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Full text of "Die studentenverbindungen in Frankfurt a. O. .."

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LIBRARY 

OF THE 

University OF California. 



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Die Studentenverbmdungen 



in 



Frankfurt a. 0. 



Inaugural-Dlssertation, 

welche 
nebst den beigefügten Thesen 

mit Genehmigang der hohen 

philosophlsehen Fakultät der Königrl. Universität Breslau 

zur 

Erlangung der philosophischen Doktorwürde ^ 

Montag:^ den 26. Oktober 1903, vormittagfs UV« Uhr 

in der Aula Leopoldina 
öffentlich verteidigen wird 

Ludwig Golinski 

ans Lissa in Posen. 



Opponenten: 

Dr. phiL H. Chone, 
Dr. phil. A. Kober. 




Breslau 

ßuchdrnckerei H. Fleischniatin 

1903. 




Meinen lieben Eltern 



gewidmet. 






I. 

Literatur über das Studenten- und VerbindungfS- 
leben an den deutsehen Universitäten. 

Den Ausgangspunkt für alle Arbeiten über das studentische 
Leben des 17. und 18. Jahrhunderts bildet 

A. Tholuck, Vorgeschichte des Rationalismus. Erster 
Teil: Das akademische Leben des 17. Jahrhunderts. Halle 1853. 

Der Verfasser, der Professor an der Universität in 
Halle war, schildert das akademische Leben des 17. Jahr- 
hunderts. Aus Anlass der ausführlichen Beschreibung des 
Pennalismus, dessen Hauptsitz nach ihm die Nationen waren, 
kommt er auch auf diese zu sprechen. Hier aber sind seine 
Angaben nicht immer genügend begründet. 

Eine kurze, populäre Darstellung haben wir von 

Oskar Dolch, Geschichte des deutschen Studententums 
von der Gründung der deutschen Universitäten bis zu den 
deutschen Freiheitskriegen. Ein historischer Versuch. Leip- 
zig 1858. Über das Verbindungswesen des 18. Jahrhunderts sagt 
Dolch nichts Wesentliches; er fertigt es in seiner etwa 
300 Seiten umfassenden Darstellung mit knapp 10 Seiten ab. 

Ebenfalls aus dem Jahre 1858 ^stammt ein Buch, das 
zwar nur die Verhältnisse einer einzelnen Universität im 
Auge hat, aber unsere Kenntnis von dem Studentenleben 
bedeutend vermehrt: 

Eichard Keil und Robert Keil, Geschichte des 
Jenaischen Studentenlebens von der Gründung der Universität 



I 



— 6 — 

. bis zur Gegenwart. Eine Pestgabe zum dreihundertjährigen 
Jubiläum der Universität Jena. Leipzig 1858. 

Die Verfasser haben ein reiches Material Zusammen- 
gebracht und es sorgfältig gesichtet und verarbeitet. ^ Sie 
führen uns mit kundigem Blick in „eine der hervorragendsten 
Pflanzstätten deutscher Wissenschaft und freien geistigen 
Forschens", lenken aber unsere AufraeAssankeit auch wesent- 
lich „auf den eigentlichen Spiegel und das langjährige 
Centrum deutschen Studentenlebens.** Im Anschluss an be- 
deutende Epochen der allgemeinen Geschichte schildern sie 
das Studentenleben einer einzelnen üniversisät, ohne den 
Zusammenhang mit den übrigen Universitäten aus dem Auge 
zu lassen. Vor allem ist hervorzuheben, dass sie meines 
Wissens zum erstenmale and von allen vorhandenen Dar- 
stellungen auch am erschöpfendsten die Stammbücher der 
Studenten als wichtige Quelle für die Kenntnis des Studenten- 
lebens benutzt haben. 

Auf einen kurzen Zeitraum beschränkt sich 

Ed. Heyck, Heidelberger Studentenleben .zu Anfang 
unseres Jahrhunderts. Nach Briefen und Akten. Heidel- 
berg 1886. 

Nur geringes Material für das studentische Verbindungs- 
leben des 18. Jahrhunderts, im wesentlichen die Literatur 
über das Stndententum bietet 

Adolf Pernwerth von Bärnstein, Beiträge zur Ge- 
schichte und Literatur des deutschen Studenten thums von 
Gründung der. ältesten deutschen Universitäten bis auf die 
unmittelbare Gegenwart, mit besonderer Berücksichtigung 
des XIX. Jahrhunderts. Würzburg 1882. 

