  Nun,  w^enn  die  Meinung  diese  ist, 
dafs  alle  jene  viere,  Vdisadeva  u.  s.  w.,  von  einander  verschiedene 
Götterherren  von  gleicher  Beschaffenheit  sind,  so  können  sie  nicht 
ein  Wesen  ausmachen;  dann  aber  wii*d  die  Anuahme  einer  Mehr- 
heit von  Götterherreu  überflüssig,  weil  sich  die  [Welt  als]  Wir- 
kung Gottes  auch  au»  einem  Gott  allein  erklären  läfst.  Auch  ist 
damit  die  Voraussetzung  aufgegeben,  dafs  der  verehrungswürdige 
einheitliche  Vaiiudeva  allein  die  absolute  Realität  bilde.  Oder  ist 
die  Meinung,    dafs    die   vier    genannten  Wesen    Zerlegungen   de^ 


378  Qirtraka-mlm&nsi 

einen  BhagBV&n  und  von  gleichen  Eigenschaften  wie  er  seien? 
Nun,  dann  bleibt  es  eben  mit  Bezug  auf  sie  dabei,  dafs  ihr 
Hervorgehen  unmöglich  ist.  Denn  es  ist  nicht  möglich,  dafs  aus  y&- 
sudeva  Sankarshana,  aus  Sankarshana  Pradyunma,  aus  Pradyunma 
Aniruddha  hervorgehe,  weil  das  Hinausreichen  fehlt;  denn  bei 
Wirkung  und  Ursache  mufs  ein  Hinausreichen  der  Ursache  zur 
Wirkung  hinüber  stattfinden ,  wie  das  des  Thones  zu  den  Ge- 
fäfsen  hinüber.  Denn  ohne  dieses  Hinausreichen  kann  von  den 
Begriffen  Ursache  und  Wirkung  nicht  die  Rede  sein.  Auch  findet 
sich  in  den  Lehrsätzen  des  Paücarätram  keinerlei  Unterscheidung 
angegeben,  vermöge  deren  zwischen  Y&sudeva  und  den  übrigen 
[ähnlich  wie  bei  uns  zwischen  Brahmdn  und  seinen  Manifesta- 
tionen, p.  62,  S.  19,  vgl.  p.  113,  S.  48]  im  einzelnen  oder  im  gan- 
zen ein  Mehr  oder  Minder  von  Wissen  und  Machtvollkommenheit 
604  stattfände,  |  sondern  sie  werden  alle  ohne  Unterschied  als  Zer- 
legungen des  y&sudeva  betrachtet.  Auch  dürfte  man  für  diese 
Zerlegungen  des  Bhagavan  nicht  bei  der  Yierzahl  stehen  bleiben, 
weil  sich  diese  ganze  Welt  von  Brahman  bis  zur  Pflanze  herab 
als  eine  Zerlegung  des  Bhagavan  ausweist. 

45.    vipratishedhäc  ca 
auch  wegen  des  Widerspinichs. 

Auch  läfst  sich  vielfacher  „Widerspruch*^  in  diesem  Lehrsysteme 
bemerken.  So  z.  B.  in  der  Art,  wie  [jene  vier  Zerlegungen  des 
y&sudeva]  als  Träger  der  [allen  gemeinsamen]  Qualitäten  ange- 
nommen werden.  Diese  Qualitäten  sind  nämlich  Erkenntnis,  Herr- 
lichkeit, Kraft,  Macht,  Tüchtigkeit  und  Energie,  [welche  sich  der 
individuellen  8eele ,  dem  Manas  und  dem  Ich-Bewufstsein  in  gleich 
hohem  Grade  nicht  ohne  Widerspruch  beilegen  lassen;  und  doch 
geschieht  dies,]  denn  es  heifst  „alle  diese  Selbste  sindverehrungs- 
„würdig,  sind  Yäsudeva*s".  —  Auch  zeigt  sich  ein  Widerspruch 
gegen  den  Veda,  denn  wenn  es  heifst:  „nachdem  Qäijidilya  in  den 
„vier  Yeden  das  hödiste  Glück  nicht  gefunden,  so  ist  er  zu  diesem 
„Lehrsysteme  gelangt",  so  liegt  in  diesen  Worten  ein  Tadel  des 
Veda.   Auch  darum  also  steht  fest,  dafs  diese  Annahme  unrichtig  ist. 


So  Uutet  in  dem  Kommentare  Bur  erlftnohten  ^drtraka-ntimansay  dorn  Werke  4er 
Terehruugswürdigen  FtLbe  des  ^atikara,  im  sweiten  Ädh^aya  der  zweite  JPaifa, 


Des  zweiten  Adkyftja 


DRITTER   PADA. 


Gm!    Verehrung ^«B  höchateu  Atmmnl 


^  Entes  Adhikaranam. 

1.    ^na  viyady  agnUeh' 
^nicht  der  Äther  (Kaum),  weil  das  Schriftzeugnis  fehlt',  eob 

In  den  Yed&ntatexten  bemerkt  man  hier  und  da  Schriftstellen 
über  die  Schöpfung,  welche  in  verschiedener  Weise  vorgehen.  So 
erwähnen  einige  eine  Schöpfung  des  Äthers  (Raumes),  und  andere 
wieder  nicht.  Ebenso  lehren  die  einen  eine  Schöpfung  des  Windes, 
und  die  andern  nicht.  Ebenso  steht  es  mit  der  individuellen 
Seele  und  den  Lebensorganen.  Ähiilich  läist  sich  wiederum  in 
andern  Schriftstellen  ein  Widerspruch  in  Bezug  auf  die  Reihen- 
folge [der  Emanationen]  bemerken.  Wo  wir  bei  den  Gegnern 
einen  Widerspruch  fanden,  da  erklärten  wir,  dafs  dieselben  keine 
Beachtung  verdienen;  in  ähnlicher  Weise  könnte  man  denken,  dafs 
auch  unsere  eigene  Lehre  keine  Beachtung  verdieiie,'  weil  sie  wider- 
sprechend sei.  Um  dem  zu  begegnen,  und  um  den  Schiiftsinn 
lüler  Yed&ntastellen,  die  von  der  Schöpfung  handeln,  als  tadellos 
zu  erweisen,  dazu  dient  die  nächstfolgende  Ausführung.  Stellt 
sich  dabei  die  Tadellosigkeit  des  Schriftwortes  heraus,  so  folgt, 
dafs  das  genannte  Bedenken  in  sich  zerfUlt. 

Zunächst  also  erhebt  sich  in  Bezug  auf  den  Äther  (Raum)  j 
die  Frage,  ob  für  diesen  Äther  ein  Entstehen  anzunehmen  ist  oder  606 


380  ^Mraka-mlm^usll 

niclit  anzanehmen  ist.  -—  Hier  könnte  nuin  einer  behaupten:  '„nicht 
S,der  Äther,  weil  das  Schriftzeugnis  fehlt'';  d.  h.  der  Äther  kann 
'nicht  entstanden  sein;  wanun?  „weil  das  Schriftzeugnis  fehlt", 
'd.  h.  weil  in  dem  Abschnitte  ron  der  Schöpfung  seiner  keine  Er- 
'wähnung  in  der  Schrift  geschieht.  Nämlich  im  Ch&ndogyam  heifst 
'es:  „seiend  nur,  o  Teurer,  war  dieses  zu  Anfang,  eines  nur  und 
'„ohne  zweites"  (Ghänd.  6,  2,  1);  und  dauii  heifst  es  von  dem  hier 
'unter  dem  „Seienden"  gemeinten  Brahman:  „dasselbige  beab- 
'„eichtigte,  da  schuf  es  das  Feuer"  (Ghänd.  6,  2,  3).  Hier  wird 
'von  den  f&nf  Elementen  das  mittlere,  nämlich  das  Feuer,  zum 
'Anfange  gemacht,  und  nur  von  dreien  unter  ihnen,  dem  Feuer, 
'dem  Wasser  und  der  Nahrung,  eine  Entstehung  geliahrt.  Nun 
'ist  aber  die  Schrift  ffir  uns  die  Autorität,  durch  welche  uns  eine 
^Erkenntnis  der  übersinnlichen  Dinge  zu  Teil  wirdi  und  ein  Sohrifi- 
'zeugnis,  welches  die  Entstehung  des  Äthers  lehrte,  liegt  hier  nicht 
'vor«  Somit  ist  eine  Entstehung  des  Äthers  nicht  anzunehmen.^  -«- 
So  könnte  man  meinen. 


2.    ^asü  tu' 
*sie  ißt  vielmehr  doch  vorhanden  \ 

Das  Wort  „vielmehr"  bezieht  sich  auf  eine  andere  [ebenfalls 
gegnerische]  Meinung.  'Mag  auch',  so  könnte  man  nämlidi  er- 
widern, 'im  Chändogyam  keine  Schöpfung  des  Äthers  gelehrt  wer* 
'deli,  so  liegt  sie  doch  in  einer  a;kidem  Schriftstelle  vor.  Denn 
607  'bei  den  Taittiriyaka's  heifst  es:  |  „Wahrheit,  Erkenntnis,  unend-* 
'„Hell  ist  das  Brahman",  und  dann:  „fürwahr,  aus  diesem  Ätinan 
'„ist  der  Äther  entstanden"  (Taitt.  2>  1).  Es  liegt  somit  hier  ein 
'Widerspmdi  der  beiden  Schriftstellen  vor^  sofern  die  Schöpfung 
'nach  der  einen  (Chänd.  6,  2,  3)  mit  dem  Feuer,  nach  der  andern 
'(Taitt.  2,  1)  mit  dem  Äther  anhebt.^  —  Aber  ziemt  es  sich  nicht, 
anzunehmen,  dafs  beide  Schriftstellen  übereinstimmen?  —  'Freilich 
'ziemt  es  sich,  dieses  anzunehmen,  aber  man  kann  es  nicht  an- 
'nehmen;  denn  wenn  die  Schrift  mit  den  Worten:  „da  schuf  er 
'„das  Feuer"  den  Schöpfer  nur  als  mit  dem  Schaffen  des  einen 
'beschäftigt  darstellt,  so  kann  man  darin  doch  nicht  eine  Yer- 
'knüpfung  desselben  mit  dem  Schaffen  zweier  Elemente  finden, 
'gleich. als  wenn  es  hiefse:  „da  schuf  er  das  Feuer,  da  schuf  er 
'„den  Äther".'  —  Aber  man  kann  doch  auch  ein  nur  einmal  ge- 
nanntes Subjekt  mit  zwei  Prädikaten  verknüpfen  und  z.  B.  sag^: 
„er  kochte  die  Suppe  und  dann  den  Reis".  Ebenso  können  wir 
in  unserm  Falle  die  Sache  dahin  auffassen,  dafs  das  Brahman  bu- 
erst  den  Äther  und  sodann  das  Feuer  erschaffen  habe!  —  'Das 
'geht  nicht  an,  weil  im  Gh&ndogyam  als  Erstentstandenes  das  Feuer, 


stimm  n.  ni.  2.  e38l 

'im  Taittuiyakain  hingegen  der  Äther  ervrähnt  wird,  und  weil 
^bqide  7.iigleich  nicht  das  ErBtenjbstandene  sein  können.  Damit  kon'i- 
*men  «wir  noch  auf  einen  weiteren  Widerspruch  mit  d6r  ändern 
^ScfariftfiteUe ;  denn  wenn  es  heilst:  ,,  fürwahr  aus  diesem  Atman  ist 
^der  „Äther  entstanden**  (Taitt.  2,  1),  so  kann  man  nicht,  —  gleich 
^als  wenn  es  hiefse:  „aus  .ihm  ist  der  Äther  entstanden 'S  »t^us 
S,ihm  ist  das  Feuer  entstand\;n",  —  den  nnr  einmal  vorkommen- 
^den  Ablativ  [„aus  ihm**J  und  das  nur  oinmal  erwähnte  Entstehen 
'gleichzeitig  |  auf  den  Äther  und  das  Feuer  beziehen;  zwnal  es  608 
^nachher  noch  specioU  heifst:  „aus  dem  Winde  das  Feuer''  [worin 
'liegt}  dafs  das  Feuer  nicht,  wie  die  Chändogyastelle  besagt,  nn- 
'  mittel  bar  aUs  Brahman  entstanden  ist].' 

Gegen  diesen  behaupteten  Widerspruch  könnte  nun  wieder  ein. 
anderer  [Gegner]  einwenden: 


3.  ^gmmiy  asamhhavat' 
^uBeigentlich,  wegen  der  Unmöglichkeit'. 

'Eine  Entstehung  des  Äthers  ist  nicht  anzunehmen  und  zwar 
'eben  weil  [in  der  Stelle  Chänd.  6,  2]  „das  Schriftzeugnis  dafür 
'„fehlt";  und  wenn  nun  doch  wieder  eine  andere  Schrifbstelle  sich 
'anführen  l&fst,  welche  von  einer  Entstehung  des  Äthers  redet,  so 
'mufs  dieselbe  „uneigentlich"  aufgefafst  werden;  warum?  „wegen  der 
'„Unmöglichkeit",  d.  h.  weil  es  nicht  möglich  ist,  sich  eine  Entste- 
'hung  de^  Raumes  (Äthers)  Yoramstelle»,  wie  wenigstens  diejenigen 
'annehmen,  welche  in  den  Meinungen  des  erlauchten  Kanada  wandeln-. 
'Diese  nämlich  bestreiten  die  Entstehung  des  Raumes/  weil  er  aus 
'ihrem  Vorräte  von  Ursachen  sich  nicht  ableiten  Itifst.  Alles  näm- 
'lich,  so  leluren  sie,  was  entsteht,  mufs  hervorgehen  aus  der  [die 
'Wirkung]  inh&rierend-habenden,  der  [sie]  nichi-inhärierend-haben- 
'den  und  der  bewirkenden  Ursache.  Für  eine  Substanz  nun  liegt 
'die  inliärierend-habendc  Ursache  in  einer  andern  Substanz,  welche 
'mit  ihr  gleichartig  und  dabei  vieiheiilich  ist  [wie  z.  B.  die  Erd- 
'atome  es  sind,  denen  die  Erde  als  Substanz  inhäriert].  Für  den 
'Raum  aber  giebt  es  keine  ihn  bedingende,  mit  ihm  gleichartige 
'und  dabei  vielheitliche  Substanz,  aus  welcher  als  inhiirierend-ha- 
'bender  Ursache  und  aus  deren  Verbindung  als  nicht-inhärierend- 
'habender  Ursache  der  Raum  hervorgehen  könnte.  Fehlt  es  aber 
'an  diesen  beiden,  |  so  kann  noch  viel  weniger  von  einer  dieselben  609 
'voraussetzenden  bewirkenden  Ursache  fär  den  Raum  die  Rede 
'sein.  —  Hierzu  kommt,  dafs  für  alles,  was  eine  Entstehung  hat, 
'z.  B.  für  das  Feuer  u.  s.  w.,  sich  ein  Unterschied  vorstelien  läfst 
'zwischen  der  Zeit  vor  und  dor  nach  dem  Entstehen,  derart,  dafs 


382  Cirtraka-mlmins^ 

^vor  dem  Entstehen  die  entsprechenden  Wirkungen,  z.  B.  das 
^Leuchten  (lies:  prakägd)  u.  s.  w.,  nicht  da  waren,  und  dafs  sie 
^un  hinterher  da  sind.  Für  den  Raum  nun  also  kann  man  sich 
'einen  derartigen  Unterschied  zwischen  der  Zeit  vor  und  der  iiach 
^seinem  Entstehen  nicht  vorstellen.  Denn  könnte  man  sich  wohl 
^dahei  beruhigen,  anzunehmen,  dafs  vor.  der  Weltschopfong  kein 
'freier  Raum,  keine  Weite,  kein  Offenes  gewesen  wäre?  —  Femer 
'auch  darum,  weil  der  Baum  von  der  Erde  und  den  übrigen 
'[wirklüih  aus  den  Atomen  entstandenen  Substanzen]  wesensver- 
'schieden  ist,  sofern  er  [im  Gegensätze  zu  ihnen]  Allgegen- 
'wart  u.  B.  w.  besitzt,  ist  zu  schliefsen,  dafs  der  Raum  nicht  ent- 
'standen  sein  kann.  —  Somit  mufs  man  annehmen,  dafs,  so  wie 
'in  den  Redensarten,  „mache  Raum",  „es  ist  Raum  geworden ", 
^die  Worte  „machen"  und  „werden"  bildlich  zu  n^mien  sind,  — 
'oder  wie  man  auch  von  dem  Raum  eines  Grefäfses,  dem  Raum 
'eines  Kruges,  dem  Raum  eines  Hauses  redet,  wobei  trotz  der 
'Einheit  des  Raumes  von  einer  Vielheit  von  Räumen  gesprochen 
'wird,  —  wie  es  ja  auch  im  Yeda  heifst:  „die  wilden  Tiere  sollen 
'„sie  in  den  Zwischenräumen  opfern"  (vgl.  Qatap.  br.  13,  5,  1,  lö), 
' —  daüs  in  ähnlicher  Weise  die  Sehrifbstelle  von  der  Entstehung 
'des  Raumes  „uneigentlich"  zu  nehmen  ist.' 


610  4.    ^gahdäc  ca\ 

'auch  wegen  des  Schriftwortes'. 

'Auch  ein  Schriftwort  bezeugt  das  Nichtentstandensein  des 
'Raumes,  wenn  es  heifst:  „der  Wind  und  der  liuftraum  (aniari- 
\yksJiam),  das  ist  das  Unsterbliche"  (Bnh.  2,  3,  3);  denn  fär  ein 
'Unsterbliches  ist  keine  Entstehung  möglich.  Und  auch  wenn  die 
'Schrift  in  den  Worten:  „dem  Räume  gleich,  allgegenwärtig, 
S,ewig",  das  Brahman  wegen  seiner  Eigenschaften-  der  AUgegen- 
'wart  und  Ewigkeit  mit  dem  Räume  vergleicht,  so  giebt  sie  damit 
'zu  erkennen,  dafs  diese  beiden  Eigenschaften  auch  dem  Räume 
'zukommen.  Ist  er  aber  von  dieser  Beschaffenheit,  so  ist  eine 
'Entstehung  desselben  unmöglich.  Man  kann  auch  an  die  Worte 
'erinnern:  „so  unendlich  wie  dieser  Raum  ist,  so  unendlich  ist 
'„der  Atman,  das  soll  man  wissen",  und:  „das  Brahman  hat  den 
'„Raum  als  Leib,  den  Raum  als  Selbst".  Wäre  der  Raum  ent- 
'standen,  so  könnte  das  Brahman  nicht  denselben,  ähnlich  wie 
'die  Lotosblume  die  blaue  Farbe,  als  Merkmai  an  sich  tragen. 
'Daher  besagt  die  Stelle,  dafs  das  Brahman  ewig,  weil  von  gleicher 
'Beschaffenheit  wie  der  Raum,  sei.* 


SAtram  II.  m.  5.  383 

5.    ^syäc  ca  ekasyay  hrahma-QahdavaV 

'auch  kann  ja  das  eine  [Wort  einmal  bildlich  und 
dann  Wieder  eigentlich  gebraucht  werden],   so  wie 

das  Wort  Brahman'. 

Dieses  Sütram  ist  die  Antwort  auf  einen  [zweifelhaften]  Fimkt. 
—  Man  könnte  nämlich  [den  Ausführungen  des  Gegners]  mit  den 
Worten  entgegentreten:  nun  ja,  aber  wie  ist  es  möglich,  dafs  das 
eine  und  näinliche  Wort  „ entstanden '^  in  der  Stelle:  „fürwahr 
„ans  diesem  Ätman  ist  der  Äther  entstanden"  u.  s.  w.  (Taitt.  2,  1), 
im  weitem  Verlaufe  der  Stelle,  bei  dem  Feuer  u.  s.  w.,  wo  es 
wieder  vorkommt,  im  eigentlichen  Sinne,  |  bei  dent  Äther  (Raum)  611 
hingegen  uneigentlich  gebraucht  sein  soll?  —  Hierauf  antwortet 
der  Gegner:  ^„auch  kann  ja  das  eine^',  nämlich  das  Wort  „ent- 
S,8tanden",  indem  es  sich  auf  verschiedene  Gegenstände  bezieht, 
'nneigentlich  und  dann  wieder  eigentlich  gebraucht  werden,  „so 
S,wie  das  Wort  Brahman".  So  wie  nämlich  d|ts  eine  Wort  „Brah- 
S,man  in  der  Stelle :  „durch  Bufse  suche  das  Brahman  zu  erkennen, 
S,Bufse  ist  das  Brahman"  u.  s.  w.  (Taitt.  3,  2)  von  der  Nahrung 
^und  den  folgenden  in  bildlichem,  von  der  Wonne  hingegen  in 
'eigentlichem  Sinne  gebraucht  wird;  —  und  so  wie  [ebendaseibst] 
*von  der  Bufse  als  einem  Mittel  der  Erkenntnis  deis  Brahman  das 
*Wort  „Brahman"  bildlich  gebraucht  wird,  hingegen  von  dem 
*zu  erkennenden  Brahman  in  eigentlichem  Sinne,  ebenso  könnte 
*es  auch  hier  sein.'  —  Aber  wie  kann,  wenn  der  Äther  nicht 
entstanden  sein  soll,  die  Behauptung,  dafs  die  Weltursache  „eines 
„nur  und  ohne  zweites"  sei  (Chand.  6,  2,  1),  zu  Rechte  bestehen? 
würde  dann  nicht  das  Brahman  den  Raum  als  ein  zweites  neben 
sich  haben?  Und  wie  kann  es  dann  (z.  B.  Brih.  2,  4,  5.  Chand. 
6,  i.  Mund.  1,  1,  3)  heifsen,  dafs  durch  die  Erkenntnis  des  Brah- 
man alles  erkannt  sei?  — '  Darauf  antwortet  der  Gegner:  'was 
'zunächst  das  Wort  „eines  nur"  (Chand.  6,  2,  1)  betrifft,  so  kann 
'dasselbe  nur  gelten  in  Hinsicht  der  aus  Brahman  hervorgegange- 
^nen  Wirkungen.  Es  steht  damit  ähnlich,  wie  wenn  einer  am 
'vorhergehenden  Tage  in  dem  Hause  eines  Tüpfers  den  Thon,  den 
)Stab  und  die  Töpferscheibe  bemerkt  hat,  und  am  folgenden  Tage 
'bemerkt  er  die  verschiedenen,  daraus  gearbeiteten  Gefäfse  und 
'spricht:  „gestern  war  dieses  alles  nur  Thon  allein";  womit  er 
'doch  offenbar  nur  sagen  will,  dafs  dasjenige,  was  aus  dem  Thone 
'entstanden  ist,  am  vorigen  Tage  noch  nicht  vorhanden  gewesen 
'sei,  niclit  aber,  dafs  auch  der  Stab  und  die  Töpferscheibe  damals 
'nur  Thon  gewesen  seien.  In  ähnlicher  Weise  will  die  Schrift- 
^stelle  von  der   Zweitlosigkeit  des   Brahman   nur    jeden  Vorsteher 


384  Qlrtraka-iiiIm&]iB{i 

'des  Urstoffes  an/ser  Brahman  auBSchliefBen  und  besagen,  da/s, 
^während  s.  B.  bei  der  Hervorbringung  der  Gefitfae  auH  dem  Tboüe 
*der  Töpfer  es  ist,  welchf^r  dem  Thone  vorsteht,  hingegen  bei  der 
^llervorbiinguiig  der  Welt  aus  dem  Brahman  kein  anderer  Vor- 
*ste)ier  vorhandüo  ist  als  Brahman  selbst.  —  Übrigens  wird  auch 
'danut,  dafs  der  Raum  als  ein  stwoites  neben  Br«ihman  besteht, 
'die  Zweitlosigkeit  des  Brahman  noch  gar  nicht  aufgelioben.  Denn 
^eine  Verschiedenheit  ist  nur  da,  wo  ein  Gegensatz  der  Merkmale 
Ct2  'vorliegt;  |  zwischen  Brahman  und  dem  Räume  aber  besteht  vor 
'der  Schöpfung  kein  Qegensatx  der  Merkmale,  weil  beide,  ähnlich 
'wie  Milch  und  Wasser,  wenn  sie  gemischt  werden,  in  gleich«: 
'Weise  die  Eigenschaften  der  Alldurchdringung  und  Oestadtlosig- 
'keit  besiti^en;  7«ar  Zeit  der  Schöpfung  hingegen  tritt  das  Brahman 
'in  Aktdon,  um  die  Welt  hervorKubringen,  während  der  Raum  un- 
'bewegt  bkibt,  wodurch  dann  die  Yerschtedenheit  beider  isu  Tage 
'tritt.  —  Ebenso  ist  auch  aus  Schrifbstellen  wie:  „das  Brahinan 
'„hat  den  Raum  als  Leib"  ersichtlich,  dafs  dabei  Brahman  und 
'der  Raum  als  etwas  Identisches  betrachtet  werden;  und  daram 
'ist  es  auch  möglieh,  dafs  mit  der  bloiben  Erkenntnis  des  Brah- 
'man  sohon  alles  erkannt  ist.  --  Hierxu  kommt,  dafs  alle  Wir- 
*kung,  wenn  sie  entsieht,  in  der  Art  entsteht,  dafs  sie  an  Ort 
*und'  Zeit  nicht  über  den  Raum  liinausreicht,  und  dafs  der  Raum 
'hinwidemm  an  Ort  und  Zeit  nicht  über  das  Brahman  hinaua- 
'reicht;  und  hieraus  folgte  dafs  in  der  Erkenntnis  des  Brahman 
'und  des  ans  ihm  Erschaffenen  die  Erkenntnis  des  Raumes  schon 
'mit  einbegriffen  ist.  Es  ist  damit,  wie  wenn  man  in  einen  Topf 
'voll  Milch  einige  Tropfen  Wasser  giefst;  wer  die  Milch  trinkt, 
trinkt  dieselben  mit;  denn  nachdem  die  Milch  ausgetrunken  ist, 
'bleiben  keine  Wassertropfen  mehr  übrig.  Weil  also  der  Raum 
'über  das  Brahman  und  seine  Hervorbringungen  nach  Ort  und  Zeit 
'nicht  hinausreicht,  deswegen  ist  in  der  Erkenntnis  des  Brahman 
'der  Raum  schon  mit  einbegriffen.  —  Somit  ist  die  Schriftstelle, 
'welche  oino  Entstehung  des  Raumes  lehrt,  bildlich  au  nehmen.' 
Auf  diese  Behauptungen  des  Gogners  dient  aar  Antwort: 


^13  6*.   pratjjnA-ahämr  a^atirekdr,  chalxiebhyah 

die  Verheifßung  der  Schrift  bleibt  [nur  dann]  nicht 

unerfüllt,  wenn  [der  Kaum]   nicht  darüber  hinaus 

besteht,  wegen  der  Schriftstellen. 

Die  Schrift  sagt:   „wodurch  [auch]   das  Ungeliörte  ein  [schon] 
,0eh6i*tes,   das  Unverstandene   oin  Verstandenes,    das   Unerkannte 


S&trAiM  n.  ni.  6.  385 

„ein  Erkanntes  wird*^  (Gh&nd.  6,  1,  2);  —  „fürwahi-,  von  wem 
,,der  Atman  gesehen,  gehört,  verstanden  und  erkannt  worden  ist, 
„Ton  dem  wird  diese  ganae  Welt  gewnfst"  (Brih.  4,  5,  6);  —  „^»^ 
„ist  das,  o  Ehrwürdiger,  mit  dessen  Erkenntnis  diese  ganze  Welt 
„erkannt  ist^  (liuii4.  li  1)  3);  —  „kein  Wissen  (giebt  es  aufser- 
„halb  des  Seienden";  —  so  lautei  in  dei|. versclüedcnen  Yed&Dta* 
texten  die  Yerheifsnng  [des  EiQen,  in  dem  Alles  erkannt  sein 
solle].  Diese  Verheifsung  bleibt  nur  dann  jcucht  unerfüllt,  be- 
steht nur  dann  ohne  Widersprach,  wenn  die  gesamte  aus  Dingen 
bestehende  Welt  über  das  ^zu  erkennende  Brahman  nicht  hinaas- 
reieht.  Reicht  irgend  etwas  /über  Brahman .  hinaus ,  so  geht  die 
Yerheifsung,  dafs  mit  der  Erkenntnis  dos  einen  [Urahman]  alles 
erkannt  sein  solle,  nicht  in  Erfüllung.  Dieses  Nichthinausreichen 
ist  aber  nur  dann  möglich,  wenil  die  gesamte  aus  Dingen  be- 
stehende Welt  aus  dem  euien  Brahman  entstanden  ist.  Denn 
„wegen  der  Schrifbstellen"  ergiebt  sieh»  dafs  die  Erfüllung  jener 
Yerheifsung  nur  in  dem  Sinne  zu  denken  ist,  in  welchem  das 
Produkt  nicht  über  den  Urstoff,  aus  dem  es  hervorgegangen, 
hinausreicht.  Denn  wenn  es  a.  B.  heilst:  „wodurch  [auch]  das  « 
„IJngehörte  ein  [schon]  Gehörtes  wird"  (Chand.  6,  1,  2),  so  wird 
hier  etwas  verheifsen;  und  diese  Yerheifsung  [das  Ein^  zu  lehren,  614 
in  welchem  Alles  inbegriffen  sei],  wird  verwirklicht  durch  die 
Gleichnisse  vom  Thone  u.  s.  w.,  deren  Zweck  es  ist,  die  Identit&t 
der  Wirkling  mit  der  Ursaclie  zu  lehi'en;  und  nur  der  Erweisung 
dieser  Identität  dienen  die  weiter  folgenden  Aussprüche:  „seiend 
„nur  o  Teurer,  war  dieses  zu  Anfang,  eines  nur  und  ohne  zweites" 
(Chand.  6,  2,  1);  „dasselbige  beabsichtigte,  ...  da  schuf  er  das 
„Feuer"  (Ch&nd.  6,  2,  3).  Nachdem  diese  Stellen  alle  Wöltwirkun- 
gen  aus  dem  Brahman  abgeleitet  haben,  so  zeigt  das  darin  Fol- 
gende, dafs  sie  nicht  über  dasselbe  hinausreichen ,  wenu  es  heifst: 
„dessen  Wesens  ist  dieses  Weltall "  u.  s.  w.  bis  zum  End«<  des 
Abschnittes  (Ch&nd.  6,  8,  7 — 16).  Wäre  der  Baum  keine  Wirkung 
des  Brahman,  so  würde  die  Erkenntnis  des  Kaiunes  nicht  iu  der 
Erkenntnis  des  Brahman  einbegriffen  sein,  und  somit  würde  die 
Schriftverheifsung  unerfüllt  bleiben.  Es  ziemt  sich  aber  nicht, 
die  Unerfülltheit  einer  Scbriflverheiisung  zuzugeben  und  dadurch 
den  Yeda  um  seine  Autorität  zu  bringen.  —  In  ähnlicher  Weise 
geben,  je  nach  den  verschiedenen  Yeda n tutexten  ^  bald  diese,  bald 
jene  Gleichnisse  jene  Yerheifsung  [ajs  erfüllt]  zu  erkennen,  z.  B. 
da  wo  es  heifst:  „dieses  Weltall  ist  was  diese  Seele  ist"  (Bnh.  2, 
4,  €•);  —  „Brahmaii  allein  ist  dieses  Unsterbliche  im  (>9ten'' 
(Mu^d.  2,  2,  11)  U.S.  w.  Somit  folgt,  dafs  ebenso  gut  wie  das 
Feuer  u.  s.  w.  auch  der  Raum  (Äther)  u.  s.  w.  entstauden  ist. 

Wenn  hingegen  behauptet  wurde,  dafs  der  Raum  nicht  ent- 
standen sein  könne,  weil  das  Schriftzengnis  [in  der  Stt^lle  Chand. 
6,  2,  3)  dafür  fehle,    so  ist   dieses  unzutreffend,    weil    eine  andere 

DiCuatM,  VMAiiU.  25 


p^-jy- 


386  Qlr1raka-mfmäns4 

Schriftstelle  sich  anfweiseu  läfst,  welche  die  Entstehung  des  Rau- 
mes bezeugt  mit  den  Worten:  „fürwahr,  aus  diesem  Atman  ist 
„der  Raum  entstanden*'  (Taitt.  2,  3).  —  'Freilich  l&fst  sie  sich 
'aufweisen',  könnte  man  sagen,  'aber  sie  tritt  auf  im  Widerspruche 
'mit  jener  andern  Stelle:  „da  schuf  er  das  Feuer"  (Chand.  6,  2,  3), 
'indem  nicht  alle  Scbriftstellen  mit  cId;  ider  übereinstimmen.  Denm 
'Übereinstimmung  ist  nur  zwischen  dem,  was  sich  nicht  wider- 
'spricht;  hier  aber  liegt  ein  Widerspruch  vor.     Denn   es  ist  nicht 

615  hnöglich,  den  Schöpfer,  wenn  er  nur  einmal  genannt  wird,  |  auf 
'ein  Zweiheit^  von  geschafifouen  Dingen  zu  beziehen;  auch  können 
'zwei  Dinge  nicht  beide  zugleich  das  Ersterschaffene  sein;  und 
'ein  Wahlbelieben  [wie  im  Werkteile  dns  Yeda]  ist  hier  nicht 
'zulässig.*  —  Diese  Einwendungen  sind  nicht  zutreffend,  weil  auch 
im  Taittirlyakam  die  Schöpfung  des  Feuers,  und  zwar  an  dritter 
Stelle,  erwähnt  wird,  indem  es  heifst:  „fürwahr  aus  diesem  Atman 
„ist  der  Raum  entstanden,  aus  dem  Räume  der  Wind,  aus  dem 
„Winde  das  Feuer"  (Taitt.  2,  1).  Diese  Schriftstelle  nämlich  kann 
man  nicht  anders  deuten,  während  sich  die  Stelle  im  Chändogyam 
auch  so  auffassen  läfst,  dafs  Brahman  erst  nach  Erschaffung  des 
Raumes  und  des  Windes  das  [dort  erwähnte]  Feuer  erschaffen 
habe.  Denn  diese  Stelle  hat,  da  es  ihr  nur  darum  zu  thun  ist, 
die  Schöpfung  d^s  Feuers  zu  lehren,  nicht  die  Kraft,  die  in  einer 
andern  Sdiriftstelle  bezeugte  Schöpfung  des  Raumes  auszu- 
schlieljen.  Denn  die  eine  Stelle  kann  nicht  zwei  Zwecke  haben 
[den,  die  Schöpfung  des  Feuers  zu  lehren,  und  den,  die  des  Rau- 
mes zu  verneinen].  Wohl  aber  kann  der  Schöpfer,  obwohl  er 
einer  ist,  der  Reihe  nach  verschiedene  Produkte  hervorbringen. 
Da  somit  die  Annahme  einer  Übereinstimmung  der  Stellen  mög- 
lich ist,  80  darf  man  nicht  die  Schriftstelle,  unter  dem  Vorgeben, 

616  dafs  sie  jener  andern  widerspreche,  im  Stiche  |  lassen.  Übrigena 
haben  wir  gar  nicht  die  Absicht,  den  Schöpfer  da,  wo  er  nur 
einmal  vorkommt,  mit  einer  Zweiheit  des  zu  Schaffenden  zu  ver- 
knüpfen; sondern  vielmehr  wegen  der  andern  Schriftstelle  nehmen 
wir  das  andere  zu  Schaffende  hinzu.  Und  ebenso  wie  deshalb, 
weil  in  der  Stelle  „fürwahr  dieses  Weltall  ist  Brahman;  als  Tajja- 
„l&n"  [u.  s.w.]  (Chand.  3,  14,  1)  die  Entstehung  des  Dinglichen 
aus  Brahman  schon  ausgesagt  wird,  die  nachher  an  einem  an- 
dern Orte  gelehrte,  mit  dem  Feuer  anfangende  Stufenreihe  der 
Schöpfung  nicht  ausgeschlossen  zu  werden  braucht,  —  ebenso 
braucht  weiter  auch,  weil  hier  die  Entstehung  des  Feuers  aus 
Brahman  ausgesagt  wird,  die  in  einem  andern  Texte  gelehi^  mit 
dem  Äther  anfangende  Stufenreihe  der  Schöpfung  nicht  ausge- 
schlossen zu  werden.  —  'Aber  hat  die  erwähnte  Stelle,  in  der  es 
'weiter  heifst:  „als  Tajjalan  soll  man  ihn  ehren  in  der  Stille'^ 
'(Qiänd.  3,  14,  1),  nicht  vielmehr  nur  den  Zweck,  die  Stille  des 
'Gemütes  anzubefehlen,  und  nicht  den,  eine  Schöpfung  zu  leliren; 


Sütram  II.  m.  6.  387 

*so  dafs  sie  nicht  nötig  hat,  mit  der  an  einer  weiterhin  folgenden 
^Stelle  gelehrten  Stofenreihe  zn  harmonieren;  während  hingegen  . 
4n  dieser  weiter  folgenden  Stelle:  „da  schuf  er  dae  Feuer"  (Chand. 
^6,  2,  3),  eine  Aussage  tber  die  Schöpfiing  Torliegt,  dalier  liier 
^die  Stufenreihe  so  festzuhalten  ist,  wie  sie  von  dar  Schrift  ge- 
^geben  wird?^  —  Wir  antworten:  nein!  denn  wir  haben  nicht 
nötig,  der  Erstentstehung  des  Feuers  zuliebe  dan  durch  eine  an-  . 
dere  Schrift  bezeugten  Artikel  von  der  Raumschöpfung  aufzu- 
geben, weil  die  Reihenfolge  nur  eine  Qualität  der  yerschiedcfnen 
Artikel  |  ist  [somit  diese  schon  voraussetzt  und  nicht  die  Kraft  617 
hat  sie  umzustofsen].  Übrigens  sagt  die  Stelle :  „  da  schuf  er  das 
„Feuer"  (Chlind.  6,  2,  3)  durchaus  nichts  über  die  Reihenfolge  aus; 
vielmehr  mutmafst  ihr  die  Reihenfolge  nur  aus  dam  Sinne  der 
Stelle;  diese  [blofs  gemuimafste  Reihenfolge]  aber  wird  durch  die 
in  der  andern  Stelle  „aus  dem  Winde  das  Feuer"  (Taitt.  2,  1) 
gelehrte  Reihenfolge  ausgeschlossen.  Eine  Wahl  hingegen  oder 
eine  Zusammenfassung  in  Bezug  auf  die  Erstantstahung  von  Raum 
und  Feuer  bleibt  ausgeschlossen,  jene  weil  sie  unmöglich,  diese  weil 
sie  nicht  bezeugt  ist.  Es  ist  somit  zwischen  den  beiden'  Schrift- 
stellen ein  Widerspruch  nicht  zuzugeben.  Hierzu  kommt,  dafs 
schon  allein  die  zu  Anfang  der  Chl^ndogyastelle  gemachte  Ver- 
heifsung:  „wodurch  das  Ungehörte  ein  schon  Gehörtes  wird" 
(ChUnd.  6,  1,  2),  um  richtig  zu  sein,  dazu  nötigt,  den  Raum,  wenn 
er  auch  bei  der  Schöpfung  nicht /erwähnt  wird,  zu  arg&nzen;  um 
wieviel  mehr  müssen  wir  ihn  hinzunehmtti,  da  er  in  der  Taittiriya- 
stelle  ausdrücklich  erwähnt  wird!  —  Wenn  femer  oben  behauptet 
wurde,  dafs  der  Raum,  weil  er  von  der  Gesamtheit  örtlich  nicht 
verschieden  sei,  schon  damit,  dafs  man  Brahman  und  seine  Wir- 
kungen wisse,  mitgewufst  werde,  dafs  somit  die  Yerheifsung  auch 
ohne  ihn  erfüllt  werde,  und  die  Stelle  von  dem  Einen  ohne  Zweites 
darum  keinen  Abbruch  erleide,  indem  das  Brahman  und  der  Raum, 
wie  Wasser  und  Milch  [wenn  sie  gemischt  sind],  nicht  über  ein- 
ander hinausreichten,  —  so  haben  wir  hierauf  zu  erwidern,  dafs 
man  die  Stelle,  wonach  durch  die  Erkenntnis  des  einen  alles  er- 
kannt sei,  nicht, nach  Analogie  der  mit  Wasser  gemischten  Milch 
auffasse»  darf;  vielmehr  nötigen  die  Gleichnisse  von  demThon  u.  s.  w. 
dazu,  die  Erkenntnis  des  Ganzen  durch  Erkenntnis  des  Einen  in 
dam  Sinne  zu  fassen,  in  welchem  mit  dem  Urstoffe  auch  schon 
alle  seine  Produkte  erkannt  sind.  Wollte  man  die  Allerkenntnis 
nach  der  Analogie  mit  dem  Gemisch  von  Milch  und  Wasser  ver- 
stehen, so  würde  sie  keine  vollkommene  Erkenntnis  sein.  Denn 
das  Wasser  ist  dadurch,  dafs  es  durch  Erkenntnis  der  Milch  mit» 
begriffen  wird,  nicht  in  vollkommener  Weise  begriffen.  |  Auch  ist  618 
es  nicht  erlaubt,  die  Versicherungen  des  Yeda  so  aufzufassen,  dafs 
dabei  wie  bei  Menschenwerken  an  Irrtum,  Täuschung  oder  Betrug 
zu  denken  wäre.    Es  enthält  aber  die  Stelle:  „eines  nur  und  ohne 

26* 


888  gvirftka* 

j,««reit6B^^  (Ghind.  6,  2,  1)  eine  VerBicherung,  welobe,  wenn  man 
sie  nach  Analogie  des  Wasaers  und  der  Milch  auffassen  wollte, 
nicht  zu  Rechte  bestehen  könnte.  Auch  wäre  es  nicht  berechtigt, 
[wie  p.  611,  10  fg.  Torgeschlagen]  jene  Anerkenntnis  und  jene  Ver- 
sicherung von  dem  £inen  ohne  Zweites  nur  auf  einen  Teil  der 
Dinge  zu  beziehen,  indem  man  sie  nur  in  Bezug  auf  die  aus  Brah- 
man  herrorgehenden  Wirkungen  gesagt  sein  liefse.  Und  wenn 
dieses  auch  wegen  der  Gleichnisse  vom  Thon  u.  s.  w,  zul&ssig 
wäre,  so  darf  man  diese  doch  nicht  so  auslegen,  als  ginge  ihnen 
nicht  Torher  die  Stelle:  „Qvetaketui  dieweil  du,  o  Teurer,  also 
„hochfaturenden  Sinnes,  dich  weise  dünkend  und  stolz  bist,  hast 
„du  denn  auch  der  Unterweisung  naehgefiragt,  durch  welche  [auch] 
„das  Ungehörto  ein  [sehon]  Gehörtes  wird"  u.  s.  w.  (Ghind.  6,1, 2). 
Man  muis  also  yielinehr  die  Allerkenntnis  so  auffassen,  dab  sie 
sich  auf  alle  Dinge  ohne  Ausnahme  bezieht,  und  dieses  dahin  Ter- 
stehen,  dafs  alles  als  eine  Wirkung  des  Brahman  hingestellt  wird. 
Wenn  weiter  noch  gesagt  wurde,  dafs  man  die  Schriftslelle 
▼ön  der  'Entstehung  des  BÜsumes  bildlich  verstehen  müsse,  weil 
es  unmöglich  sei,  dafs  der  Kaum  entstanden  sei,  so  erwidern  wir 
darauf: 


7.    jfA^ad- Vikar  am"  tu  vibhägo  loka/vat 

violmahr  ist  Teilbarkeit  so  weit  Umwandlung  igt, 

erfahrungBm&feig. 

llas  Wort  „ vielmehr ^^  bezweckt,  die  Behauptung  jener  Un- 
möglichkeit zu  entkr&jEten.  —  Man  darf  n&mlioh  gegen  die  Ent- 
stehung des  Raumes  nicht  einwenden,  dafs  eine  solche  unmöglich 
sei;  denn  soweit  man  in  der  Erfahrung  irgend  etwas  durch  Um^ 
<>19  Wandlung  Entstandenes  erblickt,  —  |  mag  es  sich  nun  dabei  um 
[thöneme]  Krüge,  Töpfe  und  Becken  oder  um  [goldene]  Arm- 
bftnder,  Reife  und  Ringe  oder  um  [eiserne]  Nadeln,  Pf^le  und 
Schwerter  kaudeln ,  *—  so  weit  erstreckt  sich  erfahrungsmäfsig  auch 
die  Teilbarkeit;  hingegen  zeigt  sich  nie  und  nirgends  ein  Nioht- 
umgewandeites,  welches  die  Eigenschaft  der  Teilbarkeit  bes&fse. 
Die  Teilbarkeit  des  Raumes  aber  ist  aus  der  [der  ihn  erfüllenden 
Körper,  z.  B.]  der  Erde  u.  s.  w.  ersichtlich;  und  darum  mufs  auch 
er  eine  Umwandlung  sein.  Aus  demselben  Grunde  l&fst  sich  be- 
weisen, dals  auch  der  Ort,  die  Zeit,  das  Manas  und  die  Atome 
[nicht  unerschaffen,  sondern]  blofse  Wirkungen  sind. 

^Aber  wird  nicht  auch  der  Atman  durch  den  Raum  u.  s.  w. 
'geteilt;  folgt  somit  nicht,  dafs  auch  er,  ebenso  wie  die  Ge- 
'fäfse   u.  s.  w.,    eine   blofse  Wirkung  ist?*  —   0  nein!    denn  die 


Sütram  If.  in.  7.  389^ 

Schrift  sagt:  „aus  dem  Aiman  ist  der  Raum  entstanden^'  (Taitt. 
2,  1).  Wäre  nun  auch  der  Atman,  das  Selbst,  eine  Umwandlung, 
so  würde,  weil  die  Schrift  über  dasselbe  hinaus  nichts  Höheres 
lehrt,  alle  Wirkung  vom  Raum  an  abw&rts  ohne  Atman  [ohne 
Selbst,  d.  h.  seelenlos,  wesenlos]  sein,  da  [auch]  das  Selbst  [nur] 
eine  Wirkung  wäre^  und  somit  würden  wir  beim  Nihilismus  an- 
kommen. Eben  weil  es  das  Selbst  ist,  deswegen  geht  ds  nicht 
an,  das  Selbst  zu  bezweifeln.  |  Penn  das  Selbst  kann  man  nie-  620 
mandem  [durch  Beweise]  beibringen,  weil  es  an  sich  schon  be- 
kannt ist.  Denn  das  Selbst  wird  nicht  durch  einen  Beweis  seiner 
selbst  erwiesen.  Denn  es  ist  dasjenige,  welc^ies  alle  Beweismittel, 
wie  Wahrnehmung  u.  s.  w.,  in  Anwendung  bringt,  um  eine  Sache, 
die  nicht  bekannt  ist,  zu  beweisen.  Denn  die  Objekte  der  Aus« 
drücke  „Raum''  u«  s.  w.  bedürfen  eines  Beweises,  weil  sie  nicht 
als  von  selbst  bekannt^  angenommen  werden;  das  Selbst  aber  ist 
die  Basis  für  die  Thätigkeit  des  Beweisens  und  mithin  ist  es  auch 
vor  der  Thätigkeit  des  B'eweisens  ausgemacht.  Und  weil  es  so 
beschaffen  ist,  deshalb  geht  es  nicht  an,  dasselbe  in  Abrede  zu 
stellen.  Denn  in  Abrede  stellen  können  wir  nur  eine  Sache,  die 
[von  aufsen]  an  uns  herankommt,  nicht  aber,  die  unser  eigenes 
Wesen  ist.  Denn  wer  es  in  Abrede  stellt,  eben  dessen  eigenes 
Wesen  ist  es;  das  Feuer  kann  nicht  seine  eigene  Hitze  in  Abrede 
stellen.  Und  weiter,  wenn  man  sagt:  „ich  bin  es,  der  jetzt  das 
„gegenwärtige  Sein  erkennt,  ich  bin  es,  der  das  vergangene  und 
„vorvergangene  erkannte,  und  ich,  der  das  künftige  und  über- 
„künftige  erkennen  wird",  so  liegt  in  diesen  Worten,  dafs,  wenn 
auch  das  Objekt  der  Erkenntnis  sich  ändert,  der  Erkennende, 
weil  er  in  Vergangenheit,  Zukunft  und  Gegenwart  ist,  |  nicht  sich  63t 
ändert;  denn  sein  Wesen  ist  ewige  Gegenwart;  daher,  wenn  auch 
der  Leib  zu  Asche  wird,  kein  Yergang  des  Selbstes  ist,  weil  sein 
Wesen  die  Gegenwart  ist;  ja  es  ist  sogar  nicht  einmal  denkbar, 
dafs  sein  Wesen  etwas  anderes  als  dieses  wäre.  Weil  somit  nur 
das  Selbst  allein  seinem  Wesen  nach  sich  nicht  in  Abrede  stellen 
läfst,  darum  kann  es  keine  Wirkung  sein;  und  eben  darum  mufs 
[mit  M&m  Übrigen  auch]  der  Raum  (Äther)  eine  Wirkung  s^. 

Wenn  weiter  behauptet  wurde,  dafs  es  für  den  Raum  keine 
ursächUohe  Substanz  gebe,  welche  ihm  gleichartig  und  dabei  viel- 
heitUch  sei,  so  erwidern  wir  darauf,  dafs  keine  Nötigung  dafür 
vorhanden  ist,  dafs  nur  das  Gleichartig^  und  nicht  auch  das  Un- 
gleichartige eine  Wirkung  hervorbringen  könne.  So  sind  z.  B. 
die  Fäden  [die  inhärierend-habende  Ursache]  und  ihre  Verbindun- 
gen [die  nicht-inhärierend-habende  Ursache]  nicht  gleichartig,  in- 
dem sie  sich  vielmehr  zu'  einander  verhalten  wie  Substanz  und 
Qualität.  Und  auch  die  bewirkeudi'n  Ursachen ,  z.  B.  das  Weber- 
schiff und  der  Webstuhl,  brauchen  nicht  notwendig  gleichartig  [mit- 
einander] zu  sein.  —  'Nun  wohl*,  könnte  man  sagen,  'die  Annahme 


390  ^duriraka-mlmiaslk 

'der  Gleiobiurtigkeit  soll  sich  auch  nur  auf  die  iuh&rierend-habeude 
an  'Ursache,  nicht  |  auf  die  übrigen  Ursachen  beziehen \  —  Aber 
auch  das  ist  nicht  unbedingt  gültig«^  Denn  die  Erfahrung  zeigt, 
¥de  2.  B.  aus  Garn  und  Eiihhaaren,  obwohl  sie  [untereinander] 
nicht  gleichartig  sind,  der  einheitliche  Strick  gedreht  wird;  und 
in  ahnlicher  Weise  webt  man  aus  Garn  und  aus  Wolle  bunt- 
farbige Decken  zusammen.  Oder  soll  sich  etwa  die  Gleichartig- 
keit darauf  beziehen,  dafs  [alle  Bestandteile  der  inh&rierend- 
habenden  Ursache]  real  und  substanziell  sein  müssen?  Dann  ist 
die  Begel  überhaupt  überflüssig,  denn  in  so  weit  ist  alles  mit  allem 
gleichartig.  —  Weiter  ist  es  auch  nicht  notwendig,  dals  nur  eine 
Vielheit,  nicht  auch  eine  Einheit  Ursache  sein  könne.  Denn  der 
Gegner  behauptet  ja  selbst,  dafs  das  Atom  und  das  Manas  die 
erste  Wirkung  herrorbringen;  und  hierbei  nimmt  er  an,  dafs  jedes 
einzelne  Atom  für  sich  mit  Hülfe  des  Manas  seine  bestimmte 
Wirkung  herrorbringe,  nicht  aber  durch  Aggregation  mit  andern 
Substanzen.  —  'Aber  damit  überhaupt  eine  Substanz  zu  Stande 
'komme,  mufs  doch  eine  vielheitliche  Ursache  angenommoQ  werden!* 
-—  Auch  das  nicht;  denn  man  kann  darin  auch  die  Umwandlung 
[einer  einheitlichen  Ursache]  sehen.  Jene  Bestimmung  würde 
richtig  sein,  wenn  sich  zeigte,  dafs  eine  Substanz,  [nur]  indem 
sie  der  Verbindung  teilhaftig  wird,  eine  andere  Substanz  hervor- 
bringe. Es  ist  aber  vielmehr  ein  und  dieselbe  Substanz,  welche, 
indem  sie  in  einen  andern,  unterschiedlichen  Zustand  übergeht, 
als  das,  was  man  Wirkung  nennt,  wahrgenommen  wird;  dabei  ist 
es  manchmal  ein  Vielheitliches,  welches  sich  umwandelt,  z.  B. 
683  wenn  aus  Erde  und  Samenkorn  |  die  Pflanze  entsteht,  und  manch- 
/  mal  ein  Einheitliches,  wenn  z.  B.  aus  der  Milch  die  saure  Milch 
entsteht;  und  es  ist  kein  Götterspruch  vorhanden,  nach  dem  nur 
eine  vielheitliche  Ursache  die  Wirkung  hervorbringen  dürfte. 
Darum  bleibt  es  die  Wahrheit,  was  die  Schrift  lehrt,  dafs  aus 
dem  einen  Brahman  vermittelst  der  Entstehung  des  Baumes  und 
der  übrigen  Elemente  die  Welt  geworden  ist.  Und  in  diesem 
Sihne  hiefs  es  schon  oben :  „weil  man  ein  Hinzunehmen  [von  Werk- 
„zeugen]  bemerkt,  nicht,  meint  ihr?  —  Nein,  denn  es  ist  wie  bei 
„der  Milch"  (Sütram  2,  1,  24). 

Wenn  weiter  noch  behauptet  wurde ,  dafs  man  sich ,  falls  der 
Baum  entstanden  sei,  nicht  vorstellen  könne,  wodurch  sich  die 
ihm  vorhergängige  Zeit  von  der  nachfolgenden  unterscheide,  so 
ist  das  ungereimt;  denn  es  steht  damit  so,  dafs  diejenige  Be- 
stimmtheit, vermöge  deren  man  den  von  der  Erde  u.  s.  w.  ver- 
schiedenen Baum  als  «etwas  wirklich  Vorhandenes  gegenwärtig 
auffafst,  eben  diese  Bestimmtheit  vor  der  Entstehung  des  Baumes 
nicht  vorhanden  war.  Und  so  wie  das  Brahman  existieren  konnte, 
auch  ohne  dafs  die  groben  Elemente,  die  Erde  u.  s.  w.  existierten, 
—  denn    die  Schrift    sagt    „es    ist    nicht    grob    und  nicht  fein" 


Sütram  H.  in.  7.  39] 

(Brib.  3,  8,  8),  —  ebenso  konnte  dasselbe-  aucb  existieren,  ohne 
dais  der  Raum  existierte,  indem  die  Scbrift  sagt  „es  ist  ohne 
„Ätber  (Raum)"  (Brib.  3,  8,  8).  Es  stebt  somit  fest,  dafs  Tor  der 
Scböpfung  kein  Raum  und  kein  Offenes  gewesen  ist. 

Weiter  nocb  wurde  bebauptet,  dafs  der  Raum  unentstanden 
sein  müsse,  weil  er  von  der  Erde  u.  s.  w.  wesensTerscbieden  sei.  | 
Aber  aucb  das  ist  unricbtig;  denn  zunächst  ist  da,  wo  die  624 
Schrift  widei*spricht,  eine  Schlufsfolgerung  auf  die  Unmöglichkeit 
eines  Entstehens  trügerisch;  weiter  abei*  crgiebt  sich  die  Ent- 
stehung durch  eine  Schlufsfolgerung  selbst;  der  Raum  kann  nicht 
ewig  sein,  weil  er  der  Träger  einer  nicht  ewigen  Qualität  [der 
Teilbarkeit]  ist,  ähnlich  \ne  die  Gefafse  u.  s.  w.,  welche  man  hier 
als  Beispiele  anführen  kann.  Meint  ihr,  dafs  er^  darin  von  dem 
Ätman  nicht  yorschieden  sei?  Nun,  Ton  dem  Atman  hat  noch 
niemand  einem  Anbänger  der  Upanisliadlebre  bewleacu,  dafs  der- 
selbe ein  Träger  nichtewiger  Qiialitäten  sei.  Übrigens  wäre  doch 
auch  die  Allgegenwart  u.  s.  w.  des  Raumes  gegen  den,  welcher 
seine  Entstehung  behauptet,  erst  noch  zu  beweisen. 

Wenn  der  Gegner  sich  weiter  auch  noch  auf  Schriftworte  be- 
rief, so  ist  zunächst  die  Schriftstelle,  welche  eine  Unsterblichkeit 
des  Raumes  aussag u,  ebenso  zu  verstehen,  wie  wenn  es  heifst,  die 
nimmelsbewohuer  seien  unsterblich.  [Die  Unsterblichkeit  der  Götter 
bedeutet  mir  Langlebigkeit.]  —  Da  somit  die  Entstehung  und  die 
Yergänglicbkoit  des  Raumes  bewiesen  sind*,  so  hat  man  die  Worte 
„dem  Räume  gleich  allgegenwärtig,  ewig''  so  aufzufassen,  dafs 
in  ihnen  Brahman  mit  dem  Räume  wegen  dessen  anerkannter  Grölse 
verglichen  wird,  nicht  um  ihn  dem  Räume  gleichzustellen,  son- 
dern nur  um  seine  übermäfsige  Gröfse  auszndrtlcken ;  ähnlich  wie 
man  mit- den  Worten  „die  Sonne  lauft  gleich  wie  ein  Pfeil"  nur 
die  Schnelligkeit  ihres  Laufe?  bezeichnen  will,  |  nicht  aber,  dafs  G35 
sie  nur  so  schnell  wie  ein  Pfeil  laufe.  Damit  ist  auch  die  Sohrift- 
stelle  erklärt,  in  welcher  die  Unendlichkeit  des  Atman  mit  der 
des  Raumes  verglichen  wird.  Denn  eine  andere  Stelle,  welche 
sagt  „er  ist  gröfser  als  der  Raum"  (Qatap.  br.  10,  6,  3,  2),  bo- 
weist,  dafs  der  Raum  im  Vergleich  mit  Brahman  von  geringerem 
Umfange  ist;  auch  besagt  die  Stelle:  „nicht  ist  ihm  einer  gleich" 
((]^vet.  4,  19),  dafs  mit  Brahman  sich  nichts  an  Gröfse  vergleichen 
läfst;  und  die  Stelle:  „was  von  ihm  verschieden,  das  ist  leid  voll" 
(Brih.  2,  4,  2)  lehrt,  dafs  alles  von  Brahman  Verschiedene,  folglich 
auch  der  Raum,  mit  Un Vollkommenheit  behaftet  ist. 

Wenn  endlich  noch  vorgeschlagen  wurde,  die  Schriftstelle  von 
der  Entstehung  des  Raumes  ebenso  wie  die  Bezeichnung  der  Bufse 
durch  das  Wort  „Brahman"  uneigentlich  aufzufassen,  so  i.st  das 
durch  die  Schriftzeuguisse  und  die  Folgerungen,  welche  eine  Ent- 
stehong  des  Raumes  beweisen,  erledigt.' 


392  Qlrlraka-mim&üsH 

Somit  steht  es  fest,   daTs  auch  der  Raum  eine  Schöpfung  de« 
Brahman  ist. 


Zweites  Adhikaranam, 

# 

8.    etena  mäiarigvä  vydkhydiah 
damit  ist  Matari^van  besprochen. 

Wir  haben  hier  eioon  Erweiterangssats  (aUäe^a):  „damit", 
d.  h.  mit  dei'  Besprechung  des  Raumes,  ist  auch  der  durch  den 
Raum  bedingte  ,,Matari^an*S  d.  h.  der  Wind,  „besprochen"  worden. 
Auch  hier  kann  man  in  eotsprecheuder  Weise  wie  oben  die  wider- 
streitenden Meinungen  einander  gegenäberstellen.  Die  eine  Mei- 
nung also  ist:  *der  Wind  ist  nicht  entstanden,  weil  er  iu  der 
'ChA.ndügyasi;elIe,  welche  Ton  der  Entstehung  der  Elemente  haa- 
^delt,  nicht  erwähnt  wird*.  Hingegen  behauptet  die  andere.  Mei- 
nung, dafs  er  *doch  entstanden  iat,  weil  er  in  der  Taittirly abteile 
^von  der  Scliöpfiing  der  Elemente  erwähnt  wird,  indem  es  heifat: 
626  S,aus  dem  Räume  |  der  Wind"  (Taitt.  2,  1).  Da  somit  ein  Wider- 
'»pruch  der  beiden  Schriftstellen  vorliegt,  so  lierse  sich  die  Stelle 
'von  der  Entstehung  des  Windes  „uneigentlich"  auflassen;  dieses 
^empfiehlt  sich  weiter  auch  „wegen  der  Unmöglichkeit";  wobei 
'die  Unmöglichkeit  [dei*  Entiitehung  des  Windes]  sieh  e^^weisen 
4icise  durch  die  Stelle:  „das  ist  die  Gottheit,  welche  keinen  Nieder- 
S,gang  hat,  der  Wind"  (Bfih.  1,  5,  22),  in  welcher  der  Untergang 
'des  Windes  verneint  wird;  wozu  noch  kommt,  dafs  die  Schrifb 
'(ßrih.  2,  3,  3)  seine  Unaterbliehkeit  lehrt.'  —  Hingegen  lautet  die 
endgültige  Meinung:  der  Wind  ist  entstanden,  weil  somit  die  Ver- 
heifsung  der  Schrift  {dafs  mit  einem  alles  erkannt  sei]  unerfüllt 
bleiben  wfude,  und  weil  das  Erschaffene  sieh  so  weit  erstreckt 
wie  das  Teilbare.  Die  Stelle  (Brih.  1,  5,22),  welche  ein  Unter- 
gehen des  Windes  verneint^  gehöit  nicht  zu  der  höheren  Wissen- 
schaft und  hat  nur  relative-  Gültigkeit,  indem  darin  dem  *  Winde 
nur  ein  solchüs  Untergehen,  wie  es  beim  Feuer  u.  s.  w.  statthat, 
abgesprochen  wird.  Und  auch  die  Schriflst^lJe  von  der  Unsterb- 
lichkeit des  Windes  (Brih.  2,  3,  3)  hat  bereits  [durch  das  p.  624,  6, 
S.  391  Gesagte]  ihre  Erledigung  gefunden  [lies:  krita-praimdhä- 
nnvi].  —  'Aber  da  der  Wind  und  der  Kaum  in  gleicher  Weise  in 
*den  Sehriftstellen  von  der  Schöpfung  erwähnt  und  anderseits  übei- 
'gangen  werden,  so  sollte  doch  beides  in  demselben  Adhikaranam 
'abgehandelt  werden.     Wozu  also  ein  Erweiterungssatz ,   wo    doch 


Sütram  II.  m.  8.  393 

^nichts  Neues  Torliegt?^  —  Hierauf  erwidern  wir,  dafis  das  ganz 
richtig  ist,  dafs  aber  gleichwohl,  um  der  schwftoHeren  Gemüter 
willen,  und  um  ihre  durch  buchstäbliohe  Auffassung  etwa  Ter- 
anlafsten  Zweifel  zu  beseitige^,  dieser  Erweiterungssaic  |  zugefügt  627 
wurde.  WeU  uftmlieh  in  der  Lehre  von  der  Ansichraffnng  (Ghind. 
4,  1 — 3)  der  Wind  als  Gegenstand  der  Yerehrung  in  Seiner  Ho- 
heit gej^esen  wird,  weil  (Bfih.  1,  5,  22)  das  untergehen  von  ihm 
▼emeint  wird  u.  s.  w.,  deswegen  könnte  Tielleicht  jemand  auf  den 
Gedanken  kommen,  dafs  der  Wind  unentstanden.wfixe;  dies  ist  die 
Meinung  [deft  SütramJ. 


Dnttes  Adhikarainam, 

9.    asambhiwas  lu  satOj  ^nupapattek 

Nichtentstehung  aber  [ist]  des  Seienden,  wegen  der 

ünm<^liclikeit. 

Nachdem  jemand  ans  der  Schrift  daH^ber  belehit  worden,  dafs 
auch  der  Kaum  und  die  Luft,  obgleich  man  sieh  ihren  Ursprung 
nicht  rorstelton  kann,  entstanden  sind,  so  könnte  er  auf  den  Ge- 
danken kommen,  dafs  auch  das  Brakman  irgendworaus  entstanden 
sei ;  denn  wenn  er  vernimmt,  wie  aus  dem  Baume  u.  s.  w.,  die  doch 
biofse  Umwandlungen  sind,  weitere  Umwandlungen  entspringen, 
so  könnte  er  meinen,  dafs  auch  der  Raum  aus  dem  Brahman  als 
ans  einer  blofsen  Umwandlung  ent^rungen  sei.  Zur  Beseitigung 
dieses  Zweifels  dient  das  vorliegende  Sütram:  „  Nichtentstehung 
„aber**  u.  s  w.;  d.  h.  nicht  aber  darf  man  meinen,  dafs  das  Brah- 
man,  dessen  Wesen  das  Sein  ist,  ans  irgend  etwas  anderem  könne 
entstanden,  hervorgegangen  sein;  worum?  „wegen  der  Uuniöglich« 
„keit*^  Denn  Brahman  ist  das  reine  Ibestimmungslose]* Seiende. 
Als  solches  kann  es  [erstens]  nicht  aus  einem  andern  reinen  Sei- 
enden I  entsprungen  sein,  weil  [xwiscben  beiden*)  kein  Hinaus-  62S 
reichen  [des  einen  über  das  andere]  besteht,  so  dafs  sie  sich  nicht 
wie  Urspi'üBgUclies  und  Umgewandeltes  [zu  einander]  verhalten 
köimen;  —  aber  auch  [zweitens]  uieht  aus  einem  mit  Bestimmun- 
gen behafteten  Seienden,  weil  dem  die  Ei*fahrung  widerspi'icbl; 
denn  dieselbe  b^iweist.  dafs  aus  der  Gleichheit  die  Unterscliiode 
entspringen,  z.  B.  aus  dem  Thon  die  GofHr»e,  nicht  aber  aus  den 
Unterschieden  die  Gleichheit;  —  ferner  [drittens]  auch  nicht  aus 
dem  Nichtseiendon,  weil  dasselbe  wesenlos  ist,  weil  die  Schrift  es 


394  Q&rirAka-niim<tä8& 

verwirft,'  wenn  sie  sagt:  „wie  sollte  aus  dem  Niohtsoienden  das 
„Seiende  entstehen^*  (Ch&nd.  6,  2»  2),  und  weil  sie  einen  Erzeuger 
des  Brahman  verneint,  wenn  es  heilst  (Qvet.  6,  9): 

„Ursache  ist  er,  Herr  Jes  Herrn  der  Sinne, 
„Kein  Herr  ist  Ober  ihm  und  kein  Erzeuger.^ 

Für  Baum  und  Wind  hingegen  wird  ein  Ursprung  aufgewiesen, 
nicht  aber  giebt  e9  einen  solchen  von  Brahman;  das  ist  der  Unter- 
sohied.  Und  weil  man  sieht,  wie  aus  Umwandlungen-  andere  Um- 
wandlungen entspringen,  deswegen  braucht  nicht  auch  Brahman 
notwendig  eine  Umwandlung  zu  sein;  vielmehr  würde,  wenn  man 
keine  Urnatur  als  letzte  Wurzel  annMmie,  die  Folge  ein  regre$SHS 
tu  infimtum  sein.  Und  eben  jene  [auch  von  den  S&nkhya^s,  vgl. 
Kapilasütram  1,  67]  angenommene  Wurzel  der  Natur  ist  es,  was 
wir  unter  Brahman  verstehen ;  so  stimmt  es  zusammen. 


Viertes  Adküu^ranam.  * 

629  10.    t^o  'tasy  t€Uihd  hi  aha 

das  Feuer  aus  diesem;  denn  so  sagt  [die  Schrift].' 

Was  das  Feuer  betrifiPt,  so  lehrt  das  Ghllndogyam,  dafs  das- 
selbe aus  dem  Seienden,  das  Taittiriyakam  hingegen,  dafs  es  aus 
dem  Winde  entsprungen  sei.  Da  somit  in  Bezug  auf  den  Ursprung 
aes'  Feuers  ein  Widerspruch  vorliegt,  so  könnte  man  zunächst 
annehmen ,  *dafs  das  Feuer  [uninittelbar]  aus  Brahman  entsprungen 
*sei;  warum?  weil  es  in  Bezug  auf  das  Seiende  heifst:  „dasselbige 
S,erschuf  das  Feuer*'  (Chänd.  6,  2,  8);  weil  die  Yerheifsung,  dafs 
'alles  erkannt  werden  solle,  wofern  nur  alles  aus  Brahman  ent« 
'steht,  erfüllt  wird;  und  weil  die  Schrift,  ohne  [zwischen  den 
'Wesen  einen]  Unterschied  zu  machen,  sagt:  ,.Ta|jjaÜn*'  [d.  h.  aus 
4hm  entstehend,  in  ihm  vergehend  und  in  ihm  atmend,  Chänd. 
'3,  14,  1].  Auch  lehrt  eine  andere  Stelle  in  den  Worten:  „aus 
'„ihm  entsteht  der  Odem"  u.  s.  w.  (Mund.  2,  1,  3),  dafs  alles  ohne 
'Unterschied  aus  Brahman  .entspringe.  Und  auch  das  Taittiriya- 
'kam  macht  keinen  Unterschied,  wenn  es  sagt:  „derselbige^  nach- 
'„dem  er  Bufse  gebüfst  hatte,  schuf  dieses  alles,  was  immer  vor- 
'„banden  ist"  (Taitt.  2,  6).  Wenn  es  daher  heifst:  „aus  dem 
'„Winde  das  Feuer"  (Taitt.  2,  1),  so  soll  damit  nur  die  Reihen- 
'folge  bestimmt  und  gesagt  werden,  dafs  nach  dem  Winde  das 
'Feuer  [unmittelbar  ans  Brahman]  entstanden  sei.' 


Sfttr&m  IL  iii.  10.  395 

Auf  diese  Annahme  erwidern  wii::  „daa  Fener  ist  i^s  diesem", 
nämlich  aus  dem  Winde,  entstanden;  warum?  .„denn  so  sagt  es 
„die  Schrift"  mit  den  Worten:  „aus  dem  Winde  das  Feuer**  (Taitt. 
2,  1).  Denn  wäre  das  Feuer  unmittelbar  aus  Brahman  entstanden, 
so  könnte  es  nicht  aus  dem  Winde  entstanden  sein,  und  die  Schrift- 
steile  „aus  dem  Winde  das  Feuer**  würde  nicht  zu  Rechte  be- 
stehen. —  I  *Aber  kann  man  sie  nicht  so  auffassen,  difs  sie  nur  630 
*die  Reihenfolge  bestimmt?*  —  Doeh  nicht!  Denn  wenn  es  vor- 
her hiefs:  „fürwahr  aus  diesem  Ätman  ist  der  Baum  entstanden** 
(Taitt.  2,  1),  so  wird  hier  der  Atman,  weil  er  dasjenige  ist,  wor- 
aus das  Entstehen  geschieht,  in  den  Ablativ  gesetzt;  eben  dieses 
Entstehen  ist  auch  hier  das  Thema;  und  ebenso  weiterhin  bleibt 
es  das  Thema,  wenn  es  heifst:  „aus  der  Erde  die  Pflanzen *S  wo 
wiederum  der  Ablativ  dasjenige  bezeichnet,  woraus  das  Entstehen 
geschieht;  darum  mufs  auch  in  den  Worten  „aus  dem  Winde  das 
„B'euer**  der  Ablativ  von  demjenigen,  woraus  das  Entstehen  ge- 
schieht, verstanden  werden.  Wollte  man  ferner  die  Stelle  so  ver- 
stehen, als  sei  nur  weiterhin  nach  dem  Winde  das  Feuer  entstanden, 
so  müfste  die  Verbindung  mit  dem  Nebenworte  [„weiterhin**]  hin- 
zugedacht werden,  während  die  Verbindung  mit  dem  Hauptworte 
[„Wind**]  hingegen  nicht  erst  hinzugedacht  zu  werden  braucht, 
wenn  man  es  so  auffafst,  dafs  aus  dem  Winde  das  Feuer  ent- 
standen ist.  Sojuit  bezeugt  diese  Schriftstelle,  dafs  das  Fener 
aus  dem  Winde  entstanden  ist.  —  *Aber  bezeugt  nicht  die  andere 
*Schrift8telle,  dafs  das  Feuer  aus  dem  Brahman .  entstanden  ist, 
*indem  es  heifst  „dasselbe  erschuf  das  Feuer**  (Ch&nd.  6,  2,  3)?' 
—  Doch  nicht I  Denn  diese  Stelle  leidet  keinen  Abbruch,  auch 
wenn  das  Feuer  durch  Mittelglieder  [aus  Brahman]  ejitstanden  ist. 
Denn  auch  wenn  man  annimmt,  dafs  nach  Schöpfung  des  Raumes 
und  des  Windes  das  Brahman,  indem  es  in  das  Sein  des  Windes 
einging,  das  Feuer  schuf,  |  so  besteht  auch  in  diesem  Falle  das  631 
Entstanden  sein  des  Feuers  aus  Brahman  ohne  Widerspruch,  ähn- 
lich wie  wenn  man  sagt:  „aus  der  Kuh  entspringt  die  frische 
„Milch,  aus  der  Kuh  die  saure  Milch,  aus  der  Kuh  der  Käse^\ 
Auch  die  Schrift  bezeugt  ja,  dafs  das  Brahman  in  dem  Selbste 
seiner  Umwandlungen  fortbestehe,  wenn  sie  sagt:  „dieses  machte 
„selber. sich  selbst**  (Taitt.  2,  7).  Und  ebenso  sagt  Gott  von  sich 
in  der  Smpti:  „Erkenntnis,  Wissen  und  Besonnenheit**,  und  wie 
es  weiter  heifst,  „das  sind  der  Wesen  Eigenschaften,  von  denen 
,Jede  nur  aus  mir  entsteht*'  (Bhag.  6.  10,  4 — 5).  Denn  wenn  auch 
die  Erkenntnis  u.  s.  w.  für  die  Wahrnehmung  aus  ihren  bestimm- 
ton Ursachen  entspringen,  so  stammen  doch  alle  entstandenen 
Eigenschaften  unmittelbar  oder  mittelbar  aus  Gott.  Damit  ist 
auch  denjenigen  Schriftstellen ,  welche  eine  Schöpfung  ohne  be- 
stimmte Reihenfolge  lehren.  Genüge  geleistet,  indem  sie  unter 
allen  Umständen  Gültigkeit  behalten,  während  hingegen  diejenigen 


396  C&riraka-miDiURft 

Sehriftstflllsii,  welohe  eise  basdinmte  Reihanfolga  der  Sohfipfdng 
Idiren,  ohne  da£a  quhi  diese  (ssthilt,  nicht  beatehen  kSnneii.  Und 
auch  die  Verhaüamig  [dafs  mit  einsiii  allea  erkuint  §ei]  besagt 
HOT,  dafs  »lies  ans  dem  S«i«Ddeii  abstamme,  nioht  abw,  dafs  es 
unmittelbar  ans  ihm  heirorg^ang«!  sei;  so  dafä  hier  kein  Wider- 
sprach vorliegt. 


Ftin/K«  AdAikaranam. 

11.    &^ 

da«  Wasser  — 

Aus  dem  Tongen  Sätrom  mufs  man  ergäuisn  „ans  di?-cn>, 
„denn  so  sagt  die  Schrift";  d.  b.  das  Wasser  ist  aus  diesem,  aus 
C33  dem  Feuer  entatunden;  warum?  |  weil  so  die  Sohrift  es  lehrt, 
wenn  sie  sagt:  „dasselbige  erschuf  das  Wasser"  (ChlUid.  6,  2,  3) 
uud:  „aus  dem  Feuer  das  Wasser"  (Taitt.  2,  I).  Bei  der  aas- 
drOckliahon  Erklärung  ist  ein  Zweifel  nicht  möglich;  nar  data 
der  tiohrer,  nachdem  er  die  EviBteui  des  Feners  erklKrt  hat,  die 
er  dazu  aborgeht,  die  dar  Erda  zu  erklären,  um  das  Wasser  d»- 
zwisoben  eiazuschieben,  in  einem  besonderen  Sütram  sagt:  „das 
„Wasser  ", 


Sechtte»  Adinkaranam. 


13.    prükivi,  aähikara-rüpa-^bdAntarebhyah 

die  Erde,  wegen  des  Thonia's,  des  Aussehens  und 
einns  andern  WortOB. 

Die  Schrift  sagt:  „dieaes  WosHsr  beabsichtigte:  ich  will  vieles 
„Dein,  will  mich  fortpfliinzen ;  da  schuf  es  die  Nahrung"  (Gh&nd. 
€,  2,  i).  Hier  erhebt  sich  der  Zweifel,  ob  uBter  dem  Worte 
„Nahrung"  etwa  Ueis,  Gerste  u.  dgl.,  oder  auch  der  als  Speise 
dienende  Reisbrei  u.  a.  w. ,  oder  ob  darunter  die  Erde  zn  verstehen 
isL?  —  Ang(>namrofln  also,  '■as  »ei  darunter  Reis,  Gerste  n.  a.  w. 
'oder  Reisbrei  zu  Terstehnn;   denn  von  ihnen  gilt  der  gewfibnlieke 


Sütram  IL  m.  18.  397 

'Gebrauch  des  Wortes  Nahmog;  und  auch  das  Folgende  bestätigt, 
*dala  dies  der  Sinn  ist  (lies:  vdkjfa-gesho  'pi  etam  artham  upod- 
^bdlafaii),  wenn  es  heillrt:  „Darum,  wenn  es  regnet,  so  entsteht 
\,  I  reichliehe  Nahrung"  (Ghllnd.  6,  2,  4);  denn  dasjenige,  was  633 
'durch  den  liegen  reichlich  entsteht,  ist  Reis,  Gerste  u.  s.  w.,  nicht 
'aber  die  Erde\ 

Auf  diese  Annahme  erwidern  wir:  es  ist  doch  die  Erde,  welche 
unter  dem  Worte  „Nahrung*'  zu  verstehen  ist,  und  von  der  ge- 
sagt werden  soll,  dals  sie  aus  dem  Wasser  entstehe.  Warum? 
wegen  des  Thema's,  wegen  des  Aussehens  und  wegen  einer  andern 
Sohriftstelle.  Was  Kunachat  das  Thema  betrifft,  so  sieht  man  an 
den  Worten:  „dasselbige  erschuf  das  Feuer",  —  „dasselbige  er- 
„ schuf  das  Wasser"  (Chand.  6,  2,  3),  dafs  es  sich  hier  um  die 
Elemente  (makähkUäm)  handelt;  und  darum  würde  es  unange- 
messen sein,  da,  wo  in  der  Reihenfolge  das  Element  der  Erde 
kommt,  dieses  au  überspringen,  um  willkürlicher  Weise  auf  den 
Beis  u.  dgl.  überaugehen.  Femer  ist  im  Verlaufe  der  Stelle  von 
einem  „Aussehen"  die  Rede,  welches  der  Erde  eigentümlich  ist, 
wenn  es  heifst:  „was  daran  das  Schwarte  ist,  das  kommt  Ton  der 
„Nahrung'*  (ChAnd.  6,  4j  1).  Denn  weder  der  als  Nahrung  die- 
nende Reisbrei  u.  s.  w.,  noch  auch  der  Reis  u.  s.  w.  sind  in  der 
Regel  schwars.  —  'Aber  die  Erde  ist  doch  auch  nicht  immer 
'schwarz,  denn  es  giebt  ja  auch  Grundstücke,  welche  weifs  wie 
'Milch,  und  solehe,  welche  rot  wie  Kohlen  sind.*  —  Dieser  Ein- 
wand hat  niehis  auf  sich,  weil  es  hierbei  auf  das  Vorwiegende 
ankommt;  vorwiegend  abei*  ist  bei  der  Erde  das  schwarae  Aus- 
sehen und  nicht  das  weifse  oder  rote.  Auch  bezeichnen  die  Pu< 
r&na- Dichter  als  Ebenbild  der  Erde  die  Nacht,  welche  schwars 
aussieht;  woraus  gleichfalls  zu  entnehmen,  dafs  auch  die  Farbe  der 
Erde  die  schwarze  ist.  |  Übrigens  sagt  auch  eine  andere  Schrift-  634 
stelle,  welche  dasselbe  Thema  behandelt:  „aus  dem  Wasser  die 
„Erde"  (Taitt.  2,  1);  auch  heifst  es:  „das  was  an  dem  Wasser  der 
„Rahm  war,  das  wurde  zu  Butter  geschlagen,  so  entstand  die 
„Erde"  (Brih.  1,  2,  2).  Von  dem  Reis  u.  s.  w.  hingegen  lehrt  die 
Schrift,  dafs  er  erst  aus  der  Erde  entstdit:  „aus  der  Erde  die 
„Pflanzen,  aus  den  Pflanzen  die  Nahrung"  (Taitt.  2,  1).  Da  somit 
das  Thema  und  andere  Gründe  für  die  Erde  sprechen,  so  ist  an 
Reis  u.  dgl.  hier  nicht  zu  denken.  Denn  auch  der  gewöhnliche 
Gebrauch  der  Worte  wird  durch  das  Thema  und  die  aadem  Gründe 
aus  dem  Felde  geschlagen.  Und  was  das  in  der  Stelle  Folgende 
(Ch&nd.  6,  2,  4)  betrifft,  so  wird  hier,  weil  die  zu  essende  Nahrung 
von  erdartiger  Beschaffenheit  ist,  mit  Hülfe  derselben  [und  ihres 
Gedeihens  durch  das  Wasser]  darauf  geschlossen,  dafs  auch  die 
Erde  selbst  aus  dem  Wasser  entstanden  sei.  Somit  ist  hier  unter 
dem  Worte  Nahrung  die  Erde  zu  verstehen. 


398  C'Mraka-mlm&ÄslL 


Siebentes  AdJiikaranam, 

13.  tad-ahhidhyänäd  eva  tu  tat-lingät  sah 

vielmehr  er  ißt  es,   welcher,  nur  mittelst  ihrer 
beabsichtigend,  [schafft,]  weil  dafür  ein  Zeichen. 

Sind  68  jene  genannten  Elemente,  der  Raum  u.  s.  w. ,  welche 
ans  sich  selbst  die  aus  ihnen  hervorgehenden  Umwandlungen  er- 
zeugen, oder  ist  es  vielmehr  der  höchste  Gott,  welcher,  in  der 
einen  und  andern  Wesenheit  verweilend,  durch  seine  Absicht  .diese 
und  jene  Umwandlung  erschafft?  Darüber  kann  man  zweifelhaft 
sein.  Angenommen  also,  ^die  Elemente  schüfen  aus  sich  selbst? 
'warum?  weil  die  Schrift  in  den  Worten:  „aus  dem  Räume  der 
'„Wind,   aus   dem  Winde    das  Feuer"  u.  s.  w.    (Taitt.  2,  1)    die 

635  'Selbständigkeit  derselben  |  hervorhebt.  Die  Einwendung,  dafs 
'Ungeistiges  sich  aus  sich  selbst  nicht  bewegen  könne,  tri£Pt  nicht 
'zu,  weil  die  Schrift  in  den  Worten:  „dieses  Feuer  beabsichtigte, 
'„  .  .  .  dieses  Wasser  beabsichtigte"  (Ch&nd.  6,  2,  3.  4)  auch  den 
'Elementen  eine  Geistigkeit  zuerkennt.*. —  Auf  diese  Annahme  ist 
zu  erwidern:  es  ist  vielmehr  der  höchste  Gott  selbst,  welcher,  in 
dieser  oder  jener  Wesenheit  verweilend,  durch  seine  Absicht  diese 
und  jene  Umwandlung  hervorbringt.;  warum?  „weil  dafür  ein  Zei- 
„chen";  denn  so  sagt  der  Sohriftkanon:  „der  in  der  Erde  woh* 
„nend  von  der  Erde  verschieden  ist,  den  die  Erde  nicht  kennt, 
„desben  Leib  die  Erde  ist,  der  die  Erde  innerlich  regiert"  (Brih. 
3,  7,  3);  Stellen  wie  diese  lehren,  dafs  die  Elemente  sich  nur  da- 
durch bewegen,  dafs  sie  einen  [geistigen]  Vorsteher  in  sich  tragen. 

C3€  Dem  entsprechend  |  heifst  es:  „derselbe  begehrte:  ich  will  vieles 
„sein,  will  mich  fortpflanzen"  (Taitt.  2,  6);  und  weiter:  „er  ward 
„das  Seiende  und  das  Jenseitige"  —  „dasselbige  machte  selber 
„sich  selbst"  (Taitt.  2,  7);  worin  liegt,  dafs  nur  er  die  Wesenheit 
von  allem  ist.  Wenn  hingegen  die  Schrift  dem  Wasser  und  dem 
Feuer  ein  Beabsichtigen  zuschreibt,  so  ist  dieses  ^ala  ein  solches 
aufzufassen,  welches  eben  durch  das  Eingehen  des  höchsten  Gottes 
in  sie  bewirkt  wird;  denn  die  Stelle:  „nicht  giebt  es  anfser  ihm 
„einen  Sehenden"  (Brih.  3,  7,  23)  verbietet,  einen  andern  Beab- 
sichtiger alft  ihn  anzunehmen.  Auch  wurde  ja  zu  Anfang  das 
Seiende  als  dasjenige,  welches  beabsichtige,  genannt,  indem  es 
hiefs:  „dasselbige  beabsichtigte:  ich  will  vieles  sein,  will  mich  fort- 
„pflanzen"  (Ch&nd.  6,  2,  3). 


Sütram  11.  ni.  14.  399 


Achtes  Adhikaranam. 

14.    vlparyayena  tu  hramo  'ta\  upapadyate  ca 

vielmehr  ist  die  Reihenfolge  umgekehrt  wie  jene, 

auch  geht  es  so  von  statten. 

Wir  haben  die  Reihenfolge  des  Entstehens  der  Elemente  er- 
wogen, und  es  bleibt  noch  die  Reihenfolge  ihres  Vergehens  zu 
erwägen.  Hierbei  fragt  sich,  ob  dieses  Vergehen  ohiie  bestimmte 
Reihenfolge  stattfindet  oder  in  der  Reihenfolge  des  Entstehens 
oder  etwa  in  der  ihr  entgegengesetzten.  Zunächst  nun  lehrt  die 
Schrift,  dafs  Ursprung,  Bestand  und  Untergang  der  Wesen 
alle  drei  in  dent  Brahman  vor  sich  gehen,  'denn  es  heifst:  „wo- 
„raus  diese  Wesen  entspringen ,  wodurch  sie  entsprungen ,  leben ,  | 
„ii^nd  worein  sie,  dahinscheidend,  wieder  eingehen"  (Taitt.  3,  1).  €37 
^Dieses  könnte  dafür  sprechen,  dafs  der  Untergang  ohne  bestimmte 
^Reihenfolge  geschehe,  weil  eine  solche  nicht  angegeben  wird.' 
Oder  man  könnte  denken,  ^da  fQr  das  Entstehen  eine  Reihenfolge 
^Torliegt,  so  müsse  auch  das  Yergehen  eine  Reihenfolge  haben, 
^und  diese  wäre  dieselbe  wie  die  Reihenfolge  des  Entstehens.'  Das 
sind  die  Annahmen.  —  Darauf  erwidern  wir:  die  Reihenfolge  des 
Vergehens  mufs  yielmehr  „umgekehrt  wie  jene 'S  wie  die  Reihen- 
folge des  Entstehens,  sein.  So  nämlich  zeigt  es  die  Erfahrung; 
denn  nachdem  man  in  einer  bestinmiten  Reihenfolge  eine  Treppe 
hinaufgestiegen  ist,  so  steigt  man  in  der  ihr  entgegengesetzten 
Reihenfolge  wieder  herab.  Femer  lehrt  die  Erfahrung,  wie  die 
aus  dem  Thone  entstandenen  Töpfe  und  Krüge  zur  Zeit  ihres  Ver- 
gehens in  das  Sein  des  Thones  zurückkehren,  und  wie  das,  was 
aus  Wasser  entstanden  ist,  z.  B.  Eis,  Hagel  u.  s.  w.,  in  das  Sein 
des  Walsers  zurückkehrt.  Darum  geht  auch  dieses  „so  Ton  stat- 
„ten'S  dafs  die  Erde,  da  sie  aus  dem  Wasser  entstanden  ist,  wenn 
die  Zeit  ihres  Bestehens  verstrichen  ist,  in  das  Wasser  zurück- 
geht, und  dafs  das  Wasser,  weil  es  aus  dem  Feuer  entstanden 
ist,  in  das  Feuer  zurückgeht.  Indem  alles  stufenweise  in  das 
Feine  und  das  noch  Feinere  als  in  seine  nächste  und  übernächste 
Üi*8ache  zurückkehrt,  geht  zuletzt  alles  Entstandene  in  die  letzte 
Ursache 'und  in  das  Allerfeinste,  nämlich  in  das  Brahman  zurück; 
80'  ist  es  anzunehmen.  Denn  es  geht  nicht  an,  dafs  eine  Wirkung 
mit  Überspringung  ihrer  eigenen  Ursache  in  die  Ursache  ihrer  Ur- 
sache zurückgehe.  Und  auch  die  Smriti  lehrt  mehrfach,  dafs  die 
Reihenfolge  des  Vergehens  der  Reihenfolge  des  Entstehens  ent- 
gegengesetzt sei;  I  so  wenn  es  heifst  (Mahäbh.  12,  12893):  638 


400  CirtrakA-mtmlüQ&tl 

,J>er  Grund  der  Lebenswelt,  die  Erde,  achmilst 
^B  Waaeer,  und  das  Wasser  scbmiixt  in  Feaer, 
„Das  Feuer  wiederum  aerschmilxt  in  Wind«'^ 

Hingegen  ist  es  nicht  notwendig,  dafs  dieselbe  Reihenfolge,  weil 
die  Schrift  sie  nur  bei  dem  Entstehen  lehrt,  auch  beim  Vergehen 
gelte;  und  dieses  ist  um  so  weniger  zu  postulieren,  als  es  nicht 
wohl  denkbar  ist;  denn  es  Iftfst  sich  nicht  wohl  denken,  dafs  eine 
Ursache  Tergehe,  wfthrend  ihre  Wirkung  noch  weiter  besteht,  weil 
es  unmöglich  ist,  dafs  eine  Wirkung  noch  fortbestehe,  nachdem 
ihre  Ursache  geschwunden  ist.  Dafs  hingegen  die  Ursache  noch 
fortbesteht,  w&hrend  ihre  Wirkung  schon  geschwunden  iat,  lafst 
sich  sehr  wohl  denken,  indem  es  an  dem  Thone  und  andern  [Sab- 
stansen,  die  auch  nach  Yernichtung  ihrer  Produkte  noch  bestehen] 
sich  in  der  Erfahrung  so  2eigt. 


Neunte$  Adhikaraimam^ 

15.    aniard  injUAna-manasi  kramena  tal-Ungdd^  Ui  cen^ 

na!  avifeahät 

zwischenein  Erkenntnis  und  Manos  m  der  Beihe,  weil 
dafür  ein  Merkmal ,  meint  ihr?  Nein,  weil  keine  Mo- 
difikation [der  Reihenfolge  durch  dieselben  zuläßsigj. 

^Wir  haben  gefunden,  dafs  die  Entstehung  und  der  Untergang 
'der  Elemente  in  der  gehörigen  und  der  ihr  entgegengesetzten 
'Reihenfolge  statt  hat;  auch  sahen  Wir,  wie  die  Entstehung  in  d^m 
'Atman  anhebt,  und  wie  der  Yergaiig  in  dem  Atman  aufhört.  Nun 
'sind  aber  weiter  auch  das  Manas  mk  den  Sinnesorganen  and  die 
'Buddhi  ein  seiend  Vorhandenes,  wie  die  Schrift  und  die  Smriti 
'lehren,  und  wie  zu  ersehen  aus  Stellen  wie  (Kftth.  3,  3): 

—  „Die  Buddhi  ist 
689  „Der  Wagenlenker,  ZQgei  ist  das  Manas t 

„Die  Sinne  sind  den  Rossen  xu  ?ergleichen",  u.  s.  w. 

'Da  nun  alles  dingliche  Sein  aus  Braliman  entstanden  ist,  so  mufa 
'man  auch  fflr  diese  beiden  [Manas  und  Buddhi]  den  Ursprung 
^und  Untergang  an  irgend  einem  Zwischenräume  in  die  Reihe  mit 


Sfttram  IL  m.  15.*  401 

'bineinnebmen.  Auch  werden  in  einer  Atharya-Stelle ,  wekhe  von 
'der  Schöpfung  handelt,  die  Organe  zwiechen  die  Elemente  und 
'den  Atman  eingeschoben,  indem  es  heüOst  (Mund.  2,  1,  S): 

S,Aas  ihm  entsteht  der  Odem,  der  Verstand  mit  allen  Sinnen, 
^„Aus  ihm  entstehen  Äther,  Wind  nnd  Fener^ 
'„Das  Wasser  und,  alltragende,  die  Erde." 

'Es  scheint  somit  die  vorher  besprochene  Entstehung  und  Ver- 
'nichtung  der  Elemente  in  ihrer  Reihenfolge  eine  Unterbrechung 
'zu  erleiden/  —  Aber  auf  dieses  Bedenken  ist  kein  Gewicht  zu 
legen,  „weil  keine  Modifikation  [der  Reihenfolge  zulässig].^'  Ent- 
weder nämlich  sind  die  Organe  von  elementartiger  Natur;  dann 
ist  mit  Entstehung  und  Yergang  der  Elemente  auch  ihr  Entstehen 
und  Vergehen  gegeben  und  nach  einer  Modifikation  der  Reihen- 
folge wegen  dieser  letzteren  nicht  zu  fragen.  Auch  spricht  ein 
Anzeichen  dafür,  dafs  die  Organe  elementartig  sind,  |  denn  es  640 
heifst:  „nahrungsariig  ist,  o  Teurer,  das  Manas,  wasserartig 
„der  Odem,  feuerartig  die  Rede"  (Chand.  6,  6,  5);  und  wenn  ge- 
legentlieh neben  den  Elementen  die  Organe  noch  besonders  genannt 
werden,  so  ist  dies  so  aufzufassen,  wie  wenn  neben  dem  Brahma- 
nen  Jioch  der  Wändermönch  [der  auch  ein  Brahmane  ist]  genannt 
wird.  —  Oder  aber,  die  Organe  sind  nicht  elementartig;  auch 
dann  wird  die  Reihenfolge  des  Entstehens  der  Elemente  durch  die 
der  Organe  nicht  modificiert,  indem  zuerst  die  Organe  und  dann 
die  Elemente,,  oder  auch  zuerst  die  Elemente  und  dann  die  Or- 
gane entstanden  sind.  Was  aber  die  Erwähnung  in  der  Atharva- 
Stelle  betrifit,  so  lehrt  dieselbe  nur  eine  Stufenfolge  der  Organe 
nnd  Elemente,  nicht  aber  eine  Stufenfolge  ihrer  Entstehung.  In 
ähnlicher  Weise  wird  auch  sonst  neben  der  Reihe  der  Elemente 
noch  die  Reihe  der  Organe  erwähnt,  z.  B.  wenn  es  heifst:  „für- 
„wahr  diese  Welt  war  zu  Anfang  Pngäpati;  derselbige  betrachtete 
„sich  selbst;  da  schuf  er  das  Manas.  Also  war  dieses  Manas  Tor- 
„handen.  Dasselbige  betrachtete  sich  selbst;  |  da  schuf  es  die  641 
„Rede"  u.  s.  w.  Somit  ist  keine  Unterbrechung  in  der  Reihenfolge* 
des  Entstehens  der  Elemente  anzunehmen. 


DBvim,  T«d4AU.  28 


402  Q&rlraka-mlmftÄ8& 


Zehntes  Adhikarcmam. 

16.    cara'Ocara'Vyapdgrayiis  tu  syät  tad-vyapadeQo 

bhäktaSy  tad-bhäva-bhävitvät 

vielmehr  auf  das  Bewegliche  und  Unbewegliche  sich 
beziehend  9  mufs  die  Bezeichnung  desselben  [des  Ent- 
stehens  der  Seele]   eine  bildliche  sein,   weil  nur  jenier 

Entstehung  Möglichkeit  hat. 

Es  könnte  jemand  in  den  Irrtum  Terfallen,  'dafs  auch  für  die 
'individuelle  Seele  ein  Entstehen  und  Vergehen  stattfindet,  da  man 
*doeh  im  gewöhnlichen  Lehen  sagt,  Devadatta  sei  gehören,  Deya- 
'datta  sei  gestorhen,  und  weil  man  die  Gehurtsfeier  und  andere 
*Ceremonien  im  Yeda  vorgeschriehen  findet.'  Dieser  Irrtum  ist  zu 
heseitigen.  Es  findet  also  für  die  individuelle  Seele  kein  Ent- 
stehen und  Vergehen  statt,  weil  sie  an  die  von  der  Schrift  ge- 
lehrte Frucht  der  Werke  gebunden  ist.  Ginge  die  Seele  mit  dem 
Leihe  zu  Grunde,  so  würden  die  Gebote  und  Verbote  zwecklos 
sein,  welche  sich  auf  Erlangung  des  Erwünschten  und  Vermeidung 
des  Nichterwünschten  in  einer  andern  Verkörperung  beziehen.  Auch 
sagt  die  Schrift:  „fürwahr  es  stirbt  dieser  Leib,  wenn  er  vom 
„Leben  (jiva,  Leben,  individuelle  Seele)  verlassen  wird,  nicht  aber 
„stirbt  das  Leben  (die  Seele)"  (Chand.  6,  11,  3).  —  *Aber  wurde 
^nicht  darauf  hingewiesen,  dafs  man  im  gewöhnlichen  Leben  von 
'einem  Geboren  werden  und  Sterben  des  Lebendigen  (jiva,  der  Seele) 
'spricht?'  —  Allerdings,  aber  diese  Bezeichnung  des  Geboren- 
werdens und  Sterbens  ist  bei  dem  Lebendigen  (der  Seele)  eine  bild- 
liche. —  'Aber  worauf  sich  beziehend  ist  denn  diese  Bezeichnung 
'eine  eigentliche,  im  Hinblick  auf  welches  sie  hier  eine  -bildliche 
642  "^wäreV'  —  |  Sie  bezieht  sich  „auf  das  Bewegliche  und  Unbeweg- 
„liche'*;  d.  h.  die  Worte  Geburt  und  Tod  beziehen  sieh  auf  die 
Leiber  der  Pflanzen  und  der  Tiere  und  Menschen.  Nämlich  die 
'  unbeweglichen  (pflanzlichen)  und  beweglichen  (animalischen)  Ge- 
schöpfe werden  geboren  und  sterben;  auf  sie  mithin  beziehen  sich 
die  Worte  Geburt  und  Tod  im  eigentlichen  Sinne;  von  der  in 
ihnen  befindlichen  lebenden  Seele  hiogegen  werden  sie  nur  bild- 
lich gebraucht;  „weil  nur  jener  Entstehung  Möglichkeit  hat";  näm- 
lich die  Worte  Geburt  und  Tod  sind  nur  möglich,  insofern  der 
Leib  in  die  Ersclieinung  tritt  und  wieder  zurücktritt,  nicht  wo 
dies  nicht  geschieht;  und  kein  Mensch  hat  je  wahrgenommen,  daXs 
die  Seele,    labgeHnhen   von    ihrer  Verbindung  mit  dem  Leibe,    ge- 


Sütram  IL  in.  16.  403 

boren  wurde  oder  stürbe;  und  wenn  es  heifst:  „wenn  dieser  Geist 
„geboren  wird,  in  einen  Leib  eingebt",  —  „wenn  er  aus  ihm  aus- 
„ziebt,  wenn  er  stirbt"  (Brib.  4,  3,  8),  so  bedeuten  hier  die  Worte 
Gebart  und  Tod  nur  eine  Verbindung  mit  dem  Leibe  und  eine 
Trennung  von  ihm.  Wenn  femer  die  Geburtsfeier  und  andere 
Geremonien  vorgeschrieben  werden,  so  beziehen  sich  dieselben  auf 
das  in  die  Erscheinung  Treten  des  Leibes,  denn  ein  in  die  Er- 
scheinung Treten  der  Seele  findet  nicht  statt.  Ob  die  individuelle 
Seele  wie  der  Baum  und  die-  übrigen  Elemente  aus  dem  höchsten 
Atman  entsteht  oder  nicht  entsteht,  davon  wird  in  dem  nächsten 
Sütram  die  Rede  sein;  in  diesem  Sütram  kam  es  nur  darauf  an, 
zu  zeigen,  dafs  das  grobkörperliche  Entstehen  und  Vergehen  sich 
nur  auf  den  Leib  und  nicht  auf  die  iudividuoUe  Seele  bezieht. 


Elftes  Adhikaranam, 

17.    na  ätmäy  agruter;  nUyatvdc  ca  täbhyah  043 

nicht  das   Selbst,    weil   nicht   schriftgemafs ;    auch 
wegen  der  Ewigkeit,  nach  jenen  [Schriftstellen]. 

Es  giebt  ein  Selbst,  genannt  die  individuelle  Seele,  welches 
als  der  Aufseher  in  dem  Käfige  des  Leibes  und  der  Sinnesorgane 
mit  der  Frucht  der  Werke  behaftet  ist.  Ist  dieses  Selbst,  ähnlich 
wie  der  Raum  u.  s.  w.,  aus  dem  Brahman  entstanden,  oder  ist  es, 
so  wie  das  Brahman  selbst,  nicht  entstanden?  Darüber  besteht, 
indem  die  Schrift  sich  in  widersprechendem  Sinne  äufsert,  ein 
Zweifel.  In  einigen  Schrifbstellen  wird  durch  Vergleiche ,  wie  den 
mit  dem  Feuer  und  seinen  Funken,  ein  Entstehen  des  individuel- 
len Selbstes  aus  dem  höchsten  Brahman  gdehrt;  in  andern  Stellen 
wiederum  wird  das  Sein  der  individuellen  Seele  aufgefafst  als  ein 
Eingegangdhsein  des  unerschaffenen,  höchsten  Brahman  in  die  er- 
schaffene Welt,  während  dabei  von  einer  Entstehung  der  indivi- 
duellen Seele  nicht  die  Rede  ist.  —  Angenommen  also,  'die  in- 
'dividuelle  Seele  sei  entstanden;  warum?  damit  die  Verheifsung 
'erfüllt  werde.  Nämlich  die  Verheifsung,  dafs  mit  der  Erkenntnis 
'des  einen  diese  ganze  Welt  erkannt  sei  (vgl.  Mund.  1,  1,  3;  Chelnd. 
'6,  1,  3;  6,  4,  5),  wird  nur  dann  erfüllt,  wenn  alles  dingliche  Sein 
'aus  Brahman  entsprungen  ist;  hat  hingegen  die  individuelle  Seele 
'eine  von  ihm  verschiedene  Wesenheit,  so  bleibt  diese  Verheifsung 
'unerfüllt.     Auch  kann  man  nicht  annehmen,  dafs  die  individuelle 

26* 


404  g^rlraka  mlDiiäsl 

'Seele  der  unerschiiffene,  höchste  Atman  selbst  sei,  weil  Ewiscbea 
'beiden  eine  Yersohiodenheit  der  Merkmale  stattfindet.  Kämlich 
.'der  höchste  Ätman  hat  als  Eigenschaften  die  Sündiosigkeit  u.  s.  w., 
'die  indiyidnelle  Seele  hingegen  die  entgegengesetzten.  Ferner 
'ergiebt  sich  ihr  ErschajSTensein  auch  aus  ihrer  Oeteiltheit.  Denn 
'alles  Tom  Ranme  an,  was  teilbar  ist,  ist  ein  Erschaffenee,  und 
'wir  haben  die  Entstehung  desselben  vom  Banme  abw&rta  dorch- 
'gegangen.  Ktin  ist  auch  die  indiyidnelle  Seele  wegen  ihrer  guten 
'und  bösen  Werke  «um  Zwecke  des  Geniefsens  Ton  Lust  und  Sd&merz 
'je  nach  den  Leibern  abgegrenzt.  Somit  mufs  auch  sie  bei  Ge- 
844  4egenheit  der  Weltschöpfnng  entstanden  sein.  |  Auch  heifst  es: 
'„to  wie  aas  dem  Feuer  die  winzigen  Fünklein  entspringen,  also 
'„auch  entspringea  aus  diesem  Ätman  alle  Lebensgeister";  und 
'naehdem  hier  gelehrt  worden,  dafs  alles  zu  Geniefsende  Ton  den 
'Lebensgeistem  an  erschaffen  sei,  so  wird  durch  die  weiter  folgen- 
'den  Worte:  „und  'alle  diese  Selbste"  noch  besonders  die  Schö- 
'pfdng  der  geniefsenden  Seele  hervorgehoben  (Brih.  2, 1, 20  MAdhy.). 
'Femer  heifst  es  (Hund.  2,  1,  1): 

'„Wie  ans  dem  wohlentflammien  Feuer  die  Funken 
'„Ihm  gleichen  Wesens  tausendfach  entspringen, 
'„So  gehn,  o  Teurer,  aus  dem  üurerg&aglichen 
'„Die  mannigfachen  Wesen 
'„Hervor  und  wieder  in  dasselbe  ein"; 

'hier  wird  ein  Entstehen  und  Vergehen  der  individuellen  Seelen 
'gelehrt,  indem  von  ihnen  gesagt  wird,  dafs  sie  an  dem  Wesen 
'des  Brahman  teilnehmen;  an  diesem  Wesen  des  Brahman  nftmlidi 
'nehmen  die  individuellen  Seelen  teil,  sofern  auch  sie  mit  Geistig- 
'keit  behaftet  sind.  Wenn  aber  die  Schrift  irgendwo  etwas  nicht  lehrt, 
'so  wird  dadurch  nicht  ausgeschlossen  was  sie  an  einem  andern 
'Orte  lehrt;  vielmehr  mufs  man  den  Schriftinhalt,  auch  wenn  er 
'aus  einer  andern  Stelle  herrührt  und  etwas  Neues,  jedoch  nicht 
'Widersprechendes,  beibringt,  aus  dem  allem  zusammenfassen.  So- 
'mit  mufs  man  auch  die  Schriftstelle  von  dem  Eingehen  [des  Brah» 
'man  in  die  Weltwirkung,  Ch4nd.  6,  8,  2]  als  ein  Übergehen  in 
'ein  umgewaodeltea  Sein  aufEassen,  wie  es  ja  auch  z.  B.  heifst: 
'„dasselbe  machte  selber  sich  selbst"  (Taitt.  2,  7).  Aus  dem  allem 
'ergiebt  sich,  dafs  die  individu^le  Seele  entstanden  ist.* 

Auf  diese  Annalune  erwidern  wir:  „nicht  das  Selbst",  d.  h« 
die  individuelle  Seele  ist  nicht  entstanden;  warum?  „weil  nicht 
„schriftgeroäfs";  d.  h.  an  den  mancherlei  Stellen,  wo  die  Schöpfung 
gelehrt  wird ,  ist  dabei  von  der  Seele  keine  Bede.  —  'Aber  sagten 
'wir  nicht,  dafs  durch  das,  was  an  einer  Stelle  nicht  gelehrt  wird, 
'nicht  ausgeschlossen  wird,  was  an  einer  andern  Stelle  gelehrt 
'wird?*  —  Allerdings!    wir  aber  haben  weiter  zu  bemerken,   dafs 


*   Sütram  II.  m.  17.  405 

eine  Entstehung  der  Seele  gar  nicht  möglich  ist;  warum?  ,,aiich 
,,wegen  der  Ewigkeit  nach  jenen  [Schriftstellen}";  das  Wort  „aa<^'' 
deutet  noch  weitere  Grunde,  z.  B.  die  Unentstandenheit  u.  s.  w., 
an.  Die  Ewigkeit  der  Seele  aber  folgt  aus  der  Schrift  und  ebenso 
ihre  Unentstandenheit  und  Unei-schaffenheit,  sowie  auch,  dafs  das 
unerschaffene  Brahman  selbst  in  Gestalt  der  individuellen  Seele 
besteht»  und  dafs  diese  ihrem  Wesen  nach  Brahman  ist.  Steht  es 
aber  so  mit  ihr,  so  ist  eine  Entstehung  derselben  unmöglich.  | 
Und  weldies  sind  jene  Schriftstellen  [auf  die  das  Sütram  ver-  645 
weist]?  —  „nicht  aber  stirbt  das- Leben"  ((3i4nd.  6,  11,  3);  — 
„fürwahr  dieses  grofsö,  Angeborene  Selbst  ist  nicht  alternd,  .  .  . 
„unsterblich,  furchtlos,*  ist  das  Brahman"  (Bfih.  4,.  4,  25);  — 
„nicht  wird  geboren  oder  stirbt  der  Weise"  (K4th.  2,  18);  — 
„beharrend,  ewig,  ungeboren  ist  der  Alte"  (Eäth.  2,  18);  —  „nach- 
„dem  er  dieses  erschaffen,  ging  er  in  dasselbe  ein"  (Taitt.  2,6); 
—  „ich  will  mit  diesem  lebenden  Selbste  in  sie  eingehen  und 
„auseinanderbreiten  Namen  und  Gestalten"  (Gh&nd.  6>  3,  2);  — 
,,in  sie  ist  jener  [Atman]  eingegangen  bis  in  die  Nagelspitzen  hin- 
„ein"  (Brih.  1,  4,  7);  —  „dos  bist  du"  (ChÄnd.  6,  8,  7);  ~  „ich 
„bin  Brahman"  (Brih.  1,  4, 10);  —  „diese  Seele  ist  das  Brahman,  die. 
allvemehmende"  (B^ih.  2,  ö,  19) ;  —  diese  und  andere  SohriftsteUen 
bezeugen  die  Ewigkeit  und  verneinen  die  Entstehung  der  individuel- 
len Seele.  —  'Aber  sagten  wir  nicht,  dafs  sie  wegen  ihrer  Geteilt- 
^heifc  eine  Umwandlung  und  als  solche  entstanden  sein  müsse?*  — 
Darauf  ist  vai  bemerken,  dafs  ihr  die  Geteiltheit  an  sich  (svaias) 
gar  nicht  zukommt;  denn  die  Schrift  sagt  (Qvet.  6|  11): 

„Der  eine  GoU,  verküllt  in  allen  Wesen, 
„Durchdringend  alle,  aller  inn'ro  Seele." 

Hingegen  ist  die  scheinbare  Getoiltheit  der  Seele  nur  durch  die 
Up4dhi's  der  Buddhi  u.  s.  w.  bedingt,  so  vrie  die  des  Raumes 
durch  die  Verbindung  mit  den  Gefäfsen  bedingt  ist.  Und  so  sogt 
auch  der  Schriftkanon:  „wahrlich  |  dieses  Selbst  ist  das  Brah-  646 
„man,  erkenntnisartig,  manasailig,  odemartig,  augeartig,  oliraitig" 
(Bfih.  4,  4,  5);  —  diese  Schriftstelle  bezeugt,  dafs  es  das  Brah- 
man selbst,  jenes  unor&chaffene ,  eine  Seiende  ist,  welches  in  viel- 
hoiilicher  Weise  erkenntuisartig  u.  s.  w.  wird.  Dafs  es  aber  nur 
so-  und  so- artig  ist,  bedeutet,  dafs  seine  absolute  Natur  dabei 
nicht  offenbar  wird,  Rondern  nur  seine  durch  jene  Dinge  über- 
tünchte Natur,  ähnlich  wie  wenn  man  sagt:  „er  ist  ein  weiber- 
„artiger  Schwächling".  Wenn  aber  gelegentlich  die  Schrift  von 
einem  Entstehen  und  Vergehen  der  Seele  redet,  so  ist  auch  dieses 
AUS  demselben  Grunde,  nämlich  aus  ihrer  Verbindung  mit  den 
Up&dhi*8,  zu  erklären,  indem  ihr  Entstehen  ein  Entstehen  der 
Up&dhi's  und  ihr  Vergehen  ein  Vergehen  derselben  bedeutet.    Und 


06  (lrlraka-inImhDB&' 

>  sagt  die  Schrift:  „er  besteht  durcli  und  durch  ganz  aus  £r- 
keuntiÜB:  als  diese  Kreaturen  erhebt  er  eich  und  mit  ihneu  gebt 
er  wieder  outer;  nach  dem  Tode  ist  kein  Bewafstseiu"  (Bpb.  4, 
,  13).  Hier  iat  von  einem  Vergehen  der  Upädhi's,  nicht  von  einem 
'ergehen  der  Seele  die  Rede,  wie  auch  das  Folgende  beweist: 
damit,  o  Herr,  hast  du  mich  ia  eicieu  Znstand  der  Verwirrung 
gesetzt;  diesen  [Atman]  begreife  ich  freilich  nicht,  und  dafa 
nach  dem  Tode  kein  Bewustseiu  sein  soll";  auf  diese  Frage  er- 
olgt  die  Belehrung:  „nicht  Verwirrung  wahrlioh  rede  ich;  un- 
vergänglich fOrwahr  ist  dieser  Ätman,  unzerstörbaren  |  Wesens; 
aber  eine  I^stösung  desselben  von  der  Materie  vollzieht  sich" 
Brih.>4,  5>  14  Uädhy.).  Und  auch  die  Verheifsung  bleibt  nicht 
nerfOllt,  wenn  man  annimmt,  dafe  das  unerachaffene  Brahman 
albat  die  individuelle  Seele  ist.  Die  Verschiedenheit  der  Merk- 
lalo  aber  zwischen  Brahman  und  Seele  hat  ihren  Grund  nur  in 
en  Upädbi's.  Denn  wenn  es  helfst:  „rede  höher  als  dieses  was 
znr  Erlösung  dient"  (Brih.  4,  3,  14),  so  werden  hiermit  dem  in 
le4e  stehenden  erkenntnisartigen  Selbste  alle  Qualitäten  des  Sam- 
ara abgeeprochen  und  von  ihm  gelehrt,  dafs  es  der  höchste  Ätman 
lt.    Somit  kann  die  Seele  weder  entstehen  noch  vergehen. 


Zwölftes  AdJCikaranam. 

IS.   jnö,  'ta'  eva 
Erkenner-,  auB  demselben  Grande. 

Ist  nun  die  Seele,   wie  die  Anhänger  des  Kanada  wollen,  nur 

on  accidenteller  Geistigkcfit  und  an  sich  seihst  ungeistig ,  oder 
rt  sie,  wie  die  Sänkhya'»  annehmenT  ihrem  Woaen  nach  von  ewi- 
er  Geistigkcit ?  Hierüber  besteht  wegen  des  Widerspruchs  der 
leinungen  ein  Zweifel.  Angenoramcn  also,  'die  Oeistigkeit  der 
Seele  sei  nur  accidentell  und  bedingt  durch  die  Verbindung  der 
^eele  mit  dem  Manas,  ähnlich  wie  die  Eigenschaft  der  Glührote 
lurch  die  Verbindung  des  Topfes  mit  dem  Feuer  bedingt  ist.  Wäre 
lämlich  die  Seele  von  ewiger  Geistigkeit,  so  miifste  die  Geistig- 
Ceit  auch  den  Schlafenden ,  Ohpmäcbtigen  und  Besessenen  eigen 
(ein;  ditse  aber,  wonh  man  sie  befragt,  sagen  aus,  dafs  sie  durch- 
inj»  kein  Bewufstsein  von  etwas  gehabt  hätten.  Nachdem  sie  aber 
viedcr  au  sieh  gekommen  sind,  |  haben  sie  Bewufstsein.  Also. 
iFeil  das  Geistige  nur  zuweilen  vorhanden  ist,  darum  mufs  die 
üeiatigkeit  bei  der  Seele  accidentell  sein.'  —  Auf  diese  Aunahme 


Satiam  IL  in.  18.  407 

wird  erwidert:  „Erkenner";  d.  h.  die  Seele  ist  von  ewiger  Geistig- 
keit,  „aas  demselben  Gründe'S  nämlich  weil  sie  nicht  entsteht, 
sondern  das  höchste  unerschafTene  ßrahman  selbst  es  ist,  welches 
durch  die  Bemengnng  mit  den  Upadhi's  als  individuelle  Seele  be- 
steht. Bas  höchste  Brahman  aber  ist  seinem'  Wesen  nach  ein 
Geistiges,  wie  die  Stellen  beweisen:  „Brahman  ist  Wonne  und 
„Erkenntnis"  (Brih.  3,  9,  28);  —  „Wahrheit,  Erkenntnis,  unend- 
„lich  ist  das  Brahman"  (Taitt.  2,  1);  „er  hat  kein  [ Unterschied- 
Ruches]  Inneres  oder  Äufäeres.  sondern  besteht  durch  und  durch 
„ganz  aus  Erkenntnis"  (Brih.  4,  5,  13).  Ist  somit  die  individuelle 
Seele  dieses  höchste  Brahman,  so  folgt ,  dafs  auch  die  individuelle 
Seele  ihrer  Natur  nach  gerade  so  ein  ewig  Geistiges  ist,  wie  das 
Feuer  ein  Warmes  und  Helle»  ist.  Und  auch  da,  wo  von  dem 
erkenntnisartigen  Selbste  die  Kedo  ist,  kommen  Stellen  vor  wie: 
„schaut  schlaflos  er  die  sclilafenden  Organe"  (Brih.  4,  3,  11);  — 
„daselbst  dient  dieser  Geist  sich  selbst  als  Licht"  (Brih.  4,  3,  14); 
—  „denn  für  den  Erkenner  giebt  es  keine  Unterbrechung  des 
„Erkennens"  (Brih.  4,  3,  30).  —  |  Und  wenn  es^  heifst:  „aber  der  649 
„da  weifs,  ich  will  dieses  riechen,  das  ist  der  Atman"  (Chlknd.  8, 
12,  4),  so  beweisen  auch  diese  Worte,  dnfs  die  Seele,  sofern  sie 
dui'cb  alle  Pforten  der  Sinnesorgane  bald  dieses  und  bald  jenes 
erkennt,  in  dem  geistigen  Bewufstsein  ihre  Kontinuität  hat  und 
somit  ihrem  Wesen  nach  dieses  ist.  Wollte  man  einwenden,  dafs, 
wenn  die  Seele  ihrem  Wesen  nach  ein  ewig  Geistiges  ist,  der  Ge- 
ruchssinn und  die  übrigen  [Sinnesorgane]  zwecklos  seien,  so  wäre 
zu  erwidern,  dafs  ihr  Zweck  darin  besteht,  die  verschiedenen 
Klassen  von  Objekten,  den  Geruch  u.  s.  w.,  gegen  einander  abzu- 
grenzen [d.  h.  von  einander  zu  unterscheiden],  in  welchem  Sinne 
auch  die  [angefühlte]  Schriftstelle  sagt:  „zum  Riechen  dient  ihm 
„der  Geruchssinn"  (Chdnd.  8,  12,  4).  Wenn  ferner  eingewendet 
wurde,  dafs  die  Schlafenden  u.  a.  kein  Bewufstsein  haben,  so  giebt 
die  Schrift  selbst  die  Beantwortung  an  die  Hand,  wenn  sie  von 
dem  Tiefschlafenden  sagt:  „wenn  er  dann  nicht  sieht,  so  ist  er 
„doch  sehend,  obschon  er  nicht  sieht;  denn  für  den  Sehenden  ist 
„keine  Unterbrechung  des  Sehens,  weil  er  unvergänglich  ist;  aber 
„es  ist  kein  Zweites  aufser  ihm,  kein  anderes,  von  ihm  verschie- 
„denes,  das  er  sehen  könnte"  (Bfih.  4,  3,  23);  das  heifst:  jenes 
Unbewnfstsein  kommt  daher,  dafs  kein  Objekt  vorhanden  ist,  nicht 
daher,  dafs  die  Geiätigkeit  nicht  vorbanden  ist;  älmlich  wie  das 
Licht,  so  lange  es  nur  den  [leeren]  Baum  durchstrahlt,  nur  darum 
nicht  offenbar  wird,  weil  kein  zu  Beleuchtendes  da  ist,  nicht  aber, 
weil  es  der  Leuchtnatur  ermangelt.  Reflexionen  wie  die  der  Vai- 
^eshika's  u.  s.  w,  können ,  wo  die  Schrift,  ihnen  widerstreitet ,  nur 
auf  blofsem  Scheine  beruhen;  und  somit  entscheiden  wir  uns  da- 
für, dafs  die  Seele  ihrem  Wesen  nach  ein  ewig  Geistiges  ist. 


408  C^>^)i^^&'intmiä8& 

Dreizehntes  Adkikarananu 

650  19.    *idkrdnU-gaÜ-äg(Umd§n^ 

^  wegen  des  Ausziehens,  Hiugehens  und  Wiederkommen8\ 

El  fragt  siofa  jetsst  weitet,  von  welchem  Umfuige  die  indivi- 
duelle Seele  ist,  und  ob  ihre  Grolke  eine  minimale  oder  mittlere 
oder  maximale  ist.  —  'Aber  ob  wurde  ja  doch  gesagt,  dafs  die 
'Seele  nicht  entsteht  und  von  ewiger  Geistigkeit  ist,  und  es  folgte 
'daraus,  dafs  die  individuelle  Seele  der  höchste  Atmau  selbst  sei; 
'von  dem  höchsten  Atman  aber  lehrt  die  Schrift,  dafs  er  unendlich 
'ist;  wie  kann  also  die  Frage  nach  einem  Umfange  der  individuellen 
'Seele  erhoben  werden?*  —  Wir  antworten:  das  ist  nchtig;  aber 
die  Schriftworte,  welche  ein  Ausziehen,  Hingehen  und  Wieder- 
kommen der  individuellen  Seele  lehren,  legen  den  Schlufs  nahe,  dafs 
dieselbe  räumlich  begrenzt  sein  müsse.  Auch  wird,  wie  es  scheint, 
hin  und  wider  von  der  Schrift  ausdrücklich  die  minimale  GröXsö 
der  Seele  gelehrt.  Um  dieses  alles  ins  Klare  zu  bringen,  dient 
der  gegenwärtige  Abschnitt. 


Angenommen  also  zunächst,  'die  individuelle  Seele  sei  begrenzt 
'und  zwar  von  minimalem  Umfange,  weil  die  Schrift  ein  Ausziehen, 
'Hing^en  und  Wiederkommen  derselben  lehrt ;  ein  Ausziehen  in 
.  'den  Worten:  „wenn  sie  aus  diesem  Leibe  auszieht,  so  zieht  sin 
'„mit  ihnen  allen  aus"  (Xaush.  3,  3);  —  ebenso  ein  Hingehen: 
'„denn  alle,  welche  aus  dieser  Welt  dahinscheiden,  die  gehen  alle 
'„zum  Monde"  (Kaush.  1,  2);  —  und  ein  Wiederkommen:  „so  kehrt 
'„aus  jener  Welt  er  wieder  zu  dieser  Welt  des  Wirkens  nieder" 
'(Brih.  4,  4,  6).  Weil  somit  die  Schrift  in  dieser  Art  ein  Ausziehen, 
651  'Hingehen  und  Wiederkonunen  lehrt,  |  darum  folgt,  dafs  die  in* 
'dividuelle  Seele  begrenzt  sein  mufs;  denn  ein  Alldnrchdringendes 
'kauQ  sich  nicht  bewegen.  Steht  aber  die  Begrenztheit  fest,  so 
'folgt,  da  wir  die  Meinung,  als  sei  die  Seele  so  grofs  wie  der 
*Leib,  bei  Untersuchung  der  Lehre  der  Arhata*s  [Jaina*s]  wider- 
*logt  haben,  dafs  die  Seele  von  minimaler  (atomartiger)  Grofse 
*Bein  mufs.' 

20.    ^sva-ätmand  ca  uttarayoh^ 
^und  weil  die  beiden  letztern  an  ihr  selbst  ^ 

'Was  das  Ausziehen  betrifft,  so  könnte  dasselbe  allenfalls  auch 
'ohne  Bewegung  vor  sich  gehen,   sofern  es,   ähnlich  wie  der  Yer« 


Siiiram  II.  hl  20.  409 

4u8t  der  Herrschaft  über  eine  Dorfschaft,  in  dem  darch  Yemichtung 
Mer  Werke  bedingten  Verluste  der  Herrschaft  über  den  Leib  be- 
istünde. „Die  beiden  letzteren^'  hingegen,  das  Hingehen  und  das 
'Wiederkommen,  sind  an  einem  Unbeweglichen  undenkbar,  weil 
'die  Verbindung  mit  diesen  beiden  „an  ihr  selbst^'  [an  dem  eigenen 
^ Wesen  der  Seele]  stattfindet;  denn  das  Gehen  ist  eine  dem  Thater 
^einwohnende  Thätigkeit.  Wo  nun  der  Umfang  kein  mittlerer  sein 
'kann,  da  folgt,  dafs  ein  Hingehen  und  Wiederkommen  nur  bei 
'minimaler  Gröfse  möglich  ist.  Steht  aber  das  Hingehen  und  das 
'Wiederkommen  fest,  so  folgt,  dafs  auch  das  Ausziehen  nur  als 
'ein  Weggang  der  Seele  aus  dem  Leibe  aufgefafst  werden  kann; 
'denn  ohne  dafs  sie  aus  dem  Leibe  wegginge,  wäre  ihr  Hingehen 
'und  Wiederkommen  unmöglich.  Hierzu  kommt,  dais  die,  Teile 
'des  Leibes,  aus  denen  sie  auszieht,  im  Ablative  stehen  in  der 
'Stelle:  „aus  dem  Auge  oder  dem  Kopfe  oder  andern.  Teilen  des 
'„Leibes"  (Brik.  4,  4,  2).  |  Und  wenn  es  heifst:  „indem  sie  diese  652 
'„Kraftelemente  in  sich  aufnimmt,  zieht  sie  sich  zurück  in  das  Herz" 
'(Bph.  4,  4, 1)  und  „ihr  Licht  entlehnend  kehrt  zum  Ort  sie  wieder*' 
'(Brih.  4,  3,  11),  so  liegt  darin,  dafs  auch  iuneihaib  des  Leibes 
'ein  Hingehen  und  Wiederkommen  der  verkörperten  Seele  statthat. 
'Auch  daraus  aber  folgt,  daüs  dieselbe  von  minimaler  Gröfse 
'sein  mufs.' 


21.    'na  anuTy  a-tac-chruter,  Ui  cen?   na!   Uara- 

adhikärät' 

*nicht  minimal;  memt  ihr,  weil  Schriftzeugnisse ,   dafs 
dem  nicht  so?  —  Nein!    weil  in  ihnen  der  andere 

gemeint.' 

Nun  wohl!  könnte  man  sagen;  aber  dai'um  kann  doch  diese 
[individuelle]  Seele  „nicht  minimal"  sein;  warum?  „weil  Schriftzeug- 
„nisse,  dafs  dem  nicht  so",  d.  h.  weil  es  Schriftzeugnisse  giebt, 
die  einen  der  Minimalheit  entgegengesetzten  Umfang  der  Seele 
lehren;  so  wenn  es  heifst:  „wahrlich  dieses  gröfse,  ungeborene  Selbst, 
„das  ist  unter  den  Lebensorganen  joner  aus  Erkenntnis  bestehende" 
(Brih.  4,4,22);  —  „dem  Baume  gleich,  allgegenwärtig,  ewig";  — 
„Wahrheit,  Erkenntnis^  unendlich  ist  das  Brahman"  (Taitt.  2,  1);  — 
Anfserungeu  der  Schrift  wie  diese  stehen  denn  doch  mit  der  Mi- 
nimalh'eit  der  Seele  im  Widerspruch !  —  'Darauf  entgegnen  wir, 
'dafs  dem  nicht  so  ist;  warum?  „weil  in  ihnen  der  andere  ge- 
'„meint;"  nämlich  jene  einen  andern  Umfang  lehrenden  Schrift- 
'asougnisse  stehen  in  einem  Zusammenhange,  welcher  von  der  hoch- 


•I 


410  g&rlraka-mlmänsä 

^steh  Seele  handelt,  denn  es  ist  der  höchste  Atman,  welcher  als 
'Hauptgegenstand  der  Mitteilung  den  Yedantatexten  zum  Thema 
^dient;  und  d&fs  es  sich  dat>ei  nur  um  den  höchsten  Ätman  han- 
'delt,  das  wird  auch  durch  Ausdrücke  wie:  „hoch  über  Raum  und 
S,Sündenstaub''  (Bfih.  4,  4,  20)  an  der  Stelle  noch  besonders  her- 
vorgehoben.' —  Aber  ist  es  nicht  rielmehr  die  verkörperte  Seele, 
welche  mit  den  Worten:  „das  ist  unter  den  Lebenserganen -Jener 
„aus  Erkenntnis  bestehende  [selbstleuchtende  Geist]"  (Brih.  4,  4,  22) 
653  als  behaftet  mit  der  Gröfse  [und  Ungeborenheit]  dargestellt  |  wird? 
—  'Gewifs!  aber  diese  Darstellung  ist  anzusehen  als  geschehend 
'vermöge  einer  Schriftanschauung,  wie  bei  Y&madeva  (vgl.  Sütram 
4,1,  30).  Und  weil  somit  die  Schriftstellen  von^  einem  andern 
'[als  minimalen]  Umfange  sich  auf  den  allweisen  Ätman  [pr^Oä] 
'beziehen,  so  stehen  sie  .mit  der  Minimalheit  der  individuellen  Seele 
'nicht  im  Widerspruch.' 


2Z    ^sva'Qabda-umnändbhyän  ca^ 

*  wegen  der  ausdrücklichen  Aussagen  und  wegen   des 

Mafses.' 

'Auch  darum  mufs  der  Attnan  von  minimaler  Gröfse  sein,  weil 
'es  ein  Schriftwprt  giebt,  welches  geradezu  seine  Minimalheit 
'lehrt,  indem  es  heifst  (Mund.  3,  1,  9): 

'„Dies  Selbst  atomklein  soll  man  denkend  fassen, 
'„In  das  d^r  Odem  fünffach  eingegangen." 

'Aus  der  Verbindung  mit  dem  Odem  sieht  man,  dafs  es  die  indi- 
'viduelle  Seele  ist,  welche  hier  atomklein  genannt  wird.  •; —  Auch 
'„das  Mafs"  der  individuellen  Seele  weist  darauf  hin,  dafs  sie  von 
'minimaler  Gröfse  ist,  wenn  es  heifst  (Qvet.  5,9): 

'„Spalt'  hundertmal  des  Haares  Spitze 
'„Und  nimm  daron  ein  Hundertstel, 
'„Daß  wisse  als  <ier  Seele  Gröfse,"  — 

'und  (gvet.  5,  8): 

„Grofs  einer  Ahle  Spitze  scheint  der  and're," 

'worin  noch  ein  weiteres  Mafs  derselben  angegeben  wird,' 

Aber  -wird,  wenn  die  Minimalheit  gelten  soll,  nicht  unmöglich, 
dafs  die  nur  an  einer  Stelle  befindliche  Seele  durch  den  ganzen 
Leib  hindurch  empfindet?  Und  die  Erfahrung  lehrt  ja  doch, 
dafs  man  z.B.   nach  einem  Bade  in   den  Wassern   der  GaQg&  an 


Sütram  IL  m.  22.  .  411 

allen  Gliedern  die  Kälte  fühlt,  und  dafs  man  zur  Sommerzeit  an 
dem  ganzen  Leibe  die  Hitze  eitipfindet.  —  Darauf  giebt  er  [der 
Vertreter  der  Minimalheit]  zur  Antwort: 


23.    ^avirodhag,  candanavat^  654 

'kein  Widerspruch,  wie  bei  dem  Saildelholze'. 

'Nämlich  so  wie  ein  Stückchen  frischen  Sandelholzes,  aucli 
*wenn  es  nur  an  einer  Stelle  dem  Leibe  aufgelegt  ist,  eine  den 
'ganzen  Leib  durchdringende  Erfrischung  hervorbringt,  so  kann 
^auch  die  Seele,  indem  sie  sich  nur  an  einem  Orte  des  Leibes  be- 
*findet,  die  den  ganzen  Leib  durchdringende  Empfindung  hervor- 
*bringen.  Und  dieses  ihr  auf  den  ganzen  Leib  bezügliche  Em- 
*pfinden  wird  ermöglicht  durch  ihre  Verbindung  mit  derb  Gefühlssinne 
%tvac;  eigentlich:  Haut);  nämlich  die  Verbindung  der  Seele  mit  dem 
'Gefülilssinne  bezieht  sich  auf  den  ganzen  Gefühlssinn,  der  Gefühls- 
'sinn  aber  durchdringt  den  ganzen  Leib.' 

24.    ^avasthiti-vaigeshyädj  iti  cen^  na!   ahhifupagamadd; 

hridi  hV 

*  wegen  der  Bestimmtheit  der  Lage  [des  Sandelholzes 
passe  dieser  Vergleich  nicht],  meint  ihr?  —  Nein! 
weil  dies  [eine  solche  Bestimmtheit  der  Lage  auch 
betreffs  der  Seele]  angenommen  wird;  denn  sie  wohnt 

im  Herzen.' 

Man  könnte  behaupten,  der  in  den  Worten :  „kein  Widerspruch, 
„wie  bei  dem  Sandelholze"  (Sütram  2,3,  23)  enthaltene  Vergleich 
sei  unzutreffend,  weil  das  Verglichene  und  das  zu  Vergleichende 
verschieden  seien.  Stünde  nämlich  fest,  dafs  die  Seele  sich  an 
einer  bestimmten  Stolle  des  Leibes  befände,  so  möchte  der  Vergleich 
mit  dem  Sandelholze  zutreffen.  Nun  aber  ist  bei  dem  Sandelholzo 
die  Bestimmtheit  der  Lage,  nämlich  das  Befinden  an  einer  einzelnen 
Stelle  des  I^eibes,  sowie  anderseits  das  Erfrischen  des  ganzen 
Leibes  offenbar;  von  der  Seele  hingegen  ist  nur  das  eine  offenbar, 
dafs  sie  durch  den  ganzen  Leib  hin  empfindet,  nicht  aber,  dafs  sie 
an  einer  bestimmten  Stelle  desselben  sich  befinde.  Wollte  man 
darauf  verweisen,  dafs  dieiios  zu  erschliefsen  sei,  so  ist  zu  bemerken, 
dafs  eine  Schlufsfolgerung  hier  nicht  statthaft  ist;  denu  dor  Zweifel 


412  gOrtraka-nüsBAä&lL 

darüber,  ob  die  Seele  durch  den  ganien  Leib  durch  empfindet, 
weil  sie  wie  der  Gef&hlBsinn  den  ganzen  Leib  durchdringt,  oder 
655  etwa  weil  eie  wie  der  Baum  allgegenw&rtig  ist,  oder  |  weil  aie, 
obgleich  minimal  und  an  einer  Stelle  des  Leibes  befindlich,  wie 
das  Stückchen  Sandelholi  sich  yerhSit,  —  dieser  Zweifel  kann 
[auf  dem  Wege  der  Sohlufsfolgerung]  nicht  beseitigt  werden  [weil 
es  möglich  ist,  yon  derselben  Wirkung  auf  verschiedene  Ursachen 
zurückzuschliefsea].  —  Hierauf  dient  zur  Antwort,  Mafs  diese 
^[Ei^-^endung  gegen  den  Vergleich  mit  dem  Sandelhobse]  ni<^t  ge- 
^gründet  ist;  warum?  „weil  dies  angenommen  wird*^;  es  wird  näm- 
*lich  auch  von  der  Seele  ebenso  wie  von  dem  Sandelhobse  [in  der 
^Schrift]  angenommen,  dafs  sie  nur  an  einer  Stelle  des  Körpers 
^ weilt  und  somit  einen  bestimmten  Ort  einnimmt.  Wie  das?  Hier- 
'auf  dient  zur  Antwort:  „denn  sie  wohnt  im  Herzen'^;  denn  von 
'der  Seele,  um  die  es  sich  hier  handelt,  heifst  es  in  den  Yed&nta- 
'texten:  „denn  im  Herzen  wohnt  diese  Seele''  (Pra^na  3>  6);  — 
'„fürwahr  dieser  Ätman  weilt  im  Herzen"  (Ch&nd.  8»  3,  3);  — 
'„was  ist  das  für  ein  Selbst?  ^ —  es  ist  unter  den  Lebensorganen 
'„der  aus  Erkenntnis  bestehende,  in  dem  Herzen  innerlich  leuch- 
'„tende  Geist"  (Bfih.  4,  3,  7).  —  Somit  sind  in  der  That  das  Ter- 
'glichene  imd  das  zu  Vergleichende  hier  gleichartig,  und  daher  ist 
'die  Bemerkung  „kein  Widerspruch  wie  bei  dem  Sandelholze"  (Sü- 
'tram  2,  3,  23)  allerdings  zutreffend:' 


25.    ^gundd  vd,  lokavaV 
^oder  durch  eine  Qualität,  wie  in  der  Erfahrung.' 

'Oder  auch  deswegen,  weil  die,  wiewohl  minimale,  Seele  den 
'Leib  mittels  ihrer  „Qualität"  der  Geistigkeit  durchdringt,  ist  diese 
'sich  durch  den  ganzen  Leib  durchziehende  Wirksamkeit  der  Seele 
^ohne  Widerspruch  denkbar;  und  es  ist  damit  ähnlich  „wie  in  der 
'Erfahrung",  wenn  ein  Edelstein  oder  eine  Lampe  oder  dergleichen, 
'obwohl  sie  sich  nur  an  einer  Stelle  des  Zimmers  befinden,  mittels 
'ihres  das  Zimmer  erfüllenden  Lichtes  eine  Wirkung  auf  das  ganze 
'Zimmer  ausüben.  —  Man  könnte  nämlich  gegen  das  Vorherige 
'einwenden,  dafs  bei  dem  Sandelholze  sich  allenfalls,  weil  dasselbe 
'aus  Teilen  bestehe,  die  erfrischende  Einwirkung*  auf  den  ganzen 
'Leib  dai^aus  erklären  lasse,  dafs  kleine  Teilchen  desselben  sich 
656  'verbreiteten,  dafs  hingegen  die  minimale  Seele  |  keine  Teilchen 
'besitze,  vermöge  derer  sie  sich  durch  den  ganzen  Leib  verbreiten 
'könnte.  Auf  dieses  Bedenken  wird  erwidert  durch  die  Worte 
'unseres  Sütrams:  „oder  durch  eina  Qualität  wie  in  der  Erfahrung."' 
Aber  wie  ist  ch  möglich,  dafs  eine  Qualität  unabhängig  von 
ihrem  Träger  und  getrennt  von  demselben  fortbesteht?  Denn  die  Er- 


SAtram  IL  ni.  25.  413 

fahruug  zeigt  doch,  wie  ss.  B.  bei  einem  Gewände  seine  Qualität 
der  weifsen  Farbe  nicht  unabhängig  von  dem  Gewände  und  ge- 
trennt von  demselben  fortbeBteht.  Meint  ihr,  es  kannte  damit 
sein' wie  mit  dem  Lichte  der  Lampe,  so  bestreiten  wir  das;  denn 
auch  dieses  Licht  müssen  wir  als  etwas  Snbstansielles  betrachten; 
es  ist  n&mlich  die  Feuersabstanz,  welche,  wenn  ihre  Teilchen 
dicht  zusammen  sind,  die  Flamme,  und,  wenn  ihre  Teilchen  zer- 
streut sind,  das  Licht  bildet.  —  Hierauf  dient  als  Antwort: 


26.    ^vyatirdcOj  gandhavat^ 
'ein  Darüber -hinaus -Reichen,  wie  bei  dem  Gerüche*' 

'Ähnlich  wie  der  Geruch,  obwohl  er  nur  eine  Qualität  ist,  über 
'die   den  Geruch  hervorbringende  Substanz   hinaus  sieh  beihätigt, 
'indem    man    z.  B.,    auch    wenn    die    den    Dufb    hervorbringenden 
'Blumen  nicht  zugegen  sind,  dennoch  den  Blumenduft  wahnyimint, 
i —  ebenso  könnte  auch  bei  der  minimalen  Seele  ein  Hinausreichen 
'ihi>er  Qualität  der  'Oeistigkeit  über  dieselbe  stattfinden ;  somit  wäre 
'der  Satz  nicht  allgemein  gültig,   dafs  eine  Lostrennung   der  Qua- 
"lität,  s.  B.  der  Farbe  u.  s.  w.,  von  ihrem  Träger  unstatthaft  sei; 
'denn  bei  dem  Gerüche,  der  doch  auch  nur  eine  Qualität  ist,  zeigt 
'sich   diese  Lostrennung  derselben   von  ihrem  Träger.     Meint  ihr 
'etwa,  dafs  hierbei  eine  Lostrennung  des  Qemches  mitsamt  seinem 
'Träger  anzunehmen  sei,  so  bestreiten  wir  das,  weil  die  Ursprung-  . 
'liehe  Substanz,    von  welcher    die  Lostrennung    geschieht,  |  sonnt  31^7 
'durch  dieselbe  schwinden  müTste;  dafs   sie  aber   nicht  schwindet, 
'ersieht  man  daraus,  dafs  sie  in  dem  vorhergehenden  Zustande  ver- 
'harrt;  denn  wenn  sie  schwände,  so  müfste  sie  ihrer  früheren  Za> 
'stände,    des   Gewichtes  u.  s.  w.,  verlustig  gehen.'  —  Aber  lösen 
sich  nicht  vielleicht  dennoch  Teilchen  als  die  Träger  des  Geruches 
von  ihr  los,  nur  dafs  diese  Loslösung  wegen  ihrer  Geringfügigkeit 
sich  nicht  bemerkbar  macht,  indem  nur  ganz   feine  Geruchsatome 
nach  allen  Seiten  hin   ausströmen   und,    wenn  sie  in  die  Nasen- 
höhlen   gelangen,    die    Empfindung    des    Geruches    erzeugen?   — - 
'Diese  Annahme  ist  nicht  zulässig,  weil  die  Atome  nicht  sinnlich 
^wahrnehmbar  sind,    wähvend  num    den  Geruch    der  Nägake^ara- 
*Blüten  u.  s.  w.  doch  wirklich  wahminmit.     Auch  ist  ja  die  allge- 
^meine  Annahme  nicht,  dafs  man  die  den  Geruch  hervorbringende. 
'Substanz  rieche,  sondern  es  ist  vielmehr  nur  der  Geruch,  welchen 
'man  riecht,   wie  dies  alle  Welt  annimmt.     Meint  ihr  etwa,   des- 
'wegen,  weil  bei  der  Farbe  und  andern  Sinneseindrücken  ein  Hin- 
'ansreidien  der  Qualität  über  die  Substanz  nicht  stattfinde,  des- 
'wegen  sei  auch  beim  Gerüche  ein  solches  Hinausreichen  nicht  au- 
fzunehmen, so  bestreiten  wir  das,  weil  hier,  wo  die  Wahrnehmung 


414  QlLriraka-mlm&nslL 

'spricht,  eine  Schlulsfolgening  nicht  am  Platze  ist.  Denn  je  nach- 
^dem  die  Erfahrung  eine  Sache  an  die  Hand  gieht,  dem  entsprechend 
'und  nicht  anders  müssen  die  Betrachter  ihre  Folgerung  einrichten ; 
'und  weil  z.  B.  die  Qualität  des  Geschmackes  mit  der  Zunge  wahr- 
'genommen  wird,  deswegen  darf  man  doch  nicht  schliefsen,  Uafs 
'auch  die  andern  Qualitäten,  z.  B.  die  der  Sichtbarkeit,  notwen- 
'digerweise  durch  die  Zunge  wahrgenommen  werden  müTsten.' 

27.  ^tathd  ca  dargayaü^ 
'und  so  zeigt  es  [die  Schrift].' 

« 

'Und    indem    die  Schrift    lehrt,    dafs    die  Seele   in  minimaler 

'Gröfse  im  Herzen  wohne,  sagt  sie  zugleich  von  eben  dieser  Seele 

668  'aus,  I  dafs  sie  „bis  in  die  Haare"  (Ch&nd.  8,  8,  1),   „bis  in  die 

'„Nägelspitzen  hinein^'  (Brih.  1,  4,  7)  mit  ihrer  Qualität  der  Geistig- 

'keit  den  ganzen  Leib  durchdringe.' 

28.  ^prithag  upadefM ' . 

*  wegen  der  Bezeichnung  als  gesondert.' 

'Hierzu  kommt,  dafs  in  den  Worten:  „sie  besteigt  mittels  der 
'„Erkenntnis  den  Leib"  (Kaush.  3,  6),  die  Seele  und  die  £rkennt- 
'nis  als  Thäter  und  Organ  von  einander  als  gesondert  bezeichnet 
'werden,  woraus  abzunehmen  ist,  dafs  die  Seele  nur  mittels  ihrer 
'Qualität  der  Geistigkeit  den  Leib  durchdringt;  und  wenn  es  heifst: 
'„dann  nimmt  sie  die  Erkenntnis  jener  Lebensorgane  durch  die 
'„Erkenntnis  in  sich  auf"  (Brih.  2,  1,  17),  so  wird  hier  gesagt, 
'dafs  die  thätige  Seele  eine  von  dem  Leibe  gesonderte  Erkenntnis 
'besitze,  und  auch  dieses  kann  zur  Stütze  der  obigen  Behauptung 
'[dafs  die  Seele  mittels  ihrer  Qualität  der  Erkenntnis  den  Leib 
'durchdringe]  dienen.* 

'Somit  ist  die  Seele  von  minimaler  Gröfse.*  -^ 

Auf  diese  [Sütram  19 — 28  dargelegte]  Annahme  erwidern  wir: 

29.    tad-gum-säratvät  tu  tdd-vyapadeQah,  priijnavat 

vieiraehr  weil  sie  [die  Seele  im  Samsärastande]  als 
Kern  die  Qualitäten  jener  [Buddhi]  hat,  geschieht  die 
Bezeichnung  als  solche,  wie  bei  dem  allweisen  [Atmanj. 

Das  Wort  „vielmehr"  weist  die  Meinung  des  Gegners  ab.  Es 
ist  nicht  wahr^dafs  die  Seele  von  minimaler  Gröfse  ist;   denn  da 


Sfttram  II.  m.  29.  415 

vielmehr  die  Schrift  keine  Entstehung  der  Seele,  sondern  nur  ein 
Eingehen  des  höchsten  Brahman  [in  die  Elemente]  lehrt  und  da- 
durch die  Identität  der  Seele  mit  Brahman  darlegt,  so  mufs  die 
Seele  das  höchste  Brahman  selbst  sein.  Ist  aber  die  Seele  das 
höchste  Brahman  selbst,  so  folgt,  dafs  sie  ebenso  grofs  wie  das 
höchste  Brahman  sein  mufs;  nun  ist  das  höchste  Brahman  nach 
der  Schrifb  alldurchdringend ,  und  v  somit  mufs  auch  die  Seele  all- 
durchdringend sein.  Dem  entspricht  es,  dafs  in  Stellen  wie: 
„wahrlich  dieses  grofse  ungeborene  |  Selbst,  das  ist  unter  den  Le-  659 
„bensorganen  jener  aus  Erkenntnis  bestehende"  (Brih.  4,  4,  22), 
von  der  Seele  die  Alldurchdring^ng  in  Schrift  und  Smriti  aus- 
gesagt wird. 

Auch  würde,  wenn  die  Seele  minimal  wäre,  eine  durch  den 
ganzen  Leib  hindurch  sich  erstreckende  Empfindung  unmöglich 
sein.  Zwar  wurde  gesagt,  dafs  dieselbe  durch  den  Gefühlssinn  be- 
wirkt werde;  aber  dies  müssen  wir  bestreiten;  denn  dann  müfste 
auch,  wenn  man  die  Haut  (den  Gefuhlssinn,  ivac)  durch  einen 
Dom  verletzt,  ein  den  ganzen  Leib  durchziehender  Schmerz  ein- 
treten ,  indem  die  Verbindung  des  Gefühlssinnes  mit  dem  Dome 
sich  auf  den  ganzen  Gefählssinn  erstreckt,  der  Gefühlssinn  aber 
den  ganzen  Körper  durchzieht;  man  empfindet  aber  vielmehr,  wenn 
man  in  einen  Dom  getreten  hat ,  den  Schmerz  nur  an  der  Fufs- 
sohle. 

Femer  würde  bei  Minimalheit  der  Seele  eine  Erstreckung  ihrer 
Qualitäten  [durch  den  Leib]  nicht  möglich  sein,  weil  eine  Qualität 
an  ihren  Träger  räumlich  gebunden  ist;  denn  wäre  sie  nicht  von 
diesem  abhängig,  so  würde  sie  eben  aufhören  eine  Qualität  zu 
sein.  Und  was  zunächst  das  Licht  der  Lampo  betrifft,  so  wurde 
bereits  auseinandergesetzt,  dafs  dasselbe  eine  besondere  Substanz 
sei.  Aber  auch  der  Geruch  kann,  wenn  man  ihn  für  eine  Qua- 
lität hält,  nur  zusammen  mit  seinem  Träger  sich  verbreiten;  denn 
sonst  würde  er  eben  keine  Qualität  sein.  Und  dem  entsprechend 
I  sagt  auch  der  erhabene  Dvaipayana  (Mahlibh.  12,  8518):  C60 

„Es  schreiben  den  Geruch  ünknnd'ge  nur 
„Dem  Wasser  zu,  wo  sie  ihn  wahrgenommen; 
„Stets  zu  der  Erde  hin  führt  seine  Spur, 
„Von  wo  in  Luft  und  Wasser  er  gekommen.  ^^ 

Wenn  ferner  die  Geistigkeit  der  Seele  den  ganzen  Leib  durch- 
zieht, so  kann  die  Seele  nicht  minimal  sein;  denn  die  Geistigkeit 
macht  das  eigentliche  Wesen  derselben  aus,  wie  Hitze  und  Licht 
das  des  Feuers,  und  es  besteht  zwischen  beiden  nicht  das  Ver- 
hältnis einer  Qualität  und  ihres  Trägers.  —  Da  nun  die  Annahme, 
als  sei  die  Seele  so  grofs  wie  der  Leib,  bereits  widerlegt  wurde, 
so  bleibt  nur  übrig,  die  Seele  für  unendlich  grofs  zu  halten. 


416  Qtliiraka-iiümli!is& 

'Aber  wie  kann  die  Seele  dann  als  minimal  bezeichnet  wer- 
*den?'  —  Darauf  dient  zur  Antwort:  ,.Tiebnebr  weil  sie  als  Kern 
„die  Qualitäten  jener  hat,  geschieht  die  Bezeichnung  als  solche  *'; 
die  Qualitäten  jener,  d.  h»  die*  Qualitäten  der  Buddhi,  wie  solche 
z.  B.  Neigung  und  Abneigung,  Lust  und  Schmerz  sind;  diese 
Qualitäten  bilden  im  Baiftsärastatide  den  Kern,  d.  h.  den  Haupt- 
bestand der  Seele,  und  darum  heilst  es,  dafs  die  Seele  als  Kern 
die  Qualitäten  der  Buddhi  habe.  Denn  ohne  die  Qualitäten  der 
Buddhi  und  für  die  von  ihnen  freie  Seele  ist  das  Wanderer-sein  nichi 
möglich;  denn  dieses  Wanderer^sein  hat  als  Merkmale  das  Thäter- 
sein  und  Geniefser-sein  der  Seele,  welche  beide  dadurch  bedingt 
werden,  dafs  die  Eigenschaften  der  Up&dhi's  der  Buddhi  auf  die 
Seele  übertragen  werden;  ohne  diese  aber,  ohne  das  Thäter-sein 
661  und  Geniefser-sein,  würde  die  Seele  gar  nicht  wandern,  |  sondern 
ewig  erlöst  sein.  Weil  also  die  [wandernde]  Seele  als  Kern  die 
Qualitäten'  der  Buddhi  hat,  darum  wird  ihr  Umfang  durch  den 
Umfang  der  Buddhi  bezeichnet.  Und  sofern  weiter  für  die  Buddhi 
ein  Ausziehen  aus  dem  Leibe  ü.  s.  w.  stattfindet,  kann  auch  von 
einem  Ausziehen  der  Seele  die  Bede  sein ,  nicht  aber  Ton  einem 
solchen  der  Seele  an  sieh  (svaias).  Auch  sagt  ja  die  Schrift 
(gvet.  6,  9) : 

„Spalt'  hundertmal  des  Haares  Spitze 
„Und  nimm  davon  ein  Hundertstel, 
„Das  wisse  als  der  Seele  Gröfse, 
„Und  sie  wird  zur  Unendlichkeit*^ 

Nachdem  hier  die  Minimalheit  der  Seele  ausgesprochen  worden, 
heifst  es  sofort  von  ebsn  derselben,  dafs  sie  unendlich  sei;  und 
das  stimmt  nur  dann  miteinander  zusammen,  wenn  man  annimmt, 
dafs  der  Seele  die  Minimalheit  nur  im  uneigentlichen  Sinne,  hin- 
gegen im  Sinne  der  absoluten  Realität  die  Unendlichkeit  beigelegt 
werde.  Denn  beides  im  eigentlichen  Sinne  au  nehmen  geht  nicht 
an;  auch  darf  man  nicht  etwa  annehmen,  dafs  die  Unendlichkeit 
der  Seele  nur  in  uneigentlichem  Sinne  zukomme;  denn  alle  Upa- 
nishad^s  sind  bestrebt  zu  lehren,  dafs  die  Seele  ihrem  Wesen  nach 
Brahman  ist.  Dasselbe  gilt  Yon  der  andern  Gröfsenbestimmung 
der  Seele  in  den  Worten  (Qvet.  6,  8) : 

„Durch  Eigenschaft  der  Buddhi  und  des  Leibes 
„Grofs  einer  Ahle  Spitze  scheint  der  andre/' 

Hier  wird  yon  der  Seele  gesagt,  dafs  sie  nur  zufolge  ihrer 
Verbindung  mit  den  Qualitäten  der  Buddhi,  nicht  aber  ihrem 
eigenen  Wesen  nach  so  grofs  sei  wie  die  Spitze  einer  Ahle.  Und 
auch  in  der  Stelle:  ,, atomklein  ist  das  Selbst  im  Geist  zu  wissen*^ 
(Mund.  3,  1,  9}  wird  nicht  etwa  gelehrt,  dafs  die  Seele  von  atom- 


8ütrain  II  m.  29.  417 

artigem  Umfange  sei;  es  ist  vielmelir  hier  yon  dem  höchsten  Ätman 
die  Bede,  von  dem  vorher  gesagt  worden  war,  dafs  er  nicht  durch 
das  Auge  und  die  übrigen  Sinne  erforschbar,  |  sondern  nur  durch  662 
die  Gnade  des  Wissens  zu  erreichen  sei  (Mund.  3,  1,  8);  und  auch 
der  individuellen  Seele  konnte  unmöglich  im  eigentlichen  Sinne 
ein  minimaler  Umfang  zugeschrieben  werden;  somit  mufs  jene 
Schriftaussage  über  die  ^atomartige  Kleinheit  entweder  nur  die 
Schwererkennbarkeit  des  Atman  besagen ,  oder  es  ist  von  den  Upä- 
dhi's  zu  verstehen.  —  Ähnlich  steht  es  mit  dem  Worte:  „sie  be- 
„steigt  mittels  der  Erkenntnis  den  Leib"  (Eaush.  3,  6);  wenn  hier 
eine  Verschiedenheit  [der  Seele  und  der  Erkenntnis]  erwähnt  wird, 
so  bedeutet  dieses  entweder  nur,  dafs  die  Seele  mittels  der  Buddhi, 
welche  ihr  Upftdhi  ist,  den  Leib  besteige,  oder  sie  ist  nur  ein 
bildlicher  Ausdruck,  ähnlich  wie  wenn  man  von  dem  Leibe  einer 
steinernen  Figur  spridit.  Denn  eine  Trennung  der  Qualität  von 
ihrem  Träger  [der  Erkenntnis  von  der  Seele]  ist,  wie  wir  zeigteB, 
nicht  anzunehmen.  • —  Auch  das  Wort,  dafs  die  Seele  ihren  Stand« 
ort  im  Herzen  habe,  bezieht  sich  nur  auf  die  Buddhi,  denn  diese  . 
hat  dort  ihren  Standort.  —  Ebenso  lehrt  ferner  die  Schrift,  dafs 
der  Auszug  u.  s.  w.  sich  nur  auf  die  Upädhi's  beziehe,  denn  es 
heifst:  „was  ist  dasjenige,  bei  dessen  Auszug  ich  ausziehe,  und 
„bei  dessen  Bleiben  ich  bleibe?  so  sprach  er  und  schuf  den  Präna" 
(Pragna  6,  3).  Findet  aber  kein  Auszag  statt,  so  ist  auch  ein 
Hingehen  und  Wiederkommen  unmöglich;  denn  ohne  dals  die 
Seele  den  Ijcib  vcrliefse,  könnte  sie  nicht  irgendwohin  gehen  oder 
von  dort  zurückkommen.  —  Somit  wird  die  Seele  als  minimalgrofs 
nur  insofern  bezeichnet, '  als  sie  als  Kern  die  Qualitäten  der  Upadhi's 
hat,  „wie  bei  dem  allweisen";  d.  h.  es  ist  damit  ähnlich,  wie  wenn 
der  allweise,  nämlich  der  höchste  Atman,  in  den  attributhaften 
Verehrungen,  wo  er  als  Kern  die  Qualitäten  seiner  Upädlü*s  hat, 
als  sehr  klein  ti.  dgl.  bezeichnet  wird,  wenn  es  z.  B.  heilst:  „klei- 
„ner  als  ein  Reis-  oder  Gerstenkorn;  —  Verstand  ist  sein  Stoff, 
„Odem  sein  Leib;  —  allriechend  ist  er,  allschmeckend"  (Chänd. 
3,  14,  3.  2);  <--  „sein  Wünschen  ist  wahrhaft,  wahrhaft  sein  Rat- 
„schlüfs "  (Chänd.  8,  7,  1). 

I  'Nun  wohl!  aber  wenn  das  Wanderer-sein  der  Seele  nur  da-  663 
/durch  zu  Stande  kommen  soll,  dafs  sie  als  Kern  die  Qualitäten 
*der  Buddhi  hat,  so  sind  doch  die  Buddhi  und  die  Seele  vcr- 
'schieden,  und  somit  ist  ein  Aufhören  ihrer  Verbindung  endlich 
^einmal  unvermeidlich;  findet  aber  in  Folge  davon  eine  Abtrennung 
'von  der  Buddhi  statt,  so  folgt,  dafs  die  von  ihr  abgefrounte  Seele, 
'da  sie  nicht  mehr  in  die  Erscheinung  tritt,  entweder  zunichte 
'werden  mufs  oder  doch  nicht  mehr  wandernd  sein  kann.^  —  Auf 
dieses  Bedenken  dient  als  Antwort: 

DwuBtUT,  VedAnto.  21 


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§ 


418  QtirlrakA-mlmlubi 

30.    yjävad-dtma-bhävitväc  ca  na  doshaSj  tad-darganät 

auch  ist  kein  Fehler^  weil  sie  so  lange  besteht  wie 
die  Seele,  indem  dies  ersichtlich. 

Es  ist  nicht  zu  befürchten,  dafs  der  soeben  dargelegte  Ein- 
wand begründet  sei;  warum?  „weil  sie  so  lange  besteht  wie  die 
„Seele";  —  sie»  d.  h.  die  Verbindung  der  Seele  mit  der  Buddhi; 
so  lange  nämlich  die  Seele  wandernd  bleibt,  so  lange  ihr  Wanderer- 
sein nicht  durch  die  ToUkommene  Erkenntnis  zunichte  wird,  so 
lange  hört  auch  ihre  Verbindung  mit  der  Buddhi  nicht  auf.  Aber 
auch  nur  so  lange  als  diese  Verbindung  mit  dem  üp&dhi  der  Buddhi 
dauert,  nur  so  lange  besteht  für  die  individuelle  Seele  ihre  Indivi- 
dualität und  ihr  Wanderer-sein;  im  Sinne  der*  höchsten  Bealität 
aber  und  über  die  durch  den  Up&dhT  der  Buddhi  bewerkstelligte 
Beschaffenheit  hinaus  hat  das,  was  man  individuelle  Seele  nennt, 
keinen  Bestand.  Denn  wenn  man  den  Sinn  der  Vedäntaworte  er- 
wägt, so  zeigt  es  sich,  dafs  es  aufser  dem  seiner  Natur  nach  ewig 
freien  und  allwissenden  Gotte  kein  zweites  von  ihm  verschiedenes 
Geistelement  giebt:  „nicht  giebt  es  aufser  ihm  einen  Sehenden, 
„Hörenden,  Denkenden,  Erkennenden"  (Brih.  3,  7,  2S  frei);  — 
„nicht  giebt  es  aufser  ihm  ein  Sehendes,  Hörendes,  Denkendes, 
„Erkennendes"  (Brih.  3,  8, 11  frei);  --  „das  bist  du"  (Ch&nd.  6,  8,  7); 
664  —  „ich  bin  Brahman"  (Brih.  1,  4,  IQ);  —  |  wie  es  an  hundert 
Stellen  in  der  Schrift  heifst.  —  Aber  woran  erkennt  man,  da& 
die  Verbindung  mit  der  Buddhi  so  lange  dauert,  wie  die  Seele  be- 
stellt? Unser  Sütram  antwortet  darauf:  „indem  dies  ersichtlich^'; 
dies  nämlich  ist  ersichtlich  aus  der  Schrift,  wenn  sie  sagt:  „es 
„ist  unter  den  Lebensorganen  der  aus  Erkenntnis  bestehende,  in 
„dem  Hei*zen  innerlich  Icachtende  Geist.  Dieser  durchwandert, 
,jderselbe  bleibend,  beide  \¥elten;  es  ist  als  ob  er  sänne,  es  ist 
„als  ob  er  schwankend  sich  bewegte"  (Brih.  4,  3,  7);  der  „aus  Er- 
„kenntnis  bestehende"  bedeutet  so  viel  wie  „der  aus  Buddha  be- 
,,stehende";  und  eine  andere  Stelle  sagt:  „erkenntnisartig,  manas- 
„artig,  odemartig,  augeartig,  ohrartig"  (Brih.  4,  4,  5),  wo  also  die 
Erkenntnis  neben  dem  Manas  und  den  übrigen  aufgezählt  wird. 
Dafs  aber  die  Seele  buddhi-artig  sei,  soll  nur  bedeuten,  dafs  sie 
a)s  Kern  die  Qualitäten  der  Buddhi' hat,  ähnlich  wie,  wenn  man 
im  gemeinen  Leben  sagt:  „Devadatta  ist  weiberartig",  damit  ge- 
meint ist,  dafs  er  als  wesentliche  Merkmale  eine  weiberartige  Stimme 
u.  dgl.  habe.  Wenn  es  weiter  oben  hiefs:  „dieser  durchwandert, 
„derselbe  bleibend,  beide  Welten"  (Brih.  4,  3,  7),  so  lehrt 
hier  die  Schrift,  dafs  auch  bei  dem  Hinüberziehen  in  die  andere 
Welt  eine  Trennung  von   der  Buddhi   u.  s.  w.    nicht    stattfindet; 


Sütram  II.  zxr.  80.  419 

denn  er  bleibt  derselbe  eben  rermöge  der  Buddbi,  wie  man  scblfe- 
fsen  mufa,  and  wie  sich  aach  daraus  ergiebt,  dals  diese  8oeb«n 
[anter  dem  Worte  Erkenntnis]  erwähnt  wurde.  Und  eben  darauf 
weisen  auch  die  Worte  hin:  „es  ist  als  ob  er  s&nne,  es  ist  als  ob 
„er  schwankend  sich  bewegte*'  (Bph.  4,  3«  7);  dies  bedeutet,  dafs 
die  Seele  nicht  an  sich  sinnt,  nodi  audi  sich  bewegt,  sondern  es  ,. 
ist  als  ob  sie  s&nne,  während  die  Buddhi  sinnt,  und  eu  ist  ab 
ob  sie  sich  bewegte,  während  die  Buddhi  sieh  bewegt.  Hierzu 
kommt,  dpfs  die  Verbindung  der  Seele  mit  dem  Upädhi  der  Buddhi 
eine  Folge  der  irrigen  Erkenntnis  ist;  die  irrige  Erkeimtuis  aber 
ist  auf  keinem  andern  Wege  als  durch  die  vollkommene  Erkennt* 
nis  zu  heben,  woraus  folgt,  dafs  die  Verbindung  mit  dem  Up&dhi 
der  Buddhi  nicht  aufhören  kann,  solange  die  Seele  sich  nicht  als 
das  Selbst  des  Brahman  erkannt  hat.  |  Denn  die  Schrift  sagt  66f 
(Qvet.  3,8): 

„Ben  grofsen  Geist  jenseits  der  Dunkelheit 
„Wie  Soimen  leuchtend  habe  ich  gesehen; 
„Wer  diesen  schaut,  dem  wird  Unsterblichkeit, 
„Nicht  giebt  es  einen  andern  Weg  zum  Gehen«'* 

'Aber  man  kann  doch  nicht  annehmen,  dafs  die  Verbindung 
*der  Seele  mit  der  Buddhi  auch  im  Tiefschlafe  und  im  Tode  fort- 
bestehe; denn  wenn  die  Schrift  sogt:  „[wenn  der  Mensch  schläft] 
S,dann  ist  er,  o  Teurer,  eingegangen  iu  das  Seiende;  er  ist  in  sich  - 
'„selbst  eingegangen  [avam  apitOf  darum  heifst  es,  svapiH^  er  schläft]" 
'(Ch&nd.  6,  8,  1),  so  liegt  darin,  dafs  [bei  Tiefschlaf  und  Tod] 
'alles  durch  Umwandlung  Entstandene  zunichte  wird,  wie  kann 
'also  gesagt  werden,  dafs  die  Verbindung  mit  der  Buddhi  so  lange 
*wie  die  Seele  bestshe?'  —  Hierauf  dient  zur  Antwort: 


31.   pimstva-ädi-vat  tasya  sota  ^hhivycMi-yogAi 

weil  föglich  anzanehmen,  dafs  sie  als  ein  [schon  vor- 
her] Vorhande/ies  zur   Erscheinung  kommt,    wie  die 

Mannbarkeit  n.  dgL 

So  wie  im  Leben  die  Mannbarkeit  u.  dgl.,  obwohl  sie  keimartig 
schon  vorhanden  ist,  an  der  Kindheit  nicht  wahrgenommen  und 
daher  als  nicht  vorhanden  angesehen  wird  und  erst  im  männlichen 
Alter  zur  Erscheinung  kommt,  jedoch  nicht  da  hervortreten  kann, 
wo  sie  niclit  schon  vorhanden  war,  weil  sie  sonst  auch  bei  Eunu- 
chen hervortreten  müfste,  —  ebenso  ist  auch  diese  Verbindung 
mit  der  Buddhi  zwar  auch  im  Tiefschlafe  und  Tode  vorhanden, 

27* 


420  Q&rtraka-intm&&s& 

jedoch  nur  der  Högliolikeit  nach,  w&hrend  sie  beim  Erwachen  nnd 
beim  Oeborenwerden  in  Wirklichkeit  hervortritt;  denn  so  ist  dieses 
„fdglich  anzunehmen^S  ^  kein  Ding  ohne  Ursache  entstehen  kann, 
weil  daraus  zu  viel  folgen  würde.  Und  auch  die  Schrift  lehrt, 
dafs  das  Erwachen  aus  dem  Tiefschlafe  dadurch  bewerkstelligt 
wird,  dafs  der  aus  Nichtwissen  bestehende  Keim  (die  Möglichkeit) 
dazu  schon  seiend  vorhanden  war,  wenn  sie  sagt:  „wenn  sie  in 
„das  Seiende  eingehen,  so  haben  sie  kein  Bewufstsein  davon,  dafs 
666  n^o  eingehen  in  das  Seiende.  |  Selbige,  ob  sie  hier  Tiger  sind  oder 
„Löwe",  u.  8.  w.  (ChÄnd.  6,  9,  2—3).  —  Somit  ist  bewiesen,  dafs 
die  Verbindung  mit  den  Upftdhi^s  der  Buddhi  u.  s.  w.  so  lange 
andauert,  wie  die  Seele  besteht. 


32.    niiya'Up(däbdhi-anup(üabdhi''pra8ang0y  'nya/tara-^ 

niyamo  vd  anytUM 

es  würde  ein  unauf  hörliclies  Wahrnehmen  oder  Nicht- 

wahmehmen  folgen ,  oder  sonst  müTste  eine  Hemmung 

des  einen  oder  andern  [vorhanden  sein]. 

Dieses  Innenorgan  nun,  welches .  der  Seele  als  Up&dhi  dient, 
wird  hin  und  wider  in  verschiedener  Weise  bald  als  Manas  be- 
zeichnet bald  als  Buddhi  oder  auch  als  Erkenntnis  oder  Bewufst- 
sein. Manche  unterscheiden  auch  nach  den  Verrichtungen  und 
schreiben  die  Verrichtung  des  Zweifeins  u.  s.  w.  dem  Manas,  hin- 
gegen die  Verrichtung  des  Entscheidens  u.  s.  w.  der  Buddhi  zu. 
Dieses  so  beschaffene  Innenorgan  also  mufs  notwendigerweise  als 
vorhanden  angenommen  werden.  Denn  im  andern  Falle,  wenn 
man  es  nicht  annehmen  wollte,  würde  „ein  unaufhörliches  Wahr- 
„nehmen  oder  Niohtwahraehmen  ^^  die  Folge  sein.  Denn  da  die 
sonstigen  Bedingungen  der  Wahrnehmung,  die  Seele,  die  Sinnes- 
organe und  die  Sinnendinge,  stets  zur  Hand  sind,  so  würde  eine 
667  unaufhörliche  |  Wahrnehmung  die  Folge  sein;  oder  soll,  auch 
wenn  die  Ursache  zur  Hand  ist,  die  Wirkung  ausbleiben  können, 
so  würde  die  Folge  sein,  dafs  nie  imd  nimmer  eine  Wahrnehmung 
stattfände.  Beides  aber  ist  gegen  die  Erfährung.  Oder  soll  man 
vielleicht  annehmen,  daAi  bei  „dem  einen  oder  andern ^%  d.  h.  bei 
der  Seele  oder  den  Sinnesorganen,  eine  „Hemmung"  ihrer  Kraft 
bestehe?  Eine  solche  Krafthemmung  ist  bei  der  Seele  nicht  mög- 
lich, weil  bie  unwandelbar  ist;  ebenso  wenig  aber  ist  sie  bei  den 
Sinnesorganen  möglich;  denn  es  geht  nicht  an,  dafs  diese,  während 
sie  vorher  und  nachher  in  ungehemmter  Kraft  wirken,  dann  auf 
einmal    ohne  Veranlassung  eine    Hemmung    ihrer    Kraft    erfahren. 


Satram  IL  in.  32.  421 

Man  mufs  also  [ein  Yeiittögen]  annehmen,  durch,  dessen  Aufmerk- 
samkeit und  Nichtaufmerksamkeit  die  Wahrnehmung  und  Nicht- 
wahrnehmung  bedingt  wird;  und  dieses  ist  das  Manas.  Und  dem 
gemäfs  sagt  auch  die  Schrift:  „ich'  war  anderswo  mit  meinem  Yer- 
„Stande  (Manas),  darum  sah  ich  nicht,  ich  war  anderswo  mit  mei- 
„nem  Verstände,  darum  hörte  ich  nicht;  denn  nur  mit  dem  Ver- 
„stande  sieht  man  und  mit  dem  Verstände  hört  man"  (Brih.  1,  5,  3). 
Auch  erwähnt  die  Schrift  als  Funktionen  desselben  das  Verlan- 
gen u.  s.  w,,  wenn  sie  sagt:  „Verlangen,  |  Entscheidung,  Zweifel,  668 
„Glaube,  Unglaube,  Festigkeit,  Unfestigkeit,  Erkenntnis  und  Furcht, 
;,alloB  dieses  ist  nur  Manas"  (Brih.  1,  5,  3).  —  Somit  ist  es  richtig, 
dafs  ihre  [der  Seele]  Bezeichnimg  ak  solche  [als  minimal]  geschieht, 
weil  sie  [im  Samsarastande]  als  Kern  die  Qualitäten  der  Buddhi  hat. 


Vierzehntes  Adhikaranam. 

0 

33.    Jcartä,  gAstra- arthavattväi 
Thäter,  weil  der  Schriftkanon  zweckhaft. 

Bei  Gelegenheit  der  Auseinandersetzung,  daTs  die  individuelle 
Seele  als  Kern  die  Qualitäten  der  Buddhi  hat,  wird  noch  dine  an- 
dere Eigenheit  derselben  zur  Sprache  gebracht.  Nämlich  diese 
individuelle  Seele  mufs  ein  „Thäter"  sein;  warum?  weil  der  Schrift- 
„kanon  zweckhaft";  denn  nur  dann,  [wenn  die  Seele  ein  wirken- 
des Princip  ist,]  sind  die  Vorschriften  des  Pflichtkanons,  dafs  man 
opfern,  spenden  und  schenken  solle,  zweckhafb;  und  im  andern 
Falle  würde  der  Fflichtkanon  zwecklos  sein.  Derselbe  setzt  näm- 
lich voraus,  dafs  die  Seele  handelnd  ist,  und  schreibt  derselben 
demgemäfs  bestimmte  Handlungen  vor.  Wäre  die  Seele  nun  nicht 
Thäter,  |  so  würde  dies  nicht  geschehen  können.  Durch  dieselbe  669 
Voraussetzung  ist  auch  die  Zweckhaftigkeit  der  folgenden  kanoni- 
schen Stelle  bedingt:  „denn  er  ist  der  Sehende,  .  .  .  Hörende,  .  .  . 
„Verstehende,  Denkende,  Handelnde,  das  Erkenntnis -Selbst,  der 
„Geist"  (Pra^na  4,  9). 

34.    vihära  -  upadegät 
wegen  Bezeichnung  des  Wandeins. 

Auch  daraus  folgt  das  Thätersein  der  individuellen  Seele,  weil 
ihr  die  Schrift  in  dem  Verbindungsstaude  [d.  h.  im  Schlafe]  ein 
Wandeln  beilegt,  denn  es  heifst  (Brih.  4,  3,  12): 


4^2  C'äilraka-mtmlkfiBft 

„unsterblich  schweift  sie  iro  es  ihr  beliebet"; 

und  „sie  zieht  in  ihrem  Leibe  nach  Belieben  umher  *^  (Brih.    2, 
1,  18). 

35.    upädänäi 

wegen  des  Nehmens. 

Auch  daraus  folgt  das  Thätersein  der  individuellen  Seele,  weil 
die  Schrift  von  ihr  ein  „Nehmen*'  der  Organe  erwähnt,  wenn  sie 
sagt:  „dann  hat  sie  durch  die  Erkenntnis  die  Erkenntnis  jener 
„Lebensorgane  an  sich  genommen"  (Brih.  2,  1,  ,17)  und:  „also 
i,nimmt  er  jene  Lebensgeister  mit  sich"  (Brih.  2,  1,  18). 

«70    36.    vyapadefdc  ca  kriy&ydm;  na  cen,  nirdega-vipar- 

yaydh 

auch  wegen  der  Hinweisung  darauf  bei  dem  Werke; 
wenn  nicht,  [so  müfste]  ein  anderer  Ausdruck  [ge- 
braucht sein]. 

Auch  daraus  folgt  das  Thätersein  der  individuellen  Seele,  weil' 
der  Schriftkanon  bei  den  weltlichen  und  vedi  sehen  Werken  auf 
ihr  Thätersein  liinweist,  wenn  es  heifst  (Taitt.  2,  5): 

„Erkenntnis  wirkt  das  Opfer,  wirkt  die  Werke  auch." 

Zwar  könnte 'mau  meinen,  dafs  das  Wort  „Erkenntnis**  die  Buddhi 
bedeute  [und  nicht  die  Seele],  und  dafs  somit  hier  von  einem 
Thätersein  der  Seele  nicht  die  Rede  sei.  Aber  dem  ist  nicht  so; 
vielmehr  bezieht  sich  diese  Bezeichnung  auf  die  Seele  und  nicht 
auf  die  Buddhi;  bezöge  sie  sich  nicht  auf  die  Seele,  so  müfste 
„ein  anderer  Ausdruck"  gebraucht  sein,  und  es  müfste  heifsen: 
„sie  wirkt  durch  die  Erkenntnis".  Denn  so  findet  es  sich  an  an- 
dern Stellen,  wo  die  Buddln  gemeint  ist,  und  dem  entsprechend 
das  Wort  „Erkenntnis"  im  instrumentalen  Kasus  steht,  a.  B.  wenn 
es  heifst :  „dann  hat  er  .durch  seine  Erkenntnis  die  Erkenntnis  jener 
„Lebensorgane  in  sich  aufgenommen"  (Brih.  2,  1,  17).  Hier  hin- 
gegen wird  in  den  Worten:  „Erkenntnis  wirkt  das  Opfer",  die 
Erkenntnis  als  das  thätige  Subjekt  [dem  Verbum  des  Satzes]  ko- 
ordiniert, woraus  ersichtlich,  dais  es  nur  die  von  der  Buddhi  [als 
einem  blofseü  Instrumente]  verschiedene  Seele  sein  kann,  auf 
deren  Thätersem  hier  hingedeutet  wird;,  daher  jener  Einwurf  nicht 
amtrifft. 


S6sram  II.  in.  36.  423 

^Aber^  so  könnte  num  sagen,  ^wenn  die  von  der  Budd}d  ver-r 
^acbiedene  individuelle  Seele  der  Th&ier  der  Werke  ist,  so  ist  sie 
^doch  frei  und  würde  somit  notwendigerweise  nur  dasjenige,  was 
4hr  angenehm  und  gut  ist,  Jiervorbringen,  nicht  aber  das  Gegen« 
'teil;  nun  aber  bringt  sie,  wie  man  sieht,  auch  das  Gegenteil 
'hervor,  und  bei  der  Seele,  wenn  sie  frei  wäre,  würde  ein  solches 
'Verfahren,  ohne  dafs  sie  dazu  genötigt  w&re,  nicht  denkbar  sein/ 
—  Hierauf  giebt  der  Lehrer  zur  Antwort: 


37.    updlabdhivad  amyamdh 
wie  bei  der  Wahmehmung  keine  Nötigung. 

So  wie  eben  dieselbe  Seele  [theoretisch]  in  Betreff  der  Wahr- 
nehmung, obwohl  sie  dabei  frei  und  ohne  Nötigung  ist,  doch 
sowohl  das  Angenehme  wie  das  Unangenehme  wahrnimmt,  ebenso 
mag  sie  auch,  ohne  dazu  genötigt  zu  sein,  das  Angenehme  so- 
wohl wie  das  Unangenehifte  [praktisch]  verwirklichen.  —  'Aber 
'ist  sie  nicht  vielmehr  auch  bei  dem  Wahrnehmen  |  unfrei,  sofern  671 
'sie  nur  wahrnehmen  kann  in  so  weit,  wie  sie  die  Ursachen  der 
'Wahrnehmung  in  sich  aufnimmt?'  —  Doch  nicht!  Denn  was  die 
Ursachen  der  Wahi*iiehmung  betrifft,  so  haben  dieselben  nur  den 
Zweck,  die  Objekte  des  Wahmehmens  herbeizuschaffen;  dafs  die 
Seele  dieselben  wahrnimmt,  darin  ist  sie  von  nichts  anderm  ab- 
hängig, weil  sie  nur  an  die  [ihr  von  Natur  eigene]  Geistigkeit 
[nicht  an  irgend  welche  Objekte]  gebunden  ist.  —  Übrigens  be- 
haupten wir  auch  gar  nicht,  dafs  die  Seele  bei  dem  Verwirklichen 
der  Zwecke  absolut  frei  verfahre;  denn  sie  ist  dabei  voii  den  spe- 
ciellen  Verhältnissen  des  Ortes,  der  Zeit  und  der  Ursachen  ab- 
hangig. Damit  aber,  dafs  einer  bei  seinem  Thun  auf  gewisse 
Hülfsmittel  angewiesen  ist,  wird  sein  [selbständiges]  Thätersein 
nicht  aufgehoben.  Der  Koch  bleibt  Koch,  wenn  er  auch  auf  Brenn- 
holz, Wasser  u.  s.  w.  angewiesen  ist.  Und  wegen  dieser  Mannig- 
faltigkeit der  mitwirkenden  Ursachen  ist  es  kein  Widerspruch, 
wenn  die  Seele  sich  so  bethätigt,  dafs  sie  sowohl  die  angeneh- 
men als  auch  die  unangenehmen  Zwecke,  ohne  doch  dazu  ge- 
nötigt zu  sein,  verwirklicht. 

38.    gakti  -  viparyaydt 
weil  [sonst]  eine  Vertauschnng  der  Funktionen. 

Dafs    die  von   der  Erkenntnis   verschiedene  individuelle  Seele 
der  TLäter  der  Werke  ist,  ei*giebt  sich  auch  aus  folgendem  Grunde 


fr 


i 


424  C^fft^-iK^^B^ 

Wäre  n&mlich  die  unier  dem  Wort  „ Erkenntnis^'  zu  verstehende 
Buddbi  das  Handelnde  in  uns,  so  würde  eine  Vertauschung  der 
Funktionen  eintreten;  die  Buddhi  würde  die  Funktion  eines  Werk- 
zeuges aufgeben  und  die  Funktion  des  Thäters  übemebmen«  | 
673  E&me  aber  der  Buddhi  diese  Funktion  zu,  der  Th&ter  der  Werke 
zu  sein,  so  würde  sie  eben  auch  als  das  Objekt  des  SelbstbewuTst- 
Seins  angenommen  werden  müssen,  denn  alle  Th&tigkeit  hat  stets 
zur  Voraussetzung  das  Ich-BewuTstsein  [dei^enigeu«  der  thätig  ist], 
denn  man  ist  sich  bewufst:  ich  bin  es,  der  da  geht  und  der  da 
kommt,  ich  bin  es,  der  da  ifst  und  trinkt.  Würde  hierdurch  die 
Buddhi  mit  der  Funktion  des  Thäterseins  betraut,  und  w&re  sie 
somit  daijenige,  welches  alle  Zwecke  bewirkt,  so  müfste  man  als 
das  Werkzeug,  mit  dem  sie  alle  Zwecke  bewirkt,  etwas  anderes 
aufstellen;  denn  wenn  auch  der  Thäter  seine  Funktionen  zu  üben 
im  Stande  ist,  so  beth&tigt  er  dieselbe,  wie  die  Erfahrung  be- 
weist, in  den* Handlungen  doch  nur,  sofern  er  ein  Werkzeug  zur 
Hülfe  nimmt.  Somit  würde  sich  der  ganze  Streit  um  den  Namen 
drehen,  iu  der  Sache  aber  keine  Zwiespältigkeit  sein,  indem  wir 
beide  annehmen,  dafs  ein  Ton  den  Organen  Verschiedenes  das 
Thätige  ist  [nur  dafii  ihr  dieses  Thätige  ,, Buddhi"  nennt,  während 
wir  es  „Seele"  nennen]. 

39.    samädhi'Ohhävdc  ca 
auch  weil  [donst]  die  Meditation  unmöglich. 

In  den  Vedäntatexten  wird  als  Mittel  der  Erkenntnis  des  tou 
den  üpanishads  gelehrten  Atman  die  Meditation  anbefohlen,  denn 
es  heilst:  „den  Atman  fürwahr  soll  man  sehen,  soll  man  hören, 
„soll  man  verstehen,  soll  man  überdenken"  (Bfih.  2,  4,5);  —  „ihn 
„soll  man  erforschen,  ihn  soll  man  suchen  zu  erkennen"  (Chänd. 
8,  7,  1);  —  „Om  ist  das  Wort,  durch  das  ihr  an  den  Atman 
„denkt"  (Mund.  2,  2,  6).  Biese  Meditation  wäre  moht  möglich, 
wenn  der  Seele  kein  Thätersein  zukäme;  auch  daraus  also  folgt, 
dafs  sie  ein  Thäter  ist. 


Fünfzehntea  Adhikaranam. 

40.    yathd  ca  takshä  uhhayathä 
und  wie  ein  Zimmermann  auf  beide  Art. 

Wir  haben  also  aus  der  Zweckhaftigkeit  des  Schriftkanons  und 
673  aus   andern  Gründen   das  Thätersein   der  verkörperten  Seele  |  er- 


ssm 


8ü.train  II.  iii.  40.  425 

wiesen«  Nun  aber  fragt  sieb  weiter,  ob  dieses  Thatersein  der 
Seele  Ton  Natur  eigen  ist,  oder  ob  es  nur  durob  die  Upftdbi*s 
bedingt  wird;  und  man  konnte  'aus  eben  den  genannten  Gründen, 
*der  Zweckbaftigkeit  des  Scbriftkanons  u.  s.  w.,  scbliefsen,  dafs 
'das  Tbätersein  der  Seele  ein  ibr  von  Natur  an  eigenes  sei,  da  ein 
'Grund,  ihr  dieses  abz^isprecben,  nicbt  vorliegt'. 

Auf  diese  Annahme  erwidern  wir:  das  Tbätersein  kann  der 
Seele  nicht  von  Natur  an  eigen  sein,  weil  dann  keine  Erlösung 
möglich  wäre.  Denn  wäre  der  Seele  das  Tbätersein  von  Natur 
eigen,  so  gäbe  es  davon  keine  Befreiung,  wie  für  das  Feuer  keine 
von  der  Hitze;  ohne  Befreiung  vom  Tbätersein  aber  ist  die  Er- 
reichung des  Zieles  des  Menschen  nicht  möglich,  da  alles  Thun 
seinem  Wesen  nach  ein  Leiden  ist  [die  Erlösung  aber  in  einer 
Befreiung  vom  Leiden  besteht]. 

'Aber  läfst  sich  nicht  das  Ziel  des  Menschen  dadurch  erreichen, 
'dafs  man,  wenn  auch  die  Kraft  des  Thäterseins  fortbesteht,  die 
'Wirkungen  des  Thäterseins  vermeidet,  indem  man  die  Yeranlas- 
'sungen  dazu  meidet,  so  wie  beim  Feuer,  wenn  es  auch  diä  Kraft 
'des  Brennens  besitzt,  die  Wirkung  des  Brennens  nicht  erfolgt, 
'wenn  man  ihm  das  Holz  entzieht?*  —  Mit  nichten!  Deim  es  ist 
unmöglich,  die  Veranlassungen,  wenn  sie  auch  nur  durch  eine 
kraftartige  [potentielle]  Verbindung  [mit  dem  Thäter]  verbunden 
sind,  gänzlich  zu  vermeiden.  —  'Aber  wäre  die  Erlösung  nicht 
'auch  dadurch  zu  erreichen»  dafs  man  die  Mittel  zu  derselben  in 
'Anwendung  brächte?'  —  Nein!  weil,  was  auf  Mitteki  beruht,  nicht 
ewig  ist. 