Von demselben Verfasser kommt hier auch eine Ab- 
handlung in dem ersten Jahrgang (1884/85) der akademischen 
Monatshefte, S. 69 ff. „das studentische Verbindungswesen 
auf den deutschen Universitäten und sein historischer Ent- 
wicklungsgang" in Betracht. 

In neuerer Zeit haben wir von Fabricius neben 
einzelnen Abhandlungen in den älteren Jahrgängen , der 
akademischen Monatshefte und der Untersuchung über die 



— 7 — 

Deposition (Wilh. Fabricius, die akademische Deposition, 
Frankfurt a/M.) 2 Arbeiten über das Verbindungswesen: 

Wilh. Fabricius, Die Studentenorden des 18. Jahr- 
hunderts und ihr Verhältnis zu den gleichzeitigen Lands- 
mannschaften. Ein kulturgeschichtlicher Versuch. Jena 
1891. 

Wilh. Fabricius, Die Deutschen Corps. Eine historische 
Darstellung mit besonderer Berücksichtigung des Mensur- 
wesens. Mit zahlreichen authentischen Illustrationen im 
Text und Vollbildern. Berlin 1898. Der Verfasser schildert 
im ersten Werke die Landsmannschaften bis zum 19. Jahr- 
hundert und im Anschluss daran die Otden, unter denen er 
mit besonderer Ausführlichkeit den Amicisten-Orden behandelt. 
Es ist die erste Abhandlung, die uns in zusammenfassender 
Darstellung eine Übersicht ober die dem 18. Jahrhundert 
eigentümlichen Erscheinungsformen des Burschenfebens 
gibt. In seinem zweiten grösseren Werke „die Deutschen 
Corps" glaubt er den Ursprung der Corps schon in den 
letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts sichern zu können. 
Wenn sich aber auch nicht verkennen lässt, dass gewisse 
Anzeichen schon auf die künftige Entwicklung hindeuten, 
so ist der Unterschied zwischen den Verbindungen am Ende 
des 18. Jahrhunderts und den Corps doch noch recht gross. 
Was Fabricius als gesicherte Tatsache gibt, ist doch nicht 
immer unantastbar. Er hat diß Nachrichten aus den einzelnen 
Universitätsgeschichten oft ohne unsere Prüfung übernommen, 
sodass wir bei ihm nicht immer eine gesicherte Grundlage 
finden. Er scheint hier und da durch eine gewisse Vorliebe 
für die Corps beherrscht zu sein, aber erheblichen Einfluss 
hat das nicht gehabt. Da es aber mit meiner Darstellung 
nichts zu tun hat, gehe ich darüber hinweg^). JedenTalls 
hat Fabricius auf diesem Gebiete erhebliche Verdienste. 



*) Ich vefwüise auf Kaufmann 'g Kritik dieses Buches im Lit. 
Centralbl. Jg. 1899, No. 50, S. 1743/44. 



— 8 — 

Auf seinem Werke fasst 

K. Pick, Auf Deutschlands hohen Schulen. Eine 
illustrierte kulturgeschichtliche Darstellung deutschen Hoeh- 
schul- und Studenten wesens. Berlin, Leipzig 1900. 

Es bietet aber auch die von Fal)iricius nicht berücksichtigte 
Geschichte der Entstehung und des Einflusses der Burschen- 
schafter. Dazu kommt noch, dass es durch die flüssige Dar- 
stellung recht geeignet ist, weiteren Kreisen die Kenntnis des 
deutschen Hochschul- und Studentenwesens zu vermitteln. Am 
Schlüsse ist eine ausführliche Bibliographie beigegeben, die 
die literarischen Erscheinungen auf allen Gebieten des deutschen 
Hochschulwesens aufzählt, eine äusserst wertvolle Handhabe 
für jeden, der auf diesem Gebiete arbeiten will. 

Neben diesen allgemeinen Darstellungen sind die Ab- 
handlungen über einzelne Verbindungen von Bedeutung, zu- 
mal' die Autoren meist aus eigener Anschauung und Er- 
fahrung schreiben. Ihre Absicht geht vielfach nicht dahin, 
eine Geschichte dieser Verbindungen, sondern eine Recht- 
fertigung für deren Bestrebungen zu geben oder eine Anklage 
gegen sie oder ihre Gegner zu erheben. 