Dazu  kommt,  dafs  die  Vollbringung  der  Erlösung  dargestellt 
wird  als  erfolgend  durch  die  Belehrung  über  die  ewige,  reine,  weise 
und  freie  [mit  Brahman  identische]  Seele,  eine  Belolirung  über  die 
Soele  als  eine  so  beschaffene  aber  nicht  möglich  ist,  wenn  ibr 
das  Tbätersein  von  Natur  an  |  eigen  ist.  674 

Folglich  beruht  das  Tbätersein  der  Seele  nur  darauf,  dals  ibr 
die  Qualitäten  der  Upädhi's  übergeworfen  sind,  und  nicbt  auf  ihrer 
eigenen  Natur.  Und  so  lehrt  es  die  Schrift,  wenn  sie  sagt:  „es 
„ist  als  ob  sie  sänne,  es  ist  als  ob  sie  schwankend  sich  bewegte" 
(Bph.  4,  3,  7);  und  wenn  sie  in  der  SteUe  (Kä|h.  3,4): 

JDcn  Atman,  mit  den  Sinnen  und  dem  Manas 
„Verbunden,  nennt  der  Weise  den  «Geniefser»'^, 

aussagt,  dafs  die  Seele  nur  durch  die  Verbindung  mit  den  Up&dhi's 
in  den  specifischen  Zustand  des  Geniefserseins  und  [Thäterseins] 
übergeht.  Denn  es  giebt,  nach  der  Ansicht  der  Urteilsfähigen, 
überhaupt  keinen  von  der  höchsten  Seele  verschiedenen,  „die  in« 
„dividuelle  Seele  (Jiva)"  genannten  Thäter  und  Geniefser,  weil  die 
Schrift  sagt:  „nicht  giebt  es  aufser  ihm  einen  Sehenden"  u.  s.  w. 
(Brih  3,7,23). 


426  QMrika-iniitt&nsIl 

^Aber  wenn  es  aufsor  der  höchsten  Seele  keine  mit  Geistigkeit 
'begabte,  individuelle  Seele  giebt,  die  nach  Abzug  des  Aggregates 
*Ton  Buddhi  u.  s.  w.  noch  bestünde,  so  folgt  doch,  dafs  die  höchste 
'Seele  selbst  umwandemd,  handelnd  and  geniefsend  ist?*  —  0  nein! 
Denn  das  Thätersein  und  das  Geniefsersein  beruhen  nur  auf  dem 
Nichtwissen.    So  nämliph  lehrt  es  die  Schrift,  wenn  sie  sagt:  ,,Denn 

675  „wo  eine  Zweiheit  gleichsam  ist,  da  sieht  einer  |  den  andern'' 
(Brih.  4,5,  15) ;  und  nachdem  sie  in  diesen  Worten  gezeigt  hat^ 
wie  auf  dem  Standpunkte  des  Nichtwissens  das  Thätersein  und  das 
Geniefsersein  bestehen,  so  verneint  sie  eben  dieses  Thätersein  und 
Geniefsersein  für  den  Standpunkt  des  Wissens,  indem  sie  fortfahrt: 
„wo  aber  einem  alles  zum  eigenen  Selbste  geworden  ist,  wie  sollte 
„er  da  irgendwen  sehen?"  —  Ebenso  zeigt  die  Schrift  (Bjrih.  4, 3, 19), 
wie  die  Seele  im  Traume  und  Wachen,  zufolge  der  Beruhnmg 
mit  den  Up&dhi's,  wie  ein  im  Lufträume  umherfliegender  Falke 
ermüdet,  wie  hingegen  im  Tiefschlafe,  wo  sie  von  dem  erkenntnis- 
artigen Selbste  umschlungen  ist,  keine  Ermüdung  stattfindet:  „das 
„ist  die  Weseusform   desselben,    in   der   er  gestillten   Yerlangens, 

■  „selbst  sein  Verlangen,  ohne  Verlangen  ist  und  vom  Kummer  ge- 
„schieden" ;  und  weiterhin  zusammenfassend :  „dieses  ist  sein  hoch- 
„stes  Ziel,  dieses  ist  sein  höchstes  Glück,  dieses  ist  seine  höchste 
„Welt,  dieses  ist  seine  höchste  Wonne."  —  Eben  dies < sagt  nun 
auch  der  Lehrer  [in  unserem  Sütram]:  „und  wie  ein  Zimmermann 
„auf  beide  Art",  wobei  „und"  soviel  bedeutet  wie  „aber".  D.  h.: 
man  mufs  nicht  glauben,  dafs  das  Thätersein.  von  Natur  an  der 
Seele  eigen  sei,  wie  dem  Feuer  die  Hitze.  Vielmehr,  wie  im  Leben 
ein  Zimmermann  mit  der  Axt  und  den  andern  Geräten  in  der 
Hand  thätig  ist  und  Schmerz  empfindet,  dann  .aber  nach  Hause 
geht,  die  Axt  und  sonstigen  Geräte  ablegt  und  in  seinem  natür- 
lichen Zustande,  feiernd  und  ohne  Arbeit  Lust  empfindet,  so  auch 
ist  die  Seele,  solange  sie  mit  der  im  Nichtwissen  gegründeten 
Zweiheit  behaftet  ist,  in  den  Zuständen  des  Traumes  und  des  Wa- 
chens, thätig  und  empfindet  Schmerz,  dann  aber  geht  sie,  um  die 
Ermüdung  abzuwerfen,  in  ihr  eigenes  Selbst,  d.  h.  in  die  höchste 
Seele ,  ein ,  ist  befreit  von  dem  Komplex  der  Werkzeuge  des  Wir- 

676  kens,  ist  nicht  handelnd  und  empfindet  Lust  |  in  dem.  Zustande 
des  Tiefschlafes  und  ebenso  in  dem  Zustande  der  Erlösung,  wo 
sie,  nachdem  die  Finsternis  des  Nichtwissens  durch  die  Fackel  des 
Wissens  verscheucht  ist,  reine  (kevala)  Seele,  feiernd  und  selig  ist. 
Das  Gleichnis  vom  Zimmermann  aber  ist  folgendermafsen  aufzu- 
fassen: der  Zimmermann  ist  bei  den  verschiedenen  Arbeiten  des 
Zimmems  u.  s.  w.  in  B[insicht  auf  die  bestinunten  Werkzeuge, 
Axt  u.  8.  w. ,  Thäter,  mit  seinem  blofsen  Leibe  aber  Nichtth&ter; 
ebenso  ist  die  Seele  bei  allen  ihren  Bemühungen  in  Hinsicht  auf 
die  Organe,  Manas  u.  s.  w.,  Thäter,  mit  ihrem  eigenen  Selbste  aber 
Nichtthäter.     Hingegen  hat  die  Seele  nicht,  wie  der  Zimmermann. 


Sötram  II.  in.  40.  427 

Gliedmsfsen,  mit  denen  sie,  wie  der  Zinunermaim  mit  den  Händen 
die  Axt  u.  s.  w.,  so  die  Organe,  Manas  n.  s.  w.,  ergpriffe  oder  bei- 
seite legte. 

Wenn  aber  behauptet  wurde  (Sütram  33)«  dafs  wegen  der  Zweck- 
haftigkeit  des  Schriftkanons  und  aus  andern  Gründen  das  Thäter- 
sein  der  Seele  von  Natur  eigen  sein  müsse,  so  ist  zunächst  zu  be- 
merken, dafs  der  Pflichtkanon  das  Thätersein  nur  als  eine  Ahnahme 
voraussetzt  und  unter  dieser  Voraussetzung  eine  bestimmte  Art 
des  Thuns  vorschreibt,  nicht  aber  das  Thätersein  der  Seele  lehrt. 
Dafs  aber  das  Thätersein  ihr  tdcht  von  Natur  eigen  ist,  folgt,  wie 
wir  sahen,  aus  der  Lehre,  dafs  sie  ihrem  Weden  nach  Brahman  ist. 
Man  mufs  also  annehmen,  dafs  der  Pflichtkanon  vorgeht,  indem 
er  das  vom  Nichtwissen  bedingte  Thätersein  blofs  voraussetzt,  und 
auch  Schriftst^Uen  wie:  „er  ist  das  Handelnde,  das  Erkenntnis- 
„Selbst,  der  Geist''-  (Pragna  4,  9),  tragen  nur  den  Charakter  einer 
Erläuterung  (anuväd^)  und  sind  bestimmt,  das  blofs  vorausgesetzte, 
nämlich  durch  das  Nichtwissen  erzeugte,  Thätersein  zu  erläutern. 

Damit  sind  auch  die  Stellen  |  von  dem  Wandeln  und  Nehmen  677 
(Sütram  34 — 35)  abgefertigt,  indepoi  auqh  sie  nur  den  Charakter 
einer  Erläuterung  tragen.  —  'Aber  wenn  es  von  dem  Verbindungs- 
'stande,  wo  doch  die  Organe  eingeschlafen  sind,  heifst:  „sie  zieht 
S,in  ihrem  Leibe  nach  Belieben  umher"  (Brih.  2,  1,  18),  so  wird 
'doch  hier  ein  Wandeln  gelehrt,  welches  auf  ein  Thätersein i  der 
'[von  den  Organen]  freien  Seele  schliefsen  läfst;  und  ebenso  ist  es 
'mit  dem  Nehmen;  denn  wenn  es  von  den  Organen  heifst:  „dann 
'„hat  sie  durch  die  Erkenntnis  die  Erkenntnis  jener  Lebensorgane 
'„an  sich  genommen"  (Bph.  2,  1,  17),  so  gebraucht  doch  hier  die 
'Schrift  von  den  Organen  die  Kasus  des  Objektes  (Accusativ)  und 
'des  Werkzeuges  (Instrumentalis),  [nicht  aber  den  Kasus  des  Thä- 
'ters  (Nominativ)],  und  hieraus  scheint  zu  folgen,  dafs  das  Thäter- 
'sein  der  Seele,  auch  sofern  sie  [von  den  Organen]  befreit  ist,  zu- 
'kommt!*  —  Hierauf  erwidern  wir:  was  zunächst  den  Verbindungs- 
stand betrifl't,  so  findet  in  demselben  keine  gänzliche  Ruh^  der 
Seele  statt,  denn  es  heifst:  „mit  dem  Bewufstsein  (dht)  überschreitet 
„sie,  w^nn  sie  Schlaf  geworden,  diese  Welt"  (Brih.  4,  3,  7,  mit 
der  Lesart  der  Mädhyandina^s  sadhtft  statt  sa  M) ;  hierin  liegt,  dafs 
auch  dann  die  Seele  mit  dem  Bewufstsein  [d.  h.  dem  Manas]  ver- 
bunden bleibt.    Und  dies  lehrt  auch  die  Smriti  (Mahäbh.  12,  9897): 

„Wenn,  bei  der  Sinne  Ruhen,  nicht  ruhend,  der  Verstand 
„Mit  Dingen  ist  beschäftigt,  das  wird  ein  Traum  genannt." 

Auch   sagt  die  Schrift,    dafs   die  Funktionen  des  Manas  das  Ver- 
langen u.  s.  w.   sind  (vgl.  Brih.  1,  5,  3);    diese  aber  zeigen   sich 
auch  im  Schlafe,  |  woraus  folgt,   dafs  die  Seele  bei  dem  Wandeln  678 
im  Schlafe   mit   dem  Manas   verbunden  bleibt.     Übrigens  ist  auch 
dieses  Wandeln  nur  auf  [subjektiven]  Erscheinungen  {väsanä)  be- 


428  C&^<^ft*iniinlkd8& 

ruhend  nnd  nicht  im  höchsten  Sinne  reAl,  wie  denn  auch  die 
Schrift  das  Thun  im  Schlafe  so  schildert,  dafs  sie  ihm  das  Wort 
„gleichsam"  beifägt,  indem  es  heifst  (Bph.  4,  3,  13): 

j^anchmal  mit  Frauen  gleichsam  lieblich  schersend, 
„Manchmal  gleichsam  Entsetidiches  erblickend/' 

Und  in  ähnlicher  Weise  pflegt  man  ja  aäch  im  gewohnlichen  Leben 
vom  Traume  zu  reden;  denn  man  sagt:  „ich  bestieg  gleichsam 
„einen  Berggipfel;  ich  erblickte  gleiohsam  einen  Löwen/*  —  Ebenso 
ist  es  bestellt  mit  dem  „ Nehmen'*  (Sütram  35);  denn  wenn  auch 
(an  der 'betreffenden  Stelle,  Brih.  2»  1,  17)  von  den  Organen  die 
Kasus  des  Objektes  und  des  Werkzeuges  [nicht  der  des  Thäters] 
gebraucht  werden,  sq  ist  doch  das  Thatersein  der  ^eele  dahin  zu 
verstehen,  dafs  es  nur  statthat,  sofern  sie  mit  jenen  [Organen] 
verbunden  ist,  weil,  wie  gezeigt,  ein  Thatersein  der  [von  Orga-. 
nen]  freien  Seele  unmöglich  ist.  Auch  im  gewöhnlichen.  Leben 
pflegt  man  ja  zu  sagen:  „der  Fürst  kämpft  vermittelst  seiner 
„Krieger*^,    wobei    gemeint    ist,    dafs    nur  .die  Krieger    kämpfen. 

679  Übrigens  |  ist  auch  bei  diesem  „Nehmen**  nur  von  einem  Zar- 
Ruhe -Kommen  der  Thätigkeit  der  Organe  die  Rede,  nicht  aber 
davon,  dafs  hier  irgendwer  [die  Seele]  selbständig  und  ohne  Yor^ 
aussetzung  der  Buddhi  wirke,  denn  es  i£t  klar,  dafs  das  Zur- 
Ruhe-Kommen  der  Thätigkeit  der  Organe  sich  nur  auf  diese  selbst 
bezieht.  Wenn  femer  (Sütram  36)  auf  die  Stelle  verwiesen  wurde: 
„Erkenntnis  wirkt  das  Opfer**  (Tutt.  2,  6),  so  ist  zu  bemerken, 
dafs  dieselbe  nur  ein  Thatersein  der  Buddhi  lehrt;  denn  das  Wort 
„Erkenntnis**  wird  gewöhnlich  von  dieser  gebraucht,  wie  ja  auch 
unmittelbar  vorher  (Taitt.  2,  4)  von  dem  Manas  die  Rede  ist. 
Femer  werden  dabei  als  Glieder  des,  erkenntnisartigen  Selbstes 
der  Glaube  u.  s»  w.  erwähnt,  denn  es  heifst:  „der  Glaube  ist  sein 
„Haupt**  u.  s.  w.  (Taitt.  2,  4);  der  Glaube  u.  s.  w.  aber  sind  be- 
kanntlich Eigenschaften  der  Buddhi;  wie  es  ja  auch  weiter  heifst: 
„Erkenntnis  ehren  alle  Götter  als  Brahman  und  als  Ältestes** 
(Taitt.  2,  5),  welches  sich  auf  die  Buddhi  beziehen  mufs,  da  diese 
[als  Hiraftyaffarbhä]  das  Erstgeborene  und  Älteste  ist;  wie  denn 
auch  an  einer  andern  Schriftstelle:  „das  Opfer  ist  eine  Erhebung 
„höher  und  höher  empor  der  Rede  und  des  Gedankens*^  (ausgesagt 

680  wird,  I  dafs  das  Opfer  durch  die  Rede  und  die  [somit  dem  Opfer 
^  vorgängige]  Buddhi  bewirkt  werde. 

Auch  findet  durchaus  keine  Yertauschung  der  Funktionen  der 
Buddhi  statt  (vgl.  Sütram  38),  wenn  wir  das  Thatersein  den  Or- 
ganen zuschreiben;  denn  alle  Organe  sind  bei  ihren  Funktionen 
notwendigerweise  Thäter;  aber  das  Thatersein  dieser  Organe  er- 
fordert noch  die  Apperception  (upalahdht)^  und  diese  kommt  der 
Seele  zu;  damit  ist  aber  .kein  Thatersein  derselben  gesetzt,  weil 
ihr  Wesen   eine    ewige  Apperception    ist.      Das   Selbstbewufstsein 


■  mMi 


Sütraoi  II.  ra.  40.  429 

(akafiMra)  aber  geht  zwnr  dem  Thätersein,  nicht  aber  der  Apper- 
ception  voraus,  indem  auch  das  SelbBthewnTstsein  ein  Oegei^and 
der  Apperception  ist.  Somit  ist  kein  Grund  vorhanden,  andere 
Organe  aufzustellen,  indem  wir  das  Organsein  der  Buddhi  fest- 
halten. 

Was  endlich  die  Unmöglichkeit  der  Meditation  betrifit  (Sütram 
39),  so  ist  dies  schon  durch  Besprechung  der  Zweckhaftigkeit  des 
Schrifikanons  erledigt,  indem  der  Kanon  die  Annahme  des  Thäter- 
seins  voraussetzt  und  nur  unter  dieser  Voraussetzung  die  Medita- 
tion  vorschreibt. 

Es  steht  somit  fest,  dafs,  wenn  die  Seele  auch  Thäter  ist,  die- 
ses ihr  Th&tersein  doch  nur  ein  durch  die  Upftdhi's  bedingtes  [kein 
ihr  von  Natur  an  eigenes]  ist. 


Sechzehntes  Adhikaraf^m. 

41.  parM  tu,  tac-chruteh 
vielmehr  von  dem  Höchsten,  weil  so  die  Schrift. 

Es  wurde  gezeigt,  wie  auf  dem  Standpunkte  des  Nichtwissens 
ein  durch  die  Up&dhi's  bedingtes  Thätersein  der  individuellen 
Seele  statthat,  und  es  fragt  sich  weiter,  ob  dieses  Thätersein  un- 
abhängig von  Oott  oder  von  Gott  abhängig  ist?  —  |  Angenom-  681 
men  also,  *die  Seele  sei  bei  ihrem  Thun  nicht  von  Gott  abhängig; 
'warum?  weil  für  eine  Abhängigkeit  kein  Grund  vorhanden  ist. 
*Denn  die  Seele,  wie  sie  mit  den  Fehlem  der  Liebe,  des  Hasses 
*u.  s.  w.  verbunden  und  mit  dem  Zubehör  der  übrigen  Mittel  zum 
'Wirken  [Buddhi  u.  s.  w.]  versehen  ist,  ist  für  sich  allein  im 
'Stande,  das  Thätersein  durchzuführen,  und  es  ist  nicht  abzu- 
'sehen,  was  Gott  dabei  soll.  Auch  weist  die  Erfahrung  nicht  dar* 
'auf  hin,  dafs  bei  den  Werken,  wie  z.  B.  dem  Pflügen  u.  s.  w., 
'so  wie  der  Pflugstier  u.  s.  w.,  aufserdem  noch  ein  Gott  zu  Hülfe 
'zu  nehmen  ist.  Ferner  würde  dabei  Gott,  sofern  er  die  Kreaturen 
'mit  dem  Thätersein  und  seiner  Not  heimsuchte,  von  dem  Yor- 
' würfe  der  Unbarmherzigkeit  getroffen  werden;  und  ebenso  von 
'dem  der  Ungerechtigkeit,  sofern  er  ein  Thätersein  mit  ungleichem 
f Lohne  verhängen  würde.'  —  Aber  hiefs  es  nicht:  „Ungerechtig- 
„keit  und  Unbarmherzigkeit  nicht;  weil  er  Rücksicht  nimmt" 
(Sütram  2,  1,  34)?  —  'Allerdings!  aber  dieses  gilt  nur  unter  der 
'Voraussetzung,  dafs  eine  Rücksichtnahme  von  Seiten  Gottes  wirk- 
4ich   stattfindet;    es  findet  aber   eine  solche  Rücksichtnahme  von 


430  giLilraka-mliiiliAa 

^Seiten  Gottes  gar  nicht  statt;  denn  wenn  die  Gerechtigkeit  und 
'Ungerechtigkeit  der  Kreaturen  vorhanden  ist,  —  und  an  ihr^n 
^YorhandeDsein  ist  nicht  zu  sveifeln,  —  und  wenn  das  Thfttersein 
'der  Seele  feststeht,  worauf  soll  sich  dann,  gesetst,  dieses  Thater- 
'sein  sei  von  Gott  abh&ngig,  diese  Abhftogigkeit  von  Gott  er- 
^^  'strecken?  Hierzu  kommt,  |  daüi  in  diesem  Falle  die  Seele  auch 
'Yon  unverschuldetem  würde  betrofiTen  werden.  Somit  ergiebt  sich, 
'dafs  das  Th&tersein  nur  der  Seele  fär  sich  allein  zukommt.* 

Nachdem  diese  Annahme  durch  das  Wort  „yielmehr"  abgelehnt 
worden,  erklart  das  Sütram:  „von  dem  Höchsten";  d.  h,:  für  die 
individuelle  Seele,  welche  im  Zustande  des  Nichtwissens  unvermö- 
gend, das  [als  Leib  erscheinende]  Aggregat  der  Werkzeuge  des 
Wirkens  [von  der  Seele]  zu  unterscheiden,  und  durch  die  Finster- 
nis des  Nichtwissens  blind  ist,  kommt  vop  der  höchsten  Seele, 
dem  Aufseher  der  Werke,  dem  in  allen  Wesen  wohnenden  Zu- 
schauer, dem  Got^,  der  die  Ursache  der  Geistigkeit  ist,  von 
ihm,  durch  seine  Bewilligung  der  aus  den  Zuständen  des  Thuns 
und  Geniefsens  (Leidens)  bestehende  San^s&ra,  und  durch  seine 
Gnade  als  Ursache  die  Erkenntnis  und  durch  diese  die  Erlösung. 
Warum?  „weil  so  die  Schrift";  denn  wenn  auch  die  Seele  mit  den 
Fehlern  der  Liebe  u.  s.  w.  verbunden  und  mit  dem  Zubehör  aus- 
gerüstet ist,  und  wenn  auch  die  Erfahrung  bei  Werken  wie  dem 
Pflügen  u.  s.  w.  eine  Ursächlichkeit  Gottes  nicht  an  die  Hand  giebt, 
so  wird  doch  von  der  Schrift  die  Entscheidung  geföUt,  dafs  bei 
allem  Thun  und  Treiben  Gott  der  ursächliche  Bewirker  ist.  Denn 
so  sagt  die  Schrift:  „denn  er  allein  l&Tst  das  gute  Werk  thun  den, 
„welchen  er  aus  diesen  Welten  emporführen  will,  und  er  allein 
„läfst  das  böse 'Werk  thun  den,  welchen  er  abwärts  führen  wiU" 
(Kaush.  3,  8)  und:  „der  in  dem  Selbste  wohnend  .  .  •  das  Selbst 
„innerlich  regiert"  (Brih.  3,  7,  22  Mädhy.). 

'Aber  treffen  nicht,  wenn  in  dieser  Weise  Gott  der  Thäter  ist, 
'diesen  die  Vorwürfe  der  Ungerechtigkeit  und  Unbarmherzigkeit, 
'und  würde  dann  nicht  die  Seele  auch  von  Unverschuldetem  be- 
Hi'offen  werden?'  —  Wir  antworten:  nein, 


683     43.    krita-prayatna'-apelcshas  tu,   mhita-pratishiddha^ 

avaiyarthya  -  ädibhyah 

• 

vielmehr  nimmt  er  Rücksicht  auf  die  vollbrachte  Be- 

mühmig,  weil  die  Gebote  und  Verbote  nicht  zwecklos 

sein  können  und  aus  andern  Gründen. 

Das  Wort  „vielmehr"   hat  den  Zweck,   das  beregte  Bedenken 
abzuweisen;  nämlich  Gott  macht  die  Seele  handeln,  jedoch,  indem 


Bttism  n.  m.  42.  431 

« 

er  dabei  Rücksieht  Bxnimt  auf  die  von  ihr  yollbraohte  Bemühung 
im  Outen  und  Bösen;  daher  die  erhobenen  Einwürfe  nicht  zutreffen. 
Das  von  den  Seelen  verübte  Gute  und  Böse  ist  ungleich;  mit 
Rücksicht  darauf  yerteüt  Gott  auch  die  entsprechende  Frucht  in 
ungleicher  Weise,  indem  er,  wie  der  Regen,  dabei  nur  die  bewirkende 
Ursache  (niwiUam)  ii^.  ^Denn  wie  im  Leben  für  die  mancherlei 
Büsche  und  Sträucher,  für  Reis,  Gerste  u.  s.  w.,  wie  sie,  jedes 
aua  seinem  Samen,  der  nicht  gemeinsam  ist,  entstehen,  die  gemein- 
same Ursache  der  Regen  ist,  indem  ohne  den  Regen  die  Verschie- 
denheit derselben  an  Saft,  Blüte,  Frucht,  Blatt  u.  s.  w.  sich  nicht 
entwickeln  kann,  aber  auch  nicht  ohne  den  für  jede  Art  beson- 
deren Samen,  —  so  verteilt  Gott,  indem  er  auf  die  vollbrachte 
Bemühung  der  Seelen  Rücksicht  nimmt,  das  Gute  und  Schlimme 
(f^ha-d^ham)  unter  dieselben.  —  'Aber  kann  diese  Rücksicht- 
^nahme  auf  die  vollbrachte  Bemühung  der  Seele  mit  der  Abhluigig- 
'keit  alles  Thaterseins  von  Gott  zusammen  be|tehen?'  —  Allerdings! 
denn  obgleich  das  Thatersoin  von  Gott  abhängig  ist,  so  handelt 
(karoH)  doch  nur  die  Seele,  während  Gott  sie,  indem  sie  handelt,^ 
handeln  macht  (kärayatf^;  und  wie  er 'sie  jetzt  handeln  macht 
mit  Rücksicht  auf  die  vormalige  Bemühung,  so  machte  er  sie  vor- 
mals handeln  mit  Rücksicht  auf  eine  noch  frühere  Bemühung;  | 
denn  weil  der  Samsära  ohne<Anfang  ist,  l&fst  sich  hiergegen  nichts  684 
einwenden.  —  'Aber  woraus  erkennen  wir  denn,  dafs  Gott  auf 
'die  vollbrachte  Bemühung  Rücksicht  nimmt?'  —  Hierauf  dient 
zur  Antwort:  „weil  die  Gebote  und  Verbote  nicht  zwecklos  sein 
„können  und  aus  andern  Gründen".  Nämlich  wenn  es  z.  B.  heifst : 
„es  opfere  wer  nach  dem  Himmel  begehrt"  oder:  „einen  Brahma- 
„nen  soll  man  nicht  töten",  so  können  derartige  Gebote  und  Ver- 
bote nicht  zwecklos  sein;  in  jedem  andern  Falle  aber  würden  sie 
zwecklos  sein,  und  nur  Gott  selbst  würde  durch  die  Gebote  und 
Verbote  verbindlich  gemacht  werden,  wenn  die  Seele  schlechthin 
von  ihm  abhängig  wäre.  Auch  Könnte  er  dann  [ebenso  gut  wie 
umgekehrt]  den  Vollbringer  der  Gebote  mit  Unglück  und  den  Voll- 
bringer der  Verbote  mit  Glück  bedenken,  und  damit  würde  die 
Autorität  des  Veda  liiiifuliig  werden.  Ja,  wenn  Gott  ganz  ohne 
jene  Rücksichtnahme  verführe,  so  würde  sogar  die  weltliche  Tbätig^ 
keit  des  Menschen  zwecklos  sein.  Und. ebenso  würde  der  früher 
besprochene  Fehler  eintreten,  dafs  Ort,  Zeit  und  Ursache  [nicht 
in  Betracht  kämen  und  somit  alles  aus  allem  entstehen  könnte;  vgl. 
p.  671,  4,  Seite  A23].  -  Diese  und  andere  Einwoi-fe  sind  unter 
den  „andern  Gründen  ,  welche  das  Sütram  andeutet,  zu^  verstehen. 


432  QHrfraka-mtmftnsä 

Siebzehntes  Adhikaranam^ 

43.    ahgOf  nänä'Vyapadegddy  anyaihd  ca  api  däga- 

Jcüava-dditvafn  adhiyaia!  eke 

ein  Teil,    1)  wegen  Bezeichnung  der  Verschiedenheit, 
und  weil  2)  auch  hinwiderum,   dafs  er  Fischer,   Spie- 
ler u.  8.  w.  sei,  von  einigen  gelehrt  wird,^ 

Wir  zeigten,  dafs  die  Seele  und  Gott  in  dem  Yerhftltnisse  des 
Unterstützten  und  des  Unterstützers  zu  einander  sterben.  Ein  sol- 
ches nrni  kann,  wie  die  £xfahrang  zeigt,  nur  zwischen  zwei  Yer- 
685  hundenen  stattfinden,  [  wie  z.  B.  zwischen  dem  Herrn  and  dem 
Diener  oder  wie  zwischen  dem  Feuer  und  den  Funken.  Da  nun 
auch  zwischen  der  Seele  upd  Gott  das  Verhältnis  des  Unterstützten 
und  des  Unterstützers  statthat,  so  fragt  sich,  ob  ihre  Verbindung 
zu  denken  ist  wie  die  zwischen  dem  Herrn  und  dem  Diener  oder 
wie  die  zwischen  dem  Feuer  und  den  Funken.  Man  könnte  bei 
dieser  Frage  annehmen,  *dafs  das  Verhältnis  ein  unbestimmtes  sei;' 
oder  auch,  da  das  Verhältnis  von  Beherrscher  und  Beherrschtem 
in  der  Regel  ein  solches  zwischen  einem  Herrn  und  sein.em  Diener 
ist,  so  k6nnte  man  annehmen,  dafs  'die  Verbindung  zwischen  Gott 
'und  Seele  in  dieser  Art  zu  denken  sei'.  —  Hierauf  antwortet  der 
Lehrer:  „ein  Teil",  d.  h.  die  Seele  mufs  ein  Teil  von  Gott  sein, 
so  wie  die  Funken  von  dem  Feuer.  Ein  Teil  soll  heifsen  „gleich- 
„sam  ein  Teil",  denn  ein  wirklicher  Teil  ist  bei  einem  Gegen- 
stande, der  keine  Glieder  hat,  nicht  möglich.  —  'Aber  wie  kommt 
*es,  da  Gott  doch  keine  Gliec*er  hat,  dafs  die  Seele  nicht  er  selbst 
*ist?'  —  „Wegen  Bezeichnung  der  Verschiedenheit";  denn  wenn  es 
heifst:  „ihn  soll  man  erforschen,  ihn  soll  man  suchen  zu  erkennen" 
(Ghftnd.  8,  7,  1);  —  „wer  ihn  erkannt  hat,  der  wird  ein  Muni 
„(Schweiger)"  (Brih.  4,  4,  22);  —  n^^^  ^^  ^®™  Selbste  wohnend 
„.  .  .  das  Selbst  innerlich  regiert"  (Bph.  8,  7,  22  Mädhy.),  —  so 
liegt  hierin  die  Bezeichnung  einer  Verschiedenheit,  welche  nicht 
angemessen  wäre,  wenn  nicht  wirklich  eine  Verschiedenheit  statt- 
fände. —  'Aber  würde  diese  Bezeichnung  der  Verschiedenheit  nicht 
'viel  besser  durch  den  Vergleich  mit  dem  Herrn  und  seinem  Diener 
'ausgedrückt  werden?'  —  Darauf  liegt  die  Antwort  in  den  Wor- 
ten: „und  weil  auch  hinwiderum";  d.  h.  es  findet  sich  eben  nicht 
blofs  die  „Bezeichnung  der  Verschiedenheit",  so  dafs  wir  durdi 
sie  allein  yeranlafst  würden,  die  Seele  als  einen  Teil  Gottes  zu 
betrachten,  sondern  es  liegt  „auch  hinwiderum"  eine  Bezeichnung 
vor,  welche   eine  Nichtverschiedenheit  zwischen  beiden  lehrt.     In 


Sfttram  II.  m.  43.  433 

dieser  Weise  nämlich  |  wird  von  einigen  Yedaschulen  gelehrt,  dafs  686 
das  Brahman  auch  „Fischer,  Spieler  u.  s.  w.  sei'S  nämlich  von  den 
Anhängern  des  Alharva-Veda,  hei  denen  es  in  dem  Brahmanliede 
[nicht  in  unserer  Sammlung]  heifst: 

„Brahman  die  Fischer  und  die  Knechte 
„Brahman  sogar  die  Spieler  sind'*; 

d.  h.  auch  die  Fischer,  diese  armseligen  Tagelöhner,  und  die 
Knechte,  die  sich  an  einen  Herrn  hängen,  ja  sogar  die  Spieler, 
die  das  Würfelspiel  betreiben,  diese  alle  sind  Brahman.  Wenn 
hier  die  elendesten  Geschöpfe  erwähpt  werden,  so  soll  damit  ge- 
sagt sein,  dafs  alle  Seelen,  wie  sie  in  das  aus  Namen  und  Ge- 
stalten gebildete  Aggregat  der  Organe  deu  Wirkens  eingegangen 
sind,  ohne  Ausnahme  Brahman  sind.  Dasselbe  wird  anderwärts 
gelehrt,  wo  von  Brahman  die  Bede  ist,  und  es  heilst  (Qvet.  4,  3 
:=  Atharva-veda  10,  8,  27) : 

,J)n  bist  das  Weib,  du  bist  der  Mann,  das  Mädchen  und   der 

Knabe, 
„Du  AT&chsty  geboren,  allerwärts,  da  wankst  als  Greis  am  Stabe **; 

und  (Taitt.  är.  3, 12,  7): 

■ 

y-fWenn  alle  Formen  überdenkt  der  Weise 
„Und  sie  als  Namen  blofs  begreifend  dasitzt,'' 

und:  „nicht  giebt  es  äufser  ihm  einen  Sehenden"  (Bfih.  3,  7,  23); 
diese  und  andere  Stellen  beweisen,  dafs  alle  Seelen  Brahman  sind. 
Dasjenige  aber,  worin  die  Seelen  und  Gott  identisch  sind,  ist  die 
Geistigkeit,*  so  wie  dasjenige,  woHn  das  Feuer  und  die  Funken 
identisch  sind,  die  Hitze  ist.  —  Also  deswegen,  weil  beide  sich 
als  verschieden  und  doch  wieder  nicht  verschieden  zeigen,  mufs 
man  die  Seele  als  einen  Teil  Gottes  auffassen.  — '  Und  warum 
weiter  mufs  man  sie  als  einen  Teil  desselben  auffassen? 


44.    mantra-varn&c  ca  687 

auch  wegen  des  Schriftliedes. 

Auch  giebt  es  ein  Schriftlied,  welches  dics^  Sache  lehrt  (Chänd. 
3,  12,  6  =  Rigv.  10,  90,  3): 

„So  grofs  die  Majest&t  ist  der  Natur, 

„So  ist  doch  gröfser  noch  der  Geist  erhoben; 


434  Qlürlraka-XDlmlinBä 

■ 

yyEin  Fafi  von  ihm  sind  alle  Wesen  nur, 
„Drei  und  Unsterblichkeit  im  Himmel  droben.^ 

Unter  den  f^Wesen"  sind  }der  alle  mit  einer  Seele  ausgestatteten, 
sowohl  unbeweglichen  (pflanzlichen)  als  auch  beweglichen  Geschöpfe 
zu  yerstehen,  denn  so  wird  [von  letzteren]  das  Wort  auch  ge- 
braucht in  der  Stelle:  „keinen  Wesen  etwas  zu  Leide  thuend, 
„aul^er  beim  Opfer"  (Ch&nd.  8,  15).  Ein  Fuls  bedeutet  iiier  so 
viel  wie  ein  Teü  oder  ein  Stück.  Auch  hieraus  also  folgt,  dals 
die  Seele  ein  Teil  von  Oött  ist.  —  Und  woraus  folgt  es  noch 
weiter? 

45.    ofi  ca  amaryide 
und  auch  die  Smriti  lehrt  es. 

Und  auch  die  Smpti  erwähnt  in  den  Gottesliedem,    dafs  die 
Seele  ein  Teil  Gottes  sei  (Bhag.  G.  15,  7): 

„Ein  Teil  von  mir  nur  in  der  Lebenswelt 
^Ist  jede  Lebensseele  ewiglich"; 

• 

auch  daraus  also  folgt,  dafs  die  Seele  ein  Teil  Gottes  ist.  —  Wenn 
hingegen  behauptet  wurde,  dafs  das  Verhältnis  zwischen  Beherr- 
acher  und  Beherrschtem  in  der  Begel  ein  solches  zwischen  einem 
Herrn  und  seinem  Diener  bedeute,  so  erwidern  'wir,  dafs,  wenn 
es  dies  auch  in  der  Regel  bedeutet,  doch  hier  der  Schrift  gemäfs 
das  Yerhältnis  zwischen  [Gott  als]  Beherrscher  und  [der  Seele  als] 
Beherrschtem  ak  ein  solches  zwischen  dem  Ghmzen  'und  seinem 
688  Teile  bestimmt  werden  mufs.  |  Nämlich  der  mit  untibertre£Bichen 
Upädhi's  ausgestattete  Gott  übt  Über  die  mit  geringeren  Upädhi's 
ausgestatteten  Seelen  eine  Herrschaft  aus;  so  stimmt  es  ohne 
Widerspruch  zusammen. 

Man  könnte  einwenden:  'wenn  man  die  S^ele  als  einen  Teil 
^Gottes  betrachtet,  so  mufs,  während  die  Seele  die  ihr  zukom- 
'menden  Schmerzen  des  SaiAsära  erduldet,  Gott,  defsen  Teil  sie 
4st,  doch  auch  den  Schmerz  empfinden;  ebenso  wie  im  Leben, 
'wenn  einer  an  Hand  oder  Fufs  oder  sonst  irgend  einem  seiner 
'Teile  Schmerz  empfindet,  der  ganze,  aus  diesen  Gliedern  be- 
istehende, Devadatta  den  Schmerz  empfindet.  Ja,  Gott  muis  voi| 
'noch  viel  gröfHcrera  Schmerze  betroffen  werden  als  jene,  und  es 
'ist  vorzuziehen  in  dem  anfänglichen  Stande  der  Samsära  zu  ver- 
'harren,  indem  die  vollkommene  Erkenntnis  [durch  die  man  mit 
'Gott  eins  wird]  nur  zum  Unglücke  führt.'  —  Hierauf  dient  zur 
Antwort : 


Sttnm  II.  m.  46.  435 


46.   praMca-ddivan  na  evam  parah 
wie  das  Licht  u.  s.  w.  nicht  ebenso  der  höchste. 

Während  die  Seele  den  Scbmen  des  Sains&ra  empfindet,  so 
empfindet  denselben,  wie  wir  annehmen,  doch  darum  nicht  auch 
der  höchste  Gott.  Denn  die  Seele  snrar  ist  zofolge  ihres  Erfüllt- 
seins  von  dem  Nichtwissen  ^^chsam  in  das  Sein  der  Wesenheit 
des  Leibes  u.  s.  "w.  eingegangen,  und  bei  einem  hierdorch  be- 
dingten Schmerse  denkt  sie:  „ich  emj>finde  Schmerz ''  und  bildet 
sich  ein,  die  auf  dem  Nichtwissen  beruhende  Empfindung  des 
Schmeraes  wirklich  zu  haben;  „nicht  ebenso"  aber  IfiXst  sich  von 
„dem  höchsten 'S  ▼on  Gott  behaupten,  dafs  er  zur  Wesenheit,  des 
Leibes  u.  s.  w.  werde  |  oder  den  Wahn  des  Schmerzes  empfinde.  689 
Und  auch  bei  der  Seele  ist  dieser  Wahn  des  Schmerzes  nur  be- 
dingt durch  den  Irrtum,  dafs  sie  sich  nicht  zu  unterscheiden  weifs 
von  den  Up&dhi's,  d.  h.  von  dem  durch  das  Nichtwissen  gebilde- 
ten, aus  den  Kamen  und  Gestalten  herTorgegangenen  Leibe  und 
seinen  Organen;  nicht. aber  ist  die  Schmerzempfindung  im  höchsten 
Sinne  real.  Und  so  wie  einer  den  seinen  eigenen  Leib  betreffen- 
den, durch  Brennen,  Schneiden  u.  s.  w.  bedingten  Schmerz  ver- 
möge der  Irrung  jenes  Wahnes  empfindet,  ebenso  geschieht  es, 
dafs  einer  weiter  auch  den  seine  Kinder  oder  Freunde  betreffen- 
den Schmerz  vermöge  der  Irrung  jenes  Wahnes  empfindet,  indem 
er  sich  mit  dem  BewuTstsein:  „ich  bin  der  Sohn"  —  „ich  bin 
„der  Freundt'  vermittelst  der  Liebe  in  seinen  Sohn,  Freund  u.  s.  w. 
hineinversetzt.  Und  gerade  hieraus  ergiebt  sich  mit  Gewifsheit, 
dafs  die  ganze  Empfindung  des  Schmerzeis  nur  auf  dem  Irrtum 
eines  falschen  Wahnes  beruht;  es  ergiebt  sich  nämlich  dieses  dar- 
aus, dafs  die  Schmerzempfindung  auch  über  den  Leib  hinausreioht 
[wo  sie  doch  nicht  mehr  real  sein  kann].  Nehmen  wir  z.  B.  an, 
es  säfsen  viele  zusammen,  welche  Söhne,  Freunde  u.  dgl.  hätten, 
und  zwar  solche,  welche  den  Wahn  hegen,  mit  ihnen  verbunden 
zu  sein,  und  auch  andere,  und  es  hiefse  plötzlich:  „eure  Söhne 
„sind  tot",  —  „eure  Freunde  sind  tot",  so  werden  nur  diejenigen, 
welche  den  Wahn  hegen,  ihre  Söhne,  Freunde  u.  s.  w.  wirklich 
zu  besitzen,  nur  'diese  werden  von  dem  dadurch  verursachten 
Schmerze  ergriffen  werden,  nicht  aber  diejenigen,  welche,  wie 
z.  B.  die  Wandermönche,  sich  von  jenem  Wahne  freigemacht  haben. 
Und  aus  diesem  Gesichtspunkte  kann  sogar  ein  Weltmensch  die 
Glückseligkeit  der  vollkommenen  Erkenntnis  begreifen,  um  wie 
vielmehr  derjenige,  welcher  kein  anderes  Wesen  als  den  objekt- 
losen Atman  und  nichts,  was  von  ihm  verschieden  wäre,  erblickt 
und  seinem  Wesen  nach  nur  und  allein  die  ewige  Geistigkeit  selbst 

28* 


43Q  ^lrak&-ixiimft&stL 

iiil     Sa  irt  also  nicht  daran  zu  denken,    dafs  die  rollkommene 
Erkenntnis  xum  Unglücke  fahrte. 

Noch  bringt  das  Sdiram  einen  Vergleich  in  den  Worten:  ,,wie 
',, das. Licht  u.  s.  w/^;  d.  h.:  so  wie  das  Licht  der  Sonne  oder  des 
Mondes  den  Ranni  durchdringt  und,  z.  B.  auf  den  Finger  fallend, 
durch  diese  Verbindung  mit  einem  Üp&dhi,  indem  der  Finger  sich 
krümmt  oder  streckt,  an  dieser  Veränderung  gleichsam  teilnimmt, 
690  I  während  es  doch  in  Wahrheit  nicht  in  das  Sein  des  Fingers  über- 
geht, —  oder  wie  der  Baum  in  den  Gefafsen,  wenn  diese  sich 
fortbewegen,  sich  gleichsam  mit  fortzubewegen  scheint,  während 
ef  doch  in  Wahrheit  sich  nicht  fortbewegt ,  — ^  oder  wie ,  wenn 
eine  Schüssel  mit  Wasser  erschüttert  wird,  das  in  ihr  sieh  spie- 
gelnde Abbild  der  Sonne  mit  erzittert,  nicht  aber  die  Sonne,  von 
der  es  stammt,  — ^  in  derselben  Weise  geschieht  es,  dafs,  wenn 
ein  durch  das  Nichtyrissen  aufgestellter,  mit  den  Upidhrs  der 
Buddhi  u.  s*  w.  behafteter,  „individuelle  Seele"  genannter  Teil 
Gottes  Schmerz  erleidet,  dodi  Gott  selbst,  dessen  Teil  er  ist,  nicht 
mitleidet.  Und  auch  bei  der  Seele  bemhi,  wie  wir  gezeigt  haben, 
die  Empfindung  des^  Schmerzes  nur  auf  .dem  Nichtwissen.  Und 
dem  entspricht  es,  dafs  die  Vedüintatexte  in  Worten  wie  „das  bist 
„du"  ("Chltnd.  6,  8,  7),  das  Sein  der  individuellen  Seele  ab  ein 
durch  das  Nichtwissen  bedingtes  verwerfen  und  das  Brahmansein 
der  Seele  lehren.  —  Somit  steht  fest,  dafs  bei  dem  Schmerz  der 
individuellen  Seele  die  höchste  Seele  den  Schmerz  nicht  mitempfindet. 


47.    smaranti  ca 
und  auch  die  Smriti  lehrt. 

Und  auch  die  Smriti  eines  Vy&sa  u.  s.  w.  lehrt,  dafs  von  dem 
Schmerze  der  individuellen  Seele  der  höchste  Atman  nicht  betroffen 
wird,  wenn  sie  sagt  (Mahäbh.  12,  18754): 

„Die  höchste  Seele,  ewig,  qualitfttlos, 
„Wird  durch  die  Fracht  der  Werke  nicht  befieckt, 
„Wie  durch  das  Wasser  nicht  das  Lotosblatt. 
„IMe  niedere  aber,  die  werkhafte  Seele, 
„Verknüpft  mit  der  Erlösimg  und  der  Bindung, 
„Wird  in  das  Dasein  immer  neu  verstrickt 
„Durch  der  Organe  siebzehnfache  Schaar.^' 

601  I  In  dem  Worte  „und  auch"  liegt,  dafs  auch  die  Schrift  ebendas- 
selbe lehrt;  z»  B.  wenn  sie  sagt  (Mund.  3,  1,  V: 

„Der  eine  ifst  die  sQfse  Beere, 
„Der  andre  schant  nichtessend  zu;** 


Sfttrun  IL  xn.  47.  437 


und  (K^tk  6»  11): 


,,So  bleibt  die  lim^re  Seele  ailer  Weeen 

y,Tom  Schmens  der  Weltön  uuberOhrt  und  frei.** 

Hier  nnn  erhebt  sich  folgender  Einwand«  Wenn  es  sonach 
doch  nur  eine  innere  Seele  ftr  aUe  Weeen  giebt,  wie  kdnnen 
dann  die  Oebote  und  Verbote,  sei  es  die  weltlichen  oder 
die  Yedischen,  bestehen?  —  'Kon,  wir  haben  ja  auseinander« 
'gesetzt,  dafs  die  Seelen  auch  Teile  Gottes  sind;  sofern  er  nun  sich 
*in  dieselben  ^erteilt  hat,  können  die  Gebote  und  Yerbote,  indem 
'sie  hierauf  sich  beziehen,  ohne  Durchkreuzung  [der  individuell  ge« 
*übten 'Pflichten  und  der  entsprechenden  Belohnungen]  ihren  Lauf 
'haben;  was  bleibt  jeiIso  dabei  zu  fragen?'  —  Antwort:  dem  ist 
nicht  so!  denn  es  giebt  auch  Schriftstdlen,  welche  lehren,  dafs 
die  Seele  nicht  ein  Uofser  Teil  Gottes  sei,  indem  sie  vielmehr  ihre 
Identit&t  mit  Gott  behaupten;  z.  B.  wenn  es  heifst:  „nachdem  er 
„dieses  erschaffen,  ging  er  in  dasselbe  ein'*  (Taitt.  2,  6);  —  „nicht 
„giebt  es  aufser  ihm  einen  Sehenden *'  (Bph.  3,  7»  23),  —  »von 
„Tod  zu  Tode  wird  verstrickt,  wer  ein  Verschiedenes  hier  ^bljokt*' 
<Bph.  4,  4,  19);  —  „das*  bist  du"  (Oh&nd.  6,  8,  7);  —  „ich  bin 
„Brahman"  (Bi-ih.  1,4,  10).  —  'Aber  wir  sagten  ja  doch,  dab 
'die  Seele  gerade  insofern  ein  Teil  von  Brahman  sei,  als  sie  mit 
'ihm  nicht  identisch  und  doch  identisch  sei!*  —  Das  möchte  ab- 
geben, wenn  in  der  Schrift  die  Absicht  bestünde,  beides,  die  Kicht- 
Identität  und  Tdentit^t,  zu  lehren ;  es  besteht  in  ihr  aber  vielmehr 
die  Absicht,  nur  die  Identität  zu  iBhren,  sofern  das  Ziel  des  Men- 
schen dadurch  erreicht  wird,  dafs  er  sich  als  die  Wesenheit  des 
Brahman  erkennt.  Was  hingegen  die  von  Natiir  aus  für  wahr  ge- 
haltene Nichtidcntität  beider  betrifft,  so  wird  diese  von  der  Schrift 
nur  liftls  die  Meinung  des  natürlichen  Menschen]  erwähnt.  Hierzu 
kommt,  dafs  das  Brahman  ohne  Glieder  ist,  dafs  somit  die  Seele  un- 
möglich im  eigentlichen  Sinne  einen  Teil  von  ihm  ausmachen  kann. 
I  Hieraus  folgt,  dafs  es  die  eine  höchste  Seele  selbst  sein  mufs,  692 
welche  als  das  innere  Selbst  aller  Wesen  in  Gestalt  der  individu- 
ellen Seele  besteht.  Somit  bleibt  allerdings  die  Möglichkeit  dei^ 
Gebote  und  Verbote  noch  zu  erklären;  und  dieses  wollen  wir  denn 
jetzo  unternehmen. 

48.   anujM-parikdrau  deha-sambandhäj;  jyoür-ädi-vat 

Gebote  und  Vorbote  durch  die  Verbindung  mit  dena 
Leibe;  wie  bei  dem  Lichte  u.  s.  w. 

Nehmen  wir  denn  ein  Gebot  wie:   „man  soll  zur   rechten  Zeit 
„sein  Weib  besuchen"  und  ein  Verbot  wie:  „man  soll  dem  Weibe 


438  ^lraka-iiiliB&jk8& 

y,d«8  Lehrers  nioht  nahen;*'.  —  oder  ein'  Gebot  wie:  „man  soll 
>,daJi  Opfertier  um  seine  Erlaubnis  fragen ^S  ^^^  ^^  Verbot  wie: 
,^an  soll  keinem  Wesen  etwas  bu  Leide  thnn*';  —  oder  im  welt- 
lichen Sinne  ein  Gebot  wie:  „man  soll  seinem  Freunde  dienen*' 
und  ein  Verbot  wie:  „man  soll  den  Feind  meiden" ,  —  so  kfinnen 
derartige  Gebote  und  Verbote  trots  der  Einheit  der  Seele  bestehen 
„durch  die  Verbindung  mit  dem  Leibe",  d.  h,  weil  die  Seele,  mit 
den  Leibern  yerbunden  ist.  Worin  besteht  nun  diese  Verbindung 
mit  den  Leibern?  Darin,  dafs  in  der  Seele  die  verkehrte  Mei- 
nung sich  bildet:  „dieses  Aggregat  des  Leibes  u.  s.  w.  bin  ich." 
Diese  Meinung  seigt  sieh  bei  allen  lebenden  Weseh  in  dem  Be- 
WttXstsei^:  ,,ich  gehe,  —  loh  komme,  — ^  ich  bin  blind,  —  ich  bin 
tf  sehe  od,  —  ich  bin  verrückt,  — ich  bin  bei  Verstände"  u.  s.  w. 
Denn  diese  Meinung  besteht  ftberall,  wo  sie  nicht  durch  die  voll« 
kommene  Erkenntnis  aufgehoben  ist;  vor  der  vollkonunenen  Er- 
kenntnis aber  erstreckt  sich  dieser  Irrtum  durch  alle  Kreaturen 
hindurch.  Da  dem  so  ist,  so  können,  auch  wenn  man  die  Ein- 
heit der  Seele  annimmt,  sufolge  der  Unterscheidung,  welche  be- 
wirkt wird  durch  die  Verbindung  mit  den  ITp&dhi's,  d.  h.  mit  dem 
durch  das  Nichtwissen  bedingten  Leibe  u.  s.  w.,  die  Gebote  und 
Verbote  bestehen.  —  'Aber  dann  folgt  doch,  dafs  wenigstens  för 
'den,  welcher  die  vollkommene  Erkenntnis  besitzt,  die  .Gebote  und 
'Verbote  bedeutungslos  sind?'  -^  Doch  nicht,  sondern  nur,  weil 
er  den  Zweck  schon  erreicht  hat,  findet  auf  ihn  die  Verpfiiditung 
€93  keine  Anwendung  mehr.  |  Denn  der  Verpflichtete  wird  verpflichtet, 
weil  ein  zu  Meidendes  oder  zu  Erlangendes  vorhanden  ist;  der- 
jenige nun,  welcher  kein  Ding'aufser  dem  Selbste  (ätman)  erblickt, 
fRr  den  also  nichts  mehr  besteht,  was  er  vermeiden  oder  erlangen 
könnte,  kann  nicht  verpflichtet  werden,  denn  das  Selbst  kann  doch 
nicht  in  Bezug  auf  sich  selbst  verpflichtet  werden.  —  'Aber,  ver- 
'pflichtet  wird  doch  ein  jeder,  welcher  das  Hinausreichen  der*Seele 
'über  den  J^eib  [die  Unsterblichkeit,  auf  der  das  vedisohe  Gesetz 
'beruht]  anerkennt?*  —  Doch  nicht l  sondern  nur  dann,  wenn  er 
den  Wahn  hat,  mit  dem  Leibe  verbunden  zu  sein.  Freilich  ist 
es  richtig,  dafs  man  das  Hinausreichen  der  Seele  Über  den  Leib 
anerkennen  mufs,  um  verpflichtet  werden  zu  können;  aber  doch 
nur  derjenige,  welcher  nicht  erkennt,  dafs  die  Seele  so  wenig  mii 
dem  Leibe  verbunden  ist  wie  der  Baum  [mit  den  Geftfsen],  unter- 
liegt dem  Wahne  der  Verpflichtung;  keiner  aber,  der  auch  nur 
die  NichtVerknüpfung  der  Seele  mit  dem  Leibe  erkennt,  unterliegt 
der  Verpflichtung,  wie  viel  weniger  deijenige,  welcher  die  Einheit 
der  Seele  erkennt.  Übrigens  folgt  nicht,  dafs  derjenige, 
welcher  die  vollkommene  Erkenntnis  besitzt,  weil  auf 
ihn  keine  Verpflichtung  mehr  Anwendung  findet,  nun 
wandeln  wird  wie  es  ihm  beliebt;  denn  dasjenige,  was 
zu   allem   Handeln   antreibt,   ist    nur   jener  Wahn,    und 


Stiitmt  TL  m.  4a  439 

dieser  Wahn  besteht  nicht  mehr  bei  dem,  weloher  die 
Tollkommene  Erkenntnis  besitst.  —  Somit  bestehen  [onge* 
achtet  der  Einheit  alles  Seienden  in  dem  Atman»  doch]  die  Ge- 
bote nnd  Yerbote,  znfolge  der  Verbindung  mit  dem  Leibe,  zu 
Becht^  nnd  es  ist  datnit  „wie  bei  dem  Liebte  u.  s.  v.".  D.  h.: 
wie  zwar  das  Licht  eines  ist,  aber  doch  das  fleisohrenehrende 
[Leichen-}Fener  yermieden  wird,  nnd  nicht  das  andere;  —  oder 
wie  das  Sonnenlicht  zwar  eines  ist  nnd  doch,  wo  es  an  unreine 
Orte  scheint,  vermieden  wird,  nicht  aber  anderwärts  an  reinen 
Orten ;  —  und  wie  ebenso  gewisse  erdige.  Substanzen,  wie  der  Dia- 
mant I  und  Beryll  aufgesucht  werden,  w&hrend  hingegen  Menschen-  694 
leichen,  obwohl  auch  sie  aus  Erde  bestehen,  gemieden  werden;  •— 
und  wie  ebenso  Harn  und  Kot  von  E&hen  als  Reinigungsmittel 
angewendet  wird,  während  eben  dieselben  bei  andern  Wesen  yer- 
mieden werden,  —  in  derselben  Weise  yerh&lt  es  sich  in  unserm 
Falle. 

49.    MantateQ  ca  avyaUkarah 
und  Nichtdorchkreozung  wegen  der  Nichterstreckung. 

Es  können  also  die  Gebote  und  Verbote  bestehen,  sofern  die 
Seele,  wiewohl  sie  eine  ist,  sich  mit  yersohiedenen  Leibern  yer- 
bindet.  -—  ^Aber',  so  könnte  man  einwerfen,  'wenn  man  die  fSn- 
'heit  der  Seelen  annimmt,  dann  mufs  doch  die  Verbindung  der- 
'selben  mit  der  Frucht  der  Werke  sich  g^enseitig  durchkreuzen, 
'da  der,  welcher  sie  zu  eigen  hat,  nur  einer  ist?'  —  Aber  dem 
ist  nicht  so ,  „  wegen  der  Nichterstreckung " ,  d.  h.  weil  fftr  die 
handelnde  und  geniefsende  Seele  eine  Erstreckung,  eine  Verbindung 
mit  allen  Leibern,  nicht  besteht.  Denn  die  indiyiduelle  Seele  ist, 
wie  wir  sahen,  nur  durch  die  Up&dhi's  bedingt;  da  diese  sich 
nicht  durch  alles  erstrecken,  so  kann  es  die  individuelle  Seele  auch 
nicht;  und  daher  ist  eine  Durchkreuzung  der  Werke  oder  eine 
Durehkreuzimg  der  Früchte  nicht  möglich. 


50.    ähhäsa^  eva  ca 
nur  ein  Scheinbild  auch. 

Auch   ist  diese   individuelle  Seele    anzusehen    als    ein    blofses 
Scheihbild  der  höchsten  Seele,    vergleichbar   dem  Sonnenbild    im 
Wasser;  sie  ist  nicht  geradezu  jene  selbst,  und  ist  doch  auch  nicht 
ein  von  ihr  verschiedenes  Ding.     Wie  nun  dadurch,  |  dafs  irgend  695 
ein  Sonnenbild  im  Wasser  erzittert,  die  andern  Sonnenbilder  nicht 


440  g&rlrakA^Dha&nsl^ 

miterzittem,  so  braacht  auch  nicht  deswegen,  weil  die  eine  indivi* 
duelle  Seelö  imt  einer  Werkfrucht  Yerbonden  ist,  auch  eine  andere 
damit  verbunden  ^u  sein;  daher  keine  Durchkreuzung  der  Werk- 
fruchte  zu  besorgen  ist.  Weil  aber  jenes  Scheinbild  vom  Nichts 
wissen  erzeugt  wurde,  darum  mufs  auch  der  Sax|XB&ra,  welch^r  auf 
ihm  beruht,  Tom  Nichtwissen  *  erzeugt  sein;  und  daher  kommt  es, 
dafs  schon  durch  die  blofse  Beseitigung  jenes  Kichtwissens  die 
Erkenntnis  sich  ergiebt,  dafs  im  Sinne  der  höchsten  Realit&t  die 
Seele  das  Bridiman  ist. 

Diejenigen  aber,  welche  eine  Vielheit  von  Seelen,  die  sämtlidi 
Allgegenwärtig  seien,  annehmen,  können 'jener  Durchkreuzung  nloht 
entrinnen.  Wir  wollen  zeigen  warum.  —  Die  S&nkhya's  nehmen 
an,  dafs  es  viele,  alldnrchdringende  Seelen  giebt,  welche  ihrem 
Wesen  nach  reine  Geistigkeit,  qualitätlos  und  das  absolut  Höchste 
sind;  dafs  um  ihrer  willen  die  gemeinsame  Urmaterie  vorhanden  ist, 
und  dafs  mit  deren  Hälfe  das  Geniefsen  und  die  Erlösung  der 
Seelen  vollzogen  wird.  —  Hingegen  meinen  die  Anhänger  des 
Kanada,  dafs  die  Seelen,  trotz  ihrer  Vielheit  und  Alldurchdringung, 
doch  ihrem  Wesen  nach  blofse  Substanzen  seien,  welche  an  sich 

696  ebenso  wie  ein  Topf  oder  eine  Wand  |  ohne  Geist  sind,  dafs  diesen 
die  atomartig  kleinen  -und  ebenfalls  ungeistigen  Manas's  zur  Hülfe 
kommen,  und  dafs  nun,  jenaohdem  die  Seelen-Substanzen  und  die 
Manas-Substanzen  sich  verbinden  oder  nicht  verbinden,  die  spe- 
ciellen  Qualitäten  der.  Seele,  die  Zuneigung  u.  s.  w.,  entstehen; 
wenn  nun  diese  Qualitäten,  ohne  sich  zu  durchkreuzen,  den  ein- 
zelnen Seelen  inhärent  bleiben,  so  ist  das  der  Sams4ra  der  Seelen ; 
wenn  hingegen  die  neun -Qualitäten  der  Seele  [welche  sie  annehmen, 
nämlich:  Erkenntnis,  Lust,  Leid,  Zuneigung,  Abneigung,  Wille, 
Gerechtigkeit,  Ungerechtigkeit)  Einbildung]  völlig  zu  entstehen  auf- 
hören, so  erfolgt  die  Erlösung.  —  Was  nun  zunächst  die  San- 
khya's  betrifft,  so  folgt  aus  ihrer  Annahme,  wonach  alle  Seelen 
geistiger  Natur  und  ohne  Unterschied  überall  gegenwärtig  sind, 
notwendigerweise,  dafs  bei  der  Verbindung  einer  einzelnen  Seele 
mit  Lust  und  Schmerz  alle  Seelen  mit  der  Lust  und  dem  Schmerze 
verbunden  sind.  —  'Nun  ja,  aber  da  die  Entfaltung  der  Materie 
*die  Erlösung  der  Purnsha^s  bezweckt,  so  mufs  doch  eine  Isoliert- 
^heit  derselben  angenommen  werden;  denn  sonst  würde  die  Entfal- 
*tung  der  Urmaterie  nur  der  Verherrlichung  ihrer  eigenen  Macht- 
*fülle  dienen,  und  eine  Erlösung  wäre  [ohne  die  Individualität,  der 

^  'Punisha's]  nicht  möglich.*  —  Aber  diese  Aushülfe  ist  ohne  So- 
lidität; denn  die  Isoliertheit  ist  damit  noch  nicht  erwiesen,  dafs 
sie  von  dem  angestrebten  Ziele  untrennbar  ist;  vielmehr  sollte 
die  Isoliertheit  ihrer  Wirklichkeit  nach  irgendwie  aufgezeigt  wer- 
den, und  wenn  sich  deren  Wirklichkeit  nicht  aufzeigen  läfst,  nun, 
dann  ist  es  mit  der  angestrebten  Erlösung  des  Purusha  eben 
nichts,   während   hingegen  aus  der  Unbegründbarkeit  der  Isoliert- 


Satram  II.  tii.  50.  441 

heit  viebnehr  die  Durchkreuzung  folgt«  —  )  Auch  bei  den  An-  697 
bängern  des  Ka^&da  stellt  es  sich  so,  dafa,  wenn  das  Manas 
sich  mit  irgend  einer  Seele  rerbindet,  diese  Verbindung  sich 
nicbt  so  absondern  läfst,  dafs  sie  nicht  zugleich  eine  solche  mit 
andern  Seelen  w&re,  da  alle  ohne  unterschied  überall  zur  Hand 
sind;  ist  abe^  die  Ursache  [die  Verbindung  mit  dem  Manas]  nicht 
abzusondern,  so  ist  es  auch  die  Wirkung  nicht,  und  es  folgt,  dafs 
bei  Verbindung  einer  einzelnen  Seele  mit  Lust  und  Schmerz  alle 
Seelen  gloichmäfsig  von  der  Lust  und  dem  Schmerze  betroffen 
werden. 

'Nun  ja,  aber  kann  nicht  jene  Einschränk^ing  in  dem  Unsicht- 
*  baren  (adfiskfam)  ihren  Grund  haben?  —  Nein,  antwortet  der 
Lehrer,  , 

51.    adrishta-amyamät 
weil  durch  das  Unsichtbare  keine  Einschränkung. 

Während  die  vielen  Seelen  wie  der  Raum  allgegenwärtig  und 
somit  in  aUen  Leibern  ohne  Unterschied  des  Äufseren  und  Inneren 
vorhanden  sind,  soll  doch  durch  Gedanken,  Worte  und  Werke  das 
Unsichtbare,  bestehend  aus  Verdienst  und  Verschuldung,  erworben 
werden.  Bei  den  Sänkhya's  nun  kann  dieses  Unsichtbare,  da  es 
in  der  nicht  der  Seele  inhäriereuden  Urmaterie  sich  befindet,  wegen 
der  Allgemeinheit  der  Urmaterie  nicht  dazu  dienen,  den  Genufs 
der  Lust  und  des  Schmerzes*  auf  die  einzelnen  Seelen  einzu- 
schränken. —  Und  auch  bei  den  Anhängern  des  Kan&da 
tritt  derselbe  Fehler,  den  wir  vorher  bemerkten,  ein:  jdenn  auch 
das  Unsichtbare  kann,  weil  es  aus  der  Verbindung  von  Atman  und 
Maüas  entspringt,  diese  aber  allgemeinsam  ist,  keinen  Grund  für 
die  Einschränkung  abgeben,  dafs  gerade  dieser  Seele  dieses  be- 
stimmte Unsichtbare  angehört. 

'Nun  ja,  aber  wenn  ich  z.  B.  diese  Frucht  zu  erreichen,  jene 
'zu  vermeiden  suche,  wenn  ich  so  und  so  strebe,  so  und  so  ban- 
'dein  möchte ,  so  sind  d^s  doch  Beabsichtigungen  u.  s.  w.,  welche  sich 
'in  den  einzelnen  Seeion  bethätigen,  und  vielleicht  können  diese 
'dazu  dienen,  zwischen  dem  Unsichtbaren  und  den  Seelen  bestimmte 
'Beziehungen  als  Eigentum  und  Eigentümer  festzustellen?*  —  Nein, 
antwortet  der  Lehi'cr,  denn 

52.    (ibhisandhi-ädishu  api  ca  evam  698 

auch  mit  den  Beabeichtigungen  u.  s.  w.  ist  es  ebenso. 

Auch  die  Beabsichtigungen  u.  s.  w.  müssen,  weil  die  Verbindung 
von  Seelen  und  Manas  allgemeinsam  ist,  sich  so  bilden,  dafs  alle 


442  QMraka-inliniös& 

Seelen  dabei  beteiligt  sind,  können  folglich  keinen  Grond  för  die 
Einschränknng  abgeben  nnd  sind  somit  mit  eben  dem  erwähnten 
Fehler  behaftet. 


53.   pradegädy  iti  cen?  nä!   antarhhdvdt 

durch  den  Ort,  meint  ihr?  —  Nein!    wegen  des 

Darinseins. 

.  ,  Man  könnte  einwenden:  'wenn  auch  die  Seele  alldurchdringend 

4gt,  80  wohnt  das  Manas  doch  in  einem  Leibe,  und  mithin  kann 
'die  Verbindung  mit  ihm  nur  an  einem  bestimmten  Orte  der  Seele, 
'nämlich  an  dem,  welcher  durch  den  Leib  umgrenzt  wird,  erfolgen; 
^und  sonach  wird  eine  durch  diesen  Ort  bewirkte  Isoliertheit  der 
'Absichten  u.  s.  w.,  des  Unsichtbaren  und  der  Lust  und  des  Schmeraes 
'stattfinden.'  —  Aber  auch  das  geht  nicht;  warum?  „wegen  des 
„Darinseins'S  d.  h.  weil  alle  Seelen  ohne  Unterschied  alldurch- 
dringend und  folglich  in  allen  Leibern  darin  sind;  unter  diesen 
Umständen  dürfen  die  Yal^eshika^s  nicht  auch  noch  einen  beson- 
deren durch  den  Leib  umgrenzten  Ort  für  die*  Seele  annehmen; 
und  wenn  gleichwohl  für  die  nicht  an  den  Ort  gebundene  Seele 
ein  solcher  Ort  angenommen  wird,  so  ist  dies  eben  eine  blofse 
Annahme  und  kann  daher  nicht  eine  in  Realität  vorhandene  Wir- 
kung einschränken.  Auch  kann  der  Leib,  da  er  in  Gegenwart 
aller  Seelen  entsteht,  nicht  darauf  beschränkt  werden,  dafs  er  nur 
dieser  Seele  und  keiner  andern  angehört.    Und  gesetzt  einmal,  man 

699  gäbe  diese  Bestimmtheit  des  Ortes  zu,  |  so  könnte  es  vorkommen, 
dafs  zwei  Seelen,  wenn  sie  gerade  gleiche  Lust  und  gleichen  Schmers 
«u  geniefsen  hätten,  in  einem  einzigen  Körper  ihren  Genufs  voll- 
brächten [was  widersinnig  ist].  Femer  kommt  es  in  Wirklichkeit 
vor,  dafs  [im  Widerspruche  gegen  obige  Annahme]  das  Unsicht- 
bare zweier  Seelen  sich  an  demselben  Orte  befindet;  so  z.  B.  kann 
es  geschehen,  dafs  Bevadatta  an  einem  bestimmten  Ort«  Lust  und 
Schmerz  empfand,  worauf  sein  Leib  diesen  Ort  verläfst,  und  der 
Leib  des  T^jnadatta  an  denselben  Ort  gelangt  und  die  gleichen 
Empfindungen  der  Lust  und  des  Schmerzes  wie  der  andere  hat; 
dieses  wäre  nicht  möglich,  wenn  sich  das  Unsichtbare  des  Bevadatta 
und  das  des  Tajnadatta  nicht  an  demselben  Orte  befände.  Femer 
könnte,  wenn  das  Unsichtbare  an  einen  bestimmten  Ort  gebunden 
wäre,  ein  Geniefsen  im  Himmel  u.  s.  w.  nicht  stattfinden;  denn 
das  Unsichtbare  hätte  sich  an  dem  Orte  gebildet,  wo  der  Leib 
des  Brahmanen  u.  s.  w.  sich  befände,  während  der  Genufs  des  Him- 
mels u.  s.  w.  an  einem  andern  Orte  vor  sich  ginge.  —  Endlich 
aber  ist  bei  einer  Vielheit  von  Seelen  eine  Allgegenwart  derselben 


S6tram  U.  m.  68.  443 

überbaupt  gar  nicht  mögliA,  weil.es  daiür  kein  Beispiel  giebt. 
Oder  sage  selbst,  was  das  f^r  eine  Yielheit  sein  soll,  die  sich  lu- 
' gleich  an  demselben  Orte  befinden  könnte?  |  Meinst  da  etwa,  dafs  7(K> 
dies  a.  B.  bei  den  Farben  and  den  übrigen  [Qualitäten]  der  Fall 
sei?  Doch  wohl  nicht!  Denn  wenn  diese  auch  in  Hmsicht  des 
Qaalitätenträgers  [dem  sie  inh&rieren]  nngesohieden  sind,  so  sind 
sie  doch  geschieden  in  Hinsicht  ihrer  Merkmale^  bei  den  als  Tiel* 
heitlich  angenommenen  Seelen  findet  aber  auch  eine  solche  Ge- 
schiedenheit der  Merkmale  nicht  statt.  —  Oder  meinst  da,  dafs 
die  Gesdbiedenheit  der  Seelen  aaf  einer  nranfönglichen  (aiü$fa)  Ver- 
schiedenheit derselben  beruhe?  Auch  das  geht  nicht,  weil  dabei 
die  Annahme  der  Geschiedenheit  auf  der  der  uranf&nglichen  Yer- 
schiedenheit,  und  die  Annahme  der  uranfänglichen  Verschiedenheit 
wiederum  auf  der  der  Geschiedenheit  beruht. 

Übrigens  gilt  [nicht  nur  die  Alldurchdringung  der  Seelen,  son- 
dern] auch  die  Alldurchdringung  des  Baumes  u.  s.  w.  dem  Anh&nger 
der  Brahmanlehre  für  unerwiesen  (p.  624,  5  Seite  S91),  weil  er 
den  Raum  als  eine  Wirkung  [ein  Erschaffenes]  betrachtet. 

Somit  xeigt  sich,  dafs  nur  die  Annahme  einer  Einheit  der 
Seele  von  allen  Fehlem  frei  ist. 


So  lavtot  ia  dem  Kommentor«  sux  «rUuoliton  ()SdHr«fta  -  mftnaAM ,  d«m  Werk«  der 
▼«r«te«aig«würtiig«]i  FftTte  d««  ^oxitara,  im  iweitoa  Adkffiifa  der  dziito  Pada, 


Des  xweiten  AdhyAya 

VIERTER  PADA. 


Omi    Terehrnng  data  taöobsten  Ätman? 


ErstcB  Adhikaranam. 

701  1.    tajtM  prAn^  ' 

ebenso  die  Lebensorgane. 

Die  Widersprüche  der  Schriftstellen  in  Betreff  des  /.thers  (Rau- 
mes) und  der  ührigen  Elemente  sind  im  dritten  Vkis^  gehoben 
i^orden;  im  vierten  sind  nunmehr  diejenigen  in  Betreff  der  Lebens- 
organe zu  heben.  —  Zunächst  also  wird  in  Stellen  wie :  „dasselbige 
„erschuf  das  Feuer *^  (Chand.  6,  2,  3)  und:  „fürwahr  aus  diesem 
„Ätman  ist  der  Äther  entstanden"  (Taitt.  2,  1),  wo  die  Welt- 
Schöpfung  abgehandelt  wird,  eine  .Entstehung  der  Lebenaorgasie 
nicht  erwähnt.  Ja,  zuweilen  wird  erwähnt,  dafs  dieselben  unent- 
standen  seien;  so  wenn  es  heilst:  „Nichtseiend  fürwahr  war  diese 
„Welt  zu  Anfang.  Da  sagen  b!o:  was  war  denn  dieses  Nichtsei- 
„ende?  —  Wahrlich,  jene  Rishi^s  war  das  Nichtseiende  zu  An- 
„fang.  —  Da  sagen  sie:  wer  sind  jene  Rishi's?  —  Fürwahr,  die 
„RiBhi's  sind  die  Lebensorgane  ^*  (C'^tap.  br.  6,  1 ,  1,  1).  Hier 
702  wird  gelehrt,  dafs  die  Lebensorgane  vor  der  Weltschöpfung  |  seiend 
vorhanden  gewesen  seien.  Au  andern  Stellen  hinwiderum  wird 
eine  Schöpfung  auch  der  Lebensorgane  gelehrt:  „wie  aus  dem 
„Feuer  die  winzigen  Fünklein  entspringen,  also  auch  entspringen 
„aus  diesem  Atman  alle  Lebensgeister"  (Brih.  2]  1|  20);   —  ,iaus 


Sfttnwn  II.  IV.  I.  445 

„ihm  entsteht  der  Odem,  der  Verstand  und  alle  Sinne^'  (Mund.  2, 1, 3); 
• —  „die  sieben  Hauche  sind  aus  ihm  entsprungen''  (Mund.  2,  1,  8);    * 
—  „da  schuf  er  den  Odem,  aus  dem   Odem  den   Glauben,    das 
„Offene,  den  Wind,  das  Feuer,  das  Wasser,  die  Erde,  das  Sinnest- 
„organ,  das  Hanas  und  die  Nahrung'^  (Pragna  6,  4).    Da  die  Schrift- 
steilen  hier  und  anderweit  sich  darüber  widersprechen,   uftd  ein 
Grund,  sich  für  das  eine  oder  das  andere  zu  entscheiden,  nicht  er- 
sichtlich ist,   so  liefse  sich  annehmen,  'dals  hierüber  nichts  fest- 
^steht' ;  oder  auch  man  könnte  annehmen,  'da  eine  Schriftstelle  die 
'Lebensorgane  vor  der  Weltschöpfung  als  seiend  yoiiianden   lehre, 
'so  sei  die  Stella  von  der  Schöpfung   der  Lebensorgane  uueigent- 
'lieh  aufzufassen'.  —  Darauf  bemerkt  der  Lehrer:  „ebenso  die  Le- 
„bensorgane".     Aber  wie  ist  hier  das  Wort   „ebenso"   zurechtzu- 
legen,  da  ein  Vergleichbares  im  Vorhergehenden  nicht  vorhanden 
ist?     Am  Schlüsse  des  unmittelbar  vorhergehenden  Pftda  handelte 
es  sich  um  eine  Kritik  der  Behauptung,  dafs  es  eine  Vielheit  all- 
gegenwärtiger Seelen  geben  könne.     Das  kann   schon    nicht    das 
Vergleichbare  sein,  weil  die  Ähnlichkeit  fehlt;  denn  nur  wo  eine 
Ähnlichkeit  |  vorliegt,  ist  ein  Vergleich  möglich,  wie  wenn  man  703 
sagt:  Balavarman  ist  gleichwie  eiin  Löwe.  —  Man-könnte  meinen: 
'der  Vergleich  bezwecke,  die  Ähnlichkeit  mit  dem  „Unsichtbaren'^ 
'hervorzuheben;  so  wie  nämlich  das  Unsichtbare,  weil  ^s  in'Gegen- 
'wart  aller  Seelen  entspringe,  nicht  individuell  bestimmt  sei,  eben- 
'80  seien  auch  die  Lebensorgane  der  Gesamtheit  der  Seelen  gegen- 
'flber  nicht  individuell  bestimmt.'  —  Aber  auch  das  ist  schon  da- 
mit, dafs  die  Leiber  nicht  individuell  bestimmt  sind,-  ausgedrückt, 
wäre  also   eine  blolse  Wiederholung.     Weiter  kann  es   aber  auch 
nicht  die  individuelle  Seele   sein,    mit  welcher  die  Lebensorgaue 
verglichen  werden,  weil  dem  die  endgültige  Meinung  widerspricht, 
nach  welcher  die  individuelle  Seele  für  unentstanden  erklärt  wird, 
während    für    die  Lebensorgane   gerade    eine  Entstehung    gelehrt 
werden  soU.     Somit  scheint  es,  dafs  das  Wort  „ebenso"  ohne  Zu- 
sammenhang steht.     Aber  dem  ist   doch  nicht  so,  denn   die  Ver- 
bindung kann   sich  auch  auf  ein   solches  Vergleichbare  bezieben, 
welches  citatweise  herangezogen  wird.    Nun  findet  sich  ein  Schrift- 
wort citiert,  welches  die  Entstehung  der  Lebensorgane  behauptet, 
nämlich  das  Wort:  „also  auch  entspringen  aus  .diesem  Ätman  alle 
„Lebensgeister,  alle  Welten,  alle  Götter  und  alle  Wesen"  (Bfih.  2, 
1,  20);  hier  ist  der  Sinn:  so  wie  die  Welten  u.  s.  w.  aus  dem  höch- 
sten Brahman  entspringen,  ebenso  auch  die  Lebensorgane.  |  Auch  704 
heifst  es:  „aus  ihm  entsteht  der  Odem,  der  Verstand  und  alle  Sinne; 
„aus  ihm  entstehen  Äther,  Wind  und  Feuer,  das  Wasser  und,   all- 
„tragende,   die  Erde"  (Mui^^*  ^i  1«  ^)\   ^^^^  hier,   so  liefse   sich 
die  Sache   auffassen,  wird,   ebenso  wie   für  den  Äther  u.  s.  w., 
auch  für  die  Lebensorgane  eine  Entstehung  gelehrt.    Oder  vielleicht 
kann  man  es  machen,  wie  an  der  Stelle:  „und  das  Mifsgeschick 


*o' 


446  Qlkrlnatt-]iiiiii&nB& 

„beim  Trinken,  so  wie  dieses^'  (Jaim.  3,  4,  32),  wo  ebenfalLs  eine 
Verbindung  mit  einem  davon  entfernt  stehenden  Terglttchbaren 
[nämlich  mit  Jaim.  3,  4,  28]  in  Anwendung  gebracht  wird,  and 
,80  auch  hier  die  Sache  folgendermafsen  sorechtlegen :  so  wie  die 
SU  Anfang  des  Toibergehenden  P&da  besprochenen  Elemente,  Baum 
n.  s.  w.,  als  Umwandlungen  des  höchsten  Brahman  erkannt  wurden, 
—  „ebenso"  sind  auch  die  Lebensorgane  Umwandlungen  des  hdch- 
sten  Brahman.  —  'Aber  was  f&r  ein  Grund  ist  dafür,  dafs  sie  es 
'sind?'  —  Nun,  weil  die  Schrift  es  lehrt.  <-—  'Aber  wird  nicht, 
'wie  gesagt,  an  manchen  Stellen  [die  von  der  Weltschöpfung  han- 
'deln]  die  Entstehung  der  Lebensorgane  nicht  gelehrt?'  —  Dieses 
Bedenken  ist  unangemessen,  weil  sie  an  andern  Stellen  gelehrt 
wird;  denn  wenn  irgendwo  etwas  nicht  gelehrt  wird,  so  wird  da- 
durch nicht  ausgeschlossen,  dafs  es  an  einem  andern  Orte  gelehrt 
werden  könne.  Es  bleibt  also  dabei,  dafs  so  wie  der  Raum  u.  s.  w. 
auch  die  Lebensorgane  entstanden  sind,  weil  es  eben  wohl  Yon 
der  Schrift  gelehrfc  wird. 


705  2.    gaunt'Ctöambhavät 

^egen  der  Unmöglichkeit  [der  Auffassung   der  Stelle 

als]  einer  uneigentlichen. 

Wenn  hingegen  behauptet  wurde,  dafs  die  Entstehung  der  Le- 
bensorgane uneigentlich  zu  verstehen  sei,  weil  eine  andere  Stelle 
sie  vor  der  Weltschöpfung  schon  als  seiend  bezeichnet,  so  ist  dar- 
auf zu  erwidern:  „wegen  der  Unmöglichkeit  [der  Auffassung  der 
„Stelle  als]  einer  uneigentlichen",  wobei  ffaw^ii'asafnbhavdt  so  viel 
ist  wie  gauityä'  asambhavät  Nämlich  die  Schriftstelle  Ton  der 
Schöpfung  der  Lebensorgane  kann  nicht  uneigentlich  yerstanden 
werden,  weil  sonst  ein  Nichterfülltwerden  der  Yerheifsung  eintreten 
wurde.  Denn  nachdem  in  den  Worten:  „was  mufs,  o  Ehrwürdi- 
„ger,  erkannt  sein,  damit  diese  ganze  Welt  erkannt  sei"  (Mund.  1,1,3) 
yerheifsen  worden,  dafs  mit  Erkenntnis  de^  einen  alles  erkannt 
werden  solle,  so  heifst  es  zur  Erfüllung  dieser  Yerheifsung:  „aus 
„ihm  entsteht  der  Odem"  u.  s.  w.  (Mund.  2,  1,  3).  Diese  Yer- 
heifsung wird  nur  dann  erfüllt,  wenn  die  ganze  Welt  mit  Einschlufs 
der  Lebensorgane  eine  Umwandlung  des  Brahman  ist,  indem  ja 
eine  Umwandlung  nicht  über  ihren  Urstoff  hinaus  besteht.  Ist  hin- 
gegen die  Stelle  von  der  Entstehung  der  Lebensorgane  uneigentlich 
zu  fassen,  so  bleibt  jene  Yerheifsung  unerfüllt.  Hierzu  kommt, 
dafs  weiterhin  das  [als  zu  erkennen]  Yerheifsene  zusammengefafst 
wird  in  den  Worten:  „Geist  nur  ist  dieses  All,  . . .,  die  Bufse,  Brah- 
„man  und  das  HöchstuusterbUche**  (Mund.  2,  1,  10)  und:  „Brah- 


8toam  ü.  vr.  2.  447 

„man  allein  ist  dieses  Weltall,  |  dieses  Herrliohste"  (Mond.  2,  2,  11).  706 
Ähnlioh  heilst  es:  ^,wer  das  Selbst  sieht,  hört,  (flberdenkt  und  er- 
„f erseht,  der  hat  diese  ganze  Welt  erkannt''  (Bph.  2,  4,  6);  — 
mit  diesen  nnd  &hnliohen  Schriftstellen  hat  man  jene  Yerheilirang 
in  Verbindung  an  bringen.  Aber  wie  steht  es  nut  der  Stelle,  nach 
welcher  die  Lebensorgane  vor  dem  Weltorsprung  als  seiend  be- 
zeichnet werden?  Sie  betrachtet  die  Lebensorgane  nicht  als  den 
absoluten  Urstoff,  ' —  denn  von  dem  absoluten  ürstofTe  wird  in 
der  Stelle:  „der  odemlose,  manaslose,  reine,  noch  höher  als  das 
„höchste  Unyergängliche''  flfu^^«  ^>  !•  2)  versichert,  dafs  er  von 
allen  Untersohiäen  des  Oaems  u.  s.w.  frei  sei,  -*-  sondern  nur 
als  einen  relativen  Urstoff,  denn  nur  mit  Beaug  auf  die  aus  den 
Lebensorganen  entstandenen  Umwandlungen  wird  versichert,  dafs 
vor  deren  Ursprung  die  Lebensorgane  seiend  vorhanden  gewesen 
seien;  so  muTs  man  es  auffassen,  weil  die  Schrift  und  die  Smpti 
das  Yerh&ltnis  von  Urstoff  und  Umwandlung  nicht  selten  auf  die 
verschiedenen  Zust&nde  solcher  Dinge  beziehen,  welche  dem  Be- 
reiche des  Erschaffenen  angehören.  —  Man  merke:  in  dem  Kapitel 
vom  Äther  (Sütram  2,  3, 1 — 7)  wurden  die  Worte  ffauni  cisambhavdd 
(2,  3,  3),  weil  sie  der  gegnerischen  Meinung  angehörten,  erkl&rt: 
„uneigentlich  ist  die  Stelle  von  der  Entstehung  zu  nehmen,  wegen 
„der  Unmöglichkeif,  und  die  endgttltige  Meinung  wurde  daraus, 
dafs  die  Verheifsung  nicht  unerföÜt  bleiben  dfirfe  (2,  3,  6),  ge- 
folgert; hier  hingegen  kommt  dasselbe  Sütram  als  endgültige  Meinung 
vor  und  war  daher  zu  erkl&ren:  „wegen  der  Unmöglichkeit,  die 
„Stelle  von  der  Entstehung  uneigentlich  zu  nehmen."  Wer  hin- 
gegen der  Obereinstimmung  zuliebe  auch  hier  erklären  wollte:  „un- 
„eigentlich  ist  die  Stelle  von  der  Entstehung  zu  nehmen,  ivegen 
„der  Unmöglichkeit",  der  würde  dabei  übersehen,  dals  die  Ver- 
heifsung dann  unerfüllt  bleiben  würde. 


3.    t(U''präk'Qruteh  707 

weil  von  ihnen  vorher  das  Wort. 

Auch  darum  ist  die  Schriftstelle  von  dem  Entstehen  bei  den 
Lebensorganen  ebenso  wohl  wie  bei  dem  Äther  u.  s.  w.  eigentlich 
aufzufassen,  weil  ein  und  dasselbe,  die  Entstehung  anzeigende 
Wort  „entsteht",  nachdem  es  vorher  von  den  Lebensorganen,  ge- 
braucht war,  im  Weiteren  auch  auf  den  Äther  u.  s.  w.  bezogen 
wird  in  der  Stelle:  „aus  ihm  entsteht  der  Odem"  u.  s.  w.  (Mund.  2, 
1,  3).  Dafs  hierbei  die  Entstehung  des  Äthers  u.  s.  w.  eigentlich 
zu  nehmen  sei,  haben  wir  festgestellt  (Sütram  2,  3,  1  fg.);  und 
aus  Analogie  damit  kann  auch  bei  den  Lebe^organen  die  Ent- 
stehung nur  alu  eine  eigentliche  gefafst  werden.     Denn  wenn  wie 


*  i'* ' 


448  '     Q&riraka-in)m&nB& 

hier  in  demselben  Kapitel  und  in  demselben  Satze  ein  und  das- 
selbe Wort  einmal  yorkommt,  aber  sich,  auf  mehreres  bezieht,  so 
kann  es  nicht  das  eine  Mal  eigentlich  und  das  andere  Mal  uneigent- 
lich aufgefafst  werden,  weil  dieses  eine  Inconcinnitat  (vairüpyam) 
Bein  würde.  In  'gleicher  Weise  wird  auch  in  der  Stelle:  „da  er- 
„sohuf  er  den  Odi^m,  aus. dem  Odem  den  Glauben"  u.  s.  w.  (Pra^a 
6,  4)  das  Wort  „erschuf '  bei  den  Lebensorganen  [dem  Odem]  ge- 
setzt und  zugleich  auf  die  weiterfolgenden  Schöpfungsprodukte,  den 
Glauben  u.  s.  w.,  bezogen.  Dieselbe  Regel  gilt,  wo  ein  die  Schö- 
pfung bedeutendes  Wort  a)n  Schlüsse  steht  und  auf  die  vorher- 
genannten  Dinge  bezogen  wird,  z.  B.  in  der  Stelle:  „[also  auch  ge^ 
„schiebt  es,  döfs  aus  diesem  Atman  alle  LebeuBgeister,  alle  Welten, 
„idle  Götter]  alle  Wesen  entspringen"  (B|ih.  2,  1,  20),  wo  das 
Wort  „entspringen"  am  Ende  steht  und  auch  auf  £e  Torher- 
erw&hnten  Lebensorgane  u.  s.  w.  sich  bezieht. 


4.    tat'pürvakatvdd  vdcak 
weil  jene  vorhergehen  vor  der  Rede. 

V 

Wenn  auch  in  dem  Abschnitte:  „dasselbige  erschuf  das  Feuer" 
(Ch&nd.  6,  2,  3)  die  Schöpfung  der  Lebensorgane  nicht  vorkommt, 
indem  nur  die  Rede  ist  von  einer  Schöpfung  der  drei  Elemente, 
708  Feuer,  Wasser  und  Nahrui^,  |  so  läfst  sich  doch  daraus,  dafs  die 
aus  Brahman  entstandenen  Elemente,  Feuer,  Wasser  und  Nahrang, 
vor  ihnen  erwähnt  werden,  auch  für  Rede,  Odem  und  Manas  und, 
ans  Analogie  mit  ihnen,  fär  alle  Lebensorgane  ein  Entstandensein 
aus  Brahman  erweisen.  So  nämlich  wird  in  diesem  Abschnitte  die 
Priorität  von  Feuer,  Wasser  und. Nahrung  vor  Rede,  Odem  und 
Manas  gelehrt,  wenn  es  heifst:  „denn  nahrungsartig  ist,  o  Teurer, 
„das  Manas,  wasserartig  der  Odem,  feuerartig  die  Rede"  (Chänd. 
6,  5,  4).  Entweder  ist  hier  die  Nahrungsartigkeit  u.  s.  w.  der 
Lebensorgane  eigentlich  zu  nehmen;  dann  resultiert  schon  hieraus, 
dafs  sie  aus  Brahman  entstanden  sind.  Oder  sie  ist  uneigentlich 
zu  nehmen;  und  auch  dann  folgt,  weil  sie  innerhalb  der  aus  Brah- 
man entstandenen  Weltentfaltung  in  Namen  und  Gestalten  erwähnt 
werden,  —  weil  es  femer  zu  Anfang  hiefs:  „wodurch  das  Un- 
„gehörte  ein  schon  Gr^hörtes  wird"  (Ch&nd.  6,  1,  3)^  und  zum 
Schlüsse  „dessen  Wesens  ist  dieses  Weltall"  (Chänd.  6,  8,  7),  — 
und  weil  die  Sache  durch  andere  Schrifbstellen  bestätigt  wird,  — 
dafs  Manas  u.  s.  w.  als  nahrungsartig  u.  s.  w.  hier  eben  deswegen 
bezeichnet  werden,  weil  ihr  Entstandensein  aus  Brahman  dargelegt 
werden  soll.  —  Auch  hieraus  also  folgt,  dafs  die  Lebensorgane 
eine  Umwandlung  des  Brahman  sind. 


Sütram  IL  xv.  5.  449 


Zweites  Adhikaranam. 


5.    sapta,  gater  viQeshüatväc  ca 
sieben,  wegen  des  Ganges  und  der  Specifikation. 

Der  Widerspruch  der  Schrift  in  Bezug  auf  die  Entstehung  der 
Lebensorgane  ist  gehohen,  |  und  es  bleibt  noch  der  in  Bezug  auf  709 
ihre  Anzahl  zu  heben.  Was  ntui  den  Hauptlebensodem  (inukhya 
prchjta)  betrifft,  so  wird  von  diesem  der  Lehrer  weiter  unten  reden ; 
jetzt  wii;ft  er  zunächst  nur  die  Frage  auf,  wie  viele  der  übrigen 
Lebensorgane  sind.  Hierüber  besteht  Zweifel,  weil  die  Schrift  sich 
widerspricht.  Zuweilen  werden  sieben  Lebensorgane  erwähnt:  „die 
„sieben  Hauche  sind-  aus  ihm  entstanden"  (Mund.  2,  1,  8);  —  zu- 
weilen kommen  acht  Lebensorgane  in  ihrer  Eigenschaft  als  die 
Halter  [d.  h.  Fesseln  der  Seele]  vor:  „acht  Halter  sind  und  acht 
„Gegenhalter*'  (Brih.  3,  2,  1);  —  zuweilen  neun:  „sieben  fürwahr 
,,sind  der  Organe  am  Kopfe  und  zwei  unterhalb*'  (Taitt.  samh. 
5,  3,  2,  5);  —  zuweilen  zehn:  „neun  fürwahr  sind  der  Organe  am 
„Menschen,  und  der  Nabel  ist  das  zehnte"  (Taitt.  samh.  5,  3,  2,  3) ;  — 
zuweilen  elf:  „es  sind  die  zehn  Lebensorgane  am  Menschen,  und  der 
„Atman  als  elftes"  (Bph.  3»  9,4);  —  zuweilen  zwölf,  nämlich  in 
der  Stelle :  „  er  ist  der  Einheitsort  aller  Tastempfindungen  als  die 
„Haut"  (Brih.  2,  4,  11);  —  zuweilen  dreizehn;  nämlich  in  der  Stelle: 
„das  Auge  und  das  Sehende*'  (Pragna  4,  8).  In  dieser  Weise  stehen 
die  Schrifttexte  in  Bezug  auf  die  Anzahl  der  Lebensorgane  mit- 
einander in  Widerspruch. 

Jingenommen  also,  'es  gebe  nur  sieben  Lebensorgane;  warum? 
^„wegen  des  Ganges",  d.  h.  weil  auf  so  viele  der  Gang  von  Schrift- 
'stellen  führt,  wie:  „die  sieben  Hauche  sind  aus  ihm  entstanden" 
'(Mund.  2,  ij  6).  Auch  werden  diese  specificiert,  da  wo  es  heifst: 
'„sieben  fürwahr  sind  der  Organe  am  Kopfe"  (Taitt.  samh.  5,  3,  2, 6).' 
—  Aber  heifst  es  nicht  auch:  „sie  als  je  sieben  sind  geborgen  in 
„der  Höhle"  (Mund.  2,  1,  8),  |  und  läfst  der  hier  vorkommende  710 
distributive  Gebranch  nicht  darauf  schliefsen,  dafs  es  mehr  als 
sieben  Ijebensorgane  gebe?  —  'Doch  nicht!  denn  dat»  distributive 
'Verhältnis  bezieht  sich  hier  auf  die  Vielheit  der  Menschen  und 
'besagt,  dafs  es  an  jedem  Menschen  je  sieben  Organe  göbd,  nicht 
'auf  die  Vielheit  der  Wesenheiten,  als  wenn  es  in  Gruppen  zu 
'je  sieben  andere  und  'wieder  andere  Organe  gäbe.*  —  Aber  es 
wurde  ja  auch  eine  Achtzahl  u.  s.  w.  von  Organen  erwähnt:  wie 
kommt  CS,  dafs  ihrer  nur  sieben  sein  sollen?  —  'Das  ist  wahr; 
'aber  wegen  des  Widerspruches  mufe  man  doch  bei  eiuer  oder  der 

BKVUunr,  VedAuU.  29 


1 


450  Qürlraka-inlnUL&sfc 

'andern  Zahl  stehen  bleiben,  und  da  empfiehlt  es  rieh,  der  ein- 
'facheren  Annahme  zuliebe  (liee:  anurodhät,  vgl.  711,  1)  bei  der 
'Siebenzahl  stehen  zu  bleiben,  indem  man  die  andern  in  *  der  Schrift 
'vorkommenden  Zahlen  auf  Verschiedenheiten  in  den  Funktionen 
'bezieht.'  —  Hierauf  dient  zur  Antwort: 


6.    hasta-^ädayas  tu;  sthite,  'to  na  evam 

> 

vielmehr  die  H&nde  u.  8.  w.;  da  dies  feststeht,  so  ist 

es  folglich  nicht  an  dem. 

Es  werden  Tielmehr  auTser.  jenen  sieben  noch  andere  «Lebens- 
Organe,  wie  z.  B.  die  Hände  u.  s.  w.,  erwähnt  in  Schriftstellen  wie: 
„die  Hände  fürwahr  sind  ein  Halter;  dieser  wird  durch  das  Werk 
„als  Gegenhalter  gehalten,  denn  durch  die  Hände  thut  man  das 
„Werk"  (Brih.  8,  2,  8);  —  „da  dies  feststeht",  dafs  es  mehr  als 
sieben  giebt,  so  kann  man  die  Siebenzahl  so  zurecht  legen,  dafo 
sie  darin  einbegriffen  wird;  denn  wo  ein  Widerspruch  zwischen 
einer  kleineren  und  gröfseren  Zahl  vorliegt,  mufs  man  die  grölsere 
Zahl  festhalten,  weil  in  ihr  die  kleinere,  nicht  aber  in  der  kleineren 
711  die  gröfsere  enthalten  ist;  |  und  „so  ist  es  folglieh  nicht  an  dem*^ 
dafs  man  der  einfacheren  Annahme  zuliebe  nur  sieben  Lebensoi^^e 
annehmen  darf.  Vielmehr  mufs  man  der  gröfseren  Zahl  zuliebe 
die  Lebensorgane  in  der  Elfzahl  festhalten,  und  für  sie  spricht 
auch  die  angeführte  Schriftstelle:  „es  sind  die  zehn  Lebensorgane 
„am  Menschen,^  und  der  Ätman  als  elftes**  (Brih.  3,  9,  4),  wo  unter 
dem  Worte  „Atman"  das  Innenorgan  [d.  h.  das  Manas]  zu  yer- 
stehen  ist,  indem  es  sich  hier  um  Organe  handelt.  —  'Aber  wurden 
'nicht  auch  mehr  als  elf  Organe,  nämlich  zwölf  und  dreizehn  an* 
'geführt?'  —  Allerdings  wurden  sie  angeführt,  aber  es  £^ebt  doch 
nur  elf  ilatürliche  Verrichtungen  und  keine  weitere  natürliche  Ver- 
richtung, um  deren  willen  man  ein  weiteres  annehmen  müfste. 
Nämlich  es  giebt  fünf  Unterarten  des  Erkennens,  das  Hören,  Fühlen, 
Sehen,  Schmecken  und  Riechen;  auf  diese  beziehen  sich  die  fünf 
Erkenntnisorgane.  Femer  giebt  es  fünf  Unterarten  des  Handelns^ 
nämlich  das  Reden,  Greifen,  Wandeln,  Entleeren  und  Zeugen; 
auf  diese  beziehen  sich  die  fünf  Thatorgane.  Endlich  ist  da  noch 
das  auf  alle  Zwecke  bezügliche,  die  Dreiheit  der  21eiten  [Ver- 
gangenheit, Gegenwart  und  Zukunft]  umspannende  Manas,  welchas 
eines  ist,  jedoch  verschiedene  Funktionen  hat,  daher  es  wegen 
der  Vielheit  seiner  Funktionen  zuweilen  wie  ein  VielheitUohes, 
nämlich  als  Manas,  Buddhi,  Ahankära  (Ich-Bewufstsein)  und  Gittam 
(Denken)  aufgefafst  wird.  Dem  entsprechend  zählt  auch  die  Sdirift 
die  mannigfaltigen  Funktionen  desselben,   das  Verlangen  u.  s.  w., 


SAtram  IL  rr.  6.  451 

auf  and  filgt  hinau:  „alles  dies  ist  nur  Manms"  (Brih.  1,  5,  3). 
Hiansu  kommt,  dais,  wer  nur  die  sieben  Organe  am  Kopfe  an- 
nehmen wollte,  in  Walurbeit  deren  yier  annehmen  würde,  indem 
an  der  beireffenden  Stelle  diese  vier  wegen  ihrer  örtlichen  Trennung 
als  sieben  aufgezählt  werden  in  den  Worten:  „swei  Ohren,  zwei. 
„Augen,  I  zwei  Nasenlöcher  und  ein  Mund"  (Taitt  sanih.  5,  3,  2,  6).  713 
Man  kann  sich  aber  nicht  auf  diese  beschränken  und  die  übrigen 
Lebensorgane  als  specielle  Funktionen  derselben  betrachten,  indem 
s.  B.  die  Funktion  dar  Hände  u.  s.  w.  Ton  ihnen  g&nzUch  yer- 
schieden  ist.  —  Femer  wenn  es  heilst:  „neun  fOrwahr  sind  der 
Organe  ant  Menschen  und  der  Nabel  ist  das  zehnte''  (Taitt.  sai{ih. 
6,  3,  2,  3) ,  so  werden  hier  zehn  Organe  genannt  ^in  der  Absicht, 
die  verschiedenen  Öffnungen  des  Leibes  aufzuzählen,  nicht  aber, 
die  verschiedenen,  wirklich  voriumdenen  Lebensorgane  zu  bezeichnen, 
wie  daraus  ersichtlich,  dals  der  Nabel  als  zehntes  gezählt  wird. 
Denn  der  sogenannte  Nabel  ist  keineswegs  als  eines  der  Lebens- 
organe zu  betrachten;  vielmehr  ist  der  Nabel  ebenfalls  nur  als 
einer  der  bestimmten  Standorte  des  Hauptlebensodems  anzusehen, 
daher  er  hier  als  zehntes  gezählt  wird.  Überhai^^t  mufe  man  be- 
denken, dafs  häufig  nur  gewisse  Leb^Morgane  zum  Zwecke  der 
Yerehrung  aufgezählt  werden,  und  häufig  wiederum  [sämtliche] 
zum  Zwecke  der  Belehrung;  hieraus  entspringen  die  mannigfaltigen 
Angaben  über  die  Anzahl  der  Lebensorgane,  und  man  muTs  dabei 
unterscheiden,  wo  und  in  welcher  Absicht  eine  derartige  Angabe 
vorkommt.  In  Anbetracht  der  Anzahl  der  natürlichen  Yerrichtungen 
aber  mufs  man  die  Erwähnung  der  Elfsahl  in  Betreff  der  Organe 
als  die  Richtschnur  festhalten,  das  steht  fest. 

Hier  folgt  noch  eine  andere  Auslegung  der  beiden 
letzten  Sütra's.  —  'Es  müssen  nur  sieben  Lebensorgane  sein,  weil 
'nur  von  sieben  die  Schrift  den  „Gang"  erwähnt  in  der  Stelle:  „wenn 
'„er  auszieht,  so  zieht  das  Leben  mit  ihm  aus,  und  wenn  das  Leben 
'„mit  ihm  auszieht,  so  ziehen  alle  Lebensorgane  mit  ihm  aus" 
(Brih.  4,  4,  2).*  —  Aber  hier  ist  doch  von  „sllen"  Lebensorganen 
die  Bede;  warum  soll  denn  gerade  nur  von  sieben  das  Aus- 
ziehen angenommen  werden?  —  'Das  Sütram  antwortet:  „wegen 
'„der  Specifikation";  d.  h.  nur  sieben  Lebensorgane  vom  Auge  an 
'bis  zur  Haut  werden  hier  im  Vorhergehenden  spe^fici'ert,  |  wo  es  713 
'heifst:  „der  Geist  aber,  der  im  Auge  wohnt,  kehrt  nach  auswärts 
'„zurück;  alsdann  erkennt  einer  keine  Gestalt  mehr;  weil  er  zur 
'„Einheit  geworden  ist,  darum  sieht  er  nicht,  so  meinen  sie", 
'woran  sich  dann  die  weitere  Aufzählung  anschlielst  (Bph.  4,  4,  1).. 
'Auf  dieses^Yorhergegangene  bezieht  sich  der  Aiudruck  „alle  Lebens- 
'„organe";  ähnlich  wie  in  dem  Satze:  „aQe  Brahmanen  sind  ge- 
'„speist  worden"  durch  das  Wort  „alle"  nur  gesagt  sein  soll,  dafs 
'die  in  Rede  stehenden,  nämlich  die  eingeladenen  Brahmanen,  alle 
'gespeist   worden,    nicht  auch  die  andern;    ebenso  werden    auch 

29» 


453  C&xtrftka-mimA&sft 

'liier  nur  die  sieben  vorher  erwähnten  Lebensorgane  unter  dem 
'Worte  ,^le"  verstanden  und  keine  andern/  -^  Aber  wird  hierbei 
nicht  auch  die  Erkenntnis  als  achtes  aufgezählt  (vgL  Brih.  4,  4,  2)? 
Wie  kann  man  also  eine  Anfsählnng  von  nur  sieben  behaupten? 
*—  'Das  macht  nichts  aus,  denn  weil  das  Manas  und  die  Erkenntnis 
'nicht  wesensverschieden  sind,  so  ist  ungeachtet  der  Yerschiedenheit 
'der  Funktionen  die  Siebenzahl  zulässig.  Somit  giebt  es  nur  sieben 
'Lebensorgane'.  —  Auf  diese  Behauptung  erwidern  wir:  „vielmehr 
„die  Händo  u.  s.  w."  werden  noch  als  weitere,  von  den  sieben  ver- 
schiedene Lebensorgane  angenommen  in  Stellen  wie:  „fürwahr  die 
„Hände  sind  ein  Halter"  (Bph.  3,  2,  8).  Das  Haltersein  ist  dahin 
zu  verstehen,  dafs  sie  eine  Fessel  sind,  indem  die  individuelle  Seele 
durch  diese  als  ,^alter"  bezeichnete  Fessel  gefesselt  wird.  Aber 
nicht  nur  in  der  einen  Leiblichkeit  wird  die  Seele  gefesselt,  son- 
dern sie  bleibt  in  gleicher  Weise  auch  in  den  folgenden  Leibern 
gefesselt;  darum  wird  jene  dem  Leibe  innewohnende  und  unter  dem 
Halter  zu  verstehende  Fessel  mit  Becht  so  benannt.  Und  bo  sagt 
auch  die  Smriti: 

• 

„Vom  Odem  an  achtfach  besteht  der  feine  Leib, 
„Durch  den  die  Seele  in  der  Burg  gefesselt. bleibt; 
„Ton  ihm  gebunden  mufiB  die  Bindong  leiden  sie, 
„Von  ihm  gelOset  geht  sie  zur  Erlösung  ein." 

Hier  wird  gelehrt,  dafs  die  Seele  bis  zur  Erlösung  mit  jener  unter 
1X4  dem  Halter  zu  verstehenden  Fessel  gebunden  bleibt.  |  Auch  in  einer 
Atharva-Stelle,  wo  die  Objekte  und  Sinnesorgane  aufgezählt  werden: 
„das  Auge  und  das  zu  Sehende"  u.  s.  w.,  werden  in  ähnlicher 
Weise  die  Hände  und  die  übrigen  Sinnesorgane  mit  den  ent- 
sprechenden Objekten  vorgeführt^  indem  es  heifst:  „die  Hände 
„und  das  zu  Oreifende,  die  Oeschlechtsteile  und  das  zu  6e- 
„nielsende,  der  Hintere  und  das  zu  Entleerende,  die  Füfse  und 
„das  zu  Gehende"  (Pra^na  4,  8)>  Ebenso  wenn  es  heifst:  „es 
„sind  die  zehn  Lebensorgane  am  Menschen,  und  der  Atman  als 
„elftes;  wenn  diese  aus  dem  sterblichen  Leibe  ausziehen,  so 
„machen  sie  weinen"  (Brih.  3,  9,  4),  so  wird  hier  ein  Auszug  von 
elf  Lebensorganen  gelehrt.  Auch  das  Wort  „alle",  wo  es  mit 
den  Lebensorganen  verbunden  steht,  bezeichnet  alle  Lebensorgane 
ohne  Ausnahme  und  darf  nicht  dem  Vorhergehenden  zuliebe  auf 
nur  sieben  unter  ihnen  eingeschränkt  werden,  namentlich  da  ein 
ausdrückliches  Wort  mehr  Gewicht  hat  als  der  Zusammenhang  mit 
dem  Vorhergehenden.  Und  auch  wenn  man  sagt:  „alle  Brahma- 
„nen  sind  gespeist  worden",  so  ist  es  richtig,  an  den  ganzen 
Strom  aller  Brahmanen  zu  denken,  denn  das  bedeutet  das  Wort 
„alle";  und  nur  weil  es  unmöglich  ist,  alle  zu  speisen,  bezieht 
sich   dabei  der  Gebrauch    des  Wortes    „alle"    nur    auf   die  Ein* 


Stitram  II.  iv.  6.  453 

geladenen.  An  unserer  Stelle  hingegen  ist  durcHaiis  kein  Grund 
vorhanden,  den  Sinn  des  Wortes  „alle"  einzuschränken.  Darum 
werden  hier  unter  dem  Worte  „alle"  die  sämtlichen  Lehensorgane 
ohne  Ausnahme  hefafst  und,  nur  um  diese  Befassung  zu  erläutern, 
siehen  von  ihnen  aufgezählt.  —  Somit  ist  aus  der  Schrift  und  aus 
den  Verrichtungen  erwiesen,  dafs  es  nur  elf  Lebensorgane  giebt. 


Drittes  Adhdkaranam, 

7,    anavag  ca  ''ift 

und  als  minimal. 

Nunmehr  kommt  der  Lehrer  auf  eine  weitere  Eigenschaft  eben 
jener  Lebensorgane  zu  sprechen:  „und  als  minimal"  hat  man  jene 
vorerwähnten  Lebensorgane  zu  betrachten.  Diese  Minimalheit  der- 
selben bedeutet,  da/s  sie  fein  und  räumlich  begrenzt,  nicht  dafs 
sie  nur  so  grofs  sind  wie  Atome,  weil  sonst  ihre  Wirkung,  den 
ganzen  Leib  zu  durchdringen,  unmöglich  wäre.  Fein  aber  müssen 
jene  Lebensgeister  sein,  weil  sie,**  wenn  sie '  grobmateriell  wären, 
bei  ihrem  Auszuge  aus  dem  Leibe  Hm  Augenblicke  des  Ster- 
bens-tdu  4^nj^nigen,  welche  den  Sterbenden  umstehen,  wie  eine 
Schlange,  wenn  sie  aus  ihrem  Coche  schlüpft,  bemerkt  werden 
müfsten;  und  begrenzt  müssen  eben  jene  Lebensorgane  sein,  weil, 
wenn  sie  allgegenwärtig  wären,  die  Schriftlehre  von  ihrem  Aus- 
ziehen, Hingehen  und  Wiederkommen  erschüttert  werden  würde, 
noch  auch  wahr  bleibejn  könnte,  dafs  die  Seele  als  Kern  ihre 
Qualitäten  hat  (vgl.  Sütram  2,  3,  29).  —  'Aber  wäre  es  nichj; 
'möglich,  dafs  sie  allgegenwärtig  wären,  aber  nur  an  dem  Orte 
'des  Leibes  zur  Funktion  kämen?*  —  Nein!  denn  das  Organ- 
sein bedeutet  überhaupt  nur  eine  Funktion.  Nämlich  dasjenige, 
was  die  Wahrnehmung  vollbringt,  mag  es  nun  eine  Funktion 
oder  const  etwas  sein,  das  nennen  wir  ein  Organ.  Der  Streit 
würde  also  nur  um  den  Namen  sein,  daher  die  Annahme  einer 
Alldurchdringuog  der  liebensorgane  zwecklos  ist.  —  Somit  ent- 
scheiden wir  uns  dafür,  dafs  jene  Lebensorgane  fein  und  be-' 
grenzt  sind. 


454 


Viertes  Adhikaratutm. 


716  ,  8.    greskthof  ca 

und  beste"- 


n 


Aacli  der  Makliya  Pr&^a  (Sanptlebeniodtfn)  ist  ebenso  wie 
die  übrigen  Lebenaorgane  eine  Umwandlung  des  Brahiäan;  so 
lautet  der  [hier  gelehrte]  Erweitenmgssats.  -^  *Aber  wir  haben 
^a  doch  schon  besprochen,  da£i  alle  Lebensoi^gano  ohne  Unter- 
'sehied  Umwandlangen  des  Brahman  sind,  denn  wir  sahen  wie  die 
'Schrift  in  den  Worten:  ,,an8  ihm  entsteht  der  Odem  (prd/ijM)^  der 
*„y erstand  nnd  alle  Sinne*'  (Ma^4«  3)  1)  3)  noch  besonders  die 
'Sohöpfiong  des  Prft^a  neben  der  des  Verstandes  mitsamt  den  Sia- 
'nen  beseogt,  und  wie  es  z.  B.  anderweit  heilst:  „da  erschuf  er 
S,den  Pr&na"  (Pra^na  6»  4).  Was  soll  also  hier  noch  ein  £r- 
'weitemngssatz?'  —  Er  soll  einem  neuen  Zweifel  begegnen.  Denn 
in  dem  Hymnus:  „Damals  war  nicht  das  Sein  und  nicbt  du 
ijNiohtsein'S  welcher  es  mit  Brahman  zu  thun  hat,  heifst  ein  Yen 
(Rigv.  10,  129,  2): 

„Nicht  Tod  war  damals  noch  Unsterblichkeit, 
„Nicht  war  die  Nacht,  der  Tag  nicht  offenbar; 
„Es  hauchte- vindlos  in  UrsprOnglichkeit 
„Das  Eine,  aulser  dem  kein  anderes  war/' 

•  _ 

Der  Ausdruck  „es  hauchte '^  bedeutet  eine  Thätigkeit  des  Piins 
und  scheint  anzudeuten,  dafs  schon  vor  der  WeltschÖpfung  der 
Pr&^a  vorhanden  war;  es  könnte  also  jemand  auf  die  Meinung 
kommen,  der  Pr&na  sei  unentstanden.  Dieser  Meinung  begegnet 
der  Erweiterungesatz.  N&mlich  wenn  es  auch  heilst  „es  hauchte'S 
so  bedeutet  dieses  doch  nicht,  dafs  der  Prftna  schon  vor  der 
Weltschöpfüng  seiend  vorhanden  gewesen;  denn  durch  die  nähere 
Bestimmung  „windlos"  wird  ebenso  wie  durch  die  Worte  „ohn* 
„Odem,  ohne  Manas,  rein''  (Mund.  2,  1,  2)  gelehrt,  dafs  die  Ür- 
natur  von  allen  Bestimmungen  wie  Odem  u.  s.  w.  irei  gewesen  sei^ 
717  Somit  I  hat  das  Wort  „es  hauchte'*  nur  den  Zwedc,  auf  das  Yor- 
handensein  der  Weltursache  hinzuweisen;  so  [ist  der  Sinn  des 
Sütram].  Und  wenn  der  Lehrer  dabei  den  Mukhya  Prä^a  be- 
zeichnet als  „den  besten",  so  geschieht,  dies,  weÜ  die  Schrift 
sagt:  „der  Prftna  fürwahr  ist  der  älteste  und  beste"  (Ghlknd.  5, 
1,  1).  „Der  älteste"  heifst  der  Prftna,  weil  seine  Funktion  schon 
von  dem  Augenblicke  der  Injektion  des  Sperma  beginnt;  würde 
sie  nicht  dann  schon  beginnen,  so  würde  das  Sperma  nach  seiner 
Injektion  in  den  Mutterschofs  verwesen  oder  doch  nicht  aufgehen- 


Sütram  II.  nr.  a  455 

Die  andern  LelnenaorgMie  hingegen,  daa  Geli6r  n,  s.  w.,  beginnen 
ihre  Funktion  erst  nach  Bildung  ilurer  heitimaiten  Standorte,  des  ' 
Gehörganges  u.  s.w.,  daher  sie  nicht  das.ftlteste  sind;  und  „der 
jybeste*'  heifst  der  Pr&^a  wegen  der  Superiorität  seiner  £ligen- 
sehaften,  und  weil  die  Schrift  die  andern  zu  ihm  sagen  l&fst: 
„fürwahr  vrir  werden  ohne  dich  nicht  leben  können*'  (Brih.  6, 1, 13). 


Fünftes  Ädhikaranam* 

9.    na  väifU'hritfe  prUhag-'Upadegät 

nicht  Wind  oder  Wirkung,  weil  er  besonders 

erwähnt  wird. 

Aber  ron  welcher  Beschaffenheit  ist  dieser  Mukhya  Pr&^a? 
Das  ist  jetzt,  zu  untersuchen.  Man  könnte  zunächst  auf  Grund 
einer  Schriftstelle  denken,  'der  Fräna  sei  der  Wind,  denn  es 
'heifßt:  „der  Prina  (Hauch),  das  ist  der  Wind;  dieser  Wind  ist 
'„fünffach:  Anshauch,  Einhauch,  Zwischenhauch,  Aufhauch  und 
S,Allhauch'^'  —  Oder  i^an  könnte  im  Sinne'  der  Anhänger  an- 
derer Lehrsysteme  denken,  |  'der  Pr&i^a  sei  eine  Gesamtfunktion  718 
'der  Organe;  denn  so  heifst  es  bei  ihnen  (Sädkhya-Kär.  ▼.  29  = 
'Säfikhya-S&tram  2,  31): 

'„Gemeinschaftliche  Wirkung  der  Organe 

'„Sind  die  fOnf  Winde,  Präna  (Anshauch)  an  der  Spitze.'" 

—  Hierauf  ist  zu  erwidern:  der  Präna  ist  weder  der  Wind  noch 
auch  eine  Funktion  der  Organe;  warum?  „weil  er  besonders  er- 
„wähnt  wird ".  Was  nämlich  zunächst  den  Wind  betrifft ,  so  wird 
der  Präna  neben  demselben  besonders  erwähnt  in  der  Stelle:  „der 
„Präna  ist  einer  der  vier  Füfse  des  Brahman;  durch  den  Wind 
„als  Licht  leuchtet  er  und  wärmt  er"  (Chänd.  3, 18,  4);  wäre  der 
Prä^a  nur  der  Wind,  so  könnte  er  nicht  aulser  dem  Winde  noch 
besonders  erwähnt  werden.  Ebenso  aber  wird  weiter  der  Präna 
aufser  den  Funktionen  der  Organe  noch  besonders  erwähnt;  denn 
an  vielen  Stellen,  wo  die  Rede  und  die  übrigen  Organe  aufgezählt 
werden,  wird  der  Präjgia  besonders  gezählt;  eine  Funktion  aber 
ist  Ton  dem  Träger  der  Funktion  nicht  zu  trennen,  und  wenn 
der  Präna  nur  eine  Funktion  der  Organe  wäre,  so  könnte  er 
nicht  neben  den  Organen  noch  besonders  erwähnt  werden.  Auch 
Stellen  wie    „aus  ihm   entsteht   der  Odem  (präna),   der  Verstand 


456  C'lirtraka-mlinlLÄ8& 

„und  alle  Sinne,  aus  ihin  entstehen  Äther,  Wind^^  u.  s.  w.  (Mund. 
2,  1,  3)  kann  man  dafür  anführen,  dafs  der  Prana  aufser  dem 
Winde  und  den  Organen  nooh  besonders  erwähnt  wird.  Hiersa 
kommt,  dafs  eine  einheitliche  Funktion  der  sämtlichen  Organe  gär 
nicht  möglich  ist,  weil  jedes  einzelne  derselben  seine  besondere 
Funktion  hat,  und  ein  blofses  Aggregat  nicht  wirken  könnte^  — 
'Aber  könnte  68  nicht  damit  sein  wie  mit  der  Bewegung  des  Käfigs  ? 
'Wie  nämlich  elf  in  demselben  Käfig  befindliche  Vögel»  obwohl 
'jeder  für  sich  seine  bestimmte  Thätigkeit  hat,  doch  durch  ihr  Zu- 
'sammen wirken  den  Käfig  in  Bewegung  setzen  können,  ebenso 
'könnten  die  elf  in  dem  einen  Leibe  befindlichen  Lebensorgane, 
'obwohl  sie  ein  jedes  seine  besondere  Funktion  haben,  durch  ihr 
'Zusammenwirken  die  eine,  Präna  genannte,  Wirkung  zugesprochen 
'bekommen.'  —  Aber  das  ist,  wie   wir  bemerken   müssen,   nicht  [ 

719  zutreffend.  Denn  was  die  Yögel  betrifft,  so  können  diese,  wie- 
wohl jeder  für  sich  wirkt,  weil  ihre  ron  einander  verschiedenen 
Thätigkeiten  der  Bewegung  des  Käfigs  entsprechend  sind,  durch 
ihr  Zusammenwirken  den  einen  Käfig  in  Bewegung  setzen,  wie 
dies  die  Erfahrung  zeigt.  Hier  hingegen  können  die  Lebens- 
Organe,  indem  sie  die  von  einander  verschiedenen  Verrichtungen 
des  Hörens  u.  s.  w.  ausüben,  nicht  durch  ihr  Zusammenwirken  das 
Atmen  [die  Funktion  des  Präna]  hervorbringen,  weil  kein  Beweis 
dafür  vorliegt,  und  weil  das  Hören  u.  s.  w.  von  dem  Atmen  gänz- 
lich wesensverschieden  ist.  Auch  die  d^  Prana  nachgerühmten 
Vorzüge,  dafs  er  der  beste  sei,  und  dafs  die  Rede  u,  s.  w.  sich 
ihm  als  Qualitäten  unterordnen,  könnten,  wenn  der  Präina  nur  eine 
Funktion  der  Oi^ane  wäre,  nicht  zu  Rechte  bestehen.  Somit  ist 
der  Präna  etwas  anderes  als  der  Wind  und  als  eine  blofse  Wir- 
kung der  Organe.  —  'Aber  wie  steht  es  dann  mit  der  Schrift- 
'stelle:  „der  Odem  das  ist  der  Wind"?'  —  Wir  antworten:  aller- 
dings ist  es  der  Wind,  welcher,  in  die  Persönlichkeit  eingehend 
und  in  fünf  Zerteilungen  abgesondert  bestehend,  den  Namen  Priina 
erhält,  so  dafs  dieser  zwar  keine  von  jenem  verschiedene  Wesen- 
heit, aber  doch  auch  nicht  blofser  Wind  ist;  daher  beide  Schrift- 
stellen,  sowohl  die,  welche  die  Verschiedenheit,  als  auch  die, 
weichet  die  Nichtverschiedenheit  beider  betont,  in  ihrem  Rechte 
sind.  —  'Nun  gut,  so  besitzt  aber  auch  der  Präna  ebenso  gut 
'wie  die  individuelle  Seele  in  unserm  Leibe  Selbständigkeit,  da  er 
*der  „beste''  ist,  und  da  die  Sinnesorgane,  die  Rede  u.  s.  w.,  sich 
'ihm  als  Qualitäten  unterordnen.  Denn  so  wird  mehr  als  ein- 
'mal  die  Machtstellung  des  Präna  geschildert;  z.  Q.  wenn,  wäh- 
'rend  die  übrigen  Organe,  die  Rede  u.  s.  w.,    schlafen,  der  Präna 

720  'allein  wach  bleibt  (Käth.  5,  8),  ]  wenn  der  Präna  allein  nicht 
'vom  Tode  gefesselt  wird  (Brih.  1,  5,  21),  wenn  der  Präna  als 
'der  an-sich- Raffer  die  Rede  u.  s.  w.  in  sich  hineinrafft  (Chänd.  4, 
*3,  3),  wenn   der  Prä^a  die  andern  I^ebensorgane   beschützt  wie 


/ 


Sütram  IL  iv.  9.  457 

^eine  Matter  ilire  Kioder  (Prayna  2,  13).  Hieraus^  scheint  zu 
'folgen ,  dafs  der  Prana  ebenso  selbständig  ist  wie  die  individuelle 
*Seele.*  —  Hierauf  entgeg^net  der  Lehrer: 


10.'  cakshur  -  ädivat  tUy  tat-saha'f^hti-ädibhyah 

vielmehr   wie  das  Auge  u.  s.  w.,  weil   er  mit  diesem 
zusammen  gelehrt  wirdvUnd  aus  andern  Gründen. 

Bas  Wort  „vielmehr*'  widerspricht  der  Selbständigkeit  des  Prstna. 
So  wie  nämlich  das  Auge  u.  s.  w.  gleichsam  als  die  Unterthanen 
des  Fürsten  Hülfsmittel  sind  für  das  Thätersein  und  Geniefsersein 
der  individuellen  Seele,  nicht  aber  selbständige  ebenso  ist  auch 
der  Mukhya  Präna  gleichsam  der  Minister  des  Fürsten,  welcher 
der  'Individuellen  Seele  bei  allen'  ihren  Zwecken  als  Hülfsmittel 
dient,  nicht  aber  selbständig  ist;  warum?  „weil  er  mit  diesem  zu- 
„sammen  gelehrt  wird  und  aus  andern  Gründen '*;  d.  h.  mit  dem 
Auge  u.  6.  w.  wird  der  Präna  zusammen  gelehrt  bei  dem  Streite 
der  Lebensorgane  und  anderwärts;  ein  Zusammenlehren  ist  aber 
nur  schickHch  bei  Gegenständen  von  gleicher  Art,  wie  z.B.  bei 
dem  Bphad  und  dem  Rathantaram  [zwei  vedischen  .Sangweisen]. 
Die  Worte  „und  aus  andern  Gründen"  weisen  auf  die  Zusammen- 
gesetztheit, Ungeistigkeit  u.  s.  w.  des  Präna  als  Gründe  hin,  die 
seine  Selbständigkeit  ausschlief sen.  —  'Nun  wohl',  könnte  man  sagen, 
'wenn  aber  der  Präna  so  wie  das  Auge  u.  8.  w.  zur  individuellen 
'Seele  |  in  dem  Yerbältnisse  eines  Werkzeuges  stehen  soll,  so  mufs  "^'^^ 
'es,  so  wie  die  Farbe  u.  o.  w. ,  auch  eine  eigene  Klasse  von  Ob- 
'jekten  geben,  in  Bezug  auf  welche  der  Präna  für  seine  indivi- 
'duelle  Seele  das  Werkseng  ist,  so  wie  das  Auge  u.  s.  w.  es  ist 
'durch  seine  Fdnktion  des  Sehens  der  Farben  u.  s.  w.  Nun  haben 
-wir  aber  oben  nur  elf  natürliche  Yerrichtuagea,  das  Sehen  der 
'Farben  u.  s.  w.,  gezählt,  um  deren  willen  wir  elf  Lebensorgane 
'annehmen;  und  eine  weitere,  zwölfte  natürliche  Verrichtung  läfst 
'sich  nicht  absehen,  um  deren  willen  dieses  zwölfte  Lebensorgan 
'angenommen  würde/  —  Hierauf  antwortet  der  Lehrer: 


IL    äkaranatvAc  ca  na  doshas,  tathä  U  darQayaH 

auch  ist  dies  kein  Fehler,  weil  er  kein  Organ  ist; 

denn  so  lehrt  es  [die  Schrift}. 

Darin,  dafs  daraas  eine  besondere  Klasse  von  Objekten  folgen 
müfste ,•>  liegt  „kein  Fehler*',  yeil  der  Prä^a  „kein   Organ"  ist. 


458  (&rlraka-iiilmlinB& 

Denn  wir  nehmen  ni<^t  an,  dafs  der  Pr&na,  bo  wie  das  Auge  n.  a.  w., 
in  dem  Sinne,-  dala  er  auf  eine  begrenzte  Blaaee  ron  Objekten 
ginge,  ein  Organ  sei..  Darum  darf  man  aber  noch  nioht  Bchliefaen, 
dafs  es  for  ihn  überhaupt  keine  Verrichtung  gebe;  warum?  weil  in 
dieser  Weise  die  Schrift  lehrt,  dafs  der  Mukhya  Pr&na  eine  be- 
sondere, nicht  schon  bei  den  andern  Lebensorganen  einl;egri£Eene 
Wixkung  übe.  Nämlich  in  der  Stelle  von  dem  Streite  der  Leb^is- 
Organe:  „Bs  geschah  einmal,  dafs  die  Lebensoigane  um  den  Vor- 
„rang  stritten*'  u.  s.  w.  (ChUnd.  6,  1,  6)  höifst  es  weiter:  ,^f£krwahr, 
„derjenige,  nach  dessen  Auszug  sich  der  Leib  glrichsam  am  atter^ 
„übelsten  befindet,  der  ist  unter  euch  der  beste"  (Gh&nd.  5|  l,  7), 
worauf  die  Rede  u.  s.  w.  eines  nach  dem  andern  ausziehettt  wUirend 
722  das  nur  ihrer  bestimmten  Funktionen  entbehrende  |  Leben  eo  wie 
vorher  als  die  specielle  Wirkung  des  Mukhya  Prftjgia  forti>eiteht: 
indem  aber  dann  weiter  der  Pr&na  ausziehen  will,  zeigt  die  Schrift, 
wie  die  Rede  u.  s.  w.  dadurch  in  Ohnmacht  verfallen,  und  der  Leib 
dahinfallt,  wodurch  sie  lehrt,  dafs  der  Prä^a  die  Ursache  ist  für 
den  Bestand  des  Leibea  und  der  Sinnesorgane.  Ähnlich  heifst  es: 
„zu  ihnen  sprach  der  edelste  Pr&na:  irret  euch  nicht!  ioh  bin  es, 
„der  ich  in  meiner  fünffachen  Teilung  dieses  Rohrgewftchi^  (den  Leib) 
„stütze  und  erhalte"  (Pra^a  2^,  3)»  womit  dasselbe  gesagt  ist.  Femer 
lehrt  die  Stelle:  „vom  Leben  (präna)  läfst  das  niedere  Nest  er 
„hüten"  (Bfih.  4,  3,  12),  dafs  beim  Schlafe  des  Auges  u.  s.  w.  dem 
Pr&na  die  Behütuug  des  Leibes  anheimf&llt.  Und  weiter  zeigt 
die  Stelle:  „aus  wel<mem  Gliede  immer  das  Leben  (präi(ia)  auszieht, 
„das  vertrocknet,  ...  darum,  wenn  einer  iM  und  trinkt,  so  för- 
„dert  er  damit  die  andern  Lebensorgane"  (Ch&nd.  1,  2,  9),  dafs 
auch  die  Ernährung  des  Leibes  und  der  Organe  das  Werk  des 
Prftna  ist.  Endlich,  wenn  es  heifst:  „was  ist  dasjenige,  mit  dessen 
„Auszuge  ich  selbst  ausgezogen  sein  werde,  und  mit  dessen  Bleiben 
„ich  selbst  bleiben  werde?  so  sprach  er  und  schuf  den  PriLna" 
(Pra^na  6»  3),  so  lehrt  diese  Stelle,  dafs  der  Auszug  und  das  Bleiben 
der  individuellen  Seele  nur  durch  den  Prana  bedingt  werden. 


12.   panca-vritHr  mano-vad  vyapadifyate 

als  fünf  Funktionen  habend,   wie  das  Manas,  wird  er 

dargelegt. 

Auch  daran  ersieht  man,  dafs  der  'Mukhya  Prana  seine  besondere 

Wirkung   ausübt,  weil   er   als  fünf  Funktionen  habend  dargelegt 

wird  in  Schriftstellen  wie:  „er  ist  Aushauch,  Einhauch,  Zwisohen- 

723  „hauch,  Auf  hauch  und  |  Allhauch*'  (Brih.  1,  5,  3);  diese  Terschiedec- 

heit   der   Funktionen   bezieht    sich    auf   eine  Verschiedenheit    der 


Sfttram  IL  iy.  13.  459 

WirkoBgm;  der  Aashanch  (prän^)  wirkt  nach  aufsen  und  bewirkt 
das  Ausatmen;  der  Einhanch  (apäna)  wirkt  nach  innen  und  be* 
wirkt  das  Einatmen  u.  s.  w.;  der  Zwischenhauch  (i;^dnä)  besteht 
in  einer  Verbindong  dieser  beiden  und  bewirkt  die  Kraftanstren- 
gungen; der  Auf  hauch  (udäna)  wirkt  nach  oben  und  ist  die  Ur- 
sache des  Auszuges  u.  s.  w.  [der  Seele];  der  Allhauoh  (samdna) 
endlidi  befindet  sich  glexchnuUsig  in  allen  Gliedern  als  der,  welcher 
die  Speises&fle  ihnen  aufUirt.  So  besj^eht  der  Pr&^a  in  fünf  Funk- 
tionen „wie  das  Manas'* ;  d.  h.  wie  das  Hanas  f&nf  Funktionen  hat, 
so  hat  sie  auch  der  Pri^a.  Die  fünf  Funktionen  des  Manas  sind 
die,  welche  durch  das  Ohr  u.  s.  w.  erregt  werden  und  den  Ton  u.  s.  w. 
als  Objekt  haben.  Man  kann  nicht  wohl  an  diejenigen  denken, 
welche  in  der  Stelle:  ,^ Verlangen,  Entscheidung '^  u.  s.  w.  (Brih. 
1,  5,  3)  erwähnt  werden,  weil  deren  mehr  als  fünf  sind.  Aber 
sind  nicht  auch  in  jenem  andern  Falle  mehr  als  f&nf,  da  dem 
Manas  unabhängig,  von  dem  Hören  u.  s.  w,  noch  eine  besondere 
Funktion  zukommt,  deren  Obj^i  das  Vergangene,  Zukünftige  u.  s.  w. 
ist?  Unter  diesen  Umständen  mag  man  nach  der  Regel,  dafs  eine 
gegnerische  Meinung,  wofern  sie  nicht  widerspricht,  zulässig  ist, 
auch  hier  diejenigen  fünf  Funktionen  des  Manas  verstehen,  welche 
in  dem  Lehrbuche  des  Toga  angesetzt  werden,  nämlich:  „Erkennt- 
„nis,  Irrtum,  Einbildung,  Schlaf  und  Gedächtnis^'  (Yoga-Sütra  1,  6). 
Oder  endlich  man  kann  annehmen,  dafs  das  Manas  nur  darum  mit 
dem  Prä^a  verglichen  wird,-  weil  er  wie  dieses  mehrere  Funktionen 
hat.  Auch  könnte  man  es  so  auffassen,  dafs  der  Prana  ver- 
möge seiner  fünf  Funktionen,  so  „wie  das  Manas*^  der  individuellen 
Seele  als  Hülfsmittel  dient. 


Sechstes  Adhikaranam. 

13.    antig  Cß  724 

und  minimal. 

Auch  als  minimal  mufs  man  diesen  Mukhya  Präna  so  gut  wie 
die  übrigen  Lebensgeister  betrachten.  Auch  hier  wieder  bedeutet 
die  Minimalheit,  dafs  er  fein  und  begrenzt,  nicht  dsfs  er  so  grofs 
wie  ein  Atom  ist,  da  er  mit  seinen  fünf  Verrichtungen  den  ganzen 
lieib  durchdringt.  Fein  ist  der  Präua,  sofern  er  beim  Auszuge 
von  den  Anwesenden  nicht  wahrgenommen  wird;  und  begrenzt  ist 
er,  weil  die  Schrift  ihm  ein  Ausziehen,  Hingehen  und  Wieder- 
kommen zusclireibt.  —  'Aber  wird  nicht  auch  gelehrt,  dafs  der 


460  Q^uiraka-mlmänsl^  " 

'Prana  Blldurohdringend  sei,  an  Stellen  wie:  „er  ist  gleich  der 
S,Ameise<,  gleich  der  Mücke,  gleich  dem  Elefanten,  gleich  diesen 
'„drei  Welten,  gleich  diesem  ganzen  Universum^'  (Bnh.  1,  3,  22)? 
—  Hieranf  ist  zu  erwidern,  dafs  diese  Alldui*ohdringung  nnr  in 
kosmologischem  Sinne  von  der  Pr&na^ Wesenheit  des  als  Allseele 
und  Individualseele  besteheoden  Hira^yagarbha  gilt,  nicht  aber  in 
psydiologiscliem  Sinne.  Übrigens  wird  in  dem  Vergleichungsworte 
„er  ist  gleich  einer  Ameise'*  u.  s.  w.  doch  auch  gesagt,  dafs  der 
Pr4na  sich  nach  der  Gröfse  des  jedesmaligen  lebenden  Wesens 
lichte  und  somit  begrenzt  sei;  daher  hier  keine  Einwendung  zu 
erbeben  ist. 


Siebentes  Adkikaranam, 

725  14.  jyotir-'ädi-adhisJUhdnan  tu^  tad-dmamnät 

vielmehr  ist  VorBtehung  des  Lichtes  u.  s,  w.,  weil 

dessen  [die  Schrift]  gedenkt. 

Es  ist  jetzt  zu  überlegen,  ob  die  in  Rede  stehenden  Lebens- 
Organe  aus  eigener  Macht  ihre  bestimmte  Wirkung  zu  verrichten 
im  Stande  sind,  oder  ob  sie  dazu  nur  im  Stande  sind,  sofern  Gott- 
heiten ihnen  vorstehen  (lies:  devaiä-adhishthitäff).  —  *  Angenommen 
'also,  die  Lebensorgane  seien,  da  sie,  je  nach  ihrer  bestimmten 
.  ^Wirksamkeit,  mit  Fähigkeiten  ausgerüstet  sind,  im  Stande,  ans 
*  eigener  Macht  zu  wirken.  Ferner :  wenn  man  annimmt ,  dafs  die 
'Lebensorgane  wirken,  sofern  Gottheiten  ihnen  vorstehen ,  so  scheint 
'zu  folgen,  dafs  jenen  vorstehenden  Gottheiten  auch  ein  Geniefseraein 
'zukommt,  und  dafs  somit  das  Geniefsersein  der  individuellen  Seele 
'aufgehoben  wird.  Daher  mufs  man  annehmen,  *'dafs  die  Lebens- 
'organe  durch  ihre  eigene  Macht  wirken.'  —  Auf  diese  Annahme  ist 
zu  erwidern:  „vielmehr  ist  Vorstehung  des  Lichtes"  u.  s.  w.  Durch 
das  Wort  „vielmehr"  wird  die  Meinung  des  Gegners  abgelehnt; 
denn  nur'  indem  das  Licht  u.  s.  w.,  d.  h.  die  das  Feuer  ver- 
tretenden Gottheiten,  ihnen  vorstehen,'  können  die  Lebensorgane, 
Rede  u.  s.  w. ,  in  ihren  Wirkungen  sich  bethätigen.  Zu  'dieser 
Meinung  bekennt  sich  der  Lehrer  und  fügt  als  Grund  hinzu: 
,,weil  dessen  [die  Schrift]  gedenkt";  denn  sie  sagt:  „das  Feuer 
„(Agni)  wurde  zur  Bede  und  ging  ein  in  den  Mund"  (Ait.  1,  2,  4); 
dieses  zur- Rede -Werden  und  in -den -Mund -Eingehen  des  Feuers 
726  setzt  voraus,  dafs  der  Rede  ein  göttliches  Wesen  vorsteht;  |  denn 
es  ist  nicht  abzusehen,  wenn  man  nicht  eine  Verbindung  mit  der 


Sütram  IL  xt.  14.  461 

Gottheit  dei  Feuers  annimmt,  worin  die  specielle  Verbindang 
(lies:  vi^esha-sambandho)  des  Feuers  mit  der  Rede  oder  dem 
Munde  bestehen  soll.  In  'derselben  Weise  hat  man  es  sich  zurecht 
zu  legen,  wenn  es  weiter  heifst:  „der  Wind,  zu  Odem  geworden, 
„ging  ein  in  die  Nase"  u.  s.  w.  (Ait.  1,  2,  4).  Ähnlich  heifst  es 
auch  anderwärts:  „die  Rede  ist  einer  der  vier  Füfse  des  Brah- 
„man,  und  durch  das  Feuer  als  Licht  erglänzt  er  und  leuchtet 
„er''  (Ch&nd.  3,  18,  3);  wenn  hier  gesagt  wird,  dafs  der  Rede  u.  s.  w. 
das  Feuer  n.  s.  w.  als  Licht  diene,  so  bestätigt  dies  die  Sache 
ebenfalls.  Auch  wenn  es  heifst:  „da  führte  er  zuerst  hinüber  die 
„Rede;  indem  diese  Tom  Tode  erlöst  wurde,  entstand  das  Feuer '^ 
(Brih.  1,  3,  12),.  so  wird  damit,  dafs  der  tibergang  der  Rede  in 
das  Sein  des  Feuers  u.  s.  w.  dargelegt  wird,  ebenfalls  die  obige 
Sache  erläutert.  Überhaupt  findet  allerwärts  auf  Grund  der  Ein- 
teilung in  solches,  welches  sich  auf  das  Selbst  und  solches,  wel- 
ches sich  auf  die  Gottheit  bezieht,  die  Aufzählung  der  Rede  u.  s.  w. 
neben  dem  Feuer  u.  s.  w.  jener  ZusammensteUung  entsprechend 
statt.     Und  auch  in  der  Smpti  heifst  es: 

„Als  Rede  geht  es  auf  das  Selbst,  so  sagen 
„Die  Weisen,  die* der  Wahrheit  kundig  sind, 
„Als  das  Qeradete  geht's  auf  die  Wesen, 
„Als  Feuer  geht  es  auf  das  Göttliche.'' 

An  dieser  Stelle  wird  weiterhin  die  Vorsteherschaft  der  Gottheiten 
des  Feuers  u.  s.  w.  über  die  Rede  u.  s.  w.  ausführlich  dargelegt. 
Wenn  hingegen  oben  bemerkt  wurde,  dafs  die  Lebensorgane,  weil 
sie  mit  der  ihrer  Wirkung  entsprechenden  Fähigkeit  versehen 
seien,  schon  aus  eigener  Macht  wirken  müfsten,  |  -so  ist  das  un*  737 
zutreffend;  denn  die  Erfahrung  zeigt,  wie  auch  z.  B.  ein  Wagen, 
obwohl  er  die  Fähigkeit  zu  laufen  besitzt,  sich  doch  nur  be- 
wegen kann,  sofern  er  von  einem  Ochsen  u.  s.  w.  gezogen  wird. 
I>a  somit  beides  möglich  ist,  so  hat  man  sich  der  Schrift  gemäfs 
für  die  Vorsteherschaft  der  Götter  zu  entscheiden.  —  Wetnn  weiter 
behauptet  wurde,  dafs  im  Falle  einer  Vorsteheracbaft  der  Götter 
das  Goniefsersein  ihnen  und  nicht  der  verkörperten  Seela  zu- 
kommen würde,  so  wird  dies  widerlegt  wie  folgt. 


15.    pranavatä  ^abdät 
mit  dem  Lebendigen,  wegen  des  Wortes. 

Wenn  auch  die  Gottheiten  über  die  Lebensorgane  eine  Vor- 
steherschaft üben,  so  besteht  eine  Verbindung  dieser  Lebens- 
organe doch  nur  „mit  dem  Lebendigen",  d.  h.  mit  dem  Besitzer 


462  .  C^^i^tiri^-m^B^B^ 

des  Aggregates  der  Organe  des  Wirkens,  d.  h.  mit  der  yerkörper- 
ten  Sede,  wie  dies  ereiektlich  ist  „wegen  des  Wortes^;  denn  die 
Schrift  sagt:  »,wenn  nun  das  Aoge  ningeriehtet  ist  anf  diesen 
„Weltraum  [oder:  gebettet  ist  in  dieser  Augenhöhle],  so  ist  er 
„[der  Prftna,  d.  h.  hier  der  Atman]  der  Geist  im  Auge,  das  Aoge 
„[selbst]  dient  [nur]  sum  Sehen;  und  wer  da  rieehen  will»  daa 
„ist  dekr  Atman,  die  Nase  dient  nur  sum  Oeruehe***  (Ghind.  8, 
12,  4);  hier  wird  gesagt,  dals  eine  Verbindung  der  LebensoirgaDe 
nur  mit  der  verkörperten  Seele  besteht.  Und  auch  schon  wegiA 
der  Yielheit  der  den  einseinen  Organen  Torstehenden  Oottheüea 
ist  ein  Geniefsersein  derselben  in  dem  betreffenden  Leibe  nieht 
ancunehmen;  Tielmehr  ist  es  die  eine,  in  dem  betreffenden  Körper 
Terkörperte  Seele,  welche  der  Genießer  ist,  wie  dies  sdum  dar- 
aus hervorgeht,  dafs  nur  eine  solche  Einheit  [mit  der  Yielheit  der 
Organe]  eine  einheitliche  Verbindung  eingehen  kann. 


728  16.    tasya  ca  nitifaivdt 

und  weil  ihr  die  Beharrlichkeit. 

Hierzu  kommt,  dalli  »ihr",  n&mlich  der  verkörperten  Seele,  in 
dem  Leibe  „die  Beharrlichkeif  in  dem  Geniefsersein  vermöge 
ihrer  Behaftung  mit  Gutem  und  Bösem  und  vermöge  des  ihr  ge- 
bührenden Genusses  der  Lust  und  des  Schmeraes  ankommt,  nicht 
aber  den  Göttern.  Denn  diese  wohnen  in  dem  höeheten  G^lde 
der  Himmelsherrliohkeit  und  dürfen  ein  Genielsersein  in  diesem 
armseligen  Leibe  nicht  zugeschrieben  bekommen;  und  auch  die 
Schrift  sagt  ja:  „nur  das  Gute  geht  zu  jenem  hin,  denn  fürwahr 
„das  Böse  geht  nicht  hin  zu  den  Göttern"  (Bph.  1,  6,  30).  Hieran 
kommt,  dalji  nur  die  verkörperte  Seele,  beharrlich  mit  den  Lebens- 
organen verbunden  ist,  indem  dieselben  die  Seele  auch  bei  ihrem 
Ausziehen  u.  s.  w.  begleiten,  wie  die  Schrift  sagt:  „indem  sie  aos- 
„zieht,  zieht  das  Leben  (präifia)  mit  aus,  und  indem  das  Leben 
„auszieht,  ziehen  alle  Lebensorgane  mit  aus"  (Brih.  4,  4,  2).  Wenn 
daher  auch  die  Organe  von  den  Gottheiten  regiert  werden,  so 
geht  doch  dadurch  das  Geniefsersein  der  individuellen  Seele  nicht 
verloren,  weil  dabei  die  Gottheiten  auf  Seiten  der  Organe  und 
nicht  auf  Seiten  des  Geniefserseins  stehen. 


Sutram  ü.  iv.  17.  463 


Achtes  Adfitkaranam. 


17.    ta'  indriyäm  tad-vyapade^^  anyatra  QresJUhät      729 

sie  sind  Organe ,  weil  sie  als  solche  bezeichnet  werden, 

auiser  dem  besten. 

Wir  haben  den  einen  Mukbya  Pr&na  nnd  die  elf  übrigen 
Pr&na*8  dnrcbgegangen.  Hier  erbebt  sich  nun  aa£B  nene  ein 
Zweifel;  darüber  nämlicb,  ob  die  übrigen  Prft^^s  nnr  Yerachie- 
dene  Funktionen  des  Mnkbya  Prftna,  oder  ob  sie  besondere  Wesen- 
heiten sind.  —  Angenommen  also,  ^die  andern  seien  nur  ver- 
'schiedene  Funktionen  des  Mukbya  Präna;  warum?  .wegen  der 
.'Schrift;  denn  in  dieser  Weise  bringt  die  Schrift  den  Mnkhya  und 
'die  übrigen  Pr&^a^s  zusammen  und  erklärt,  dals  die  übrigen 
'ihrem  Wesen  nach  Mukbya  sind;  denn  sie  sagt:  „wohlan!  lasset 
'„uns  alle  zu  seiner  Natur  werden!  da  wurden  sie  alle  zu  seiner 
'„Natur"  (Bfih.  1,  5,  21).  Auch  das  entscheidet  fiir  ihre  Einheit, 
'dafs  sie  alle  den  einen  Namen  „Pr4na"  führen;  denn  sonst  wür- 
'den  wir  eine  Bezeichnung  verschiedener  Sachen  durch  dasselbe 
'Wort  „Präna^*  haben,,  oder  auch  man  müfiste  annehmen,  dafs 
'dieses  Wort  das  eine  Mal  eigentlich  und  das  andere  Mal  meta- 
'phorisch  gebraucht  wäre,  welches  beides  gegen  die  Regel  ist. 
'Wie  daher  die  fQnf  Funktionen  des  Aushauches  (jprano^  u.  s.  w. 
'nur  solche  d^  einen  Prft^a  sind,  so  müssen  es  auch  die  elf,  näm- 
'lich  Rede  u.  s.  w.,  sein.'  —  Auf  diese  Annahme  erwidern  wir,  dafs 
die  Rede  u.  s.  w.-  besondere ,  vom  Pr&na  verschiedene  Wesenheiten 
sind;  warum?  wegen  der  Verschiedenheit  ihrer  Bezeichnung.  Näm- 
lich „sie",  d.  h.  die  in  Rede  stehenden  Pr&na*B  mit  Ausnahme  des 
besten,  also  die  übrigen  elf,  werden  „Organe"  (indrii/äni)  ge- 
nannt; I  und  diese  Verschiedenheit  der  Bezeichnung  findet  sich  in  730 
der  Schrift:  „aus  ihm  entsteht  der  Odem  (präna)^  der  Verstand 
,/manas)  und  alle  Sinne  (indriyd^i)"  (Mund.  2,  1,  3).  An  Schrift- 
steilen  wie  dieser  finden  sich  der  Pr&na  besonders  und  die  Or- 
gane (indriydni)  besonders  bezeichnet.  —  'Aber  mufs  man  in 
'diesem  Falle  nicht  ebenso  gut  wie  den  Pr&na  auch  das  Manas 
'davon  ausnehmen,  dafs  es  ein  Indriyäm  sei,  da  in  den  Worten 
'„der  Verstand  und  alle  Sinne"  beide  besonders  und  für  sich  be- 
'zeichnet  werden?*  —  Das  ist  richtig;  aber  in  der  Smriti,  wenn  . 
sie  sagt:  „die  elf  Indriya*s"  (Manu  2,  89),  wird  das  Manas  ebenso 
gut  wie  das  Ohr  u.  s.  w.  unter  den  Indriya's  befafst,  währmid 
hingegen  von  dem  PriLna  weder  in  der  Schrift  noch  in  der  Smriti 
das  Wort  Indriyäm    gebraucht    wird.     Diese  Verschiedenheit    der 


464  OMraka-mtmiiM 

Bezeichnung  ist  nur  mdglich,  «ofern  sie  Tersohiedene  Wesenhdlten 
sind;  nimmt  man  hingegen  Einheit  ihres  Wesens  an,  so  gerät  man 
in  den  Widersprach,  dafs  der  Pr&na,  der  doch  einer  ist,  yon 
den  Indriya^s  als  verschieden  und  doch  nicht  verschieden  be- 
seiehnet  wird.  Somit  folgt,  dafs  die  übrigen  von  dem  Mukhya 
wesensverschieden  sind.  —  Und  warum  weiter  sind  die  übrigen 
von  dem  MukhyA  wesensverschieden?     Antwort: 


18.    bheda-gnäeh 
weil  die  Schrift  ihre  Verschiedenheit  lehrt. 

Auch  lehrt  die  Schrift  allerw&rts,  dafs  der  Prftna  von  der 
Rede  u.  s.  w.  verschieden  ist.  So,  wo  es  heifst:  „da  sprachen  sie 
73t  f,zur  Rede"  (Bfih.  1,  3,  2),  und  |  in  Bezug  auf  die  Rede  u.  s.  w. 
zusammenfassend  gezeigt  wird,  wie  die  Rede  und  die  Übrigen  von 
den  Dämonen  mit  Übel  zerrüttet  werden;  wie  dann  aber  weiter, 
wo  es  heifst:  „da  sprachen  sie  zu  diesem  Lebensodem  im  Munde" 
(Brih.  1,  3,  7),  der  Mukhya  PrllQa  für  sich  besonders  als  deijenige, 
welcher  die  DlUnonen  zerstieben  macht,  aufgeführt  wird.  Femer 
heifst  es:  „das  Manas,  die  Rede,  den  Pr&na,  diose^  hat  er  für  sich 
„selbst  hervorgebraofat"  (Brih.  1,6,  3);  diese  und  andere  Schrift- 
steilen  kann  man  als  Beweise  der  Verschiedenheit  anführen.  Auch 
darum  also  sind  die  übrigen  vom  Mukhya  wesensverschieden.  — 
Und  warum  weiter  sind  die  übrigen  vom  Mukhya  wesensverschie- 
den?    Antwort: 

19.    vaäakshanyäc  ca 
auch  wegen  Verschiedenheit  der  Merkmale. 

Auch  eine  Verschiedenheit  der  Merkmale  zeigt  sich  zwischen 
dem  Mukhya  Präna  und  den  übrigen.  Während  die  Rede  u.  s.  w. 
schlafen,  bleibt  der  Mukhya  allein  wach;  nur  er  allein  wird  vom 
Tode  nicht  gepackt,  während  die  andern  gepackt  werden;  nur 
der  Pfbna  ist  durch  sein  Bleiben  und  Ausziehen  die  Ursache  für 
Erhaltung  und  Zerfall  des  Leibes,  nicht  die  Indriya's.  Die  In- 
driya^s  sind  die  Ursache  für  die  Erkenntnis  der  Sinnendinge,  nicht 
der  Pr&^a.  In  dieser  Weise  findet  eine  mannigfache  Verschieden- 
heit der  Merkmale  zwischen  dem  Pr&na  und  den  Indriya's-  statt, 
und  auch  daraus  folgt,  dafs  die  letzteren  von  jenem  wesens- 
schieden  sind.  Wenn  aber  behauptet  wurde,  dafs  wegen  der 
Stelle  „da  wurden  sie  alle  zu  seiner  Natur"  (Brih.  1,  5,  21)  die 
Indriya*8  nur  Prftna  sein  könnten,  so  ist  das  unrichtig;  denn  auch 


SAtraiD  II.  IV.  19.  465 

an  dieser  Stelle  tritt,  wenn  man  das  Vorhergehende  und  Nach- 
folgende in  Betraolit  zieht,  die  Verschiedenheit  hervor.  |  Denn  732 
wenn  es  daselbst  nach  den  Worten  „ich  will  reden,  so  strebte  die 
„Rede",  von  der  Rede  und  den  übrigen  Indriya's  heilst:  ,, diese 
„übermannte  als  Müdigkeit  der  Tod;  .  .  .  darum  ermüdet  die 
„Redens  so  wird  hier  dargelegt,  wie  die  Rede  u.  s.  w.  vom  Tode 
in  Gentalt  der  Müdigkeit  versohlungen  werden;  dann  aber  heilst 
es :  „nur  ihn  packte  er  nicht ,  der  da  der  Pr&na  in  der  Mitte  ist ". 
Hier  ist  die  Rede  von  dem  Prl^na  für  sich  allein,  welcher  nicht 
vom  Tode  überwältigt  wird,  und  weiter  wird  in  den  Worten: 
„fürwahr,  er  ist  unter  uns'  der  beste",  sein  Vorrang  bestätigt. 
In  Übereinstimmung  hiermit  mufs  man  bei  der  Rede  u.  s.  w.  an- 
nehmen, dafs  das  Werden  der  Rede  u.  s.  w.  zur  Natur  desselben 
nur  eine  Abhängigkeit  ihrer  Verpflegung  von  dem  Präna,  nicht 
aber  eine  Wosenseinheit  bedeutet.  Hieraus  ergiebt  sieb,  dafs  das 
Wort  „Präna"  von  den  Indriya's  nur  metaphorisch  gebraucht  wird. 
Und  so  sagt  die  Schrift:  „da  wurden  sie  alle  zu  seiner  Natur, 
..darum  werden  dieselben  nach  ihm  benannt  und  heifsen  Präna's" 
(Brih.  1,  5,  21);  hier  wird  gezeigt,  wie  das  nur  dem  Mukhya  Prana 
zukommende  Wort  „Pr&ria"  von  den  Indriya's  in  metaphorischer 
Weise  gebraucht  wird.  Somit  sind  die  Indriya's,  die  Rede  u.  s.  w., 
besondere,  von  dem  Pr&i(ia' verschiedene  Wesenheiten. 


Neuntes  Adhikaranam. 

20.    savyhd-murU-kriptis  tu  trivrU -km^ata^  upaderät 

vielmohr  ist  die  Bildnerei   von  Benennung:  und  Form 
des'  Dreifachmachersy  wegen  der  Bezeichnung, 

In  dem  Kapitel  von  dem  Seienden  heifst  es,  nachdem  die. 
Schöpfung  von  Glut,  Wasser  und  Nahrung  da '-gelegt  worden: 
,,dieHo  Gottheit,  erwog:  wohlan!  ich  will  in  diene  drei  Gottheiten 
„mit  diesem  lebenden  Selbste  eingehen  |  und  auseinaudcrbroiten  733 
„Namen  und  Gestalten,  eine  jede  von  ihnen  aber  will  ich  zu 
.^einer  dreifachen  machen"  (Chünd.  6,  3,  2  —  3).  Hiev  ist  zweifel- 
liaft,  ob  dieses  Auseinanderbreiten  von  Namen  .und  Gestaiien  ein 
Werk  der  individuollen  Seele,  oder  ob  es  ein  Werk  des  höchsten 
Gottes  ist.  -«  Angenommen  also,  ^diesen  Au seinanderh reiten  von 
*Namon  und  Gestalten  sei  ein  Werk  der  individuellen  Seele; 
^wainm?   wegen   der  Bestimmung:   „mit  diesem  lobimdeu  Selbste** 


466  QMraka-mlm&Aali 

^[oder:  „mit  dieser  individuellen  Seele *S  jtvena  ätmönä].  Wie 
^man  nänilich  iin  Leben,  wenn  man  z.  B.  sagt: .  „ich  will  mit 
'„einem  Späher  in  das  feindliche  Heer  eindringen  und  es  aos- 
*„kiindschaften'',  in  dieser  Redensart  die  Ausknndschaftong  des 
'feindlichen  Heeres ^  welches  doch  das  Werk  des  Sp&hers  ist,  auf 
'die  Person  des  Königs,  weil  dieser  der  ursächlidie  Veranlass^ 
'ist,  abertr&gt,  indem  man  die  Worte  „ich  will  ausspähen^'  dem 
'höchsten  Manne  beilegt,  ebenso  überträgt  man  audi  die  Aus- 
'breitung  yon  Namen  und  Gestalten,  obwohl  sie  ein  Werk  der 
'individuellen  Seele  ist,  auf  die  Person  der  Gottheit  ab  des  ur- 
'sächlichenVeranlassers,  und  legt  die  Wprte  „ich  will  auseinander- 
'„breiten"  don  höchsten  Geiste  bei.  Auch  zeigt  ja  die  Erfah- 
'rang,  dafs  bei  Benennungen,  wie  Bittha,  Davittha  u.  8*w.,  und 
'bei  Gestalten,  wie  Töpfen,  Krügen  u,  s.  w.,  das  Ausbreitende  nur 
'die  individuelle  Seelo  utt*  Sonach  mnfs  auch  jene  Ausbreitung 
'von  Namen  und  Gestalten  ein  Werk  der  individuellen  Seele  sein.' 
—  Auf  diese  Annahme  erwidert  der  Lehrer:  „vielmehr  ist  die 
„Bildnerei    von    Benennung    und   Form    des   Dreifachmaohers."    | 

734  i)arch  das  Wort  „vielmehr'^  verwirft-  er  jene  Meinung.  9, Die 
„Bildnerei  von  Benennung  und  Form*',  d.  h.  die  Ausbreitung  von 
Namen  und  Gestalten  ist  ein  Werk  des  Dreifachmaefaers,  wor- 
unter der  höchste  Gott  zu  verstehen  ist,  da  die  Dreifachmaehung 
nach  der  Schrift  ohne  Widerrede  ihn  zum  Urheber  hat.  Also 
jene  Bildnerei  der  Benennungen  und  die  Bildnerei  der  Formen, 
z.  B.  wenn  man  sagt:  „Feuer,  Sonne,  Mond,  Blitz",  und  ebenso 
in  Bezug  auf  Gras,.  Schilf  und  Bl&tter  und  in  Bezug  auf  zahme 
Tiere,  wilde  Tiere  und  Menschen,  —  diese  Bildnerei,  wie  sie  je 
nach  der  Gattung  und  je  nach  der  Art  mannigfaltige  Gestalten 
hervorbringt,  kann  sicherlich  nur  ein  Werk  des  höchsten  Gottes, 
des  Schöpfers  von  Glut,  Wasser  und  Nahrung  sein;  warum?  „we* 
„gen  der  Bezeichnung".  Denn  demgemäls  wird,  wenn  es  nach 
den  Worten  „diese  Gottheit"  heilst:  „ich  will  auseinanderbrei- 
„ten"  (Ch&nd.  6,  3,  2),  die  Ausbreitung  damit,  dafs  sie  dem 
höchsten  Geiste  beigelegt  wird,  hier  als  ein  Werk  des  höchsten 
Brahman  bezeichnet.  —  'Aber  mufsten  wir  nicht  wegen  der  Be- 
'stimmung  „mit  diesem  lebenden  Selbste"  zugeben,  dala  die 
'Auseinanderbreitung  ein  Werk  der  individuellen  Seele  ist?'  — 
Dem  ist  nicht  so,  und  zwar,  weil  die  Worte  „mit  diesem  leben- 
„den  Selbste"  zu  verbinden  sind  mit  „eingehen",  indem  dies 
unmittelbar  folgt,  nicht  aber  mit  „auseinanderbreiten".  Würde 
es  nämlich  mit  diesem  verbunden,  so  könnte  das  auf  die  [höchste] 
Gottheit  bezügliche  „ich  will  auseinanderbreiten"  dem  höchsten 
Geiste  nur  in  übertragenem  Sinne  beigelegt  sein.  Es  ist  aber 
nicht  möglich,  dafs  für  die  mannigfachen  Namen  und  Gestalten 
die  Fähigkeit,  sie   auseinanderzubreiten,  der  nicht  Gott  seienden 

785  individuellen  Seele,    einwohne.   |   Und   auch  bei  den  Dingen,  zu 


Sfttram  11^  it.  9D.  467 

deren  Aoaeinanderbreitang  sie  die  F&bigkeit  besitst,  ist  dieselbe 
von  dem  böcbsten  Oo(^  abhängig.  Überhaupt  giebt  es  gar  keine 
individuelle  Seele,  welche  von  dem  höchsten  Gölte  so  völlig  ge- 
trennt bestfinde  wie  von  dem  Könige  der  Späher,  weil  das  Wort 
„individuell  *'  näher  bestimmt  wird  durch  das  Wort  „Ätman 
(Seele)",  und  weil  das  Sein  der  individuellen  Seele  nur  an  die 
Upädhi^s  sidb  knOpft.  Sonach  ist  auch  eine  solche  Auseinander* 
breitung  von  Namen  und  Gestalten,  welche  von  der  individuel* 
len  Seele  bewirkt  wird,  in  Wahrheit  ein  Werk  des'  höchsten 
Gottes.  Und  nur  der  höchste  Gott  ist  es,  welcher  die  Namen 
und  Gestalten  [der  Welt]  auseinanderbreitet,  wie  alle  üpanishad*s 
dies  annehmen.  Denn  die  Schrift  sagt  z.  B.:  „der  Äther  für« 
„wahr  ist  es,  welcher  die  Namen  und  Gestatten  auseinander- 
„dehnf'  (Ch&nd.  8,  t4;  vgl.  Sütram  1,  3,  41).  Somit  ist  das  Aus- 
einanderbreiten der  Namen  und  Gestalten  das  Werk  des  höchsten 
Gottes,  welcher  auch  die  Dreifachmachung  bewirkt.  Nämlich  die 
Auseinauderbreitung  von  Namen  und  Gestalten  hat  die  Breifach- 
machung  zur  Voraussetzung,  wie  das  Folgende  zeigt,  wo  die  Aus- 
einanderbreitung  von  Namen  und  Gestalten  im  Einzelnen  an  der 
Entstehung  des  [dreifach  gemachten]  Feuers,  Wassers,  Erdigen 
[aus  den  Urelementen  Feuer,  Wasser  und  Nahrung]  nachgewiesen 
wird.  Diese  Dreifachmachung  erl&utert  die  Schrift  an  den  Bei-  . 
spielen  des  Feuers,  der  Sonne,  des  Hondes  und  des  Blitzes,  in- 
dem sie  sagt:  „was  an  dem  [dreiiach  gemachten]  Feuer  das 
„Rote  ist,  das  stammt  von  der  Glut  [dem  Urfeuer],  was  daran 
„das  WeiTse  ist,  von  dem  [Ur-]Waaser,  was  daran  dias  Schwante 
„ist,  von  der  [Dr-]Nahrung"  u.  s«  w.  (Ghänd.  6,  4,  1).  Hier  wird 
also  die  Auseinanderbreitung  derjenigen  Gestalt  geschildert,  welche 
wir  „Feuer"  nennen.  Und  nachdem  die  Auseinanderbreitung  der 
Gestalt  geschehen,  wird  audi  der  Name  „Feuer",  indem  er  sein 
Objekt  erhält,  auseinandergebrettet.  Das  Nämliche  wäre  su  sa- 
gen von  der  Sonne,  dem  Winde  «nd  dem  Blitze.  |  Durch  diese  736 
Herausgreifung  von  Feuer  u.  s.  w.  als  Beispielen  wird  von  allen 
drei  Substanzen,  der  erdigen,,  vässerigen  und  feurigen,  gelehrt, 
dafs  sie  einer  wie  die  iM^dere  drofach  gemacht  sind,  wie  sich  dies 
aus  der  allgemeinen  Haltung  des  Einganges  und  des  Schlusses 
ergiebt.  Denn  so  heifst  es  ^u  Anfang  ganz  allgemein:  „diese 
„drei  Gottheiten  werden  jede  f&r  nA  dreifach  gemacht"  (Chänd, 
6,  3,  4);  dad  auch  der  Beachlufs  drückt  sich  ganz  allgemein 
aus:  »»was  nun  das  Bote  zu  sein  schien,  das  stammt  von  der 
„Glut",  —  V4>n  hier  an  bis  au  den  Worten:  „was  ein  Unbe- 
„kanntes  zu  sein  schien,  das  ist  in  diesar  Weise  eine  Znsammenr 
,^ts«ng  aus  jenen  Gottiieiten"  (Ghänd.  6,  4,  6 — 7). 

Nachdem  diese  drei  Ctottheiten  nach  aufsen  hin  dreifach  aus- 
gebreitet worden,    wird  eine   weitere  Dreifachmachnng  in  Bezug 

ao* 


468  CI|rirakA-miiii&ii8& 

auf  doB  Selbst  geschildert:  „diese  drei  Oottbeiten,  wenn  sie  in 
,,eiaen  Menschen  gelangen,  werden  eine  jede  dreiÜMh*^  (Chind.  €, 
i,  7).  Dieses  legt  nunmehr  der  Lehrer  der  Schrift  gemftfs  dar, 
um  etwa  möglichen  Bedenken  BaYorzokommen. 


31.    mänsa-ädi  bhautnatn  yafh&^ahdkim  itarayog  ea 

das  Fleisch  u.  s.  w.  ist  erdartig  nach  der  Schrift,  und 

so  bei  den  beiden  andern. 

Wenn  die  dreifach  gemachte  Erde  yon  dem  Menschen  sa  sich 
genommen  wird,  so  entsteht  als  Wirknng  nach  der  Schrift  das 
Fleisch  u.  s.  w.  Denn  die  Schrift  sagt:  „die  gegessene  Nahrung 
„wird  dreifach  zerlegt;  der  gröbste  Stoff  derselben  wird  su  Kot, 
„der  mittlere  zu  Fleisch,  der  feinste  zu  Manas*'  (Chftnd.  6,  5,  1). 
N&mlich  diese  schon  dreifadi  gemachte  Erde,  das  ist  die  'Mei- 
nung, wird  in  Gestalt  der  Nahrung,  des  Reises,  der  Oerste  o.  s.  w., 
737  genossen.  Was  nun  an  dieser  |  der  gröbste  Bestandteil  ist,  der 
wird  ab  Kot  nach  aufsen  abgeführt,  der  mittlere  vermehrt  das 
.  an  der  Person  befindliche  Fleisch ,  und  der  feinste  wird  zu  Manaa. 
In  derselben  Weise  kann  man  bei- den  beiden  andern,  bei  Wasser 
und  Feuer,  aus  der  Schrift  die  Wirkung  ersehen,  welche  sie 
hervorbringen,  indem  Harn,  Blut  und  Pr&^a  eine  Wirknng  des 
Wassers,  Knochen,  Mark  und  Rede  eine  'Wirkung  des  Feuerfi 
sind  (vgl.  Ch&nd.  6,  5,  2—3). 

Man  könnte  sagen:  'wenn  doch  alles  an  den  Elementen  und 
^ihren  Verbindungen  dreifach  gemacht  Lst,  sofern  die  Schrift  ohne 
'Unterschied  sagt:  „eine  jede  von  ihnen  machte  sie  dreifach*' 
'(Chand.  6,  3,  4),  —  wie  kommt  es  dann,  dafs  man  unterschei- 
^dend  sagen  kann:  dieses  ist  Feuer,  dieses  Wasser,  dieses  Näh- 
erung; und  dafs  man  ebenso  in  Bezug  auf  das  Selbst  sagen  kann: 
'dieses  ist  Nahrung,  und  wenn  ,  es  gegessen  wird,  so  ist  seine 
'Wirkung  das  Fleisch  u.  s.  w.;  diese  Wirkung  des  getrunkenen 
^Wassers  ist  das  Blut  u.  s.  w.;  diese  Wirkung  des  genossenen 
'Feuers  sind  die  Knochen  u.  s.  w.?* —  Hierauf  dient  zur  Antwort: 


22.    vaigeskyät  tu  iad-vädas,  tad-vädah 

vielmehr  nach  der  Charakterschaft  geschieht  seine 

Benennung,  seine  Benennung. 

Durch    das  Wort    „vielmehr"    beseitigt    der  Lehrer    den    be- 
regten Einwurf;  „die  Charakterschaft"  bedeutet  das  Vorhandensein 


Sülram  11.  rr.  22.  469 

eines  Charakters,  sofern  nämlich  ein  Überwiegendseih  stattfindet. 
Denn  wenn  auch  aller  Stoff  der  'Elemente  überall  ein  dreifach 
gemachter  ist,  so  zeigt  sich  doch  ein  Überwiegen,  n&mllch  bei 
dem  Feuer  ein  Überwiegen  der  Glat,  bei  dem  Flüssigen  ein 
Überwiegen  des  Wassers,  bei  der  Erde  ein  Überwiegen  der  Nah- 
rung. Diese  Art  der  Dreifachmachung  geschah,  um  die  Namen- 
gebung  möglich  zu  machen;  wäre  nämlich  die  Dreifachmachung 
nur  der  Übergang  zu  eiüer  unterschiedslosen  Einheit,  wie  sie 
z.  B.  bei  einem  dreifach  gedrehten  Stricke  stattfindet,  so  konnte 
die  in  der  Welt  übliche  Namengebung,  da  sie  sich  unter 9chei- 
dungsweise  auf  die  drei  Elemente  bezieht,  nicht  statt  haben. 
Wenn  daher  auch  eine  Dreifachmachung  vorliegt,  so  ist  doch 
vermöge  der  Gharakterschaft  )  diese  Bezeichnung  nach  dem  Cha-  738 
rakter  als  Feuer,  Wasser  und  Nahrung  bei  den  Elementen  und 
ihren  Produkten  möglich.  —  „Seine  Benennung,  seine  Benen- 
„nung'S  diese  Wiederholung  des  Wortes  zeigt  den  Abschlufs  des 
Adhyäya  an. 


So  iMttet  iu  dem  XonaMAtaKe  rar  orl*oolit«iii  gartr€ika'mimaH$a,  dorn  Werke  der 
▼erehraagewftnliffeu  FUfee  dee  QaMkara,  im  aweiteu  Aikf&ffa  der  Tierte  Pdda. 


Ende  des  zweitcu  Adhy&ya. 


DRITTER  ADHYÄYA. 


I 


\ 


k 


Des  dritten  Adhyftya 


ERSTER   PADA. 


Oittl    V«z«hnmg  dem  höchsten  Aimaii! 


Entea  Adhikaranam. 


i 

j 


: 


1.    tad-antara-pratipaUau  ranhaÜ  samparishvaklahj      739 

profna  -  mrüpanäbhtfäm 

beim  Eingang  in  einen  von-  ihm  verschiedenen  [Leib] 
rennt  sie  [die  Seele]  umschlungen  ^  wegen  der  Frage 

und  Darlegung. 

Im  aweiten  Adhyäya  wurde  der  Widerspruch  der.  Smpti«Be* 
flexion  gegen  die  vom  Yed&nta  aufgestellte  Lehre  vom  Brahman 
beseitigt  (P&da  2,  1)  und  gezeigt,  daJfo  die  Lehrmeinungen  der 
Gegner  keine  Beachtung  verdienen  (Pl^  2',  2),  auch  wurde  der 
Widerspruch  unter  den  Schriftworten  beglichen,  und  bei  dieser 
Gelegenheit  wurde  gezeigt,  wie  die  Werkzeuge  der  Seele  als  be- 
sondere, von  der  Seele  verschiedene  Wesenheiten  aus  dem  Brah- 
man  entspringen  (P&da  2,  3 — 4).  —  Nunmehr  sind  weiter  zu  be- 
»prechen:  die  Art,  wie  die  mit  den  Werkzeugen  ausgerüstete 
Seele  ihre  Wanderung  ausführt  (P&da  3,  1),  die  verschiedenen 
Zustände  der  Seele  (3,  2,  1—10),  ihre  Gleichweeenheit  mit  Brah- 
man  (3,  2,  11 — 41);  die  Einheit  und  Nichteinheit  der  Lehren,  so- 
wie dlie  Zusammenfassung  und  Nichtzusammenf&ssung  der  Attribute 
(3,  3,  1 — 66);   die  Verwirklichung  des  Zieles  des  Menschen  durch 


v  ■  ■ 


474  C&rlraka-mtml^stt 

« 
die  vollkommene  Erkemitnis  (S,  4, 1 — 26),  die  verschiedenen  6e> 
setzesvorschriften  als  Mittel  der  vollkommenen  Erkenntnis  (3,  4, 
26 — 50)  und  die  Nicbtbedingtheit  der  Fracht  der  Erlösung  (3,  4, 

740  51 — 52);  —  dieses  |  ist  der  Zweck  der  Ausführungen  des  dritten 
Adhyftya,  und  was  sonst  noch  nebenbei  gelegentlich  vorkommt. 

Zanächst  nun  wird  im  ersten  Pftda  auf  die  Ffinf-Feuer-Lehre 
eingegangen  und  die  Verschiedenheit  des  Verlaufes  der  Seelen- 
wanderung dargelegt,  weil  dies  ein  Motiv  zur  Entsagung  ist,  und 
weil  darin  ein  Grund  liegt,  dafs  man  „sich  hüten  soll^S  wie*  die 
Schrift  am  Ende  der  Fünf-Feuer-Lehre  sagt  (Chind.  5,  10,  8). 

Die  individuelle  Seele  also,  begleitet  von  dem  Mukhya  Prana 
nebst  Indriya'a  und  Manas  und  ausgerüstet  mit  dem  WisseUi  dem 
Werke  und  der  Vorwissenheit  (pArvaprajnd) ,  verl&fst  den  firühe- 
ren  Leib  und  geht  in  einen  neuen  Leib  Über,  wie  dies  aus  der 
Schrift  ersichtlich  ist;  denn  die  Stelle:  „dann  aber  scharen  diese 
„Ijobensorgane  sich  zu  ihr  zusammen '%  bis  zu  den  Worten:  „so 
„schafft  ^e  sich  eine  andere,  neuere,  schönere  Oestalt**  (Bfih.  4, 
4,  1 — 4)  hat  es  mit  der  Seelenwanderung  als  Thema  zu  ihun; 
auch  ist  ^ese  erforderlich,  damit  der  Genufs  der  Frucht  der  gu- 
ten und  bösen  Werke  sich  erfülle. 

.  

Hierbei  erhebt  sich  die  Frage,  ob  die  Seele  so  wandert,  dafs 
sie  dabei  von  den  als  Samen  des  Leibes  dienenden  Feinteilen  der 
Elemente  niqht  umschlungen  ist,  oder  indem  sie  umschlungen  ist. 
—  Angenommen  also,  ^die  Seele  sei  dabei  von  ihnen  nicht  um- 
'schlungen;  warum?  weil  die  Schrift  zwar  von  einem  Mitnehmen 
*der  Organe,  nicht  aber  von  einem  Mitnehmen  der  Elemente  spricht. 
'Denn  in  der  Stelle:  „sie  aber  nimmt  diese  Kraftelement^  in  sidi 
'„auf"  (Bph.  4,  4,  1)  sind  unter  den  Kraftelementen  [nur]  die  mit- 
'zunehmenden  Organe  zu  verstehen,  indem  als  solche  weiterhin 
'das  Auge-  u.  s.  w.  erw&hnt  werden;  hingegen*  ist  von  einer  Mit- 
'nahme  der  Elementarstoffe  keine  Rede.  Auch  sind  diese  Ele- 
'mentarstoffe  überall  leicht  zu  haben;    wo  immer  der  neue  Leib 

741  'sich  bilden  mag,  da  finden  sie  sich  stets  vor,  |  und  ein  Mitfuhren 
'derselben  würde  zwecklos  sein.  Somit  zieht  die  Seele  aus,  ohne 
'dafs  sie  von  ihnen  umschlungen  w&re.'  —  Auf  diese  Annahme 
eröffnet  der  Lehrer:  „beim  Eingang  in  einen  von  ihm  verachiede- 
„nen  rennt  sie  umschlungen";  d.  h.  beim  Eingang  in  einen  neuen, 
von  dem  bisherigen  Leibe  verschiedenen  Leib  rennt,  d.  h.  wandert 
die  Seele  umschlungen  von  den  als  Samen  des  Leibes  dienanden 
Feinteilen  der  Elemente;  warum?  „wegen  der  Frage  und  Darle- 
iig^uig".  Nftmlich  die  Frage  lautete:  „weifst  du,  wie  bei  der 
„fünften  Opferung  die  Wasser  mit  Menschenstimme  redend  wer- 
„den?"  (Chand.  5,  3,  3);  und  die  Darlegung,  d.  h.  die  Beantwar* 
tung  zeigt,  wie  in  den  fünf  Feuern  des  HimmelS|  der  Atmosphäre, 
der  P>de,  des  Mannes  und  des  Weibes  die  füx^  Opferungen  des 
Glaubens,  des  Soma,  des  Regens,    der  Nahrung  und  des  Samens 


Sütram  III.  i.  1.  475 

dargebracht  werden,  and  sagt  dann:  „in  dieser  Weise  gesolaelii 
„es,  dafs  die  Wasser  bei  der  fünften  Opferung  mit  Henschen- 
,y8timme  redend  werden"  (Ch&nd.  5,  9,  1).  Hieraus  folgt,  dals 
die  Seele  rennt,  d.  h.  wandert,  indem  sie  von  den  Wassern  um- 
kleidet ist.  —  'Aber  sagt  nicht  eine  andere  Schrütstelle :  „dem 
S,Bliitegel  gleich  l&fst  sie  den  vorigen  Leib  nicht  los,  bis  de  nicht  . 
S»in  einen  neuen  Leib  eingeht"?'  — .|  Hierin  liegt  kein  Wider-  743 
sprach,  weil  damit  ebenso  wie  jn  der  Stelle:  „darum  gleich  wie 
„eine  Raupe"  (ßph,  4,  4|  8)  nur  gesagt  sein  soll,  dafs  es  fthnlicfa 
wie  bei  dem  Blutegel  nidit  lange  dauert,  bis  die,  dabei  von  den 
Wassern  umkleidete,  Seele  in  den  Bereich  des  durch,  ihre  Werke 
bedingten  und  anzunehmenden  Leibes  übergeht.  Dieses  ist  die 
von  der  Schrift  gelehrte  Art,  wie  die  Seele  in  einen  neuen  Leib 
eingeht.  Was  hingegen  die  auf  menschlicher  Heilung  beruhenden 
Annahmen  betrifft,  [die  der  Sänkhya's,]  d&fs  die  Organe  mitsamt 
der  Seele  allgegenwärtig  siifd,  und  dafs  dieselben,  beim  Eingänge 
in  den  neuen  Leib ,  um  der  [der  Seele  anhaftenden]  W wke  wSlen 
nur  einen  Wiederbeginn  der  Funktionen  an  dem  betreffenden  Orte 
erleiden,  —  oder  [die  der  Bauddha's,]  dafs  die  Seele  für  sich 
allein  hier  oder  da  die  Übemalime  der  Funktionen  erleide,  wAh- 
rend  die  Organe  ebenso  wie  der  Leib  immer  wieder  neu  an  der. 
jedesmaligen  Stätte  des  Genusses  entstünden,  —  oder  [die  der 
Kanäda's,]  dafs  das  Hanas  allein  [mit  der  Seele]  an  die  Stätte 
des  Oeniefsens  gelange,  —  oder  [die  der  Jaina's,]  dafs  die  Seele 
allein  aus  dem  Leibe  beraushüpfe  wie  ein  Papagei  von  einem 
Baume  aum  andiem,  —  diese  und  ähnlidie  Annahmen  verdienen 
sämtlich  keinerlei  Beachtung,  weil  die  Schrift  ihnen  wider- 
spricht. 

'Aber  folgt  nicht  aus  der  angeführten  Frage  und  Beantwor- 
Hung,  dafs  die  Seele  wandert,  indem  sie  nur  von  den  Wassern 
'umschlungen  ist,  da  die  Schiift  nur  das  Wort  Wasser  erwähnt? 
*wie  kann  man  daraus  |  ganz  allgemein  entnehmen,  dafs  die  Seele  7^3 
'von  allen  Feinteilen  der  Elemente  umschlungen  wandere?*  — 
Darauf  giebt  der  Lehrer  zur  Antworte 


2.    tri'ätmäkaivät  tu,  hhüyastväi 

vielmehr  wegen  der  Drei  Wesenheit,  wegen  des 

Überwiegens. 

Durch  das  Wort  „vielmehr*^  schneidet  er  den  erhobenen  Zwei- 
fel ab.  Nämlich  die  Wasser  sind  dreiwesentlich  wegen  Aw  Schrift- 
stelle von  der  Dreifaohmachung  (vgl.  Sütram  2,  4,  20);  nimmt 
man  also  sie  als  das  Hervorbringendo  an,    so  mufs  man   uuum- 


476  g&rlraka< 

gäuglicli  auch  die  beiden  andern  Elemente  annehmen.  —  Und 
auch  der  Leib  ist  dreiwesentlich,  sofern  man  von  allen  drei  Ele- 
menten, Feuer,  y^asser  und  Nahrung,  in  ihm  die  Wirkungen  be- 
merkt; < —  und  wiederum  in  anderer  Weise  ist  er  dreiwesentlioh, 
sofern  sich  in  ihm  die  drei  Grrundstoffe,  nämlich  Wind,  Galle  und 
Schleim,  vorfinden. 

Es  ist  ja  nicht  möglich,  dafs  der  Leib  mit  AoBSchliefsung  der 
andeiTi  Elemente  aus  dem  blofsen  Wasser  sich  anfbaue.  Wenn 
daher  an  der  Stelle  Ton  den  Wassern,  die  mit  Menschenstimme 
redend  werden,  in  Frage  und  Antwort  das  Wort  „Wasser''  steht, 
so  bedeutet  dieses  nur  ein  Überwiegen,  nicht  eine  Ausschliefslioh- 
keit.  In  allen  Leibern  nftmlich  seigt  sich  ein  Überwiegen  der 
Flüssigkeit  in  S&ften,  Blut  u.  s.  w.  —  'Aber  zeigt  nicht  der  Augen- 
'schein,  dafs  in  den  Leibern  das  erdige  Element  überwiegt?'  — 
Das  würde  nichts  ausmachen,  da  dann  doch  jedenfalls  im  Ver- 
gleich mit  dem  andepi  Elemente  [des  Feuers]  ein  Überwiegen  des 
Wassers  statthaben  würde.  Übrigens  zeigt  auch  der  Augenschein 
ein  Überwiegen  des  Flüssigen  an  dem  ersten  Keime  des  Leibes, 
sofern  derselbe  ans  dem  [männUehen]  Samen  und  dem  [weiblichen] 
Blute  besteht. 

Auch  ist  fOr  die  Bildung  eines  neuen  Leibes  die  bewirkende 
Ursache  das  Werk;  die  Werke  aber,  wie  Feueropfer  u.  s.  w., 
stützen  sich  auf  die  flüssigen  Substanzen  des  Soma,  der  ge- 
schmolzenen Butter,  der  Milch  u.  s.  w.  Es  sind  aber,  wie  der- 
Lehrer  zeigen  wird,  die  dem  Werke  inh&rierenden  Wasser,  welche 
unter  dem  Worte  „  Glaube  "^  zu  revstehen  sind  und  mitsamt 
dem  Thater  der  Werke  in  dem  Feuer  der  Himmelswelt  geopfert 
werden. 
744  I  Auch  daraus  also  ergiebt  sich  eine  Mehrheit  des  Wassers; 
und  wegen  dieser  Mehrheit  sind  unter  dem  Worte  „Wasser"  alle 
dem  Leibe  als  Same  dienenden  Feinteile  der  Elemente  zu  vei^ 
stehen;  dagegen  ist  nichts  einzuwenden. 


3.   präna-gdteg  ca 
auch  wegen  des  Gehens  der  Lebensorgane. 

Auch  schreibt  die  Schrift  den  Lebensorganen  bei  dem  Über- 
gange in  einen  andern  Leib  ein  „Gehen"  zu,  z.B.  wenn  sie  sagt: 
„wenn  er  auszieht,  so  zieht  das  Leben  mit  aus,  wenn  das  Leben 
„auszieht,  so  ziehen  alle  Lebensorgane  mit  aus'/  (Brih.  4,  4,  2). 
Dieses  „Geben"  der  Lebensorgane  ist  nicht  möglich  ohne  eine 
[materielle]  Basis;  und  auch  daraus  lälst  sich  schliefsen,  dafs  es 
die  mit  den  andern  Elementen  versetzten  Wasser   sind,   welche, 


Sfttrain  IIL  i.  3.  477 

beim  Gehen  der  Lebensorgane  zar  Verwendung  kommend  und 
ihnen  als  Basis  dienend,  dieses  Gehen  ermöglichen.  Denn  ohne 
eine  solche  Basis  können  die  Lebensoigane  keines  lebenden' We- 
sens irgendwie  gehen  oder  bestehen,  weil  die  Erfahrung  es 
nicht  aeigt. 


4.    agnT-ädi-goH-gruter,  Ui  cen?  na!  bhäJctatvät 

wegen  der  Schriftstelle  vom  Eingange  in  das 
Feuer  u.  s.  w.,  meint  ihr?  —  Nein!  wegen  der 

Bildlichkeit. 

'Das  mag  sein*,  könnte  man  sagen,  ^aber  gleichwohl  geht  es 
'nicht  an^  dafs  beim,  Obergang  in  einen  neuen  Leib  die  Lebens- 
'organe  mit  der  Seele  ziehen,  „wegen  der  Schriftstelle  vom  £in- 
%,gange  in  das  Feuer  u.  s.  w."  Die  Schrift  n&mlich  aeigt,  wie 
'beim  Sterben  die  Lebensorgane  der  Rede  u.  s.  w.  in  die  Götter 
'des  Feuei-s  (Agni)  u.  s.  w.  eingehen,  in  der  Stelle:  „wenn  nun 
'„der  Mensch  stirbt,  und  seine  Rede  eingeht  in  das  Feuer,  sein 
'„Odem  in  den  Wind"  und  wie  es  weiter  heifst  (Brih.  8,  2,  13).' 
—  Meint  ihr  so,  so  erwidern  wir  „nein!  |  wegen  der  Bildlich-  745 
,,keit";  d.  h.  die  Schriftstelle  von  dem  Übergange  der  Rede  u.  s.  w. 
niufs  uneigentlieh  gemeint  ^ein,  weil,  was  sie  sagt,  betreffs  der 
Leibbaare  und  Kopfhaare  der. Erfahrung  widerstreitet;  denn  wenn 
es  daselbst  heilst:  „die  Leibhaare  in  die  Kräuter,  die  Kopfhaare 
„in  die  Bänme"  (Brih.  3,  2,  13),  00  ist  es  doch  nicht  möglich,  dafs 
die  Haare  des  Leibes  und  des  Kopfes  wegspringen,  um  in  die 
Kräuter  und  Bäume  einzugehen.  Hierzu  kommt,  dafs  der  indivi- 
duellen Seele,  wenn  man  von  den  Lebensorganen  als  ihren  Upd- 
dhi's  Abstand  nimmt,  ein  Gehen  überhaupt  nicht  zukommt;  so- 
wie, dafs  olme  die  Lebeusorgane  das  Geuiefsen  in  dem  neuen 
Leibe  unmöglich  ist.  Auch  sagt  die  Schrift  an  andern  Stellen 
klar  und  deutlich  aus,  dafs  die  Lebensorgane  mit  der  individuel- 
len Seele  ziehen.  Somit  hat  mau  anzunehmen,  dafs  das  Ein* 
gehen  der  Rede  u.  s.  w.  in  das  Feuer  u.  s.  w.  figürlich  zu  ver- 
stehen ist  und  nur  bedeutet,  dafs  die  der  Rede  u.  s.  w.  vor- 
stehenden Gottheiten  des  Feueini  u.  s.  w.,  welche  der  Rede  u.  s.  w. 
Hülfe  leisten,  beim  Sterben  diese  Hülfeleistung  einstellen. 


478  Qlr1nka-iiiltDlAs& 

• 

5. .  prathame   ^gravunddy  iU  cm?  na!    tä[  eva  U, 

upapatteh 

weil  sie  beim   ersten  nicht  erwähnt^   meint   ihr?  — 
NeinI  denn  das  sind  eben  sie,  wegen  der  Richtigkeit. 

'Nun  gut,  aber  wie  Ift/st  es  sich  aufrecht  halten,  dafs  die 
i  'Wasser  bei  der  fihiften  Opferung  zu  solchen  werden «  die  mit 
'Menscheostimme  reden,  da  doch  bei  dem  ersten  Opferfeuer  die 
'Wasser  gar  nicht  erwähnt  werden?  Es  werden  nämlich  an  un- 
'serer  Stelle  die  Himmelswelt  u.  s.  w.  als  fünf  Opferfeuer,  welche 
'die  fünf  Opfergüsse  in  sich  aufnehmen,  Torgestellt,  und  dabei 
'heifst  es  zu  Anfang:  „fürwahr,  jene  Welt  ist  ein  Feuer,  o  Gau- 
Sjtama'^,  und  weiter:  „in  diesem  Feuer  opfern  die  Götter  den 
'„Glauben"  (Chluid.  6,  4,  1 — 2).  Hier  wird  als  das  Opfermaterial 
Mer  Glaube  erw&hnt;  von  dem  Wasser  hingegen  als  Opfermaterial 
4st  dabei  keine  Rede.  Denn  wenn  man  auch  bei  den  übrigen 
'vier  Opferfeuem,  der  Atmosph&re  u.  s.  w.,  an  das  Wasser  als  das 
746  *Opfermateiial  |  denken  will,  so  mag  man  das  thun,  weil  die  da- 
^bei  zur  Opferung  verwendeten  Stoffe,  der  Soma  u.  s.  w. ,  in  der 
'That  ein  Vorwiegen  des  Flüssigen  zeigen;  beim  ersten  Opferfener 
'hingegen  nennt  die  Schrift  den  Glauben,  und  diesen  aufzugeben 
*und  dafür  die  niditgenannten  Wasser  einzusetzen,  das  ist  doch 
'willkürlich.  Denn  unter  Glauben  versteht  man  nach  der  allge- 
Hneinea  Annahme  eine  bestimmte  Art  des  Vorstellens.  Somit  ist 
^es  nicht  richtig,  dais  es  die  Wasser  sind,  welche  bei  der  fünften- 
'Opferung  zum  Menschen  werden.*  —  Hierauf  erwidern  wir,  dafs 
'  diese  Einwendung  nicht  zutrifft,  „denn'S  d.  h.  weil,  auch  dort,  bei 
dem  ersten  Opferfeuer,  „eben  sie",  nämlich  die  Wasser,  es  sind, 
welche  unter  dem  Worte  „Glaube"  verstanden  werden  müssen; 
warum?  ,yWegen  der  Richtigkeit";  d.  h.  nur  auf  diese  Weise  ste- 
hen Anfang,  Mitte  und  Ende  in  Übereinstimmung,  und  die  ein- 
heitliche Stelle  ist  zusammenhängend  und  richtig;  im  andern  Falle 
hingegen,  wenn  man  nach  der  Frage,  wie  es  geschehe,  dafs  die 
Wasser  nach  der  fünften  Opferung  mit  Menschenstimme  redend 
werden,  bei  der  Beantwortung  anstatt  ihrer  ersten  Darbringang 
eine  Opfermaterie,  welche  nicht  Wasser  wäre,  n&miich  den  Glau- 
ben, eiüschieben  wollte,  so  würde  anders  die  Frage  und  anders 
die  Beantwortung  lauten,  und  die  Einheit  der  Stelle  aufgehoben 
werden;  dafs  aber  diese  vorhanden  ist,  zeigt  auch  die  Schrift,  in- 
dem sie  zum  Schlüsse  zusanmienfassend  sagt:  „so  vielmehr  go- 
„schieht  es,  dafs  bei  der  fünften  Opferung  die  Wasser  zu  solchen 
„werden,  die  mit  Mensch^ustimme  reden"  (Chänd.  5,  9»  1)*     Auch 


Sütram  III.  i.  5.  479 

an  den  Wirkungen  des  OUab^ns,  dem  Soma,  Regen  u.  s.  w.,  diei 
doch  schon  festerer  Art  sind,  bemerkt  man  ein  Überwiegen  des 
Wassers,  und  das  stimmt  nur,  wenn  der  Glaube  als  Wasser  ge- 
faTst  wird,  denn  die  Wirkung  ist  von  gleicher  Natur  wie  die  Ur- 
sache. I  Auch  Iftfst  sich  ja  nicht  die  „Olaube^^  genannte  Yor-  747 
Stellung,  sofern  sie  eine  Qualit&t  des  Manas  oder  der  individuellen 
Seele  ist,  aus  dem  Tr&ger  dieser  Qualität  herausziehen  und  som 
Opfern  verwenden,  wie  man  es  bei  den  Opfertieren  mit  dem  Hw- 
zen  u.  dgl.  macht.  Somit  mulB  es  das  Wasser  sein,  welches  hier 
als  Glaube  bezeichnet  wird.  Eine  solche  Bezeichnung  als  Glaube 
pafst  nämlich  für  das  Wasser,  weil  diese  Verwendung  im  Yeda 
vorliegt,  indem  es  heilst:  „Glaube  fßrwahr  sind  die  Wasser**  (Taitt. 
samh.  1,  6,  8,  1).  Und  auch  deswegen,  weil  die  als  Same  des 
Leibes  verwendeten  Wasser  eine  dem  Glauben  ähnliche  Feinheit 
annehmen,  könnten  sie  Glauben  genannt  sein,  ähnlich  wie  man 
einen-  Mann  von  löwenmäfsiger  Tajpferkeit  .einen  Löwen  nennt.  — 
Auch  darum  pafst  das  Wort  (jlaube  auf  die  Wasser,  weil  die- 
selben dem  Werke  inhärieren,  welches  den  Glauben  zur  Voraus- 
setzung hat,  so  wie  man  einen  Menschen  ein  Skelett  nennt  [ — 
weil  der  Leib  das  Skelett  zur  Voraussetzung  hat?]  —  Und  auch 
darum  können  die  Wasser  Glaube  heifsen,  weil  sie  [in  ihrer 
Verwendung  bei  den  Ceremonien]  die  Ursache  des  Glaut)ens  sind; 
denn  die  Schrift  sagt:  „die  Wasser  bringen  in  ihm  den  Glauben 
„zuwege  zum  heiligen  Werke.** 


6.    agrtUatväd  Ui  c$n?  na!  ishta-ädi-JcArinäin  pratUeh 

weil  sie  nicht  erwähnt,  meint  ihr?  —  Nein,  weil  die 
Vollbringer  der  Opfer  u.  8.  w.  zu  verstehen: 

'Zugegeben  wegen  der  Frage  und  Antwort,  dafs  die  Wasser 
Vermittelst  des  Glaubens  u.  s.  w.  bei  der  fönften  Opferung  in 
'Menschengestalt  übergehen,  so  eind  es  doch  nicht  die  Seelen, 
'welche  von  ihnen  umschlungen  rennen,  „weil  sie  nicht  erwähnt" 
'werden,  denn  es  liegt  kein  Wort  vor,  welches,  so  wie  der  Was- 
'.ser,  auch  der  Seelen  gedächte.  Somit  ist  es  unzutrefPend,  dafs 
'von  ihnen  umschlungen  die  Seele  renne/  —  Hierauf  erwidern 
wir,  dafs  darin  kein  Fehler  liegt;  warum?  „weil  die  Vollbringer 
„der  Opfer  u.  s.  w.  zu  verstehen";  denn  es  helTst:  „hingegen 
„diese,  welche  |  im  Dorfe  Opfer,  fromme  Werke  und  Almosen-  748 
„geben  üben,  die  gehen  ein  in  den  Rauch"  (Chänd.  5,  10,  3);  an 
dieser  .Stelle  wird  weiter  erzählt,  wie  die  Vollbringer  der  Opfer 
u.  s.  w.  auf  dem  Wege  des  Rauches  u.  s.  w. ,  d.  h.  auf  dem  Väter- 


480  gfcrlraka-intm&n8& 

wege  (pHrtyäna)y  sum  Monde  gelangen;  denn  wenn  es  heUat  „aai) 
„dem  Aki^a  in  den  Mond,  der  ist  der  König  Soma^'  (Ch&nd.  5, 
10,  4),  80  sind  hier  wiederum  dieselben  su  yerstehen.,  wie  sich 
ergiebt  aus  der  Übereinstimmung  mit  der  Stelle:  ,,in  diesem  Feuer 
„opfern  die  Götter  den  Glauben;  ans  dieser  Opferung  entsteh^  der 
„König  Soma'*  (Ghftnd.  5,  4,  2).  Auch  pafst  es  auf  die  Opfernden, 
dais  die  von  ihnen  bei  den  Werken  des  FeueropCurSy  Keumond- 
opfers,  Yollmoudopfers  u.  s.  w.  gebraudliten  Mittel,  n&mlich  saure 
Milch,  Milch,  und  Ähnliches ,  wegen^des  Überwiogens  der  fl&sstgen 
Substanz  geradezu  zu  Wasser  werden;  diese  in  dem  Opferfeuer 
dargebrachten  feinstofflichen  Opfergüsse  gehlen  über  in  die  Gestalt 
des  Apf^rvam  [des  neu  erworbenen  Verdienstes]  und  dienen  als 
solches  den  Yollbringem  der  Opfer  u.  s.  w.  als  Substrat.  Wenn 
nämlich  ihr  Leichnam  bei  der  Totenfeier  in  dem  letzten  Feuer 
von  den  Priestern  geopfert  wird  mit  den  Worten:  „er  gehe  ein 
„zur  Himmelswelt,  sväka!^*^  dann  l&fst  sich  denken,  dafs  jene 
Opferungswasser,  indem  sie  das  auf  den  Glauben  beruhende  Werk 
inhärierend  haben,  in  Gestalt  des  Apürvam  die  Seelen  der  Yoll- 
bringer  der  Opfer  u.  s.  w.  umkleiden  und  sie  zum  Empfange  des 
Lohnes  in  jene  Welt  führen;  daher  es  auch  heifst:  „was  er  dabei 
„opfert,  darauf  kommt  es  nicht  an,  denn  man  opfert  den  Glan- 
„ben."  Und  ähnlich  heifst  es  beim  Feueropfer  im  Verlaufe  der 
749  auf  die  sechs  Fragen  gegebenen  Antworten:  |  „wahrlich  diese  bei- 
„den  Opferspenden  steigen  geopfert  empor"  (Qatap.  br.  11,  6, 
2,  6),  wo  weiter  gezeigt  wird,  wie  die  Spenden  beim  Feueropfer 
zur  Be Wirkung  des  Lohnes  in  die  andere  Welt  gelangen.  —  So- 
mit ist  es  richtig,  dafs  es  die  Seelen  sind,  welche,  voh  den 
Wassern  der  Opfergüsse  umschlungen,  foi*teilen  zum  Genüsse  der 
Frucht  ihrer  Werke. 

'Aber  wie  kann  man  annehmen,  dafs  dieses  Hineilen  der  Voll- 
'bringer  der  Opfer  u.  s.  w.  zu  dem  Zwecke  geschehe,  die  Frucht 
'ihret  Werke  zu  geniefsen,  da  doch  vielmehr  die  Schiift  von  ihnen 
'sagt,  dafs  sie  selbst,  nachdem  sie  auf  dem  Wege,  dessen  Ein- 
'gangspforte  der  Rauch  ist,  zum  Monde  aufgestiegen  sind,  zur 
'Speise  werden;  denn  es  heifst:  „der  ist  der  König  Soma,  darum 
'„ist  er  die  Nahrung  der  Götter,  denselbigen  geniefsen  die  Götter'' 
^(Chand.  5,  10,  4),  und  an  einer  andern  Stelle,  die  denselben 
'Gegenstand  behandelt:  „wenn  sie  in  den  Mond,  gelangt  sind, 
'  '„werden  sie  Nahrung;  daselbst,  gleichwie  man  den  König  Soma 
'„mit  den  Worten:  -t schwill  an  und  schwinde»  geniefst,  also  werden 
'„sie  von  den  Göttern  genossen"  (Brih.  6,  2,  16,  vgl.  System  des 
'Vedänta  S,  393).  —  Man  kann  doch  nicht  annehmen,  dafs  es  ein 
'Genufs  sei,  von  den  Göttern  wie  von  Tigern  u.  s.  w.  verzehrt 
'zu  werden!'  —  Hierauf  antwortet  der  Lehrer: 


SAtram  III.  i.  7.  481 


7.    bhAkfam  va,  anätmavittvät;  tathA  hi  darQayaii 

A 

04ler  bildlicli,  wegen  Nichterkenuung  des  Atman;  denn 

so  lehrt  [die  Schrift]. 

Das  Wort  „oder*'  hat  die  Bedeutung^  das  hervorgehobene  Be- 
denken zu  beseitigen.  Nämlich  dafs  sie  aur  Nahrung  werden,  ist 
„bildlich",  nicht  eigentlich  zu  nehmen;  denn  ein  eigentliches  Nah- 
rungsein würde  Schriftstellen,  die  zum  Opfer  berufen,  wie:  „es 
„opfere  wer  nach  dem  Himmel  begehrt'S  |  vridersprechen.  Stfinde  7G0 
nicht  in  der  Mondscheibe  für  die  Yollbringer  der  Opfer  u.  s.  w. 
ein  Oennfs  in  Anssioht,  ^arum  soUten  sich  dann  die  Berufenen 
mit  Werken,  welche,  wie  das  Opfern  u.  Si  w.,  viele  Anstrengung 
verursachen,  bemühen?  Das  Wort  „Speise'^  kann,  weil  eine  solche 
in  ähnlicher  Weise  die  Ursache  eines  Genusses  ist,  uneigentlich 
auch  von  Dingen  gebraucht  werden,  welche  nicht  Speise  sind, 
wie  wenn  man  sagt  „das  Volk  ist  die  Speise  des  Fürsten  wie  das 
„\rieh  die  Speise  des  Volkes  ist'^  Man  hat  daher  anzunehmen, 
dafs  —  in  ähnlicher  Weise,  wie  wir  mit  einem  geliebten  Weibe, 
Sohne  oder  Freunde  vorkehren,  welche  [als  die  unsrigenj  zu  einer 
Qualität  [von  uns]  werden,  —  die  Götter  mit  den  Yollbringem 
der  Opfer  u.  s.  w.  einen  angenehmen  Verkehr  pflegen,  und  daf» 
dieser  unter  dem  Verspeisen  derselben  zu  versteheb  ist,  nicht  al» 
wenn  es  sich  dabei  um  ein  wirkliches  Kauen  und  Verschlucken, 
wie  bei  Backwerk  u.  s.  w.,  handelte.  Denn  die  Schrift  sagt:  „denn 
„die  Götter  essen  nicht  und  trinken  nicht,  sondern  indem  sie 
, Jenes  Unsterbliche  schauen,  werden  sie  satt"  (Chänd.  3,  6,  1), 
wodurch  eine  Thätigkeit  des  Kauens  u.  s.  w.  bei  den  Göttern  auf- 
geschlossen ist.  Übrigens  findet  dabei  zugleich  auch  ein  Geniefsen 
von  Seiten  der  zu  einer  Qualität  der  Götter  gewordenen  Voll- 
bringer der  Opfer  u.  s.  w.  statt,  ähnlich  wie  es  für  die  den  Für- 
sten Umgebenden  stattfindet,  indem  die.«e  von  ihm  leben  [sowie 
er  von  ihnen].  Dafs  aber  die  Vollbringer  der  Opfer  n.  s.  w.  dazu 
gelangen,  den  Göttern  als  GenuJ's  zu  dienen,  gescliielit  „wegen 
„Nichterkennung  Aph  Atman^S  j^,  Denn  so  lehrt  die  Schrift**  das 
ilenossenwerden  derer,  die  den  Atman  nicht  erkennen,  darch  die 
Götter,  wenn  sie  sagt:  „Wer  eine  andere  Gottheit  [als  das  Selbst, 
„den  ÄtmanJ  verehrt  und  spricht  «eine  andere  ist  sie  und  rin 
„«anderer  bin  ich»,  der  ist  nicht  weise,  sonderi^  er  ist  gleich  uU 
„wie  ein  Hanstier  der  Götter**  (Brih.  1,  4,  10):  d.'  n.  so  wie  ein 
solcher  schon  in  dieser  Welt  durch  Güustigstimmi^n  der  Götter 
mittels  der  Opfer  und  sonstigen  Werke  gleichsam  wio  ein  Haus- 
tier in  Diensten  der  Götter  st-eht,  ebenso  steht  er  auch  in  jener 
Welt,  indem  er  von   den  Göttern  lebt,   d.  h.   die  von  ihnen  an- 

Daotfw,  TedAaU.  31 


482  ^&rtraka-mtmilijm& 

grewiesene   Fracht    (i^emerst,    wie    ein    biofses    Haustier    in    ibren 
Diensten. 

Man  kann  die  Worte  des  Sütram  |,wegen  Nichterken- 
,,nttng  desÄtmAn,  denn  sb  lehrt  [die  Schrift]"  auch  folgender- 
751  mafsen  erkl&ren:  |  Jene  YoUbringer  der  Opfer  u.  s.  w.  aind 
Nichterk^fioer  des  Atman,  weil  $ie  nur  die  Werke  betreiben  und 
nicht  die  Erkenntnis  und ^  die  Werke  sosaaunen  üben;  nämlich 
unter  der  Erkenntnis  dos  Atman  wAre  dann  hier  [nioht,  wie  vor» 
her,  die  volDconunene  Erkenntnis,  sondern]  in  uneigentliehem  Sinne 
die  Fünf-Feuer-Lehre  zu  verstehen,  da  es  sich  ja  um  diese  han- 
delt,  und  das  Speisewerden  der  YoUbringer  der  Opfer  u.  s.  w. 
in  bildlichem  Sinne  (gui^vddena)  so  hingestellt,  weil  sie  die  FOnf- 
Fener- Lehre  nicht  kenneten,  also  zur  Yorherrliehnng  der  Panf- 
Feuer*Lehre;  denn  die  Fünf*Feuer-Lehre  soll,  wie  aus  der  Absicht 
der  ganzen  Stelle  hervorgeht,  hier  anempfohlen  werden.  ^Denn 
„so  lehrt"  eine  andere  Schriftttelle,  dals  auf  der  Hondacheibe 
ein  wirklicher  Oenufs  stattfindet:  „nadidem  er  in  der  Mondwdt 
„Machtentfaltung  genossen,  kehrt  er  wieder  zurück"  (Pra^na  5,  4); 
und  ebenso  noch  eine  Stelle:  „und  hundert  Wonnen  der  Yftier, 
„die  den  Himmel  erworben  haben,  .  .  .  sind  eine  Wonne  der 
„Oötter  durch  Werke,  die  dun^  ihre  Werke  das  Oottsein  er- 
„langen"  (Bph.  4«  3,  33);  diese  Stelle  beweist,  dafs  die  YoUbringer 
der  Opfer  u.  s.  w.  durch  ihr  Zusammenwohnen  mit  den  Göttern 
zum  Genüsse  gelangen.  —  Indem  es  sonach  feststeht,  dab  das 
Speisewerden  bUdUdi  zu  nehmen  ist,  bleibt  es  dabei,  dafs  die 
Seelen  der  YoUbringer  der  Opfer  u.  s.  w.  zu  verstehen  sind  unter 
denen,  weldie  dahineilen.  Somit  hat  es  mit  den  Worten:  „sie 
„rennt  umschlungen",  seine  Bichtigkeit. 


Zwrita  Adkiiarafam. 

6.    krita-atyaye  'nufayavän  dfisiUa-smrUibhsfAm 

yaäUi'üam  anevaSl  ea 

nach  Yergang  der  Werke  [kehrt]  er,  mit  einem  Boden- 
satze behaftet  y  nach  der  [Schr^] Wahrnehmung  und 
Smriti  [zurück]  wie  er  hingegangen  und  anders. 

Die  Schrift  erwfthnt,  wie  die  YoUbringer  der  Opfer  n.  s.  w., 
nachdem  sie  auf  dem  Wege  des  Rauches  u.  s.  w.  zur  Mondscheibe 
emporgestiegen  sind  und  Jen  Genufs  genossen  haben,   von  dort 


Satram  111.  i.  8.  483 

wieder  h^^rabsteigeii:  „naohdem  sie  daselbst  yerweilt  haben,  sc- 
hlänge eine  Neige  bleibt,  so  kehren  sie  darauf,  auf  dem  Wege, 
„den  sie  gekommen  sind,  wiederum  zurück*^  u.  s.  w.  (Chänd.  5, 
10,  6),  indem  |  diejenigen,  welche  einen  erfreulichen  Wandel  haben,  752 
in  einen  Brahmanenschofs  eingehen,  während  die,  welche  einen 
stinkenden  Wandel  haben ,  in  einen  Qundeschofs  u.  s.  w.  gelangen. 

—  Hier  erhebt  sich  der  Zweifel,  ob.  sie  herabsteigen,  nachdem 
sie  die  gesamten  Werke,  ohne  dafs  ein  Bodensatz  bliebe,  durch- 
genossen, oder  aber  in  der  Art,  dafs  ein  Bodensatz  bleibt? 

Angenommen  also,  ^es  bliebe  kein  Bodensatz;  worum?  wegen 
'der  Bestimmung  „solange  eine  Neige  bleibt"  (Gliund.  5>  10,  5). 
*Unter  der  „Neige**  (^ampäia)  ist  hier  die  Ansammlung  der  Werke 
'lu  verstehen,  sofern  man  sich  mittels  derselben  aus  dieser  Welt 
4n  jene  hinübemeigt  (sampaianH)  zum  Genüsse  der  Frucht'  [die 
indische  Worterklärung  ist  hier  nicht  weniger  widersinnig  als  die 
deutsche].  *  Diese  Worte  also:  „nachdem  sie  daselbst  verweilt 
'„haben,  solange  eine  Neige  bleibt'S  beweisen,  dafs  das  M'erk 
'dabei  gans  durchgenossen  wird,  und  dasselbe  ergiebt  sich  aus  der 
'andern  Schriftstelle,  wo  es  heifst:  „sie  steigen  herab,  wenn  die- 
'„868  Terstrichen  ist"  (Bph.  6,  2,  16).'  —  Aber  kann  man  dies 
nicht  dahin  auslegen,  dafs  die  Seele  nur  so  lange  geniefse,  wie 
dasjenige  Werk,  welches  in  jener  Welt  zu  geniefsen  ist,  andauere? 

—  *Die8e  Auffassung  ist  nicht  statthaft,  wegen  der  Zusammen- 
'fassung,  welche  in  den  Worten  „für  alles"  anderwärts  vorkommt, 
'wo  es  heifst  (Bph.  4?  4,  6): 

',  J^aohdem  den  Lohn  er  hat  empfangen 
'„Für  alles,  was  er  hier  begangen, 
'„So  kehrt  aus  jener  Welt  er  wieder 
'„Zu  dieser  Welt  des  Wirkens  nieder." 

'Die  allgemeine  Zusammenfassung,  welche  hier  in  dem  Ausdrucke 
'„fi&r  alles"  liegt,  beweist,  dafs  alle  begangenen  Werke  im  Jen* 
'seits  aufigebraucht  werden.  Auch  ist  ja  der  Tod  der  Offenbarer 
'deijenigen  Werke,  deren  Frucht  noch  nicht  begonnen  hat.  Vor 
'dem  Tode  n&mlich  ist  die  Offenbarung  derselben  nicht  möglich, 
'weil  sie  durch  solche  Werke,  deren  Frucht  bereits  begonnen  hat^ 
'zurückgedrängt  werden  [lies:  pratihaddhasya^  vgl.  p.  757,  1];  dies 
'ist  ohne  Ausnahme  dahin  zu  verstehen,  dafs  der  Tod  alle  Werke, 
'deren  Frucht  noch  nicht  begonnen  hat,  zur  Offenbarung  bringe; 
'denn  wo  die  Ursache  allgemein  ist,  da  mufs  auch  die  Wirkung 
'allgemein  sein;  denn  es  geht  nidit  an,  dafs  z.  B.  eine  Lampe  | 
'bei  gleicher  N&he  das  6ef&fs  sichtbar  madie  und  das  Gewand  753 
'nicht.  Somit  steigen  sie  herab,  ohne  dafs  ein  Bodensatz  von 
'Werken  bleibt.' 

Aaf  diese  Annahme  erwidern  wir:  „nach  Vergang  der  Werke 
„[kehrt]   er  mit    einem  Bodensatze    behaftet  [zurück]."     Nämlich 

81  ♦ 


484  gUrtraka-mimlkAsä 

indem  die  Werkmasse,    zvl  deren  GenoBse  er   2um  Monde  aufge- 
stiegen ,  durch  den  Genufs  verbraucht  wird,  geschieht  es,  dafs  der 
wasserartige  Leib  der  Seele,  der  sich  zum  Zwecke  des  Geniefsens 
auf  dem  Monde  gebildet  hatte,  durch  die  Einwirkung  des  Feuers 
des  Kummers  über  den  Anblick  der  Schwindung  des  Genusses  zer- 
geht, so  wie  Eis  und  Hagel  , durch  die  Strahlen  der  Sonne  oder 
die    Festigkeit    der    Butter  durch    die    Flamme    des    Opferfeuers. 
Hierauf  also,  nach  Yergang  der  Werke,   d.  h.  nachdem  das  durch 
Opfer  u.  B.  w.  geschaffte  Werk  durch  den  Genufs  der  Frucht  auf- 
gezehrt worden,  steigt  man,  mit  einem  Bodensatze  behaftet«  wieder 
au  dieser  Welt  herab.  Aus  welchem  Grunde?  „wegen  der  [Schrift-] 
„Wahrnehmung  und  Smpti^S  wie  der'  Lehrer  sagt.     Denn  so  l&fst 
es  sich  in  der  Schrift  wahrnehmen,  welche  zeigt,  wie  das  Herab- 
steigen unter  Behaftung  mit  einem  Bodensatze  stattfindet :  „welche 
„nun  hier  einen  erfreulichen  Wandel  haben ,  für  die  ist  Aussicht, 
„dafs  sie  in  einen  erfreulichen  Mutterschofs  eingehen,  einen  Brah- 
„manenschofa  oder  Kshatriyaschofs  oder  Yai^yaschofs;  —  die  aber 
„hier  einen  stinkenden  Wandel  haben,  für  die  ist  Aussieht,   dafs 
„sie    in    einen  «stinkenden    Mutterschofs    eingeben,    einen  Hunde- 
„schofs,  oder  Schweineschofs  oder  C&nd&Iaschofs**  (Ch&nd.  6,  lü,  7). 
Hier  wird  mit  dem  Worte  „Wandel  ^^   der  Bodensatz   angedeutet, 
wie  sich  zeigen  wird.     Und    aneh  die  Wahrnehmung  zeigt,    wie 
von  Geburt  an  hoher  und  niedriger  Genafs   unter  die  lebenden 
754  Wesen  in  Terachiedener  Weise  verteilt  ist.  |  Und  da  dies  unmög- 
lich   ohne  Grund    sefin    kann,    so    beweist   es  das   wirkliche  Yor^ 
handensein  eines  Bodensatzes;  denn  dalk  der  Aufschwung  und  der 
Niedergang   [in  der  Seelenwanderung]   in    den    guten    und  bdsen 
Werken  seinen  Grund  habe,  wird  allgemein  von  dem  Schriftkanon 
angenommen.     Und  auch  die   Smriti   sagt:    „nachdem  die  Kasten 
„und  die  Lebensstadien,  die  in  ihrem  Werke  treu  waren,  die  Fracht 
„für  jedes  einzelne  Werk  empfangen,    so  gehen  sie,    durch  einen 
'  yjSest  desselben,  verschieden  an  Ort,  Geschlecht,  Familie,  Gestalt, 
ijLcbenszeit,  Schriftgenufs,  Lobenswoise ,  Reichtum,  Lust  und  Ein- 
i,8ioht,    in  die  Geburt  ein^'  (vgl.  Äpastamba,    dharmasütra  3,  ], 
2,  3);    auch  hier  wird  gelehrt,    dais  das  Herabsteigen  unter  Be- 
haftnng  mit  einem  Bodensatze  stattfindet. 

Aber  welcher  Art  ist  dieser  Bodensatz?  —  Einige  meinen, 
.*dafs  es  ein  Überrest  des  den  Himmel  als  Zweck  Jiabenden  Werkes 
'nach  Genufs  der  Frucht  sei,  welcher  hier  Bodensatz  heilse,  etwa 
'wie  eine  klebrige  Flüssigkeit,  die  in  dem  Gefafse. hängen  bleibt. 
'Wie  nämlich,  wenn  man  ein  Gefäfs  mit  klebriger  Flüssigkeit  ans- 
'leert,  die  Leerung  keine  vollständige  ist,  indem  ein  gewisser 
^Rest  der  Flüssigkeit  in  dem  Gefafse  haften  bleibt,  so  ist  es  j^uch 
'hier  mit  dem  Bodensätze.*  —  Aber  ist  diese  Annahme  nicht  un- 
zulässig, da  das  Gesetz  der  Wirkung  [die  vollständig  erfolgen 
mufn]  dem  widerspriclit,  dafs  von  dom  Unsichtbaren  [dem  unsicht- 


S&traiQ  III.  I.  8.  485 

• 

bai'en  Verdieuste  der  Werke,  adtishiam]  beim  Genasse 'der  Fruoht 
ein  Rest  zurückbleibe?  —  ^ Biese  Einwendung  irifPb  nicht,  denn 
*wir  nehmen   eben    nicht    au,    dafB    die   Frucht    der   Werke   voll- 

*  ständig  genossen  weiden  müsso.*  —  Aber  dazu  sind  sie  doch  zur 
Mondscheibe  emporgestiegen,  dafs  sie  die  Frucht  der  Werke  ohne 
Überrest  durchgeniei'hsen V  —  ^  Schon  recht!  aber  das  hindert  nichts 
*dafs  sie,  wenn  der  Rest  der  Werke  sehr  klein  geworden  ist,  sich 
'dort  nicht  mehr  halten  können.    Wie  nämKch  etwa  ein  dienender 

*  Kitter,  welcher  mit  allom  Zubehör  des  Ritterdienstes  an  den 
^Hof  eines  Königs  gekommen  ist,  nachdem  durch  den  langem  Auf- 
'enthalt  das  meiste  Zubehör  reii^chlissen  ist,  ]  und  nur  etwa  noch  755 
Mer  Sonnenscbimi  und  die  Schuhe '  ihm  übrig  bleiben ,  sich  an  dem 
^Uofe  des  Königs  nicht  länger  halten  kann,  ebenso  kann  man  sich 
'auch  in  der  Mondscheibe  nicht  länger  halten,  wenn  man  nur 
^uoch  einen  ganz  geringen  Bodensatz  besitzt.*  —  Auch  das  ist 
nicht  so  recht  passend;  denn  os  geht  nicht  an,  di^s  von  dem- 
jenigen Werke,  welches  als  Zweck  den  Himmel  hat,  beim  Genüsse 
(1er  Frucht  ein  Überrest  bleibe,  weil  dem.  wie  bemerkt,  das  Ge- 
setz   der  Wirkung  widerspricht.   —   *Aber  wir    haben    doch  auch 

*  bemerkt,  dafs  das  Werk,  dessen  Frucht  der  Himmel  ist,  nicht 
'vollständig  beim  Genüsse  der  Frucht  darauf  zu  gehen  brauche?' 
—  Das  alles  ist  nicht  sonderlich  ansprechend ;  denn  ein-  Werk, 
welches  als  Zweck  den  Himmel  hat,  mufs  doch,  solange  man 
noch  im  Himmel  weilt,  die  vollständige  himmlische  Frucht  tragen, 
iin«l  dafs  es  auch  nach  Verlust  des  Himmels  noch  ii'gend  eine, 
wiewohl  geringe  Frucht  bringe,  eine  solche  Annahme  ist  für  den, 
der  dem  Schriftworte  als  Richtschnur  folgt,  nicht  angemessen. 
Was  freilich  das  Haftenbleiben  eines  Restes  der  klebrigen  Flüssig- 
keit in  dem'  Gefäfse  betrifft,  so  spricht  dafür  die  Erfahrung; 
und  auch  dafs  einem  dienenden  Ritter  nur  ein  weniges  von  seinem 
Zubehör  übrig  bleiben  könne,  zeigt  die  Erfahrung;  hier  hingegen 
läfst  sich  nicht  in  dieser  Weise  ans  der  Erfahrung  das  Bleiben 
oinef«  Restes  der  Werke,  die  den  Himmel  als  Frucht  haben,  er- 
weisen; ja  es  läfst  sich  nicht  einmal  denken,  weil  es  der  Lehre 
des  Scbriftkanons  von  dem  Himmel  als  Frucht  der  Werke  wider- 
spricht; und  so  müssen  wir  unweigerlich  zugeben,  dafs  der  Boden- 
satz nicht,  wie  bei  der  dem  Gefafs  anhaftenden  Flüssigkeit,  in 
dem  teil  weisen  Übrigbleiben  solcher  Werke  bestehen  kann,  welche, 
wie  z.  B.  Opfer  u.  s.  w. ,  den  Himmel  als  Frucht  haben.  Denn 
wenn  von  demjenigen  guten  Werke,  wie  Opfer  u.  s.  w.,  durch 
welches   der   Himmel   genossen    wurde,    irgend    ein   einzelner   Teil 

als   der  Bodensatz  |  angesehen    würde,    so   könnte    der  Bodensatz   756 
mir  von  der  einen  Art,  nämlich   von   der   erfreulichen,   nicht   von 
der  entgegengesetzten  sein,    und  die  Schrift  würde  widersprechen, 
wonn  sie   den  Bodensatz   iu   zwei    Arten   teilt,    „welche   nun  hier 
„eiuen  erfieulicheu  Wandel  haben''    —  ,,die  aber  hier  einen  stin- 


486  ^AHralok^mlmias» 

„kenden  Wandel  haben"  (Ch&nd.  5,  10,  7).  Somit  mufs  man  an- 
nehmen, dafs  diejenige  Art  von  Werken,  wiilche  jenseitige  fVucbt 
bringt,  durchgenosien  wird,  nnd  dafs  als  Dodensats  die  andere 
Art  Ton  Welken,  welche  diesseitige  Fracht  bringt,  übrig  bleibt, 
und  dafs  man,  mit  diesem  behaftet,  herabsteigt 

Wenn  hingegen  behauptet  wurde,  dafs  wegen  der  AUbefassOQg, 
die  in  dem  Ausdrucke  „für  alles,  was  er  hier  gethan"  (Bfih.  4, 
4,  6),  Uegt,  alles  hier  gethane  Werk  durch  Genufs  der  Frucht 
absolriert,  und  somit  ohne  Bodensata  herabgestiegen  werden  müsse, 
so  ist  das  nicht  richtig,  da  wir  das  wirkliche  Vorhandensein  eines 
Bodensatzes  aus  der  Schrift  erkannten;  und  somit  folgt,  dafs  die 
Worte  „ftr  alles,  was  er  hier  gethan",  nur  bedeuten,  dafs  alle  die- 
jenigen Werke,  deren  Frucht  eine  jenbeitige  ist,  nachdem  ihr  6e- 
nufs  einmal  begonnen  hat,  durch  den  Genufs  der  Frucht  an%e« 
sehrt  werden. 

Wenn  femer  behauptet  wurde,  dafs  der  Tod  ohne  Unterschied 
alle  Werke,  deren  Frucht  noeh  nicht  begonnen  habe,  offenbare, 
dafs  somit  die  Unterscheidung  von  Werken,  deren  Frucht  im  Jen- 
seits, und  Yon  solchen,  deren  Frucht  auf  Erden  sich  yerwirkliche, 
nicht  statthaft  sei,  so  ist  anch  das  schon  dadurch,  dafs  wir  das 
wirkliche  Vorhandensein  eines  Restes  erwiesen ,  beantwortet.  Audi 
möchten  wir  hierbei  fragen,  aus  weldiem  Grunde  überhaupt  ange- 
nommen wird,  dnfs  der  Tod  der  Offenbarer  deijenigen  Werke  sei, 
757  deren  Frucht  noch  nicht  begonnen  habe?  |  Wollte  man  antworten, 
dafs  durch  Werke,  deren  Frucht  bereits  begonnen,  andere  xurück- 
gedrängt  Würden  und  »ch  daher  nicht  entwickeln  könnten,  dafs 
aber,  nachdem  jene  abgelaufen,  d.  h.  nach  dem  Tode,  ihre  Ent- 
wickelnng  Ton  statten  gehen  könne,  so  müssen  wir  daau  bemer- 
ken: ebenso  gut  wie  ee  Tor  dem  Tode  Werke  giebt,  wel<^e,  durch 
Werke,  deren  Frucht  schon  begonnen,  aurflckgedr&ngt,  nck  nicht 
entwickeln  können,  ebenso  liegen  doch  auch  nach  dem  Tode  ver- 
schiedenartige  Werke  von  entgegengesetater  Frucht  ror,  welche 
ihre  Frucht  nicht  gleichzeitig  herTorbringen  können,  sodafs  auch 
dann  das .  schwächere  Werk,  von  dem  stärkeren  srarflckgedrängt, 
nicht  zur  Entwickelung  kommen  kann.  Denn  wenn  verschieden- 
aiiige  Werke,  die  durch  einen  neuen  Lebenslauf  abzubüfsen  sind, 
vorliegen,  so  l&fst  sich  doch  nicht  behaupten,  dafs  dieselben 
darum,  weil  sie  in  gleicher  Weise  noch  keine  Frucht  getragen 
haben,  zugleich  bei  ein  und  demselben  Sterben  zur  Offenbarung 
kommen  und  nur  einen  einmaligen  Lebenslauf  hervorbringen  mflasen. 
Denn  dem  widerspricht  das  Gesetz,  dafs  die  Frucht  eine  im  einzel- 
nen nach  den  Werken  bestimmte  ist.  Ebenso  wenig  aber  Iftfst 
sich  behaupten,  dafs  beim  Tode  die  einen  Werke  anr  Offenbarung 
gelangen,  und  die  andern  ganz  in  Wegfall  kommen;  dann  dem 
widerspricht  das  Gesetz,  dafs  die  Frucht  eine  vollständige  eein 
maf^.    Denn  ein  Wegfallen   von  Werken   findet,   wenn   wir   von 


Satr&m  m.  i.  8.  487 

den  Ablafii-Ceremonien  (prä^agefUqni)  und  &biilichen  Gründen  «b- 
flehen,  überlmupt  nidit  aiait.  Und  auch  die  Smfiii  lehrt,  wie 
durch  Werke  von  entgegenstehender  Frucht  andere  Werke  ararfick- 
gedr&ngt  werden  und  oft  lange  auf  ihre  Vergeltang  warten  mos- 
een,  wenn  sie  sagt  (Mahabb.  12,  10713): 

Zuweilen  schwebt  das  gute  Werk  758 

,^e8  Menschen  harrend  oben, 
jjndefs  er  in  Sams&ra  brät, 
„Bis  Bich  sein  Leid  gehoben.^ 

Kämen  femer  alle  Werke,  deren  Frucht  nogh  ausstehtt  nach  einem 
einmaligen  Sterben  in  einem  einzigen  Lebendlaule  cur  OITenba- 
rung  so  würde  für  Solche,  welche  in  dem  Himmel,  der  Hdlle 
oder  in  Tierleibem  wiedergeboren  werden,  da  hier  eine  Berufung 
zu  Werken  nicht  denkbar  ist,  und  somit  Yerdienst  oder  Schnld 
sich  nicht  bilden  können,  wegen  Fehlens  des  bewirkenden  Grün« 
deSy  ein  weiterer  Lebenslanf  gar  nicht  mehr  erfolgen.  Auch  würde 
die  Smfiti  damit  in  Widerspruch  stehen,  welche  lehrt,  dafs  bei 
gewissen  Werken,  wie  Brahmanenmord  u.  dgL,  jedes  einzelne 
Werk  eine  mehrmalige  Geburt,  zu  seiner  Folge  hat.  Überhaupt 
giebt  es,  um  die  Mittel  der  den  Verdiensten  und  Yerschuldun* 
gen  entsprechenden  Frucht  zu  erkennen,  keinen  andern  £rkennt* 
nisgnmd  als  den  Schriftkanon«  Hierzu  kommt,  dofs  für  Werke, 
deren  Frucht  wahrnehmbar  eintritt,  z.  B.  das  Regcnopfer,  nicht 
erst  der  Tod  der  Offenbarer  sein  kann,  |  und  es  ist  nicht  abzu-  759 
sehen,  worin  hierbei  das  Offenbarersein  des  Todes  bestehen  soll. 

Was  den  Vergleich  mit  der  Lampe  betriffl,  so  ibt  dem  schon 
durch  die  Unterscheidung  von  Werken  mit  stärkerer  und  schwä- 
cherer Frucht  begegnet,  indem  es  damit  steht  wie  mit  der  Sicht- 
barmachung gröfserer  und  feinerer  Gestalten.  Wie  nämlich  die 
Lampe  bei  gleicher  Nähe  eine  grobe  Gestalt  sichtbar  macht  und 
eine  feine  nicht,  so  bringt  auch  der  Tod  bei  gleicher  Gelegen* 
heitserlangung  aller  Arten  von  Werken,  deren  Frucht  noch  nicht 
begonnen,  das  stärkere  Werk  zur  Entfaltung  und  das  schwächere 
nicht.  Somit  ist  jene  Annahme,  dafs  alle  Werke  ohne  Rest  durch 
den  Tod  zur  Entfaltung  kommen,  unhaltbar,  weil  sie  mit  der 
Schrift,  der  Tradition  und  der  Analysis  in  Widerspruch  steht. 
"Wollte  endlich  jemand  behaupten,  dafs  keine  Erlösung  möglich 
sei,  wenn  man  das  Übrigbleiben  eines  Werkrestes  behaupte,  so 
würde  dieses  eine  Vexation  sein,  welche  nicht  am  Plätze  wäre; 
denn  die  Schrift  lehrt,  dafs  durch  die  ToUkommene  Erkenntnis 
alle  Werke  ohne  Rest  zunichte  werden. 

Somit  steht  es  fest,  dafs  die  Seelen,  mit  einem  Bodensatze  von 
VTerken  behaftet,  herabsteigen.  Es  geschieht  aber  dieses  ihr  Her* 
absteigen  „wie  sie  hingegangen  und  anders*^;  wie  sie  hingegangen, 
d.  h.  wie  sie  hinaufgestiegen  sind,  und  anders,  d«  h.  in  davon  ab* 


488  ^&r!raka-inlm&nBä 

weichender  Weise.  Sofern  nämlich,  der  Ranch  und  der  Akli^a, 
welche  beim  Y&ierwege'  erwähnt  wurden,  auch  beim  Herabsiei^eu 
wieder  vorkommen,  und  sofern  die  Schrift  sagt:  „auf  dem  Wege, 
„den  sie  gekommen"  (Ohänd.  6,  10,  6),  entspricht  das  Herabsteigen 
dem  Emporsteigen;  sofein  hingegen  beim  Herabwege  die  Nacht 
u.  8.  w.  unerwähnt  bleiben,  und  die  Wolken  und  anderes  neu  bin- 
zukommen,  geschieht  das  Herabsteigen  in  abweichender  Weise. 


760        9.    carandd,  iä  cen?  na!  upalaksham-arthd,  iü 

Kärshndjimh 

wegen  des  Wandels,  meint  ihr?     Nein,  weil   sie  ihn 

bezeichnen  soll;   so  Kärshiiajini. 

^Das  mag  ja  sein,  aber  die  Schriftstelle,  welche  zum  Erweist^ 
^des  Vorhandenseins  eines  .Bodensatzes  citiert  wurde:  „welche  uuu 
Salier  einen  erfreulichen  Wandel  haben*'  (Ghänd.  5,  10,  7),  die 
4ehrt  ja  doch,  dafs  durch  den  Wandel  (earan<km)  der  Eingang  in 
^n  Mutterschofs  erfolge,  und  nicht  durch  den  Bodensatz;  ein 
^anderes  aber  ist  der,  Wandel  und  ein  anderes  der  Bodensatz. 
*Denn  Wandel  kann  nichts  anderes  bedeuten  als  Auffährung  (tä- 
^ritram),  Lebenswandel  (äcära),  Charakter  (güam)^  unter  dem 
^Bodensätze  hingegen  wird  ein  von  dem  vergoltenen  Werke  übrig 
.^bleibendes  Werk  verstanden;  und  auch  die  Schrift  bezeichnet 
*Werk  und  Wandel  als  verschieden,  denn  es  heifst:  „[jenachdeni 
S,er  handelt,]  jenachdem  er  wandelt,  danach  wird  er  geboren'" 
'(Brih.  4,  4,  5)  und:  „die  Werke,  welche  untadelig  sind,  die  sollst 
S,da  betreiben,  keine  andern,  was  bei  uns  für  guten  Wandel  gilt, 
S,das  sollst  du  üben!''  (Taitt.  1,  11,  2).  Daher  die  Schriftstelle, 
'welche  „wegen  des  Wandels"  den  Eingang  in  den  Mutterschofs 
'erfolgen  läfst,  für'  einen  Bodensatz  nichts  beweist.'  —  Darauf 
erwidern  wir:  „nein!  weil"  diese  Schriftstelle  von  dem  Wandel 
eben  den  Bodensatz  „bezeichnen  soll;  so"  meint  der  Lehrer 
„K&rshn^ini". 


10.    dnarthakyam,  iti  ccn?   na!   tad-apekshatväi 

Zwecklosigkeit,   meint  ihr?    Nein!    weil  es  durch  ihn 

bedingt  .wird. 

'Gut\  könnte  man  sagen,  'aber  warum  soll  man  bei  dem  Worte 

^ruranam  die   schriftmäfßige  Becle«tiing  „Charakter"  aufgehen  und 


Sütnim  III.  I.  10.  489 

*(]ie  übertragene  „  Budensatz "  annehmen  V  Sollte  uicbt  vielmelu* 
^»beii  der  Charakter  es  sein,  welcher. für  das  von  der  Schrift  ge- 
^botene  Gate  |  und  verbotene  Böse  den  Eingang  in  einen  schönen  IVA 
'und  unschönen  Mutterschofs  als  Lohn  empfängt?  denn  sicherlich 
MHufs  man  doch  auch  für  den  Charakter  irgend  eine  Belohnung 
^annehmen.  Denn  sonst  würde  „Zwecklosigkeit"  des  Charakters 
'stattfinden.'  —  Meint  ihr  so,  so  antworten  wir^  nein!  warum? 
,^weil  es  durch  ihn  bedingt  wird";  d.  h.  das  ausgeftlhrte  Werk, 
wie  Opfer  u.  s.  w.,  wird  bedingt  durch  den  Wandel;  denn  kei- 
ner, der  eines  guten  Lebenswandels  ermangelt,  wird  dabei  zu- 
gelassen : 

„den  Sittenlosen  reinigt  nicht  der  Veda^S 

wie  die  Snuiti  sagt.  Femer  ii5t  deshalb  jiicht  „Zweoklosigkeit" 
des  Charakters,  weil  er  zum  Ziele  des  Mensclien  mitgehört.  Denn 
wenn  das  ausgeführte  Werk,  wie  Opfer  u.  s.  w,,  seine  Frucht  her- 
vorbringt, so  wird  dabei  siuch  der  Lebenswandel,  eben  weil  das 
Werk  „durch  ihn  bedingt  ist",  einen  gewissen  Überschufs  (atu 
*:(tya)  hervorbringen.  Und  das  Werk  i^t  es  ja,  welches  alle  Zwecke 
vollbringt,  wie  sowolil  Schrift  als  auch  Smriti  annehmen.  Darum 
ist  das  Werk  allein,  weil  es  [hier]  als  „Charakter'^  bezeichnet 
wird,  in  Gewalt  des  Bodensatzes  die  Ursache  für  den  Eingang  in 
den  Mutterschofs,  so  ist  die  Meinung  des  Eärshnajini.  Denn  da 
du8  Werk  vorhanden  ist,  so  ist  ein  Eingang  in  den  Mutterschofs 
wegen  des  Charakters  füglich  nicht  anzunehmen;  denn  wer  im 
Stande  ist,  auf  den  Füfsen  zu  laufen,  der  braucht  nicht  auf  den 
Knieen  zu  rutschen. 


11.    sukrüa-dmhlcnte  eva,  Ui  tu  Bädarih  762 

nur  gutes  und  böses  Werk  hingegen  Bädari. 

„Hingegen",  meint  der  Lehrer  „Badari*',  dafs  ;anter  dem  Worte 
Wandel  „nur  gutes  und  böses  Werk*'  zu  verstehen  ist,  indem  ca- 
ranam  nichts  anderes  bedeutet  als  „religiöses  Vollbringen  oder 
„Werk".  Denn  so  wird  das  Wort  „wandeln"  (cnraii)  von  einem 
blofsen  Werke  ohne  Unterschied  gebraucht,  wie  die  Erfahrung 
zeigt.  Denn  wer  die  guten  (ptvnya)  Werke,  wie  Opfer  u.  s.  w., 
betreibt,  von  dem  sagen  die  Leute:  ,, dieser  Edle  wandelt  in  der 
„Pflicht  (dhaitnam  carati/^.  —  Auch  ist  der  Lebenswandel  selbst 
nur  eine  Art  der  Pflicht,  und  die  Unterscheidung  von  Werk  und 
Wandel  ist  nur  so  wie  die  zwischen  Br&hmaua  und  Parivrajaka 
[d.  h.  Genus  und  Species].  Somit  sind  die  von  „erfreulichem 
„Wandel"  solche,  deren  Werke  rühmlich,  und  die  von  „stinken- 
„ dem  Wandel'*  solclio,  deren  Werke  tadelhaft  sind;  das  stoht  fest. 


490  giiiraka-mt9i4n8ä 


DriUet  Adhikarunam* 

12.    üfMita^ädi^iäinndm  ajn  ca  frutam 

auch  von  solchen,  welche  keine  Opfer  u.  s.  w.  voll* 

bringen  y  sagt  es  die  Schrift 

Wir  habeil  geedben,  wie  diejenigeii,  welche  die  Opfer  u.  s.  w. 
Yollbruigen,  zum  Hoode  gelangen.  Wie  steht  es  aber  mit  den 
übrigen,  welche  keine  Opfer  n.  8.  w.  darbringen?  kommen  auch 
sie  auf  den  Hond-  oder  nieht?  das  ist  jetzt  die  Frage.  Nun 
konnte  jemand  behaupten:  ^die  Annahme,  dafs  nur  solche,  welche 
^die  Opfer  u.  s.  w»  voübriugen,  auf  den  Mond  gelangen,  ist  nicht 
76«S  'richtig;  I  warum?  weil  auch  von  solchen,  die  keine  Opfern,  s.  w. 
^darbringen,  die  Schrift  lehrt,  dafs  sie  zum  Monde  gehen  müssen. 
'Demi  so  heifat  es  ohne  ITnt^rschied  bei  den  Kaoshttakin's:  „welche 
'.,uiir  immer  aud  dieser  Welt  dahinscheiden,  die  gelangen  alle  zum 
S,Moude^'  (Kansh.  1,  2).  liierzu  kommt,  dafs  die  Erlangung  «inea 
'Leibes  für  die,  welche  wieder  geboren  werden,  nicht  mdgliok  ist, 
'ohne  dafs  sie  auf  den  Mond  gelangen;  denn  da  es  heifst  y,bei 
S,dcr  fünften  Opferung^',  so  nötigt  schon  die  Zahl  der  OpfeningeL, 
'dies  anzunehmen.  Somit  folgt,  dafs  alle  ohne  Ausnahme  zum 
'Monde  hinkommen.  Und  auch  der  £inwnrf,  dafs  es  nicht  mn- 
'gehe,  für  die  Vollbringer  der  Opfer  u.  s.  w.,  und  für  die  andern 
Mieselbe  Art  des  Weges  anzunehmen,  trifft  nicht  zu,  sofern  f&r 
'die  andern  auf  der  Mondscheibe  ein  Genufs  nicht  stattzufinden 
'braucht.' 


13.    samyainane  tu  anubJiAtfa  itareshäm  (Uvha-avarohau. 

tad-gati-dar^nät 

vielmehr  indem  sie  in  der  Fesselung  bü&en,  geschieht 
das  Aufsteigen   und  Herabsteigen    der   andern;    weil 

diesen  Hergang  die  Schrift  lehrt 

Das  Wort  „vielmehr"  lehnt  diese  Meinung  ab.  Es  ist  nicht 
wahr,  dafs  alle  auf  den  Mond  gehen;  warum?  weil  das  Aufsteigen 
sum  Monde  sum  Zwecke  des  Genusses  stattfindet,  nicht  siber 
swecklos  oder  um  blofs  wieder  herabzusteigen;  so  wie  einer  auf 
einen  Baum  steigt,  um  seine  Blüten  und  Frftohte  su  pflücken, 
nidit  aber  swecklos   oder   nur  um  herunterzufidlen;  ein  Geinnfs 


.j 


SütnuE  IlL  1.  la  491 

aber  erw»rtet  diejenigen,  welche  keine  Opfer  u.  s.  w.  gebracht 
haben,  anf  dem  Monde  nicht.  .  Somit  folgt,  dalt  nur  dif^enigen, 
weldbe  Opfer  n.  s.  w.  gebracht  haben,  vom  Monde  eraponteigen, 
nicht  aber  die  andern.  Waa  hingegen  diese  andern  beträft,  so  ge« 
raten  dieselben  in  die  „i'eSBelnng**,  die  Wohnstitte  des  Tama,  wo 
sie  die  ihren  ObeHhaten  entsprechenden  |  Zttchtignngen  des  Yama  7M 
erdolden  und  dann  wieder  su  dieser  Welt  herabsteigen*  Von  die- 
ser Art  ist  fUr  sie  das  Hinaufsteigen  und  Herabsteigen;  warum? 
„weil  diesen  Hergang  die  Schrift  lehrt  *^  So  nämlich  lehrt  eine 
Sduiftstelle,  welche  dem  Tama  in  den  Mund  gelegt  wird,  dafs 
die  Abscheidenden,  sofern  sie  nicht  Opfer  u.  s.  w.  vollbringen,  der 
Ilotm&fsigkeit  des  Yama  Terfallen»  wenn  es  heifst  (K^.  2,  6): 

„Das  Nach-dem-Tode  seigt  sich  nicht  dem  Thoren, 
„Dem  Taumelnden,  durch  Reichtums  Blendung  Blinden; 
„«Dies  ist  die  WeH;  kein  Jenseits  giebt^s»,  —  so  wAhnend 
„Verftllt  er  immer  wieder  meiner  Herrschaft^; 

und  die  Worte:  „Vivasvant^s  Sohn,  der  Sammelort  der  Menschen'' 
(HigT.  10,  14 9  1)  deuten  an,  dals  dieses  Verfallen  unter  die  Bot* 
mAfsigk^t  des  Yama  vielfältig  vorkommt. 

14.  smarunii  ca 

und  auch  die  ämpti  erwähnt 

Und  auch  die  gelehrten  Urheber  der  Smriti,  ein  Manu,  Vyasa 
und  andere  erwähnen,  dafs  in  der  Stadt  Saifiyamanam  (Fesse* 
lung)  die  dem  Yama  obliegende  Vergeltung  lur  die  „stinkenden'^ 
Werke  erfolgt,  in  der  Geschichte  von  Nactketas  und  andern. 

15.  api  ca  sapta 
imd  auch  die  sieben. 

Und  auch  die  sieben  HöUen,  Baura(i>a  (die  Heulende)  u.  s.  w., 
werden  als  die  Stätte  des  Genusses  der  Frucht  der  Übelthaten 
von  den  Pur&i^a- Dichtem  erwähnt;  in  diese  gelangen  diejenigen, 
welche  keine  Opfer  u.  s.  w.  vollbringen;  wie  sollten  also  dieselben 
auf  den  Mond  kommen?  das  ist  der  Sinn  [des  Sütram]. 

'Aber  liegt  nicht  ein  Widerspruch  darin,  dafs  die  Übelthäter 
^die  dem  Yama  obliegenden  Züchtigungen  erleiden,  da  doch  fQr 
'jene  HöUen,  Raurava  u.  s.  w.,  verschiedene  andere  Vorsteher,  wie 
's.  B.  Gitragupta  u.  a.  w.  genannt  werden?*  —  Nein!  sagt  der 
Lehrer, 


492  CArirakä-mlm^nsli 

■ 

765  1^.   tcUra  api  ca  tad-vyapdräd  amrodhah 

weil  auch   dort  dessen  Tfaätigkeit,  ist  kein  Wider- 
spruch. 

Aach  in  jenen  siebdn  Höllen  übt,  wie  anzunebmen  ist,  Yaina 
die  Thätigkeit  eines  Vorstehers,  so  dafs  hier  kein  Widersprach 
vorliegt.  N&mlich  jene  andern,  Citragupta  u.  s.  w.,  gelten  iiacli 
der  Smriti  als  Vorsteher  nur,  sofern  sie  durch  Yama  dazu  bestallt 
worden  sind. 

17.    mdya-'karmanor  Üi  tu^  prakritatvdt 

vielmehr  [gehen  sie  in  jene  Welt  nur  auf  den  beiden 
Wegen]  des  Wissens  und  der  Werke ,  weil  von  ihnen 

die  Rede. 

In  der  Fünf -Feuer -Lehre  kommt  die  Frage  vor:  „weifst  du, 
„warum  jene  Welt  nicht  voll  wird'^  (Ghänd.  6,  S,  3),  und  als  Ant- 
wort darauf  heifst  es:  „aber  auf  keinem  dieser  beiden  Wege  befind- 
„lich  sind  jene  winzigen,  immerfort  wiederkehrenden  Wesen,  die 
„schnell,  wie  man  es  ausspricht,  entstehen  und  vergehen.  Dieses 
„ist  der  dritte  Ort.  —  Darum  wird  jene  Welt  nicht  voll"  (Gh&nd. 
5,  10)  8).  Was  hier  „diese  beiden  Wege"  heifst,  wird  im  Sütraui 
bezeichnet  als  der  „des  Wissens  und  der  Werke",  warum?  „weil 
„von  ihnen  die  Rede";  d.  h.  von  dem  Wissen  und  den  Werken 
war  bei  Besprechung  der  beiden  Wege,  des  Götterweges  und  dos 
Väterweges,  die  Rede;  „die  nun,  welche  solches  wissen"  (Chand. 
5,  10,  f);  hier  wird  das  Wissen  und  als  durch  dasselbe  zu  er- 
langen  der  Oötterweg  erwähnt;  „hingegen  diese,  welche  im  Dorfe 
„Opfer,  fromme  Werke  und  Almosengeben  üben"  (Gh&nd.  5,  10,  3); 
hier  wird  das  Werk  und  als  durch  dasselbe  zu  erlaügen  der  Vüter- 
weg  erwähnt.  Und  im  Zusammenhange  damit  heifst  es:  „aber 
76G  „auf  keinem  dieser  beiden  Wege  |  befindlich"  u.  s.  w. ;  das  soll 
heifsen :  diejenigen,  welche  weder  vermöge  des  Wissens  zum  Göttei'- 
wege,  noch  auch  vermöge  des  Werkes  zum  Väterwege  zugelasseu 
werden,  Hir  diese  besteht  jeuer,  den  winzigen  Kreaturen  eigene, 
immerfort  wiederkehrende  dritte  Weg:  und  auch  hieraus  ist  zu 
ersehen,  dafs  diejenigen,  welche  keine  Opfer  u.  s.  w.  vollbringen, 
nicht  zum  Monde  gelangen.  —  ^Aber  könnten  nicht  auch  sie  zur 
SMondscheihe  aufsteigen  und,  nachdem  sie  von  dort  wieder  herab - 
'gosiiegfm  äiud,  in  das  Dasein  der  winzigen  Kreaturen  eingehen/' 


BtLtnm  IIL  i.  17.  493 

\ 

t  ■ 

\ 
—  Auch  das  ist  nicht  anzunehmen;  indem  ihr  Aufsteigen  keinen 

Zweck  haben  würde.  Auch  würde,  wenn  alle  Dahinscheidenden 
xur  Mondwelt  kämen,  jene  Welt  wirklich  durch  die  Dahinschei- 
denden überfallt  werden ,  und  die  Antwort  würde  nicht  in  Ein- 
klang mit  der  Frage  stehen.  Es  muTs  aber  die  Antwort  so  ge- 
geben werden,  dafs  dabei  jene  Welt  ni^ht  überfüllt  wird.  Meint 
ihr^  dafs  dieser  Zwepk  schon  durch  die  Annahme  des  Herabstei- 
gens  erreicht  werde,  so  müssen  wir  das  ablehnen,  weil  die  Schrift 
es  nicht  lehrt;  denn  allerdings  könnte  auch  durch  das  Herab* 
steigen  die  ^ Überfüllung  vermieden  werden;  die  Schrift  aber  er- 
wähnt, um  zu  zeigen,  wie  die  Überfullung  vermieden  werde,  den 
dritten  Ort  in  den  Worten:  „dieses  ist  der  dritte  Ort.  Darum 
,,^ird  jene  Welt  nicht  voll"  (Ch4nd.  5»  10,  8);  hierin  liegt  der 
Grund,  aus  welchem,  auch  ohne  dafs  man  an  das  Herabsteigen 
flenkt,  die  Überfüllung  vermieden  wird;  denn  sonst  würde,  wenn 
das  Herabsteigen  [jenen  andern]  mit  den  YoUbtingem  der  Opfer 
oline  Unterschied  gemeinsam  wäre,  die  Erwähnung  des  dritt^'u 
Ortes  ganz  überflüssig  sein.  Das  Wort  „vielmehr'*  im  Sütram  soll 
den .  Zweifel  abschneiden ,  der  sich  auf  Grund  des  Textes  einer 
Andern  Yedaschule  erhob,  ob  nicht  vielleicht  doch  alle  ohne  Aus- 
ifihme  zum  Monde  gingen.  Weil  dies  unannehmbar,  deswegen 
mufs  man  annehmen,  dafs  in  dem  Texte  der  andern  Yedaschulen 
das  Wort  „alle.'*  nur  „alle  Berufenen"  bedeutet,  |  und  demnach  767 
(Kaush.  1,  2)  verstehen:  „welche  nur  immer  von  den  dazu  ße- 
„rufenen  aus  dieser  Welt  dahinscheiden,  die  gehen  alle  auf  den 
„Moijd." 

Wenn  weiter  behauptet  wurde,  *  dafs  zur  Erlangung  eines  neuen    ' 
I^ibes  es  für  alle  notwendig  sei,    auf  den  Mond   zu  gehen,   weil 
in    den  Worten   „bei  der  fünften  Opferung**,   die  Zahl   der  Opfe- 
rungen eine  fest  bestimmte  sei,  so  ist  darauf  zu  antworten: 


18.    na  trUhje,  tafM-upalaMheh 
nicht  beim  dritten,  weil  os  so  ersiolitlich. 

Es  ist  nicht  notwendig,  dafn  heim  dritten  Orte  znr  Erlangung 
eines  neuen  Tieibes  die  Bt^stimmung  der  Fünfzah)  der  Opferungen 
inne  gehalten  werde;  warum?  „weil  es  so  ersichtlich";  so  nämlicli 
iHt  ersichtlich ,  dafs  auch  ohne  Einhaltung  der  Fünfzahl  der  Opfe- 
rungen, wie  bemerkt,  der  dritte  Ort  «.rlangt  werden  kann,  er- 
sichtlich aus  den  Worten:  „die  schnell,  wie  man  es  ausspriclit, 
,,ßntstehen  und  vergehen.  Dieses  ist  der  dritte  Ort**  (Ch&nd.  f), 
10,  8).  Ilicrzu  kommt,  <lafs  wenn  es  heifst:  „wie  bei  der  fünften 
, /Opferung  die  Wanser  mit  Menschenstimme  reden'*  (Chl^nd.  f), 
3,  3),  die  Füufzahl  der  Opferungen  nur  als  die  UrAsche  des  mensch- 


494  QMT«kanftliii&A»& 

• 
liehen  Leibes  erwähnt  wird  (lies:  saifiMrijfaie),  nicht  als  die  Ur- 
sache der  Leiber  von  Würmern,  Vögeln  n.  s«  w. ,  da  die  Henschen- 
stimme  die  dem  Menaehengeschlecht  eigene  Rede  bezeichnet.  Hierzu 
kommt  weiter,  dafs,  wenn  gelehrt  wird,  wie  die  Wasser  bei  der 
fünften  Opferung  mit  Menschenstimme  reden,  dadurch  nicht  aus- 
geschlossen wird,  dafs  das  Reden  mit  Mensehenstinune  Auch  ohne 
die  filnf  Opferungen  möglich  sei ,  weil  sonst  die  Stelle  einen  zwei- 
fachen [affirmativen  und  negativen]  Sinn  haben  würde,  was  nicht 
angeht.  Somit  ist  anzunehmen ,  dafs  nur  bei  denjenigen ,  für  welche 
ein  Hinaufsteigen  und  Herabsteigen  stattfindet,  der  Leib  bei  der 
fünften  Opferung  zu  entstehen  braucht,  dafs  bei  den  übrigen  hin- 
gegen auch  ohne  die  Yollzahl  der  Opferungen  ans  den  mit  den 
andern  Elementen  versetzten  Wassern  der  Leib  sich  bilden  kann. 


766  19.    smaryate  *pi  ca  lok^^. 

und  auch   die  Smriti  erwähnt ,   wie  in  der  Er- 
fahrung ... 

Und  anoh  die  Smjiti  erwfthnt»  wie  in  der  Erfahrung,  z.  R.  bei 
Dropa,  Dhfishfadyurana  u«  s.  w.,  sowie  bei  SttA,  DraupadI  u.  s.  w., 
ein  Entstehen  ohne  Geburt  aus  einem  Muttersdiofse  votgekommen 
sei,  sofern  bei  Dro^a  und  andern  die  eine  Opferung  in  dem  Feuer 
des  Weibes,  bei  Ohfishtadyumna  u.  s.  w.  sogar  die  beiden  Opfe- 
rungen in  dem  Feuer  des  Weibes  und  des  Mannes  in  Wegfiill 
kamen.  Und  so  wie  hierbei  die  Anzahl  der  Opferungen:  nicht  ein* 
gehalten  wurde,  so  mag  es  auch  anderweit  vorkommen.  Und  auch 
die  Kraniohweibchen  empfangen  ja  ohne  befruchtet  zu  werden,  wie 
dies  die  Erfahrung  lehrt. 

20.    darfonäc  ca 
auch  weil  [die  Erfahrung]  zeigt«. 

Hierzu  kommt,  dafs  die  ErfiBdirung  sseigt,  wie  von  den  vier 
Klassen  der  Wesen,  nämlich  den  aus  einem  Huttersohofs  gebore- 
nen ,  aus  dem  Ei  geborenen ,  aus  dem  Schweifs  geborenen  und  ans 
dem  Keim  geborenen,  die  beiden  letztem  auch  4>hne  die  eheliche 
Pflicht  entspringen,  so  dafs  bei  ihnen  die  Fänfkahl  der  Opferun- 
gen nicht  eingehalten  wird,  und  ähnlich  mag  es  auch  anderweit 
sein.  —  'Aber  es  heifst  doch:  „fOrwahr  diese  Wesen  haben  dreier- 
*„lei  Samen  [Ursprung],  aus  dem  Ei  Geborenes ,  lebend  6e- 
S,borenes  und  aus  Keim  Geborenes"  (Chftnd.  6>  8,  1);  hier  werden 


Sfttram  III.  i.  20.  495 

*ftl80  nur  drei  Klassen  Ton  Wesen  nntenchicden;  wie  darf  man 
Swmit  ann^men,  dafs  es  vier  Klassen  von  Wesen  gebe?*  —  Hier- 
oitf  dient  aar  Antwort: 


21.    tjUtpa^fobda^a/carodkah  samfokajasya  769 

das  dritte  Wort  achUe&t  das  aus  Feuchtbits&e 

Geborene  ein. 

Wenn  es  heilst:  ,»atts  deni  Ei  OebcMrenes,  lebend  Geborenes  und 
,,aiis  Keim  Geborenes **  (Chand.  G,  3,  1),  so  bat  man  hier  unter 
dem  dritten  Worte,  nüxnlieh  unter  den  Keimgeborenen,  die  aus 
Schweifs  Geborenen  als  miteinbegriffen  lu  betrachten,  sofern  beide, 
die  ans  Schweifs  und  die  aus  Keimen  Geborenen  in  Ähnlicher  Weise, 
indem  sie  aus  Erde  und  Wasser  hervordringen,'  entstehen.  Hin- 
gegen kann-  man  wiederum  von  der  Entstehung  der  Pflansen  die 
Entstehung  der  bewegUehen  Wesen  unterscheiden,  und  daher  ist 
die  anderweit  (Ait.  3,  3)  Torkommende  Trennung  Yon  Schweifs- 
geborenen und  Keimgeborenen  berechtigt  und  ohne  Widerspruch. 


VierieM  Adhiiaranam. 

22.    sabhävifa-äpattir,  upapatteh 

es  ist  Übergang  in  ein  Zusammensein,  weil  [nur]  ein 

solches  möglich. 

Wir  sahen,  wie  die  Yollbringer  der  Opfer  u.  s.  w.  auf  den 
Mond  gelangen  und  „nachdem  sie  daselbst  verweilt  haben,  so- 
„lange  ein  Best  bleibt**  (Ghftnd.  6»  10,  5),  mit  einem  Bodensatze 
behaftet  von  dort  wieder  herabsteigen.  Es  ist  nunmehr  die  Art 
dieses  Herabsteigens  in  Betracht  su  sieben.  Die  Schriftstelle  über 
das  Herabsteigen  lantet  wie  folgt:  „so  kehren  sie  darauf  auf  dem 
fiWege,  den  sie  gekommen  sind,  wiederum  surflok  in  den  Äk&^a, 
„aus  dem  Akftya  in  den  Wind;  nachdem  sie  Wind  geworden  sind, 
„werden  sie  au  Bauch,  nachdem  sie  Bauch  geworden,  zu  Dunst, 
„nachdem  sie  Dunst  geworden,  sur  Wolke,  nachdem  sie  Wolke 
„geworden,  regnen  sie  herab*'  (Ch&nd.  6,  10>  6 — 6).  Hier  erhebt 
sich  der  Zweifel,  ob  die  Herabsteigenden  gans  in  die  Natur  des 
ÄkA^a  tt.  s.  w.  übergehen,  oder  nur  in  eine  Ähnlichkeit  [sdwilfamf 


496  rärfraka-miinftÄsIt 

wie  Qafikara  statt  des  im  S&tram  Btehenden  $äibkdv^am  liest]  mit 
dem  Äkä9a  ja.  s.  w.  —  Augenommen  also,  'sie  gingen  ganz  in  die 
^Natur  des  Akä^a  u.  s.  w.  tiber;  warum?  weil  so  der  'Wortlaut  der 
770  ^Schrift  ist ,  und  weil  dieselbe  andernfalls  j  bildlich .  aufzufassen 
'sein  würde;  bei  einem  Zweifel  aber  über  Wörtlichkeit  und  Bild- 
lichkeit ist  die  Wörtlichkeit  mafsgebend  und  nicht  die  Bildlich- 
*keit.  Und  ebenso,  wenn  es  weiter  heifst:  „nachdem  sie  Wind 
'„geworden  sind,  werden  sie  zu  Rauch"  u.  s.  w.  (Chänd.  5, 10,  6), 
'so  ist  dies  buchstäblich  richtig  nur,  wenn  sie  in  die  Natur  der- 
'selben  übergehen.  Somit  findet  ein  Übergang  in  die  Natur  des 
'Äk&ya  u.  s.  w.  statt.'  —  Auf  diese  Annahme  erwidern  wir:  sie 
gelan^n  nur  in  einen  Zustand  der  „Aehnlichkeit"  (ßämjfam)  mit 
dem  Äk&ya  u.  s.  w.  Indem  nämlich  auf  der  Mondscheibe  der 
wasserartige  Leib,  welcher  sich  zum  Zwecke  des  Genusses  ge- 
bildet hatte ,  zugleich  mit  dem  Verbrauche  dieses  Genusses  schwin- 
det, so  wird  er  fein  und  dem  Ä.k&fa  (Äther)  ähnlich;  von  hier 
gelangt  er  in  das  Gebiet  des  Windes  und  wird  dann  weiter  dem 
Rauche  u.  s.  w.  eingemengt.  Dieses  ist  zu  verstehen,  wenn  es 
heifst:  „wiederum  zurück  in  den  Ak&^a,  aus  dem  Akä^  in  den 
„Wind"  u.  s.  w.  (Ghänd.  5,  10,  6);  warum?  weil  nur  dieses  mög- 
lich; n&mlich  nur  so  ist  es  möglich,  während  hingegen  ein  wirk- 
liches Werden  einer  Sache  zur  andern  [wie  es  fi^lich  Sütram  2, 
3,  8  gelehrt  worden]  nicht  möglich  ist.  Femer  könnte  [aus  dem- 
selben Grunde]  bei  einem  Übergange  in  die  Natur  des  Akä^  ein 
Herabsteigen  auf  dem  Wege  des  Windes  u.  s.  w.  nicht  statthaben. 
Auch  kann^  weil  mit  dem  Äk^^a  (Äther,  Raum),  wegen  seiner 
Aildurchdringung,  eine  immei*währende  Verbindung  schon  statt- 
findet, die  [besondere]  Verbindung  mit  ihm  hier  füglich  keine  an- 
dere sein,  fds  der  Übergang  in  einen  ihm  ähnlichen  Zustand.  Wo 
aber  die  wörtliche  Fassung  unmöglich '  ist,  da  ist  die  bildliche  das 
Richtige,  uud  somit  bedeutet  das  Werden  zu  Äk&ga  n.  s.  w.  un- 
eigentliofa  nur  ein  Übergehen  in  die  Ähnlichkeit  mit  dem  Äk&v^^ 
und  den  übrigen. 


Fünftefi  Ad/nkaranam* 

771  23.    na  (Uidrem^  vifesfuU 

nicht  überlange,  wegen  iler  Unterscheidung. 

Betreffs  dieses  Eingehens  in  den  Äkäya  u.  s.  w.  ror  dem  Ein- 
gehen in  den  Reis  u.  s.  w.  erhebt  sich  der  Zweifel,  ob  die  Seelen, 
erst  nachdem  sie  jedesmal  eine  lange  Zeit  in  der  Ähnlichkeit  mit 


SAtram  m.  i.  23.  497 

dem  jedesmal  firüheren  verharrt  haben,  in  die  Ähnlichkeit  mit  dem 
jedesmal  späteren  eingehen,  oder  ob  das  Verharren  jedesmal  nur 
eine  knrze  Zeit  währt.  Man  könnte  annehmen,  ^dafs  dies  nnbe- 
'stimmt  sei,  weil  eine  bestimmtcj  Schriftäursemng  darftber  nicht 
*  vorliege/  —  Darauf  erwidert  der-  Lehrer:  „nicht  überlange^'; 
d.  h.^  nachdem  sie  jedesmal  nur  eine  kurze  Zeit  in  dem  Zustande 
als  Akll^a  u*  s.  w.  verharrt  .haben ,  triefen  sie  zusammen  mit  dem 
strömenden  Begen  auf  diese  Erde  herab;  warum  das?  weil  eine 
Unterscheidung  vorliegt;  denn  nach  dem  Übergang  in  das  Sein 
von  Reis  u.  s.  w.  sagt  die  Schrift  unterscheidend:  „daraus  fürwahr 
„ist  es  schwieriger  herauszukommen,  dttmishprapaktram^^  (Chänd. 
5,  10,  6);.  die  eine  Silbe  ta  ist  hier,  da  es  ein  vedisches  Kapitel 
ist,  als  ausgefallen  zu  betrachten  [aus  dumishprapata-taram]; 
„schwieriger  herauszukommen*'  bedeutet,  dafs  das  Herauskommen 
aus  diesem  Zustande  des  Seins  von  Reis  u.  s.  w.  schwieriger  ist. 
Indem  die  Schrift  das  Herauskommen  aus  ihnen  als  schwieriger 
bezeichnet,  deutet  sie  an,  dafs  das  Herauskommen  aus  den 'vor- 
hergehenden leicht  ist.  Wenn  aber  das  Herauskommen  nach  kür- 
zerer oder  längerer  Zeit  als  ein  leichteres  und  schwierigeres  [wöri-, 
lieh:  als  ein  angenehmeres  und  unangenehmeres]  unterschieden  wird, 
so  geschieht  dies,  weil  die  Seele  in  dieser  Periode  bis  zur  Ent- 
stehung des  Leibes  des  Genusses  entbehrt.  —  Somit  findet  das 
Herabsteigen  bis  zu  dem  Übergange  in  den  R^is  u.  s«  w.  in  einer 
nur  kurzen  Zeit  statt. 


Sechstes  Adhikaranam. 


24.    anya-adhishthite  pürvavad,  abhüdpät  772 

in  die  von  einer  andern  [Seefe]  regierte  [Pflanze],  so 
wie  vorher,  weil  [die  Schrift]  es  andeutet. 

Bei  diesem  Herabsteigen  folgen  auf  das  Hcrabregnen  die  Worte: 
„dieselbigen  werden  hienieden  als  Reis  und  Gerste,  als  Kr&uter 
„und  Bäume,  als  Sesam  und  Bohnen  geboren"  (('hiiid.  5,  10,  6). 
Hier  erhebt  sich  die  Frage,  ob  in  dieser  Periode,  m'O  sie  in  das 
Ge^jchleoht  der  Pflanzon  eingegangen  sind,  die  mit  dem  Boden- 
satz« behafteten  Seelen  an  den  Freuden  und  Leidea  der  Pflanzen 
teilnehmen,  oder  ob  sie  mit  den  von  besondern  Seelen  regierten 
Pflanzenleibem  nur   eine  Verflechtung  eingehen.   - —    Angenommen 

^avuiv,  VedAntft.  32 


498  Qltrtr«kii-mliQ|Loi& 

also,  'die  mit  dem  Bodensata  behafteten  Seelen  nibmen  nach  .ihrem 
'Eingange  in  das  Oesohleoht  der  Pflanzen  auch  an  deren  Freuden 
'und  Leiden  teil;  wamm  daa?  weil  ea  sieh  aehiokt,  den  Aoadrack 
S,Bie  werden  geboren"  in  eigentli^em  Sinne  in  ndimen,  nnd  weil 
^auch  das  Dasein  der  Pflanze  von  Schrift  nnd  Smpta  als  jeine  St&tte 
'des  Genusses  der  Frucht  von  Werken  angesehen  wird«  Auch 
^würde  ein  solches  Dasein  als  eine  unerfreuliche  Frucht  der  roll» 
'brachten  Werke  sehioklich  sein,  weil  dieselben,  als  Opfer  u.  s.  w., 
'die^  Tötung  von  Tieren  zur  Voraussetzung  haben.  Somit  ist  das 
'Geborenwerden  der  mit  dem  Bodensatze  Behafteten  als  Reis  i;.  s.  w. 

773  ^wörtlich  zu  nehmen,  |  ebenso  wie  das  Geborenwerden  als  Hund 
Hl  s.  w.     Wie  nämlich  daa  Eix^gehen  in  einen  Hundeschols  oder 
'Schweineschols  oder  Ca^^laschois   wörüich   zu  nehmen  ist  and 
^bedeutet,    dafs  die  mit  dem  Bodensatze   Behafteten  eine  Gebart 
'als  Hund  u.  s.  w.  erleiden,  weldia  Toa  den  entsprechenden  Leiden 
Hmd  Freuden  begleitet  ist,   ebenso  mufs  es  auch  der  Eingang  in 
^die  Geburt  des  Reises  u.  s.  w«  emn.'  —  Auf  diese  Annahme  er- 
widern wir:  der  Reis  u.  s.  w.  werden  von  andern  Seelen  regiert, 
und  die    mit  «dem  Bodensatze  Behafteten    werden    denselben  nur 
beigemischt,  ohne  an  deren  Leiden  und* Freuden  teilzunehmen,  „so 
„wie  vorher";  d.  h.  so  wie  das  Werden  der  mit  dem  Bodensatze 
Behafteten   zu  Wind,    Rauch  u.  s.  w.   nur  eine   Verflechtung  mit 
denselben  bedeutete,  ebenso  bedeutet  auch  das  Werden  zu  Reis 
u.  s.  w.  nur  eine  Verflechtung   mit    demjenigen,    was   seiner  Art 
nach  als  Pflanze  besteht;  warum  das?  weil  etwas  Ähnliches  auch 
hier  Ton  der  Schrift  angedeutet  wird»  —  'Aber  worin  soll  diese  * 
'Ähnlichkeit  der  Andeutung  bestehen?*  —  Darin,   da£s  die  Sache 
erwähnt  wird,  ohne  an  die  vollbrachten  Werke  zu  erinnern.     So 
wie  nämlich  von  dem  Eingange  in  den  Äther  an  bis  zu  dem  Herab- 
regnen hin   an  keine  vollbrachten  Werke    erinnert  wird,    ebenso 
auch  nicht  bei  dem  Geborenwerden  als  Reis  u.  s.  w.;  dijier  auch 
hier  kein  Geniefsen  von  Lust  und  Schmerz  für  die  mit  dem  Boden- 
satze Behafteten  anzunehmen  ist.     Denn  wo   die  Schrift  ein  Ge- 
niefsen von  Lust  und  Schmerz  anzeigen  will,  da  erinnert  sie  an 
die  vollbrachten  V/erke  und  redet  von  dem'  „erfreulichen  Wandel" 
und  dem  „stinkenden  Wandel".     Wäre  femer  die  Geburt  als  Beia 
u.  s.  w.  für  die  mit  dem  Bodensatze  Behafteten  in  eigentlichem 
Sinne  zu  nehmen,  so  müfsten,  wenn  der  Reis  u.  s.  w.  cübgeschnit- 
ten,  zerkleinert,   gemahlen,  gekocht  und  gegessen  wird,  die  ihm 
entsprechenden,   mit    dem  Bodensatze  behafteten  Seelen   auswan 

774  dem;  |  denn  eine  jede  Seele  wandert  aus,  wenn  der  ihr  ent* 
sprechende  Leib  in  Not  gerät;  dann  aber  konnte  nicht  gesagt 
werden,  dafs  die  mit  dem  Bodensatze  Behafteten  aus  dem  Sein 
des  Reises  u.  s.  w.  in  das  Sein  des  Erzengers  übergingen.  Somit 
ist  anzunehmen,  dafs  die  mit  dem  Bodensatze  Behafteten  dem  von 
andern  Sitelen  regierten  Reis  u.  s.  w.    bloüs    zugemischt  werden. 


Sütnun  in.  I.  24.  499 

r 

AuB  diesen  Gründen  muTs  man  der  Behauptung  widersprechen, 
dafs  der  Ausdruck  „sie  werden  geboren*^  in  eigentlichem  Sinne 
zu  nehmen  sei,  und  dafs  das  Dasein  als  Pflanze  [für  die  mit  dem 
Bodensatze  Behafteten]  eine  Stätte  des  Oeniefsens  sei.  Damit  be- 
haupten wir  keineswegs,  dals  nicht  auch  das  Dasein  der  Pflanze 
eine  Stätte  des  Geniefsens  sei;  aber  sie  ist  eine  solche  Stätte  des 
Geniefsens  nur  für  andere  Wesen,  welche  in  Folge  böser  Werke 
zu  dem  Dasein  als  Pflanze  herabgesunken  sind;  hingegen  be- 
haupten wir  von  den  vom  Monde  Herabsteigenden,  mit  dem  Boden- 
satze Behafteten,  dals  sie  das  Dasein  als  Pflanze  nicht  zu  ge- 
niefiMa  haben. 


25.    aguddham,  iti  cen!   na^  QohdM 
unrein,  meint  ihr?    Nein!   wegen  des  Schriftwortes* 

Wenn  weiter  behauptet  wurde,  daüs  das  rituelle  Werk  wegen 
seiner  Yerbindui^^  mit  dem  Schlachten  von  Tieren  unrein  sei,  dafs 
somit  eine  unerfreuliche  Frucht  desselben  angemessen  sei,  und 
dafs  aus  diesem  Grunde  für  die  mit  dem  Bodensätze  Behafteten 
die  Geburt  als  Beis  u.  s.  w.  wörtlich  zu  nehmen,  eine  bildliche 
Fassung  hingegen  nicht  zweckentsprechend  sei,  so  müssen  wir 
das  bestreiten,  und  zwar  |  weil  für  die  Erkenntnis  des  Guten  und  775 
Bösen  der  Schriftkanon  den  Erkenntnisgrund  bildetl  Für  die  Er- 
kenntnis, dafs  dieses  gut  und  jenes  böse  sei,  liegt  [wie  auph 
Duns  Scotus  im  Gegensatze  zu  Kant  behauptet]  der  einzige  Grund 
im  Schriftkanon,  weil  beides  über  die  Sinneswahrnehmung  hinaus- 
liegt  und  [ohne  die  Schriftoffenbarung]  der  nötigen  Bestimmungen 
diw  Raumes,  der  Zeit  und  der  Kausalität  ermangeln  würde.  Denn 
was  in  einem  bestimmten  Zusammenhange  von  Ort,  Zeit  und  Ur- 
sache als  eine  Pflicht  geübt  wird,  das  wird  unter  andern  Ver- 
hältnissen von  Ort|  Zeit  und  Ursache  ein  Unrecht,  daher  Über 
das  was  Pflicht  und  Unrecht  ist  eine  Erkenntnis  aufser  dem 
Schriftkanon  nicht  möglich  ist.  Der  Schriftkanon  aber  erklärt 
das  licbtopfer  z.  B.,  bei  welchem  ein  Gebrauch  der  Erlaubnis 
zu  töten  unumgänglich  ist,  für  eine  Pflicht;  wie  kann  man  also 
behaupten,  dafs  dasselbe  unrein  seil  —  'Aber  sagt  nicht  der 
'Schriftkanon  auch:  „man  soll  kein  Wesen  schädigen"  und  erklärt 
'er  nicht  mit  diesen .  Worten  die  Tötung  der  Wesen  für  ein  Un- 
'recht?*  —  Allerdings!  aber  dieses  ist  die  Begel,  und  wenn  es 
heifst:  „man  soll  das  dem  Agni  und  Soma  geweihte  Tier  schlach- 
„ten",  so  ist  dieses  eine  Ausnahme,  Regel  und  Ausnahme  aber 
bestehen  hier  zu  Rechte  je  nach  der  Verschiedenheit  des  Gegen- 
standes.    Somit   ist    das   Tom  Veda    vorgeschriebene  Werk    rein, 

32» 


600  9^raka-mtin&n8ft 

wie  es  denn  auch  yon  den  Weisen  beirieben  nnd  nicht  verworfen 
worden  itt.  Daher  kann  ein  Geborenwerden  als  Pflanze  nicht  die 
ihm  entsprechende  Yergeltnng  sein.  Auch  kann  es  sich  mit  der 
Oebnrt  als  Reis  u,  s.  w.  nicht  ebenso  verhalten,  wie  mit  der 
Geburt  als  Hund  u.  s.  w.;  denn,  die  letztere  wird  erwähnt,  indem 
dabei  auf  die  mit  ,, stinkendem  Wandel*^  Bezug  genommen  wird; 
776  in  unserm  Falle  hingegen  liegt  keine  derartige  |  besondere  Bezug* 
nähme  vor;  daher  für  die  von  der  Mondhöhe  herab  Taumelnden 
das  Werden  zur  Pflanze  uneigentlieh  an  nehmen  ist  und  eine 
blofse  Verflechtung  mit  dem  Reis  u.  s.  w.  bedeutet 


26.    retähsig-yogo  ^tha 
sodann  Verbindung  mit  dem  Erzeuger, 

Auch  darum  mufs  das  Werden  zur  Pflanze  eine  blofse  Ver* 
flechtung  mit  dem  Reis  u.  s.  w.  bedeuten,  weil  sofort  nach  dem 
Werden  zum  Reis  u.  s.  w.  ftlr  die  mit  dem  Bodensatze  Behafte- 
ten ein  Werden  zu  „dem  Erzeuger*^  erwähnt  wir4  in  den  Worten : 
„denn  nur  wer  ihn  als  Speise  verzehrt  ^  wer  ihn  als  Samen  er- 
„giefst,  dessen  Vermehrung  (Nachkommenschaft)  wird  er*'  (Ch4nd. 
5,  10«  6).  Auch  hier  ist  nämlich  ein  wiridicfaes  Werden  zu  dem 
Erzeuger  nicht  möglich;  denn  derselbe  mufs  schon  lange  voiher 
geboren  sein  und  das  Mannesalter  erreicht  haben,  ehe  er  zum 
Erzeuger  wird;  es  ist  also  unmöglich,  dafs  der  mit  dem  Boden- 
satze Behaftete,  welcher  erst  durch  die  gegessene  Nahrung  in  den 
Erzeuger  gelangt,  in  buchstäblichem  Sinne  zu  dessen  Sein  werde. 
Hier  also  mufs  man  unweigerlich  das  Werden  zu  dem  Erzenger 
als  eine  blofse  „Verbindung  mit  dem  Erzeuger '^  betrachten,  und 
in  derselben  Weise  mufs  man  das  Werden  zum  Reis  u.  s.  w.  als 
eine  Verbindung  mit  dem  Reis  u.  s.  w.  auffassen;  so  stimmt  es 
ohne  Widerspruch  zusammen. 


27.    yoneh  cariram 
aus  dem  Mutterschoise  der  Leib. 

Sodann,  sofort  nachdem  sie  zum  Erzeuger  geworden,  gelangen 

die  mit  dem  Bodensatze  behafteten  Seelen  als  der  ergossene  Same 

in   den  Mutterschofs ,   und   aus  dem  MutterschoÜBe  wird  ihr   Leib 

zum  Genüsse  der  Frucht  des  Bodensatzes  geboren,  denn  so  sagt 

777  die   Schrift:    I   „welche    nun    hier  einen   erfreulichen    Wandel   ha- 


Sfttram  III.  l  27. 


501 


„ben"  u.  8.  w.  (Ch&nd.  5,  10,  7).  Auch  hierdas  geht  henror, .  diab 
w&hrend  des  Berabsteigens  bei  Gelegenheit  des  Werdens  zu 
Keis  u.  8.  w.  es  nicht  der  eigene  Leib  [der  herabsteigenden  See-^ 
len]  ist,  welcher  die  Lost  und  den  Schmers  [des  Pflanzenlebens] 
empfindet.  Somit  steht  fest,  dafs  die  Gebart  als  Pflanze  n.  s.  w. 
für  die  mit  dem  Bodensätze  Behafteten  nur  eine  Yerflechtung 
mit  dem  Reis  n.  s.  w.  bedeutet. 


So  lautet  in  dem  XommeBtaro  sur  erUnobten  (ISorCroika-m&iiaAiä,  dem  Werke  der 
erbabenen  PüTse  des  erUaebten  QaKtara,  im  drHten  AdkpAjfa  der  erste  Päda. 


Des  dritten  Adlgrftya 

ZWEITER  PADA. 


Omi    YarehroBg  d«m  höelutom  ijmtml 


Er$te9  Adhiiaranam. 

778  1.    ^sandhye  sriMir^  dfta  At' 

4m  Zwischenstande  [geschieht]  eine  Schöpfung,   denn 

sie  sagt  e8\ 

Im  yerflossenen  P&da  wurde  anf  Grund  der  Fünf-Feber-Lefare 
die  Verschiedenheit  des  Weges  bei  der  Wanderung  der  Seele  dar- 
gelegt; nunmehr  sind  die  rerBqhiedenen  Zustände  ebenderselben 
zu  besprechen. 

Die  Schrift  sagt:  „Wenn  nun  der  Mensch  schlftft^'  und  i. wie  es 
weiter  heifst,  „daselbst  sind  nicht  Wagen,  nicht  Gespanne,  nicht 
„Strafsen,  sondern  Wagen,  Gespanne  und  Strafsen  schafii  er 
„sich''  u.  s.  w.  (Brih.  4,  8,  9 — 10).  Hier  erhebt  sich  der  ZweiM, 
ob  so  wie  im  Wachen  auch  im  Traume  die  Schöpfung  eine  yoll- 
770  kommen  reale  ist,  |  oder  ob  sie  nur  auf  ülasion  beruht? 

Hier  nimmt  der  Lehrer  aBun&chst  an:  '„im  Zwischenstande  eine 
'„Schöpfung"'.  Zwischenstand  nennt  er  den  Zustand  des  Trau- 
mes, da  diese  Benennung  im  Yeda  gebraucht  wird,  indem  es 
heilst:  „der  Zwischenstand  als  dritter  ist  der  des  Traumes"  (Brih. 
4,  3,  9),  sofern  er  n&mlich  das  Zwischenglied  swischen  den  Zu- 
ständen in  den  beiden  Welten  oder  swischen  dem  Wachen  und 
dem  Tiefschlafe  ist.     'Die   in  diesem  Zwischenstando    bestehende 


SOtnün  ni.  IL  1.  503 

'Schdpfnng  also  mafs  eine  wirklieh  realei  sein;  wamm?  weil  die 
*al8  Bachtschnnr  dienende  Schrift  es  so  sagt;  denn  es  heifst:  „son* 
S,dorn  Wagen,  Oespann^  und  Siraben  schafft  er  sich"  u.  s.  w.; 
'und  dasselbe  ergiebt  sich  ans  dem  Schlüsse,  wo  es  heifst:  ^denn 
S,er  ist  der  Schöpfer''  (Bfik  4,  8,  10).' 


2.    ^nirmätäram  ca  eke;  pubra^Adayag  ca' 

^auch  nennen  ihn  einige  den  Erschaffer;  und  zwar 

sind  es  Söhne  tl  s.  w.' 

S&ach  nennen  einige  Vedasoholett  die  Seele  in  diesem  Zwi- 
'sokenstande  „den  Erschaffer  der  Wünsche",  wenn  es  heilst 
"(KMk.  5,  8): 

S,Dor  Geist,  der  in  dem  Schttte^  wach  bleibt, 

',^edweden  Wanaek  nach  Lost  i  snchaffend''-^  780 


^^nnd  zwar  sind  es  [real»  Dinge,  wie}  8(^hne  n.  a.  w.**,  weleke  an 
'dieser  SteHe  «ntsr  den  Wtknschra  au  rentehen  sind  und  anf 
Wanadh  hesigoigelMraAi  werden.'  *-  Aber  bedeatei  das  Wort 
„.WvBsdi^  ni^t  vidmefar  blofs  eine  besondeare  Art  des  Verlangens? 
•-»  ^Doch  nidit!  denn  wann  es  im  V<»bergehenden  heilst:  „Söhne 
«»»nnd  Eukal  wfthle  dir,  die  hundert  Jahre  leben«  (K&|h.  1,  23)» 
^und  gegen  Ende:  „anm  Wunschgeniefser  aller  Wünsche  will  idi 
^,,machen  didi'*  (E&th.  1,  24),  so  wird  hier  das  Wort  Wnnsc&  von 
^wirklichen  Söhnen  u.  s.  w.  gebraucht.  Und  allerdings  ist  es  die 
'allweise  [d.  h.  höchste]  Seele,  welche  wir  dem  Thema  und  dem 
^Nachfolgenden  entsprechend  hier  Terstehen  müssen.  Denn  über 
'den  Anweisen  handelt  das  Thema,  indem  es  heifst:  „vom  Guten 
S,frei  und  frei  vom  Bösen'*  u.  s.  w..(Kftth.  2,  14);  und  auf  ihn  be- 
'zieht  sich  auch  das  weiter  Folgende  (K&th.  6,  8): 

'„Der  ist  das  Reine,  ist  das  Brahman, 
',iDer  heiltet  das  Unsterbliche. 
'„In  diesem  ruhen  alle  Welten, 
'„Dies  überschreitet  keiner  je." 

'Wenn  die  den  Wachenden  umgebende  Schöpfung  als  ein  Werk 
'der  allweisen  Seele  för  wirklich  real  gehalten  wird,  so  mufs  es 
'auch  die  den  Tr&umenden  umgebende  Schöpfung  sein.  Und  so 
'sagt  die  Sdirift:  „darum  fürwahr  sagen  sie:  es  ist  fOr  die  Seele 
'„eine  Stätte  des  Wachens;  denn  was  sie  wachend  sieht,  eben 
'„dasselbe  sieht  sie  auch  im  Schlafe"  (Bph.  4,  3,  14);  hier  stellt 
'die  Schrift  Träumen  und  Wachen  unter  dieselbe  Begel,  und  so- 


504  Q&rlrftka-mtmiualL 

Hnit   nlufs  die  Schöpfiing  im  Zwischenstande  eiue  wirklich   reale 
'sein.'  — 

Aof  diese  Annahme  erwidert  der  Lehrer: 


3.    inäyä-mätran  tu,  kdrtsnyena  an-^abhivyaMa- 

svarüpatvM 

vielmehr  eine  blofse  Illusion,  weil  sie  eine  nicht  niit 
'        Volbtandigkeit  sich  einbiegende  Natur  hat 

Das  Wort  „vielmehr''  beseitigt  diese  Annahme.  Es  ist  nicht  wahr, 
was  behauptet  wurde,  dafs  die  Schdpfdng  im  Zwischenstande  eine 
vollkommen  reale  sei ;  vielmehr  beruht  diese  Schöpfung  im  Zwisehen- 
stande  nur  auf  Illusion,  und  es  ist  nicht  daran  zu  denken,  dafs 
791  sie  vollkommen  real  sei;]  warum?  „weil  sie  eine  nicht  mit  YoU- 
„ständigkeit  sich  darlegende  Natur  Iwt^;  d.  h.  der  Schlaf  hat  eine 
nicht  mit  Vollstllndigkeit,  nicht  in  der  Weise  eines  vollkommen 
realen  Gegenstandes  sich  darlegende  Natur.  -  Aber  was  ist  hier 
unter  Vollständigkeit  zu  verstehen?  Es  ist  die  Übereinstim- 
mung mit  Raum,  Zeit  und  Ursache,  sowie  die  Unwider* 
leglichkeit.  Man  kann  nämlich  dem  Traume  weder  die  den 
vollkommen  realen  Dingen  angehörigen  Yeifaältnisse  des  Raumes 
der  Zeit  und  der  Ursache  noch  auch  äie  Unwiderleglichkeit  an- 
schreiben. Zunächst  nämlich  ist  beim  Trabme  schon  kein  Raum 
vorhanden,  welcher  für  Wagen  u.  s.w.  geeignet  wäre,  denn  in 
dem  beschränkten  Baume  des  Leibes  haben  Wagen  u.  s«  w.  keinen 
Platz.  —  'Nun  ja,  könnte  man  sagen,  aber  die  Seele  kann  ja 
'den  Traum  aulserhalb  des  Leibes  schauen,  wie  sie  ja  auch  sich 
'dabei  mit  Dingen  befafst,  welche  räumlich  von  ihr  getrennt  sind: 
'und  auch  die  Schrifk  lehrt,  dafs  der  Traum  aufserhalb  des  Leibes 
'stattfinde,  wenn  sie  sagt:  „unsterblich  schwingt  sie  aus  dem  Nest 
'„empor  sich  und  schweift  unsterblich  wo  es  ihr  beliebet"  (Brih. 
'4,  3,  12).  Und  auch  die  verschiedenen  Vorstellungen  des  Stehens 
'und  Gehens  lassen  sich  nicht  erklären,  ohne  dafs  das  betreffende 
'Geschöpf  aus  sich  selbst  herausgeht.'  —  Wir  antworten:  nein! 
denn  die  Möglichkeit  ist  nicht  denkbar,  dafs  ein  eingeschlafenes 
Geschöpf  in  einem  Augenblicke  zu  einer  hundert  Meilen  weit  ent« 
femten  Gegend  hinüboreilen  oder  von  dort  zurückeüen  könne. 
Ja,  zuweilen  kommt  es  vor,  dafs  jemand  einen  Traum  erzählt ,  in 
welchem  eine  Rückkehr  gar  nicht  stattfand,  indem  er  sagt:  „im 
Lande  der  Euru*B  lag  ich  im  Bette,  wurde  vom  Schlaf  überkom* 
men,  wurde  im  Traume  in  das  Land  der  Panc&Ws  gcfOhri,  und 
hier  bin  ich   erwacht."     Wäre  er  wirklich  aus  seinem  Leibe  her- 


Sütram  IIL  if.  3.  ■  505 

ausgegcmgen ,   so  müfste  er  im  Lande  ■  dei*  Pandtla's  erwacht  Bein,   * 
denn  zu  diesen  war  er  hingeführt  worden;   er  erwacht  aber  viel- 
mehr im  Lande  der  Knru's.     Hierzu  kommt,  dals,  während   der 
Träumende  mit  seinem  Leibe  in  ein  anderes  Land  gelangt  zu  fiein 
vermeint,   die  andern  Anwesenden  eben  diesen  Leib  im  Bette  lie- 
gen sehen.    Ferner  ist  zu  bemerken ,  |  dafs  die  Gegenden  in  Wirk-  782 
lichkeit  gar  nicht  so  sind,  wie  einer  sie  im  Traume  gesehen  hat; 
wäre   er   dabei    wirklich  hinübergeeilt  und  hätte  die  Dinge  ange- 
schaut,   so  müfste   er  sie  mit  wachem  Auge  und  ebenso  gesehen 
haben  wie  sie  in  Wirklichkeit  sind.     Und  auch  die  Schrift  lehrt, 
dafs   der  Traum  nur  innerhalb   des  Leibes  stattfindet,    wenn  .  sie 
nach  den  Worten:    „wenn  er   so  im  Traume  wandelt"  hinzufugt: 
„so  durchzieht  er  nach  Belieben  den  eigenen  Leib"  (Brih.  2,  1,  18). 
Somit  mufs,    wegen    des    Widerspruches    gegen    eine  ))etreffende 
Schriftäufserung,  das  andere  Wort  der  Schrift,  dafs  er  aufserhalb 
des  Nestes  weile,    als  bildlich  aufgefafst  und   dahin  erklärt  wer- 
den,   dafs   es  gleichsam  ist,    als  ob  er  aufserhalb  des  Nestes  un* 
sterbb'ch  schweife;    denn  wer,  während  er  in  dem  Leibe   wohnt, 
von  demselben   keinen  Gebrauch    macht,    von    dem    kann  ge&agt 
werden,  dafs  er  gleichsam  aufserhalb  des  Leibes  weile.    Und  auch 
die  verschiedenen  Vorstellungen  des  Stehens  und  Gehens  hat  man 
unter  diesen  Umstsuiden  nur  als  eine  Täuschung  zu  betrachten.  — 
Weiter  findet  im  Traume  auch  ein  Widerspruch  gegen   die  Zeit 
statt;  man  schläft  in  der  Nacht  und  meint  es  sei  Tag  in  Bhärata- 
Varsha  (Indien);  und  in  einem  nur  eine  Stunde  dauernden  Traume 
läfst   man    zuweilen    ganze    Reihen    von    Jahren    verstreichen.  — 
Endlich    sind    auch    keine    Ursachen    im   Traume    vorhanden, 
wdche  für  das  Erkennen  oder  Handeln  geeignet  wären;    denn  da 
die  Organe  eingezogen  sind,    so  ist  kein  Auge  u.  s.  w.  da,    wel- 
ches den*  Wagen  u.  s.  w.  erblicken  könnte;    und  was  die  Hervor- 
bringung des  Wagens  betrifft,  woher  sollte  dazu  auch  nur  irgend- 
wie dem  Träumenden  die  Fähigkeit  oder  das  Material  kommen? 
Auch  finden  diese  im  Traum  erschaffenen  Wagen  beim  Erwachen 
ihre  Widerlegung;  ja  sie  werden   oft  schon  im  Traume  selbst 
widerlegt,    indem    sich    zeigt,    dafs  Anfang    und   Ende   nicht  zu- 
sammenstimmt.    Denn  was  man  im  Traume  manchmal  für  einen 
Wagen  hält,   das  wird  im  Augenblicke  darauf  ein  Mensch,      und  783 
was  man   für  einen  Menschen  hält,    wird  im  Augenblicke  darauf 
ein  Baum.     Auch  lehrt  die  Schiift  geradezu,   dafs  es  im  Traume 
keine  Wagen  n.  «.  w.  gebe,   wenn   sie  sagt:    „daselbst  sind  nicht 
„Wagen,  nicht  Gespanne,  nicht  Strafften"  (Brih;  4,  3,  10).  —  So- 
mit ist  das  Traumgesicht  eine  blofse  Illusion. 


506  Qlfflnaui^mtiiili6sfc 


4.    sAcakof  ca  M^  fnäety  Acakshaie  ca  tadvidah 

denn  er  igt  ja  vorbedeaiitend,  nach  der  Schrift^  auch 
legen  ihn  aus  die  sich  darauf  verstehexs. 

«'Hiit:  denn  mm  der  Traum ,  da  er  eine  Uofse  lUnnüait  uifrf  gar 
'kei&e  Sfmr  Ton  Bealäät?*^  —  Doch  nichtl  Denn  der  Tcann  ,^ 
,Jft  Torbedeatend**'  fibc  das  sokteftige  Gute  und  SeUimma.  Denn 
m  sagt  die  Sohrift  (€Mnd.  6,  %9): 


^WeftB.  er  dft  Traom  mit  Weibern  LIebesbftndd  flielitt 
^y,S^  teiioli  anf  Gelingen  aalches  I^MMBigesiißht;'* 

und    Amso  hiak   die  Schrift   an   der  Slidk:;   ^«[wenn   einer   im 
„Traume]  eineft  aekvansen  Man&  mit  aeLwacaen  Z&hnen  stakt,  und 
„dieser  ibst  tdteft^  v.  8.  w.  (Aii..  &r.  3,,  %  4»  IT)«  dafs  dorcb  Ttfioa» 
dieser  Art  ein  Sicht -mehr-lan^ge-Ldie»  «of^edentet  werde^     Amd» 
wird  j«  der  Tranm  von  ^olcheat,  mMut  daw  TraumstudimB»  kun- 
dig smd,  n«am[elegt*S  indem  lae  s.  B«  ai^gen,  dafs  das  Betten  auf 
einem  Elefimten  im  Traume  Beicbtsm,  daa  Fahren  mit  eiiMtt  Esel 
Armut  bedeute.    Auch  weisen i,  wie  man  annimmt,  gewisse  THmm» 
dazu   an,    in    einer   nach  Hymnus,    Gkyttheit   und  Opftvgaibe  be- 
stimmten Weise  zu  opfern,  sind  somit  nicht  ganz  ohne  jade  Bea- 
litftt.     Obgleich    dem   aber   so  sein   mag,    und  obgleich  die  vor- 
bedeutete  Sache  Bealitat  hat,  so  ist  sie  doch  von  dem^  wodurch 
sie   Yorbedeutet    wird,    Ton    dem  Anblicke  der  Weiber  u«  s.  w^ 
784  wesensyerschieden ,  |  sofern  ja  letzteres  seine  Widerlegung  [durch 
das  Erwachen]  findet.     Somit  bleibt  es  richtig,    daft  der  Traum 
eine  blofse  Illusion  ist«     Wenn  es  aber  hiefs:   „denn  ue  sagt  es" 
(Sütram  3,  2,  1),  so  ist^  dies  unter  solchen  Umständen  büdlidi  zu 
erklären;  denn  wenn  man  sagt:  „der  Pflug  ist  die  Ursaqhe  dafftr, 
„dafs   die  Ochsen  aufgezogen  werden**,  so  ist  dabei  nur  an   den 
Beweggrund    zu    denken,    nicht    aber   daran,    dafs  der.  Pflug  die 
Ochsen   geradezu    aufziehe.     In    derselben  Weise  ist  es   auf   den 
Beweggrund   zu  beziehen,    wenn   der  Träumende  Wagen  u.  s.  w. 
schafft  und  wenn  er  der  Schöpfer  genannt  wird,  denn  es  ist  nicht 
anzunehmen,    dafs  der  Träumende    die'  Wagen  u.  s.  w.   geradezu 
schaflfe.     Dafs  aber  der  Träumende  der   Beweggnind  der  Traum- 
erscheinungen ist,  beruht  darauf,  dafs  die  Erscheinungen  der  Wa- 
gen u.  s.  w.  den  Zweck  haben,    Freude  und  Furcht  zu  bereiten, 
und    dafs    der    Träumende    der    Schöpfer    der    guten   und    bösen 
Werke   ist,    welche   der  Beweggrund  [jener  Freude  und  Furcht] 
sind.     Hierzu  kommt  Folgendes:  [in  der  betreffenden  Stelle  (Bfih. 
4,  3)  handelt  es  sich  darum,  inwiefern  die  Seele  ihr  eigenes  Lieht 


Sfttram  IIl.  n.  4L  507 

ist;]  im  Zostuide  des  Wachens  nnn  ist  wegen  Verbindung  der 
Sinnendinge  mit  den  Sinnesorganen  nnd  wegen  der  Darciikreu- 
zung  mit  dem  Sonnenliehte  u.  s.  w,  das  Selbstlicht-Sein  der  schau- 
enden Seele  schVer  absusondem,  nnd  um  es  absusondem,  wird 
der  Tranm  herangezogen;  wollte  man  nun  dabei  4aa  Wort  von 
dem  Sdiaffen  der  Wagen  u.  ••  w.  buchstäblich  auj^egvn,  so  würde 
durch  die  Stelle  nicht  erwiesen  werden  [was  doch  cBe  Absicht  ist], 
daf»  die  Seele  selbst  ihr  Lidit  sei.  Man  muis  scMnit  auf  Orund 
dea  Sdiriflwortesy  welches  das  HifAftsein  der  Wagen  u.  sv  w.  be- 
tont, das  Wort  lon  der  SAdpfuag  der  Wagen  u.  a..  w.  bildlich 
erklären.  (  Bbeadaaselb*  gdt  von  dem  Sdnftwort»,  waches  dar  1^ 
Seele  ein  Eradliafieii  ansdmeibt  (Sittram  3^  2,  2).  Wena  dilMc 
weiter  behauptet  wurde»  dafs  die  Schrift  unter  den  Em&Ar 
die  allweise  Seele  [6ott}  yersteha^  so  ist  das  unri^tig^  ieaat 
eine  andere  St^e  sagt:  ^^r  f&llt  aefbat  das  Bauholz  aoid  ha/aä  es 
„selber  auf  vermöge  aomes  eigenen  CBanzta,  seines  eigenen  lid^ 
„tes,  wenn  er  so  seUftft*^  (Brih.  4,  3,  9);  hier  wird  das  EnchaieA 
[Aufbauen]  als  eine  Thätigkeit  der  indmduellen  Serie  belcaiMel» 
und  ebenso  ist  ea  in  der  fragUehen  Stelle;  denn  wemi  es  hetiat 
„der  Geist,  der  in  dem  Schl&fer  waeh  bleibt'S  so  muTs  ea  hier, 
wegen  der  Erinnerung  an  einen  schon  bekannten,  die  indivi- 
duelle Seele  sein,  welche  als  Erschaffer  der  Wünsdie  erwähnt 
wird  (Käth.  5,  8);  dies  streitet  nieht  damit,  daft  die  ganze  Stelle 
vom  Brahman  handelt,  sofern  in  den  folgenden  Worten  (E&th.  5,  8): 

„Der  eben  ist  der  reine,  der  das  Brahman^, 

das  Dasein  einer  individuellen  Seele  überhaupt  verneint  und  ihr 
Brahmansein  gelehrt  wird,  ähnlich  wie  ea  in  den  Worten  „das 
„bist  du''  (Gh&nd.  6,  8,  7)  gesdiieht.  Übrigens  leugnen  wir  keines- 
wegs, dafs  auch  der  Tranm  ein  Werk  der  allweisen  Seele  sei ;  denn 
weil  sie  der  allbeherrschende  Gott  ist,  so  folgt,  dafs  sie  in  allen 
Zuständen  das  Regierende  ist.  l}ur,  dafs  diese  Schöpfung  im 
Zwischenstande  nic^t  so  vollkommen  real  ist,  wie  die  Schöpfung 
des  Äthers  u.  s.  w.,  so  viel  müssen  wir  behaupten.  Übrigens  ist 
auch  die  Realität  der  Schöpfung  des  Äthers  u.  s.  w.  keine  ab- 
solute; denn  an  d«r  Stelle:  „Identität  mit  ihm  wegen  des  Schrift- 
„Wortes  von  dem  sich  Anklammem  und  andern "  (Sütram  2,1, 
14),  zeigten  wir,  dafs  die  ganze  Weltausbreitung  eine  blofse  Illu- 
sion ist.  Indessen  ist  die  Weltausbreitung  des  Äthers  n.  s.  w. 
wirklich  bestehend,  so  lange  man  sich  noch  nicht'  als  die  Wesen- 
)ieit  des  Brahman  erkannt  hat,  während  die  Ausbreitung  im  Zwi- 
schenstande von  Tag  zu  Tage  neu  widerlegt  wird,  daher  es  von 
der  Schöpfung  im  Zwischenstande  noch  in  besonderem  Sinne  gilt, 
dafs  sie  blofs  auf  Illusion  beruhe. 


508  Ciriraka-inlmli&B& 

786  5.    para-abhidhydndt  tu  tirohUamy  tato  hi  asya  bandha- 

viparyayau. 

» 

vielmehr  durch  Überdenken  des  Höchsten,  da  sie  [vor- 
her] verborgen,   denn  von  ihm  kommt  ihre  Bindung 

nnd  das  Gegenteil. 

'Das  mag  ja  sein;  aber  die  individuelle  Seele  ist  doch  ein 
'Teil  Yon  dem  höchsten  Attnan,  wie  der  Funke  von  dem  Feuer. 
'Ist  dem  so,  so  mufs,  ebenso  wie /das  Feuer  und  der  Funke  die- 
'selbige  Kraft  zu  leuchten  und  zu  brennen  besitzen,  ebenso  auch 
'die  Seele  so  gut  wie  Gott  die  Kräfte  der  Allwissenheit  und  AU- 
'macht  besitzen«  Ist  dem  abei*  so,  und  besitzt  die  Seele  All- 
'macht,  so  mnfs  auch  die  Schöpfung  der  Wagen  u.  s.  w.  im 
'Traume  eine  die  Wünsche  realisierende  sein/  —  Hierauf  ist  zu 
erwidern:  zug^eben,  dafs  die  Seele  und  Gott  sich  verhalten  wie 
der  Teil  und  das  Ganze,  so  liegt  es  doch  am  Tage,  dafs  die 
Seele  und  Gott  verschiedener  Art  sind.  —  'Aber  wie  steht  es 
'dann  mit  der  Gleichartigkeit  Gottes  und  der  Seele?  soll  diese 
'etwa  nicht  bestehen ^  und  dabei  doch  bestehen?*  —  Es  ist' viel- 
mehr so,  däfs  sie  zwar  besteht,  jedoch  verborgen  ist;  denn  das 
Nichtwissen  verbirgt  sie.  Obwohl  sie  aber  verborgen  ist,  so  wird 
sie  doch,  wenn  eine  Kreatur  den  höchsten  Gott  äberdenkt  und 
erstrebt,  gleichwie  das  Sehvermögen  bei.  einem  Geblendeten,  nach- 
dem die  Finsternis  durch  ^e  Kraft  der  Heilmittel  abgeschftttelt 
ist.  in  dem,  ^an  welchem  die  Gnade  Gottes  es  vollbringt,  offen« 
787  bar,  nicht  aber  von  Natur  |  bei  irgend^  einem  Wesen«  Warum? 
Weil  durch  ihn,  durch  Gott  als  Ursache,  Bindung  und  Losung 
der  Seele  gewirkt  werden;  Bindung,  wenn  di»  Wesenheit  Gottes 
nicht  erkannt  wird,  und  wenn  sie  erkannt  wird 9  Lösung.  Denn 
so  sagt  die  Schrift  (Qvet.  1,  11): 

„Ist  Gott  erkannt,  so  fallen  alle  Bande, 
„Die  Plagen  schwinden,  nebst  Gebart  und  Sterben, 
„Wer  ihn  erkennt,  geht  nach  des  Leib's  Abtrennung 
„Zum  dritten  Stande  voller  Allmacht  ein, 
„Woranf  er  frei  und  aller  Wünsche  Herr  wird." 

6.    deha-yogäd  vd  $0  ^pi 

mit  andern  Worten:   aus   der  Verbindung  mit  dem 

Leibe  entspringt  eben  diese. 

'Aber  woher  kommt   es,    wenn    die   Seele    doch    ein   Teil    des 
'höchsten   Atman   iiii,    dafs    ihre  Allwissenhcnt  und  Allmacht   ver- 


Sütram  III.  n.  6.  *  509 

^böigen  sind?     Es    wäre   doch  yielmehr  zü  erwarten,    dafs  diese 
'Allwissenheit  und  Allmacht,  sowie  das  Brennen  and  Leuchten  des 
'Funkens,    nicht  verborgen  wären?'    —    Wir  antworten:    das  ist 
wohl  wahr;   aber  „eben  diese",  nämlich   die  V^bergung  der  All- 
wissenheit and  AUmacht   der  Seele  „entspringt  ans  der  Yerbin- 
„dang  mit  dem  Leibe",  d.  h.  aus  der  Verbindung  mit  Leib,  Sin- 
nen, Manas,    Buddhi,   Aufsendingen,    Empfindung  u.  s.  w.     Und 
darüber  ist  dies  Gleichnis:   so  wie  das  Feuer   zwar  mit  Brennen 
und  Leuchten  begabt  ist,    das  Brennen  und  Leuchten  laber  ver- 
borgen sind,  wenn  das  Feuer  in  das  Holz  eingegangen  oder  auch 
mit  Asche  überdeckt  ist,    ebenso  entsteht  durch  die   Verbindung 
der  Seele  mit  den  vom  Nichtwissen  aufgestellten,  aus  Name  und 
Gestalt  gebildeten  Upädhi^s,  wie  Leib  u.  s.  w.,  die  Yerirrung,  sich 
von  denselben  nicht  zu  unterscheiden ,  und  diese  bewirkt  die  Ver- 
bergung  der  Allwissenheit   und  Alimacht   der  Seele.     Die  Worte 
„mit  andern  Worten"  sollen  die  Meinung,  als   sei  die  Seele  von 
Gott  [an  sich]  verschieden,  beseitigen.  —   'Aber  ist  nicht  die  in* 
'dividuelle  Seele  schon  dadurch  von  Gott  verschieden,  j  dafs  seine  788 
'Allwissenheit   und  Allmacht   verborgen    sind,  und    ist   nicht    die 
'Verweisung  auf  die  Verbindung  mijt  dem  Leibe  unnötig?'  —  Doch 
nicht!    denn    eine  Verschiedenheit    der   Seele   von   Gott  ist  nicht 
zuzugeben,  weil  in  der  Stelle:   „diese  Gottheit  beabsichtigte",  wo 
es    weiter   heifst:    „ich   will    mit    diesem    lebenden   Selbste    (jiva 
.^dtman)  in  dieselben  eingehen"  (Ch&nd.  6,  3,  2),  die  individuelle 
Seele  mit  dem  Worte   „Atman"    bezeichnet  wird;    und    auch  die 
Worte:  .„das  ist  das  Ileale,    das  ist  die  Seele,    das  bist  du,    o 
„Qvetaketu"  (Ch&nd.  6,  8,  7)  legen  der  Seele  die  Gottwesenheit 
bei.     Somit  ist  die  Seele  von  Gott  nicht  verschieden,    und  nur 
durch  ihre  Verbindung  mit  dem  Leibe  wird  ihre  Allwissenheit  und 
Allmacht  verborgen,   und  daher  läfst  sich  nicht  behaupten,    dafs 
die  Schöpfung  der  Wagen  u.  s.  w.   durch    die  Seele  im  Traume 
eine  das  Gewünschte  realisierende  sein  müsse.     Wäre  wirklich  die 
Schöpfung  im  Traume  das  Gewünschte  realisierend,  so  würde  nie- 
mand einen  unangenehmen  Traum  haben,   denn  niemand  wünscht 
oder  realisiert,  was  für  ihn  unangenehm  ist.  —  Wenn  weiter  be- 
hauptet wurde,  dafs  der  Traum  real  sein  müsse,  weil  die  Schrift 
von  ihm  sage,    dafs  er   eine  Stätte  des  Wachens  sei  (Brih.  4,  3, 
14),    so  hat  diese  Hervorhebung  der  Gleichheit  nicht  den  Sinn, 
die  Realität  des  Traumes  zu  lehren,  weil   dem  das  Selbstlichtsein 
der  Seele  im  Traume  widersprechen    würde,    und   weil    von    der 
Schrift  selbst  gesagt  wird,    dafs  die  Wagen  u.  s.  w.  im  Traume 
nicht  wirklich  vorhanden  sind.     Weil  vielmehr  die  Vorstellungen 
des    Traumes    in    den    beim   Wachen    entstandenen    Vorstellungen 
ihren  Grund  haben,  so  hat  jene  Schriftstelle  den  Zweck,  zu  zei- 
gen,   dafs    der  Traum    eine    dem   Wachen    ähnliche  Scheiubarkeit 


510  ^ftitnOca-mlBÜMM 

besitze.  —  Es  ist  ftooBiii  jädriig,  dafs  der 
Illasion  beruht. 


ZwdUs  Adkiiaranam. 

.  7«    iad-cAhävo;  nädi^u^  iac-chnUety  ätmam  ca 

ihr  l^ichtvorhandensein;  in  den  Adern,  weil  so  die 

Schrift,  und  in  dem  Atman. 

Nachdem  wir  den  Zustand  des  Traiunes  betrachtet  haben,  so 
ist  nunmehr  der  Zustand  des  Tiefschlafee  zu  untersuchen.     Hier- 

7S9  bei  kommen  die  folgenden  |  auf  den  Tie&chlaf  bezüglichen  Schrift- 
steilen  in  Betracht.  Einmal  heiDst  es:  „wenn,  er  dann  so  einge- 
'„schlafen  ist  ganz  und  gar  und  völlig  zur  Ruhe  gekommen,  dafs  er 
„kein  Traumbild  schaut,  dann  ist  er  in  diese  Adern  geschlupft^* 
(Ch&nd.  8,  6,  3);  an  einer  andern  Stell«  hingegen,  wo  doch  gerade 
die  Adern  besprochen  werden,  heifst  es  mit  Bezug  auf  sie:  „durch 
„diese  hineingeschlüpft,  liegt  er  im  Perikardium'*  (Bfih.  2,  1,  19); 
ebenso  heifst  es  anderweit,  wo  gleichfalls  von  den  Adern  die  Bede 
war:  „alsdann  weilt  er  in  diesen,  wenn  er  eingeschlafen  kein  Traom- 
„bild  schaut.  Sodann  wird  er  in  diesem  Prana  zur  Einheit" 
(Kaush.  4,  19 — 20);  ebenso  heifst  es  anderswo:  „was  dieser  Baum 
„inwendig  im  Herzen  ist,  darin  liegt  er'*  (Brih.  4,  4,  22);  ebenso 
anderweit:  „alsdann  ist  er,  o  Teurer,  vereinigt  mit  dem  Seienden; 
„in  sich  selbst  ist  er  eingegangen"  (Ch&nd.  6,  8,  1);  und  ebenso: 
„von  dem  erkenntnisartigen  Selbste  umschlungen,  hat  er  kein  Be- 
„wufstsein  von  dem  was  .aufsen  oder  innen  ist"  (Brih.  4,  3,  21). 
Somit  erhebt  sich  hier  der  Zweifel,  ob  die  Genannten,  die  Adern 
n.  s.  w.,  in  Unabhängigkeit  voneinander  verschiedene  Orte  des 
Tiefschlafes  bedeuten,  oder  ob  sie  in  der  Art  voneinander  ab- 
hängig sind,  dafs  es  nur  einen  Ort  des  Tiefschlafes  giebt. 

Angenommen  also,    *es   seien  verschiedenartige  Orte ;    warum? 
^weil  sie  denselben  Zweck  erfüllen;   denn  Dinge,  welche  jedes  fär 

790  'sich  denselben  Zweck  erfüllen,  |  pflegen  nicht  voneinander  ab- 
4iängig  zu  sein,  wie  z.  B.  Reis  und  Gerste  [die  beide  Nahrungs- 
^mittel .  sind].  Dafs  aber  die  Adern  und  die  übrigen  [Behälter] 
4m  Tiefschlafe  alle  denselben  Zweck  erfüllen,  zeigt  sich  daran, 
'dafs  iu  Worten  wie  „er  ist  in  die  Adern  geschlüpft",  oder  „er 
'„liegt  in  dem  Perikardium",  das  eine  wie  das  andere  in  gleicher 
Weise  im  Lokativ  steht.'  —  Aber  bei  dem  „Seienden"  findet  sich 
doch  dieso  Beaieichnung  im  Lokativ  nicht,  denn  es  heifst  „alsdann 
„ist  er  vereinigt  mit  dem  Seienden  (saM)'?"  —  Das  schadet  nicht, 


MtuoBä  SI.  u.  7.  ÖU 

^waä  sKch  hier  dem  Sinne  nach  ein  takindr  zu  yersidbtn  ist,  da 
4m  Folgenden  gesagt  «Svd,  da(b  die  fieele,  nach  «Aer  Zoflnokt 
'▼oxlangend,  in  das  Seiende  eingebe,  ««nn  ee  heilst:  «»nachdem 
S,er  andenrfirts  keine  ZMflneht  gefofiden,  so  nimmt  er  aeine  Zu- 
S^flncht  SU  dem  Fri^a'^  ^Qkftnd.  6,  8,  2);  lixsr  wird  mü  dem  Worte 
'„Pr&^a''  das  in  Bede  sidiende  Seiende  lieraQgeBogeB;  eine  Zu- 
'flncht  aber  hat. den  Sinn  mnes  Lokativa;  flbrijyms  leigt  sich  im 
^Verlaufe  der  Stelle  auch  geradeza  ^ne  lok^iw  Besseichnung, 
'wenn  es  hexfst:  ^naidMUnn  sie  in  das  Seiende  {saß^  eingegangen, 
Sfhaben  sie  kein  Bevc&teein,  da(s  «sie  eu^geganigen  mnd  in  das 
S,Seiende'*  (Gh4&d.  ^,9^  JQ^.  Hierzu  kommt,  dals  in  aUm  diesen 
'Fällen  der  Tiefscblaf  gleiehsohr  das  Merkmal  eines  Anflidrens  der 
individuellen  Erkemxlnis  behält.  Weil  somit  die  Adern  und  die 
'übrigen  [Bd^llter]  denadben  Zweck  erfüllen,  so  mag  die  Seele 
'wahlweise  bald  in  diese  1>flld  in  jene  Örtlichkeit  zimi  Tiefschlafe 
'eingehen.; 

Aaf  diese  Annahme  versetzt  der  Lehrer:  „ihr  NichtTOxiiand'en- 
„sein;  —  in  den  Adern  nnd  in  dem  Atman";  ihr  Nichtvorhanden- 
sein, d.  h.  das  Nichtvorhandensein  der  vorher  besprochenen  Txaum- 
Bchopfung  I  macht  den  Tiefschlaf  aas;  und  bei  ihm  befindet  sich  791 
die  Seele  „in  den  Adern  nnd  in  dem  Atman",  d.  h.  in  beiden 
zugleich,  nicht  aber  geht  sie  wahlweise  in  die  Adern  oder  die 
andern  [Behälter]  zum  Tiefschlafe  ein;  warum?  „weil  so  die  Schrift"; 
d.  h.  weil  in  dieser  Weise  hier  und  dort  die  Adern  u.  s.  w.  alle 
zusammen  als  der  Ort  des  Tiefschlafes  erwähnt  werden;  und  dem 
wird  man  nur  gerecht,  wenn  man  eine  Zusammenfassung  aller 
dieser  Orte  annimmt;  denn  bei  Annahme  einer  Wahl  zwischen  ihnen 
würde  ein  Teil  derselben  ausgeschlossen  bleiben.  —  'Aber  bemerk- 
'tcn  wir  nicht,  dafs  zwischen  'den  Adern  u.  s.  w.  eine  Wahl  be- 
'stehen  müsse,  weil  sie,  ähnlich  wie  Beis,  Gerste  u.  s.  w.  [demsel- 
'ben  Zwecke  der  Ernährung],  alle  dem  gleichen  Zwecke  dienen?* 
—  Wir  antworten:  nein!  denn  daraus  allein,  dafs  sie  alle  in  dem- 
selben Casus  stehen,  folgt  noch  nicht,  dafs  sie  dem  gleichen  Zwecke 
dienen,  und  dafs  eine  Wahl  zwischen  ihnen  statüiaft  sei:  denn 
auch  dann,  wenn  sie  verschiedenen  Zwecken  dienen,  und  eine  Zn- 
sammenfassung derselben  anzunehmen  ist,  kann  derselbe  Casus  ge- 
braucht werden;  und  wie  man  von  einem  sagen  kann,  „er  liegt  in 
„dem  Hause"  und  zugleich  „er  liegt  in  dem  Bette",  ebenso  ist 
auch  hier,  wenn  es  heifst,  er  schläft  in  den  Adern,  in  dem  Peri- 
kardium  und  in  dem  Brahman,  eine  Zusammenfassung  möglich. 
Und  so  sagt  auch  die  Schrift:  „in  ihnen  befindet  er  sich  dann, 
„wenn  er  eingeschlafen  kein  Traumbild  schaut;  alsdann  wird  er 
„in  diesem  Präna  zur  Einheit"  (Kansh.  4,  19 — 20).  Hier  lehrt 
die  Schrift  fär  den  Tiefschlaf  eine  Zusammenfassung  der  Adern 
nnd  des  Prä^,  indem  sie  beide  an  derselben  Stelle  anführt. 
Dafs  aber  der  Pr&i^a  das  Brahman  bedeutet,  haben  wir  erkannt 


512  Q&rh-aka-mlm&nsft 

an  der  Stelle:  „der  Pr&^a,  weil  man  dies  ersieht"  (Sütram  1, 1,  28), 
Und  auch  da,  wo  die..  Schrift  die  Adern  für  sich  allein  als  den 
Ort  des  Tiefschlafes  tienni,  z.  B.  in  der  Stelle:  „alsdann  itt  er  in 
'^diese  Adern  geschlüpf^t"  (Gh&nd.  8,  6,  3),  auch  da  ist,  da  das  aas 
einer  andern  Stelle  als  Ort  des  Tiefsphlafes  feststehende  JBrahman 
dadurch  nicht  ausgeschlossen  wird,  die  Sache  so  ^n  verstehen,  dafs 
die  Seele  durch  Vermittelung  der  Aderu  in  dem  »rahman  tidi  be- 
findet. Auch  bei  dieser  AufÜEuieung  nämlich  ist  der  Lokativ  «^in 
„den  Adern"  nicht  unzulässig;    denn  auch    wenn    die  Seele  ver- 

70*1  mittelst  der  Adern  in  das  BrahAan  hineinschlüpft,  |  ist  sie  eine  in 
die  Adern  hineingeschlüpfte;  denn  wer  vermittelst  der  Oaiigä  in 
den  Ocean  fährt,  der  ist  eben  auf  der  Gangä  gefahren.  Hierzu 
kommt,  dafs  es  sich  an  der  betreffenden  Stelle  darum  handelt» 
den  Weg  zur  Brahmanwelt,  welcher  durch  den  Sonnenstrahl  nnd 
die  Adern  geht,  au  beschreiben,  und  dafs  dabei  zur  Yerherrli- 
chung  der  Adern  das  Hineinschlüpfoi  in  dieselben  erwähnt  wird; 
denn  nach  den  Worten  „dann  ist  er  in  die  Adern  geschlüpft" 
heifst  es  weiter:  „darum  rühret  ihn  kein  Übel  an"  (Chänd.  8t  6y 
3);  in  diesen  Worten  werden  die  Adern  gepriesen;  und  als  Ur- 
sache dafür,. dafs  ihn  kein  Übel  anrühre,  sagt  die  Schrift:  „denn 
„alsdann  ist.  er  eingegangen  in  die  Kraft  (i^cu)^^  (Ghänd.  8,  6,  3); 
d.  h.  weil  die  Organe  der  Seele  von  der  in  den  Adern  wohnen- 
den Kraft,  welche  Galle  (pütam)  genannt  wird,  überzogen  sind, 
deswegen  sieht  die  Seele  die  Dioge  der  Aufsen weit  nicht.  Oder 
auch  man  kann  annehmen i  dafs  unter  der  „Kraft"  das  Brahman 
zu  verstehen  ist,  indem  auch  in  einer  andern  Stelle  „ist  lauter 
„Brahman,  ist  lauter  Kraft"  (Brih.  4,  4,  7).  der  Ausdruck  Kraft 
von  Brahbaan  gebraucht  wird;  nämlich  mit  dem  Brahman  ist  die 
Seele  dann  auf  dem  Wege  der  Adern  vereinigt  worden,  „darum 
„rührt  sie  kein  Übel  an"  (Qiand.  8,  6,  3).  Denn  es  war  vorher 
gelehrt  worden,  dals  es  der  Eingang  in  das  Brahman  ist^  auf 
welchem  die  Unberührbarkeit  vom  Übel  beruht,  indem  es  hiefs: 

703  „alle  Übel  kehren  vor  ihm  zurück ,  denn  firei  vom  Übel  |  ist  diese 
„Brahmanwelt"  u.  s.  w.  (Chänd.  8,  4,  2).  Da  dem  so  ist,  so  hat 
maü  anzunehmen,  dafs  wegen  des  an  einer  andern  Stelle  dafür 
genannten  Brahman  der  als  Ort  des  Tiefschlafes  angenommene 
Komplex  der  Adern  hier  erwähnt  wird.  Ebenso  ergiebt  sich  für 
das  Perikardium,  da  es  an  einer  andern  tStellc  erwähnt  wird,  die 
von  Brahman  handelt,  dafs  es  nur  in  Analogie  mit  Brahman  als 
der  Ort  des  Tiefschlafes  bezeichnet  wird;  denn  nachdem  in  den 
Worten:  „was  dieser  Raum  in  dem  Herzen  ist,  darm  liegt  er" 
(Brih.  4,  4»  22),  der  Raum  im  Herzen  als  Ort  des  Tie&cUafes  er- 
wähnt war,  heifst  es  [wie  Qankara  irrtümlich  annimmt]  weiter: 
„er  liegt  in  dem  Perikardium"  (Brih.  2,  1,  19).  Das  Wort  „Peri- 
„kardium  (purUat)^^  bezeichnet  die  Umkleidung  des  Herzens;  und 
sofern  die  Seele   in  dem  von  dieser   umschlossenen  Herzensranmc 


•9Atr*m  III.  n.  ?•  '  513 

liegt,  kann  gesagt  werden,  de  liege  im  Perikardium;  denn  wer 
sic^  innerhalb  der  von  einer  Mauer  umgebenen  Stadt  befindet,  von 
dem  kann  man  sagen,  er  befinde  sich  innerhalb  der  Mauer.  Dafs 
aber  der  Raum  im  Hersen  das  Brahman  bedeute,  sahen  wir  an 
der  Stelle:  „der  kleine  [Raum],  wegen  des  Folgenden'^  (Sütram 
1,  3,  14).  In  derselben  Weise  ist  es  auch  au&ufassen,  wenn  in 
den  Worten:  „in  sie  (die  Adern)  hineingeschlüpft,  liegt  er  im 
„Perikardium'^  (Bfih.  2,  1, 19),  eine  Zusammenfassung  der  Adern 
und  des  Perikardium  an  'derselben  Stelle  vorkommt.  Dafs  aber 
„das  Seiende"'  und  die  allweise  Beele  das  Brahman  bedeuten,  ist 
bekannt.  £s  werden  somit  an  diesen  Schriftstellen  allerdings  drei 
Orte  des  Tiefschlafes  eirwähnt,  nftmlich  die  Adern,  das  Perikar- 
dium und  das  Brahman;  dabei  dienen  aber  die  Adern  und  das 
Perikardium  nur  als  Mittel,  w&hrend  das  Brahman  allein  der  ein- 
zige unabänderliche  Ort  des  Tiefschlafes  ist.  Hierzu  kommt,  dafs 
die  Adern  oder  das  Perikardium  dabei  nur  als  Behälter  der  UpH- 
dhi's  der  individuellen  Seele  dienen,  sofern  ihre  Organe  nch  in 
diesen  aufhalten.  Denn  wenn  wir  von  der  Verbindung  mit  den 
Up&dhi's  absehen  so  ist  för  die  individuelle  Seele  an  sich  (sva' 
taa)  I  ein  Beh&lter  nicht  möglich,  weil  sie,  mit  dem  Brahman  794 
identisch,  in  ihrer  eigenen  Majestät  steht  (Ch&nd.  7,  24,  1).  Und 
wenn  sie  im  Tiefschlafe  in  Brahman  enthalten  ist,  sq  ist  dies 
nicht  dahin  auCsufassen,  dafs  dabei  eine  Verschiedenheit  zwischen 
dem  Behälter  und  dem  Inhalte  ausgedrückt  werden  soll,  sondern 
es  soll  vielmehr  die  Wesenseinheit  ausgedrückt  werden;  daher  die 
Schrift  sagt:  „alsdann  ist  er,  o  Teurer,  vereinigt  mit  dem  Seien- 
„den;  er  ist  in  sich  eingegangen'^  (Ch&nd.  6,  8,  1);  das  Wort 
„sich''  bedeutet  dabei  das  eigene  Selbst,  und  der  Sinn  ist,  dafs 
der  Tiefschlafende  in  seine  eigene  Wesenheit  eingegangen  sei. 
Allerdings  ist  die  Eingegangenheit  der  Seele  in  das  Brahman  nie- 
mals un verwirklicht,  weil  sie  von  ihrem  eigenen  Wesen  nicht  ab- 
gehen kann;  aber  im  Traume  und  Wachen  geschieht  es,  kraft 
ihrer  Bemengung  mit  den  Up&dhi's,  dafs  es  ist,  als  wäre  sie  in 
eine  fremde  Natur  übergegangen;  daher  das  Ruhe-haben  von  den 
Upädhi's  im  Tiefschlafe  als  ein  Eingang  der  Seele  in  ihre  eigene 
Natur  aufgefafst  wird.  Aus  diesen  Gründen  ist  es  unannehmbar, 
dafs  die  Seele  im  Tiefschlafe  zuweilen  mit  dem  Seienden  vereinigt 
werde  und  zuweilen  nicht.  Wollte  man  aber  selbst  eine  Auswahl 
unter  den  verschiedenen  Orten  zugeben,  so  würde  doch  darin 
Übereinstimmung  bestehen,  dafs  der  Tief  schlaf  als  Merkmal  das 
Aufhören  der  individuellen  Erkenntnis  hat;  zu  einem  .Einswerden 
mit  dem  Seienden  nun  pafst  es,  dafs  die  Seele  wegen  der  Eins- 
werdung  nicht  erkenne ,  „  wie  sollte  er  da  irgend  wen  erkennen  '^, 
wie  die  Schrift  sagt  (Brih.  2,  4,  14);  bei  einem  blofsen  Liegen  in 
den  Adern  und  dem  Perikardium  hingegen  läfst  sich  kein  Grund 
absehen,    warum   die   Seele   nicht   erkennen   ^U,    indem   diese  in 

DmuMU,  VadAuU.  33 


514  Qftrtraka-mtxnftnsi 

dea  Bereich  der  Vielheit  gehören ,  von  dem  die  Schrift  sagt:  ,,wo 
,^aber  ein  anderes  gleichsam  ist,  da  sieht  einer  den  andern"  (Brih. 
79^  4,  5,  16). —  I  'Aber  kann  nicht  auch  in  dem  Bereiche  der  Vielheit 
'eine  allzugrofse  Entfernung  u.  s.  w.  Ursache  des  Nichterkennena 
^sein?*  -r—  Das  möchte  wohl  angehen ,  wenn  es  denkbar  wftre,  dafs 
die  Seele  sich  von  sich-  selbst  lostrennte,  wie  Vishnumitra  auf  Beisen 
geht  und  darum  sein  Haus  nicht  sieht.     Es  ist  aber  vielmehr  bei 
der  Seele  eine  Trennung,  aufser  von  den  Upftdhi\  nicht  möglich. 
—   *Aber   jene    allzugrofse    Entfernung    als    Ursache    des   Nicht- 
^erkenneuB  közmte  ja  als  eine  solche  von  den  Up&dhi's  betrachtet 
'werden.'  —   Auch  dann  bleibt  es   dabei,    dafs   die  Seele  zufolge 
des  Ruhehabens   von    den  XJpädhrs    mit    dem   Seienden    eins    ge- 
worden ist  und  darum  nicht  erkennt.     Auch  behaupten  wir  nicht, 
dafs   die  hier  geforderte  Zusammenfassung  der  Adern  u.  s.  w.  in 
dem  Sinne  geschehen   soll,    als  wären   dieselben  gleichberechtigt; 
denn  die  Erkenntnis,    dafs   die  Adern  und  das   Perikardium   der 
Ort  des  Tiefschlafes   seien,  hat  an  sich  gar  keinen  Zweck;    denn 
nirgends  ist  in  der  Schrift  von  einer  Frucht  die  Rede,  welche  sich 
an   diese  Erkenntnis   knüpfte;    und  ebenso  wenig  wird   diese  Er- 
kenntnis als  Teil  irgend  einer  Erkenntnis  mit  Fruchtverheifsung 
bezeichnet.     Vielmehr  behaupten  wir,  dafs  das  Brahman  der  un- 
abänderliche Ort  des   Tiefschlafes   sei;    und   diese  Erkenntnis   hat 
allerdings   einen  Zweck,    nämlich  den,    zu  lehren,    dafs  die  Seele 
ihrem  Weseii  nach  Brahman  ist,  und   dafs  sie  im  Tiefschlafe  von 
dem  Treiben   des  Traumes  und   des  Wachens   befreit  ist.     Darum 
ist  der  Ätman  allein  der  Ort  des  Tiefschlafes. 

8.    atah  prabodho  '$mät 
daher  das  Erwachen  ans  ihm. 

Und  weil  der  Atman  der  Ort  des  Tiefschlafes  ist,  „ daher '^ 
d.  h.  aus  diesem^  Grunde  geschieht  auch  das  Erwachen  alle  Zeit 
nur  aus  diesem  Atman,  wie  es  in  der  Stelle  vom  Schlafe  gelehrt 
796  wird:  „woher  ist  er  so  gekommen ?'*  |  worauf  als  Antwort  erfolgt: 
„gleichwie  aus  dem  Feuer  die  winzigen  Fünklein  entspringen,  also 
„auch  entspringen  aus  diesem  Atmau  alle  Lebensorgane'*  (Bfih. 
2,  1,  20).  Auch  heifdt  es:  „indem  sie  aus  dem  Seienden  hervor- 
„gehen,  haben  sie  kein  Bewufstsein  davon,  dafs  sio  hervorgehen 
„aus  dem  Seienden"  (Chand.  6,  10,  2).  —  Stünde  die  Wahl  zwi- 
schen den  Orten  des  Tiefschlafes  frei,  so  würde  die  Schrift  viel- 
mehr lehren,  dafs  man  manchmal  aus  den  Adern  erwache,  manch- 
mal aus  dem  Perikardium  und  manchmal  aus  dem  Atman.  Auch 
darum  also  ist  vielmehr  nur  der  Atman  allein  der  Ort  des  Tief- 
schlafes. 


Satram  IIL  xi.  9.  515 


Dritte»  Adhikaranam* 

9.   $a^  eva  tUy  karma^anusmriü''g€ibda'Viditihhyah 

vielmehr  die  selbe ,  wegen  Werk,  Bückerinnerung, 

Schriftwort  und  Vorschrift. 

Wenn  einer  aas  diesem  Eingänge  in  das  Sei^mde  wieder  er* 
wacht,  ist  dann  deijenige,  welcher  erwacht,  der  nämliche,  dev 
in  das  Seiende  eingegangen  war  oder  kann  es  auch  ein  anderer 
sein?  Das  ist  zn  überlegen.  —  Angenommen  also,  'es  sei  un-^ 
'bestimmt,  ob  derselbe  wieder  erwache;  wamm?  nun,  wenn  man 
'einen  Wassertropfen  in  eine  Wassermasse  giefst,  so  wird  er  2u 
'dieser  Wassermasse;  will  man  ihn  darauf  wiedcü*  herausziehen,  so 
'ist  es  doch  nicht  wohl  zu  bewerkstelligen,  dafs  dieses  derselbe 
'Tropfen  sei.  In  ähnlicher  Weise  kommt  auch  der  Eingeschlafene, 
'nachdem  er  mit  dem  Höchsten  eins  geworden ,  zum  völligen  Still- 
'stände,  und  es  braucht  nicht  derselbe  zu  sein,  welcher  darauf 
'wieder  erwacht.  |  Somit  kann  derjenige,  welcher  erwacht,  derselbe  797 
'oder  auch  Gott  oder  eine  andere  individuelle  Seele  sein.*  —  Auf 
diese  Annahme  erwidert  der  Lehrer:  „es  ist  vielmehr  die  selbe" 
Seele,  die  eingeschlafen  und  zur  Selbstheit  eingegangen  war, 
welche  darauf  wieder  erwacht,  und  keine  andere.  Warum?  „we- 
„gen  Werk,  Rückerinnerung,  Schriftwort  und  Vorschrift".  Wir 
wollen  diese  Gründe  einzeln  durchgehen.  Zunächst  also  muls  der 
Erwachende  derselbe  und  kein  anderer  sein,  weil  er  sich  mit  dem 
übriggebliebouen  Werke  befafst.  So  nämlich  zeigt  die  Erfah- 
rung, dafs  einer,  der  sich  gestern  mit  einem  Werke  befafste,  sich 
heute  mit  der  Fortsetzung  desselben  befafst,  und  man  kann  nicht 
annehmen,  dafs  bei  einem  Werke,  welches  von  Jemandem  zur 
Hälfte  getlian  worden,  ein  Zweiter  sidi  mit  der  Fortsetzung  des- 
selben befasse,  weil  daraus  zu  viel  folgen  würde  [d.  h.  weil  damit 
alle  Kontinuität  des  Handelns  aufgehoben  werden  würde].  Somit 
folgt,  dafs  es  derselbe  sein  mufs,  welcher  gestern  und  welcher 
heute  ein  bestimmtes  Werk  vollbringt.  —  Auch  darum  mufs  der 
Erwachende  derselbe  sein,  weil  man  sagt:  „am  gestrigen  Tage 
„habe  ich  dies  und  das  gesehen",  und  weil  diese  nachmalige 
Erinnerung  an  ein  früher  Erlebtes  unmöglich  sein  würde,  wenn 
ein  anderer  erwachte;  denn  es  geht  nicht  an,  dafai  an  das,  was 
der  eine  gesehen  hat,  ein  anderer  sich  zurückerinnere.  Und  auch 
wenn  man  sagt:  „das  war  ich",  so  ist  auch  diese  Rückerinnerung 
an  das  eigene  Selbst  nicht  möglich,  wenn  der  Erwachende  ein 
anderer  ist.  —  Weiter  ergiebt  es  sich  aus  Schriftworten,  dafs 
der  Erwachende  derselbe  ist;  denn  es  helfst  z.  B.:  „alsdann  kehrt 

83* 


Ö16  Q&rtraka-mlmäilslL 

^er  wiedenuu  je  nftch  dem  EingaxigB,  je  nach  dem  Ürspronge 
,,zurück  Eum  Zustande  des  Wachens"  ^fih.  4,  3,  16);  —  „ebefnso 
,,finden  alle  diese  Kreaturen  diese  Brahmanwelt  nicht,  obwohl  sie 
„tagtSglich  in  sie  eii^ehen"  (Gh&nd.  8,  3,  2);  —  „selbige  ob  sie 
„hier  Tiger  sind  oder  Xiöwe,  oder  Wolf,  oder  Eber,  oder  Wurm, 
„oder  Vogel,  oder  Bremse,  oder  Mücke:  was  sie  immer  sein  mo- 
rgen, dazu  werden  sie  wieder  gestaltet"  (Chand.  6,  10,  2);  — 
diese  und  andere  Schriftworte,  welche  sich  auf  das  Erwachen  Tom 

798  S<^üafe  |  bealehen,  würden  keinen  Sinn  haben,  wenn  der  £r- 
wachende  ein  anderer  wäre.  —  Endlich  folgt  dasselbe  auch  aus 
den  Yorsc'hriften  über  Werke  und  Wissen.  Denn  sonst  würden 
die  Yoritchriften  über  Werke  und  Wissen  zwecklos  sein.  Nimmt 
man  nämlich  an,  dafs  der  Erwachende  ein  anderer  sei,  so  würde 
folgen,  dafs  schon  der  blofs  Tiefsohlafende  erlöst  wä^e.  Soll  aber 
dem  so  sein,  so  möchte  ich  wissen,  ^was  aus  dem  Werke  oder 
dem  Wissen  «rird,  welches  seine  Frucht  erst  in  der  Folgezeit 
bringt?  Hierzu  kommt,  dafs  bei  der  Annahme,  der  Wiedererwa- 
chende sei  ein. anderer,  dieser  in  dem  andern  Leibe,  in  welchem 
er  wiedererwachend  handeln  würde,  die  demselben  angehörigen 
Handlungen  unterbrechen  Würde.  Auch  würde  dann  die  Voraus* 
Setzung,  dafs  der  Eingeschlafene  wieder  erwacht,  bedeutungslos 
sein;  denn  in  dem  Leibe,  in  welchem  man  eingeschlafen  wäre, 
würde  man  nicht  wieder  erwachen.  Aber  wie  kann  man  über- 
haupt nur  annehmen,  dafi  man  in  dem  einen  Leibe  einschlafe 
und  in  einem  andern  wieder  erwache!  Femer  könnte  dann  auch 
der  Erlöste  irgendwo  wieder  erwachen ,  und  die  Erlösung  würde 
ein  Ende  nahmen;  das  aber  ist  unmöglich,  dafs  einer,  dessen 
Nichtwissen  vernichtet  worden  ist,  wieder  erwachen  könnte.  Aus 
demselben  Orunde  kann  es  auch  nicht  Grott  sein,  welcher  wieder 
erwacht',  weil  bei  ihm  das  Nichtwissen  ewig  yemichtet  ist«  End« 
lieh  ist  es  bei  der  Annahme,  dafs  ein  anderer  wieder  erwache, 
kaum  zu  vermeiden,  dafs  den  Menschen  Unverschuldetes  treffe, 
und  dafs  Verschuldetes  ungesühnt  bleibe.  Somit  ist  es  derselbe 
und  kein  anderer,  welcher  wieder  erwacht.  —  Wenn  weiter  be- 
merkt wurde,  dafs,  so  wie  man  den  in  eine  Wassermasse  gegosse- 
nen Wassertropfen  nicht  wieder  herausholen  .könne,  auch' die  mit 
dem  Seienden  eins  gewordene  Seele  aus  ihm  nicht  wieder  hervor* 
treten   könne,   so   bemerken   wir   darauf:    dafs  man   den  Wasser- 

799  tropfen  nicht  wieder  herausholen  kann,  ist  richtig,  |  weil  kein 
Grund  da  ist  für  seine  Unterscheidung;  hier  hingegen  ist  ein 
O^rund  der  Unterscheidung  vorhanden,  nämlich  die  Ungleichheit  in 
Betreff  der  Werke  und  des  Wissens.  Auch  zeigt  die  Erfahrung, 
wie  z.  B.  Wasser  und  Milch,  zusammengemischt,  welche  von  uoser 
einem  schwer  zu  unterscheiden  sind,  von  der  Gans  unterschieden 
werden.  Überhaupt  aber  giebt  es  gar  keine  sog^enanute  indivi- 
duelle Seele,  welche  gesondert  von  dem  höchsten  Atman  bestünde 


Sütram  III.  ii.  9.  517 

und  sich  wie  der  Wasseriropfen  von  der  Wassermasse  yon  dem 
Seienden  unterschiede.  Vielmehr  ist  es  das  Seiende  selbst ,  wel- 
ches vermöge  seiner  Bemengung  mit  den  Upädhi's  als  individuelle 
Seele  aufgefafst  wird,  wie  wir  dies  wiederholt  auseinandergesetzt 
haben.  Da  dem  so  ist^  so  folgt,  dafs,  so  weit  sich  die  durch  einen 
bestimmten  Upädhi  bedingte  Yerstriokung  in  die  Bindung  erstreckt, 
so  weit  auch  sich  das  Treiben  einer  bestimmten  individuellen  Seele 
erstreckt;  wo  hingegen  eine  durch  einen  andern  Upädhi  bedingte 
Yeratrickung  in  die  Bindung  vorhanden  ist,  da  ist  die  Thätigkeit 
einer  andern  Individualseele  vorhanden.  Ein  und  derselbe  Upädhi 
aber  im  Schlafe  und  im  Wachen  verhält  sich,  wie  das  Samenkorn 
zur  Pflanze 'sich  verhält.  —  Somit  ist  es  richtig,  dafs  es  dieselbe 
in^viduelle  Seele  ist,  welche  wieder  erwacht. 


Vie^'tes  AdhUcaranam. 


.  10.   mugdhe  'rdha-sampatUhj  parifeshät 

beim  Betäubten  ein  halber  Eingang,  wegen  des 

Überschiefsens. 

-  » 

Noch  bleibt  der  Betäubte  zu  besprechen,  den  man  im  gewöhn- 
lichen Leben  ohnmächtig  nennt,  und  es  fragt  sich,  worin  sein 
Zustand  besteht.  —  Hier  könnte  jemand  sagen:  'es  giobt  doch 
'nur  drei  Zustände  der  im  Körper  weilenden  individuellen  Seele, 
'das  Wachen,  den  Traumschlaf  und  den  Tiefschlaf,  wozu  als  vierter 
'noch  das  Abscheiden  von  dem  Leibe  kommt;  von  irgendeinem 
'fünften  Zustande  der  Seele  hingegen  ist  |  weder  in  Schrift  noch  800 
*Smpti  die  Rede,  daher  die  Ohnmacht  dem  einen  oder  andern 
'der  vier  Zustände  zugezählt  werden  mufs.^  —  Auf  diese  Annahme 
erwidern  wir:  zunächst  kann  der  Ohnmächtige  sich  nicht  in^  dem 
Zustande  des  Wachens  befinden,  weil  ihm  die  Wahrnehmung  der 
Dinge  mittels  der  Sinne  abgeht.  —  *Schon  recht,  aber  es  könnte 
'doch  mit  dem  Ohnmächtigen  etwa  sein  wie  mit  dem  Pfeilschnitzer. 
'Wie  nämlich  der  Pfeilschnitzer,  obwohl  er  wach  ist,  wegen  Hef- 
'tung  seiner  Aufmerksamkeit  auf  den  Pfeil  keine  andern  Dinge 
*  wahrnimmt,  so  könnte  es  auch  geschehen,  dafs  der  Ohnmächtige, 
'wegen  Concentration  seiner  Aufmerksamkeit  auf  die  Empfindung 
'des  durch  die  Keulenschläge  u.  s.  w.  verursachter  Schmerzes,  ob- 
'wahl  er  wach  ist,  keine  andern  Dinge  wahrnimmt.'  —  Aber  dem 
ist  nicht  so,  und  zwar  weil  er  ohne  Bewufstsein  ist.  Denn  der 
Pfeilschnitzer ,  wennschon   sein   Geist  in  Anspruch  genommen  ist. 


518  g&rlraka-mtmiufii 

spricbt:  ich  fmbe  diese  Zeit  hindurch  nnr  den  Pfeil  wahrgencnnmen. 
Der  Ohnmächtige  hingegen,  wenn  er  wieder  zu  Bewafstsein  kommt, 
spricht:  ich  war  diese  Zeit  hindurch  in  blinäe  Finsternis  verseukt 
und  habe  von  gar  nichts  ein  Bewofstsein  gehabt.  Hierzu  kommt, 
dafs  der  Wachende,  wenn  auch  sein  Oeist  einem  einzigen  Dinge 
zugewendet  ist,  doch  seinen  Leib  aufrecht  hält,  während  hingegen 
der  Leib  des  Ohnmächtigen  zur  ]Srde  stürzt;  woraus  ersichtlich, 
dafs  derselbe  nicht  wachend  ist.  Ebensowenig  aber  sieht  er  Träume, 
weil  er  ohne  Bewufstsein  ist.  Endlich  ist  er  auch  nieht  tot,  weil 
er  noch  Odem  und  Wärme  in  sich  hat.  Denn  wenn  einer  ohn- 
mächtig ist,  und  man  wissen  will,  ob  er  tot  ist  oder  noch  lebt, 
so  untersucht  man  die  Herzgegend,  um  zu  bestimmen,  ob  er  noch 
Wärme  hat  oder  nicht,  und  die  Nasengegend,  um  zu  wissen,  ob 
er  noch  Odem  hat  oder  nicht.  Bemerkt  man  an  ihm  kein  Vor- 
handensein  von  Odem   und  Wärme,  so   erkläi-t  man  ihn  f&r  tot  | 

$01  und  holt  das  Holz  zu  seiner  YerbrennuDg  herbei;  bemerkt  man 
hingegen  an  ihm  noch  Odem  oder  Wärme,  so  erUärt  man,  dafs 
er  nicht  tot  ist  und  behandelt  ihn,  um  ihn  wieder  2um  Bewufst- 
sein zu  bringen.  Kommt  er  wieder  auf,  so  war  er  auch  noch 
nicht  seinem  Lose  verfallen,  denn  wer  erst  zu  Tama  eingegangen 
ist,  der  kehrt  aus  Yama's  Reich  nicht  wieder  zurück.  —  'So  ist 
vielleicht  die  Ohnmacht  ein  Tiefschlaf,  weil  dabei  kein  Bewufsi- 
*sein  und  doch  auch  kein  Tod  stattfindet?*  —  Auch  das  nicht, 
weil  beide  verschieden  sind.  Der  Ohnmächtige  atmet  oft  längere 
Zeit  nicht,  sein  Leib  zittert,  sein  Angesicht  ist  schaudererregend,' 
seine  Augen  sind  weit  aufgerissen.  Der  Tiefsclilafende  hingegen 
zeigt  ein  friedliches  Angesicht,  atmet  gleichmäfsig  und  fortwäh- 
rend, seine  Augen  sind  geschlossen,  sein  Leib  zittert  nicht,  und 
mau  kann  ihn.  durch  blofses  Streicheln  mit  der  Hand  aufwecken, 
während  der  Ohnmächtige  nicht  einmal  durch  Hammerschläge  er- 
wacht. Auch  besteht'  ein  Unterschied  zwischen  Ohnmacht  und 
Tiefschlaf  in  der  Veranlassung;  die  Ohnmacht  wird  verursacht 
durch  Keulenschläge  u.  s.  w.,  der  Schlaf  durph  Müdigkeit.  Und 
auch  die  allgemeine  Annahme  ist  dagegen,  dafs  man  den  Ohn- 
mächtigen für  einen  Tiefschlafenden  ansieht.  Somit  nehmen  wir 
an,  dafs  die  Ohnmacht  „wegen'  des  Überscfaiefsens^'  [über  die 
übrigen  Zustände]  „ein  halber  Eingang*^  ist;  denn  sofern  der 
Ohnmächtige  bewufstlos  ist,  ist  er  eingegangen;  sofern  er  jedoch 
von  dem  andern  verschieden  ist,  ist  er  nicht  eingegangen.  — 
^Aber  wie  kann  man  behaupten,  dafs  die  Ohnmacht  nur  ein  hal- 
'ber  Eingang  sei?  Denn  die  Schrift  sagt  doch  in  Bezug  auf  den 
^Tiefschlafenden :  „alsdann  ist  er,  o  Teurer,  eins  geworden  mit 
S,dem  Seienden'^  (Cliänd.  6,' 8,  1);  —  „dann  ist  der  Dieb  nicht 
S,Dieb"  (Brih.  4,  3,  22);  —  „diese  Brücke  überschreiten  picht  Tag 

SO*i  ^y,\iTid  Nacht,  |  nicht  das  Alter,   nicht  der  Tod  und  nicht  das  Lei- 
S,den,    nicht    gutes  .Werk  noch  böses    Werk"   (Cbänd.   8«   4,   2). 


Sfttram  HL  ^.  lO.  519 

'Nämlich  dio  guten  und  bösen  Werke  werden  ja  an  der  Seete  da- 
^durch  vergolten,  dafs  in  ihr  die  Yorstellangen  der  Lust*  und 
*Schmoraempfinduug  entstehen,  und  diese  Vorstellungen  der  Lust« 
'empfindnng  und  Schmensempfindung  sind  im  Tiefschlafe  Dicht  vor- 
'banden.  Nun  sind  aber  diese  beiden  Vorstellungen  bei  dem  Ohn- 
'm&ch'tigen  ebenso  wenig  vorhanden,  und  somit  muTs  man  auch 
*in  Betreff  der  Ohnmacht  annehmen,  dafs  sie  sufolge  des  zur- 
' Ruhe* Kommens  der  Upädhi*8  ebenso  gut  wie  der  Tiefschlaf  ein 
Vollständiger  Eingang  und  nicht  blofs  ein  halber  Eingang  ist.'  — 
Hierauf  erwidern  wir:  wir  behaupten . gar  nicht,  dafs  beim  Ohn- 
mächtigen die  Seele  nur  zur  Hälfte  mit  dem  Brahman  eins  ge- 
worden sei,  sondern  nur  dieses,  dafs  die  Ohnmacht  halb  auf  Seiten 
des  Tiefschlafes  und  halb  auf  Seiten  der  andern  Zustände  stehe. 
Nur  dies  behaupten  wir  und  haben  ja  die  Ähnlichkeit  und  Ver- 
schiedenheit der  Ohnmacht  mit  dem  TiefiBchlafe  dargelegt.  Es  ist 
aber  die  Ohnmacht  eine  Pforte  des  Todes.  Wenn  nämlich  bei 
dem  Betreffenden  noch  ein  Rest  von  [abzubüfsenden]  Werken  rück- 
standig ist,  so  kehren  ihm  Rede  und  Bewiifstsein  zurück;  sind 
hingegen  seine  Werke  ohne  Rückstand  abgelaufen,  so  verlassen 
ihn  Odem  und  Wärmen  und  darum  betrachten  die  Brahmanwisser 
diesen  Zustand  als  einen  halben  Eingang.  Wenn  hingegen  be- 
hauptet wurde,  dafs  die  allgemeine  Annahme  nicht  für  einen  sol- 
chen fönften  Zustand  sei,  so  schadet  das  nicht;  denn  weil  dieser 
Zmtand  nur  ein  gelegentlicher  ist,  darum  wird  er  nicht  allgemein 
angenommen,  doch  ist  er  wohlbekannt  sowohl  aus  der  Erfahrung 
als  auch  aus  dem  Ayurveda  (der  Heilkunde).  Als  fünfter  aber 
wird  er  nicht  gerechnet,  und  mit  Recht,  da  er  nur  ein  halber 
Eingang  ist. 


520  girlraka-mim&ös4 


803  11.    na  sthAnato  ^pi  parasya  tibhayäUngamy  sarvatra  M 

und  auch  nicht  wegen  der  Standorte  hat  der  Höchste 
beide  Charaktere ;  denn  allenthalben  « • . 

Das  Brahman,  in  welches  beim  Tiefschlafe  a.  8»  v.  die  Seele 
durch  das  zur -Ruhe -Kommen  der  üpftdhi's  eingeht,  dieses  Brah- 
man  wollen  wir  jetzt  auf  Grund  der  Schrift  seiner  Natur  naoh 
betrachten. 

Es  giebt  in  Betreff  des  Brahmän  zwei  Arten  ron  SchriftsteUen; 
die  einen,  wie  „allwirkend  ist  er,  all  wünschend,  allriechend,  all- 
„schmeekend**  (Ch&nd.  8,  14,  2),  legen  ihm  gewiBse  Untersciiiede 
als  Charakter  bei;  die  andern  hingegen,  wie  „nicht  grob  und  nicht 
„fein,  nicht  kurz  und  nicht  lang*^  (Brih.  3,  8,  8),  lehren,  dals  er 
keine  unterschiede  als  Charakter  besitze.  Soll  man  nun  auf  Grund 
dieser  Schriftstellen  annehmen,  dafs  das  Brabman  beide  Cbstrak* 
tere  an  sich  trage  oder  nur  einen  von  beiden?  Und  wenn  einen 
von  beiden,  ist  eu  dann  als  mit  Unterschieden  behaftet,  oder  als 
untersohiedlos  anzunehmen?  Das  ist  zu  untersuchen.  —  Zunftohst 
nun  könnte  man  den  Schriftstellen  zuliebe,  welche  beide  Charak- 
tere von  ihm  lehren,  annehmen,  ^dafs  das  Brahman  eben  beide 
'Charaktere  an  sich  trage*.  —  Auf  diese  Annahme  erwidern  wir, 
dafs  „der  Höchste",  das  Brahman,  an  und  für  sich  unmöglich  Ton 
beiderlei  Charakter  sein  kann.  Denn  ein  und  dasselbe  Ding  kann 
unmöglich  an  und  fOr  sich  als  mit  den  Unterschieden  der  Ge- 
stalt u.  s.  w.  behaftet  und  als  das  Gegenteil  gedacht  werden,  weil 
dies  sich  widerspricht.  —  'So  beruht  vielleicht  [die  Bdiaftung  des 
'Brahmai!  mit  Unterschieden]  auf  seinen  „  Standorten '^  nämlich  auf 
'seiner  Verbindung  mit  den  Up&dhi's  der  Erde  u.  s.  w.  [vgl.  Bfih. 
*3,  7,  B:  i,der,  in  der  Erde  wohnend,  von  der  Erde  verschieden 
'„ist"  u,  8.  w.]?'  —  Auch  das  geht  nicht;  denn  durch  die  Ver- 
bindung mit  Upädhi's  kann  ein  Ding,  wenn  es  von  einer  bestimm- 
ten Art  ist,  keine  andere  Naturbeschaffenheit  annehmen.  Denn  der 
Bergkrjstall ,  welcher  durchsichtig  ist,  kann  nicht  durch  die  Ver- 
bindung mit  den  Upädhi's  der  roten  PWbe  u.  s.  w.  undurchsichtig 
804  werden;  |  vielmehr  beruht  os  aUf  einer  blofsen  T&üschung,  wenn 
man  ihm  die  Undurchsichtigkeit  beilegt,  und  es  isjt  nur  das  Nicht- 
wissen,   welches  diese  Upadhi's  an  ihm  anninimt.     Wenn  man  da- 


Sfttram  III.  ii.  11.  521 

her  den  einen  wie  den  andern  Charakter  dum  Braliman  beigelegt 
findet,  80  hat  man  doch  ohne  Wahl  festzuhalten,  dafs  das  Brah- 
man  frei  von  allen  Unterschieden,  nicht  aber  das  Gegenteil  ist. 
„Denn  allenthalben**  wird  in  den  SohriftsteUen,  welche  den  Zweck 
haben,  die  eigene  Natur  des  Brabman  darzulegen,  in  Worten  wie 
„uuhörbar,  unfühlbar,  unsichtbar,  unvergänglich^*  (Kl^^.  3,  15)  das 
"  Brahman  als  frei  von  allen  Unterschieden  dargestellt. 


12.    na,  bhedäd;  üi  cen?  na^  jpratyeham  a-tad-vacanät 

nicht,  wegen  der  Verschiedenheit,   meint  ihr?     Nein, 
weil  jedesmal  gesagt  wird,  dafs  er  nicht  dieses  sei. 

*Das  mag  ja  sein,  aber  wenn  behauptet  wurde,  dafs  mui  das 
'Brahman  ohne  Wahl  nur  als  mit  dem  einen  Charakter  behaftet 
'denken  dürfe,  und  dafs  ihm  weder  an  sich  noch  vermöge  seiner 
'Standorte  beide  Charaktere  beizulegen  seien,  so  geht  das  doch 
'nicht  an;  Warum?  „wegen  der  Yerschiedenheit*'.  Denn  es  wer- 
*den  dem  Brahman  je  nach  den  einzelnen  Lehren  verschiedene 
*G  estalten  eugeschrieben;  es  heifst  das  vierfüfsige  Brahman  (Cbl^nd. 
%  18,  2),  das  sechzehnteilige  Brahman  (Pra9na  6,  1),  es  wird  ihm 
*das  Merknial  der  Zwerghaftigkeit  zugeschrieben  (Kä^h.  5,  3))  und 
'wiederum  werden  ihm  die  drei  Welten  als  Leib  beigelegt  (Bph. 
^1,  3,  22),  und  es  wird  mit  dem  Namen  Vai^änara  (dw  idlver- 
'breitete)  bezeichnet  (Chänd.  5,  11,  2)  u.  s.  w.  Somit  hat  man 
'anzunehmen,  dafs  das  Brahman  zugleich  auch  mit  Unterschieden 
'behaftet  sei.*  —  Aber  wir  zeigten  doch,  dafs  es  nicht  angehe, 
dem  Brahman  zweierlei  Charaktere  beizulegen.  —  'Auch  wenn 
'man  es  thut,  besteht  kein  Widerspruch,  weil  die  Vielheit  seiner 
'Gestalten  durch  die  Upädhi's  hervorgebracht  wird;  thut  mau  es 
'hingegen  nicht, •  so  würde  die  Schriftlehre  von  seiner  Vielheit 
'gegenstandlos  werden.*  —  Hierauf  antworten  wir:  „nein!'^  | 
warum?  „weil  jedesmal  gesagt  wird,  dafs  *er  nicht  dieses  sei";  805 
nämlich  bei  jedem  verschiedenen  Up&dbi  lehrt  die  Schrift,  dafs 
das  Brahman  ohne  Verschiedenheit  sei,  in  der  Stelle:  „was  aber 
„in  dieser  Erde  jener  kraftvolle,  unsterbliche  Geist  ist,  und  was 
„in  Bezug  auf  das  Selbst  jener  aus  Körper  bestehende,  kraft- 
„volle  unsterbliche  Geist  ist,  dieser  ist  eben  das,  was  diese  -Seele 
„ist"  (Brih.  2,  5,  1).  Man  kann  somit  nicht  behaupten,  dafs  die 
Verbindung  des  Brahman  mit  verschiedenen  Gestalten  das  Schrift- 
mäfsige  sei.  Denn  die  Schrift  lehrt  seine  Verschiedenheit  nur  zum 
Zwecke  der  Verehrung,  und  ihre  eigentliche  Absicht  geht  auf  die 
NichtVerschiedenheit. 


ÖÜ2  (irtreka-mimiiisli 

13.    api  ca  evam  eke 
auch  haben  es  so  einige. 

Aach  lehren  es  so  einige  Yedaschulen,  indem  sie  die  AufTaa- 
Bung  der  Verachiedeuheit  verwerfen  und  die  Aaffassung  der  Nichts 
Verschiedenheit  ausdrücklich  lehren  mit  den  Worten  (Bph.  4,  4,  19) : 

^Im  Geiste  sollen  merken  sie: 
,^icht  ist  hier  Vielheit  irgendwie; 
„Von  Tod  am  Tode  wird  verstrickt 
„Wer  ein  Verschied'nes  hier  erblickt." 

Und  ebenso  bei  andern  (Qvet.  1,  12): 

,fx  ist  Geniefser  und  Genossenes, 

„Ihn  denkt  man  als  Erreger;  doch  dies  alles 

„Dreifach  Genannte  ist  von  Brahmanart;" 

hier  wird  gelehrt,  dafs  die  ganze  Weltausbreitung,  bestohend  aus 
do-n  Objekten  des  Genusses,  der  geniefsenden  Seele  und  dem  in- 
neren licnker  die  einheitliche  Natur  des  Brahman  besitze.  — 
*Aber  wie  kommt  es,  wenn  doch  Schriftstellen  in  Bezug  auf  das 
^Brahman  vorliegen,  welche  es  als  gestalthaft  bezeichnen  und 
'solche,  welche  es  als  gestaltlos  bezeichnen,  dafs  man  das  Brah- 
*man  gerade  als  gestaltlos  auflassen  soll  und  nicht  vielmehr  als 
'das  Gegenteil?'  —  Darauf  dient  folgende  Antwort: 


806  14.    arupavad  eva  In,  tat-pmäkäncUiät 

denn  es  ist  nur  ohne  Gestalt;  weil   darauf  die 

Abzweckung. 

Man  mufs  festhalten,  dafs  das  Brahman  nur  ohne  die  Vor* 
hältnisse  der  Gestalt  u<  s.  w.  ist,  nicht  mit  Gestalt  n.  s.  w.  be- 
haftet. Warum?  „weil  darauf  die  Abzweckung".  Denn  es  heifst: 
„es  ist  nicht  grob  und  nicht  fem,  nicht  kurz  und  nicht  lang*' 
(Brih.  3,  8,  8);  —  „unhÖrbar,  unföhlbar,  unsichtbar ,  .unverg&ng- 
„lieh"  (Käth.  3,  15);  —  „der  Raum  fürwahr  ist  es,  der  dio  Namen 
„und  Gestalten  anseinanderdehut;  was  in  diesen  beiden  ist,  das  ist 
„das  Brahman"  (Chand.  8,  14,  1);  —  „denn  gottlich  ist  der  Geist 
„der  ungestaltete,  der  draufsen  ist  und  drinnen,  ungeboren"  (Hoigd. 
2,  1 ,  2) ;  —  „dieses  Brahman  ist  ohne  Früheres  und  ohne  Sp&tere^, 
„ohne  Inneres  und  ohne  Äufseres;  diese  Seele  ist  Brahmaii|  die  oll* 


Sfttrttm  III.  II.  14.  523 

f,yomeIiineode'*  (Bph.  2,  5,  19);  —  diese  and  andere  WoHe  zwecken 
darauf  ab,  die  Selbstwesenheit  des  weltausbreitungslos^n  Brabmaa  . 
dansnlegen,  nicht  aber  zwecken  sie  anf  etwas  anderes  ab,  wie  wir 
dies  feststellten  an  der  Stelle:  „jenes  vielmehr,  wegen  der  Überein- 
„stinuBUng*'  (S&tram  1^  1,  4).  Somit  hat  man  das  Brahman  so  wie 
es  in  derartigen  Schriftstellen  gelehrt  wird,  nämlich  als  gestalilos, 
festznhalten.  Die  übrigen  Schriftstellen  aber,  welche  von  einem 
gestalthaften  Brahmeui  handeln,  zwecken  nicht  auf  dieses  selbst, 
sondern  Tielmehr  auf  eine  Vorschrift .  seiner  Verehrung  ab.  Was 
in  ihnen  gelehrt  wird,  das  ist  anzunehmen,  soweit  kein  Wider- 
spruch sich  zeigt;  wo  aber  ein  Widerspruch  sich  zeigt,  da  hat 
man  sich  zu  erinnern,  dafs  die  auf  das  Brahraau  selbst  abzwock en- 
den Schriftworte  mehr  Gewicht  haben  als  die  nicht  auf  dasselbe 
abzweckenden.  Dies  ist  der  Grund  unserer  Entscheidung,  ver- 
möge deren,  wennschon  beide  Arten  von  Schriftstellen  vorliegen, 
das  Brahman  doch  nur  als  gestaltlos,  nicht  auch  als  das  Gegen- 
teil festzuhalten  ist. 

^Aber  welches  ist  denn  die  Bedeutung  derjenigen  Schriftstellcn, 
^welche  sich  auf  ein  gestalthafles  Brahman  beziehen?^  —  Darauf 
antwortet  der  Lehrer: 


15.   prakagavac  ca;-  avaiyarthyät  %oi 

und  gleichwie  das  Licht;  weil  sie  nicht  zwecklos. 

So  wie  das  Licht  der  Sonne  oder  des  Mondes,  wenn  es,  den 
Raum  durchdringend,  irgendwohin  [z.  B.  auf  den  Finger]  fallt, 
vermöge  seiner  Verbindung  mit  den  Upftdhi*s  des  Fingers  u.  s.  w., 
indem  diese  eine  gerade  oder  krumme  Beschaffenheit  annehmen, 
gewissermafsen  eben  dieselbe  Beschaffenheit  annimmt,  ebenso  nimmt 
auch  das  Brahman,  zufolge  seiner  Verbindung  mit  den  Upadhi^s 
der  Erde  u.  s.  w.  (vgl.  Brih.  2,  5,  1),  gewissermafsen  deren  Gestalt 
an.  Hierauf  beruht  es,  dafs  dem  Brahman  zum  Zwecke  der 
Verehrung  gewisse  Unterschiede  der  Gestalt  ohne  Widerspruch 
beigelegt  werden  können.  Somit  sind  auch  diejenigen  Schrift- 
stellen, welche  dem  Brahman  eine  Gestalt  beilegen,  keineswegs 
zwecklos.  Denn  man  darf  nicht  meinen,  als  hätten  von  den  Wor- 
ten des  Veda  nur  manche  eine  Bedeutung  und  manche  nicht,  viel- 
mehr dienen  sie  ohne  Ausnahme  als  Richtschnur.  —  'Aber  besteht 
'nicht  so  ein  Widerspruch  gegen  unsere  frühere  Annahme,  dafs 
'das  Brahman  auch  nicht  durch  die  Verbindung  mit  Up&dhi's 
'zweierlei» Charakter  annehmen  könne?'  —  Wir  antworten:  nein! 
denn  was  durch  Upädhi^s  bedingt  ist,  das  kann  keine  Eigenschaft 
des  Dinges  selbst  werden;  auch  ist  es  nur  das  Nichtwissen,  von 
welchem  die   Upädhi*s   aufgestellt  werden.     Und   allerdings   ist  in 


524  QArlraka-mimftDS^ 

dem    angeborenen  Nichtwissen    das   Treiben    der  Welt   and   auch , 
das  des  Yeda  befangen,   wie  wir  dies  wiederholt  auseinanderge^ 
setzt  haben.  ^ 

808  16.    äha  ca  ian^fnätram 

auch  sagt  sie,  dafs  es  nur  aus  diesem  bestehe. 

Auch  sagt  die  Schrift, -dafs  das  onterschiedloae  Bnhman  nur 
aus  dem  Geistigen  betrteht  und  ron  jeder  andern  Besohi^enheit 
£^ei  ist:  t,wie  ein  Sakblook  kein  [unterschiedliches]  Innere  oder 
„ÄuÜBere  hat,  sondern  durch  und  durch  ganz  aus  Cheachmack  b«- 
„steht,  so  fürwahr  hat  auch  dieser  Atman  kein.  [untersdüedUehes] 
„Innere  oder  ÄuTsere,  sondern  beisteht  durch  und^  durch  gans  aus 
„Erkenntnia^^  (Brih;  4,  5,  ü).  Das  heifst:  dieser  Atman  hat  inner- 
lich und  äufserlich  keine  andere  Beachaffenheit  als  die  öeiatigkeit; 
die  Geistigkeit  allein  ist  seine  ausschliefsliche  Natur,  so  wiö  dem 
Salzblocke  innMich  und  äufserlich  nur  und  aussdiliefsliöh  der 
Salzgeschmack,  nicht  noch'  irgend  ein  anderer  Geschmack  eigen  ist. 

17.    dargayati  ca;  atJio  api  smaryate 

und  sie  [die  Schrift]  zeigt  es;  dann  aber  wird  es  auch 

von  det  Srariti  gelehrt. 

Auch  zeigt  die  Schritt  damit,  dafs  sie  jede  weitere  Gestalt 
Ton  ihm  ausschliefet,  dafs  das  Brahman  ohne  Unterschiede  ist, 
in  Stellen  wie:  j,nun  aber  die  Benennung  desselben  lautet:  «es 
„«ist  nicht  sp,  es  ist  nicht  so»"  (Brih.  2,  3,  6);  —  „verschieden 
„iet^s  von  allem,  was  wir  kennen,  und  höher  als  das  Ungekannte 
„auch'*  (Kena  1,  3);  —  „vor  dem  die  Worte  kehren  um  und  die 
„Gedanken  ohne  ihn  zu  finden"  (Taitt.  2,  9).  Und  als  Bahva  von 
dem  y4shkali  befragt  wurde ,  da  erklärte  dieser  ihm  das  .Brahman 
dadurch,  dais  er  schwieg,  wie  die  Schrift  erzählt:  „und  er  sprach.; 
„«lehre  mir,  o  Ehrwürdiger,  das  Brahman  n.  Jener  aber  sdiwieg 
809  „stille.  Als  nun  der  andere  zum  zweiten  Male  oder  |  dritten  Male 
„fragte,  da  sprach  er:  aich  lehre  dir  es  ja,  du  aber  verstehst  es 
„nicht;  dieser  Atman  ist  stille»."  —  Ebenso  wird  in  den  SmriU^s 
das  Brahman  durch  Ausschliefsung  alles  andern  von  ihm  gelehrt. 
So  wenn  es  heifst  (Bhag.  G.  13,  12): 

„Ich  will  dir  sagen  was  man  vi&sen  mufs,  ^ 

„Und  was  gewufst  Unsterblichkeit  gewährt; 
„Dafs  ohne  Anfang,  allerhöchst  das  Brahman 
„Und  weder  seiend  noch  nichtseiend  ist*^ 


datram  IIL  iL  17.  625 

Ebenso  sprach  NItr&yana,   indem  er  alle  Gestalten  annahm,  sum 
N&rada,  wie  die  Sxn|iti'  meldet  (Mah&bh.  12,  12909): 

„Ein  Sehein  ist  es  ton  mir  bewirkt,  dafs  da  mich  schaust;  o  Nlürada, 
„In  aller  Wesen  Eigenschaft;  sonst  war'  ich  nicht  zu  sehen  ja/* 


18.    ata*  eva  ca  upamd,  süryaka^ddi-vcU 

daher  eben  auch  der  Vergleich^  dafs  es  ßei  wie  mit 

den  Sönnlein  u.  8.  w. 

Weil  dieser  Atman,  die  Geistigkeit  als  Wesen  habend,  ohne 
Unterschiede,  über  Rede'  und  Gedanken  erhaben  nnd  nur  durch 
Ansschliefsnng  alles  andern  zu  lehren  ist,  „daher  eben*'  findet 
sieh  auch  mit  Bezug  darauf,  dafs  die  Unterschiede  an  ihm  nur 
durch  die  Up&dhi's  bedingt  und  nicht  in  Wirklichkeit  Torhahden 
sind,  „der  Vergleich*'  desselben  „mit  den  Sönnlein**  im  Wasser; 
nftmUch  in  den  Mok8ha-9£k8tra'8,  wo  es  heifst: 

„Wie  diese  Sonne,  deren  Wesen  Licht  ist, 

„Vielfach  erscheint  in  vielerlei  Gew&ssem, 

„Durch  die  Bestimmungen  (tipddhi)  venrielfacht  rftumlich, 

„So  ist's  auch  mit  dem  ungebomen  Atman**; 

I  und  (Tgl.  Brahmavindu-Upanishad  12):  810 

„Nur  eine  ist  der  Wesen  Seele 
„und  wohnt  in  jedem  Wesen  doch ; 
„Nur  eine  ist  sie  und  doch  riele 
„Dem  Mondesbild  im  Wasser  gleich.** 

Hiergegen  erhebt  sich  ein  Einwurf: 


19.    ^ambuvad  agrahanM  tu  na  tathätvam* 

'aber  es  ist  doch  nicht  so,  weil  man  es  nicht  so 
bemerkt  wie  bei  dem  Wasser'. 

*Die  Gleichstellung  mit  der  Sonne  u.  s.  w.  im  Wasser  ist 
*doch  hier  nicht  passend,  „weil  man  es  nicht  so  bemerkt'*,  wie  es 
*bei  jenem  ist.  Nämlich  die  Sonne  u.  s.  w.  hat  eine  Gestalt  und 
*trifft  auf  das  von  ihr  gesonderte,  räumlich  entfernte  und  gleich- 
*falls  gestaltete  Wasser;  hier  begreift  sich,  dafs  ein  Gegenbild  der 
*Sonne  u.  s.  w.  entsteht.     Der  Atman   hingegen  hat  keine  Oestdt, 


520  (;;&riraka-inlin&Ä84 

^aucli  bestehen  die  Up&dlii'B  nicht  von  ihm  gesondert  und  rftum- 
*lich  getrennt,  Weil  er  allgegenw&rtig  und  mit  allem  identiach  ist. 
'Diu-um  ist  dieser  Vergleich  unpassend.'  —  Darauf  dient  sur 
Antwort: 

20.    vnddhi'hrdsa'hhäk'tvam  afUarbhAvdd;  ubhaya^ 

sdniamasyäd  evam 

Teilhabung  an  Wachstum  und  Abnahme,    weil  er 

darin    enthalten;    wegen    [dieser]   Übereinstunmung 

beider  werden  sie  in  solcher  Weise  [verglichen]. 