Unter ihnen ragt hervor 

Graf Guido von Taufkirchen oder Darstellung des 
zu Jena aufgehobenen Mosellaner- oder Amicisten -Ordens 
in historischer, psychologischer und rechtlicher Hinsicht zur 
Beherzigung für Staat und Ordensbrüder. Anonym. Weissen- 
fels und Leipzig 1799. 

Das Buch ist ein weitschweifiger Versuch den Amicisten- 
orden zu verteidigen, bietet aber dabei recht wertvolles 
Material. 

Die Angaben dieses Buches werden zum Teil widerlegt, 
zum Teil berichtigt, ergänzt oder bestätigt in der Schrift 
von Laukhard^): Der Moseleaner- oder Amicistenorden 



^) Vgl. Fabricius, Die Studontenorden des 18. Jahrb., Anbang: 
Bibliographie des studentischen Ordenswesens. 



— 9 — 

nach seiner Entstehung, inneren Verfassung nnd Verbreitung 
auf den deutscheu Universitäten und zur Zur(5chtweisung der 
Schrift „Graf Guido von Taufkirchen u. s. w." heraus- 
gegeben von Fr. Chr. Laukhard. Halle 1799. 

Laukhard, der auch in seiner Selbstbiographie (F. C. 
Laukhard's Leben und Schicksale. Ein Beitrag zur Charakte- 
ristik der Universitäten in Deutschland, Teil 1 — 5 Halle 
[Teil 3 ff. Leipzig] 1792— -1802) hier und da einige Notizen 
über das studentische Verbindungsleben an mehreren Universi- 
täten bringt, geht nicht so unbefangen an die Beurteilung 
des Amicistenordens wie der Autor des vorangehenden Buches. 
Seine Darstellung nimmt vielfach einen geradezu gehässigen ' 
Charakter an. 

Ein drittes Buch dieser Art ist der geheime Bund der 
„Schwarzen Brüder". Urquell der vorzüglichsten aka- 
demischen Verbindungen. In einer Keihe verbürgter Original- 
urkunden mitgeteilt von Tyrtäus, einem der ehemaligen 
Oberen dieses Ordens. Mainz 1834^). 

Aus der neusten Zeit nenne ich noch 

H. Müller, Geschichte des Corps Silesia. Eine Fest- 
schrift zum 60jährigen Stiftungsfeste. Breslau, 1 897. 

Das Buch gibt in der Einleitung einige bemerkens- 
werte Notizen über die Übertragung von Verbindurigsformen 
und -abzeichen von der Frankfurter Universität auf die 
Breslauer. 

. Daneben findet sich eine grosse Anzahl oft recht wert- 
voller Nachrichten aus dem Studenten- und Verbindungs- 
leben in den einzelnen Universitätsgeschichten und in Zeit- 
schriften, die an den entsprechenden Stellen berücksichtigt 
werden. 



*) Vgl. Fabricius, Die Studentenorden u. s. w., Anhang: Biblio- 
graphie des studentischen Ordenswesens. 



— 10 — 

n. 

Grundzügre der Entwieklung: des Vet*bindungsWjBsens 
an den protestantischen Universitäten Deutsehlands. 

Bei dieser Betrachtung scheiden die katholischen Universi- 
täten aus, weil ihre Entwicklung eine andere war. Sie war 
wesentlich beherrscht durch den Kampf der Universitäten 
mit den Jesuiten. Die einen kamen ganz in die Gewalt 
des Ordens, die änderen nur teilweise, erschöpften aher in 
diesem Kampfe ihre Kraft. Ein Beispiel der- ersten 
Gruppe ist Graz*), ein Beispiel der anderen ist Ingolstadt. 
Pr antl spricht darüber in seiner auf gründlichem Studium der 
Akten ruhenden Geschichte der Ludwig-Maxirailians-Universi- 
tät in Ingolstadt, Landshut, München*). 

Auch das Studentenleben ist von dieser Entwicklung 
beherrscht. Es fehlte zwar an den Jesuiten-Universitäten 



^) Franz von Krön es, Geschichte der Karl-Franzens-Üniversität 
in Graz. Festgabe var Feier ihres 300jährigen Bestandes, Graz 1886. 
S. 431-433, ebenso das Schlusswort, S. 57l,-57'2. 