Dieser  Vergleich  ist  vielmehr  zutreffend,  weil  Übereinstimmung 
herrscht  in  dem  Punkte,  um  welchen  es  sich  handelt.  Dean  nie- 
mals ist  es  bei  einem  Vergleiche  und  Verglichenen  möglich  nach- 
zuweisen, daXs  sie  abgesehen  von  dem  Punkte  um  den  es  sich 
handelt  und  in  allen  Stücken  übereinkommen.  .Vielmehr  würde 
bei  einem  Übereinkommen  in  allen  Stücken  das  Verhältnis  als 
Vergleich  und  -Verglichenes  aufgehoben  sein.  Auch  ist  es  nicht 
unser  schwacher  Verstand,  welcher  diesen  Vergleich  mit  der  Sonne 
im  Wasser  aufgebracht  hat,  sondern  der  Schriftkanon  hat  ihn .  auf- 
gebracht, und  wir  haben  nur  das  Motiv  desBelben  darzulegen.  | 
SU  *Aber  worin  besteht  denn  die  Ähnlichkeit,  um  die  es  sich  han- 
*delt?'  —  Wir  antworten:  „in  der  Teilhabung  an  Wachstum  und 
„Abnahme  ^S  Das  in  das  Wasser  fallende  Abbild  der  Sonne  wächst 
[wie  Qankara  hier  meint],  wenn  das  Wasser  wächst  und  nimmt 
ab,  wenn  das  Wasser  abnimmt;  es  bewegt  sich,  wenn  das  Wasser 
sich  bewegt  und  spaltet  sich,  wenn  das  Wasser  gespalten  (geteilt) 
wird;  in  dieser  Weise  pafst  es  sich  der  Beschaffenheit  des  Wassers 
an,  während  in  Wirklichkeit  die  Sonne  nicht  in  dieser  Weise  be- 
schaffen  ist.  Ebenso  ist  auch  das  Brahman  in  Wirklichkeit  un- 
wandelbar und  einartig  und  nimmt  doch,  sofern  es  in  den  Dpädhi^s 
des  Leibes  u.  s.  w.  enthalten  ist,  an  den  Beschaffenheiten  dieser 
Upädhi^s,  wie  Wachstum,  Abnahme  u.  s.  w.,  gewissermafsen  teiL 
Weil  somit  in  dieser  Weise  zwischen  beiden,  dem  Vergleiche  und 
dem  Verglichenen,  eine  Übereinstimmung  besteht,  liegt  kein  Wider- 
spruch vor. 

21,    dar^anäc  ca 
und  weil  [die  Schrift]  zeigt  — 

Auch  zeigt  die  Schrift,  wie  es  das  höchste  Brahman  selbst  ist, 
welches  in  die  Upädhi*s  des  Leibes  u.  s.  w.  innerlich  eingegangen 
ist  (Bjih.  2,  5,  18): 


Sülram  UI.  ii.  21.  527 

„Als  Burgen  scbuf  Zireif&fsler  er 
,^1s  Bargen  die  VierfUfsIer  auch, 
,^n  Borgen  ging  als  Vogel  er 
,^n  Bnrgen  als  der  Bürger  ein**; 

und  in  der  Stelle:  „ich  will  mit  diesem  lebenden  Seilutte  in  sie  ein* 
,^ehen"  (Chlknd.  6,  3,  2).  Somit  hat  ha  \  mit  den  Worten:  „daher  S12 
„eben  auch  der  .Yergleichj  dafs  es  sei  wie  mit  den  Sönnlein  o.  e.  w/' 
(Sütram  3,  2,  18)  seine  Richtigkeit.  Somit  steht  es  fest,  dufs  das 
ßraliman  ohne  Wahl  nur  den  einen  Charakter,  nicht  aber  beide 
Charaktere  noch  auch  entgegengesetzte  Charaktere  trägt. 

An  dieser  Stelle  nehmen  einige  zwei  Ailhikarana's 
an,  nämlich  als  erstes:  ob  das  Brahman  unter  Aufhebung  der 
gesamten  Weltausbreitung  von  einheitlicher  Gestalt  oder  aber  so 
wie  die  Weltausbreitung  mit  vielheitlicher  Gestalt  behaftet  sei? 
und  als  zweites:  ob,  wenn  die  Aufhebung  der  Weitausbreitung 
feststeht,  das  Brahman  als  Merkmal  das  Sein  oder  das  Denken 
oder  beide  Merkmale  besitze?  —  Hierzu  müssen  wir  bemerken, 
dafs  es  durchaus  onzweckmäfsig  ist,  noch  ein  zweites  Adhikara- 
nam  hier  anzunehmen.  Soll  es  sich  nämlich  dabei  darum  handeln, 
von  dem  höchsten  Brahman  die  Verschiedenheit  der  Charaktere 
auszuschliefsen ,  so  ist  dieser  Anforderupg  schon  durch  das  erste 
Adhikaranam  „und  auch  nicht  wegen  der  Standorte'*  (Sütram  11 
— 14)  vollständig  Genüge  geleistet,  und  das  zweite  Adhikaranam: 
„und  gleichwie  das  Licht"  (Sütram  15 — 21)  würde  überflüssig  sein. 
Mau  darf  aber  auch  nicht  behaupten,  dafs  das  Brahman  nur  das 
Merkmal  des  Seins,  nicht  aber  das  Merkmal  des  Denkens  an  sich 
trage,  weil  dadurch  die  Schriftstelle:  „durch  und  durch  ganz  aus 
„Erkenntnis  bestehend"  (Brih.  2,  4,  12)  zweckwidrig  sein  würde. 
Und  wie  könnte  das  Brahman,  wenn  man  auf  seine  Geistigkeit 
verzichtet,  als  das  Selbst  der  geistigen  individuellen  Seele  auf- 
gezeigt werden?  Ebenso  wenig  aber  läfst  sich  behaupten,  dafs 
das  Brahman  nur  das  Merkmal  des  Denkens,  nicht  aber  das  Merk- 
mal des  Seins  |  besitze,  weil  sonst  Schriftstellen  wie:  „er  ist!  so  S13 
„ist  es  aufzufassen"  (Ka|h.  6,  13)  zweckwidrig  werden  würden. 
Und  wie  könnte  auch,  wenn  man  das  Sein  ausschliefst,  das  Den- 
ken bestehen?  Endlich -^arf  man  aber  auch  nicht  behaupten,  dafs 
das  Brahman  beide  Merkmale  besitze,  weil  dadurch  ein  Wider- 
spruch mit  dem  soeben  vorher  Angenommenen  eintreten  würde! 
Denn  wenn  man  dem  Brahman  ein  von  dem  Sein  gesondertes  Den- 
ken und  ein  von  dem  Denken  gesondertes  Sein  beilegte,  so  würde 
daraus  eben  jene  Vielheitlichkeit  folgen,  die  durch  das  vorher- 
gehende Adhikaranam  ausgeschlossen  worden  war.  Wollt  ihr  die- 
sem Einwurfe  dadurch  entgehen,  dafs  ihr  euch  auf  die  Schrift 
beruft,  so  ist  das  nicht  zulässig;  denn  es  ist  unmöglich,  dafs  die 
Einheit  eine   zweiheiÜiche  Natur  an   sich  trage.     Es  bliebe   also 


528  C<^'<^nJt»-iiiSi&&&8i 

nnr  übrig  zu  sagen,  das  Sein  sei  das  Denken  nnd  das  Denken 
sei  das  Sein,  und  es,  find«  eine  Sonddning  byeider  nicht  statt. 
Aber  auch  dann  ist  die 'AlternatiTe,  ob  das  Brahman  als  Merkmal 
das  Sein  oder  das  Denken  oder  beides  besitze,  .ohne  Grund.  "Wir 
haben  aber  gezeigt,  wie  die  S^tra's  als  ein  einziges  Adhtkaranam 
zu  behandeln  sind* 

Da  femer  in  den  auf  Brahman  bezüglichen  Schriftstellen,  to- 
fetn  üe  das  Gestaltlose  als  ein  Gestaltetes  hinstellen,  ein  Wider- 
sprach vorliegt,  so  mufste,  wenn  man  das  ungestaltete  Bfahnum 
festhält,    notwendigerweise    gesagt  werden,    worin  die  Bedeutung 

814  der  andern  Schriftetellen  besteht;  |  und  die  Sütra's:  „und  gleich- 
„wie  das  Lioht^*  (Sütram  15 — 21)  sind  viel  mehr  am  PlataOi  wenn 
man.  ihnen  diesen  Zweck  beilegt. 

Wenn  weiter  noch  behauptet  wurde,  dafs  auch  diejenigen 
Sehriftstellen,' welche  von  einer  Gestalt  des  Brahman  reden,  nur 
den  Zweck  hfttten,  durch  Aufhebung  der  Weltausbreitung  ein  ge- 
staltloses Brshman  zu  lehren  v  und  keinen  Zweck  fär  sich  be- 
sonders hätten,  so  dürfte  auch  damit  nicht  das  Richtige  getroffen 
sein.  Wenn  nämlich  zuweilen  auch  da,  wo  es  sich  um  die  höhere 
Wissenschaft  handelt,  von  vielheitiichen  Terhältnissen  die  Bede 
•ist,  z.  B.  wenn  es  heifst;  „geschirrt  sind  seine  zehnmal  hundert 
„Rosse,  —  er  färwahr  ist  die  Rosse,  er  ftirwafar  ist  zehn  und  ist 
„tausend,  ist  Vieles,  ist  unendliches"  u.  s.  w.  (Brih.  2,  5}  19} ,  so 
mögen  derartige  Stellen  allerdings  bezwecken,  die  Vielheit  zu  ver- 
nichten, denn  es  heifst  zum  Schlüsse:  „dieses  Brahman  ist  ohne 
,yFrühereB  und  ohne  Späteres,  ohne  Inneres  und  ohne  Äufseres** 
^rih.  2,  6t  19).  Wo  hingegen  in  einem  Abschnitte,  der  von  der 
Verehrung  haiddelt,  vielheitliohe  Verhältnisse  erwähnt  werden,  z.  B. 
wenn  es  heifst:  „Geist  ist  sein  Stoff,  Odem  sein  Leib,  Licht  seine 
„Gestalt*^  (Chänd.  3,  14,  2),  da  ist  es  nicht  richtig,  auch  der- 
artigen Stellen  eine  Aufhebung  der  Vielheit  als  Zweck  beizumessen; 
denn  sie  mnd  durch  Ausdrücke  wie:  „darum  trachte  er  nach  gutem 

815  „Willen*'  (Ghänd.  3,  14,  1)  an  die  «Vorschrift  der  Verehrung  |  ge- 
bunden. Und  da  dem  Zwecke  der  Verehrung  bei  derartigen  Qua- 
litäten im  wörtlichen  und  nicht  in  einem  übertragenen  Sinne 
Gültigkeit  beizumessen  ist,  so  geht  es  nicht  an  (akcUpaie)^  ihnen 
als  Zweck  eine  Vernichtung  der  Vielheit  beizulegen.  Hätten  femer 
alle  Schriftstellen  den  gemeinsamen  Zweck,  die  Vielheit  aufzuheben, 
so  würde  das  Wort  des  Lehrers:  „denn  es  ist  nur  ohne  Gestalt; 
„weil  darauf  die  Abzweckung^*  (Sütram  3,  2,  14)  als  Grrund  für 
die  Entscheidung  der  Frage  nicht  am  Platze  sein.  Hierzu  kommt, 
dafs  als  Frucht  derartiger  Verehrungen  je  nach  der  UnterweiBung 
teils  Tilgung  der  Sünde ,  teils  Erlangung  himmlisdber  Herrlichkeit, 
teils  Gangwlösung  {hramarnükti)  sich  zeigt.  Hieraus  folgt,  dais 
richtigerweise  die  Stellen,  welche  yon  Verehrungen  handeln,  und 
die,  welche  von  Brahman  handeln,   verschiedene  Zwecke  verfolgen 


Sütram  ItL  n.  21.  509 

und.nichi  dasselbe  sagexu  Und  wici  so  müssen  wir  fragen,  w&re 
es  denkbar,  dafs  beide  dasselbe  sagten?  Meint  ihr  vielleicht,  so- 
fern beide  eine  Yerpflicbinng  enthielten,  seien  sie,  wie  die  Stellen 
vom  Yoropfer,  Neumondsopfer  und  Yolhnondsopfer  als  eine  Einheit 
?A\  betrachten,  so  müssen  wir  das  ablehnen,  weil  die  Stellen, 
welche  das  Brahman  lehren,  überhaupt  keine  Yerpflichtung  ent- 
halten. Denn  die  Stellen  Über  Brahman  haben  ibren  Endzweck 
nur  in  dem  zu  lehrenden  Gegenstande,  nicht  in  der  Anweisung  zu 
irgend  einer  Yerpflichtung,  wie  wir  dieses  ausführlich  dargelegt 
haben  bei  der  Stelle:  „jenes  vielmehr^  wegen  der  Übereinstim- 
„mung"  (Sütram  1,  1,  4).  —  Worauf,  so  müssen  wir  femer  fragen, 
soll  sich  dabei  die  Yerpflichtung  beziehen?  Denn  wo  ein  Mensch 
verpflichtet  wird,  da  wird  er  durch  das  Wort  „thue  dieses '^  zu 
etwas  verpflichtet,  was  innerhalb  des  Bereiches  seiner  Thätigkeit 
liegt.  —  'Aber  man  kann  doch  annehmen,  |  dafs  sich  die  Yer-  $16 
'pflichtung  hierbei  darauf  beziehe,  die  vielheitliche  Weltausbreitüng 
'zu  vernichten.  Denn  ohne  dafs  die  vielheitliche  Weltausbreitung 
'vernichtet  wird,  ist  eine  Erkenntnis  der  Wesenheit  des  Brahman 
'unmöglich.  Darum  mufs  dem  Menschen  befohlen  werden,  die 
'vielheitliche  Weltausbreitüng,  weil  sie  der  Erkenntnis  der  Wesen- 
'heit  des  Brahman  feindlich  entgegensteht,  zu  nichte  zu  macheu; 
'und  so  wie  der,  welcher  nach  dem  Himmel  begehrt,  angewiesen 
'wird,  die  Yoga -Praxis  zu  üben,  so  wird  der,  welcher  nach  der 
'Erlösung  begehrt,  angewiesen,  die  Weltausbreitung  zu  vernichten. 
'Wie  nämlich  derjenige,  welcher  die  Wesenheit  eines  in  der  Fin* 
'sternis  verborgenen  Gkfafses  erkennen  will,  veranlafst  wird,  die 
'dieser  Wesenheit  feindlich  entgegenstehende  Finsternis  zu  ver- 
'nichten,  ebenso  mufs  derjenige,  welcher  die  Wesenheit  des  Brah- 
'man  zu  erkennen  begehrt,  angewiesen  werden,  die  derselben  feind- 
'lich  entgegenstehende  Weltausbreitung  zu  vernichten.  Denn  die 
^Weltausbreitüng  ist  ihrem  Wesen  nach  Brahman,  nicht  aber  ist 
'Brahman  seinem  Wesen  nach  die  Weltausbreitung,  und  daher  ent- 
'steht  die  Erkenntnis  der  Wesenheit  des  Brahman  dadurch,  dafs 
'man  die  Ausbreitung  der  Namen  und  Gestalten  zu  nichte  zu 
'machen  gebietet.'  —  Dieser  Meinung  gegenüber  müssen  wir  zu- 
nächst fragen,  worin  denn  eigentlich  diese  Yernichtung  der  Welt- 
ausbreitung bestehen  soll?  Soll  vielleicht  die  Weltausbreitung  so 
vernichtet  werden,  wie  durch  Berührung  mit  der  Hitze  des  Feuers 
die  Festigkeit  der  Butter  vernichtet  wird?  Oder  soll,  ähnlich 
wie  an  dem  einen  Monde  die  durch  die  Augenkrankheit  Timiram 
bewirkte  Yervielföltigung  zu  mehreren  Monden,  auch  die  an  dem 
Brahman  durch  das  Nichtwissen  hevdrkte  (lies:  avldffoknto)  Aus- 
breitung der  Namen  und  Gestalten  durch  das  Wissen  zu  vernichten 
befohlen  werden?  Gesetzt,  es  wäre  diese  Weltausbreitung  als 
eine  wirkliche  vorhanden,  —  die  subjektive  des  Leibes  u.  s.  w.  und 
die  objektive  der  Erde  u.  s.  w.,  —  und  deren  Yernichtung  würde 

Beüuiv,  VmUnt».  31 


530  C&Hraka*mtmlLite& 

befohlen,    so  müseen  wir  bemerken,    da£i  eine  solche  von  einem 

817  blofsen  Manschen  nicht  vernichtet  werden  kann,  |  dafs  somit  der 
Befehl,  sie  su  vernichten,  etwas  Unmögliches  fordern  würde;  auch 
würde  in  diesem  Falle  die  Yemichtong  der  Erde  u.  s.  w.  schon 
durch  einen  einzigen  Ersterlösten  vollbracht  worden  sein,  nnd  die 
Welt  [der  Seelen]  mübte  gegenwärtig  ohne  [den  Schauplats  ihrer 
Ausbreitung}  die  Erde  u.  s.  w.  bestehen,  Oder  soll  man  es  so 
auffassen,  dafs  befohlen  wird,  die  durch  das  Nichtwissen  auf  das 
eine  Brahman  übertragene  Weltausbreitung  durch  das  Wissen  au 
nichte  zu  machen?  Nun,  diinn  käme  es  nur  darauf  an,  das  Brah- 
man selbst  durch  blofse  Widerlegung  der  ihm  vom  Nichtwissen 
beigelegten  Vielheit  auf  dem  Wege  der  Belehrung  mitzuteilen,  wie 
dies  durch  die  Worte,  das  Brahman  sei  „eines  nur  und  ohne  zwei- 
„tes**  (Chftnd.  6,  2,  1),  „das  ist  das  Reale,  das  ist  die  Seele,  das 
„bist  du^*  (Ch&nd.  6,  8,  7)  geschieht.  Ist  es  auf  diese  Weise  durch 
Belehrung  mitgeteilt  worden  ,^  so  entsteht  das  Wissen  von  selbst, 
das  Nichtwissen  wird  durch  dasselbe  verdrangt,  und  die  Folge  ist, 
dafs  diese  ganze  durch  das  Nichtwissen  ihm  beigelegte  Ausbrei- 
tung der  Namen  und  Gestalten  ähnlich  wie  die  Ausbreitung  eines 
Traumes  zu  nichte  wird.  Solange  hingegen  das  Brahman  nicht 
durch  Belehrung  mitgeteilt  ist,  mag  man  hundert  mal  sagen:  „be- 
„wirke  die  Erkenntnis  des  Brahman  und  die  Vernichtung  der  Viel- 
„heif  so  kommt  dadurch  doch  mcht  die  Erkenntnis  des  Brahman 
und  die  Vernichtung  der  Vielheit  zustande.  —  'Aber  kann  die 
'Verpflichtung  nicht  darin  bestehen,  dafs  nach  der  belehrenden 
^Mitteilung  über  das  Brahn^an  die  Erkenntnis  desselben  und  die 
^Vernichtung  der  Vielheit  gefordert  wird?*  —  0  nein!  denn  durch 
die  Belehrung  selbst  über  die  nicht  ausgebreitete  Wesonsbeschaf* 
fenheit  des  Brahman  ist  beides  schon  verwirklicht;  so  wie  durch 
Auizeigung  der  Wesenheit  des  Strickes  schon  die  Erkenntnis  seiner 
Wesenheit  und  die  Vernichtung  der  durch  das  Nichtwissen  ihm 
beigelegten  Ausbreitung  als  Schlange  u.  s.  w.  verwirklicht  ist. 
Was  aber  gethan  ist,  das  kann  nicht  erst  noch  gethan  werden. 
Hierzu  kommt,  dafs  deijenige,  welcher  verpflichtet  wird,  nämlich 
die  auf  dem  Standpunkte  der  Weltausbreitung  angenommene,  indi- 
viduelle Seele,  entweder  auf  Seilen  der  Weltausbreitung  oder  auf 

818  Seiten  des  Brahman  stehen  müfste.  |  Im  ersteren  Falle  würde  durch 
Darlegung  der  Wesenheit  des  nicht  ausgebreiteten  Brahman  ebenso- 
gut wie  die  Erde  u.  s.  w.  auch  die  individuelle  Seele  selbst  zur 
Vemichtung^  gebracht  sein;  und  wem  soll  dann  die  Verpflichtimg, 
die  Vielheit  zu  vernichten,  aufgelegt  werden,  oder  wer  soll  durch 
Befolgung  dieser  Verpflichtung  zur  Erlösung  gelangen?  Im  zweiten 
Falle  hingegen  ist  das  Brahman  selbst,  welchem  seiner  Natur  nadi 
keine  Verpachtung  auferlegt  werden  kann,  das  Wesen  der  indivi- 
duellen Seele,  das  Individuellsein  der  letzteren  beruht  nur  auf  dem 
Nichtwissen,  und  nachdem  dies  dargelegt  worden,  wird,   da  das 


Sütram  III.  ii.  21.  531 

Brahman  nicht  Terpflichtet  werden  kann,  eine  Verpflichtung  über* 
haapt  undenkbar.     Auch  Schrift worte  wie:  ^^man  soll  es  sehen^^ 
u.  8.  w.  (Brih.  2,  4,  5)|  welche  bei  Gelegenheit  der  höheren  Wis- 
senschafk  Torkommen,   bedeuten  nur  ein  vor  die  Augen  Bringen 
der  Wesenheit,  nicht  aber  einen  Befehl,  diese  Wesenheit  su   er* 
kennen;  und  auch  in  der  Erfabrung  bedeuten  Aufforderungen  wie 
,,sieh  dieses 'S  „höre  dieses"  nur  so  viel  wie  „merke  darauf  aufS 
nicht  aber  geradezu:  „bewirke  die  Erkenntnis".     Und  auch  wenn 
man  den    Gegenstand  der  Erkenntnis   vor  die ^ Augen  bringt,    so 
kann  die  Erkenntnis  entstehen  und  zuweilen  auch  nicht  entstehen. 
Wer  daher   etwas  kundmachen  will,   der   kann  dem   Betreffenden 
den  Gegenstand  der  Erkenntnis  nur  vorzeigen;  ist  er  vorgezeigt 
worden,   so   entsteht  je  nach  dem  Gegenstande  und  je  nach  den 
Erkenntnismitteln  die  Erkenntnis  von  selbst.     Denn  ohne  die  Er- 
kenntnismittel läfst  sich  bei  einer  für  anders  gehaltenen  Sache  eine 
Erkexmtnis,  dafs  es  mit  ihr  anders  sei,  auch  durch  eine  Verpflich- 
tung nicht  zu  Wege  bringen.     Wollte  hingegen  jemand  deswegen, 
weil  er  dazu  verpflichtet  wird,  die  Erkenntnis,  dafs  es  anders  mit 
einer  Sache  sei,  vollbringen,  |  so  würde  dieses  vielmehr  gar  nicht  ^1^ 
eine  Erkenntnis  der  betreffenden  Sache  sein,  sondern  diese  intel- 
lektuelle That  wäre,   wenn  sie  aus  sich  selbst  [und  ohne  die  vom 
Objekte  gelieferten  Data]  zu  einem  Andersmeinen  würde,  ein  blofser 
Irrtum.     Die  Erkenntnis  hingegen,   wie  sie  durch  die.  Erkenntnis- 
mittel erzeugt  wird  und  nach  der  Beschaffenheit  des  Objektes  sich 
richtet,  diese   kann  auch  durch  Hunderte  von  Geboten  nicht  be- 
wirkt werden  noch  auch  durch  Hunderte  von  Verboten  unterdrückt 
werden.     Denn  sie  hängt  nicht   von   dem  Menschen    ab,   sondern 
nur   von  dem  Gegenstande.     Auch  darum  also  besteht  hier  keine 
Verpflichtung. 

Aber  noch  mehr.  Wenn  die  Schriftüberlieferung  blofs  auf 
eine  Elinschärfung  von  Verpflichtungen  hinausliefe,  so  würde  die 
von  uns  angenommene  Thatsache,  dafs  die  individuelle  Seele  das 
Selbst  des  unverpflichtbaren  Brahman  ist,  des  Beweisgrundes  ent- 
behren. Femer  würde  dann  die  Schrift  dieses  Bestehen  als  das 
Selbst  des  unverpflichtbaren  Brahman  nicht  erklären  (avyäcdkshUa)^ 
sondern  den  Menschen  zu  seiner  Erkenntnis  verpflichten.  Somit 
würde  der  von  Brahman  handelnde  Schriftkauon,  obwohl  er  einer 
ist,  verschiedene  und  zwar  entgegengesetzte  Zwecke  verfolgen  [so- 
fern der  Befehl,  Brahman  zu  erkennen,  dem  Befehle,  rituelle  Werke 
zu  üben,  widersprechen  würde].  Auch  würde,  wenn  der  letzte 
Zweck  ein  Verpflichten  wäre,  der  Schriftsinn  [welcher  auf  blofse 
Belehrung  geht]  verlassen  und  ein  Nichtschriftsiun  untergeschoben 
werden;  die  Erlösungsfrucht  würde  ebenso  wie  die  Werkfrucht 
zu  einer  Frucht  des  moralischen  Verdienstes  (adri$hf-am),  \  und  830 
somit  zu  etwas  Vergänglichem  werden.  Diesen  und  andern  Ein- 
würfen würde  sich  in  keiner  Weise   entgehen  lassen.     Und   somit 

34* 


5S2  C^i'<^c^mlm&a8& 

lolgt,  dafs  die  Sohviftlehren  übei*  Brahmon  nur  in  der  £rkwntiiifi 
wuraeln  xmd  nicht  in  einer  yerpfiicbtang.  Somit  ist  es  unberechtigt, 
(üne.  Einheit  der  Stellen  [welche  auf  Erkenntnis  und  Verpflichtung 
abEwecken]  ansunehmen,  weil  man  in  beiden  Ftilen  glmcher  Weise 
Aufforderungen  antreffe.  Und  wollte  man  wirklich  zugeben,  dafs 
es  sich  bei  den  Lehren  über  Brahman  um  eine  Verpflichtung  han- 
delte, so  würde  diese  Verpflichtung  als  Einheit  entweder  nach 
Seiten  der  Lehren  von  der  Nichtausbreitung  oder  nach  Seiten  der 
Lehren  von  der  Ausbreitung  unerfüllbar  werden.  Denn  wo  man 
auf  Grund  anderer  Schriftstellen  und  aus  andern  Gründen  eineu 
Zwiespalt  der  Verpflichtungen  bemerkt,  da  kann  man  sich  nicht 
dabei  beruhigen,  dafs  es  doch  wohl  allerwärts  dieselbe  Verpflich- 
tung sein  werde.  Bei  den  Stellen,  die  vom  Voropfer, .  Neumouds- 
opfer  und  Vollmondsopfer  handeln,  ist  freilich  die  Einheit  anzu- 
nehmen, weil  sie  ohne  Unterschied  Bestandteile  desselben  Kitus 
sind.  Hier  hingegen,  bei  den  Aufforderungen,  welche  das  attribut- 
hafte und  das  attributlose  Brahman  betreffen,  haben  wir  es  nicht 
mit  Bestandstücken  einer  einheitlichen  Vorbtellungsform  zu  thun. 
Denn  die  Prädikate  [des  attributiiaften  Brahman],  dafs  Licht  seine 
Gestalt  u.  s.  w.  sei,  tragen  nichts  bei  zur  Vernichtung  der  Vielheit, 
und  umgekehrt,  diejenigen  Pr&dikate,  welche  die  Vielheit  ver- 
nichten, trageU  nichts  bei  zu  den  Attributen,  dafs  Licht  seine  Ge^ 
stalt  sei  u.  s.  w.;  denn  beide  stehen  mit  einander  in  Widerspruch. 
Denn  es  läfst  sich  nicht  annehmen,  dafs  einem  und  demselben  als 
Pflicht  auferlegt  werden  könne,  die  gesamte  Vielheit  zu  vernichten 
und  doch  einen  Teil  der  Vielheit  als  fortbestehend  zu  berfick- 
sichtigen.  , 

Somit  ist  die  von  uns  angenommene  Disposition  [der  Sdtra's 
15 — 21],  nach  welcher  das  Gestaltlose  als  Gestalthaftes  aufgezeigt 
wird,  tiie  passendere. 


Sechstes  Adkikaranam. 

s2i    22.   prakrita-etdvattvam  hi  pratishedhali ;  tato  hravUl 

ca  bhüyah 

clenn  sie  [die  Schrift]  verneint  das  vorerwähnt«  So- 
undr60-Bein ;  auch  sagt  sie  es  darauf  des  Weitem^ 

Die  Schrift  sagt:  „wahrlich  es  giebt  zwei  Erscheinungsformen 
^,de8  Brahman,  nämlich  das  Gestaltete  und  das  Ungestaltete,  das 
„Sterbliche  und  das  Unsterbliche,  das  Stehende  und  das  Gehendt», 


Sfttram  III.  xi.  22.  533 

„da»  Seiende  und  das  Jenseitige'*;  und  naobdem  sie  sodann  die 
fanf  Elemente  in  zwei  Klassen  geteilt  hat  [1.  Erde,  Wassei^  und 
Feuer;  2.  Wind  und  Äther]  und  der  Essenz  ,  des  ungestalteten« 
welche  sie  „Pururim^*  nennt,  das  Aussehen  wie  ein  Safrankleid  u.  s.  w^ 
beigelegt  bat,  so  heifst  es  weiter:  „aber  seine  Bezeichnung  ist:  «es 
„ist  nicht  so,  es  ist  nicht  so»,  denn  nicht  giebt  es  Ton  diesem,  — 
„darum  heiist  es  «es  ist  nicht  so»,  —  ein  anderes,  Terschiedenes^' 
(Brib.  2,  8).  —  Hier  wollen  wir  ermitteln,  worauf  sich  diese  Nega- 
tion bezieht.  Denn  etwas  Besonderes,  von  dem  gesagt  wäre :  „diese^^ 
„ist  das",  und  welches  sodann  negiert  würde,  liegt  nicht  Tor.  Nun 
wird  aber  hier  durch  das  Wort  „so*'  (iH)  etwas  als  zu  negierend 
herangezogen,  denn  in  dem  Ausdrucke  „es  ist  nicht  so,  es  ist  nicht 
„so''  (na  iti,  na  iH)  bezieht'^sich  die  Anwendung  der  Negation  „nicht'* 
auf  das  Wort  „so".  Das  Wort  „so"  (iii)  aber  mufs  auf  etwas  in  der 
Nähe  Befindliches  gehen,  indem  es  so  viel  bedeutet  wie  „in  dieser 
,^Weise"  (evam),  för  welchen  Gebrauch  auch  die  Erfahrung  spricbt 
in  Redewendungen  me:  „so  (iU)  hat  es  der  Lehrer  erklärt".  |  In  822 
der  Nähe  befindlich  aber  sind  hier  zufolge  des  Zusammenhanges 
die  beiden  zur  Weltausbreitung  gehörigen  Erscheinungsformen  des 
Brahman  sowie  dieses  Brahman  selbst,  dessen  Erscheinungsformen 
sie  sind.  Hier  können  wir  zweifelhaft  darüber  sein,  ob  durch  die 
Negation  beides,  die  Erscheinungsformen  und  dasjenige,  dessen  Ehr- 
scheinungsformen  sie  sind,  negiert  wird,  oder  nur  .eines  von  beiden. 
Und  wenn  eines  yon  beidei4  so  fragt  sich  weiter,  ob  das  Brahman 
negiert  wird  und  seine  Erscheinungsformen  übrig  bleiben,  oder  ob 
die  Erscheinungsformen  negiert  werden,  und  das'  Brahman  übrig 
bleibt?  — 

Man  könnte  denken,  'weil  von  dem  einen  wie  dem  andern  vor- 
'her  die  Bede  war,  dafs  beides  negiert  werde.  Denn  zu  zwei  Nega- 
'tionen  würde  das  zweimalige  Vorkommen  des  Ausdruckes  „es  ist 
'„nicht  so"  passen.  Durch  die  eine  Negation,  so  könnte  man  denken, 
^wird  die  zur  Weltausbreitung  gehörige  Erscheinnngsfoni^  negiert, 
'und  durch  die  andere  lasjenige,  welches  die'^ErscheivuugafoiTn  be 
'sitzt,  nämlich  das  Brahtnan  [als  ein  gestaltetes]  selbst.  Oder  auch 
'es  wird  nur  das  Brahman,  welches  die  Erscheinungsformen  besitzt, 
'negiert«  Denn  auf  dieses  würde  eine  Negation  passen,  sofern  es 
'wegen  seiner  Erhabenheit  über  Rede  und  Gedanken  seiner  Natur 
'nach  unvorstellbar  ist ;  während  hingegen  auf  die  Ausbreitung  seiner 
'ErscKeinungsform  iie  Negation  nicht  passen  würde,  weil  diese  sinn- 
'lich  wahrnehmbar  vorliegt.  Die  Wiederholung  könnte  dabei  um 
'des  Nachdruckes  willen  gesetzt  sein'.  — 

Auf  diese  Annahme  erwidern  wir:  zunächst  kann  sich  die  Nega- 
tion nicht  auf  beides  beziehen,  weil  dieses  ein  Verfallen  in  den  Nihi- 
lismus sein  würde.  Denn  auf  irgend  etwas  Realem  mufs  man  fufsen, 
wenn  man  etwas  als  nicht  real  negieren  will,  wie  z^B.  auf  dem 
Strick,  wenn  man  negiert,  dafs  er  eine  Schlange   sei.     Dies  aber 


534  {IMrakA-mtm&Mt 

ist  nur  dann  möglich,  wenn  irgend  etwas  als  seiend  vorhanden 
823  übrig  bleibt«  Und  was  würde  bei  einer  totalen  |  Negation  als  jenes 
andere  Sein  übrig  bleiben?  Ja,  selbst  wenn  man  kein  anderes 
übrig  lassen  wollte,  so  würde  das  eine  der  beiden  [kontradiktorisch 
Entgegengetzten],  deren  Negation  beabsichtigt  wird,  weil  man  es 
gar  nicht  negieren  kann,  als  real  sich  behaupten,  sofern  seine  N^a- 
tion  anmöglich  wäre*  Weiter  aber  ist  anch  eine  Negation  des  Brah- 
man  giff  nidit  anzunehmen.  Denn  dem  würde  der  Eingang  (Brih. 
^2,  1,  1)  widersprechen,  wo  es  hiefs:  „ich  will  dir  das  Brahman  er- 
„kl&ren".  Bern  würde  femer  der  Tadel  widersprechen,  welcher  in 
den  Worten  liegt:  „der  ist  nur  ein  Nichtseiender,  der  Brahman  als 
„nichtseiend  weiTs  (Taitt.  2,  6).  Dem  würde  endlich  auch  die  Ter* 
Sicherung  widersprechen:  „es  ist!  so  hat  man  anzunehmen*^  (K&th. 
6,  13);  ja  der  ganze  Yedftnta  würde  sonst  erschüttert  werden. 
Und  auch  die  Erhabenheit  des  Brahman  über  Rede  und  Gedanken 
kann  nicht  als  ein  Nichtsein  bezeichnet  werden.  Denn  es  geht 
nicht  an,  dais  in  den  Ved&ntatexten  mit  einem  grofsen  Apparate 
von  Mitteln  durch  Worte  wie:  „der  Brahmanwisser  erlangt  das 
„Höchste'^  (Taitt.  2,  1),  „Wahrheit,  Erkenntnis,  unendlich  ist  das 
„Brahman*'  U.  s.  w.  (Taitt.  2,  1),  das  Brahman  gelehrt  und  sodann 
dasselbe  als  nichtseiend  bezeichnet  werde;  denn  es  heifst  (Indische 
Sprüche  2.  Aufl.,  3117): 

•   ,,Weit  besser  ist,  nicht  an  den  Schmutz  zu  rühren, 
,,A1b  daA  man  hinterher  sich  machen  mufs.** 

Somit  ist  es  vielmehr  auf  eine  Darlegung  des  Brahman  abgesdien, 
wenn  es  von  ihm  heifst:  „vor  dem  die  Worte  kehren  um,  und  die 
„Gedanken  ohne  ihn  zu  finden"  (Taitt.  2,  4),  und  diese  Worte  be- 
sagen, dafs  das  Brahman  über  Bede  und  Gedanken  erhaben  und 
als  die  innere  Seele  kein  Bestandteil  der  Sinneswahrnehmung,  son* 
dem  vielmehr  seiner  Natur  nach  ewig,  rein,  weise  und  frei  ist. 
Somit  folgt,  dafs  die  Ausbreitung  der  Erscheinungsformen  des 
H24  Brahman  |  negiert  wird,  und  das  Brahman  selbst  übrig  bleibt. 
Dieses  drückt  der  Lehrer  durch  die  Worte  aus:  „denn  sie  Terneint 
„das  vorerwähnte  So-und-so-sein**.  Nämlich  das  vorerwähnte  So- 
und-80-sein,  d.  h.  die  begrenzte,  in  Gestaltetem  und  Ungestaltetem 
bestehende  Erscheinungsform  des  Brahman,  diese  verneint  unser 
Schi'iftwort.  Was  verneint  wird,  das  ist  also  die  vorerwähnte,  in 
dem  vorherigen  Texte  in  Bezug  auf  die  Naturgötter  und  \tuf  das 
eigene  Selbst  auseinandergesetzte  Erscheinungsform,  so  wie.  die 
durch  sie  bedingte,  auf  Vorstellungen  beruhende,  andere  Erschei- 
nungsform, welche  als  die  Essenz  des  ungestalteten  mit  dem  Namen 
„Purusha"  belegt  wird,  ihrem  Wesen  nach  auf  einem  [blofs  be- 
grifflichen] Merkmale  beruht  und  durch  die  Gleichnisse  von  dem 
Safrankleide  u.  s.  w.  verdeutlicht  wird,  sofern  es  nicht  möglich  ist, 
dafs  diese  Essenz  des  Unprestalteten,  der  Purnsha,  eine  dem  Au^e 


Sütram  111.  ii.  22.  &35 

ergroifbare  Gestalt  aunimmt.  Um  diese  cur  Weltausbreitting  ge- 
hörige ErschcinungsforiQ  des  BrabmaB  yermittelst  des  auf  ein  Nahe- 
stehendes verweisenden  Wortes  „so^'  zu  negieren,  dazu  wird  das 
Wort  „nicht"  demselben  zugefügt.  Das  Brahman  hingegen  wird, 
um  seine  Erscheinungsformen  zu  specificieren ,  im  Vorhergehenden 
nm*  als  Genitiv  gebraucht,  und  nicht  so,  dafs  es  selbst  die  in  Frage 
stehende  Sache  wäre.  Und  nachdem  in  dieser  Weise  die  Zweiheit 
der  ErscheiimngBformen  dargelegt  worden,  so  heilst  es,  um  die 
Natur  demjenigen,  dem  diese  Ersoheinungsformen  angehören,  kund 
zu  machen:  „abei*  seine  Bezeichnung  ist:  «es  ist  nicht  so,  es  ist 
„nicht  so» "  (Brih.  2,  3,  6).  Es  ist  klar,  dafs  hier  die  Wesenheit 
des  Brahman  dadurch  kund  gemacht  wird,  dafs  ihm  die  angenom- 
menen Erscheinungsformen  abgesprochen  werden,  indem  diese  ge- 
samte auf  Brahman  beruhende  |  Weltwirkung  mit  den  Worten  „es  825 
„ist  nicht  so,  es  ist  nicht  .so",  negiert  wird.  Auf  die  Weltwirkung 
pafst,  weil  sie  zufolge  des  Schriftwortes  von  dem  sich  Anklammern 
an  Worte  (vgl.  SAtram  2,  1,  14)  als  „das  Nichtreale"  gilt,  die  Ab- 
lehnung, welche  in  den  Worten  „es  ist  nicht  so,  es  ist  nicht  so", 
liegt,  nicht  aber  auf  das  Brahman,  weil  dieses  [als  das  Subjekt 
des  Erkennens]  die  Wurs&el  aller  Annahmen  ist.  —  Auch  darf  man 
hier  nicht  die  Frage  aufwerfen,  wie  es  komme,  dafs  der  Schrifb- 
kanon,  nachdem  er  selbst  die  Zweiheit  der  Erscheinungsformen  ge- 
lehi*t  hat)  selbst  sie  dann  wieder  negiere,  während  es  doch  besser 
sei,  nicht  an  den  Schmutz  zu  rühren,  als  dafs  man  hinterher  sich 
waschen  miisse*.  Denn  der  Schrifbkanon  bespricht  die  Zweiheit 
der  Erscheinungsformen  gar  nicht,  um  dieselbe  zu  lehren,  sondern 
der  Weltbrauch  ist  es,  welcher  an  dem  Brahman  diese  Zweiheit 
der  Erscheinungsformen  annimmt,  und  diesen  berührt  die  Schrift, 
um  ihm  zu  widersprechen  und  um  die  reine  Wesenheit  des  Brah- 
man darzulegen;  so  stimmt  es  zusammen.  Die  beiden  Negationen 
aber  dienen,  der  Zahl  gemäfs,  nm  die  beiden  Erscheinungsformen, 
das  Gestaltete  [Erde,  W^asser,  Feuer]  und  das  Ungestaltete  [Luft, 
Äther]  zu  negieren.  Oder  auch  die  erste  Negation  negiert  die 
Gesamtheit  der  Element«,  and  die  andere  die  Gesamtheit  der 
Vorstellungen  [von  dem  Piirusha].  Oder  endlich  man  kann  an- 
nehmen, dafs  in  den  Worten  „es  ist  nicht  so,  es  i»t  nicht  so" 
eine  Allmöglichkeitsbezeichnung  (vipsä)  vorliegt,  welche  besagt, 
dafii  Brahman  alles,  was  man  sich  nur  denken  kann,  nicht  ist. 
Denn  bei  einer  auf  eine  bestimmte  Anzahl  beschränkten  Negation 
könnte,  wenn  Brahman  dieses  oder  jenes  nicht  ist,  .ein  Weiterfragen, 
was  denn  Brahman  sonst  sei,  sich  behaupten;  bei  einer  Allmöglich* 
keitsbeseiduiung  aber  wird  durch  Verneinung  alles  möglichen  objek- 
tiven Seins  das  Brahman  als  die  nie  Objekt  seiende  innere  Seele 
festgehalten,  und  das  Weiterfragen  hört  auf.  Somit  steht  fest, 
dafs  unsere  Stelle  nur  die  an  dem  Brahman  angenommene  Weltans- 
breitung  verneint  |  und  das  Brahman  selbst  bestehen  Iftfst;  und  82fr 


536  C^rlrftka>mtmins& 

dieses  steht  darum  fest,  weil  „sie  es  auch  dai'auf'S  nätulich  nach 
der  Negation,  „des  Weiteren  8agt^^  Denn  wenn  es  heifst,  es  gebe 
„keiii  anderes  Yon  ihm  Verschiedenes",  so  würde,  wenn  die  Nega- 
tion auf  ein  blofses  Nichtsein  hinausliefe,  die  Einwendung  gemacht 
werden  können,  welches  denn  jenes  andere,  Verschiedene  sei  [yon 
dem  es  kein  anderes  Verschiedenes  gebe].  Somit  ist  die  Konstruk- 
tion der  Stelle  folgende.  Nachdem  mit  den  Worten  „es  ist  nicht 
„so,  es  ist  nicht  so''  das  Brahman  bezeichnet  worden,  so  wird 
weiter  diese  Bezeichnung  „es  ist  nicht  so,  es  ist  nicht  so"  ihrem 
Sinne  nach  ausgelegt  in  den  Worten:  „nicht  giebt  es  von  ihm" 
nämlich  von  dem  Brahman,  ein  Verschiedenes  [mit  dem  ei  ver- 
glichen werden  könnte];  „darum  (iti)^*'  d.  h.  aus  diesem  Grunde 
(tatas)^  „heifst  es:  aes  ist  nicht  so,  es  ist  nicht  so»",  während  hin- 
gegen das  Brahman  selber  nicht  nicht  ist;  und  dieses  besagt, 
dafs  das  von  aUem  anderen  verschiedene,  nicht  negierte  Brahmaa 
wirklich  sei.  —  Will  man  hingegen  [richtigi»r]  die  Worte  so  koo* 
struieren:  „denn  nicht  giebt  es  von  dieser,' —  darum  heilst  .es: 
„«es  ist  nicht  so,  es  ist  nicht  so»",  —  d.  h.  von  der  die  Weltaus- 
breitung verneinenden  Bezeichnung,  „eine  andere,  von  ihr  ver- 
„schiedene"  Bezeichnung  des  Brahman,  so  mufs  man  die  Worte 
des  Sütram:  „auch  sogt  sie  es  darauf  des  Weiteren",  auf  die  [in 
den  Textworten  der  Schrift  folgende]  Benennung  des  Brahman  be- 
zichen; denn  die  Schrifb  sagt  des  Weiteren:  „aber  seine  Benennung 
„ist:  adie  Realität  der  Realität»,  denn  die  Lebensorgane  sind  die 
„Realität,  und  er  ist  ihre  Realität"  (Bfih.  2,  3,  6).  Dieses  aber 
ist  nui*  dann  richtig,  wenn  die  Negation  auf  das  Sein  des  Brah- 
man hinausläuft,  nicht  aber,  wenn  sie  auf  ein  blofses  Nichtsein 
liinausläuft;  denn  was  sollte  dann  die  Realität  der  Realität  genannt 
werden?  Somit  bleiben  wir  dabei  stehen,  dafs  diese  Negation 
auf  ein  Sein  des  Brahman,  nicht  aber  auf  ein  blofses  Nichtsein 
hinausläuft. 

827  23.    tad  avyaktmn^  äha  hi 

dasselbe  ist  das  llDofienbare,  denn  sie  sagt  es. 

Das  höchste  Brahman,  welches  von  der  Weltausbreitang,  die 
negiert  wurde,  verschieden  ist,  warum  wird  dieses  Brahman, 
wenn  es  wirklich  ist,  nicht  erkannt?  Darauf  dient  zur  Antwort: 
„dasselbe  ist  das  Unoffenbare" ,  d.  h.  es  ist  nicht  durch  die  Sinnes- 
wahrnehmung erkennbar,  weil  es  bei  aller  Wahrnehmung  der  Zu- 
schauer [das  wahrnehmende  Subjekt]  ist.  Denn  so  sagt  es  die 
Schrift  (Mund.  3,  1,  8): 

«,Nickt  diurch  das  Auge  ist  es  zu  erfassen, 
„Nicht  durch  die  Rede  und  die  andern  Götter;  . 
„Noch  durch  die  Bufse  oder  durch  die  Werke*';  — 


Sfttram  III.  n.  23.  537 

nnd :  „er  aber,  der  Atmctn,  ist  nicht  so  und  ist  niohi  so,  er  ist  nn- 
„greifbar,  denn  er  wird  nicht  gegriffen*'  (Bfih.  3,  9,  26);  -^  „es  ist 
, Jenes  Unsichtbare,  Üngreifbare*'  (MuncJ.  1,  1,  6);  —  „denn  wenn 
„einer  in  diesem  Unsichtbaren,  Unkörperlichen,  Unaassprechliohen, 
„Unergründlichen  *'  n.  s.  w.  (Taitt.  2,  7).  Und  auch  die  Smriti 
sagt  B.  B.  (Bhag.  G.  2,  25) : 

„ünoffenbar  und  unaiisdenkbar, 
„Unwandelbar  wird  er  genannt/* 


24.    api  samrädhane,  pratyaJcsha  -  anumdnähhi^m 

auch  in  der  Vollbefriedigung,  aus  der  Wahrnehmung 

und  Folgerung. 

Und  diesen^  Atman ,  welcher  die  gesamte  Weltansbreitung  aus- 
schliefst und  daher  das  Unoffenbare  heifst,  schauen  auch  die  Aus- 
über  des  Yoga  im  Zustande  der  „YoUbefriedigung".  Vollbefrie- 
digung bedeutet  das  Betreiben  des  Sich- Versenkens  u.  s.  w.  mittels 
Hingebung  und  Meditation.  Aber  woher  wissen  wir,  dafs  sie  ihn 
im  Zustande  der  VoUbefriedigung  schauen  ?  „aus  der  Wahrnehmung 
,,und  Folgeruiig^S  d.  h.  aus  der  Schrift  und  Smfiti.  Denn  so  sagt 
füe  Schrift  (Kath.  4,  1): 

„Nach  auswärts  hat  die  Höhinngen  gebohrt 
„Der  durch  sich  selbst  ist,  darum  sieht  der  Mensch 
„Nach  aüCsen  nar,  nicht  in  die  inn're  Seele;  — 
„Ein  Weiser  wohl  sah  umgewandten  Aoges 
,,Da8  innere  Selbst,  Unsterblichkeit  ersehnend*'; 

und  (Mund.  3,  1,8):  828 

„Wenn  aber  einer  seine  Wesenheit 
„Gereinigt  hat  durch  der  Erkenntnis  Klarheit, 
„Dann  schaut  er  meditierend  erst  in  Wahrheit 
„Des.Ätman  völlige  Unteilbarkeit/* 

Und  auch  die  Smriti  sagt  (Mah&bh.  12,  1642): 

„Ihm,  welchen  schlaflos  und  gehemmten  Odems, 
„Befriedigt  mit  besfthmter  Sinnlichkeit 
„Als  Licht  erblicken  die  den  Toga  üben, 
„Dem  Yoga-Atman  sollen  wir  Verehrung.'*  — 

„Ihn  schauen  die  Vollbringer  an  des  Yoga , 
„Den  Heiligen,  den  ewig  Dauernden.** 

'Aber  mufs  man  nicht  in  diesem  Zustande  einen  Vollbefriedigten 
*und  einen  VoUbefriediger  annehmen,    und  besteht  somit  in   ihm 


538  g&riraka-niiiultiia& 

^oiclit  eine  VerBcIiiedeiiiieit  sswischen  der  liöclisteu  Seele  uud   der 
Gliederen?'  —  Der  Lehrer  antwortete  nein, 


25.   prahäQa-Mi^vac  ca  avai^hyam;  prakdQa^.  ca 

karmmi;  ahliy&sät 

denn  wie  bei  dem  Lichte  u.  s.  w.  ist  die  Unterschied- 

losigkeit;    das  Licht  nämlich  [offenbart  sich]  in   der 

Wirkung;  wegen  der  Wiederholung. 

So  wie  dfts  Licht,  der  Kaum,  die  Sonne  u.  s.  w.  in  ihren  ans  Upa- 
dhi^B  bestehenden  Wirkungen  an  dem  Finger,  dem  GeftlBe,  dem  6e- 
wässeivu.  8.  w.  gleichsam  unterschiedhaft  erscheinen,  ohne  dals  sie 
doch  das  ihnen  von  Natur  eigene  unterschiedlose. Wesen  verlören, 
ebenso  beruht  diese  Trennung  zwischen  den  beiden  Atman^a  nur  auf 
den  Upadh^s,  an  sich  aber  sind  sie  eines.  Wesens;  denn  so  wird  in 
.  den  Yed^ntatexten  wiederholentlich  und  mehr  als  einmal  die  Un- 
getrenntheit  der  individuellen  und  der  allweisen  Seele  dargelegt. 

«^29  26.    ato  'nantenUy  tathd  hi  Ungafn 

darum  [wird  er  eiüs]  mit  dem  Unendlichen  ^  denn 

dafür  ist  ein  Zeichen. 

Und  „  darum  ^^,  weil  das  Ursprüngliche  die  Ungetrenntheit  ist, 
.  und  weil  die  Trennung  nur  auf  dem  Nichtwissen  beruht,  geht  die 
individuelle  Seele,  nachdem  sie  durch  das  Wissen  das  Nichtwissen 
verscheucht  hat,  mit  dem  Höchsten,  dem  Unendlichen,  der  allweiseu 
Seele  zur  Einheit  ein.  Denn  „dafür  ist  ein  Zeichen"»  nämlich  in 
Worten  wie:  „fürwahr,  wer  dieses  höchste  Brahman  erkennt,  der 
„wird  zu  Brahman*'  (Mund.  3,  2,  9);  '*^  „Brahman  ist  er  und  in 
„Brahman  löst  er  sich   auf'^  (ßrih.  4,  4,  6). 

.    27.    ubhaya-vyajjadegdt  tu  ähi-kufulalaviU 

vielmehr,  weil  beide  Bezeichnungen  [vorkommen] ,  ist 
es  wie  mit  der  Schlange  und  den  Kingelungen. 

In  Bezug  auf  jenes  Verhältnis  zwischen*  dem  Yollbefriedigten 
und  dem  Yollbefriediger  bringt  der  Lehrer  hier  eisen  neuen  6e- 


SAtram  IIL  ii.  27-  539 

danken  vor,  um  seine  Meinung  zu  verdeutlichen.  Zuweilen  wird 
von  der  Schrift  ein  Unterschied  zwischen  defr  individuellen  und 
der  allweisen  Seele  gemacht;  z.  B.  wenn  es  heifst  (Mu^d.  3,  1,  8): 

„Dann  schaut  er  meditierend  erst  in  Wahrheit 
,,Des  Atman  völlige  Unteilbarkeit''; 

liier  werden  beide  als  der  Meditierende  und  als  der  zu  Meditierende, 
sowie  als  der  Schauende  und  als  der  zu  Schauende  unterschieden; 
— -  „so  geht  ...  der  Weise  ein  zum  göttlich  höchsten  Geiste'' 
(Mujj^d.  3,  2,  8) ,  hier  als  der  Gehende  und  der,  zu  welchem  ge* 
gangen  wird;  —  „der  alle  Wesen  innerlich  regiert"  (Brih.  3,  7,  15), 
hier  als  der  Begierende  und  als  der  zu  Regierende.  An  andern 
Stellen  wiederum  wird  die Ungetrenntheit  beider  hervorgehoben;  z.B. 
wenn  es  heifst:  „das  bist  du"  (Ch&nd.  6,  8,  7);  —  „ich  bin  Brah- 
„man"  (Bfih.  1,  4,  10);  —  „es  ist  deine  Seele,  die  allem  innerlich" 
(Bfih.  3,  4,  1);  —  „er  ist  deine  Seele,  der  innere  Lenker,  der  un- 
„sterbliche"  (Brih.  3,  7,  15).  In  dieser  Weise  finden  sich  Bezeich- 
nungen von  beider  Art.  Wäre  nun  die  Ungetrenntheit  allein  als  das 
einzige  Ziel  festzuhalten,  so  würde  die  Bezeichnung  der  Getrennt- 
heit I  ohne  stötzenden  Grund  sein.  Somit  mufs,  da  beide  Bezeich-  830 
nungen  vorliegen,  es  in  Wahrheit  damit  stehen,  wie  mit  der  Schlange 
und  ihren  Ringelungen.  Wie  diese  nämlich  als  Schlange  eine  Ein- 
heit, liingegen  vermöge  ihrer  Ringelungen,  Windungen,  Gestreckt- 
heit u.  8.  w.  eine  Vielheit  ist,  so  mufs  es  auch  hier  sein. 


38.   prakäga'äirajfa-:f)ad  vä^  tejdstvät 

oder  wie  bei  dem  Lichte  und  seiuer  Grundlage, 

wegen  des  Leucbtendseins. 

Oder  auch  man  hat  es  so  zu  verstehen ,  „wie  bei  dem  Lichte 
„und  seiner  Grundlage".  So  wie  nämlich  das  Licht  der  Sonne  und 
seine  Grundlage,  die  Soune,  nicht  absolut  verschieden  sind,  sofern 
sie  alle  beide  in  dem  „Leuchtendsein"  sich  nicht  unterscheiden, 
und  doch  wiederum  eine  Bezeichnung  als  Vielheit  erfahren,  ähnlich 
ist  es  auch  hier. 

29.   pürvavad  vd 
oder  wie  vorher. 

Oder  wie  es  vorher  hiefs,  „wie  bei  dem  Lichte  u.  s.  w.  ist  die 
„Unterschiedlosigkeit"  (Süträm  3,  2,  25),  so  mag  es  auch  hier  wie- 
derum sein.     Denn  weil  in  dieser  Weise  die  Bindung   durch  das 


540  '  Q&rtraka-mlniliÖ8lL 

Nichtwissea  bedingt  ist,  deshalb  ist  durch  das  Wissen  eise  Er* 
losiing  mdglich.  Wäre  hingegen  eine  in  absolnt  realem  Sinne  ge- 
bimdene  Seele  ausunehmen,  sei  es,  dafs  sie  vie  die  Riagekmgen 
der  Schlange  ein  Zustand  des  höchsten  Atman,  sei  es,  dafs  sie  wie 
bei  dem  Lichte  und  seiner  Orundlage  ein  einzelner  Teil  desselben 
wäre,  80  würde  eine  absolut  reale  Bindung  sich  nicht  aufheben 
lassen,  und  der  Erlösungskanon  würde  zwecklos  sein.  Übrigens 
bezeichnet  dabei  die  Schrift  keineswegs  alle  beide,  die  XTngetrennt- 
heit  und  die  Getrenntheit,  als  gleichberechtigt;  vielmehr  ist  was 
B31  sie  lehren  will  nur  die  Ungetrenntheit,  |  während  sie  hingegen  die 
Oetrenntheit  als  die  von!nalige  Annahme  nur  erwähnt,  um  das 
Gegenteil  zu  lehren.  Somit  liegt  in  dem  Satze:  „denn  wie  bei 
„dem  Lichte  u.  s.  w.  ist  die  Unterschiedlosigkeit"  (Sütram  3,  2,  25) 
die  endgültige  Auffassung. 


30.   pratishedhäc  ca 
und  wegen  der  Verneinung. 

Und  auch  darum  liegt  hierin  die  endgültige  Auffassung,  weil 
die  Schrift  das  Dasein  eines  andern  Geistigen  auTser  der  höchsten 
Seele  vemeint,  wenn  sie  sagt:  „nicht  giebt  es  anfser  ihm  einen 
„Sehenden^*  (Brih.  3,  7,  23);  —  „aber  seine  Bezeichnung  ist:  «es  ist 
„nicht  so,  es  ist  nicht  so»"  (Brih.  2,  3,  6);  —  „dieses  Brahman 
„ist  ohne  Früheres  und  ohne  Späteres,  ohne  Inneres  und  ohne 
„Äufseres**  (Brih.  2,  5,  1 9).  Weil  also  eine  über  Brahman  hinaus 
bestehende  Weltausbreitung  widerlegt  worden,  und  weil  Brahman 
allein  übrig  gelassen  worden,  so  folgt,  dafs  die  endgültige  Auf- 
fassung in  dem  erwähnten  Satze  liegt. 


Siebentes  AdhikaraftaM, 

31.    ^param  atahy  setu-unindna-sanÜMmdha-bheda' 

vyapadeQehhyaK. 

'ein  anderes  aufser  ihm,  wegen  der  Bezeiclmungen  der 
Brücke,  des  Mafses,  der  Verbindung  und  der  Trennung.' 

Das  Brahman,  welches  unter  Aufhebung  der  gansten  Weltaus- 
breitung festgehalten  wurde,  hat  dieses  noch  eine  andere  Wesen- 


Satriua  IIL  u.  31.  541 

Leit  auTaer  sich  oder  nioht?  Hierüber  kann  man  aweifeln,  da  die 
Schriflworte  sich  widersprechen.  Denii  einige  scheinen  in  der 
Thai  auf  den  ersten  Blick  noch  eine  andere  Wesenheit  anüser  Brah- 
man  an  lehren.  Um  su  seigen,  wie  man  diesen  Zweifeln  zu  be- 
gegnen hat,  wird  [znn&ohst]  der  gegenwärtige  Angriff  unternommen. 
S,£in  anderes  aufser  ihm^,  d.  h.  es  moTs  noch  eine  andere  Wesen- 
^heit  aufser  Brahman  ^eben;  warum?  wegen  der  Bezeichnung  der 
^Brücke,  wegen  der  des  Maises,  der  der  Verbindung  und  der  der 
'Trennung.  —  Die  Bezeichnung  der  Brücke  zun&chst  ist  folgende: 
S,der  Atman,  das  ist  die  Brücke,  welche  auseinander  |  ^hült"  833 
'(Chänd.  8,4,  1);  hier  wird  gesagt,  dafs  das  unter  dem  Ätmau 
'gemeinte  Brdiiman  eine  Brücke  sei.  Das  Wort  Brücke  (Damm, 
'vgl.  p.  257,  11,  S.  152)  aber  dient  gewöhnlich,  um  ein  Gonglomerat 
^von  Holz,  Erde  u.  s.  w.  zu  bezeidmen,  welches  dazu  dient,  eine 
'zusammenhllngende  Wassermasse  zu  durchschneiden.  Indem  nun 
'das  Wort  „Brücke"  Ton  dem  Atman  gebraucht  wird,  so.giebtdas- 
'selbe  zu  verstehen,  dafs  so  wie  bei  der  gewöhnlichen  Brücke  auch 
'bei  der  Atmanbrücke  noch  ein  anderes  Objekt  aufser  ihm  vor- 
'handen  ist,  zumal  in  den  Worteb  „wer  diese  Brücke  überschritten 
'„hat"  (Ghand.  8,  4,  2)  sogar  von  einem  Überschreiten  derselben 
'die  Rede  ist.  So  wie  man  nämlich  nach  Überschreitung  einer  ge- 
'wohnlichen  Brücke  folgerichtig  auf  das  feste  Land  gelangt,  welches 
^ nicht  Brücke  ist,  ebenso  mufs  man  nach  Überschreitung  des  Atman 
'folgerichtig  zu  dem  gelangen,  was  nicht  Brücke,  also  nicht  Atmau 
'ist.  —  Weiter  findet  sich  eine  Bezeichnung  dea  Mafses,  wenn 
'das  Brahman  „vierfufsig"  (Gh&nd.  3,  18,  2),  „achtkluuig"  und  „sech- 
'„zehnteilig"  (Pra^naG,  1)  genannt  wird.  Alles  über,  was  in  dor 
'Erfahrung  gemessen  wird  als  so  und  so  grofs  and  folglich  be- 
'grenzt  ist,  wie  z.  B.  ein  K&rshäpana  [eine  Kupiermünze  von  be- 
'stimmtem  Gewicht],  von  dem  nimmt  man  an,  dafs  es  aufser  ihm 
'noch  anderes  giebt.  Da  nun  auch  das  Briahman  gemessen  wird, 
'so  mufs  es  folgerichtig  aufser  ihm  noch  andercF  geben.  «—  Ebenso 
'steht  es  mit  der  Bezeichnung  der  Verbindunf^.  Denn  die  Schrift 
'sagt:  „alsdann  ist  er,  o  Teurer,  eins  geworden  mit  dem  Seienden" 
'(Ohand.  6,  8,  1);  auch  heifst  es,  die  verkörpeite  Seele  werde  von 
'der  all  weisen  Seele  umschlungen  (Brih.  4,  3,  21);  eine  [derartige] 
'Verbindung  aber  pflegt  erfahrungsmäfsig  zwischen  einem  Unbe- 
'grenzten  ^zu  Messenden)  und  einem  Begrenzten  (Mafse)  zu  be- 
istehen, wie  z.  B.  zwischen  den  Einwohnern  und  der  Stadt.  Nun 
'lehrt  die  Schrift  [in  den  erwähnten  Stellen]  eine  Verbindung  der 
^individuellen  Seelen  mit  dem  Brahman  im  Tiefschlafe.  Somit  mufs 
'es  folgerichtigerweise  aufser  Brahman  noch  ein  anderes,  Unbe- 
'grenztes,  geben.  —  Eben  dahin  weist  auch  die  Bezeichnung  der 
'Trennung.  |  So  bezeichnet  die  Schrift  iu  den  Worten:  „aber  der  833 
'.,goldene  Mann,  welcher  im  Innern  der  Sonne  gesehen  wird" 
'^CiiAnd  1,  G,  6),  Gott  als  in  der  Sonne  enthalten,  und  dann  weiter 


542  C^traka-mlm&usll 

^bezeichnet  sie  im  Unterscliiede  davon  Gott  uls  in  dem  Auge  ent- 
^halten:  ^^aber  der  Mann,  welcher  im  Innern  des  Auges  gesehen 
*„wird"  (Ghändr  1,  7,  Ö);  wobei  sie  in  Bezug  auf  Oestolt  u.  s.  w. 
^eine  Verweisung  von  dem  einen  zum  andern  anwendet:  „die  6e- 
'„stalt,  welohe  jener  hat,  die  hat  auch  dieser,  jenes  Gesänge,,  sind 
\,aQch  seine  Gesänge,  jenes  Name  sein  Name^'  (C^iind.  1,  7,  5);  j», 
'sie  behauptet,  dafs  das  Gottsein  beider  eine  Grenze  habe:  ndie 
'„Welten,  welche  yon  der  [Sonne]  aufwärts  liegen,  über  die  herrscht 
S,er  und  über  die  Wünsche  der  Gdtter''  (Ghänd.  1,  6,  5);  und  von 
'dem  andern  sagt  sie:  „die  Welten,  welche  Ton  ihr  abwärts  liegen, 
'„über  die  herrscht  er  imd  über  die  Wünsche  der  Menschen" 
'(Chänd.  1,  7,  6),  gerade  wie  wenn  man  sagt:  „dieses  ist  das  Reich 
'„des  Fürsten  der  Magadha's,  und  jenes  das  des  Fürsten  der 
'„yideha*B".  —  Weil  somit  diese  Bezeichnungen  der  Brücke  u.  s.  w, 
'bei  Brabman  gebraucht  werden,  mufiw  es  ein  anderes  aufser  ihm 
'geben.'  — 

Auf  diese  Annahme  erwidert  der  Lehrer: 


32.    sämämyät  tu 
vielmehr  wegen  der  Ähnlichkeit. 

Durch  das  Wort  „vielmehr"  vrird  die  erwähnte  Annahme  be- 
seitigt. Es  kann  durchaus  kein  anderes  aufser  Brahman  geben, 
weil  kein  Beweis  dafür  vorhanden  ist;  denn  wir  bemerken  [in  der 
Schrift]  durchaus  keinen  Beweis  dafür,  dafs  es  irgend  etwas  aufser 
Brahman  gebe.  Denn  alles  Entstandene,  jedes  gewordene  Ding 
hat,  wie  wir  (Sütram  1,  1,  2)  feststellten,  seinen  Ursprung  u.  s.  w. 
aus  Brahman,  die  Wirkung  aber  ist  (vgl.  Sütram  2,  1,  18)  mit 
834  ihrer  Ursache  identisch.  |  Und  auch  etwas  Ungewordenes  giebt  es 
nicht,  welches  aufser'  Brahman  bestünde;  denn  da  die  Schrift 
versichert:  „seiend  nur,  o  Teurer,  war  dieses  zu  Anfang,  eines 
„nur  v^^d  ohne  zweites"  (Chand,  6}  2,  1),  da  sie  femer  verheifst, 
dafs  mit  der  Erkenntnis  des  einen  alles  erkannt  sein  solle  (Ohänd. 
G,  1;  Brih.  2,  4,  5;  Mund.  1,  1,  3),  so  geht  es  nicht  an,  das  Dasein 
eines  Dinges  aufser  Brahman  anzunehmen.  —  ^Aber  sagten  wir 
'nicht,  dafs  die  Bezeichnungen  der  Brücke  u.  s.  w.  auf  eine  von 
'Brahman  unterschiedene  Wesenheit  hindeuten?*  —  Doch  nicht! 
denn  was  zunächst  die  Bezeichnung  der  Brücke  betrifft,  so  kann 
sie  nicht  für  das  Sein  von  irgend  etwas  aufser  Brahman  beweisend 
sein;  denn  die  Schrift  (Mund.  2,  2,  5)  sagt  zwar,  dafs  der  Atmsn 
die  Brücke  sei,  aber  auch  wieder,  dafs  nichts •  anderes  aufser  ihm 
vorhanden  sei.  Wollte  man  hier  deswegen,  weir  eine  Brücke  ohne 
etwas  aufser  ihr  nicht  bestehen  kann,  noch  irgend  etwas  aulser 
Brahman  annehmen,  so  würde  das  nicht  regelrecht  tfeiu,  denn  diese 


9ttT$m  11 1.  n.  82.  543 

Annahme  von  etwas,  was  die  Schrift  nicht  kennt,  würde  eineVer- 
gewaltignng  sein.  Und  wenn  man  deswegen,  weil  der  Atman  eine 
Brücke  genannt  wird,  ihm  naoh  Art  einer  gewöhnlichen  Brücke 
das  Bestehen  Ton  etwas  aufser  der  Brücke  1>eilegen  wollte,  non 
so  müfste  man  ihm  auch  Erde  und  Holz  als  Bestandteile  beilegen, 
und  dieses  würde  nicht  regelrecht  sein,  weil  dem  die  Sohriftans- 
sage  von  der  Unentstandenheit  des  Brahman  widersprechen  würde. 
Es  steht  also  Tielmehr  so  damit,  dafs  der  Atman  eine  Brücke  genannt 
wird  „we^en  der  Ähnlichkeit"  mit  einer  Brücke,  und  diese  Ähnlich- 
keit des  Atman  mit  einer  Brücke  besteht  darin, .  dafs  er  die  Welt 
und  ihre  Grenzen  auseinanderhält  [ähnlich  wie  eine  Brücke,  d.  h. 
ein  Damm,  die  überschwemmten  Felder].  Also  weil  er  gleichsam 
eine  Brücke  ist,  wird  der  in  Rede  stehende  Ätman  als  Brücke  ge- 
feiert. Und  auch  wenn  es  heilst:  „wer  diese  Brücke  überschritten 
„hat"  (Chänd.  8,  4,  2),  so  kann  das  Oberschreiten  hier  kein  Hin- 
übergelangen über  die  Brücke,  sondern  nur  ein  Gelangen  zu  der- 
selben bedeuten,  ähnlich  wie  man  Yon  einem  sagt,  er  habe  die 
Grammatik  dui'chgemacht,  um  auszudrücken,  dafs  er  in  ihren  Besitz, 
nicht,  dafs  er  über  dieselbe  hinausgelangt  ist. 


33.    hiddhi-arfhdk  pMa-'imt  835 

zum  Zwecke  der  Erkenntnis,  wie  bei  dem  Viertel. 

\Venn  weiter  behauptet  wurde,  dafs  etwas  aufser  Brahman  vor- 
handen sein  müsse,  weil  von  Mafsen  desselben  die  Rede  sei,  so  ist 
darauf  zu  erwidern,  dafs  auch  diese  Bezeichnung  der  Mafse  nicht 
den  Zweck  hat,  das  Vorhandensein  eines  Wesens  aufser  Brahman 
zu  lehren.  Aber  welchen  Zweck  hat  sie  denn?  Sie  dient  „zum 
„Zwecke  der  Erkenntnis*',  sofeni  nämlich  diese  dem  Zwecke  der 
Verehrung  dient.  Denn  eine  Erkenntnis,  welche  an  Unterschieden 
wie  „vierfüfsig^S  „ achtklauig *S  „sechzehnteilig''  haftet,  kann  nti- 
mögUch  sich  mit  Festigkeit  auf  das  [unterschiedlose]  Brahman 
richten;  und  darum  eben  wird  die  Vorstellung  Ton  Mafsen  des 
Brahman,  unter  Anlehnung  an  Verhältnisse  der  erschaffenen  Welt, 
ins  Werk  gesetzt,  weil  nicht  alle  Menschen  ihre  Erkenntnis  mit 
Festigkeit  auf  das  unerschaffeue,  unendliche  Brahman  richtien  können, 
sofern  es  Menschen  von  langsamem,  mittlerem  und  vorzüglichem  Er- 
kenntnisvermögen giebt.  „Wio  bei  dem  Viertel",  d.  h.  es  ist  damit, 
wie  weim  an  dem  Manas  und  dem  Äther  da,  wo  sie  in  psycho- 
logischer und  kosmologischer  Hinsicht  als  Symbole  des  Brahman 
erwähnt  werden  (vgl.  Chänd.  3,  18),  die  Rede  u.  s.  w.  als  vier 
Viertel  [oder  Füfse]  des  Manas ,  und  das  Feuer  u.  s.  w.  als  vier 
Viertel  des  Äther  zum  Zwecke  der  Meditation  angenommen  werden. 
—  Oder  auch   die  Worte  „wie  bei   dem  Viertel"  bedeuten, 


544  C^irAkA-mlBifc&slL 

dafs  es  damit  sei,  wie  wenn  bei  der  Kirsh&pana-Münae  eine 
Teilung  in  Viertel  (P&da)  zur  Erleichterung  des  HandelsTorkdirea 
angenommen  wird^  denn  mit  einem  ganzen  Kftrshftpa^a  können 
sich  nicht  immer  alle  Menschen  beim  Handel  helfen,  sofern  bei 
Kauf  und  Verkauf  der  Umfang  der  Sache  ihm  nicht  entspricht.  * 


S36  34.    sthdna-viceahäty  prakäoa-ädi-vat 

wegen  der  BeBtimmtheit  des  Standortes,  wie  bei  dem 

Lichte  u,  s.  w. 

In  diesem  Sütram  wird  die  Abfertigung  der  beiden  andern  Be- 
Zeichnungen  vorgenommen.  Wenn  behauptet  wurde,  dafs  wegen 
der  Bezeichnung  der  Verbindung  und  wegen  der  Bezeichnung 
der  Trennung  ein  anderes  aufser  Braljman  vorhanden  sein  mdsse, 
so  ist  das  nicht  richtig.  Denn  auch  wo  eine  Einheit  vorliegt, 
können  mit  Rücksicht  auf  die  „Bestimmtheit  des  Standortes"  diese 
beiden  Bezeichnungen  statthaben.  Bei  der  Bezeichnung  der  Ver- 
bindung ist  der  Zweck  folgender.  Indem  die  individuelle  Er- 
kenntnis, welche  zu  Stande  kommt  vermöge  euici*  Verbindung  mit 
bestimmten  Standorten,  nämlich  mit  den  Up&dhi's  der  Buddhi  u.  s.  w., 
zur  Ruhe  kommt,  so  wird  dieses  zur-Ruhe-Kommen  mit  Rücksicht 
auf  die  Up&dhi*8  und  in  uneigentlichem  Sinne  als  eine  Verbindung 
mit  dem  höchsten  Atman  aufgefafst,  ohne  dafs  dabei  eine  [lokale] 
Befassung  [der  Seele  in  dem  Brahman]  beabsichtigt  würde.  Ebenso 
wird  die  Bezeichnung  der  Trennung  bei  dem  Brahman  nur  mit 
Rücksicht  auf  die  Trennung  durch  die  Up&dhi*s,  nicht  mit 
Rücksicht  auf  eine  Trennung  innerhalb  seiner  eigenen  Natur  ge- 
braucht. „Wie  bei  dem  Lichte  u.  s.  w.'*;  hier  wird  ein  Gleichnis 
zu  Hülfe  genommen;  wie  nämlich  das  einheitliche  Licht  der  Sonne 
oder  des  Mondes,  nachdem  durch  Verbindung  mit  einem  üp&dhi 
[z.  B.  mit  dem  Finger,  auf  den  es  fallt]  ein  Unterschied  an  ihm 
entstanden,  bei  Aufhören  des  Up4dhi  einer  Bezeichnimg  der  Ver- 
bindung [mit  dem  allgemeinen  Lichte]  iind  bei  Trennung  durch 
den  Upädhi  einer  Bezeichnung  der  Trennung  [von  demselben]  teil- 
hafb  wird,  —  oder  wie  bei  dem  Räume  im  Nadelöhre  und  bei  dem 
Welträume  diese  beiden  Bezeichnungen  einer  Trennung  nur  durch 
den  UpUdhi  [des  Nadelöhrs]  bedingt  werden,  —  ebenso  ist  es 
auch  hier  zu  nehmen. 


*  Die  bildlichen  Vorstellungen  von  Brahman  verhalten  sich  zu  diesem 
selbst  wie  die  fftr  den  praktischen  Verkehr  notwendige  Scheidemünze 
zu  dem  Geldstücke,  welches  in  sie  umgewechselt  wird. 


Sfttram  III.  n.  36.  645 

35.    upapatteQ  ca 
und  wegen  der  Möglichkeit. 

Auch  ist  hier  nur  eiue  Yerbinduiig  von  dieser  Art  möglich  und 
keine  aadere.  Denn  wenn  es  8.  B.  heifst:  „er  ist  zu  sich  selbst 
„eingegangen"  (Ch&nd.  6«  8,  l)f  so  lehren  diese  Worte,  dafs  jene 
Verbindung  eine  solche  mit  der  eigenen  Wesenheit  sei.  Da  man  von 
seiner  eigenen  Wesenheit  aber  |  nicht  loskommen  kann,  so  ist  hier  S37 
nicht  an  eine  Verbindung  wie  etwa  die  zwischen  den  Einwohnern 
and  der  Stadt  au  denken.  Vielmehr  ist  der  Eingang  zn  sich  selbst 
nur  insofern  möglich,  ab  durch  die  Up&dhi's  eine  Verbergung  der 
eigenen  Natur  bewirkt  wurde.  In  derselben  Weise  ist  auch  die 
l^ennung  nur  möglioh,  und  niobt  anders,  weil  dem  die  in  dei* 
Überzahl  der  SAnftsteUen  angenommene  Einheit  Gotted  widerstrei- 
ten würde.  Es  ist  damit  ähiüich,  wie  wenn  die  Schrift  auch  dem 
Räume,  obwohl  er  einer  'ist,  je  nadi  den  Standorten  eine  Bezeich- 
nung der  Trennung  beilegt  an  der  Stelle:  y,der  Raum  aber  aurser- 
„halb  des  Menschen^  [der  ist  gewifslioh  das,  was  dieser  Raum  inner- 
„halb  des  Henachen  ist;]  dieser  Raum  aber  innerhalb  des  Mensehen, 
„[der  ist  gewiüslich  dasj  was  dieser  Raum  innerhalb  des  Herzens 
„ist"   (ChÄnd-   3,  12,7—9). 

I 

36.    taiha  anya-pratisliedMt 
eben  80  wegen  der  Ausschliefsung  [alles]  andern. 

Nachdem  der  Lehrer  in  dieser  Weise  die  Gründe  der  gegnerischen 
Meinung,  näroHchdie  Bezeichnung  als  Brücke  ti.  s.  w.,  gestürzt  hat, 
so  faTst  er  jetzt  seine  eigene  Meinung  durch  eine  neue  Begründung 
zusammen.  „Ebeiiso  wegen  der  Ausschliefsung  [alles]  andern*' 
dürfen  wir  kein  anderes  Dinf/  aufser  Brahman  annehmen;  so  ist  es 
aufzufassen.  Denn  es  heifst:  „die  Unbeschrünktheit  ist  unten,  ... 
„ich  bin  unten,  ...  die  Seele  ist  unten"  (Chänd.  7>  25,  1 — 2);  — 
„das  Weltall  möge  den  ausschliefsen ,  der  das  Weltall  aufserhalb 
„des  Atman  weifs'*  (Brih.  2,  4,  6);  —  „Brahman  allein  ist  diese 
„ganze  Welt'*  (Mujgid.  2,  2,  11);  —  .,der  Atman  allein  ist  dieses 
„Ganze*'  (Chand.  7,  26«  2);  —  „nicht  ist  hier  Vielheit  irgendwie" 
(Bfih.  4,  4, 19);  —  „nichts  anderes  ist  aufser  ihm  vorhanden"  ((Jvet. 
3f  9);  — '  „dieses  Brahman  ist  ohne  Früheres  und  ohne  Späteres, 
,iOhne  Inneres  und  ohne  Äufseres"  (Brih.  2,  5,  19);  —  diese  und 
andere  Sohriftstellen,  welche  nach  den  Zusammenhängen,  in  denen 
sie  stellen,  eine  andere  Auslegung  nicht  zulassen,  verbieten  die 
Annahmo  eines  Dinges  aufser  Brahman.     Femer  ergiebt  sich  aus 

BsifMMi,  YfdAAUi.  35 


546  C^rlraka-mtmftä8& 

der  Stelle  von  der  Seele  „die  allem  innerlich"  (Brih.  3,  4,  1),  dafs 
aufser  der  höchsten  Seele  auch  keine  andere,  yon  ihr  verschicilene 
Seele  vorhanden  ist. 


838       37.    anena  sarvagatatvam ^  d/yäma-e(ü)da''Mihhydk 

hierdurch  ißt  seine  Allgegenwart  [erwiesen],  wegen  des 
Schriftwortes  von  der  Erstreckung  und  andern. 

Hierdarch,  durch  die  Beseitigung  der  Bezeichnung  als  Brücke 
u.  s.  w.,  und  durch  die  Berufung  auf  die  „Ausschliefsnng  alles  &n- 
„dem",  itit  auch  die  Allgegenwart  des  Atman  erwiesen,  denn  ohne 
dieses  würde  sie  nicht  erweishar  sein.  Denn  wenn  die  Beseich- 
nungen  als  Brücke  u.  a,  w.  im  wörtlichen  Sinne  festgehalten  würden, 
so  würde  -  eine  Umgrenzung  des  Atman  sich  ergehen ,  indem  die 
Binicken  u.  s.  w.  von  dieser  Art  heschaffen  sind.  Ehenso  würde, 
wmm  die  Ausschliefsung  alles  andern  nicht  gesch&he,  sofern  eine 
jede  Suhstanz  gegen  andere  Substanzen  sich  abgrenzt,  eine  Be- 
grenzung auch  des  Atman  sich  ergeben.  Es  l&fst  sich  aber  die  All- 
gegenwart desselben  auch  „aus  dem  Schriftworte  von  der  Erttreckuug 
„und  andern"  ersehen.  Das  Schriftwort  von  der  Erstreckung  ist 
dasjenige,  welches  seine  Alldurchdringung  bekundet:  „fürwahr,  so- 
„weit  sich  jener  Weltraum  erstreckt,  so  weit  erstreckt  sich  dieser 
„Raum  innerhalb  des  Herzens"  (ChÄnd.  8,  1,  3);  —  „dem  Saume 
„gleich,  allgegenw&rtig,  ewig";  —  „gröfser  als  der  Himmel,  grdfser 
„als  der  Raum"  (Qatap.  br.  10,  6,  3,  2);  —  „allgegenw&rtig  ist 
„und  ewig,  fest  ist  und  unbeweglich  er"  (Bhag.  G.  2,  24);  —  diese 
und  andere  regulative  Stellen  der  Schrift  und  Smriti  geben  dip 
Allgegenwart  des  Atman  zu  erkennen. 


Achtes  Adhikaranam, 

38.    phcUam  ata\  upapatteh 
die  Frucht  von  ihm,  wegen  der  Möglichkeit. 

Eine  andere  Eigentümlichkeit  dieses  Brahman  ist  jetzt  zu  be- 
sprechen, indem  wir  zu  dem  Standpunkte  des  Welttreibens  heral>- 
steigen,  welcher  eine  Trennung  zwischen  einem  beherrschenden 
Gotte  und  einer  beherrschten  Welt  annimmt. 


j 


Sfttram  III.  n.  38.  547 

Die  Frucht  der  Wcrkef  vrie  sie  als  Erwünschtes,  Unerwünschtes 
imd  aus  beidem  Gemischtes  dreifach  im  Bereiche  des  Sax|i8ara .  bei 
den  Wesen  sich  einstellt,  rührt  diese  her  von  den  Werken  | 
oder  von  Gott?  Das  ist  hier  die  Frage.  Hier  nun  erklärt  sich  839 
der  Jjehrer  dafür,  dafs  ,jdie  Fracht  von  ihm",  nämlich  von  Gott, 
herrühren  mufs;  warum?  „wegen  der  Möglichkeit".  Denn  Gott  ist 
es,  welcher  als  der  Aufseher  des  Weltalls,  der  seine  verschiedenen 
Zustande  der  Schöpfung,  des  Bestandes  und  des  Unterganges  an- 
ordnet, vermöge  seiner  Kenntnis  der  Unterschiede  in  Baum  und 
Z^t,  für  die  Vollbringer  der  Werke  die  den  Werken  angemessene 
Frucht  herbeiführt.  Auf  diese  Weise  also  ist  eine  Vergeltung 
„möglich",  Dafs  hingegen  das  Werk  selbst,  welches  von  Augen- 
blick zu  Augenblick  zunichte  wird,  eine  in  einer  späteren  Zeit 
eintretende  Frucht  hervorbringe,  ist  unmöglich,  weil  aus  dem  Nicht- 
sein ein  Sein  nicht  entspringen  kann.  —  'Aber  kann  man  nicht 
^annehmen,  dafs  das  Work,  obschon  es  vergeht,  doch  erst  vergeht, 
'nachdem  es  zur  Zeit  seines  Bestandes  eine  ihm  entsprechende. 
^Frucht  erzeugt  hat,  und  dafs  diese  Frucht ^  nachdem  sie  eine  Zeit 
'lang  latent  geblieben,  von  dem  Thäter  genossen  wird?*  —  Auch 
das  bringt  die  Sache  nicht  ins  Reine,  weil  eine  Frucht  nicht  be- 
stehen kann,  bevor  sie  sich  nicht  mit  einem  Geniefser  verbindet. 
Denn  erfahrungsmäfsig  versteht  man  unter  Frucht  nur  die  Lust  und 
den  Schmerz,  sofern  sie  zu  einer  bestimmten  Zeit  von  der  Seele 
genossen  werden.  Kein  Mensch  aber  nimmt  eine  Lust  und  Unlust 
als  Fi*ucht  an,  ohne  dafs  dienelbe  mit  einer  [gentefsenden]  Seele 
verbunden  wäre. —  j  'Aber\  so  könnte  man-  sagen,  'kann  nicht  840- 
'die  Frucht  entstehen  -  aus  dem  ApiU'vam  [der  ohne  unmittelbar  vor- 
'hergehende  Ursache  eintretenden  Vergeltung},  sofern  dieses  eine 
'Wirkung  der  Werke  ist?*  —  Auch  dieses  ist  nicht  möglich,  weil 
das  Äpürvam  ein  Ungeistiges  ist,  welches  so  wenig  wie  Holz  und  ' 
Erde  eine  Bowegu/ig  veranlassen  könnte,  wenn  es.  nicht  von  einem 
Geistigen  in  Bewegung  gesetzt  würde.  Hierzu  kommt,  dafs  sich 
für  dio  Existenz  des  Äpürvam  kein  Beweis  erbringen  läfst.  — 
'Aber  ist  nicht  das  Eintreten  der  Sache  Beweis  genug?*  —  Nein, 
denn  weil  das  Dasein  Gottes  feststeht,  wird  dieses  Eintreten  der 
Sache  [als  Beweis  für  das  Äpürvam]  hinföllig. 


39.    *;rutatv<ic  ca 
und  wegen  der  Schriftlehre. 

Und  nicht  nur  „wegen  der  Möglichkeit"  nehmen  wir  Gott  als 
die  Ursache  der  Frucht  an,  sondern  auch  darum  sehen  wir  in 
Gott  den  Verursacher  der  Frucht,*  weil  die  Schrift  ihn  als  solchen 
lehrt.      So   giebt   es   unter   andern   eine  Schi iftstelle,  welche   sagt: 

35* 


548  ^'&dra.ka-]iiliDlk&iA 

^fibrwahr   dieser  grofae,  nugeborene  Atman  ist  Esser  der   Speise 
,»imd  Verleiher  der  Güter«'  (Bnh.  4,  4,  34). 


40.  ^dharmam  Jtwmnkrj  ata'  eva 
^e  Pflicht',  meint  Jadniini,  aus  denselben  Gründen. 


Hingegen  meint  der  Lehrer  Jaimini,  ^dafs  „die  Pflicht««  dasjenige 
'sei/ welches  die  Fmcht  verleiht,  und  zwar  „aus  denselben  Gründ^", 
'n&mlioh  weil  die  Schrift    es    lehre    und  wegen   der  Möglichkeit. 
'Die  Schrift  lehrt  es   nämlich,  indem   sie  z.  B.  sagt:   „wer    nach 
Sil  *„dem  Himmel  begehrt,  der  soll  opfern««.  |  Hier  ist  es  das  Opfer, 
/welches  der  Schnftrorschrifb  zufolge,  sofern  es  zu  einem  Gegen- 
«stande  des  Thuns  wird,   den  Himmel  heryorbringt.     W&re  dero 
«nicht  so,  so  würde  der  Opferdienst  ohne  ein  [dabei   interessiertes 
«und]  ihn  betreibendes  Subjekt  sein,  und  eine  Anweisung  zu  dera- 
-  «selben  wie  die   obige  wäre   zwecklos  [was   bei   einem  Yedaworte 
«nicht  anzunehmen  ist]'.  —  Aber  ist  damit  nicht  unsere  Behauptung 
aufgegeben,  dafa  das  Werk,  sofern  es  von  Augenblick  zu  Augen- 
blick zu  nichte  werde,  die  Frucht  nicht  hervorbringen  könne?  — 
«Das  schadet  nicht,   weil  hier  die  Schrift  Autorität  ist.     Soll  die 
«Schrift  überhaupt  Autorität  sein,    so  mufs   man  die  Verbindung 
«zwischen  Werk  und  Frucht  so,  wie  sie  in  der  Schrift  als  möglidi 
«gelehrt  wird,  annehmen.     Nun  kann  aber  das  Werk,  welches  Ter- 
«geht,  eine    zeitweilig  latent  bleibende  Frucht  nicht  anders   Ter- 
«leihen,    als   indem    es    irgend   ein   Apurmm    hervoi-briAgt.      Wir 
«müssen  ;al80  schliefsen,   dafs  es  ein  Apnrvam  gebe^    sei  es,   daf» 
«man  darunter  irgend  ein  unsichtbares  Fortbestehen   des  Werkes 
^  «oder  ein  solches  Vorausbesieheii  der  Finicbt  annimmt;    und  dieses 
«ist  in  der  genannten  Weise  möglich ;  hingegen  ist  es  nicht  möglich, 
«dafs  Gott  die  Frucht  verleihe;   denn   aus  einer  einheitlithen  Ur- 
«sacfae  kann  nicht  eine  vielheitliche  Wirkung  entstehen;  auch  wünli^ 
«dann  Gott  ungerecht  und  grausam  sein;  ein  Betroiben  des  Werkes 
«aber  würde  zwecklos  werden.    Somit  entspringt  die  Fnichi  lediglif^ii 
«aus  der  PÜieht^  so  ist  die  Meinung  [des  Jaimini]. 


41.   pürvam  tu  Bääarayana,  heta-vyapadegät 

hingegen  den  vorerwähnten  [pürvam^  nicht  apurvam] 
lehrt  Badaräyana,  weil  er  als  die  Ursache  beaeichnet 

wird- 

Hingegen,  nimmt  der  Lehrer  Uädaräyana  an,   dafs  „der  vorer- 
„wähnte««  Gott  die  Ursache  der  Frucht  sei,  während  hingegen  die 


Sutran  III.  n.  41.  540 

Annalime,  dafa  die  Frucht  aus  dem  blofseu  Werke  |  oder  auii  einem  842 
blofsen  jij>f«rt;äm .  entspringe,  durch  das  Schriftwort  ausgescblofsen 
wird.  Ob  Gott  dabei  Rücksicht  nimmt  auf  die  Werke  oder  etwa 
Rücksicht  nimmt  auf  ein  Apürvam^  das  mag  sein  wie  es  will,  jeden* 
falls  stammt  die  Frucht  von  Gott,  das  ist  die  endgültige  Meinung. 
Warum?  „weil  er  als  die  Ursache  bezeichnet  wird";  denn  sogar 
als  derjenige  wird  Gott  bezeichnet,  welcher  das  Gute  und  Böse 
thun  macht;  und  ebenso  als  der  Verleiher  der  Frucht:  denn  es 
heifst:  „denn  er  allein  machet  das  gute  Werk  thun  den,  welchen 
„er  aus  diesen  Welten  emporführen  will;  und  er  allein  machet  das 
„böse  Werk. thun  den,  welchen  er  abwart«  führen  will''  (Kaush*  3,  8). 
Auch  wird  diese  Sache  enrfthnt  in  den  Bhagavadgli^'s  (Bhag.  G. 
7,  21—22): 

„Wenn  einer  Hebreich  idiese  oder  jeuQ 
„Gestalt  im  Glauben  au  verehren  strebt, 
„So  bin  ich  es,  wofern  der  Glaube  fest  ist, 
„Der  für  den  Glauben  die  Vergeltung  ordnet. 
„In  seinem  Glauben  ist  der  Mensch  bemüht, 
„Das  was  er  glaubt  zu  Gunsten  sich  zu  stimmen; 
„Doch  was  an  Freuden  er  dafür  empfängt, 
„Das  Gute  wird  allein*  durch  mich  verhängt.'^ 

Hierzu  kommt,  dals  in  allen  Ved(^ut<at<ixteu  die  Schöpfungen  auf 
Gutt  als  Ursache  zurückgeführt  werden.  Und  daruni  ist  ja  gerade 
Gott  die  Ursache  der  Frucht,  weil  er  die  Geschöpfe  so  erschafft, 
wie  es  ihren  vormaligen  Werken  entspricht.  Was  hingegen  die 
Einwendungen  betrifft,  welche  aus  der  Unmögliclikeit  einer  Vielheit 
der  Wirkungen  [wo  die  Ursache  eine  Einheit  ist)  u.  s.  w.  genommen 
waren,  so  treffen  dieselben  nicht  zu,  weil  Gott  dabei  [wie  Sütram  2, 
1,  B4  ge;seigt]  auf  die  vollbrachten  Bemühungen  „Rücksicht  nimrat". 


Su  Iftttiet  in  dem  Korameat»re  zar  «lisiiohteii  ^arireikä-MMnakid  ^  dem  Werke  der 
verehruBgewIlrdlsÄi  Fttfee  des  ^afltara,  im  dritten  A4hyoffa  der  «weite  P»4a. 


Des  dritten  AdhyAya 

DKITTER   PADA. 


Omi   Vvrebrung  dem  liDobBteu  Ätraan! 


Erstes  Adhikarananu 

8*3      1,    sarva  -  vedanta  -pratyayam ,  codamX  -  &di  -  avi^eshiii 

[die  Lehre]  aller  Vedäntatexte  verdient  Glauben,  weil 
in  der  Aufforderung  u.  s.  w.  kein  Unterschied. 

Die  Wesenheit  des  Brahman,  welches  den  Oegenstand  der  Lehre 
bildet,  haben  wir  erkl&rt.  Jetzt  nun  ist  su  untersachen,  in  wie 
weit  die  Lehren,  welche  in  den  verschiedenen  Yedantatexten  ent- 
halten sind,  von  einander  zu  trennen  sind  oder  nicht.  —  Aber 
haben  wir  nicht  festgestellt,  dafs  das  Brahman,  welches  den  Gegen- 
stand dieser  Lehren  bildet,  von  allen  Unterschieden  des  Früheren, 
Späteren  u.  s.  w.  frei,  einheitlich  und  wie  der  Salzblock  eines  Ge- 
schmackes ist?  Wie  kann  also  da  der  Gedanke  kommen,  ob  die 
Lehren  über  ihn  verschieden  oder  nicht  verschieden  seien?  Denn 
man  kann  doch  nicht  behaupten,  dafs  es  die  Absicht  des  Yed&nta 
sei,  ähnlich  wie  es  eine  Vielheit  von  Werken  giebt,  auch  eine 
Vielheit  des  Brahman  zu  lehren;  indem  das  Brahman  eines  und 
eingestaltig  ist.  Auch  geht  es  nicht  an,  dafs  über  das  eingestal- 
Si4  tige  Brahman  verschiedengestaltige  Lehren  bestehen;  |  denn  dafs 
anders  die  Sache  und  anders  die  Erkenntnis  der  Sache  sei,  ist 
notwendigerweise  ein  Irrtum.  Und  gesetzt  den  Fall,  es  wfirden 
über  das  einheitliche   Brahman  vielheitliche  Lehren    in    den   ver- 


Sötrara  III.  in.  1.  551 

schiedeiieu  Vedantatexten  mitgeteilt,  mo  könute  nur  eine  derselben 
richtig,  die  andern  liingegen  würden  falsch  sein,  und  die  Folge 
.wäre  der  Verlust  des  Vertrauens  auf  den  VedÄnta.  Es  ist  also 
nicht  daran  zu  denken ,  dafs  in  den  einzelnen  VedAntatexten  'eine 
Verschiedenheit  der  Lehren  über  Brahman  statthabe.  Aucii  würde 
man  sich  bei  ihnen  nicht  darauf  berufen  können ,  dafs  ihre  Einheit 
in  der  Übereinstimmung  der  Anbefehlung  derselben  liege,  weil  die 
Erkenntnis  des  Brahman  ihrer  Natur  nach  nicht  anbefohlen  werden 
kann.  Denn  die  Erkenntnis  des  Brahman  wird  hervorgebracht 
durch  die  Belehmugen  über  Brahman,  welche  nidit  als  Endzweck 
eine  Vorschrift  haben,  sondern  bei  Darlegung  der  Sache  stehen 
bleiben ,  wie  dieses  der  Lehrer  ausgesprochen  hat  in  den  Worten : 
j^jenes  vielmehr  wegen  der  Übereinstimmung'*  (Sütram  1,  1,  4).  — 

Aber  wie  kommt  er  denn  dazu,  hier*  eine  Untersuchung  über 
Verschiedenheit  und  Nichtverschiedeuheit  [der  Lehren]  anzustellen? 
—  Wir  antworten:  hierin  liegt  kein  Fehler,  weil  diese  Unter- 
bucliung  über  Verschiedenlieit  und  Ni(^tyerschiedejiheit  der  Lehren 
nur  das  attributhafte  Brahman  betiifft,  so  wie  weiter  auch  den 
Pruiia  und  anderes.  |  Hierbei  ist  nämlich  ebenso  gut  wie  bei  den  ^^^ 
Werken  eine  Verschiedenheit  und  Nichtvcrschiodenheit  der  Ver- 
ehrangen  möglich.  Ja,  diese  Verehinngen  bringen  ebenso  wohl 
wie  die  Werke  teils  sichtbare,  teils  unsichtliare  Frucht,  indes  einige 
derselben  sogar  [im  Jenseits]  die  vollkommene  Erkenntnis  und 
durch  Vermittlung  derselben  die  Stufenerlösung  als  Frucht  bringen. 
l>ei  diesen  Verehrungen  ist  eine  Untersuchung  wie  die  folgende 
am  Platze,  ob  m  den  einzelnen  Vedantaiexton  eine  Verscliiedenheit 
der  Lehren  anzunehmen  ist  oder  nicht. 

Vorerst  nun  wollen  wir  an  die  [von  Jaimini  2,  4,  8  angeführten] 
(Trüiide  erinnern,  welche  füi*  die  Meinung  des  Opponenten  spröchen. 
'Zunächst  können  schon  die  Namen  [der  Vedaschulen]  als  Grund 
igelten,  eine  Verschiedenheit  anzunehmen,  wie  es  z.  B.  bei  dem  Worte 
S,Licht"  [welches  in  der  einen  Schule  d&s,  iu  der  andern  jenes 
'bedeutet]  und  andorm  der  Fall  ist.  Ähnlich  findet  sich  auch  bei 
^uns  für  die  in  den  verschiedenen  Ved^ntatexten  vorliegenden 
'F.ehreu  bald  dieser,  bald  jener  Name,  indem  man  z.  B.  von  einer 
'iiehre  des  Taittirlyakam,  |  des  V^jasaneyakam,  des  Kauthumakam.  S46 
'des  Kaushtlakam,  des  Qatyilyanakam  u.  s.  w.  spricht.  Weiter  ist 
*es  auch  die  Verschiedenheit  der  Form,  welche  wie  bekannt 
,eine  Verschiedenheit  der  Werke  bedingt;  z.  B.  da  wo  es  heifst: 
Sjdas  Milchgebräu  ist  für  die  Vicve  Devuh,  der  Molketrank  für  die 
S,Vajin*s,^'  und  anderwärts.  Eine  derartige  Verschiedenheit  in  der 
'Form  findet  sich  auch  bei  uns.  So  erwähnen  einige  Vedaschulen 
*bei  der  Fünf- Feuer -Lehre  ein  weiteres  sechstes  Feuer  (Bfih.  6, 
^2,  14)»  während  andere  derselben  nur  fünf  kennen  (Chäud.  5,  4 — 8). 
'So  werden  bei  dem  Rangstreite  der  Organe  als  die  Rede  u.  s.  w. 
'von  einigen  wenigere  (Chänd.  ö,  1,  H  — 11),  von  andern  mehrere 


J 


552  Q&rlrakft^mim&ftsA 

*(Hvili«  6,  1,  12)  »ufgez&hlt.  Endlich  kann  da,  wo  es  sich  nm  zu 
^Bevrirkendes  u.  s.  w.  handelt,  aaeh  die  Verschiedenheit  der 
'ObserTans  die  Frage  Teranlasaen,  ob  nicht  eine  Veirschiedenheit 

^^"^  *der  Werke  liozunehmen  seL  |  Ähnlidi  findet  sich  auch  bei  uns  eine 
'Verschiedenheit  der  Observanz ,  z.  B.  bei  dem  Kopfgelftbde  [dem 
'Gelübde,  ein  Becken  mit  glühenden  Kohlen  auf  dem  Kopfe  su 
'tragen]  der  Anh&nger  des  Atharva-Veda  [welches  nur  ia  einer 
'ihnen  angehörigen  Upanishad  (Mun^-  3,  2,  10)  vorkommt].  In  dei*- 
'selben  Weise  kann  man  die  übrigen  [von  Jaimini  beeprochenoD] 
'Gründe  für  eine  Verschiedenheit,  die  Wiederholung  u.  s.  w.,  je 
'nach  Lage  der  Sache  auch  an  den  verschiedenen  Ved&i^tatexten 
'durchführen.  Sonach  würde  in  den  verschiedenen  Ved&ntatextea 
'eine  Verschiedenheit  der. Lehren  vorliegen.'  - — 

Auf  diese  Annahme  erwidern  wir,  dafs  die  Lehren  s&mtlicher 
Vedantatexte  Glauben  verdienen  und  in  dem  einen  wie  in  dem 
andern  Texte  für  eben  dieselben  angesehen  werden  müssen.  Warum? 
„weil  in  der  Aufforderung  u.  s.  w.  kein  Unterschied".  Der  Zusatz 
„u.  8.  w."  dient,  um  die  [von  Jaimini]  in  dem  die  endgültige  Meinung 
enthaltenden  Sütram  ausgeführten  Gründe  für  die  Nichtversehie- 
denheit,  sofern  es  sicl^  um  das  Vorkommien  in  einer  andern  Veda- 
schule  handelt,  hier  heranzuziehen,  und  bedeutet,  dafs  „[eine  Ein- 
jjbeit  statthat]  weü  in  [Zweck*]  Verbindung,  Form,  Auf- 
„forderung  und  Benennung  un  Unterschi<^  nicht  vorliegt" 
(Jaim.  2,4,  9).  So  wie  nämlich  bei  dem  einen  Feueropfer  un- 
geachtet der  Verschiedenheit  der  Vedaschulen  eine  und  dieselbe 
Bemühung  des  Mensehen,  nftmlich  dafs  er  opfern  solle,  gefordert 
wird,  ebenso  findet  sich  auch  hier,  wenn  es  z.  B.  hei  den  V&ja- 
8aneyiu*3  heifst :  „fürwahr  wer  diesen  ältesten  und  edelsten  kennt" 
(Brih.  6,  1,  1),  eben  dieselbe  Aufforderung  auch  bei  den  Chan- 
doga's  (Ch&nd.  5, 1,  1).  Und  auch  die  Verbindung  mit  dem 
[zv  erstrebenden]  Zwecke  ist  in  beiden  Fällen  die  nämliche,  indem 
es  heifst:  „der  wird  der  älteste  und  edelste  unter  den  Seinigen" 
(Brih.  6,  1,  1:  vgl.  Chänd  5,  1,  1).  Und  auch  die  Form  der  Lehre 

S^^  ist  beiderseits  die  nämliche,  |  sofern  es  sich  um  die  Wesenheit  des 
Prana  handelt,  welche  mit  den  besonderen  Attributen,  dafs  er  der 
älteste  und  edelste  sei,  ausgestattet  ist.  So  wie  nämlich  die  Opfer* 
materie  und  die  Gottheit  die  Form  des  Opfers  bedingen,  ebenso  be- 
dingt das  zu  erkennende  Objekt  die  Form  der  Erkenntnia,  denn 
ihm  entsprechend  wird  sie  geformt.  Endlich,  trägt  diese  Lehre 
vom  Prana  beiderseits  auch  dieselbe  Benennung.  Somit  hat 
man  allen  Vedäntatexten  in  Bezug  auf  ihre  Lehren  Vertrauep  zu 
schenken;  denn  eben  das  Nämliche  läfst  sich  an  der  Fünf-Peuer- 
Lehre  (Brih,  6,  Chänd.  5),  an  der  Vaiyvanara-Lehre  (Ghänd.  5,  11  fg.. 
(^atap.  br.  10,  6,  1),  an  der  Gändilya- Lehre  (Chänd.  3,  14,  ^tap' 
br.  10,  6,  3)  u.  s.  w.  nachweisen.  Was  aber  die  Gründe  betrifft' 
welche ,   wie  z.  B.  Käme ,   Form  u.  s.  w. ,    scheinbar   für   eine  Ver- 


Satram  HL  iil  1/  563 

Bchiedeuheit  sprechen,  so  wurden  diese  bereits  im  ersten  Teile  von 
dem  Sutram  an:  „nicht  wegen  des  Namens  wird  die  Attfforderung 
„zu  einer  andern,  weil  er  eine  blofse' Benennung"  (Jaim.  2,  4,.  10), 
erledigt.  Und  auch  hier  werden  wir  den  einen  oder  andern  Untei- 
schied,  welcher  Bedenken  erregt,  erledigen. 


3.    hhedän  na!  iU  cen?  na!  tkasjfdm  api 

wegen  der  Verschiedenheit  nicht,  meint  ihr?  Nein! 

auch  bei  einer! 

'Nun  wohl',  köimte  man  sagen,  'aber  es  geht  doch  nicht  an, 
'deii  Lehren  aUer  Yed&ntatexte  Olmiben  zu  schenken,  weil  dabei 
'die  näheren  Bestimmungen  (gu^)  Ton  einander  abweichen.  So  z.  B. 
'erwähnen  die  Y^asaneyin's  da,  wo  sie  die  Fünf-Feuer*Lehre  zur 
'Sprache  bringen,  noch  ein  weiteres  sechstes  |  Feuer,  da  wo  es  849 
'heilst:  „dessen  Feuer  ist  das  Feuer"  u.  s.  w.  (Bfih.  6»  2,  14); 
'die  Chandoga*s  hingegen  haben  dieses  Feuer  nicht,  sondern  fassen 
'zum  Schlüsse  die  Feuer  nur  in  der  Fünfzahl  zusammen:  „nun  aber 
'„der,  welcher  diese  fünf  Feuer  kennt"  (Chftnd.  5,  10,  10).  Hieir, 
'wo  die  eilten  diese  nähere  Bestimmung  haben  und  die  andern 
'nicht,  kann  doch  nicht  bei  beiden  eine  und  dieselbe  Lehre  vor- 
'liegen;  auch  l&fst  sich  hier  keine  Zusammenfassung  der  Bestim- 
'mongen  annehmen,  weil  dem  die  Fünfiahl  entgegensteht.  —  Ahn- 
'lieh  steht  es  mit  dem  Rangstreite  der  Organe;  hier  erwähnen  als 
'Von  „dem  besten"  verschieden  die  Chandoga'p  die  vier  Organe, 
'Rede,  Auge,  Ohr  und  Manas  (Chänd.  5,  1,  8 — 11),  während  die 
'Väjasaneyin's  noch  ein  fünftes  Organ  erwähnen:  „fürwahr  der  Same 
'„ist  Prigäpati;  der  mehret  sich  an  Nachkommenschaft  und  Vieh, 
'„wer  Solches  weifs"  (Brih.  6,  1,  6).  Da  hier  eine  Verschiedenheit 
'in  dem  Mehr  und  Minder  besteht,  so  liegt  darin  eine  Verschieden- 
'heit  des  zu  Wissenden  und  mithin  eine  Verschiedenheit  der  Lehre 
'vor,  mit  demselben  Rechte,  mit  Reichem  durch  die  Verschiedenheit 
'dos  Opfermaterials  und  der  Gottheit  eine  Verschiedenheit' des  Opfers 
'bedingt  wird.'  — 

Auf  diese  Annahme  erwidern  wir,  dafs  diese  Einwendung  nicht 
zutrifft.  Denn  auch  in  dem  Zusammenhange  derselben  Lehre  ist 
eine  derartige  Abweichung  der  näheren  Bestimmungen  wohl  mög- 
lich. Denn  wenn  auch  das  sechste  Feuer  nicht  mit  zusammen- 
gefidst  wird,  so  werden  doch  die  fünf  Feuer  der  Himmeiswelt  u.  s.  w. 
beiderseits  anerkannt;  daher  hier  keine  Verschiedenheit  der  Lehre 
angenommen  zu  werden  braucht,  ebenso  wie  die  Übemachtsfeier 
dadurch  keine  verscldedene  wird,  dafs  man  dabei  die  sechzehnteilige 
Strophe  gebraucht  oder    nit^ht   gebraucht  (vgl.  p.  43,  1  Seite  12). 


i 

I 

I 


554  <^&rinika-mlmfcä8ft 

Erwähnt  wird  übiigens  das  seohste  Feaer  auch  too  den  Chandoga*s, 
nämlich  da  wo  es  heifst:  ,,i8t  er  dann  gestorben,  so  tragen  sie  ihn 
850  „weg  EU  seiner  Bestimmung  |  ins  Feuer ^'  (Gh4nd.  5,  9,  3).  Was 
liingegen  die  Vajasaneyin^s  betri£fl ,  so  heifst  es  bei  ihnen,  um  die 
bei  den  fünf  idealen  (sämpädika)  Feuern  aufgestellte  Annahme  des 
Brennholzes,  Bauches  u.  s.  w.  wieder  abzustellen:  „bei  demselben 
„[dem  natürlichen  Feuer]  ist  das  Feuer  oben  das  Feuer,  und 
„das  Brennholz  das  Brennholz'^  u.  s.  w:  (Brih.  6,  2,  14).  Hier 
haben  wir  nur  eine  Aussage  über  solches,  welches  immeiiort  gilt 
(mif/a'ßmwädah  Oder  auch  man  kann  annehmen  >  dafs  diese 
Aussage  gleichfalls  dem  Zwecke  der  Verehrung  dient;  und  auch 
dann  kann  diese  Bestimmung  auch  bei  den  Ghandoga's  mit  herein- 
genommen werden.  Hierdurch  wird  nicht  etwa  ein  Widerspruch 
gegen  die  Fünfzahl  zugelassen,  denn  diese  FünBeahl  befafst  nur 
die  idealen  Feuer,  ist  eine  Aussage  über  nicht  immerfort  Gül* 
tiges  (lies  anifya-  anuväda)  und  bildet  auch  keinen  integrierenden 
Teil  irgend  einer  YorscIiHfi;  daher  die  Sache  ohne  Bedenken  ist. 
—  In  derselben  Weise  kann  man  auch  bei  dem  .Rangstreits  der 
Organe  und  anderwärts  die  überschüssige  Bestimmung  ohne  Wider- 
spruch an  der  andern  Stelle  mit  hinzunehmen.  Wegen  einer  solchen 
Abweichung  in  dem  Mehr  und  Minder  ist  keine  Abweichung  des 
zu  Lehrenden  und  somit  keine  Abweichung  der  Lehre  anzunehmen 
nötig,  denn  das  Mehr  und  Minder  bezieht  sich  nur  auf  einen  ein- 
zelnen Teil  des  zu  Lelirendeu,  wälirend  das  Meiste  sowohl  an  dem 
zu  Lehi'enden  als  auch  bei  denen,  die  es  lehren,  übereinstimmt,  daher 
hier  eine  Einheit  der  Lehre  anzunehmen  ist. 


3.     sva-adhyäyasija  j  tathätvena  hi  satmicäre  'dhikäräc 

ca;  saravac  ca  tan-niyamah 

nur  für  das  Studium,  weil  es  als  so  zu  fassen  in  denj 
Sifctenspiegel  steht,  und  wegen  des  Vorhergehenden; 
und  wie  bei  dem  Fliefsopfer  ist  diese  JBinschrankung, 

Wenn  weiter  behauptet  wurde,  dafs  deswegen  eine  Verschieden- 
heit der  Lehre  vorliege,  weil  die  Atharvanika's  die  Lehre  in  Be- 
851  Ziehung  mit  dem  Kopfgelübde  (Mund.  3,  2,  11),  setzen,  |  während 
die  andern  eine  solche  Beziehung  nicht  annehmen,  so  ist  darauf 
zu  erwidern,  dafs  diese  Observanz  „nur  für  das  Studium *%  nicht 
für  die  JiChre  Bedeutung,  hat.  Dieses  ergiebt  sich  daraus,  dafs 
„als  so  zu  fassen^'  d.  h.  als  eine  Observanz  beim  Studium  „in  dem 
„Sittenspiegel",  d.  h.  in  dem  Buche,  welches  die  Observanzen  dieses 
Veda   enthält,   von  den  Anhängern  des  Atharva-Veda  auch  dieses 


Sütram  III.  iii.  3  555 

Gelübde  Ullier  den  vedischeü  Gelübden  erwähnt  wird.  Und  auch 
daraus,  dafs  esheiffit:  „dieses  soll  keiner  studieren,  der  nicht  das 
„Gelübde  yoUbringt*^  (Miiii4-  3^  2,  11),  ergiebi  sich,  wegen  des 
Wortes  „dieses*^  welches  sich  auf  das  Vorhergehende  bezieht,  und 
wegen  des  Wortes  „studieren",  dafs  wir  es  bier  mit  einer  Obser- 
vanz zu  ihnn  haben,  welche  sich  nur  auf  das  Studium  der  eige- 
nen Upanishad  bezieht.  —  'Aber  heifst  es  nicht  dabei,  auch: 
S,nur  solchen  lehre  man  dies  Brahmanwissen,  die  regelrecht  erfüllt 
•„das  Kopfgelübde"  (Mu^d.  3,  2,  10) V  Wird  hier  nicht  eine  Ver- 
^bindung  desselben  mit  dem  Brahmanwisäen  gelehit,  und  wird 
'nicht  damit,  da  das  Brahmanwissen  allerwärts  eines  ist,  auch  die 
'genannte  Observanz  beigemengt?'  —  Doch  nicht!  denn  auch  an 
dieser  Stelle  liegt  in  dem  Worte  „dies''  eine  Einschränkung  auf 
das  Yorhergchende,  und  diese  Berufung  auf  das  Vorhergehende  be- 
zieht sich  nur  auf  das  eine  Lehrbuch  des  Brahmanwissens,  daher 
aach  die  Observanz  nur  mit  dem  einen  Lehrbuche  zu  verbinden 
ist.  „Und  wie  das  Fliefsopfer  ist  diese  Beschränkung*';. hier  wird 
auf  einen  Vergleich  verwiesen.  Wie  nämlich  die  Fliefsopfer,  d.  h. 
die  sieben  Darbringungen  von  dem  Sonnenopfer  bis  zu  dem  Hun- 
dertroisopfer, mit  dem  in  den  andern  Veden  gelehrten  Dreiheits- 
Füuer  nicht  zu  verbinden  sind,  sondern  nur  mit  dem  im  Atharvan 
gelebrton  Einheitsfeuer,  somit  nur  auf  die  Anhänger  des  Atharva- 
Veda  eingeschränkt  wek'den,  ebenso  ist  auch  die  in  Bede  stehende 
Observanz,  indem  sie  nur  mit  einem  bestimmten  Studium  zu  ver- 
binden ist,  auf  dieses  allein  einzuschränken.  Auch  daraus  also 
läfst  sich  gegen  die  Einheit  der  [Brahman-]  Lehre  kein  Einwurf 
erheben. 


4.     dargayaü  ca  852 

auch  lehrt  er  es. 

„Auch  lelni^"  der  Veda  die  Einheit  der  Leluren,  indem  er  in 
allen  Vedäntatexten  auf  die  Einheit  des  zu  Lehrenden  verweist,  z.  B. 
wenn  es  heifst:  „ein  Wort  ist,  des  die  Veden  all  gedenken" 
(Käth.  2,  15);  —  „ihn  überdenken  die  Liederreichen  [Ke^itierer  des 
,.Rigveda]  in  dem  grofsen  Preisliede,  ihn  die  Ceremonienpmestor 
v[de8  Yajurveda]  bei  dem  Feuer,  ihn  die  Melodiensänger  [des 
„S&maveda]  bei  dem  grofsen  Gelübde'*  (Ait.  ar.  3,  2,  3,  12).  und 
wenn  es  im  Kathakam  heifst:  „ein  greiser  Schreck  ist^s,  ein  ge- 
„zuckter  Blitzstrahl"  CKäth.  6,  2),  so  wird  die  hier  als  Ursache 
des  Schreckens  genannte  Beschafifenheit  Gottes  im  Taittiriyakam, 
um  die  Auffassung  der  Vielheitlichkeit  zu  rügen,  herangezogen,  in- 
dem es  heifst:  „wenn  er  hingegen  in  ihm  eine  Höhlung,  ein  anderes 
„annimmt,  dann  hat  er  Angst;  es  ist  die  Angst  des,  der  sich  weise 


556  C^rlraka-mtmUnsä 

,,dünket''  (Taitt.  2,  7).  In  ihnlicher  Weise  wird  der  im  VArjasMie- 
yakam  (Qatapi  br.  10,  6,  1,  10),  als  „eine  Spanne  laiig^'  yorstellig 
gemachte  Vai^vanara  im  Ch&ndogyam  als  etwas  Bekanntes  heran- 
gezogen in  den  Worten:  „wer  aber  diesen  Atman  so  —  als  eine 
„Spanne  lang  —  und  als  unmefsbar  grofs  yerehrt'*  (Ghftnd.  5, 
18,  1).  In  dieser  Weise  werden,  weil  alle  Vedl^tatexte  Glaaben 
verdienen,  die  an  dem  einen  Orte  vorkommenden  Hymnen  u.  s.  w. 
an  andern  Orten  sur  Anbefehlung  der  Verehrung  gans  so  herbei- 
gez<^eu  wie  die  Begel  bei  dem  einzelnen  Beispiele.  Somit  ist  er- 
wiesen, dafs  auch  da,  wo  es  sich  um  Verehrungen  handelt,  alle  Ve- 
dAntatezto  Glauben  verdienen. 


Zweites  Adhikara^iam. 


853  5.  '  upasafnh(9ro  'rtka-ahhedäd  vidM-feskavat  sctmäne  ca 

und  bei  der  gleichen  [Lehre]  Zü^ammenfaBBung,  vf^gen 
Ungetrenntheit  d66  Zweckes,  sowie  bei  den  zum  Kultus 

gehörigen. 

Da  somit  die  Glaubwürdigkeit  aller  Vedantatexte  in  Bezug 
auf  ihre  Lehren  feststeht,  so  ist  für  besondere  Bestimmungen  der 
Lehren,  die  an  einem  Orte  vorkommen,  auch  anderwürts  „bei  der 
„gleichen^'  Lehre  eine  „Zusammenfassung^^  vorzunehmen,  „wegen 
„Ungetrenntheit  des  Zweckes ''.  Denn  derselbe  Zweck,  der  f&r 
diese  Bestimmungen  an  dem  einen  Orte  für  die  specieUen  Lehren 
mafsgebend  ist,  derselbe  bleibt  es  auch  an  andern  Orten;  denn 
beide  Male  hat  man  es  mit  einer  und  derselben  Lehre  zu  than. 
Daher  hat  eine  „Zusammenfassung"  stattzufinden,  „sowie  bei  den 
„zum  Kultus  gehörigen",  d.  h.:  sovrie  bei  den  zum  Kultus  ge- 
hörigen Pflichten  des  Feueropfers  u.  s.  w.  allerwärts  ein.  und  daii- 
selbe  Werk,  z.  B.  das  Feueropfer,  vorliegt,  und  wegen  dieser  Un- 
getrenntheit des  Zweckes  eine  Zusammenfassung  zu  bewerkstelligen 
ist,  ebenso  ist  es  auch  hier.  Wäre  nämlich  eine  Verschiedenheit 
der  Lehren  anzunehmen,  so  würde,  wo  die  Bestimmungen  zu  einer 
andern  Lehre  gehören,  und  ein  Zusammenhang  wie  der  zwischen 
Urform  und  Modifikation  nicht  vorliegt,  diese  Zusammenfassung 
nicht  vorzunehmen  sein;  weil  aber  die  Lehre  nur.  eine,  ist,  des- 
wegen ist  es  nicht  an  dem.  Übiigens  wird  dieses  Sütram,  in 
welchem  nur  das  Leitmotiv  angedeutet  wurde,  von  der  Stelle:  weil 


Sütram  IIL  iii.  5.  557 

,J|dieae  Lehre]  allerwäiis  die  n&mliche"  (Sütram  3|  3,  10)  an,  seine 
nähere  Ausfllhrnng  erhalten. 


Di^ittes  Adkikaranam. 


6.     anyathätvam  gabdad^  iti  cen?  na!  avifeshät  ^^ 

Andersheit  wegen  des  Schrift wortes,  meint  ihr?    Nein! 

weil  kein  Unterschied. 

Im  Vl^asaneyakam  heifat  es:  „da  sprachen  die  Oötter:  wohlan, 
»,lafst  uns  die  Dämonen  beim  Opfer  durch  den  Udgüha  [den  zweiten 
„Abschnitt  der  Säma- Liturgie]  überwinden!  Da  sprachen  sie  zur 
„Rede:  singe  du  für  uns  den  Udgltha!  So  sei  es,  sprach  sie^' 
(Brih.  1,  9y  1  —  2).  Weiter  werden  die  Lebensorgane  der  Rede 
u.  s.  w.  getadelt,  weil  sie  von  den  Dämonen  mit  Übel  durchdrungen 
wurden,,  und  dann  wird  ersählt,  wie  man  sich  an  den  Hukhya 
Prft^ia  wandte:  „da  sprachen  sie  zu  diesem  Prä^a  (Odem)  im  Munde: 
„singe  du  für  uns  den  Udgltha.  —  So  sei  es,  sprach  er.  —  Da 
,,sang  dieser  Pr&na  für  sie  den  UdgHha**  (Bpb,  1,  3,  7)»  —  Ähnlich 
heifst  es  auch  im  Chändogyam:  „da  holten  die  Götter  den  Udgttha 
„herbei;  denn  durch  diesen,  so  sprachen  sie,  werden  wir,  dieselben 
„überwinden"  (Chänd.  1,  2,1);  und  weiter  werden  die  übrigen 
Lebensorgane  getadelt,  weil  sie  von  den  Dämonen  mit  Übel  durch- 
drungen wurden;  und  dann  wird  ebenso  erzählt,  wie  man  Bilbh  an 
den  Mukhya  Prä^a  wandte:  „da  nun  geschah  es,  dafis  sie,  was 
„dieser  Odem  im  Munde  (rnukki^a  j[frä\M)  ist,  den  ids  den  Udgltha 
„verehrten"  (Chänd.  1,  2,  7).  —  Hier  wird  an  beiden  Stellen  ver- 
mittelst Verherrlichung  des  Pr^a  eine  den  Pr&na  betreffende  Lehre 
und  Vorschrift  beabsichtigt.  Dabei  erhebt  sich  der  Zweifel;  ob  hier 
I  eine  Verschiedenheit  der  Lehre  vorliegt,  oder  etwa  eine  Einheit  850 
der  Lehre? 

Angenommen  also,  ^es  liege,  der  oben  aufgestellten  Regel  entspre- 
^chend,  eine  Einheit  der  Lehre  vor\  —  Aber  eine  Einheit  der  Lehre 
Ist  doch  nicht  passend,  weil  eine  Verschiedenheit  des  Vorgehens  sich 
zeigt,  indem  anders  die  Väjasaneyiu's  und  anders  die  Chandoga^s 
vorgehen.  Denn  die  Vajasaneyin's,  wenn  sie  sagen:  „sin|^e  du  für 
„uns  den  Udgltha*'  (Bph.  1,  8,  2),  betrachten  den  Präna  .als  den 
Vollbringer  des  Udgltha;  die  Chandoga*s  hingegen  betrachten 
ihn  als  den  Udgltha  selbst,  wenn  es  heifst:  „ihn  verehrten  sie 
„als  den  Udgitha"  (Ch&nd.  1,  2,  7).    Wie  kann  also  hier  eine  Ein- 


558  QlLrSraka-mlm&nsä 

heit  der  Lehre  vorliegen?  —  ^Aber  diese  EinweDdiing  ist  nicht  gültig. 
^Denn  wegen  eines  so  geringen  Unterschiedes  geht  die  Einheit  der 
'Lehre  nicht  gleich  verloren,  da,  wie  man  sieht,  in  den  meisten 
Tunkten  kein  Unterschied  vorhanden  ist.  So  z.  B.  darin,  djars 
'die  Sache  ausgeht  von  einem  feindlichen  Zusammentreffen  von 
'Göttern  und  Dämonen;  dafs  die  Absicht  entsteht,  die  Dämonen 
'zu  üborwinden;  dafs  dabei  an  den  Udgltha  gedacht,  und  zu.  diesem 
'Zwecke  die  Rede  U/  s.  w.  erwuhnt  wird ;  dafs  man  sich  nach  ihrer 
'Verwerfung  an  den  Mukhya  Pruua  wendet,  und  dafs  durch  seine 
'Macht  ein  Zeratieben  der  Dämonen  erfolgt,  wie  das  eines  Erd- 
'klumpens,  der  auf  einen  Stein  föllt;  —  alle  diese  Züge  finden 
'sich  auf  beiden  Seiten  gemeinsam.  Und  eine  Verbindung  des  Präna 
'als  Subjekt  mit  dem  Udgltha  als  Prädikat  liegt  auch  im  Vaja- 
'saneyakam  vor,  da  wo  es  heifst:  „er  ist  fürwahr  der  Udgltha^' 
'(Brih.  1,  3,  23).  Somit  hat  man  auch  im  Ch&ndogyam  [den  Pr&na] 
'als  das  Vollbringende  anzusehen  und  folglich  liegt  hier  eine  Einheit 
•der  Lehre  vor.'  — 


856    7.    na  vAy  prakarana-bhedät,  parovaHyastva-ädi-vat 

oder  [vielmehr]  nicht,  wegen  Verschiedenheit  des  Vor- 
habens, sowie  da,  wo  vorkommt,  dafs  er   der  aller- 

vortrefflichste. 

„Oder  [vielmehr]"  es  ist  richtiger,  hier  nicht  eine  Eanheit,  son- 
dern eine  Verschiedenheit  der  Lehre  anzunehmen;  warum?  „wegen 
„Verschiedenheit  des  Vorhabens",  d.  h.  wegen  Verschiedenheit  des 
Unternehmens.  In  der  That  stellt  sich  dabei  eine  Verschiedenheit 
des  Unternehmens  heraus.  Was  zunächst  das  Chtlndogyam  betriff 
so  wird  in  den  Anfangs  Worten :  „Gm!  diesen  Laut  verehre  man 
„als  den  Udgitha"  (Ch&nd.  1,  1,  1),  der  Laut  „Om",  welcher  einen 
Bestandteil  des  Udgitha  bildet,  als  das  zu  Verehrende  gepriesen, 
und  nach  seiner  Beschaffenheit  als  die  allerfeinste  Essenz  u.  s.  w. 
geschildert.  Hierauf  heifst  es:  „über  diesen  Laut  besteht  folgende 
„Erzählung"  (Chand.  1,  1,  10),  womit  die  Stelle  wiederum  zu  dem 
Lrute  „Om"  als  einem  Bestandteile  des  Udgitha  zurücklenkt  und 
vermittelst  der  Erzählung  von  den  Göttern  und  Dämonen  darlegt, 
wie  man  diesen  [durch  den  Laut  Gm  versinnbildlichten]  Pr&na  als 
den  Udgltha  verehrte.  Wollte  man  nun  hierbei  unter  dem  Worte 
„Udgltha"  den  ganzen  Abschnitt  [der  Säma-Liturgie,  welcher  den 
Namen  Udgltha  führt]  und  den  Vollzieher  desselben,  nämlich  den 
Priester  Udgätar  verstehen,  so  würde  damit  dem  Eingange  wider- 
sprochen werden,  und  in  demselben  blofs  ein  bildlicher  Ausdruck 
zu  sehen  sein.     Es  mufs  aber  in  einer  zusammenhängenden  Stelle 


•  Sötram  III.  ni.  7.  559 

der  Schlars  voji  dem  Anfange  in  Abhängigkeit  stehen.  Somit  liaben 
wir  hier  eine  Versinnbildlichung  des  Prana  vermittelst  des  einen 
Bestandteil  des  Udgithn  bildenden  Lautes  ,f()m^'  anzunehmen.  — 
Was  liingegon  das  Vajasaneyakam  betnift,  j  so  liegt  bei  demselben  857 
kein  Grand  vor,  unter  dem  Worte  Udgltha  nur  einen  einzelnen 
Bestandtoii  desselben  zu  verstehen;  vielmehr  ist  hier  an  den  ganzen 
[Udgltha  genannten]  Abschnitt  der  Liturgie  zu  denken,  und  wenn 
es  heir:5t:  „singe  du  mn?  den  Udgltha"  (Bnh.  1,  3,  7),  80  wird  hier 
der  VoJlbringer  des  Udgitha,  nämlich  der  Priester  UdgatAi*,  bild- 
licli  als  der  Prana  vorgestellt,  und  dieses  ist  ein  anderes  Vorgehen. 
Und  wenn  dabei  auch  der  Prana  und  der  Udgltha  als  Subjekt 
und  Prädikat  mit  einander  verbunden  werden,  so  geschieht  auch 
dieses  nur  zu  dem  Zwecke,  den  als  den  Priester  Udgätar  vor- 
gestellten Prana  als  die  Seele  aller  Dinge  zu  lehren  und  reicht 
noch  nicht  hin,  um  eine  Einheit  der  liehre  zu  konstatieren.  L^nd 
eben  auch,  weil  dabei  das  Wort  Udgitha  [im  Gegensätze  zu  der 
andern  Stelle]  den  ganzen  Abschnitt  der  Liturgie  bedeutet,  liegt 
hier  die  Sache  anders.  Auch  dai'f  man  die  Auffassung  des  Pr&na 
al:^  Udgatar  nicht  darum,  weil  die  Sache  unmöglich  sei,  abweisen, 
indem  der  Prana  wie  als  Udgitha,  so  auch  als  TJdgatar  nur  zum 
Zwecke  der  Verehrung  aufgewiesen  wird,  j  Dieses  aber  ist  nicht  858 
unzutreffend,  sofern  der  Udgatar  sein  Werk,  das  Singen  des  Ud- 
gltha, durch  Anstrengung  des  Präna  (Odem)  verrichtet.  Und  auch 
dieses  sagt  die  Schrift  ebendaselbst  in  den  Worten:  „durch  die 
^,Hede  und  durch  den  Odem  (prä^a)  saug  er  den  Udgltha''  (Erik  1, 
^,  24).  Wo  aber,  wie  hier,  dasjenige,  was  gesagt  werden  soll,  ein 
Verschiedenes  ist,  da  darf  man  sich  nicht  durch  die  blofse  äufsere 
Form  der  Stelle  dazu  verleiten  lassen,  eine  Gleichheit  des  Inhalts 
anzunehmen.  So  z.  B.  heifst  es  in  der  Stelle,  welche  von  dem 
[versäumten  Mond-]  Aufgange  (Taitt.  samh.  2,  5,  5,  2),  und  in  der, 
welche  von  dem  Begehren  nach  Viehreichtum  handelt:  „man  teile 
.,dio  Reiskörner  in  drei  Haufen^';  und  dabei  heifst  es  auch  in  der 
Stelle  von  dem  Begehren  nach  Viehreichtam :  „die,  welche  von 
„mittlerer  GrÖfse  sind,  die  soll  mau  dem  Geber  Agni  als  einen 
„Reiskuchon  in  acht  Schalen  vorsetzen."  Hier  liegt  eine  Ähnlich-» 
keit  der  Unterweisung  vor,  und  gleichwohl  ist  das  Unternehmen 
ein  Verschiedenes;  denn  in  der  Stelle  von  dem  Aufgaugo  wird  von 
den  [betreffenden]  Göttern  abgegangen,  während  hingegen  die  Stelle 
von  dem  Verlangen  nach  Viehreichtum  eine  blofse  Opfervorschrift 
ist.  In  ähnlicher  Weise  ist  auch  hier  wegen  der  Verschiedonheit 
des  Unternehmens  eine  Verschiedenheit  der  Lehre  anzunehmen.  „So 
„wie  da,  wo  vorkommt,  dafs  er  der  allervortrefffichste",  d.  h.  so 
wie,  ungeachtet  der  Ähnlichkeit  der  Übertragung  in  der  bildlichen 
Auffassung  des  höchsten  Atman,  in  der  Stelle :  „der  Äther  ist  edler 
„aIs  diese  beiden,  der  Äther  ist  das  höchste  Ziel,  er  ist  der  aller- 
., vortrefflichste  |  Udgitha,    er  ist  der   unendliche^'  (Ch&nd.  1,  9,  1),  S59 


560  gftrlrAka-mt]nin8&. 

die  Yerehruiig  dös  UdgHha,  welcher  durch  die  Atiribaie  der  höch- 
sten Yortrefflichkeit  n.  tu  w.  aasgeseiohnet  wird,  Terschieden  ist  Yon 
deijenigen  Yerehrong  des  Udgitha,  in  welcher  er  durch  die  Atribute 
als  der  Mann  im  Auge  und  Sonne  mit  goldenem  Barte  a.  s.  w. 
ausgezeichnet  wird  (Gh&ncl.  1,  6 — 7).  So  wie  man  also  hier  keine 
Zusammenfassung  der  beiderseitigen  Attribute,  wiewohl  beides  bei 
derselben  Yedasehule  Torkommt,  anaunehmen  hat,  in  fthnlicher 
Weise  ist  es  auch  der  Fall  bei  derartigen  Y«rehrungen,  wo  ^e  in 
verschiedenen  Yedaschulen  Torkommen. 


8.    sanifnA'toQ  cet?  tad  uJctam;  asti  tu  tad  ßpi 

wegen  der  Benennung,  meint  ihr?    Darüber  ist  ge- 
sprochen; es  findet  sich  viehnehr  dieses  anch. 

Man  könnte  meinen,  dafs  wegen  der  Einheit  „der  Benennung^ 
eine  Einheit  der  Lehre  hier  anaunehmen  sei,  sofern  beide  Stellen 
bezeichnet  werden  als  die  „Lehre  vom  üdgttha'^  Aber  auch  das 
geht  nicht;  denn  „darüber  ist  gesprochen*',  nämlich  in  den  Worten : 
„oder  [yielmehr]  nicht  wegen  Yerschiedenheit  des  Yorhabena,  so  wie 
da,  wo  vorkommt,  dafs  er  der  alleryortre£Bichste  (SAtram  S,  3,  7). 
Daher  bleibt  hier  eine  Trennung  das  Biditigere,  denn  sie  beruht 
auf  dem  Wortlaute  des  Schrifttextes.  Die  Einheit  der  Benennung 
hingegen  ist  dem  Wortlaute  des  Schrifttextes  fremd  und  wird  nur 
wegen  des  Yorkommens  des  Wortes  „Udgitha''  von  den  pro* 
fanen  Besprechem  der  beiden  Stellen  ihnen  beigelegt.  Eine  sol- 
che Einheit  der  Benennung  findet  sich  daher  auch  bei  aner- 
kannt Yerschiedentm,  wie  %,  B.  der  Name  „Udglthalehre*'  auch 
bei  den  Yerehnuigen  als  der  allervortrefflichste  u.  a.  w.  Ähnlich 
sind  Feneropfer,  Neumond»opfer,  Yollmondsopfer  u.  s.  w.,  wie  sie 
in  dem  einen  Budie  der  K&Üiaka's  vorkommen,  anerkauntermaisen 
verschieden  und  tragen  doch  die  einheitliche  Benennung  „KAtha- 
kam'*;  und  ebensaist  es  hier.  Wo  hingegen  kein  derartiger  Grund 
SCO  für  die  Trennung  vorliegt,  |  da  kann  allerdings  aus  der  Einheit 
der  Benennung  auf  Einheit  der  Lehre  geschlossen  werden,  wie  z.  B. 
bei  der  Samvarga-Lehre  (Ghand.  4,  3.  Qatap.  br.  10,  3,  3). 


Sfttram  III.  iii.  \l  5ßl 


Viertes  Adhikaranatn. 


9.     vyäptet  ca  sama^jasam 

und  wegen  der  Durchdringung  ist  es  zußammen- 

stimmend. 

In  den  Worten:  „Om!  diesen  Lant  verehre  man  aln  den  Udglthu'' 
(Chtod.  1, 1, 1),  werden  die  Worte  „LaQt**  and  „Udgltha*'  als  3nbjekt 
und  Prädikat  mit  einander  verbanden.  Dies  liefse  sich  aus  einer 
Übertragung,  Absprechung,  Einheit  oder  Bestimmung, 
erklären,  und  es  fragt  sieb,  welche  Annahme  hier  die  richtige  ist. 
•^  Eine  Übertragung  {adhy&sa)  nimmt  man  da  an,  wo  von  zwei 
Dingen  der  Begriff  des  einen  auf  den  Begriff  des  andern,  ohne 
dafs  dieser  aufgehoben  würde,  übertragen  wird;  hierbei  bleibt  von 
dem  Dinge,  auf  welches  der  andere  Begriff  übertragen  wird,  der 
eigene  Begriff  bestehen,  wenn  schon  ein  anderer  Begriff  diarauf 
übertragen  wird  (lies:''  adhyastetarabuddhdv  opt);  ähnlich  wie, 
wenn  der  Begriff  des  Brahman  auf  den  Namen  übertragen  wird 
(vgl.  Ghl^nd.  7,  1,  5),  gleichwohl  der  Begriff  Name  bestehen 
bleibt  und  durch  den  Begriff  Brahman  nicht  aufgehoben  wird; 
oder  auch,  wie  wenn  s.  6.  der  Begriff  des  Yishnu  auf  die  Ab- 
bilder desselben  übertragen  wird.  In  gleicher  Weise  könnte  auch 
hier  der  Begriff  des  Udgitha  auf  den  I^aut,  oder  der  Begriff  des 
Lautes  auf  den  Udgitha  übertragen  sein.  —  Eine  Absprechung 
(apavdda)  liegt  da  vor,  wo  bei  einem  Dinge  der  ihm  früher  bei- 
gelegte Begriff  als  ein  falscher  erkannt  wird,  und  der  später  über 
dasselbe  entstandene,  der  Sache  entsprechende  Begriff  den  früher 
beigelegten  falschen  Begriff  aufhebt.  So  z.  B.  wird  der  Begriff 
des  Selbstes  bei  dem  Aggregate  des  Leibes  und  der  Sinne  durch 
den  an  dem  wirklichen  Selbste  (äinmni  eva)  gewonnenen  Begriff 
des  Selbstes,  welcher  hinterher  mittels  der  in  den  Worten  „das 
„bist  I  du*'  (Chand*  6,  8,7)  liegenden,  sachgemäXsen  Erkenntnis  861 
entsteht,  ssuuichte;  so  auch  wird  der  falsche .  Begriff  über  die 
Himmelsrichtungen  durch  den  sachgemäfsen  Begriff  über  die  Him- 
melsrichtungen vernichtet.  In  gleicher  Weise  könnte  auch  hier 
der  Begriff  des  Udgitha  durch  den  des  Lautes  oder  d^  des» 
Lautes  durch  den  des  Udgitha  vernichtet  werden.  —  Einv  Ein- 
heit (ekaivam)  hinwiderum  nehmen  wir  an,  wenn  die  Woi-te 
Laut  und  Udgitha  ihrem  Sinne  nach  nicht  übereinander  hinaus- 
reichen, wie  es  z.  B.  bei  den  Benennungen:  „Höchster  der  zweimal 
„Geborenen",  „Brahmane*',  „irdischer  Gott",  der  Fall  ist.  —  Eine 
Bestimmung  (vt^esluifiam)  endlich  würde  es  sein,  wenn  der  Laut 

Divtixir,  VcdAnt«.  36 


i 

J 


662  Q&rlrakarmlm&n8& 

*,Om'S  welcher  in  allen  Veden  sich  findet,  indem  er  vorgenommen 
wird,  auf  die  Sphäre  des  UdgithapriesterB  eingesi^hrankt  wird; 
ähnlich  wie  wenn  man  sagt:  bringe  mir  dort  diejenige  Lotosblnme, 
welche  blau  ist.  Ebenso  könnte  es  auch  hier  heifsen:  derjenige 
Laut  Om,  Welcher  der  Udgltha  ist,  den  soll  man  verehren.  —  In 
dieser  Weise  stellen  sich,  wenn  man  die  gnonmatische  Verbindung 
der  beideü  Worte  untersucht,  die  genannten  Möglichkeiten  ein. 
Da  nun  ein  Grund,  sich  für  das  eine  oder  andere  zu  entsehetdan, 
nicht  vorzuliegen  scheint,  so  könnte  man  annehmen,  'dafs  die 
'Sache  unentschieden  sei'.  -—  Hierauf  antwortet  der  Lehrer:  ,,nnd 
„wegen  der  Durchdringoxig  ist  es  susammenstimmend".  Das  Wort 
„und*'  vertritt  hier  die  Stelle  deb  Wortes  „aber  [vielmehr]**  und 
hat  den,  Zweck,  die  drei  gegnerischen  Meinungen  absulehnen. 
N&mlich  drei  der  genannten  Meinungen  werden  hier  mifsbiUigt 
und  verworfen,  und  die  vierte  Meinung,  nämlich  dafs  es  eine 
Bestimmung  sei,  wird  gebilligt  und  angenommen.  —  Was  zunächst 
die  Übertragung  betrifilt,  so  würde  bei  ihr  deijenige  B^riff, 
welcher  auf  einen  andern  übertragen  wird,  seinen  Namen  in  büd* 
liebem  Sinne  führen,  und  dafür  müfste  ein  Lohn  al^  Zweck  an« 
gegeben  sein.  Meint  ihr,  ein  solcher  Lohn  liege  vor,  weil  es  heUse: 
„fürwahr  der  wird  zu  einem  Erlanger  "-der  Wünsche**  u.  s.  w. 
(Chänd.  1,  1,  7),  so  bestreiten  vrir  das,  weil  hier  von  einem  Lohne 
für  etwas  anderes  die  Rede  ist^  denn  es  ist  der  Lohn  für  das 
Anschauen  des  [vorher,  Gh&nd.  1,1,6  beschriebenen]  ErlaugenB 
8€2  u.  8.  w.,  I  nicht  aber  f&r  die  Übertragung  des  Udgltha.  —  Auch 
bei  der  Absprechung  würde  in  gleicher  Weise  der  Lohn  fehlen. 
Meint  ihr,  der  Lohn  bestehe  in  der  Aufhebung  der  Msehen  Er- 
kenntnis, so  bestreiten  wir  das,  weil  eine  Verknüpfung  derselben 
mit  dem. Ziele  des  Menschen  hier  nicht  zu  ersehen  ist.  Auch 
kann  niemals  der  Begriff  des  Lautes  Om  oder  der  Begriff  de^a 
Udgitha  bei  den  betreffenden  Worten  aufgejioben  werden.  Übrigens 
hat  die  Stelle  auch  gar  nicht  den  Zweck,  die  Wesenheit  einer 
Sache  zu  lehren,  sondern  sie  enthält  nur  eine  Vorschrift  der  Ver- 
ehrung. —  Endlich  ist  auch  die  Annahme  der  Einheit  nicht  zu- 
lässig; denn  dann  wäre  der  Gebrauch  beider  Worte  zwecklos,  da 
schon  eines  allein  die  beabsichtigte  Sache  ausdrücken  würde.  Hierzu 
kommt,  dafs  für  den  Laut  Om,  soweit  er  der  Sphäre  des  Hotar 
oder  der  Sphäre  des  Adhvaryu  angehört,  die  Bezeichnung  als 
Udgltha  nicht  zutreffen  würde,  und  dafs  femer  der  Laut  Om  auch 
nicht  einmal  auf  den  ganzen  zweiten  Abschnitt  des  S&man,  welcher 
Udgltha  heifst,  anwendbar  sein  würde,  so  dafs  man  für  beide 
eine  Identität  des  Sinnes  annehmen  dürfte.  Es  bleibt  somit  nur 
übrig,  sich  dafür  zu  entscheiden,  dafs  er  eine  nähere  Bestimmung 
sei.  Nämlich  „wegen  der  Durchdringung**,  d.  h.  weil  dieser  Laut 
allen  Veden  gemeinschaftlich  ist,  und  damit  nicht  der  Laut  als 
ein   solcher,    alldurchdnngender,    hier   angewendet  werde,    daram 


Stktram  III.  m.  S».  56a 

wird  der  Jjaut  durch  das  Wort  Udgitha  näher  hestimmt,  damit 
auf  diese  Weise  der  Laut  Om  als  ein  Bestandteil  des  Udgitha 
aofgefalst  werde.  —  ^Aber  liegt  nicht  auch  bei  dieser  Annahme 
'gleichfalls  eine  nneigentliche  Bezeichnung  vor,  sofern  das  Wort 
^Udgttha  den  Sinn  einet«  einzelnen  Bestandteiles  desselben  ^hat?' 
—  I  Allerdings!  aber  auch  bei  einer  uneigentlicfaen  Bezeichnung  SGO 
ist  eine  gröfsere  oder  geringere  Annähemng  wohl  mdglich;  bei 
der  Annahme  der  Übertragung  nun  würde  der  Begriff  einer  andern 
Sache  auf  eine  ganz  andere  übertragen  werden,  und  die  Hetapher 
wftre  eine  sehr  fem  liegende;  bei  der  Annahme  der  Bestimmung 
hingegen  ist  die  Metapher  eine  naheliegende,  sofern  dabei  nui* 
durch  das  Ganze  ein  einzelner  Teil  desselben  bezeichnet  wird. 
Und  die  Worte,  welche  von  Komplexen  gebraucht  werden,  die 
finden  ja  auch,  wie  z.  B.  bei  dem  Tuche  und  dem  Dorfe,  ihre 
Anwendung  auf  die  einzelnen  Bestandteile  [die  Fäden  und  die 
Bewohner].  Also  «> wegen  der  Durchdringung  ist  es  zusammeu- 
„stimmend",  d.  h.  unanfechtbar,  dafs  in  dem  Worte  „Udgitha^'  eine 
nähere  Bestimmung  des  Wortes  ,,0m^*  liegt. 


Fünftes  Adhikaranam. 

10.     sarva-ahhedäd  anyatra  itne 

weil  [diese  Lehre]  allerwärts  die  nämliche,  gelten 
[auch]  anderweit  jene  [Bestimmungen]. 

In  der  Schule  der  V&jasaneyin's  und  der  Chandoga's  wird  in 
der  Stelle  vom  Rangstreite  der  Organe  die  Verehrung  des  Präna, 
welcher  als  der  edelste  bezeichnet  wird,  gelehrt,  und  hierbei  wird 
Ton  der  Rede  und  den  übrigen  gesagt«  dafs  ihnen  die  £igenschafteu, 
die  reidiate  u.  s.  w.  au  sein,  zukommen;  und  diese  Eigenschafben 
werden  dann  weiter  auf  den  Pr&na  übertragen,  indem  es  heilst:  „denn 
,,dafs  ich  die  reichste  bin,  dadurch  bist  du  der  reichste*^  u.  s.  w. 
(Brih.  6,  1,  14.  Ch&nd.  5,  I,  13).  Nun  kommt  aber  auch  in  andern 
Vedaschulen,  |  in  der  der  Kaashttakin*s  u.  s.  w.,  der  Rangstreit  der  864 
Organe  vor,  und  hierbei  heifst  es:  f,nun  folgt  das  Ergreifen  der 
„Höchstheit:  es  geschah,  dafs  diese  Gottheiten  sich  um  den  Vor- 
„rang  stritten"  u.  s.  w.  (Kansh.  2,  14).  Bei  dieser  Gelegenheit 
wird  gleichfalls  vom  Pr&na  gelehrt,  dafs  er  der  edelste  sei;  hin- 
gegen jene  Eigenschaften,  dafs  er  der  reichste  u.  s.  w.  sei,  werden 
uicht   von  ihm   erwähnt.     Hier  erhebt  sich  der  Zweifel,   ob  jene 

86* 


564  V&n>^<^^«-ii^^>niuä8ft 

Eigenschaften,  der  reichfite  u.  s.  w.ixu  soin,  welche  nur  lUi  einigen 
Stellen  vorkommen,  auch  bei  den  andern  hinzuzufügen  sind,  oder 
nicht?  —  Angenommen  also,  ^sie  seien  nicht  hinzuzufügen:  wanim? 
*weil  dabei ' das  Wort  „also"  gebraucht  wird.    So  heifst  es:  „wer, 
S,dieses  also  wissend,   an  dem  Prftna  den  Vorrang  erkannt  hat^* 
'(Eansh.  2,  14),  wobei,  wie  auch  sonst  vielfach,  durch  das  Wort 
^„also"  der  zu  wissende  Gegenstand  bezeichnet  wird.    Nun  bezieht 
'sich   aber  da»  Wort   „also"  auf  etwas   Nahestehendes  und  kann 
'nicht  auf  eine  ihm  entsprechende  Eigenschaft   verweisen,   die   in 
'einer  andern  Yedaschule  vorkommt.     Somit  mufs  eine  nichts  zu 
'wünschen  übrig  lassende  Yollst&ndigkeit   schon  durch  die  in  dem 
'Zusammenhange  der  Stelle  selbst  genannten  Eigenschaften  gegeben 
'sein'.  —  Auf  diese  Annahme  entgegnet  der  Lielnrer:  ,Jene"  Eigen- 
schaften, dafs  er  der  reichste  sei  u.  s.  w.,  müssen,  obwohl  sie  nur 
%n   einigen  Stellen  vorkommen,   doch  auch  bei  den  andern  hinzu- 
gefügt werden;  wai'um?   „weil  sie  allerwärts  die  nämliche";  d.  h. 
jene  eine  lichre  vomPrana  wird  allerwärts  als  die  n&mliche  wieder- 
erkannt, wie  man  an  der  Gleichmäli^igkeit  in  Bezug  auf  den  'B<Dg- 
d65  streit  der  Organe  ersieht.    |    Liegt   aber   hier  eine  Identität    der 
Lehre  vor,   so   ist   es   unumgängliche   dafs  man  die  an   der   einen 
Stelle    erwähnten    Eigenschaften    an    den    andern  hinzudenkt.   — 
'Aber  es  wurde  doch- gesagt,   dafs  das  Wort  „also"  an  der  einen 
'und  andern  Stelle  unabh^ogig  von  einander  die  ihm  entsprechenden 
'fieschaffenheiten  aU   das   zu   Wissende  bestimmt.   —  Hierauf  ist 
zu    erwidern:    wenn  auch    durch  das   Wort  „also",   welches  zuni 
Brahmanam  der  Kaushttakin's  gehört,   eine  Eigenschaft,  welche  im 
Br&hmanani  der  Yäjasaneyin^s  vorkommt,*  nicht  bezeichnet  werden 
kann^    weil   &ie   nicht  in   seiner  Nähe   steht,    so   wird   dock  diese 
Eigenschaft  für   dieselbe  Erkenntnis  durch  dasjenige  Wort  „also*' 
befafst,  welches  in  deni  Brahmanam  der  Yajasaneyin*R  (Bph.  6,  1,  14) 
vorkommt.     Hierauf  beruht  es.   dafs  die  Eigenschaften,   welche  in 
^nem    andern    \ 'cdatexte,    der   jedoch    von   der  nämlichen   Lehr« 
handelt,    vorkommen,    von    den    in    dem    eigenen   Yedatexte  vor- 
kommenden  Eigenschaften  nicht   zu   trennen    sind.     Hieraus  folgt 
keineswegs,  dafs  das  Schriftmäfsigo  aufgegeben  und  SchriftwidrigeB 
angenomirten   sei.      Denn  die  Eigenschaften,   welche  in  dem  einen 
Texte  vorkommen,  gelten  für  alle  Texte,  sofern  der  Träger  dieser 
Eigenschaften   der   nämliche  bleibt.     Denn  wenn  z.  B.  Devadatta, 
der    in    seinem    Lande    durch    die    Eigenschaften    der    Tapferkeit 
u.  s.  w.  berühmt  ist,  in  ein  anderes  Land  kommt,  dessen  Bewohner 
die  Eigenschaften   der  Tapferkeit  u.  s.  w.   an  ihm  nicht  bemerken, 
so   ist   er  darum  doch  nicht  jener  Eigenschaften  ermangelnd.     So 
wie  in  diesem  Falle  die  Eigenschaften  des  Devadatta  auch  in  dem 
fremden  Lande   aus  dem  näheren  Umgänge  mit  ihm   zu  erkennen 
sind,  ebenso  läfst  sich   aus  der  näheren  Art  der  Behandlung  er- 
kennen, dafs  die  in  dem  einen  Vedatexier  zur  Yerebrongempfol Jenen 


Sfttrkd  in.  m.  10.  565 

Eigendchaften  auch  in  dem  anderen  Vedatexie  hinzuzufügen  sind. 
Somit  folgt,  dafs  man  die  auf  die«  n&mliche  Sache  sich  beziehenden 
Qualitäten,  auch  wenn  nie  nur  an  der  einen  Stelle  genannt  werden, 
doch  an  allen  Stellen  hin2u4enken  mufs. 


Sechstes  AdMkaranam. 

« 

H.     dnanda-ädaycth  pradhänasya  b€6 

i 
i 

die  Wonne  u.  s.  w.  [gelten]  von  dem  Hauptgegenstande. 

An  den  Schriftstellen,  welche  den  Zweck  haben,  die  Natur  des 
Brahman  darzulegen,  werden  als  Eigenschaften  des  Brahman  bald 
die  Wonneartigkeit,  bald  das  Bestfehen  aus  Erkenntnis,  bald  die 
Allgegenwart,  bald  die  Allbeseelung  und  derartiges  mehr  genannt« 
Hierbei    erhebt  sich  die  Frage,    ob   die  Wonneartigkeit  und  die 
übrigen    [genannten]   Eigenschaften    des  Brahman  als    solche^   als 
welche  sie  vorkommen,  jedesmal  nur  da,  wo  sie  vorkommen,   für 
gürltig  zu  halten    sind,    oder  ob   sie  alle  allerwärts  gelten.     Auf 
die  Annahme,   'dais   diese  Eigenschaften  hur  für  den  jedesmaligen 
*TeiI  der  Schrift  Geltung  haben',  ist  zu  erwidern:  „die  Wonne  u.  s.  w. 
„[gelten]  von  dem  Himptgegenstande'S  d,  h.  von  dem  Brahman,  als 
Eigenschaften  desselben  alle  an  allen  Orten;  warum?  wieder,  „weil 
„die  Lehre  allerwärts  die  nämliche''  (SAtram.  3,  3»  10).    Denn  darin 
ist  kein  Unterschied,  dafs  es  allerwärts  einer  und  derselbe  „Hauptr 
„gegenständ^*  ist,  um  dessen  Bestimmungen  es  sich  handelt,  näm- 
lich   das  Brahman.     Darum  ist  die   Allgemeingültigkeit  der   [ge- 
nannten] Eigenschaften  des  Brahman  aus  demselben  Grunde   fest;- 
zuhalteä,  'Welcher  an  dem  im  vorigen  Adhik'aranam  vorkommenden 
Beispiele  von  der  Tapferkeit  u.  s.  w.  des  Devadatta  erläutert  würde. 
—  ^4.ber  niufs  man  nicht,  wenn  dem  so  ist,  |  auch  die  übrigen  9^7 
'[in  der  Stelle  von  dem  „Wonneartigen*',  Taitt.  2,  5]  vorkommenden 
^ßijgenschaften  alle  an  allen  Stellen  beimischen?     Denn  es  heifsl 
'doch  im  Taittiriyakam,   da  wo  von  dem  wonneartigen  Ätmah  die 
^Rede  ist,  weiterhin:  „Liebes  ist  sein  Haupt,  Freude  seine  rechte 
'„Seite,  Freudigkeit  seine  linke  Seite,  Wonne  sein  Leib,  Brahman 
'„sein  unterteil,  seine  Grundlage'*  (Taitt.  2,  5)'-  —  Hierauf  lautet 
die  Antwort: 


566  '(>rlraka-mtml^& 


12.  pri^a'^astva'ädi-aprdpHr,  upacaya^-apacayau  hi  bhede 

dafs  liebes  sein  Haupt  u.  s.  w.  sei,  ist  nicht  [all- 
gemein] gültig;  denn  ein  Mehr  und  Minder  besteht 
nur  in  [dem  Bereiche]  der  Vielheit 

Diu  im  Taittirlyakain  vorkommenden  Eigenschaften,  dafs  „Liebes 
,,8ein  Haupt"  u.  8.  w.  sei,  sind  an  andern  Stellen  nicht  gültig,  weil ' 
Eigenschaften  wie  Liebes,  Freude,  Freudigkeit  und  Wonne,  mögen 
sie  sich  nun  aufeinander  oder  auf  einen  andern  als  Geniefser  be- 
ziehen, von  der  Art  sind,  dafs  sich  ein  Mehr  und  Minder  an  ihnen 
zeigt;  ein  Mehr  und  ein  Minder-  aber  sind  nur  da  möglich,  wo  es 
eine  Vielheit  giebt;  das  Brahman  aber  ist  frei  von  der  Vielheit, 
wie  die  Schriftstelle:  „eines  nur  und  ohne  zweites"  (Chänd.  6,  2,  1) 
und    andere  beweisen.     Überhaupt  sind   die  Bestimmungen,    dafs 
„Liebes    sein  Haupt"   u.  s.  w.  sei^    gar  keine   Eigensdiaften  des 
Brahman,  sondern  sie  sind  nur  Eigenschaften  seiner  HuUe  (koga), 
wie  wir  dies  an  der  Stelle  „der  Wonneartige  wegen  der  Häufigkeit*^ 
(Sütram  1,  1,  12 — 19)  nachgewiesen  haben.*    Auch  werden  sie  bei 
dem. höchsten  Brahman  nur  als  ein  Mittel  gebraucht,  um  die  Ge- 
danken  auf  dasselbe  zu  lenken,  nicht  um  dasselbe  zu  schildern; 
und  dies  ist  nqch  ein  Grund  m«hr  dafür,  dafs  diese  Eigenschaften, 
„Liebes  ist  sein  Haupt"  u.  s.  w.  anderwärts  nicht  gültig  sind.    Wenn 
aber  der  Lehrer  speciell  diese  als  Eigenschaften  des  Brahman  in 
868  Betracht  zibht,  |  so  geschieht  es,  weil   er   sie  als  Beispiel  einer 
allgemeinen  Regel  betrachtet,  und  darum  zeigt,  wie  „Liebes  ist  sein 
„Haupt'^  u.  s.  w.   nicht  allgemein  gültig  sind.     Diese  Regel  nun 
betrifft  auch  andere  dem  Brahman  beigelegte  Eigenschaften,  welche 
zum  Zwecke  der  Verehrung  an  ihm  aufgezeigt  werden,  und  gilt  in 
all^n.F&Uen,  wo  Brahman  z.B.  als  „Behälter   des  Glückes **  (vgl. 
MuijLd.  3,  2,.  1),  als  „wahre  Wünsche  habend"  (Gh&nd.  8,  7,  1)  u.  dgl. 
beibrachtet   wird.     Denn   wenn  auch  das  zu   verehrende  Brahman 
eine  Einheit  ist,   so  findet  doch  je  nach  der  Verschiedenheit  des 
Vorgehens  eine  Verschiedenheit  der  Verehrung  statt,  und  hierbei 
dürfen  die  in  dem  einen  Falle  vorkommenden  Eigenschaften  nicht 
auf  den  andern  Fall  übertragen  werden.     Es  ist  damit .  ähnlich, 
wie  wenn  zwei  Gattinnen  den  einen  Gatten  bedienen ,  die  eine  mit 
dem  Fliegenwedel,  die  andere  mit  dem  Sonnenschirm.    Ebenso  wie 
hierbei   der,  welchem  gedient  wird,  einer  ist,  und   dabei  in  der 


*  Die  hier  vertretene  Auffassung  steht  in  Einklang  mit  den  Aus- 
führungen zu  Sütram  1, 1, 12— -19,  Seite  .49—55;  nicht  aber  mit  dem, 
was,  im  Anschlüsse  daraa,  Seite  55 —$0  ohne  Zweifel  von  anderer  Hand 
eingeschoben  worden  ist. 


S&tram  III.  in.  12.  567 

Verschiedenheit  des  Dieuens  zugleich  eine  Verscliiedenheit  von 
VerhUinissen  [an  demselben]  gegeben  ist,  ebenso  ist  es  auch  in 
unserem  Falle.  Denn  das  Mehr  und  Minder  von  Qualitäten  kommt, 
weil  es  das  vielheitliche  Treiben  voraasaetzt,  zwar  wohl  dem  attri- 
buthaften Brahman,  nicht  aber  dem  attriblitlosen  höchsten  Brab- 
man  zu.  Darum  haben  solche  Eigenschaften  wie  „Wahres  wün- 
„schend**  u.  s.  w. ,  wenn  sie  nur  an  einzelnen  Stellen  vorkommen, 
nicht  an  allen  Stellen  Gültigkeit. 


13.   itare  tUj  artha-s&mänyat 
hingegen  die  übrigen,  wegen  der  Identität  des  Zweckes. 

Was  „hingegen  die  übrigen"  Eigenschaften,  die  Wonne  u.  s.  \v. 
betrifft,  welche  die  Wesensbeschaffenheit  des  Brahman  darlegen 
sollen,  80  liegt  bei  ihnen  die  Sache  anders,  indem  dieselben 
,,wegen  der  Identität  des  Zweckes",  d.  h.  wegen  der  Einheit  des 
z\x  lehrenden  Brahman  als  ihres  Trägers,  alle  au  allen  Orten  Gül- 
tigkeit behalten;  weil  sie  [nicht  eine  Verehrung,  sondern]  nur 
und  allein  die  Erkenntnis  zum  Zwecke  haben. 


Siebentes  Adhikarat^anu 

14.    ädh^änäjfa,  prayojana-ahh&vU  «69 

/um  Zwecke    der   Meditation,    weil  kein   Motiv  vor- 
handen. 

Es  heilst  im  Kathakam:  „den  Sinnen  überlegen  sind  die 
„Dinge,  den  Dingen  überlegen  ist  das  Mmias",  und  wie  es  weiter 
heifst:  „dem  Geiste  ist  nichts  and'res  überlegen,  er  ist  das  End- 
„ziel,  er  der  höchste  jGrang"  (Kath.  3,  10  fg.)*  ^8  erhebt  sich  die 
Frage,  ob  hierbei  alle  die  Genannten,  die  Dinge  u.  s.  w. ,  immer 
eines  höher  als  das  andere  erscheinen  sollen,  oder  ob  der  Zweck 
nur  der  ist,  den  Geist  als  höher  als  alle  Yorhergeuannten  hinzu- 
sitelleuV  —  Man  könnte  denken,  'dafs  alle  die  Genannten,  eines 
4mmer  höher  als  das  andere,  hingestellt  werden  sollen;  denn  die 
'Schrift  sagt  ja,  dafs  dieses  höher  als  da^  und  jenes  höher  als 
*di«*ses  sei'.  —  Aber  geht  nicht  darüber,  dafs  viele  Dinge  al«? 
höher  bezeichnet  werden   sollen,   die  Einheit  des  Gedankens  Ter- 


568  gMraka-mliiiftAsfL 

loren?  —  *I)a»  »chadet  nicht,  weil  es  mdgUoh  ist,  dafii  die  Stelle 
'mehrere  Gedanken  enthält,  und  dafs  diese  mehreren  Gedanken 
*den  Zweck  haben,  von  mehreren  Dingen  zu  lehren,  dafs  sie  über 
'andere  erhaben  sind.  Somit  wird  hier  von  jedem  dieser  Dinge 
^gelehrt,  dafs  es  anderen  überlegen  Bei\  —  Auf  diese  Annahme 
erwidern  wir:  es  ist  vielmehr  »o,  dafs  nur  der  Geist  als  über  alle 
jene  andern  erhaben  hingestellt  werden  soll,  nicht  aber  aoU  ge- 
lehrt werden,  dafs  jedes  einzelne  überlegen  über  andere  sei;  warum? 
„weil  kein  Motiv  vorhanden**,  d.  h.  es  ist  kein  Motiv  ersichtlich  oder 
aus  der  Schrift  zu  entnehmen,  wegen  dessen  auch  die  andern  als  über- 
legen gelehrt  werden  sollten ;  was  hingegen  den  Geist  betrifft,  so  ist 
für  die  Darstellung  seiner  Überlegenheit  über  die  Sinne  u.  s.  w.  und 
870  seiner  Befreitheit  von  der  ganzen  Masse  des  Unheils  |  n.  s.  w.  aller- 
dings ein  Motiv  vorhanden,  nämlich  die  Erlangung  der  Erlösung. 
Und  dem  entsprechend  sagt  die  Schrift:  „wer  ihn  erkannt  hat,  dem 
„wird  Erlösung  aus  des  Todes  Bachen"  (E&th.  3,  15).  Auch  daraus, 
dafs  die  Möglichkeit,  es  gebe  ein  höheres  als  den  Geist,  geleugnet, 
und  dafs  durch  die  Bezeichnung  des  Geistes  als  „Endziel**  das  Inter- 
esse"  auf  den  Geist  gelenkt  wird,  ergiebt  sich,  dals  die  Aufzählung 
dei*  Reihenfolge  des  Früheren  und  Späteren  nur  den  Zweck  hat, 
auf  den  Geist  hinzuführen.  Dieses  geschieht  „zum  Zwecke  der  He> 
„ditation**,  d.  h.  [wie  Qankara  meint]  zum  Zwecke  der  auf  die 
Meditation  hin  erfolgenden  vollkommenen  Erkenntnis.  Nämlich 
nur  um  der  vollkommenen  Erkenntnis  willen  wird  hier  auf  die 
Meditation  verwiesen,  nicht  so,  dafs  die  Meditation  der  eigentliche 
Zweck  wäre. 

15.    ätma-gabdac  ca 
auch  wegen  des  Wortes  Atman. 

Auch  deswegen  hat  jene  Aufzählung  der  Reihenfolge  der  Sinne 
u.  s.  w.  nur  den  Zweck,  auf  den  Geist  hinzuführen,  weil  von  der 
Schrift  in  den  Worten  (K&th.  3,  12): 

„In  allen  Wesen  weilt  verborgen  er' 
„Als  Atman  und  tritt  nicht  ans  Licht  hervor. 
„Zu  schau'n  ist  er  darch  äufserstes  Verständnis, 
„Durcli  feinstes  -Solchen,  die  das  Feine  schanV*,  — 

der  in  Rede  stehende  Geist  als  der  „A.tman**  bezeichnet  wird; 
woraus  folgt,  dafs  alle  die  übrigen  für  das,  was  nicht  Atman  ist, 
erklärt  werden  sollen.  Darum  lehrt  aucli  nur  von  ihm  die  Schrift, 
dafs  er  schwer  erkennbar  und  nur'  durch  sehr  sorgsames  Denken 
erreichbar  sei,  und  verordnet  als  Mittel  ihn  zu  erkennen  die 
Modit«tion  in   den    Worten:   „es   hemme  Rede   samt  Verstand  der 


Sütran  in.  ni..  15.  569 

„Weise*'  (Kath.  3,  13).  Übrigens  haben  wir  diöa  bereits  besprochen 
an  den-  Stelle:  ,yauch  das  Gefolgerte  sei  'nach  Einigen*'  (Sütram  X, 
4,  1).  In  dieser  Weise  ist  ans  der  Schrift  (Käth.  3,  13)  eine  Über- 
legenheit über  die  mannigfaltigen  [andern]  Behälter  (lies:  aneha- 
piahirät^ayäii^aifd^)  nur  für  den  Geist  |,  nicht  f&r  die  übrigen  za  871 
entnehmen.  Und  auch  wenn,  es  heifst:  „der  hat  des  Weges  letsstes 
„Ende,  des  Yishna  hoohsten  Schritt  erreicht**  (Kath.  3,  9),  so  erhebt 
i{ioh  die  Frage,  was  wohl  „des  Weges  letates  Ende,  des  Yishau 
„höchster  Schritt**  sein  könne?  Und  um  auf  diese  Frage  zu  ant- 
Worten,  unterzieht  sich  die  Schrift  der  Bemühung,  die  Sinne  u.  s.  w. 
durchzugehen  und  dadurch  die  Belehrung  über  den  ,3  höchsten 
„Schritt**  mitzuteilen. 


Achtes  Ädhxkaranam, 

16.    ätma-grihUir  itaravad  uttanU 

NehmuDg  des  Atman,  wie  anderweit,  wegea  des 

Folgenden. 

E»  heifst  im  Aitareyakam:  „wahrlich  diese  Welt  war  zu  Aii- 
„fang  der  Ätman  allein;  es  war  nichts  anderes  da,  die  Augen  äuf- 
„zuschlagen.  Er  beabsichtigte:  tich  will  nun  Welten .  schaffen ». 
„Da  schuf  er  diese  Welten;  [es  sind:]  die  Flut,  die  Strahlen,  der 
„Tod,  die  Gewässer**  u.  s.  w.  (Ait.  1,  1,  1).  Hier  erhebt  sich  der 
Zweifel,  ob  unter  dem  Worte  „Atman**  an  dieser  Stelle  der  höchste 
Atman  zu  verstehen  ist  oder  irgend  ein  anderer. 

Angenommen  also,  *es  könnt-e  nicht  der  höchste  Ätman  sein, 
'welcher  mit  dem  Worte  „Ätman**  hier  bezeichnet  wird;  warum? 
*wegen  des  Zusammenhangs  der  Stelle'.  —  Aber  ist  es  nicht  viel- 
mehr gerade  der  Zusammenhang  der  Stelle,  welcher  auf  d^n  höchsten 
Ätman  sich  bezieht,  Bofem  in  ihr  die  Einheit  des  Ätman  vor  der 
Weltschöpfung  behauptet,  und  .sein  nach  vorherigem  Beabsichtigen 
erfolgendes  Schaffen  erwähnt  wird?  —  *Neiu',  so  könnte  man 
sagen.  |  *denn  es  ist  nur  von  einer  Schöpfung  der  Welten  die  S7*i 
*Kede;  denn  wo  der  höchste  Ätman  als  Schöpfer  vorkommt,  da  muf» 
«zuerst  die  Schöpl'ung  der  Elemente  (mdhdbhüt'a)  erwähnt  werden; 
*biür  hingegen  ist  sogleich  von  einer  Schöpfung  der  Welten  die 
*Redo;  die  Welten  aber  sind  specielle  Zusammenstellungen  aus 
*den  Elementen,  wie  denn  ja  auch  in  unserer  Stelle  die  Flut  u.  s.  w^ 
*für  die  Welten  [Welträume]  erklärt  werden,  in  den  Worten:  , Jenes 
'„ist  die  Piut  jenseits   des  Hinimeln**   u.  s.  w.  (Ait.  1,  1,  2).     Die 


570  ^fLrlnika-mlmliöft& 

^Schöpfung  der  Welträama  ab^  wird,  wie  aus  der  Schrift  und 
'Smriti  zu  erseben,  von  irgend  einem  dem  höchsten  Gotte  unter- 
*gebenen  Götterfaerm  (i^ara)  bewirkt  (vgL  darüber  Sütram  1,  3, 
*309  Seite  178,  180).  In  diesem  Sinne  sagt  eine  Schriftstelle:  ,|Zu 
'„Anfang  war  diese  Welt  der  Ätman  allein  in  Menschengestalt" 
'Q.  s.  w.  (Bf ib.  1,4,1).  Und  auch  die  Smfiti  sagt  (Mftrka$4®ya- 
'purftnam  46,  64) : 

'„Er  ist  der  Eörperträger  erster, 

'„Er  wird  der  Forusha  (Mensch)  genannt, 

S,Der  Erstlingsbildner  aller  Wesen, 

'„Der  als  Gott  Brahm&n  anßUiglich  entstand*'; 

'und  auch  die  Aitareyin's  erwähnen  in  einem  früheren  Abschnitte, 
'da  wo  es  heifst:  „nunmehr  die  Schöpfung  des  Samens;  der  Same 
/„des  Prajapati  sind  die  Götter*^  (Ait.  ^r.  2,  1,  3,  1),  dafs  die  Schö- 
^pfung  der  mannigfachen  Welt  nur  ein  Werk  des  Prajdpati  ist. 
^Auch  von  diesem  wird  nämlich  das  Wort  „Atman"  gebraucht;  z.  B. 
'wenn  es  heifst:  „zu  Anfang  war  diese  Welt  der  Atman  allein  in 
'..Menschengestalt^'  (Brih.  1,  4,  1).  Und  auch  wenn  von  ihm  be- 
^haup'tet  wird,  dafs  er  vor  der  Weltschöpfung  eine  Einheit  gevesen 
^sei,  so  läfst  sich  dieses  relativ,  nämlich  in  Beziehung  auf  seine 
'eigenen  Umwandlungen,  verstehen.  Und  auch  das  Beabsichtigen 
873  'ist  bei  ihm,  da  er  für  geistig  zu  halten  ist,  angemessen.  |  Endlich 
'auch,  wenn  es  heifst:  „diesen  fülu^te  er  eine  Kuh  Vor,  . .  .  diesen 
'„führte  er  ein  Pferd  vor,  .  .  .  diesen  führte  er  einen  Menschen 
'„vor;  sie  aber  sprachen"  (Ait.  1,  2,  2 — 3),  so  werden  in  dieseu 
'Woiien  mancherlei  Thätigkeiten  dem  Atman  beigelegt,  wie  sie  nur 
'bei  den  empirischen,  mit  Unterschiedlichkeiten  behafteten  Atman  s 
-vorzukommen  pflegen.  Deswegen  scheint  auch  hier  irgend  ein 
'mit  Unterschiedlichkeiten  behafteter  Ätman  verstanden  werden 
*zu  müssen*.  — 

Auf  diese   Annalmie    erwidern    wir,    dafs   es    nur  der   höchste 
Atman  sein  kann,  welcher  hier  zu  verstehen  ist,  „wie  anderweit'^; 
d.  h.:    ebenso    gut  wie    in    andern  Schriftstelleu    von    der  Welt- 
Schöpfung,  z.  B.  ir.  der  Stelle:  „fürwahr  aus  diesem  Atman  ist  der 
.jÄther  entstanden"  (Taitt.  2,  1),  der  höchste  Ätman  zu  verstehen 
iät,  —  und  ebenso  gut  wie  anderweit,  beim  weltlichen  Gebrauche 
des  Wortes  Ätman,  unter  dem  Atman  im   eigentlichen  Sinne  nur 
die  innere  Seele  verstanden  werden  darf,    —  ebenso  mufs  es  auch 
hier  sein.     Wenn  hingegen   in   der  Stelle:  „zu  Anfang  war  diese 
„Welt   der  ÄtmaTi  allein"  (Brih.  1,  4,  1),   ihm  unter  anderm  die 
Menschengestalt,  also  eine  ihm  fremde  Bestimmung,  beigelegt  wiid, 
so   mag  man   liiex*  an   einen  mit   Unterschieden   behafteten  Ätman 
denken;   an   unseror  Stelle  aber  ergiebt  sich  auch  aus  dem   weiter 
Folgenden   eine  Bestimmung,   welche  nur  an  den  höchsten  Atman 
zu  denken  evlaubl,  .soferji  es  weiter  heilst:  „er  beabsichtigte:  ich  will 


Sütr»m  HL  iii.  16.  571 

„nun  Welten  schaffen.    Da  schuf  er  diese  Welten^'  n.  s.  w.  (Ait.  1, 
1,  1).     Danim  ist  es  richtig,  vielmehr  ihn  hier  zu  yerstehen. 


17'    anvoff^d^  iti  cet?  syädt  avadhärandt 

wegen  des  Zusammenhanges;  meint  ihr!    Doch!  wegen 

der  Versicherung. 

Wenn  weiter  behauptet  wurde,  dufs  wegen  des  Zusammenhanges 
der  Stelle  nicht  der  höchste  Atman  verstanden  werden  dürfe,  so 
widerspricht  dem  der  Lehrer,  indem  er  sagt:  „doch,  wegen  der 
„Versicherung'* ;  d.  h.  es  mufs  doch  richtig  sein,  hier  den  höchsten 
I  Atman  zu  verstehen;  warum?  „wegen  der  Versicherung";  denn  S?^ 
nur  wenn  man  den  höchsten  Atman  versteht  (lies:  -^raAatie),  kann 
die  Versicherung,  dafs  der  Atman  vor  der  Weltschöpfung  eine 
Einheit  gebildet  habe,  zu  Rechte  bestehen,  und  im  andern  Falle 
würde  dieses  ohne  Berechtigfung  dastehen.  Wenn  aber  weiter  nur 
von  einer  Schöpfung  der  „Welträume'*  geredet  wird,  so  fassen 
wir  dies  so,  dafs  sie  als  eine  Folge  der  aus  andern  Schriftstellen 
bekannten  Schöpfung  der  Elemente  anzusehen  ist;  und  es  ist 
damit  ebenso  wie  bei  der  Stelle:  „dasselbige  erschuf  das  Feuer*' 
(Chlind.  6,  2,  3),  welche  wir  so  auffafsten,  dafs  die  aui^  andern 
Schriftstellen  bekannte  Schöpfung  des  Äthers  und  Windes  als  ihr 
Torhergegaugen  zu  betrachten  war  (vgl.  Sütram  2,  4,  1  fg).  Näm- 
lich wo  in  Bezug  auf  denselben  Gegenstand  in  irgend  einer  Schrift- 
stelle eine  Bestimmung  vorkommt,  da  ist  diese  bei  den  andern 
Schriftstellen  zu  ergänzen.  Wenn  man  femer  in  den  Worten: 
„diesen  führte  er  eine  Kuh  vor'*  u.  s.  w.  (Ait.  1,  2,  2),  dem  Atman 
specielle  Handlungen  zugeschrieben  findet,  so  mufs  man  auch  dieses 
so  auffassen,  dafs  es  zusammen Ubimmt  mit  den  Behauptungen  über 
das,  worauf  es  eigentlich  ankommt.  Dasjenige  nämlich,  worauf 
es  hier  ankommt, 'kann  nicht  die  Erzählung  der  ganzen  Lfgende 
sein,  weil  eine  Annahme  derselben  den  Zweck  des  Menschen  nicht 
fordern  würde.  Vielmehr  ist  dasjenige,  worauf  es  ankommt,  nur 
die  Lehre,  dafs  Brahman  die  Seele  ist.  Darum  lehrt  die  Stelle 
zunächst  die  Schöpfung  der  Welträume,  nämlich  der  Flut  u.  s.  w^ 
.und  der  Welthüter,  des  Agni  u.  s.  w.,  und  geht  dann  auf  die 
Organe  und  den  Leib  als  den  Träger  der  Organe  über,  um  sodann 
weiter  zu  zeigen,  wie  eben  jener  Weltschöpfer,  in  der  Erwägung: 
„wie  könnte  dies  wohl  ohne  mich  bestehen'^  (Ait.  1,  3,  11),  in 
diesen  Leib  eingeht,  indem  es  heifst:  „oi*  öffnete  hier  diese 
„Scheitelnaht  und  ging  durch  diese  Pforte  hinein'^  (Ait.  1,3,  12). 
Und  wiederum  heifst  es:  „[er  erwog:]  wenn  |  der  Rede  das  Reden,  S75 
vWenn    dem  Odem   das  Atmen   eigen    ist"  u.  s.  w. ,    —  hier   wird 


572  Q&riraka-mtml^a& 

die  Thätigki^it  der  Qrgime  yoq  ihm  nntierschiedeu,  —  nWer  bin 
,,denii  aber  ioh?^'  (Ait.  1,  3,  II).  und  nacbdem  er  also  erwogen 
hatte,  „da  erkannte  er,  dafs  diese  [seihe]  Person  das  von  Brah- 
„man  Durchsetzteste'^  [brakma-tatamam  angeblich  fftr  brah- 
ma-taia-tamam;  vgl.  dumishprapataramy  Ch&nd.  5, 10,  6,  oben 
Seite ^497]  „sei"  (Ait.  1,  3,  13),  —  wodurch  die  Anschauung,  dafs 
der  Atman  das  Brahman  ist,  ihre  Best&tigung  erhall,  und  wenn 
es  weiter  heifst:  „er  ist  Brahmän,  er  ist'  Indra"  und  hierbei 
das  gesamte  yielheitliohe  Sein  mitsamt  den  Elementen  au^geaiUt, 
und  sodann  gesagt  wird:  „alles  dieses  hat  die  Erkenntnis  als 
„Lenkerin,  ist  in  dem  £rkennen  gegründet;  die  Erkenntnis  als 
„Lenkerin  habend  ist  diese  Welt,  die  Erkenntnis  als  Grundlage 
„habend;  das  Erkennen  aber  ist  brahmänhalt  (brahmamy^  jjdi,  3,  3), 
so  bestätigen  diese  Worte  die  Anschauung,  dafs  der  Ätman  (die 
Seele)  das  Brahman  ist.  Somit  liegt  an  dieser  Stelle  ohne  Wider- 
rede eine  „Nehmung  des  Atman"  (S&tram  3,  3,  16)  vor. 

Hier  folgt  noch  eine  andere  Auslegung  [der  Sutra's  3,3, 

16—17]: 

•■••  '  ,  • 

Mma-gfihUir  itaravad  uttaräi 

'l^ehmnng  des  Atman,  wie  anderweit,  wegen  des  Folgenden. 

.  Wenn  es  im  Väjasaneyakam  heifst:  „was  ist  das  für  ein  Selbst 
„(ä^mon)?  —  Es  ist  imtef  den  Lebensorganen  der  aus  Erkenntnis 
„bestehende^  in  dem  Herzen  innerlich  leuchtende  Geist j^'  (Bfih.  4, 
3,  7),  so  hebt  diese  Stelle  sogleich  an  mit  dem  Worte  Atman  und 
lehrt  weiterhin,  indem  sie  von  eben  demselben  zeigt,  wie  er  tob 
allem  Haften  [am  Irdischen]  frei  ist,  dafs  der  Ätman  seinem  Wesen 
nach  Brahman  ist;  und  in  diesem  Sinne  heifst  es  zusammenfassend 
am  Schlüsse:  „fürwahr  dieser  groSse  ungeborene  Atman,  nicht  al- 
„temd,  nicht  welkend,  unsterblich  und  ohne  Furcht  ist  das  Brafa- 
„man''  (Brih.  4,  4,  25).  —  Anders  hingegen  liegt  die  Sache  im 
Ghändogyam;  denn  wenn  es  daselbst  heifst:  „seiend  nur,  o  Teurer, 
„war  diese  Welt  zu  Anfang,  eines  nur  und  ohne  zweites'^  (Ghftnd.  6^ 
2,  1),  so  wird  hier  ohne  Anwendung  des  Wortes  Ätman  begonnoi, 
und  erst,  in  dem  Re&ain:  „das  ist  der  Ätman,  das  bist  du*' 
(Chund.  6,  8,  7  fg»)  wird  auf  die  Wesenseinheit  mit  ihm  verwiesen. 
—  Hier  erhebt  sich  der  Zweifel,  ob  wohl  diese  beiden  Schriftstelien 
einen  gleichartigen  Inhalt,  oder  ob  sie  nicht  yielmehr  einen  un* 
gleichartigen  InhiiU  haben?  —  Angenommen  also,  'sie  hatten  einen 
'ungleichartigen  Inhalt,  wegen  der  Ungleichartigkeit  der  beiden 
876  'Erwähnungen;  |  denn  wo  in  der  Darlegung  eine  Ungleichheit  liegt, 
'da  darf  man  nicht  eine  Gleichheit  der  Sache  annehnien,  weil  die 
'Auffassung  der  Sache  nach  der  Art  der  Darlegung  sich  zu  richten 


Stoam  m«  III.  17.  573 

*Iuit.  Im  ydjasaneyakam  nun,  wo  sofort  ausgegangen  wird  von 
*dem  y^orte  Atman,  Tersteht  es  sich,  dafs  wir  eine  Belehrung  über 
'die  Wesenheit  des  Atman  Tor  ans  haben.  Im  Gh&ndogyam  hin- 
^gegen  ist  der  Ausgangspunkt  ein  anderer,  und  somit  mufs  doch 
^anoh  wohl  die  Lehre  hier  eine  andere  sein.^  —  Aber  sagten  wir 
nicht,  dafs  auch  bei  den  Ghandoga's  im  Refrain  die  Darlegung  der 
Weaenseinheit  sich  findet?  —  'Allerdings  sagtet  ihr  dies,  aber  da 
'das  Ende  einer  Stelle  durch  den  Anfang  bedingt  wird,  so  ist  hier 
'die  Annahme,  als  werde^die  Wesenseinheit  gelehrt^  nicht  sutrefTend.* 
So  meint  der  Opponent.  —  Auf  diese  Annahme  wird  erwidert: 
,,eine  Nehmnng  des  Atman''  mufs  auch  hei  den  Chandoga*s  in 
den  Worten:  „seiend  nur,  o  Teurer,  war  diese  Welt  zu  Anfang" 
(ChAnd.  6,  2,  1)  gefunden  werden;  wie  anderweit",  d.h.  ebenso 
wie  in  der  Stelle  der  y4ja8aneyili*B:  „was  ist  das  für  ein  Atman" 
(Brih.  4)  8,  7),  eine  „Nehmung  des  Atman"  angegeben  wurde; 
warum?  „wegen  des  Folgenden",  in  welchem  eine  Belehrung  über 
die  Wesenseinheit,  erteilt  wird. 

antfopäd,  iii  cet?  ay&d  avadhäranäl 

wegen  des  Zusammenhanges,  meint  ihr?     Doch,  wegen  der  Ver- 
sicherung. 

'Aber  wie  woUt  ihr  der  Behauptung  begegnen,  dafis  „w^gen  des 
'„Zusammenhanges"  [des  Schlusses]  mit  dem  Eingange,  und  da  doch 
'im  Eingange  eine  Erwähnung  des  Atman  nicht  vorliegt,  hier  keine 
'„Nehmung  des  Atman"  zuaugeben  sei?'  —  Hierauf  dient  zur  Antwort: 
„doch!  weg^n  der  Yersicherung",  d.  h.  es  ist  trotzdem  hier  das  Rich- 
tige, eine  „Nehmung  des  Atman"  zuzugeben,  „wegen  der  Yersiche- 
„rung".  Nämlich  in  den  Worten:  „wodurch  das  Ungehörte  ein  [schon] 
„Gehörtes,  da»  Unverstandene  ein  Verstandenes,  das  Unerkannte  ein 
„Erkanntes  wird"  (Cb&nd.  6,  1,  3)  liegt  die  Versicherung,  dafs  durch 
die  Erkenntnis  des  Einen  Alles  erkannt  werden  solle,  und  um  dieses 
zu  bewerkstelligen  heifst  es:  „seiend  nur"  u.  s.  w.  (Ch&nd.  6;^  2,  1); 
und  dieses  pafst  nur  dann,  wenn  nuux  eine  „Nehmung  des  Atman' ^ 
voraussetzt ;  denn  sonst  würde  ja  der  Ätman  im  eigentlichen  Sinne 
des  Wortes  1  nicht  erkannt  werden,  und  somit  nicht  zutreffen,  dafs  87' 
[durch  ihn]  alles  erkannt  worden  sei.  Hierzu  kommt  „die  Versiehe 
„rung"  seiner  Einheit  vor  der  Weltachöpfung;  femer  die  Erwäh- 
nung der  individuellen  Seele  als  des  „Atman"  und  die  Auseinander- 
setzung, wie  dieselbe  im  Stande  de?  Schlafes  in  ihre  eigene  Wesen- 
heit eingehe ;  endlich  noch  die  auf  die  Bitte  [um  weitere  BeUhrung] 
hin  immer  wieder  und  wieder  gegebene  „Versicherung"  der  Worte  : 
„das  bist  du"  (Chänd.  6,  8,  7  fg.);  alles  dieses  ist  nur  dann  in 
Ordnung,  wenn  die  Wesenseinheit  hier  wirklich  gelehrt  wird,  nicht, 
wenn  diese  Wesenseinheit  als  eine  blofse  Folge  erscheint.  Auch  ist 
CS  niclit  berechtigt,  sich  hier  auf  die  Abhängigkeit  des  Inhaltes,  vom 


574  (arlraka-mim&üsä, 

Eingänge  zu  berufen;  denn  in  dem  Eingange  ist  weder  davon  die 
Rede,  dafs  der  Atman  behandelt  werden  solle,  noch  anchy  da/s  er 
nicht  behandelt  werden  solle;   eine  solche  Allgemeinheit  des  Ein- 
ganges  steht  mit  der  Specifikation  durch   das  Folgende   nidit  in 
Widersprach;    denn    das  Allgemeine  erfordert  eine  solche  Speci- 
fikation.    Und    auch    die  Bezeichnung   als  „das  Seiende^*    pafst, 
wenn^  man   sie  nti&er  ins  Auge  fafst,  auf  nichts  anderes  aU  auf 
den  Atman  im  eigentlichen  Sinne,  weil  alle  von  ihm  verschiedenen 
und  gewordenen  Dinge  durch  das  [darauf  folgende]  Wort  von  dem 
sich- Anklammern  (vgl.  Sütram  2,1,  14)  als  nicht -real  bezeichnet 
werden.     Auch  die  Ungleichartigkeit  der  Darlegung  bedingt  nicht 
notwendig  eine  Ungleichartigkeit  des  Inhaltes;  vielmehr  kann  sie, 
wie  die  Ausdrücke:  „hole  die  Schale ^^  und  „die  Schale  hole**  be- 
weisen,    auch   bei  Gleichartigkeit    des    Inhaltes    bestehen.     Somit 
steht  es  fest,   dafs  in  den  Stellen  dieser  Art,  wennschon  die  Art 
der  Darlegung  eine  verschiedene  ist,  doch  der  darzulegende  Inhalt 
sich  nicht  von  einander  unterscheidet. 


Neuntes  Adhikaranam. 

* 

876  18.     kärya-äkhifänäd  apiMrvam 

wegen  der  Erwähnung  als  Obliegenheit  das  noch 

nicht  Dagewesene. 

Die  Chandoga*8  und  Vajasaneyin's  lehren  bei  dem  Rangstreite  der 
Organe,  dafs  alles,  bis  zu  den  Hunden  u.  s.  w.  herab ,  dem  PHlns 
zur  Nahrung  diene,  und  erwähnen  dabei,  dafs  das  Wasser  ihm  als 
Kleid  diene.  Darauf  heifst  es  bei  den  Chandoga^s:  „darum  fürwahr 
„umhüllen  die,  welche  essen  wollen,  ihn  vorher  und  nachher  mit 
„Wasser"  (Chänd.  5,  2,  2).  Ebenso  heifst  es  bei  den  Yäjasaneyin's : 
„darum  geschieht  es,  dafs  die  Wissenden,  Schriftkundigen,  wenn 
„sie  essen  wollen,  sich  den  Mund  ausspülen,  und  ebenso,  wenn 
„sie  gegessen  haben,  ihn  ausspülen;  denn  damit  wollen  sie  diesen 
„Lebenshauch  unentblöfst  machen;  [das  Folgende  nur  in  der  Mä-  j 
„e/Ayaitd«na-Receu8ion,  Qat.  br.  14,  9,  2,  15]  darum  soll,  wer  solches  ' 
„weifs,  wenn  er  essen  will,  den  Mund  spülen  und,  nachdem  er  ge- 
„gessen  hat,  den  Mund  spülen;  denn  damit  bewirkt  er,  daüs  dieser 
„Lebenshauch  unentblöfst  sei"  (Brih.  6,  1,  14).  An  diesen  Stellen 
finden  wir  einerseits  das  Ausspülen,  anderseits  die  Fürsorge  fUr 
die  Nichtentblöfsung  des  Pr^na  erwähnt,  und  es  entsteht  die  Frage, 
üb  hier  alles  beides  anbefohlen  werden,  solle  oder  blofs  das  Aus- 


Sfttpam  IIL  III.  18.  575 

spülen,  oder  blofa  die  Fürsorge  (  fiu'  die  Nichtentblöfsung.  —  An-  879 
genommen  also,  ^alles  beides  würde  anbefohlen;  warum?  weil  beides 
'vorliegt;  auch  verdient  beides  eine  Vorschrift,  weil  es  noch  nicht 
'dagewesen  war\  Oder  auch  man  kann  annehmen,  ^nur  das  Aus- 
'spülen  werde  anbefohlen,  weil  bei  diesem  eine  die  Vorschrift  aus- 
*drückend«  Flexionsform  [der  Conjunktiv]  vorliegt  in  den  Worten: 
'„darum  soll,  wer  .solches  weifs,  wenn  er  essen  will,  den  Mund 
'„spülen,  und  nachdem  er  gegessen,  den  Mund  spülen^'  (Qatap.  br« 
'14,  9,  '2, 15);  die  Erwähnung  des  Nichtentblöfst-Lassens  w&re  dann 
'nur  zui*  Verherrlichung  dieser  Vorschrift  hinzugefügt'.  —  Auf 
diese  Annahmen  erwidern  wir:  es  ist  nicht  anzunehmen,  dafs  hier  das 
MundauBspülen  anbefohlen  werde  „wegen  der  Erwähnung  als  Ob- 
,Jiegenheit'*;  denn  dieses  Ausspülen  rscheint  nur  als  eine  Obliegen* 
heit|  welche  der  Reinlichkeit  dient,  aus  der  Smriti  (vgl.  Manu  2, 
53)  bekannt  ist  und  hier  blofs  nebenbei  «rwahnt  wird.  —  *Aber 
'kennte  nicht  unsere  Schriftstelle  für  jene  Smritistelle  die  Quelle 
'sein?*  -*-  Doch  nicht!  weil  der  Gegenstand  ein  verschiedener  ist. 
Denn  diet  entsprechende  Smiitistelle  hat  es  nur  mit  dem  Menschen 
zu  th]un  und  .verlangt  das  Mundausspülen  zum  Zwecke  d^  Bein- 
lichkeit;  unsere  Schriftstelle  hingegen  behandelt  als  Thema  die 
Lehre  Tom  Pr&na,  und  wenn  sie  das  Ausspülen  anbefiehlt,  so 
kann  sie  ea  nur  mit  Beziehung  auf  ihn  anbefehlen.  Vf  o  aber  eine 
Stelle  der  Schrift  und  eine  solche  der  Smpti  von  verschiedeDem 
Inhalte  vorliegen,  da  können  sie  sich  nicht  als  Quette  und  Ab- 
geleitetes zu  einander  verhalten.  Auch  kaim  man  sich  nicht  dabei 
beruhigen,  dafs  unsere  Schriftstelle  das  Ausspülen  anbefehle,  weil  es 
zu  der  Lehre  vom  Pr&^a  in  Beziehung  stehe  und  vorher  noch 
nicht  dagewesen  sei;  vielmehr  wird  das  Ausspülen  als  ein  schon 
Dagewesenes,  welches  nur  zu  dem  Menschen  in  Beziehung  stand,  hier 
wieder  erwähnt.  Aus  demselben  Grunde  kann  auch  nicht  beides 
anbefohlen  werden.  Auch  würde  hierunter  die  Einheit  der  Stelle 
leiden.  Es  ist  daher  vielmehr  so,  dafs  das  übliche  Munda^isspülen 
vor  und  nach  dem  Essen  |  beides  erwähnt  wird,  worauf  dann  in  880 
den  Worten:  „denn  damit  wollen  sie  diesen  Lebenshauch  unent- 
„blöfst  machen'^  (Brih.  6,  1,  14)  durch  unsere  Stelle  die  Anschauung 
der  UnentblÖfstmachung  des  Präna,  indem  man  mit  Wasser  spült, 
als  zusammenhängend  mit  der  Lehre  vom  Pr&na  und  als  ein 
„noch  nicht  Dagewesenes"  gelehrt  wird.  Diese  Lehre  von  der 
Unentblöfstheit  dient  keineswegs  zur  Verherrlichung  dea  Mund- 
ausspülens,  denn  das  Mundausspülen  ist  [hier]  nicht  der  Gegenstand 
der  Vorschrift,  sondern  als  Gegenstand  der  Vorschrift  ergiebt  sich 
die  Anschauung  der  UnentblÖfstmachung  selbst.  Indem  dieses  so 
ist,  so  ist  damit  keineswegs  zugestanden,  dafs  das  eine  Mundaus* 
spülen  zwei  Zwecke  habe,  den  der  Reinigung  und  den  der  Um- 
kleidung, weil  ersteres,  wie  wir  annehmen,  ein  ganz  anderes  Werk 
ist,'  denn  für  ein  anderes  Werk  gilt  das  Ausspülen,  welches  zur 


576  Q&i1raka^mlmlins& 

Reinhaltapg  des  Menschen  dient,  und  fär  ein  anderes  Werk  wieder 
gilt  es  uns,  wenn  man  mit  den  dasu  dienenden  Wassern  die  An- 
scliauang  einer  Umkleidong  Terbindet,  welche  als  bezweckend»  den 
PrAna  zn  umhüllen,  angenommen  wird.  Femer  auch:  wenn  es 
heifst :  ,,alles  was  Torhanden  ist  bis  herab  zu  den  Hunden,  zu  den 
„Tögeln,  zu  den  Würmern,  dm  E&fem  und  dem  Geflügel,  das  ist 
„deine  Speise^*  (Bph.  6,  1«  14,  Termengt  mit  Chand.  5,  2,  1),  so 
kann  man  nicht  annehmen,  dafs  hier  befohlen  werde,  alles  als 
Speise  zu  sich  zu  nehmen,  denn  dieses  wftre  schriftwidrig  und 
auch  unmöglich;  sondern  wenn  es  heilst,  alles  ist  die  Speise  des 
Präna,  so  wird  hier  nur  die  [geistige]  Anschauung  desselben  als 
Speise  anbeföhlen.  Und  wenn  es  nun  ireiter  im  Gefolge  daTon 
heifst,  das  Wasser  sei  sein  Kleid,  so  ist  auch  hier  dasjenige,  was 
anbefohlen  wird,  nicht  ein  Mu)idaus6pülen  mit  dem  Wasser,  son- 
dern es  wird  vielmehr  befohlen,  das  wie  bekannt  zum  Mundaus- 
spülen gebrftuchliche  Wasser  [in  geistiger  Weise]  als  eine  Um- 
Üeidung    [des  Pr&na]    anzuschauen.     So.  stimmt   es  zusammen;   | 

881  denn  es  fruchtet  nidits,  nur  halbe  Arbeit  zu  thnn.  Auch  heifst  es: 
„sie  spülen  den  Mund  aus",  un^  dieses  Wort  kann,  weil  es  etwas 
wirklich  Geschehendes  [indikativisch]  bezeichnet,  nicht  für  eines 
Befehl  gelten.  *Aber  heifst  es-  nidit  auch:  „damit  wollen  sie 
'„machen",  und  liegt  hierin  nicht  gleichfalls  der  Hinweis  auf  ein 
'  ^schon  wirklich  Geschehendes?'  —  Das  ist  wahr;  aber  da  dodi 
eines  von  beiden  notwendig  das  Anbefohlene  sein  mufs,  so  ist 
wegen  der  Erw&hnung  der  Wirkung  des  Bekleidens  dasjenige,  was 
als  ein  noch  nicht  Dagewesenes  l^er  anbefohlen  wird,  die  Vor- 
stellung des  Cmkleidens,  nicht  aber  das  Mundausspülen,  da  diese$i 
ein  schon  [im  Ceremonial]  Dagewesenes  ist.  Wenn  weiter  be* 
hauptet  wurde,  dafs  gerade  bei  dem  Ausspülen  eine  Flexioasform 
[der  Goi^unktiv]  vorkommt,  welche  offenbar  befehlend  ist,  so  ist 
auch  das  dadurch  zu  beantworten,  dafs  das  Ausspülen  schon  früher 
dagewesen  war.  Aus  diesem  Grunde,  d.  h.  weil  es  nicht  darauf 
ankommt,  ein  Ausspülen  zn  befehlen,  beschliefsen  die  K&nva^s  die 
Stelle  mit  den  Worten:  „denn  damit  wollen  sie  diesen  Lebenshauch 
„unentblölst  machen"  (Brih.  6,  1,  14),  und  sie  fugen  nicht  hinzu: 
„darum  soll  wer  solches  weifs"  u.  s.  w.  Hieraus  folgt,  dafs  andi 
bei  der  Lesart  der  Mikdhyandina's  [welche  allein  den  letzteren  Zu- 
satz haben,  Qatap.  br.  14,  9,  2,  16]  mit  der  Wiedererwfthnung  des 
[schon  im  Ceremonial  dagewesenen]  Ausspülens  nur  gesagt  sein 
soll,  daili  dasselbe  hier  nur  denjenigen  anbefohlen  wird,  welche  „aol- 
„ches  wissen",  nämlich,  dafs  darin  eine  Vorschrift  liegt,  den  in  Rede 
stehenden  Präna  zu  umkleiden.  —  Wenn  weiter  noch  angenommen 
wurde 5  dafs  an  der  einen  Stelle  (Qatap.  br.  14,  9,  2],  16  M&dhy.) 
ein  Ausspülen,  an  der  andern  (Brih.  6,  1,  14  Känv.).  die  Au&ssung  | 
desselben  als  eine  Umkleidung  empfohlen  werde,  so  ist  audi  das 

883  nicht  gut,  \   denn   der  Eingang  der  Stelle  lautet  in  den  Worten: 


Sütram  III.  m.  18. 


577 


„das  Wasser  ist  das  Kleid/  u.  s.  w.  überall  gleicbmäfsig.  Somit 
ist  es  ricbtig)  dafs  hier  nur  die  Auffassung  als  eine  Umkleidung, 
nicht  das  Ausspülen  anbefohlen  wird. 


Zehntee '  Adhikarananu 

19.    samäna^  evan  ca^  ahhedät 

und  ebenso  in  demselben  [Texte],  wegen  der  Nicht- 

Verschiedenheit. 


in  dem  Textbuche  dör  Y4jasaiieyin*8  befindet  sich  in  dem 
Agnirdhasyam  (der  Geheimlehre  des  Feuera,  Qatap.  br.  X)  auch 
die  mit  dem  Kamen  .  des  ^andilya  bezeichnete  ^  Lehre ;  hierbei 
werden  als  Qualitäten  erwähnt:  „man  soll  den  Atman  verehren, 
„dessen  Stoff  der  Verstand,  dessen  Leib  das  Leben,  dessen  Gestalt 
;,da8  Licht  ist"  u.  s.  w.  (Qatap.  br.  10,  6,  3,  2).  Eben  diese  Yeda- 
schule  liest  abermals  im  firihadäranyakam :  „dieser  Geist,  dessen 
„Stoff  der  Verstand,  dessen  Wesen  das  Licht  ist,  befindet  sich 
„hier  inwendig  im  Hersen  so  grofs  wie  ein  Reiskorn  oder  Gersten- 
„kom;  —  und  eben  dieser  ist  der  Herr  des  Weltalls,  der  Gebieter 
„des  Weltalls,  er  ist's,  der  über  alles  herrscht,  was  hier  vorhanden 
„ist"  (Brih.  5,  6,  1  Känv.).  —  Es  erhebt  sich  der  ZweifeV  ob  wir  hier 
im  Agnirahasjam  und  Brihadäranyakam  nur  eine  Lehre  und  eine 
Zusammenfassung  der  Qualitäten  oder  zwei  Lehren  und  keine  Zu- 
sammenfassung der  Qualitäten  anzunehmen  haben.  —  Angenommen 
also,  *hier  bestünde  eine  Verschiedenheit  der  Lehre  und  ein  Gegen- 
Ssatz  der  Qualitäten;  warum?  weil  sonst  der  Fehler  einer  Wieder- 
^holung  eintreten  würde.  Ja,  wo  die  Texte  verschiedenen  Veda- 
'schulen  angehören,  da  kann  man  diesem  Vorwurfe  einer  Wiederho- 
lung ausweichen,  in  Anbetracht,  dafs  die  Lernenden  sowie  die  Leh- 
*renden  hier  andere  sind;  hierbei  liefse  sich  eine  Einheit  der  Lehren 
'annehmen,  und  die  an  dem  einen  Orte  besonders  erwähnten  Quali- 
'täten  liefsen  sich  an  dem  andern  Orte  hinzudenken,  wie  wir  dies  z.  B. 
'bei  dem  Rangstreite  der  Organe  gezeigt  haben.  Innerhalb  derselben 
'Vedasohule  hingegen,  bei  welcher  die  Lernenden  sowie  die  Lehren- 
'den  beide  Male  dieselben  sind,  läfst  sich  eine  Wiederholung  auf 
'diese  Weise  nicht  entsoliuldigen,  |  und  eine  einheitliche  Lehre  883 
'kann  hierbei  nicht  an  auseinanderliegenden  Stellen  angenommen 
'werden.  Auch  kann  man  dabei  die  Sache  nicht  so  zurechtlegen, 
'dafs  die  eine  Erwähnung  der  Anbefehlung  der  Lehre,  die  andere 
Dsvimr,  VtdAnu.  37 


578  Clkrtaka-mlB^öAlL 

'der  Aabef^lnng  dorf^ßiuditlten  diene;  itOKo.  ridMm  dürften  nur  die- 
*jsmg»n  Qualit&ten,  ii^M^e  m  der  einen  flWUe;  leUen,  an  der  aiäiem 
'«iodüi^mmen.  Es  finftiin  sich  aber  vielin^r  aan  beiden  Orten  sao- 
^^«^1  \yer8cbiedene  ab  fiiiiioh.:^e  n&mlicbendiflijtdit&ten  vor,  wie  x.lB. 
*iäh  Verstand'  sein  Sbiff  8«ei  .m.  b.  w.  Danuniiit  es  nicht  mogüü^, 
*£e  ihtiderBeitfl  YurkomiBwdep  Qualit&ten  gtimamnienmifaBaen/  -•— 
Attf  tä»ii»e  Annahme  er^f^cdecn  wir:  so  wie  jauei -.i^sraehiedenen  YediK- 
scfarisn  eine  Einheit  far  iLidbren  und  eins»  ^SuMiiasienfaBSQng  dar 
Qnafiifatten  möglich  ist,  ^)tfis^'  kann  es  antiiiin  derselben  Yeda- 
schale  j|«i^hehen,  »wefem  S^t  NichtyerscliMäft^^t'*  des  G^en^ 
staadltf  Aer  Yerehrang.  S^onn  es  ist  ein  «ii£  JddJis^lbe  Brahman, 
weldMt^  miit  den  Qualitfttesi,,  iiU^B  Verstand  aeui  'SkoB  u.  s.  w.  sei, 
TertMlhcii^  san  beiden  Orten  'ib  rdas  nichtvemäiÄ^än^  Objekt  der 
Terehrm^g  umgenommen  winl  txmA  die  Gestalt  MIAiett.,  welche  nach 
dieser  Ldbee  2U  yerehren  iA;  \wo  aber  eine  ISxäit^Qfschiedenheit 
der  Gestatt  tmrliegt,  da  läftt  JM)h  «keine  YersoUiiSenh^it  der  Lehre 
annehmen,  «säl  wo  keine  Y«csjci)»ßdenheit  der  Lsfan^,  (Sa  kein  Aus- 
einanderfiilktt  -der  Qualitäten.  —  ^'^ber  wurde  <&  "Y^v^hiedenheit 
'der  Lehre  nkivt.  daraus  entnonunBn,4c^s  sonst  eine  Wifidttäiolung  vor- 
«liegen  würde?''  —  Eine  solche  gAw  wir  nicht  zu,  "woQ/der  Zweck 
ein  Terschiedeaer  ist;  denn  die  «änelSrwähnung  hat  Aen£weck,  die 
Lehre,  die  andere  den,  die  QuatitSl^n  anzubefehktt«  (äaher  hier 
nichts  TjiaviABmgsiB  yorUegt.  -^  ^iSbuv  müfste  nicht,  wena  dem  so 
'wäre,  nur  daij<wige,  was  im  Agnkähasyam  übergaaipeai  ^war,  im 
^Brihadäranyakam  erwähnt  werden,  :s.  ß.  dafs  er  der  Heer  4ar  Welt 
'u.  8.  w.  ist,  dac^ige  hing^en,  wn»  echon  erwähnt  ww^  .z.  6. 
'dafs  der  Yerstand  eein  StofiF  ist  il  a.  w« ,  das  andere  JU  un- 
'erwähnt  bleiben?*  •—  Hierin  liegt  kei»  Fehler;  denn  nur  mit 
Hülfe  dieser  iWiederlK>lttngen]  läfst  sieh  Sie  an  der  andern  ftbelle 
884  befindliche  Lehre  |  ab  dieselbe  ?riedere9(%iicsinen.  Nämlioh  dnrch 
die  Erwähnung  der  nitnlichen  Qualitäten  nrjU  die  Schrift  aa  üe 
an  einer  entfernten  Stelle  befindliche  Lehre  des  Q&n^ilya  wieder 
erinnern,  um  mit  Besug  auf  sie  das  Herrsetn  Iflber  die  Welt  u.  s.  w. 
zu  lehren.  Denn  wie  sollte  auf  anderen  Wege  angezeigt  werden, 
^  dalis  die  hier  vorkommenden  Qualitäten  sieh  e«f  jene  Lehre  be- 
zögen ?  Da  es  ferner  wohl  eulässig  ist,  wo  eine  Stelle  durch  Hin- 
weisung auf  einen  noch  nicht  benutzten  Teil  derselben  zu  einem 
Zwecke  dienstbar  gemacht  wird,  dafs  auch  der  «ebon  benutzte 
Teil  derselben,  vermöge  der  Wiederholung  desseni  wee  ihr  wesent- 
lich (nüyam)  ist,  wieder  aufgenommen  wird,  so  darf  dieses  kein 
Grund  sein,  die  Wiederanerkennnng  einer  Stelle  als  der  nämlichen 
zu  beanstanden.  Somit  ist  es  im  vorliegenden  Falle  richtig,  an- 
zunehmen, dafs,  wiewohl  die  Yedaschule  dieselbe  ist,  doch  eine 
IBinheit  der  Lehren  und  eine  Zusammenfassung  der  Qualitäten  statt- 
findet. 


Sfttnm  UL  in.  20.  579 

* 

ElfUii  Adhikarai^m; 

20.    ^samibandhäd  evam  anyatra  api^ 
'wegen  der  Verknüpftmg  ebenso  aucli  anderwärts'. 

Im  Bfihad&ranyakam ,  an  der  Stelle:  i,da8  Reale  [ist]  das 
^rahman^%  beifst  es  weiterhin:  „dieses  Reale  ist  jene  Sonne  d<Mrt. 
„und  jener  Mann,  welcher  in  der  Sounenscbeibe  ist,  und  dieser 
rilbbDn,  welcher  im  rechten  Auge  ist,  [diese  beiden  fufsen  aof- 
,;8in«oder]**  (Brih.  6,  5,  l--<-2).  Nachdem  in  dieser  Weise  für  jenes 
Reale,  nämlich  das  Brahman,  in  kosmologischer  und  psychologischer 
Hinsicht  ein  besonderer  Standort  aufgezeigt,  und  gelehrt  worden, 
wie  die  Schöpfung  sein  Leib  ist  [indem  die  £rde  als  sein  Haupt, 
der  lichtraum  als  seine  Arme,  der  Himmel  als  seine  Beine  auf- 
gewiasen  werden],  so  werden  weiter  zwei  Geheimnamen  (upanishad) 
desselben  mitgeteilt,  nämlich  in  kosmologischer  Beziehung  heilst 
es :  9^ein  Geheimname  lautet  T  ag  (ahar/\  und  in  psychologischer 
Bisttiekii:  „sein  Geheimname  lautet  Ich  (aham/*  (Brih.  5,  5,  8 — 4).  — 
Es  erhebt  sich  äxe  Frage,  ob  diese  Geheimnamen  alle  beide  ohne 
Unterschied  an  beiden  Stellen  anzuwenden  sind,  |  oder  ob  eine  g85 
Unterseheidung  anznnehmen  ist,  so  dafs  der  eine  in  kosmologischem, 
der  andere  in*  psychologischem  Sinne  gilt.  —  Hier  versucht  der 
Lehrer  zunächst  durch  ein  Sütram  folgende  Annahme:  'so  wie  bei 
^der  [im  vorigen  Adhikarapam  besprochenen]  Lehre  des  Q&n4ilya, 
^wiewohl  sie  an  getrennten  Stellen  vorkommt,  doch  eine  Zusammen- 
^fassung  der  Qualitäten  beschlossen  wurde,  „ebenso  auch  ander- 
SjWftrts''  mnis  dies  bei  einem  derartigen  Gegenstande  geschehen, 
StWegen  der  Verknüpfung**  zu  einer  Lehre;  denn  es  ist  die  eine 
*Lehre  von  dem  Realen,  welche  hier  in  kosmologischem  und  psycho- 
logischem Sinne  entwickelt  wird,  weil  der  Anfang  derselbe  und  der 
^Fortgang  mit  einander  verflochten  ist;  daher  die  bei  dem  einen 
*  vorkommende  Bescha£Penheit  notwendig  auch  bei  dem  andern  gelten 
'muis.  Denn  wenn  z.  B.  bei  einem  Lehrer  ein  bestimmter  Wandel 
*der  Nachfolge  u.  s.  w.  [von  den  Schülern]  verlangt  wird,  so  ist 
*es  dabei  ganz  dasselbe,  ob.  dieser  Lehrer  sich  im  Dorfe  (lies:  aa 
\f/rämapafet  vgl.  p.  886,  11. 12)  oder  in  der  Waldeinsamkeit  befindet. 
*I>aher  sind  beide  Geheimnamen  in  beiden  Fällen  gültig.'  —  Auf 
diese  Annahme  erwidert  der  Lehrer: 

21.    na  vd  vifeshät 
oder  vielmehr  nicht ,  wegen  des  Unterschiedes. 

Es  sind  doch  wohl  nicht  beide  Geheimnamen  för  beide  Stellen 
anzunehmen;  warum?    „wegen  des  Unterschiedes'^,  d.  h.  wegen  der 

37* 


580  ^-frriraka-m!mlua9& 

Verknüpfung  mit  einem  unterschiedlichen  Orte  der  Verehrung. 
Worin  besteht  diese  Verknüpfung  mit  einem  unterschiedlichen  Orte? 
886  Wir  antworten:  |  wenn  es  heifst:  ^„jen^r  Mann,  welcher  in  der 
„Sonnensoheibe  ist"  (Brih.  5>  5,  3),  so  ist  hier  von  einem  Manne  in 
kosmologischem  Sinne  die  Rede,  und  als  sein  Oeheinmame  wird 
der  „Tag*'  genannt;  hingegen  die  Worte:  „diesei;  Mann,  welcher 
„im  rechten  Auge  ist*'  (Brih.  5,5,4)  reden  von  einem  Manne  in 
psychologischer  Hinsicht,  und  von  diesem  heifst  es:  ^ein.Oeheini- 
„nanie  ist  «Ich»'^;  das  hier  vorkommende  Pronomen  „sein^  kann 
sich  nur  auf  ein  unmittelbar  Nahestehendes  beziehen,  woraus  folgt, 
dafs  die  beiden  Greheimnamen  mit  Beziehung  auf  einen  bestimmien 
Standort  gelehrt  werden;  daher  sid  unmöglich  beide  an  beiden 
Orten  Geltung  haben  können. .  -^  ^Aber  ist  nicht  der  Mann  in  dem 
^kosmologischen  und  in  dem.  psychologischen  Sinne  einer  und  der 
'nämliche;  und  ist  es  nicht  das  eine  Beale,  das  eine  Brahman,  von 
'welchem  die  Zweiheit  der  Standorte  hier  gelehrt  wird?*  —  Bas 
ist  allerdings*  richtig;  aber  wenn  von  jdiesem  einen  nur  mit  Hin- 
weis auf  zwei  ^verschiedene  Standorte  zwei  verschiedene  Geheim- 
namen  mitgeteilt  werden,  so  kann  jeder  derselben  sich  auf  diese 
eine  Sache  nur  in  so  fem  beziehen,  als  sie^  den  betreffenden 
Staudort  einnimmt.  Bas  [obige]  Beispiel  würde  also  vielmehr 
folgendermafsen  zu  fassen  sein:  wenn  auch  das  Wesen  des  Lehrers 
ganz  dasselbe  bleibt,  so  braucht  doch  dasjenige,  was  al9.  auf  den 
Lehrer  bezüglich  gesagt  wurde,  sofern  er  sitzt,  sich  nicht  auf  den- 
selben zu  beziehen,  sofern  er  steht,  und  ebenso  braucht,  was  von 
dem  stehenden  gilt,  nicht  von  dem  sitzenden  zu  gelten.  Hingegen 
bleibt  die  Wesenheit  des  Lehrers  im  Dorfe  und  in  der  Waldein- 
samkeit dieselbe,  und  da  die  Pflichterfüllung  an  die  Wesenheit 
gebunden  ist,  so  findet  für  dieselbe,  in  Dorf  und  Waldetnsamk^t 
ein  Unterschied  nicht  statt,  sondern  sie  -bleibt  in  beiden  Fällen 
die  nämliche,  daher  dieser  Vergleich  nicht  pafst.  Somit  folgt, 
dafs  die  beiden  Geheimnamen  auseinanderzuhalten  sind. 


22.    dargatfaU  ca 
auch  zeigt  die  Schriit  ... 

Auch  li^  in  der  Schrift  ein  Merkmal  vor,  dafii  .derartige 
887  Qualitäten  auseinanderzuhidten  sind,  pwenn  es  heifst:  „die  Ge^ 
„stalt,  welche  jener  hat,  die  hat  auch  dieser,  jenes  Gesänge  sind 
„auch  seine  Gesänge,  jenes  Name  sein  Name"  (Gh&nd.  1,  7,  5).  -— 
^Aber  wie  kann  darin,  dafs  die  Gestalt,  welche  Jena*  hat,  audh 
'dieser  hat,  ein  Merkmal  für  die  Auseinanderhaltung  liegen ?*  — 
Wir  antworten:  eben  weil  die  Schrift  einsieht,  dais  die  durch  die 
verschiedenen  Standorte'  des  Auges   und   der  Sonne  versohiedeofm 


Sütrftm  m.  nx.  d2.  581 

Qualitäten  [ohne  Weiteres]  nicht  mit  einander  zusanunen^ufassen 
sein  würden,  eben  darum  findet  sie  es  nötig,  mittelst  einer  be- 
sonderen Hinüberweisung  hier  die  für  den  Mann  in  der  Sonne  gül- 
tige Gestalt  u.  s.  w.  auf  den  Mann  im  Auge  zu  übertragen,  indem 
sie  sagt:  „die  Gestalt,  welche  jener  hat,  die  hat  auch  dieser.'* 
Damm  steht  es  fest,  dafs  [an  unserer  Stelle,  wo  eine  derartige 
Hinüberweisung  nicht  vorliegt]  jene  beiden  Geheimnamen  ausein- 
anderzuhalten sind« 


Zu>olftes  Adhikaranam. 

23.    sambhriii'difuvifäpti  api  ca  atah 

auch  die  Beochlielfimig  und  Himmelserfüllung  aus 

demselben  (rrunde« 

„In  Brahman  als  dem  iltesten  die  Kr&fte  sind  beschlossen; 
„Das  Brahman  bat  als  lUtestes  den  Himmel  ausgegossen  <^; 

in  diesen  Worten  werden  in  den  Supplemelnten  der  Ranäyaniya*s 
die  Beschliefsung  der  Kräfte,  die  Gründung  des  Himmels  u.  9.  w. 
als  die  Machtvollkommenheiten  des  Brahman  erw&hnt.  In  der 
derselben  Yedaschule  angehÖrigen  Upanishad  werden^  die  Lehre  des 
Qi^dilya  (Ch&nd.  3,  14)  und  andere  auf  das  Brahman  bezügliche 
Lehren  mitgeteilt.  Bei  der  Frage,  ob  mit  diesen  Lehren  von 
Brahman  jene  Machtentfaltungen  des  Brahman  zusammenzufasscJn 
sind  oder  nicht,  und  auf  die  Annahme,  'dafs  man  sie,  wegen  ihrisr 
'Verbindung  mit  dem  Brahman,  zusammenzufassen  habe\  bemerkt 
der  Lehrer:  „die  Beschliefsung  und  Himmelserfüllung*'  und  andere 
Machtvollkommenheiten  des  Brahman  sind  nicht  mit  dör  Lehre 
des  Q&ndilya  u.  s.  w.  zusammenzufassen,  „aus  demselben  <jTunde 
„[wie  im  vorigen  Adhikaraijiam]*',  d.  h.  wegen  ihrer  Verbindung 
mit  einem  bestimmten  Standorte.  So  wird  z.  B.  |  in  der  Lehre  888 
des  Qft^dilya  als  Standort  des  Brahman  das  Herz  bezeichnet:  „dieser 
„ist  meine  Seele  im  innem  Herzen'*  (Chftnd.  3,  14,  2);  und  ganz 
ebenso  heifst  es  in  der  Lehre  von  dem  kleinen  Baume:  „hier  in 
„dieser  tirahmanstadt  ist  ein  Haus,  eine  kleine  Lotosblume  [das 
„Herz];  inwendig  darinnen  ist  ein  kleiner  Raum"  (ChAnd.  8,  1,  1). 
Hingegen  wird  in  der  Lehre  des  üpako^ala  als  sein  Standort  das 
Auge  beseidmet:  „der  Mann,  den  man  in  dem  Auge  sieht"  u.  s.  w. 
(Chind.  4,  15,  1).  In  dieser  Weise  wird  bald  dieses,  bald  jenes 
als  der  psychologische  Standort  des  Brahn^n  in  dieseii  Lehren  an- 
genommen.   Hingegen  sind  jene  andern,  die  Beschliefsung,  Himmels^ 


582  QMraka-mSm&nsä 

erfölluug  u.  s.  w.,  kosmologiBche  Machtentfaltnngen;  wie  sollten 
dieselben  also  bei  diesen  [psychologischen  Ajoschaiiangen]  sor  Yer- 
wendong  kommen?  —  'Aber  ist  nicht  auch  bei  den  letsteren 
'Lehren  von  kosmologischen  Machtentfahongen  die  Rede,  wenn  ea 
'z.  B.  heilst:  „gröfser  als  der  Himmel,  grö&er  als  diese  Welten^^ 
'(Ch&nd.  3,  14,  3);  —  „er  heifset  auch  der  Glamsesfurst,  denn  m 
Stallen  Wesen  [statt:  Welten]  erglänzet  er''  (Chdud.  4,  15,  4);;  — 
'„wahrlicli.  so  grofs  dieser  Weltraum  ist,  so  grofs  ist  dieser  Kanan 
'„inwendig  im  Herzen;  in  ihm  sind  beide,  dor  Himmel  uad  die 
'„Erde  beschlossen"  (Ch&nd.  8,  1,3).  Auch  giebt  es  ja  nttk  an- 
'dere  Lehren  von  Brahman,  welche  keinen  bestimmten  Slaiidort 
'desselben  angeben^  wie  z.  B.  die  Lehre  von  den  seohaAn  [in 
'Brahman  aufgehenden]  Teilen  (Pragna  6,  5)'.  —  Daa  ist  wohl 
wahr,  aber  doch  findet  sich  dabei  eine  Bestimmung,  wettke  nicht 
erlaubt,  die  Beschliefsung  und  Hinnnelserfüllung  damit  sosammen- 
889  zufassen.  |  Denn  wo  Lehren,  wenn  auch  schon  an  auseinander- 
liegenden  Stellen,  aufgedtellt  werden,  welche  dieselben  Attribute 
vorbringen,  da  kann  es  [unter  Ün^ständen]  richtig  sein,  die  an 
auseinanderliegenden  Stellen  vorkommenden  Attribute  zusammen- 
zufassen; hingegen  die  Beschlielsnng  u.  s.  w.  und  wiederum  die 
in  der  (^ü^dilyalehre  und  anderen  vorkommenden  Attribute  sind 
von  der  Art,  dafs  sie  sich  gegenseitig  ausschliefsen ,  und  können 
daher  nicht  zum  Ausbau  einer  an  einer  andern  Stelle  Viurkommen- 
den  Lehre  dienen.  Denn  darum  allein,  weil  sie  sich  auf  Brahman 
beziehen,  dürfen  sie  nicht  zum  Ausbau  einer  anderweit  vorkommenden 
Lehre  verwendet  werden,  indem  dieses  auch  bei  Lehren  vorkommt» 
welche  verschieden  sind;  denn  wennschon  das  Brahman  eines  ist, 
so  steht  es  doch  fest,  dafs  dasselbe  vermöge  der  mannigfachen 
Verschiedenheit  seiner  Machteutfaltungen  in  vet*schiedener  Weise 
verehrt  werden  kann,  wie  ja  auch  in  Bezug  auf  die  Stelle.«  wo 
vorkommt,  „dafs  er  der  allervortreffiichste "  sei,  eine  solche  Ver- 
schiedenheit sich  ergab  (Sütram  3,  3,  7).  Darum  ist  es  nicht  statt- 
haft, die  Beschliefsuug  der  Er&fbe  n.  s.  w.  mit  der  Lehre  des 
Q&ndilja  u.  s.  w.  zusammenzufassen. 


Dreize/mtes  Adhikaranam, 

24.    purasha-vidyayam  iva  ca,  itareshäm  anämnänät 

sowie  auch  in  der  Lehre  vom  Menschen,  weil  die 

andern  nicht  erwähnen. 

Bei   den  Tändin^s  und   in  dem  Rahasya-Brllhmanam  der  Paxn- 
gin'fl  findet  sich  eine  Lehre  vom  Menschen,  in  welcher  der  Men^h 


Sütnoi  IUI  m.  24.  583 

alft  eixL  Opftr  ToqfestoUft  wind^  wivlMi  da»  ifim  natürliche  Latons- 
«Ker  UB  drei  Teile  getSiÜ  und  mb§  di^ei  Scnwücelternngen  anfgi^fst 
wii'd ,  wie  aach  weiter .  dabei  der  Hnnger  u.  s.  w.  als  die  [Op^r-] 
Weihe  m.  a.  w.  TorgefiteEt  werden,  wid  noch  andere  \  Eigenschaften  890 
2ar  Sprache  koHunen > ,  hti  dea^n  anter  anderm  eiiie  Verwendung 
gewisser  Segem^süchefwnd  Yerie  alarttfindet  (Ch&nd.  3, 16 — iTf^  — 
Nun  reden  aoÄ  die  TMdttiriyailka'a  wn  einem  gefwissen  Menschen- 
opfer^  nimüeh  in  demnikbsataev  ^  welchem  es  heilst:  i,da8  Selbst 
„des  Opfers  des  Solctee  Wiaaenden^  ist  der  Opferspender,  sein 
t^QIanbe  ist  die  6attuBr[8ein  Itaüo  isl  das  Brennholz,  seine  Brost 
,>das  Opfodieti,  aonet. Haare  die  Op^arstren^  der  Yeda  sein  Haar- 
,,))ii8ch,  sex»  Hern  dnr.'0]^lBrpfiaefcenv. seine  Liebe  das  Opfarschmalz, 
„sein  j^fer  da»  Qjjjfir Uäg,^- . seilte  Bb&S'  das  Fener,  seine  Bez&hratmg. . 
^jdiiwit  er  aiA  hesinftigl^v  ^Lie  <^^|^srgabe,  seine  Bede  der  Hiiytar, 
„fisin  Odem  der  Vd^tiaK^*. sein  Aiig;^. der  Adhvaryii,  sein  Manas^der 

,JQ^«hiii4n]^  (Taiti.  l^i'.lOi;' Si).  Bier  erhebt  sich  die  Frage,. ob 

die.,  an  der  «sten  Stelle  geninraieQiiBeBchaffenhezIen  des  Mensehen 
oiy^  des  Op^nrs  an  derrXiitinrfgraslettä^  mit  heranasiiziehen  sind  oder 
nicfct?  —  'Da  beide.  Mftfec  von  deaa. Menschen  als  Opfer  die  Jlede 
4si%  so  konnte  maft.  an*  eine.  ZaaaaoBenfassnng  denken.*  Hierauf 
a]b^.  eiwidem  wir, .  daf^K  die^  Sbdient^  meht  zusammen^ufMsen .  siäd  > 
wariun?  weil  das  EigentfiadiGhe  derr-einen  SteQie  sich  in  der  ant 
d<«»  nicht  wieder:  wkenseiiiUilst.  Dies  drüekt  der  Lehrer  dtircb 
dier  Worte  ans:  „|K>wIe-aiic)i  in  der  Lehre  vom  Menschen  [ebens« 
,^wie;  im  vorigen  AdhikMia^em  keine  Zusammen&ssnng  voangeben 
,4^i^^  nämiidi}  deswegen^  weS  in  der  Art,  wie  die  einen  Vedkr 
!<eb^en,  d.  h..  d}e  der  Tü^diin^s  ond  der  Paingin's,  in  der  „Leibne 
„y«»Qa;  MenscheiV«^  die  Sackte«  darstellen, .  in  dieser  Art  „die  andemV 
dieselbe  ,^Aioht.r  erwäKnen>*S.  nämlich  die  Tuttirtya^s;  denn  ibrisi 
D>rstellnng;  des  Opfers  zeij^  sich  als  ron  der  der  andern*  wesent^ 
iioh.  vejreeliieden,  sofern  sie  dabei  Oatün,  Opferspender,  Vedi»» 
Opferb^tteb  Opfj^rstren»  Opferschmala,  Opfertier  und  die  Opferpriester. 
im  einadben-  durcl^hen  [und  auf  Teile  d0s  Menschen  deuten]* 
Ebenso  iMir  dii^  Dariegung  der  Keltemngen  [ipi  Taitttriyakam]  von 
der  an  di»r  ei^derm  Stdle  (Chand.  3,  16,  l-^S)  gai^  TerschitBd^i 
aoibm  ee^beiAt:.  ^was  er  abends,  morgens  und;  mittags  [ifst^,  d^ 
„^d  (Uk  Se^temagen''  (Taitt.  ftr.  10,  64,  dungenau).  Und:  wenn, 
apch  eij|i9  g^mpm  Ähnlichkeit  in  der  Auffassung;  des  Sterbens,  al» 
der  SQhlu&^iMdkeng  [beim  Opfer]  und  anderm  vorliegt  (X^itlt^-  ^ 
10,  6^.3;  Qftftftd.  3,  17,  5),  so  ist  das  doch  nur  weniges  und.  wird^ 
ttber.bpifen;  iKva  der  überwiegenden  Weaensyersehiedan^eit,  welche 
nichjti  evkmfet,  die  Stellen  als  zusammengetadrig.  ananerkemen. 
Übrig<ili0.  cedet  die  Taittirfyastelle  gar  niekt  yon  einem  Opfer 
de;&  iiten^Qif^h^ ,  I  sondern  es  heifst:  „dtm>  (Spfers  dj^  Wissenden  %  a9l 
nnd^  diesig  beiden  Genitive  werden  nifdtti.,  der  eit^e*  al'^  Apfiesitioia 
äfOH  anj^mm,   coordiniert,   soudern   sio  lli«deutenj  ,y,da»:  Opfer  dem^ 


584  Q4rlraka*mim&ns& 

f^enigeiif  welcher  ein  Wissender  ist/.  Es  ist  also  gar  nicht  davon 
die  Rede,  dftfs  der  Mensch  wirklich  das  Opfer  sei,  sondern  die 
beiden  Genitive  beziehen  sich  auf  Verschiedenes  und  bedeuten 
das  Opfer^  desjenigen ,  welcher  ein  Wissender  ist.  Denn  die  Be^ 
Ziehung  zwischen  Mensch  und  Opfer  im  eigentlichen  Sinne  besteht 
doch  darin,  dafs  der  Mensch  das  Opfer  darbringt  [nicht  aber  ist]; 
und  soweit  es  möglich  ist,  mufs  man  immer  dem  eigentlichen  Sinne 
vor  dem  bildlichen  den  Vorzug  geben.  Da  nun  in  den  Worten: 
„sein  Selbst  ist  der  Opferspender"  (Taitt.  &r,  10,.  64,  1)  der  Mensch 
als  der  Opferspender  aui^dräcklich  erwähnt  wird,  so  beweist  dieses 
klärlich,  dafs  die  Verknüpfung  des  Menschen  und  des  Opfers  [in 
den  Worten  „des  Opfers  des  Solches  Wissenden"]  nicht  als  eine 
a|)positionelle  Koordination  gefafst  werden  darf.  Hierzu  kommt, 
dafs  die  Schrift  in  den  Worten  „des  Solches  Wissenden"  [auf  den 
Inhalt  des  Wissens]  als  auf  ein  schon  Bekanntes  zurückverwiesen 
hat,  dafs  sie  somit,  wenn  sie  dann  weiter  noch  den  Menschen 
als  das  Opfer  und  sein  Selbst  u.  s.  w.  als  den  Opferspender  erst 
kennen  lehren  wollte,  den  Zusammenhang  des  Folgenden  mit.  dem 
Vorhergehenden  aufheben  würde.  Dies  geht  um  so  weniger,  als, 
wenn  wir  sehen,  wie  vorher  die  Lehre  vom  Atman  mitsamt  der 
Entsagung  als  ihrer  Folge  dargelegt  wurde,  und  es  dann  weiter 
heifst :  „  des  Solches  Wissenden ",  jeder  in  dieser  Erwähnung  nur 
.'  eine  zum  Vorhergehenden  gehörige ,  nicht  eine  selbständig«  Be« 
merküng  erkennen  wird.  Dem  entspricht  es,  dafs  wir  auch  nur 
89^  eine  Frucht  für  beide  Absätze  |  verheifsen  finden,  nämlich  dtSs 
man  „die  Majestät  des  Brahman  erlangen"  soll  (Taitt.  ar,  10,  63,  23 
und  10,  64,  4).  Hingegen  wird  in  den  andern  Vedaschulen  (Ch&nd.  3, 
16-^17)  die  Lehre  vom  Menschen  [als  einem  Opfer]  so  hingestellt, 
d&fs  de  nicht  den  Nachtrag  zu  einem  Vorhergehenden  bilden  kann. 
Denn  sie  hat  ihre  eigene  Frucht  für  sich,  nämlich  die  Erhehnng 
der  Lebensdauer,  welche  zuletzt  zusammengefafst  wird  in-  den 
Worten:  derjenige  „fürwahr  lebet  der  Jahre  einhundert  und  sech* 
„zehn,  wer  Solches  weifs"  (Chänd.  3,  16,  7).  Somit  folgt,  dafs 
auch  die  in  den  andern  Vedaschulen  bei  der  Lehre  vom  Men* 
sehen  [als  Opfer]  vorkommenden  Bestimmungen,  wie  Segensformeln, 
Verse  u.  s.  w.  (vgl.  Chänd.  3,  17,  6 — 7)  im  Taittiriyakam  nicht  an- 
zuwenden sind. 


Sötram  III.  in.  25.  585 


Vierzehntes  AdAikaranam,' 


25,    vedha-^ädirartha-bhedAt 

weil  der  Zweck  der  Durchbohrung  u.  s.  w.  ein  ver- 
schiedener. 

Im    Eingaogo    einer    Upauishad    der  Atharvftnika'B    konuni 
der  Vers  vor: 

.,>Durchbohre  gaius  ihn,  das  Herc  dttrohbokre, 
„Die  Adern  sprenge,  den  Kopf  xersprenge, 
„Dreifach  versplissen  [mache  ihn]  '*  a.  s.  w. 

—  Gleichfalls  der  Eingang   [der  Upanisfaad]  lautet  bei  den  Tlln- 
din's:  „o  Gott  Savitar,  rege  an  das  Opfer"  (Ch&nd.  br.  1,  1);  — 
I  and  bei  den'^drtyiyanin^s:  „mit  weifsen  Rossen,  [Indra,]  bist  893 
„du  grünlieh  dunkel";  —  femer  bei  den  Eafha's  und  Taittirt- 
yaka's  (Taitt.  1,  1):  „Heil  sei  uns  Mitra,  Heil  Vafuna."  —  Im 
Eingänge   der  Upanishad  der  Yftjasaneyin's  hingegen  steht  das 
Vorfeier 'Brähmanam:  „Es  geschah   einmal,    dafs  die  Götter   eine 
„Somafeier  begingen"  (^atap.  br.  14,  1,  1,  1).  —   Auch  bei   den 
Kaushitakin^s  findet  sieh  ein  Br&hmai^am  zum  Preise  des  Feuers: 
„da»   Brahman    fürw^akr   ist    die   Feuerpreisung,.  das  Brahman   ist 
„dieser  Tag;  duroh  das  Brahman   gehen  in  das  Brahman  ein  und 
„erlangen  Unsterblichkeit,  die  diesen  Tag  begehen."  —  Wir  haben 
zu    untersuchen,   ob    diese  Verse:  „durchbohre  gans  ihn"  u.  s.  w., 
und    ob    die   Werke   der  Vorfeier   u.  s.  w.  mit   den    Lehren   [der 
Upanishad*s,    deren  Eingang    sie    bilden}   zusammenzufassen    sind 
oder   nicht.     Und  da   scheint  es  zunächst,  ^dafs  sie  allerdings  mit 
'den    betreffenden   Lehren    zusammenzufassen    sind;    warum?    weil 
'sie  in  unmittelbarer  Nachbarschaft  der  Upanishadtexte  stehen,  deren 
^Zweck  die  Wissenschaft  ist.^  —  Aber  wir  bemerken  doch  in  den 
fraglichen   Stellen    keine    Vorschrift,    welche   auf  das   Wissen    ab- 
zweckte. —  ^SchojQ  recht,  aber  wenn  wir  sie  auch  nicht  bemerken, 
^so  müssen  wir  doch  wegen   der  Nähe   der  Upanishad's  auf  einen 
^Zusammenhang  mit  diesen  schliefsen.    Denn  wo  eine  Zweckmäfsig- 
^keit  dieser  Nähe  denkbar  ist,  da  darf  man  sie  nicht  ohne  Grund 
'unberücksichtigt  lassen.'  —  j  Aber  es  ist  doch  keine  Möglichkeit  894 
zu   ersehen,  jenen  Versen  irgend   eine  Beziehung   auf  das  Wissen 
zu  geben.     Und  was  die  Werke  der  Vorfeier  u.  s.  w.   betrifft,    so 
werden  diese  zu   einem  andern  Zwecke   auferlegt;  wie    sollen  wir 
also   annehmen,   dafs  sie  zugleich  auch   dem  Zwecke   des  Wissens 
dienen?  —  'Diese  Einwendung  trifft  nicht  zu.    Denn  was  zunächst 
'jene  Verse  betrifft,   so  läfst  sich  wohl  auch  irgend  eine  Möglich- 


586  Q4r1rabi-mtmftÄ8& 

*'.  ^k^it  erff^en,  dieaelben  anf  daB  Wi»eii  z«  beziehen,  Hofem  &.  B. 
^das  Herrn  in  ümea*  «nrähut  wird.  D^onn  «nf  das  Horar  und  Art- 
^lickea  wird  hfto%^:  Im  den  Verehrmif en  als  Ghmadläge  «.  dgf. 
*verwi«Miit  unf  aus  dieaeni  Orunde  iert  «a  wohl  denkbar^  daSk 
*  Verse  wie*  «ydafc-  Heras  duröhbohre^'  eine»  Bestandfceü;  der  Ver- 
^ehning  aQBmaeken..  Jtooh  ist  ja  ans  der  S^iift  ecsichtlidi,  da& 
^aach  bei  den  Yegtkmvigen  gewisse  Verse  (^[Hraeke)  aar  Vietwendsng' 
^kommen;  z.  B.  wenn^  es  beifst:  „zvr  Erdle  wend*  icbiinich  mit 
'„diesem,  diesem,  diesm  [Sohne]"  (Ch&odL  S^  15,  S).  In  äboHcher 
'Weise  ist  OS  nicht  unmöglich,  daDs  auch  Wecke  wie* die.  Vortttor, 
'wiewohl,  ihre  Bestimmung  eine  andei*w«ilige  ist^  aneh' -  bei .  den 
'Lehren  eine  Verwendung  finden,  ähnlich  wie  s.  B.  dsr.  Bfikaspa- 
^HsQva'  [^leber  eigentlich  aar  Erlangung  des  trehmcwarcasam 
'dient]  jf' audi  beim  V^jape^c^Opfer  zur  Terwenditttg  lLammt.1* 

Atifr  diese  Annahme  erwidern  wfr^  dals  jene  [vorerwih»4eD 
ägriieite?  und  G^ebräucbe]  mit  den  Lehren  niciil  zusnnmenzufztssen 
^iull.  Warum?  „weil i- der  Zweck  der  Durdhbohrung  n«  s.  w.  ein 
'„inonsTiiieidener";  d.  hi.  deir  Zweck  aoieker  Yerse  wie:  „das  Hen 
8W  „<&mhbohre"  |  ist,  8of<$cm  er  von  einem  Durchhäkren  des  Her- 
zene-.  u;.  s.  w.  handelt',,  ein  verschiedener,  nicht  mit  den  in  der 
UlMmifiliad  mitgeteiltein  Eehren  zusammenh&ngender»  nnd  es  ist 
mib!^  möglich,  ihn  mife  cbnselben  zu  Terbinden. . —  'Aber  sagten 
'war  mekt,  dafs  dae^  HfensK  auch  bei  den  Verehrungen  eine  Rolle 
'tEpiaitti  und  dafs  yetniS^  <feraeliben  eine  Verbindung  mit  den  Ver- 
'^dtoisigen  denkbar  ii^?^'  -^  Wir  antworten:  nein!  denn  wenn  das 
Besff  dlein  erwähnt^,  wüxt^^  ae  lietse  sich  allenfalls  eine  derartige 
Tetwendung  absebenv;'  afe«r  das  Herz  allein  bildet  gar  nioht  den 
ifthsH  des  betrefito^»  Tewea,  denn  es  heiTe^:  „das  Herz  durch-- 
^bofire,  die  Adent  sfcmge^,  und  ein  derarti^r  Inhalt  kann  toU^ 
sündig  nicht  mi|t  dl«s  upanishadlehren  verkntoft  werden,  da  er 
sich  vielmehr  auT  esse  Besauberung  beziehe.  Somit  ist  der  Verek' 
„durchbohre  gaiii^:  üm'^  u.  s.  w.  zu  dem  Wesrke  dei*  Bezaubemng 
[und   nicht  zur-  l^psoishad]   gehörig.  —  ISIIisdso  wenn   es  heäfst: 

896  „o  Oott  Savitscv  ^^^9^  ^^  ^^  Opfer",  |  m^  mt  dieser  Spruch,,  Mue 
sich  aus  dem,  Ksrkniaie  der  Anregung  dm  Opfers  ergiebt,  mit?  ^^m 
Opferwerke  «m  verbinden,  und  eine  dtotin  verschiedene  V^oütbuih 
düng  müfsto;  «vst  noch  aus  einem  andorm  Beweisgrunde  heriggdkriM 
werden.  — £)b«nBo  steht  es  mit  den  andsm  Sprüchen;  bei  eia%«Bt 
ergiebt  sick  aus  einem  Merkmale,  bei!  ssdem  durch  die  amitiic%^- 
liehe  Aussage,  bei  andern  durch  andlsrs  Beweisgrönde,  da&  m  rs 
andern  Zweieken  zur  Verwendung  kosusen,  und  obwohl  sift  i»  ^er 
Oeheimschrift  (rdhasyam  d.  h.  Upansriiad)  sich  vorfinden,  dteK  nidit 
durch  die  blofse  Nachbarschaft  als  sugehörig  zu  dereit  Lriure  be- 
trachtet werden  können.     Denn  die  Nachbarschaft  ist  ujtfit  so  be- 

897  weiakr&ftig  |  wie  das  Schriftwort  u.  s.  w.,  wie  dies  im  evtten  Lehr- 
buQhe  auseinandergesetzt  wurde  an  der  Stelle:  ,)bei  Kollision  von 


SfttDon  III.  ui.  3fö.  587 

jfSohriftwoctJ^  Merkmal,.  SäiGSfla^nzuncg,  Thema.  Nabefttehiing  und 
„PbadennuDgr  ist  daa^.  jedesmall  Folgende^  eriiw&cber  [ab  das  Vorher- 
.f^gs&ende],  wegen  Brämerliegnog  BeinerBaieutnng^^  (Jaim.  3,  3,  14). 
B&enso  ist  es  nichts  möglich,  Werke  wie?  die  Vorfeier  u.  s.  w.,  da 
SU»,  anderweit  zon^  ^wendung  kommen^  als  eine  Ergänzung  der 
HTpanishadlisiLisen:-  zui  betrachten,  indenr  dieselben  mit  diesen  Lehren 
durchaus  keine  Verwandtschaft  des  Inhaltes  haben.  Wenn  aber 
beim  Vajag/^jfcr-^j^ler  der  Bi^haspatisa^a»'  vorkommt,  so  i^:  dieses 
offenbar  eine^  andare  Verwendung  deBselbßn  [als  die  gewöhnliche]^ 
denn  es  h^Jaä  [und  damit  wird'  die^.  &til>ständigkeit  dea  Bjihaspa- 
tisava  anediaiiDi;|::  „nachdem  nuot  das;  Vajapeya^ Opfer  dargebracht 
,,hat,  soll;  mash  (ten  BrihaspatiaaiKa  darbringen^'  (A^yala^ritna^,  ^jmta- 
sütram  9t.  %,  1^)>  Hierzu  kommt)  (ki£h  jene  Vorfeier  nur  eiim.  ist, 
nur  einmal  Todrommt  und  dtecdb:  eü^en  stärkeren  |.  Beweisgrund  8f^8 
schon  für  esEt»  andere  Verw<«ifefcai|§  bestimmt  ist,  sonuit  niflbt  auf 
einen  sjdbwäcberen  Beweisggef£<:fei  bni  noch  anderweit  ssnsr  ¥er^ 
wendunn^  gebracht  werden  Ibbo».  Ja,  wäre  zwisobaa  cbnn  beiden: 
Beweis^gxdnden  kein  Gradicfti^wMbied  bemerkbar,  soi  mäeMs  es  so 
sein;  ein  soldier  Graduntessebied  ist  aber,  wo  [wie  üsfff  et&i  Starker 
und  ein  schwacher  Bewej^ipwiid  vorliegt,  unmöglfefc  zan  TeKkttsnen, 
indem  sie  sich  eben  durek  die  Stäike  und  Schw$«&Q^  vt^ft  einander 
unterscheiden.  Man  daif  also  nicht  denken,  daf«  dorastiig«  Spcftche 
oder  Werke  blofs  des^ipegen,  weil  sie  in  ihrer  ISarfibaradiaft  yor- 
kommen,  zu  einer  üpanishadlehre  zii^'ehörig  ^end.  Viebnehr  er« 
klärt  sich  ihr  Zusammenstehen  mit  derselben  jSaraos,  da(s  auch  sie 
die  gleiche  Bestimmmug,  im  Walde  studiert  lu  werden  u.  s.  w., 
haben,  und  dies  genügt,  um  ihr  BenacLbartsteben  an  erklären. 


Fünfzehntes  Adhikaroi^am, 

26,    himau  h^,  upäyana-gabda-^^eAatvät;  kugd-cchaffdath  hs^ 

sttdi-upatgäfiavat;  tad  uktam 

vielmehr  bei  dem  Loslassen,  weil  das  Wort  vom  Über- 
uehmen  ihm  zur  Ergänzung;  wie  bei  dem  Holzspane^ 
Metrum,  Preisrufe^  Zugesange;  darüber  ist  gesproohen. 

Es    giebt    eine  Stelle,   der  Tä^din's:    „gleichwie  ein   Rofs   die 

'  ,,Mähne,  von  mir  schüttelnd  das  Böse,  gleich  dem  Monde,  der  aus 

,,dem  Rachen   des  Rähu  sich  frei  macht,  von  rair  schttttelnd  den 

„Leib,  werde  ich  eingehen,  bereiteten  Selbstes,  in  das  Unbereitete, 


588  g&rtraka-mimäA8& 

„in  die  Brahmanwelt"  (Gh4nd.  8,  13,  1).  —  Ferner  Iteidit  ee  bei 
den  Ätharvanika*s  (Hund.  3^  1,  3): 

,,Dann  als  ein  Weiser  schttttelt  yon  sich  er 

„Das  Gate  wie  das  Böse,  und  gel&atert 

„Geht  er  enr  Gleichheit  mit  dem  Höchsten  ein/' 

Ebenso  sagen  die  Qftty&yanin's:  „die  Söhne  übernehmen  seine  Erb* 
„Schaft,  die  Freunde  sein  gutes  Werk,  die  Feinde  sein  böses  Werk."^ 
Und  die  Kaushftakin's:  ,^dann  schüttelt  er  von  sich  das  gnte  und 
„das  böse  Werk;  sein  gutes  Werk  übernehmen  die  Bekannten,  die 
„ihm  lieb  sind,  und  sein  böses  Werk,  die  ihm  nicht  lieb  sind*^ 
(Kansh.  1,4).  —  Hier  wird  das  eine  Mal  von  einem  Loslassen 
des  guten  und  bösen  Werkes  gesprochen,  das  andere  Mal  von  einem 
Übernehmen  eben  derselben  teils  von  denen,  die  ihm  lieb,  teils  von 
solchen,  die  es  nicht  sind,  und  das  dritte  Mal  ist  von  beidem,  dem 
Loslafsen  und  dem  Übernehmen  die  Rede.  Wo  nun  beides  vor- 
kommt, da  ist  nichts  weiter  zu  erinnern;  und  auch  wo  das  Über- 
nehmen ohne  das  Loslassen  vorkommt,  ergänzt  sich  das  Loslassen  von 
selbst  durch  den  Sinn,  denn  wenn  andere  unsere  guten  und  bösen 
Werke  übernehmen  sollen,  so  versteht  es  sich  von  selbst,  dafs  wir 

900  sie  loslassen.  |  Wo  hingegen  blofs  das  Loslassen,  nicht  aber  das 
Übernehmen  vorkommt,  da  entsteht  die  Frage,  ob  das  Übernehmen 
zu  ergänzen  ist  oder  nicht,  und  man  könnte  denken,  'dafs  es  nicht 
'zu  ergänzen  sei,  weil  die  betreflTende  Schriftstelle  nichts  davon 
'enthalte,  und  ^reil  die  Stellen  der  andern  Vedaschulen  sich  auf 
'eine  andere  Lehre  beziehen.  Hierzu  kommt,  dafs  das  Loslassen 
'des  guten  und  bösen  Werkes  eine  eigene  Thi^t,  hingegen  das  Über- 
'nehmen  eine  fremde  That  ist,  dafs  somit  ohne  anderweite  Nötigung 
'keineswegs  in  dem  Loslassen  schon  ein  Übernehmen  angedeutet 
'zu  liegen  braucht.  Somit  wäre  bei  dem  Loslassen  ein  Ergänzen 
'des  Übemehmens  nicht  berechtigt.'  —  Auf  diese  Annahme  er- 
widert der  Lehrer:  „vielmehr  bei  dem  Loslassen";  d.  h.  auch  wo 
blofs  jenes  Loslassen  in  der  Schrift  vorkommt,  mufs  das  Über- 
nehmen hinzugedacht  werden,  welches  ihm  zur  Ergänzung  dient. 
Denn  dafs  das  Wort  vom  Übernehmen  die  Ergänzung  des  Wortes 
vom  Loslassen  ist,  ergiebt  sich  aus  der  Geheimlehre  der  Kani^i- 
takin*8  (Kaush.  1,  4).  Somit  ist  auch  anderwärts,  wo  blofs  das 
Wort  vom  Loslassen  vorkommt,  das  Übernehmen  als  seine  Folge 
zu  denken.  Denn  wenn  behauptet  wurde,  dafs  die  Ergänzung, 
weil  sie  in  dem  Texte  fehle,  sich  auf  eine  andere  Lehre  beziehe 
und  nicht  notwendig  sei,  so  erwidern  wir  darauf:  dieser  äi'und 
für  die  Auseinanderhaltung  würde  stichhaltig  sein,  wenn  es  sieh 
darum  handelte,  irgend  ein  Pflichtgebot,  welches  nur  an  dem  <ifinen 
Orte  vorkäme ,  an  dem  andern  einzufbbren.  Aber  das  Loslkasen 
und  Überndimen  wird  hier  gar  nicht  als  ein  Pflichtgebot  erwähmt, 

901  sondern  nur  zur  Verherrlichung  des  Wissens  |  werden  beide  er- 


äütriun  III.  III.  26.  589 

wähnt  und  besagen,  dafs  da»  Wissen  so  herrlidi  ist,  dafs  infolge 
desselben  von  dem  Wisseuden  das  gute  und  das  böse  Werk,  welche 
di^  IJrsaohe  des  SamsÄra  sind,  abgeschüttelt  werden  und  in  seine 
Freunde  und  Feinde'  eingehen.  Da  somit  diese*  Erwähnung  zur 
Verherrliehung  dient,  so  mufs,  wie  der  Lehrer  urteilt)  weil  un- 
mittelbar auf  das  Loslassen  als  folgend  das  tlbernehmen  vorgestellt 
wird,  dieses,  da  es  au  einigen  Stellen  vorkommt,  auch  an  andern  ' 
Stellen,  wo  nur  ein  Loslassen  erwähnt  wird,  als  desRen  Folge  ge- 
dacht werden,  damit  die  Verherrlichung  um  so  grölser  werde. 
Denn  dafs  die.  eine  Sacherklärung  gegeben  wird,  indem  man  sich 
auf  eine  andere  Sacherklärnng  bezieht,  ist  etwas  OewÖhnliches. 
Denn  wenn  es  z.  B.  heifst:  „wahrlich,  jene  Sonne  ist  das  einund- 
„awanzigste  von  hier  aus^*  (Chänd,  2,  10,  5),  so  kann  hier  von  der 
Sonne,  dafs  sie  das  einundzwanzigste  sei,  nur  insofern  gesagt 
werden,  als  dabei  auf  eine  andere  Sacherklärung  Bezug  genommeu 
wird,  welche  sich  findet  in  der  Stelle:  „zwölf  Monate,  fünf  Jahres- 
„Zeiten ,  diese  drei  Welten  und  jene  Sonne  als  einundzwanzigstes*| 
(^atap.  br.  6,  2,  2,  3).  Ebenso,  wenn  es  heilst:  „die  beiden  Tri- 
„sh^bh- Verse  dienen  |  zur  Kräftigwerdung"  (Ait.  br.  1,  4,  11),  so  902 
wird  in  Ausdrücken  dieser  Art  Bezug  genommen  auf  anderweitige 
Saoherklärungen,  wie  z.  B.:  „wahrlich  die  Trishtubh  ist  das  Kraft- 
„  vermögen^  (indrij^air^  vai  trishfuff,  Taitt.  saijih.  3,  2,  9,  3).  Da 
übrigens  jene  Stelle  von  dem  Übernehmen  [nur]  den  Zweck  hat, 
das  Wissen  zu  verherrlichen,  so  ist  es  nicht  am  Platze,  auf  die 
Frage,  wie  es  möglich  sei^  dafs  ein  anderer  eines  andern  gute  und 
böse  Werke  übernehmen  könne,  sich  allzu  tief  einzulassen,  und 
auch  der  Lehrer,  weim  er  im  Sütram  sagt:  „wei?  das  Wort  vom 
„Übernehmen  ihm  zur  Ergänzung",  deutet  mit  dem  Ausdrucke* 
„Wort"  darauf  hin,  dafs  man-  nur  um  der  Verherrlichung  [des 
Wissens]  willen  bei  dem  Loslassen  an  ein  ihm  folgendes  Über- 
nehmen zu  denken  habe;  würde  es  sich  hingegen  um  eine  Zu- 
sammidnfassung  von  [wirklichen]  Qualitäten  handeln,  so  müfste  das 
Sütram  vielmehr  sagen,  dafs  [nicht  das  Wort,  sondern]  die  Sache 
des  Übemehmens  dem  Loslassen  zur  Ergänzung  diene.  Während 
es  sich  also  im  allgemeinen  gegenwärtig  um  die  Frage  handelt, 
in  wieweit  die  Qualitäten  zusammenzufassen  sind,  so  hat  das 
vorliegende  Sütram  vielmehr  den  Zweck,  die  Art  und  Weise  der 
Zusammenfassung  zu  zeigen,  wo  es  sich  um  blofse  Verhenlichungon 
handelt.  „Wie  bei  dem  Holzspane,  Metrum,  iPreisrufe,  Zugesauge";  . 
in  diesen  Worten  wird  ein  Gleichnis  herangezogen,  nämlich  es  ist 
damit,  wie  wenn  z.  B.  die  Bh&Uavin's  in  dem  Texte:  „ihr  Holz- 
„späne,  die  ihr  vom  Waldesbaume  stammt,  ihr  sollt  mich  schützen^S 
von  den  Holzspänen  nuJr  im  allgemeinen  aussagen,  dafs  dieselben 
von  einem  Waldbaume  ihren  Ursprung  haben,  während  die  Qätyä- 
yanin's  in  den  Worten:  „Holzspäne  vom  Udumbara- Baume"  |  die  903 
»pecielle  Bestimmung  bieten,  dafs  Udumbara- Späne  dabei  zu  vor- 


590  girirate-mlmAiM 

wianden  äind,  '— -  Oder  bs  ist,  tnde  wenn  «u^ailen  zwisefaen  aen 
M<ekren  iSer  Gdtter  und  denen  -  äsi  Aewa^^s  in  >&iireff  des  FdUher 
odor  Sinter  kern  Unterschied  gemftoht  md,  -iirilirend  aai  Biißfr 
Stelbe  der  PaingbU  hervorgebt,  SoSb  „<£e  Metra  d^  ß$tt«r  die 
„früheren  sind."  — vOdor  e»  ist,  wie^enn  für  den  «eühsdanteiligeB 
Preiscuf  [hei  dw  iübem&chtigen  'fiontafenar]  einige  iseine  gentate 
ZeitttQgabe  bieten,  twfftbrend  die  jUttiepe  ZeitbestiiiiiBaQjg  »i  ent- 
nehmen ist  aus  ftor  ifitelle  der  ÄnäffibbiV:  „zwisiAten  &b«  dafo 
„die  fiimne  aufgeU^^^  —  Oder  wie  «dtoe  Zugesanges  änipe  ohne 
nähere  Bestimmung  {gedenken^  hingegen  Hie  Bh411aw'%  moA  einer 
Bestimwmig  [nämli<ih  dooltt  der  aach  Uaifat.  sa]|ih.  6,  3:,  1„  S  vor- 
kommenflfin ,  dafs  der  Jlt&varyn  nieht  hu  denselben  ewßmtötamen 
habe].  —  So  wie  ala^  itn  diesen  Beispielen  "vom  Holzspaae  «.  s.  w. 
die  in  euuar  Schrift  vodcr^zamende  nähere  Bestimmung  i«  «i^Juizeii 
liat;  ebenso  ist  auch  Wt  Ssm  „Loslassea^  4mb  „ÜbemelHMaa^*  su 
«rganzen.  Wollte  maa  ^simlich  die  von  imr  einen  Sdniftstelle 
ffiühoiene  nibere  BestiawBOB^  bei  einer  aadem  Schrütsiclle  Yon 
der  Hand  weiaen,  so  würie  allgemein  das  WaÜlbelieben  hemciien, 
weiches  doch,  sofern  ein  sAiderer  Weg  sich  *eigt^  nicht  snUteig 
ist.  „Darüber  ist  gesprochco^  nämlich  in  dem  surölfteüigen  Werke 
[des  Jaimini],  wo  es.  heilsi:  ^^^s  ist  yielmehr  auf  Grund  der  Er- 
d04  „g&nzung  einer  Stelle  |  die  «idere  Auffassung  awauschlielsen;  ist 
„andern  Falle  wsitet  das  BsBÄen".  — 

Man  kann  a«ch  annehmen,  dafs  durch  das  vorliegende 
Siktram  m  Bezug  wa{  eben  jene  Schriftstellen  von  dem  Yonsicfa- 
schütteln  [der  guten  und  bösen  Werke]  die  Frage  behandelt  werde, 
«ob  unter  jenem  Yonnchschatteln  der  guten  und  bösen  Werke  ein 
Loswerden  derselben  aa  verstehen  sei  oder  etwas  anderes.  —  Die 
oppositionelle  Meinung  lat  dabei  so  zu  fassen:  'das  Vonnehschütteln 
'kann  kein  Loslassen  bedeuten,  denn  die  Wurzel  dhü  (schütteln) 
4)edeutet  nach  der  Smriti  [der  Grammatiker]  ein  Erschüttern;  wie 
^ersichtlich  ist  aus  ihrer  Anwendung  in  der  Redensart :  „die  Fahnen« 
'„wimpel  werden  geschüttelt*^,  welche  besagen  soll,  dafs  die  Wimpel 
'dsr  Fahnen  vom  Winde  heftig  bewegt  [nicht  aber  abgeschüttelt] 
^werden.  Das  Schütteln  bedeutet  also  nur  eine  heftige  Erschütte- 
Tung  und  diese  Erschütterung  der  guten  und  bösen  Werke  besagt, 
'dafs  die  Zeit  kommt,  wo  sie  [durch  die  Erlösung]  verhindert 
'werden,  ihre  Frucht  zu  bringen.'  —  Auf  diese  Annahme  ist  au 
905  erwidern:  |  der  Ausdruck  „von  sich  schütteln**  mufs  vielmehr  ein 
Loslassen  bedeuten,  „weil  das  Wort  vom  Übemehöien  ihm  zur* 
„Ergänzung**;  denn  die  guten  und  bösen  Werke,  welche  in  dem 
Besitze  des  einen  sind,  können,  ohne  dafs  sie  losgelassen  wer» 
den,  von  einem  andern  nicht  übernommen  werden.  Und  wenn 
auch  dieses  Übernehmen  fremder  guter  und  böser  Werke  durch 
andere   nicht  buchstäblich   zu  nehmen   ist,   so  geht  doch   aus  der 


SAtram  Dl.  m.  26.  591 

Snvänammg  d«Hselben  hervor,  dAÜs  cbm  en^preahend  jenes  vVoiukh- 
•iH;h(ittebi^^ewt&  nur  ein  LodlasMu  befieui^nilcanii.    Und  wenn  iiimeli 
»dios^ätll^meluBen  nur  an  eiuigeo  Si^en  i^]:^on  dem  Vonaich^üt^lu 
vorWiluat,  so-«fird  doch  darauf,  wie  ^hei  ,v^«m  .llolzspane,  ISoirun), 
^^l^irt^israfenndlZugesange'V  überall,  w«o  -dös  Abschütteln  voriomn+t, 
iBefsUg*  gßfs^mfi33mTit  nnd  somit   ist  es  £ar  WkÜe  Stellen  entschdideiid 
•für  (die  .Bedeiitiling  des  Youaichscfaftttelttfi.  -^-^  .Ä,uch  die  heftige  1Bf^ 
vYi^^gUTtg,  wie ,  die  eines  Fahußnwimpels,  kann ,  ja -bei  den  guten  jind 
b^c^i«  ;'K«ifke9Q  I  nicht    im  eigentlichen   Snne  .verstanden  weirden,  '^OG 
w^äi  vdi<3Aelbemiicht  materiell  sind.    Übngeins  wirft  auch  ein  Rftl^,    ^ 
^&m  ie>s   die  i3!lll)ine  schüttelt i   um  den  Simih  Jos  zu  werden,  »u- 
gWaoh  ;mit  .di^Meni  auch  die  di^enutzten  Hftwie  lib,,  und  das  Brl^l^ 
mupSTO  ^agt  ja:: ., gleichwie  ein^Rofs  die  Mäiusw,  you  mir  schüttcbad 
„dae^tme*'  (Gli^nd.  8,  13,  1).    S)a  femer  dieW»ce^ln  häufig  mehr- 
fache Be&ftutungon   haben,   so  £ndet  ein  WiA^rqputaich  dieser  Er- 
kläroutg  ^eii^  siw  J^grammatischeiig   Smriti  nicht  jstartrt.     T)ie  Worte 
„darüber  lis^  ^espspchen'*  wurden  bereits  erklMu 


SeokzehfUes  AäbSkaranam. 

27.    sdmfmäye,  lartavya'iMAväty  tathä  M  <mife 

bei  dem  zum  J^hinsdbeideD}  weit  eine  Notwendigkeit, 
dafs   sie   hinühergelangten ,    uicfat    vorliegt;   ddim    so 

lehiaen  andere.  - 

Die  Kaushitakin's  erwähnen  in  der  Thrnolehre,  wie  daijenig», 
vdcher  auf  dem  65tterwege  zm  dem  auf  dem  Throne  sitzenden 
Bndiman  hinübergeht,  onterwegß  von  seinen  guten  und  bÖ»en 
Wedien  losgemacht  wird:  „wenn  er  diesen  Gdfcterweg  betritt ,  so 
9>g^lMigt  er  in  die  Welt  des  Agni",  und  wie  es  weiter  hei£it; 
„dann  kommt  er  zu  dem  IStrome  V^arä*;  diesen  überschreitet  er 
„durch  den  Geist  ^  dann  schüttelt  er  von  sich  das  gute  und  das 
„böse  WätIc"  (Kaush.  1,  3  —  4).  Hier  entsteht  die  Frage,  ob  die 
Stelle  von  der  Lostrennung  [der  Werke]  so  zu  verstehen  ist,  dafs 
dieselbe,  dem  Schriftworte  entsprechend,  unterwegs  geschieht,  oder 
ob  sie  gleich  zo  Anfang  mit  dem  Verlassen  des  Leibes  stattfindet?  — 


'*'  „nichtaltemd*^;  beide  Ausgaben,  die  von  1818  nnd  1863,  lesen  hier 
Virajd  „Btaublos",  da  doch  die  Lesart  Vijard  durch  die  Worterklärang 
Kaush.  1,  3  na  vä'  ayam  Jarishyati  (im  Texte  jarayishyati)  gesichert  ist. 


592  C^itolEMümliMi 

Auf  die  Annahme,  'd*fii  man  et,  weil  die  Schrift  die  ErkenntniB- 
^norm  irt^  so  nriunen  mtiuue,  wie  die  Schrift  es  sage',  entscheidet  der 
Lehrer:  ,,bei  dem^S  n&mlich  Gehen  „zum  Dahinscheiden'',  d.  h«  sdion 
bei  dem  Terlaaaen  des  Leibes,  findet,  rermöge  des  Wissens,  diese 
907  Loswerdong  der  guten  nnd  bösen  Werke  statt;  |  und  als  Grund 
giebt  er  an:  „wefl  eine  Notwendigkeit,  dafs  sie  hinüb^gelangtMi, 
„nicht  Torliegt'^    N&mlioh  der  Wissende,  wenn  er  dahingeschieden 
ist  ui^d  Termdge  des  Wissens  fsn.  Brahman  hineilt,  hat  unterwegs  mit 
seinen  guten  und  bösen  Werken  durchaus  nichts  auszuführen,  um 
dessen  willen  dieselben  auch  nur  einen  Augenblick  weiter  als  un- 
remichtet  fortbestehend  zu  denken  wfiren.    Da  vielmehr  die  Fmdbt 
des  Wissens  ihnen  entgegengesetzt  ist,  sd  findet  kraft  des'  Wissens 
ihre  Yemichtung    statt,    und  diese  muls  schon  dann  stattfinden, 
wenn  er  sich  der  Frucht  dös  Wissens  gegenüber  befindet.     Diese 
Vernichtung   der  guten  und  bösen  Werke  findet  also^   obschon  sie 
erst  hinterher  erwähnt  wird,   schon  vorher  statt;  „denn  so  lehren 
„andere''  Vedaflchulen,  nämlich  die  Tä^din's  und  Gätyäyanin*s,  dafs 
schon  in  dem  vorhergehenden  Zustande   das  Aufgeben  der  guten 
und  bösen  Werke  stattfindet:  „gleichwie  ein  Bofs  die  Mähne,  von 
;,mir    sehflttekid    das  Böse"   (Ch&nd.  8,  13,  1)   und:    „die  Söhne 
„übernehmen  seine  Erbschaft)  die  Freunde   sein  gutes  Werk,   die 
„Feinde  sein  böfles  Werk". 


38.    €handiata\  übhaya-avirodhäl 
auf  Wunsch^  weil  beide  sich  nicht  widersprecheiL 

* 

Wollte  man  annehmen,  dafs  erst  nach  dem  Auszüge  aus  dem 
Leibe  und  dem  Antreten  des  Götterweges  unterwegs  das  gute  und 
böse  Werk  vernichtet  würde,  so  würde,  da  ein  Bemühen  des 
Menschen  betreffend  das  Betreiben  der  Entsagungen,  Enthaltungen 
und  Wissenschaften,  wie  es  die  Ursache  der  Vernichtung  der  guten 
908  und  bösen  Werke  bildet,  nach  dem  Dahinfall  des  Leibes  |  sich 
nicht  mehr  nach  Wunsch  betreiben  läfst,  auch  die  durch  dasselbo 
bedingte  Yemichtung  der  guten  upd  bösen  Werke  nicht  möglich 
sein.  Somit  folgt,  dafs  schon  vorher  in  dem  Zustande  der  Voll- 
bringung der  Mittel  „auf  Wunsch"  jene  Betreibung  stattfindet, 
und  dafs  als  ihre  Folge  das  Aufgeben  der  guten  und  bösen  Werke 
flieh  eiostellt.  Nur  so  ist  ein  ursächlicher  Zusammenhang  [swischen 
„beidem",  dem  Betreiben  und  dem  Aufgeben  „ohne  Widerspruch"] 
möglich,  und  die  Übereinstimmung  mit  den  Texten  der  Tändin's 
und  Qäty%anin*8  vorhanden. 


Sfttram  IIL  m.  29.  593 


Siebzehntes  Adhikaraiymn, 

29.    gater  arfhavattvam  ubhayathäj  anyathä  hi  virodhah 

die  ZweckTnftfftigkeit  des  Hingehens  ist  je  nach  dem, 

weil  sonst  ein  Widerspruch. 

Zuweilen  wird  im  Zosammeiiliange  mit  dem  Aufgeben  des  Guten 
und  Bösen  der  Götterweg  (devti^äfia}  erwähnt  und  zuweilen  nicht. 
Hier  entsteht  der  Zweifel,  ob  da,  wo  das  „Aufgeben"  yorkommi, 
stets  und  ohne  Unterschied  der  Götterweg  2u  ergänzen  ist,  oder 
ob  er  in  unterschiedlicher  Weise  manchmal  dazu  gehört  und 
manchmal  nicht.  Man  könnte  denken,  ^dafs  ebenso  wie,  wo  das 
S,Aufgeben"  vorkommt,  stets  und  ohne  Unterschied  ein  „Über- 
zunehmen dazu  gehört,  ebenso  auch  der  Götterweg  überall  dazu 
'gehöre'.  —  Auf  diese  Annahme  erwidern  wir:  „die  Zweckmäfsig- 
„keit  des  Hingehens",  d.  h.  des  Götterweges,  ist  ,Je  nach  dem",  d.  h. 
mit  Unterschied  anzunehmen;  nlLmlich  jenes  Hingehen  ist  das  eine 
Mal  zweckmäfsig  und  das  andere  Mal,  im  Gegensatze  dazu,  .nicht; 
„weil  sonst"  d.  h.  wenn  man  stets  und  ohne  Unterschied  diesen 
Weg  annehmen  wollte,  „ein  Widerspruch"  eintreten  würde.  Denn 
wenn  es  heifst  (Mund.  3,  1,  3): 

^[Daim  als  ein  Weiser]  schüttelt  Ton  sich  er 
„Das  Gate  wie  das  Böse,  und  gelftutert 
Gebt  er  zur  Gleichheit  |  mit  dem  Höchsten  ein",  909 


»» 


80  steht  mit  dieser  Schriftstelle  ein  Hingehen,  sofern  ein  solches 
zu  einem  andern  Orte  zu  fahren  pflegt,  in  Widerspruch.  Denn 
wie  w&re  es  möglich,  dafis  der  [vom  Sainsära]  Geläuterte  und  folg- 
lich nicht  mehr  [wie  die  indiTiduelle ,  in  ihn  verstrickte  Seele] 
Wandernde,  zu  einem  andern  Orte  hinginge?  Und  auch  die 
„Gleichheit»  mit  dem  Höchsten",  in  die  er  eingeht,  involviert 
keineswegs  das  Hingelangen  zu  einem  andern  Orte;  daher  an 
einer  Stelle  wie  dieser  die  Annahme  des  Götterweges,  wie  wir 
meinen^  g&nzlich  zwecklos  ist. 

30.    upapanna8j  tat'-Uücshana-artha'Upalabdher^   lokavat 

berechtigt,  weil  [and  in  so  weit]  ein  Ziel  als  Zweck 
desselben  zu  ersehen  ist;  wie  in  der  Erfahrung. 

Es  ist  aber  diese  Unterscheidung  beider  Fälle,  vermöge  deren 
das  Hingehen  das  eine  Mal  zweckmäfsig  ist  und  das  andere  Mal 


594  Cftttrab-flümAAift 

nicht,  berechtigt,  ,>weil  [und  in  so  weit]  ein  Ziel  als  Zweck  des-» 

y^selben  zu  ersehen   ist".     NAmlich  fGLr  dM  Hingehen  ist  ein  das^ 

selbe  veranlassendes  Ziel  au  ersehen  in  allen  attributhalten  Ver- 

ehrangen,  wie  a.  B»  in  der  Thronlehre  (Kaush*  1).    Denn  in  dieser 

ist  Ton  einem  Emporsteige  zum  Throne,   von  einer  Unterredung 

mit  dem  auf  dem  Throne  sitzenden  Brahman,  von  einer  Erlangung 

verschiedener  Wohlgerüohe  u.  s.w.,  also  von  mancherlei  Belohnungen 

die  Rede,  welche  bedingt  werden  durch  das  Hingehen   an  einen 

andern  Ort,     Hier  also  ist  das  Hingehen  zweckmftfsig,  w&hrend 

hingegen    bei    der    vollkommenen    Erkenntnis    ein   Ziel    als 

Zweck  nicht  zu  ersehen  ist..    Denn  wenn  einer  die  Einheit  der 

Söele  erkannt  und    somit    alle  Wünsche  erreicht  und  schon  hier 

auf  Erden  den  Samen  aller  Leiden  ohne  Best  verbrannt  hat,  so 

bleibt  ihm,  abgesehen  von  der  Abtragung  des  Vorrates  von  Werken, 

deren  Vergeltung    bereits    begonnen  hat,    durchaus  nichts  weiter 

flbrig,  worauf  er  seine  Absicht  richten  könnte.     In  diesem  Falle 

also '  hat    ein   Hingehen    keinen    Zweck.     Diese  Entscheidung    ist 

aber    so    anzusehen    „wie    in    der   Erfahrung'';    wie    nämlich    in 

der  Elrfahrung,    zwar  wohl   da,    wo  es  sich  darum  handelt,    zu 

einem  Dorfs  „zu  gelangen,"  von  einem  von  Ort  zu  Ort  führenden 

Wege  die  Rede   sein  kann,  nicht  aber  [z.  B.]   da,  wo   es   sich 

darum  handelt,  zur  Genesung  von  einer  Krankheit  „zu  gelangen", 

ebenso  ist  es  auch  hier.    Übrigens  werden  wir  diese  Unterscheidung 

[der   attributhaften    und    attributlosen  Lehre]  im  vierten  Adhyftya 

des  genaueren  darlegen. 


Achtzehntßi  Adhikaranam. 

910  31.    amyamdh  sarvdsäm  avirodhah,  gabda'anumänäbhyäm 

die  unbeschrftnlrte  Geltung  in  allßn  [ist]  kein  Wider- 
spruch, wegen  des  Wortes  und  der  Folgerung. 

Wir  zeigten,  wie  ein  Hingehen  zweckentsprechend  ist  in  den 
attributhaften  Lehren,  nicht  aber  in  der  attributlosen  Lehre  vom 
höchsten  Atman.     Nun    kommt    aber    auch  in   den  attributhatiken 
Lehren  das  Hingehen  zu  Brahman  nur  mandimal  vor,  «.  B.  in  der 
Thronlehre  (Kauch.  1),  der  Fünf-Feuer-Lehre  (Brih.  6,  2.  Ch&nd.  5, 
3 — 10),  der  Upakoyala-Lehre  (Ch&nd.  4,  10 — 15)  und  der  Lehre  vom 
kleinen  Räume  (Chftnd.  8,  1 — 6),  und  manchmal  wieder  nicht,  ä.  B. 
in  der  Honiglehre  (Brih.  2,  5  oder  Ch&nd.  3,  1--^1),  der  Qändiiya- 
Lehre  (Ch&nd.  3,  14),  der  Sechzehnteilig-Lehre  (Pra^na  6)  und   der 


Sfttram  m.  m.  31.  595 

Tai^Y&nara^Lehre  (Chuknd.  6,  11-^24).  Hier  erhebt  sich  die  Frage, 
ob  jenes  Hingehen  eine  nur  auf  diejenigen  Lehren,  in  welchen  ea 
▼orkommt,  eingeschränkte  Gültigkeit  hat,  oder  ob  es  ohne  Ein- 
schränkung für  alle  derartige  [d.  h.  attributhafte]  Lehren  Gültig- 
keit hat?  —  Angenommen  also,  *die  Gültigkeit  sei  eine  beschränkte; 
'nämlich  nur  da,  wo  es  Torkommt,  kann  das  Hingehen  gelten,  in« 
^dem  das  jedesmalige  Vorhaben  eine  solche  Einschränkung  gebietet. 
'Denn  wenn  man  das  Hingehen,  weil  es  an  andern  Stellen  vor- 
'kommt,  bei  Lehren,  wo  es  nicht  yorkommt,  ergänzen  wollte,  so 
'würde  man  damit  die  Beweiskräftigkeit  der  Schrift  u.  s.  w.  aof- 
'heben,  indem  dann  jedes  zu  jedem  Zwecke  dienen  könnte.  Hierzu 
'kommt,  I  dafs  jenes  durch  die  Stationen  der  Flamme  u.  s,  w.  er-  911 
'folgende  Hingehen  in  der  Upako^ala- Lehre  (Ghänd.  4,  10-^15) 
'und  ebenso  wieder  [in  derselben  Qftkhä]  in  der  Fönf-Feuer-Lehre 
'(Chftnd.  6,  3 — 10)  vorkommt,  und  dieses  würde,  bei  AUgemein- 
'gültigkeit  der  Lehre,  nur  eine  zwecklose  Wiederholung  sein. 
'Darum  ist  dieselbe  üirer  Gültigkeit  nach  beschränkt.'  —  Auf . 
diese  Annahme  erwidert  der  Lehrer:  „die  unbeschränkte  Geltung" 
ist  das  Richtige;  nämlich  „in  allen"  attributhaften  Lehren,  Welche 
als  Lohn  die  Erlangung  von  Beglückung  {abhifudaya^  Tgl.  Syste^i 
des  Yedänta  S.  47S,  Anm.  138)  haben,  muTs  ohne  unterschied 
das  als  Götterweg  bezeichnete  Hingehen  gültig  sein.  —  'Aber 
'sagten  wir  nicht,  dafs  bei  Annahme  der  unbeschränkten  Gültig- 
'keit  ein  Widerspruch  gegen  das  jeweilige  Thema  eintreten  würde?' 
—  Dies  ist  „kein  Widerspruch,  wegen  des  Wortes  und  der  Folge- 
„rung",  d.  h.  wegen  der  Schrift  und  der  Smfiti.  Denn  so  sagt  die 
Schrift:  „die  nun,  welche  Solches  wissen,"  —  hier  lehrt  sie  den 
Götterweg  als  den  Weg  derjenigen,  welche  die  Fünf- Feuer -Lehre 
besitzen,  —  „und  jene  dort,  welche  im  Walde  Glauben  und  Bnfse 
„üben"  (Ch&nd.  6,  10,  l),  —  hier  zeigt  sie,  wie  auch  die,  welche 
auf  eine  andere  Lehre  eingeübt  sind,  denselben  Weg  wie  die 
Kenner  der  Fünf- Feuer -Lehre  einschlagen.  —  'Aber  mit  wel- 
'chem  Rechte  behauptet  man,  dafs  diese  Schriftstelle  Ton  dem 
'Hingehen  auch  für  solche  gelte,  die  auf  eine  andere  Lehre  ein- 
'geübt  sind  ?  Bezieht  sich  diese  Gültigkeit  nicht  vielmehr  auf 
'solche,  welche  den  Glauben  und  die  Bufse  als  das  höchste  Ziel 
'verfolgen,  da  doch  nur  diese  erwähnt  werden?'  —  Doch  nicht, 
denn  durch  Glauben  oder  Bufse  allein  und  ohne  die  Mithülfe  des 
Wissens  ist  dieses  Hingehen  nicht  erreichbar;  denn  eine  andere 
Schriftstelle  sagt  (Qatap.  br.  10,  5,  4,  16): 

„Durch  Wissen  steigen  sie  empor 
„Dorthin,  wo  sich  das  Sehnen  stillt, 
„Nicht  wer  werktflchtig  nur,  und  wer 
^Unwissend  Bufse  bloCs  erfQllt." 

38* 


596  gir1rtka-mtiiilUDL8& 

Es  iat  also  hier  unter  dem  Glauben  and  der  BoTse  nodi  der  Be- 
912  ritz  einer  weiteren  Lehre  mitsuTerstehen.  |  Übrigens  lesen  die 
Y&^asaneyin's  da,  wo  sie  die  Fünf- Feuer -Lehre  darlegen:  „die 
„nun,  welche  Solches  wissen,  und  jene  dort,  welche  im  Walde 
„Glauben  und  Wahrheit  üben'*  (Brih.  6,  2,  15),  d.  h.,  wie  man 
erklären  mufs,  diejenigen,  welche  gläubig  sind  und  dabei  das 
Brahman  als  die  Wahrheit  verehren;  denn  das  Wort  „Wahrheit'^ 
vrird  oft  genug  von  Brahman  gebraucht.  Da  diejenigen,  welche 
die  Fünf-Feuer-Lehre  kennen,  auch  nur  deswegen,  weil  sie  „Solches 
„wisseil**  herangezogMi  werden,  so  ist  es  folgerecht,  ebensowohl  die- 
jenigen, welche  eine  andere  Lebte  als  höchstes  Ziel  verfolgen,  heran- 
zuziehen. Auch  heifst  es  ja  weiter:  „aber  die,  welche  diese  beiden 
„Pfade  nicht  kennen,  das  sind  die  Würmer,  Vögel  und  was  da 
^jbetfset'*  (Brih.  6,  2,  16);  diese  Stelle  lehrt  für  solche,  welche  die 
beiden  Wege  verfehlen,  einen  schlimmen  Niedergang,  und  indem 
sie  nur  diesen  neben  dem  Götterwege  und  dem  Yäterwege  erw&hnt, 
BO  folgt  auch  hieraus,  dafs  die  Erlangung  des  Götterweges  an  das 
Merkmal  des  Wissens  geknüpft  ist.  Auch  die  Sm^iti  sagt  (Bhag. 
G.  8,  26): 

„Es  sind  der  helle  und  der  dunkle  Pfad 
„Ton  je  her  fyr  die  Lebenswelt  bestehend; 
„Nicht  kehrt  zurück  wer  ersteren  betrat, 
„Ber  and're  ist  zur  Erde  rückwärts  gehend.'^ 

Wenn  endlich  der  Pfad  des  Götterweges  durch  die  Flamme  u.  b.  w. 
zweimal  [in  demselben  Textbuche],  nämlich  in  der  üpako^ala- 
Lehre  und  der  Fünf- Feuer- Lehre,  erwähnt  wird,  so  hat  das  aei- 
nen  Grund  darin,  d€^  an  beiden  Stellen  die  Gedanken  sieh 
auf  denselben  richten  Bollen.  Somit  ist  die  „unbeschränkte  Gel- 
„tung*'  das  Richtige. 


Neunzehntes  Adhikaranam. 

918  33.    u^vad-adhikäram  iwasthüir  ädMkärikänAm 

solange  die  Betrauung,  bestehen  die  Betrauten. 

'Es  fragt  sich,  ob  für  den  Wissenden,  nachdem  sein  g^en- 
*  Wärtiger  Leib  dahingefallen  ist,  noch  ein  neuer  Leib  entsteht 
^oder  nicht.'  —  Aber  diese  Frage,  ob  nach  Erlangung  des  Wissena 
als  Mittels  die  Vollbringung  der  Erlösung  erfolgen  oder  auch  nickt 
erfolgen  könne,  ist  doch  gar  nicht  statthaft.  Denn  es  geht  rieht 
an  zu  fragen,  ob  nach  Erlangung  des  Kochens  als  Mittels  der  Reis« 


Sfttr«m  m.  m.  32.  597 

brei  entsteht  oder  nicht,  und  es  hat  keinen  Zweck  zu  fragen,  ob 
der  Essende  sich  sättige  oder  nicht.  —  *  Inzwischen  ist  diese  £r- 
' wägung  doch  am  Piatee,  und  zwar,  weil  aus  den  epischen  und 
'mythologischen  Gedichten  Fälle  angeführt  werden  können,  in  wel- 
schen gewisse  Brahmanwisser  doch  noch  einen  neuen  Leib  erhielten» 
'So  berichtet  die  Smriti,  dafs  ein  Yedalehrer  mit  Namen  Ap&iitara- 
'tamas,  ein  alter  Weiser,  auf  Befehl  des  Yishnu  in  der  Zwischen- 
'zeit  zwischen  dem  Kali -Zeitalter  und  dem  Dv&para- Zeitalter  als 
'KrishnadTaipäyana  geboren  worden  sei.  Ferner  erhielt  Yasishtha, 
'ein  geistiger  Sohn  des  Brahman,  nachdem  sein  früherer  Leib  durch 
'den  Fluch  des  Nimi  ihm  verloren 'gegangen  war,  wieder  auf  Befehl 
'des  Brahman  durch  Yermittelung  des  Mitra  und  Yami^a  eine  Leib- 
'lichkeit.  Auch  berichtet  die  Smriti,  wie  Bhfigu  und  andere  gleich- 
'falls  geistige  Sohne  des  Brahman  beim  Yaruna- Opfer  wieder  ins 
'Dasein  traten.  Und  auch  Sanatkumära ,  ebenfalls  ein  geistiger 
'Sohn  des  Brahman,  wurde  selbsteigen  dem  Rudra  zufolge  einer 
'Geschenkverleihung  als  Skanda  geboren.  In  ähnlicher  Weise 
^findet  sich  vielfach  in  der  Smpti  berichtet,  wie  Daksha,  Närada 
'und  andere  aus  diesem  oder  jenem  Grunde  noch  einen  neuen  Leib 
^erhielten.  |  Und  auch  in  der  Schrift  wird  in  Mantra's  und  Er-  914 
'klärungen  nicht  selten  darauf  Bezug  genommen.  Und  zwar  er- 
'hielten  einige  der  Genannten  den  neuen  Leib,  nachdem  ihr  vor- 
'heriger  Leib  dahingefallen  war,  andere  hingegen,  während  er  noch 
'bestand,  indem  sie,  kraft  der  durch  die  Toga -Praxis  erlangten 
'Gottherrlichkeit,  mehrere  Leiber  zugleich  annahmen.  Yon  allen 
'diesen  aber  wird  berichtet,  dafs  rie  sich  den  ganzen  Inhalt  des 
^Yeda  au  eigen  gemacht  [somit  das  die  Erlösung  bewirkende  Wissen 
^erlangt]  hatten.  Wenn  man  nun  sieht,  wie  auch  bei  solchen 
'Männern  noch  ein  neuer  Leib  entstanden  ist,  so  könnte  man 
'deuken,  dafs  das  Wissen  vom  Brahman,  jenachdem  es  kommt,  die 
'Ursache  der  Erlösung  und  wiederum  nicht  die  Ursache  der  Er- 
*]ösung  sein  könne.*  —  Hierauf  ist  zu  antwoi*ten,  dafs  dem  nicht 
so  ist;  denn  wenn  jene  genannten,  Apäntaratamas  u.  s.  w.,  noch 
leiblich  fortbestanden,  so  geschah  dies  infolge  einer  Betrauung, 
indem  sie  mit  gewissen  Ämtern,  von  welchen  der  Bestand  der 
Welt  abhängig  ist,  z.  B.  mit  der  Yerbreitung  des  Yeda,  betraut 
wurden.  Denn  wie  jener  heilige  Savitar  (die  Soniie),  nachdem  er 
tausend  Weltperioden  hindurch  seine  Weltmission  erfüllt  hat,  zu- 
letzt nicht  mehr  aufgeht  und  untergeht,  sondern  Absolutheit  ge- 
niefst,  —  wie  die  Schrift  sagt:  „aber  dann,  nachdem  er  empor- 
„gestiegen,  wird  er  nicht  mehr  aufgehen  und  nicht  mehr  unter- 
„gehen,  sondern  wird  allein  in  der  Mitte  stehen"  (Chänd.  3,  11,  1), 
—  und  wie  auch  die  lebenden  Brahmanwisser,  nachdem  der  ange- 
brochene Werkgenufs  verbraucht  ist,  die  Absolutheit  geniefsen,  indem 
es  heifst:  ,fdie8em  [Welttreiben]  werde  ich  nur  so  lange  angehören, 
„bis  ich  erlöst  sein  werde,  darauf  werde  ich  heimgehen"  (Ghänd.  6, 


598  gMraka-mliiil^8& 

14,  2)»  —  ebenso  rnufs  man  annehmen,  dafs  auch  die  Götterberren, 
Apantaratamas  4i.  a.  w.,  von  dem  höchsten  Herrn  mit  dieser  oder 
916  jener  Mission  |  betraut,  trotzdem  sie  die  ToUkommene  Erkenntnis, 
welche  die  Bedingung  der  Vollendung  ist»  besafsen,  [noch]  nicht 
schwindenden  Werks,  „solange  die  Betrauung^'  dauerte,  bestanden 
und  erst  nach  ihrer  Beendigung  dispensiert  wurden.  Indem  n&m- 
lieh  dieselben  einen  Komplex  von  Werken  [als  die  unumgängliche 
Ursache  der  Leiblichkeit],  welcher  eu  dem  Zwecke,  die  Betrauung 
als  Frucht  zu  bringen,  [nicht  durch  ein  Torhergehendes  Leben, 
sondern]  auf  einen  Schlag  entstanden  ist,  verbringen  und  dabei 
frei,  wie  aus  einem  Hause  ins  andere,  in  diesen  oder  jenen  Leib 
fahren,  um  ihre  Mission  zu  vollbringen,  ohne  dafs  die  Bückerinne- 
rung ihnen  geraubt  wäre,  so  schaffen  sie,  vermöge  ihrer  Herrschaft 
über  das  Material  des  Leibes  und  der  Organe,,  für  sich  Leiber  und 
gehen  in  dieselben  gleichzeitig  oder  nacheinander  ein.  Dabei  sind 
sie  nicht  der  Erinnerung  an  die  frühere  Geburt  beraubt  [lies: 
ajätismaräh],  debm  eben  dafs  sie  diese  oder  jene  [früher  Dagewe- 
senen] sind,  beweist,  dafs  sie  Bückerinnerung  besitzen.  So  erzahlt 
die  Smriti,  wie  die  Brahmanlehrerin  Sulabha,  als  sie  wünschte,  sich 
mit  dem  Janaka  zu  unterreden,  ihren  Leib  verliefs,  in  den  Leib 
des  Janaka  einging,  und  nachdem  sie  sich  mit  demselben  [innerlidi] 
unterredet  hatte,  wieder  in  ihren  eigenen  Leib  zurückkehrte  (vgl. 
Mahftbh.  12,  li854  fg*)»  Wenn  nun  bei  diesen  [die  alle  Werke 
durch  das  Wissen  verbrannt  haben],  neben  demjenigen  Werke, 
welches  ihnen  [zum  Zwecke  des  abermaligen,  für  ihre  Mission  er- 
forderlichen Lebenswandels,  aufs  neue]  aufgebürdet  wird  und  [nicht 
als  die  Frucht  eines  früheren  Lebens,  sondern]  mit  einem  Schlage 
zustande  kommt,  noch  ein  anderes  [von  früher  her  restierendes] 
Werk ,  als  die  Ursache  einer  neuen  Verkörperung  [in  dem  der 
Mission  dienenden  Lebenswandel]  zur  Offenbarung  käme,  so  wür- 
den, ebenso  gut  wie  jenes  [ihnen  aufgetragene]  Werk,  noch  andere 
Werke,  deren  Same  nicht  verbrannt  wäre,  erfolgen  müssen,  und 
es  würde  die  Frage  zu  erheben  sein,  ob  nicht  das  Brahmanwissen 
nur  teilweise  zur  Erlösung  führe  und  teilweise  nicht.  Diese  Frage 
aber  ist  nicht  zulässig,  weil  Schrift  und  Smriti  daran  festhalten, 
dafs  durch  die  Erkenntnis  der  Same  der  Werke  verbrannt  werde. 
Denn  so  sagt  die  Schrift  (Mund.  2,  2,8): 

„Wer  jenes  Höchst'  und  TiefjBte  schaut, 
„Dem  spaltet  sich  des  Herzens  Knoten, 
„Dem    lösen  alle  Zweifel  sich, 
„Und  seine  Werke  werden  Nichts  ^'^ 

und  wiederum  sagt  sie:  „bei  Erlangung  der  Erinnerung  erfolgt 
„die  Auflösung  aller  Knoten'^  (Chänd  7,  26,  2).  Und  audi  die 
Smriti  sagt  (der  erste  Vers  steht  Bhag.  G.  4,  37): 


Bfttram  III.  m.  32.  599 

„Wie  Feuenglut  das  Holz  in  Asche  wandelt,  916 

„Sa  der  Erkenntnis  Feaer  alle  Werke."  — 

.»Wie  Same  nicht  mehr  wftchst  wenn  er  verbrannt  ist, 

„So  nicht  der  Seele  Not,  yerbrannt  vom  Wissen." 

Denn  nachdem  die  Yerbrennung  des  Nichtwissens  und  der  übrigen 
Plagen   stattgefunden   hat,   so    ist  es  nicht  möglich,   dafs  der  den 
Samen  der  Plagen  bildende  Komplex  von  Werken  an  einem  Teile 
Yerbrannt  sei  und  am  andern  Teile  fortwachäe.     Denn  wenn  z.  B, 
der  Same  der  Reispflanze  vom  Feuer  geröstet  worden  ist,  so  ist 
es    nicht    möglich,    dafs    ein  Teil   desselben    noch   weiter   wachse 
Was  hingegen   denjenigen  Komplex  von  Werken  betrifft,    dessen 
Frucht    schon    in    der  Entwicklung    begriffen  ist,    so    kommt    er, 
ähnlich    wie    der    abgeschossene    Pfeil    erst   nach    Verbrauch    der 
Schnellkraft,   erst  dann  zur  Ruhe,  wie  die  Worte:  „diesem  werde 
„ich  so  lange  angehören"  (Ch&nd.  G,  14,  2)  beweisen,  wenn  sein  ^Ver- 
brauch den  Dahinfall  des  Körpers  bewirkt.     Somit  ist  es  richtig, 
dafs  „die  Detrauten  bestehen,  solange  die  Betrauung"  dauert,  und 
dafs  die  Frucht  der  Erkenntnis  nicht  zu  verschiedenen  Zielen  führt, 
sondern  nur  zu   einem.     In  diesem  Sinne  lehrt  auch   die  Schrift, 
dafs  für  alle   ohne  Unterschied  aus   der  Erkenntnis  die  Erlösung 
entspringt:  „darum,   wer  immer  von  den  Göttern  dieses  erkannte, 
„der  wurde  zu  demselbigen,  und  ebenso  von  den  Rishi's,  und  eben- 
„so  von  den  Menschen"  (Brxh.  1,  4,  10).    Denn  man  darf  annehmen, 
dafs  auch  die  grofsen  Rishi*s  nur  mit  andern  Erkenntnissen,  welche 
blofse  Gottherrlichkeit  u.  s.  w.  als  Frucht  bringen,  ausgestattet  sind, 
und   dafs   eben   dieselben   sp&terhin,   wenn  sie  zu  ihrer  Betrübnis 
wahrnehmen,   dafs   es   mit  der^ Gottherrlichkeit  zu  Ende  geht,    in 
die  Erkenntnis   des  höchsten  Atman   eindringen  und  dadurch  erst 
zur  Erlösung  eingehen.  |  Denn  die  Smriti  sagt:  917 

„Nachdem  der  Welt  Auflösung  ist  gekommen, 
„Und  Gottes  auch,  dann  gehen  im  Verein 
„Mit  ihm,  das  Selbst  erlangend,  alle  Frommen 
„In  jenes  höchste  der  Gefilde  ein." 

Ein  Zweifel  nämlich,  ob  die  Frucht  der  Erkenntnis  auch  ausbleiben 
könne,  ist  nicht  statthaft,  weil  diese  Frucht  vor  Augen  liegt.  Ja, 
was  die  Frucht  der  Werke,  den  Himmel  u.  s.  w.,  betrifft,  so  be- 
ruht dieselbe  nicht  auf  unmittelbarer  Innewerdung,  und  hier  mag 
wohl  die  Frage  auftauchen,  ob  die  Frucht  erfolgen  werde  oder  nicht. 
Die  Frucht  der  Erkenntnis  hingegen  beruht  auf  unmittelbarer  Inne- 
werdung, denn  die  Schrift  sagt:  „das  immanente  nicht  transscen- 
„dente  Brahman"  (Brih.  3,  4,  1),  und  die  Worte  „das  bist  du" 
(Chand.  6,  8,  7)  weisen  auf  etwas  hin,  was  schon  vollbracht  ist; 
denn  die  Worte  „das  bist  du"  darf  man  nicht  so  auffassen,  als 
bedeuteten  sie  „das  wirst  du  erst  nach  dem  Tode  sein".    Sondern 


600  g^rtraka-mtmiiM 

weon  es  heilst:  ,, dieses  -orkenoend  hob  ¥4madevA,  der  Rishi,  an 
„(Rigy.  4,  26,  1):  «ich  war  einst  Mann,  ich  war  einst  die  Sonne »^* 
(Brih.  1,  4, 10),  so  beweisen^  diese  Worte,  dafs  schon  zur  Zeit  der 
YoUkommenen  Erkenntnis  die  Fmcht  derselben,  nämlich  das  Werden 
zur  Seele  des  Weltalls,  eintritt.  Somit  steht  es  fest,  dafs  die  Er- 
lösung des  Wissenden  eine  unfehlbare  ist. 


Zwanzigstes  Adhikarancmu 

33,    akshara^dhiyäm   tu  avarodhti^,   sdmdnya-tadbhävär 

bhydmy  aupasada-vaty  tad  uktam 

für  die  Erkenntnisse  des  Unvergänglichen  hing^en 
Einbegreifung,  wegen  der  Gleichheit  und  ihm  Eigen- 
heit ;  wie  bei  den  [Sprüchen]  der  üpasadfeier ;  darüber 

ist  gesprochen. 

Es  heifst  im  Yftjasaneyakam :  „es  ist  das,  o  6&rgl,  was  die 
*.)13  „Brahmanen  das  UnYerglüigliche  nennen;  |  es  ist  nicht  grob  nnd 
„nicht  fein,  nicht  kurz  und  nicht  lang'*   u.  s.  w.  (Brih.  3,  8,  8). 
Ebenso    heifst    es   in    einer  Atharvan- Schrift:    „aber    die   höhere 
'  „[Wissenschaft]    ist    die,    durch  welche   jenes  Unvergängliche    er- 
„kannt  wird,  das  unsichtbare,  nngreifbare,  stammlose,  farblose^' 
U.S.  w.  (Mund.  1,  1,  6 — 6).     In  ähnlicher  Weise  wird  auch  ander- 
weit durch  Ausschliefsung  aller  Unterschiede  das  höchste  Brahman 
als  das  Unvergängliche  gelehrt.     Hierbei  werden  bald  diese,  bald 
jene  Unterschiede   ihm  abgesprochen,   und  man  könnte  die  Frage 
erheben,  ob  diese  Erkenntnisse  der  Ausschlielsung  der  Untersohiede 
alle  an  allen  Orten  gelten,  oder  ob  sie  auseinanderzuhalten  sind. 
Auf  die  Annahme,   'dafs  sie  auseinanderzuhalten  seien,  weil    die 
'Schrift  sie  getrennt  vor£Qhre\  wird  erwidert:  die  Erkenntnisse  des 
Unvergänglichen  hingegen,  d.  h.  die  Erkenntnisse  der  Ausschliefaiuig 
der  Unterschiede,  sind  alle  allerwärts  einzubegreifen,   „wegen  der 
„Gleichheit  und  ihm  Eigenheit".    Das  heifst,  die  Art,  das  Brahman 
durch  Ausschliefsung  der  Unterschiede  darzulegen,  ist  allerwärts  die 
gleiche;   auch  wird  in  der  ihm  eigenen  Weise  eben  dieses  zu  leh- 
rende Braliman  allerwärts  als  frei  von  der  Vielheitlichkeit  erkaxint ; 
wie  sollten  also  die  auf  diese  Art  an  dem  einen  Orte  vorkommenden 
Erkenntnisse  an  dem  andern  Orte  nicht  gelten?    In  diesem  Sinne 
919  I  haben  wir  uns  ja  auch  an  der  Stelle;  „die  Wonne  u.  s.  w.  [gelten] 
„von    dem  Hauptgegenstande '^   (Sfttram  3,   3»  11)  aosgesprochen. 
Dort  handelte  es   sich  allerdings  darum,,  die  als  positive  Tor« 


Sütram  III.  in.  33.  601 

Bchrift  aofbretenden  Unterschiede  ssu  untersuchen,  hier  hingegen 
um  diejenigen,  welche  negativ,  als  auszuschliefsend ,  erwähnt 
werden;  und  daher  rührt,  weil  eine  nähere  Darlegung  der  [posi- 
tiven und  negativen]  Bestimmungen  erforderlich  war,  diese  zwei- 
malige Untersuchung:  ^^^^  ^®i  den  [Sprüchen]  der  Upasadfeier"; 
— .  hier  haben  wir  einen  Yergleich'  vor  uns.  So  wie  nämlich  bei 
der  Mehrtagsfeier  des  Janiadagni  [Name  eines  Risbi],  in  Betreff 
der  vorschriftsmäfsigen,  mit  Opferkuchen  verbundenen  Up'asadcere- 
monien,  die  bei  der  Spende  der  Opferkuchen  zu  gebrauchenden 
Sprüche:  „o  Agni,  genehnäge  den  Opferruf,  genehmige  die.  heilige 
„Handlung'^  u.  s.  w.  {Pancavinga-hr.  21 ,  10,  11),  obwohl  sie  nur 
in  dem  Veda  des  Udg&tar  vorkommen ,  auch  für  die  Adhvaryu- 
PriAsster  verbindlich  sind,  weil  die  Spendung  der  Opferkuchen  in 
das  Ressort  des  Adhvaryu  gehört  (vgl.  Taitt.  Ramh.  7,  T,  9))  und 
weil  die  Teile  nach  dem  Hauptkörper  sich  zu  richten  haben,  — 
ebenso  sind  aueh  hier,  wo  es  sich  um  das  Unvergängliche  han- 
delt, die  dasselbe  betreffenden  Bestimmungen,  wo  sie  auch  immer 
vorkommen  mögen,  überall  mit  dem  Unvergänglichen  in' Verbin- 
dung zu  setzen.  „Darüber  ist  gesprochen 'S  nämlich  im  ersten 
Teile,  an  der  Stelle:  „bei  Gegensatz  des  Nebensächlichen  und 
„Ilauptsächlichen  ist,  weil  auf  letzteres  der  Zweck  geht,  mit  dem 
„Hauptsächlichen  das  Yedawort  zu  verknüpfen"  (Jaim.  3,  3)  9). 


Mnundzwcatziffstes  Adhikaranam. 

34.    iyad  -  dmananät  920 

wegen  ihrer  Erwähnung  als  so  und  so  viele, 

„Zwei  Fremide,  schön  befiedert,  wisse 
.  .,Auf  einem  Baum  verbunden  du; 
„Der  eine  ifst  die  süfse  Beere, 
„Per  and're  schaut  nicht  essend  zu.'' 

Dieser  Vers  wird  [aus  Kigv.  1,  164,  20]  in  einem  von  der  innern 
Seele  handelnden  Abschnitte  sowohl  von  den  Atharvanika's  (Mund. 
3,  1,  1),  als  auch  von  den  Qvet&Qvatara^s  (Qvet  4,  6)  citiert.  Das- 
selbe gilt  Von  einer  Stelle  der  Katha's  (K&th.  3,  1): 

„Erfüllung  trinkend  ihres  Thuns  im  Leben, 

,»6ind  eingegangen  beide  in  die  Höhle, 

,Jm  Höchsten,  das  des  Höchsten  eine  Hälfte  [d.  h.  im  Herzen 

„Schatten  und  Licht  nennt  sie  wer  Brakman  kennet, 

„Und  wer,  der  Keuer  Fünfsahl  unterhaltend, 

„Das  Nadketas -Fener  dreimal  sündet. 


602  g&rlraka-mlminsft 

Hier  erhebt  sich  die  Frage,   ob  eine  Einheit  der  Lehre  oder  eine 
Verschiedenheit  der  Lehren  anasnnehmen  ist.  —  Angenommen  also, 
'es    sei    eine  Verschiedenheit   der  Lehren    anzunehmen.     Warum? 
'w^eil  ein  Unterschied  vorliegt;  denn  in  der  Stelle  „swei  Freunde'' 
'wird  von   dem  einen   gesagt,   dafs  er   geniefse,   von  dem  andern, 
'dafs   er  nicht  geniefse.     Hingegen  in  der  Stelle  ),£rfallnng   trin- 
^kend*'  wird  allen  beiden  ein  Geniefsersein  zugeschrieben.     Da  eo- 
^mit  der  Gegenstand  der  Belehrung  ein  verschiedener  ist,  so  mufs 
'auch    die  Lehre    es    sein.'   —  Avd   diese  Annahme  erwidert   der 
Lehrer,  dafs  vielmehr   eine  Einheit  der  Lehre  vorliegt;  warum? 
weil  in  diesen  beiden  Stellen  der  Gegenstand  der  Belehrung  durch 
ein  So -und -so -viel -sein,   d.  h.  als  in   der  Zweizahl  vorhanden,  | 
921  beiderseitig  ohne  unterschied  gelehrt  wird.  —  'Aber  die  beider- 
'seitige  Verschiedenheit   haben    wir    doch    nachgewiesen.*- —    Mit 
nichten!  denn  in  beiden  Versen  ist  von  Gott,   sofern  er  sich  von 
^er  Seele  unterscheidet,  und  von  nichts  anderm  die  Rede.     N&m- 
lieh  in  der  Stelle  „zwei  Freunde"  u.  s.  w.  wird  durch  die  Worte: 
„der  andVe  schaut  nicht  essend  zu",  der  höchste  Atman   als  er- 
haben übei:  das  Bedürfiiis   des  Essens   dargestellt,   und  auch  aus 
dem  Weiterfolgenden  ergiebt  sich,  d.af8  von  ihm  die  Rede  ist,  in- 
dem es   heifst:  „hat  er  den  Herrn  gesuchet  und  gefunden  in  Ma- 
,Jest&t,  dann  weicht  der  Kummer  fern"  (Mund.  3,  1,  2).    Hingegen 
in   der  Stelle  „Erfüllung  trinkend"  wird,   obwohl  iHur  die  indivi- 
duelle Stiele   trinkt,    doch   auch   von    dem  höchsten  Atman  wegen 
seiner  Gemeinschaft  mit  ihr  uneigentlich  gesagt,  er  trinke,  äknlich 
wie  bei  dem   Sonnenschirm  [gesagt  werden  kann,   dafs  zw^  ihn 
tragen,  wiewohl  ihn  nur  der  eine  trägt].     Das  Thema  der  Stelle 
ist  nämlich  der  höchste  Atman,  denn  es  heifst  zu  Anfang:  „vom 
„Guten  frei,  und  frei  vom^Bösen"  (Eafh.  2,  14),  und  auf  ihn  be- 
zieht sich  das  weiter  Folgende:  „er  der  die  Brücke  ist  der  Opfem- 
„den,    er    der    das    Unvergängliche,    das    höchste    Brahman    ist^' 
(Eli^^*  3,  2);    wie   wir    dies    an    der   Stelle:  „die    beiden    in   die 
„Höhle    eingegangenen,    denn    zwei  Seelen    [sind  gemeint}"   (Sü- 
tram  1,.  2,  11)   des  Weiteren   dargelegt  haben.     Somit  li^  keine 
Verschiedenheit    des   Gegenstandes    und   folglich  keine  solche   der 
Lehre  vor.     Auch  ist   an   allen  drei  Stellen,   wenn   man  das  Vor- 
hergehende und  Nachfolgende  in  Betracht  ziebt,  ersichtlich,    dafs 
es   sich  in  ihnen  nur  um  den  höchsten  Atman  handelt,  und  dafs 
die  Herbeiziehung    der    individuellen  Seele  keinen  andern  Zweck 
hat,   als  die  Wesenseinheit  mit  ihm  zu  lehren.     Wir  sahen  aber 
bereits,    dafs  bei  der  Lehre  vom  höchsten  Atman  ein  Zweifel,   ob 
er  einheitlich  sei  oder  nicht,   nicht  statthaft  ist  (vgL  S.  550};   da- 
her dieses  Wiederaufnehmen  der  Frage  hier  nur  zur  näheren  Dar- 
legung dient.     Es  steht  somit  fest,   dafs  die  überBchieXisenden  Be- 
stunmungen  an  diesen  Stellen  zusammenzufassen  sind. 


Sttnm  ni.  m.  3&  603 


Zweiundzwanzigstea  Adhikaranam, 

35.    antard,  hhüta-gräma-vatf  sva-ätmanäh  922 

als  innerlich,  wie  der  Wesen  Schar,  [ist  die  Er- 
wähnung] des  eigenen  Selbstes. 

„Bas  immanente ,  nicht  transscendente  Brahmau,  welches  als 
„Seele  allem  innerlich  ist*^;  —  diese  Worte  werden  bei  den  Y&ja- 
saneyin's  als  Frage  des  Ushasti  und  des  Kahola  zweimal  hinter- 
einander wiederholt  (Brih.  3,  4,  1  und  3,  5,  1).  Hier  erhebt  sich 
die  Frage,  ob  dabei  eine  Einheit  der  Lehre  oder  eine  Mehrheit 
von  Lehren  anzunehmen  sei?  —  Angenonunen  also,  'es  liege 
'eine  Mehrheit  von  Lehren  vor;  warum?  wegen  der  Wiederholung. 
*Denn  sonst  würde  eine  solche  zweimalige  ohne  Auslassung  oder 
^Zusatz  statthabende  Erwähnung  ohne  Zweck  sein.  Wie  daher 
^aus  einer  Wiederholung  eine  Verschiedenheit  betreffs  der  Werke, 
^so  scheint  aus  dieser  Wiederholung  eine  Verschiedenheit  betreffs 
*^der  liehre  zu  resultieren.'  —  Auf  diese  Annahme  entgegnet  der 
Lehrer:  weil  in  beiden  Fällen  ohne  Unterschied  eine  Erwähnung 
„des  eigenen  Selbstes  als  innerlich'*  vorliegt,  mufs  eine  Einheit 
der  Lehre  angenommen  werden.  Denn  dasjenige,  worauf  sich  in 
beiden  Fällen  ohne  Unterschied  die  Frage  wie  die  Antwort  be- 
zieht, ist  das  allem  inuerliche  eigene  Selbst.  Es  ist  aber  nicht 
möglich,  wenn  in  einem  Leibe  zwei  Selbste  wären,  dafs  dieselben 
allem  innerlich  sein  könnten  * ;  vielmehr  könnte  in  diesem  Falle 
höchstens  von  dem  einen  die  Annahme,  dafs  es  allem  innerlich 
sei,  berechtigt  sein,  für  das  andere  hingegen  wäre,  „wie  bei  der 
„Wesen  Schar*'  die  Innerlichkeit  in  allem  nicht  möglich;  wie  näm- 
lich bei  dem  aus  den  fünf  Element -Wesen  bestehenden  Leibe  die 
Wasser  als  der  Erde  innerlich,  und  das  Feuer  als  dem  Wasser 
innerlich,  und  in  dieser  Weise  eine  Innerlichkeit  in  allem  zwar  im 
relativen  Sinne  angenommen  werden  kann  [sofern,  infolge  der  Drei- 
fachmachung,  jedes  Element  jedem  andern  innerlich  ist,  vgL  Sd- 
tram  2,  4,  20  fg.]»  ohne  dafs  doch  eine  absolute  Innerlichkeit  in 
allem  verstanden  werden  dürfte,  ebenso  ist  es  auch  in  unserem 
Falle.  Oder  auch:  die  Worte  „wie  der  Wesen  Schar"  weisen 
auf  eine  audere  Sohriftstelle  hin;  |  so  wie  nämlich  in  dem  Verse  923 
(^vet.  6, 11): 

„Der  eine  Gott  verhüllt  in  allen  Wesen 

„Durchdringend  alle,  aller  inn're  Seele'' 

*  d  ydp  duo  cFt],  oijx  av  Suvatro  aiuipa,  elvai,  dXX'  Ijoi  av  n^piTa  icpoc 
aXXijXa  (Melissus,  Fragm.  3). 


604  QMrakanitinftiiB& 

ein  einiiges,  allem  mnerliches  Selbst  fUr  die  gesamte  Sdiar  der 
Wesen  hingestellt  wird,  ebenso  ist  es  attoh  in  den  bdden  in  Rede 
stehenden  Br&hma^a's.  Weil  somit  eine  Einheit  des  au  Lehrenden 
vorliegt,  ist  eme  Einheit  der  Lehre  anzunehmen. 

36.    anyaÜtA  hheda-anupapatUr,  iH  cen?  na!  upadega- 

antara-vat 

sonst  d&v  Zweimaligkeit  Unmöglichkeit ,  meint  ihr? 
Nein!  wie  bei  der  erneuten  Unterweisung. 

Wenn  weiter  behauptet  ¥rurde,   dals  ohne  die  Annahme  einer 
Verschiedenheit  der  Lehren  die  zweimalige  Erwähnung  unmöglich 
sei,  so  ist  dem  zu  widersprechen.     Wir  behaupten  n&mlich,  dafs 
sie^  ebenso  wohl  möglich  ist  „wie  bei  der  erneuten  Unterweisung'^ 
So  wie  nftmlich  in  der  Upanishad  der  Tän^in's  im  sechsten  Ab- 
sclüiitte  die  Unterweisung:  „das  ist  die  Seele,  das  bist  du,  o  ^e- 
„takeiu*'  (Ghftnd.  6,  8,  7  fg.)  nennmal  vorkommt,  ohne  dafs  doch 
eine  Yersehiedenheii  der  Lehre  anzunehmen  w&re,  ebenso  kann  es 
auoh    hier    sein.     TTnd   warum   ist    dort,    trotz    der    neunmaligen 
Unterweisung ,  eine  Yerschiedenheit  der  Lehre  nicht  anzunehmen? 
Weil  sieh   aus  dem  Eingange   und  aus  dem  Schlüsse  die  Einheit 
des  Sinnes    ergiebt.     Und  wenn    es  dabei  heifst:   „belehre  mich 
„noch  weiter,  o  Ehrwürdiger^'  (Ghand.  6,  8,  7  fg.)i   so  "wird  hier- 
durch eine  und  dieselbe  Sache  als  das  immer  wieder  und  wieder 
Auseinanderzusetzende  hervorgehoben,  und  die  wiederholte  Unter- 
weisung dient  dazu,   um  immer  wieder  erneuten  Zweifeln  zu  be- 
gegnen.    Ebenso  mufs  es  auch  hier  sein,  weil  sowohl  die  Gestalt 
der  Frage  beide  Male  die   nämliche  ist,  als   auch  der  Beschlufs 
beide  Male   durch   die  Worte  „was  von  ihm  verschieden  ist,   das 
„ist  leidvoll"   (Brih.  3,4,2    und    3,  5,  1)  gemacht  wird,  sodafs 
offenbar  Anfang  und  Ende  sich  auf  dieselbe  Sache  beziehen.    Auch 
heifst  es  bei  der  zweiten  Frage:  „eben  das  immanente,  nicht  trans- 
„sccndente  Brahman*'  (Brih.  3,  5,  1);   hier  beweist  die   Zuf&gung 
934  des  Wortes  „eben",  |  dafs  eben  der  von  der  ersten  Frage  betroffene 
Gegenstand   zum   zweiten   Male  herbeigezogen   wird.      Dabei   wird 
in  dem    ersten   Brahmanam   die  Realität   des   über  Wirkung    und 
Ursache  erhabenen  Atman  ausgesprochen,  während  in  dem  zweiten 
von  eben  demselben  ah  Bestimmung  angegeben  wird,  dafs  er  über 
die  Eigenschaften  des  Samsära,   den  Hunger  u.  s.  w.,  erhaben  sei. 
Somit  ist   die  Einheit  des  Gegenstandes   aufrecht  zu  halten ,    und 
demnach  nur  eine  Lehre  hier  anzunehmen. 


Sfttram  III.  xil  37.  605 


Dreiundzwanzigste^  Adhikarai^am, 

m 
1 

•  • 

d7.    vyaUhdro]  viQimhanH  hi^  itaravat 

Wechselseitigkeit;  denn  sie  unterscheiden,  wie 

anderweit. 

Die  Aitareyin's  haben  mit  Bezug  auf  den  Sonnen -Punisha  die 
Worte:  „was  ich  bin,   das  ist  er,  und  was  er  ist,  das  bin  ich*' 
(Ait.  är.  2>  2,  4,  6).     Ebenso  sagen  die  J&bftla's:  „förwahr  ich  bin 
„4u,  o  heilige  Gottheit,  und  du  bist  ich/*     Hier  fragt  es  sich,  ob 
man    an  diesen  Stellen    die  Andacht   abwechselnd  auf  beide  Ge- 
stalten   zu  riohten    hat    oder  '  nur  auf  die  eine  derselben  ?     Man 
könnte   denken,   *nur  auf  die   eine,   denn  es  ist  hier  an  durchaus 
^nichts  weiter   zu  denken,   als   an  die  Einheit  der  Seele  mit  Gott. 
*Wäre   nämlich  noch  an  etwas  weiter  zu  denken,   so  könnte  dies    • 
^ur  die  Annahnie  einer  Unterschiedlichkeit  sein,   vermöge  deren 
'die  Wanderseele  mit  Gott  und  Gott  mit  der  Wanderseele  identisch 
'wäre:  hierbei  würde  zwar  die  wandernde  Seele  durch  ihre  Auf- 
'fassung  als  Gott  emporgehoben,  hingegen  Gott  durch  seine  Auf- 
'fassung    als    die  wandernde  Seele    herabgewürdigte  werden.     Um 
'dies  zu  vermeiden,  darf  die  Andacht  nur  in  der  einen  Weise  ge- 
*schehen,  und  die  Erwähnung  der  Wechselseitigkeit  hat  nur  den 
'Zweck,   die  Einheit  zu  bekräftigen.*  —  |  Auf  diese  Annahme  er-  925 
widert  der  Lehrer:  „Wechselseitigkeit"  gilt  bei  dieser  MeditatioUi 
„wie  anderweit",  d.  h.    so  wie  auch  andere  Qualitäten,  z\  B.  dais 
Gott  die  Seele  von  allem  sei,  zum  Zwecke  der  Meditation  erwähnt 
werden.     „Denn  so  unterscheiden"  die  (in  Rede  stehenden]  Stellen 
damit,  dafs  sie  beides  aussprechen^  die  beiden  Auffassungen:  „ich 
„bin  du"  und  „du  bist  ich."    Dieses  ist  aber  nur  d^nn  angebracht, 
wenn  die  Andacht  sich  auf  beide  Gestalten  zu  richten  hat;    denn 
im  andern  Falle  würde  diese  unterschiedliche  Erwähnung  der  bei« 
den  zwecklos  sein,  indem  es  an  einem  genug  sein  wjorde.  —  'Aber 
^folgt  nicht,  wie  bemerkt  wurde,  wenn  man  der  beiderseitigen  Er- 
' wähnung  einen  gesonderten  Zweck  beilegt,  dafs  die  Gottheit  durch 
'ihre  Auffassung  als  das  Selbst  der  wandernden  Seele  eine  Herab- 
'Würdigung  erleidet?'  —  Doch  nicht,  denn  was  auf  diese  Axt  medi- 
tiert wird,  ist  nur  die  Weaenseinheit.  -■ —  'Aber  wenn  dem  so  ist, 
'so  ergiebt  sich  ja  jene  von  uns  vertretene  Bekräftigung  der  Ein- 
'beit!'  —  Diese  Bekräftigung  der  Einheit  sohliefsen  auch  wir  keines- 
wegs  aus,  aber  wir  behaupten  nur,  dafs  auf  Grund   des  Schrift- 
wories  dennoch  die  Andacht  wechselweise  eine  zweifache  sein  mufs 
und   nicht  nur  eine   einfache.      Dafs   aber    eine  Einheit   dabei   zu 
Grunde  liegt,  das  wird  ja  auch  durch  den  verheifsenen^ Lohn  be- 


606  gAxlrakA^mlm&ikB& 

stfttigt.  Es  ist  damit  [mit  dieser  Herabziehnng  der  Gottesroratel- 
lung  inB  Empirische]  gerade  so,  wie  veno  zam  Zwecke  der  Medi- 
tation Qualitäten  wie  „Wahres  wanschend*'  n.  dgU  (GhAnd.  8, 1,  5. 
8,  7,  1)  hingestellt  werden,  nnd  dabei  an  Gott  als  den  Träger 
dieser  Qualitäten  eu  denken  ist.  Somit  ist  diese  Wechselseitigkeit 
zu  meditieren  und  auch  sonst,  wo  es  sich  um  denselben  Gegenstand 
handelt,  herbeizuziehen. 


Vierundzwanziffttea  Adhiiaranam, 

926  38.    sd  eva  hi  satya-ädayah 

Denn  eine  und  dieselbe  [Lehre]  Bind  das  Beale  tu  s.  w. 

„Wer  jenes  Wunderding  als  Erstgebornes  weifs,  und  dafs  das 
*  „Bi'ahman  das  Reale  ist'V  u.  s.  w.;  mit  diesen  Worten  wird  im  Yäja- 
saneyakam  (Bph.  6,  4,  1)  die  Lehre  von  dem  Realen  mitsamt  seiner 
Verehrung  nach  Namen  und  Silben  geboten,  und  dann  heifst  es 
weiter:  „dieses  Reale  ist  jene  Sonne  dort.  Und  jener  Hum,  welcher 
„in  der  Sonnenscheibe  ist ,  und  dieser  Mann ,  welcher  im  rechten 
„Auge  ist"  n.  s.  w.  (Bph.  5,  6,  2).  Es  entsteht  der  Zweifel,  ob 
hier  (Brih.  5,  4  und  5f  6)  zwei  Lehren  von  dem  Realen  vorliegen 
oder  nur  eine.  —  Angenommen  also,  ^es  seien  zwei,  weil  ^e  Yer- 
'bindung  mit  dem  Lohne  eine  verschiedene  ist;  denn  zuerst  heifst 
^es:  „der  überwindet  diese  Welten*^  (Brih.  6,  4,  1),  und  beim  zwei- 
gten heilst  es:  „der  tötet  das  Böse  und  entweicht  ihm"  (Bfih.  6,  5, 
'3 — 4).  Wenn  aber  das  vorher  Besprochene  hier  wieder  herau- 
fgezogen wird,  so  geschieht  dies  wegen  der  Einheit  deqenigen,  um 
'dessen  Verehrung  es  sich  hier  bandelt.^  —  Auf  diese  Annahme  er- 
widern wir,  dafs  hier  nur  eine  und  dieselbe  Lehre  von  dem  Rea- 
len vorliegt;  warum?  weil  mit  den  Worten  „dieses  Reale"  (Bfih.  5, 
5,  2)  das  Vorhererwähnte  herangezogen  wird.  —  *Aber  sagten 
'wir  nicht,  dafs  eine  solche  Heranziehung  des  Vorhererwähnten 
'auch  bei  Verschiedenheit  der  Lehre  zufolge  der  Einheit  des  zu 
927  'Verehrenden  möglich  ist?^  —  |  Dem  ist  nicht  so!  ja,  wo  aus 
einer  andern  offenbaren  Ursache  eine  Verschiedenheit  der  Lehren 
angenommen  wird,  da  möchte  dem  so  sein;  Hier  aber,  wo  beides 
gleich  möglich  ist,  wird  durch  die  Herbeiziehung  des  Vorher- 
erwähnten mit  den  Worten  „dieses  Reale'*  das  in  der  ersten  Be- 
lehrung vorkommende  Reale  bei  der  zweiten  herangezogen,  wor- 
aus mit  Sicherheit  folgt,  dafs  die  Lehre  eine  einheitliche  ist. 
Wenn  weiter  bemerkt  wurde,  dafs  die  Lehre  eine  verschiedene 
sein  müsse,  weil  verschiedene  Belohnungen  erwähnt  würden,  so 
erwidern  wir,   dafs  dieser  Einwurf  unbegründet  ist,  indem   diese 


Sfttram  lU.  xn.  38.  607 

Erwähnung  Tenchiedener  Belohnungen  den  Zweck  hat»  die  Unter- 
weisung in  den  beiden  Gliedern,  wonach  sein  Geheimname  das  eine 
Mal  i^ts^'^^  und  das  andere  Mal  „Ich"  heifat,  zu  yerherrlichen. 
Hierzu  kommt,  dafs  da,  wo  wie  hier  die  Belohnung  nur  auf  die 
Sacherklärung  [nicht  auf  die  Vorschrift]  zu  beziehen^  ist,  trotz 
der  Einheit  der  Lehren  mancherlei  Belohnungen  bei  den  einzelnen 
Teilen  vorkominen  können  und  dann  in  der  aus  diesen  Teilen  be- 
stehenden Lehre  zusammenzufassen  sind.  Hieraus  folgt,  dafs  hier 
eine  und  dieselbe  Lehre  von  dem  Realen  vorliegt,  welche  als  mit 
der  einen  und  der  andern  Bestimmung  behaftet  dargelegt  wird, 
und  dafs  alle  die  Attribute  als  „das  Reale"  u.  s.  w.  zu  einer 
Zweckbestimmung  zusammenzufassen  sind. 

Manche  hingegen  nehmen  an,  in  diesem  Sütram  handle 
es  sich  einerseits  um '  die  Yäjasaneyakastelle  von  dem  Mann  im 
Auge  und  in  der  Sonne  und  anderseits  um  die  Chändogyastellen: 
„aber  der  goldene  Mann,  welcher  im  Innern  der  Sonne  gesehen 
,,wird"  und:  „aber  der  Mann,  welcher  im  Innern  des  Auges  ge- 
,,sehen  wird"  (Gh&nd.  1,  6,  6  und  1,  7,  5),  und  meinen,  |  dafs  diese  928 
Lehre  von  dem  Manne  im  Auge  und  in  der  Sonne  an  beiden 
Stellen  die  nämliche  sei,  daher  man  die  von  den  Yäjasanejin's  an- 
gegebenen Attribute  als  „das  Reale"  u.  s.  w.  mit  denen  der  Chando- 
ga's  ^zusammenfassen  müsse.  Diese  Auffassung  ist  jedoch  nicht  zu 
billigen.  Denn  im  Cbändogyam  ist  diese  auf  den  Udgltha  bezüg- 
liche Lehre  mit  Werken  verknüpft,  wie  daraus  ersichtlich,  dafs  bei 
ihr  in  Anfang,  Mitte  und  Ende  Anzeichen  für  die  Verknüpfung 
mit  Werken  vorliegen;  denn  zu  Anfang  heifst  es:  „diese  Erde. ist 
„die  Ric,  das  Feuer  ist  das  Säman"  (Chänd.  1,.6,  1),  und  in  der 
Mitte:  „seine  Gesänge  sind  Ric  und  Sllman,  darum  heifst  es  der 
„Hochgesang"  (Chänd.  1,  6,  8),  und  zum  Schlüsse:  „wer  dieses 
„also  wissend  das  Säman  singt"  (Ghänd.  1,  7,  7).  Hingegen  ist  im 
Väjasanejakam  durchaus  kein  derartiges  Anzeichen  für  die  Ver- 
knüpfimg  mit  Werken  vorhanden,  und  somit  ist  hier  wegen  der 
Verschiedenheit  des  Unternehmens  eine  Verschiedenheit  der  Lehre 
anzunehmen,  sodafs  man  die  Attribute  auseinanderzuhalten  hat. 


Fünfundzwamigstes  Adhikaranam» 

39,    käma-ddi  üaratra  tatra  ca,  äyatana  -  ädihhydh 

m 

Wünschen  u.  8.  w.  an  der  andern  Stelle  und  hier, 

wegen  des  Standortes  u.  s.  w. 

Die  Ghandoga's  haben  die  Stelle:  „hier  in  dieser  Brabmanstadt ' 
ist  ein  Haus,   eine  kleine  liotosblume;  inwendig  darinnen  ist  ein 


608  Qlrlnka  iiilm(^& 

„kleiner  Raam'^  (Gh&nd.  8,  1,  1);  und  weiter  lesen"  aie:  „das  ist 
„das  Selbst,  das  sfindlose,  frei  yom  Alter,  frei  Tom  Tod  und  frei 
„Tom  Leiden,  ohne  Hunger  und  ohne  Durst;  sein  Wünschen  ist 
„wahrhaft,  wahrhaft  sein  RatschluTs"  (Ch&nd.  8,  1,  5).     Ebenso 

929  sagen    die  Y&jasanejin's :   „wahrlich    dieses   |   grofse,    ungeborene 
,y3elbst,    das  ist  unter  den  Lebensorganen  jener  ans  Erkenntnis 
„bestehende  [selbstleuchtende  Geist]!     Hier,  inwendig  im  Herxen, 
„ist  ein  Baum,    darin  liegt,  er,  der  Herr  des  Weltalls^'  u.  s.  w. 
(Brih.  4,  4,  22).  —  Bei  dem  Zweifel,   ob  hier  eine  Einheit   der 
.  L^re  und  eine  Hinzudenknng  der  beiderseitigen  Attribute  anssu- 
nehmen  sei  oder  nicht,   entscheidet  sich  der  Lehrer  für  die  Ein- 
heit der  Lehre  und  sagt  in  diesem  Sinne:  „Wünschen^'  u.  s.  w.,  d.  h,: 
„wahrhaft  ist  sein  Wünschen";  indem  käma  so  Tiel  bedeutet  wie 
saiifäkdma^  ähnlich  wie  wenn  man  Datta  für  DevoidiUta  und  Bkämä 
für  Sat^abhämd  sagt.     Also  die  Qualitäten,  „Wahres  wünschend'' 
u.  s.  w«,    welche    dem    Ratime   im    Herzen  Tom  Chftndogyam   sn- 
geschriebeu  werden,  dieselben  sind  auch  „an  der  andern  Stelle *S 
nämlich  im  Vl^'asaneyakam,  mit  den' Worten:  „wahrlich  dieses  grofse 
„ungeborene. Selbst"  zu  Terbinden.    Und  wenn  dabei  im  Ydjaaane- 
yakam  gesagt  wird,  der  Atman  sei  „der  Herr  des  Weltalls"  u.  s.  w., 
so  ist  auch  dieses  mit  den  Worten  des  Ch&ndogyam:  „das  ist  das 
„Selbst,  das  sündlose",  au  Terbinden.    Warum?  wegen  der  Oleicb- 
heit  „des  Standortes"  u.  s.  w.    Nämlich  gleich  ist  an  beiden  Stelleu. 
dafs  das  Herz  sein  Standort  ist,  gleich,  dafs  das  zu  Erkennende 
Gott  ist, ^gleich   auch  seine  Auffassung   als   eine  Brüdce,  welche 
dazu  (iient,  die  Welten  auseinanderzuhalten,  damit  sie  nicht  Ter- 
fliefsen;  sodafs  sich  in  Tielen  Stücken  eine  Gleichheit  herausstellt. 
—  *Aber  liegt  nicht  auch  ein  unterschied  Tor,  sofern  die  Quali- 
'täten   im  Gh&ndogyam  auf  den  Raum  im  Herzen,    im  Yäjasane- 
'yakam  hingegen  auf  das  in  diesem  Kaume   befindliche  Bralunan 
'bezogen  werden?'  —  Doch   nicht!   denn  wir  haben  an  der  St^le 
„der  kleine  [Raum]  wegen  des  Folgenden"  (Sütram  1,  3,  14)  fest- 
gestellt, dafs  auch  im  Chändogyam  imter  dem  Worte  Raum   das 
Brahman  au  Terstehen  ist.    Hingegen  ist  dabei  ein  anderer  Unter- 
schied zu  bemerken.     Im  Ghändogyam  nämlich  wird  die  attribut- 
hafte  Lehre  Tom  Brahman  dargelegt,   denn  wenn  es  heifst:  „wer 
„aber  Ton  hinnen    scheidet,    nachdem    er    die   Seele    erkannt    hat 
„und  jene  wahrhaften  Wünsche"  (Ghänd.  8,  1,  6),  so  werden  hier 

930  ebenso  wie  der  Atman  |  auch  die  Wünsche  als  das  zu  Wissende 
bezeichnet.  Im  Yäjasaneyakam  hingegen  bandelt  es  sich  nur  um 
das  attributloce  Brahman,  wie  dies  aus  dem  Zusammenhange  der 
Fragen  und  Antworten:  „rede  höher  als  dieses  was  zur  Erlösung 
„dient"  (Bph.  4,  3,  14)  und  „denn  diesem  Geiste  haftet  nichts  an" 
(Bfih.  4,  3,  15)  hervorgeht;  dafs  er  aber  im  Yajasaneyakam  nut 
den  Attributen  „Herr  des  Weltalls"  u.  s.  w.  erwähnt  wird,  ge- 
schieht nur,  um   ihn  in  dieser  und  jener  Weise  zu  Terherrlicben. 


Sütrain  IIT.  ni.  39.  609 

Dem  entsprechend  heifst  es  auch  nachher:  „er  aber,  der  Atman, 
„ist  nicht  so  und  ist  nicht  so^*  (Brih.  4,  5,  15),  welche  Zusammenf- 
fassung  sich  auf  das  attributlosc  Brahman  bezieht.  Weil  dasselbe 
aber  mit  dem  attributhaften  Brahman  [im  Grunde]  identisch  ist,  wird 
die  in  Rede  stehende  Zusammenfassung  der  Attribute  Vom  Sütram 
verlangt  in  der  Absicht,  seine  Machtfülle  zur  Anschauung  zu 
bringen,  nicht  aber  zu  einem  Zwecke  der  Verehrung  [welche  nur 
bei  drm  attributhaften  Brahman  stattfindet];  so  ist  es  aufzufassen. 


Sechaundzwanztgstes  Adhikaranam, 

40.    'ddaräd  alopaiy 
'wegen  der  Aufmerksamkeit  Nicbtstörung/ 

Im  Chandogyam  heilst  es  bei  Gelegenheit  der  Vai^yänaralehre : 
„das  was  als  Speise  zuerst  genommen  wird^  das  ist  der  Opferstoff; 
,^wenn  man  diese  Opferung  darbringt,  so  soll  man  sie  darbringen 
„mit  den  Worten:  «gesegnet  sei  das  Leben»"  (Ch&nd.  6,  19,  1). 
An  dieser  Stelle  werden  ffinf  Darbringungen  für  das  Leben  ver- 
ordnet, und  ihnen  wird  am  Schlüsse  der  Name  des  Feueropfers 
beigelegt,  indem  es  heifst:  „wer  dieses  also  wissend  das  Feucr- 
„opfer  darbringt"  (Chand.  ö,  24,  2)  und  (Chänd.  5,  24,  5) : 

„Wie  Kinder  hungrig  um  die  Mutter  sitzen , 
„So  um  das  Feueropfer  alle  Wesen." 

Hier  ist  zu  untersuchen,  ob  durch  die  Unterlassung  des  Essens 
eine  Störung  des  dem  Leben  dargebrachten  Feueropfers  eintritt 
oder  nicht.  |  dämlich  in  den  Worten:  „was  als  Speise  zuerst  gc-  9äl 
,,uommen  wird",  liegt  eine  Erwähnung  des  Nehmens  der  Speise; 
da5(  Nehmen  der  Speise  aber  geschieht  zum  Zwecke  des  Essens, 
und  wenn  das  Essen  unterbleibt,  so  ist  dies  eine  Störung  des 
Lt^bens-Feueropfers.  —  Gegen  diese  Annahme  könnte  jemand  ein- 
wenden, ^dafs  das  Opfer  dadurch  nicht  gestört  werde;  warum? 
S, wegen  der  Aufmerksamkeit".  Denn  so  »agt  bei  Gelegenheit  eben 
^dieser  Yai^vanara-Lehre  eine  Schriftstelle  der  J&bMa's:  „er  soll  vor 
%,den  Gästen  essen;  denn  [wenn  die  Oftste  vor  ihm  essen],  so 
%,iBt  das,  wie  wenn  einer  [der  Gast]  ohne  selbst  zu  opfern  das 
'„Peucropfer  eines  andern  [des  Opferspend^raj  darbringt".  Wenn 
^die  Schrift  hier  das  Vorheressen  der  Gäste  [als  unwirksam]  ver- 
' wirft  und  lehrt,  dafs  [auch  wo  es  vorkomme,  doch  der  Wirksam- 
'keit  nach]   das  Essen   des  Opferherrn   das   vorhergehende    sei,   so 


'macht  sie   dadurch  beim   Lebens  «FeaeropfAT   die  Aufmerksainkeit 
'[und  somit  ein  blofs  Ideelles  als  das  Mafsgebende  g6lt4^nd].    Wciil 
'aber    die   Schrift  nicht  einmal   oie  Möglichkeit  einer  Störong    in 
'd^r   Priorität    des   Feueropfers    zugiebt,    so    wird    sie    noch    viel 
^weniger    die   Möglichkeit    einer   Störung    des  Feueropfera    selbst, 
'auf   welches    diese   Pi-iorität    sich    bezieht,    einräumen.*   —   Aber 
liegt    nicht    dai'in,    dafs    das   Nehmen    der    zum  Essen    dienenden 
Speise  vorkommt,  ausgesprochen,  dafs  bei  Unterbleiben  des  Essens 
eine   Störung    eintrete?   —    ^Boch    nicht!    denn    diese   firwähnung 
*hat  nur  den  Zweck,   das  Opfermaterial  näher  zu  bestimmen.      Da 
^nämlich    für    das    gewöhnliche  Feueropfer  Milch  u.  s.  w.   dls    die 
*  Opferstoffe    vorgeschrieben   sind,    so  könnte  man   auch   hier,    wo 
'der  Name  „Feueropfer"  gebraucht  wird,  ähnlich  wie  bei  der  Fest- 
^periode  der  Kinigtiinker,   auch  seine  Bestimmungen  dabei  voraus* 
^setzen;    und    um    nun    als    besondere   Eigentümlichkeit    des    vor- 
liegenden Falles  das  Aufessen  des  Opfermaterials   vorzuschreiben, 
Mazn    dient    das   Wort:    „das.  was    als   Speise    genommen    wird/' 
'Darum  also,   und  weil  „die  Störung  der  Nebensache  keine  solche 
'„der  Hauptsache  ist^'  [wie  Jaimini  sagt],  kann,  selbst  gesetzt  den 
Tall,    es   käme  in   dieser   Weise  ein  Unterbleiben   vor,   auch  mit 
'Wasser  oder  einer  andern  nicht  ungeeigneten   Substanz   auf  dem 
'Wege  der  Substitution  das   Lebens-Feueropfer  vollzogen  werden.* 
Auf  diese  Annahme  entgegnet  der  Lehrer: 

932  4L    upasthite^  'tas;  täd-Vdcanät 

indem  es  vollzogen  wird,  durch  dieses;  weil  dies 

gesagt  wird. 

Nur  indem  das  Essen  „vollzogen  wird",  lafst  sich  „durch 
„dieses",  d.  h.  eben  durch  die  „zuerst  genommene"  Speise  als 
das  Material  das  Lnbeus- Feueropfer  vollbringen;  warum?  „weil 
dies  gesagt  wird".  Denn  in  diesem  Sinne  sagt  die  Schrift:  das 
das  was  als  Speise  zuerst  genommen  wird,  das  ist  der  Opferstoff^' 
(Chl^d.  5,  19,  !)•  Hier  wird  das  Heranbringen  der  Speise  als 
die  Voraussetzung  behandelt,  unter  weloher  die  Tollziehung  der 
Darbringungen  für  das  Leben  mittels  Stoffen,  die  [eigentlich]  einem 
andern  Zwecke  dienen,  angeordnet  wird.  Da  diese  Darbringungen 
das  Merkmal  haben,  dafs  sie  nicht  zu  dem  bestimmten  Zwecke 
[des  Lebens-Feueropfers,  sondern  zufallig,  bei  Gelegenheit  der  Er- 
nährung] herbeigeschafft  werden,  so  können  sie  unmöglich  bei  Unter- 
lassung des  EsRens  sich  ein  anderes  Material  substituieren  lassen. 
Auch  ist  dabei  ein  Gültigseiii  der  Beschaffenheiten  des  gewöhnlichen 
Feueropfers  nicht  anzunehmen.  Bei  der  Festperiode  der  Kmgtrinker 
allerdings,  wo  es  heifst:  „sie  bringen  einen  Monat  lang  das  Feuer- 


7» 


Siktram  III.  m.  41.  611 

,,opfer  dar*'  (Kfttj.  yr.  24,  4,  24),  findet  sich  da«  Wort  „Feaeropfer'* 
in  dem  Sinne,  dafs  es  sich  auf  eiiic  Vorschrift  beaiebt;  hier  mag 
die  Vorschrift  einen  jenem  ähnlichen  Hergang  anbefehlen,  und  in- 
sofern eine  Zulassung  der  Beschaffenheiten  des  Feueropfers  am 
Platze  sein.  In  unserer  Stelle  hingegen  dient  das  Wort  „Feuer- 
„Opfer"  nur  zur  Sacherklärong,  kann  somit  nicht  dazu  dienen, 
einen  jenem  ähnlichen  Hergang  anz  abofehlen.  Wollte  man  femer 
annehmen,  dafs  die  Beschaffenheiten  des  Feueropfers  hier  zuträfen, 
so  möfsten  auch  die  Überaündung  [die  Übertragung  des  Feuers 
aus  dem  Gärhapatya- Feuer  zu  den  beiden  übrigen],  und  anderes 
hier  zutreffen;  |  das  aber  ist  nicht  möglich;  denn  die  Überzündung  933 
des  Feuers  z.  B.  geschieht  zum  Zwecke  der  Opferung,  hier  aber 
ist  eine  Opferung  im  Feuer  nicht  möglich,  weil  durch  dieselbe 
die  Bestimmung,  gegessen  zu  werden,  unerfüllbar  gemacht  werden 
würde;  daher  die  Opferung  hier  nur  in  der  Verbindung  mit  den 
zum  Zwecke  des  Essens  herangebrachten  Stoffen  besteht.  Und 
wenn  ^ia  Schriftstelle  der  Jäbala's  sagt:  „er  soll  vor  den  Gästen 
„essen ^^,  so  will  sie  damit  nur  darauf  hinweisen,  dafs  hier  das 
Opfer  in  dem  Munde  als  seinem  Behälter  zu  Yollbringen  ist. 
Und  aus  eben  diesem  Grunde  weist  die  Schrift  auch  au  unserer 
Stelle  auf  die  symbolischen  Bestandteile  des  Feueropfers  hin,  in- 
dem sie  sagt:  „seine  Brust  ist  das  Opferbette,  seine  Haare  sind 
„die  Opferstreu,  sein  Herz  ist  das  Gärhapatya- Feuer,  sein  Yer- 
„stand  ist  das  Anv&häryapacana- Feuer,  sein  Mund  ist  das  Äha- 
„vaniya-Feuer**  (Chand.  6,  18,  2).  Was  dabei  die  Erwähnung  des 
Opferbettes  betrifft,  so  ist  dieselbe  anzusehen  als  blofs  auf  die 
geebnete  Bodenfläche  Bezug  nehmend',  da  bei  dem  eigentlichen 
Feneropfer  ein  Opferbette  nicht  vorkommt,  und  da  es  seine  Be- 
standteile sind,  die  hier  symbolisch  gedeutet  werden.  Ferner  ist 
es  auch  unmöglich,  die  Zeit  des  Feueropfers  einzuhalten,  da  ein 
Befassen  mit  dem  Essen  nur  zu  bestimmten  Zeiten  stattfindet.  In 
dieser  Weise  stehen  auch  manche  andere  Qualitäten,  z.  B.  die  Art 
der  Verehrung  u.  s.  w.,  mehrfach  [mit  dem  wirklichen  Feueropfer] 
in  Widersprucl^.  |  Es  ist  somit  also  nur  unter  der  Yoraussetcung  9)4 
des  Essens  möglich,  di^  in  Rede  st-ehenden  fünf  Opferungen 
nach  ihrer  Verbindung  mit  Opferspruch,  Opferbtoff  und  Gottheit 
ins  Werk  zu  setzen.  Was  aber  das  Schriftwort  betrifft,  welches 
auf  die  „Aufmerksamkeit"  [als  das  beim  Lebens-Feueropfer  Wirk- 
same] hinwies,  so  hat  dieses  vielmehr  nur  den  Zweck,  unter  Vor- 
aussetzung des  wirklichen  Essens  die  Priorität  des  Opferspenders 
anzuordnen.  Denn  man  darf  ein  Schi'iftwort  nicht  zu  sehr  pressen 
(na  hi  asti  vacanasya  atibhärah),  und  keineswegs  läfst  sich  aus 
diesem  Worte  die  unbedingte  Gültigkeit  des  Lebens  -  Feueropfers 
[selbst  für  den  Fall,  dafs  das  Essen  nicht  vollzogen  würde]  er- 
weisen. Somit  ergiebt  sich,  dafs  bei  Unterlassung  des  Essens  auch 
eine  Unterlassung  des  Lebens -Feueropfers  eintritt. 

39* 


612  Q&riraka-mim&n8li 

Siebenundzwanzigfftes  AdMkaranam, 

42.    tan-nirdhärana-aniyamaSy  tad-drishtehy  prithagg  Jii 

a^atibandhdk  phalam 

ihrer  Durchhaltung  Nichtnotwendigkeit^  weil  dies  er- 
sichtlich; denn  gesondert,  ohne  ein  Hindernis  zu  sein, 

ist  ihre  Frucht. 

Es  giebt  gewisse  Lehren,  welche  sieh  auf  einen  Teil  des  Werk- 
dienstes  stüteen,  z.  B.  wenn  es  heilst:  „Om!  dieee  Silbe  soll  man  yeiv 
),6hren  als  den  üdgitha"  (Gh&nd.  1,  1,  1),  und  es  fragt  sidx,  ob  diese 
wesentlich  fär  die  Werke  sind,  wie  z.  B.  der  ^Gkbrancb  des  Löffek 
„aus  Par^aholz*'  es  ist,  oder  nicht  wesentlich,  wie  z.  B.  „das  Melken 
„der  Kühe"  es  ist.  —  Angenommen  also,  *sie  seien  für  die  Werke 
*  wesentlich;   warjun?  weil   sie  in   dem   die  Ausführung  regelnden 
'Schriftworte  miteinbegriffen  werden.     Denn  wenn  dieselben   asefa 
'ohne  Hand  anzulegen  blofs  studiert  werden^  so  sind  sie  dodi  ver- 
936  'mittelst  des  Udgitha  u.  s.  w.   an  das  Opferwerk  gebunden  {  und 
'werden   bei  der  Anleitung  zum  Vollbringen   des  Opferwerkes  ge- 
'rade  so  wie  ein  anderer  Teil  desselben  behandelt.    Und  wenn  fur 
'81  e  in    ihrem  eigenen  Zusammenhange  ein  Lohn  verheüken  wird, 
'wie  z.  B.  in  den  Worten:  ,^der  fürwahr  wird  zu  einem  Erlanger 
'„der  Wünsche"  u.  s.  w.  (Ch&nd.  1,  1,  7),  so  Hegt  hierin,  wie  aus 
'der  Bezeichnung  in  Form  des  Pr&sens  hervorgeht,  eine  blofse  Er- 
'klärung  der  Sache,   ähnlich   wie  z.  B.   auch  in  der  Yerheilsung, 
'dafs  der  [welcher  den  Löffel  aus  Parnaholz  gebrauche],  keine  üble 
'Nachrede   erleide,   nicht  aber  die  Abzielnng  auf  einen  künftigen 
'liohn.    Wie  daher  in  der  Stelle:  „wer  einen  Löffel  aus  Parnaholz 
'hat,   der   erleidet   keine   üble   Nachrede"   (Taitt.  Samh.  3,  6,  7,  2j 
'und   in   ähnlichen   Stellen,   wiewohl  sie    ohne  Zusammenhang   mit 
'dem,  wovon  die  Hede  äst,  ausgesprochen  werden,  gleichwohl  wegfu 
^des  Löffels   eine  Zugehörigkeit  zum  Opferwerke,   und   daher  -eine 
^Woseutlichkeit  für  dasselbe,  ebensogut  als  wenn  sie  in  Zusanuneu- 
Omng  mit  dem  Übrigen  ständen,   anzunehmen  ist,  ebenso  steht  es 
'mich  mit  den  Verehrungen  als  der  Udgitha  u.  s.  w.'  —  Auf  diese 
Beiiauptung  erwidern  wir:  es  besteht  für  die  „Dürchhaltung'^  dieser 
[Vorstellungen  Hand  in  Hand  mit  dem  Opfer]  „keine  Notwendigkeit'*. 
Nämlich  jene  Durchhaltuugen  [symbolischer  Umdeutungen  im  Verlaufe 
des  Opfers],  welche  bestimmt  sind,  das  innere  Wesen  der  Beschaffen- 
heit  des    Üdgithawerkes  u.  s.  w.    zu  erschliefsen,  z.  B#  dafa   er  die 
„feinbtc  EsHcnz",  die  „Erlangung",  das  „Gedeihen",  der  „Hauptle\^ens- 
„odeiii",  die  „Sonno"  u.  s.  w.  sei  (vgl.  Chänd.  1,  1,  3.  6,  8;  1,  2,  7: 


Sütram  III.  in.  42.  613 

1,  3/ 1))  diese  und  andere  [symbolische  Yorstellungen]  werden 
nicht  als  etwas  für  die  Werke  Wesentliches  gefordert.  Wamm? 
„weil  dies  ersiehtlich**.  Nämlich  die  Nichtnotwendigkeit  derartiger 
Yorstellongen  ist  ersichtlich  aus  der  Schrift,  |  wenn  es  z.  B.  heifst:  936 
„darum  YoUbringen  es  beide,  der,  welcher  Solches  weiTs  und  der 
,;ea  nicht  weifs"  (Chftnd.  1,  1,  10);  hier  wird  auch  das  Werk  des 
Nichtwissenden  als  gültig  anerkannt.  Femer  lehrt  ja  die  Schrift, 
wie  auch  Solche,  welche  die  Erkenntnis  der  beim  Prast&va  an- 
gerufenen Gottheit  nicht  besitzen,  dennoch  beim  Opfer  als  Prasto* 
tar  u.  s.  w.  ministrieren  können;  denn  es  heifst:  „o  Prastotar, 
,;wenn  du,  ohne  die  Oottheit  zu  kennen,  auf  welche  sich  der 
,jPrast4Ta  bezieht,  den  Prast&va  Terrichtest,  .  .  .  wenn  du,  ohae 
,,sie  zu  kennen,  den  Udgitha,  ,  .  .  wenn  du,  ohne  sie  zu  ken- 
„nen  den  PratiMra  verrichtest"  (Ch&nd.  1,  10,  9-^11).  Hierzu 
kommt,  dafs  für  eine  derartige,  auf  die  Werke  sich  stützende 
Vorstellung  unabhängig  von  dem  Werke  ein  Lohn  in  Aussicht  ge- 
stellt wird,  und  die  Erlangung  desselben  ist  eine  Art  besondem 
Überschusses,  „ohne"  dafs  dieser  für  die  Vollbringung  der  Frucht 
des  Werkes  „ein  Hindernis"  wäre;  denn  es  heifst:  „darum 
„vollbringen  es  beide,  der  Solches  also  weifs,  und  der  es  nicht 
„weifs;  aber  weit  von  einander  verschieden  ist  das  Wissen  und 
„das  "Nichtwissen;  denn  was  man  durch  das  Wissen  vollbringt, 
„durch  den  Glauben,  durch  die  Upanishad,  das  ist  wirkungs- 
„kräftiger"  (Ghltod.  1,  1,  10).  Eier  wird  in  den  Worten  „aber 
„weit  von  einander  verschieden"  zwischen  dem  Unternehmen  des 
Wissenden  und  des  Nichtwissenden  zwar  ein  Unterschied  gesetzt, 
aber  der  Gebrauch  des  Komparativ  -  Suf&xe«  in  dem  Worte  „wir- 
„kungskräftiger"  |  zeigt,  dafs  auch  das  des  Wissens  ermangelnde  037 
Werk  wirkungskräftig  ist;  dieses  aber  ist  nur  dann  möglich,  wenn 
das  Wissen  dem  Werke  nicht  wesentlich  ist;  denn  wäre  es  ihm 
wesentlicli,  so  könnte  das  Werk  ohne  Wissen  nicht  als  wirküngs- 
kriiftig  anerkannt  werden,  da  als  Grundsatz  feststeht,  dafs  ein 
Werk  nur  dann  wirkungskräftig  ist,  wenn  alle  seine  Teile  voll- 
zählig zusammen  sind.  In  ähnlicher  Weise  wird  an  der  Stelle 
von  der  Gemeinschaft  der  Welten  gelehrt,  dafs  an  jede  Verehrung, 
je  nach  ihrer  Art,  bestimmte  Belohnungen  sich  knüpfen;  denn  es 
heifst:  „denn  ihm  werden  zu  Teil  die  Welten  nach  oben  hin  und 
,.nach  herwärts  zu"  u.  s.  w.  (Chand.  2,  2,  3).  Es  geht  aber  nicht, 
diese  Vcrheifsung  des  Lohnes  als  eine  blofse  Erläuterung  (artha- 
rd4a)  aufzufassen,  denn  dann  würde  sie  eine  Erläuterung  durch 
Ulieigentliches  (ein  ffunaväda^  vgl.  S.  186)  sein  müssen;  wo  aber 
von  einem  Lohn  die  Rede  ist,  da  ist  dieses  jedenfalls  in  eigent- 
lichem Sinne  (als  ein  vmkhyavdfla)  zu  nehmen.  Anders  liegt  die 
Sache  in  solchen  Fällen  wie  beim  Voropfer  u.  s.  w.;  hier  ist  die 
Rede  von  einem  -Werke,  welches  in  bestimmter  Weise  verrichtet 
zu  werden  verlangt;   der  Zweck  liegt  in  diesem  selbst,  und  daher 


Cl4  ^4rlräka-inimäü8«\ 

• 

I&lst  sich  tainehmen,  ^fs  eine  [dabei  unterlaufende]  Yerhcifsiuig 
des  Lohnes  eine  blofse  ErUaierong  (artkaräda)  sei.  Ebenso  steht 
es  bei  demjenigen  Ceremonienf  welche  nicht  ausgeführt,  sondern 
nur  siadiert  werden,  wie  es  s«  B.  mit  der  Verwendung  des  Löffels 
au8  Parnaholi  der  Fall  ist;  denn  diese  Verwendung  des  Löffels 
aus  Par^aholz  kann,  da  sie  nicht  sur  praktischen  Ausführung  kommt 
und  somit  der  [materiellen]  Grundlage  ermangelt,  nicht  mit  einem 
wirklichen  Lohne  verknöpft  werden.  Was  hingegen  die  Cere- 
monie  des  Kuhmelkens  betrifft,  so  besitzt  diese  eine  solche  Grund- 
lage in  dem  Herbeiholen  des  Wassers  u.  s,  w.,  von  dem  dabei  die 
Rede  ist,  daher  hier  der  liohn  als  zur  Vorschrift  gehörig  [nicht 
als  ein  blofser  Arthavftda]  anzusc^hen  ist.  Ebenso  iäfst  sich  bei 
Ceremonien  wie  der  mit  dem  BÜTaholze  der  Lohn  als  zur  Vor- 
schrift gehörig  auffassen,  weil  er  jene  Grundlage  besitzt,  iu  Ge- 
938  stalt  des  Opferpfontens,  von  dem  dabei  die  Rede  ist.  |  Hingegen 
was  den  Gebrauch  des  Löffels  aus  Par^aholz  und  ähnliches  betrifft, 
so  ist  dabei  von  keiner  derartigen  Ginindlage  die  Rede,  und  wenn 
die  Schrift  sagen  wollte,  dafs  die  Benutzung  des  Löffels  nur  dem 
Worte  nach  geschehe  und  doch  eine  Lohn  bringende  Vonohrifl 
bei,  60  würde  damit  etwas  Widersprecheudes  gesagt  werden.  Was 
hingegen  die  Verehrungen  betrifft,  so  gehören  sie  zwar  zu  den 
Werken,  lassen  sich  doch  aber  als  eine  besondere  Vorschrift  be- 
trachten, daher  die  Anordnung  eines  Lohnes  für  diejenigen  [Ver> 
ehi-ungcn],  welche  sich  auf  den  Udgitha  stützen,  kein  Widerspruch 
ist.  So  wie  daher  Ceremonien  wie  das  Melken  der  Kühe  u.  s.  w., 
obwohl  sie  sich  auf  das  Werk  stützen,  weil  ein  besonderer  Lohn 
mit  ihnen  verbunden  ist,  für  das  Werk  nicht  wesentlich  sind, 
ebenso  mufs  man  annehmen,  dafs  auch  die  Verehrungen  als  Vdgl- 
tha  u.  s.  w.  es  nicht  sind.  Daher  kommt  es,  dafs  die  Verfasser 
der  Kalpa-Sütra's  derartige  Verehrungen  unter  den  Opfer  werken 
nicht  mü  einbegriffen  liaben. 


Ackhtndzwangig$tes  Adhikaranmm. 

43.    pradäna-vad  eva,  tad  uktam 
eben  wie  bei  den  Spenden;  darüber  ist  gesprochen. 

Im  Vajasaneyakam ,  an  der  Stelle:  „ich  will  reden,  so  strebte 
„die  Rede"  (Brih.  1,  5,  21)  wird  in  psychologischer  Beziehung  der 
Pr&na  als  der  edelste  unter  der  Rede  u.  s.  w.  erwiesen  und  in 
kosmologischer  Beziehung  der  Wind  als  der  edelste  unter  dem 
Feuer  u.  s.  w.     In   ähnlicher  Weise  wird  im  Ch&udogyam,   an  der 


Sütram  111.  iii.  43.  615 

Stelle:  „fürwahr  der  Wind  ist  der  »B-sich-Ratfer"  (Ch&nd  4,  3,  1) 

in   kosmoiogi scher  Beziehung   erklärt,    dafs  für  das  Feuer  u.  s.  w. 

der    au -sich -Raffer   der  Wind,   nr.d   in  psychologischer  Beziehung, 

in  den  Worten  „der  Pra^a  fürwahr  ist  der  an-Bich-RaHer"  (ChUnd.  4, 

3,  2),  dafs   es   f&r  die  Rede  u.  s.  w.  der  Prniia   sei.     Hier  erhebt 

sich   der  Zweifel,  ob  man  den  Wind  und  den  Prana  gesondert  zii 

verehren  hat  |  oder  nicht    gesondert.  —   Angenommen   also,   'sie  939 

'seien  nicht  als  gesondert  zu  verehren,  weil  ihre  Wesenheit  nicht 

*  verschieden  ist;  denn  wo  die  Wesenheit  nicht  verschieden,  ist  ein» 

'gesonderte  Meditation  nicht  am  Platze.    Auch  zeigt  die  Schrift  in 

'psychologischer  wie  in  kosmologischer  Beziehung,  dafs  ihre  Wesen- 

'heit  nicht  verschieden  ist,  an  der  Stelle:  „das  Feuer  ging  als  Rede 

%,ein  in  den  Mund"  u.  s.  w.  (Ait.  1,  2,  4).    Ferner  zeigt  die  5M]hrift 

4n  den  Worten:  „eben  diese  sind  alle  gleich  grofs,  sind  alle  unend- 

S^lich"   (Bfih.  1,  i>,  13),    wie  den  psychologischeü   Lebensorganeu 

'eine  kosmologische  Machtentfaltung  wesentlich   ist.     Ebenso  wird 

'anderweit    hier  und   dort  vielfach   gezeigt,    wie   die   Wesenheiten 

'nach  der   psychologischen  und   kosmologischen  Seite  mit  einander 

'identisch  sind.  'Ja,  einmal  heifst  es:  „der  Prana  das  ist  der  Wind" 

'(^8^*  P-  T^'^j  10);  hier  werden  geradezu  der  Wind  und  der  Prana 

'identificiert.    Ebenso  heifst  es  in  dem  in  Rede  stehenden  Brahmanam 

'der  Vijasaiieyin's  bei  dem  zusammenfassenden  Verse;  „woraus  der 

'„8onne  Aufgang  ist",  weiter:  „nämlich  ans  dem  Präna  gehet  sie  auf, 

',,und  in  dem  Präna  gehet  sie  unter''  (Bf  ih.  1 ,  5.  23)^  diese  Zusammen- 

'fassung  mit  dem  Präna  ist  beweisend  für  die  in  ihm  liegende  Ein- 

'heit.     „Darum  soll  man  nur  ein  Gelübde  befolgen,  man  soll  ein- 

\,atraen   und   ausatmen"  (Brih.  1,  5,  23);    auch   diese   Zusaminen- 

^^fassung   in   dem   einzigen  Gelübd«  des  Prana  bestätigt  eben   das- 

'selbe.  I  Ebenso   heifst   es  im  Chandogyam  weiterhin:  „wer  ist  der  940 

'„eine  Gott,   der  diese  vier  Grofsmächtigen  hinabgeschlungen  hat" 

'(Chand.  4t  H,  6):  hier  redet  die  Schrift  nur  von  einem  an-sich- 

' Raffer,  und  sie  sagt  nicht  etwa,   dafs  der  eine  für  die  einen  vier 

'der   an -sich -Raffer,  der  andere   für  die  andern   es   sei.      Hieraus 

'folgt,  dafs  man  beide   nicht  als  gesondert  zu   verehren   hat.*  — 

Auf  diese  Annahme   erwidern   wir:   allerdings   hat  mun   den  Wind 

und   den  Prfina  als  gesondert   zu  verehren;  warum?   weil   sie    als 

gesondert  aufgezeigt  werden.    Deiin  diese  psychologisch  und  kosmo- 

logisch  gesonderte  Aufzeigung  geschieht  zum  Zwecke  der  Meditation 

und  würde,  wäre  die  Meditation  keine  gesonderte,   zwecklos  sein. 

—  'Aber  wir  sagten  ja  doch,  dafs  die  Überdenkung  nicht  gesondert 

'sein   könne,    weil   beide   ihrem   Wesen   nach   identisch  seien.'   — 

Dieser  Grund  ist  nicht  triftig,   denn   auch  da,  wo  die  Wesenheit 

identisch  ist,  ist  wegen  der  Verschiedenheit  der  Zustände  und  auf 

Grund    einer    gesonderten  Unterweisung   eine   Verschiedenheit  der 

Überdenkung  möglich.      Und   wenn   auch   die   Heranziehung  jenes 

Verses  mit  Bezug  auf  die  Identität  der  Wesenheit  geschehen  mag, 


616  Q&rlraka-m!]n&n8& 

so  vermiig  derselbe  doch  nicht,  die  vorher  dargelegte  Zweiheit  des 
zu  Meditierenden  aufzuheben.    Und  wenn  es  heifst:  „was  aber  unter 
,Jenen  Prana^s  (Lebonsorganen)  der  Pr&na  in  der  Mitte  ist,  das  ist 
„vjiter  diesen  Gottheiten  der  Wind"  (Bnh.  1,  5,  22),  so  werden  hier 
beide  als  Gleichnis  und  Verglichenes  gegenübergestellt.     Damit  ist 
auch  die  Erinnerung  an  das  Gelübde  abgefertigt;  denn  wenn  es  dabei 
heilst:  ;,nur  ein  Gelübde"  (Brih.  1,5,  23),  so  besagt  hier  das  Wört- 
chen „nur",  dafs  das  Gelübde  der  Rede  u.  s.  w.  abzuthun,  und  das 
Gelübde   des  Präna  anzunehmen  ist;   denn  Ton  der  Rede  u.  s.  w. 
hiefs  es,   dafs   ihr  Gelübde  hinfallig   sei:   „diese  übermannte,    als 
„Müdigkeit,   der  Tod"  (Brih.  1,  5,  21).     Nicht   aber  liegt  hierip, 
dais    auch   das  Gelübde  des  Windes  abzuthun  se^;    denn  nach  der 
Bemerkung:    „Nunmehr    [folgt]    die    Betrachtung    des    Gelübdes^' 
^^^  (Brih.  1,  5v  21)   wird  auseinandergesetzt,  |  wie  das   Gelübde   des 
Windes  und    des  Präna  in   gleicher  Weise   von   der  Hinfälligkeit 
frei  ist.     Und  nach  den  Worten :  „  darum  soll  man  nur   ein  Ge- 
„lübde  befolgen",  heifst  es:  „der  erlangt  dadurch  mit  jener  Gott- 
„heit  Verbindung  und  Zusammensein"   (Brih.  1,  5,  23);   hier   er- 
wähnt   die  Schrift  die  Gelangnng   zu   dem  Winde  als  Lohn  und 
beweist    damit,    dafs    das    Gelübde    des    Windgottes    nicht    auch 
zu    beseitigen    ist,    denn    der  Wind    bedeutet   hier    die    Gottheit, 
weil    die    Wesen  sungetrenntheit    mit    ihr    als    anzustreben    hinge- 
stellt wird,   und  weil   es  im   Vorhergehenden  hiefs:   „das  ist  die 
„Gottheit,   welche    keinen   Niedergang   hat,   der   Wind"   (Bnh.  1, 

5,  22).  Ebenso  in  den  Worten:  „diese  beiden  sind  die  zwei  an- 
„sich  -  Raffer,  der  Wind  unter  den  Göttern,  der  Präna  unter  -den 
„Lebensorganen"  (Chänd.  4,  3,  4)  werden  beide  als  verschieden 
bezeichnet,  und  diese  Verschiedenheit  wird  zusammengefafst  in  den 
Worten:  „(ürwahr  diese  beiden,  die  einen  fünf  und  die  andern 
„fünf,  macheu  zehn;  dies  ist  der  höchst-e  Wurf  [im  Würfelspiele, 
„nämlich  4  4-  3  -f  2  -f  1]"  (Chänd.  4,  3,  8).  Darum  also  hat  man 
sie  als  gesondert  zu  verehren.  „Wie  bei  den  Spenden'*,  d.  h.'  wie 
an  der  Stelle:  „dem'  Indra  als  König  einen  Opferkuchen  iu  elf 
„Schalen,  dem  Indra  als  Oberherm,  dem  Indra  als  Selbstherrscher^* 
(Taitt.  samh.  2,  3,  6,  1),    —  wie  bei  diesem  Opfer  mit  drei  Opftr- 

942  kuchen,  |  wegen   der  Worte  „das  der  andern  aUe  sich  zufilhrend, 
„teilt   er    es   für  sie   ab    ohne   fehl   zu   gehen"  (Taitt.  samh.  2,  3, 

6,  2),  und  weil  Indra  mit  sich  selbst  identisch  ist,  vermutet 
worden  könnte,  dafs  die  Spende  eine  gemeinschaftliche  sei,  wäh- 
rend hingegen  vielmehr  wegen  der  Verschiedenheit  seiner  Quali- 
täten als  König,  Oberherr  und  Selbstherrscher  eine  Vertauschung 
der  Darbringungen  nicht  statthaft  ist,  sondern  vielmehr  der  Auf- 
zählung entsprechend  und  wegen  der  Sonderung  der  Gottheiten 
eine  Spnderung  der  Spenden  vorliegt,  in  derselben  Weise  mafs 
man,  auch  bei  Identität  des  Wesons,  wecken  der  Besonderheit  der 
zu  meditierenden  Seite  eine  Besonderlit^it  der  Meditation  boobach- 


Süiram  III.  in.  43.  617 

t«n.  ,,Darüber  ist  gesprochen"  worden  in  dem  Abrisse  [sänkarsJuif 
einem  Abflchnitte  ans  dem  Werke  des  Jaimini],  wo  es  beifet:  „ver- 
„scbieden  ftirwabr  ist  die  Gottheit  w^en  der  Sondervorstellung'*. 
Jedoch  wird  hier  aus  der  Yersohiedenheit  des  Opferstoffes  und  der 
Gottheit  gefolgei*t,  dafs  auch  das  Opfer  ein  yerschiedeues  sei,  wäh- 
rend hingegen  in  unserm  Falle  nicht  in  dieser  Weise  eine  Verschie- 
denheit der  Lehre  anzunehmen  ist;  vielmehr  ergiebt  sich  aus  dem 
Anfange  und  dem  £nde,  dafs  es  eine  Lehre  ist,  welche  in  den  psy- 
chologischen und  kosmologischen  Unterweisungen  anbefohlen  wird. 
Trotz  dieser  Einheit  der  Lehre  aber  ist,  wegen  der  Sondeiiiug 
des  Päychologischen  und  Kosmologischen,  eine  Verschiedenheit  des 
Vorgehens  vorhanden,  ähnlich  wie  beim  Feuerppfer  zufolge  der 
Verschiedenheit  der  Morgenstunde  und  Abendstunde.  In  diesem 
Sinne  sind  die  Worte  des  Sütram:  „wie  bei  den  Spenden'*  zu  er- 
klären. 


Neunundzwanzigates  AdMkaranam. 

9 

44.    Unffa-bhüyastvät y  tadd  hi  halipas;  tad  api         943 

wegen  der  Mehrheit  der  Merkmale,  denn  dies  ißt  ge- 
wichtiger; auch  darüber. 

Die  Vajasaneyin's  haben  im  Agnirfüiasyam,  in  dem  Brähmai^am: 
,, Für  wahr  diese  Welt  war  zu  Anfang  weder  das  Nichtseiende  [noch 
„das  Seiende]^^  (^'atap.  br.  10,  5,  3,  1)  in  Bezug  auf  das  Manas  die 
Worte:  „da  ersah  es  sechsunddreifsigtausend  Feuer  und  Strahlen 
„seiner  selbst,  aus  Manas  bestehend,  vom  Manas  geschichtet"  (Qatap. 
br.  10,  5,  3,  3).  Ebenso  werden  weiter  im  einzelnen  die  symbolischen 
Feuer  erwähnt,  welche  von  der  Rede  geschichtet,  vom  Odem  geschich- 
tet, vom  Auge  geschichtet,  vom  Ohre  geschichtet,  vom  Werke  geschicli- 
tet,  vom  Feuer  geschichtet  werden.  Hierbei  erhebt  sich  der  Zweifel,  ob 
diese  vom  Manas  u.  s.  w  geschichteten  Feuer  zum  Werkdienste  ge- 
hören und  eine  Ergänzung  desselben  bilden,  oder  ob  sie  unabhängig 
und  ihrem  Wesen  nach  blofs  zur  Lehre  gehörig  sind.  —  Hier  nun 
nimmt  der  Lehrer  auf  dii^  Annahme  hin,  'daljs  sie  wegen  des  Themas 
'zum  Werkdienste  gehören  möchten  \  vorweg  die  Unabhängigkeit 
derselben  an,  und  zwar,  wie  er  sagt:  ,, wegen  der  Mehrheit  der 
.^Merkmale".  Nämlich  die  Mehrheit  der  Merkmale  in  diesem  ßrah- 
manam  bestätigt  oftenbar  die  Meinung,  dafs  sie  blofs  zur  Lehre 
gehören.  |  So,  wenn  es  heifst:  „was  inmier  diese  W(;sen  mit  ihrem  944 
„Manas  vorstellen,  das  ist  eine  Wirkung  jener  Feuer**  (^^atap.  br.  10, 
6,  3,  3)1   und:   „für   ihn,   der   Solches  weifs,   schichten    »Herwärts 


61 8  Cäriraka-mim&nsä 

„alle  Wesen  diese  Feuer,  auch  wenn  er  schlftfb'*  (Qatap.  br.  10« 
5,  8,  12).  Nämlich  ein  solches  Merkmal  ist  von  mehr  Gewicht 
als  das  Thema,  von  dem  die  Rede  ist;  und  „auch  daräber"  ist 
in  dem  ersten  Teile  gesprochen  worden,  da  wo  es  heifst:  9, bei 
„Kollision  von  Schriftwort,  Merkmal,  Satzergänzung,  Thema,  Nahe- 
„stehung  und  Benennung  ist  das  jedesmal  Folgende  schwächer  [als 
„das  Vorhergehende]  wegen  Femerliegung  seiner  Bedeutoiig'^ 
(Jaim.  3,  3,  14). 

45.    ^ puroa-vikalpah  prakarandt  stfdt,  Toriifdj  mänasavat^ 

'eine  Variation  des  Vorherigen  muf^  es  wegen  des 
Themas  sein,  ein  Werk,  wie  das  Mentale.' 