*) Carl Prantl, Geschichte der Ludwig-Maximilians-Univcrsität 
in Ingolstadt, Landshut, München. Zur Festfeier ihres 400jährigen 
Bestehens. Bd. l. 2. München 1872, S. ^19: „Allerdings war Ingol- 
stadt nie im vollen Sinne eine Jesuiten-Universität^ wie etwa Innsbruck, 
Graz oder vor allem Dillingen, sondern es ist einerseits im Auge zn 
behalten, dass in Ingolstadt die Jesuiten nur einen Teil der theo- 
logischen Fakultät und nach langen Kämpfen die philosophische 
Fakultät besetzten, wozu später nur noch der kanonistische Lehrstuhl 
kam, sowie dass statutengemäss nie ein Jesuit Rektor sein konnte und 
auch die Stiftungsurkunde, wonach Ordensgeistliche vom Rektorate 
ausgeschlossen waren, hierin nur Ein Mal i. J. 1550 (beim ersten 
Eintritt der Jesuiten) verletzt wur.de; andererseits wird uns die Ge- 
schichte selbst nachweisen, dass die Gesamtcorporation der Universität 
und besonders die juristische Fakultät den wiederholten Schlangen- 
windungen der Jesuiten, welche stets die Herstellung einer wirklichen 
Jesuiten-Universität beabsichtigten, einen trefflichen und vielfach auch 
erfolgreichen Widerstand entgegensetzten." In ähnlicher Weise, S. 220 ff. 




— 11 — 

keineswegs anExzesseu^, aber es mangelte 
für die Ausbildung des Korporationswesens. Da meine 
Untersuchung die protestantische Universität Frankfurt im 
Auge hat, so muss der Rahmen, in den die Frankfurter 
Nachrichten einzufügen sind, aus der Entwicklung der Studenten- 
verbindung^ an den protestantischen Universitäten genommen 
werden. Von einigen liegen mir nur dürftige Nachrichten 
vor, aber es würde irrig sein anzunehmen, dass dort das 
studentische Leben sich nicht in ähnlichen Formen bewegt 
hätte. Was wir hören, gibt uns das Recht, eine gewisse 
Gleichmässigkeit anzunehmen. Ich werde deshalb zunächst 
aus den Nachrichten von den verschiedenen Universitäten in 
einer allgemeinen Übersicht die Entwicklung des Verbindungs- 
lebens im 17. und 18. Jahrhundert zu veranschaulichen 
suchen. 

Die Studentenverbindungen des 17. Jahrhunderts pflegt 
man als die „neuen Nationen" zu bezeichnen^). 

Tholuck^) berührt die Nationen, ohne auf ihre Ein- 
richtung näher einzugehen. Er erwähnt nur, dass an ihrer 
Spitze Senioren standen, die die Nationalmatrikeln führten, 
in welche der Novize unmittelbar nach seiner Ankunft ein- 



*) Krön es, Geschichte (Jor Universität Graz; im besonderen 
siehe S. 19, 20, 22, 23, 25, 26, 33, 49, 81 u. s. w. 

*^) In der Rostocker Matrikel (Ad. Hofmeister, Die Matrikel der 
Universität Rostock,, III S. 130, Rostock 1895) begegnet uns zum ersten- 
mal« im J. 1642 die Bezeichnung solcher Verbindungen als „nationales 
societates", ,nationum societates" oder auch nur „nationes." Schon 
1625 finden wir sie unter d^r Bezeichnung „nationalia collegia seu 
nationales societates" in einer Rede des Rostocker Professors Quistorp. 
Fabripius, S. 86. 

*) Tholuck (1799—1877) war einer der bedeutendsten Profess. 
der theolog. Fakultät der Universität Halle während der ersten Hälfte 
des 19. Jahrh. und darüber hinaus. Er war ein Gegner des hallischen 
Rationalismus und hat ihn in langjährigem Ringen niedergeworfen. Seine 
Vorgeschichte des Rationalismus ist noch heut, nach 50 Jahren, eine der 
wichtigsten Quellen für alle Gebiete des Universitäts- und Studenten- 
lebens. Über ihn und sein Buch vergl. Wilh. Schrader, Geschichte 
der Friedrichs-Universität zu Halle, II Berlin 1894, S. 144 ff. 



— 12 — 

getragen wurde. Er nimmt auch ihren Znsammenhang mit 
den Nationen der mittelalterlichen Universitäten «m, allein, 
was er anführt, ist nur ein Beweis dafür, dass ähnliche Motive 
im 16. und 17. Jahrhundert die Studenten der gleichen 
Provinz zusammenführten, wie einst im Mittelalter. Die 
Gleichheit der Organisation selbst zu beweisen hat er nicht 
versucht, und das ist auch unmöglich. Die Nationen des 
Mittelalters waren amtliche Glieder der Universitäten, um- 
fassten Professoren und Studenten, die neuen Nationen sind 
nur Vereinigungen von .Studenten und haben mit der 
Organisation der Universität nichts zu tun. 