^Es  ist  nicht  richtig/  könnte  man  sagen,  'dafs  diese  Feuer  un- 
'abhängig  und  nicht  der  Nachtrag  zu  einem  andern  sind;  denn 
'im  Vorhergehenden  war  von  dem  thatsächliohen  fener  als  „Thema'' 
'die  Rede,  und  zu  ihm  gehörig  mufs  auch  diese  Belehrung  ak  über 
'eine  besondere  „Variation"  desselben  sein,  nicht  'aber  von  ihm  an- 
'abhängig\  — ^  Aber  ist  nicht  ein  Merkmal  gewichtiger  als  das 
Thema?  -^  'Schon  recht,  aber  auch  ein  Merkmal,  wenn  es  von  die- 
'ser  Art  ist,  kann  nicht  gevrichtiger  als  das  Thema  sein;  denn  dasselbe 
945  ^hat  einen  andern  Zweck,  |  indem  es  nämlicb  nur  dazu  dient,  die 
'symbolischen  Feuer  anzupreisen;  wo  sich  aber  ein  solcher  anderer 
'Zweck  zeigt,  da  kann,  sofern  sich  zu  dem  Merkmale  nicht  noch 
'andere  Gründe  gesellen,  das  Merkmal  auch  als  eine  uneigentliche 
'Erklärung  (gunaväda)  aufgefafst  werden  und  vermag  nicht,  die 
'Gültigkeit  des  Themas  aufzuheben.  Darum  müssen  auch  diese 
^symbolischen  Feuer  wegen  des  Themas  zum  Werke  gerechnet 
'werden,  „wie  das  Mentale",  d.  h.  so  wie  bei  der  zwölfnächtigen 
'Somafeier  am  .zehnten  Tage,  der  da  Avivakyam  heifst,  wenn  mit 
'der  Erde  als  Schöpfgefäfs  der  Ocean  als  Somatrank  für  Prajapati 
'als  Gottheit  geschöpft  wird,  das  Schöpfen,  Niedersetzen,  Opfern, 
'[Rest] -Auftischen,  Einladen  und  Essen  nur  als  ein  mentales  ge- 
'dacht  wird,  und  gleichwohl  diese  mentale  Vorstellung  des  Schöpfeos, 
'weil  das  Thema  von  einem  Werke  handelt,  nur  ein  Nachtrag  za 
'dem  Werke  ist,  ebenso  ist  es  auch  mit  dieser  Vorstellung  des 
'Feuers  beschaffen.' 

46.    ^atidegäc  ca* 
04G  *auch  wegen  der  Hinüberweisung.' 

'Auch  die  Hinüberweisung,  welche  bei  diesen  Feuern  geschiebt, 
'bestätigt    ihre  Zugehörigkeit    zu   den   Werken,    indem    es  heilst: 


Sfitram  III.  in.  46.  619 

',,secIisutirl<iroir$igtaas<*u(l  siiul  dieser  Feuer  und  Strahlen,  und  von 
', filme  11  ist  jedes  (tint^lne  so  gi'ofs  wie  jenes  urspiüngliche*'  (^-atap. 
^l)r.  10,  5,  3:  11).  Eine  solche  Ilinüberweisang  ist  nur  htattbaft, 
'wo  oine  Ähnlichkeit  vorliegt,  und  indem  die  Schrift  bei  den  sym- 
'  bolischen  Feuern  aof  das  ursprüngliche,  auf  Opfersteinen  ge< 
'schichtete  und  zu  den  \yerken  gehörige  Feuer  hinüberweist,  so 
^giebt  sie  damit  die  Zugehörigkeit  derselben  zu  den  Werken  zu 
^erkennen.' 

47.  vklifä  eva  tu,  nirdh&ranut 
vielmehr  ein  Wissen,  wegen  des  Versichern». 

Das  Wort  ,v^'ielmehr^^  dient,  dieser  Aimalime  zu  widersprechen. 
Nämlich  diese  durch  das  Manas  u?  s.  w.  geschichteten  Feuer  sind  ilirer 
Natur  nach  zum  vWisscn"  gehörig  und  selbständig,  nicht  aber  ein 
Anhang  zu  den  Werken.  Denn  dies  „versichert*^  die  Schrift,  wenn 
sie  sagt:  „eben  diese  werden  vom  Winsen  geschichtet'*  und;  „vom 
„Wissen  des,  der  Solches  weifs,  geschichtet,  e«itstehen  sie**  (^atap. 
br.  10>5,  3,  12). 

48.    dari^anäc  ca 
-   auch  weil  ersichtlich. 

Auch,  ist  ein  Merkmal  ihrer  Selbständigkeit  „ersichtlich**,  wie 
das  schon  oben  dargelegt  wurde  in  den  Worten:  „wegen  der  Mehr- 
jhoit  der  Merkmale*'  (Sütram  3,  3,  44).  —  *Aber  wurde  nicht  mit 
der  Bemerkung,  dafs  auch  ein  Merkmal,  wo  sich  zu  demselben 
nicht  noch  andere  Gründe  gesellen, .  nicht  notwendig  als  beweisend 
angesehen  werden  müsse  für  irgend  eine  Sache,  dieses  abgewiesen  v 
und  auf  Grund  des  Themas  die  Zugehörigkeit  zu  den  Werken 
festgestellt?"  —  Hierauf  dient  als  Antwort: 

49.    cruti-ädi-balij/astväc  ca  na  bädhah  947 

auch  weil  das  Schriftwort  u.  s.  w-  stärker,  ist  [dies] 

keine  Widerlegung. 

Es  Iftfst  sich  nicht  in  dieser  Weise  dadurch,  dafs  man  um  des 
Themas  willen  sich  für  die  Zugehörigkeit  zu  den  Werken  ent- 
scheidet, die  Annahme  der  Selbständigkeit  widerlegen,  „weil  das 
„Scbriflwort  u.  s.  w.  stärker'  ist.  Nämlich  [im  Falle  der  Kollision] 
sind  das  Schriftwort,  das  Merkmal  und  die  Satzergänzung 


620  Q&nraka-mim&nsa  . 

stärker  als   das  Tbema,,  wie   diea  in   dem  über  Schrifiworte    und 
Merkmale  handelnden  Sütram  (Jaim.  3,  3,  f4,  oben  zu  3,  3,  44 
S.  616)  festgestellt  wnrde.     Diese  drei  Stücke  aber  bestAtigen   in 
unserm  Falle  die  Unabhängigkeit  der  Stelle  von  dem  Werkdienste. 
Denn  was  1)  das  Schriftwort  betrifft,  so  lautet  dasselbe:  „eben 
f^dieselbigen  werden  nur  durch  das  Wissen  geschichtet/'    Das  näm- 
liche ergiebt'sich  2)  aus  dem  Merkmale,  wenn  es  heifst:  „fOr  ihn 
„schichton  allcrwärts  alle  Wesen  diese  Feuer,  auch  wenn  er  schläfL'* 
Und  eben  das  nämliche  folgt  3)  aus  der  Satzergänzung;   denn 
wenn  QU  weiter  heifst:  „nur  durch  das  Wissen  dessen,  der  Solobes 
„weifs,  werden  de  geschichtet"  (^atap.  br.  10,  5,  3,  12),  so  liegt  in 
diesen  Worten   eine  Bestätigung  des  vorhergehenden  Ausspruches, 
dafs  sie  „nur  durch  das  Wissen  geschichtet  werden**,  und  diese  Be- 
stätigung würde  bei  der  Annahme  einer  Zugehörigkeit  jener  Feuer 
zu    den   Werken  nicht   zu   Recht  'bestehen.    —   'Aber   kann  man 
*uicht  annehmen,  dafs  diese  Bestätigung  nur  den  Zweck  habe,  die 
'materielle  NichtvoUbringüng  zu  lehren?'  —  Wir  antworten:  nein! 
denn  wäre  dies  die  Absii^t,  so  würde  es  an  den  blofsen  Worten: 
„durch  das  Wissen  geschichtet'',  welche  das  Wissen  als  ihr  Wesen 
erwähnen,  genügen  und  die  nachfolgende  Bestätigung  würde  über- 
flüssig sein.     Denn   darin,   dafs  sie  nicht  materiell  zu  vollbringen 
sind,    liegt    eben    ihr  Wesen«     Aber   selbst   wenn  ihre  materielle 
NichtvoUbringüng  feststeht,   so  liefse   sich  doch  noch   der  Zweifel 
erheben,  ob  sie  nicht  dennoch,  ebenso  wie  jenes  mentale  „Schöpfen'^ 
(Sütifam  3,  3,  45)  zum  Werkdienste  gehörten;  und  wenn  die  nach- 
folgende   Bestätigung    die    Absicht    hat,    jenem    Zweifel    zu   be- 
gegnen,  dann   [und  nur   dann]  ist  sie  nicht  überflüssig.     Ferner, 
wenn   gesagt  wird,   dafs  für  den,    der  Solches  w^ifs,  mag  er  nuu. 
schlafen  oder  wachen,  allerwärts  alle  Kreaturen  diese  Feuer  schichten, 
so  liegt  hierin  eine  Perpetuität  jener  Feuer  ausgesprochen,  welche 
nur  bei  ihrer  Unabhängigkeit  von   den  Werken  möglich   ist.     Es 
ist  hiermit  ähnlich  wie  mit  der  Stelle  von  dem  symbolischen,  aus 
Rede  und  Präna  bestehenden  Feueropfer,  wo  es  nach  den  Worten : 
„dann   opfert  er  den  Prana   in  der  Rede,  .  .  .  dann  opfert  er  die 
948  „Rede   in    dem  Prana"  |  weiter   heilst:  „diese   beiden  Opferungen, 
„die  unendlichen,   unsterblichen,   bringt   er  immerfort  im  Wachen 
„wie    im  Schlafen  dar"  (Kaush.  2,  6,  5).     Wäre  hingegen  eine  Zu- 
gehörigkeit  zu  den  Werken  anzunehmen,  so  würde,   weil  die  Be- 
fassung  mit  den  Werken  immer  nur  kurze  Zeit  dauert,  die  perpe- 
tuelle  BefasBung  mit  jeneu  Feuern  nicht  möglich  sein.     Femer  ist 
es  auch  nicht  zulässig,  diesen  Zusatz  für  eine  blofse  Sacherklärung 
(arthaväda)  anzusehen.     Denn   wo    ein   Merkmal   u.  dgl.   vorliegt, 
welches  eine  offenbare  Vorschrifk  enthält,  da  geht  es  an,  eine  blofne 
rühmliche  Erwähnung  anzunehmen  und  in  ihr  eine  blofse  Erläute- 
rung der   Sache  (arthaväda)  zu   sehen.     Hier  hingegen  ist  keine 
andere    offenkundige   Vorschrift    zu    ersehen;    daher    man    in    der 


8&tram  III.  in.  49.  621 

blofsen  rühmlichen  Erwähnung  ^i^ser  Lehren  allein  schon  die  Vor* 
Schrift  au  finden  hat.  Da  nun  diese  Vorschrift  nur  so  aufgefafst 
werden  kann,  wie  die  Erwähnung  es  an  die  Hand  giebt,  diese 
aber  eine  Perpetuit&t  lehrt,  so  muls  auch  die  Vorschrift  als  perpe- 
tuell  aufgefafst  werden;  damit  dieses  aber  auch  nur  moglidi  sei, 
mufs  die  Unabhängigkeit  jener  Feuer  vom  Werkdienste  angenom- 
men werden.  Damit  findet  auch  die  Stelle:  „was  immer  diese 
„Wesen  mit  ihrem  Manas  vorstellen,  das  ist  eine  Wirkung  jener 
„Feuer**  (Qatap.  br.  10,  6,  8>  4)  ihre  Erklärung.  In  dieser  Weise 
beweist  also  auch  die  Satzergänzung,  welche  in  den  Worten  „des- 
„sen,  der  Solches  weifs**  liegt,  dafs  eine  Befassung  mit  jenen 
Feuern  nur  für  bestimmte  Menschen  [nämlich  die  Wissenden]  mög- 
lich ist,  und  läfst  nicht  zu,  dieselben  mit  dem  {auch  für  den  Nicht- 
wissenden  verbindlichen]  Opferwerke  zu  verknüpfen.  Somit  ist  die 
Annahme  der  Unabhängigkeit  derselben  von  dem  Werkdienste  die 
richtigere. 

50.    anubandha  -  ädilhyäh^  prajM  -  antara  --pnthaktva  -  vat ; 

drishtag  ca;  tad  uktam 

wegen  der  Verbindung  u.  s,  w.,  ähnlich  der  Selbständig- 
keit anderer  Erkenntnisse;  auch  ist  sie  ersichtlich; 

darüber  ist  gesprochen. 

Auch  darum  ist  mit  Nichtachtung  des  Themas  für  die  von  dem 
Manas  u.  s.  w.  geschichteten  Feuer  eine  Selbständigkeit  anzunehmen, 
weil  die  Schrift  dabei  die  Bestandteile  des  Opferwerkes  mit  den  Thä-' 
tigkeiten  des  'Manas  u.  s.  w.  in  „Verbindung"  setsst;  denn  es  heifst: 
„nur  von  dem  Manas  wurden  dieselben  angelegt,  nur  von  dem  Manas 
„geschichtet,  nur  von  dem  Manas  wurden  die  Schöpfungen  geschöpft, 
„mit  dem  Manas  priesen  sie,  |  mit  dem  Manas  lobten  sie;  und  allos  94i) 
„Werk,  welches  beim  Opfer  verrichtet  wird,  alles  dieses  Opferwerk 
„wurde  nur  von  dem  Manas  in  jenen  aus  Manas  bestehenden,  vom 
„Manas  geschichteten  Feuern  als  ein  Manasartiges  vollbracht"  (Qatap. 
br.  10,  5,  3,  3).  Diese  „Verbindung"  der  Opferwerke  mit  dem  Manas 
ist  die  Folge  der  Zutreffung  einer  Bedingung  [nämlich  des  Wissens], 
während  hingegen  die  konkreten  Teile  des  Opferwerkes  nicht  erFtt 
durch  die'Zntreffung  einer  Bedingung  erlangt  zu  werden  brauchen. 
Mau  darf  femer  nicht  deswegen,  weil  solche  Verehrungen  wie  die 
des  Udgitha  an  das  Opferwerk  als  seine  Teile  gebunden  sind,  auch 
in  unserm  Falle  meinen,  dafs  eine  ähnliche  Zugehörigkeit  bestehen 
müsse,  indem  beide  Sehriftst eilen  von  verschiedener  Art  sind.  Dehn 
an  unserer  Stelle  ist  nicht  [wie  dort]  davon  die  Rede,  dafs  ein  be- 
stimmter  Teil   des   Opferwerkes   vorgenommen   und   auf  densölLen 


622  g&rtraka'mimllnsft 

der  oder  der  Name  übertragen  werde,  Tielmehr  aind  et  die  secha- 
unddreifsigtaiiseiid  Teile  der  llifttigkeit  des  Hanaa,  welche  hier 
vorgenommen  werden,  nm  auf  sie  die  Yofstellang  von  Feuern  und 
von  Libationen  zu  fibertragen,  ähnlich  wie  es  bei  den  Yorsielinn- 
gen  des  Menschen  als  Opfer  (Sütram  3,  3,  34)  und  dergleichen  ge- 
schieht. Was  aber  die  Zahl  dabei  betrifft,  so  ist  sie  der  Anzahl 
der  Tage  eines  Menschenlebens  entnomnien  und  wird  auf  die  mit 
ihnen  verknüpften  Bethätigungen .  des  Manas  übertragen.  Sonach 
fblgt  aus  der  „Verbindung*^  [mit  umgedeuteten  t)pferhandlungeii] 
die  Unabhängigkeit  der  vom  Manas  u.  s.  w.  geschichteten  Feuer  vom 
Werkdienste.  Das  Wort  „u.  s.  w."  kann  man  fÜgUch  von  der 
Hinüberweisung  und  derartigem  verstehen.    Nämlich  wenn  es  heifbi : 

950  i)Tou  diesen  ist  jedes  einzelne  eben  so  grofs  |  wie  jenes  ursprüug- 
„liche'V  (Qatap.  br.  10,  5,  3,  11),  so  wird  hier  die  Gröfse  des  Leim 
Werke  dienenden  Feuers  jedem  einzelnen  unt'Cr  den  erkenntnis- 
ariigen  Feuern  hinüberweiseud  zuerkannt,  woraus  folgt,  dafs  auf 
das  Werk  selbst  kein  Gewicht  zu  legen  ist.  Wäre  ferner  die  Zu- 
gehörigkeit zu  den  Werken  anzunehmen,  so  könnte  nicht  behauptet 
werden,  dafs  die  ursprünglichen  Feuer  durch  die  späteren  ersetz- 
bar  seien.  Denn  in  der  Weise,  wie  das  ursprüngliche  Feuer  durch 
Hütung  des  Ähavanfya-Feuers  u.  s.  w..  dem  Werke  dient,  in  dieser 
Weise  können  die  späteren  ihm  nicht  dienen.  Wenn  aber  vod 
gegnerischer  Seite  (Sütram  3,  8,  46)  behauptet  wurde,  dafs  auch 
die  Hinüberweisung  ihr  zur  Bestärkung  diene,  indem  eine  Hinüber- 
weisung nur  unter  Gleichartigem  möglich  sei,  so  ist  das  unserer- 
seits schon  durch  die  Bemerkung  erledigt,  dafs  eine  Hinüberweisung 
auch  durch  die  Gleichartigkeit,  dafs  beide  doch  Feuer  sind,  er- 
möglicht wird.  Denn  auch  die  symbolischen  Feuer  können  als 
Feuer  betrachtet  werden.  —  Die  aus  dem  „  Schriftworte  u.  s.  w.** 
sich  ergebenden  Gründe  wurden  bereits  (Sütram  3,  3,  44)  angeflihrt, 
und  so  ist  denn  auch  „wegen  der  Verbindung  u.  s.  w."  als  Ursachen 
die  Unabhängigkeit  der  vom  Manas  u  s.  w.  geschichteten  Feuer  vom 
Werkdienste  anzunehmen.  „Ähnlich  der  Selbständigkeit  änderer 
„Erkenntnisse*^;  d.  h.  ähnlich  wie  auch  andere  Erkenntnisse,  z.  B. 
die  Qäja^ilyalehre  (Chänd.  3,  14),  indem  sie  nur  durch  das  in  ihnen 

951  selbst  liegende  Band  mit  dem  übrigen  verbunden  sind,  |  unabhängig 
von  den  Werken  und  von  andern  Lehren  und  selbständig  sind, 
so  ist  es  auch  hier.  „Auch"  ist  eine  solche  Abweichung  von  dem 
Thema  auch  anderweit  „ ersichtlich'^,  z.  B.  bei  der  Opfersühnong, 
welche  unter  dem  Thema  der  Königsweihe  vorkommt;  denn  sie  be- 
zieht  sich  auf  alle  drei  Kasten,  während  doch  die  Königsweihe 
nur  ein  Opfer  des  Königs  ist.  „Darüber  ist  gesprochen *%  näm- 
lich im  ersten  Teile  [in  den  Jaimini-Sütra's]  bei  den  Worten:  ,,weil 
„sie  um  des  Opfers  willen  geschehe,  meint  ihr?  Nein!  wegen  ihrer 
„Verbindung  mit  allen  drei  Kasten".     (Vgl.  auch  Jaim.  2,  3,  3.) 


Sfttram  III.  in.  51.  C23 

51.    na  sämänyäd  apij  upalabJher;  mriUfuvat;  na  hi 

loka-äpattih 

auch  nicht  aus  der  Analogie,  weil  ersichtlich;  wie  bei 
dem  Tode;  denn  nicht  wird  die  Welt  dazu. 

'  Wenn  behauptet  wurde,  „wie  das  Mentale'*  (Silitram  3,  3,  45), 
so  dient  zur  Antwort:  „auch  nicht  aus  der  Analogie'^  mit  den 
mentalen  Libationen  folgt  eine  Zugehörigkeit  der  vom  Manas  u.  s.  w. 
geschichteten  Feuer  zu  den  AVerken,  „weil  ersichtlich",  nämlich  aus  den 
augeführten  Gründen  des  Schriftzeugnisses  u.  s.  w.,  dafs  es  sich  hier 
um  das  absolute  Ziel  des  Menschen  handelt.  Ja,  eine  Ähnlichkeit  läfst 
sich  zwischen  allem  und  jedem  herausfinden,  dies  aber  schliefst  nicht 
die  jedem  eigene  Besonderheit  aus;  „wie  bei  dem  Tode'S  d.  h.  wie 
an  den  Stellen:  „der  fürwahr  ist  der  Tod,  welcher  als  der  Mann 
„dort  in  der  Sonnenscheibe  sich  zeigt*'  (Qatap.  br.  10,  5,  2,  3)  und: 
„fürwahr  das  Feuer  ist  der  Tod**  (Taitt.  samh.  5,  1,  10,  3),  des- 
wegen, weil  auf  das  Feuer  und  den  Mann  in  der  Sonne  die  gleiche 
Bezeichnung  als  Tod  angewendet  wird,  doch  zwischen  beiden  keine 
absolute  Gleichheit  vorhanden  ist;  —  oder  wie  deswegen,  weil  es 
heifst:  „fürwahr  diese  Welt  ist  ein  Feuer,  o  Gotama,  |  die  Sonne  952 
„ist  sein  Brennholz**  (Chänd.  5,  4,  1),  aus  der  Ähnlichkeit  mit  dem 
Brennholze  u.  s.  w.  noch  nicht  folgt,  dafs  die  Welt  geradezu  zu 
einem  Feuer  werde,  —  ebenso  ist  es  auch  hier. 


52.   parena  ca  ^abdasya  tädvidhyamy  bhüyastvät  tu 

anuhandkah 

auch  wegen  des  Folgenden  ist  Sogeartetheit  des  Schrift- 
wort^s;  die  Verknüpfung  aber  wegen  der  Zahlreichheit. 

„Auch  wegen  des  Folgenden**,  nämlich  in  dem  nächstfolgenden 
Brähma^am:  „füi'wahr  diese  Welt  ist  jenes  geschichtete  Feuer**  (^a- 
tap.  br.  10,  5,  4,  1),  ist  „Sogeartetheit  des  Schriftwortcs*^  d.  h.  eine 
blofse  Vorschrift  der  Lehre  als  Motiv  der  Stelle,  nicht  aber  eine 
Zagehörigkeit  zu  den  Vorschriften  des  blofsen  Werkes  anzunehmen ; 
denn  es  heifst  dabei  (Qatap.  br.  10,  5,  4,  16): 

„Purcb  Wissen  steigen  sie  empor 
„Dorthin,  wo  sich  das  Sehnen  stillt, 
„Nicht  wer  werktüchtig  nur  und  wer 
„Unwissend  Bufse  blofs  erfüllt.*' 


624  ^Mraka-mtm&ö8& 

In  diesem  Verse  liegt,,  sofern  er  das  blofae  Werk  tadelt  tind  dan 
Wissen  anpreist,  ein  Beweis  für  unsere  Behauptung.  Ebenso  war 
vorher,  nämlich  in  dem  Brähma^am  :  „was  jene  Scheibe  fuhrt" 
(^'atap.  br.  10,  5,  2,  1)  ersichtlich,  dafs  das  Wissen  der  Hauptzweck 
ist,  nicht  aber  das  Werk,  weil  der  Schlufs  gemacht  wird  mit  einer 
Zusarameu Fassung  der  Frucht  des  Wissens  in  den  Worten:  „er  wird 
„uu»terblich,  denn  der  Tod  wird  zu  seiner  eigenen  Seele^^  (^atap. 
br.  10,  5,  2,  23);  in  Analogie  hiermit  mufs  es  auch  au  iiuserer 
Stelle  uhiilich  sein.  Die  Verknüpfung  aber  des  Wissens  mit  dem 
Feuer  geschieht  aus  dem  Grunde,  weil  „zahlreiche"  Bestandteile 
des  Feuerkultus  bei  dem  Wissen  symbolisch  vorkommen,  nicht  aber 
weil  das  Wissen  zum  Opferwerko  gehört.  Somit  ist  bewiesen,  dafs 
die  vom  Manas  u.  s.  w.  geschichteten  Feuer  ihrem  Wesen  nach  zur 
rei4en  Wissenschaft  allein  gehören. 


Dreißigstes  Adhikaranam. 

953  63.    eka'  ätmandh  garire  hhärät 

einige  [behaupten  die  Sterblichkeit]  der  Seele,  weil 
sie  besteht,  so  lange  der  Leib. 

Im  gegenwärtigen  Abschnitte  wird  die  Existenz  der  vom  heihe 
losgelösten  Seele  erwogen,  um  ihre  Befaliigung  zur  Bindung  und 
Erlösung  zu  erweisen.  Denn  wenn  die  Seele  über  den  Ldb  hin- 
aus nicht  fortbestünde,  so  würden  Pflichtanforderungen ,  die  erst 
in  einer  andern  Welt  ihre  Frucht  brächten,  nicht  zulässig  sein, 
und  noch  viel  weniger  liefse  sieh  beweisen,  dafs  die  Seele  irgend 
wessen  ihrem  Wesen  nach  Brahman  sei.  —  'Aber  es  wurde  dodi 
'schon  in  dem  an  der  Spitze  unseres  Lehrbuches  stehenden  ersten 
Täda  [nämlich  zu  Jaim.-l,  1,  5]  die  Existenz  der  zum  Genüsse 
'der  vom  Kanon  verheifsenen  Frucht  befähigten,  über  den  Leib 
'hinaus  fortbestehenden  Seele  besprochen.'  —  Wohl  wahr!  doch 
nur  von  dem  Kommentator;  hingegen  ein  Sütram  über  die  Exi- 
stenz  der  Seele  findet  sich  daselbst  nicht.  Hier  aber  unternimmt 
es  der  Verfasser  der  Sütra^s  selbst,  die  Existenz  der  Seele,  nach 
vorherigen  Einwürfen  gegen  dieselbe,  festzustellen.  Und  aas  un- 
serer Stelle  hat  es  der  Lehrer  (^abarasvämin  entnommen,  und  in 
dem  von  der  „Autorität"  bändelnden  Buche  [nämlich  zu  Jaim.  1, 
1,  5,  p.  19 — 24]  dargestellt.  Daher  kommt  es  auch,  dafs  der  ehr- 
würdige Upavarslia  im  ersten  Teile  des  Lehrbuches,  da  wo  er  die 
Fortexistenz   dor  Seele   darzulegen  hatte,   sich   der  Sache   enthebt 


Sfttram  Hl.  m,  53.  625 

ijilt  den  Worten:  ,,im  Qarirakam  werden  wir  es  auslogen."  Wenn 
:%hev  die  Fortexistenz  der  Seele  gerade  hier,  wo  es  .sich  um  die 
ptlichtartigen  Yei*ehrungen  handelt,  in  Betrarht  gezogen  wird,  so 
geschieht  dies,  um  zu  zeigen,  dafs  ihr  ganzer  Lehrinhalt  von  dieser 
Lehre  ahhängig  tat.  Auch  wurde  ja  im  letzten  Adhikaranam  | 
unter  Annahme  eines  Abgohens  vom  Thema  gezeigt,  wie  die  vom  954 
Manas  u.  d.  w.  geschichteten  Feuer  zur  Lehre  vom  Endzwecke  des 
Menschen  gehören.  Wer  Ist  nun  dieser  Mensch,  zu  dessen  End- 
zweck jene  vom  Manas  u.  s.  w.  geschichteten  Feuer  gehören?  In 
dieser  Frage  liegt  die  Veranlassung,  die  Existenz  der  über  den 
Leib  hinausreichenden  Seele  nachzuweisen.  Hierbei  hat  das  gegen- 
wärtige erste  Sütram  den  Zweck,  die  Einwürfe  gegen  ihrb  Exi- 
stenz vorzubringen,  weil  das  Yorbliligen  der  Einwürfe  und  das 
Entkräftigen  derselben  ähnlich  wie  die  auf  einen  Pfahl  geführten 
Schläge  die  Überzeugung  von  der  in  Rede  stehenden  Sache  be- 
festigt. 

„Einige^^  also,  nämlich  die  nur  in  dem  Ijeibe  das  Selbst  sehen- 
den Materialisten  (Lohäyattka)  glauben,  dafs  ein  über  den  Leib 
hinaus  fortbestehendes  Selbst  nicht  existiere,  und  indem  sie  an- 
nehmen, dafs  das  Geistige,  wiewohl  unsichtbar,  in  den  gesamten 
und  einzelnen  äufsem  Elementen,  Erde  u.  sl'w. ,  wie  sie  sich*  zur 
Gestalt  des  Leibes  umformen,  enthalten  sei,  behaupten  sie,  dafs 
aus  diesen  das  Geistige  als  Erkenntnis  hervorgehe,  ähnlich  wie 
die  Kraft  des  Rausches  [aus  den  Gärstoffen],  und  dafs  der  Mensch 
[nur]  ein  durch  dieses  Geistige  sich  auszeichnender  Leib  sei.  Hin- 
gegen leugnen  sie  ein  Über  den  Leib  hinaus  fortbestehendes  Selbst, 
vermöge  dessen  das  Geistige  im  Leibe  sei,  und  welches  im  Stande 
wäre,  in  den  Himmel  oder  in  die  Elrlösung  einzugehen;  vielmehr 
nahmen  sie  an,  dafs  der  Leib  allein  das  Geistige  und  das  Selbst  sei, 
und  führen  als  Grund  an,  dafs  das  Geistige  nur  bestehe  „so  lange 
„der  Leib  besteht"»  Denn  was  so  lange  besteht,  wie  ein  anderes 
besteht,  und  nicht  mehr  besteht,  wenn  jenes  nicht  mehr  besteht,  das 
ist  damit,  dafs  es  eine  Qualität  desselben  ist,  inollständig  begriffen, 
wie  Hitze  und  Licht  damit,  dafs  sie  Qualitäten  des  Feuers  sind. 
Ebenso  stehe  es  mit  Odem,  Bewegung,  Erinnerung  u.  s.  w.,  welche 
von  den  Anhängern  der  Seele  für  Qualitäten  der  Seele  gehalten 
würden;  da  auch  sie  nur  innerhalb  des  Leibes  wahrgenommen 
würden  und  aufserhalb  desselben  |  nicht  wahrgeuommen  würden,  955 
und  da  ein  über  den  Leib  hinausreichender  Träger  dieser  Quali- 
täten nicht  erweisbar  sei,  so  könnten  sie  nichts  aTiderea  sein  als 
Qualitäten  dea  Leibes.  Somit  bestehe  itlis  Selbst  über  den  Leib 
hinaus  nicht  fort. 

Auf  diese  Annahme  erwidern  wir:  * 


nv.t'SSKN,  V<Kl&iiia. 


626  Q&rtraka-mliiiifi8& 

54.    vyaHrekas!  tad-bhdva-ahhdvUvdn  natu;  upaiabd^i-vat 

Fortbestehen!  denn  weil  es  in  seinem  Sein   nicht  das 
Sein  hat,  ist  es  vielmehr  nicht  an  dem ;  mit  demselben 

Bechte  wie  die  Wahrnehmung. 

Es  ist  „vielmehr  nicht  fin  dem",  dafs  das  Selbst  nicht  Über  den 
Leib  hinaus  fortbest^e;  vielmehr  muTs  ein  ),Foribdstehen"  desselben 
über  den  Leib  hinaus  angenommen  werden,  „weil  es  in  seinem  [des 
JLeibes]  Sein  nicht  ^as  Sein  hat".  Denn  wenn  daraus,  dafs  die 
Qualitäten  des  Selbi(tes  bestehen,  so  lange  der  Leib  besieht,  ge- 
folgert vrird,  dafs  sie  Qualitäten  des  Leibes  seien,  so  mufs  doch 
auch  daraus,  dafs  jene  nicht  mehr  bestehen,  wälzend  der  Leib 
noch  besteht,  geschlossen  werden,  dafs  sie  nicht  Qualitäten  des 
Leibes  sind,  indem  sie  von  den  Qualitäten  des  Leibes  wesensver- 
schieden  sind.  Denn  was  Qualität  des  Leibes  ist,  wie  die  Ge- 
stalt, u.  8.  w.,  das  mufs  so  lange  «bestehen  wie  der  Leib.  Hingegen 
bestehen  Odem,  Bewegung  u.  s.  w.  nicht  mehr,  wiewohl  noch  der 
Leib  besteht,  nämlich  im  Zustande  des  Todes.  Dazu  kommt,  dafs 
die  Qualitäten  des  Leibes,  wie  Oestalt  u.  s.w.,  auch  an  andern 
wahrgenommen  werden,  während  es  mit  den  Qualitäten  de«  Selb- 
stes, mit  Geist,  Erinnerung  u.  s.  w«,  nicht  so  ist  [sie  gehören  nicht 
mit  zur  objektiven  Realität]. 

Femer:  daraus,  dafs  der  Leib  im  lebenden  Zustande  besteht 
kann  man  allerdings  beweisen,  dafs  jene  [die  Qualitäten  des  Selb- 
stes] bestehen,  nicht  aber  daraus,  dafs  er  nicht  besteht,  daA  Jene 
nicht  bestehen;,  denn  es  bleibt  die  Möglichkeit  offen^  dats,  wenn 
auch  dieser  Leib  einmal  dahin  fällt,  die  Qualitäten  des  Selbstes 
956  durch  Eingehen  in  einen  andern  Leib  fortbestehen;  |  die  Meinung 
der  Gegner  verbietet  sich  somit  auch  dadurch,  dafs  sie  eine  bloCse 
Mutmafsung  (safitgatfo)  ist. 

Weiter  mufs  man  den  Gegner  fragen,  wie  er   sich   denn   das 
Geistige  denkt,  wenn  er  seine  Entstehung  aus  den  Elementen  an- 
nimmt :  denn  aufser  den  vier  Elementen  nehmen  ja  die  Materialisten 
keine  Wesenheit  an.     Wenn  er  sagt:   das  Geistige  ist  das  Wahr* 
nehmen  der  Elemente  und  ihrer  Produkte,  so  sind  also  jene  seine 
Objekte,^  und  folglich  kann  es  nicht  eine  Qualität  derselben   sein, 
indem  eine  Bethätigung  gegen  das  eigene  Selbst  ein  Widersprueh  ist. 
Denn  das  Feuer,  obgleich  es  heifs  ist,  brennt  doch  nicht  sich  selbst, 
und  der  Tänzer,    so   geschickt  er   auch  ist,  kann  -doch''  nicht  auf 
seine  eigene  Schulter,  steigen.     Soll  das  Geistige  eine  Qualität  der 
Elemente  und  ihrer  Produkte  sein,   so  können  die  Elemente  und 
ihre   Produkte    nicht   Objekt    desselben   werden.     Denn   s.  B.    die 
Gestalten  können  nicht  die  eigene  Gestalt  oder  eine  andere  Gestalt 


Sfttram  III.  in.  54.  627 

zum  Objekte  haben,  während  hingegen  das  Geistige  die  Elemente 
nnd  ihre  Produkte,  die  aufserhalb  sowohl  als  die  ao  dem  eigenen 
Selbste  befindlichen,  2U  Objekten  hat»  „Mit  demselben  Rechte" 
also,  mit  welchem  man  die  Realität  der  alle  Elemente  und  ihre 
Produkte  sum  Objekt  habenden  [und  folglich  nicht  sra  ihnen  ge- 
hörigen] „Wahrnehmung"  annimmt,  mufs  man  auch  |  das  Fort-  957 
bestehen  über  jene  hinaus  annehmen.  Denn  die  Eigennatur  der 
Wahmehmutog  ist  eben  das,  was  wir  die  Seele  nenn^.  So  folgt 
die  Unabhängigkeit  der  Seelie  yom  Leibe  und  ihre  Ewigkeit  aus 
der  besonderartigen  Natur  der  Wahrnehmung.  Und  auch  die  Er- 
innerung u.  s.  w.  wird  nur  dadurch  möglich,  dals,  nachdem  man 
eine  Sache  wahrgenommen  hat,  man  sie  auch  dann 'noch,  nachdem 
sie  bereits  in  einen  andern  Zustand  übergegangen  ist,  vermöge 
des  [trotz  ihres  Yerganges  fortbestehenden]  Wahrnehmerseins  wie- 
der erkennt. 

Wenn  aber  gesagt  wurde,  dafs  die  Wahrnehmung  eine  Qualität 
des  Leibes  sei,  weil  sie  so  lange  bestehe,  wie  der  Leib  besteht,  so 
ist  darauf  in  der  schon  angezeigten  Weise  zu  antworten:  die 
Wahrnehmung  besteht  auch,  so  lange  die  Hülfsmittel  derselben,  a.  B. 
die  Lampe;  bestehen,  und  sie  bestehen  nicht  mehr,  wenn  jene  nicht 
mehr  bestehen;  aber  daraus  darf  man  nicht  schliefsen,  dafs  die 
Wahrnehmung  eine  blofse  Qualität  der  Lampe  sei;  und  ebenso 
braucht  nicht  darum,  weil  die  Wahmehmuiig  besteht,  so  lange  der 
Leib  besteht,  und  nicht  mehr  besteht,  wenn  er  nicht  mehr  besteht, 
die  Wahrnehmung  eine  Qualität  des  Leibes  zu  sein;  denn  die  Mög- 
lichkeit ist  da,  dafs  der  Leib  dabei,  ebenso  wie  die  Lampe,  als 
ein  blofses  Hülfsmittel  dient.  Übrigens  ist  auch  die  Hithülfe  des 
Leibes  bei  der  Wahrnehmung  gar  nicht  unbedingt  erforderlich: . 
denn  auch  während  der  Xicib  unbeweglich  im  Schliäe  liegt,  haben 
wir  mancherlei  Wahrnehmungen.  —  Folglich  ist  die  Existenz  der 
über  den  Leib  hinaus  fortbestehenden  Seele  unbestreitbar. 


Einunddrei/sigHes  Adhdkaranam, 

55.  anga "  avahaddhds  tu  na  gäMidsu  hi  pratwedam      9m 

die  an  Teile  gebundenen  sind  vielmehr  ja  nicht  [blofs 
gültig]  in  den  Qäkh&'s  [Yedaschulen]  je  nach  dem  Yeda. 

Nach  Beendigung  dieser  gelegentlichen  Erörterung  wenden  wir 
uns  nun  wieder  unserer  eigentlichen  Aufgabe  zu.   —  £s  heifkt: 

40* 


838  Qlürtraka-mlinin8& 

),Oin!  diegen  Laut  soll  man  Terefaren  als  den  Udgitha^  (Gfa&Dd  1, 
1, 1);  —  ,^n  den  Welt«n  soll  man  das  fünffache  Sftman  Terefaren*' 
(Gkind.  2>  3,1);  —  „Preislied,  Preialied,  so  sagen  wohl  die  Leate; 
„aber  dieses  hier  ist  das  Preislied,  n&mlich  diese  Erde'*  (Aii.  &r.  2, 
1,  2,  1);  -^  „wahrlich  jenes  geschichtete  Feuer  ist  diese  W^t^  (^- 
tap.  br.  10,  6,  4,  1);  —  diese  und  andere  Vorstellungen,  welche  an 
Teile  der  Werke  des  Udgttha  u.  s.  w.  gebunden  sind  und  je  nach 
dem  Yeda  in  den  einzelnen  Q&khl^'s  (Yedaschulen)  Yorgesduieben 
werden,  —  gelten  diese  nur  ftr  denjenigen  Üdgltha  u.  s.  w.,  welcher 
der  betreffenden  ^&kh4  angehört,'  oder  für  den  samtlicher  Q&kha*a, 
das  ist  jetzt  die  Frage,  und  sie  wird  hier  aufgeworfen  unter   der 
Supposition,  dafb  in  den  yerschiedenen  Q&kh&'s,  so  gut  wie    die 
Accentuatibn  und  anderes  von  einander  abweicht,'  auch  der  Udgi- 
tha  u.  8.  w.   ein  verschiedener  sei.     Angenommen  also,  *die  Yor- 
'schrilten  bezögen  sich  nur  auf  den  der  betreffenden  Q&kh&  ange- 
'hörigen    üdgttiia    u.  s.  w.;    warum?    wegen    der   Benachbartfaeit. 
'Nämlieh  wenn    es    heifst:  „[diesen  Laut]   verehre   man    als-  den 
'„Udgltha'S   so  ist  -dieses  eine  allgemeine  Vorschrift,   welche  noch 
'der  Speoification  bedarf,  und  diesem  Bedürfnis  wird  abgeholfen 
'durch  die  in  der  eigenen  Qakhd.  liegenden  und   in  unmittelbarer 
'Nähe    stehenden    besondem   Bestimmungen;    diese    nun    la  Über- 
'springen  und  dafür  die  in  einer  andern  Qakh&  vorkommenden  Be- 
'Stimmungen  aufzunehmen,  ist  kein  Grund  vorhanden;  daher  eine 
959  'Absonderung  je  nach  den  Q&khä's  anzunehmen  ist.'  —  |  Auf  diese 
Annahme  erwidert  der  Lehrer:  „die  an  Teile  gebundenen  sind  viel- 
„mehr";  —  das  Wort  „vielmehr"  bestreitet  die  gegnerische  Mei- 
nung; nämlich  jene  Yerehrungen   sind  nicht  blofs  „je  nach  dem 
„Yeda"   auf  dessen   einzelne  Qäkhä's  zu  beschränken,   sondern  sie 
haben  für  alle  Qakh&'s  Gültigkeit;  warum?  weil  ihn^'  das  Schnfl- 
wort   von  dem   Udgitha  u.  s.  w.   gleichmäfsig  angehört.     Nämlich 
bei   einer  Einschränkung  auf  die  eigene  ^&khiL  würde   ein  Wort 
wie  „[diesen  Laut]   soll  man  verehren  als  den  Udgitha ^^,  welches 
allgemein  und  ohne  Specifikation  auftritt,  wenn  man  ihm  blofs  um 
der  Stellung  willen  eine   nur  specielle  Geltung  zuerkennen  wollte, 
nicht  zu  seinem  Rechte  kommen;  und  das  darf  niqht  sein.     Denn 
[nach  Jaim.  3,  3, 14,  oben  S.  587.  618]  hat  ein  ausdrücklidies  Schrift- 
wort mehr  Gewicht  als  die  blofse  Naliestehung,  auch  ist  eine  Vor- 
stellung,  welche  sich  blofs  im  Allgemeinen  hält,  nicht  unzulässig. 
Wenn  daher  auch  eine  Verschiedenheit  der  Accentuation  u.  a.  w.  in 
den  einzelnen  Qäkhä^s  vorkommt,  so  ist  es  doch  derselbe  Udgitha 
u.  s.  w.,  welcher  in  ihnen  allen  gelehrt  wird,   und  darum   müaeen 
sich  auch  Vorstellungen  wie  die  in  Rede  stehenden  auf  den  Udgi- 
tha u.  B.  w.  als  einen  allen  ^äkhä*s  gemeinschaftlichen  bezieben. 


SUktram  IIL  xil  56.  629 

56.    mantra-ddi-vad  vä  avirodhah 

M 

oder:  wie  bei  den  Mantra's  u.  s.  w.  ist  dies  kein 

Widerspruch.* 

Oder  auch:  man  braucht  picht  gleich  einen  Widerspruch  darin 
zu  argwöhnen^  wenn  die  in  der  einen  Q&khil  gebotenen  Vorstellun- 
gen auch  anf  den  in  der  andern  Q&kh&  Torkommenden  Udgitha  u.  s.  w. 
bezogen  werden,  da  die  Widerspruchslosigkeit  sich  ebenso  gut  „wie 
„bei  den  Mantra's  u.  s.  w/'  aufrecht  halten  l&fst.  N&mlich  ganz 
in  derselben  Weise  werden  die  in  der  einen  Qikh&  Torkommendeil 
Mantra's,  Werke  und  attributive  Bestimmungen  in  den  andern  Q&- 
kha^s  herbeigezogen.  Und  wenn  z.  B.  auch  der  Mantra  (Sprudi), 
der  beim  Nehmen  des  Prefssteines  zu  sprechen  ist:  „du  bist  der 
„Hahn*^  u.  s.  w.  (Maitr.  samh.  1,  1,  6)  in  andern  jQ&khi's  sich  nicht 
vorfindet»  so  läfst  sich  doch  auch  bei  ihnen  dieselbe  Yerordnung  | 
nachweisen,  sofern  es  bei  ihnen  [nach  der  Glosse  bei  den  Tajurve-  960 
din's]  heilst:  ,',du  bist  der  Hausvogel,  mit  diesen  Worten  nimmt  er 
„den  Prefsstein  oder  auch  mit  den  Worten:  du  bist  der  Hahn." 
—  Femer,  wenn  auch  in  manchen  Bchulen  die  [fönf]  Voropfer, 
nämlich  Samidh  u.  s.  w.,  nicht  aufgezählt  werden,  so  findet  sich 
doch  eine  gleichnisartige  Vorschrift  darubw  bei  ihnen  [nach  der 
Glosse  bei  den  Maitr&yaniya's],  sofern  es  heifst:  „fürwahr  die  [fänf] 
„Jahreszeiten  sind  selbigen  Ortes  zu  opfern."  —  Wenn  sich  femer 
in  einigen  Schulen  die  genaue  Bestimmung  der  Art  des  dem- Agni 
und  Soma  geweihten  Bockes  nicht  findet,  so  haben  sie  doch  an 
dessen  Statt  den  diese  Bestimmung  enthaltenden  Spruch:  „zum 
„Fette  der  Netzhaut  des  Schafbockes  lade  ein"  (^tap.  br.  3, 
8,  2,  26).  —  In  ähnlicher  Weise  werden,  wie  wir  bereits  sahen 
(p.  919,  5,  S.  601),  Sprüche  wie:  „o  Agni,  genehmige  den  Opfer- 
„ruf,  genehmige  die  heilige  Handlung"  (Pancav.br.  21,  10,  11), 
obwohl  sie  nur  in  dem  einen  Veda  vorkommen,  doch  in  dem  an- 
dern Veda  herbeigezogen.  —  Ebenso  wird  der  bei  den  Liederreichen 
[Anhängern  des  RIgveda]  vorkommende  Hymnus:  „Der  kaum  ge- 
„boren,  mutvoll  war  zuerst  gleich"  (Rigv.  2,  12,  1)  im  Veda  des 
Adhvarjru  mit  den  Worten:  „der  Sajanlya-Hymnus  ist  zu  reci^ieren" 
(Taitt.  sa^.  7,  5,  t5,  2)  wieder  aufgenommen.  —  So  gut  wie  daher 
die  Werkteile»  welche  als  Grundlage  dienen,  allerwärts  gelten,  eben- 
so gut  können  es  ohne  Widerspruch  auch  die  auf  diesen  Grundlagen 
ruhenden  Vorstellungen. 


680  gMrakft-mloiA&si 

ZwmmddreifiigUu  Adkikarancmi. 

061     57.    f^hümnah  kratwqf  JifAyastvam  tathA  hi  dar^tfoH 

m 

der  Unbeschränktheit  Yornehmlichkeit,  wie  beim 
Opfer ;  de&n  dies  lehrt  die  Schrift. 

In  d«r  Ers&hlang,  weiche  anfibigt  mit  den  Worten:  „iV4ciiui- 
C2Ua,  der  Sohn  des  Upamanyu^  (Ghl^nd.  6,  11 — 24),  ist  Ton  einer 
Verehmnff    de«  partiknlaren  und   des  oniTersalen  Vaiyv&narii    die 
fiede  (ygL  Sütram  1,  2,  24  —  82,  S.  119  fg.)-     I>ie  Verehrung  des 
pärtikolaren  liegt  in  den  Worten:  „o  Sohn  des  Upamanya,  wen 
„Terehrst  du  ale  den  Atman?  —  Den  Himmel,  o  würdiger  König» 
„Bo  sprach  er.  —  Es  ist  nur  der  wohlkr&ftige  Atman  YaiyT&oara, 
„den  du  als  den  Atman  verehrst*'  u.  s.  w.  (Ghftnd.  5,  12^  1).    Ebenso 
findet  sich  aber  auch  die  Verehrung  des  universalen  Atman  in  den 
Worten:  „an  diesem  Atman  Vaigvinara  ist  das  Haupt  Wohlkraft, 
„sein  Auge  ist  AUform,  smn  Odem  Sonderweg^  sein  X^ib  di«  weite 
„Zusammenkittung,  seine  Eingeweide  der  Reichtum,  die  Erde  ist 
„seine  Fülse'^  (Chkid.  5, 18,  2).  —  Es  erhebt  sich  die  Frage,  ob 
hierin  eine  beiderseitige  Verdirung,  des  Partikularen  und  des  Uni- 
versalen, oder  nur  eine  solche  des  Universalen  gelehrt  wird.  —  An- 
genommen also,  'es  werde  [auch]  eine  Verehrung  desselben  nach 
^seinen  einzelnen  Teilen  gelehrt,  weil  es  von  dem  Wohlkr&ftigen  und 
^den  übrigen  unter  Anwendung  eines  Thatwortes  heiTst:  „du  verehrst 
S,ihn'';  darum,  und  weil  von  einer  besondern  Frucht  dieser  Verehnin- 
'gen  die  Rede  ist  in  den  Worten :  „in  deiner  Familie  wird  gekcSiert) 
S,fortgekeltert,  durchgekeltert  werden''  (Ch^nd.  5,  12,  1),  sind  auch 
'die  partikularen  Verehrungen  als  zulässig  anzunehmen.'  —  Hierauf 
ist  zu  erwidern:  „der  Unbeschränktheit  Vornehmlichkeit",  d.  h.  ein« 
Verehrung  des  eine  Zusammenfassung  der  [genannten]  Faktoren  zu 
seinem  Wesen  habenden  und  daher  universalen  Vai^v&nara  mois  als 
962  Hauptsache  an  dieser  Stelle  zu  lehren  beabsichtigt  |  sein,  nicht  aber 
eine  Verehrung  seiner  Bestandteile  im  einzelnen;  „wie  beim  Opfer'; 
d.  h.  ebenso  wie  bei  den  Opfern  zum  Vollmonde,  Neumonde  o.  s.  w. 
in  universaler  Weise  eine  Betreibung  der  Hauptsache  mitsamt  ihren 
Teilen  gefordert  wird,  nicht  aber  eine  blofse  Betreibung  einzelner 
Teile,  z.  B.  des  Voropfers,  noch  auch  eine  Betreibung  der  Haupt- 
sache in  Verbindung  mit  nur  einzelnen  ihrer  Teile,   ebenso  ist  es 
auch  hier.     Aber  woraus  erkennen  wir,  dafs  die  Unbeschrfinktheit 
das  Vornehmliche  ist?  weil  ihre  Vornehmlichkeit  von  der  Schrift 
gelehrt  wird,  und  zwar  damit,  dafs  die  Stelle  eine  einheitlicfae  iat. 
Nämlich  die  Stelle  von  der  Vaigvanaralehre  ist,  wie  sich  aus  Betrach- 
tung des  Vorhergehenden  und  Nachfolgenden  ergiebt,  eine  einheit- 


.     Sfttritt  UL  ui.  ö7.  631 

Hohe.  Deon  die  BeebB  Weisen,  von  Prictaa^la  au  bis  au  Udd&- 
laka  hin,  nachdem  .sie  die  Lehre  vom  Vai^vlioara  nicht  haben  er-> 
gründen  können,  gciien  zu  dem  Könige  A(vapati,  dem  Abkdmm- 
lin^^e  des  Kekaya,  denn  damit  föngt  es  an;  und  nachdem  der  König 
jeden  einsehien  Weisen  über  das  nach  seiner  Meinung  au  Ver- 
ehrende, den  Himmelan,  s.  w.,  verhört  hat,  so  spricht  er:  „das  ist 
„nur  daa  Haupt  des  Atman"  u.  s.  w.,  und  erkliirt  damit,  dafs  das, 
wa&  jene  verd^ren,  nur  sein  Haupt  u.  s.  w.  sei.  Hierbei  sagt  er: 
„dein  Haupt  wäre  entswei  geborsiken,  wenn  du  nicht  zu  mir  ge- 
,^kommen  w&rest"  (Gh&nd.  6,  .12,  2),  womit  die  Yerwerfiing  der  Ver- 
ehrung des  Partikularen  ausgesprochen  ist.  Und  abermals  yer- 
wirft  er  die  partikulare  Verehrung  und  fordert  die  Verehrung  des 
Universalen,  wenn  er  in  den  Worten:  ndw  isset  Nahrung  in 
„allen  Welten,  in  allen  Wesen,  in  allen  Jjeibem^  (Ghl^d*.  6,  18,  1) 
die  £i*langung  der  Frucht  ^^refa  die  Verehrung  der  Unbeschränkt- 
heit  bedingt  sein  l&isi.  Wenn  hingegen  auch  im  einzelnen  bei  dem 
Wohlkr&ftigen  u.  s.  w,  eine  besondere  Frucht  verheifsen  wird,  so  ist 
dies,  nach  Lage  der  Sache,  so  aufzufassen,  dafs  die  Frueht  der 
einzelnen  Teile  bei  der  Hauptsache  zusammenzufassen  beabsichtigt 
wird.  Wenn  femer  bei  den  einzelnen  Teilen  das  Wort:  „du  ver- 
„ehrsf  I  vorkommt,  so  ist  dies  nur  der  Bericht  über  eine  andere  963 
Meinung,  nicht  aber  eine  Vorschrift,  den  Partikularen  zu  verehren. 
Somit  ist  die  Ansicht,  dafs  nur  der  Universale  zu  verehren  sei,  vor- 
zuziehen« 

£inige  freilich  wollen  daraus,  dafs  die  Ansicht  von  der 
Verehrung  des  Universalen  nur  als  das  „ Vornehmliche'^  [im  Sütram] 
hingestellt  werde,  den  Schlufs  ziehen,  dafs  eben  wegen  der  blofsen 
Hervorhobung  der  „Vomehmlichkeit"  auch  die  Verehrung  des  Par- 
tikularen von  dem  Sütra- Autor  gebilligt  werde.  Aber  dies  ist 
nicht  richtig;  denn  wo  eine  einheitliche  Meinung  annehmbar  ist, 
da  darf  man  nicht  eine  vielheitliche  Meinung  finden  wollen.  Auch 
widerspricht  dem  der  Tadel,  welcher  in  den  Worten  liegt:  „dein 
„Haupt  w&re  entzwei  geborsten"  (GhAnd.  5,  12,  2).  Da  femer  die 
Erkenntnis,  dafs  der  Universale  zu  verehren  sei,  am  Schlüsse  der 
Stelle  offenkundig  vorliegt,  so  konnte  da«  Gegenteil  davon  auch 
nicht  einmal  als  oppositionelle  Meinung  au%estellt  werden  [wenn 
aber  der  Siddkänta  die  Verehrung  beider  behaupten  sollte,  so 
könnte  der  Pürvapaksha  nur  die  alleinige  Verehmng  des  Parti- 
kularen vertreten].  Auch  hindert  uns  nichts,  das  Sütrawort  von 
der  Vortrefflichkeit  so  aufzufassen,  dafs  es  „die  Begründetheit  der 
„Ansicht"  [nicht  aber  eine,  blofs  comparativ  verschiedene,  Berech- 
tigong  beider  Verehrungen]  bedeutet. 


632  C&rlnüEa-]Biin&ns& 


Dreiunddrei/eigstes  Adhikarananu 

58.    nänäy  ^hda-ädi-Vhedät 
zu  trennen,  wegen  Verschiedenheit  des  Wortes  u.  ».  w. 

Wir  fanden  im  vorhergehenden  Adhikaranam,  dafs  trotz  der  ver- 
schiedenen, bei  dem  ,,Wohlkräftigün^'  u.  s.  w.  in  Aussicht  gestellten 
Frucht,  die  Verehrung  des  Univerealeu  das  Yornehmlichere  sei.    Hier- 
aus könnte  die  Meinung. entstehen,  dafs  [ganz  allgemein]  ^auch  [alle] 
^andern,  wiewohl  an  verschiedenen  Schriftstellen  vorkommenden  Ver- 
mehrungen [^es  Brahman  und  wiederum  des  Prana]  als  solche  eines  6e- 
^moinsamen  in  Anspruch  ^genommen  werden  müs^eu.     Auch  braucht 
^ja  nicht  notwendig  angenommeU  zu  werden,  dafs,  weil  das  Objekt 
'des  Wissens  ein  ungeteiltes  ist,  auch  das  Wissen  darüber  ein  un- 
'geteiltes  sein  müs»e;   denn  das  Wisseusobjekt  ist  für  die  Wissen- 
*Bchaft    ebenso    der   Gegenstand,    wie  Opfermaterial    und   Oottheit 
*ea  für  das  Opfer  ist,  und  Gott  (i^ara)  als  das  Objekt  des  Wissens 
'bleibt  doch   einer,  auch   wenn  man   eine  Versohiedenheit  in  den 
064  'Schriftdarstellungen  eugiebt,  |  wenn   es  z.  B.   heifst:    „Manas   ist 
'„sein  Stoff,  Odem  sein  Leib"  (Chänd.  3,  14,  1);  —  „Brahman  i&i 
'„Freude,  Brahman  ist  Weite"  (Ch&nd.  4,  10,  5);  —  „sein  Wünsche» 
'„ist  wahrhaft,   waluhaft  sein  Ratschlufs"  (Chand.  8,  7,  3);   ebenso 
'wie  anderseits  auch  der  Pr&na  doch  einer  bleibt  in  Stellen  wie: 
'„der  Prana  fürwahr  ist  der   an -sich -Raffer"  (Chand.  4,  3,  3);  — 
'„der  Prana  fürwahr  ist  der  älteste  und  beste"  (Ch^nd,  5,  1,1);  — 
*„der  Prana  ist  der  Vater,  der  Präna  die  Mutter"  (Chänd.  7, 15,  \V, 
'daher  in  diesen  Stelleu,  um  der  Einheit  dos  Wissensobjektes  willen, 
'eine  Einheit  der  Lehre  von  der  Schrift  dargeboten  wird.     Und  auch 
'eine  Verschiedenheit  der  Schriftworte  ist  bei  dieser  Annahme  nicht 
'für  zwecklos  zu  halten,  sofern  dabei  immer  wieder  andere  Quali- 
' täten  in  den  Vordergrund  traten.    £s  scheint  daher,  dafs  mau  die 
4u  der  eigenen  und  in  frcmduii  (^akha's  verordneten  und  auf  das  ein- 
'Keitliche  Wisseusobjekt  sich  beziehenden  Qualitäten  zusammenfassen 
'mufs,  damit  die  Wissenschaft  ein  Ganzes  werde/  —  EUerauf  erwidert 
der  Lehrer:  „zu  trennen";  d.  h.  wenn  auch  eine  Einheit  des  Wissens- 
objektes  vorliegt,  so  müssen  doch  derartige  Lehren  getrennt  gehal- 
ten werden;  warum?  „wegen  Verschieden licit  des  Wortes  u.  s.  w,"; 
es    besteht    nämlich    eine   Vei*schiodenheit   des   Wortes,    sofern    es 
dabei  z.  B.  heifst:   „er  weifs"  (Chand.  5,  1»  1)  —  „er  möge  ver- 
rohren" (Chui)d.  3,  14,  1);  • —  „«-;r  trachte  nach  Einsicht"  (Chäod.  3, 
14,  1).     Dafs  aber  die  Verschiedenheit  des  Wortes  oiiie  solche  der 
Wurke  begründet,  erkannten  wir  schon  oben,  da  wo  es  hiefs:   „wo 
„das  Wort  ein  anderes,  ist  das  Werk  verschieden  wegen  der  Voll- 


SAtram  IIL  m.  58.  633 

„zogenheit  der  Verknüpfimg  [beider]"  (Jaim,  fi,  2,  1).  Was  das 
Woi't  „u.  8.  w."  im  Sütram  betrifft,  so  mag  es  so  erklärt  werden, 
I  dais  auch  Qualitäten  u.  s.  w.,  je  nachdem  es  sich  trifft,  eine  Ur-  96& 
Sache  der  Auseinanderhaltung  sein  können.  —  *Aber  wenn  es  heifst: 
'„er  weifs"  (Chand.  5,  1,  1)  u.  s.  w.,  so  liegt  darin  doch  nur  eine 
'Verschiedenheit  nach  den  Worten,  nicht  aber  nach  dem  realen 
'Zwecke^  wie  dies  z.  B.  der  »Fall  ist  in  Ausdrücken  wie  „er  opfert^* 
'u.  s.  w.  Alle  jene  Verehrungen  nun  sind  doch  insofern  untrennbar, 
'als  sie  sämtlich  auf  ein  bestimmtes  Verhalten  des  Geistes  ab- 
^z wecken,  und  ein  anderer  Zweck  bei  ihnen  nicht  möglich  ist;  wie 
^kann  ßlso  unter  diesen  Umständen  aas  der  blofsen  Verschiedenheit 
'der  Worte  alif  eine  Verschiedenheit  der  Lehre  geschlossen  werden?"  ' 
—  Dieser  Biuwand  ist  nicht  treffend;  denn  wenn  auch  der  Zweck, 
ein  bestimmtes  geistiges  Verhalten  zu  veranlassen,  der  gleiche  ist, 
so  ist  doch  ■  zufolge  des  Verschiedenheit  der  Verknüpfung  fvon 
Wort  und  Zweck]  eine  Verschiedenheit  der  Lehre  denkbar.  Näm- 
lich wenn  auch  der  zu  verehrende  Gott  einer  bleibt,  so  werden 
dodi  von  ihm  je  nach  dem  Vorhaben  verschiedene  Qualitäten  [zur 
Verehrung]  anbefohlen;  und  ebenso,  wenn  auch  der  Präua,  wie  er 
hier  und  dort  als  Objekt  der  Verelirung  aufgestellt  wird,  derselbe 
bleibt,  so  ist  doch  das  eine  Mal  eine  solche,  und  das  andere  Mal 
eine  andere  Qualität  desselben  zu  verehren,  and  wegen  dieser 
Verschiedenheit  der  Verknüpfung  mufs,  wo  die  Vorschrift  eine 
verschiedene  ist,  auch  eine  Verschiedenheit  der  Lehre  anerkannt 
v/erden.  Mau  kann  nicht  etwa  behaupten,  dafs  dabei  die  eine 
Vorschrift  sich  auf  das  Wissen  und  die  andere  auf  die  Qualitäten 
bezöge;  denn  weil  für  ein  solches  Auseinandergehen  kein  Grund 
vorliegt,  und  weil  die  Qualitäten  je  nach  dem  Vorhaben  verschiedene 
sind,  so  geht  es  nicht  an,  die  Anbefehlung  der  Qualitäten  als  eine 
nachträgliche  Erklärung  (anuväda)  der  schon  vorliandenen  Lehre 
anzusehen.  Auch  dürften  bei  dieser  Annahme  nicht  dieselben  Quali- 
täten, wie  z.  B.  „Wa]ires  wünschend*'  u.  s.  w.,  an  mehreren  Stellen 
(Chänd.  8,  1,  5.  8,  7,  1)  vorkommen.  Je  nachdem  das  Vorhaben 
ist,  heifst  es  nämlich,  wer  dies  begehrt,*  mufs  dies  verahren,  und 
wer  jenes  begehrt,  jenes,  und  da  hierdurch  schon  die  Erfüllung 
der- Wünsche  erreicht  wird,  so  braucht  nicht  erst  zur  Einheit  der 
Lehren  foi*tgegängen  zu  werden.  Hierzu  kommt,  dafs  in  diesen  Fällen 
nicht  so  wie  bei  der  Vai^vänaralehre  eine  besondere  Universal- 
forderung  vorliegt,  um  deren  willen  die  in  den  einzelnen  Abschnitten 
vorkommenden  |  partikularen  Verehrungen  zu  einer  Einheit  zu-  966 
sammengeschloBsen  werden  müfsten.  Wollte  man  wegen  der  Ein- 
heit des  zu  Lelirenden  allerwärts  eine  vorbehaltlose  Einheit  der  Lehre 
finden,  so  müfste  man  eine  Zusammenfassung  sämtlicher  Qualitäten 
zugestehen,  welche  doch  unmöglich  ist.  Es  bleibt  daher  bei  dem 
Gesagten:  „zu  trennen,  wegen  Verschiodenheit  des  Wortes  u.  s.  w.", 
and  da  dieses  Adhikara^am  feststeht,   so  ist  wegen  des  Weiteren 


634  Q&riiaka-mim&iksä 

zu  verweiBen  auf  die  Stelle:  „die  Lehre  aller  [Ved4iitatezte]    ver- 
„dient  Glauben''  (Sütram  8,  3,  1). 


Vierunddreißiffites  Adkikaranam. 

AuBWahl,  weil  sie  nicht  unterschiedene  Frucht  bringen. 

Da  somit  die  Versdiiedenheit  der  Lehren  festateht»  ao  erhebt  nA 
die  Frage^.  ob  nach  Belieben  eine  Zusanunenfasanng  derselben  oder 
eine  Auswahl  unter  ihnen  statthaft  ist,  oder  ob  nic^i  Yiefanehr  die 
Auswahl  das  allein  Mögliche  ist.    Zunächst  nun  liegt,  da  die  Ter- 
schiedenheit  der  Lehren  feststeht,  für  die  Notwendigkeit  einer  Zv- 
nammenfassung  derselben  kein  Grund  vor.  —  ^Aber  das  Feueropfer, 
'Voll-  und  Neumondsopfer  u.  s.  w.  sind  doch  auch  verschieden,  and 
*doch  müssen  sie  zusammengefalst  werden.*  —  Dieser  Einwand  tnflft 
nicht  SU,  weil  dort  in  der  Schrifbaussage  von  derWesentlichkeit  dieecr 
Gebräuche   ein  Grund  für  die  Zusammenfassung  vorliegt,  während 
für  die  Lehren  keine  derartige  Schriftaussage  ihrer  Wesentlichkeit 
vorhanden  ist.     Eine  Nötigung  Eur  Zusammenfassung  besteht  also 
967  nicht.  —  ^Ebenso  wenig  aber,'  |  so  könnte  man  meinen,  'besteht 
'doch  eine  Nötigung   zur  Auswahl,  da  durch  die  Berechtigimg  sn 
'der   einen  Lehse  die  2tt  einer  andern  nicht  ausgeschlossen  wird. 
'Somit  bleibt  übrig,   dafs  beides  nach  Belieben  sulässig  ist.*  — 
Aber  mufs  man  nicht  doch  wohl  eine  Auswahl  treffen,  sofern  fübr 
melirere  Lehren  eine  und  dieselbe  Frucht  verheifsen  wird?     Denh 
z.  B.  bei   den  Lehren:  „Manas  ist  sein  Stoff,   Odem  sein  Leib'' 
(Chänd.  3,  14,  1);  —  „Brahman  ist  Freude,  Brahman  ist  Weite'' 
(Chänd.  4,  10,  5);  —  „sein  Wünschen  ist  wahrhaft,  wahrhaft  sein 
.^Ratschlufs "  (Chänd.  8,  7,  3),  besteht   doch  in  gleicher  Weise  ah 
Lohn  die  Erlangung  des  Gottseins.  —  'Das  schadet  nicht,   da  ja 
'auch  bei  Werken,   für  welche  dieselbe  Frucht  besteht,   indem  sie 
-z.  B.   den  Himmel  u.  s.  w.  als  Lohn  bewirken,   ein  Belieben  der 
'Zusammenfassung  zulässig  ist.    Somit  scheint  ein  Belieben  zwischen 
'Zusammenfassung  und  Auswahl  das  Richtige  zu  sein.'  —  Auf  diese 
Annahme  erwidert  der  Lehrer:   nur  „Auswahl"   kann  unter  jenen 
Lehren  bestehen,  nicht  Zusammenfassung;  warum?  „weil  sie  nicht 
„unterschiedene  Frucht  bringen".    Nämlich  die  Frucht  jener  Lehren 
ist   ohne   Unterschied  die  Yergegenwärtigung   des  zu  verehrenden 
Gegenstände»;  ist  aber  der  zu  verehrende  Gegenstand,  z.  B.  Gott, 
durch    die    eine   Verehrung    schon    vergegenwärtigt,    so   wird    die 


SOtram  III.  iii.  59.  635 

zweite  überflüssig.  Ja,  es  ist  sogar  unmöglich,  ihn  auf  zwei  ver- 
schiedene Weisen  zu  vergegenwärtigen,  indem  eine  solche  Zusammen- 
fassung eine  Zerstreuung  der  Gedanken  bewirken  würde.  Dafs 
aber  die  Frucht  der  Wissenschaft  in  der  Yergegenwftrtigung  ihre 
Vollendung  erreicht,  lehrt  die  Schrift,  wenn  sie  sagt :  „wem  dieses 
„ward,  fürwahr  der  zweifelt  nicht ^'  (Ch^d.  3,  14,  4),  und:  „Gott 
„wird  er,  und  zu  den  Göttern  geht  er  ein'^  (Biih.  4,  1,  3);  und 
auch  die  Smriti  lehrt  es  in  den  Worten:  „zu  dessen  Sein  wird 
„jedesmal  er  drüben  eingekleidet"  (Bhag.  G.  8,  6).  Man  hat  daher 
.unter  den  Lehren,  deren  Frucht  die  nämliche  ist,  die  eine  oder 
andere  auszuwählen  |  und  dieser  sich  hinzugeben,  bis  durch  Yer-  968 
gegenwärtigung  des  zu  verehrenden  Gegenstandes  ihre  Frucht  er- 
langt ¥rird. 


Fünfunddrei/sigste»  Adhikaranam. 

60.    kämyäs  tu  yathdkämatn  sanmcciyeran  na  vä^  pürva- 

hetu-abhdvdt 

die  zweckbegehrlichen  hingegen  mögen  nach  Belieben 
zusammengefafst  werden  oder  nicht,  da  der  genannte 

Grund .  wegfällt. 

Dieses  Sütram  enthält  eine  Gegeninstaiiz  gegen  den  Satz:  „weil 
„sie  nicht  unterschiedene  Frucht  bringen"  (3,  3,  69).  —  Was  näm- 
lich hingegen  die  zweckbegehrlichen  Lehren  betrifft,  wie  z.  B.:  „wer 
„diesen  Wind  als  das  himmlische  Kifid  weifs,  der  weint  nicht  ein 
„Weinen  über  seine  Kinder"  (Chänd..  3,  15,2);  —  „wer  das  Brah- 
,^man  als  Namen  verehrt,  dessen  Lustwandlung  geht,  so  weit  der 
„Name  sich  erstreckt''  (Chähd.  7,  1,  5)  und  ähnliche  Lehren,  welche 
gerade  so  wie  Werke  vermöge  ihres  unsichtbaren  (adrishfam)  Selb- 
stes eine  ihnen  entsprechende  Frucht  hervorbringen,  so  liegt  hier 
keine  Rücksicht  auf  Vergegenwärtigung  vor;  daher  solche  Lehren 
nach  Belieben  zusammengefafst  oder  nicht  zusammengefafst  werden 
können,  weil  der  vorher  erwähnte  Grund  wegföllt,  d.  h.  weil  hier 
die  obige  Ursache  der  Entscheidung '  für  die  Auswahl :  „  weil  sie 
„nicht  unterschiedene  Frucht  bringen  ^S  nicht  zutrifft. 


636  C&Tlraka-mu]i4iis4 

Sechsunddret/ügBtes  Adhikaranam. 

61.    'angeshu  yathä^dgraya-bhävak' 

^bei  den  Gliedern  ist  der  Grundlage  enteprecheude 

Geltung.' 

Was  nun  weiter  diejenigen  Yorstellimgen  betrifft,  welche  sich 
auf  den  Udgitba  u.  s.  w.  als  Glieder  des  Werkdienstes  stützen  und 
in  den  drei  Vedun  anbefohlen  werden,  sind  diese  zttsammenziifiEisseD, 
9G9  oder  sieht  es  mit  ihnen  nach  Belieben?  |  Auf  diese  Frage  könnte 
man  erwidern :  'ihre  Geltung  ist  eine  „der  Grundlage  entsprechonde'S* 
'd.  h.  so  wie  die  Grundlagen  derselben,  das  Stotram  [Preismf  des 
'Udgatar]  a.  s.  w.  [das  Qastram  des  Hotar,  der  Graha  u.  s.  w.  des 
'AdhvaryuJ  neben  einander  im  Vereine  bestehen,  so  auch  die  [auf 
'sie  sich  gründenden]  Vorstellungen;  weil  diese  Vorstellangen  durch 
4hre  Grundlage  getragen  werdend 

62.  'gishteg  cd 
*und  wegen  des  Lehrens/ 

*Und  so  wie  die  Grundlagen,  nämlich  das  Stotram  u.  s.  yr,  in 
^den  drei  Veden  gelehrt  werden,  so  auch  die  auf  sie  gegründeten 
'Vorstellungen;  und  es  findet  sidi  dabei  auch  kein  durch  die  Art 
'der  Uiiit'rweisung  bedingter  Unterschied  zwischen  den  Werkglie- 
'dern  und  den  auf  sie  gegründeten  Vorstellungen.* 

63.  'samähärat' 
Vegen  der  Zurechtbringung.' 

'Wenn  die  Schrift  sagt,  dafs  er  [der  Udgafcar,  welcher  die  Ein- 
'heit  des  ihm  angehörigen  Udgitha  mit  dem  vorwiegend  dem  Hotar 
'zukommenden  Laute  Gm  erkennt]  „sogar  von  dem  Sitze  des  Hotar 
'„aus  einen  mif&lungenen  Udgitha  wieder  zurechtbringt"  (Gh&nd.  1, 
'5,  5),  so  lehrt  sie  hier,  dafs,  wegen  der  Herrlichkeit,  der  Erkennt- 
'nis  der  Einheit  des  Lautes  Gm  und  des  Udgitha,  der  Udgätar  ein 
'bei  seinem  Geschäfte  vorfallendes  Versehen  mit  Hülfe  der  Verrich- 
'tnng  des  Hotar  wieder  in  Ordnung  bringen  kann,  und  mit  dieser 
'Erklärung  deutet  sie  an,  dafs,  —  weil,  [ebenso  wie  die  Werke] 
970  'auch  die  in  dem  einen  Veda  vorkommenden  Vorstellungen  |  mit 
'den  in  einem  andern  Veda  gelehrten  Begriffen  verbunden  sind,  — 
'eine  Zusammenfassung  der  in  sämtlichen  Veden  vorkommenden  Yor- 
'stellungen  vorzunehmen  ist,  wofür  in  der  obigen  Stelle  ein  Lndi- 
'cium  liegt.* 


Sütram  m.  in.  64.  637 

^auch  weil  die  Schrift  eine  Qualität  -  Gemeinsam- 
keit lehrt' 

'Aach  lehrt  die  Schrift,  dafs  der  eine  Qualität  des  Wissens 
^bildende  und  dem  Wissen  als  Grundlage  dienende  Laut  Om  allen 
^rei  Yeden  gemeinsam  ist:  „in  ihm  bewegt  sich  diese  dreifache 
%, Wissenschaft :  mit  Om  ruft  [der  Adhvaryu]  auf,  mit  Om  recitiert 
S,[der  Hotar],  mit  Om  stimmt  [der  Udg&tar]  den  Udgltha  an" 
'(Chand.  1,  1,  9)|  hierin  li^  abermals  ein  Indicium  dafür,  dafs 
'wegen  Gemeinschaftlidikeit  der  Grundlage  auch  Gemeinschaftlich- 
'keit  des  darauf  Gegründeten  stattfinden  mufs.' 

Andere  Erklärung:  '„auch  weil  die  Schrift  eine  Qualität- 
'„Gemeinsamkeit  lehrt";  d.  h.:  wenn  jene  Qualitäten  der  Werke, 
'der  Udgttha  n.  s.  w.,  nicht  alle  bei  allen  Opferuntemehmungen 
'gemeinsam  wären,  so  würde  ein  Zusammenbestehen  der  auf  sie 
'sich  stutzenden  Vorstellungen  allerdings  nicht  stattfinden.  Nun 
'sind  aber  der  üdgltha  u.  s.  w.,  zufolge  des  alle  Werkteile  zu- 
'sammenfassenden  Schriftwortes  von  dem  Opferuntemehmen ,  alle 
'bei  jedem  Opferuntemehmen  gemeinsam,  und  aus  diesem  Zu- 
'sammenbestehen  der  Grundlagen  folgt  auch  ein  Zusammenbestehen 
'der  Vorstellungen.* 

65.    na  vdj  t^t-sahahMva-agruteh  97i 

oder  vielmehr  nicht,  weil  fiir  ihre  Zusammengehörig- 
keit kein  Schriftwort. 

„Oder  [vielmehr]  nicht";  hiermit  wird  die  bisherige  Behaup- 
tung abgelehnt;  d.  h.  wie  es  mit  den  Grundlagen  ist,  so  braucht 
es  nicht  mit  den  darauf  gegründeten  Verehrungen  zu  sein :  warum  ? 
„weil  für  ihre  Zusammengehörigkeit  kein  Schriftwort",  Denn  wäh- 
rend die  Schrift  die  Zusammengehörigkeit  der  in  den  drei  Veden 
▼orgeschriebenen  Werkbestandteile,  des  Stotram  u.  s.  w.  lehrt,  z.  B. 
wenn  es  heifst:  „nachdem  er  [der  Adhvaryu}  den  Trunk  geschöpft 
„oder  die  Trinkschale  aufgefüllt  hat,  so  schickt  er  [der  Udgätar] 
„sich  zum  Preisrufe  [stotram]  an"  (vgl.  Taitt.  samh.  3,  1,  2,  4),  — 
„nach  dem  Preisrufe  recitiert  er  [der  Hotar]",  —  „o  Prastotar, 
„singe  das  Säman  und  du,  Hotar,  bringe  dieses  [Recitatiystuck] 
„dar"  u.  8.  w.,  so  ist  hingegen  für  die  Zusammengehörigkeit  der 
Verehrungen  keine  derartige  SchrifLstelle  vorhanden.  —  'Aber  be- 
' weist  nicht  schon  die  zur  OpferhMidlung  auffordeiiide  [Vorschrift, 
'welche  überall  dabei  steht]  die  Zusammengehörigkeit  derselben?' 
—  Wir  sagen  nein!  denn  die  Verehrungen  dienen  [gar  nicht  dem 


638  g&r1raka-mlmADS& 

Opfer,  sondern]  dorn  Ziele  des  Menschen,  während  hingegen  die 
zur  Opferhandlnng  auffordernde  [Yorschrift]  nur  die  Zasammen- 
gehörigkeit  der  dem  Opfer  dienenden  [Ceremonien] ,  des  Ud- 
gHha  u..  s.  w.  beweist.  Was  hingegen  die  Verehrungen  als  der 
Udgitha  u.  s.  w.  betrifft,  so  dienen  diese,  wiewohl  sie  sich  auf 
Glieder  der  Werke  stützen,  doch,  ähnlich  wie  das  „Melken  der 
„Kühe**  (vgl.  p.  934,  10,  S.  612)  zum  Ziele  des  Menschen,  wie  wir 
dies  auseinandersetzten  an  der  Stelle:  „dena  gesondert,  ohne  ein 
„Hindernis  zu  sein,  ist  ihre  Frucht**  (Sütram  3,  3,  42).  Und  darin 
besteht  ja  eben  der  auf  Unterweisung  gegründete  Unterschied  zwi- 
schen den  Werkteilen  und  den  auf  sie  sich  stützenden  Verehrun- 
gen, dafs  die  einen  um  der  Werke  willen,  die  andern  um  des 
Menschen  willen  da  sind.  Jene  oben  angef&hrte  Zweiheit  von  In- 
dicien  aber  beweist  nichts,  weil  für  die  Zusammengehörigkeit  der 
Verehrungen  eine  Schriftregel  nicht  vorliegt.  Und  wenn  man  auch, 
der  Opferuntemehmung  entsprechend,  die  Gesamtheit  der  Grund- 
lagen zusammenf af st ,  so  läfst  sich  doch  nicht  erweisen,  dafs  es 
mit  dem  darauf  Gegründeten  sich  ebenso  verhalten  müsse;  denn 
die  Verehrungen  gehören  nicht  mit  zu  der  betreffenden  Opferuntcr- 
972  nehmung;  |  und  wenn  auch  die  Verehrungen  von  der  jedesmaligen 
Grundlage  abhängig  sind,  so  mag  daraus  vielleicht  folgen,  da/s 
sie  ohne  die  Grundlage  nicht  bestehen  können,  nicht  aber  brau- 
chen sie,  wo  die  Grundlagen  zusammengehören,  ebenfalls  zusammen- 
zugehören, weil  für  ihre  Zusammengehörigkeit  ein  Schriftwort  nicht 
vorhanden  ist.  Darum  sind  jene  Verehrungen  ganz  nach  Belieben 
[und  ohne  Zusammenfassung]  zu  betreiben. 

66.    darQandc  ca 
und  weil  es  ersichtlich. 

Auch  ist  es  „ersichtlich**  aus  der  Schrift,  dafs  diese  VorsteUungen 
nicht  zusammengehören,    wenn  sie   sagt:   „fürwahr  ein  Brahman- 
„Priester,  der  Solches  weifs,  beschützt  das  Opfer  und  den  Yeran- 
„stalter  und  alle  Opferpriester**  (Chand.  4,  17,  10).     Wären    alle 
jene  Vorstellungen  zusammt^nzufassen,  so  würden  alle  [Priester]  sie 
alle  wissen,  und  es  würde  nicht  von  dem  Biahmin-Priester  gesagt 
werden  können,  dafs  er  durch  sein  Wissen  die  übrigen  beschütze. 
Somit  ist  zwischen  diesen  Verehrungen  eine  Zusammenfassung  oder 
auch  ein  Wahlbelieben  statthaft. 


So  lautet  in  dem  Kommentare  rar  erlftuchten  Qartraka-nämaAiA,  dem  VT^rk«   der 
verehrungewfirdigen  FftliM  det  erlauchten  QaUkara,  im  dritten  Adhf^fa  der  dritte  Fada 


Des  dritten  AdhyAya 


VIERTER   PADA. 


OmI   T*rehrang  dem  höohstaA  Atmaul 


Entes  Adkikardnam, 

1.   purusha  -  artho  Häh^  gahdäd^  iti  Bädaräyanah        973 

das  Ziel  des  Menschen  durch  sie,  aus  der  Schrift;  so 

Bädarayana. 

Nunmehr  fra^  sieb,  ob  man  .die  von  den  üpaniahad^s  gelehrte 
Erkenntnis  des  Atman,  wegen  der  Vorbedingung,  dafs  man  [wie 
zu  den  Werken,  auch]  zu  ihr  berufen  sein  mufs,  gleichfalls  zu 
den  Werken  zu  rechnen  hat,  oder  ob  sie  unabhängig  Von  ihnen 
das  Ziel  des  Menschen  vollbringt?  —  Bei  dieser  Untersuchung 
ftngt  der  Lehrer  zunächst  mit  der  endgültigen  Meinung  an,  indem 
er  sagt:  „das  Ziel  des  Menschen  durch  sie*';  d.h.  durch  sie,  durch 
diese  vom  Vedllnta  geforderte  Erkexmtnis  des  Ätman,  wird  unab- 
hängig von  den  Werken  |  das  Ziel  des  Menschen  erreicht;  so  meint  974 
der  Lehrer  Bädaräyana.  Woraus  ergiebt  sich  dies?  ^„aus  der 
„Schrift^;'  denn  in  diesem  Sinne  heifst  es:  „wer  den  Atman  er- 
„kennt,  überschreitet  den  Kummer^'  (Chänd.  7,  1,  3):  —  „fOrwahr 
„wer  dieses  höchste  Brahman  erkennt,  der  wird  zu  Brahman" 
(Mu94*  3»  9,  9);  —  99 wer  Brahman  weifs,  erlangt  das  Höchste" 
(Taitt  2,  1);  —  „der  Mann,  welcher  einen  Lehrer  erlangt  hat, 
„weift:  diesem  [Welttreiben]  werde  ich  nur  so  lange  angehören, 
„bis  idi  erlöst  sein  werde;  alsdann  werde  ich  heimgehen*'  (Ch&nd.  7, 


640  Qäi1raka-nitm&ns& 

14,2);  —  „der  Atman,  der  sündlose",  —  und  wie  es  weiter^  geht-, 
—  „der  erlangt  alle  Welten  und  alle  Wünsche,  wer  diesen  Atman 
„gefunden  hat  und  erkennt"  (Ch&nd.  8,  7,  1);  —  „den  Atman  für- 
„wahr  soll  man  sehen",  und  wie  es  weiter  heifst,  —  „dieses  rei- 
„chet  hin  zur  Unsterblichkeit"  (Brih.  4,  5,  6.  15).  —  Diese  und 
andere  Schriftstellen  lehren,  dafs  das  blofse  Wissen  den  Endzweck 
des  Menschen  vollbriugt. 

Dagegen  erhebt  sich  der  Opponent  und  sagi.: 


2.    ^geshatvät  purusha-arOiavädo^  yathä  anyeshu\  iti 

Jaiminih 

'wegen  seiner  Zugehörigkeit  ist  sie  eine  auf  den  [Zweck 
des]  Menschen  bezügliche  Zweckerklärung,  wie  bei 

andern/  so  meint  Jaimini. 

*  Wegen   der  „Zugeliörigkeit"   des  Atman,   als  des  Thäters   der 
^Werke ,    zu  den  Werken  ist  auch  die  Erkenntnis .  desselben ,    so 
^gnt  wie  das  Besprengen  der  Reiskörner  und  ähnliches,  als  ein  zu 
'Yollbringendes  zu  den  Werken  zu  rechnen ;  und  hieraus  folgt,  dafs, 
975  ^wenn  die  Schrift  der  ihren  Zweck  erreicht  habenden  |  Erkenntnis 
*de8  Atman  eine  Frucht  beilegt,  eine  solche  blofs  als  eine  „Zweck- 
*„erklärung"  (arthaväda)  anzusehen   ist,*  „so   meint"  der  Lehrer 
„Jaimini".     ^Ähnlich    nämlich,   „wie  bei   andern"   auf  den  Werk- 
^dienst  bezüglichen]   Materialien,  Zurüstnngen  und  Ausf&hruugen, 
'[diesen  drei  Rubriken  entsprechend  drei]  Stellen  wie   die  folgen- 
'den:  „wer  einen  Löffel  aus  Parnaholz  besitzt,  der  hört  keine  äble 
'„Nachrede"  (Taitt.  samh.  3,  5,  7,  2);  —  „wenn  er  sich  salbt,   so 
'„wendet    er    damit   das   Auge   des   Rivalen   von    sich    ab^'   (Taitt. 
'samh.  6,  1,  1,  5);  —  „wenn  d)W  Voropfer  und  das .  Nachopfer  ge- 
'„opfert  werden,    so  ist  dieses  eine  ümpanzerung  des  Opfers,  und 
'„selbige    wird    zu    einer  Ümpanzerung    für   den   Veranstalter    des 
'„Opfers,   auf  dafs  er  seinen  Rivalen  überwältige'*  (Taitt.  samli.  2, 
'6,  1,  5),   —  ähnlich   also,   wie   diese  Stellen,   weil   sie   eine  Ver- 
'heifsung  deR  Lohnes  enthalten,  als  eine  Zweckerkläruug  (arihaüdda) 
'anzusehen  sind,  ebenso  ist  es  auch  in  unserm  Falle.*  —  Abor  wie 
darf  man  diese  Erkenntnis  des  Atman,  welche  kein  Thun,  sondern 
nur   das   Studium   erfordert,   zum  Opferwerke   rechnen,   ohne   dafs 
doch  die  eine  oder  andere  der  hierzu  erforderlichen  [Jaim.  3^  3,  14 
aufgeführten]  Ursachen   vorliegt,  z.  B.   dafs   das   „Thema"    davon 
handele   u.  s.  w.?    —  'Nun,   es   könnte   vielleicht,   da  der   Atman 
'beim  Opfer  der  Thäter  ist»   die  Erkenntnis   desselben  wegen    der 
'„Satzergänzimg"   [sofern    er   in   Sätzen  wie:   „man   soll    opfern", 
'das  Subjekt  ausmaoht]  mit  zum  Opferdienste  gehören?*  —  O   nein! 


86tram  m.  it.  2.  64l 

denn  eine  Anwendung  der  Satzergänssung  ist  hier  nicht  snl&ssig. 
Ja,  wo  ein  unzweideutiger  Weg  sich  eröffnet,  da  mag.  auch  bei 
Vorschriften,  welche,  ohne  Hand  anzulegen,  blofs  studiert  werden, 
auf  Grund  der  „Satzergänzung"  eiaie  Zugehörigkeit  zum  Opfer  an- 
zunehmen sein  (vgl.  S.  614  und  620);  |  dafs  aber  der  Ätman  der  976 
Th&ter  ist,  kann  nicht  für  einen  solchen  unzweideutigen  Weg  gelten^ 
weil  dieser  Umstand  den  weltlichen  und  vedischen  Werken  gemein* 
sam  ist  [mithin  wie  bei  jenen,  so  auch  bei  diesen  keine  besondere 
Erkenntnis  des  Atman  zu  erfordern  braucht].  ^  Daher  auf  diesem 
Wege  die  Zugehörigkeit  der  Erkenntnis  des  Atman  zum  Opfer- 
werke nicht  zu  erweisen  ist.  —  'Doch  niohtl  denn  die  Erkenntnis 
'des  Fortbestehens  der  Seele  über  den  Leib  hinaus  findet  auf  keine 
'andern  Werke  als  die  vedischen  Anwendung;  denn  auf  die  weltlichen 
'Werke  findet  die  Erkenntnis  der  über  den  Leib  hinausreichenden 
'Seele  keine  Anwendung,  indem  hier  überall  das  Hinstreben  auf 
'ein  sichtbares  Ziel  stattfindet.  Bei  den  vedischen  Werken  hin- 
'gegen,  welche  ihre  Frucht  erst  in  der  Zeit  nach  dem  Dahinfall 
'des  Leibes  bringen,  ist  ein  Hinstreben  zum  Ziele  ohne  die  Er- 
'kenntnis  der  über  den  Leib  fortbestehenden  Seele  nicht  möglich; 
'daher  hier  die  Erkenntnis  des  Fortbestehens  ihre  Verwendung 
'findet.'  —  Aber  die  Lehre  der  Upanishad^s  bezeichnet  dodi  als 
Merkmal  der  Seele  die  Sündlosigkeit  u.  s.  w.,  bezieht  sich  somit  auf 
die  nichtwandemde  Seele  und  kann  daher  nicht  ein  Teil  der  Werk- 
th&tigkeit  sein!  —  'Dies  wird  bestritten;  denn  deijenige,  welcher 
'als  der  zu  Schauende  bezeichnet  wird,  ist  die  durch ,  Jäebes"  u.  s.  w. 
'charakterisierte  (vgl.  Brih.  2,  4,  5)  und  somit  wandernde  Seele;  | 
'die  Bestimmungen  hingegen  der  Sündlosigkeit  u.  s.  w.  mögen  um'  977 
'der  Verherrlichung  willen  dastehen.^  —  Aber  wir  haben  doch  hier 
und  dort  bewiesen,  dafs  jenes  höhere,  nichtwandemde  Brahman 
die  Ursache  der  Welt  ist,  und  dieses  Brahman  eben  wird  in  den 
Upanishad's  als  die  wahre  Nfitur  der  wandernden  Seele  erwiesen! 
[Wozu  also  hier  der  abermalige  Zweifel?]  —  Gewifs  ja,  das  haben 
wir  erwiesen,  aber  gleichwie  das  Einrammen  eines  Pfahles  [nur  durch 
wiederholte  Schläge  gelingt],  so  werden  hier,  wo  es  sich  um  die 
Frucht  [dieser  Erkenntnis  des  Ätman]  handelt;  der  Zweifel  [ob 
dieselbe  nicht  zur  Werkfrucht  gehöre]  und  «eine  Zurechtbringung 
zum  Zwecke  gröfserer  Bekräftigung  nochmals  vorgefiihrt. 


3.    ^äcära  -  darganät ' 
*weil  sie  den  Wandel  aufzeigt' 

'„Es  geschah  einstmals,  dafs  Janaka,  der  König  der  Videha*s, 
^,^ein  Opfer  mit  vielen  Opfergeschenken  veranstaltete"  (Bfih.  3, 
'1,  1);  —   „ich   bin  im  Begriffe,   o  ihr  Ehrwürdigen,  ein  Opfer 


642  ^&rlraka-inlm&A8li 

'^u  Teranstalten*^  (Ghand.  5,  11,  5),  —  in  diosen  und'  andern  Stel- 
len wird  Ton  der  Schrift,  wenn  auch  in  Texten,  die  [im  übrigen] 
^einem  andern  Zwecke  dienen,  aufgewiesen,  wie  auch  die  Kenner 
'des  Brahman  mit  den  Werken  in  Verbindung  bleiben.  Ebenso 
^ergiebt  sich  für  den  Udd&laka  und  andere  daraus,  daTs  die  Schrift 
978  'zeigt,  wie  dieselben  ihre  Söhne  |  unterrichteten  (vgl.  Ch&nd.  6>  1  fg- 
Taitt.  3,  1  fg.))  dafs  dieselben  an  die  Pflichten  des  Hausvaters  ge- 
'bunden  blieben.  Würde  das  Ziel  des  Menschen  durch  die  blof^c 
^Erkenntnis  allein  schon  erreicht,  so  wäre  nicht  zu  begreifen, 
'warum  jene  Männer  die  mit  so  mancherlei  Beschwerden  verbünde- 
^nen  Werke  betrieben.  Denn  eine  Regel  (vgl.  zu  Jaim.  1,  2,  4. 
p.  42,  2)  sagt: 

*„Wenn  man  im  Arkabaum  den  Honig  f&nde, 
S,So  brauchte  man  nicht  auf  den  Berg  zu  gehn"^ 


4.    H4W-chruteh^ 
'weil  darüber  ein  Schriftwort'. 

^Wenn  e9  heifst:  „aber  welches  Werk  er  durch  das  Wissen  voll- 
'„bringt,  durch,  den  Glauben,  durch  die  Upanishad,  das  ist  wirkungs- 
S,kräftiger^'  (Chl^nd.  1,  1,  10),  so  liegt  aueh  hierin,  dafs  das  Wissen 
'einen  Nachtrag  zu  ^qh  Werken  bildet,  dafs  es  somit  nicht  schon 
'für  sich  allein  das  Ziel  des  Menschen  vollbringt/ 

5.    ^samanvdrambhanät' 

m 

*wegen  des  Anfa&sens'. 

^Ferner  wenn  es  heifst:  „dann  nehmen  ihn  das  Wissen  und  die 
'„Werke  bei  der  Hand"  (Brih.  .4,  4,  2),  so  beweist  diese  Sielte, 
'dafit'  zur  Vollbringung  der  Frucht  das  Wissen  und  die  Werke  in 
'Gemeinschafb  wirken,  dafs  somit  das  Wissen  nicht  für  sich  allein 
'dazu  ausreicht.' 

979  6.    ^tadvato  vidhänäV 

*weil  sie  einem  solchen  anbefiehlt'. 

'Die  Schrift  sagt:  „nachdem  einer  im  Hause  dos  Lehrers  den 
'„Teda  vorschriftsmäfsig  in  der  Zeit,  welche  die  Arbeiten  des  Leb- 
'„rers  frei  liefsen,  studiert  und  seinen  Abschied  erhalten  hat,  so 
^„soll  er  in  seiner  Familie  in  einer  gesunden  Gebend  durch  Selbst- 
'„studieren  sich   fortbilden"  (Ch&ad.  8}  15,  1);   diese   und   andere 


Sütram  III.  iv.  6.  643 

^Scliriftstellen  beweisen,  dafs  auch  derjenige,  welcher  den  Inhalt 
'des  gesamten  Yeda  sich  angeeignet  hat,  doch  noch  zu  den  Werken 
'verpflichtet  bleibt,  und  auch  hieraus  folgt,  dafs  die  Erkenntnis 
'für  sich  allein  keine  Iiinreichende  Ursache  der  Erlangung  der 
'Frucht  ist.'  — 'Aber  liegt  nicht  in  dem  Ausdrucke  „nachdem  er 
„studiert  hat 'S  daüs  hier  nur  von  einebi  Studium  des  Yeda,  nicht 
von  einer  Aneignung  seines  Inhaltes  die  Rede  sei  ?  —  *Doch  nicht, 
'weil  der  Zweck  [dieses  Gebotes]  ein  augenfälliger  ist;  denn  es 
'unterliegt  keinem  Zweifel,  dafs  das  Studium  des  Yeda  als  End- 
'zweck  die  Erkenntnis  jenes  Inhaltes  hat.' 


7.    ^niyamäc  ea' 
^und  wegen  der  Bestimmung'. 

'Die  Schrift  sagt  (t$4  2): 

'„Mag  emer  hundert  Jahre  hier 
'„Den  Werken  fr5hnend  leben, 
'„Darum  steht  's  anders  nicht  mit  dir;  — 
'„Kein  Werk  kann  ihm  ankleben";. 

'und  ferner  \'.  „das  Feueropfer  ist  eine  bis  zu  Alter  und  Tod  zu 
'„feiernde  Begehung,  denn  nur  durch  das  Alter  wird  man  von  ihm 
'„befreit  oder  durch  den  Tod"  (Qatap.  br.  12,  4,  1,  1);  —  auch 
'aus  derartigen  Bestimmungen  ergiebt  sich,  dafs  das  Wissen  nur 
'ein  Anhang  zu  den  Werken  ist.' 

Auf  diese  Behauptungen  des  Gegners  (S&tram  2 — 7)  erwidert 
der  Lehrer: 

8.    adhika-iipadefdt  tu  Bädaräyanasya  ^  eoam  tad- 

dargandt 

•wegen  Hinweises   anf  den  höhern  vielmehr  [gilt  die 
Ansicht]  des  Badarayana,  weil  also  dieses  die 

Schrift  zeigt. 

Durch  das  Wort  „vielmehr"  wird  die  Behauptung  des  Gegners 
abgewiesen;  nämlich  wenn  es  hiefs:  „wegep,  seiner  Zugehörigkeit 
„ist  sie  eine  auf  den  [Zweck  des]  Menschen  bezügliche  Zweck- 
„erkl&rung"  (Sütram  3,  4^  2),  so  ist  das  nicht  richtig;  warum? 
„wegen  Hinweises  auf  den  höhern'^    Wenn  es  nämlich  in  dem  Ve- 

41* 


(344  gftrinka-mlm&AjBft 

ääbta  nur  darauf  ankäme,  das  Fortbestehen  über  den  Leib  in  Be- 
treff der  wandernden,  verkörperten,  handelnden  nnd  geniefsenden 
Seele  zu  beweisen,  so  würde  die  Schriftlehre  vo«  der  [Erlösung  als] 
Frucht  allerdings  in  der  dargelegten  Weise  eine  blofse  Zweckerklä- 
mng  sein ;  nun  aber  steht  es  vielmehr  so,  dafs  der  höhere,  über  den 
verkörperten  Atman  erhabene,  nicht  wandernde  Oott,  d.  b.  der 
von  den  Beschaffenheiten  des'Saiiis&ra,  von  dem  Th&tersein  u.  d.  w., 
freie  und  die  Pr&dikate  der  Sündlosigkeit  u.  s.  w.  an  sich  tragende 
höchste  Atman  in  den  Yedäntatexten  als  der^Gegenstand  des  Wissens 

981  I  beseichnet  wird»  Die  Erkenntnis  dieses  Atman  aber  ist  kein  Be- 
weggrund zu  den  Werken,  vielmehr  hebt  dieselbe  die  Werke  ganz- 
lieh  auf,  wie  der  Lehrer  an  der  Stelle:  „und  die  Yemlchtnng" 
(Sütram  8,4,  16)  zeigen  wird.  Somit  bleibt  es  bei  der  in  den 
Worten:  „das  Ziel  des  Menschen  durch  sie,  wegen  der  Schrift'' 
(Sütram  3,  4,  1)  ausgesprochenen  Meinung  des  verehrungswürdigen 
B&dar&y&^a,  und  diese  Meinung  kann  nicht  durch  die  Scheingrfinde 
der  Zugehörigkeit  [des  Atman  als  Subjekt  des  Handelns  zu  den 
Werken]  u.  s.  w.  erschüttert  werden.  Denn  in  dieser  Weise  aeigen 
die  Schriftstellen  jenen  höher  als  die  verkörperte  Seele  stehenden 
Oott  als  den  Aünan  auf:  „der  alles  kennt  und  alles  weils" 
(Mund.  1,  1,  9);  —  „aus  Furcht  vor  ihm  geht  auf  die  Sonne,  aas 
„Furcht  vor  ihm  filhrt  hin  der  Wind"  (Taitt.  2,  8);  —  ,«ar  furcht- 
„bar  ist  es,  ein  gezückter  Blitzstrahl'^  (E&th'.  6,  2);  —  „auf  dieses 
„Unvergänglichen  Geheifs,  o  Gftrgi"  (Brih.  3,  8,  9);  —  „dasselbige 
„beabsichtigte:  ich  will  vieles  sein,  will  mich  fortpflansen;  da 
„schuf  es  das  Feuer"  (Chand.  6,  2,  3)  u.  s.  w.  Allerdings  wird  ^a 
auch  die  als  das  „Liebe"  u.  s.  w.  charakterisierte,  wandernde  Seele 
^  als  Gegenstand  des  Wissens  herbeigezogen,  denn  es  heilst:  „um 
„des  Selbstes  willen  ist  das  Weltall  lieb,  das  Selbst  fürwahr  soll 
„man  schauen"  (Brih.  2,  4,  5);  —  „der  durch  den  Aushauch  aus- 
„haucht,  das  ist  deine  Seele,  die  allem  innerlich  ist"  (Bfih.  3,  4, 1); 
—  „der  Mann,  der  in  dem  Auge  gesehen  wird"  und  wie  «s  weiter 
heifst,  „diesen  will  ich  dir  weiter  erklären"  (Ch&nd.  8,  7,  4.  8,  9)  3), 
nnd  derartiges  mehr.  Aber  wenn  man  hinwiderum  Stellen  wie  die  fol- 
genden vergleicht:  „aus  diesem  gprofsen  Wesen  ist  ausgehaucht  wor- 

98S  „den  I  der  Rigveda,  der  Yajurveda"  (Brih.  2,  4,  10) ;  —  „deijenige, 
„welcher  den  Hunger  und  den  Durst,  das  Wehe  und  den  Wahn,  das 
„Alter  und  den  Tod  überschreitet"  (Brih.  3,  5»  1);  —  f,SLe  gehet  ein 
„in  das  höchste  Licht  und  tritt  dadurch  hervoain  eigener  Gestalt: 
„das  ist  der  höchste  Geist'^  (Chänd.  8,  12,  3),  —  so  beweisen  Stellen 
dieser  Art,  dafs  die  Absicht  vielmehr  auf  die  Darlegung  der  hdchsten 
Seele  zielt,  und  dafs  die  vorhererwahnten  Stellen  nicht  die  Absicht 
haben^  eine  g&nzliche  Verschiedenheit  beider  Seefen  zu  lehren,  daher 
sie  keinen  Widerspruch  enthalten;  denn  das  Sein  als  der  höchste 
Gott  ist  die  eigentlich  wahre  Natur  der  verkörperten  Seele,  wäh- 
rend hingegen  ihr  Verkörpertsein  nur  durch  die  üp&dhi's  bewirkt 


Sütram  III.  ir.  8.  645 

wird,  wie  dieses  sich  ergiebt  aun  Schriftstellen  wie:  „das  bist  du** 
(Chand.  6,  8,  7),  —  „nicht  giebt  es  aufser  ihm  einen  Sehenden ^^ 
(Brih.  3,  7,  23)  u.  s.  w.  Übrigens  haben  wir  dieses  alles  firüher 
an  verschiedenen  Stellen  ausführlich  auseinandergesetzt. 

9.    tulyan  tu  darganam 
gleichwiegeud  vielmehr  die  Aufzeigung. 

Wenn  behauptet  wurde ,  dafs  das  Wissen  zu  den  Werken  zu- 
gehörig sei,  weil  die  Schrift  einen  Wandel  [der  Wissenden  in  den 
Werken]  aufzeige  (Sütram  3,  4,  3),  so  entgegnen  wir,  dafs  dieses 
aufgewogen  wird  durch  Aufzeigung  eines  solchen  Wandels,  bei 
welchem  das  Wissen  nicht  als  zu  den  Werken  zugehörig  erscheint. 
Denn  in  diesem  Sinne  sagt  eine  Schriftstelle :  „dieses  fürwahr  also 
„wissend  sprachen  die  Rishi*s  aus  dem  Stamme  des  Eanva  * :  «was 
„soirs,  dafs  wir  den  Yeda  lesen,  was  soll's,  dafs  wir  opfern?» 
„dieses  fürwahr  also  wissend  haben  die  Alten  |  das  Feueropfer  983 
„nicht  geopfert,*^  -^  sowie  auch  die  Stelle:  „wahrlich,  nachdem 
„sie  diese  Seele  erkannt  haben,  stehen  die  Brahmanen  ab  vom 
„Verlaogen  nach  Eindem  und  Verlangen  nach  Besitz  und  Ver- 
„langen  nach  der  Welt  und  wandern  umher  als  Bettler**  (Brih.  3, 
$,  1).  Und  auch  bei  Yajnavalkya  und  andern  Kennern  des  Brah- 
man  zeigt  sich,  dafs  sie  nicht  in  den  Werken  beharrten;  dieses 
beweisen  die  Stellen  wie:  „dieses  fürwahr  reichet  hin  zur  Un- 
„Sterblichkeit.  —  So  sprach  T&jnavalkya  und  zog  von  dannen*' 
(Brih.  4,  5,  15).  —  Wenn  es  femer  heiÜBt:  „ich  bin  im  Begriffe, 
„o  ihr  Ehrwürdigen,  ein  Opfer  zu  veranstalten"  (Gh&nd.  5,  11,  5)> 
worin  ein  auf  die  yai9vänaralehre  bezügliches  Merkmal  [des  Werk- 
dienstes] gefunden  wurde  (vgl.  Sütram  3,  4,  3),  so  ist  zu  bemerken, 
dafs  dieses  Merkmal  eines  Begleitetseins  von  den  Werken  sich  in 
einer  attributhaften  Lehre  von  dem  Brahman  vorfindet,  und  dafs 
gleichwohl  auch  in  ihr  eine  Abhängigkeit  von  den  Werken  nicht 
aozunehmen  ist,  weil  dabei  ein  dieses  erforderndes  „Thema"  u.  s.  w. 
(Jaim.  3,  3,  14,  vgl.  S.  618.  619.  640)  nicht  vorliegt. 

Wenn  weiter    gesagt  wurde:   „weil    darüber  ein   Schriftwort" 
(Sntram  3,  4,  4),  so  entgegnen  wir  darauf: 

10.    asärvatriki 
nicht  überall  gültig. 

Wenn  es  heifst:  „was  er  durch  das  Wissen  vollbringt"  (Chänd.  1, 
1 ,  10),  so  bezieht  sich  dieses  Wort  nicht  auf  jedes  Wissen,  weil  es 

*  K&nyeyih  statt  K&rayej&h,  nach  einer  Vermatung  Webers. 


646  gärlraka-mimft&84 

nur  mit  dem  vorherei*wähntün  Wissen  in  Verbindung  steht;  es 
war  aber  vorher  erwähnt  das  Wissen  von  dem  Udgitha,  indem  es 
hiefs:  y,Om!  diese  Silbe  soll  man  verehren  als  den  UdgiÜia*^ 
(Gfa&nd.  1,  1,  1). 

9S4  11.    vibhägak  gata-vat 

Teilung  wie  bei  Hundert. 

Wenn  ferner  behauptet  wurd«,  dafs  das  Schriftwort  ton  dem 
Anfassen:' „dann  nehmen  ihn  das  Wissen  und  die  Werke  bei  der 
„Hand"  (Brih.  4,  4,  3)  ein  Beweisgrund  für  die  Abhängigkeit  des 
Wissens  von  den  Weiken  sei  (Sütram  3,  4,  5),  so  wird  darauf  er- 
widert, dafs  man  dabei  an  eine  „Teilung"  zu  denken  hat;  das 
Wissen  ninunt  den  einen  Menschen  bei  der  Hand,  und  das  Werk 
den  andern  *,  „wie  bei  Hundert",  d.  h.  wie  man,  wenn  die  Aufgabe 
ist,  ein  Hundert  an  zwei  Personen  su  geben,  die  Summe  teilt  und 
der  einen  fünfzig  und  der  andern  fünfzig  giebt. 

Übrigens  *  bezieht  sich  aber  dieses  Wort  von  dem  Anfassen  gar 
nicht  auf  den  nach  Erlösung  Verlangenden,  denn  wenn  es  darauf 
zusammenfassend  heifst:  „soweit  von  dem  VeriangMiden"  (Bfih.  4, 
4,  6)^  80  liegt  hierin  die  Bezüglichkeit  des  Yorhergehenden  auf 
die  wandernde  Seele  ausgesprochen,  und  erst  mit  den  Worten: 
„Nunmehr  von  dem  Nichtverlangenden"  (Brih.  4,  4,  6)  wird  der 
nach  Erlösung  Trachtende  für  sich  besonders  vorgenommeo.  Vater 
jenem  auf  die  wandernde  Seele  bezüglidben  Wissen  ist  [also  viel- 
mehr] das  Bewufßtsein  des  Gebotenen  und  Verbotenen  [odBr:  das 
gebotene  und  das  verbotene  Wissen,  wozu  der  Glossator  udgtiha 
und  naffnastrudar^anam  als  Beispiele  anfühi't.]  ^u  verstehen,  indem 
beides  keinen  Unterschied  [von  dem  übrigen  Kanon  der  Gebote] 
begründet  und  in  entsprechender  Weise  auch  das  gebotene  und 
verbotene  Werk  daneben  erwähnt  wird.  Ist  diese  Meinung  richtig, 
so  kann  das  Schriftwort  vom  Aufassen  auch  bestehen,  ohne  dafs 
man  obige  Teilung  annimmt. 

Wenn  femer  behauptet  wurde:  „weil  sie  einem  solchen  anbefiehlt'* 
(Sütram  3,  4,  6),  so  giebt  der  Lehrer  darauf  zur  Antwort: 

985  lü,    adhyayana  -  n^ra  -  vcdah 

des  nur  das  Studium  Besitzenden. 

In  der  Stelle:  „nachdem  er  im  Hause  des  Lehrers  den  Yeda 
„studiert   hat^'    (Chand.  8,  15,  1)   wird  von  der  Schrift   nur    das 


*  Wieder  ein  Zusatz  zum  Goromentare,  der  gegen  das  Sütram  (Opposi- 
tion macht;  vgl.  S.  55—60  und  S.  566  Anm. 


S4tram  UI.  iv.  12.  647 

Studium  erwähnt,  und  wir  nehmen  sonach  an,  dafs  die  folgende 
Werkvorschrift  nur  fär  einen  solchen  gilt,  welcher  nnr  das  Studium 
[aber  noch  nicht  das  daraus  hervorgehende  Wissen]  besitat.  — 
^Aber  würde  dabei  nicht  folgen,  dafs  ein  solcher,  weil  er  doch 
'ein  Nichtwissender  ist,  auch  nicht  einmal  zu  den  Werken  ver« 
^pflichtet  werden  könnte?'  —  Dieser  Einwand  trifft  nicht  au;  denn 
wir  stellen  gar  nicht  in  Abrede,  dafs  eine  aus  dem  Studium  ent- 
springende Erkenntnis  der  Werke  die  Bedingung  einer  Verpflichtung 
zu  denselben  sei;  sondern  was  wir  behaupten  ist  nur  dieses,  dafs 
die  aus  den  Upanishad's  geschöpflbe  Erkenntnis  des  Atmau  anzu- 
sehen ist  als  ihren  Zweck  in  sich  selbst  tragend  und  daher  nicht 
betrachtet  werden  darf  als  zur  Ursache  der  Verpflichtung  zu  den« 
Werken  gehörig.  So  wie  nämlich  die  Kenntnis  der  einen  Geremonie 
von  dem  zu  einer  andern  Geremonie  Verpflichteten  nicht  gefordert 
wird,  in  ähnlicher  Weise  ist  auch  dieses  aufzufassen. 

Wenn  weiter  behauptet  wurde:  „und  Wegen  der  Bestimmung^' 
(Sutram  3,  4,  T),  so  ist  darauf  zu  erwidern: 


13.    fia,  avigeshät 
nein,  weil  keine  Spezifikation. 

Wenn  die  Schrift  die  Bestimmung  enthält:  „mag  einer  hundert 
Jahre  hiei*,  den  Werken  fröhnend,  leben*'  (tgä  2),  so  ist  zu  be- 
merken, dafs  liierin  keine  spezielle  Beziehung  auf  den  Wissenden 
zu  flnden  ist,  dafs  vielmehr  die  Verordnung  als  eine  Regel  ohne 
weitere  Spezifikation  vorliegt. 


»I 


14.    siutaye  ^wmaJtir  vd  986 

oder  zur  Verherrlichung  die  Grestattung. 

t^ber  die  Worte :  ^mag  einer  hundert  Jahre  hier**  (t^&  2)  läfst 
sich  noch  eine  andere  Entscheidung  treffen.  Gesetzt  auch,  man 
müfste  unter  dem,  welcher  den  Werken  fröhnt,  mn  des  Themas 
willen  den  Wissenden  verstehen,  so  ist  dies  dodi  nur  dahin  auf- 
zufadseu,  dafs  die  Werke  ihm  gestattet  werden  zur  Verherrlichung 
seines  Wissens,  denn  es  heilst  sogleich  darauf:  „kein  Werk  kann 
„ihm  ankleben**;  d.  h.:  wenn  auch  der  wissende  Mensch,  so  lange 
er  lebt,  das  Werk  vollbringt,  so  haftet  ihm  doch  dieses  Werk 
vermöge  der  Kraft  seines  Wissens  nicht  an.  So  wird  hier  das 
Wissen  verherrlicht. 


648  Olürlraka-mimAasä 

15.    kämakdrena  ca  eke 
auch  nach  Belieben  Einige. 

Audb  kommt  es  vor,  dafs  manohe  Wksende,  an  wekhen  die 
Fracht  des  Wissens  offenbar  geworden  ist,  anf  dieselbe  gestatzt, 
das  Bewttfstsein  haben,  dafs  für  die  Mittel  mir  Erreichung  anderer 
Fracht,  s.  B.  för  die  Hervorbringong  von  Nachkommenschaft,  kein 
Beweggrund  vorhanden  ist,  so  dafs  sie  darin  „nach  Belieben^'  ver- 
fahren. Nämlich  eine  "Stelle  der  Yajasaneyin^s  sagt:  „dieses  wofs- 
„ten  die  Altvordern,  wenn  sie  nicht  nach  Nachkommen  begehrten 
„und  sprächen:  «Wozu  brauchen  wir  Nachkommen,  wir,  deren  | 
987  „Seele  diese  Welt  ist!»"«  (Bph.  4,  4,  22).  Und  die  Frucht  des 
Wissens  beruht  ja  eben  auf  unmittelbarer  Wahrnehmung  und  braudit 
nicht  wie  die  Frucht  der  Werke  erst  in  einer  künflTgen  Zeit  ver- 
wirkUcht  au  werden,  wie  wir  dies  mehr  als  einmal  auaeinandergesetst 
haben.  Auch  daraus  also  folgt,  dafs  das  Wissen  nicht  als  ein  Nachtrag 
zu  den  Werken  gehört,  und  dafs  man  von  der  für  das  Wissen  ver- 
heifsenen  Frucht  nicht  ein  Unverwirklichtsein  augeben  darf. 

16.    tipamardan  <^ 
und  die  Vernichtung. 

Hierzu  kommt,  dafs  die  Schrift  lehrt,  wie  die  gesamte  Welt- 
ausbreitung, welche  die  Ursache  ist  für  die  Verpflichtung  zu  den 
Werken  und  ihrem  Wesen  nach  eine  Vergeltung   der  Werke  an 
ihrem  Thäter    ist,    auf   dem    Nichtwissen   beruht   und  durch  die 
Kraft   des  Wissens  ihrem  Wesen  nach  vernichtet  wird;    denn  es 
heifst  z.  B.:  „wo   aber  einem  alles  zum   eigenen  Selbste  geworden 
„ist,  wie  sollte  er  da  irgend  wen  sehen,   wie  sollte  er  da  irgend 
„wen  riechen^'  u.  s.  w.  (Brih.  4j  5,  15).     Will  man  hingegen,  dafs 
der  Befolgung  der  Berufung  zu  den  Werken  die  von  dem  Vedants 
gelehrte  Erkenntnis    des  Atman   als   Bedingung  vorausgehen  soll, 
so  würde  daraus  eine  völlige  Aufhebung  jeder  Berufung  zu   den 
Werken   folgen.     Auch    darum  also  muüs  die  Selbständigkeit  des 
Wissens  festgehalten  werden. 

988  17.    ürddhvaretahm  ca;  fobde  hi 

auch  an  den  Zeugungserhabenen;  denn  in  der  Schrift . . . 

Hierzu  kommt,  dafs  die  Schrift  denjenigen  Lebensstadien,  welche 
das  Keuschheitsgelübde   beobachten,    das  Wissen  zuerkennt,    und 


86tram  ni.  rr.  17.  649 

dafis  bei  ibnen  das  Wisaen  omnOglich  ein  Teil  der  Werke  sein 
kann,  weil  sie  überhanpt  keine  Werke  vollbringen;  denn  die  vom 
Yeda  Torgeschriebenen  Werke  des  Feueropfers  u.  s.  w.  sind  in 
ihnen  gar  nicht  in  Gebraach.  —  'Das  mag  ja  sein,  aber  die 
'Keuschheitsorden  kommen  doch  überhaupt  im  Yeda  nicht  vor'. 
—  Auch  diese  Behauptung  ist  unrichtig,  indem  auch  diese  Orden 
in  dem  Wortlaute  des  Yeda  nachweisbar  sind,-  z.  B.  an  den  Stellen: 
„es  giebt  drei  Abii^ilungen  der  Pflicht''  (Gh&nd.  2,  23, 1);  —  „und 
,Jene  dort,  welche  im  Walde  Glauben  und  Bufse  üben'*  (Chlind.  5» 
10,  1);  —  „die,  welche  nüt  der  Bufse  und  dtim  Glauben  im  Walde 
„sind  beschäftigt"  (Mund.  1,  2,  11);  —  „zu  ihm  auch  pilgern 
,4iin  die  Pilger,  als  die  nach  der  Heimat  sich  sehnen"  (Brih.  4, 
4,  22);  —  „schon  aus  der  Schülerschaft  heraus  mag  er  ein  Pilger 
„werden"  (J&b&lapUp.  p.  445).  Also  für  solche,  welche  den  Haus- 
vaterstand durchgemacht  und  nicht  durchgemacht  haben,  füi^'Bolche, 
weldie  die  Pflichtschulden  [einen  Sohn  zu  zeugen  u.  s.  w.]  getilgt 
und  nicht  getilgt  haben,  gestatten  Schrift  und  Smriti  den  Eintritt 
in  die  Keuschheitsorden;  und  auch  hieraus  folgt,  dafs  das  Wissen 
unabhtogig  von  den  Werken  besteht. 


Zweites  Adhikaranam.* 

18.    ^parämarQam'  Jaimifdr^  ^acodand  ca^  apavadati  Ai'  9B9 

^für  eine  [blofse]  Erwähnung'  [hält  es]  Jaimini;  'und 
*[ wirklich]  ist  es  keine  Aufforderung,  denn  [die  Schrift] 

^stellt  in  Abrede,'  .  .  . 

'Die  Schriftstellen:  „es  giebt  drei  Abteilungen  der  Pflicht" 
'(Ch&nd.  2,  23, 1)  u.  s.  w.,  welche  als  Beweis  f&r  das  Vorkommen 
'der  Kenschheitsorden  citiert  wurden,  reichen  nicht  aus,  dieses  zu 
'beweisen',  denn  der  Lehrer  Jaimini  sieht  'in  diesen  Schriftstellen 
'eine  blofse  Erwähnung,  dafs  es  noch   andere  Orden  gebe,  nicht 


*  Jeder  Dnija  (Zweimalgeborene,  dorch  die  UmgürUmg*  mit  der  Opfer- 
scbnnr  wieder^borene ,  iJso  jeder  Brahmane,  Kshsmya  und  Yai^ya)  soll 
nach  der  Smriti  rier  A^ama's  (Orden,  Lebensstadien)  durchlaufen,  1)  als 
Brahmacafiti  Brahmanenschaler,  2)  als  OrihaeHia  Hausvater,  3)  als  Vama- 
prcaiha  Waldeinsiedler,  4)  als  Farivräjaka  Pilger,  der  auch  Bhikshu  Bettler 
oder  Smmyäein  Entsf^^r  heifst  Die  folgende  Kontroverse  untersucht,  ob 
der  dritte  und  vierte  A^rama  (welche  dabei  bald  getrennt,  bald  als  „Keusch- 
„heitsorden",  „anderes  Lebensstadium "  in  eins  zusammengefafst  werden) 
von  der  Schrift  nor  als  vorhanden  erwähnt  oder  aber  gebot^a  werden. 


650  g&riraka-mimäns£b 

'aber  eine  Torsclirift  [d.  b.  keinen  Vidhi^  sondern  einen  blofsen 
^ÄnuvAda];  und  warum?  weil  dabei  kein  Imperativ  oder  sonstigeB 
^einea  Befehl  ausdrückendes  Wbrt  vorkommt.  Vielmehr  zeigt  sieb 
'im  einzelnen,  dafs  jene  Stellen  einen  andern  Zweck  verfolgen. 
'Denn  zunächst  au  der  Stelle :  „es  sind  drei  Abteilungen  der  Pflicht" 
'hciifst  es  weiter:  ,, Opfer,  Studium,  Almoseugeben  ist  die  erste; 
S,Baf0e  ist  die  zweite;  dafs  man  als  Brahmanenscbüler  im  Hause 
'„eines  Lehrecs  wohnt,  die  dritte,  indem  man  sich  [eventuell]  für 
'„immer  iu  dem  Haufie  des  Lehrers  niederlafst;  diese  alle  haben 
'„Teil  an  der  Welt  der -guten  Werke^*  (Chänd.  2,  23,  2);  und  nach- 
'dem^oach  vorheriger  Brwähnung  der  Orden  hervorgehoben  worden, 
'dafs  für  sie  alle  der  Lohn  kein  unendlicher  sei,  wird  als  dasjenige, 
VelcheS'  einen  unendlichen  Lohn  bringe,  das  Feststehen  in  dem 
'Brahman  gepriesen,  denn  es  heifst:  „wer  in  dem  Brahman  fest- 
'„steht,  gehet'  ein  zut  Unsterblichkeit."  (Ch&nd«  2,  23,  2).'  —  Aber 
werden  nicht  diese  Orden  a^ch  an  ihrer  blofsen  Erwähnung  schon 

990  als  vo;rhand6n  |  ei^annt?  -^  'Allerdings !  aber  doch  nihrt  ihre  ße- 
*glaubigung  aus  der  Sm^iti  und  aus  der  Sitte  (äcara),  nicht  aber 
'aus  einem  offenkundigen  Schrift^.wörte  her;  und  darum  sind.,  falls 
'ihnen  ein  offenkundiges  Schriftwort  widerstreiten  sollte,  dieselben 
^nicht  anzuerkennen  oder  aber  auf  solche  zu  beziehen,  welche  [wegeo 
'Blindheit    oder    anderer  Gebrechen]   von    der   Yerpflichtung  zum 
'Werkdienste  entbunden  (an<idhikrita)  sind.*  —  Aber   es  wird  ja 
doch  auch  der  Stand  des  Hausvaters  im  Vereine  mit  den  Keusch^ 
heitsorden   erwähnt,  sofern   es   heifst:  „Opfer,  Studium,  Almosen- 
„geben  ist  die  erste"  (Gh&nd.  2,  23,  1).  —  'Das  ist  richtig,  aber 
'was  diese  Erwähnung  des  Hausvaters  betrifft,  so  ist  aus  der  An- 
*befehlung  des  Feueropfers  und  der  übrigen  Werke  seine  Anerken- 
'nung  in   der  Schrift   ersichtlich;   daher   die  Erwähnung   desselben 
*an   unserer  Stelle  nur  zu   seiner  Verherrlichung  geschieht,   nicht 
'aber  um  ihn  [nochmals]  anzubefehlen.  —  Hierzu  kommt  aber  wdt^r. 
'dafs  [wirklich,   wie  oben  bemerkt],   ein  offenkundiges  Schiiffcwort 
'jene   andern  Orden  verwirft.     Denn  es   heifst:    „der  ist  ein  Tot- 
'„schläger    der   Götter,    welcher    das   Opferfeuer    zerstört"   (Taitt. 
'saiph.  1.  5-,  2,  1);  —  „nachdem  du  dem  Lehrer  die  liebe  Absdiieds- 
'„gnbe   gereicht,   sorge,   dafs  der  Faden  des  Geschlechts  nicht  ab- 
'„geschnitten  werde"  (Taitt.  1,  11,  1);  —  „wer  ohne  Sohn,  ist  ohne 

.  '„Welt,  das  wissen  selbst  die  Tiere  all**  (Ait.  br.  7,  13,  12).  — 
^Was  femer  die  Stellen  betrifft:  „jene  dort,  welche  im  Wsdde 
'„Glauben  und  Bufse  üben"  (Gh&nd.  5,  10,  1)  und:  „die,  welche 
'„mit   der  Bufse   und  dem   Glauben   im   Walde    sind   beschäftigt" 

991  *(Mund.  1,  2,  11),  so  haben  dieselben  den  Zweck,  |  den  Oötterweg 
'zu  lehren,  nicht  aber  den,  einen  neuen  Orden  einsuftihren.  — 
'Zweifelhaft  ist  auch  die  Aufstellung  eines  neuen  Ordens  in  des 
'Worten:  „die  Bufse  ist  der  zweite"  u.  s.  w.  (ChUnd.  2,  23,  2).  -^ 
'Was  ferner  die  Worte  betrifft:  ,;zu  ihm  auch  pilgern  hin  die  Pilger, 


Stitfum  III.  iv.  la  601 

S>als  die  uack  der  Heimat  sioli  sehnen^'  (Brili.  4,  4,  22),  so  liegt  in 
4b]ien  nur  eine  YerherrlichnDg  der  himmlischen  Heimat,  nicht  aber 
'eine  Anbefehlong  der  Pilgersdiaft.'  —  Aber  die  Stelle  der  Jäb&la'B: 
y,8cfaon  ans  der  Schülerschaft  heraus  mag  er  ein  Pilger  werden*' 
(J&blÜa-üp.  p.  445)  enthält  doch  offenbar  eine  deutliche  Anbefeh- 
lung der  Pilgcrschait!  —  'Das  ist  richtig,  aber  man  mufs  wissen, 
'dals  die  gegenwärtige  Untersuchung  auf  diese  Schriftstelle  keine 
'Rücksicht  zu  nehmen  hat.* 

19.    anusktheyam  Bädaräyamh,  sämya-gruteh 

zu  betreiben   Bädaräyana,   weil   die  Schrift  in 

gleicher  Weise. 

Hingegen  meint  der  Lehrer  Bädaräyana,  dafs  auch  das  andere 
Lebenastadium  [des  Vänaprnstka  und  PaTivräjak4i\  %\x  botreiben  sei, 
und  er  vei'wirft  die  Meinung,  als  ob  dieses  andere  IjebensstadLum 
deswegen,  weil  das  Feueropfer  u.  s.  w.,  die  im  Veda  vorkommen 
und  unweigerlich  su  betreiben  kdnd,  mit  ilim  in  Widerspioich  stehen, 
nur  für  solche,  die  von  der  Verpflichtung  entbuuden  seien,  Geltung 
habe;  vielmehr  nimmt  er  an,  dafs  gerade  so  gut  wie  das  Haus- 
v^ktertum  |  auch  jenes  andere  Lebensstadium,  selbst  wenn  man  es  992 
nicht  gern  thut,  unternommen  werden  mufs.  Warum?  „weil  die 
„Schrift,  in  gleicher  Weise^*;  d.  h.  es  giebt  eine  Schriftstelle,  welche 
i»  gleicher  Weise  wie  das  Hausvatertum  auch  das  andere  Lebens- 
sCkdium  erwähnt,  ntolich  eben  die  Stelle:  „es  giebt  drei  Abteilungen 
„der  Pfiicht^^  u.  s.  w.  (Ghänd.  2,  23, 1).  Ebenso  wie  hier  der  Haus- 
vaterstand,  nachdem  er  in  einer  andern  Schriftstelle  vorgeschriebe*!* 
war,  nur  wieder  erwähnt  wird,  ebenso  auch  hat  man  es  von  dem 
andern  Lebensstadium  anzunehmen.  Es  ist  damit,  wie  wenn  .das  in 
andern  Schriftstellen  behandelte  Tragen  der  Opferschnur  um  den 
Hais  oder  nber  die  rechte  Schulter  an  der  Stelle,  welche  sich  mit 
<ler  Yorsclu'ift  des  Tragens  derselben  über  der  linken  Schultor  be- 
schäftigt, nur  wieder  erwähnt  wird.  Somit  steht  die  Betreibung 
des  andern  Lebonnstadiums  mit  der  des  Hausvatertums  auf  gleicher 
Linie.  Dafür  spricht,  dafs  an  der  Stelle:  „zu  ihm  auch  pilgern 
„hin  die  Pilger,  als  die  nach  der  Heimat  sich  selmen*'  (Brih.  4,  4,  22) 
dieses  [Lebensstadium  des  Parivröjaka]  mit  dem  [vorher  Brih.  4,  4, 
22  erwähnten]  Studium  des  Veda  und  ähnlichem  zusanonengefafst 
wird,  sowie  jenes  [Iiebonsstadium  des  Vänaprct8t?ia]  mit  der  Fünf- 
Feuer-Lehre  zusammengefafst  wird  an  der  Stelle :  , Jene  aber,  welche 
„dort  im  Walde  den  Glauben  und  die  Bnfse  betreiben'*  (Chänd.  5, 
10,  1).  Wenn  weiter  bihauptet  wurde,  dafs  an  der  Stelle:  „die  Bufse 
„ißt  das  zweite"  u.  b.  m-.  (Chänd.  2,  23,  2)  die  Erwähnung  «ines  wei- 
teren Lebensstadiunis  [äufdor  dem  dos  Gp'hastha]  eine  zweifelhafte 


652  Cärlraka-mtmliäBli 

993  sei,  ]  so  trifPb  das  nicht  zu,   weil   ein  Ortmd  sich  zeigt,   der  die 
Sache  unzweifelhaft  macht.     Nämlich  in  den  Worten:   „es  giebt 
„drei  Abteilangen   der  Pflicht  ^^  (Chand.  2,  23,  1)  wird   eine  Drei- 
heit  Yon  Abteihingen   angenommen.     Nun  können  die  mancherlei 
Pflichten  wie  Opfer  u.  ß.  w.,   welche  ihrem  Ursprünge  nach  vei> 
schieden    sind,    nur   dadurch    in    cae   Dreiheit    eingereiht   werden, 
dafs    sie    in    einem    einzigen   Lebensstadium    einbegrifi'en   werden. 
Hieraus  folgt,  dafs  das  durch  Opfer  gekennzeichnete  Lebensstadium 
im  Hause  nur  die  eine  der  drei  Abteilungen  der  Pflicht  ausmacht. 
Ein  zweites  Lebensstadium  wird  mit  voller  Deutlichkeit  durch  das 
Wort  „Brahmanenschüler'^  bezeichnet.    Und  wenn  weiter  die  „Bufse*' 
genannt  wird,  so  läfst  sich  darunter  gar  nichts  anderes  verstehen, 
als  dafs  als  eine  besondere  Abteilung,  der  Pflicht  dasjenige  Lebens- 
Stadium  [nämlich  das  des   Vdnaptastkä]   zu  betrachten  ist,   dessen 
Hauptbeschäftigung  die  Bufse  bildet;  wie  ja  auch  in  den  Worten: 
,Jene   dort   aber,  welche  im  Walde   [den   Glauben  und   die  Bafse 
„betreiben]"  (Ch&nd.  5,  10,  1)  unter  Glauben  und  Bufse,  wie  das 
Wort  „Wald"  beweist,  das  betreffende  Lebensstadium  [des  Vdna- 
prastha]  zu  verstehen  ist.    Somit  folgt,  dafs  auch  das  andere  Lebens- 
stadium [des  Vänaprastha  und  des  Parivrdjaka]^  wiewohl  es  [an  den 
in  Frage  stehenden  Stellen  nicht  vorgeschrieben,  sondern]  nur  er- 
wähnt wird,  doch  pflichtmäfsig  zu  betreiben  ist. 


20.    vidMr  vä  dhäranavat 
oder  eine  Vorsclirift,  wie  beim  Tragen. 

Oder  auch  man  kann  annehmen,   dafs  in  Betreff  jenes  andern 
Lebensstadiums  sogar  eine  Vorschrift  vorliegt,  und  nicht  eine  blofse 
Erwähnung.  —   ^Aber  würde  nicht  bei   der  Annahme,   da(s   eine 
9d4  ^Vorschrift  vorliege,  |  die  einheitliche  Auffassung  der  Stelle  verloren 
'gehen,  da  doch  die  Einheit  der  Stelle  ersichtlich  ist,  und  [nicht 
4n  einer  Vorschrift,   sondern]  in  dem  Gedanken  besteht,   dafs  die 
'drei  Abteilungen  der  Pflicht  als  Frucht  die  Welt  der  guten  Werke, 
^das  Feststehen  in  BreJmian  hingegen  als  Frucht  die  Unsterblichkeit 
'bringe?'  —  Bas  tst  wahr!  aber  gleichwohl  mufs  man  die  anerkannte 
Auffassung  der  Stelle  als  eine  Einheit  beiseite  lassen  und  eine  Vor- 
schrift *hier   zugeben.     Da  nämlich   bisher  eine  Vorschrift  dax^ber 
nicht  vorkam,  da  femer  eine  andere  Vorschrift  hier  nicht  zu  finden 
iBt,  und  da  die  Annahme,  dafs  von  dem  andern  Lebensstadiiun  die 
Rede  sei,  evident  ist,  so  liegt  kein  Grund  vor,  an  eine  blofse  un- 
eigentliche Erklärung  (gwyaväda)  zu  denken  und  dadurch  die  Ein- 
heit der  Stelle   aufrecht  zu  halten;   „wie   bei  dem  Tragen*^;    d.  h. 
wie  in  der  Stelle:  ,.er  komme  heran,  indem  er  das  Brennholz  unter- 
,,wärts  tiägt,  denn  oborwärts  trägt  man  es  niir  für  die  Götter>^,  aller- 


S6tram  m.  iv.  20.  653 

dings  die  Einheit  der  Stelle  in  dem  Tragen  nach  unterwärts  liegt, 
und  gleichwohl  dabei  eine  YorBchrift  über  das  Tragen  nach  oben 
hin  mit  einfliefst,  nnd  zwar,  weil  eine  solche  vorher  nicht  da  war. 
Und  so  heifst  es  in  dem  Buche  von  dem  Zubehör  (Jaim.  3):  „viel- 
„mehr  eine  Yorschrift  |  liegt  in  dem  Tragen,  weil  eine  solche  bis-  995 
„her  nicht  da  war^'  (Jaim.  3,  4,  3  unwörtlich).  In  ähnlicher  Weise 
ist  auch  hier,  wiewohl  die  Schriftstelle  die  Lebensstadien  nur  er- 
wähnt, die  Annahme  einer  Yorschrift  in  der  Ordnung.  Und  zu- 
gegeben, dafs  hierbei  die  übrigen  Lebensstadien  nur  erwähnt  werden, 
so  ist  doch  in  Betreff  des  Feststehens  in  Brahman  wegen  der  An- 
preisung desselben  unweigerlich  eine  Yorsohrift  desselben  zu  er- 
kennen. Nun  fragt  sich  in  Betreff  dieses  Feststehens,  ob  dasselbe 
auf  jedes  beliebige  der  vier  Lebensstadien  zu  beziehen  ist,  oder 
nur  auf  dasjenige  des  Pilgers  [d.  h.  des  Parivr4j(dca ,  BJnkshUy 
Safjinf^äsinl,  Wäre  nun  unter  der  Erwähnung  der  Lebensstadien 
bis  zu  dem  der  Brahmanenschülerschaft  hin  das  Stadium  des  Pil- 
gers schon  mit  erwähnt,  so  würde,  weil  bereits  alle  vier  Lebens- 
stadien ohne  Ausnahme  erwähnt  worden,  ein  Leben  aulserhalb  der 
Lebensstadien  aber  nicht  statthaft  ist,  das  Feststehen  in  Brahman 
auf  jedes  der  vier  Lebensstadien  zu  beziehen  sein.  |  Nun  aber  liegt  996 
die  Sache  so,  dafs  der  Pilger  bisher  nicht  erwähnt  wurde,  und 
hieraus  folgt,  dafs  der  Pilger,  weil  nur  er  noch  übrig  bleibt,  unter 
dem  in  Brahman  Feststehenden  zu  verstehen  ist.  Einige  freilich 
meinen,  dafs  unter  dem  Worte  „Bufse'%  welches  sich  auf  den 
Waldeinsiedler  bezieht,  der  Pilger  mit  befafst  sei;  aber  dieses  ist 
unzulässig;  denn  es  ziemt  sich  nicht,  wo  ein  anderer  Ausweg  vor- 
handen ist,  unter  dem  Merkmale  des  Yänaprastha  den  Pilger  mit 
zu  begreifen;  vielmehr  ebenso  wie  hier  der  Brahmanenschüler 
und  der  Hausvater  jeder  für  sich  durch  das  ihnen  eigene,  nicht 
gemeinsame  Merkmal  charakterisiert  werden,  ebenso  mufs  man  es 
in  Bezug  auf  den  Bettler  {JBhikshu,  d.  h.  den  Pilger,  oder  Sanf^nyä- 
sin]  und  den  Waldeinsiedler  [d.  h.  den  VdfUtprasthä]  annehmen. 
Die  „Bufse^^  nämlich  ist  ein  Merkmal,  welches  diesen  beiden  nicht 
gemeinschaftlich  ist;  denn  bei  dem  Yänaprastha,  dessen  Hauptpflicht 
die  Easteiung  des  Leibes  ist,  hat  das  Wort  Bufse  seine  natür- 
liche Richtigkeit;  der  Bettler  hingegen  hat  als  Hauptpflicht  die 
Bezähmung  der  Sinne  u.  s.  w.,  daher  er  nicht  durch  das  Wort 
Bufse  bezeichnet  werden  kann.  Hierzu  kommt,  dafs  die  Lebens- 
stadien in  der  Yierzahl- bestehen,  und  dafs  es  unpassend  sein  würde, 
sie  unter  einer  Dreizahl  zu  befassen.  Auch  liegt  ja  eine  Bezeich- 
nung der  Yerschiedenheit  vor,  indem  es  heifst,  dafs  jene  drei  die 
Welt  der  guten  Werke  erben,  der  eine  aber  die  Unsterblichkeit 
erbt  (Ghänd.  2,  23,  2).  Diese  Unterscheidung  ist  nur  unter  Yor- 
anssetzung  einer  wirklichen  Getrenntheit  statthaft.  |  Denn  es  kann  997 
doch  nicht  so  stehen,  dafs  Devadatta  und  Yajnadatta  beide  Un- 
begabt sind,  und  trotzdem  der  eine  von  ihnen  hochbegabt  ist;  son- 


654  g&rirakarmtmfllÄall 

dem  vielmehr  es  steht  so,  dafs  Devadatta  and  Ti^nadatta  anbegabi^ 
ein  dritter  hingegen)  z.  B.  Vishnumitra,  hochbegabt  ist*    Somit  folgt 
.    dafs    die    drei    ersten  Lebensstadien   die  Welt  der  guten  Werke 
erben,  der  noch  übrige  hingegen,  mithin,  der  Pilger,  die  Unsterb- 
lichkeit erbt.  —  ^Aber  wie  kann  man  zugeben,  da&  die  Bezeicfa- 
^nnng  des  Feststehens  in  Brahman,  welches,  in  etymologischem 
'Sinne  (poga)  genommen,  überall  möglich  ist,  nur  von  dem  Pilger 
'gelten  soU?    Oder  soll  man  etwa  der  traditionellen  Bedeutong 
'des  Wortes.  (V<}^AO  den  Vorzug  geben?     Dann  würde  also  schoo 
^durch  das  blofse  Lebensstadium  die  Unstdkl)lichkeit  erlangt,   und 
'folglich    das  Wissen  überflüssig  werden!^   —  Hierauf  ist.  zu  er- 
widern: 'unter  dem  Worte  „in  Brahman  feststehend**   ist  zn  ver- 
stehen die  Vollendung  in  dem  Brahman«  das  Beharren  in  demselben, 
welches  seiner  Natur  nach  jedes  andere  Treiben  ausschUefsi.    Ein 
solches  ist  nun  bei  den  drei  ersten  Lebensstadien  nicht  möglich; 
denn  wer  in   ihnen  die  dem  liobensstadium   obliegenden  Pflichten 
nicht  betreibt,  dem  droht  die  Schrift  mit  Niedergang  [in  der  Seelen- 
Wanderung];  der  Pilger  hingegen  hat  alle  Werke  von  sich  abgethon; 
bei  ihm  ist  der  Niedergang  als  Folge  der  Nichtbetreibung  nicht 
möglich;  die  ihm  eigenen  Verpflichtungen  hingegen  der  Gemütsruhe, 
Bezähmung  u.  s.  w.  bestärken  das  Feststehen  in  Brahman  und  wider- 
streiten ihm  nicht;  denn  eben  das  Feststehen  in  Brahman,  wie  es 

998  durch  Gemütsruhe,  Bezähmung  u.  s.  w.  erstarkt,  |  ist  das  fiSr  sein 
Lobensstadium  vorgeschriebene  Werk,  so  wie  Opfern  u.  s.  w.  das 
Werk  der  übrigen  Lebensstadien  ist,  ans  dessen  Vernachlässigung 
der  Niedergang  folgt.  In  diesem  Sinne  sagt  auch  die  Schrift: 
^die  Verzichtung  {nyäsd)  ist  der  Brahman,  denn  der  Brahm&n  ist 
„der  höchste,  ja  der  höchste  ist  der  Bralimin;  f&rwahr  jene  uie- 
„dei'en  Büisungen  werden  überragt  von  der  Verzichtung**  ^aitt 
ix.  10,  62);  —  „wer  des  Ved&nta  L[ihalt  wohl  begriffen,  wer  der 
„Verzichtung  teilhaft  ist,  Selbstzähmer,  reinen  Wes^a^*  (Taitt  ar  10, 
10,  3  £=  Mu^^»  3,  2,  6).  Und  auch  die  Smriti  sagt:  „wer  ihn  er- 
„kannt,  in  ihm  sein  Selbst  hat,  feststeht -in  ihm,  in  ihm  das  höclv^te 
„Ziel  sieht''  (Bhag.  G.  6,  17).  Diese  und  andere  Stellen  beweisen, 
dafs  für  den  in  Brahman  Feststehenden  kein  Werk  mehr  csxistiert. 

999  I  Hieraus  folgt,  dafs  der  Einwand,  als  sei  die  Erkenntnis  über- 
flüssig, weil  der  Pilger  schon  durch  sein  blofses  Lebensstadium  in 
die  Unsterblichkeit  gelange,'  unzntreflend  ist.  In  dieser  Weise  also 
mufs  man,  während  daneben  auch  die  übrigen  Lebensstadien  er- 
wähnt werden,  das  Merkmal*  des  Feststehens  in  Brahman  auf  dat> 
Stadium  des  Pilgers  beziehen.  —  Diese  Betrachtung  ist  von  dem 
Lehrer  durchgeführt  worden,  ohne  dafs  er  von  der  Schriftstelle 
der  Jabäla^s,  welche  jenes  weitere  Lebensstadium  befiehlt,  Gabrauch 
gemacht  hätte.  Es  ist  aber  selbige  Schriftstelle  vorhanden,  welche 
deutlich  jenes  weitere  Lebensstadium  vorschreibt,  denn  es  heilst: 
„nachdem  er  die  Brahmanenschülerschaft  vollendet  hat,  soll  or  ein 


Sütram  HI.  iv.  20  655 

„Hausvater  werden ;  nachdem  er  Hausvater  gewesen,  soll  er  Wald- 
„bewohner  werden;  nachdem  er  Waldbewohner  gewesen,  soll  er 
„umherpilgorn;  oder  auch  er  mag  in  anderer  Weise  schon  aus 
„der  Schülerschaft  zum  Pilger  werden,  oder  aus  dem  Hause  oder 
„aus  dem  Walde"  (J&bäla-Up.  p.  444  —  445).  Man  kann 'nicht  be- 
haupten, dafs  diese  Schriffcstelle  nur  für  die  von  der  Verpflichtung 
Entbundenen  gelte,  denn  sie  spricht,  ohne  einen  Unterschied  zu 
machen,  während- do^h  für  jene  Nicht  verpflichteten  besondere  Vor- 
schriften bestehen;  |  denn  wenn  es  heifst:  „dann  aber  mag  er  ein  1000 
„Gelübde  befolgen  oder  nicht  befolgen,  mag  er  das  Bad  des  Aus- 
„trittes  aus  der  Schülerschaft  genommen  haben  oder  nicht  ge- 
„nommen  haben,  mag  er  erloschenen  Feuers  oder  ohne  Feuer 
., leben ^'  (JabMa-Up.  p.  444),  so  ist  hieraus,  sowie  aus  dem  Um- 
stände, dafs  die  Pilgorschaft  als  Bestandteil  (a^hga)  die  Reifung  der 
Erkenntnis  des  Brahman  hat,  keineswegs  zu  folgern,  dafs  sie  sich  nur 
auf  die  von  der  Verpflichtung  Entbundenen  beziehe.  Und  dieses  be- 
weist die  Scluift,  wenn  sie  sagt:  „aber  der  Pilger,  farblosen  Gewandes, 
„kahlköpfig  und  unbeweibt,  rein  und  ohne  Trug,  vom  Bettel  lebend, 
„ —  dieser  wird  de«  Brahmanseins  teilhaftig"  (Jabala-Up.  p.  452).  — 
Somit  ist  bewiesen,  dafs  die  Lebensstadien  der  Zeugungserhabenen 
von  der  Schrift  geboten  werden,  und  es  ist  bewiesen,  dafs  das  Wissen, 
weil  es  [auch  wo  keine  Werke  mehr  gefordert  werden]  den  Zeugungs- 
erhabenen vorgeschrieben  bleibt,  für  sich  selbständig  besteht. 


Drittes  Adhikaranam, 

t 

21.    stuti-mätra/nt  upädänäd,  iti  c-en?  na,y  apurvatvdt 

bloise  Verherrlichung  wegen  des  Voraussetzens,  meint 

ihr?     Nein!  weil  nichts  vorher. 

„Das  ist  die  Essen?,  der  Essenzen,  der  höchste,  höchststehende, 
„achte,  der  üdgitha"  (Chänd.  1,  1,  3);  —  „diese  Erde  ist  der  Vers, 
„und  das  Feuer  der  Gesang**  (Ch&nd.  3,  6,  1);  —  „fürwahr  diese 
„Welt  ist  jenes  geschichtete  Feuer*'  ((Jlatap.  br.  10, 1,  2,  2);  —  „dieses 
„ist  das  Preislied,  |  nämlich  diese  Erde'*  (Ait.  är.  2,  1,  2,  1);  —  bei  i(X)l 
diesen  und  ähnlichen  Sohriftstellen  fragt  es  sich,  ob  sie  nur  den 
Zweck  haben,  den  Udgitha  u.  s.  w.  zu  verhen*lichen ,  oder  ob  sie 
bezwecken,  eine  Vorschrift  der  Verehrung  zu  geben.  Es  kann 
bei  dieser  Frage  seheinen,  *als  sei  das  Richtige,  dafs  sie  nur  eine 
*Verherrüchung  bezwecken,  weil .  die  Schrift  in  der  Weise  dabei 
*redet,  dafs   sie   den  Udgitha  u.  s.  w.   als  Teile   des  Werkdienstes 


666  Qldraka-mlmAAsi 

'„YoraUBseist".  So  wie  daher  in  Ausdrücken  wie:  „diese  Erde  ist 
*„der  Löffel",  ~  „die  Sonne  ist  die  Schildkröte",  —  „die  Himmels- 
*„welt  ist  das  Ähavantja- Feuer"  der  Zweck  eine  Yerherrlichnng 
^des  Löffels  u.  s.  w.  ist,  ebenso  ist  es  auch  Uer.'  —  Auf  diese 
Annahme  erwidert  der  Lehrer:  mit  nichten!  denh  es  ist  nicht  mög- 
lich, dafs  eine  blofse  Verherrlichung  der  Zweck  dieser  Schriftstelien 
sei,  „weil  nichts  vorher".  Nämlich  wenn  der  Zweck  eine  Vorschrift 
1009  ist,  I  so  wird  dadurch  eine  noch  nicht  dagewesene  Sache  snr  Pflicht 
gemacht;  soll  aber  der  Zweck  die  Verherrlichung  sein,  so  würde 
in  Wahrheit  gar. kein  Zweck  vorliegen;  denn  eine  Verherrlichung 
ist  nur  da  am  Platse,  wo  sie  als  Ergänzung  eines  Vorschriften 
enthaltenden  Wortes  auftritt,  wie  dies  bemerkt  wurde  an  der  Stelle: 
„mit  Vorschriften  zu  einem  Gänsen  verbunden  dienen  sie  aur  Ver- 
„herrlichung  der  Vorschriften"  (Jaun.  1,  2,  7).  Hier  nun  würde 
ftkr  die  an  andern  Stellen  vorgeschriebenen  Betreibungen  des  üdgl- 
tha  u.  s.  w.  die  gegenwärtige,  an  einer  andern  Stelle  sich  findende 
Verherrlichung  nicht  zur  Ergänzung  jenes  vorschreibenden  Wortes 
dienen  und  somit  völlig  zwecklos  sein.  Was  hingegen  die  Aus- 
drücke: „diese  Erde  ist  der  Löffel"  u.  s.  w.  betrifit,  so  steht  es 
mit  ihnen  anders,  indem  sie  in  der  Nähe  von  Vorschriften  sich 
befinden.  Somit  müssen  Schriftstellen  wie  die  erwähntoi  den  Zweck 
haben,  eine  Vorschrift  au  geben. 

1003  22.    hhdva-Qobdäc  ca 

auch  wegen  des  Werdewortes. 

Hierzu  kommt,  dafs  die  Worte :  „soll  er  verehren  als  den  üdgt- 
„tha"  (Chfilnd.  1,  1,  1);  —  „möge  er  verehren  als  das  Säman" 
(Chänd.  2,  2,  1);  —  „ich  bin  das  Preislied,  das  soll  man  wissen" 
(Alt.  &r.  2, 1 ,  2,  6)  u.  s.  w.  offenbar  der  Form  nach  one  Vorschrift 
enthalten,  und  dieses  würde,  wenn  der  Zweck  eine  blofse  Verfaerrli« 
chung  wäre,  nicht  zu  seinem  Bechte  kommen.  So  sagt  ja  auch 
der  Spruch  der  Logiker: 

1004  I  ?)^^  Boll,  er  mag,  er  mufii,  er  thue  und  dergleichen 

„Ist  dtets  im  Veda  einer  Vorschrift  Zeichen'', 

das  heifst:  wo  sich  eine  dem  Sinne  nach  imperative  Form  findet, 
da  ist  eine  Vorschrift  anzunehmen.  Hierzu  kommt^  dafe  jedes  Mal 
die  dorn  Gegenstände  entsprechenden  Verheifsungen  vorkommen, 
denn  es  heifst:  f,der  fürwahr  wird  ein  Erlanger  der  Wünache" 
(Chänd.  1,  1,  7);  —  „der  nur  ist  Herr  des  Ersingens  der  Wünsche" 
(Chänd.  1,  7,  9);  —  „dem  werden  zu  Teil  die  oberwärts  und  die 
,4ierwärts  gelegenen  Welten"  (Chänd.  2,  2,  3)  u.  s.  w.  Auch  danun 
also  haben  die  Schriftstellen  von  dem  Udgitha  u.  s.  w.  den  Zweck, 
eine  'Vorschrift  der  Verehrung  mitzuteilen. 


SAtram  HI.  vr.  ifL  667 


Viertes  Adkükaraifam. 

23.  pdriphva'arthä'j  Ui  cen?  na!  vif^hUatvät 

pericNlischen  Zweckes,  meint  ihr?    Neinl  weil  sie  be- 
sonders bestimmt. 

Es  kommofti  im  Tedänta  gewisse  Erzählungen  vor,  wie  i«B.: 
lyT&jÜATalkya  hatte  zwei  Gattinnen,  Haitreyt  und  Kiltyftjant^'  (Bfih. 
4,  5>  1);  —  „Pratardana,  der  So^  des  DivodAsa,  kam  im  der 
y^Ueben  Wohimng  des  Indra*'  (Kaush.  3,  1);  —  „Jftnagrati,  der 
„Enkelsohn,  war  ein  gläubiger  Spender,  viel  schenkend,  viel 
„kochend**  (Ghänd.  4,  1,  4);  —  und  es  fragt  sich,  ob  derartige 
Erzählungen  den  Zweck  haben,  in  periodischer  [d.  h.  periodisch  im 
Yerlaufe  des  Kultus  wiederkehrender]  Weise  [so  wie  beim  A{^a- 
medha  die  Legenden  Qatap.  br.  13,  4,  3]  verwendet  zu  werden, 
oder  ob  sie  nur  bezwecken,  die  danobenstehende  Lehre  zu  über- 
mitteln. Man  könnte  denken,  ^dafs  diese  erzählenden  Texte  einen 
'periodischen  Zweck  haben,  weil  eai  eben  so  gut  Erzähltkngen  sind 
'wie  andere,  |  deren  Verwendung  in  periodischer  Weise  Gesetz  ist;  1005 
'die  Folge  würde  sein,  dafs  der  Hauptzweck  dieser  Tedäntatezte 
'nicht  der  wäre,  die  Lehre  mitzuteilen,  denn  dieselben  würden, 
'ebenso  gut  wie  die  Hymuen,  nur  ein  Hülfsmittel  zu  jener  Ver« 
'Wendung  [im  Kreislaufe  des  Opferkultus]  sein.'  — •  Das  aber  geht 
nicht  an;  warum?  „weil  sie  besonders  bestimmt".  Nämlich  bei 
Erzählungen  wie:  „Manu,  des  Yivasvant  Sohn,  der  König"  (Qatap« 
br.  ISy  4,  3,  3)  findet  sich  daneben  die  Bestimmung:  „man  soll  die 
„periodische  Erzählung  mitteilen" ;  gälte  dieses  von  allen  Erzählun- 
gen, blofs  weil  sie  solche  sind,  so  würde  jene  Bestimmung  über- 
flüssig sein;  darum  ,haben  jene  von  der  Schrift  mitgeteilten  Erzählun- 
gen keinen  periodischen  Zweck« 

24.  tcUhd  ca  ekaväkpatä-upäbandhät  ioo6 

ebenso  auch  wegen  ihrer  Verbindung  [mit  der  Lehre] 

zur  Einheit  einer  Stelle. 

Da  somit  jene  Erzählungen  einen  periodischen  Zweck  nidit 
haben,  so  ist  das  Richtige,  sie  aufzufassen  als  im  Dienste  stehend 
der  Übermittelung  der  dabeistehenden  Lehre  „wegen  ihrer  Yer- 
„bindung  [mit  dieser  Lehre]  zur  Einheit  einer  Stelle";  denn  diese 
Einheit  mit  den  danebenstehenden  Lehren  zeigt  sich  überall,  in- 
dem   die  Erzählungtfen  teils  zur  Anpreisung,    teils  zur  leichteren 

nsoMn,  V«ilAnU.  42 


658  ^ärtrala'mtinilQS& 

Übennittelung  des  Gedankens  dienen.  So  z.  B.  bildet  in  dem  Ab- 
schnitte von  der  Maitreyl  die  Erz&hlang  eine  Einheit  mit  der 
Lehre:  „den  Ätman  fürwahr  soll  man  sehen*'  u.  s.  w.  (Brih.  2,  4,  5); 
in  der  Stelle  vom  Pratardana  mit  der  Lehre :  „ich  bin  das  Leben, 
„bin  das  Erkenntnis -Selbst  n.  s.  v.  (Eaush.  3>  2);  und  die  Er- 
zählang  vom  Jäna^ruti  mit  der  Lehre:  „der  Wind  fürwahr  ist  der 
„an-fdch-Raffer"  u.  s.  w.  (Chdind.  4,  3,  1).  Sie  dienen  dabei  ebenso 
wohl  znr  Yerherrlichong  der  danebenstehenden  Yorsdiriftv  wie  die- 
jenigen Erz&hlnngen,  welche  in  einem  von  den  Werken  handelnden 
Texte  vorkommen,  z.  B.  wenn  es  heifst:  „da  rifs  er  sieh  selbst 
„die  Netzhaat  heraas^'  (Taitt.  samh.  2,  1,  1,  4).  Somit  ist  der  Zweck 
jener  En&hlnngen  kein  periodischer. 


Fwt^es  Adhikaranam. 

25.    ata^  eva  ca  agni-indhana-Adi-anapek^ 

und  eben  darum  keine  Beobachtung  des  Feuer- 

anzündens  u.  b.  w. 

„Das   Ziel    des   Menschen    durch    sie,    ans   der  Schrift ''  (Sä- 
tram  3,  4,  1);  was  an  dieser,  wenn  auch  darch  Zwischenbetraeh- 
1007  tungen  getrennten,  Stelle  gelehrt  worden  war,  |  das  wird,  als  die 
bedingende  Ursache,  hier  durch  das  Wort  „darum^^  wieder  angenom- 
men; „eben  darom'^  also,  weil  der  zureichende  Grund  für  die  Er- 
langung des  Zieles  des  Menschen  im  Wissen  li^ft,'8ind  die  Werke 
der  Lebensstadien,  wie  Feueranzünden  u.  s.  w.,  nachdem  durch  das 
Wissen  das  ihm  eigentümliche  Ziel  erreicht  worden,  nicht  weiter 
zu  beobachten.     Hiermit  fr.fst  der  Lehrer  das  Resultat  des  ersten 
Adhikaranam  noch  einmal  zusammen,  ehe  er  zu  Weiterem  fortgeht. 


Sechstes  Adhikaranam. 


26.    sarva-apekshd  ca^  yc^m-Adi-gruier;  a^vavtU 

und   doch  Berücksichtigung  aller,  wegen  des  Schrift- 
wortes vom  Opfern  u.  s.  w. ;  wie  bei  dem  Bosse. 

Es  ist  jetzt  zu  untersuchen,  ob  das  Wissen  gar  keine  Rücksicht 
nimmt  auf  die  Werke  der  Lebensstadien,  oder  ob  eine   gewisse 


Stttaxn  ni.  IV.  STk  G59 

Rücksichtnahme  Torhanden  istV  —  Man  konnte  denken,  >yeil  es 
'soeben  hiefs,  es  finde,  nachdem  durch  das  Wissen  das  ihm  eigen- 
*tümlidie  Ziel  erreicht  worden,  keine  BeoLachtung  der  Werke  der 
^Lebensstadien,  wie  des  Feueranzündene  u.  s.  w.,  mehr  statt,  |  dafs  1008 
^anf  dieselben  absolut  keine  Rücksicht  mehr  zu  nehmen  sei^  — 
An{  diese  Annahme  heifst  es:  „und  doch  Berücksichtigung  aller**; 
d.  h.  das  Wissen  berücksichtigt  alle  Werke  der  Lebensstadien  und 
ist'  keineswegs  ohne  jede  Rücksicht  auf  dieselben.  —  Aber  liegt 
^hierin  nicht  ein  AVidernpruch ,  dafs  das  Wissen  die  Werke  der 
^Lebensstodien  berücksichtige  und  doch  auch  nicht  berücksichtige?* 
—  Wir  antworten:  nein!  nämlich  wenn  das  Wissen  erst  zu  Stande 
gekommen  isf^  so  nimmt  es  znr  VerwirkHchung  seiner  Frucht  keine 
Uöckaicht  mdir  auf  irgend  etwas  anderes;  aber  zum  Zwecke 
seines  Zustandekommens  nimmt  es  eine  solche  Rücksicht;  warum? 
„wogen  des  Scfariftwortes  vom  Opfern  u.  s.  w.*' ;  denn  so  sagt  die 
bchnft:  „ihn  suchen  durch  Vedästudium  die  Brahmanen  zu  er- 
„kiennen,  durc)i  Opfer,  durch  Almosen,  durch  Büfsen,  durch  Fasten** 
(Brih.  4,  4«  23).  Hierin  liegt,  dafs  die  Opfer  u.  s.  w.  ein  Mittel 
des  Wissens  sind,  und  wegen  der  Verbindung  mit  dem  Worte  „suchen 
„zu  erkennen"  ist  dies  näher  dahin  zu  bestimmen,  dafs  sie  ein  Mittel 
sind  f)ir  das  Zustandekommen  des  Wissens.  Ferner  sagt  die  Schrift 
auch:  „nunmehr,  was  sie  Opfer  nennen,  das  ist  in  Wahrheit  das 
„Leben  als  Brahmanenschüler*^  (Gh&nd.  6,  5,  1);  aus  dieser  |  Zu-  1009 
sammenstelluog  des  Opfers  u.  s.  w.  mit  dem  als  Mittel  der  Wissen- 
Hchaft  dienenden  Leben  als  Brahmanenschüler  folgt,  [wenn  nicht 
vielmehr  das  Gegenteil  I]  dafs  auch  die  Opfer  u.  s.  w.  als  ein  sol« 
ches  Mittel  angedeutet  werden.   Ferner  auch  die  Stelle  (K&th.  2, 15): 

„Das  Wort,  des  alle  Veden  eingedenk  sind, 
„Das  alle  Bafsübung  verkfludet,  dem  zuliebe 
„Man  sich  der  Schülerschaft  ergiebt,  dies  Wort, 
„Ich  sag*  esjiir  in  einem,  heifset:  Omt" 

auch  diese  Schriftstelle  deutet  darauf  hin,  dafs  die  Werke  der  Lebens» 
stadidi\  ein  Mittel  zum  Wissen  sind.     Und  auch  die  Smriti  sagt: 

„Der  Sünde  Tilgimg  sind  die  Werke; 
„Das  Wissen  ist*  der  höchste  Gang. 
„Wenn  durch  das  Werk  getilgt  die  Sünde, 
„Dann  tritt  hervor  des  Wissens  Drang." 

Dia  Verwendung  der  Werke  ist  dabei,  —  bildlich  zu  reden,  — 
;,wie  bei  dem  Rosse".  Wie  nämlich,  vermöge  seiner  besonderen 
Verwendbarkeit,  das  Rofs  zum  Ziehen  des  Pfluges  sich  nicht  eignet, 
hingegen  zum  fl^hren  dos  Streitw^ens  sich  eignet,  |  ebenso  werden  1010 
die  Werke  der  Lebonsstadien  Tswar  nicht  mehr  berücksichtigt,  nach- 
dem durch  das  Wissen  die  Frucht  erreicht  ist^  wohl  aber,  während 
dieselbe  noch  im  Entstehen  begriffen  ist. 

42* 


660  C>^r)n^-Bilm&Ä64 

27.    fama-dafna-ädirupelah  sydt  tatkd  jpi  lUj  tad-vidhes, 
tad-angatayä  teshäm  avagya-anusktkegatvöt 

aber  er  mufs  doch  mit  Gemütsruhe,  Bezähmung  u.  8.  w. 
ausgerastet  sein,  weil  dies  vorgeschriebeii,  und  weil 
dieselben  als  ein  Bestandteil  von  jenem  [dem  Wissen] 

notwendig  zu  betreiben  sind. 

Es  könnte  jemand  denken,  ^dafs  es  doch  nicht  richtig  sei»  die 
K)pfer  n.  s.  w.  fär  ein   Mittel  der  Wissenschaft  anzusehen,  weil 
'eine  Yorschrift  dabei  nicht  vorliege;  denn  wenn  die  Schrift  sagt: 
SiSie  suchen  zu  erkennen  durch  Opfer*',  so  ist  dies  nur  eine  rar 
^9ache  gehörige  Erläuterung  (anux>äda)y  welche  aur  Y^herrlicbuiig 
^es  Wissens  dient,  nicht  aber  eine  Vorschrift  des  Opfers  u.  s.  w. 
'giebt;   nämlich  so  höchst  wertToU  ist  das  Wissen,  dafo  man  ei 
'selbst  durch  Opfer  u.  s.  w.  au  erreichen  sucht.'  —  Dagegen  ist 
au  bemerken,  dafs  jedenfalls  doch  der  nach  Wissen  Trachtende  „mit 
„Gemütsruhe,  fiezälunung  u.  s.  w.  ausgerüstet  sein  mu&";  denn  wenn 
ea  heifst:  „darum,  wer  Solches  weifs,  der  ist  beruhigt,  beiähmt, 
„entsagend,  geduldig  und  gesammelt;  nur  in  dem  Selbste  sidit  er 
1011  „das  Selbst  (Brih.  4,  4,  23),  |  so  werden  hier  Gemötaruhey  Be- 
aähmung  u.  s.  w.  als  Bedingungen  des  Wissens  geradezu  roigeioiirie- 
ben;  was  aber  vorgeschrieben  wird,  das  ist  notwendig  zu  betreiben« 
—  >Aber  es  wird  doch  auch  in  diesen  Worten  nur  gesagt,  ,^r  ist 
Sfberuhigt^^  tol  s.  w.,  und  „er  sieht'*,  so  dafs  also  auch  hier  nur  die 
'Bezeichnung  eines  thatsachlich  Vorhandenen  vorliegt ,  und  das  ist 
'doch  keine  Vorschrift.'  —  Diesen  Einwand  bestreiten  wir,  denn 
das  Wort  „darum''  bezieht  sich  auf  die  vorhergehende  AnbefeUuog 
[,^man  folge  seiner  Spur"  u.  s.  w.  B|*ih.  4,  4,  23]  und  giebt  somit 
dem  Folgenden    den  Charakter   einer  Vorschrift';    andi  lesen  die 
Mftdhyandina's  [an  der  entsprechenden  Stelle  Qatap.  br.  14,  7»  2,  28] 
geradezu  „er  sehe",  worin  eine  offenbare  Vorschrift  Hegt.     SoUte 
daher  auch  auf  Opfer  u.  dgl.  eine  Rücksichtnahme  nicht  mdir  statt- 
haben, so  ist  doch  jedenfalls  eine  solche  für  die  Gemütsruhe  u.  s.  w. 
zuzugeben.     Es  sind  aber  femer  auch  die  Opfer  u.  s.  w.   in  der 
That  zu  berücksichtigen,  und  zwar  eben  wegen  dieses  SohrifVirortes 
vom  Opfern  u.  s.  w.  —  'Aber  wir  sagten  doch,  dafs,  wenn  es  heifse, 
*sie  suchten  durch  Opfer  u.  s.  w.  zu  erkennen,  hierin  eine  Yotschrift 
^nicht  zu  finden  sei.'  —  Allerdings,  aber  ^eichwohl  muia  hier,  weil 
die  vorliegende  Verbindung  noch  nicht  da  war,  eine  Vorschrift  ange- 
nommen werden;  denn  im  Vorherigen  kommt  eine  solche  Verknüpfung 
des  nach  Wissen  Trachtens  mit  den  Opfern  u.  s.  w.  nicht  vor,  dafs 
man    hier  eine    blofse  Erl&uterung   (anmoäda)   annehmen    dürfte. 
Es  ist  hiermit  ähnlich,  wie  wenn  es  z.B.  heUst:  .|,danim  geniefst 


Sfttram  IIL  iv.  27.  661 

y,P£^6hRu  dttr  zerkleinerte  Nahrung,  denn  er  hat  keine  Z&hne'* 
(Taitt.  Baiph.  2,  6,  B,  5);  auch  diese  Worte  enthalten  allerdings  keine 
Vorschrift,  aber  gleichwohl  müssen  sie,  weil  eine  solche  nicht  vor- 
hergeht, als  Vorschrift  aufgefafst  werden;  worüber  die  Untersnchung 
an  der  Stelle:  „die  Zerkleinerung  für  PAshan  hat  man  als  eine 
„[neue]  Modalität  aufsuCassen*',  im  ersten  Teile.  (Jaim.  3,  3,  34) 
geliefert  worden  ist.  Und  in  demselben  Sinne  hiefs  es  auch :  „oder 
„[▼ielmehr]  eine  Vorschrift  wie  bei  dem  Tragen^*  (Sütram  3,  4,  20). 
Übrigens  wird  in  Smritistellen,  |  £.  B.  in  den  Bhagayadglt&'s  (3|  ^^^^ 
Id  ^g')i  ausgeführt,  wie  Opfer  u.  s.  w.,  sofern  man  dieselben  be- 
treibt, ebne  einen  liohn  di^ür  im  Auge  zu  haben,  dem  nach  &- 
lösung  Trachtenden  als  Mittel  zur  Erkenntnis  dienen.  Somit  sind 
sowohl  Opfer  u.  s.  w.  als  auch  Gemütsruhe  u.  s.  w.  je  nach  dem 
Lebensstadium,  d.  fa.  es  sind  alle  Werke  der  Lebensstadien,  soweit 
es  sich  um  ein  Entstehen  des  Wissens  handelt,  zu  berücksichtigen. 
Hierbei  sind  Gemütsruhe  u.  8.  w.,  weil  sie  durch  den  Ausdruck 
„wer  Solches  weifs"  (Brih.  4t  4,  23)  mit  dem  Wissen  selbst  ver- 
bunden sind,  als  die  unmittelbaren  Bedingungen  des  Wissens 
anzusehen ,  w&hrend  im  Gegensatze  dazu  Opfer  u.  s,  w. ,  die  nur 
mit  dem  Trachten  nach  Wissen  an  derselben  Stelle  verbunden  vor- 
kommen, als  die  au fseren  Mittel  des  Wissens  zu  betrachten  sind. 


Siebentes  Adhikaranam. 

28.    sarva-aufk^anumatiQ  ca  prana^tyayey  tad-darfanät 

auch  aller  Speise  Bewilligung  bei   Lebensgefahrdung, 

wie  zu  ersehen. 

Im  Rangstreite  der  Organe  hcifst  es  bei  den  Chandoga^s:  „für- 
,,wahr,  wenn  einer  Soichea  weiüi,  so  giebt  es  nichts,  wasf  für  ihn 
„nicht  Speise  wäre'"  (Chänd.  5,  2,  1);  ebenso  bei  den  V&jasaneyin's: 
„fürwahr,  für  ihn  giebt  es  nichts,  was  rucht  als  Speise  zu  essen, 
„nicht  als  Sp<»8e  zu  sich  zu  nehmen  wäre"  (Brih.  6,  1,  14);  d.  h.  alles  ' 
dient  ihm  als  Speise.  Hierbei  fragt  sich,  ob  darin  eine  Erlaubnis 
alles  zu  essen,  ahnlich  wie  die  Gemütsruhe  u.  s.  w.,  als  ein  Be- 
standteil des  Wissens  verordnet  werde,  oder  ob  |  die  Erwähnung  ioi3 
nur  um  der  Verherrlichung  willen  geschieht?  Angenommen  also, 
4iier  liege  eine  Verordnung  vor;  denn  in  diesem  Sinne  wird  hier 
'eine  Unterweisung  gegeben,  die  eine  bestimmte  Handlungsweise  ver- 
^anlafst.  Man  mufs  daher,  wegen  der  unmittelbar  vorhergehenden 
^Lehre  vom  Prftpa,  annehmen,   dafs  als  ein  Bestandteil  derselben 


662  ^ftffrftka-nümMsä 

'diese  Aufhebung   einer  Entiialtungsregel  gelehrt  vrird.'  —  Aber 
würde  nicht  dabei  das  kanonische  Gc^z^   welches  erlaubte  und 
verbotene  Speisen    untersoheidot,    aufgehoben    werden?   —   'Doch 
'nicht,    denn  wegen    des   Verhältnisses  •  des  Allgemeinen  zum  Be- 
'sonderen   ist   eine  Restriktion   desselben  möglich.     So   findet  ja 
.^uch  z.  B.  das  Verbot,  irgend  ein  lebendes  Weser  zu  7erleizen. 
^seine  Restriktion   in  dem  Gebote,    das  Opfertier  um    seine  Ein- 
^willigung  zur  Opferung  zu  bitten;   und  ebenso  wird  durch  die  in 
*den  Worten:  „man  meide  keine''  (Ch&nd.  2,  13,  2)  liegende,  auf 
'das  Wissen  des  Vämadeyya-S&man  bezügliche  Vorschrift,  kein  Weih 
'zu  meiden,    eine  Restriktion  des  im  al^emeinen  gültigen  kano- 
'nischon  Gesetzes  gegeben,  welches  zu  besuchende  und  nicht  zu 
'besuchende  Weiber  unterscheidet.     In  derselben  Weise  konnte  ja 
'auch  hier  in  dem  auf  die  Pr&nalehre  bezüglichen  Ausspruche,  nach 
'welchem  alles  als  Speise  zu  geniefsen  wäre,  eine  Restriktion  de.s 
'erlaubte  und  verbotene  Speise  unterscheidenden  Kanons  gefunden 
'wei'den.*  —  Auf  diese  Annahme  erwidei'n  wir:  es  ist  nicht  richtig, 
dafs  hier   eine  Erlaubnis,   alles   zu  essen,  angeordnet  wird:  denn 
es  ist  kein  imperativer  Ausdruck  zu  finden  in  der  Stelle;  „föxwahr. 
„wenn   einer  Solches  weifs,  so  giebi  es  nichts,   was  für  üin  nicht 
1014  „Speise  |  wupe"  (Ch&nd.  5,  2,  1),  sondern  vielmehr  nur  die  Bezeich- 
nung eines  gegenwärtig  Vorhandenen;  man  darf  aber  nicht  so  weit 
gehen,  auch  da,  wo  die  Erkenntnis  einer  VorschrifL  nicht  zu  finden 
ist,  aus  blofser'  Begitirde  nach  speeieller  Normierung  dt^r  Handlungs- 
weise eine  Vorschrift  zu  konstatieren.    Hierzu  kommt,  daü^  naeJ)- 
dem  alles  bis  zu  den  Hunden  u.  s.  w.  herab  für  $pei<'>e  des  Vrlkna 
erklärt  worden,  es  weiter  heifstr  „für  einen,   der  Sokh<>5  weiCs, 
„giebt  es  nichts,  was  nicht  Speise  wärc^^  (Chflud.  5,  2,  1  frei):  nun 
kann  doch  unmöglich  alles  bis  zu  den  Hunden  u.  s.  w.  herab  von 
dem    menschlichen  Leibe  genossen  werden,    wohl  aber  läfst   sich 
verstehen,  wie  gesagt  wird,  dafs  diese  ganze  Welt  eine  Speis«;  des 
Präna  sei.     Somit  haben  wir  hi^r  eine  Sacherklärung  (arihaväda), 
welche  das  Wissen  von  dem  Prllna  und  seiner  Speise  veirherrliclten 
soll,  nicht  aber  eine  Verordnung,  welche  gestattete  olles  zu  essen. 
Dieses  zeigen  [implicite\  die  Worte  unseres  Sätram*s:  „auch  aller 
„Speise  Bewilligung  be?  Lebensgefclhrdung";  d.h.:  nur  in  Lebena- 
gefahr  und  in  der  höchsten  Not  ist  es  gestattet,  jegliche  Speise 
zu  essen,   „wie  zu  ersehen";   nämlich  in  dieser  Weise  ist  zu   er- 
sehen  aus   der   Schrift,  wie  z.  B.   der   Rishi   Cäkrayana   [der  Ab- 
kömmling des  Cakra]  in  übler  Lage  dazu  sehritt,  verbotene  Speise 
zu  essen.    Nämlich  in  dem  Abschnitte :  „Es  geschah,  da  die  Kuru's 
„vom  Hagelschlago  "*"  heimgesucht  wurden"  (Ch^ind.  1,  10,  1),  wird 
erzählt,    wie   der  Rishi  Cäkräyana,   da  er  in  Not  geriet,  die  von 


*  oder  etwa  „Heuöchrecken"?—  rakta- varntih  Jctihmira^T^akski-ingt' 
ihdhy  Äuandagiri  zu  unserer  Stelle. 


Sütram  III.  XV.  28.  663 

(lern  reichen  Hausherrn  zur  Hälfte  angenagten' (Hch:  sami-khädiiän) 
Bohnen  verzehrte,  den  Trunk  hingegen,  |  welchen  ihm  ehendersetbe  ioi5 
darbot,  oXa  einen  Überrest  veiischmalite  und  als  Grund  dafür  angab: 
,.ich  wäre  nicht  leben  geblieben  ohne  jene  zu  essen  *S  und:  ,,in 
„meinem  Belieben  [hingegen]  steht  es,  meinen  Durst  mit  Wasser 
„zu  löschen*^  (Chand.  1,  10,  4),  und  wie  ebenderselbe  am  folgenden 
Morgen  sogar  die  von  ihih  selbst  und  von  einem  andern  übrig  ge- 
lassenen und  sogar  noch  abgestandenen  Bohnen  verzehrte.  Indem 
die  Sehrill  in  dieser  Weise  zeigte  wie  derselbe  Übriggebliebenes 
und  sogar  das  Abgestandene  des  Übriggebliebenen  verzehrte,  so 
giebt  sie  dadurch  überaus  deutlich  als  ihr  Priucip  zu  veirstehen, 
dafs  im  Falle  einer  Lebensgefahr  zur  Erhaltung  des  Lebens  auch 
verbotene  Speise  gegessen  werden  daif;  hingegen  im  normalen  Zu- 
stande ist  dieses  zu  vermeiden,  und  zwar  auch  für  einen  Solchen, 
der  die  Erkenntnis  besitzt;  dies  ergiebt  sich  aus  der  Yerschmähung 
des  Trunkes.  Somit  iat  in  den  Worten  „fürwahr,  wenn  einer  Solches 
„weifs"  u.  B.  w.,  nur  eüie  Sacherklärung  (arthaväda)  zu  finden. 

29.    äbädhao  ca 
und  wegen  Nichtaufhebung. 

Und  da  dem  so  ist,  so  liegt  hier  keine  Aufhebung  des  Sohrii't- 
kanons  vor,  welcher  mit  den  Worten:  „wo  die  Nahrung  rein,  ist 
„auch  der  Charakter  rein^'  u.  s.  w.  (C^and.  7,  26,  2)  gebotene  und 
verbotene  Speise  unterscheidet. 

30.    api  ca  smaryate  loie 

und  auch  die  Smriti. 

Und  auch  die  Smriti  erwähnt,  wie^  in  der  Not  der  Wissende 
und  der  Nichtwissonde  jede  Speise  essen  darf,  wenn  sie  sagt 
(Manu  10,  104  fr^i): 

„Wer  in  Gefahr  des  Lebens  schwebend, 
j,Die  Speise  nimmt  woher  es  sei, 
„Bleibt,  wie  das  Lotosblatt  vom  Wasser, 
„Von  sttudbaf^er  Befleckung  frei/' 

Aber  ebenso  heifst  es:  „den  Raum^htrank  [meid«]  der  ßrahmane 
„unbedingt":  -—  „<iem  Brahmsnen,  der  Branntwein  trinkt,  soll 
„man  ihn  glühend  eingiefsea";  —  .,im  Munde  des  Branntwein- 
„trinkers  wachsen  branntweintriokeude  Würmer,  woil  er  Ycrbotenefl 
„geiiofs^*;  —  hier  lehrt  die  Smriti  die  Au-ischliefsung  verbotener 
Nahrung. 


J 


664   ,  gMraka-mtm(iÄsA 

8L    QoMaQ  ca  ato  ^kamakdre 
daher  auch  ein  Schriftwort  darüber^  dafs  nicht  beliebig. 

Und  auch  ein  Schriftwort  giebt  es,  welche^  Terboiene  Nahrung 
verwirfb  und  das  Belieben  hierin  nicht  gestattet;  denn  in  der  Saip- 
hita  der  Ka(ha*B  heifst  es :  ,>daram  soll  ein  Brahmane  keinen  Brannt- 
„wein  trinken**;  auch  diese  Stelle  kommt  besser  zu  Recht,  wenn 
man  in  den  Woi*ten:  „ fürwahr,  für  einen,  der  Solches  weiDs'* 
(Gh&nd.  5,  2,  1)  nur  eine  Sacherklarung  findet  Daher  ist  in 
Schriftstellen  dieser  Art  eine  Sacherklärong  (arthaväda)^  nicht 
aber  ein  Gebot  (vidhi)  zu  erkennen. 


Achtes  AdkUcaranam, 

1017  32.    vihüatvdc  ca  ä^ama-karma  api 

und  weil  es  geboten,  das  Werk  der  Lebensstadien 

gleichfalls. 

An  der  Stelle:  „und  doch  Berücksichtigung  aller*^  (Stiraia  3,  4, 
26)  wnrde  festgestellt,  dafs  die  Werke  der  Lebensstadien  ein  Mittel 
des  Wissens  bilden.     Jetat  hingegen  ist  zu  untersuchen,  ob  auch 
der  nicht  nach  Erlösung  Verlangende,  welcher  nur  in  den  Lebens^ 
Stadien  verharren  will,    das  Wissen  hingegen  nicht  begehrt,  jene 
Werke  betreiben  mufs  oder  nicht?  —  Nämlich  'an  der  Stelle  n>^ 
^„suchen  durch  Yedastudium  die  Brahmanen  zu  erkennen^^  (Bfih.  4, 
%  22),  wurden  die  Werke  der  Lebensstadien  als  Mittel  der  Wissen- 
'schaft  anbefohlen;  wenn  nun  einer  nicht  nach  dem  Wissen  begehrt^ 
^sondern  nur  nach  anderem  Lohne  trachtet,  so  braucht  er  doch 
'[nur   die  für  seinen  Zweck  erforderlichen,    zeitweiligen,   aat- 
^fyäniy  hingegen]  die  beständigen  fh%(ln()  Werke  nicht  an  üben. 
'Oder  soll    auch    er    dieselben    üben    müssen?     Pann  können  sie 
'nicht  ein  Mittel  des  Wissens  sein,  da  ihr  best&ndiger  Gebrauch 
'[wie   er  von  dem  nach  jenseitigem  Lohne  Begehrenden]  und  ihr 
'zeitweiliger  Gebrauch  [wie  er  von  dem  nach  Wissen  Traehteo- 
'den  gefordert  wird] .  mit  einander  in  Widerspruch  steht.'  —  Auf 
diese  Behauptung    erwidert   der   Lehrer:    auch    der  blofs  in  den 
Lebensstadien  Verharrende,  nicht  nach  Erlötsung  Trachtende ,  mafs 
die  beständigen  Werke  üben,  „weil  es  geboten",  nämlich  in  Worten 
wie  „bis  zum  Lebensende  bringen  sie  das  Feueropfer  dar".    Denn 
man  darf  doch  auch  das  Wort  der  Schrift  (Bph.  4,  4,  22)   nicht 
1019  zu  sehr  |  pressen. 


Sfttram  III.  iv.  32.  665 

Wenn  abär  behauptet  wurde,  dafs  in  diesem  Falle  jene  Werke 
kein  Mittel  des  Wissens  sein  könnten,  so  giebt  der  Lehrer  cur 
Antworte 

33.    sahakdrit^ena  ca 
und  weil  sie  mitbehülflich. 

Es  mufs  doch  das  Werk  zum  Wissen  mitbehülflidb  sein,  und 
zwar  eben  darum,  „weil  es  geboten^'  wird,  nämlich  an  der  Stelle: 
„ihn  suchen  durch  Yedastudium  die  Brahmanen  zu  erkennen  (Bph.  4, 
4,  22),  wie  dies  auseinandergesetzt  wurde  zu  dem  Sütram:  „und  doch 
,,Berücksichtigung  aller,  wegen  des  Sohriftwortes  vom  Opfern  u.  s.  w. 
„wie  bei  dem  Bosse"  (Sütram  3}  4,  26).  Man  mufs  aber  dieses 
Wort  von  dem  Mitbehülflichsein  des  Werkes  zum  Wissen  nicht  dahin 
aufTassen,  als  brächten  die  Werke  der  Lebensstadien,  ähnlich  wie 
bei  dem  Voropfer  u.  s.  w. ,  das  Wissen  als  eine  Frucht ,  hervor ; 
denn  das  Wissen  föUt  nicht  unter  den  Begriff  der  Gebote,  und  das 
Wissen  ah  Frucht  läfst  sich  überhaupt  nicht  durch  irgend  welche 
Mittel  erzielen«  Denu  jedes  Mittol  steht  in  Beziehung  zu  einem  Ge- 
bote, und  wenn  jemand  z.  B.  durch  Neu-  und  Yollmondsopfer  u.  s.  w. 
den  Himmel  als  Frucht  erzielen  will,  su  erfordert  dieses  besondere 
dazu  mitbehülfliche  Mittel.  Nicht  so  das  Wissen;  und  in  diesem 
Sinne  hiefs  es:  „und  eben  darum  keine  Beobachtung  des  Feuer- 
„anzündens  u.  s.  w/'  (S6tram  3,  4,  25).  Somit  hat  man  das  Wort 
von  ihrer  Mithelferschaft  dahin  zu  verstehen,  dafs  jene  Werke  nur 
zur  Entstehung  |  des  Wissens  [nicht  zu  diesem  selbst]  ab  Mittel  1010 
dienen.  Man  mufs  aber  nicht  meinen,  als  wenn  dabei  der  be« 
ständige  und  der  zeitweilige  Gebrauch  in  einem  Widerspruche 
stünde;  denn  weim  auch  das  Work  das  nämliche  ist,  so  kann  doch 
sein  Gebrauch  ein  zweifacher  sein.  Der  eine  Gebrauch  ist  der  be- 
ständige, wie  er  durch  das  Wort  „bis  zum  Lebensende"  u.  s.  w. 
(p.  1017,  10)  angezeigt  wird;  dieser  bringt  nicht  das  Wissen  als 
Frucht.  Der  andere  Gebrauch  ist  der  zeitweilige,  wie  er  angezeigt 
¥rird  durc}i  das  Wort:  „ihn  suchen  durch  Yedastudium  die  BraSi- 
„maaen  zu  erkennen"  (Bfih.  4,  4,  22);  dieser  bringt  das  Wissen  als 
Frucht.  Es  ist  damit  wie  wenn  z.  B.  der  eine  Khadirabaum  einen 
beständigen  Gebrauch  im  Dienste  der  Opferhandlung  und  einen 
zeitweiligen  Gebranch  im  DiejDste  menschlidier  Zwecke  erfährt. 

34.    mrvaihä  api  ta  ^eva,  übhaya-Ungät 

in  jedem  Falle  gelten  eben  dieselben;  weil  ein 

zwei&ches  Anzeichen* 

„In  jedem  Falle'S  niag  man  sie  nun  als  Pflichten  der  Lebens- 
stadien   oder   als    mitbehülflich   zum  Wissen   betrachten,   „gelten 


666  ^änraka-rairakn8& 

,,ebeti  dieselben  ^S  d.  h.  die  Pfiicliteu  des  Feueropfers  n.  s.  vr.,  und 
iiiud  daher  zu  betreiben;  ,,«ib6n  dieselben",  hiermit  wird  etwas  von 
dem  Lehrer  nachdr&cklich  abgewiosen;  und  xwar  was?  wir  «nt- 
woi*ten:  die  Heinang,  als  gäbe  es  swei  Arten  von  Werken.    Denn 

1020  allerdings  z.  B.  bei  dem  Verfahren  dei*  Kragtrinker,  |  wenn  es  heiftit: 
,,etnen  Monat  lang  bringen  sie  das  Feaeropfer"  (Käty.  24,  4,  24), 
.so  wii-d  hier  ein  von  dem  beständigen  Feucropfer  yerschied^^nes 
fweil  nar  zeitweiliges]  .Werk  bezeichnet;  nicht  aber  ist  in  dieaer 
Weise  aadi  in  unserem  Falle  eine  zweifache  Art  der  Werke  zn 
unterscheiden.  Warum?  „weil  ein  zwiefaches  Anzeichen",  n&mlicli 
ein  Bchriftanzeichen  und  ein  Smritianzeichen  dafür  vorliegt.  Das 
Schriftanzeichen  ist  dieses;  wenn  es  heilst:  ,fihn  suchen  durch 
„Yedastudium  die  Brahmanen  zu  erkennen^*  (Brih.  4,  4,  22),  so 
werden  in  diesen  Worten  Opfer  n.  s.  w.  bei  dem  Streben  nacli 
Winsen  auferlegt  als  etwas  Bekanntes  und  schon  wirklich  Vor- 
handenes, nicht  aber  führt  die  Schrift  dieselben  wie  in  jenem 
, Ausdrucke  „sie  opfern*'  (K&ty.  24,  4,  24)  als  eine  neue  noch  nicht 
vorhandene  Art  ein.  Das  Smritianzeichen  lautet:  „wer,  ohne  an 
„d^r  Werke  Fmobt  zu  haltini.,  das  auferlegte  Werk  betreibt*^ 
(Bhag.  G,  6,  1);  hier  verweist  die  Saariti  zum  Zweck  der  Ent- 
stehung des  Wissens  auf  dasselbe  Werk,  welches  als  ein  zu  be- 
treil)ended  schon  ohnedies  bekannt  ist.  Und  auch  an  der  Stelle: 
„wer  diese  achtundvierzig  Weihen  durchmacht'S  worden  die  für  diu 

*  vedischen  Werke  in  Anerkennung  stehenden  Weihen  mit  Bezug- 
nähme  auf  die  Entstehung  des  Wissens  bei  dem  mit  ihnen  Aus- 
gerüsteten von  der  Srariti  vorgebracht.  Somit  hat  es  mit  dieser 
Versicherung  der  Einheitlichkeit  der  Werke  seine  Richtigkeit. 


loai  35.    anabhibh^ivan  ca  dargtiifoU 

auch  zeigt  sie  Nichtüberwältiguag. 

Femer  liegt  ein  verstärkendes  Anzeichen  dafür,  daL  die  Werke 
zum  Wisstm  blofs  mitbehülfltch  sind,  daiin,  dafs  die  Schrift  zeigt, 
wie  der  mit  den  Mitteln  der  Brahmanenschülerschaft  u«  s.  ^'.  Aus- 
gerüstete von  den  BescKwcrungen  (Me^a)  der  Seele,  wie  Li«b€ 
n.  s.  w.  [Hafe,  Verfressenheit,  Selbstsucht  und  Nichtwißscis]  nicht 
überwältigt  wird;  denn  sie  sagt:  „dieser  Atnian  ist  unvergänglich, 
„welchen  man  durch  das  Leben  als  Braiunanenschüler  auffindet* 
(Cliand.  8,  5,  3).  —  Soiuit  steht  es  fest,  dafs  die  Opfer  u.  a.  w.  so- 
wohl für  die  Werke  der  LebeDsstadien  als  aucb  für  das  Wisseo 
niitbehülfiich  sind. 


Sütram  III.  ir.  36.  667 


Neunte»  Adhikarafiam. 

^6*.    antard  ca  api  tu,  tad-drisUeh 

vielmehr  aach  sie,  wiewohl  zwischeninnen ^  weil 

dies  ersichtlich. 

Was  nun  weiter  die  Unbcmittelteii  betriiFt,  welcbe  des  Ytr- 
niögens  iiod  anderer  Glücksverbältuisse  ermangebi,  von  dem  Zu- 
t litte  SU  dem  einen  oder  andern  Lebensstadium  ausgescblossen  sind 
und  zwischeninaen  stehen  [zwiscben  den  drei  oberen  Kasten  und 
den  QAdra's],  aiud  auch  diese  zum  Wissen  berufen  oder  nicht,  das 
ist  die  Frage.  —  Angenommen  also,  ^sie  seien  nicht  dazu  beniien, 
'weil  festgestellt  wurde,  dafs  die  Werke  der  Lobensstadien  eine 
*Vorbedingang  des  Wissens  sindj  und  weÜ  diese  Werke  von  jenen 
'nicht  betrieben  werden  können.'  —  Auf  diese  Annahme  |  envidert  10?2 
der  Lelu'cr  so:  „vielmehr  auch  sie,  wiewohl  swisoheninnen^';  auch 
derjenige,  welcher  wegen  Ausschlieisung  von  den  Lebensstadien 
/.wischeniuuen  steht,  ist  zum  Wissen  berufen,  „weil  dies  ersiclib- 
„licli**,  d.  h.  weil  man  aus  der  Schnft  ersieht,  wie  auch  z.  II  Raikva 
(Ch&nd.  4,  1)  und  [Gfcrgi]  die  Toditer  des  Vacaknu  (Brih.  3,  6.  8), 
obwohl  es  mit  ihnen  solchermaisen  bestellt  war,  das  Brahmanwisaen 
besafsen. 

37.    api  ca  sniaryate 
und  auch  die  Smriti  sagt,  — 

Und  auch  die  Smpii  ei*wahnt  im  Epos  (vgl.  Mahäbb.  14,  137  fg.)< 
wie  z.  B.  Samvaria  und  andere,  welche,  das  Gelübde  dcK  Nackend- 
gehens beobacliteten  und  daher  die  Werke  der  Lebeus&tadien. ver- 
nachlässigten, trotzdem  den  Stand  eines  grofsen  Vogin  erlangten. 
—  'Aber  die  aus  dm*  Behrift  und  Smriti  angeführten  Beispiele  sind 
'dodi  nur  das  Beweismittel;  welebes  ist  nun  die  darauf  sich  grün- 
^dende  Beweisfökrong?*  —  Wir  antworten: 

nud  zwar  als  Gnade  fär  Besonderes. 

Auch  diesen,  n&mlich  den  Unbemittelten  u.  s.  w. ,  wird -infolge 
besonderer  Pflichtleistungen,  welche  ihrem  Zustande  nicht  entgegen 
und  jedem  Menschen    möglich  sind,    wie  Murmeln  von   Gebeten, 


668  gftrlrAka-mlm&nsil 

1023  I  Fasten  und  Verehren  der  Grdtter,  die  Gnade  des  WisBens  sa  Teil. 
Und  BO  sagt  die  Smfiti  (Bfanu  2,  87): 

y^Durch  blofses  Marmeln  von  Gebeten  schon  allein 
^Gebt  der  Brahmane  siober  aar  Vollendung  ein. 
^ag  er  noch  andere  Werke  treiben  oder  nicht; 
^Brahmane  heilst  er,  wenn  er  übt  der  Liebe  Pflichf^ 

Diese  Steile  seigt,  dafs.  in  £lrmangelung  der  Werke  der  Lebens- 
Stadien  auch  das  Gebetmunneln  einen  Beruf  nur  Wissenschaft  er- 
möglicht. Auch  kann  die  Begnadigung  mit  dem  Wissen  möglicher- 
weise davon  herrühren,  dafs  di^  Werke  der  Lebensstadien  in  einer 
früheren  Geburt  betrieben  worden  waren.  In  diesem  Sinne  sagt 
die  Smriti  (Bhag.  G.  6,  45): 

y^Durch  mancberlei  Gebart  vollendet , 
^Geht  endlich  er  den  höchsten  Gang"; 

..  hierin  liegt,  dafs  auch  die  in  einer  früheren  Geburt  angesammelten 
besonderen  Weihungen  die  Gnade  des  Wissens  hervorbringen  können. 

.  Übrigens  ist  das  Wissen  von  der  Art,  dafs  sein  Ziel  su  Tage  tritt, 
sobald  nur  kein  Hemmnis  [kein  Nichtwissen]  ihm  entgegensteht,  and 
hierauf  beruht  es,  dafs  auch  der  Bedürftige  Eum  Hören  der  Schrift 
n.  s.  w.  berufen  sein  kann.  Somit  kann  man  ohne  Widerspruch  zu- 
geben, dafs  auch  die  Unbemittelten  zum  Wissen  berufen  sind. 


109^  39.    atas  tu  iUxraj  jyayo^  Ungäc  ca 

vor  ihm  aber  iet  das  Midere  vorzuziehen,  auch  wegen 

des  Anzeichens. 

Vor  ihm  aber,  vor  dem  Stehen  im  Zwischenräume,  ist  das  an- 
dere ^  das  Stehen  in  den  Lebensstadien  als  Mittel  des  Wissens, 
vorauaiehen,  weil  dieses  zu  lehren  Schrift  und  Smriti  ihre  Stimmen 
ver^igen,  denn  die  Schrift  enthält  dafür  das  Anaeich^i:  „auf  diesem 
„wallt  wer  Brahman  liebt  und  Gutes  übt  in  Lichtgestalt^*  (Brih.  4, 
4,  9);  und  das  Anzeichen  der  Smfiti  lautet: 

„Auch  einen  Tag  nur  soll,  wer  Zwiegehoren, 
„Nicht  aufserhalb  der  Lebensstadien  weilen; 
„Wer  erst  ein  Jahr  sich  aufserhalb  verloren, 
„Den  wird  Verderben  ganz  und  gar  ereilen/' 


^tnm  m.  vr,  40.  ^  669 


2jehnte8  Adhikaranam. 

40.    tad-bhütasya  tu  na  a'tad'bhdvOy  Jaimner  api^ 

niyama  -  ataärüpa^  abhävehhyäh 

vielmehr  wer  dieses  geworden,  kann  nicbt  [mehr]  wer- 
den  was  nicht  dieses,  auch  nach  Jaimini,  wegen  der 
Regel,  wegen  des  Mangels  derartiger  und  wegen  des 

Nichtvorhandenseins. 

^ir  haben  festgestellt,  dafs  solche  Lebensstadien,  welche  das 
Kenschheitsgelübde  halten,  anerkannt  werden  müssen  (Sütram  3,  4, 
18 — 20).  Nan  fragt  sich,  ob  für  einen,  der  sich  ihnen  hing^eben, 
irgend  ein  Mal  ein  Abfall  von  den)  Gelübde  möglich  ist  oder  nicht? 
—  K&mlich  ^es  könnte  ja  einer  aus  Neigung,  die  vormaligen  Pflichten 
^[des  Gfihastha]  geziemend  zu  betreiben,  oder  auch  aus  leidenschafb- 
'Uchem  Drange,  sei  es  das  eine  oder  das  andere,  darauf  kommt 
'es  nicht  an,  doch  einmal  einen  Fehltritt  begehen.'  —  Hierauf  ist 
zu  erwidern:  |  „vielmehr  wer  dieses  geworden'^,  wer  das  Gelübde  1025 
der  Keuschheit  auf  sich  genommen  hat,  darf  unter  keinen  Umständen 
„werden  was  nicht  dieses '%  d.  h.  sich  dagegen  vergehen;  warum? 
„1)  wegen  der  Regel,  2)  wegen  des  Mangels  derartiger  und  .3)  wegen 
„des  Nichtvorhandenseins^.  Denn  1)  heifst  es:  „indem  er  sich  für 
„immer  im  Hause  des  Lehrers  niederl&fst"  (Ch4nd.  3,  23,  2),  und: 
„«er  ziehe  in  den  Wald»,  das  ist  das  Wort,  und,  «er  kehre  nim* 
„mer  daraus  zurück»,  das  ist  sein  geheimer  Sinn*';  — -  sowie  auch 
(Mah&bh.  12,  8678): 

„Mit  einem  der  vier  Lebensstadien  soll 
„Er  sichy  nachdem  vom  Lehrer  er  entlassen, 
^is  zur  Erlösung  seines  Leibes  hin, 
„Wie  es  die  Yorschrift  anbefiehlt,  befassen.'* 

Diese  Regel  zeigt,  dafs  ein  Abfall  unstatthaft  ist.  Und  während 
2)  die  Schrift  in  Worten  wie:  „nachdem  er  die  Schülerscbaft  er- 
„langt,  soll  er  ein  Hausvater  werden ;  •  •  .  schon  aus  der  Schüler* 
„Schaft  heraus  mag  er  ein  Pilger  werden*'  u«  s.  w.  (J&b&la-Up. 
444 — 445)  ein  Emporsteigen  in  den  Lebensstadien,  lehrt,  su  giebt 
es  keine  Stelle,  welche  von  einem  Herabsteigen  redete.  Endlich 
ist  3)  nichts  vorhanden  [in  den  Dharmasütra^s],  was  derartiges  als 
Sitte  lehrte.  —  Und  auch  weiin  das  Herabsteigen  bedingt  sein  sollte 
durch  eine  Neigung,  die  vormaligen  Pflichtoi  geziemend  zu  betreiben, 
ist  dieses  unstatthaft;  denn  die  Smfiti  sagt  (Bhag.  G.  3,  36): 


G70  VftrirAka-m)mluis& 

„Die  eigene  Pflicht,  nur  schlecht  geübt. 
1026  7,l8t  besser  |  als  die  fremde,  wohl  betrieben", 

und  die  Regel  ist,  dafe  nicht  dasjenige  Pflicht  ist,  was  man  gut 
vollbringen  kann>  sondern  dasjenige,  was  einem  auferlegt  worden 
ist;  denn  die  Pflicht  hat  als  Merkmal^  dafs  etwas  geboten  worden 
ist.  Und  auch  ans  leidenschaftlichem  Drange  ist  kein  Fehltritt  sro 
entschaldigen,  denn  das  Gebot  des  Gesetzes  wiegt  schwerer  als  er. 
„Auch  nach  Jaimini",  —  hier  wird  darch  das  Wörtchen  „auch*' 
noch  besonders  die  Übereinstinunung  siwischen  Jaimini  und  B4dar&- 
yana  in  diesen»  Punkte  hervorgehoben,  um  seine  Gültigkeit  nocb 
zu  verstärken. 


Elftefi  Adhikaranam. 

41.    na  ca  adhikärikam  api^  paiana-anuindnMj  tadHiyo0 

auch  nicht  das  im  Berufteile,  weil  es  ein  Fallen  als 
möglich  annimmt,  und  dies  hier  nicht  zxxtriSL 

Wenn  ein  Naishthika  (ein  ßrahmonenschüler  auf  Lebwszait)  ans 
Unvorsichtigkeit  sich  geschlechtlich  vergeht,  soll  für  diesen  die  Bufs* 
regel:  ,,der  Brahmanenschülor,  der  sich  geschlechtlich  vergangen, 
„soll   der  Göttin  Nirriti  einen  Esel  darbringen**  (vgl.  Kaiy.  ^r.  1, 
1,  13—17.  Apast.  dh.  1,  9,  26,  8.  Pftr.  gr.  3,  12,  2)  gültig  sein  oder 
nicht?  —  Wir  antworten:  nein!  denn  wenn  auch  —  [für  den  Brahma- 
c^rin  im  allgemeinen]  in  der  Abteilung,  die  von  dem  Berufe  han- 
1027  delt,   eine  solche  Bufse  zugelassen  wird  in   den  Worten:  |  „auch 
,.das  Opfertier  des  unkeuschen  Brahmanenschülers  [mufs  im  weit- 
„liehen  Feuer  geopfert  werden],  weil   für   einen  solchen    die  Zeit 
„zum  Anlegen  [der  heiligen  Feuer]  noch  nicht  gekommen  (Jaira.  6. 
8;  22),  so  darf  doch  auch  dieses  nicht  für  den  Naidhthika  g<»lten 
Denn  es  heifst: 

„Wer  sich  auf  Lebenszeit  znm  Schüler  maclit 
,,Und  dann  noch  einen  Fehltritt  kann  begehen, 
„Der  ist  ein  Monier  an  dem  Selbst,  für  ihn 
„Ist  eine  Bcfse  nicht  mehr  zu  ersehen"; 

hier  lehrt  die  Smriti,  dafs  ein  solcher  Fehltritt  jii cht  wieder  gut 
zu  nmchen  ist,  und  dafs  es  dafUr,  wie  für  die  Abschneidun^  des 
Kopfes,  kein  Heilmittel  giebt.  Was  hingegen  den  üpakriiv^na  [der 
nur  eine  Zeit  lang  bei  dem  Lehrer  den  Ved«a  stndicrt,  oiu  spater 
Grihaatha  zu  werden]  betrifft,  so  liegt  für  den  Fehltritt  eines  sol- 


Sütram  III.  IV.  41.  671 

chen  keine  derartige   Smritistelle   vor;  daher  bei  ihm  eine  Bufsp 
möglich  ist. 

42.  upa-purmm  api  tu  eke  bhävamy  agana-vat;  tad  uktam  io28 

ein  „Neben-*^  vorsetzend  hingegen  behaupten  einige  die 
Möglichkeit,  wie  bei  dem  Essen ;  darüber  ist  gesprochen. 

Hingegen  behaupten  einige  Lehrer,  dafs  nur  eine  ,. Neben"- 
Sünde  (npa-pät(ikafn)  darin  liege,  wenn  der  Naiahthika  (^lebensläng- 
liche Schüler),  abgesehen  van  dem  Weibe  u.  s.  w.  des  Lehrers,  sein 
Keaschheitsgelübde  verletzt,  nicht  aber  eine  Hanptsünde  (fnahär- 
pdiakam)^  weil  es  unter  den  Hauptsünden,  der  Befleckung  des 
Bettes  des  Lehrers  u.  s.  w.,  nicht  vorkommt.  Aus  diesem  Grunde 
nehmen  sie  an,  dafs  es  ebenso  gut  wie  Ar  den  Upakurv^na  (sett- 
weiligen  Schüler)  auch  für  den  Naishthika  eine  Bnfse  gebc^,  weil 
beide  gleicherweise  Brahmanenschüler  sind,  und  bei  dem  einen  f»o 
gut  wie  bei  dem  andern  ein  Bruch  der  Keuschheit  einmal  vor« 
kommen  kann;  „wie  bei  dem  Essen^S  ^•.^«  ^ö  wie  es  für  eine  Ver- 
letzung des  Gelübdes  durch  Ebsen  von  Honig  und  Fleisch  (P&r.  2,  4) 
eine  Sühnung  für  den  Brahmanenschüler  giebt,  so  ist  es  auch  Uer. 
Diejenigen  nämlich,  welche  die  Mögliddceit  einer  Bufse  nicht  zu- 
geben, können  sich  auf  keine  kanonische  Quelle  berufen:  wer  aber 
die  Möglichkeit  zugiebt,  der  kann  als  Quelle  das  Schriftworf  an- 
führen, welches  ohne  weitere  Unterscheidung  [des  Upakurvana  und 
Nuishtliika]  von  dem  der  Unkeuschheit  schuldigen  Brahmanenschüler 
handelt  (oben  p.  1026,  7).  Es  ist  also  richtiger,  die  Möglichkeit 
einer  Sühne  anzunehmen.  „Darüber  ist  gesprochen *',  nämlich  in 
dem  Abschnitte  von  den  Beweisgründen,  wo  es  hiefs:  „gleich- 
„borechtigt  könnte  die  Gegenannahme  sein";  —  „oder  vielmehr  die 
„auf  dem  Boden  des  Kanon  stehenden  [Gelehrten  haben  Recht]. 
„weil  sie  den  Ausschlag  geben*'  (Jaim.  1,  3,  8—9).  Yftm  hingegen 
die  Smfitistelle  von  einer  Unmöglichkeit  der  Bufse  betrifi^,  so  ist 
sie  unter  diesen  Umständen  [  dahin  auszulegen,  dafs  sie  nur  die  1029 
Schwierigkeit  der  Sühnung  einzuschärfen  bezweckt.  Ähnlich  steht 
ee  bei  dem  Falle  mit  dem  Bettelpilger  und  dem  Waldbewohner 
[d,  h.  dem  Parivräjaka  und  Vänaprcithä];  nämlich  der  Waldein- 
sicdler  soll,  falls  er  die  Weihe  verliert,  zwölf  Nächte  lang  im  Elend 
umherirren  |  und  dann  ein  jrofses  Gehölz  urbar  machen;  mit  dem  1030 
Bettelpilger  nun  steht  es  ebenso  wie  mit  dem  Waldbewohner,  nur 
dafs  er  von  der  Fördenuig  des  Soma  befreit  ist  und  die  seinem 
Gesetzbuche  gemäfse  Sühne  vollbringt.  Die  dieses  und  ähnliches 
über  die  Bufse  verordnenden  Smritistellen  sind  hier  als  mafsgebend 
zu  betrachten. 


672  CMnka-mlm«kÄ8li 


Zwölf te8  Adhikaranam. 

43.   vakis  tu  vibhayathA  api^  amriter  äcäräc  ca 

hinaus  aber  mit  ihnen  im  einen  FaU  wie  im  andern, 

wegen  der  Smriti  und  der  Sitte. 

Mag  aber  nmi  der  Abfall  der  ZeugnngBerbabenen  von  ihrem  6e- 
Ifibde  eine  Haupisünde  oder  eine  Nebensünde  sein,  in  dem  einen 
Falle  wie  in  dem  andern  sind  die  Betreffendai  ans  den  übrigen 
ansziuicheiden;  denn  es  heifst: 

^Wor  sich  auf  Lebenszeit  2oni  Schüler  macht 
„und  dann  noch  einen  Fehltritt  kann  begehen, 
„Der  ist  ein  Mörder  an  dem  Selbst,  för  ihn 
„Ist  eine  Bnfse  nicht  mehr  zn  ersehen'*; 

1031  I  nnd  femer: 

„Ein  Geistlicher,  der  sein  Gelübde  brach 
.    „Und  ans  dem  Kreis  des  Ordens  aosgeschieden, 
„Und  ein  Erh&ngter  und  was  Würmer  nagmi, 
„Wer  die  Berührung  dieser  drei  erduldet, 
„Der  hat  die  Mondlaufs -Bofsühnng  irerschaldet''. 

Wegen  Smritistellen ,  welche  wie  diese  sich  im  höchsten  Grade 
tadelnd  aussprechen,  so  wie  auch  wegen  der  Sitte  der  Gebildeten 
sind  derartige  Elemente  auszuscheiden,  denn  es  geht  nioht  an,  dafs 
die  übrigen  in  Opfern,  Stndien,  Hochzeiten  n.  s.  w.  mit  ihnen  Ge- 
meinschaft haben. 


Dreizehntes  Adhikaranam, 

44.    'sväminähy  phala-Qruter\  iH  Ätreifah 

*des  Opferherrn,  weil  ihm  die  Frucht  verheifeeu'; 

ßo  Atreya. 

In  Betreff  der  Verehrungen,  die  als  Teile  des  Werkdiensie«  vor- 
kommen, erhebt  sich  die  Frage,  ob  dieselben  dem  Opferherm  oder 
dem  Opferpriester  zu  gute  kommen.     Angenommen  also,  ^aie  seien 
1032  'Werke  des  Opferherrn;  warum?  |  „weil  ihm  die  Frucht  verheiTseD*'; 
'denn   als  Frucht  wird   z.  B.  verheifsenr  „Ar  den  i*egnet   ea,    der 


Sftfcram  in.  i^.  44.  673 

S^raacht  es  regnen,  der  dieses  also  wissend  in  dem  Rogen  das 
^ffänftacbe  Saman  verehrt"  (Ch&nd.  2,  3,  2),  und  dieses  mufs  folge* 
'recht  sich  auf  den  Opferherm  beziehen,  da  es  in  einem  Unternehmen 
'vorkommt,  welches  mitsamt  seinen  Teüen  ihm  angehört,  femer  von 
'ihm  [der  Opferpriester]  berufen  wird,  und  Verehrongeu  dieser  Art 
'mit  zum  Berufe  des  Berufenen  gehören*  Die  Frucht  aber  konunt 
'nach  der  Schrift  dem  zu,  welcher  der  Veranstalter  der  Verehrungen 
'ist,  weil  es  hcifst,  dafs  es  für  den  regne,  welcher  die  Verehrung 
'vollbringt.'  Aber  kommt  nicht  auch  mitunter  eine  Frucht  fflr  den 
Opferpriester  vor,  da  es  doch  heifst:  „für  sich  selbst  oder  für  den 
„Veranstalter  des  Opfers  ersingt  er  den  Wunsch,  den  er  begehrt" 
(Brih.  1,  3,  28)?  —  'Dies  beweist  nichts,  eben  wegen  seiner  Ans« 
'drücklichkeit  [durch  die  es  sich  als  eine  Ausnahme  zu  erkennen 
'giebt].  Somit  gilt  als  Thäter  für  die  mit  Verheifsungen  ver- 
'bundenen  Verehrungen  der  Opferherr;'  —  so  meint  der  Lehrer 
Ätreya. 


45.   drtvyyamf  Ui  ÄududomiSj  tasmai  hi  parikriyate 

des  Priesters,  meint  Audulomi,  denn  [nur]  für  jenes 

wird  er  bezahlt. 

Es  ist  nicht  richtig,  dafs  jene  Verehrungen '  zum  Werke  des 
Oljferherm  gehören;  vielmehr  sind  sie  ein  dem  Opferpriester  zu- 
gute kommendes  Werk;  |  so  meint  der  Lehrer  Audulcnni;  aus  wel-  1033 
chem  Qrunde?  weil  [nur]  für  jenes,  nämlich  für  das  Werk  und 
wai?  zu  ihm  gehört,  der  Opferpriester  bezahlt  wird ;  in  dieses  Unter- 
nehmen aber  fallen  Verehrungen  wie  die  des  Udgttha  zwischen 
hinein,  weil  sie  ein  [besonderer]  Beruf  des  Berufenen  sind.  Folg- 
lich gehen,  mit  einer  ähnlichen  Limitation  wie  bei  der  Ccremonio 
des  Kubmelkens  u.  s.  w.  [vgl.  Sütram  3,  3,  42,  S.  612 — 614],  diese 
Verehrungen  von  den  Opferpriostem  aus.  In  diesem  Sinne  heilst 
es  audi:  „diesen  wufsio  Vaka,  aus  dem  Stamm»*  des  Dalbha,  denn 
„er  war  der  Udgätar  der  Bewohner  des  Nairaishawaldes  geweHcn" 
(Chand.  1,  2,  13).  Hierin  liegt,  dafs  die  Erkmmtnis  den  (Jdgatar 
[nicht  den  Yi^amana]  zum  Thäter  hat.  Wenn  aber  geltend  geiuucht 
wurde,'  dafs  die  Schrift  dem  Thäter  des  Werkes  [also  dem  Voja« 
mfina]  die  Frucht  verheifse,  so  ändert  dieses  hit^rin  nichts;  näm- 
lich [was  die  Werke  und  nicht  die  Erkenntnis  betrifft];  so  steht 
hier  der  Opferpriester  im  Dienste  eines  andern,  daher  ihm,  ab- 
gesehen  von  Fällen,  wo  es  ausdrücklich  gesagt  wird,  die  Fiucht 
der  Werke  nicht  zukommen  kann. 


46.   gndeg  ca 
anch  wegen  der  Schrift 

Wenn  es  heiftt:  »Jeden  Segonawnnflch,  den  die  Priester  beim 
„Opfer  erwflnselvetii  den  erwünsehen  rie  ftr  den  Opferherra;  eo 
„sprach  er"  (Qatap.  hr.  1,  3^  1,  26),  und:  „dÄnun  soll  der  Udg&ter, 
„der  Solebes  weifs,  sagen :  welchen  Wunsch  soll  ich  dir  ersingen?' 
(GhAnd.  J)  7,  8)  --  so  liegt  hierin,  dafs  die  Erkenntnis,  deren 
Fracht  hier  dem  Opferherm  zn  gute  kommen  soll,  ein  Werk  des 
1034  Opferpriesters  ist,  |  Somit  ist  bewiesen,  dals  die  ids  Teil  der  Werke 
vorkommenden  Verehrungen  ein  dem  Opferpriester  angehöriges 
Werk  sind. 


VierzelinUs  Adhikarainam. 

47.    sakakAii'üntai'a-vidhih  pak^hena,  triti^m  tad-vat^; 

vidhi-ddivat 

für  das  Mitbehülfliche  gilt  die  andere  Vorschrift  be- 
dingungsweise, als  drittes  für  den  dies  Besiteendeii  ; 
wie  bei  den  Vorschriften  nx.  s.  w. 

Es  heifst  im  Brihad&ra^yakam  [von  dem  Samnyisin]:  „daciun, 
„nachdem  der  Brahmane    von  sidh    abgethan    die  Gelahrtheit^   so 
„verharre  er  in  Kindlichkeit;  nachdem  er  abgethan  die  Kindlidi- 
„keit  und  die  Gelahrtheit,  dann  wird  er  ein  Schweiger  (Muni): 
„nachdem    er  abgethan    das  Schwieigen    und   das    Nichtschweigen, 
„dann  wird   er  ein  Brähmana"  (Brih.  8,, 5,  1).     Es   fragt  sich,  ob 
hier  ein  Gebot  des  Schweigens  vorliegt  oder  nicht?  —  Angenommen 
also,  'das  Schweigen  werde  nicht  geboten.     Was  nämlich  die  Vor* 
'schrift  betrifft,  so  beschränkt  sie  sich  nur  auf  die  Worte:  „er  ver- 
1035  '„barre   in  Kindheit".  |  Weiter  hingegen  in   deu   Worten:    ,,dattB 
^,wird  er  ein  Muui^^,  iindet  sich  keine  imperative  Yerbalforzn;  daher 
^man  dieselben  als  einen  Anuv&da  (nochmalige  Besprechung  einee 
«schon  Dagewesenen)    anzusehen  hat.     Wie  wir   auf  diese  Unter- 
'scheidung  kommen,  fragt  ihr?  nun  dadurcb,  dafs  die  Worte  j^Mimi'' 
hind  „Gelehrter"  beide   auf  ein  Erk^inen  {welches, nicht  brfohlen 
^werden  kann]  abzwecken.     Damm  kommt  man  doreh  blofaes  Ab- 
*thnn  der  Gelehrtheit  zum  Schweigen.    Auch  heifiit  es  ja  weiter: 
'„nachdem    er  abgethan    das   Schweigen   und  das  Hiehtschweigen, 
*„dann  wird  er  ein  BrlLbmai^";   was  zun&oht  dieae  .}¥orie  betrifil, 


SAtram  III.  xv..  47.  675 

*8o  steht  fest,  dafs  es  nicht  Oegenstand  einer  YorschTift  sein  kann, 
'ein  Brfthmana  sa  werden,  weil  man  es  schon  vorher  war;  darum 
'heifst  es  in  Form  einer  Yerherrlichong:  „dann  wird  er  ein  Br&h- 
'ma^a/*  Ehenso  aber  mnfs  es  stehen  mit  den  Worten:  „dann  wird 
'„er  ein  Muni",  weil  sie  ganz  in  derselben  Weise  ausgedrückt  sind.* 
—  Auf  diese  Annähme  erwidern  wir:  „för  das  Uitbehülfliche  gilt 
„die  andere  Torsehrift'';  d.  h.  bei  dem  zum  Wissen  mitbehiilflichen 
Schweigen  mofs  man  ebenso  gut  wie  bei  der  Kindheit  und  der  6e- 
lahrtheit  eine  Yorschrifb  anerkennen,  weil  eine  solche  vorher  nicht 
da  war.  —  |  'Aber  war  sie  nicht  vielmehr  doch  schon  da,  weil,  1036 
'wie  wir  .^zeigten,  in  dem  Worte  Gelahrheit  dais  Schweigen  schon 
'einbegriffen  ist?*  —  Dem  ist  nicht  so,  denn  das  Wort  Muni  be- 
deutet einen  höheren  Ghrad  der  Erkenntnis,  wie  dies  sowohl  die 
Etymologie  des  Wortes  Muni  von  man  (denken)  beweist,  als  auch 
der  Oebrauch  lehrt,  wenn  es  z.  B.  heifst:  „unter  den  Muni^s  bin 
„ich  Vyftsa"  (Bhag.  G.  10,  37).  —  'Aber  das  Wort  Muni  bedeutet 
'doch  auoh  das  [j^uize]  vierte  Lebensstadium  [und  nicht  blols  eine 
'Stufe  innerhalb  desselben],  indem  es  s.  B.  heifst:  „Hausvaterschaft, 
'„des  Lehrers  Aaus,  das  Schweigen  und  die  Waldbewohnung"  (Apa- 
'stamba,  dharmas.  S,  9,  21,  1).*  —  Hier  pafst  das  nicht;  denn  [dafs 
das  Wort  nicht  notwendig  diese  Bedeutung  hat]  dafür  liegt  ein 
Gegenbeweis  in  den  Worten:  „V&lmlki,  der  trefflichste  der  Muni^s" 
(Eäm&y.  1, 1, 1);  an  der  angeführten  Stelle  hingegen  hat  es  diese 
Bedeutung  nur,  weil  die  andern  Lebensstadien  danebenstehen; 
daher  man  dort  freilich  das  letzte  Lebensstadium  verstehen  mufs, 
weil  nur  dieses  noch  übrig  bleibt,  und  weil  im  letzten  Lebens- 
stadium die  Erkenntnis  die  Hauptsache  bildet.  An  unserer  Stelle 
hingegen  ist  es  so  zu  nehmen,  dafs  [innerhalb  des  vierten  Lebens*^ 
Stadiums,  von  dem  allein  die  Rede  ist]  im  Vergleiche  mit  der  Kind- 
heit und  der  Gelidurtheit  „als  drittes''  jenes  Schweigen  als  eine 
höhere  Stufe  der  Erkenntnis  befohlen  wird.  Allerdings  liegt  ein 
offenbarer  Befehl  nur  bei  der  Kindlichkeit  vor,  aber  gleichwohl 
mufs  man  auch  bei  dem  Muni -sein,  weil  dies  noch  nicht  da  war, 
einen  Befehl  anerkennen,  gleich  als  wenn  es  hiefse:  „er  soll  ein 
„Muni  werden."  Und  auch  daraus,  dafs  das  Schweigen  als  ein 
abzuthuendes  behandelt  wird,  ergiebt  sich,  dafs  man  bei  demselben 
ebenso  gut  wie  bei  der  Kindlichkeit  und  der  Gelahrtheit  einen  Be* 
fehl  annehmen  mufs;  und  zwar  „&r  den  dies  Besitzendon",  d.  h. 
für  den  das  Wissen  besitzenden  Sainny&sin.  —  |  'Aber  woran  er-  io37 
'sieht  man,  dafs  hier  von  dem  das  Wissen  besitzenden  Saqxnyäsin 
'die  Rede  ist?'  —  Weil  dieser  schon  vorher  vorkam,  wo  es  hiefs, 
dafs  diejenigen,  welche  den  Atman  erkannt  haben,  von  dem  Wunsche 
nach  Söhnen  u.  s.  w.  abstehen  und  als  Bettler  umherwandem  (Bf  ib.  3, 
5,  1).  "^  'Aber  wenn  der  hier  in  Rede  Stehende  schon  das  Wissen 
'besitzt,  so  ist  doch  jene  höhere  Stufe  des  Wissens  bereits  ver- 
' wirklicht,  wozu  also  noch  die  Vorschrift  des  Schweigens?'  —  Der 

48  • 


676  gtLriraka-mlm&nsik 

Lehrer  antwortet:  „bedingongsweise'*;  d.  h.  unter  der  Bedingung 
and  insofern  als  durch  das  Überwiegen  der  vielheitlichen  Welt- 
anschauung das  Wissen  noch  nicht  Terwirklicht  ist,  insofern  gilt 
jene  Yorschrift;  „wie  bei  den  Yorschriften  u.  s.  w/*,  d.  h.  ebenso  wie 
bei  Yorschriften  wie:  „wer  nach  dem  Himmel  begehrt,  mulB  das 
„Neu-  und  YoUmondsopfer  bringen*',  das  Feueransünden  u.  b.w., 
weil  es  als  ein  einzelnes  Glied  dazu  mitbehftlflich  ist,  befohlen 
wird,  ebenso  wird  bei  der  vorliegenden  Stelle,  obwohl  sie  ^inen 
Gegenstand  betrifft,  auf  welchen  [eigentlich]  die  Yorschrift  keine 
Anwendung  findet,  sofern  es  sich  dabei  um  das  Wissen  handelt, 
doch  [nebenher]  eine  Yorschrift  des  Schweigens  gegeben. 

'Wenn  nun  aber  solcher  Weise  das  durch  Kindlichkeit  u.  s.  w. 
'charakterisierte  Lebensst-adium  des  Erlöstseins  in  der  Schrift  wirk- 
1038  >lioh  vorkommt,  warum  werden  dann  |  im  Gh&ndogyam  alle  Lebeos* 
'Stadien  in  dem  des  Hausvaters  befafst,  da  wo  es  heifst:  „zurück« 
'„gekehrt  soll  er  in  der  Familie"  (Oh&nd.  8,  15,  1).  Durch  die 
'Befassung  in  ihm  legt  doch  die  Schrift  auf  dieses  das  Hauptgewicht!' 
—  Hierauf  antwortet  der  Lehrer: 


48.    krUsna-bhävät  tu  grihind  upasamhdrah 

weil  er  alles  ist  jedoch^  geschieht  die  Be£a88ui2g  durch 

den  Hausvater. 

Das  Wort  „jedoch"  dient  zur  Hervorhebung;  n&mlich  hervor- 
gehoben wird,  dafs  er  [der  Hansvater]  alle  [Lebensstadien]  in  sich 
befafst;  denn  viele  muhevolle  Werke  der  Lebensstadieu,  wie  Opfern 
u.  s.  w.,  werden  diesem  zwr  JBetreibung  angewiesen,  und  auch  die 
Werke  der  übrigen  Lebensstadien,  2.  B.  Schonung  der  lebenden 
Wesen,  Bezähmung  der  Sinne  u.  s.  w.,  kommen  unter  Umständen 
auch  bei  ihm  vor;  darum  kann  die  Befassung  [aller  l^iebcnsstadien] 
durch  den  Hausvater  ohne  Widerspruch  geschehen. 

49.    mauna-vüd  ÜaresMm  api  upade^M 

weil  wie  das  Schweigen  auch  die  nbrigeu  aufgewiesen 

werden. 

So  wie  da»  Schweigen  und  die  Pfaus  Vaterschaft  als  zwei  f^Lens* 
Stadien  in  der  Schrift  erwähnt  werden,  ebenso  gilt  dies  von  den 
beiden  ül)rigen,  der  Waldbewohnung  und  der  Lehrliifgschaft.  Denn 
wir  wiesen  schon  oben  auf  die  Schriftstelle  hin:  „ßufse  ist  die 
., zweite,   daiä   lasn  als  BrahmaoenHchülor  im  Hause  eines   Lehrers 


Satram  III.  vr.  49.  677 

„wohnt,  die  dritte'*  u.  s.  w.  (CLand.  2,  23,  2).  |  Weil  somit  alle  vier  1039 
Lebensstadien  ohne  Ausnahme  in  der  Schrift  nachweisbar  sind,  des- 
wegen hat  man  sie  gleicherweise,  bald  das  eine  oder  andere,  bald 
alle  zusammen  [in  den  Schriftvirorten]  anzuerkennen.  Der  Plural: 
„auch  die  übrigen",  wo  doch  nur  von  zwei  weiteren  Lebensstadien 
die  Rede  ist,  mufs  entweder  von  der  Verschiedenheit  der  Lebens- 
weise innexhalb  der  einzelnen  Lebensstadien  oder  von  der  Ver- 
schiedenheit der  Verrichtungen  verstanden  werden. 


Fünfzehntes  Adhikaranam, 

50.    unävishkurvan  y  anvayat 

der  es  nicht  nach  aufsen  zeigt,  "wegen  des  Zusammen- 
hanges. 

In  der  Stelle:  „darum  soll  der  Brahmane  abthun  die  Gelahrt^ 
„heit  und  verharren  in  Kindlichkeit"  (Bph.  3,  5,  1),  wird  die  An- 
nahme eines  kindlichen  Wesens  anbefohlen.  Das  Taddbita-Compo- 
situm  jJKindliehkeit"  kann  hierbei  entweder  das  Sein  eines  Kindes 
oder  das  Werk  desselben  bedeuten.  Das  Sein  eines  E[indes  nun, 
als  ein  bestimmtes  Lebensalter,  lälst  sich  durch  Absicht  nicht  ver- 
wirklichen. Somit  fragt  sich  nur,  ob  die  Kindlichkeit  darin  be- 
steht, dafs  man  die  Lebensweise  eines  Kindes,  sofern  dasselbe  z.  B. 
überall,  wie  es  kommt,  seine  natürlichen  Bedürfnisse  verrichtet, 
annimmt,  |  oder  aber  ob  die  Kindlichkeit  in  der  Reinheit  des  1040 
Wesens  besteht,  derzufolge  man  von  Arglist  und  Hochmut  und 
von  dem  heftigen  Dr^g  der  Sinnlichkeit  frei  ist.  —  Angenommen 
also,  'da  doch  das  Wort  Kindlichkeit  gebrauchlicher  in  dem  Sinne 
'ist,  dafs  einer  die  Gewohnheit  hat,  zu  reden  und  zu  essen  wie  es 
4hm  gerade  gefallt,  und  seine  natürlichen  Bedürfhisse  zu  verrichten, 
'wie  es  gerade  kommt,  dafs  es  richtiger  sei,  hier  unter  Kindlich- 
*keit  dieses  zu  verstehen.*  —  Aber  ist  nicht  ein  solches  Benehmen, 
wie  es  einem  beliebt,  deswegen  unzulässig,  weil  dabei  die  Sünde 
eines  Fehltrittes  vorkommen  kann?  —  'Doch  nicht!  denn  der 
'Samny&sin,  welcher  das  Wissen  besitzt,  ist  zufolge  ausdrücklicher 
'Versicherung  der  Schrift  frei  von  der  Sündlichkeit,  ähnlich  wie 
'[es  der  Hausvater  beim  Opfern]  in  Bezug  auf  das  Töten  der 
'Tiere  ist/  —  Auf  diese  Annahme  ist  zu  erwidern,  dafn  dem  nicht 
so  ist,  weil  das  Schrifkwort  eine  andere  Auflegung  gestattet.  Denn 
wo  ohne  Widerspruch  etwas  anderes  als  bezeichnet  durch  das  Wort 
„Kindlichkeit"  angenommen  werden  kann,  da  ist  eine  gegen  sonstige 


678  C&rlrakaHBte&Ati 

-    Torsdiriftaii  verstoisencle  AmuJuaie  nicht  «m  PUtse.    Was  nan  hier 
befohlen  wird,  da«  ist  ein  Mittel  toi  Beförderung  des  HauptEweok««; 
als  Hauptzweck  aber  besteht  dabei  die  den  Asketen  obliegende  Be- 
treibung der  EAenntnis.    Nimnit  man  nun  hier  die  ganze  Lebens- 
l<Mcl  weise  des  Kindes  als  das  Befohlene  an,  |  so  ist  su  bemerken,  dafii 
durch  diese  das  Betreiben  der  Erkenntnis  nidit  gefördert  wird.    Es 
muTs  somit  hier  ein  anderes  Merkmal  des  Kindes,  nimliefa  die  Noch- 
nichterstarkung  der  sinnlichen  Triebe  n.  s»  w«  sein,  was  unter  Kind- 
lichkeit verstanden  wird.    In  diesem  Sinne  sagt  der  Lehrer:  „der 
„es  nicht  nach  aufsen  zeigt**;  d.  h.  man  soll  mit  der  Erkenntnis, 
dem  Yedastndium,  der  Gesetzmäßigkeit  u,  s.  w«  nicht  nach  aufsen 
hin  prunken,  soll  von  Arglist,  Hodunut  u.  s.  w.  frei  sein,  so  wie 
ein  Kind,  dessen  Sinnentriebe  noch  nicht  erstarkt  sind,  und  das 
daher  auch  noch  nicht  beflissen  ist,  sieh  selbst  vor  andern  zu  zei- 
gen.   Wenn  man  das  Wort  so  verstdit,  so  gewinnt  man  einen  „Zn- 
„sammenhang''  des  Sinnes,  welcher  den  Hauptzweck  fördert.    Und 
in  diesem  Sinne  sagen  auch  die  Urheber  der  Smfiti: 

„Den  niemand  kennt  als  ho«:h-  noch  tief-geboren, 
,^Niemand  als  hochgelahrt  noch  ungelahrt,. 
^,Niemand  als  bdsen  Wandels,  guten  Wandels, 
,4>er  ist  ein  Brtlhiiiana  Yon  rechter  Art! 
„Terborgner  PflichterfikOmig  ganz  ergeben 
^  Uabekadntheit  bring'  er  zu  sein  Leben; 
„Als  w&r*  er  blind,  und  taub  und  ohne  Sinn, 
„So  ziehe  dmrch  die  Welt  der  Welse  hin«"; 

und  auch:  „verhüllt  sei  sein  Charakter,  und  verhüllt  sein  Wan- 
„del'*  u.  B.  w. 


Sftfcsm  nr.  IT.  5i-  679 


mfiäcam  a^,  a-praskäa-]^rutibandhe,  tad-darganät 


schon  hiemedoED^  vrasoa  keiiie  B^mderung  des  Vor* 

erwälmteii^  vneSi  die»  ersiditlich. 

Yon  den  Worton:  iJBtaA  dodk  BerttcksidiigiiBg  aller,  wegen  des 
„Schi-ifluructw  mm  Of&ra  «.  ak  v/^  (SCtiravt  3^  4,  26)  an,  wurden  die 
mancfaerlet  BGfcM  dea  Wiattna  erörtert:  We»i  niin  als  die  Fracht 
derselbea  Ums  Wiaae»  mek  Terwirklxcht^  wird  es  dann  immw  adion 
hienieden  in  üeMom  Lebe»  ▼erwirkli^ir  oder  zuweilen  auch  erst 
in  einena  jeascitigiBn?  daa  iifc  die  Frage«  —  Jlngenommen  also,«  'es 

*  werde  steEs  scfao»  biensedeK  Terwxikiirid^  wanoi?  weil  das  Wisaw 
^anf  das  iüshores  des  Sehriflwortea  n.  a.  w»  Mn  erfolgt,  niemand 
*aber  in  der  Absiebt^  da&  ünn  das  Wiveiit  erat  im  Jenseits  an  teil 

*  werde,  sieh  mit  dem  Anbacen  der  Sehsifl:  n.  b.  w.  befalst;  rielmefar 
*befa£Bt  man  sicii  damit  efimbar  in  der  Ahcidkt,  da&  das  Wissen 
'sohön  im  gegenwift^an  Ijs^mib  entstehen  stA.  Und  auch  die 
'Opfer  n.  s.  w.  erzaBgen  das  Wissen  apr  ärnnk  Yermittelung  des 
' Anhörena  der  Sduift,  wreS  das  Wissöa  mar  so»  eiBiem  Erkenntnis- 
'gründe  hervorgehen  |  kann,  ßossit  erie%l  die  Entstehung  des  1043 
'Wissens  immer  sdioa  hieateden,^  -~*  Anf  £eaa  Annähme  erwidern 
wir:  hiemeden  erfolgt  daa  Wissen  nnr  daam  acfafin,.  wenn  „keine 
„Behindenuig  des  Vorerwähnten'^  beal^.    i)aa  haifiity  wenn  bei  den 

im  Fortgänge  befindlichen  Mittdn  zoon  WisBen  keine  Behinderung 
durch  ein  anderes  zBrUetfe  g^dangtes  Weik  eintritt»  dann  erfolgt 
das  Wisaen  sehon  hienieden;  ^ritt  aber  eine  aolehn  Behinderung 
eiu,  so  erfolgt  ea  eni  im  Jenseits^  Ob  unn  aber  am  oelches  Werk  . 
zur  Reife  gelangt,  daa  hingt  ab  Ton  dem  antreffen  dar  räumlichen, 
zeitliehea  und  kao8aIe&  Bedii^gn^fen.  NimKcli  ds^jesjgen  räum^ 
liehen,  seitüdien  und  kansakn  Bedingungen«  walehn  fitar  das  eine 
Werk  die  Heranreifung  reraniassen^  fanrndben  aie  daram  nicht  auch 
für  ein  anderea  au  ▼anmlaaaen»  weil  die  Werke  andi  acdcha  Früchte 
haben  können,  die  aich  g^ensettig  ansadiltefaen  (▼gL  p.  757,  S.  4S6). 
und  auch  der  Schriftkanon  ist  swar  dafos*^  entscheidend,  welches 
Werk  eine  bestimmte  Fracht  bringt,  aber  er  etdfiMt  iddkt  andi 
zugleich  ihre  speeiellen  Bedixigungtti  des  Banmea»  der  Zeit  und  der 
Kausalität.  Nämli<di  aaf  der  yerschiedenartigen  Kraft  der  ICttd 
beruht  ea,  |  dafis  die  metaphysische  Kraft  dea  einen  Werkea  xur  1044 
Ofanbarung  kommt,  während  eben  dadurch  die  dea  andern  gdiemmt 
bleibi     Von  einer  „Absicht*^   aber  (rgL  p.  1042,  6)  kann,  wo  ea 


680  CMrakA-mtmiasi 

gich  um  das  Wissen  bandelt,  in  keinem  f*alle  die  Rede  aein>  da 
eine  Absicht,  ein  Wissen  solle  in  mir  nicht  sich  bilden,  solle  mir 
hier  oder  im  Jenseits  2U  teil  werden,  ohne  Halt  ist.  Und  auch 
das  Anhören  des  Schriftwortes  bediiigt  das  Wissen  nur  insofern, 
als  es  die  obwaltenden  Hemmnngen  beseitigt;  wie  schwer  aber 
der  Atman  zu  erkannen  ist,  das  sagt  die  Schrift  selbst  in  den 
Worten  (K&th.  2,  7): 

„Den  auch  za  hören  vielen  nicht  beschieden, 

„Und  viele,  die  ihn  hAren,  nicht  erkennen, 

„Ein  Wunder,  wer  ihn  lehrt  als  kundiger  £rlanger, 

„Ein  Wunder,  wer  ihn  lernt,  belehrt  von  dem  der  kundig.'^ 

Und  wenn  die  Schrift  lehrt,  wie  Y&madeva  schon  im  Mutterleibe 
1045  sich  selbst  als  Brahman  erkannte  (Bph.  1,  4,  10),  |  so  beweist  sie 
damit,  dafs  anch  durch  Mittel,  die  in  einem  vorherigen  Leben  zu- 
sammengebracht waren,  in  einem  nachfolgenden  Leben  das  Wissen 
entstehen  kann.    Denn  von  einem  noch  im  Mutt-erleibe  Befindlichen 
kanh  von  einem   schon  in  diesem  Leben  vollbrachten  Mittet  keine 
Rede  sein.     Und  auch  die  Smpti  l&fst  den  Arjuna  fragen:  „was 
„wird   aus  dem,  der  die  Vollendung  nicht  erreicht?**   worauf  der 
heilige   Yasudeva    antwortet :    „wer  Qutes    wirkt,    dem    kann    es 
„schlecht  nicht  gehen'*,  und  nachdem  er  sodann  dargelegt,  wie  ein 
äolcher  die  Welt  der  guten  Werke  erlangt,  und  darauf  die  Nea- 
guburt  in  einer  guten  Familie,  so  heilst  es  weiter:  „dann  wird  das 
., Wissen  ihm  zu  teil,  das  er  verdient  durch  frühere  LeiblichkeiVS 
und  zum  Schlüsse:  „durch  mancherlei  Gebnrt  geläutert,  gebt  end- 
„lich  er  den  höchsten  Gang*^  (Bhag.  6.  6,  37  —  45).     Somit  steht 
es  fest,  dafs,  je  nachdem  die  Hindernisse  beseitigt  werdeji,  die  £nt- 
stehung  des  Wissens  schon  hienieden  oder  erst  in  einem  jenseitigen 
Dasein  erfolgt.  ' 


Siebzehntes  Adhikaranam, 

53.    evam  rnukti-phala-amyamasj  tad-avasÜiA^vadhrUeSy 

tad  -  avtisthä  -  avadhrUeh 

in  dieser  Weise  ist  die  Frucht  der  ErlÖHUug  nicht  durch 
Regeln  bestimmbar,  nach  dem  was  über  diesen  Zustand 
vensichert  wird,  über  diesen  Zustand  versichert  wird. 

Was  also  den  nach  Erlösung  Trachtenden  betrifft,  der   auf  dat» 
y/issen  als  Mittel  zu  derselben  baut,   so  ergiebt  sich,  dafs  wegen 


S&tram  III.  r?.  52.  681 

der  verachiedeuartigeii  Kraft  der  Mittel  auch  inbetreff  des  Wissens 
«Itt  ihrer  Fracht  eine  bestimmte  Regel  der  Verschiedenheit  besteht, 
wonach  dasselbe  schon  hier  oder  erst  in  einem  andern  lieben  als 
Fracht  eintritt.  Nun  könnte  man  denken,  dafs  auch  in  Besag  auf 
die  Erlösung  als  Frucht  eine  bestimmte  Regel  der  Verschiedenheit 
inbetreff  eines  höheren  oder  geringeren  Grades  möglich  sei.  |  Hier*  104C 
gegen  bemerkt  der  Lehrer:  „in  dieser  Weise  ist  die  Frucht  der 
„Erlösung  nicht  durch  Regeln  bestimmbar";  d.  h.,  man  darf  nicht 
glauben,  dafs  auch  in  Bezug*  auf  die  Frucht  der  Erlösung  irgend 
ein  derartiger  nach  Regeln  bestimmbarer  Unterschied  des  Grades 
stattfindet.  Warum?  „nach  dem  was  Über  diesen  Zustand  Tersichert 
„wird",  indem  in  allen  Ved&ntatexten  versichert  wird,  dafs  der  Zu- 
stand der  Erlösung  ein  einartiger  sei.  Nämlich  der  Zustand  der 
Erlösung  ist  das  Brahman  selbst;  das  Brahman  aber  kann  nicht  als 
mit  vielerlei  Formen  verbunden  gedacht  werden,  weil  dasselbe  nur 
ein  einheitliches  Merkmal  besitzt  (S.  620  fg.)i  ^'^^  die  Schrift  ver- 
sichert: „es  ist  nicht  grob  und  nicht  fein"  (Brih.  3,  8,  8);  —  „er 
„aber,  der  Ätman  ist  nicht  so  und  ist  nicht  so"  (Brih.  3,  .9,  26);  — 
„wenn  einer  nichts  anderes  sieht"  (Chand.  7,  24,  1) ;  —  „das  Brah- 
„mair  ist  jenes  Unsterbliche  im  Osten"  (Mun^.  2,  2,  11);  •^—  „dieses. 
„Weltall  ist,  was  diese  Seele  ist"  (Brih.  2,  4,  6);  —  „fürwahr  dieses 
„grofse  ungebome  Selbst  ist  nicht  alternd,  nicht -welkend,  uiistcrb- 
„lich,  ohne  Furcht,  ist  das  Brahman"  (Brih.  4,  4,  25);  —  „wo  aber 
„einem  alles  zum  eigenen  Selbste  geworden  ist,  wie  sollte  er  da 
„irgend  wen  sehen"  (Brih.  4,  5,  15)  u.  s.  w.  —  |  Nämlich  was  die  1047 
Mittel  des  Wissens  betrifft,  so  sind  dieselben  an  Kraft  verschieden 
und  können  daher  auch  an  dem  Wissen  als  ihrer  Frucht  einen  ge- 
wissen Gradunterschied  bedingen ;  nicht  aber  steht  4)s  so  mit  der 
Erlösung  als  der  Frucht  des  Wissens;  diese  nämlich  läfst  sich  über- 
haupt nicht  durch  Mittel  bewirken,  weil  sie  ihrer  Natur  nach  schon 
ewig  verwirklicht  ist  und  durch  das  Wissen  nur  erkannt  zu  werden 
braucht,  wie  wir  dies  wiederholt  auseinandergesetzt  haben.  Bei 
der  Erlösung  also  ist  kein  Gradunterschied  des  Höheren  oder  Nie- 
deren möglich,  weil  eine  niedere  Erlösung  kein  Gegenstand  des 
Wissens  ist,  denn  das  Wissen  ist  an  sich  selbst  schon  hoch.  In- 
betreff des  Wissens  also  mag  ein  solcher  Gradunterschied,  sofeni 
0.9  früher  oder  später  eintritt,  bestehen,  inbetreff  der  Erlösung  hin- 
gegen ist  ein  Unterschied  des  Grades  nicht  möglich.  Und  auch 
darum,  weil  das  Wissen  seiner  Natur  noch  ein  einheitliches  ist,  ist 
in  Bezug  auf  seine  Frucht  keine  durch  Regeln  bestimmbare  Ver- 
schiedenheit möglich,  wie  sie  es  bei  der  Frucht  der  Werke  ist. 
Denn  bei  dem  Wissen  als  Mittel  der  Erlösung  besteht  nicht  wie 
bei  den  Werken  eine  Verschiedenheit.  Was  allerdings  die  attribut- 
haften Jjehren  betrifft,  wie  z.  B. .  „Mauas  ist  bcin  Stoff,  Leben  sein 
„Leib"  (Chänd.  3,  14,  2),  so  ist  hier  zufolge  des  Mehr  oder  Minder 
von  Attributen  jpine  Verschiedenheit  möglich,  und  daher  auch  eine 


6^2  gftHrak&-mlm&ö84 

entsprechende  Versehiedesibeit  der  Fmdii  fthnHcli  wie  bei  dir  Fruelii 
der  Werke  denkbar;  und  dalür  zeogi  such  die  SofariflstcIIs:  ^aeb 
„dem  Mafse  wie  man  ikn  verehrt,  daiiaeh  gehet  es/^  AmäerB  aber 
1048  steht  es  in  der  attribotlcMKS  |  Wissensdiaft,  weil  hier  kciae  Attri- 
bute [die  binzukommeo  oder  abgehen  könnten]  varhuiiiea  aiiuf. 
Und  80  sagt  auch  die  Smnti  (Mahabh.  12,  7125): 

f^ier  ist  ein  höherer  Weg  f&r  keinen  möglich, 
„Denn  üngleichheil  gilt  nnr^  .w»  Attribate/* 

„Was  über  diesen  Zustand  versichert  wird,  was  über  dioseir  Zustaad 
'    ,f versichert  wird",  —  diese  Wiederiidbing  der  Worte  2mgi  den  Ab* 
Schlafs  des  Adhyiya  an. 


So  lautet  in  dem  Kommimtare  sor  «rlattehle»  i^traka  -  mSmdhsä ,  dan  Werk«  det 
•rhabeneD  FOA«  des  trlaaohieii  ^i^ftara,  im  dfitliv  Adk^aym  d«r  vMrte  f44a. 


Ende  des  dritten  Adhjiya* 


\ 

t 


VIERTER  ÄDHYAYA. 


Des  Tieften  Adhy&ya 


ERSTER  PADA. 


Om  t    Vcrebning  dtm  höv hsteu  Ätman ! 


Erstes  Adkikaranam. 

i.    ävrittirj  asakrid  upadefät  1049 

Wiederholung,  wegen  der  Anweisung ,  dafs  mehrmals. 

Der  dritte  Adhy&ya  beschäftigte  sich  vornehmlich  damit,  in  Be- 
zog auf  die  höhere  Wissenschaft  und  auf  die  niederen  die  Mittel 
iu  Betracht  su  ziehen,  während  nunmehr,  im  vierten  Adhyäya,  eine 
Betrachtung  folgt,  welche  es  mit  der  Frucht  zu  thun  hat,  wobei 
gelegentlich  noch  aufserdem  dies  und  das  zu  überdenken  sein  wird. 
Zunächst  nun  handelt  es  sich  darum,  einige  Adhikarana^s  hindurch 
noch  gewissen  besonderen,  auf  die  Mittel  bezüglichen  Erwägungen 
nachzugehen. 

Es  helfst:  „den  Ätman  fürwahr  soll  man  sehen,  soll  man  hören, 
„>;oli  man  verstehen,  soll  man  überdenken"  (Bph.  2,  4,  5);  —  „dem 
„trachtet  nach  die  Weisheit  zu  erringen"  (Brih.  4,  4,  21);  —  „den 
„soll  mau  erforschen,  den  »oll  man  suchen  zu  erkennen"  (Chand.  i"^, 
7,  1).  Bei  Schi'ift stellen  dieser  Art  erhebt  sich  die  Frage,  ob  es 
sich  dabei  um  ein  einmaliges  Voi'stellen  handelt  oder  um  ein  j 
wiederholentlichos  ?  —  Angenommen  also,  *es  handele  sieh,  ähnlich  lOoo 
*wie  bei  den  Werken  de«  Voropfers  u.  s.  w.,  um  ein  einmaliges 
'Vorstellen,  weil  schon  durch  ein  solche^i  der  von  fler  Schrift  go- 
'wollte  Zweck  erreicht  wird,  somit  derjenige,  welcher  die  von  der 
'Schrift  nicht  vorgesclirl.'beno  Witderholnug  Hii.st»Ute,  einen  von  der 


686  QirlrakA-nlin&äsft 


i 


'Sehrift  nicht  gewollten  Zweck  Teifolgen  würde«*  —  Aber  worden    1 
nicht  Stellen  angef&hrt»  welche  dasu  anweisen,  daCs  die  Yorstellung 
mehrmalB  herrorsabringen  ist,  wie.s.  B.  „man  soll  ihn  hören,  soll 
„ihn  verstehen,  soll  ihn  überdenken*^  (Brih.  2,  4,  5)?  —  'Auch  in 
'diesem  Falle  würde  die  Wiederholung  doch  höehstens  nur  in  dem 
'Mafse,  wie  die  Schrift  es  andeutet,  nicht  aber  darüber  hinaun  an- 
zustellen sein ;  es  würde  also  nur  einmal  das  Hören,  einmal  das 
•    'Verstehen  und  einmal  das  Überdenken  Tonsunefamen  sein.    £b  geht 
'aber  vielmehr  aus  den  nur  einmal  erfolgenden  Anweisungen,   wie 
'wenn  es  heifst  „er  weifs"  oder  „er  möge  yerehren",  hervor,   d&& 
'eine  Wiederholung  überhaupt  nicht  erforderlich  ist/  —  Auf  diese 
.Annahme    erwidern    wir,   dafs   die  Vorstellung  allerdings  wieder- 
holentlioh   anzustellen  ist;  warum?  „wegen  der  Anweisung,   daA 
„mehrmals";  nämlich  eine  Anweisung  wie:  „man  soll  ihn  hören, 
„soll  ihn  verstehen,  soll  ihn  überdenken"  (Brih.  2>  4,'  6),  weist  aller- 
dings darauf  hin,  dafs  die  Vorstellung  zu  wiederholten  Malen  an- 
zustellen ist;  und  wenn  behauptet  wurde,  dafs  man  dieselbe  nur 

1051  so  oft  wie  es  die  Schrift  angebe  |  lihd  nicht  öfter  anstellen  dürfe, 
so  ist  das  nicht  richtig,  weil  diese  Vorstellungen  als  Endmel  das 
Schauen  haben;  nur  dann,  wenn  die  Vorstellungen  des  Hörens  u.  s.  w. 
so  oft  wiederholt  werden,  bis  als  ihr  Endziel  das  Schauen  eintritf, 
haben  sie  ihren  Zweck   erreicht,  ähnlich  wie  z.  B.  das  Dreschen 
erst  damit  sein  Endziel  erreicht,  dafs  alle  Reiskörner  heraus  sind. 
Auch  wird  Ja  durdi  die  Ausdrücke  „Verehren"  und  „Überdenken" 
eine  Thätigkeit  bezeichnet,  welche  als  einwohnende  Eigenschaft  die 
Wiederholung  hat.     In  ähnlicher  Weise  sagt  man  auch  im  Leben 
nur  von  einem  solchen,  dafs  er  den  Lehrer  „verehre"  oder  den 
König  „verehre",  welcher  dem  Lehrar  u.  s.  w.  in  dauernder  Hin- 
gebung anhängt;  und  ebenso  sagt  man,  wenn  der  Eheherr  ^es 
Weibes  in  der  Feme  weilt,  nur  dana  von  ihr,  sie  „überdenke" 
den  Qatten,  wenn  sie  ohne  Unterlafs  mit  Sehntticht  sich  an  ihn  er- 
innert.    Dabei  aeigt  der  im  Vedänta  vorkommende  Oebranefa  der 
Worte  „Wissen"  und  „Verehren",  dafs  dieselben  in  Wechselwirkung 
stehen.    Zuweilen  macht  das  Wissen  den  Anfang  und  das  Yerdiren 
den  Schlufs,  z.  B.  wenn  es  an  der  Stelle:  „und  wer  weils  wne  der 
„weifs,  von  dem  gilt  das  auch"  (Ch&ndi:  4»  1»  4)  nachher  heifs^: 
„belehre  mich,  o  Ehrwürdiger,  über  die  Gottheit,  welche  du  ver- 
„ehrst"  (Ch&nd.  4,  2,  2).     Zuweilen  hingegen  macht  die  T^ehrung 
den  Anfang,  und   das  Wissen   den  Schlufs,  z.  B.  wenn  es   an  der 
Stelle  ,,da8  Brahman  soll  man  verehren  als  das  Manas"  (Cfaand.  3, 

1052  18,  1)  weiter  heifst:  „der  leuchtet  und  wärmt  IdurehEhre,  Knlini 
„und  Brahmanen würde,  wer  solches  weifs."  Hieraus  folgt,  dafs 
auch  da,  wo  nur  ein  einmaliges  Vorstelleii  erwähnt  wird,  doch  ein 
wiederholentliches  zu  verstehen  ist,  während  eine  mehrmalige  Er- 
wfthnung,  wo  sie  vorkommt,  eben  die^e  Wiederiiolung  andeatet. 


Sfttnaa  IV.  i.  2.  687 

und  wegen  der  Andeutusg. 

Auch  eine  Aadeutnng  giebt  ssu  verstehen,  dafs  man  die  Yor- 
sieUangen  zu  wiederholen  hat  j^ämlicli  bei  Gelegenheit  der  Yer- 
harrlichiuig.  der  Erkenntnis  clee  üdgitha  wird  saerst,  wo  ee  hei/st: 
„der  Udgftha  ist  die  Sonne''  (CMnd.  1»  5,  1)  dieses  dnreh  £r^ 
wfthnnng  des  darans  folgenden  Mangels,  nnr  einen  Sohn  au  be- 
sitaen,  verworfen,  und  indem  dann  weiter  als  ein  ICttel,  viele 
Söhne  au  erlangen,  die  Erkenntnis  der  Vielheit  der  Strahlen  em* 
pfohXen  wird  mit  den  Worten:  „du  aber  lasse  kreisen  seine  Strahlen*^ 
(Chftnd.  1,  5*,  2),  so  wird  damit  wie  auf  etwas  Bduuintes  auf  das 
Wiederholen  der  Vorstellungen  hingewiesen.  Hieraus  folgt,  da  es 
hei  allen  übrigen  Vorstellungen  ebenso  steht,  dafs  dieselben  au 
wiederholen  sind. 

Hier  nun  bemerkt  der  Gegner:  'augi^eben,  dafs  eine  solche 
'Wiederholung  bei  Vorstellungen,  deren  Frucht  auf  Mitteln  bombt, 
'möglich  sei,  sofern  bei  ihnen  ein  von  jenen  .Wiederholungen  ab- 
'hängiger  Unterschied  des  Gradeu  denkbar  ist,  so  steht  es  doch 
'anders  mit  der  auf  das  höchste  Br<afaman  bezüglichen  Vorstellung, 
'welche  das  höchste  Brahm&n  übermittelt  als  das  seiner  Natur 
'nach  ewige,  reine,  weise  und  erlöste  ii^elbst;  and  es  ist  nicht  ein- 
'zusehen,  was  bei  diesem  die  Wiederholung  bezwecken  soll.  Meint 
'ihr  vielleicht,  dafs  die  Wiederholung  anzunehmen  sei,  sofern  die 
'nur  einmal  gehörte  Wahriieit  von  dem  Brahman  als  dem  Selbste 
'nicht  verstanden  werden  könne,  so  bestreiten  wir  das,  |  weil  sie  1053 
'dann  auch  durch  die  Wiederholung  nicht  verständlich  werden 
'würde.  Denn  wenn  ein  Wort  wie  „das  bist  do"  (Chand.  6,  8,  7) 
'bei  einmaligem  Hören  die  Erkenntnis,  dafs  die  Seele  das  Brahman 
'sei,  nicht  hervorbrächte,  so  wäre  nicht  abzusehen,  wie  es  die- 
'selbe  bei  ofbnaligem  Wiederholen  hervorbringen  sollte.  Man 
'könnte  einwenden,  dafs  die  Schriftaussage  (vakyam)  an  sich  über- 
'haupt  nicht  im  Stande  sei,  irgend  einen  Sinn  zu  offenbaren,  dafs 
^es  daher  vielmehr  die  Schriftaussage,  sofern  sie  von  einer  (er- 
'l&utemden)  Argumentation  (yuhti)  begleitet  werde,  sei,  welche  das 
'Brahmansein  des  Selbstes  zom  Bewnfstsein  bringe.  Aber  auch 
'dann  würde  eine  Wiederholung  zwecklos  sein.  Nämlich  auch  jene 
'Argomentation  wird,  auch  wenn  sie  nur  einmal  angestellt  worden, 
'schon  ihren  O^enstand  zum  Bewnfstsein  bringen.'  —  Aber,  so 
könnte  man  sagen,  durch  die  Argumentation  mitsamt  der  Schrift- 
aussage wird  doch  nur  eine  allgemeine  (abstrakte),  nicht  spe- 
ei  eile  (intuitive)  Erkenntnis  bewirkt.  Z.  B.  wenn  jemand  inner« 
lieh  Leibschmerz  hat,  so  wird  dadurch,  dafs  er  es  aussagt,  sowie 
aus  dem  Krümmen  der  Glieder  und  andern  Anzeichen  über  das 
Vorhandensein  des  Leil)schmerzes  bei  andern  nur  eine  allgemeine 


688  C^rirakti-mlm&DSä 

(abstrakte),  nicht  eine  apecielle  (intuitiye,   konkrete)  Innewerduog 
hervorgebracht  werden.    Ähnlich  wie  mit  dieser  auf  den  Leibsciimerz 
bezüglichen  speciellen  (konkreten)  Empfindung  könnte   es  nun  ja 
auch  mit   der   das  Nichtwissen    aufhebenden,    auf  die   betreffende 
Sache  bezüglichen  Wiederholung  stehen.   —  'Aber  dem  ist  nicht 
^Bo;  denn  auch  wenn  sie.  wiederholentlich  vorgenommen  wird,  kann 
^eine    solche   blofs    änfserliche  Erkenntnis    niemals   jene    specielle 
'(konkrete)  Innewerdung  erzeugen;  und  wenn  jene  Speciaierkennt- 
*ttis  durch  einmalige  Benutzung  von  Sohriitwprt  und  Argumentation 
'nidit  erreicht  wird,  so  läfst  sie  sich  auch  nicht  durch  hundertfache 
'Benutzung  derselben  erreichen.     Mag  dalier  durch  die  Benutzung 
'von  Schriftwort,  und  Argumentation  eine  specielle  oder  eine  blofs 
'allgemeine  Erkenntnis  bewirkt  werden,  in  beiden  Fällen  werden  | 
1054  'schon  bei  einmaliger  Benutzung  diese  ihre  Wirkung  thun,  und  zu 
'einer  Wiederholung  derselben  ist  keine  Veranlassung.    Endlich  darf 
'man  doch  auch  nicht  behaupten,  dafs  der  einmalige  Gebrauch  von 
'Scliriftwort  und  Argumentation  bei  allen  und  jeden  die  Innewerdung 
'nicht  hervorbringen  könne,  da  ja  doch  die  nach  dieser  Erkenntnin 
'Strebenden  an  geistiger  Begabung  verschieden  sind.    Hierzu  kommt, 
'dai's  bei  einem  weltlichen  Gegenstande,   welcher  verschiedenartige 
'Teile  besitzt,  und  allgemeine  und  specielle  Bestimmungen  an  sich 
'trftgt,  man  sich  durch  die  einmalige  Befassung  damit  des  einen 
'Teiles  und  durch  eine  zweite  Befassung  eines  andern  Teiles  ver- 
'sichern  kann,  so  dafs  hier  allerdings,  z.  B.  wenn  es  sich  um  die. 
'Auffassung  eines  langen  Kapitels  handelt,  die  Wiederholung  von 
^Nutzen  sein  mag;  hingegen  bei  dem  aller  speciellen  Bestimmungen 
'ermangelnden  Brahman,  welches  anderseits  auch  frei  ist  von  Be^ 
'Stimmungen,  die  ihm  mit  andern  gemeinsam  wären,  und  seinem 
'Wesen  nach  aus  reiner  Geistigkeit  besteht,  ist  zur  Erzeugung  des 
'richtigen  Begriffes  von  ihm  eine  Berücksichtigung  der  Wiederholung 
'nicht  statthaft.' 

Hierauf  ist  zu  erwidern:  wir  geben  zu,  dafs  die  Wiederholung 
zwecklos  ist  für  einen  jeden,  der  auf  einmalige  Mitteilung  der 
Worte:  „das  bist  du",  hin  im  Stande  ist,  seines  Brahmanseins  inni^ 
zu  werden ;  wer  aber  hierzu  nicht  im  Staude  ist,  bei  dem  ist  aller- 
dings die  Wiederholung  am  Platze*  In  diesem  Sinne  heifsi  es  im 
Chändogyam  auch  nach  den  Worten:  ,,das  bist  du,  o  ^yetaketn", 
noch :  „lehre  mich  weiter,  o  Ehrwürdiger"  (Chand.  6,  8,  7  fg.),  und 
durch  diese  Bitte  wird  der  Lehrer  inniger  wieder  und  wieder  dazn 
angeregt,  bald  diesen,  bald  jenen  Zwei  fei  sgrund  zu  beseitigen  und 
so  die  Belehrung  „das  bist  du"  zu  wioderho!tcn  Makn  zu  geben. 
In  demselben  Sinne  verwiesen  wir  schon  auf  die  Worte:  „man  sol) 
„ihn  hören^  Roil  ihn  vonstohen,  soll  ihn  überdenken"  (Brih.  2^  4»  5). 
—  'Aber  wir  »agteu  doch,  dufs,  wenn  das  Wort  „diu  bi.st  dn" 
'beim  einmalige  u  Anhören  Beinen  Inlialt  nicht  zum  Bewur;»tsein 
'bringen  kr>nue,  auch  durch  die  Wiederhotang  dieses  nicht  mdglif:fa 


SAtram  iV.  i.  2.  QgQ 

^seln  werdet* —  |  Dieser  Einwand  ist  nicht  stichhaltig;  wenigstens  1055 
erfahmngnnäfsig  ist  diese  JJnmöglichkeit  nicht;  denn  die  Erfa^ning 
lehre,  wie  man  einen  Satzinhalt,  der  bei  einmaligem  Hören  des 
Satzes  nur  schwer  begriffen  wird,  durch  öfteres  Wiederholen,  indem 
man  dabei  dieses  und  jenes  Mifs^erständnis  hebt,  vollständig  über* 
mittein  kann.  Hierzu  kommt  weiter,  dafs  in  dem  Satze.  „DAS  BIST 
„Du",  der  Gegenstand  des  Wortes  „DU"  für  identisch  erklärt  wird 
mit  dem  Gegenstande  des  Wortes  „DAS".  Dabei  wird  unter  dem 
Wort  „DAS"  jenes  Seiende,  von  welchem  vorher  (Ch&nd.  6,  2,  fg.)  die 
Rede  war,  nämlich  das  mit  bewufster  Absicht  die  Entstehung  n.  s.  w. 
der  Welt  verursachende  Brahman  verstanden,  wie  dasselbe  bekannt, 
ist  aus  Schriftworten  wie :  „Wahrheit,  Erkenntnis,  unendlich  ist  das 
„Brahman"  (Taitt.  2,  1);  —  „die  Erkenntnis,  die  Wonne,  das  Brah- 
„man "  (Brih.  3,  9,  28) ;  —  „es  ist  sehend ,  nicht  gesehen,  .  .  »  er- 
„kennend  nicht  erkannt"  (Brih.  3,  8,  11);  —  „das  Ungeborene" 
(Bfund.  2,  1,  2);  —  „nicht  alternd,  nicht  welkend"  (Brih.  3,  8,  8 
M.;  vgl.  Brih.  4,  4,  25);  —  „nicht  grob  und  nicht  fein,  nicht  kurz 
„und  nicht  lang"  (Brih,  3,  8,  8)  Hierbei  worden  durch  Scbriftworte 
wie  „iinge^oren"  die  Umwandlungen  des  Wesens  durch  Geburt  u.  s.  w. 
«usgeschlossen^  und  durch  Worte  wie  „nicht  grob"  die  Qualitäten 
der  Substanzen,  wie  Grobheit  u.  s.  w.,  endlich  durch  Worte  wie 
„Erkenntnis"  wird  ausgesprochen,  dafs  daa  Brahman  von  der  Art 
ist,  dafs  es  sein  Wesen  in  der  Geistigkeit  offenbart.  In  dieser  . 
Weise  wird  jenes  „Brahman"  genannte  Wesen,  welches  von  allen 
Qualitäten  des  Samsara  frei  ist,  und  seinem  Wesen  nach  in  der 
Selbstinne werdung  besteht,  als  der  Inhalt  des  Wortes  „DAS" 
von  den  des  Vedänta  BefKssenen-  anerkannt.  —  Ebenso  bedeutet 
weiter  das  Wort  „DU"  die  sehende  und  hörende  innere  Seele,  wie 
sie  vom>  Leibe  ausgehend  als  das  innere  Selbst  zum  Bewufstsein 
gebracht  tmd  als  das  aui^schliefslioh  Geistige  festgehalten  wird. 
Bei  denjenigen  nun,  bei  denen  diese  beiden  Begriffe  durch  Nicht- 
wissen, Zweifel  und  Irrtum  gehemmt  werden,  kann  der  Satz 
„DAS  BIST  DU"  von  5)ich  selbst  aus  das  richtige  Verständnis 
nicht  hervorbringen,  weil  das  Verständnis  des  Satzes  zur  Voraus- 
setzung hat  das  Verständnis  der  Begriffe,  aus  denen  er  besteht. 
Mithin  ist  fiir  solche  eine  die  Unterscheidung  dieser  Begriffe  be- 
zweckende Wiederholung  von  Schriftwort  und  Argumentation  «er- 
forderlich. Und  wenn  auch  weiter  der  zu  erkennende  Atmun  ohne 
Teile  ist,  so  wird  doch  auf  denselben  |  die  Vielheit lichkeit  von  105^ 
Leib,  Sinnen y  Manas,  Buddhi,  Objekten  und  Empfindungen  irrtüm- 
lich übertragen.  Sofern  nun  dabei  durch  das  eine  Autmerken  der 
eine  Teil,  und  durch  ein  anderes  ein  anderer  abgethan  wird,  in- 
sofern ist  ein  stufen  weises  Erkennen  am  Platze,  jedoeii  so,  daf^ 
dasselbe  nur  vorhergehend  ist  vor  der  vollen  Erkenntnis  des  Ätman. 
Bei  denen  hingegen,  welche  geschickteren  Geistes  sind  und  in  Be- 
zug auf  die  beiden  Begriffe  nicht  durch  Nichtwissen,  Zweifel  und 
Dbubu«,  VedA&t*  44 


690  Qiirlraka-inliii&Ästi 

Irrtam  behindert  werden,  kann  schon  dnrch  einmalige  Mitteilong 
der  Sinn  des  Satses  snm  BewuTstsein  gebracht  werden,  und  in  Be- 
treff ihrer  ist  aUe^dings  die  Zwecklosigkeit  einer  Wiederholanj|r  zn- 
.    zugeben.    Denn  sobald  mit  einem  Schlage  die  Erkenntnis  des  Atman 
eintritt,  macht  sie  dem  Nichtwissen  ein  Ende,  und  von  einer  Stufen» 
reihe  kann  dabei  nicht  die  Rede  sein.  —  Man  könnte  einwenden: 
'das  wäre  richtig,  wenn  es  überhaupt  irgend  jemanden  g&be,  dem 
'in  dieser  Weise  die  Erkenntnis  aufginge,  [aber  das  ist  nicht  wohl 
'möglich;]  denn  d!e  Überzeugung,  dafs  es  das  eigene  Selbst  sei, 
'welches  den  Schmers  u.  s.  w.  empfinde,  ist  so  stark,  dafs  niemand 
'die  Niohtrealit&t  der  Schmerzempfindting   zugeben  wird.'  —  Aber 
dies  ist  nicht  richtig.    Denn  so  gut  wie  der  ganze  Leib  ein  blofser 
Wahn  ist,   ist    auch    das  Gefühl    der   Schmerzempfindung  u.  s.  w. 
nichts  weiter  als  ein  irrtümlicher  Wahn.     Nämlich  von  aufsen  be- 
trachtet, wenn  mein  Leib  geschnitten  oder  gebrannt  wird,  und  ich 
sage  „ich  werde  geschnitten,  werde  gebrannt",  so  ist  das  ein  faL»cher 
Wahn;  und  ebenso,   wenn  die  noch  mehr  äufserlichen  [Zubehöre 
meines  Ich]  z.  B.  Söhne,  Freunde  u.  s.  W.  leiden,  und  ich  sage  ,4<^ 
„leide",  so  ist  dieses  offenbar  eine  unrichtige  Übertragung.    Ebenso 
nun  steht  es  mit  dem  Wahne  der  Empfindung  des  Schmerzes;  denn 
ganz  ebenso  wie  mein  Leib  wird  auch  die  Schmerzempfindung  als 
etwas  wahrgenommen  9  was  auüserhalb  der  Geistigkeit  liegt;  daher 
jene  auch  im  Tiefschlafe  nicht  fortbesteht,  während  die  Geist^keit 
1057  hingegen  auch  im  Tiefschlafe  fortbesteht,  |  denn  die  Sdoift  ngt: 
„wenn  er  dann  nicht  sieht,  so  ist  er  doch  sehend,  obscht D  er^  nicht 
„sieht"  (Brih.  4,  3,  23).    Damm  besteht  die  Innewerdung  des  Atman 
darin,  dafs  man  sich  selbst  als  die  von  skllem  Schmerze  unberührte, 
einheitliche  Geistigkeit  erkennt.     Wer   sich  aU  diese  erkannt  hat, 
f&r  den  bleibt  nichts  mehr  zu  thun  übrig.    Denn  die  Schrift  sagt: 
„wozu  brauchen  wir  Nachkommen,  ¥rir,  deren  Seele  diese  Welt  istt!*' 
(Brih.  4,  4,  22),  und  zeigt  damit,  dafs  för  den  Ätmanwisser  keine 
Pflicht  mehr  besteht.     Und  auch  die  Smriti  sagt  (Bhag.  G.  3,  17): 

„Der  Mann,  der  an  dem  Selbst  sich  freut, 
„Am  Selbste  sein  Genüge  findend 
„Und  seinen  Frieden  in  dem  Selbst, 
„Fttr  den  ist  keine  Pflicht  mehr  bindend." 

Bei  wem  hingegen  diese  Innewerdung  nicht  gleichsam^  mit  einem 
Schlage  eintritt,  für  den  ist  eine  zum  Zwecke  der  Innewerdung 
angestellte  Wiederholung  das  Richtige.  Aber  audi  bei  ihm  geschieht 
dies  nicht  so,  dafs  man  ihn  zuerst  von  dem  Sinne  des  Satzes  „das 
„bist  du"  [durch  ans  der  Vielheit  geschöpfte  Betrachtungen]  weiter 
abbrächte,  um  ihn  in  der  Wiederholung  demselben  wieder  zuzu- 
treiben, denn  damit  sie  ihren  Freier  tötet,  yerheiratet  man  ein 
M&dohen  doch  nicht.  Ja,  wer  noch  durch  die  Pflicht  gebunden 
ist,  der  denkt:  ich  bin  zu  ihr  verpflichtet,  bin  Th&ter,  mufs  dieses 


Sütram  IV.  i.  2. 


691 


hier  tbnn ,  und  solche  Vorstellungen  stehen  unweigerlich  mit  der 
Yorstellang,  dais  mau  Brahman  sei,  in  Widersprach.  Wer  hin- 
gegen nur  deswegen,  weil  er  von  Haus  aus  nnr*  langsamen  Geistes 
ist,  den  Inhalt  des  Satzes  nicht  versteht  und  von  ihm  abirrt,  v6n 
dem  wird  die  Befestigung  in  dem  Inhalt  dieses  Satzes,  wenn  er  ihn 
durch  Wiederholung  u.  s.  w.  eingeprägt  bekommt,  föglich  erlangt. 
Somit  ist  erwiesen,  dafs  auch  bei  einer  das  höchste  Brahman  be- 
treffeuden  Vorstellung  in  den  dabei  als  Mittel  dienenden  Unter- 
weisungen eine  Wiederholung  statthaft  ist. 


Zweites  Adhikaranam. 


3.    ätmd,  üi  tu  upagucchanti  grähayanti  ca  io58 

als  den  Atman  (das  Selbst)  vielmehr  erkennen  sie  ihn 

an  und  lebxen  ihn  kennen. 

Den  höchsten   Atman , .  wie  er  von   der  Schrift  charakterisiert 
wird,   habe  ich  den  als  mein   eigenes  Ich  oder  als   ein   von  mir 
Verschiedenes  aufzufassen?  das  ist  zu*  untersuchen.    Aber  wie  kann 
hier  ein  Zweifel  bestehen,  da  die  Schrift  ihn  doch  durch  das  Wort 
„Atman^^  bezeichnet,  welches  das  innere  Selbst  bedeutet?    Wir  ant- 
worten: das  Wort  „  Atman  ^*  kann  entweder  im  eigentlichen  Sinne 
genommen  werden,  falls  zwischen  der  individuellen  Seele  und  Gott 
eine  Verschiedenheit  nicht  bestehen  sollte,  oder  aber  es  ist  im  ent- 
gegengesetzten Falle  uneigentlich  zu  fassen,  so  könnte  man  denken. 
—  Angenommen  also,  'der  Ahhan  sei  nicht  als  das  eigene  Ich  auf- 
'zufässen;  denn  wer  als  Eigenschaften  die  Sündlosigkeit  u.  s.  w.  be- 
*sitzt,  der  kann  nicht  unter  den   entgegengesetzten  Eigenschaften 
'begriffen  werden,  sowenig  wie  derjenige,  welcher  diese  entgegen- 
^gesetzten  Eigenschaften  besitzt,  unter  den  Eigenschaften  der  Sünd- 
'losigkeit  u.  s.  w.    Der  höchste  Gott  nun  hat  die  Eigenschaften  der 
'Sündlosigkeit  n.  s.  w.,  während  hingegen  die  verkörperte  Seele  die 
'entgegengesetzten  Eigenschaften  an  sich  trägt.    Soll  nun  Gott  das 
'Wesen  der  wandernden  Seele  besitzen,  so  kann  er  nicht  Gott  sein, 
'und  die  Schriftlehre  wird  bedeutungslos;   soll  hingegen  die  wan- 
'demde  Seele  ihrem  Wesen  nach  Gott  sein,  so  kann  sie  nicht  zu  den 
'Werken   verpflichtet  werden,  der  Schriftkanon  [von  den  Werken] 
'wird  bedeutungslos  und  der  Wahrnehmung  u.  s.  w.  wird  wider- 
'sprochen.     Meint  ihr,  dafs  auf  Grund  der  Schrift  auch  neben  der 
'Verschiedenheit   eine  Wesensidentit&t   angenommen  werden  könne, 
'ähnlich  der  des  Vishnu  u.  s.  w.  mit  den  Sinnbildern  desselben  u.  s.  w., 

44* 


692  ^&rlraka-mlisiii8& 

^BO  würde,  die  Hdgliohkeit  hieryoa  sagegeben,  dodi  insofeni  die 
'Sache  für  uns  tmannehmbar  sein,  als  jedenfalls  die  wandernde  Seele 
'dann  doch  nicht  d^r  eigentliche  Atman,  nämlich  Gott,  sein  könnte.' 

—  Auf  diese  Annahme  erwidern  wir:  „als  der  Ätman  (das  Selbst)" 
1069  ist  der  höchste  Gott  zu  begreifen;  denn  in  dieser  Weise  |  wird  in 

einer^  Stelle ,  welche  von  dem  höchsten  Gotte  handelt,  derselbe  als 
der  Atman  „anerkannt^*  von  den  J&b&la's,  da  wo  es  heUst:  „iür- 
„wä)irf  ich  bin  du,  o  heilige  Gottheit,  und  du,  o  Gottheit  bist  ich". 
Und  auch  andere  Stellen,  z.  B.  das  Wort  „ich  bin  Brahman"  (Brih.  1 , 
4,  10),  sind  als  solche  Anerkennungen  desselben  als  das  eigene 
Selbst  zu  betrachten.  Auch  sind  es  Ved&ntatezte  wie  die  folgen- 
den, welche  Gott  „kennen  lehren*^  als  das  eigene  Selbst:  „es  ist 
„deine  Seele,  die  allem  innerlich  ist"  (Brih.  3,  4,  1);  —  „der  ist 
„deine  Seele,  der  innere  Lenker,  der  unsterbliche^^  (Bf^ih.  3,  7)  3): 

—  „das  ist  das  Heale,  das  ist  die  Seele,  das  bist  du*'  (Chänd.  G, 
8,  7)  Q.  s.  w.     Wenn  behauptet  wurde,   dafs  es  sich  dabei  iUmlicb 
wie  bei  den  Yishnabildem'  um  die  Auffassung  Gottes  in  einem  Sinn- 
bilde handeln  könne,  so  ist  das  unrichtig,  weil  dann  die  Sache  nur 
uneigentlich  zu  nehmen  wäre,   und  weil  auch  der  Schriftaasdmck 
dem  nicht  entspricht.    Denn  wo  es  sich  um  die  Auffassung  in  einem 
Sinnbilde  handelt,  da  kommt  die  Satzyerbindong  nur  einmal  vor, 
und  es  heifst  z.  B.:  „Brahman  ist   das  Manas''  (Gh&nd.  3,  18,  1) 
oder  „Brahman  ist  die  Sonne''  (Chänd.  3,  19,  1)  u.  s.  w.    Hier  hin- 
gegen sagt  die  Schrift:  „ich  'bin  du  und  du  bist  ich."    Also,  weil 
bei  Sinnbildem  die  Schrift  sich  anders  ausdrückt,  ist  die  Wesens- 
einheit anzunehmen. .  Femer  auch,  weil  die  Schrift  die  Anachaaung 
der  Verschiedenheit  verbietet;  denn  es  heifst:  „wer  aber  die  Gott- 
„heit  als  ein  anderes  verehrt  und  spricht:  «ein  anderer  ist  sie  und 
„ein  anderer  bin  ich»,   der  ist  nicht  weise"  (Brih.  1,  4,  10);  — 
„von  Tod   zu  Tode  wird  verstrickt,   wer  ein  [von  Brahman]  Yer- 
„schied'nes  hier  erblickt"  (Brih.  4,  4,  19);  —  „das  Weltall  sdiliefst 
„den  aus,  welcher  das  Weltall  aufserhalb  des  Selbstes  weifs"  (Brih.  2, 
4,  6);  diese  und  viele  andere  Schriftstellen  verbieten  die  Auffasaung 
der  Verschiedenheit.    Wenn  aber  behauptet  wurde,  dafs  Dinge  von 
entgegengesetzten  Eigenbchafteu  nicht   mit  einander  identisch  sein 
könnten,  so  ist  dies  kein  Einwand,  weil  die  Gegensätzlichkeit  der 

1060  Eigenschaften  |  nur  auf  einer  falschen  Erkenntnis  beruht.  Wenn  wei- 
ter gesagt  wurde,  dafs  dann  kein  Gott  sein  könne,  so  ist  das  falsch, 
weil  hier  die  Schrift  die  Erkenntnisnorm  bildet,  und  weil  auch  wir  es 
gar  nicht  in  dieser  Weise  auffassen^  denn  wir  behaupten  gar  nicht, 
dafs  gelehrt  werde,  dafs  Gott  seinem  Wesen  nach  die  wandernde 
Seele  sei,  sondern  vielmehr  umgekehrt,  glauben  wir,  ist  die  Schrift 
bemuht  zu  zeigen,  dafs  die  wandernde  Seele  unter  Beseitigung  ihres 
Wandererseins  ihrem  Wesen  nach  Gott  ist.  Ist  9em  aber  so,  so 
besitzt  der  vor  aller  Zweiheit  freie  Gott  allerdings  die  Eigen- 
Schäften   der   Sündlosigkeit,  und   dafs   Gott   die   entg^engesetzien 


\ 


Bfttrtm  lY.  l  8^  693 

m 

Eigensohaften  beeitze,  ist  hingegen  falsch.    Wenn  weiter  behauptet 
imrde,  dafs  dann  niemand  zn  den  Werken  berufen  sein  könne,  und 
dafs  damit  der  Wahmehmnng  n.  s.  w.  widersprochen  werde,  so  ist 
das  unrichtig.     N&mlich  vor  der  Erweckung  (praboäka)  wird  das 
Wanderersein  als  gültig  angenommen,  und  auf  dieses  bezieht  sich 
das  Treiben  der  Wahmehmong  u.  s.  w.;  „wo  aber  einem  alles  zum 
,,eigenen  Selbste  geworden  ist,  wie  sollte  er  da  irgend  wen  sehen'* 
n.  s.  w.  (Bfih.  4,  6,  15);   in  diesen  Worten  lehrt  die  Schrift,  AaA 
nach  erfolgter  Erweckung  die  Wahrnehmung-  u.  s.  w.  zu  nichte  wird. 
Werft  ihr  ein,  dafs  mit  Yemichtnng  der  Wahrnehmung  auch  die 
Schrift  zu  nichte  werden  müsse,  so  begründet  dieses  keinen  Ein- 
wurf, indem-  wir  es  selbst  so  annehmen;  denn  an  der  Stellt  „dann 
„ist  der  Vater  nicht  Vater *'  heifst  es  weiter:  „der  Vedtr  ist  nicht 
„Yeda"  (Bph.  4,  3,  22);  aus  diesem  Worte  ist  ersichtlich,  dafs  wir 
selbst  die  Schrift  fikr  den  Zustand  der  Erweckung  nicht  mehr  als 
bestehend  betrachten.    Fragt  aber  einer:  'wer  ist  denn  der  Nichi- 
'erweckte?*  so  antworten  wir:  eben  du,  4er  du  ihragst.  -^  *Aber 
4ch  bin  ja  Gott  nach  der  Schriftlehre!'  — >  Wenn  du  das  weilst, 
so   bist  du  erweckt,  und   dann  giebt  es  überhaupt  keinen  Nichi- 
erweckten  mehr.  —  Hiermit  ist  auch  der  Einwurf,  den  einige  vor- 
bringen, I  dafs  doch  wenigstens  kraft  des  Nichtwissens  der  Ätman  1061 
zweiheitlich ,  und  darum  die  Einheitlichkeit  unmöglich  sei,  schon 
beantwortet.     Darum  soll  man  bemüht  seüi,  seinen  Geist  auf  Gott, 
das  heifst  auf  das  eigene  Selbst  zu  richten. 


Drittes  Adhikaranam. 

4.    na  pratUcCj  na  hi  sah 
nicht  in  einem  Sinnbilde,  denn  nicht  kann  ja  er  .  . . 

Es  heifst:  „das  Brahman  soll  man  verehren  als  das  Manas; 
„dies  in  Bezug  auf  das  Selbst;  nun  in  Bezug  auf  die  Gottheit: 
„flas  Brahman  soll  man  verehren  als  den  Äther'^  (ChAnd.  3,  18,  1); 
—  „die  Sonne  ist  das  Brahman,  so  lautet  die  Unterweisung*' 
(Gh&nd.  3,  19,  1);  —  »ver  das  Brahman  als  den  Namen  verehrt** 
(Chand.  7,  1,  5).  —  Bei  derartigen  sinnbildlichen  Verehrungen  er- 
hebt sich  die  Frage,  ob  auch  in  ihnen  eine  Ergreifung  des  Atman 
thunlich  ist  oder  nicht.  —  Angenommen  also,  *es  gezieme  sich, 
*auch  in  ihnen  den  Atman  zu  ergreifen;  warum?  weil  aus  der 
'Sdirift  bekannt  ist,  dafs  das  Brahman  der  Atman  ist  da  nun 
'auch  die  Sinnbilder,  weil  sie  Umwandlungen  des  Brahman  sind^ 
*das  Brahmansein  besitzen,  so  folgt,  dafs  auch  sie  der  Atman  sind.' 


.   694  QlLrlraka'mim&&8ik 

-^  Auf  diese  Annahme  erwidern  wir:  nicht  an  die  Sinnbilder  soll 
man  das  Denken  des  Äimaa  knüjpfen ;  deän  nicht  kann  ja  er'S  d.  h. 
der  Verehrer,  die  disparaten  Stnnbiider  ab  seinen  Atman  ättsanunon- 
fassen.     Und  wenn  behauptet  wurde,  dafs  auch  die  Sinnbilder  als 
Umwandlungen  des  Brahman  ihrem  Wesen  nach  Brahman  und  folg- 
1062  lieh  der  Ätman  seien,  |  so  geht  das  nidit,  weil  dabei  das  Niditsein 
der  Sinnbilder  sich  ergiebt.     Denn  nur   dadurch,   dafs  man  seine 
Natur  als  eine  Umwandlung  aufhebt  ,^  kann  das  zu  Name  u.  s.  w. 
Gewordene  für  Brahman  gelten;  wird  aber  die  Natur  des  Namens 
u.  s.  w.  aufgehoben,   wie  soll  dann  noch  ihre  Sinnbildlichkeit  und 
das  Ergreifen  des  Ätman  in   ihnen  möglich  sein?     Übrigens  läJst 
sich  nicht  darum,  weil  das  Brahman  der  Atman  ist,  in  den  An- 
weisungen zu  einer  bildlichen  Anschauung  des  Brahman  auch  schon 
eine  solche  des  Atman  finden,  und  zwar  weil  das  Th&tersein  u.  s.  w.  da- 
bei nicht  beseitigt  wurde.    Nur  da  aber,  wo  das  Thatersein  und  alle 
andern  (Qualitäten  des  Sai^sara  beseitigt  werden,  kann  das  Brahman 
als  der  Atman  sich  zeigen ;  wo  sie  hingegen  nicht  beseitigt  werden, 
Uegt'  nur  eine  Vorschrift  der  Verehrung  vor;  darum  aber«  weil  der 
Verehrer  mit  den  Sinnbildern  gleichartig  ist,  kann  er  doch  nicht 
seinen  Atman'  (sein  Selbst)   in  ihnen  ergreifen;   denn  man  kann 
nicht  sagen,  dafs  bei  einem  Goldschmuck  und  einer  Goldfigur  das 
eine  das  Selbst  des  andern  sei;  Tielmehr  sind  sie  es  nur  insofern, 
als  beide  aus  Gold  bestehen;  bei  derjenigen  Einheit  aber,  weleho 
auf  dem  Brahmanfiein  beider   [der  Seele  und  des  Sinnbildes]  be- 
ruht, ergiebt  sich,  wie  wir  sagten,  das  Nichtsein  der  Sinnbilder  ala 
solcher.     Darum  ist  es  nicht  möglich,  in  den  Sinnbildern  die  An- 
schauung des  Atman  zu  gewinnen. 


Viertes  Adhikaranam. 

5,    brahma-drishtir^  tttkarshät 
Anscbauung  ala  Brahman,  wegen  der  Erhöhung. 

Bei  eben  diesen  Citaten  erljiebt  sich  noch  eine  andere  Frage,  ob 
n&mlioh  detbei  das  Brahman  als  die  Sonne  u.  s.  w.  angeschaut  wird, 
oder  ob  die  Sonne  u.  s.  w.  als  das  Brahman  angeschaut  werden. 
Woher  die  Frage?  weil  aus  der  Koordination  der  Satzglieder  kein 
sicherer  Entscheidungsgrund  sich  dafür  [welches  das  Subjekt  des 
Satzes  sei]  ergiebt.  Nämlich  das  Wort  Brahman  wird  dabei  den 
1063  Worten  Sonne  u.  s.  w.  |  koordiniert;  es  hei&t:  „die  Sonne  ist  das 
„Brahman^'  (Ch4nd.  3,  19,  1),  „der  Fr&na  ist'  das  Brahnian''  (Kaush. 
2,  2),  „der  Blitz  ist  das  Brahman**  (Bfih.  6,  7, 1),  wobei  beide  Satz- 
glieder im  gleichen  Kasus  stehen.  Es  ist  aber  dabei  nicht  eine  strenge 


S&tramlY.  i.  5.  695 

Koordination  [durch  Ideniiiai]  jcumehmbar,  weil  z.  B.  die  Worte. 
Braiunan  und  Sontie  dem  Sinne  nach  verschiedea  sind;  denn  man 
kann  doch  nicht  mit  [Identitäta-JKoordination  sagen,  der  Ochse  ist 
ein  Pferd.  —  'Aber  l&iki  feich  nicht  die  [Identitäts-jKoordination  daraus 
'verstehen,  dafs  2«  B.  Brahman  und  die  Sonne  sich,  ähnlich  wie  der 
'Thon  und  da«  Gefafe,  sn  einander  verhalten  als  Urstoff  und  IJm- 
'gewandeltes?*  —  Wir  antworten:  nein!  denn  in  dieser  Weise  würde 
aus  der  Gleichsetzung  mit  dem  Urstoffe  eine  Aufhebung  der  Um- 
wandlung sich  ergeben  und  mithin,  wie  wir  zeigten  (p.  1062,  Ij, 
eine  Unmöglichkait  des  Sinnbildes;  auch  hätten  wir  es  dann  zu 
thuQ  mit  einem  Ausspruche  über  den  höchsten  [attributlosen] 
Ätman,  womit  der  Charakter  der  Stelle  als  eine  blol'se  Vorschrift 
der  Verehrung  in  Widerspruch  stehen  würde,  ganz  abgesehen  davon, 
dafs  [in  der  höheren  Wissenschaft]  die  Herbeiziehung  einer  solchen  ~ 
begrenzten  Umwandlung  zwecklos  sein  würde.  Man  mufs  folglich 
ähnlich  wie  in  solchen  Sätzen  wie:  „der  Brahmane  ist  das  all- 
„verbreitete  Feuer"  (vgl.  Eath.  1,  7)  annehmen,  dafs  hierbei  eine 
bildliche  Anschauung  des  einen  als  das  andere  vorliegt,  und  somit 
fragt  sich  weiter,  welches  von  beiden  in  dem  andern  bildlich  au- 
geschaut werden  soll.  Hierbei  könnte  man  annehmen,  ^dafs  die 
^Sache  unbestimmt  sei,  weil  kein  Kanon,  sie  näher  zu  bestimmen, 
Vorhanden  ist' ;  —  oder  man  könnte  annehmen,  ^dafs  das  Brahman 
^bildlich  angeschaut  werden  solle  als  die  Sonne  u.  s.  w. ;  denn  dann 
'würde  durch  die  Anschauung  desselben  als  die  Sonne  u.  s.  w.  [eine 
'Verehrung  des  Brahman  statthaben};  die  Verehrung  des  Brahman 
'aber  ist  es  ja,  welche  nach  der  Bestimmung  des  Kanon  die  Frucht 
'bringt.  Somit  ist  hier  keine  Anschauung  der  Sonne  u.  s.  w.  als 
'das  Brahman  anzunehmen.'  —  Auf  diese  Annahme  erwidern  wir: 
ef  liegt  vielmehr  eine  Anschauung  der  Sonne  u.  s.  w.  als  das  Brah- 
man vor;  warum?  „wegen  der  Erhöhung'^'  nämlich  in  diesem  Falle 
werden  die  Sonne  u.  s.  w.  in  einer  Erhöhung  angeschaut,  indem 
die  Anschauung  als  ein  Höheres  auf  sie  übertragen  wird;  |  und  so  1064 
wird  der  Erfahrungsregel  entsprochen,  nach  der,  wie  die  Regel 
lautet,  die  Anschauung  als  Höheres  einem  Niederen  beizulegen 
ist,  wie  z.  B.  dem  Truchsefs  die  Anschauung  als  König.  Dies 
mufs  hier  gelten^  weil  im  Gegenfalle  eine  Herabsetzung  statthaben 
würde;  denn  wenn  man  den  König  als' den  Truchsefs  anschauen 
wollte,  so  würde  er  eine  Erniedrigung  erleiden,  und  das  wäre 
nicht  gut.  —  'Aber  hier,  wo  der  Schriftkanon  Autorität  ist,  darf 
*doch  an  die  Möglichkeit  einer  Herabsetzung  nicht  gedacht  wer- 
*den;  auch  läfst  sich  eine  Anschauung  der  Schrift  nicht  nach 
'weltlichen  Regeln  meistern!'  . —  Wir  erwidern:  das  wäre  richtig, 
wenn  der  Schriftsinn  feststände;  da  er  aber  zweifelhaft  ist,  so  ist 
ea  nicht  unstatthaft,  behufs  seiner  Feststellung  zu  einer  Erfahrungs- 
regel zu  greifen.  Da  nun  der  Schriftmun  sich  dahin  feststellen 
läCati  dafs   die  Anschauung  als  ein  Höheres  beigelegt  werde,  so 


696  ^Mraka-xnt]iiftAB& 

wäre  allerdings  folgerecht  eine  Herabseizcmg  darin  zu  finden,  wenn 
die  Anschauung  alu  ein  Niedrigeres  beigelegt  würde.  Auch  darum, 
weil  die  Worte  Sonne  u«  s.  w.  Toran stehen,  mufs  man  sie  unweiger- 
lich im  eigentlichen  [nicht  in  figürlichem]  Sinne  nehmen.  Nach- 
dem aber  die  Erkenntnis  durch  diese  voranstehenden  Begriffe  auf 
die  ihnen  eigentümliche  Sphäre  geführt  worden  ist,  kann  das  nach- 
her eingeführte  Brahman  ihnen  unmöglich  in  seinem  eigentlichen 
Sinne  koordiniert  werden,  und  so  stellt  sich  als  allein  möglicher 
Zweck  heraus,  dafs  die  Anschauung  als  Brahman  anbefohlen  wird. 
Dieser  Zweck  ist  auch  darum  der  richtige,  weil  das  Wort  Brahman 
von  der  Partikel  ifi  (so,  als)  begleitet  wird;  denn  es  heifst  ,,al8 
„das  Brahman  (brahma,  iti)  ist  seine  Unterweisung",  „als  das  Brah- 
„man  soll  man  es  verehren",  „als  das  Brahman  verehrt  man  ea^^: 
so  wird  überall  das  Brahman  von  einem  „als"  begleitet,  wahrend 
die  Worte  Sonne  u.  s.  w.  davon  entblöfst  sind.  Wie  daher  in  dem 
Ausdrucke  „er  fafst  das  Perlmutter  als  Silber  (rajaiamj  iti)  anr*, 
1065  das  Wort  Perlmutter  |  wirkliches  Perlmutter  bedeutet,  das  Wort 
Silber  hingegen  nur  den  Sinn  hat,  dafs  etwas  als  Silber  aufgefafst 
werde,  sofern  der  Betreffende  es  nur.  als  Silber  (rajatam  iü)  •&■- 
sieht,  wsüiirend  dabei  kein  Silber  vorhanden  ist,  —  ebenso  ist  an- 
xunehmen,  dafs  auch  an  unserer  Stelle  die  Sonne  u.  s.  w.  als  Brah- 
man (brafimay  iU)  aufgefafst  werden.  Auch  das  Weitere,  wo  die 
Sonne  u.  s.  w.  im  Acousativ  stehen,  beweist,  dafs  eben  sie  es  sind, 
auf  welche  sich  die  Thätigkeit  des  Yerehrens  erstreckt,  wenn  es 
heifst:  „wer,  dieses  also  wissend,  die  Sonne  als  das  Brahman  ver- 
„ehrt"  (Chl^d.  3,  19,  4);  —  „wer  die  Rede  als  das  Brahman  ver- 
mehrt" (Gh&nd.  7,  2,  2) ;  —  „wer  die  Vorstellung  als  das  Brahman 
„verehrt"  (Chänd.  7,  4,  3).  Wenn  aber  behauptet  wurde,  dafs  nur 
eine  Verehrung  des  Brahman  hier  anbefohlen  sein  könne,  wenn  ein 
Lohn  erfolgen  solle  (p.  1063,  13),  so  ist  das  unrichtig,  weil  man 
nach  dem  aufgestellten  Grundsätze  ersieht,  dafs  die  Sonne  u.  s.  w. 
hier  verehrt  werden  sollen.  Ein  Lohn  aber  kann  sich  ebensowohl 
wie  an  die  Verehrung  der  GäHte  u.  s.  w.  auch  an  die  der  Sonne 
u.  s.  w.  knüpfen,  indem  eben  Brahman  als  der  Aufseher  des  Welt- 
ganzen ihn  verleiht,  wie  dies  gezeigt  wurde  an  der  Stelle:  „die 
„Frucht  von  ihm  wegen  der  Möglichkeit"  (Sütram  3,  2,  38).  In  so 
fem  aber  wird  auch  hier  das  Brahman  vorehrt,  als  die  Anschauung 
als  Brahman  auf  die  Sinnbilder  übertragen  wird,  so  wie  auf  die 
Abbilder  u.  s.  w.  die  des  Vishnu  u.  s.  w. 


SüCram  IV.  i.  6.  697 

FnnfteB  Adhikamnam- 

6.    äditya'ddi-matayoQ  ca  anffa\  upapalteh 

und  [hinwiderum]  die  Auffassungen   als  Sonne  u.  s.  w. 
bei  einem  Gliede  [des  Werkdienstes],  wegen  der  An- 
gemessenheit. 

Es  heifst:  „der  dort  leachtet,  den  soll  man  verehren  als  [oder: 
,,al8  den  soll  man  verehren]  den  Udgttha'^  (Chänd.  1,  2,  1),  —  „in 
„den  Welten  soll  man  das  fünffache  Sfonan  verehren"  (Chand.  2^ 
2,  1);  —  „in  der  Rede  soll  man  das  siebenfache  Saman  |  verehren**  1066 
(Chand.  2,  8,  1);  —  „diese  Erde  eben  ist  die  Ric,  das  Feuer  ist 
„das  S&mai^"  (Chand.  1,  6,  1).  Bei  derartigen  auf  Grlieder  [des 
Werkdienstea]  eingeschränkten  Yerehrangen  erhobt  sich  die  Frage, 
ob  dabei  verordnet  werde,  die  Sonne  u.  s.  w.  als  den  üdgttha, 
oder  den  Udgitha  u.  s.  w.  als  die  Sonne  anzuschauen.  Man  konnte 
'denken,  'die  Sache  sei  unbestimmt,  weil  ein  Grund,  sie  zu  bestimmen, 
'nicht  vorliege«  Denn  hier  handelt  es  sich  nicht  wie  vorher  bei 
'dem  Brahman  darum,  irgend  etwas  durch  Erhöhung  auszuzeichnen. 
'Nämlich  das  Bi^ahman  ist  die  Ursache  der  gesamten  Welt,  ist  aus- 
'gestattet  mit  den  Vorzügen  der  Sündlosigkeit  n.  s.  w.;  von  ihm 
'liefs  sich  daher  behaupten,  dafs  es  über  die  Sonne  u.  s.  w.  or- 
'haben  sei;  bei  Sonne  und  Udgitha  hingegen,  welche  beide  blofse 
'Umwandlungen  sind,  läfst  sich  in  keiner  Weise  behaupten,  dafs 
'ein  Unterschied  des  Vorranges  [des  einen  über  das  andere]  statte 
'habe.*  —  Oder  auch:  'die  Sache  ist  bestimmbar,  indem  die  Auf> 
'fassungen  als  Udgitha  u.  s.  w.  der  Sonne  u.  s.  w.  beigelegt  werden ; 
'warum?  weil  der  Udgitha  u.  s.  w.  zu  den  Werken  gehören,  an 
'das  Werk  aber  sich  die  Erlangung  der  Frucht  knüpft;  indem  also 
'die  Sonne  o.  s.  w.  durch  ihre  Auffassungen  als  Udgitha  u.  s.  w. 
'vorehrt  werden,  sind  sie  werkartig  imd  ködneu  somit  zur  Ursache 
'eines  Lohnes  werden,  —  Ebenso,  wenn  es  an  der  Stelle:  „diese 
'„Erde  ist  die  Ric,  das  Feuer  ist  das  S4man"  weiter  heifst:  „nun 
'„ist  dieses  Saman  auf  diese  Ric  gegründet'*  (Chand.  1,  6,  1),  so 
'wird  in  diesen  letzten  Worten  [anerkanntermafseu]  durch  das  Wort 
'Ric  die  Erde,  durch  das  Wort  Saman  das  Feuer  bezeichnet,  und 
'dieses  ist  in  Ordnung,  falls  die  Absicht  besteht,  die  Erde  und  das 
'Feuer  ids  die  Ric  und  das  SAmaii  anzuschauen,  |  niclit  aber,  wenn  1067 
'die  Absicht  ist,  die  Ric  und  das  S£man  als  die  Erde  und  das  Feuer 
'anzuschauen.  Denn  um  den  Truchscfs  als  König  anzuschauen,  wird 
'ersterem  das  Wort  König,  nicht  aber  dem  Könige  das  Wort  Truch- 
'sefs  beigelegt.  —  Und  wenn  es  ferner  heifst :  „in  den  Welten  (lokesHu) 
S,«oU  man  das  fünffache  Säman  verehren"  (.CHnd.  2,  2,  1),  so  orgiebt 


698  Qärlraka-mtiiiinsi 

'sich  schon  aus  der  Lokativ-QezeichnttDg,  dafs  die  Welten  es  nnd,  wat 
^welche  hier  die  Vorstellung  des  Saman  übertragen  werden  soIL  Dies 
^beweist  auch  die  Stelle  [wo  das  Subjekt  der  Verehrung  gleicbiaUa  im 
'Lol^ativ  steht]:  „dieses  Oayatra-Sllman  ist  eingewoben  in  die  Lebens- 
'„geister  (präneshu)^*^  (Chänd.  2,  11,  1).  Femer  zeigte  sich  ja  sehoo 
4n  Stellen  wie:  „die  Sonne  ist  das  Brahman,  so  lautet  die  Unter- 
^yweisung^'  (Ghftnd.  3,  19,  1),  dafs  [was  auch  hier,  Chand.  2,  ^,  t 
'gilt]  von  den  Zuerststehenden ,  der  Sonne  u.  s.  w. ,  das  Zuletzt- 
<  'stehende,  niunlich  ^as  Brahman,  pradiciert  wird  [wobei  sich  also 
'hier  der  l^rvapak^  auf  den  Siddhdnta  des  vorigen  Adhikaranam 
'p.  1064,  10  beruft].  —  Ebenso  stehen  auch  wieder  zuerst  die  Erde 
'u.  8.  w.,  und  zuleiet  der  Hinkikra  u.  s.w.,  wenn  es  heifst:  ^^e 
'„Erde  ist  der  Hiük&ra"  (Gh4nd.  2,  2,  1)  n.  s.  w.  —  Aus  dem  allem 
'ergiebt  sieh,  dafs  der  Sonne  u.  s.  w.,  welche  nicht  Werkteile  sind, 
'hier  die  Vorstellung,  als  wären  sie  Werkteile,  beigelegt  wer- 
'den  soll.' 

Auf  diese  Annahme  erwidern  wir:  es  sind  vielmehr  die  Vor- 
stellungen als  Soiine  u.  s.  w.,  welche  hier  den  Werkteilen,  dem 
Udgltha  u.  R.  w.,  beigelegt  werdeu;  warum?  „wegen  der  Angemes- 
„senheit";  denn  es  ist  angemessen,  dafs  in  dieser  Weise,  indem 
der  Udgitha  u.  s.  w.,  mittels  Heranziehung  eines  noch  nicht  Da- 
gewesenen, durch  die  Vorstellungen  als  Sonne  u.  «•  w.  geweiht 
woi*den,  ein  Gedeihen  der  Werke  erfolge.  Denn  es  hMist:  »was 
„man  durch  das  Wissen  vollbringt,  durch  den  Glauben,  doreh  die 
„Upanishad,  das  ist  wirkungskräftiger"  (Chänd.  1,  1,  10),  voraas 
1068  folgt,  dafs  das  Wissen  eine  Ursache  fdr  |  das  Gedeihen  der  Werke 
ist.  —  'Das  mag  sein,  wo  der  Lohn  in  einem  Gedeihen  der  Werk» 
'besteht;  aber  wie  steht  es  bei  Stellen,  welche  durch  uÄ  selbit 
'einen  Lohn  bringen,  z.  B.  wenn  es  heifst:  „wer  djeses  also  wis- 
'„send  in  den  Welten  das  fünffache  Sämau  verehrt"  (Ch&nd.  2,  2,  3)?* 
—  Antwort:  da  der  [zu  den  Werken]  Berufene  auch  bei  diesen 
[Verehrungen]  der  Berufene  ist,  so  ist  die  Annahme  einer  [beson- 
deren]  Frucht  derselben  nur  möglich  mittels  der  Heranziehung 
eines  im  Bisherigen  noch  nicht  Dagewesenen,  ähnlich  wie  s.  B. 
die  Observanz  des  Euhmelkens  [ihre  besondere  Frucht  nur  darum 
haben  kann,  weil  sie  dem  Werke  nicht  wesentlich,  gleichsam 
ein  opus  super erogationis,  ist,  p.  934-^938,  S.  612  fg.].  Übrigens 
behaupten  auch  die.  Sonne  u.  s.  w. ,  sofern  sie  ihrem  Wesen  nach 
zum  Lohne  gehören ,  vor  dem  Udgttha  u.  s.  W. ,  die  ihrem  Wesen 
nach  zu  den  Werken  gehören,  allerdings  [gegen  .p.  1066,  8]  einen 
Vorrang.  Dafs  aber  die  Sonne  u.  s.  w.  als  «in  Lohn  deir  Werke 
ei'langt  werden  können,  das  wird  ja  in  der  Schrift  gelehrt  Femer 
wenn  es  heifst:  „Gm!  diese  Silbe  soll  man  verehren  als  den  Udgftha" 
(Cband.  1,  i,  1)  und:  „über  diese  Silbe  ist  folgende  Erzählung'' 
(Ohand.  1,1,  10) ,  so  wird  hier  der  Udgitha  als  der  Gegen- 
stand  der   Verehrung,  und   in  Bezug  auf  ihn   die  Auffassung  als 


Sfttram  IV.  u  6.  699 

* 

Sopne  u.  B.  w.  anbefohlen. '  Wenn  aber  behauptet  wurde,  dafs  die 
Sonne  a.  8.  w.  nur  dadurch»  daia  sie  unter  der  Vorstellung  als 
\JdgHha  n.  s.  w.  verehrt  worden,  werkartig  werden  und  somit 
Frucht  bringen  könnten  (p.  1066,  11),  so  ist  das  unzutreffend; 
denn  die  Verehrung  selbst  ist  eine  Art  Werk  und  bringt  daher 
die  Fmoht;  und  übrigens  geht  auch  bei  dem  Udgltha  u.  s.  w.  da- 
durch, dafs  sie  als  Soüne  u.  s.  w.  angeschaut  werden,  ihre  [die 
Frucht  bedingende]  Werkartigkeit  keineswegs  verloren.  —  Was 
hiDg^en  die  Stelle  betrifft:  „[diese  (Erde)  eben  ist  die  |lic,  das 
„Feuer  das  Saman;]  nun  ist  dieses  Saman  [d.  h.  das  Feuer] 
„auf  diese  Ric  [d.  h.  die  Erde]  gegründet;  [darum  wird  das 
,ySaman  gesungen  als  ein  auf  die  Rio  gegründetes]"  (Ghand.  1,  6,  1), 
BÖ  haben  wir  hier  vielmehr  nur  eine  metaphorische  Anwendung  der 
Worte  Ric  und  Slünan  auf  die  Erde  und  das  Feuer.  Eine  Metapher 
aber  kann,  je  nachdem  -es  |  sich  trifft,  durch  eine  nähere  oder  ent-  1069 
femtere  Verwandtschaft  mit  der  betreffenden  Sache  statthaben.  Ob- 
wohl nun  an  unserer  Stelle  [im  allgemeinen]  die  Absicht  diese  ist, 
Ric  und  Sfliman  als  Erde  und  Feuer  anzuschauen,  so  kann  doch 
hier,  wo  die  wirklichen  Rio  und  S&man  noch  daneben  besonders 
erwähnt  werden,  Erde  und  Feuer  aber  in  der  Nähe  vorkommen, 
auf  diese  beiden  letzteren  die  vorliegende  [metaphorische]  An- 
wendung der  Worte  Ric  und  Säman  wegen  ihrer  Verwandtschaft 
mit  der  Ric  und  dem  Säman  ohne  Bedenken  statthaben.  Denn 
es  wird  ja  auch  nicht  möglich  sein  ganz  auszuschliefsen,  dafs  die 
Benennung  als  Truchsefs  sich  aus  irgend  einer  Ursache  nicht  auch 
einmal  auf  den  König  beziehe.  Dafs  aber  [unbeschadet  dieser  n^ch-« 
folgenden  metaphorischen  Vorstellung  von  Erde  und  Feuer  als  Ric 
und  Säman]  in  dem  [vorhergehenden]  Satze  „diese  (Erde)  eben  ist 
„die  Ric"  (Chänd.  1,  6,  1),  von  der  Ric  ausgesagt  wird,  dafs  sie  die 
Erde  sei  [und  nicht  umgekehrt],  dafür  spricht  auch  die  Wortstellung. 
Denn  wenn  hier  von  der  Erde  ausgesagt  werden  sollte,  dafs  sie 
die. Ric. sei,  so  müfste  es  heifsen:  „diese  Erde  ist  eben  die  Ric'^ 
Dafs  diese  Ansicht  die  richtige  ist,  dafür  spricht  auch  der  Um- 
stand, dafs  in  den  Schlufsworten  des  Abschnittes:  „wer  dieses  also 
„wissend  das  Säman  singt^'  (Ghänd.  1,  7,  9)  nur  von  einem  auf  die 
Teile  des  Werkdienstes  bezüglichen  Wissen  die  Rede  ist,  nicht  aber 
von  einem  solchen,  welches  sich  auf  die  Erde  u.  s.  w.  bezöge. . —  - 
Obgleich  femer  an  der  Stelle:  „in  den  Welten  soll  man  dns  fünf- 
„fache  Saman  verehren*^  (Chand.  2,  2,  1)  die  Welten  im  Lokativ 
stehen,  so  werden  doch  dieselben  von  dem  Sdman  prädicieii;,  denn 
daran,  dafs  dieses  im  Accusativ  |  steht,  sieht  man,  dafs  das  Saman  das  1070 
zu  Verehrende  ist.  Weil  nämlich  die  Welten  von  dem  Säman  prädi- 
eiert  werden,  deswegen  wird  hier  das  Saman  in  Gestalt  der  Welten 
verehrt;  im  andern  Falle  hingegen  würden  es  die  Welten  sein, 
welche  in  Gestalt  des  Säman  verehrt  würden.  Damit  ist  kach  die 
Stelle  „dieses  G&yatra- Saman  ist  in  die  Lebensodem  eingewoben" 


700  ^ftrlnüat-mlmlAsA 

(Gh&nd.  2, 11, 1),  abgehandelt.  — 'Wetfn  hingegen  beiderseits  der  Ac- 
casaÜT  steht,  wie  z.  B.  an  der  Stelle:  „nun  aber  als  jene  Sonne  soll 
„er  [oder:  jene  Sonne  soll  er  als]  das  siebenfache  S&man  yerehren*' 
(Chftnd.  2,  9,  1),  so  ist  auch  hier  die  Annahme,  daft  die  Ydrehrung 
das  S&man  in  seiner  Gesamtheit  betreffe,  wenigstens  haltbar;  und 
wenn  es  dann  weiter  heifst:  „so  yon  dem  fünffachen;  .  .  .  nun  Ton 
„dem  siebenfachen^^  (Ch&nd.  2,  7,  2.  2,  8,  1),  so  wird  hier  3ntschieden^ 
das  Saman  als  das  zn  Verehrende  vorgenommen,  daher  [anch  ror- 
her]  Ton  ihm. die  Sonne  prädiciert  werden  mnfs.  —  Steht  es  nan 
aber  hierdurch  fest,  dafs  das  S&man  das  zu  Verehrende  ist,  so 
mals  auch  da,  wo  wie  in  den  Wotien :  „die  Erde  ist  der  Hink&ra'' 
(Chftnd.  2,  2,  1)  eine  Umstellung  vorliegt,  doch  der  Hink&ra  a.  s.  w. 
als  die  Erde  u.  s.  w.  angeschaut  werden.  ^-*  Somit  steht  es  fest, 
dafs  es  die  Vorstellungen  der  Sonne  u.  s.  w. ,  die  nicht  zu  den 
Werken  gehören,  sind,  welche  hier  von  dem  zu  den  Werken  ge- 
hörigen Udgltha  u.  8.  w.  prädiciert  werden. 


Sechstes  Adhikaranam. 

7.    äslnahy  satnhhavdt 
sitzend,  wegen  der  Möglichkeit. 

Bei  denjenigen  Verehrungen,  welche  mit  einem  Bestandteile  des 
Werkes  zusammenhängen,  ist  über  die  Art  [der  Körperhaltung], 
wie  man  dabei  zu  sitzen  u.  s.  w.  hat,  da  diese  sich  nach  dem 
Werke  richtet,  nichts  zu  bemerken.  —  Ebenso  wenig  bei  der  voll- 
kommenen Erkenntnis,  weil  sie  als  Erkenntnis  nur  durch  ihr  Ob- 
jekt bedingt  wird.  —  Was  hingegen  die  übrigen  Verehrungen  be^ 
1071  trifft,  I  so  fragt  sich,  ob  man  beliebig,  stehend,  sitzend  oder  liegend, 
sich  zu  denselben  anschicken  darf,  oder  ob  man  notwendig  dabei 
sitzen  mufs.  Man  könnte  denken,  'weil  die  Verehrung  ein  geistiger 
*Akt  ist,  sei  die  Haltung  des  Körpers  dabei  eine  beliebige\  Hier- 
gegen bemerkt  der  Lehrer:  ,,Bitzend''  soll  man  die  Verehrung  üben; 
warum?  „wegen  der  Möglichkeit".  Nämlich  Verehrung  ist  dasjenige, 
was  eine  mit  Ehrerbietung  verbundene  Vorstellung  be- 
fördert; so  etwas  aber  ist  nicht  möglich,  w&hrend  man  geht  oder 
läuft,  weil  das  Geh^n  u.  s.  w.  die  Gedanken  zerstreut.  Auch  wenn 
man  steht,  kann  der  Geist,  weil  er  durch  das  Aufrechtlialten  des 
Körpers  in  Anspruf^li  genommen  ist,  eine  subtile  Sache  nicht  be- 
trachten. Wer  hrawiderum  liegt,  der  könnte  unvermutet  vom 
Schlafe  überfallen  werden*.  Alle  diese  Fehler  lassen  sich  am  besten 
vermeiden,  wenn  man  sitzt,  dalier  in  dieser  Stellung  die  Verehrung 
[am  besten]  von  statten  geht. 


Sütram  IV.  i.  8.  701 

8,    dhyänäc  ca 
auch  wegen  des  Meditierens. 

Ferner:  dasjenige,  wa^  eine  mit  Verehrung  verbundene 
Vorstellung  befördert,  ist  eben  dos,  was  durch  das  Wort 
„Meditieren"  bezeichnet  wird.  Das  Meditieren  aber  wird  denen 
zugeschrieben,  welche  mit  kaum  merklicher  Regung  det  Glieder 
und  fest  gerichtetem  Blicke  ihr«  Gedanken  auf  einen  einzigen 
Gegenstand  koncentrierep,  wie  man  denn  z.  B.  sagt,  der  Reiher 
[das  Symbol  der  Klugheit]  „meditiere^^  oder  von  einer  Frau,  deren 
Gatte  in  der  Feme  weilt,  sie  „meditiere",  —  welches  am  leich- 
testen zu  bewerkstelligen  ist,  während  man  sitzt.  Aus  diesem 
Grunde  ist  die  Verehrung  ein  Werk,  bei  welchem  man'  sitzen  muTs. 

9.    accdatvan  ca  apekshya 
und  weil  im  Hinblick  auf  dieu  ünbeweglichkeit. 

Hierzu  kommt,  dafs  au  der  Stelle:  „es  meditiert  gleichsam  die 
„Erde"  (Chand.  7,  6, 1)  das  Wort  „Meditieren"  von  der  Erde  u.  s.  w. 
im  Hinblick  auf  ihre  Unbeweglichkeit  gebraucht  wird.  Auch  hierin 
liegt  eine  Andeutung  darauf,  dafs  die  Verehrung  ein  Werk  des 
Sitzenden  ist. 

10.    smaranti  ca  '  i072 

und  auch  in  der  Smriti. 

Auch  in  der  Smriti  gedenken  die  Meister  des  Sitzens  als  einer 
Bedingung  der  Verehrung;  denn  es  heifst:  „in  einer  reinen  Gegend 
„soll  er  einen  festen  Sitz  sich  gründen"  (Bhag.  G.  6,  11).  Aus 
diesem  Grunde  findet  sich  in  dem  Lehrbuche  des  Yoga  eine  Unter- 
weisung über  die  bestimmten  Arten  des  Sitzens,  z.  B.  über  das  lotos- 
artige  Sitzen  u.  s.  w.  (vgl.  Yoga^ikha-up.  2  und  zu  Yogas^tram  2,  46). 


Siebentes  Adhikaranam. 

a 

11.    yaira  ekägratä^  tatra^  avigeshät 
wo  Koncentration,  dort,  weil  ohne  Unterschied. 

Weiter  fragt  sich,  ob  in  Bezug  auf  Himmelsiichtung,  Ort  und 
Zeit   eine   Regel  besteht    oder   nicht.      Man  könnte    denken,   'weil 


702  Qirtraka-mlm&a8& 

*bei  den  vedischen  Üntemehmaiigen  meiBtens  eine  Regel  für  Himmels- 
*rlobtang  a.  s.  w.  gegeben  wird,  d^Ts  auch  hier  eine  bestimmte  Regel 
^bestehe  \  Hierauf  erwidert  der  Iiehrer:  in  Bezug  auf  Himmels- 
gegend, Ort  und  Zeit  1)eBteht  die  Regel  nur  darin,  dafs  der  Zweck 
erreicht  werde;  nämlich  wo  Himmelsrichtung,  Ort  und  Zeit  so  be- 
schaffen sind,  dafs  einer  mit  Leichtigkeit  (Ue  „Koncenti'ation"  des 
Geistes  bewirken  kann,  da  mag  er  die  Verehrung  üben.  Denn  wei- 
tere Bestimmungen,  wie  z.  B.  östliche  Richtung,  Yormittag,  ein  nach 
Osten  gerichteter  Abhang  u.  s.  w.,1iegen  in  der  Schrift  nicht  yer,  und 
die  allein  erforderliche  Eoncentration  ist)  wo  es  auch  sein  ooiag, 
„ohne  Unterschied"  dieselbe.  —  'Aber  einige  Schrifttexte  macherx 
*doch  wirklich  einen  Unterschied,  wenn  es  z.B.  heifst(Qvet.  2»  10): 

^„Rein  sei  der  Ort  und  eben,  von  Gerdll, 
'„Von  Feuer  und  von  Sand  entfernt^  sowie 
*„yon  störendem  Geräusch  und  Wasserlachen. 
1073       I  *„In  einer  Lage,  die,  durch  Höhlung  windgeschützt, 
*„Bem  Geiste  angemessen,  und  wo  wiederum 
^,JAuch  nichts  dem  Auge  Anstofs  giebt,  schickt  er  sich  an'." 

—  Allerdings  findet  sich  hier  eine  selche  Regel,  aber  obwohl  sie  sich 
findet)  so  erklärt-  doch  der  mild  gesinnte  Lehrer,  dais  es  auf  der- 
artige Unterschiede  nicht  ankomme.  Auch  zeigt  der  Ausdruck: 
„dem  Geiste  angemessen",  dafs  es  äberall  möglich  ist,  wo  die  Kon- 
centration sich  einfindet. 


Achtes  Adhikaranam* 

12,    ä'präyandt,  tatra  api  hi  drishiam 

bis  zum  Dahinscheiden;-  denn  auch  hierbei  ist 

zu  ersehen. 

Im  ersten  Adhikaranam  (Sütram  4,  1,  1)  wurde  festgestellt,  dafs 
die  Wiederholung  bei  allen  Verehrungen  hochzuschätzen  ist.  Bei 
denjenigen  Verehrungen  nun,  welche  die  roUkommene  Erkenntnis 
zum  Zwecke  haben,  ist,  ähnlich  wie  beim  Dresdien,  mit  Erreichung 
der  Wirkung  der  Schlufs  zu  machen,  und  die  Erkenntnis  bildet 
für  ihre  Wiederholungen  die  Grenze.  Denn  wo  als  Wirkung  die 
vollkommene  Erkenntnis  eingetreten  ist,  da  kann  kein  weiteres  Be- 
mühen mehr  auferlegt  werden,  weil  f&r  den,  welcher  sich  als  das 
von  allem  Befehle  freie  Brahman  erkannt  hat,  das  Gesetz  gegen- 
standlos wird.  Was  hingegen  die  Verehrungen  betrifft,  weldie 
als  ihre  Frucht  nni  Aufschwung  bringen,  so  erhebt  sich  bei  diesen 


S&tram  IV.  i.  12.  703 

die  Frage,  ob  die  Wiederholung  nur  eine  Zeit  lang  zu  betreiben 
und  dann  zu  unterlassen  ist,  oder  ob  sie  durch  das  ganze  Leben 
fortdauern  mufs.  Angenommen  also,  'man  dürfe  die  Vorstel- 
lung, nachdem  sie  eine  Zeit  lang  wiederholt  worden,  unterlassen, 
*weil  damit  dem  Sinne  des  Schriftwortes  vom  Verehren,  |  welcher  1074 
'eine  Wiederholung  involvierte  (Bfih.  2,  4,  5.  CMnd.  8,  7,  1), 
'Genüge  gethan  ist.*  —  Auf  diese  Annahme  erwidern  wir:  „bis 
j,zum  Dahinscheiden"  soll  man  die  Vorstellung  wiederholen,  weil 
der  zu  erlangende  jenseitige  (adfishfa)  Lohn  durch  die  Vorstel- 
lungen beim  Sterben  bedingt  wird.  Und  auch  von  den  Werken, 
welche  eine  im  nächsten  Leben  zu  geniefsende  Frucht  bewirken, 
gilt  es  ja,  dafs  sie  im  Momente  des  Auszuges  der  [von  ihnen  be- 
gleiteten] Seele  das  ihnen  entsprechende  ideelle  Bewufstsein  an  sich 
nehmen,  denn  die  Schrift  sagt:  ^er  ist  von  Erkeuntnisart,  und  was 
„von  Erkenntnisart  ist,  das  ziehet  ihm  nach"  (Bfih.  4,  4,  2);  — 
„womit  sich  sein  Denken  beschäftigt,  damit  gehet  [der  Sterbende] 
„ein  in  den  Pr&na,  und  der  mit  der  Kraft  [dem  Udäna]- vereinte 
„Präna  im  Oeleite  des  Atman  fähret  denselbigen  hin  zu  der  seinen 
„Wünschen  entsprechenden  Welt"  (Pra^na  3,  10);  —  und  hierfür 
spricht  auch  das  Beispiel  von  der  Raupe  (vgl.  Bph.  4, 4,  3).  Welches 
andere  ideelle  Bewufstsein  aber  sollen  zur  Zeit  des  Sterbens  jene  Ver- 
ehrungsvorstellungen berücksichtigen,  wenn  nidit  die  Wiederholung 
ihrer  selbst?  Also  diejenigen  Vorstellungen,,  welche  die  zu  er- 
reichende Frucht  als  ideelles  Wesen  haben,  sind  bis  zum  Tode  zu 
wiederholen.  In  diesem  Sinne  sagt  auch  die  Schrift:  „mit  welcher 
„Gesinnung  er  aus  dieser  Welt  abscheidet"  (Qatap.  br.  10,  6,  3,  1), 
wotaus  folgt,  dafs  auch  im  Augenblicke  des  Sterbens  die  Vor- 
stellungen zu  wiederholen  sind,  und  auch  die  Smriti  sagt  (Bhag. 
Gr.  8,  6): 

.  ,vDas  Sein,  an  welches  denkend  er  aus  diesem  Leibe  scheidet, 
„In  dieses  Sein  wird  jedesmal  er  drüben  eingekleidet", 

I  und:  „zur  2ieit  des  Todes  unbewegten  Geistes"  (Bhag.  G.  8,  10).  1075 
Und   auch   die  Stelle:  „zur  Zeit  des  Endes   soll  er  seine  Zuflucht 
„nehmen  zu  jener  Dreiheit"  (Chand.  3,  17,  6)   beweist,   dafs   noch 
im  Augenblicke  des  Sterbens  etwas  zu  thuu  übrig  bleibt. 


704  girlrakAHBitm&ÄBlL 

Neuntes  Adhiiaranam. 

13.    tad- ßdhigama*  uttara-pürvcMtghayor  a^lßsJut-vm&^/iu, 

tadrvyapade^ 

bei  seiner  Erlangung  ist  Nichtanhaftung  und  Ver- 
nichtung der  späteren  und  früheren  Sünden,  weil 

dies  die  Schrift  besagt 

Hiermit  ist  der  Nachtrag  zum  dritten  Adhyaya  abgeschlossen, 
und  68  erhebt  aicK  nunniebr  das  Nachdenken  iu  Betreif  der  Frucht 
des  Brahmauwissens. 

Hierbei  besteht  zunächst  die  Frage,  ob  nach  Erlangung  des 
Brahman  die  Vergehen,  welche  eine  ihr  widersprechende  Ver- 
geltung erfordern,  zu  nichte  werden  oder  nicht.  —  Angenommen 
&ho,  4hre  Vernichtung  sei  nicht  denkbar,  ehe  flie  ihre  Vergeltung 
'^'fahren  haben,  weil  jedes  Werk  in  der  Vergeltung  seinen  Zweck  hat. 
^Denn  es  besitzt,  wie  aus  der  Schrift  zu  erRehen,  eine  Vergeltung 
^briugende  Kraft.  Würde  nun  das  Werk,  ohne  seine  Vergeltung  er- 
fahren zu  haben,  vernichtet,  i^o  wäre  das  Schriftwort  bedeutungslos. 
^Uud  auch  die  Smriti  sagt:  „denn  nicht  zu  nichte  wird  das  Werkes' 
—  Aber  würde  in  diesem  Falle  nicht  folgen,  dafs  die  [in  der  Schrill 
gegebene]  Anweisung  zu  Bufslcistungen  vergeblich  wäre?  —  ^Doch 
*nicht;  denn  [erstlich]  liefsen  sich  die  Bufsteistungen  so  au(- 
^fassen,  dafs  sie  [nicht  in  Folge  einer  bestimmten  Verschuldung, 
^und  um  diese  zu  sühnen,  sondern]  auf  zufallige  Anlässe  hin  [um 
'das  in  ihnen  sich  ankündigende  Unheil  abzuwehren]  unternommen 
^würden,  ähnlich  wie  das  Opfer  nach  dem  Hausbrande  [um  känf- 
^tigen  Feuersbrünsten  zu  entgehen,  Taitt.  samh.  2,  2,  2,  5].  Femer 
^aber:  zugegeben,  dafs  die  Bufslcistungen,  da  sie  allerdings  im  Zu- 
^samm^nhange  mit  einer  Verschuldung  v-erordnet  zu  werden  pflegen. 
*den  Zweck  haben,  diese  Verschuldung  zu  tilgen,  so  besteht  doch 
'für  das  Brahman  wissen  in  dieser  Weise  eine  Verordnung  nicht.*  — 
Aber  wenn  man  nicht  zugiebt,  dafs  die  Werko.  des  Brahmanwissers 
vernichtet  werden,  so  mufs  doch  ihre  Vergeltung  notwendig  er- 
litten werden,  und  folglich  würde  keine  Erlösung  erfolgen.  — 
4)och  nicht!  denn  man  kann  ja  annehmen,  dal^  die  Erlösung  ebenso 
*wie  die  Frucht  der  Werke  von  den  räumlichen,  zeitlichen  und 
^kausalen  Bedingungen  abhängig  ist.  Somit  folgt,  .dafs  auch  | 
1076  ^nach  erlangter  Brahman  erkenn  tnis  die  Übertretungen  liocb  nicht 
'getilgt  sind.'  —  Auf  diese  Annähme  erwidern  wir:  „bei  seiner  Er- 
„langung,  d.  h.  wenn  das  Brahman  erlangt  ist,  so  erfolgt  ^,Nicht- 
„anhaftung  und  Vernichtung  der  späteren  und  früheren  Sünden *\ 
nämlich  Nichtanhaftung  der  späteren  und  Vernichtung  der  früheren; 


Süfrram  IV.  i.  13.  705 

warunp  V  .,weil  dies  die  Schrift  besagt";  näsnlich  sie  besagt  bei  Be- 
sprechung der  Brahmanlehre ,  dafs  der  Wissende  mit  den  zokiihf- 
tigen,  ihre  Verbindung  noch  su  erwarten  habenden  Übertretungen 
diese  Verbindung  nicht  erleidet,  denn  es  heifst:  „wie  an  dem 
„Blatte  der  Lotosblüte  das  Wasser  nicht  haftet,  so  haftet  keine 
y,bose  That  an  dem,  der  Solches  weifs"  (Chänd.  4,  14,  3).  Ebenso 
besagt  die  Schrift  die  Vernichtung  der  früher  angesammelten  Ver- 
gehtingen:  „^ie  die  Rispe  des  Schilfrohrs,  ins  Feuer  gesteckt,  ver- 
„bi*ennt,  so  verbrennen  alle  Sünden  desselbigen*'  (Ch&nd.  5,  24,  2). 
Und  hier  folgt  noch  eine  Aussage  über  die  Vernichtung  der  Werke 
(Moip^.  a,  2,  8): 

„Wer  jenes  Höchst*  und  Tiefste  schaut, 
,,Dem  spaltet  sich  des  Herzens  Knoten, 
„Dem  lösen  alle  Zweifel  sicl^, 
„Ond  fteinc  Werke  werden  Nichts". 

Wenn  hingegen  behauptet  Wurde,  da£ft  bei  der  Annahme  einer  Ver- 
nichtung der  Werke,  ohne   dafs  sie  ihre  Frucht  getragen  hätten, 
di(!  ächriftlehre  bedeutungslos  werden  würde,  so  trifft  dieser  Ein- 
wand nicht  zu;  denn  wir  leugnen  durehaas  nicht  die  fruchtbringende 
Kraft  des  Werke?;  diese  iMisteht  allerdings:  aber  wir  behaupten, 
dafs  dieselbe  durch  eine  andere  Ursache,  %.  B.  durcdi  das  Wissen, 
geüammt  werden  könne.     Nur  wenn  jene  Kraft  thatsächlich  fort- 
bontünde,   würde   der  Schriftkanon   seine  Geltung  behalten,  nicht 
aber  in   beidep  Fällen,   mag  sie  gehemmt  sein  oder  nicht.     Und 
•jh^ano  ist  und  bleibt  das  erwähnte  Smritiwort,  wonach  das  Werk    . 
nicht  z&ttiohte  werden  kann,  |  die  allgemein  gültige  Regel;  denn  1077 
gewifs  kann  das  Werk  nicht  zunichte   werden,    ehe   es   die   Ver- 
gcUung  gefunden,  weil  es  in  dieser  seinen  Zweck  hat;  und  gerade 
darum  nehmen  wir  an,  dafs  durch  Bufsleistungen  u.  s.  w.  eine  Ab- 
tragung der  Vergehen  statthabe;  denu:  „der -überschreitet  alles  Böse-, 
^der  überaclireitet  den  Brahmanemnord,  wer  das  Bofsopfer  darbringt, 
,,ond  «uch,  wer  dasselbe  also  weifs"  (Taitt.  samh.  5,  3,  12,  1),  — 
wie  Schrift  und  Sm^iti  lehren.     Wenn  aber  behau(>tet  wurde,  dafs 
die  Biifsleistungen  so  aufgefafst  werden  könnten,   dafs  sie  auf  zu- 
fällige Veranlaasungen  hin  unternommen  würden,  so  ist  das  nicht 
tichtig;  denn  sie  werden  im  Zusammenhang  mit  der  Sünde  befohlen, 
die  Sühnung  der  Sünde  erfolgt  als  ihre  Frucht,  und  die  Annahme 
^ner  weiteren  Frucht  derselben  [wie  etwa  der  Abwehr  künftigen 
Unheils]*  ist  nnsulässig.    Wenn  weitei;  geltend  gemacht  wurde,  ^  dafs 
das  Wissen  nicht  in  der  Weise  wie  die  Bufsleistung  mit  Hinweis 
suf  eine  Tilgung  der   Sünde  durch   dasselbe  anbefohlen  werde, 
so  antwertaa  wir:  was  zunächst  die  attribathaften  Lehren  betrifft, 
30   findet   sich  bei  ihnen  allerdings  eine  solche  Anbefehlung,   und 
bei  ihnen  wifd  dann  auch  hinterher  dem  Wissenden  die  ]jlrlangung 
bimmliecher  Hertllchkeit  und  dif*.  Vernichtung  der  Schuld  verheifsen; 


i 


706  gMfAka-mtm&AsIt 

nämlich  ein  Grund,  beidoR  nicht  zu  ^erbeifsen,  besieht  nicht,  daher 
mit  Bestimratheit  ausgeBprochen  wird,  dafs  ihre  Frucht  erstlich  in 
der   Tilgung    der  Sohuld,    sodann   in  Erlangung   der  himmlischen 
Herrlichkeit  bestehe.     In   der    attributlosen  Wissenschaft  hingegen 
besteht  allerdings  eine  Verordnung  nicht,  und  gleichwohl  steht  es 
fest,  dafs  durch  die  Erkenntnis,  dafs  man  der  nichthandelnde  Aiman 
sei,  die  Werke  verbrannt  werden;  ja  das  Wort  „NichtanhaftuBg" 
t078  beweist,  dafs  auch  in  Betreff  der  künftigen  |  Werke  das  Thätersein 
auf  den   Brah  man  wisser   nicht  zutrifft.     Was   hingegen   seine    ver- 
gangenen Werke  angeht,   so  trifft  allerdings  in  Folge  der  falsch«'» 
Erkenntnis    das  Thfttersein  gewissonnafsen    auf  ihn   zu;   und    doch 
werden  jene  Werke  bei  Vernichtung  der  falschen  Erkenntnia  durch 
das  Wissen  ebenfalls  Bunichte;  das  besagt  der  Ausdruck  „Vcrnii*h- 
„tung".     Denn  der  Brahmanwisser  ist  zu  der  Erkenntnis  gelangt: 
das  Brahman,  welches   der   von   mir  früher  für  wahr   ge- 
haltenen Naturbeschaffenheit  des  Thaterseins   und   Gc- 
niefserscins    entgegengesetzt    ist    und    seiner    Naturbe- 
schaffenheit  nach  in  aller  Vergangenheit,  Gegenwart  und 
Zukunft    Nichtthäter    und    Nichtgeniofser    ist,    dieses 
Brahman   bin    ich,    und   darum    war    ich    weder    vordem 
Thäter  und  Geniefser,  noeh  bin  ich  es  jetzt,  noch  werde 
ich  es  jemals  sein.    Nur  auf  diese  Weise  ist  die  Erlösung  mug- 
,  lieh ;   denn  im    andern  Falle  würde  fLir  die  seit  endloser  Zeit  sich 
fortsetzenden  Werke   nie  eine  Vernichtung,   folglich  auch  nie  einr 
Erlösung  möglich  sein.    Und  keineswegs  darf  die  Erlösung  ähnlich 
wi(*  die  Frucht  der  Werke  von  r&umlichen,  zeitlichen  und  kausialen 
Bedingungen   abhängig  gemacht  werden,  weil  sie  dann  nicht  ewig 
sein  würde,  \ind  weil  femer  dio  Frucht  der  Erkenntnis  nicht  [wie 
die  der  Weiche]  erst  eine  jenseitige  ist.     Somit  steht  es  fest,  daf>> 
mit  der  Erlangung  des  Brahman  die  Vernichtung  der  Übertretungen 
eintritt. 


J4,    Uarasya  api  ct^am  asamfleshäh.  pMe  tu 

eV>en80  auch  Nichtanbaft.ung  des  andern;  jedoch  erst 

beim  Dahinfallen.  , 

Im   vorigen   Adhikara^am  habeti  wir  uns   nach   Anleitung   der 
Schrift    vergewissert,    dafs   für   die   als   Ursache   der   Hindung    be- 
stehende,   der   Natur    anhaftende   Sünde   vermöge    der   Erkenntnis 
1079  Nichtanhaftung  und  Vernichtung   eintritt.  |  Wie  steht  «^  aber  nun 
mit  dem   guten  Werke?     Dieses  wird  doch  von   der  Schrift   be- 


Sfttnkm  IV.  I.  14.  707 

fohlen  und  kann,  00  könnte  thm  denken,  der  gleichfalls  ans  der 
Schrift  stammenden  Erkenntnis  [des  Atman]  nicht  widerstreiten. 
Um  diese  Meinung  aoszuschliefsen,  folgt  hier  eine  Erweiterung  der 
Regel  des  vorigen  Adhikara^am.  Auch  für  „das  andere",  d.  h. 
f&r  das  gnte  Werk,  gilt  ebenso  gut  wie  für  das  böse,  dafs  es  bei 
dem  Wissenden  yemichtet  wird  und  ihm  nicht  anhaftet;  warum? 
weil  auch  das  gute  Werk  eine  ihm  entsprechende  Vergeltung  be- 
dingt und  somit  die  Frucht  der  Erkenntnis  verhindem  würde. 
Daher  die  Schrift  in  Worten  wie:  „er  überwältigt  beide"  (Bfih.  4, 
4,  22)  die  Vemiehtung  des  guten  Werkes  ebenso  wohl  wie  di^  des 
bösen  lehrt.  Denn  für  die  Vernichtung  der  Werke,  wie  sie  er- 
folgt aus  der  Erkenntnis,  dafs  man  der  nichthandelnde  Atman  sei, 
sind  gute  und  böse  Werke  gleichwertig,  und  die  Schrift  macht 
keinen  Unterachied  zwischen  ihnen,  wenn  sie  sagt:  „und  seine 
„Werke  werden  Nichts"  (Mu^d.  2,  2,  8).  An  den  Stellen  aber,  wo 
nur  das  böse  Werk  erwähnt  wird,  hat  man  das  gute  Werit  als  in 
ihm  einbegriffen  au  betrachten,  weil  auch  seine  Frucht,  im  Ver- 
gleiche mit  der  der  Erkenntnis,  eine  niedrige  ist.  Auch  findet 
sich  in  der  Schrift  für  das  gute  Werk  die  Beseicbnung  als  böses 
Werk;  nämlich  an  der  Stelle:  „diese  Brücke  übersdireiten  nicht 
„Tag  und  Nacht",  wird  nach  Erwähnung  des  bösen  und  des  guten 
Werkes  gesagt:  „alle  Sünden  kehren  vor  ihr  um"  (Ch^nd.  8,  4,  2); 
hier  wird  das  Wort  „Sünde"  ohne  Unterschied  auf  die  Torher 
erwähnten  Werke  bezogen.  —  „Jedoch  erst  beim  Dahinfallen";  — 
das  Wort  ,gedoch"  dient  zur  Verstärkung;  d.  h.  nachdem  in  dieser 
Weise  festgestellt  ist,  dafs  die  guten  und  die  bösen  Werke,  welche 
beide  die  Ursache  der  Bindung  sind,  kraft  des  Wissens  nicht  mehr 
anhaften  und  vernichtet  werden,  so  bekräftigt  der  Lehrer,  dafs  für 
den  Wissenden  unausbleiblich  beim  Dahinfallen  des  Leibes  die  Er- 
lösung eintritt. 


Elftes  Adhikaranam. 

15.    anärabdha-känfe  eva  tu  pArve^  tad-avadheh        loso 

die  frühern  [gaten  unJ  bösen  Werke  werden  ver- 
nichtet] jedoch  nur,  soweit  die  Wirkung  noch  nicht 
begonnen  hat;  weil  jenes  [das  Dahinfallen  des  Leibes] 

der  Termin. 

In  den  beiden  Torhergelnrnden  Adhikara^a's  wurde  festgestellt, 
dafs  dureh  die  Erkenntnis  die  guten  wie  die  bösen  Werke  aunichte 
werden. .  Bezieht  sich  nun  dieses  phne  Unterschied  auf  solche  Werke, 

45* 


708  gilrlrAka-inlm&n8& 

deren  Fracht  schon  hegonnen,  und  solche,  deren  Fmcbt  noch  nicht 
begonnen  hat,  oder  bezieht  es  sich  speciell  nnr  auf  diejenigen  Werke, 
deren  Fracht  noch  nicht  begonnen  hat?  das  ist  jetzt  die  Frage.  — 
Man  könnte  denken,  'weil  es  heilst:  „er  überwältigt  beide'^  (Brih.  4, 
'4,  22),  dafs  hier  ohne  Unterschied  gesprochen  werde,  somit  die  Ver- 
^nichtung  ohne  Ausnahme  stattfinde.*  —  Dom  entgegnet  der  Lehrer : 
,  Jedoch  nur,  soweit  die  Wirkung  noch  nicht  begonnen  hat^*;  d.  h.  nur 
diejenigen  frühem  Werke,  mögen  sie  nun  in  einer  yonnaligen  Ge- 
bart oder  in  der  gegenwärtigen  Gebart  vor  Eintritt  der  Erkenntnis 
aufgehäuft  werden,  nnd  mögen  sie  gut  oder  böse  sein,  —  deren 
Frucht  noch  nicht  angebrochen  ist,  werden  durch  Erlangung 
der  Erkenntnis  zunichte,  nicht  aber  diejenigen  Werke^  deren  Wir- 
kung bereits  begonnen,  und  deren  Frucht  halb  schon  genossen  ist, 
auf  Grund  deren  eben  die  gegenwärtige  ^  der  Brahmanerkenntnis 
als  Grundlage  dienende  Geburt  gezimmert  war.     Warum  dieses? 
weil  in  cUm  Worten  „diesem  werde  ich  so  lange  angehören,  bis 
„ich  erlöst  sein  werde*'  (Chänd.  6,  14,  2)  das  Dahinfallen  des  Leibes 
ala  Termin  bestimmt  wird  für  den  Eingang  in  die.  Ruhe.     Denn 
im  andern  Falle,  wenn  durch  die  Erkenntnis  die  Werke  samt  nnd 
sonders  zunichte  würden,  wäre  für  ein  Fortbestehen  kein  Grund 
vorhanden,  nnd  man  würde  sofort  mit  Erlangung  der  Erkenntnis 
in  die  Ruhe  eingehen,  die  Schrift  aber  würde  nicht  davon  reden, 
dafs  der  I{infall  des  Leibes  abzuwarten  sei.  —  'Aber  jenes   die 
'Werke  yemichtende  BewuDst^in,  dafa  man  der  nichthandelnde  Ätman 
'sei,   wird  doch. bewirkt  durch  das  Objekt  dieser  Erkenntnis;   wie 
'kommt  es   daher,  dafs  dabei  die  einen  Werke  vernichtet  werden, 
'und  die  andern  anbetroffen  bleiben?    Denn  wenn  man  die  Samen- 
'kömer  gleichmäfsig  der  Feuerhitze   aussetzt,   so  kann  doeh  nidit 
'die  Keimkraft  bei  den  einen   vernichtet  werden  und  bei   den   an- 
1081  'dern    nieht,'  —  |  Wir    erwidern:    das  Entstehen   der  Erkenntnis 
kann   nicht  erfolgen,    ohne  sich  auf  einen  Werkkomplex,   dessen 
Wirkung  bereits  begonnen  hat,  zu  stützen.     Indem   es   sich  nun 
aber  auf  diesen  stützt,  und,  ähnlich  wie  bei  der  im  Schwange  be- 
griffenen Töpferscheibe,   kein  Grund  für  eine  Hemmung  mitten  im 
Laufe  vorliegt,  so  mufs  man  den  Verbrauch  der  Schwungkraft  ab- 
warten. —  Das  Bewufstsein,  der  niohthandelnde  Ätman  zu  sein, 
vernichtet  die  Werke  durch  Aufhebung  der   falschen  Erkenntnis; 
wenn  aber  auch  die  falsche  Erkenntnis  aufgehoben  ist,  so  besteht 
sie   doch,  ähnlich  wie  der  Schein,  als  wenn  es  zwei  tfonde  gebe 
[für  den  Augenkrankenl,  um  der  Läuterung  (satf^kära)  willen  noch 
eine  Zeit  lang  fort.     Übrigens  ist  darüber  gar  nicht  zn  rechten, 
ob   für  den  Brahmanwisser  der  Leib   noch  eine  Zeit  lang  besteht 
oder  nicht.    Denn  wenn  einer  sich  in  seines  Herzens  Überzeugong 
als  das  ßrahman   fühlt,  so  läfst  sich,  wenn  auch  sein  Leib  noch 
fortbesteht,   doch  nicht  von  Seiten  eines   andern  ein  Einwarf  da- 
gegen   erheben.     Eben    dieses    wird   in  Schrift   und  Smfiti    aas- 


Satram  IT.  i.  15.  709 

gesprochen,  da  wo  sie  die  Merkmale  des  in  der  Erkenntnis  Festen 
angeben  (vgl.  Bhag.  G.  ?,  55.  Brih.  4,  4,  22)«  Somit  ist  unanfecht- 
bar, dafs  nur  diejenigen  guten  und  bösen  Werke,  deren  Wirkung 
noch  nicht  begonnen  hat,  durch  die  Kraft  der  Erkenntnis  zunichte 
werden. 


Zwölftes  Adldkaranam, 

16,    agnihotra '  ädi  tu  tat-Mrydya  eva^  teid-darganät 

das  Feueropfer  u.  8.  w.  ist  vielmehr  zu  ihrer  Wirkung 
[mitbehülf hch] ,  weil  dies  eraichtlich. 

Die  Regel  in  Betreff  der  Sünde  wurde  dahin  erweitert,  dafs 
auch  das  gute  Werk  nicht  anhafte  und  zunichte  werde.  Der  Mei- 
nung, aln  wenn  diese  Erweiterung  alle  guten  Werke  betreffe,  wider- 
spricht der  Lehrer  durch  die  Worte:  „das  Peueropfer  u.  s.  w.  viel- 
„mehr".  Das  Wort  „vielmehr^*  wehrt  jene  Meinung  ab.  Nämlich  die 
beständigen  Werke,  die  der  Yeda  Torschreibt,  das  Feueropfer  u.  s.  w., 
diese  sind  zu  ihrer  [der  Erkenntnis]  Wirkung  mitbehülf  lieh,  d.  k.  1082 
die  Erlösung],  welche  die  Wirkung  der  Erkenntnis  ist,  ist  augleich 
lane  Wirkung  von  ihnen.  Warum?  weil  die  Schrift  sagt:  „ihn 
„suchen  durch  Vedastudium  die  Brahmanen  zu  erkennen,  durch 
„Opfer,  durch  Almosen"  u.  s.  w.  (Bfih.  4,  4,  22).  —  'Aber  die  Er- 
*kenntnis  und  die  Werke  bringen  doch  entgegengesetzte  Wirkungen 
'hervor  und  können  mithin  nicht  eine  und  dieselbe  Wirkung  be- 
*dingen.'  —  Dieser  Einwand  ist  nicht  triftig,  denn  auch  saure 
Milch  und  Gift,  welche  als  Wirkung  Fieber  und  Tod  haben,  können 
in  ihrer  Verbindung  mit  Zucker  und  Zaubersprüchen  als  ihre  Wir- 
kungen Sättigung  und  Gedeihen  hervorbringen;  ähnlich  kann  auch 
das  Werk  in  seiner  Verbindung  mit  der  Erkenntnis  als  Wirkung 
die  Erlösung  hervorbringen.  —  'Aber  die  Erlösung  ist  ja  gar  nicht 
'bewirkbar;  wie  kann  also  gesagt  werden,  dafs  sie  eine  Wirkung 
*der  Werke  sei?'  —  Dieser  Einwand  trifft  nicht;  indem  die  Werke 
nur  aus  der  Ferne  dazu  mitbehülflich  sind.  Sofern  n&mlioh  das 
Werk  zur  Erkenntnis  behülflich  ist,  kann  es  mittelbar  auch  für 
eine  Ursache  der  Erlösung  gelten.  Damit  ist  jene  Behauptung, 
dafs  dann  eine  Einheit  des  Wirkens  [von  Werk  und  Wissen]  ein- 
treten würde,  gegenntandlos  geworden.  Nämlich  für  den  Brabman- 
wisser  findet  in  Zukunft  kein  Feueropfer  u.  s.  w.  mehr  statt,  weil 
er  sich  als  das  unverpflichtbare  Brahman  erkannt  hat,  wodurch 
das  Gesetz  gegenstandlos  wird.  Was  hingegen  die  attributhaften 
Lehren  betrifft,  so  wird  durch  sie  das  Thätersein  noch  nicht  über- 


710  C:&rlraka-inlmi6tli 

wanden,  daher  bei  ihnen  auch  weiterhin  das  Feneropfer  q.  s.  w. 
stattfindet.  Denn  auch  dieses,  wenn  es  ohne  Absicht  aof  Lohn 
geübt  wird,  kann,  sofern  eine  andere  Wirknng  ausgeschlossen  ist, 
auf  das  Wissen  des  Veda  Eünflufs  haben. 

Aber  in  welohem  Verhältnisse  su  einander  stehen  einerseits  jenes 
Wort  von  der  Niohtanhaftong  und  Vexnichtang  der  Werke,  und 
anderseits  wiederum  jenes  Wort  von  Direr  Verwendung  (lies:  Mw- 
vishayatK^  vä  idaffk  vtniyoga-vacafkam)^  welches  sich  bei  einigen 
Vedaschulen  findet:  „die  Söhne  übernehmen  seine  Erbschaft,  die 
„Freunde  sein  gutes  Werk,  die  Feinde  sein  böses  Werk'*  (vgL  p. 
899,  7)?     Darauf  antwortet  der  Lehrer: 


1083  17.    ato  ^nffd  ^pi  hi  dcedidm;  uhhayoh 

von  jenem  verschieden  ist,  was  einige  erwähnen; 

nach  beiden. 

„Von  jenem"  beständigen  Werke,  dem  Feueropfer  u.  s.  w., 
[welches  zum  Wissen  mitbehülflich  ist  und  für  das  Httributhaite 
Wissen,  wiewohl  ohne  Absicht  auf  Lohn,  noch  fortzubest^en  hat] 
„verschieden  ist*'  dasjenige  Werk  [des  attributhaft  Wissenden,  vgl. 
p.  899 — 909],  welches  von  ihm  mit  Absicht  auf  Lohn  geübt  wird. 
Dieses  Werk  ist  es,  dessen  Verwendung  „einige"  Vedaschulen  „er- 
„wähnen",  wenn  sie  sagen:  „die  Freunde  fibernehmen  sein  gutes 
„Werk"  (p.  899,  7).  Und  gerade  auf  dieses  [nicht  von  egoistischer 
Absicht  freie]  Werk  bezieht  sich  die  Theorie  von  der  Nichtanhaf- 
tung  und  Vernichtung  dieses  guten  Werkes  so  gut  wie  des  hosen, 
worüber  die  Worte  handeln:  „ebenso  auch  Nichtaohaftung  de«  an- 
„dem"  (Sütram  4,  1,  14)*  In  dieser  Weise' besteht  hinsichtlich 
dieses  zweckbegehrlichen  Werkes  darüber,  dafs  dasselbe  zum  Wissen 
nicht  mitbehülflich  s^,  Einverständnis  zwischen  „beiden"  Lehrern, 
Jaimini  und  B&dar&ya^a. 


Dreizehntes  Adhikaranam. 

18.    'yud  eva  vidpayd\  iti  1U 
denn  es  heilst:  „was  er  durch  das  Wissen"  .  .  . 

Mit  Recht  ist  durch  das  vorige  Adhikaranam  festgestellt  worden, 
dafs  die  ständigen  Werke,  Feneropfer  u.  s.  w.,  wenn  üiie  von  dem 
nach   Erlösung   Trachtenden  mit  Absicht  auf  die   Erlösung   geübt 


Sutram  IV.  i.  18.  711 

werden,  als  Tilgangsmittel  der  auf  ihn  goladoucii  Vergehen,  indem 
610  Ursache  werden  für  eine  Läuterung  des  Wesens,  die  die  Kr^ 
lösung  Lewirkende  Brabm Anerkenntnis  bedingen  und  iusufern  mit 
dem Ifirabmanwissen  zu  derselben  Wirkung  beitragen.  —  Nun  kann 
das  Feueropfer  u.  s.  w.  so  geübt  werden,  dafs  es  mit  dem  auf  den 
.botreffenden  Werkteil  sieh  stützenden  Wissen  verbunden  ist,  oder 
auch  HO,  dal«  es  für  sich  allein  fohne  das  Wiesen]  besteht.  Denn 
es  heifst: „wer  also  wissend  opfert";  —  uWer  wissend  das  Opfer 
„bringt";  —  jfWer  also  wissend  lobsingt";  —  i,wer  also  wissend 
„den  Udgitha  singt";  —  „darum  soll  man  nur  einen  Solches  Wissen- 
„den  zum  Brahman-Priester  machen"  (Ch4nd.  4,  17,  1);  —  „darum 
„thun  beide  das  Werk,  der  Solches  weifs'nnd  der  es  nicht  weif»" 
(Ghand.  1,  l^  10);  —  nach  diesen  Worten  kann  das  Werk  mit' 
Wissen  verbunden  od^  auch  ohne  dieses  sein.  Nun  fragt  sich, 
ob  es  nur  das  mit  Wissen  vei*bundene,  nicht  das  blofse  Werk  des 
Feueropfers  u.  s.  w.  ist,  welches  bei  dem.  nach  Einlösung  Trachten- 
den eine  Ursache  des  Wissens  bildet,  und  dadurch  mit  diesem  zur 
selben  Wirkung  behülflich  ist,  oder  ob,  ebenso  wohl  Wie  das  mit 
Wissen  verbundene  Werk,  auch  das  blofse  Werk  hierzu  dienlich 
istV  I  Woher  diese  Frag%?  Weil  einerseits  in  den  Worten:  „diesen  jOS4 
„Atman  suchen  sie  zu  erkennen  durch  Opfer"  (vgl,  Brih.  4,  4,  22) 
die  Opfer  u.  s.  w.  olme  Unterschied  als  Mittel  der  Erkenntnis  des 
Brahraau  genannt  werden,  anderseits  hingegen  (Ghänd.  1,  ],  10) 
ein  Vorzug  des  mit  Wissen  verbundenen  Feueropfers  u.  s.  w.  her- 
vorgehoben wird.  —  Angenommen  also,  *nur  das  mit  Wissen  vör- 
^bundenu  Werk  des  Feueropfers  u.  s.  w.  sei  als  Ergänzung  des 
^Wissens  vom  Atman  zu  betrachten,  nicht  das  vom  Wissen  ent- 
^blöfste,  weil  feststeht,  dais  das  mit  Wissen  behaftete  vor  dem 
vont  Wissen  entblöi'sten  Werke  den  Vorrang  hat;  denn  die  Schrift 
^sagt:  „an  welchem  Tage  er  opfert,  an  diesem  Tage  wehret  den 
*., Wiedertod  ab  wer  Solches  weifs"  (Brih.  1,  5,  2),  und  die  Smrtti 
*sagt  (Bhag.  0.  2,  39.49): 

'„Mit  dieser  Einsicht  ausgerastet 
'„Verlälst  der  Werke  Bindung  er."  — 

S,Weit  tiefer  steht  als  Geistes  Andacht, 
'„0  Siegesheld,  das  niedVe  Werk".' 

—  Auf  diese  Annahme  erwidert  der  Lehrer:  „denn  es  heifst:  was 
„er  durch  das  Wissen  .  .  .";  d.  h. :  es  ist  richtig,  dafs  dun  mit 
Wissen  verbundene  Werk  de^  Feueropfers  u.  s.  w.  vor  dem  vom 
Wissen  entblöfsten  Werke  des  ^eueropfers  u.  s.  w.  den  Vorzug 
hat,  ähnlich  wio  eifi  wissender  Brahmane  vor  einem  unwissenden 
Mrahmanen.  (rleichwohl  aber  ist  auch  das  dos  Wissens  ermangelnde 
Work  des  Feueropfers  u.  s.  w.  nicht  ohne  alle  Beziehung  [auf  die  Er- 
lösung]; warum?  weil  in  der  Stelle:  „die^fen  Atman  suchen  sie  durch 
Opfer   zu   erkennen''   (vgl.  Brih.  4,  4,  22)  das  Feueropfer  u.  s.  w. 


712  C^riraka  Dilmfi^uaA 

ohne  nähere  Bestimmung  als  eine  Ursache  des  Wissens  erw&hnt  wird. 
—  *Aber  da   es  doch  feststeht,  dafs  das  mit  Wissen   vorhundene 
Teueropfer  u.  s.  w.  vor  dem  yom  Wissen  onibldfstcn  den  Vorzug  hat, 
'so  kann  dieser  füglich  doch  nur  darin  bestehen«  dafs  das  des  Wis- 
'sens  ermangelnde  Feueropfer  u.  s.  w.  als  Ursache  des  Wissens  vom 
'Ätman  nicht  in  Betracht  kommt.'  —  Dem  ist  atchl  so !  denn  wesus- 
schon  dem  vom  Wissen  begleiteten  Feoeropfer  u<  s.  w.,  weil  as  ein« 
gröfsere  F&higkeit  besitzt,   das  Wissen  zu   yeranlassen)   in  Besag 
auf  die  Erkenntnis   des  Atman   natürlich   eine  gröfsere  KausalitSt 
1085  zuerkannt  werden  mufs,  welche  in  dieser  Weise  |  dem  vom  Wissen 
entblöfsten  Werke  füglich  nicht  beiwohnen  kann,  so  sagt  doch  dit 
Schrift  in  den  Worten:    „sie  suchen   durch  Opfer  zu  erkennen 'S 
,  dafs  das  Feueropfer  u.  s.  w.  ohne  n&here  Bestimmung  zum  Wiaaen 
des  Atman  beiträgt,   daher  es  nicht  davon  ausgeschlossen  werden 
darf.    Denn  in  diesem  Sinne  sagt  auch  die  Schrift:  „was  ar  durch 
„das  Wissen  vollbringt,  durch  den  Glauben,  durch  die  Upanialiad, 
„das  ist  wipkungskrä^iger"  (Ch&nd.  1,  1,  10);    wenn  hier  dem  mit 
Wissen,  verbundenen  Werke  des  Feueropfers  u.  s.  w.   durch   seine 
Bezeichnung  als  „wirkung8kräfti«rer*^  ein  Vorrang  in  Bezug  auf  die 
betreffende  Wirkung  zuerkannt  wird,  so  liegt  darin  doch,  dafs  eben 
dasselbe,  auch  wenn  es  des  Wissens  ermangelt,  zu  diesem  Z^fecke 
wirkungskräftig  ist.     Die  Wirkungskraft  des  Werkes  aber  besteht 
diirin,   dafs   es  den  auf  diesen  Zweck  gerichteten  Mitteln  sich  zu* 
gesellt.     Somit  ist  beides,   das   mit  Wissen   verbundene  regnlire 
Feueropfer  u.  s.  w.   und   das   des  Wissens   ekiuangelnde,  wenn*  es 
von  dem  nach  Erlösung  Trachtenden  mit  Hinblick  auf  die  Erlösung 
als  Zweck  hier  in  diesem  Leben  oder  in  einem  andern  vor  Auf- 
gang der  Erkenntnis  betrieben  wird^  je  nach  seiner  Fähigkeit,  da- 
durch, dafi  es  die  als  Hindemisse  der  Brahmfmerkenntnis  au%ela- 
Jenen  Verschuldungen  tilgt,  zu  den  Ursachen  der  Brahmanerkcnotnis 
zugehörig  und  wirkt,  weil  es  als  integrierendes  Glied  in  der  Kette 
der  Ursachen  dos  Hörens,  Überdenkens,  Glaubento,  Meditierens«  Hin- 
gegebensei ns   u.  s.  w.   vorkommt,    mit  der  Brahmanerkenntnis  zu 
einem  und  demselben  Zwecke  zusammen,  das  steht  fest. 


Vierzehntes  Adhikaranam, 

19.    bhogena  tu  itare  hshapayiiva^  sampadyate 

durch  den  Genufs  aber  die  andern  aufgebraucht  habend, 

geht  er  ein. 

Die   guten  und  bösen  Werke,   deren  Wirkung   noch   nicht   be- 
gonnen hat,  werden,  wie  wir  zeigten,  durch  die  Kraft  des  Wissens 


Sütranj  lY.  i.  19.  7X3 

zunichte;  ,,dio  andern*^  guten  und  böseh  Werke  hingegen,  deren 
Wirkung  bereits  angebrochen  war,  müssen  erst  nach  und  nach 
durch  den  Genufs  „aufgebrancht"  werden,  worauf  dann  der  Ein- 
gang in  Brahman  stattfindet;  |  denn  die  Schrift  sagt:  ^diesem  werde  1086 
,,ich  nur  so  lange  angehören,  bis  ich  erlöst  werde,  alsdann  werde 
„ich  heimgehen**  (Chllnd.  6,  14,  2)  und:  „Brahman  ist  er,  und  in 
„Brahman  löst  er  sich  auf*  (Brih.  4,  4,  6).  —  *Aber  ist  nicht  zu  be- 
'corgen,  dafs  die  Anschauung  der  Vielheit,  wenn  sie,  ähnlich  wie  die 
*  Anschauung  der  zwei  Monde,  bis  zum  Dahinfalle  des  Körpers  trotz 
*der  eingetretenen  vollkommenen  Erkenntnis  fortbestand,  ebenso 
*gut  auch  nach  dem  Tode  noch  sich  fortsetzen  wird?*  —  Mit 
nichten!  weil  kein  Orund  dazu  vorhanden.  Dort  nämlich  lag  der 
Grund  ihres  Fortbestehens  in  der  Notwendigkeit,  den  letzten  Rest 
des  Genusses  aiiCzobrauchen,  hier  aber  findet  etwas  derartiges  weiter 
nicht  mehr  statt.  —  'Aber  könnte  nicht '  eine  *  neue  Ansammlung 
*von  Werken  stattfinden,  welche  einen  abermaligen  Genufs  bedingen 
Svürde?'  —  Neint  weil  der  Same  der  Werke  verbrannt  ist.  Denn 
nur  wo  eine  falsche  Erkenntnis  zu  Grunde  liegt,  werden  die  wei- 
teren Werke  einen  abermaligen  Genufs'  nach  dem  Dahinfalle  des 
Leibes  bedingen;  wo  aber  diese  falsche  Erkenntnis  durch  die  voll- 
kommene Erkenntnis  verbrannt  worden,  da  mufs  unweigerlich  nach 
Verbrauch  der  bereits  angebrochenen  Wirkungen  für  den  Wissenden 
diu  Absolutheit  eintreten. 


So  lautet  in  den  KouMtntare  sar  erlaaehten  {^^rirakm-mtmÜMy  dem  Werke  der 
v«relirtfixgtwardi|seB  Pttfi«  d«B  erUuchteu  CaUkara^  im  rierten  AH/tydyn  der  erste  Padu. 


Des  Tierten  Adhyftya 

ZWEITER   PADA, 


Oai   Ytrehnrng  dem  nöelitteA  Atm«at 


ErHes  Adhikarai%am. 

1087  1.    vän  manasi^  dargandc  chabdäc  ca 

die  Bede  in  das  Manas^  wegen  der  Erfahrung  und 

wegen  des  Schriftwortes. 

Nnn  gebt  der  Lehrer  dazu  über,  in  der  niedern  [exoteri- 
sehen]  Wissenschaft  den  zur  Erlangung  der  Fracht  führenden 
Götterweg  zu  beschreiben,  and  legt  zunächst  an  der  Hand  der 
Schrift  die  Hexyftnge  beim  Aaszage  der  Seele  dar;  denn  der  Aas- 
zag i«t,  wie  wir  sehen  werden,  ftr  den  {esoterisch]  Wissenden 
und  Kichtsrissenden  derselbe. 

Eine  «nf  das  Sterben  bezügliche  Schriftstelle  sagt:  „Wenn 
,,nao,  o  Teurer,  der  Mensch  dahinecheidet,  so  gehet  die 
,,Rede  ein  in  das  Manaz,  das  Manas  itk  den  Prt^a  (Leben), 
,,der  Pr&i^a  in  die  Glut,  die  Glut  in  die  höchste  Gott- 
,,heit^^  (Chllnd.  6,  8,  6).  Wird  hier  von  einem  Eingehen  der  Rede 
selbst  mitsamt  ihrer  Verrichtung  in  daz  Manas  geredet,  oder  nur 
von  einem  solchen  der  Yerrichtong  der  Rede?  di^  ist  die  Frage. 
—  Angenommen  also,  'die  Rede  selbst  gehe  in  das  Manaa  ein; 
^denn  so  wird  dem  Wortsinne  der  Schrift  Genüge  geleistet)  and 
'im  andern  Falle  würde  ein  uneigentlicher  Sinn  anzundunen  sein; 
'bei  einem  Zweifel  aber,  ob  ein  Schriftwort  eigentlich  oder  an- 


SAtram  IV.  n.  1.  715 

^eigentlich  zir  nehmen  sei,  yerdient  der  eigentliche  Sinn  den  Vor- 
'zttg.  Somit  läge  hier  ein  Untergang  der  Rede  selbst  (  in  das  1088 
'Manaa  vor/  —  Auf  diese  Annahme  erwidern  wir:  es  ist  vielmehr 
nur  die  Funktion  der  Rede,  welehe  in  das  Hanas  eingeht.  -— 
'Aber  vrie  kann  man  es  von  der  Funktion  der  Rede  erklären,  wenn 
*doch  der  Ldirer  sagt  „die  Rede  in  das  Manas*'?*  —  Das  ist  wahr, 
aber  weiter  unten  wird  er  [von  dem  Erlösten]  sagen:  „Ungeteilt- 
„heit,  weil  sie  es  sagt'*  (Sütram  4,  2,  16);  folglich  ist  anzunehmen, 
dafs  hier  [wo  von  dem  nicht  Erlösten  die  Rede  ist]  nur  ein  zur- 
Kuhe-Konmen  der  Funktion  gemeint  sei.  Denn  wäre  eine  Ver* 
nichtung  der  Wesenheit  gemeint,  so  würde  jene  „Ungeteiltheit" 
gleichermafsen  bei  allen  eintreten,  und  es  wäre  nicht  einzusehen, 
warum  weiter  unten  die  Ungeteiltheit  [bei  dem  Erlösten]  besonders 
hervoiig^oben  würde.  Somit  geht  die  Meinung  hier  auf  ein  blofses 
Einziehen  der  Funktion;  die  Funktion  der  Rede  wird  zunächst  ein- 
gezogen, während  die  Funktion  des  Manas  noch  fortbesteht,  das 
ist  der  Sinn.  Warum?  „wegen  der  Erfahrung";  nämlich  die  Er- 
fahrung zeigt,  dafs  die  Funktion  der  Rede  schwindet,  während  die 
Funktion  des  Manas  noch  fortbesteht;  hing^en  kann  keine  Erfah- 
rung jemals  zeigen,  dafs  die  Rede  selbst  mitsamt  ihrer  Funktion  in 
das  Manas  eingezogen  werde.  —  'Aber  wir  sagten  doch,  dafs  man 
*um  des  eigentlidben  Sehriftsinnes  willen  einen  Eingang  der  Rede 
'selbst  in  das  Manas  annehmen  müsse.'  —  Nein!  sagt  der  Lehrer, 
weil  sie  aus  ihm  nicht  entstanden  ist.  Denn  nur  worauf  etwas  ent- 
standen ist,  darein  kann  es  wieder  vergehen,  wie  das  Gefäfs  in 
den  Thon;  es  läfst  sich  aber  nicht  erweisen, 'dafs,  die  Rede  aus 
dem  Manas  entstanden  sei.  Hingegen  ein  Hervortreten  und  Zurück- 
treten der  Punktion  eines  Dinges  läfst  sich  auch  da  beobachten,  wo 
dasselbe  nicht  entstanden  ist,  wie  z.  B.  das  glutartige  Feuer  seiner 
Funktion  nach  entsteht  aus  dem  erdartigen  Brennholze  und  wie- 
derum vergeht  |  in  das  Wasser.  —  *Aber  wie  kann  dabei  das  1089 
'Schriftwort  bestehen:  „die  Rede  gehet  ein  in  das  Manas"'  (Chänd.  6, 
8,6)?  —  Der  Lehrer  antwortet:  „und  wegen  des  Schriftwortes"; 
d.  h.  auch  das  Schrifkwort  verträgt  sich  mit  dieser .  Annahme ,  so- 
fern in  ihm  die  Funktion  und  der  Träger  d^  Funktion  als  eine 
Einheit  behandelt  werden. 


2.    ata^  eva  ca  sarväni  anu 

» 

und  aus  demselben  Grunde  alle  zu  ihm. 

Die  Schrift  sagt:  „darum,  wenn  sein  Glanz  erloschen,  so  gehet 
„er  zur  Wiedergeburt  mitsamt  den  in  das  Manas  eingegangenen 
„Sinnen"  (Pra9na  3,  9);  hier  wird  gelehrt,  dafs  alle  Sinne  ohne 
Unterschied  in  das  Mauas  eingehen.     Somit  hat  man  „aus  dem- 


716  Qäriraka-mlm&nsä 

„selben^*  obigen  „Grunde*^  anzuuehmeit,  dafs  cbensor  wie  die  B«dt: 
auch  das  Auge  u.  s.  w.,  während  das  Manas  mitsamt  seinei 
Funktion  noch  fortbesteht,  dafs  somit  sämtliche  Sinnesorgane,  da 
die  Erfahrung  nur  eine  Unterbrechung  del*  Funktionen  zeigt,  da 
eine  Vernichtung  der  Wesenheit  nicht  angeht,  und  da  auch  das 
Schriftwort  dazu  stimmt,  —  nur  ihrer  Funktion  nach  in  das  Manas 
eingehen.  Obgleich  also  sämtliche  Organe  in  gleicher  Weise  in 
das  Manas  hereingezogen  werden,  so  wird  dies  bei  der  Bede  doch 
noch  besonders  hervorgehoben,  dem  Schriftcitate  eu  liebe,  welches 
sagt:  „die  Rede  gehet  ein  in  das  Manas"  (Chänd.  6,  8,  6). 


.  2jweit€s  Adhikaranam. 

3.    tan  manah  präna\  uttarät 
dann   das  Manas   in  den  Präna,  wegen  des  folgenden. 

Wir  erkannten,  dafs  in  den  Worten:  ,)die  Rede  gehet  ein  in 
„das  Manas^S  nur  ein  Eingehen  der  Funktion  gelehrt  werde.  Wie 
steht  es  nun  mit  dem  weiteren  Worte:  „das  Manas  in  d^i  Präna 
1090  }}(das  Leben)"  (Ch&nd.  6,  8,  6);  ist  |  auch  hier  nur  von  einem  Gin- 
gehen der  Funktion  die  Rede,  oder  von  einem  Eingehen  des 
Trägers  der  Funktion?  —  Man  könnte  denken,  ^dafs  hier  ein  Ein- 
'gehen  des  Triers  der  Funktion  anzunehmen  sei,  weil  damit  dem 
'Wortlaute  der  Schrift  gentigt  wird ,  und  weil  hier  das  eine  aus  'dem 
'andern  wirklich  entstanden  ist.  Denn  die  Schrift  sagt:  „nahrungsartig 
^„ist,  o  Teurer,  das  Manas,  wasserai^g  der  Pr4na"  (Chänd.  6,  6,  5); 
'hiernach  hat  das  Manas  zum  Ursprünge  die  Nahrung,  und  der 
'Präna  zum  Ursprünge  das  Wasser,  aus  dem  Wasser  aber  ist  anderseits 
'auch  nach  der  Schrift  die  Nahrung  entstanden  (vgl.  Chänd.  6,  2,  4). 
'Wenn  also  das  Manas  in  den  Präna  sich  auflöst,  so  löst  sich  da- 
'mit  die  Nahrung  in  das  Wasser  auf,  denn  das  Manas  ist  Nahrung, 
'und  der  Prä^a  ist  Wasser,  indem  das  Umgewandelte  von  seinem 
'Urstoffe  nicht  verschieden  ist*.  Auf  diese  Annahme  erwidern  wir: 
auch  jenes  Manas,  welches  die  Funktion  der  äufseren  Sinne  in  sich 
aufgenommen  hat,  löst  sich  selbst  nur  seiner  Fubktion  nach  auf, 
lind  zwar  in  den  Präna,  wie  sich  „wegen  des  folgenden"  Schrift- 
Wortes  [Chänd.  6,  8,  6:  „das  Manas  in  den  Präna"]  ergiebt.  In 
dieser  Weise  zeigt  nämlich  [auch]  die  Erfahrung,  wie  bei  dem  Tief- 
schlafenden  und  Ohnmächtigwerdenden  (lies :  mumurkshos) ,  die 
Funktion  des  Präna,  deren  Wesen  in  der  Belebung  {parispanda) 
besteht,  noch  fortdauert,  während  die  Funktion  des  Manas  u.  s.  w. 
zur  Ruhe  kommt.  Es  ist  aber  nicht  möglich,  dafs  das  Manas 
selbst  seinem  Wesen  nach  in  den  Präna  eingehe,  weil  es  aus  diesem 
nicht  entsprungen  igt.  —  'Aber  wir  zeigten  ja,  dafs  das  Manas  auf 


SÄtram  IV.  ii.  3.  717 

'dem  Prftna  entsprungen  seil'  —  Das  hält  nickt  Stich.  Penn  wegen 
eines  solchen  mittelbaren  Entspningenseins  aus  ihm  kann  das.  Manas 
nicht  in  den  Prana  eingehen;  denn  sonst  müfsten  auch  das  Manas 
in  die  Nahrung,  und  die  Nahrung  in  das  Wasser,  und  endlich  gar 
der  Prima  in  das  Wasser  eingehen.  —  Auch  ist  bei  jener  Behauptung 
durchaus  kein  Beweis  dafär  Yorhanden,  dals  das  Manas  gerade  aus 
demjenigen  Wasser,  welches  in  das  Sein  des  PrUna  umgewandelt 
wurde,  entstanden  sei.  Somit  kann  das  Manas  nicht  seinem  Wesen 
nach  in  den  Präna  eingehen.  Denn  auch  wenn  es  nur  seiner  | 
Funktion  nach  in  den^ielben  eingeht,  geschieht  dem  Schriftworte  1091 
Genüge,  welches,  wie  wir  zeigten,  hier  die  Funktion  und  den  Träger 
der  Funktion  als  eine  Einheit  behandelt. 


Diiites  Adhikatanam. 

4.    SO  ^dhyakshe,  tad-upagama'ädiibjfah 
er  in  dem  Aufseher,  wegen  der  Scharang  zu  ihm  u,  s.  w. 

Wir  haben  festgestellt,  dafs  ein  Ding  in  da^nige,  woraus  es 
nicht  entsprungen  ist,  nur  seiner  Funktion  nach»  nicht  seinem  Wesen 
nach  vergehen  kann.  —  Wir  kommen  nun  zu  den  Worten  „der  Pr&na 
„in  diq  Glut"  (Ch4nd.  6,  8,  6),  und  es  ist  zu  untersuchen,  ob,  wie 
die  Schrift  es  sagt,  der  Prona  seiner  Funktion  nach  wirklioh  in 
die  Glut  selbst  hineingezogen  wird,  oder  vielmehr  in  die  als  ,yAuf- 
„seher**  in  dem  Käfige  des  Leibes  und  der  Organe  waltende  indivi- 
duelle Seele.  —  Man  könnte  denken,  'dafs  der  Eingang  so  sei,  wie 
4hn  die  Worte  „der  Pr&na'in  die  Glut"  angeben,  da  durch  das 
'Schriftwort  dem  Zweifel  eine  Grenze  gesetzt  wird,  und  die  Au- 
fnahme eines  nicht  Schriftgemäfsen  unberechtigt  sein  würde.'  — 
Auf  diese  Annahme  versetzt  der  Lehrer:  „er  in  dem  Aufseher"; 
d.  h.  er,  der  Pr&na,  von  dem  die  Rede  ist,  besteht  fort  in  dem  Auf- 
seher, d.  h.  in  dem  mit  den  Up&dhi's  des  Wissens,  der  Werke 
und  der  Vorwissenheit  (Brih.  4,  4,  2)  behafteten  Erkeuntnis-Selbstei. 
indem  dieses  das  Substrat  für  die  Funktionen  des  Pr^na  bildet. 
Warum?  „wogen  der  Scharung  zu  ihm  u.  s.  w."^  nUmlich  eine  an- 
dere Schriftstelle  sagt:  „also  auch  scharen  zur  Zeit  des  Endes  zu 
„der  Seele  alle  Lebensorgaue  sich  zusammen,  wenn  es  so  weit  ist, 
,^dafs  einer  in  den  letzten  Zügen  liegt"  (Brih.  4,  3,  38);  hierin  ist 
gesagt,  dafs  alle  Lebensorgane  ohne  Unterschied  sich  zu  dem  Auf- 
seher scharen.  Und  speciell  heifst  es  noch:  „indem  sie  auszieht, 
„zieht  der  Pr&na  mit  aus"  (Brih.  4,  4»  2),  d.  h.  der  Prllna  mit  seinen 
fünf  I  Funktionen  schart  sich  zu  dem  Aufseher,  und  die  übrigen  1092 
folgmi  ihm  darin,  denn  es  heifst:  „indem  der  Präna  auszieht,  ziehen 
„alle  Lebensorgane  mit  aus"  (Brilt  4,  4,  2);  und  wenn  die  Schrift 


71^  gidraka-mtmi&ilk 

eben  daaelbat  Mgt:  ,»tie  [die  Seele]  ist  von  Erkenntnisart,  [und 
.  „was  Ton  ErkenntniBart  ist,  siebet  ibr  nacb]'S  so  lehrt  sie  liier, 
d&fs  der  „Aufaeher*'  aeinem  innem  Wesen  nach  von  Erkenntnisart  ist, 
irod  dafs  darum  in  ihm  der  Pr&^a,  in  welchen  die  Schar  der 
Organe  [Manas  u.  s.  w.]  eingegangen  ist«  seinen  Standort  nimmt.  — 
'Aber  e^  heifst  doch:  „der  Prft^a  in  die  Glut"  (Chänd.  6,  8«  6); 
'wie  kann  man  also  hier  nodi  ein  weiteres  Olied  einschieben  und 
<aageu,  der  Pr&na  gßhe  in  den  Aufseber  ein?'  — •  Dies  ist  unbe- 
denltUeh,  weil  die  Vorginge  d^  Ausaiehens  u.  s.  w.  [selbstver- 
ständlich] den  Aufseher  ale  ihr  Subjekt  haben,  und  weil  auch  die  in 
andern  Schriftstellen  vorkommenden  Bestimmungen  zu  beracksicb« 
tigen  sind.  —  'Aber  wae  bedeuten  dann  die  Worte:  „der  Prans 
S,in  die  Glut"  (Chftnd.  6,  8,  6)?*  —  Der  Lehrer  antwortet: 

5.  hhAt^hUj  atäk'Qruteh 
in  dl.3  Elemente,  wegen  des  weitern  Schriftwortes. 

Der  mit  dem  Prftna  verbundene  Aufseher  nimmt  Plata  [in  dem 
,.feinen  Leibe",  d.  h.]  in  den  die  Glut  unter  sich  begreifenden 
Elementen,  wie  sie,  als  feine,  den  Samen  des  I^eibes  bilden;  so  ist 
es  „wegen  des  weitem  Schriftwortes",  wonach  „der  Pra^a  in  die 
„Glut"  eingeht,  anfsufassen.  —  *Aber  auch  dieses  Wort  redet  doch 
'nur  davon,  dafs  der  Pr&na,  nicht  aber  der  mit  dem  Prftna  ver- 
1003  'bundene'l  Aufseher  in  der  Olut'Plata  nehmet  -*-  Das  schadet 
nicht,  ,  indem  man  nach  den  Worten: „er  in  dem  Aufseher^' 
(Sütram  4,  2,  4)  noch  den  Aufseher  zwischeneinschi^ben  mufs. 
Denn  wer  von  Qrughna  nach  Mathurft  geht  und  dann  von  Mathura 
nach  PA^liputram,  von  dem  kann  man  sagen,  dafs  er  von  Qrughna 
nach  PÄtalipatram  gehe«  Somit  bedeuten  die  Worte  „der  Prllna 
„in  die  Glut",  dafs  eben  der  mit  dem  Prftna  verbundene  Aufeeher 
in  den  die  Glut  in  sicia  begreifenden  Elementen  seinen  Sita  nehme.  — 
'Aber  wie  kann  man  von  den  die  Glut  iu  sich  begreifenden  Ele- 
'menten  reden,  da  doch  die  Schrift  in  dem  Worte  „der  Präna  in 
S,die  Glut"  nur  die  Glut  allein  erwähnt?  —  Der  Lehrer  antwortet: 

6.   na  ekasminy  dar^ayato  hi 
nicht  in  dem  einen;  denn  beide  beweisen^  — 

Nicht  in  dem  einen  Element  der  Glut  allein  niount  die  Seele 
in  der  Weile  bis  cur  Erl&ngung  eines  neuen  Leibes  ihren  Sita, 
weil  dieser  Leib  ein  Produkt  verschiedenartiger 'Elemente  ist;  denn 
diesea  „beweisen  beide",  die  Frage  und  die  Antwort,  in  der  SteHe 
von  den  Wassern,  die  mit  Menschenstimme  reden  (Ch&nd.  5,  S,  ^^ 


SAtram  fV.  u.  6-  719        - 

w^ie  wir  dicB  sahen  bei  den  "Worten:  „vielmehr  weg«n  der  Drer- 
j^wesenheit,  wegen  des  Überwiegers'*  (Sütrucn  ^,  l,  2).  Und  auch 
die  Schrift  und  die  Smriti  „beweisen  beide-'  eben  diesoa;  die  Schrift 
in  den  Worten:  „bestehend  aus  Erde^  aus  Wasser,  fu.j  Wind,  aus 
,, Äther,  aus  Feuer'*  (Brih.  4,  4,  5);  und  die  Smriti,  wenn  sie  sagt 
(Manu  1,  27):  ..Die  schwindend  kleinen  Quanta  der  Halbzehne, 
„durch  die  entstehet  alles  nach  der  Orduung."  —  *Aber  lehrt  nicht 
'für  jene  Zwischenzeit,  in  wtjlcher  bis  zur  Erlancung  eines  neuen 
^i^eibes  die  Organe  des  Leibes  u.  s.  w,  eingezogen  sind,  |  ein  anderes  1094 
•Schriftwort:  „wo,  ist  dann  dieser  Geist"  u.  s.  w,  (Bfih.  3,  2,  13), 
tlah  in  ihr  [auch]  die  W(>rke  als  dos  Substrat  dienen,  indem  es 
dabei  .heifst:  „und  was  sie  sprachen  das  war  Werk,  und  was  sip 
,,prie«ffn,  das  war  Werk'^V  —  Wir  erwidern*  dort  wurden  die 
Werke  als  Substrat  genannt,  weil  es  sich  durum  handt^lte,  die 
Bindung  [der  Seele]  durch  die  als  Halter  und  Gegenhali«^r  (Brih.  3,  2) 
bezeichneten  Organe  und  Sinuendinge  zu  erklftreu,  kior  hingegen 
werden  die  Elemente  als  Substrat  bezeichnet,  sofern  an?  ihnen 
der  neue  Leib  sich  aufbaut.  Der  Ausdruck  „und  was  sie  priesen'' 
an  jener  Stelle  weist  darauf  hib,  dafs  die  Werke  nur  das  Uanpt- 
substi'ai  sind,  ohne  dafs  dieselben  ein  zweites  Substrat  aussehluHsen/ 
daher  kein  Widempruch  vorliegt. 


Viertes  Adhikaranam, 

7.  samänä  ca  ä-sriti-tqxxJcramdd ;  amrUäl'mf   ca  anapa- 

ushya 

<kr  gleiche  bis  zum  Antritte  des  Weges;  auch   ist  es 
nur  diejenige  Unsterblichkeitj  bei  der  noch  nicht  ver- 
brannt. 

Ist  dieser  Anssug  fiir  den  [exoterisch]  Wissenden  und  den 
Nichtwipsenden  der  gleiche,  oder  ein  verschiedener?  —  Ind<>in  man 
hierüber  hin  und  her  zweifelt,  konnte  man  denken,  'er  sei  für 
'beide  verschieden.  Nämlich  jener  Auszug  hat  als  Merkmal,  dafs 
*seiu  Substrat  die  Kiemente  sind;  die  Elemente  aber  dienen  als 
'Substrat  zum  Zwecke  der  Wiedergeburt.,  und  diese  Wiedergebutl 
'i^Ut  bei  dem  Wissendon  fort,  denn  die  Schrift  lehrt,  Jafs  der 
'Wissende  die  Unsterblichkeit  erlange.  Somit  bezieht  sich  der  Aus- 
zug nur  auf  den  NichtwisseodenV  —  Aber  niufs  er  «ich  nicht, 
weil  er  in  einem  von  dem  Wissen  handelnden  Abschnitte  vorkommt, 
[auch]  auf  den  Wissenden  beziehend'  —  'Doch  nicht:  denn  er  wird 


720  Q&rlraka-mlmJ^Äli 

1095  ^ähnlich  wie  der  Schlaf  und  anderes  nur  gelegentlich  |  erw&hni» 
^Denn  wie  in  den  Worten:  „wenn  nämlich  dieser  Mensch  schl&ft, .  • 
SjWenn  er  essen  will,  .  .  wenn  er  trinken  wilP'  (Ch&nd.  6|  8»  1 — B% 
^der  allen  lebenden  Wesen  gemeinsame  Schlaf  n.  s.  w«  erwftimt 
'wird,  obgleich  der  Abschnitt  vom  Wissen  handelt,  weil  jene  Dif^e 
*mit  der  Darlegung  dessen,  was  gelehrt  werden  soll,  zosammen- 
*hängen,  nicht  aber,  als  wenn  sie  als  fUi:  den  Wissenden  charak- 
'tdristisch  gelehrt  werden  sollten,  ebenso  wird  auch  hier  der  Ans- 
'zug,  welcher  sich  nur  auf  die  Masse  der  Menschen  im  allgemeinea 
'bezieht,  erw&hnt,  indem  die  Absicht  besteht,  jene  höchste  Gottheit, 
*in  welche  die  Glut  des  dahinscheidenden  Menschen  eingeht,  als 
'die  Seele  und  a^s  das  Reale  (Ch&nd.  6,  8»  7)  kennen  zvl  lehren, 
'während  doch  bei  dem  Wissenden  jener  Aussug  gar  nicht  statt- 
'findet.  Somit  ist  er  nur  auf  den  Niohtwissenden  m  besiehen/  — 
Auf  diese  Annahme  erwidern  wir:  jener  Auszug,  bei  welchem  die 
Kede  in  das  Manas  u.  s.  w.  eingeht,  mufs  ,,bis  zum  Antritte  jdes 
^Weges"  hin  als  „der  gleiche^'  für  den  [exoterisch]  Wissenden  und 
Nichtwissenden  anerkannt  werden,  weil  die  Schrift  beide  nicht 
unterscheidet«  Nämlich  der  Niohtwissende  geht  in' die  den  Samen 
des  Leibes  bildenden  Feinteile  der  Elemente  mn,  um  ton  seinen 
Werken  begleitet  weiter  zu  wandern  and  eine  netie  Yerleiblicbniig 
zu  erdulden;  der  [esoterisch]  Wissende  hingegen  gabt  zu  der 
von  der  Erkenntnis  ihm  gezeigten  Erlösung,  welche  die  [Kopf-] 
Ader  als  Ausgangspforte  hat,  hin  [wenn  nicht  vielmehr  zu  lesen: 
juana-prakä^iam  mürdha-ftä^i'ilvdra^  vgl.  p.  1104,  13],  daher  die 
Bestimmung  lautet:  „bis  zum  Antritte  des  W^es  [ist  der  Auszug 
„gleich].*'  —  'Aber  der  Wissende  soll  doch  die  Unsterblichkeit  er- 
gangen; und  diese  ist  doch  nicht  durch  eine  Ortsveränddiiuig  be- 
'dingt;  wie  kann  er  also  in  die  Elemente  eingehen  oder  den  Weg 
'antreten?^  — ^  Wir  erwidern:  es  ist  nur  diejenige  [Unsterblichkeit], 
„bei  der  noch  nicht  verbrannt";  d.  h.  weil  der  [exoterisch]  Wissende 
noch  nicht  die  Beschwerungen  (kleca^  S.  666)  des  Nichtwissens  n.  s.  w. 
völlig  verbrannt  hat,  indem  er  eben  nur  das  niedere  Wissen  be- 

1096  sitzt,  deswegen  kann  er  nur  zu  einer  relativen  |  Unsterblichkeit 
gelangen,  bei  welcher  der  Antritt  des  Weges  und  der  Eingang  in 
die  Elemente  notwendig  ist;  denn  ohne  ein  Substrat  ist  der  Hin- 
gang der  Lebensorgane  [zur  Unsterblichkeit]  nicht  möglich;  daher 
die  Sache  in   Ordnung  ist. 


Sütram  IT.  ii.  8.  721 

Fünftes  Adhikara^tam» 

8.   tad  A-apUehy  samsära-vyapadegat 

dieser  bis  zum  Eingange,   wegen   der  Aufzeigung  des 

Samsära. 

Wenn  es  weiter  heifst:  „die  Glut  in  die  höchste  Gottheit" 
(Chänd.  6,  8,  6),  so  bedeutet  dies  noch  dem  Zusammenhange  der 
Stelle,  dafs  die  vorerwähnte  Glut,  begleitet  von  dem  Aufseher,  dem 
Präna  und  der  Schar  der  Organe,  und  verbunden  mit  den  andern 
Elementen,  [dafs  also  die  ganze  Seele]  des  dahinscheidenden  Menschen 
in  die  höchste  Gottheit  eingeht..  Aber  welcher  Art  ist  dieser 
Eingang?  das  ist  zu  überlegen.  —  Man  könnte  meinen,  *es  sei 
*eine  definitive  Auflösung  des  eigenen  Wesens  in  der  höchsten 
^Gottheit;  denn  weil  dasselbe  aus  ihr  entsprungen  ist,  läfst  sich 
Mies  denken;  nämlich  der  Ursprung  alles  Entstandenen,  körperlich 
'Gewordenen,  ist,  wie  wir  festgestellt  haben,  die  höchste  Gottheit; 
'ond  somit  wäre  auch  dieser  Eingang  in  die  Ungeteiltheit  ein 
definitiver.'  —  Darauf  erwidern  wir:  „dieser**  aus  der  Glut  u.  s.  w. 
gebildete  feine  I^eib,  wie  er  der  Träger  der  Organe,  Ohr  u.  s.  w. 
ist,  bleibt  „bis  zum  Eingänge*',  bis  zur  Erlösung  vom  Samsära,  wie 
sie  die  Folge  der  vollkommenen  Erkenntnis  ist,  bestehen;  „wegen 
„der  Aufzeigung  des  Samsära**,  wie  sie  in  den  Worten  geschieht 
(Käth.  6,  7): 

„In  einen  Mutterschofs  die  einen  eingeh'n, 

„Verkörpernd  sich  zu  neuer  Leiblichkeit, 

„In  eine  Pflanze  mOsscn  andre  fahren, 

„Je  nach  dem  Werk,  je  nach  dem  Schriftgebrauch." 

Denn  sonst  würde  für  jeden  das  blofse  Sterben  eine  Vernichtung 
der  Upadhi^s  und  ein  definitiver  Eingang  in  das  Brahman  sein; 
dann  aber  wäre  der  Gesetzeskanon  zwecklos,  |  und  ebenso  der  ^^^'^ 
Kanon  des  Wissens.  Aber  die  Bindung  hat  ihren  Grund  in  der 
falschen  Erkenntnis,  und  kann  daher  nicht  anders  als  durch  die 
vollkommene  Erkenntnis  gelöst  werden.  Darum  ist,  trotz  des 
Ursprunges  aus  ihm,  dieser  Eingang  in  das  Seiende,  ebenso  wie 
der  beim  Tiefschlafe  und  Weltuntergang,  ein  solcher,  bei  welchem 
ein  Samen  übrig  bleibt  und  fortbesteht. 

A    sukshmam  pranUma-tag  ca,  tathä-upalabdJ^eh 

und  zwar  ein  feines,  dem  Beweise  nach  fQaiikara  liest: 
parimänataSy   dem   Umfange   naöhj,  weil   man  ihn   als 

Bolchen  ersieht. 

Jenes  Substrat  der  aus  diesem  Leibe  auswandernden  Seele, 
welches  aus  der  mit  den  übrigen  Elementen  verbundenen  Glut  be- 

Diutsm,  Vedftnta.  46 


722  g&rtraka-mlm&Asi 

Btebt,  mufs  seiner  Natar  nnd  seinem  Umfange  naeh  ein  feinaa  sein. 
Denn  in  dieser  Weise  wird  seine  Feinheit  ersehen  ans  den  Schrift- 
steilen,  welche  Ton  dem  Anssuge  durch  die  Adern  handeln,  nnd 
andern;  dabei  beruht  auf  seiner  Ausgedehntheit  (tanutvam)  die 
Möglichkeit  seines  Fortziehens,  und  auf  seiner  Subtilit&t  (svacehatvam. 
eigentlich  Durchsichtigkeit)  beruht  es,  dafs  ihn  kein  Hindernis  hemmt. 
Aus  demselben  Grunde  vrird  er  bei  seinem  Ausauge  aus  dem  Leihe 
von  den  Umstehenden  nicht  wahrgenommen  (vgl.  S4tram  2,  4,  7) 

10*   na  upafnardena  atah 
darum  nicht  durch  Zerstörung. 

Darum  auch,  wegen  seiner  Feinheit,  kann,  wenn  der  grobe 
Leib  durch  Brennen  u.  s.  w.  serstört  wird>  der  andere,  der  feine 
Leib,  nicht  mit  zerstört  werden. 

11.    asya  eva  ca  upapatter  esha  ushmä 
sein  auch  nur  ist,  wegen  der  Möglichkeit,  jene  W&nne. 

Sein  ist,  d.  h.  dem  feinen  Leibe  gehört  auch  jene  W&rme,  weldie 
man  bei  Berührung  des  lebendigen  Leibes  empfindet.  Dazu  stimmt 
109S  dafs  im  Zustande  des  Todes,  während  |  der  Leib  noch  besteht,  und 
die  Qualitäten  des  Leibes,  Gestalt  u.  s.  w.,  noch  vorhanden  sind, 
jene  Wärme  nicht  mehr  wahrgenommen  wird,  Tielmehr  nur  so  lange 
wahrgenommen  wird,  wie  das  Leben  besteht.  Hieraus  folgt,  dafi 
jene  Wärme  durch  etwas  bedingt  sein  muTs,  welches  von  dem  ge- 
wöhnlichen Leibe  verschieden  ist.  Darum  sagt  die  Schrift:  „warm 
„ist  er,  solange  er  lebt,  kalt  wenn  er  stirbt*'  (C^^P*  ^i*-  Si  7,  2,  1 1). 


*  Sechstes  Adhiiaranam^ 

12.    ^pratishedhädy  üi  cen?  na!  ^^irät' 

'wegen  der  Verneinung,  meint  ihr?    Nein!   aus    dem 

Verköi'perten.' 

Aus  der  Bestimmung:  „auch  ist  es  nur   diejenige  Unsterblicb- 
„keit,  bei  der  noch  nicht  verbrannt**  (Sütrain  4,  2,  7)  ergiebt  sich. 


SAtram  IV.  ii.  12.  723 

dafs  bei  dei*  absoluten  Unftterblicbkeit  [decr  ««oterisch  Wiasenden, 
von  dem  hier  4,  2,  12 — 16  cpifiodisch  gebandelt  wird]  ein  Hin- 
gehen oder  Auaziehen  nicht  mdglidi  ist.  Und  die  Meinung,  dafa 
auch  hierbei  aus  irgend  einem  Grunde  der  Auszug  möglich  sei, 
wird  Ton  det  Schrift  Terneint  in  den  Worten:  „Nunmehr  Ton  dem 
„Nichtverlangenden.  -^  Wer  ohne  Verlangen ,  frei  von  Verlangen, 
„gci?tillten  Verlangens,  selbst  sein  Verlangen  iei,  dessen  (tasya) 
„Lebensgeister  sieben  nicht  aus;  sondern  Brahman  ist  er  und  in 
„Brahman  löst  er  sich  auf^  (Brih.  4,  4»  6).  —  ^Aber  meint  ihr 
'vielleicht  wegen  dieser,  auf  die  höhere  Wissenschaft  besüglichen, 
^Verneinung  [des  Auszuges],  dafs  die  Lebensgeister  dßs  [esoterisch] 
'das  höhere  Brahman  Wissenden  gar  nicht  au^  dem  Leibe  ane- 
rzögen, so  müssen  wir  das  dienn  doch  beetreiten;  denn  jene  Ver- 
'iieinuDg  des  Auszuges  der  Lebensgeister  verneint  nnr  den  Auszug 
'derselben  aus  der  verkörperten  Seele,  nicht  aber  den  aus 
'dorn  Körper;  denn  dies  ergibt  sich  daraus,  dafs  in  der  Parallel- 
'stelle  einer  andern  Q&kh&  [n&mlich  bei  den  M&dbyandina's]  der 
'Ablativ  steht,  und  es  heilst:  „aus  ihn^  (tasm&t)  ziehen  die  Lebens- 
Sfgeister  nicht  aus"  (Qatap.  br.  14,  7,  2,  8).  '  Namlioh  d^  nur  eine 
'Beziehang  im  allgemeinen  ausdrftokende  Genitiv  (tüsya)  wird  hier 
'durch  den  in  der  andern  Q4kblk  sich  findenden  Ablativ  (tesfikit} 
'zu  einer  speciellen  Beziehung  pr&cisiert,  und  der  Ausdn^k  „aus 
'„ihm'*  (tasfndt)  inufs,  |  weil  von  ihr  die  Rede  ist,  auf  die  aum  1099 
'Aufschwünge  und  zur  Seligkeit  berufene  ^Tr&gerin  des  Leibes  be« 
'zogen  werden,  und  nicht  auf  den  Leib  selbst,  und  der  Sinn  ist: 
'aas  ihm,  aus  dem  zum  Auszüge  sich  rtkstenden  individuellen  Selbste, 
'ziehen  die  Lebensgeister  nicht  aus,  sondern  sie  bleiben  mit  dem- 
'selbeu  verbunden.  Da  somit  [auch  der  das  vollkommene  Wi^sen 
'Besitzende]  mitsamt  seinen  Lebensgeistern  aussieht,  so  gilt  auch 
'für  ihn  der  Auszug  aus  dem  Leibe.* 
Auf  diese  Annahme  ist  zu  erwidern: 


13.   spashio  hi  ekeä^Am 
denn  offenbar,  nach  einigen. 

£s  ist  nicht  wahr,  dafs  auch  der  Wisser  des  höhten  Brahman 
aus  dem  I^ibe  ausziehe,  weil  sich  die  Vemeisnng  nur  ^f  einen 
Auszug  [der  Lebensorgane]  aus  der  Trägerin  des  Leibe»  beziehe. 
Dafs  sich  vielmehr  die  Verneinung  des  Auszuges  auf  den  Leib,  der 
hier  unter  dem  Ablativ  zu  verstehen  ist,  bezieht,  ist  offenbar  naeh 
dem,  waa  iinige  Schuten  erwähnen.  NämKch  bei  der  Frage,  die 
der  Sohn  des  Ritabhäga  stellt,  ob,  wenn  der  Mensch  sterbe,  ans 
ihm  (asmäi)  die  Lebensgdster  auszögen  oder  nicht,  heifst  es: 
„nein!  so  spraeh  Y4jnavalkya'^  (Brih.  3,  2,  11);  und  indem  er  sich 

46» 


724  '  Qftrlraka-mim&nsä 

mit  diesen  Worten  gegen  die  Behauptung  eines  Auusuges  wendet, 
antwortet  er  auf  das  Bedenken,  dafs  der  Mensch  doch,  ohne  An«- 
ziehen  der  Leheusgeister,  nicht  sterben  könne,  mit  den  Worten: 
„sondern  daselbst  eben  lösen  sie  sich  aaf%  und  nachdem  er  »ich 
für  die  Auflösung  der  Lebensgeister  ausgesprochen  hat,  sagt  er 
zur  Bestätigung:  „derselbige  schwillt  an,  bläht  sich  auf;  aufgebläht 
„liegt  der  Tote"  (Bfih.  3,  2,  11).  Hier  wird  gelehrt,  dafs  in  dem 
Augenblicke,  wo  [sonst]  die  Lebensgeister  ausziehen,  bei  dem  durch 
das  Wort  „derselbige'V  Befafsten,  von  dem  die  Rede  ist,  ein  Auf- 
blähen u.  8.  w.  stattfindet.     Dieses   aber   geht  auf  den   Leib   und 

1100  nicht  auf  die  Seele  als  Trägerin  des  Leibes;  |  und  wegen  der  Ana- 
logie damit  mufs  man  auch  die  Stelle;  „aus  ihm  ziehen  die  Lebens- 
„geister  nicht  aus,  sondern  eben  daselbst  lösen  sie  sich  auf^',  ebenso 
behandeln,  und  auch  hier  die  Verneinung  des  Auszuges  Yon  dem 
unter  dem  Ablativ  gemeinten  Leibe  verstehen,  wennschon  das. 
wovon  hier  die  Rede,  die  Trägerin  des  lieibes  ist;  so  hat  man  lu 
erklären,  wo  der  Ablativ  (iasmat)  steht.  Wo  aber  der  GeniÜT 
(tas^a)  steht,  da  wird  der  Auszug  miit  Beziehung  auf  den  Wissen- 
den verneint,  so  [hat  man  anzunehmen],  da  die  fragliche  Stelle 
jedenfalls  den  Zweck  hat,  den  [vom  Gegner]  behaupteten  Auszug 
ztt  verneinen;  jene  [gegnerische]  Behauptung  aber  eines  Auszuges, 
nicht  aus  der  Trägerin  des  Leibes,  sondern  aus  dem  Leibe,  wird 
nur  dann  wirklich  verneint,  wenn  man  dabei  unter  dem,  woraus 
ausgezogen  wird,  den  Leib  versteht  (dtha^apädänä  eva  sä  prali- 
shiddhd  hhavati).  Hierzu  kommt  noch  Folgendes;  an  der  Stelle: 
„die  Seele  zieht  aus,  sei  es  durch  das  Auge,  ader  dnr^  den 
„Schädel  oder  durch  andere  Körperteile;  indem  sie  auszieht,  zieht 
„das  Leben  mit  aus;  indem  das  Leben  auszieht,  ziehen  alle  Lebens- 
„Organe  mit  aus*'  (Brih.  4,  4,  2),  wurde  in  Bezug  auf  den  Nicht- 
wissenden ausführlich  der  Auszug  und  der  Gang  der  Wanderung 
dargelegt  und  dies  zusammengefafst  in  den  Worten:  „so  steht  e^ 
„mit  dem  Verlangenden"  (Brih.  4,  4,  6);  dann  aberwird  durch  die 
Worte:  „Nunmehr  von  dem  Nichtverlangenden"  (Brih.  4,4,6) 
der  Wissende  besonders  vorgenommen.  Würde  nun  auch  i^  ihn 
jeuer  Auszug  gelten,  so  wäre  seine  Gegenüberstellung  (vyacadef;^} 
unberechtigt.  Somit  mufs  man  annehmen,  dafs  von  dem  Nicht- 
wissenden  das  Hingehen  und  Ausziehen,  von   dem  Wissenden  hin* 

1101  gcg^n  die  Negation  derselben  gilt,  |  weil  nur  so  seine  Gegenöber- 
stellung  (lies:  vyavadcQä)  einen  Zweck  hat.  Auch  kann  bei  dem 
Brahmanwisser,  der  zum  Selbste  des  allgegenwärtigen  Brahman  ge- 
worden ist,  und  dessen  Verlangen  und  Werke  vernichtet  sind, 
weder  ein  Auszug  noch  ein  Hingehen  mehr  stattliab^,  weil  kein 
Grund  dazu  vorhanden  ist;  und  auch  Schriftstellen  wie:  „dann  hat 
„das  Brahman  er  erreicht"  (Brih.  4,  4,  7)  besagen,  dafs  bei  ihm 
kein  Hingehen  und  Ausziehen  mehr  möglich  ist. 


Sütram  IV.  u.  14.  725 

14.  smaryate  ca 
und  auch  die  Smriti. 

Und  auch  die  Srnfiti  erwähnt  im  Mahltbharatam   dieses  Nicht- 
8tattfi^den  eines  Hingehens  und  Ausziehens  ^ahabh.  12,  9657): 

„Wer  aller  Wesen  Selbst  geworden, 
„Y^Dig  darchschauet  die  Natar, 
,fDe9  Pfad  die  Götter  selbst  verlieren , 
„Verfolgend  des  Spurlosen  Spar.*^ 

—  'Aber  erwähnt  die  Smriti  von  dem  Brahmanwissenden  nicht' 
^auch  ein  Hingehen,  wenn  es  heilst:  „Es  geschah  einmal,  dafs  (^uka, 
S,der  Sohn  des  Vyäsa,  nach  Erlösung  trachtend,  sur  Sonnenscheibe 
'„sich  aufschwang;  da  wurde  er  von  seinem  Vater,  dem  er  sich 
'„genaht  hatte,  angerufen  und  antwortete:  hier  bin  ich".'  —  Doch 
nicht!  nämlich  diese  Abstreifung  des  [wirklichen]  Leibes  zufolge 
einer  Versotsung  in  verschiedene  Gegenden  findet  durch  die  Kraft 
des  Yoga  (Seite  166)  bei  einem  solchen  statt,  der  noch  mit  einem 
[magischen]  Leibe  verbunden  bleibt,  wie  sich  aus  der  Erwähnung 
ergiebt,  dafs  jener  von  allen. Wesen  gesehen  wurde;  denn  wenn 
einer  [ganz]  ohne  Leib  geht,  so  kann  er  nicht  von  allen  Wesen 
gesehen  werden.  Dem  entspricht  auch  der  Schlufs  jener  Stelle, 
wo  es  heifst: 

„Als  ^ka  mit  des  Windes  Flug 
„So  durch  die  Lnfl  geflogen  war, 
„Ward  er  in  seiner  Übermacht 
„Vor  allen  Wesen  offenbar.'' 

I  Somit  ist  für  den  das  höchste  Brahman  Wissenden  ein  Hingeheu  1102 
oder  Ausziehen  unmöglich.      Worauf  sich  aber  die    Schriftstellen, 
die  von  einem  Hingehen  reden,  beziehen,  das   werden   wir   weiter 
unten  erklären. 


Siebentes  Adhikaranam. 

15.   Uini  pare;  tathä  hi  aha 
diese  in  dem  Höclisten;  denn  so  sagt  sie. 

Diese  hingegen,  d.  h.  die  unter  dem  Worte  Pra^a  befafsten 
Organe  und  Elementarteile  des  Wissers  des  höheren  Brahman  lösen 
sich  in  eben  jenem  höchsten  Atman  auf;  warum?  „denn  so  sagt  sie", 


726  9<^lra]EMDtmlkM 

nändich  die  Schrill:  ^«ebenso  aoch  kommea  jene  sechzehn  Teile  de« 
y^Uschaoeaden,  cUe  sutn  Oeiete  ihren  Oang- nehmen,  nachdem  sie 
„in  den  Oeist  gelangt  sind,  sar  Ruhe"  (Pra^na  6,  6).  —  ^Aber 
'lehrt  nioht  eine  andere  SehriftateUe:  „die  ffinfzefan  TeUe  gehen  in 
S,die  Elemente"  (Uiij^^*  3,  2,  7)  in  Beireff  des  Wissenden,  dafs 
^seine  Teile  aueh  ändert  ids  in  dem  höchsten  Atman  sich  auflösen?* 
—  Doch  nicht  f  denn  jene  Stelle  drückt  die  populAre  Anschanioig 
aus,  nach  weldier  die  erdartigen  n.  s.  w.  Teile  in  die  Erde  n.  c.  w. 
als  in  ihren  Üffapning  tortlcUehren;  die  andere  St^e  hingegen 
lehrt  Ar  das  Verstindois  des  Wiesenden,  dafs  an  dem  Wisaer  des 
höheren  ftuhman  alles  ans  Teilen  Bestehende  in  das  Brahman  ein- 
geht, daher  hier  kein  Fdder  vorliegt. 


Acht€9  Adhikarca^m. 

1103  16.  aväJiägo  vacan&t 

Ungeteiltheit,  weil  sie  es  sagt 

Es  fragt  sich,  ob  diese  Auflosnng  der  Teile  des  Wissenden  so 
geschieht,  dafs,  wie  bei  den  andern,  ein  Rest  ti>rig  bleibt,  oder 
aber  ohne  Rest?  .Falls  jemand,  wegen  der  Oleicbartigkeit  der  Anf- 
lösung,  auch  bei  dem  Wissenden  ein  potentielles  Fortbestehen  an- 
nehmen solUe,  so.  entgegnet  der  Lehrer,  dafs  bei  ihm  yiebnehr  ein 
völliger  Eingang  in  die  Ungeteiltheit  stattfindet;  warum?  >,weil  sie 
„es  sagt;**  nftmlich  die  Schrift,  nachdem  sie  die  Auflösung  der  Teile 
gelehrt  hat,  sagt:  „ihre  Namen  und  Gestalten  lerrinnen  und  wer- 
„den  nur  noch  Geist  genannt;  der  ist  jener  Unteilbare,  Unsterfo- 
„liehe"  (Pra^na  6,  5).  Wenn  n&mlich  die  auf  dem  Nichtwiss^i  be- 
^  ruhenden. Teile  durch  das  Wissen  aufgelöst  werden,  so  kann  ein 
Rest  derselben  nicht  weiter  bestehen.  Folglich  tritt  die  völlige 
Ungeteiltheit  ein.  * 


Satrain  IV.  ii.  17.  727 


Neuntes  Adkikaraiuim. 

17.  Jad-oko-'gra'jvalanam;  tat-prakägita-dväro  vidyär 
sämarthydt    taC'Chesha-gati''ant4smrm'yogäc    ca   härda- 

anugrihUah  oatd-adhikayä 

FlammuDg  der  Spitze  seiner  Behausung;  hierdurch  zur 
Tbäre  geleuchtet,  geht  er,  kraft  des  Wissens  und  be- 
haftet mit  Erinnerung  an  den  von  ihm  befafsten  Weg, 
von    dem  im   Herzen  begnadigt   auf    der    mehr -als - 

hundertsten. 

Hiermit  ist  die  episodische,  das  höhere  Wissen  be- 
treffende Betrachtung  (4,  2>  12 — 16)  geschlossen,  und  der 
Lehrer  wendet  sich  wieder  der  auf  das  niedere  Wissen  besäglichen 
Betnu;htnng  sn. 

Es. war  gesagt  worden,  dafs  der  Auszug  Kir  den  Wissenden 
und  den  Nichtwissenden  „bis  zum  Antritte  des  Weges"  der  gleiche 
sei  (Sütram  4,  2,  7);  dieser  Antritt  des  Weges  wird  nunmehr  von 
dem  Lehrer  beschrieben.  |  Bei  ihm,  d.  h.  bei  dem  individuellen  1104 
Atman,  wenn  er  sein  aus  der  Rede  u.  s.  w.  bestehendes  Bündel  ge- 
schnürt hat  und  ausziehen  will,  wird  an  seiner  Behausung,  seiner 
Wohnung,  n&mlich  dem  Herzen  —  denn  es  heifst:  „sie  aber  nimmt 
„diese  Kraftelemente  in  sich  auf  und  zieht  sich  zurück  auf  das 
„Herz"  (Brih.  4,  4,  1)-,  —  an  diesem  wird  die  Spitze  flammend; 
nämlich  dies  geschieht,  ehe  von  den  Standorten  des  Auges  u.  s.  w. 
aus  der  Auszug  stattfindet,  denn  es  heifst:  „alsdann  wird  die  Spitze 
„des  Herzens  leuchtend;  aus  dieser,  nachdem  sie  leuchtend  gewor- 
„den,  zieht  selbige  Seele  aus,  sei  es  durch  das  Auge  oder  durch 
„andere  Körperteile"  (Brih.  4,  4,  2).  —  Findet  nun  dieser  Auszug 
füx'  den  Wissenden  und  Nichtwissenden  ohne  nähere  Bestimmungen 
statt,  oder  besteht  für  den  Wissenden  dabei  noch  eine  specielle 
Bestimmung?  Bei  dieser  Frage  könnte  man  denken,  'dafs,  weil 
'die  Schrift  keinen  Unterscliied  angebe,  keine  nähere  Bestimmung 
'vorliege.'  —  Hierauf  erUärt  der  Lehrer:  gleich  sind  noch  für  den 
Wissenden  und  Nichtwissenden  das  Leucht-endwerden  der  Spitze 
des  Herzens  und  die  dadurch  bedingte  Erhellung  seiner  Ausgangs- 
pforte; dann  aber  zieht  der  Wissende  durch  den  Kopf  aus,  die 
übrigen  hingegen  durch  andere  Stellen  des  Körpers;  warum?  „kraft 
„dos  Wissjens''.  Wenn  nämlich  der  Wissende  ebenjo  gut  wie  die 
übrigen  durch  jeden  beliebigen  Körperteil  ausziehen  könnte,  so 
würde  er  auch   keiner  höheren   Welt  teilhaftig  werden,   und   sein 


728  CArlraka- 

Wissen  würde  nutzlos  sein;  —  „und  behaftet  mit  Erinnenuig  an 
„den  von  ihm  befafsten  Weg'^;  vom  WiiBon  n&mlich  wird  dieser 
Weg  durch  die  Kopfader  befafst,  und  ist,  wie  er  in  dtm  ver- 
schiedenen Lehren  dargelegt  wird,  fleifsig  an  treiben;  denn  nur 
wer  ihm  eifrig  obliegt,  darf  hoffen,  auf  dßnselben  zu  gelangen. 
Sodann  geschieht  es  weiter,  dafs  der  Wissende,  von  dem  im  Herzen 
1105  wohnenden  und  von  ihm  verArten  Brahman  |  begnadigt  and  in 
dessen  Wesen  umgewandelt,  durch  die  im  Kopfe  verlaufende,  „mehr- 
,^als-hünder€0te^',  ein  Hundert  übersteigende,  d.  h.  hundert  und  erste 
Ader  auszieht,  die  andern  hingegen  durch  andere.  Denn  so  heifst 
es  in  der  Lehre  von  dem  im  Herzen  wobnendeif  Brahman  (Ch&ad. 
3,6,6,  vgl.  Kith.  6,  16): 

„Hüidert  und  eine  sind  des  Herzens  Adern, 
„Von  diesen  leitet  eine  nach  dem  Haupte, 
„Unsterblichkeit  erreicht,  wer  durch  sie  aufsteigt, 
„Nach  allen  Seiten, Ausgang  sind  die  ändern.'' 


Tkhntes  Adkikarai^am. 

18.  ragmi  -  anu8ä/iri 
dem  Strahle  nachgehe&d. 

An  der  Stelle :  „in  dieser  Brahmanstadt  ist '  ein  Haus,  eine  kleine 
„Lotosblume^*  u.  s.  w.,  wird  die  Lehre  von  dem  Brahman  im  Herzen 
ausgedrückt  durch  die  Worte:  „inwendig  darinnen  ist  ein  kleiner 
„Raum*^  (Gh&nd.  8,  1,  1).  Mit  Bezug  darauf  heifst  es:  „was'  aber 
„diese  Adern  des  Herzens  sind''  u.  s.  w.  (ChlLnd.  8,  6, 1),  wobei  die 
Verbindung  der  Adern  und  der  Strahlen  des  Näheren  beschrieben 
wird;  dann  aber  heifst  es  weiter:  „wenn  er  nun  aus  diesem  Leibe 
„auszieht,  so  steigt  er  auf  diesen  Strahlen  empor*'  (Gh&nd.  8,  6,  5). 
Hieraus  ergiebt  sich,  dafs  derjenige,  welcher  durch  die  hundert 
und  erste  Ader  auszieht,  dabei  „dem  Strahle  nachgeht''. 

Findet  nun  dieses  „Nachgelien  dem  Strahle"  eben  wohl  statt, 
wenn  einer  bei  Tage  nnd  in  der  Nacht  stirbt,  oder  nur  bei  Tage?  —  | 
llOC  Da  die  Schrift  so  redet,  dafs  sie  dabei   einen  Unterschied  nicht 
macht,  so  wird  hier  vorweg  aoceptiert,  dafs  er  in  beiden  FMlen 
eben  wohl  dem  Strahle  nachgehen  kann. 


Stittrioii  lY.  II.  19.  729 

19.    ni^  na^  iti  cm?  fui!    smibandhasya  i/ävad-deha- 

bhdvüvät;  dar^ayaü  ca 

in  der  Nacht  nicht,  meint  ihr?    Nein!  weil  die  Vei- 
bindung  so  lange   wie  der    Leib  besteht;  auch  lehrt 

8ie  es. 

Die  Yerbindttng  swischen  den  Adern  und  den  Straliien  besteht 
bei  Tage,  daher  man  meinen  konnte j  ^ur  wer  bei  Tage  sterbe, 
*kdnne  dem  Strahle  nachgehen,  wer  bei  Macht  sterbe  hingegen 
'nicht,  weil  dann  die  Verbindung  zwischen  Adern  und  Strahl 
'unterbrochen  sei.'  —  Aber  dem  ist  nicht  so,  denn  die  Verbindung 
awisohen  Adern  und  Strahl  besteht  „so  lange  wie  der  LeiV^ 
Nämlich  das  ganze  Bestehen  des  Leibes  hindurch  beharrt  diese 
Kommunikation  zwischen  den  Körpergefafsen  und  den  Sonnen«- 
strahlen.  Diea  lehrt  das  Schriftwort:  „von  jener*  Sonne  spannen 
„sie  sich  aus  und  schlüpfen  in  diese  Adern;  von  diesen  Adern 
„spannen  sie  sich  aus  und  schlüpfen  in  jene  Sonne**  (Ch&nd.  8,  6,  2). 
Dafs  übrigens  diese  Strahlen  auch  in  der  Nacht  fortbestehen,  kann 
man  zur  Sommerzeit  wahrnehmen,  nämlich  an  der  Hitze  u.  s.  w., 
welche  ihre  Wirkung  sind;  in  den  Nächten  der  andern  Jahreszeiten 
sind  sie  nicht  so  gut  bemerkbar,  weil  ihrer  wenigere  sind,  fthiiHoh 
wie  an  trüben  Tagen  der  kalten  Jahreszeit.  „Auch  lehrt  dies**  die 
Schrift,  wenn  sie  bestimmt,  dafs  es  auch  in  der  Nacht  Tag  sei 
(vgl.  Ghand.  8,  4,  2).  Könnte  nftmlich  der  in  der  Nacht  Verstorbene,, 
auch  ohne  dem  Strahle  nachzugehen^  emporsteigen,  |  so  würde  das  1107 
Nachgehen  dem  Strahle  überhaupt  Zwecklos  sein.  Denn  es  steht 
nichts  zu  lesen  von  einem  Unterschiede,  als  wenn  der  bei  Tage 
Sterbende  mit  Hülfe  der  Strahlen  emporstiege,  der  bei  Naclit 
Sterbende  hingegen  ohne  ihre  Hülfe.  Oder  soll  man  annebmenj 
dafs  selbst  der  Wissende,  blola  wegen  des  Mifsgesqhidces,  dafs  er 
bei  Nacht  stirbt,  gar  nicht  emporsteige?  Dann  würde  die  JPrucht 
des  Wissens  nur  eventuell  eintreten,  und  es  würde  mit  ihm  nicht 
voranzukommen  sein,  da  die  Zeit  des  Todes  unbestimmbar  ist. 
Oder  soll  man  annehmen,  dafd  der  bei  Nacht  Verscheidende  den 
Anbruch  des  Tages  abwarte?  Da  könnte  es  geschehen,  dafs  bei 
Anbruch  des  Tages  der  Leib,  welcher  mit  den  Strahlen  sich  ver- 
binden sollte,  gar  nicht  mehr  da  wäre,  indem  man  ihn  bereits  ver- 
braunt hätte.  Und  auch  die  Schriftstelle:  „schnell  wie  man  den 
„Geist  darauf  richtet,  geht  er  zur  Sonne**  (Chänd.  8)  6,  5)  beweist, 
dafs  ein  Abwarten  nicht  anzunehmen  ist.  Somit  findet  das  Nach- 
gehen dem  Strahle  ohne  Unterschied  bei  Tage  und  bei  Nacht  statt. 


730  g&riraku-mimänsä 


ElfteB  AdhikarananL 

20,    atag  ca  ayane  'pi  dakshine 
darum  auch,  wenn  der  [Sonnen-]  Gang  sudwärtd. 

Darum  auch,  weil  ein  Warten  nicht  anzunehmen  ist,  weil  die 
Fru^^ht  des  Wissens  nicht  eventuell  ist,  und  weil  die  Zeit  des 
Todes  sich  nicht  bestimmen  läfst,  mufs  der  Wissende  die  Fracht 
des  Wissens  auch  dann  erlangen,  wenn  er  bei  Rechtslaufigkeit  der 
Sonne  [bei  abnehmenden  Tagen]  stirbt.  Sollte  aber  jemand  meinen, 
'weil  das  Sterben  bei  Linksläufigkeit  für  glacklicher  gilt,  weil 
'Bhlshma  dasselbe  abwartete  (Mahabh.  6,  5672),  und  weil  auch  die 
^Schrift  sage:  „aus  der  lichten  Hälfte  des  Monats  in  die  aechs 
SjMonate,  wo  die  Sonne  nordwärts  ziehet"  (Gh&nd.  5,  10,  1),  dea- 
^Y^egcn  müsse  mau  auf  die  Linksläufigkeü  der  Sonne  Wert  legen,' 
HOB  so  wird  dieses  Bedenken  |  durch  das  vorliegende  Sütram  nieder- 
geschlagen. Nämlich  für  glücklicher  gilt  jenes  nur  unter  den 
Nichtwissenden;  wenn  aber  Bhtshma  die  Linksläufigkeit  abwartete, 
so  geschah  es  aus  Achtung  für  diese  herkömmliche  Meinung  und 
um  ins  Licht  zu  stellen,  dafs  er  durch  die  Gnade  seines  Vaters 
sterben  durfte  wann  es  ihm  beliebte.  Was  aber  den  Sinn  jener 
Schriftstelle  betrifft,  so  wird  ihn  der  Lehrer  bei  den  Worten :  „Weg- 
„führer,  weil  des  ein  Zeichen"  (S&tram  4,  3,  4)  auslegen«  —  ^Aber 
'die  Sm|iti  sagt  doch  (Bhag.  6.  8,  23^: 

'„Die  Zeit,  in  der  der  Yogin  scheidet 

'„Auf  Wiederkehr  und  nicht  auf  Wiederkehr, 

*„Die  will  ich  dir,  o  Fürst,  verkünden.'' 

'Hier  wird  die  Sache  besonders  vorgenommen  und  dabei  Yon 
'der  Smriti  bestimmt,  dafs  das  Hinscheiden  am  Tage  u.  s.  w.  der 
'Nichtwiederkehr  diene.  Wie  kann  also  der,  welcher  des  Nachts 
'oder  h^i  Rechtslaufigkeit  der  Sonne  stirbt,  hingehen  auf  Nicht- 
*  Wiederkehr?'  —  Wir  erwidern: 

21.  yoginah  prati  ca  smaryate,  smarte  ca  ete 

die  Yoga -Anhänger  betreffend  redet,  die  Smriti,  auch 

sind  beide  nur  traditionell 

Diese  Sonderbestimmung,  dafs   die  Zeit  des  Tages  u.  s.  w.  för 
die  Nichtwiederkehr  mafsgebend  sei,  wird  Von  der  Smfiti  nur  in 


B&brm  IT.  xi.  Sf.  731 

B^sog  auf  die  Anh&dger  des  Toga  g<g«bcn;  übrigens  aber  sind 
beide,  der  Yoga  wie  das  Stilkhyam,  nur  tradttionell,  nicht  offen- 
baruogeartig.  Also,  wegen  der  Yerschiedenbeit  dessen,  für  den  sie 
gültig  und  wegen  der  besonderen  Art  der  AntoritAi  kann  jene 
Sonderbestimmnng  der  Smpti  über  die  Zeiten  in  einer  schrifl- 
mftfsigesi  Lebre  nieht  angenommen  werden.  —  *Aber  wenn  die 
Smriü  8agt(Bhag.  0.  8,  24.  25):  j 

\ySeu^^  Licht,  Tag,  und  helle  Monatsh&lfte,  1109 

S,ünd  die  sechs  Monate  des  Nordw&rtsgehens;  — 
*„I>er  Rauch,  die  Kacht,  die  dunkle  Monatsh&lfte, 
^,Und  die  sechs  Monate  des  Südw&rtsgehens*', 

'so  werden  dooh  hier  die  schrifünafsigen  Wege,  der  Götterweg  und 
*der  Väterw^,  aueh  vpn  der  Smpti  anerki\iint.'  —  Wir  erwidern: 
unsere  Widerlegung  bezieht  sich  nur  auf  jenen  Widerspruch,  dafs 
die  Snifiti  in  den  Worten:  „die  Zeit  will  ich  dir  verkünden*^ 
(Bbag.  G.  6,  23)  bestimmte  Zeiten  festsetzt.  Insofern  hingegen  auch 
tfi  dieser  Smritistelle  unter  dem  Feuer  u.  s.  w.  die  Gottheiten  als 
Wegfuhrer  zu  verstehen  sind,  liegt  ein  Widerspruch  überhaupt 
nicht  Tor. 


Ho  Uatel  io  d«m  KoüomtntarcBttff  «ilwMlimR  ^trahi-niimAiua^  den  W«rk«  dtf  rtt- 
ahfakgM-mlltdlgtn  Iffife«  Am  erUaofaton  i^aHAura,  te  vivriui  Adhfa^  dt  «weite  PAda . 


Des  Tierten  AdhyAya 

DRITTER   PADA. 


Oml    Yerehrang  dem  hiVehsten  A.taMJxt 


Erstes  Adhikaranam.  ^ 

1110  1.   Qrdr-^cHnäy  tat-prathüek 

durch  die  Flamme  u.  s.  w.,   wegen  ihrer  Viel- 
verbreitung. 

Wir  zeigten ,  dafs  der  Auszug  bis  zum  Antritte  des  Weges  der 
gleiche  ist.  Was  aber  nun  den  Weg  betrifft,  so  wird  er  in  den 
verschiedenen  Texten  verschiedenartig  angegeben.  Die  eine  Schrift- 
stcUe,  welche  die  Verbindung  der  Adern  mit  dem  Strahle  lehrt, 
sagt:  „dann  steigt  er  auf  diesen  empor"  (ChAad.  8,  6,  5).  Eine 
andere  macht  den  Anfang  mit  der  Flamme:  „sie  gehen  ein  in  die 
„Flamme,  aus  der  Flamme  in  den  Tag"  (Chslnd.  5,  10,  1).  Eine 
andere  sagt:  „indem  er  diesen  Götterweg  betritt,  gelangt  er  zur 
„Feuer weit"  (Kaush.  1,  3).  Wieder  eine  andere  sagt:  „füiwahr,  wemi 
„der  Mensch  aus  dieser  Welt  dahinscheidet,  so  gelangt  er  zu  dem 
„Winde"  (ßrih.  5,  10,  1).  Und  noch  eine  andere:  „sie  g^en  staab- 
„los  durch  der  Sonne  Pforten*^  (Mun4*  1,  2,  11).  Hier  erhebt  sich 
die  Frage,  ob  diese  Wege  von  einander  verschieden  sind,  oder  ob 
es  nur  ein  Weg  mit  mancherlei  Bestimmungen  ist.  —  Angenommen 
also,  'dieses  seien  versdiiedene  Wege,  weil  sie  in  verschiedenen  Ab- 
1111  'schnitten  vorkommen  |  und  zu  verschiedenen  Verehrungen  gehören. 
'Aach  würde  die  Behauptung:  „Dann  steigt  er  auf  diesen  S^sUes 


Sütram  IV.  in.  1.  733 

%, empor *^  (ClilUid.  8,  6t  5),  dnrch  ein  Hereinziehen  der  „Flamme" 
'a.  8.  w.  widersprechend  werden;  und  auch  die  Behauptung  der 
^^Geschwindigkeit:  „schnell  wie  man  den  Geist  darauf  richtet,  geht 
S,er  vur  Sonne"  (Ch4nd.  8,  6,  5X  könnte  nicht  dahei  bestehen.  Folg- 
lich sind  diese  Wege  yon  einander  verschi^en.*  —  Auf  diese 
Behauptung  erwidern  wir:  „durch  die  Flamme  u.  s.  w.",  d.  h.  wir 
behaupten,  dafs  jeder,  der  zu  dem  Brahman  gelangen*  will,  durch 
die  Flamme  u.  s.  w.  als  Weg  zu  ihm  geben  mufs;  warum?  „wegen 
„ihrer  Vielverbreitung**;  nämlich  dieser  Weg  ist  vielverbreitet  als 
der  aller  Wissenden.  Denn  so  heifst  es  z.  B.  in  dem  Abschnitt 
von  der  Fun  ff  euer  lehre :  „und  jene  dort,  welche  im  Walde  Glauben 
„und  Wahrheit  üben"  (Brih.  6,  2,  15);  hier  wird  auch  für  die,  welche 
einer  andern  Wissenschaft  sich  befleifsigen,  die  Flamme  u.  s.  w. 
als  Weg  vorgeschrieben.  —  *Das  möchte  gelten  für  diejenigen  Leh- 
'rcn,  in  welchen  überhaupt  kein  Weg  vorkommt;  für  diese  mag 
*man  jenen  Weg  durch  die  Flamme  u.  s.  w.  annehmen;  wo  aber  ein 
*ander(?r  und  wieder  anderer  Weg  vorkommt,  wie  kann  man  da 
'an  dem  Wege  dnrch  die  Flamme  u.  s.  w.  festhalten  wollen?'  — 
Wir  erwidern:  das  möchte  richtig  sein,  wenn  diese  Wege  von  ein- 
.ander  gänzlich  verschieden  wären;  wir  behaupten  aber  vielmehr, 
dafs  es  nur  ein  Weg  mit  mancherlei  Bestimmungen  ist,  welcher  zur 
Brahro anweit -hinführt,  und  dafs  derselbe  bald  durch  die  eine,  bald 
durch  die  andere  seiner  Bestimmungen  gekennzeichnet  wird.  Da 
nämlich  die  Richtung  überall  als  die  nämliche  anerkannt  wird,  so 
müssen  sich  diese  Verschiedenheiten  zu  einander  verhalten  wie  die 
Bestimmungen  und  das  dadurch  Bestimmte,  und  so  wie  man,  auch 
wo  die  Abschnitte  verschiedene  sind,  wofern  nur  in  ihnen  eine  Ein- 
beit  der  Lehre  vorliegt,  die  verschiedenen  Bestimmungen  derselben 
zusammenzufassen  hat,  so  mufs  man  auch  die  Bestimmungen  dos 
Weges  zusammenfassen.  |  Aber  gesetzt  selbst,  die  Lebren  darüber  1112 
wären  verschieden,  so  müfsto  doch,  weil  über  die  Richtung  dos 
Weges  Übereinstimmung  herrscht,  und  weil  das  Ziel  des  Weges 
das  nämliche  ist,  die  Einheit  des  Weges  angenommen  werden.  Denn* 
die  Schrift  sagt:  „dort,  in  der^  Brahman  weit ,  bewohnen  sie  die 
„höchsten  Fernen"  (Brih.  6,  2,  15);  —  „darin  wohnet  er  ewige  Jahre", 
(Brib.  5,  10,  1);  —  i^was  der  Sieg  des  Brahman  ist  und  seine  Aus- 
„breitung,  diesen  Sieg  sieget  er  und  in  dieser  Ausbreitung  breitet 
„er  sich  aus"  (Kaush.  1,7);  —  „darum  derjenige,  welcher  difse 
„Brahman weit  durch  das  Leben  als  Brahniiinenschüler  findet"  (Gh&nd. 
ft,  4,  3);  —  hier  wird  überall  eine  und  dieselbe  Frucht,  nämlich 
die  Erlangung  der  Brahmanwclt  in  Aussicht  gestellt.  Wenn  aber 
behauptet  wurde,  dafs  die  Bestimmung  „auf  diesen  Strahlen  steigt 
„er  empor"  (Chand.  8,  6,  5)  bei  Annahme  der  Flamme  u.  s.  w.  nicht 
bestehen  könne,  so  ist  das  nicht  richtig,  weil  die  Stelle  die  Erlan- 
gung der  Strahlen  nur  als  das  Hauptsächlichste  betrachtet  wissen 
will.  •  Denn     der   eine  Satz    kann    doch    niclit   die  Erlangui'g    d«r 


734  Qiiiraka-mtmfcnslt 

Strahlen  lehren  und   zugleich   die  Flamme  u.  8.  w.    auaachliefsen. 
£s  ist  also   so   aufzufassen,   dafs  hier  nur  gerade  die  Yerbindaog 
mit  den  Strahlen  hervorgehoben  werden   soll.     Die  Stelle  yoq  der 
Sdwelligkeit  aber  kann  auch  mit  der  Annahme  der  Flamme  n.  s.  w. 
sehr  wohl  zusammen  bestehen,  weil  sie  nur  über  die  Gescfawindijr- 
keit  sich  ausspricht  und  besagt^   dals  der  Weg  dorthin  nur    einen 
Augenblick  dauert.    Auch  die  Schriftstdlle,  welche  durch  die  Worte : 
„aber  auf  keinmal  dieser  beiden  Wege  befindlich*'  (Ghlittd.  5,  10,  8) 
für  diejenigen,  welche  beide  Wege  Terfehleu,  den  Übeln  „dritten 
„Ort"  in  Aussicht  stellt,'  beweist  damit,  dafs  sie  aofder  dem  Yät^r- 
wege  nur  noch  allein  den  Gottorweg,  wie  er  durch   die  Stationen 
der  Flamme  u.  s.  w.  gebt,  proklamiert.     Nur  werden  in  der  Stelle 
von  der  Flamme  u.  s.  w.  mehr  Stationen,   an   andern  Stellen    hin- 
gegen weniger  genannt,  wobei  es  richtig  ist,  die   wenigeren  nach 
Mafsgabe  der  mehrerem  zu  interpretieren;  uud  auch  in  diesem  Sinne 
sagt  das  Süitram:    „durch   die  Flamme  u.  s.  w.^  wegen   ihrer  Viel- 
„Yerbreitung.*' 


1113  2.    vdyum  abdädy  üviQe^'Vi^eshdhhyäm 

zum  Winde  vom  Jahre  aus,   wegeo   der  Nichtbestim- 

muBg  und  der  Bestimmung. 

Aber  auf  welehe  besondere  Art  mufs  die  IndinanderDcBiebnng 
der  verschiedenen  Wege  geschehen,  damit  sie  sich  als  zu  Be- 
stimmendes und  seine  Bestimmungen  Terhalteoi?  Zu  diesem  Zwecke 
werden  sie  von  dem  guthen&igen  Lehrer  zosammengefloehtea.  —  Bei 
den  KaushUakin*s  wird  der  Oöit^rweg  folgendermafsen  angegeben: 
„wenn  er  diesen  Gotterweg  betritt,  so  gelangt  er  zur  Feuer- Welt, 
„zur  Wind- Welt,  zur  Yaruna-Welt,  zur  Indra-Welt,  zur  Praj&pati- 
„Welt,  zur  Brahnukn-Welt"  (Kausb.  1,  3).  Was  nun  znn&chst  die 
Flamme  und  die  Feuerwelt  betri£ft,  so  besagen  beide  ein  Breaneu, 
daher  sie  dieselbe  Sache  bedeuten,  und  hier  die  Beihenfolge  der 
Einschiebung  nuM,  in  Frage  kommt.  -^  ^Aber  an  welcher  Stelle  ist 
*der  Wind ,  welcher  bei  dem  Wege  durch  die  Flamme  u.  s.  w.  nicht 
'vorkoinmt,  einzuschieben?'  —  Wir  antworten;  wenn  es  heifsi: 
„diesem  gehen  ein  in  die  Flamme,  aus  der  Flsonme  in  den  Tag,  ans 
„dem  Tage  in  die  lichte  H&lfte  des  Monats,  aus  der  fitsten  HalfU 
„des  Monats  in  die  sechs  Monate,  wo  die  Sonne  nordwärts  ziehet, 
„aus  den  Monaten  in  das  Jabr,  ails  dem  Jahre  in  die  Sonne" 
(Gh&nd.  5, 10, 1),  so  mafa  man  annehmen,  dafs  sie  jenseits  de»  Jahres 


Süttttm  IV.  -m.  2.  735 

and  diessdt«  der  Sonne  in  den  Wind  eingehen;  warum?  „wegen 
„der  Nichtbeetiinmung  und  Bestimmung  *^  N&mlich  in  der  Stelle 
„£ar  Windwelt"  (Kausb.  1,  3)  wird  der  Wind  ohne  Bestimmung 
vorgeführt;  die  nähere  Bestimmung  aber  ündet  sich  an  einer  an- 
dern Stelle,  wo  e3  heifst:  „Arwahr,  wenn  der  Mensch  aus  dieser 
„Welt  I  dahinscheidet,  so  gelangt  er  2um  Winde;  dieser  tfaät  sieh  1114 
„ihm  daselbst  auf  so  weit,  wie  die  Öffnung  eines  Wagenrades  ist; 
„durch  diese  steigt  er  empor  und  gelangt  zur  Sonne'*  (Bph.  5, 10, 1). 
Aus  dieser  Bestimmung,  dafs  der  Wind  vor  der  Sonne  komme, 
ergiebt  sich,  dafs  der  Wind  zwischen  das  Jahr  und  die  Sonne  ein<- 
geschoben  werden  mufs.  ^-  *Aber  warum  schliefst  man  nicht  eben- 
*so  aus  der  Bestimmung,  dafs  der  Wind  nach  dem  Feuer  komme, 
'(Kaush.  1,  S)y  der  Wind  müsse  nach  der  Flamme  eingeschoben  wer- 
*den  ?*  —  Darauf  ist  zu  erwidern,  dafs  hierüber  keine  Bestimmung 
vorliegt.  —  'Aber  es  wurde  doch  auf  die  Stelle  hingewiesen:  „wenn 
'„er  dieaeD  Götterweg  betritt,  so  gelangt  er  zur  Feuerwelt,  zur 
'„Windwelt"  (Eaush.  1»  3)!^  —  Wir  entgegnen:  hier  ist  blofs  eine 
Aussage  über  das  Früher  und  Sp&ter  zu  finden,  ein  Zeugnis  über  die 
Reihenfolge  aber  liegt  nicht  darin ;  denn  es  kommt  dabei  nur  darauf 
an,  gewisse  Hauptpunkte  namhaft  zu.  machen,  zu  welchen  der  Em- 
porsteigende nach  und  nach  gelangt.  In  der  anderen  Stelle  hinge- 
gen, nach  welcher  die  Seele  durch  die  vom  Winde  dargebotene 
Öffnung  ifi  der  Gröise  eines  Wagenrades  „emporsteigt  und  dadurch 
„zur  Sonne  gelangt",  liegt  eine  Reihenfolge  vor.  Darum  hat  es  mit 
dem  Sütra Worte:  „wegen  der  Nichtbestimmung  und  Bestimmung" 
seine  Richtigkeit.  Wenn  hingegen  die  Y&jasaneyin's  sagen:  „aus 
„den  Monaten  in  die  Götterwelt,  aus  der  Götterwelt  in  die  Sonne" 
(Brih.  6,  2,  I5)i  so  müssen  die  Seelen,  um  jene  Unmittelbarkeit  des 
Überganges  [aus  dem  Winde]  in  die  Sonne  zu  wahren,  aus  der 
Götterwelt  in  den  Wind  gehen;  dafs  sie  hingegen  aus  dem  Jahre 
in  den  Wind  gehen,  wurde  aus  der  Gh&ndogyastelle  entnommen. 
Nun  fehlt  im  Ch&ndogyam  und  im  Yäjasaneyakam,  dort  die  Götter- 
welt und  hier  das  Jahr,  |  da  aber  beide  Schriftstellen  glaubwürdig  ins 
sind,  so  mufs  man  beide  mit  einander  verflechten,  wobei,  wegen 
seiner  Verbindung  mit  den  Monaten,  zuerst  das  Jahr  und  dann  die 
Götter  weit  anzusetzen  ist.  [Die  Reihenfolge  ist  also:  Jahr  (Chlknd.), 
—  Götterwelt   (Brih.),  —  Windwelt  (Kaush.),  —  Sonne  (Ch&nd.)]. 


736  C^rlraka-mlm&DS^ 

Drittes  Adhikaranam. 

3.    tadito  'd%i  Varunah,  sambandhät 

•  •   •  / 

über  dem  Blitze  Varuna,  wegen  des  Zusammenhanges. 

Wenn  es  weiter  heifst:  „aus  der  Sonne  in  den  Mond,  aus  dem 
„Monde  in  den  Blitz"  (Ch&nd.  5,  10,  2),  so  ist  hier  oberhalb  des 
Blitzes  Yaruna,  d.  h.  die  Yaruna-WeH"  (aus  Kaush.  1,  3)  ansu- 
schliefsen,  weil  zwischen  dem  Blitze  und  Yamna  ein  „ZusammeiH 
„hang**  besteht.  Denn  ein  Brähmanam  sagt:  „denn  wenn  die  mäeh- 
„tigen  Blitze  unter  heftigem  Getön  des  Donners  aus  dem  Bauche 
„der  Wolken  hervorspringen,  dann  strömen  die  Wasser  herab;  es 
„blitzt,  es  donnert  und  wird  dann  regnen" ;  der  Oberherr  der  Was- 
ser aber  ist  Yaruna,  wie  dies  aus  der  Schrift  und  Smriti  her  be- 
kannt  ist.  Auf  Yaruna  folgen  sodann  Indra  und  Prajapati,  weil 
kein  anderer  Platz  für  sie  ist,  und  weil  sie  [hinter  ihm]  erw&hnt 
werden.  Und  auch  darum  schon  müssen  Yaruna  und  die  folgenden 
zuletzt  kommen,  weil  sie  den  Charakter  eines  Nachtrages  haben, 
ohne  dafs  ihneTi  doch  ein  besonderer  Platz  angewiesen  wäre«  und 
weil  der  Weg,  welcher  mit  der  Flamme  anfing,  bis  zum  Blftse 
hinführte. 


Vierfes  Adhikaranavi, 

m 

1116  4.    ätiväMkäSy  taUlingät 

Wegführer,  weil  des  ein  ZJeichen. 

In  Betreff  dieser  aller,  der  Flamme  n.  s.  w.,  erbebt  sich  der 
Zweifel,  ob  dieselben  Wegzeichen  oder  Genufsstätten  oder 
Wegführer  für  die  Gehenden  sind.  —  Man  könnte  annehmen,  *dftfa 
U\ie  Flammen  u.  i^.  w.  blofse  Merkzeichen  des  Weges  siud,  weil  auf 
'solche  eine  derartige  Belehrung  sich  za  richten  pflegt.  Wie  näm- 
'lieh  im  gewöhnlichen  Leben  einer,  der  in  ein  Dorf  oder  eine  Stadt 
*rei9en  willj  sich  belehren  läfst,  —  von  hier  mufst  du  auf  den 
'Berg  dort  gehen,  dann  kommst  du  zu  einem  Feigenbaume,  dann  za 
'dem  Flusse,  darauf  zu  dem  Dorfe  oder  der  Stadt,  so  sagt  auch 
'hier  die  Schrift:  „aus  der  Flamme  in  den  Tag,  aus  dem  Tage  in 
'„die  lichte  Hälfte  des  Monats"  (Chand.  5,  10,  1).*  —  Oder  man 
könnte  annehmen,  'dafs  darunter  Statten  des  Genusses  zu  verstehen 
'seien,  weil  dem  Feuer  u.  s.  w.  das  Wort  „Welt"  angeh&ngt  wurde. 


Sfttram  lY.  in.  4.  737 

'in  der  Stelle:  „er. gelangt  sur  Feuerwelt"  u.  s.  w.  (KauBh.  1»  3); 
*das  Wort  Welt  aber  wird  gebraucht,  um  GenuffiHt&tten  der  Seele 
'zu  beseiehnen,  s.  B.  in  den  Ausdrücken :  die  Mensohenwelt,  Y&ter- 
Velt,  Götterwelt;  auch  sagt  in  diesem  Sinne  ein  Brfthmanam:  „an  « 
S,Tag  und  Nacht,  an  diesen  Welten  bleiben  sie  haften^*  (Qatap.  br. 
40,  2,  6,  8).  Damm  sind  die  Flamme  u,  s.  w.  keine  Wegführer. 
'Und  audi  wegen  ihrer  Ungeistigkeit  eignen  sie  sich  nioht  zu  Weg- 
'führern;  denn  erfahrnngsmäTsig  sind  es  geistige  Wesen,  n&mlich 
'vom  Könige  angestellte  Männer,  welche  auf  den  schwer  zugäng- 
lichen Wegen  die  Reisenden  zu  fähren  ha.ben.'  —  Auf  diese  An- 
nahme erwidern  wir:  es  müssen  doch  Wegführer  sein;  |  warum?  1117 
„weil  des  ein  Zeichen'*.  Denn  wenn  es  heilst:  „aus  dem  Monde  in 
„den  Blitz;  daselbst  ist  ein  Mann,  der  ist  nicht  wie  ein  Mensch, 
„der  führet  sie  zu  Brahman"  (Chlind.  5,  10,  2),  so  wird  hier  vor- 
ausgesetzt, dafs  sie  Wegführer  sind.  Beruft  ihr  euch  auf  die  Regel, 
'dafs  der  Sinn  nicht  weiter  greifen  dürfe  als  die  Worte  fyävad* 
^vacanaff^  väcaniham)^  und  dafs  daher  jene  Bezeichnung  [„ein  Mann, 
^„der  ist  nicht  wie  ein  Mensch"]  auf  jenes  eine  Objekt  beschränkt 
'bleiben  müsse*,  so  bestreiten  wir  das,  weil  diese  Bestimmung  nur  den 
Zweck  hat,  eine  möglicherweise  angenommene  Menschenähnlichkeit 
ausznschliefsen.  Nur  dann  aber,  wenn  unter  der  Flamme  u.  s.  w. 
pfadführende  Geister  von  menschenähnlicher  Art  verstanden  werden, 
ist,  nm  dieses  ausznschliefsen,  die  nähere  Bestimmung,  dafs  der  eine 
Geist  nicht  wie  ein  Mensch  sei,  am  Platze,  — 

^Aber  ein  blofses  Zeichen,  wo  keine  Regel  vorhanden  ist,  ist  doch 
'nicht  beweiskräftig!'  —  Das  macht  nichts  aus  [sagt  der  Lehrer] 


5.    vhhaya-vyämohAt  tat-siddheh 
weil  wegen  Besinnungslosigkeit  beider  dies  erweislich. 

Diejenigen,  welche  den  Weg  der  Flamme  u.  s.  w.  betreten, 
sind  ohne  Leib,  und  die  Schar  ihrer  Organe  ist  zusammengeballt, 
daher  dieselben  nicht  Herr  ihrer  selbst  sind.  Ebenso  wenig  aber 
Bmd,  wegen  ihrer  Ungeistigkeit,  die  Flamme  u.  s.  w.  Herr  ihrer  selbst. 
Daher  mufs  man  annehmen,  dafs  es  die  besonderen,  die  Flamme 
u.  s.  w.  vertretenden  (p.  725,  10)  geistigen  Gottheiten  sind,  welche 
hier  mit  der  Wegfahrerschaft  betraut  werden.  Denn  auch  in  der 
Erfahrung  zeigt  sich,  wie  Trunkene,  Geist ge<:t orte  u.  s.  w.,  indem 
die  Schar  ihrer  Organe  zusammengeballt  ist.  von  andern  auf  dem 
Wege  geleitet  werden  müssen.  Auch  deswegen  können  nicht  blofse 
Wegzeichen  verstanden  werden,  weil  die  Flan'.me  u.  s.  w.  nicht  be- 
Htandig  vorhanden  sind.  Denn  wenn  einer  in  der  Nacht  stirbt,  so 
kann  er  in  den  natürlichen  Tag  nickt  eingehen,  da  ein  Abwarten, 
wie  wir  oben   sahen,   nicht  zulässig  ist.     Denkt  man  aber  an  die 

DBVMm,  Vftdfrnta.  47 


738  QlLrlraka-mlm&n8& 

* 
Götter,  welche  beständig  vorhanden  sind,  so  fallt  jenes  Bedenken 
1118  weg.  I  Auch  schickt  es  sich  wohl,   die  Götter  als  Flamme  a.  s.  w. 
EU  bezeichnen,  weil  sie  die  Flamme  u.  s.  w.  [kosmologisch]  vertreten. 
^  Auch  der  Ausdiuck:  „aus  der  Flamme  in  den  Tag"  u.  s.  w.  (Chand. 
5,  10)  1)  stimmt  zu  der  Annahme,  dafs  es  Wegf&hrer  sind;  ncLmlich 
die  Flamme  ist   die  Ursache,   durch  welche  sie  in   den  Tag,    der 
Tag  die  Ursache,   durch  welche  sie  in  die  lichte  Monatahälfie  ge- 
langen.    Und  auch  bei  den  in  der  Erfahrung  vorkommenden  Weg- 
fuhrem   finden   sich  ja'  derartige   Anfiährungen,    z.  B.    wenn    man 
sagt:    von    hier    muTst    du    zu   Balavarman,    von    diesem    zu    Ja- 
yasinha,    von   diesem    zum    Krishnagupta  gehen.     Hierzu    kommf^ 
dafs  zu  Eingang   in  den  Worten:  „sie  gehen  ein  in  die  Flamme'^ 
(Chand.  5,  10,  1)   nur  eine  Verbindung,  ~ nicht  aber   die   besondere 
Art  dieser  Verbindung  gelehrt  wurde;   am  Schlüsse  hingegen  wird 
in  den  Worten:  „der  führet  sie  zu  Brahman"  (Chand:  5,  10>  2)  diese 
Verbindung   als   die  zwischen  dem  Wegfuhrer  und  dem  Greführt^^i 
näher   bezeichnet,   daher    diese    auch   för    den  Anfang    gültig   ist 
Weil  eben  ferner  bei  dem  Gehenden  die  Schar  der  Organe  zusammen- 
geballt ist,  ist  auf  diesen  Durchgängen  ein  Geniefsen  nicht  möglieb: 
das  Wort  „Welt"  aber   konnte  gebraucht  werden,   auch  wenn  die 
Gehenden  dort  nicht  geniefsen,  indem  jene  Orte  für  andere,  die  sie 
als  Welten  bewohnen,  Stätten  des  Genusses  sein  können.    Die  8aehe 
ist  also  dahin  zu  verstehen,   dafs  die  Seele,   in  der  von  Agni  be- 
herrschten Welt  angeli^igt,    von  Agni  hindurchgeleitet  wird,    und, 
in  der  von  Vayu  beherrschten  Welt  angelangt,  von  V&yu.  —  'Aber 
'wie  kann  man,  wenn  es  Wegfuhrer  sein   soUen,   dieses  aacli  von 
*Varuna  u.  8.  w.  verstehen?    N&mlick  nr-h  dem  Blitze   worden  ja 
'noch  Varuna  u.  s.  w,  erwähnt,  während  doch  anderseits  die  Sehrifl 
4ehrt,   dafs   die  Seelen   schon  vom  Blitze  aus  bis  zu  der  Ankunft 
*bei  Brabman  hin  von  dem  Geiste,   der  nicht  wie  ein  Menach  ist 
'geleitet  werden?'  —  Darauf  lautet  die  Antwort: 

1119  6.    vaidyutena  eva  tatas,  tac-chruteh 

nur  von  dem  Blitzfolgenden  weiterhin,  weil  so  die 

Schrift. 

Weiterhin,  nachdem  sie  in  den  Blitz  eingegangen  sind,  werden 
sie  nur  von  dem  sogleich  auf  den  Blitz  folgenden  Geiste,  der  nicht 
ist  wie  ein  Mensch,  durch  die  Welten  des  Varuna  u.  s.  w.  hindurch 
in  die  Brahmanwelt  geführt,  indem  eine  Schriftstelle  sagt,  dafs 
sie,  „in  den  Blitz  gelangt,  von  einem  Geiste,  der  nicht  ist  wie  mn 
„Mensch,  zur  Brahmanwelt  geführt  werden"  (Brih.  6,  2,  15).  Was 
aber  den  Varuna  u.  s.  w.  betrifft,  so  mufs  man  annehmen,  dafs 
dieselben   irgendwie   durch  ungehindertes   Durchlassen   oder   durch 


S(ktarain  lY.  m.  6.  739 

ein  Geben  des  Oeletiea  ihre  Osade  bezeigen.  Somit  ist  es  richtig, 
dafs  unter  der  Fbunine  n.  s.  w.  die  pfadleitenden  Gottheiten  bq 
verstehen  sind. 


Fünftes  Adhikaranam, 

7.    l'dryam,  Badanr^  asyd  g€iti-upapatteh 

zu  dem  i^rschaifeneii ,  Bädari,  weil  zu  ihm  hinzugehen 

möglich. 

Bei  den  Worten :  „der  führet  sie  zu  Brahman'^  (Ghänd.  5, 10,  2) 
erhebt  si^  die  Frage,  ob  er  sie  zu  dem  erschaffenen,  niederen 
Brahman  fuhrt,  oder  aber  zu  dem  höheren,  unerschaffenen, 
eigentlichen  Brahman.  Woher  diese  Frage?  wegen  der  An- 
wendung des  Wortes  „Brahman*^,  und  wegen  der  Schriftstelle  von 
dem  Hingehen.  —  Hierbei  vertritt  der  Lehrer  Bädari  die  Auffassiing, 
dafs  jener  Geist,  welcher  nicht  ist  wie  ein  Mensch,  die  Seele  nur 
hinfahre  zu  dem  erschaffenen,  attributhaften,  niederen 
Brahman;  warum?  „weil  zu  ihm  hinzugehen  möglich";  nämlich 
nur  zu  diesem  erschaffenen  Brahman  ist  ein  Hingehen  möglich,  weU 
dasselbe  räumlich  ist;  in  Betreff  des  höheren  Brahman  hingegen 
kann  von  keinem  Hingehenden  |  oder  Ziel  des  Ganges  oder  Hin-  11'20 
gnngo  die  Rede  sein,  weil  dieses  Brahman  allgegenwärtig  und  dM 
innere  Selbst  der  Hingehenden  ist. 

8.   viQeshitatväc  ca 
und  weil  es  specialisiert  wird. 

„Der  fähret  sie  zu  den  Brahmanwelten ;  dort  in  den  Brahman- 
„weiten  bewohnen  sie  die  höchsten  Fernen  <'  (Bfih.  6,  2,  15);  ans 
der  Art,  wie  mit  diesen  Worten  in  einer  andern  Schriftstelle  das 
Hingehen  specialisiert  wird,  folgt,  dafs  es  sich  nur  auf  das  erschaffene 
Brahman  beziehen  kann.  Denn  die  Specialisierung  durch  einen 
Plural  pafst  auf  das  höchste  Brahman  nicht,  während  bei  dem 
erschaffenen  Brahman  wegen  der  möglichen  Vielheit  seiner  Zustände 
der  Plural  am  Platze  ist.  Auch  der  Schrifbausdruok  „Welt"  kann 
in  unmittelbarem  Sinne  nur  einen  zum  Erschaffenen  gehörigen  und 
einen  Eingang  zu  sich  ermöglichenden  Ort  des  Genusses  bedeuten 
und  nur  in  uneigentlichem  Sinne  ist  er  an  andern  [zur  hohem  Wissen- 
schaft gehörigen]  Stellen  zu  nehmen,  wenn  es  z.  B.  heifst:  „er  dessen 

47* 


740  Qkiinara-iiilmi&6& 

,,Welt  das  Brahman  ist'«  (Brüi.  4,  4,  23;  vgl.  p.  256;  S.  151).  Ancli 
die  Unterscheidung  dessen)  wosn  man  berufen  wird,  von  deiB,  wel- 
cher berufen  wird,  pafst  auf  das  höchste  Brahman  nicht«  Somit 
geschieht  jenes  Hinfahren  nur  zn  dem  erschaffenen  Brahman.  ~- 
'Aber  auf  etwas  Ersdiaffenes  kann  doch  das  Wort  Brahman  nicht 
'angewendet  werden,  da  ja,  wie  wir  gezeigt  haben,  das  Brahman 
'die  Ursache  f&r  die  Entstehung  u.  s.  w.  der  gesamten  Welt  ist!' 
—  Darauf  ist  lu  erwidern: 


9.    sämipydt  tu  tad-Vffapadegah 

wegen  der  Naheatehung  vielmehr  die  Bezeichnung  aU 

.  dieses.  , 

1121  I  Das  Wort  „vielmehr"  dient,  den  Zweifel  au  beseitigen.  Weil 
es  dem  höheren  Brahman  „nahe  steht ^',  deswegen  kann  auch  too 
dem  niederen  Brahman  das  Wort  „Brahman"  ohne  Widerspruch 
gebraucht  werden.  Denn  wenn  man  das  höhere  Brahman  durch 
Verbindung  mit  reinen  Up&dhi^s  mit  diesen  oder  jenen  Qualität^ 
der  erschaffenen  Welt,  z.  B.  „Geist  ist  sein  Stoff^'  (Ch&nd.  3,  14,  2) 
u.  s.  w.  s^um  Zwecke  <^.er  Verehrung  ausstattet,  so  ist  dieses  dis^ 
niedere  Brahman.  —  'Aber  wenn  man  an  das  erschaffene  Brahman 
'denkt,  so  wird  doch  das  Schriftwort,  dafs  aus  ihm  keine  Wieder- 
^kehr  mehr  statthabe,  angetastet  (lajbk^te);  denn  aufser  dem  hoch- 
'sten  Brahman  läfst  sich  von  nichts  anderem  die  Ewigkeit  behaupten. 
'Nun  lehrt  die  Schrift  von  denen,  welche  auf  dem  Göttravege  em- 
'porsteigen,  dafs  sie  nicht  wiederkehren;  denn  es  heifst:  „die  des 
'„gehen,  fiir  die  ist  zu  diesem  irdischen  Strudel  keine  Wiederkehr' 
'(Chänd.  4,  15,  6);  —  „für  sie  ist  hierher  keine  Rückkehr"  (Brih. 
'6,  2,  15  M.);  —  „Unsterblichkeit  erlangt,  wer  auf  ihr  aufsteigt'' 
'(Oh&nd.  8,  6,  6).'  —  Darauf  erwidern  wir : 


10.    Mrya-atyaye  tad-adhyakshena  saha  atah-param, 

ahhidhmdt 

4 

bei  Vergang  der  erschaffenen  [Brahmanwelt]  mitsamt 
ihrem  Aufseher  in  das  von  ihr  aus  Höhere,  wegen  der 

Aussage. 

Wenn  der  Untergang  der  erschaffenen  Brahmanwelt  nahe  be- 
vorsteht, dann  erat  gehen  dieselben}  nachdem  ihnen  in  der  Brahmftn- 
welt  die  vollkommene  Erkenntnis  zu  Teil  geworden  ist,  mitsamt 


Stoam  lY.  ni.  10.  741 

ihrem  Aufseher,  Hira^yagarbha  ,^  das  von  ihr  aus  Höhere/^  d.  b. 
in  jenes  absolut  Keine,  in  „den  hdchsten  Schritt  des  Yishnu'^  ein. 
Dieses  ist  die  Stufenerlosung  (krafnamukii),  welche  man  wegen  der 
Aussagen  der  eine  Nichtwiederkehr  behauptenden  Schriftstellen  an- 
nehmen mufs.  Denn  so  geradezu  ist  auf  dem  Wege  des  Hingehens 
eine  Erlangung  des  Höchsten,  wie  wii;  bewiesen  haben,  nicht  möglich. 


11.   smriieg  ca 
auch  wegen  der  Smriti. 

und  auch   die  Smfiti   erkennt  dies  an,  wenn  sie  sagt  (vgl.  p. 

917,  1): 

„Nachdem  der  Welt  AuflösuDg  ist  gekommen,  1182 

„Und  Gottes  auch,  dann  gehen,  im  Verein 
„Mit  ihm,  das  Selbst  erlangend,  alle  Frommen 
„In  jenes  höchste  der  Gefilde  ein." 

Somit  besieht  sich  das  von  der  Schrift  erwähnte  Hingehen  auf  das 
erschaffene  Brahman;  das  ist  der  Siddh&nta  (die  endgültige  Mei- 
nung). —  'Aber  welches  ist  dann  der  Pdrvapaksha  (die  gegnerische 
'Meinung),  auf  dessen  Zweifel  hin  dieser  Siddh&nta  durch  die  Worte 
'„SU  dem  erschaffenen,  B&dari'*  (Sdtram  4,  3i  7)  aufgestellt  wurde?* 
—  Er  wird  nunmehr  durch  die  Sütra*s  selbst  dargelegt  werden. 

13.    ^param^  Jaiminir,  ^ mukhtfatvät* 
'das  höhere',  Jaimini,  ^ wegen  der  Eigentlichkeit'. 

N&mlieh  der  Lehrer  Jaimini  glaubt,  'dafs,  wenn  es  [von  dem 
'Geiste]  heifse:  „der  f&hrt  sie  hin  su  Brahman^*  (Ch&nd.  5,  10,  2), 
'er  sie  zu  dem  „höheren^*  Brahman  gelangen  lasse;  warum?  „we- 
S,gen  der  Eigentlichkeit 'S  Nämlich  das  höhere  Brahman  ist  der 
'eigentliche,  das  niedere  der  uneigentliche  Sinn  des  Wortes  Brah- 
'man;  „bei  Eigentlichem  und  Uneigentlichem  aber  liegt  das  Verstand- 
'„nis  in  dem  Eigentlichen  (mHkh^a-gaHnajfo^-ca  miikh^e  satfiprat^aj^d 
\Jbhavaii)  ".' 

IB.    ^dargandc  ca' 
^auch  zeigt  sie.' 

'Auch  zeigt  die  Schrift  in  den  Worten:  „Unsterblichkeit  erlaugt 
'„wer  durch  sie  aufsteigt"  (Kath.  6,  16),  dafs  auf  das  Hingehen  die 
'Unsterblichkeit  folgt;    die    Unsterblichkeit    aber   ist    nur  in   dem 


74S  X;kiraka*nilmyyi& 

'böberen,  nicht  in  dem  erscfiaffenen  Brafaman  itiögliGh,  weil  letzteres 
'als  eine  Wirkung  vergänglich  iat;  denn  die  Schrift  isagt:  „aber  wenn 
S,er  ein  anderes  sidbt,  das  ist  das  Beschränkte,  ...  ist  sterblich'' 
*(Chänd.  7,  24,  1).  Und  nur  auf  das  h^ere  Braliman  kann  ea  sidi 
'beziehen,  wenn  dieses  Hingehen  [wie  eben  gezeigt]  auch  in  den  Yalli^s 
1123  «der  Kafha^s  Torkcmunt  (Käth.  6,  16),  denn  |  dort  bildet  nicht  ir- 
'gend  eine  andere  Lehre  den  Gegenstand  der  Betrachtang,  sondern 
/wae  von  den  Worten  an:  „v<Mn  Guten  frei  und  frei  vom  Bösen'' 
*(Kith.  2,  14)  den  Gegenstand  der  Betrachtung  bildete,  das  war 
'das  höchste  Brahman.' 


14.   ^na  ca  kärye  pftUipatH-abfUsamdhih^ 

^Qoch  auch  pa&t  auf  das  erBchaffene  die  Absicht  des 

Eiugehens.' 

*Auch  pafst  nicht  auf  das  erschaffene  Brahman  die  Abaksbi  des 
'Eingehens^ in  dasselbe,  welche  sich  kundgiebt  in  den  Worten:  „ich 
^^gehe  fort  zu^  Halle  des  Herrn  der  Schöpfung,  zu  seinem  Hause" 
'(Ghänd.  8, 14, 1);  denn  in  den  yoibergehenden  Worten:  „welcher  die 
^MNamen  und  Gestalten  auseinanderdehnt;  was  in  diesen  beiden  ist, 
*„das  ist  das  Brahman''  (Chänd.  8>  14, 1),  war  von  dem  allem  Erschaf- 
'fenen  als  wesensverschieden  gegenüberstehenden  höchsten  Brahuan 
'die  Rede;  wie  ja  auch  in  den  [folgenden]  Worten:  „ich  bin  die  Zierde 
'djor  Brafamanen"  ein  Vorgehen  sich  zeigt  mit  dem  Bewnfstsein,  die 
'Seele  des  Weltalls  zu  sein;  und  das  ist  ja  schon  ans  den  Worten 
'her:^„kein  Gleichnis  ist  fitr  ihn,  des  Name  «grofse  Zierde»  ist'^ 
f  \Väj.  sskvph,  32,  3)  bekannt,  dafs  der  Name  „Zierde"  von  dem 
'höheren  Brahman  gebraucht  wird.  Es  ist  aber  dieses  das  nämliche 
'Eingehen  in  das  Haus,  welches,  gleichfalls  nach  Schilderung  des 
'Hingehens,  in  der  lichre  von  dem  Herzensbrahman  (Chlind.  8|  1  fg.) 
'vorkam,  wo  es  hiefs:  „daselbst  ist  die  unbezwingliche  Burg  des 
'„Brahman,  vom  Herrn  erbaut,  aus  Gold  bestehend"  (Ch&nd.  8, 5, 3). 
'Und  auch  die  (Chind.  8,  14,  1:  säbhdin,  ve^ma  prapadife)  gebraachte 
'Wurzel  päd  bedeutet  ein  Gehen  und  nimmt  somit  unzweifelhaft 
'Bezug  auf  einen  Weg.  Und  somit  ergiefot  sich,  da(s  die  Stelleo 
'von  dem  Hingehen  auf  das'  höhere  Brahman  zu  beziehen  sind:" 
—  so  ist  die  andere  (gegnerische)  Meinung. 

Diese  beiden  Meinungen  sind  von  dem  L^'er  in  Sfttra's  ge* 
fafst  worden;  die  eine  in  die  Worte:  „weil  zu  ihm  hinzugehen 
„möglieh"  u.  s.  w.  (Sütram  4,  3i  7 — 11);  die  andere  in  die  Worte: 
„wegen  der  Eigentlichkeit"  u.  s.  w.  (Sütram  4,  3, 12 — 14).  Hierbei 
sind  die  Sütra's  „weil  zu  ihm  hinzugehen  möglich"  n.  s.  w.  im 
Stande,  die  „wegen  der  Eigentlichkeit"  u.  s.  w.  zu  entkr&ften,  | 
1134  nicht  aber  können  die  ,,wegen  der  Eigentlichkeit"  u.  s.  w.  jene  an- 


Satram  IV.  iii.  XL  743 

denk  v,w^  za  ihm  hiDzugehen  möglich '^  u.  s.  w.,  aus  dem  Feldo 
iM^ÜAg«)n.  -  -8om|i  folgt,  dafs  hier  eimaial  der  8iddh4nia  (die  end« 
gültige  Meinung)  su  Anfang,  und  der  Pürvapaksha  (die  gegnerische 
Meinung)  auletatt  steht.  Denn  kein  Mensch  kann  uns  zumuten, 
da&  vir  den  eigentlichen  Sinn  auch  da  festhalten  sollen,  wo  der- 
selbe unmöglich  ist  (gegen  4,  3,  12).  —  Und  wenn  ferner  auch 
[in  dei*  Ka^haka- Upanishad  wegen  K4th.  2,  14]  das  Thema  die 
höhere  Wisseoschaft  ist,  so  kann  doch  zu  ihrer  Verherrlichung  das 
in  den  andern  [attributhaften]  Lehren  gültige  Hingehen  daneben  er- 
wähnt werden,  jÜiaHch  wie  [sogar  dos  Nichterlöstf^n  sogleich  darauf 
Kath.  6>  16  gedacht  wiid]  in  den  Worten:  „nach  allen  Seiten  Aus- 
,^ang  sind  die  andern^-  (gegen  4,  3,  13).  —  Was  endlich  die  Worte: 
„ich  gehe  fort  %nt  Hall«  des  Herrn  der  Schöpfung,  zu  seinem 
Hause*^  (Cbftnd.  8,  J  4>  1)  betrifft,  so  kann  man,  mittels  Abtrennung 
des  Torheigehenden  Satzes  [,,der  Äther  ist  es,  weicher  die  Namen  und 
Gestalten  auseinanderdehnt"  u.  s.  w.]  in  ihnen  olme  Widerspruch 
eine  Absicht  des  Eingehens  in  das  erschaffene  Brahman  ündon. 
Und  gleichfalls,  von  dem  attributhaften  Brahman,  läfst  sich  die  Er- 
wähnung desselben  als  der  Seele  des  Weltalls  [wie  sie  in  dem 
Worte  „Zierde"  gefunden  wurde]  Tersteheu,  wie  dies  ja  auch  in 
der  Stelle  f,allwirkend,  allwünschend"  (Chand.  3,  14,  2)  geschieht 
(gegen  4,  S,  14).  —  Somit  folgt,  dafs  die  Schriftstelleu  von  dem 
Hingehen  nur  auf  das  niedere  Brahman  zu  beziehen  sind. 


Kinige  hingegen,  welche  sich  auf  die  Anordnung  berufen,  nach 
welcher  die  frühereu  Sutra's  den  Pürvapaksha  (die  gcguerische  Mei- 
nung), die  späteren  hingegen  den  Siddhanta  (die  endgültige  Meinung) 
zu  enthalten  pflegen,  beharren  dabei,  dafs  die  Schriftstelleu  von 
dem  Hingehen  [zu  Brahman]  sich  auf  das  höhere  [nicht  auf  das 
niedere  attributhafte  Brahman]  bezögen.  Aber  das  geht  nicht  an, 
weil  ein  Hingehen  zu  Brahman  unmöglich  ist.  Denn  zu  dem  all- 
gegcnwäi-tigen,  allem  innerlichen,  alles  beseelenden  höchsten  Brali- 
man,  von  dem  es  heifst:  „dem  Äther  gleich  |  allgegenwärtig  ewig",  1125 
—  „das  wahrnehmbare,  nicht  übersinnliche  Brahman,  das  als  Seele 
,,allem  innerlich  ist"  (Brih.  3,  4,  1),  —  „Seele  nur  ist  dieses  Welt- 
„all"  (Chand.  7,  25,  2),  —  „Brahman  nur  ist  dieses  Ganze,  das  vor- 
„trefflichste"  (Mund.  2,  2,  11),  —  zu  dem  Brahman,  dessen  Charakter 
durch  Schriftstellen  wie  diese  bestimmt  ist,  kann  nun  und  nimmer  ein 
Hingehen  Htatthabcn.  Denn  wo  man  i<«t,  dahin  kann  man  nicht 
gehen;  hingehen  kann  man,  nach  allgemeiner  Annahme,  nur  zu 
einem  andern.  —  'Aber  zeigt  nicht  die  Erfahrung,  dafs  man  auch 
'zu  dem  gehen  kann,  bei  welchr^m  man  ist,  sofern  man  an  ihm  ver- 
^schiedene  Orte  unterscheidet?  So  ist  einer  auf  der  Erde  und  geht 
'doch  zu  ihr,  indem  er  an  einen  andern  Ort  geht.    So  ist  das  Kind 


744  Q&rtraka-mtmfciisli 

*mit  sich  identisch  and  geht  doch  zu  dem  zeitlich  unterschiede^eo 
^Zustande  dei*  Grwachsenheit,  welcher  sein  eigenes  Selbst  ist.  Ebenso, 
^könnte  man  meinen,  liefse  sich  auch  zu  dem  Brahman,  sofern  das- 
*selbe  mit  allerlei  Kräften  (gaJcU)  ausgestattet  ist,  irgendwie  hin- 
^gehen'.  — ^  Aber  dem  ist  nicht  so;  wegen  der  Negation  aller  Un- 
terschiede am  Brahman:  „ohne  Teile,  ohne  Werk,  ruhig,  falschlos, 
„fleckenlos'^  (Qvet.  6,  19),  -^  „nicht  grob  und  nicht  fein,  nicht  kun 
„und  nicht  lang"  (Bfih.  3,  8,  8),  —  „denn  er,  der  Ungeborene,  ist 
„draufsen  und  ist  drinnen'*  (Mund.  2,  1,  2),  —  „fürwahr,  diese 
„grofse,  ungeborßne  Seele,  nicht  alternd,  nicht  welkend,  nicht  ster- 
„bend,  ohne  Furcht  ist  Brahman"  (Bfih.  4,  4,  25),  —  „Er  ist  nicht 

„so,  und  ist  nicht  so"  (Brih.  3)  9)  26),  — ;  —  nach  diesen 

Regeln  der  Schrift  und  Smpti  läfst  sich  für  die  höchste  Seele 
keine  Verbindung  mit  räumlichen,  zeitlichen  oder  andern  unter« 
schieden  annehmen,  so  dafs  man  zu  ihr  wie  in  eine  Erd^egend 
oder  in  ein  Lebensalter  gehen  könnte:  zur  Erde  hingegen  und  zun 
Alter  ist,  weil  sie  mit  unterschiedlichen  Gegenden  und  Zuständen 

1126  versehen  sind,    ein  räumlich  und  zeitlich    |    bestimmtes  Hingehen 
möglich.- 

Behauptet  ihr,  'dafs  das  Brahman  mancherlei  Kräfbe  (gakti) 
'haben  mufs,  weil  es  nach  der  Schrift  die  Ursache  fär  Schöpfung, 
'Bestand  und  Untergang  der  Welt  ist,'  so  sagen  wir  nein!  denn 
die  Schrifkstellen,  welche  die  Unterschiede  von  ihm  abwehren,  kön- 
nen keinen  andern  [als  den  wörtlichen]  Sinn  haben.  —  'Aber  die 
'Schriftstellen  von  der  Schöpfung  u.  s.  w.  können  doch  eben&Us 
'keinen  .andern  Sinn  haben?*  —  Dem  ist  nicht  so;  denn  ihr  Zweck 
ist  [nur],  die  Einheit  [der  Welt  mit  Brahman]  zu  lehren.  Denn 
wenn  die  Schrift  durch  die  Beispiele  vom  Thonklumpen  n.  s.  w. 
(Ghänd.  6,  ],  4  fg.)  lehrt,  dafs  cUis  Seiende,  das  Bn^man,  alidn 
wahr,  die  Umwandlung  [desselben  zur>  Welt]  aber  unwahr  ist,  so 
kann  sie  dabei  nicht  den  Zweck  haben,  eine  Schöpfung  u.  8.  w.  zn 
lehren.  —  'Aber  warum  sollen  sich  die  Schriftstellen  von  der  Schöp- 
'fung  u.  s.  w.  nach  denen  von  der  Femhaltung  aller  Unterschiede, 
*und  nicht  umgekehrt  die  letztem  nach  den  erstem  richten?*  — 
Darauf  antworten  wir :  weil  die  Schriftstellen  von  der  Femhaltang 
aller  Unterschiede  eine  Bedeutung  haben,  welche  nichts  mehr  zn 
wünschen  übrig  läfst.  Denn  nachdem  die  Einheit,  Ewigkeit,  Bein- 
heit  u.  8.  w.  der  Seele  erkannt  ist,  so  bleibt  nichts  weiter  mehr 
zu  wünschen  übrig,  weil  damit  die  Erkenntnis  zu  Tage  getreten 
ist,  welche  das  Ziel  des  Menschen  vollbringt:  „Wo  wäre  Irrtom, 
„wo  Kummer,  für  einen,  der  die  Einheit  schaut?  (t^a  7),  —  „Furcht- 
„losigkeit,  fürwahr,  o  Janaka,  hast  du  erlangt"  (Brih.  4,  2,  4),  — 
,,der  Wissende  hat  keine  Furcht  vor  irgend  wem"  (Taitt.  2,  9),  — 
„ihn  wahrlich  quält  die  Frage  nicht,  welches  Gute  er  nicht  gethan, 

1127  I   welches  Böse  er  gethan  hat"  (ibidem),  —  so.  lehrt  die  Schrift. 


-'»t3L-l. 


-^ 


Sfttram  IV.  xu.  14.  745 

Und  während  sie  iu  dieser  Weise  seigt,  wie  die  Wiasenden  sich  der 
Vollbefriedigung  unmittelbar  bewufst  sind,  so  verbietet  sie  die  au* 
wahre  Behauptung  einer  Umwandlung  [Schöpfung],  indem  sie  sagt: 
„Von  Tod  zu  Tode  wird  verstrickt,  wer  ein  Verschiedenes  hier  er- 
„blickt*^  (KCkth.  4,  10).  Folglich  kann  man  nicht  annehmen,  dafs 
die  Schriftstellen,  welche  die  Unterschiede  fern  halten,  sich  nach 
den  andern  richten  müssen.  Nicht  so  steht  es  mit  den  Schrift- 
steilen  von  der  Schöpfung  u.  s.  w.  Denn  diese  sind  nicht  im  Stande, 
einen  Sinn,  zu  lehren,  welcher  nichts  mehr  zu  wünschen  übrig  läfst. 
Es  liegt  aber  vor  Augen ,  dal's  dieselben  ein  anderes  Ziel  haben 
[als  das  unmittelbar  vorgesteckte,  eine  Schöpfung  zu  lehreu].  Denn 
nachdem  es  zuerst  hcifst  (Chand.  6,  8,  3):  „An  diesem  aufgeschos- 
„8(!nen  Gewächs,  o  Teurer,  erkenne,  dafs  es  nicht  ohne  Wurzel  sein 
„kann*^,  —  so  zeigt  die  Schrift  im  weitem  Verlaufe,  wie  das  einzige, 
welches  man  erkennen  soll,  das  Seiende  als  die  Wurzel  der  Welt 
ist.  und  so  heifst  es  auch:  „Woraus  diese  Wesen  entspriogen,  wo- 
„dnrch  sie,  entsprungen,  leben,  worein  sie,  dahinscheidend,  wieder 
„eingehen,  das  erforsche,  das  ist  das  Brahman"  (Taitt.  3,  1)'  Da 
somit  die  Sohriftstellen  von  der  Schöpfung  u.  s.  w.  den  Zweck  haben, 
die  Einheit  des  Atman  zu  lehren,  so  ist  keine  Verbindung  des  Brah- 
man  mit  mannigfachen  Kräften  [anzunehmen] ,  und  folglich  ist  ein 
Hingehen  zu  ihm  unmöglich.  Und  auch  die  Stelle:  „Nicht  ziehen 
„seine  Lebensgeister  aus;  sondern  Brahman  ist  er,  und  in  Brahman 
„löst  er  sieh  auf'^  (Brih.  4,  4,  6),  vorbietet  es,  an  ein  Hingehen 
zum  hohem  Brahman  zu  denken.  Das  haben  wir  erörtert  bei 
[dem  Sütram  4,  2,  13]  „offenbar  nach  einigen  [Stellen  ist  es  der 
„Leib,  nicht  die  individuelle  Seele,  woraus  der  Erlöste  auszieht].*' 

Femer,  wenn  man  ein  Hingehen  zu  Brahman  annimmt,  so  ist 
der  hingehende  Jiva  (die  individuelle  Seele)  von  dem  Brahman ,  zu 
welchem  er  hingehen  soll,  entweder  [1.]  ein  Teil,  oder  [2.]  eine 
Umwandlung,  oder  [3.]  er  ist  von  ihm  verschieden.  Denn  bei 
absoluter  Identität  mit  ihm  ist  ein  Hingehen  unmöglich.  Ist  dem 
so,  welches  davon  trifiPt  zu?  —  Wir  antwoi*teu:  wenn  [nach  1.]  jener 
[der  Jiva]  ein  Teil  [wörtlich:  ein  einzelner  Ort]  [an  dem  Brahman] 
ist,  so  hat  er  das  aus  den  Teilen  besiehende  [Brahman]  immer 
schon  erreicht,  und  folglich  ist  auch  so  ein  Hingehen  zu  Brahman 
unmöglich.  |  Aber  die  Annahme  von  Teilen  und  dem  aus  ihnen  11 3S 
Zusammengesetzten  findet  auf  Brahman  gar  keine  Anwendung,  weil 
dasselbe^  wie  allbekannt,  ohne  Glieder  ist.  Ähnlich  steht  es,  wenn 
man  [nach  2.]  eine  Umwandlung  annimmt.  Denn  die  Umwandlung 
ist  immer  schon  in  dem,  woraus  sie  umgewandelt  ist.  Denn  ein 
Thongefftfs  kann  nicht  bestehen,  wenn  es  aufhört  Thon  zu  sein; 
geschähe  dies,  so  würde  es  zu  nichts  werden.  Hierzu  kommt,  bei 
'  der  Annahme  einer  Umwandlung  oder  von  Teilen ,  dafs,  da  das,  wel- 
kes   sie    besitzt,     sich    immer    gleich  bleibt,    ein    Eingehen   des- 


746  Qfilrlraka-niim&n8& 

selben,  nämlich  des  Brahman,  in  den  Sains&ra  uogereimt  seio  vrürde. 
Aber  vielleicht  ist  [nach  3.]  der  Jiva  vom  Biahman  vorschiedeoy 
Dann  müfs  er  entweder  [a.]  atomgrofs,  oder  [b.]  alldurchdringend 
oder  [c]  von  mittlerer  Gröfse  äein.  Ist  er  [nach  b.]  alldurch- 
dringend, so  ist  kein  Hingehen  möglich.  Ist  er  [nach  c]  von  mitV> 
lerer  Gröfse,  so  kann  er  [vgl.  p.  598,  11,  S.  B74]  nicht  ewig  sein 
[was  doch  8,  3,  54  erwiesen  worden  ist];  ist  er  [nach  a.]  atomgrofsi 
so  wird  es  unerklärlich,  dafs  man  am  ganzen  Leibe  fühlt.  Auch  haben 
wir  oben  (Sütram  2,  3,  19 — 29)  ausführlich  bewiesen,  dafs  er  we- 
der  atomgrofs,  noch  von  mittlerer  Gröfse  sein  kann.  Ob^^haupt 
aber  ist,  dafs  der  Jlva  vom  Höchsten  verschieden  sei,  gegen,  d^ 
kanonische  Wort:  ,ytat  tvani  asi"  („Das  bist  Da",  Chänd.  6,  8,  7)i 
Derselbe  Fehler  tritt  ein,  wenn  man  annimmt,  dafs  er  eine  Um* 
Wandlung  oder  ein  Teil  von  ihm  sei.  Behauptet  ihr  'dafs  der  Fehler 
'nicht  eintrete,  weil  eine  Umwandlung  oder  ein  Teil  von  dem,  deaaea 
'[Umwandlung  oder  Teil]  sie  sind,  nicht  verschieden  seien/  «o  be- 
streiten wir  das ,  weil  die  Einheit  in  der  Hauptsache  mangebi  würde. 
Und  bei  allen  diesen  Annahmen  verfallt  ihr  darein,  die  Erldsoiig 
leugnen  zu  müssen,  indem  die  Wesenheit  der  W&ndmieele  im- 
aufhebbar  sein  würde.  Aber  soll  sie  dennoch  aufhebbar  sein,  so 
verfallt  ihr  darein,  ihre  Vernichtung  anzunehmen,  indem  ihr  ihre 
Identität  mit  Brahman  ja  nicht  zugebt. 

Da  kommen  nun  einige  und  sagen:  'Gesetzt,  jemand  betriebe 
'die  ständigen  und  gelegentlichen  [guten]  Werke,  um  dem  Nieder- 
'gange  [in  der  Seelenwanderung]  zu  entgehen,  und  er  vermiede  so- 
'wohl  die  aus  Wunsch  [nach  Lohn]  entspringenden,  als  auch  die  ver- 
'botenen  [Werke],  um  weder  in  den  Himmel  noch  in  die  Hölle  zu 
'kommen,  und  er  zehrte  die  in  dem  gegenwärtigen  Leibe  abza- 
1129  'büfsenden  |  Werke  [eines  frühern  Daseins]  durch  die  Abbüfsung 
'selbst  auf,  so  würde  doch,  nach  dem  Dahinfall  des  gegenwärtigen 
'Leibes,  weiter  für  die  Bildung  eines  neuen  Leibes  keine  Ursadie 
'voihanden  sein  und  somit  würde  die  Erlösung,  da  sie  nur  ein  Behar- 
'i'en  in  der  eigenen  Wesenheit  ist,  von  einem  solchen  auch  ohne  Ktiu- 
'werden  mit  dem  Bralmian  erreicht  werden.'  —  Aber  dem  ist  nicht 
so;  weil  kein  Beweis  dafür  da  ist.  Denn  von  keiner  kanonischen 
Schrift  wird  gelehrt,  dafs  der  nach  Erlösung  Verlangende  in  dieser 
Weise  zu  verfahren  habe.  Vielmehr  haben  sie  es  mit  ihrem  Ver- 
stände ausgeklügelt,  indem  sie  meinen:  weil  der  Samsära  durch 
die  Werke  [eines  frühern  Daseins]  verursacht  werde,  deswegen 
könne  er,  wenn  keine  Ursache  da  sei,  nicht  statt  haben.  Aber 
das  entzieht  sich  der  Berechnung,  weil  das  Nichtvorhandensein  der 
Ursache  nicht  wohl  zu  erkennen  ist  [vgl.  die  Ausführungen  p.  673, 
9  fg>,  Seite  425].  Denn  von  jedem  einzelnen  Geschöpfe  bat  man  an- 
zunehmen, dafs  es  in  einem  frühern  Dasein  viele  Werke  aufgehäuft 
iiat,  welche  ^u  erwünschten  und  uuerwünschten  Frachten  heranreifen. 


v» 


M 


Sütram  IV.  in.  11.  747 

Da  dieselben  entgegengesetzte  Frucht  bringen,  so  können  sie  nicht 
gleieliaeitig  abgebüfst  werden:  daher  ergreifen  einige  von  ihnen  die  , 
Oelegenheit  und  bauen  das  gegenwärtige  Dasein,   andere  hingegen 
Biizcn  mäfsig  und  wartisn  ab,  bis  Raum,  Zeit  and  Ursaahe  für  sie 
kommt.     Weil  diese  übrig  bleibenden  durch  dio  gegenwärtig^  Ab- 
bör»ttng  nicht  aufgezehrt  werden  können,  deswegen  läfst  sich  nicht  mit 
Sicherheit  bestimmen,  dafs  für  einen,  welcher  in  der  besohriebenen 
Weiae  sein  Leben  führt,  nach  dem  Dahinfall  seines  jetzigen  Leibes 
fUr  einen  anderii  Leib  keine  Ursache  mehr  vorhanden  sei ;  vielmeiu* 
wird  das  Vorhandensein  eines  Werkrestes  erwiesen  aus  Stellen  der 
Schrift  und  Sipriti  wie:  „Welche  nun  hier  einen  erfreulichen  Wan- 
>,del  haben  [für  die  ist  Aussicht,  dafs  sie  in  einen  erfreulichen  Mutter« 
schofs  eingehen,  einen  Brahmanenschofs,  oder  Kshatnyaschofs  odei* 
Yai^yaschofs;  —  die  aber  hier  einen  stinkenden  Wandel  haben,  für 
die  ist   Aussieht,   dafs  sie   in   einen  stinkenden  Mutterschofs    ein« 
y^eben,  einen  Rundeschofs,  oder  Schweineschofs  oder  einen  Candida- 
„aobofs]**  (Chand.  5,  10,  7);  —  „durch  einen  Rest' desselben"  (siehe 
die  Smfitistelle  p.  754,  4,  S<^ite  484)>  —  ^Aber  wenn  dem  so  ist, 
*so  köunen  doch  |  jene  [restierenden  WerkfrüchteJ    durch  ständige  U30 
*und  gelegentliche  [gute  Werke]  abgeworfen  werden?'  [hsJiepaJcdni ; 
besser  vielleieht  hier  und  im  Folgenden  kshapakdni^  kshapya  u.  s.  w. 
„verbraojßkt   werden";   vgl.   p.  9Ö9.,  12.]  —  Das   geht   nicht;  weil 
kein  Oegeusatz    [zwischen    ihnen]  vorhanden    ist.     Denn  wäre  ein 
Gegensatz,  se  möchten  die  einen  durch  die  andern  abgeworfen  wer- 
den; aber  zwischen  den  in  einem  frühetn  Dasein  aufgehäuften  guten 
WcFken  und  den  ständigen  und  gelegentHeben  [Ceremouien]  besteht 
kein  Gegensatz,  weil' die  einen  wie  die  andern  n^oralisch  verdienst- 
licher Natur  sind.     Bei  den  bösen  Werken  freilich  ist,  da  sie  un- 
moralischer Natur  sind,  der  Gegensata  vorhanden,  und  demgemäfs 
mag  Wohl  ein  Abwerfen  statthaben;  aber  dadurch  wird  noch  nicht 
erreicht,  dafs  für  einen  neuen  Leib   keine  Ursache   vorlianden   ist. 
Denn  auf  die  guten  Werke  trifft  es  doch  zu,  dafs  sie  als  Ursache 
bestehen  bleiben,  und  bei  den  bösen  Werken   läfst   sich  nicht  er- 
mitteln, ob  sie  ohne  Rest  [durch  die  frommen  Ceremönien]  getilgt 
sind.     Auch  läfst  si<;h   nicht   beweisen,   dals  durch  Betreibung  der 
ständigen  und  gelegentlichen  [Ceremouien]  nur  Vermeidung  des  Nieder- 
ganges [in   der  Seelenwanderung]   und  nicht  daneben  noch   andere 
Früchte  erzielt  werden:  denn   es  ist  wohl  möglich,   dafs  nebenher 
noch  andere  Früchte  dabei  herauskommen.     Wenigstens  lehrt  JLpa- 
stamha  {dhanna-süira  1,  7,  20,  3):  „Denn  wie  beim  Mangobäume, 
„den   man   der  Früchte  halber  pflanzt.  Schatten   und  Wohlgeruch 
„daneben  herauskommen,   so  auch  kommen,   wenn  man  die  Pflicht 
betreibt,  nützliche  Zwecke  daneben  heraus."  Auch  kann  kein  Mensch, 
der  nicht  das  Samyagdar^annm  (die  vollkommene  Erkenntnis)  hat, 
sicher  sein,   dafs   er   mit   seinem   ganzen    Selbste  von   der  Geburt 
bis  zum  Tode  die  genuliabezweckenden  und  verbotenen  Handlungen 


748  gftrlraka-mlm&äsi 

gemieden  hat:  denn  actoh  an  den  YoUkommensien  kann  man  feine 
Vergehen  bemerken.  Mag  man  aber  auch  darüber  zweifelhaft  sein, 
jedenfalls  ist  es  nicht  wohl  zu  erkennen,  ob  keine  Ursach«  [for 
eine  neue  Geburt]  vorhanden  ist.  Und  ohne  dafs  das  Brahman-sein 
der  Seele  auf  dem  Wege  der  Erkenntnis  zum  Bewufstsein  gelangt 
ist,  kann  die  Seele,  die  ihrer  Natur  nach  handelnd  und  genielsend 
ist,  nach  Erlösung  nicht  einmal  verlangen,  denn  ihrer  Natur  kann 
sie  sich  nicht  entäufsern,  so  wenig  wie  das  Feuer  der  Hitze.  —  | 
1X31  'Das  mag  sein',  könnte  man  einwenden,  *aber  das  Unheil  liegt  doch 
'nur  in  dem  Handeln  und  Geniefsen  als  Wirkung,  nicht  in  seiner 
'Kraft  [in  den  Thaten,  nicht  in  dem  Willen,  aus  dem  sie  henror- 
'gehen],  und  sonach  ist,  auch  wenn  die  Kraft  bestehen  bleibt,  durch 
'Vermeidung  der  Wirkung  Erlösung  möglich.*  —  Auch  das  geht 
nicht.  Denn  wenn  die  Kraft  bestehen  bleibt  [ich  lese :  i;akti'Sadbkäioe]y 
so  ist  wohl  nicht  zu  verhindern,  dafs  sie  die  Wirkung  erzeugt. — 'Sdion 
'rechtl  aber  es  kann  doch  die  Kraft  allein  ohne  andere  ursächliche 
'Momente  [der  Wille  ohne  einwirkende  Motive]  keine  Wirknng 
'hervorbringen;  daher  sie  für  sich  allein,  auch'  wenn  sie  bestehmi 
'bleibt,  keine  Übertretung  begeht.*  —  Auch  das  geht  nicht;  denn 
auch  die  ursächlichen  Momente  sind  durch  eine  kraftartige  [poten- 
tielle, vgl.  p.  673,  10]  Verbindung  [mit  dem  Thäter]  immer  yer- 
bunden.  So  lange  daher  die  Seele  die  Naturanlage  des  Handelns 
und  Geniefsens  besitzt,  und  so  lange  nicht  das  durch  das  Wissen 
zu  erreichende  Brahman-sein  der  Seele  eintritt,  ist  nicht  die  min- 
deste Aussicht  auf  Erlösung.  Und  auch  die  Schrift,  wenn  sie  sagt: 
„Es  ist  kein  andVer  Weg  zum  Gehen"  (Qvet.  3,  8),  läfst  keinen 
Weg  zur  Erlösung  mit  Ausnahme  der  Erkenntnis  zu.  —  'Aber  wird 
'damit,  dafs  der  Jiva  mit  dem  Brahman  identisch  ist,  nicht  das 
'ganze  Welttreiben  zu  nichte,  sofern  die  Erkenntnismittel  wie  Wahr- 
'nehmung  u.  s.  w.  nicht  von  statten  gehen  können?*  —  Doch  nicht; 
vielmehr  geht  dasselbe  ebenso  wohl  vor  sich,  wie  das  Treiben  im 
Traume  vor  dem  Erwachen  [vgl.  p.  448  fg.,  Seite  283J.  Und  audi 
der  Kanon,  wenn  er  sagt:  „Denn  wo  eine  Zweiheit  gleichsam  ist, 
„da  sieht  einer  den  andern"  u.  s.  w.  (Bfih.  4,  5,  15),  erklärt  mit 
diesen  Worten  für  den  Nicht-erweckten  das  Treiben  der  Wahrneh- 
mung u.  s.  w.  für  gültig,  hingegen  fUr  den  Erweckten  erklärt  er  es 
für  ungültig,  wenn  es  weiter  heifst:  „wo  aber  einem  alles  zum  eignen 
„Selbste  geworden  ist,  wie  sollte  da  einer  den  andern  sehen"  u.  a.  w. 
Indem  somit  für  denjenigen,  der  das  höchste  Brahman  kennt,  die 
Vorstellung  des  Hingehens  u.  s.  w.  aufgehoben  ist,  so  ist  ein  Hingang 
desselben  [zu  Brahman  nach  dem  Tode]  in  keiner  Weise  möglich. 

'Aber  wohin  gehören  denn  die   Schriftstellen,    die  von   einem 

1132  'Hingehen  [zu  Brahman]  reden?*  —  |  Autwort:  sie  gehören  in  den 

Bereich  der  attributhaften  Wissenschaften  (sagw^d  vidyäk).     Dem- 

gemafs  ist  von  einem  Hingehen  die  Rede  teils    in   der  Fünffener- 


Sfttram  lY.  in.  14.  749 

lehre  (Ch&iid.  5,  3—10,  Brih.  6,  2),  teib  in  der  Thronlehre  (Kaosh. 
1),  teils  in  der  Taif vÄnaralehre  (Cb&nd.  5,  11—24).     Wo  aber  in 
Bezug  auf  das  Bralünan   von  einem  Hingehen  die  Rede  ist,  z.  B. 
in  den  Stellen :  ,,Brahman  ist  Lehen,  Brahman  ist  Freude,  Brahman 
ist  Weite"  (Chänd.  4, 10, 5)  und:  „Hier  in  dieser  Brahmanstadt  [dem 
„Leibe]  ist  ein  Haus,  eine  kleine  Lotosblume^'  (Gh&nd.  8,  1,  1),  — 
auch  da  handelt  es  sich  zufolge  der  Attribute  fJjiebesfCurst*'  u.  s.  w. 
(Ch&nd.   4,  16,  3)  und  „wahre  Wünsche  habend"  u.  s.  w.  (Ghänd. 
8,  1,  5)  nur  um  eine  Verehrung  des  attributhaften  [Brahman],  und 
somit  ist  ein  Hingehen  statthaft;  aber  nirgendwo  wird  in  Bezug  auf 
das  hdchste  Brahman  ein  Hingehen    gelehrt.     Wie   daher  in    der 
Stelle:  „Nicht  ziehen  seine  Lebensgeister  aus"  (Bph.    4,  4,  6)  ein 
Hingehen  verneint  wird ,  so  steht  es  auch  mit  den  Worten  t  „Der 
„Brnhmanwisser  erreicht  das  Höchste"  (Taitt.  2,  1);  denn  wenil  auch 
das  Wort  „erreicht"  ein  Gehen  bedeutet,  so  bezeichnet  es  doch  hier, 
wo,  wie  gezeigt,  das  ElTeichen  eines  andern  Ortes  nicht  verstanden 
werden  kann,  nur  das  Eingehen  in  das  eigene  Wesen,  im  Hinblick  auf 
die  Vernichtung  der  vom  Nichtwissen  aufgebürdeten  AuRbreitung  you 
Namen  und  Gestalten  [d.  h.  der  empirischen  Realität].    „BraJbman 
„ist   er  und  in  Brahman  lönt  er   sich   au(^'  (Brih.  4,  4,  6);   dieses 
Wort  mufs  man  im  Auge  halten.   Femer:  wenn  das  Hingehen  Bezug 
auf  dos  höchste  [Brahman]  hatte,  so  könnte  es  gelehrt  werden  entwe- 
der zur  Anlockung  oder  zum  Nachdenken;  ein  Anlocken  nun  |  durch  1133 
die  Erwähnung  des  Hingehens  kann  nicht  geschehen  bei  dem  Brah- 
manwissenden;  denn  er  wird  es  lediglich  dadurch,  dafs  ihm  mittels 
des  Wissens  seine  unverhüUtc  Urselbstheit  zum  Bewufstsein  kommt; 
und  auch  ein  Nachdenken  über  das  Hingehen  hat  nicht  die  mindeste 
Bedeutung  für  die  sich  einer  ewig  vollendeten  Seligkeit  bewufste, 
kein  Ziel  zu  erreichen  übrig  lassende  Erkenntnis.    Folglich  bezieht 
sich  das  Hingehen  auf  das  niedere  [Brahman];  und  mir,  sofern  man 
den  Unterschied  zwischen  dem  hohem  und  niedem  Brahman  nicht 
festhält,  werden  die  auf  das  niedere  Brahman  bezüglichen  Schrift- 
stellen vom  Hingehen  dem  hohem  fälschlich  aufgedrungen. 

Giebt  es  denn  zwei  Brahman^s,  ein  höheres  und  ein  niederes?* 
—  Allerdings  giebt  es  zwei;  wie  man  ersieht  aus  den  Worten:  „Für- 
„wahr,  o  Satyakitma,  dieser  Laut  Om  ist  das  höhere  und  das  nie- 
„dere  Brahman"  (Fra^na  5,  2).  —  *Was  ist  denn  das  höhere  Brah- 
*nian,  und  was  dtis  niedere V  —  Barauf  antworten  wir:  wo  unter 
Abwehr  der  durch  das  Nichtwissen  gesetzten  Unterschiode  von  Namen, 
Gestalten  u.  s.  w.  das  Brahman  durch  die  [blofs  negativen]  Ausdrücke 
,>nicht  grob  [und  nicht  fein,  nicht  kurz  und  nicht  lang]  u.  s.  w.  (Brih. 
3,  8,  8)  bezeichnet  wird,  da  ist  es  das  höhere.  Wo  hingegen  eben 
dasselbe  zum  Behufs  der  Verehrung  bezeichnet  wird  als  unterschie- 
den durch  irgend  einen  Unterschied,  z.  B.  in  Worten  wie:  „Geist 
„ist  sein  Stoff,  Leben  soiu  I^eib,  Licht  seine  Gestalt"  (Chäud.  3, 14, 2), 


760  g&rtraka-m)nftjbi& 

da  ist  es  das  niedere.  —  'Aber  widerapridit  das  nicht  dxm  Schrift- 
'Worte,  dafs  es  „ohne  Zweites''  sei  (Ch&nd.  6|  2,  1)?'  —  Keines- 
Wegs!  Der  [Widerspruch]  fällt  weg,  weil  die  Bestimmongeit  wie 
Name  und  Gestalt  aus  dem  Nichtwissen  entspringen.  Die  Fracht 
aber  der  Verehrung  dieses  niedem  Brahman  ist  nach  den  daneben- 
stehenden Schriftworten:  „Wenn  er  die  Yäterwelt  begehrf*  u.  s.  w. 
(Ch&nd.  8,  2,  1)  [Himmels -]Weltherrlichkeit  (jagad-^varpam)  die 
zum  Saipsara  gehört;  indem  das  Nichtwissen  [noch]  nicht  vemiehtet 
1134  ist.  Diese  [Frucht]  nun  |  ist  gebunden  an  bestimmte  Orte;  daher, 
um  sie  zu  erlangen,  ein  Hingehen  kein  Widerspruch  ist.  Aller- 
dings ist  die  Seele  allgegenwärtig;  aber  wie  der  Raum  (Äther)  in 
das  GefäijB  u.  s.  w.  eingeht,  so  geht  auch  sie  in  die  Upädhi*8  (Be- 
stimmungen) wie  Baddhi  u.  s.  w.  ein,  und  in  soweit  wird  ein  Oehen 
bei  ihr  angenommen,  worüber  wir  gespro^en  haben  bei  dem  Sl^ 
tram :  „weil  sie  [die  Seele  im  Saips&rastande]  als  Kern  die  Qualitäten 
,jener  [Buddhi]  hat"  (Sütram  2,  3,  29,  Seite  414  fg.). 

Somit  ist  also  die  Ansicht:  „zu  dem  erschaffenen  B4dari"  (Sft- 
tram  4,  3,  7)  die  richtige,  und  die  Worte:  „das  höhere  Jairaini*'  (Sü- 
tram  4,  3»  12)  dienen  blofs,  um,  zur  Aufhellung  der  Ek^kenntnts, 
die  gegnerische  Meinung  darzulegen.     So  hat  man  es  aufzufassen. 


SechsteB  Adkikaranam* 

15.   a-j^aiika-älambandn  napaU,  iH  B4daräyana\  vbhaya- 

fhärodoshäty  tat-kratug  ca 

die  nicht  auf  ein  Symbol  (Abbild)  Vertrauenden  fuhrt 
er,  80  meint  Bädaräyana,  weil  in  der  Unterscheidung 
beider  kein  Fehler,  und  zwar  ist  es  die  Einsicht  in  ihn. 

Es  steht  also  fest,  dafs  das  Hingehen  sich  auf  das  erschaffene 
Brahman,  nicht  auf  das  höhere  Brahman  bezieht.  —  Nun  fragt  si^ : 
führt  jener. „Geist,  der  nicht  ist  wie  ein  Mensch**  alle,  die  auf  das 
erschaffene  Brahman  vertrauen,  ohne  Unterschied  in'  die  Brahman- 
wclt  oder  nur  einige?  —  Angenommen  also,  ^das  Hingehen  beziehe 
^sich  auf  alle  jene,  welche,  abgesehen  vom  höheren  Brahnuin,  das 
'Wissen  besitzen.  Denn  in  dieser  Woisc  wurde  in  den  Worten 
S,die  unbeschränkte  Geltung  in  allen*'  (Sütram  3,  3,  31)  jenes  Hingehen 
'ohne  Unterschied  bei  den  andern  Lehren  [d.  h.  den  attributhaftea] 
'angenommen\  —  Auf  diese  Annahme  orwid«5rt  der  Lehrer;  „die 
„nicht   auf  ein  Symbol  Vertrauenden";  d.  h.  mit  Ausnahme  derer. 


Sütram  IV.  m.  15.  751 

welche  auf  ein  Symbol  vertrauen,  |  führt  jener  Geist  alle  andern,  ii35 
auf  das  erschaffene  Brahman  Vertrauenden  zur  Brahmanwelt ;  „so  , 
„meint"  der  Jjehrer  „Badaräyana".  Denn  wenn  man  in  dieser  Weise 
das.  Vorhandensein  einer  Zweiteilung  annimmt,  so  entsteht  dadurch' 
„kein  Fehler";  nämlich  jene  Hegel  der  „unbeschränkten  Geltung" 
(Sütram  8,  3,  31)  läfst  sich  auch  von  den  Verehrungen  mit  Ausschlufs 
der  Symbole  verstehen.  Als .  bewirkende  Ursache  für  jene  Zwei- 
teilung aber  ist  zu  verstehen  die  „Einsicht  in  ihn".  Nämlich  es  ist 
in  Ordnung,  dafs  derjenige,  welcher  die  Einsicht  von  Brahman  be- 
sitzt, der  Brahmanherrlichkeit  teilhaft  werde;  denn  die  Schrift 
sagt:  „je  nachdem^ er  ihn  vefehrt,  demgemäfs  wird  es  mit  ihm" 
(vgl.  p.  112,  8).  Bei  den  Symbolen  hingegen  ist  keine  Einsicht  in' 
das  Brahman  vorhanden,  weil  der  Hauptgegenstand  der  Verehrung 
das  Symbol  ist.  —  'Aber  kommt  es  nicht  in  der,  Schrift  vor,  dafs  auch 
^derjenige,  welcher  keine  Einsicht  von  dem  Brahman  besitzt,  zu 
'Brahman  hingeht,  wie  z.  B.  in  der  Fünf-Feuer- Lelire ,  wo  es  [auch 
*von  solchen]  heifst:  „der  führet  sie  zu  Brahman"  (Chund.  6,  10,  2)?' 
—  Das  mag  sein,  wo  eins  solche  ausdrückliche  Erklärung  vorliegt; 
wo  sie  aber  fehlt,  da  ist,  jener  allgemeinen  Regel  von  der  „Ein- 
„sieht  in  ihn"  geroäfs,  anzunehmen,  dafs  nur  diejenigen,  welche  die 
Einsicht  von  dem  Brahman  haben,  zu  demselben  gelangen,  die  übrigen 
aber  nicht,  — ^  das  ist  die  Meinung. 

16.    vi^han  ca  dar^ayati 
auch  zeigt  sie  den  Unterschied  an. 

Auch  zeigt  die  Schrift  bei  den  Verehrungen  unter  den  Symbolen 
des  Namens  u.  s.  w.,  vom  Früheren  zum  Späteren  foi*t8chreitend, 
die  bestimmte  Fracht  einer  jeden  Verehrung  an,  indem  es  z.  B. 
heifst:  „so  weit  sich  der  Name  erstreckt,  so  weit  geht  das  Belieben 
„seiner  Freiheit  ...j-,  aber  die  Kede  ist  gröfser  als  der  Name;  ...  h^q 
„so  weit  sich  die  Rede  erstreckt,  so  weit  geht  das  Belieben  seiner 
„Freiheit;  .  .  .  aber  das  Manas  ist  gröfser  als  die  Rede"  u.  s.  w. 
(Chd.nd.  7,  1  fg.).  Diese  genaue  Bestimmung  der  Frucht  ist  nur  mög- 
lich, weil  die  Verehrungen  hierbei  an  die  Symbole  sich  halten ;  denn 
wenn  sie  au  das  Brahman  sich  hielten,  so  könnte,  weil  das  Brahman 
das  nämliche  bleibt,  ein  Unterschied  der  Brilohnungen  nicht  statt- 
liaben.  Somit  ergiebt  sich,  dafs  die  auf  Symbole  Vertrauenden  nicht 
eine  gleichwertige  Belohnung  wie  die  übrigen  erhalten. 


So  lauUt  in   dem  Kommentare  znr  erlauchton  Cüriraka'Vti/nan»&f  «lern  Werke  der 
▼erehrungewardigcn  Fflise  de«  erlauchton  (^amcara,  im  viei-ton  Adh^äya  der  dritte  Päda. 


Des  Tieften  AdhyAya 


VIERTER  PADA. 


OmI    T«rehnuig  dem  httehden  AtoMil 


Erstes  Adliikaranam. 

1137  1'    sampadya  ävirbhävahj  svena-fäbdät 

beim  Eingehen   Ofienbarwerdung ,  wegen  des  Wortes 

„eigen". 

Die  Schrift  sagt  [in  einem  auf  die  höhere,  attributloge  W  is- 
s^naahaft  bezüglichen  Abschnitte,  von  deren  Fmoht  SfttraiD  4, 
4,  1 — 7 -handelt]:  „so  anch  erhebt  sich  diese  YoUberahigang  aas 
„diesem  Leibe,  gehet  ein  in  das  höchste  Licht  und  tritt  d^darch 
„hervor  in  eigener  Gestalt"  (Ch&nd.  8,  12,  3).  Hier  erhebt  sieh 
der  Zweifel,  ob  [die  Seele  des  Vollerlösten],  ähnlich  wie  es  bei  den 
Genufsstätten  der  Götterwelt  n.  s.  w.  der  Fall  war,  mittels  einer 
neu  zu  ihr  hinzukommenden  Bestimmung  hervortritt,  oder  vermöge 
ihres  blofsen  Selbstes  (ätman),  —  Angenommen  alsOj  ^das  Hervortreten 
'geschehe,  ähnlich  wie  bei  jenen  andern  Stätten,  mittels  einer  neu 
'hinzukommenden  Form,  weil  doch  auch  die  Erlösung  als  eine  Be-- 
'lohnung  zu  betrachten  ist,  und  weil  das  „Hervortreten"  synonym 
'ist  mit  dem  Werden  zu  etwas.  Geschähe  das  Hervortreten  nnr 
'mittels  der  eigenen  Natur,  so  .müfstq  es  schon  in  den  früheren 
^Zuständen,  da  die  eigene  Natur  bereits  vorhanden  war,  zur  Er- 
'scheinung  gelangt  sein.  Somit  geschieht  das  Hervortreten  mittels 
'e\ncr  neu    hinzukommenden  Bc8timmnng\   -^   Auf  diese  Annahme 


Sfttram  IT.  it.  1.  753 

erwidern  wir:  nur  nach  seinem  eigenen  Selbste  wird  der  Erlöste 
dabei  offenbar,  nicht  nach  irgend  einer  andern  Qualität;  |  warum?  1138 
wegen  des  Wortes  ,,e]gen"  in  dem  Satze  „er  tritt  hervor  in  eigener 
„Ge8talt*^  Denn  im  andern  Falle  würde  die  besondere  Bestim« 
mnng  dnreh  dns  Wort  „  eigen  ^'  nicht  angebracht  sein.  —  *Aber 
'bedeutet  das  Wort  „ eigen '^  nicht  auch  dasjenige,  was  uns  ange- 
'hörig,  ist?*  —  Hier  nicht!  weil  dies  nicht  erst  besonders  gesagt 
EU  werden  brauchte.  Denn  die  Gestalt,  in  der  einer  hervortritt, 
ist  natürlich  ihm  angehörig,  und  die  Hervorhebung  durch  das 
Wort  „  eigen '^  würde  hierbei  überflüssig  sein.  Bedeutet  es  aber 
das  eigene  Selbst,  so  ist  es  nicht  überflüssig,  denn  der  Sinn  ist, 
dafs  man  nur  in  der  alleinigen  Gestalt  seines  eigenen  Selbstes,  nicht 
in  einer  neu  hinzukommenden  andern  Gestalt  hervortritt.  —  'Aber 
'welcher  Unterschied  besteht  zwischen  den  früheren  Zuständen  und 
'den  jetzigen,  da  er  doch  dort  wie  hier  ebenwohl  seine  eigene 
'Gestalt  besitzt?*  —  Der  Lehrer  antwortet: 


2.    midctah  pratyndnät 

w 

erlöst,  wegen  des  Versprechens. 

Der,  von  welchem  hier  gesagt  wird,  dafs  er  hervortrete,  ist  von 
der  vormaligen  Bindung  „erlöst"  und  verharrt  nur  in  seinem  reinen 
Selbste;  früher  hingegen  galt  von  ihm,  —  nach  den  Worten  „er 
„ist  blind"  (Ch&nd.  8,  9,  1),  „es  ist,  als  ob  er  weinte"  (Ghänd.  B, 
10,  2),  „ee  ist,  als  ob  er  vernichtet  würde"  (Ch&nd.  8,  11,  1),  — 
dafs  sein  Selbst  durch  die  Dreiheit  der  Zustände  [Wachen,  Träu- 
men, Tiefschlaf,  von  denen  dabei  die  Rede  ist]  verunstaltet  war, 
das  ist  der  Unterschied.  —  'Aber  woraus  folgt,  dafs  er  jetzt  davon 
*orlüst  ipt?'  —  „Wegen  des  Versprechens",  sagt  der  Lehrer.  Häm- 
lich  [an  der  betreffenden  Stelle]  wird  in  den  Worten :  „diesen  aber 
„will  ich  dir  weiter  erklären",  versprochen,  den  von  den  Mängeln 
der  drei  Zustände  befreiten  Ätman  zu  erklären,  worauf  es  heifst:  | 
,,den  Körperlosen  aber  berühren  Lust  und  Schmerz  nicht",  und  1139 
zum  Schlüsse:  „er  tritt  hervor  in  eigener  Gastalt,  —  das  ist  der 
„höchste  Geist"  (Chänd.  8,  12,  1—3).  W^enso  besagen  die  Worte 
zu  Anfang  der  Erzählung:  „das  Selbst,  daz  sündlose"  u.  s.  w> 
(Ghänd,  H,  7,  1),  dafs  hier  ein  Versprechen  gegeben  wird,  von  dem 
eriösten  Selbste  zu  handeln.  Wenn  aber  auch  die  Erlösung  als 
eine  Belohnung  betrachtet  wird,  so  ist  sie  es  doch  nur  in  Hinsicht 
auf  die  Verniclitung  der  Bindung,  nicht  aber  in  dem  Sinne,  dafs 
etwas  bisher  nicht  Vorhandenes  hinzukäme.  Wenn  aber  auch  das 
llervoiireten  synonym  mit  dem  Werden  zu  Etwas  ist,  so  bezieht 
sich  doch  auch  dieses  nur  auf  die  früheren  Zustande,  und  es  ist 

ntusskii.  YedAnU.  48 


754  Q&rtraka-mlm&ns& 

damit,  wie  wenn  einer  durch  Hebung  der  Krankheit  als  ein  Gesunder 
hervortritt;  darum  ist  nichts  dagegen  zu  erinnern. 

3.    ätm&j  prakaranät 

f 

der  Atman,  wegen  des  Vorhergehenden. 

r  ~  * 

^iber  wie  kann  man  sagen,  dafa  er  erlöst  sei,,  da  die  Schrift  von 
'ihln  sagt,  er  „geht  ein  in  das  höchste  Li€ht*',  mithin  doch  nur  in 
*die  Sphäre  des  ^sohaffenen?  Denn  das  Wort  „Licht^^  bezeichnet 
*doch  in  der  Regel  das  natürliche  Element  des  Lichtes.  So  lange  ttr 
'aber  nicht  über  den  Bereich  des  Erschaffenen  hinaus  ist,  kann 
'niemand  für  erlöst  gelten,  weil  alles  Ersehaffene  anerkannterma&eo 
'(Brih.  3,  4f  ^)  ^^  Leiden  behaftet  ist.'  —  Dieser  Einwand  ist 
hinfällig,  ctenn  unter  dem  Worte  „Licht*'  ist  hier  nur  „der  Atoian*'' 
zu  verstehen,  „wegen  des  Vorhergehenden,"  wo  es  hiefs:  „der  Atman, 
„der  sündlose,  frei  von  Alter,  frei  von  Tod"  (Chand.  8,  7,  1).  Wo 
in  dieser  Weise  der  höchste  Atman  als  Thema  bezeichnet  wird, 
darf  man  nicht  willkürlich  an  das  natürliche  Licht  denken,  weil 
man  sich  dabei  eines  Abgehens  vom  Vorliegenden  und  oines  Über* 
gehens  zu  einem  nicht  Vorliegenden  schuldig  machen  würde.  Übri* 
gens  wird  aber  auch-  sonst  das  Wort  „Licht"  von  dem  Atman  ge- 
braucht, denn  es  heifist:  „ihn  ehren  die  Götter  als  der  Liäiier 
„Licht"  (Brih.  4,  4,  16),  worüber  wir  des  Naheren  gehandelt  haben 
an  der  Stelle:  „das  Licht,  weil  dies  ersichtlich"  (Sütram  1,  3,  40). 


Zweites  Adhikarancm. 

1140  4.    avibhägena,  drishtatvät 

in  Ungeteiltheit,  weil  dies  ersichtlicli. 

Der,  von  welchem  es  heifst:  „er  gehet  ein  in  das  höchste  Licht 
„und  tritt  dadurch  hervor  in  eigener  Gestalt",  besteht  dieser  noch 
gesondert  von  dem  höchsten  Atman,  oder  findet  er  sidi  in  Unge- 
teiltheit  mit  ihm?  das  ist  die  Frage.  —  Man  könnte  denken,  'weil 
4n  den  Worten  „dort  geht  er  umher"  (Chand.  8,  12^  3)  die  Be- 
'schäftigungen  und  der  Beschäftigte  auseinaiid<H^ehalten  werden, 
'und  weil  in  den  Worten  „er  gehet  ein  in  das  Licht"  der  Th&ier 
'und  der  Gegenstand  des  Thuns  auseinandergehalten  werden,  es 
'sei  ein  Verhangen  in  der  Vielheit  anzunehmen'.  —  Wer  diese« 
denken  könnte,  den  klärt  der  Lehrer  auf,  indem  er  sagt:  der  Er- 


S^raa  IV.  it.  4.  765 

toste  besteht  in  vdlliger  „Ungeteiltheit'*  mit  dem  höchsten  Ätmftn; 
warum?  „weil  dies  ersichtlich.^  Nämlich  Worte  wie:  «»das  bist 
„du"  (Chänd.  6,  8,  7);  —  „ich  bin  Brahman"  (Brih.  1,  4,  10);  — 
„wenn  einer  kein  anderes  sieht'*  (Chänd.  7,  24,  1);  —  „aber  es  ist 
„kein  Zweites,  Ton  ihm  verschiedenes  da,  welches  er  sehen  könnte" 
(Brih.  4,  3,  23),  —  diese  und  andere  Schriftstellen  beweisen,  dafs  der 
höchste  Atman  in  völliger  üngeteiltheit  besteht.  Der  Erkenntnis 
TOD  ihm  aber  mufs  auch  die  Frucht  entsprechen,  nach  der  Regel 
„die  Einsicht  in  ihn"  (Sütram  4,  3,  15).  Auch  heifst  es  (K&th.  4,  16): 

„Wie  Wasser;  rein  2u  reinem  rag^gossen, 

„Bl^iht  eben  solches,  so,  o  Gadtama, 

„Ist  auch  das  Selbst  des  Weisen,  der  eiicannt  hat"; 

—  diese  und  andere  Schriftworte,  welche  die  Schilderung  des  Er- 
lösten zum  Gegenstande  haben,  bezeugen  seine  Ungeteiltheit,  und 
ebenso  die  [namentlich  ChAnd.  6,  9—13  vorkommenden]  Gleich- 
nisse, wie  z.  B.  das  von  dem  Meere  und  den  Flüssen  (Gh&nd.  6, 
10,  1.  vgl.  Mund.  3,  2,  8.  Pra^a  6,  5)  u.  s.  w.  Auch  bei  der  Un- 
geteiltheit aber  kann  die  Bezeichnung  der  Geteiltheit  in  übertragenem 
Sinne  gebraucht  werden,  wie  dies  z.  B.  geschieht  an  den  Stellen: 
„Worin,  o  Heiliger,  stehet  er?  —  Er  steht  in  seiner  eignen  Mijest&t" 
(Chand.  7,  24,  1)  und:  „am  Ätman  sich  freuend,  mit  dem  Ätman 
„spielend*'  (Ch&nd.  7,  26,  2). 


Drittes  Adkikaranam. 

5.    hröihfnena  Jaimmr  upanffäsa-ädibh^h  ii4i 

in  der  brahmischen ,  meint  Jaimini,  w^;en  der  Bei- 
legung n.  B.  w. 

Es  steht  somit  fest,  gem&fs  den  Worten:  nia  eigener  Gestalt", 
dafs  der  Erlöste  hervortritt  nur  in  der  Gestalt  seines  Selbstes,  nicht 
in  einer  andern,  neu  hinzukommenden.  Nun  aber  handelt  es  sich 
darum,  die  Bestimmungen  dieser  Gestalt  kennen  zn  lernen.  Die 
eigene  Gestalt  ist  „die  brahmische",  wie  sie  durch  die  (Gh&nd.  8, 
7, 1  vorkommenden)  Prädikate  von  dem  der  „Sündlosigkeit^^  an 
bis  zu  dem  der  „Wahrhaftigkeit  der  Wünsche''  hin,  sowie  auch 
durch  die  Allwissenheit  und  Allmacht  charakterisiert  vrird.  In 
dieser,  als  seiner  eigenen  Gestalt,  tritt  der  Erlöste  hervor;  so 
meint  der  Lehrer  Jaimini;  warum?  weil  man  aus  der  Beilegong 
u.  8.  w.  ersieht,  dafs  dem  so  ist.     Denn  in  dieser  Weise  wird  von 

48* 


756  gfrT)raka-mlra«Lnsi 

den  Worten  an:  „der  Ätman,  der  sundloBe",  bis  xa  den  Wori^^n 
hin:  „sein  Wünsohen  ist  wahrhaft,  wahriiaft  sein  Ratsehlufs^*',  das 
Ätmansein  des  Aiman  dnrch  Beilegung  [der  Epitheta:  „der  Aünan. 
„der  Ründlose,  frei  von  Alter,  frei  von  Tod  und  Arei  von  Leiden, 
.,ohne  Hunger  und  ohne  Durst,  sein  Wünschen  ist  wahrhaft,  wahr- 
y^ft  sein  Ratschlufs",  Ch&nd.  8,  7,  1]  gelehrt.  Ebenso  ei'giebt  sich 
femer  aus  den  Worten:  „dort  wandelt  er  umher,  indem  er  lacht 
„und  spielt  und  sich  erfreut'*  (Ch&nd.  8>  12,  3),  dafs  er  die  Gott- 
herrlichkeit (aiQvarpam)  besitzt.  Und  nur  unter  dieser  Yoraus- 
ftetznng  sind  auch  die  Worte  „ihm  wird  su  Teil  in  allen  W^elten 
„ein  Leben  in  Freiheit'^  (Chllnd.  8,  1,  6)  und  die  Beseichnungen 
als  „alim&chtig'<  (z.  B.  Brih.  4, 4,  22)  und  „allwissend"  (Mund.  1,1,9) 
berechtigt. 


n4)       6.    ciü-tanmätrena,  tad-Atmahatvad,  iÜ  Audidamih 

in  dem  Alleinstoffe  der  Geistigkeit,  weil  in  dieser 

sein  Wesen,  so  Audulomi. 

Wenn  auch  dem  Erlösten  die  Prädikate  der  „Sündloaigkeit'' 
und  die  nächstfolgenden  [Ghänd.  8,  7,  1 :  „das  Selbst,  das  sOndlose 
,^ei  von  Alter,  frei  von  Tod  und  frei  yon  Leiden,  ohne  Hanger 
„und  ohne  Durst"]  in  einer  Vielheit  beigelegt  werden,  so  beruheo 
dieselben  doch  nur  auf  einer  Abwechslung  in  den  Worten;  denn 
der  Sinn  dabei  ist  allein,  dafs  bei  ihm  die  Sünde  u.  s.  w.  zunichte 
geworden  sei.  Nämlich  die  eigene  Natur  seines  Ätman  besteht 
nur  in  der  Geistigkeit,  daher  er  „in  dem  Alleinstoffe"  dieser  aU 
seiner  eigenen  Natur  hervortretet  mufs.  Und  auf  diese  Weise 
kommen  auch  Schriftstellen  wie:  „so,  fürwahr,  ist  dieser  Atman, 
„ohne  Inneres  und  ohne  Äufseres,  ganz  aus  Erkenntnis  bestehend*' 
(Rrih.  4,  5,  13)  zu  ihrem  Rechte.  Wenn  aber  auch  die  [weitereo, 
Chänd.  8,  7,  1  vorkommenden]  Prädikate:  „sein  Wünschen  ist  wahr- 
„haft"  u.  s.  w.  [nicht,  wie  die  vorhergehenden  blofs  negativ  sind, 
sondern]  als  Beschaffenheiten  an  seinem  Wesen  ausgesagt  werden 
und  besagen,  dafs  er  nur  wahre  Wönsche  u.  s.  w.  besitze,  so  sind 
dieselben  doch  von  der  Verbindung  mit  UpMhi's  abhängig,  daher 
sie  nicht  so  wie  die  Geistigkeit  das  eigentliche  Wesen  bezeichnen 
können,  weil  von  diesem  die  vielheitliche  Natarbeschaffenheit  aus- 
geschlossen ist.  Dafs  aber  die  vielheitliche  Naturbeschaffenheit  yod 
Brahman  audgeschlosHen  »ei,  zeigten  wir  hei  den  Worten:  „auch 
„nicht  wegen  der  Standorte  hat  der  Höchste  beide  Charaktere'* 
(Sütrani  3,  2,  11).  Aus  demselben  Grunde  kann  auch  die  Er* 
wähnung  des  „Lachens*'  u.  s.  w.  (Ch4nd.  8,  12,  3)  nur  die  Befreiung 
vom  Leiden  bedeuten,  und  steht  ähnlich  wie  die  Worte:  „an  dciu 
„Selbste   sich   freuend**  u.  s.  w.  (Cbänd.  7,  25,  2)  nur  da  aur  Ver 


Sfttnm  IV.  IT.  6.  757 

herrlicbuDg.  Denn  im  eigentlichen  Sinne  können  Frende,  Spiel 
und  Paarnng  nicht  als  Merkxeichen  des  Atman  gelten,  weil  lie 
alle  noch  ein  Objekt  anfser  ihm  Toranaeetzen.  Somit  hat  der  Er* 
Idete  alle  Vielheitlichkeit  Ton  eich  abgethan  und  tritt  hertor  in 
dem  rahigen,  unauBspredilichen  Selbste  der  Erkenntnis ;  —  so  meint 
dei*  Lehrer  Audolomi. 


7.    evam  api  upanydsät  pArväbhäväd  avirodkam  Bäda^   lus 

r&yandh 

auch  80  entsteht  dadurch,  dafB  man  wogen  der  Bei- 
legung das  Vorherige  bestehen  l&fst,  kein  Widerspruch, 

meint  Badarayana. 

„Aoob  ao'S  d.  h.  aach  wenn  man  annimmt,  dafs  die  absolut  reale 
Gestalt  in  der  blofsen  Geistigkeit  bestehe,  imd  dennoch  daaeben, 
mit  Rücksicht  auf  die  empirische  Ansdrucksweise  (Dya^ 
vahära-aptkthayä)  die  Torherige  „brahmische"  Gottherrlichkeit  we- 
gen der  „Beilegung'*  u.  s.  w.  (Sütram  4,  4)  6)  nicht  verschmäht, 
entsteht  kein  Widerspruch ,  —  so  meint  der  Lehrer  Bftdar&ya^a. 


758  Q&rtraka-mlmytsl^ 


Viertem  AdhAafanain. 

y        '  8.    sankalpad  eva  tu,  tac-chruteh 

vielmehr  blofs  durch  den  Wunsch,  weil  so  die  Schrift. 

In    der  Lehre  Tom  Herzensbrahmaa  [Ch&nd.  8,  1 — 6,   alao  in 
einem  auf  die  niedere,   attribnthafte  Wisaenscbaft   besng- 
lichen  AbsobniUe,   von  deren  Frucht  Sütram  4,  4,  8 — 22  handelt] 
heiM  es:  „wenn  er  [d.  h.  der  auf  dem  Gdtierwege  zum   niedern 
„Brahman  Eingegangene]   nach  der  Yäterweit   begehrt,  so  stehen 
9,durch  seinen  blofsen  Wunsch  die  Väter  auf  (Gh&nd.  8,  2,  1)«    Hier 
erhebt  sich  die  Frage,   ob  der  Wunsch  für  sich  aliein  genügt,  um 
die  Väter  u.  j.  w.  aum  Aufstehen  au  bringen,  odor  ob  derselbe  da- 
1144  bei    von    andern  Ursachen   |   begleitet   ist.     Denn  *wenn   ea  auch 
^heifst  „durdi   seinen  bloXsen  Wunsch",   so  kann  hier  doch  ¥rie  in 
^der  Erfahrung  auf  andere  Mitursachen  Besug  genommen  sein.    Wie 
'nämlith  unser  einer  in   der  Erfahrung  durch  seinen  Wunach  und 
'durch  das  Gehen  u.  s.  w.  als  Mitnrsadien  an  seinem  Vater  u,  s.  w. 
'gelangt,    so   könnte    es  auch  bei    dem  Erlösten    sein,   und    man 
'brauchte  nicht   etwas   dem  Augenscheine  Widersprechendea   anaa- 
'nehmen.    Dafs  es  aber  durch  den  blofsen  Wunsch  geschehe,  könnte 
'wie  bei  einem  Könige  bedeuten,    dafis    daa  Zubehör  der   andern 
'Mittel,  um  die  gewünschte  Sache  an  verwirklichen,  leicht  erreich- 
'bar  sei.     Auch  würden   die  Väter  u.  s.  w.,  wenn  sie  durch  den 
'blofsen  Wunsch  schon  aufständen,  ähnlich  dem,  was.  der  bloÜBen 
'Phantasie  entspringt,   ein  Unstätes  sein  und  keinen  yoUwichtigen 
'Genufs    ermöglichen    können.'   —   Auf    diese   Annahme    erwidern 
wir:  das  Aufstehen  der  Väter  u.  s.  w.  geschi^t  lediglich  durch  den 
blofsen  Wunsch;  denn  wenn  die  Schrift  sagt:  „durch  seinen  blofsen 
„Wunsch  stehen  die  Väter  auf"  (Chänd.  8,  2,  1),  so  würde  bei  An- 
iiahme  Ton  andern  Mitursachen  diese  Schriftaussage  gedrückt  werden. 
Sollte  aber  wirklich  dabei  eine  andere  Ursache  zu  dem  Wunsche  sich 
hinzugesellen-,  so  mag  das  sein,  jedenfalls  aber  ist  nicht  an  eine  der- 
artige andere  Ursache  zu  denken,  welche  erst  durch  eine  weitere  Be- 
mühung zu  vram^irklichfin  wäre;   denn  dann  würde  vor  deren  Voli- 
bringung  die  Wunschfreiheit  eine  eingesoWänkte  sein.  Übrigens  ist 
mit  einem  Analogieschlüsse  (s&mänyato  drishtam),  welckier  auf  der 
Voraussetzung  beruht,  dafs   es  in  einer  von  der  Schrift  gelehrten 
Sache  sich  ebenso  verhalten  müsse  wie  in  der  Erfahrung,  hier  nicht 
voranzukommen.    '  Denn    es    ist    denkbar,    dafs    auch    durch   die 
blofsen  Wünsche  der  Erlösten  etwas  hervorgebracht .  werde ,  welches, 
so  lange  es   der  Zweck  erfordert,  Dauerhaftigkeit  besitzt,   indem 


Sütram  IV.  vr.  a  759 

die  YTünscbo  der  Erlösten  von  den  W&nscben   der  gewOfanlichen 
Mensehen  wesensviicschieden  aind. 


9.    ata*  eva  ca  emansa-^adhipaüh  1145 

ebeu  darum  auch  hat  enkei&ea  andern  als  Oberherrn. 

„£baa  daram  ftoch^^  nämlich  weil  sein  Wunschvermögen  kein 
LeBchranktes  i«t,  hat  der  Wissende  „keinen  andern  als  Oherherrn", 
d.  h.  ea  gii»bt  keinen,  der  über  ihn  Herr  w&re.  •  Denn  auch  schon 
ein  natürlicher  Siensch  wird  sich  doch,  bei  seinen  Wünschen,  so- 
weit es  möglich  ist,  keinen  andern  als  Oberhen*n  über  f^tch  wün- 
schen« Üud  auch  die  Schrift  beweist  diese»,  wenn  sie  sagt:  „wer 
,,aber.  vpn  binnen  scheidet,  nachdem  er  die  Seele  erkannt  hat  und 
,Jene  wahrhaften  Wünsdie,  dem  wird  zu  Teil  in  allen  Welten  ein 
,,Lehra  in  Freiheit''  (Chind.  8,  l,  6). 


Fimftea  Adhikarandm. 

10.    aihdvam  Bädarir,  äha  hi  evan^ 
ihr  Nichtsein  Badari,  denn  so  sagt  sie. 

Aas  dem  Schriftworte,  dafs  auf  den  blofsen  Wunsch  de's  Er- 
lösten die  Väter  sich  erheben  (CliÄnd.  8,  2,  1),  ergiebt  sich,  dafs 
derselbe  ein'Manas  als  Organ  des  Wünschens  besitzen  mufs.  Aber 
hat  der  leur  Gottherrlichkeit  eingegangene  Wissende  weiter  auch 
einen  Leib  u^d  Sinnesorgane  oder  nicht?  das  ist  die  Frage. 
—  Hierbei  nimmt  der  Lehrer  Badari  das  NichtvorhandenseiD  des 
Leibes  und  der  Organe  bei  dem  der  Seligkeit  geniefsenden  Wis- 
senden an;  waram?  weil  so  die  Schrift  sagt:  ,,mit  dem  Manas  jene 
,, Wünsche  schauend,  erfreut  er  sich'*  (Ohand.  8,  12,  5),  nämlich  in 
der  Urahmanwelt.  Würde  er  bich  mit  Mana^,  Leib  und  Sinnen  da- 
selbst erfreuen,  so  würde  hier  das  Manas  nicht  für  sich  allein  her- 
yorgehoben  werden.  Somit  ergäbe  sieb  für  die  Erlösung  ein  Nicht- 
sein dos  Leibes  und  der  Organe. 


760  ^Itflraka-mlmiftBä 


11.    hhä/vaiih  Jamimr,  vikalpa-dmanandt 

ihr  Sein  Jaimini ,  wegen  der  Erwähnung  des  Wahl- 
vermögens. 

ELingegeo  behauptet  der  Lehrer  Jaimini  in  Betreff  des  £rl6sten 
das  Sein  des  Leibes  und  der  Sinnesorgane  ebensowohl  wie  daa 
1146  des  Manas;  |  denn  es  heilst:  „er  wird  einfach,  er  wird  dreifad) " 
u.  s.  w.  (Ghcind.  7,  26,  2),  worin  liegt,  dafs  er  ein  WahlYennögen 
besitzt,  sich  zu  ▼ervielfältigen;  eine  Vervielfältigung  ist  aber  nur 
möglich  durch  eine  Verschiedenheit  der  Leiber.  —  Allerdings  be- 
findet sich  diese  Äufserung  über  das  WahlvennÖgen  sich  so  ver- 
vielfältigen in  der  Lehre  von  der  ünbeschr&nktheit  (Chand.  7), 
welches  eine  attributlose  Lehre  ist;  aber  dort  wird  dieeo  Gott- 
herrlichkeit, welche  nur  für  den  attributhaften  Standpunkt  besteht, 
nur-  zur  Verherrlichung  der  Lehre  von  der  Unbeschränktbeit  ao- 
geführt;  daher  sie,  vennöge  ihrer  Zugehörigkeit  su  den  BelobnnngeD 
für  die  attributhaften  Lehren,  allhier  aufsuführen  ist. 


12.    dvädaga-aha-vad  uhhaya  -  vidham  Bddairäyano  'tah 

wie  bei  der  zwölf tägigen  beide  Arten  Badarayana, 

aus  demselben  Grunde. 

Hingegen  meint  der  Lehrer  Badarayana  „aus  demselben  Grunde," 
nämlich  weil  die  Schrift  Andeutungen  von  beiden  enthält,  dafs 
beide  Arten  vorkommen ;  wenn  einer  die  Körperhaffcigkeit  wüns^t, 
so  wird  er  körperhaft;  wünscht  er  hingegen  die  Körperlosigkeit, 
so  wird  er  körperlos;  denn  er  hat  das  Vermögen  Wahres  xu  wün- 
schen, die  Wünsche  aber  sind  verschiedenartig.  „Wie  bei  der 
„zwölftägigen^*,  d.  h.  so  wie  es  eine  zwölftägige  Somafeier  and  eise 
solche  von  noch  mehr  Tagen  giebt,  weil  die  Schrift  fUr  beides 
Andeutungen  enthält,  so  ist  es  auch  hier. 


13.   tanU'Obhdve  sandhya-vad  upapadt/ate 
falls  kein  Leib,   kann  es  sein  wie  im  Zwischenstande. 

Sollte  hingegen  ein  Leib  nebst  Sinnesorganen  nicht  anzunehmeih. 
sein,  so  kann  es  dabei  sein  wie  im  Zwischenstande  [des  Traumes], 
1147  wo  I  auch,  ohne  dafs  ein  Leib  mit  Organen  und  Objekten  vorhanden 


Sütram  lY.  iv.  13.  761 

ist,  in  der  blofaen  [objektlosen]  Perception  die  Wünsche  nach 
Yätern  u.  s.  w.  sich  Terwirklichen ;  'ähnlich  kann  es  auch  möglicher- 
weise bei  der  Erlösung  sein. , 


1 4.    bhdve  jägrad  -  vat 
falls  er  vorhanden,  wie  beim  Wachen. 

Falls  hingegen  ein  Leib  vorhanden  sein  sollte,  mögen  die  Wün- 
sche des  Erlösten  nach  den  Vätern  u.  s.  w.  sich  so  wie  im  wachen 
Zustande  in  realer  Weise  verwirklichen. 


Sechste«  AdJiikaranam. 

15.    pradipa-vad  ävefas,  tathä  M  dargayatl 

wie  bei   der  Lichtfiamme  ist  das  Hineinfahren ,   denn 

Bo  zeigt  sie  es. 

In  dem  Sütram:  „ihr  Sein  Jaimini,  wegen  der  Erwähnung  d^ 
„Wahlvermögens^*  (4,  4,  11)  war  die  Körperhaftigkeit  des  Erlösten 
angenommen  worden.  Hierbei  fragt  sich  nun,  ob,  wenn  bei  Gelegen- 
heit der  Dreifach  werdung  u.  s.  w.  mehrfache  Leiber  hervorgebracht 
werden,  diese  Leiber  als  seelenlos,  so  wie  Holzmaschinen,  hervor- 
gebracht werden,  oder  ob  sie,  ähnlich  wie  unsere  Leiber,  beseelt 
sind?  Man  könnte  annehmen,  *weil  die  Seele  und  das  Manas  sich 
'nicht  spalten  lassen,  müfsten,  so  lange  dieselben  in  dem  einen 
'Leibe  sind,  die  andern  Leiber  unbeseelt  sein*;  worauf  der  Lehrer 
versetzt:  „wie  bei  der  Lichtfiamme  ist  das  Hineinfahren";  d.  h. 
so  wie  dio  t^ine  Licbtßamrae  zu  dem  Sein  mehrerer  Lichtflammen 
übergehen  kann,  |  weil  sie  Vcrvielföltigungskraft  besitzt,  ebenso  1X48 
kann  auch  der  Wissende,  obwohl  er  nur  einer  ist,  weil  er  die  Gott- 
lierrlichkeit  besitzt,  in  ein  mehrfaches  Sein  übergehen  und  in  alle 
1/eiber  hineinfaliren ;  warum?  weil  in  dieser  Weise  die  Schrift  das 
mehrfache  Sein  des  einen  lehrt,  wenn  sie  sagt:  „er  wird  einfach, 
„wird  dreifach,  fünffach,  siebenfach''  u.  s.  w.  (Ch&nd.  7,  26,  2).  Dies 
ist  nicht  möglich,  wenn  man  das  Gleichnis  von  den  Holzmaschinen 
annimmt,  noch  auch  wenn  es  eine  andere  Seele  ist,  die  hineinfährt. 
Auch  könnten  die  Leiber  ohne  Seelen  sich  nicht  bewogen.  Wenn 
aber  behauptet  wurde,  dafs  eine  Verbindung  mit  mehreren  Leibern 
wegen  der  Unteilbarkeit   der  Seele   und    des  Manas    nicht  möglich 


762  Q&rlrAk»*mlmfin8lk 

sei,  80  hat  das  nichts  aaf  sich;  n&mlicfa  weil  das  Termögen,  Wahr- 
haftes zu  wünschen,  vorhandeif  ist,  kann  der  Erlöste  weitere,  dem 
einen  Manas  entsprechend  gebildete,  mit  einem  Manas  verseheut 
Leiber  sich  schaffen;  nnd  nachdem  sie  geschaffen  sind,  kann  er 
ihnen  durch  eine  mittels  Teilung  der  Upadhi^s  bewirkte  Teilung 
der  Seele  auch  einen  Vorsteher .  geben.  Darüber  handeln  auch 
die  Lehrbücher  de?  Yoga,  wenn  «ie  sich  mit  der  Verbindung  dnfs 
Yogin  mit  mehrern  Leibern  besch&ffcigen  (vgl.  Seite  168). 

'Aber  wie  lafst  sich  für  den  Erlösten  jene  das  Uineinfahroi 
*in  mehrere  Leiber  ermöglichende  Gottherrlichkeit  annehmen,  dx 
'es  doch  heifst:  „wie  sollte  er  dann  irgend  wen  erkennen"  (ßriii. 
*2,  4,  14)*,. —  „aber  es  ist  kein  Zweites  da,  kein  anderes,  von  ihm 
S^yerscbiedenes,  das  er  erkennen  könnte'*  (Brih.  4,  3,  30);  —  ^^^^ 
'„Wasseir  isc  der  eine  Schauende,  der  zweitlose''  (Brih.  4,  3,  32), 
'-^  wo  also  dem  Erlösten  doch  die  auf  die  Unterschiede  bezügliche 
'(individuelle)  Erkenntnis  abgesprochen,  wird?'  -^-a  Darauf  giebt 
der  Lehrer  zur  Antwort: 


1149  16.    sva-apyaya'Sampattyor  anyatara-apeksham^  äri^- 

Jcritam  hi 

von  Selbsteingang  und  Auflösung  betrifft  es  eines  vi« 
das  andere,  denn  diee  liegt  am  Tage. 

Der  „Selbsteingang'*  ist  der  Tiefschlaf,  denn  es  heifst:  „er  ist 
„in  sich  selbst  eingegangen,  darum  sagen  sie  von  ihm,  er  bchläft" 
(Chand.  6,  8,  1).  Die  „Auflösung"  ist  die  absolute  Erlösung,  dena 
es  heifst:  „Brahman  ist  er  und  in  Brahman  löst  er  sich  auf*^  (ßrih 
4,  4,  6).  „Einen  wie  ^en  andern''  von  diesen  beiden  Zustüüdeu 
betrifft  die  Lehre  von  dem  Nichtsein,  des  auf  die  Untei-i>chiede  be- 
züglichen (individuellen)  Bewufstseins ;  zuweilen  kommt  sie  voi. 
dem  Zustande  des  Tiefschlafes,  zuweilen  von  dem  der  absolutn 
Erlösung  vor.  Woraus  dies  folgt?  Nun,  weil  es  eben  dort  „jiu 
„Tage  liegt",  sofern  von  jenen  .beiden,  dabei  die  Kode  ist.  i'i»^ 
ist  ersichtlich  aus  Schriftstellen  wie:  „er  erhebt  sich  aus  dif.'-fn 
„Kreaturen  und  geht  wieder  mit  ihnen  zu  Grunde;  nach  dt-u 
„Tode  ist  kein  [individuelles]  Bewufstsein"  (Brih.  2,  4,  12);  - 
„wo  aber  einem  alles  zum  eigenen  Selbste  geworden  ist**  (ßn^ 
4,  5,  15);  —  „wenn  einer  so  eingeschlafen  ist,  dafs  er  keine  Bt- 
„gierde  mehr  empfindet,  und  kein  Traumbild  schaut"  (Brih.  4%  3,  r^> 
—  Was  hingegen  den  Ort  der  Ausreifung  der  attributhaften  Wissen 
Schäften  betrifft,  von  dem  liier  die  Bede  ^  ist,  so  ist  er,  ebenso  gu^ 
wie  der  [als  Fi-ucht  der  Opferwerke  verheifsene]  Bimmel  n.  s.  w. 


Sütram  IV.  \y.  16.  763 

ein  [toq  Tiefschlaf  und  absoluter  Erlösung]  verschiedener  Zustand, 
dessen  Gottherrlichkeit  hier  geschildert  wird;  —  daher  obiger 
Einwand  nicht  zi^trifft. 


Siebentes  Adkikaranam. 

17.   jäffad-vjfäpära-vtirjam ,  jprakaranäd  asannihita-     ii50 

tväc  ca 

aufser  der  W'eltf ürsorge ,  weil  er  bestallt,  und  sie  ab- 
gehalten. 

Erlangen  diejexiigenj  welche  durch  die  Verehrung  des  attribut- 
haften Brahman  in  eine  bewufste  Lebensgemeinschaft  mit  |Grott 
eingehen,  dadurch  eine  schrankenlose  Gottherrlichkeit  oder  eine 
bescluränkte?  das  ist  die  Frage.  —  Angenommen  also,  ^ihre  Gott- 
^herrlichkeit  müsse  eine  unbeschränkte  sein,  denn  es  heifst:  „er 
S,erlangt  die  Selbstherrlichkeit"  (Taitt.  1,  6,  2);  —  „alle  Götter  brin- 
*„gen  ihm  die  Spende  dar"  (Taitt.  1,  5,  3);  —  „ihnen  wird  zu  Teil 
*„in  allen  Welten  ein  Leben  in  Freiheit"  (GhsUid.  8,  1,  6).'  *—  Hier- 
gegen erwidert  der  Lehrer:  „aufser  der  Weltfürsorge";  d.  h.  mit 
Ausnahme  der  Fürsorge  f^v  Entstehen  u.  s.  w.  der  Welt  besitzen 
die  Erlösten  jede  andere  Gottherrlichkeit,  wie  z;  B.,  das  Vermögen, 
sich  atomkloin  zu  machen  u.  s.  w.  Hingegen  die  Fürsorge  für  die 
Welt  bleibt  allein  dem  ewig  vollendeten  Gott  vorbehalten,  warum  ? 
„weil  er  dnzu  bestallt  war",  die  andern  hingegen  „davon  abge- 
„halten"  waren.  Nämlich  der  höchste  Gott  allein  ist  nun  einmal 
bestallt  zur  Fürsorge  für  die  Welt,  denn  die  Schrift  lehrt  von  ihm, 
dafs-  er  die  Welt  erschaffen  habe  u.  s.  w.,  und  nur  er  ist  ewig  mit 
dem  [weltschaffenden]  Schriftworte  verbunden,  während  bei  den 
übrigen  ein  Suchen  danach  und  ein  Feilschen  vorherging,  daher 
ihre  Gottherrlichkeit  einen  zeitlichen  Anfang  hat.  Darum  sind  sie 
von  der  Fürsorge  für  die  Welt  „abgehalten".  Auch  könnte,  «weil  ein 
jeder  von  ihnen  mit  seinem  Hanas  behaftet  ist,  bei  ihnen  eine 
Meinungsverschiedenheit  auftreten;  der  eine  könnte  die  Welt  noch 
weiter  erhalten,  der  andere  sie  vernichten  wollen,  und  darüber  könnte 
gelegentlich  Streit  |  entstehen.  Dieser  Streit  l&fst  sich  nur  ver-  1154 
meiden,  wenn  sich  die  Wünsche  der  andern  nach  denen  eines  ein* 
zigen  richten.  Somit  besteht  ein  Unterschied,  indem  die  übrigen 
in  einer  dem  höchsten  Gotte  vorbehaltenen  Abhängigkeit  von  die- 
sem stehen. 


764  C^xIraka-mlioftnaA 

16.  pratyaksha-upadegdd,  iti  ctn?   na!    ädhikänka-ma- 

ndala  -  stha  -  ijfkteh 

.  •  •  • 

wegen  der  offenkundigen  Darlegung,  meint  ihr?  Nein, 
weil  der  amtoberste,  in  der  Scheibe  Befindliche  ge- 
meint ist. 

Wenn  weiter  bebaupiet  wurde,  dafs  „wegen  der  offenkundigen 
„Darlegung^*  in  den  Worten:  „er  erlangt  die  Selbstherrlichkeit^^ 
u.  8,  w.  (Taitt.  1)  6,  2)  die  Gottberrlichkeit  der  Wissenden  eine 
schrankenlose  sein  müsse,  so  ist  dies  sa  widerlegen.  Wir  behaupten, 
dafs  dieser  Einwand  nicht  zutrifft,  „weil  der  amtoberste  in  der 
„Scheibe  Befindliche  gemeint  ist'^  Nämlich  der  über  alle  Ämter 
gesetzte  und  in  den  speciellen  Standorten  der  Sonnenscheibe  u.  s.  w. 
erscheinende  höchste  Gott  ist  es,  welcher  (Taitt.  1,  6i  2)  gemeint 
ist,  und  Ton  welchem  die  [dort  erwähnte]  „Erlangung  der  Selbst- 
„herrlichkeit"  abhängig  ist,  denn  es  heifst  (Taitt.  1,  6,  2)  weiter: 
„er  erlangt  den  Herrn  des  Geistea",  womit  gesagt  wird,  dafs  er 
zu  dem  als  der  Herr  aller  Gei.stcr  schon  Torherbekannten  t^Tara 
(Gott)  gelangt.  Und  im  Gefolge  davon  heifst  es  weiter:  j^er  wird 
„zum  Herrn  der  Rede,  Herrn  des  Auges,  Herrn  des  Ohres,  Herrn 
„des  Erkennens'^  (Taitt.  1,  6,  2).  —  In  dieser  Weise  mufs  man  auch 
an  den  andern  Stellen  je  nach  Befund  die  Gottherrlichkeit  der 
übrigen  als  von  der  des  ewig  voUendeten  Gottes  abhängig  auf- 
fassen. 

1152  19.    vikära-dvarti  ca;  tathä  M  sthitim  dha 

auch  eine  das  Erschaffene  in  sich  zur&cknehmende; 
denn  so  beschreibt  sie  seinen  Zustand. 

Übrigens  giebt  es  auch  „eine  das  Erschaffene  in  sich  zurück- 
„nehmende '*,  ewig  erlöste  Form  des  hdchsteu  Gottes;  nicht  blofs 
eine  solche,  welche  sich  nur  über  das  Erschaffene  erstreckt*  und 
in  der  Sonnenscheibe  u.  s.  w.  ihren  Standort  hat.  „Denn  so  be- 
„schreibt*^  die  Schrift  seinen  Zustand  als  einen  zweifachen  (CSiand. 

3,  12,  6): 

„So  grofs  die  Majestät  ist  der  Natur, 
„So  ist  doch  gröfscr  noch  der  Geist  erhoben; 
„Ein  Fttfs  von  ihm  sind  alle  Wesea  nur, 
„Drei  sind  Unsterblichkeit  im  Himmel  droben.'* 

Diese  seine  unwandelbare  Gestalt  aber  kann  von  solchen,   die  auf 
die   andere   vertraut  haben,   nicht  erreicht  werden ,    weil   so   hoch 


Sütram  IV.  iy.  19.  765 

ihre  Einsicht  niclit  ging.  Und  wie  dieselben  denn  von  den  zwec 
Formen  des  höchsten  Gottes  nicht  die  attributlose  erreichen,  son- 
dern auf  die  attributhafte  beschränkt  bleiben,  so  erlangen  sie  auch 
in  dieser  nicht  die  unbeschränkte  Gottherrlichkeit,  sondern  bleiben 
auf  die  schrankenhafte  angewiesen. 


20.    dargayatag  ca  evmn  pratyaksha-  anumäne 
auch  zeugen  dafür  Augenschein  und  Folgerung, 

Auch  zeugen  dafür,  dafs  „das  höchste  Lieht"  jene  alles  Er- 
schaffene in  sich  zurücknehmende  Form  besitzt,  die  Schrift  und 
die  Smriti:  „dort  leuchtet  nicht  die  Sonne,  nicht  Mond  und  Sterne, 
„noch  leuchten  diese  Blitze;  viel  weniger  irdisches  Feuer*'  (Mund. 
2,  2,  10);  —  „sie  wird  erhellt  nicht  von  der  Sonne,  nicht  von  dem 
„Mond  und  auch  von  Feuer  nicht*'  (Bhag.  G.  15,  6).  Somit  steht 
fest,  dafs  das  höchste  Licht  jene  das  Erschaffene  in  sich  zurück- 
nehmende Gestalt  besitzt. 

21,    bhoga-mätra-sämya-lingdc  ca  ii53 

auch  wegen  der  Andeutung,  dafs  nur  im  Genüsse 

Gleichheit.   • 

Auch  darum  ist  die  Gotthcrrlichkeit  derer,  die  auf  das  er- 
schaffene Brahman  sich  stützen,  keine  unbeschränkte,  weil  die 
-Schrift  lehrt,  dafs  sie  nur  in  Bezug  auf  den  Genufs  mit  dem  von 
Ewigkeit  her  vollendeten  Gotte  gleichgestellt  sind;  denn  es  heifst: 
„er  sprach  zu  ihm:  die  Wasser  fürwahr  sind  diese  meine,  und  sie 
„ist  deine  Welt**  (lies:  äpo  rai  khalu  nie  'yat^i,  tc  loho  ^sau,  Kansh. 
1,  7);  —  „gleichwie  alle  Wesen  jene  Gottheit  fördern,  so  för- 
„dem  alle  Wesen  den,  der  Solches  weifs"  (Byih.  1,  5,  20);  —  „da- 
„durch  erlangt  er  mit  joner  Gottheit  Lebensgemeinschaft,  Weltge- 
„meinschaft"  (Brih.  1,  5,  28);  —  das  sind  die  Andeutungen,  welche 
beweisen,  dnfs  eine  Yorschiedenheit  beider  noch  bestehen  bleibt. 

*Aber  wenn  dem  so  ist,  und  ihre  Gattherrliohkeit  ein  Mehr 
'und  Minder  zuläfst,  so  raufri  sie  doch  auch  einmal  ein  Endo  neh- 
*men,  so  dafs  ihre  Inhaber  zur  Erde  zurückkehren?'  —  Darauf 
antwortet  der  erhabene  Lehrer  Badaräyana: 


766  CMrak|kmtiiilUk8& 

22.    anävrütih  gabdäd;  anävrittih  fdbdäd 

keine  Wiederkehr  nach  der  Schrift,  keine  Wiederkehr 

nach  der  Schrift. 

Diejenigen,  welche  durch  Ader  und  Strahl  über  die  Stationen 
der  Flamme  n.  s.  w.  auf  dem  GdttierpfiEide  in  die  von  der  Schrift 
geschilderte  Brahmanwelt  gelai^gen,  —  woselbst  die  Seen  Ära-  und 

1154  'Nyä  sind,  |  „in  äer  Brahmanwelt,  im  dritten  Himmel  Ton  hier," 
wo  „das  Gewässer  Aitammadij^am^^  ist  und  „der  Feigenbaum  Soma- 
i^avana,^*  und  „die  Brahmanburg  Aparc^itäy'*  und  „der' goldene 
„Palast  TräbhuvimiUim^^  (Chänd.  8 ,  5 ,  3) ,  in .  diese  Brahmanwelt 
wie  sie  an  vielen  Stellen  der  Mantra^s,  Arthav4da*8  u.  s.  w,  ge- 
schildert wird  (vgl.  Kausli.  1,  3—5),  -^  die  dorthin  gelangt  sind, 
die  kehren  nicht,  wie  die  in  der  Mondwelt  u.  s.  w.,  nach  Ablauf 
des  Genusses  zurück;  warum?  weil  die  Schrift  sagt:  „Unsterblich- 
„keit  erlangt  wer  auf  ihr  aufsteigt^*  (Gh&nd.  8,  6,  6);  — -  „für  sie 
„ist  keine  Wiederkehr^*  (Brih.  6,  2,  15);  —  „die  auf  ihm  eingehen, 
„kehren  zu  diesem  irdischen  Stniäel  nicht  zurück^'  (Ch&nd.  4,  15, 
6);  —  „er  geht  zur  Brahmanwelt  und  kehrt  nicht  wieder'*  (Chand. 
8,  15,  1).  —  Sondern  vielmehr,  wenn  auch  ihre  Gottherrlichkeit 
zu  Ende  geht,  so  kehren  sie  doch  nicht  zurück,  sondern  gehen, 
wie  wir  dies  zeigten,  „bei  Yergang  der  erschaffenen  [Brahmanwelt] 
„mitsamt  ihrem  Aufseher  in  das  von  ihr  aus  Höher«  ein*'  (Sutran 
4,  3,  10).  Denn  waa  diejenigen  betrifft,  welche  die  Finsternisse 
[des  Nichtwissens]  durch  die  vollkommene  Erkenntnis  ver- 
scheucht  haben  und  dem  ewig  vollendeten  NirvdfMm  einzig  ergeben 
sind,   so   steht  deren  Nichftwiederkehr  ganz  fest.     Zu  diesem  aber 

1 155  werden  [zuletzt]  auch  diejenigen  |  ihre  Zuflucht  nriineo,  welche  sicfa 
unter  den  Schutz  des  attributhaften  Brahman  gestellt  hatten, 
woraus  sich  ergiebt,  dafs  auch  für  sie  keine  Wiederkehr  ist  — 
„Keine  Wiederkehr  nach  der  Schrift,  keine  Wiederkehr  naeh  der 
„Schrift ;"  diese  Wiederliolung  des  Sütram  zeigt  das  Ende  des  Lehr- 
buches an. 


So  UaUt  in  dem  Kommentar»  cur  erlanobten  ^&rtra^a'ilSmakvU  deiA  Weil»  d«r  T«r- 
ttbraugawArdigeu  Fafte  dei  erlauchten  Cankarat  des  eriiab«B«a  Atketea.  PUgvn  utd 
Lehrers,  det  SohOlers  der  ver«hntn({iwflriligeii  Fafae  dM' erUnebten  Qorind«,  im  Wei^ 
Adkyaya  der  Tiefte  Väda. 


Ende  des  Lehrbuches  i»x  Brakma'M.%mäin$ä  mit  dem  Kommentare 

des  (^ankara. 


Verbesserungen  und  Zusätze: 

Seite    77,  Zeile  ^37,  statt:  prana^  lies*,  präna 

105,     „     30,  8t, :  eben,  1. :  aber 

465,     „     14,  „VerpfteguDg",  besser  wobl  „Belebung"  (vgl.  S.  716, 37) 

515,     „      12,  St.:  bewerkstelligen,  1.:  erweisen 

548,     ,^     33,  Bt.:  B&darl^yana,  I.:  Biular&yauo 

583,  „  11.  31,  unter  Vedä  (oxyt)  ist  ein  beim  Opfer  zur  Verwen- 
dung kommender  Besen  xa  verstehen. 

617,  „  1,  Zu  Saftkarsba  (in  dieser  Bedeutung  nicht  im  P.  W.) 
vgl.  lud.  Stud.  I,  19,  9:  „Ferner  ist  verfafst  von  Jaimini  auch 
„das  aus  vier  Adhy&ya^s  bestehende  Sahkarshana-K&ndam;  die- 
„seSi  welches  auch  unter  dem  Namen  Devatit-kftn^ain  bekannt 
«,i8t,  geh5rt,  weil  es  die  Verehrung  als  Werk  behandelt,  mit 
„anr  Werkforschnng  (Karma-mimitnsa)." 


n 


CbersicKt  der  Abkflrzimgeii. 

(«,  ck  i«t  wie  tick,  Uckki  j  i*i«  dsck  tu  spMC^Mi.) 

Ait.  =  Aitarey  a- Upanialiad 
Ait.  dir.  =:^  Aiiareya-AraxtyftluMn 
Ait.  br.  =  Ailareya-Br&bma^am 
Bhag.  G.  =  Bbaga^^-GitA 
Brih.  =  Brihadlkranyaka-UpaniBhad 
^aiap.  br.  =s  ^atapatba-Br&bmanam 
(/band.  =  Cb&ndogya-Upanisbad 
(^vet.  =  ^etiyTatara-Upanisbad 
l^^  :=z  tyH-Upanisbad 
Jeim.  =:  die  Mlm&nsll  des  Jaimiai 
Kutb.  =  Katbaka-Upamflbad 
Kausb.  r=  KauabHaki-Upanisbad 
Kena  =  Kena-Upanisbad 
Mabl^bb.  —  Mababbl^ratam 
Mund.  =  Mundaka-Upanisbad 
Pra^^  =  Pra^a-Upaniabad 
Kigy.  =  die  Saipbit&  des  Kigreda 
S4ükbya.k4r.  =  S&nkbya-E:Arik4 
Taitt.  =z  Taittirlya-Upanisbad 
Taitt.  &r.  =  Taittiriya-Aranyakam 
Taitt.  br.  =  Taittirtya-Br&bmanam 
Taitt.  samb.  =  Taittirlya-SambitA 
Vaiy.  =  Vai^esbika-S^ktram. 


Druck  von  F.  A.  Broekk»««  in  Leipiif. 


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Berkeley 


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