Fahr i eins legt seiner Betrachtung der Nationen oder 
Landsmannschaften des 17. Jahrhunderts die Rostocker Nach- 
richten zu Grunde. Aus den Gesetzen der Brandenburger 
in Rostock ergibt sich für ihn, dass die Nation im wesent- 
lichen ein Unterstützungsverein war. Sie sei nichts weiter 
als eine Gilde, „und zwar genau in derselben Weise wie 
die deutschen Nationen in Bologna und Paris und niemand 
wird bezweifeln, dass zwischen diesen neuen Nationen und 
jenen alten ein direkter genetischer Zusammenhang statt- 
habe^)". Die Hauptpflicht der Landsmannschaften sei die 
Beschaffung eines angemessenen Begräbnisses für verstorbene 
Mitglieder gewesen ^), Die Berechtigung solcher Vereinigungen 
als Unterstützungsvereine habe man anerkennen müssen, 
weil der Student wegen der mangelhaften Verkehrsverhältnisse 
immer noch in Not und Tod auf seine Landäleute angewiesen 
gewesen sei, anderseits habe die Gefahr nahe gelegen, dass 
solche Verbindungen über die gesteckten Grenzen hinaus- 
gehen und sich als Macht neben der gesetzlichen geltend 



*) Fabricius, Die Deutschen Corps, S. 18. 

■) „Wenn ein Landsmann starb, konnten ja bei den damaligen 
Verkehrsverhältnissen in den seltensten Fällen die Angehörigen eher 
etwas von dem Trauerfall erfahren, als nachdem der Verstorbene 
längst unter der Erde ruhte. Deshalb trat die Landsmannschaft an 
die Stelle der Familie, wie sie ja auch in Krankheits- und Unglücks- 
fällen die Fürsorge für ihre Angehörigen übernahm." Fabriciusj 



MIS 



— 13 — 

machen könnten. Ans diesem Zwiespalt sei die merkwürdige 
Praxis hervorgegangen, die nicht zur Hebung des Ansehens 
der üniversitätsbehörden beigetragen habe. Man habe die 
Landsmannschaften in den Statuten verboten, sie aber, oft 
sogar offiziell, geduldet, wie wir es in Rostock sähen ^). An 
einer anderen Stelle sagt Fabricius: „Ich glaube nicht, 
dass die Behörden Unrecht hatten, wenn sie die Wohltätigkeits- 
tendenzen der Landsmannschaften im ausgehenden 17. Jahr- 
hundert als Nebenzweck ansahen. Die Zeit war eine andere 
geworden und die Landsmannschaften könnten auf die Dauer 
unmöglich ihre früheren Zwecke in den Vordergrund stellen 
— sie wurden mehr und mehr zu gesellschaftlichen Ver- 
bindungen und verloren damit ohne Zweifel einen Teil ihrer 
früheren Position. Was wir von den Landsmannschaften des 
18. Jahrhunderts wissen, lässt sie nur als zienüich lose 
Vereinigungen erkennen und es musste ein neues Element 
hinzutreten, um sie wieder auf eine höhere Stufe zu heben ^)." 
Nach Fabricius sind also die Nationen im wesentlichen 
eine Fortbildung der alten Nationen der mittelalterlichen 
Universitäten, allerdings nicht mehr als Universitätsorgani- 
sationen, sondern als Privatvereine der Studenten. Das ist 
nicht richtig; denn die Bildung der neuen Nationen ging 
auch da vor sich, wo die alten nicht vorhanden waren und 
wollte man dagegen einwenden, dass sie von einer Universität 
zur andern leicht übertragen werden konnten, so ist es doch 
immer noch nicht notwendig anzunehmen, dass die neuen 
Nationen sich aus den alten entwickelt haben. Die gleichen 
Bedürfnisse haben hier unter ähnlichen Verhältnissen 
ähnliche Institutionen hervorgerufen. Nichts als der 
Name ist den neuen Nationen geblieben und der allein be- 
rechtigt uns nicht, einen Zusammenhang zwischen den alten 
und neuen Nationen anzunehmen. Wenn Fabricius be- 
hauptet, die Nation sei nichts weiter als eine Gilde, so ist 
damit zuviel gesagt. Die gegenseitige Unterstützung in 



^) Fabricius, S. 20ff. 
^ Fabricius, S. 43. 



— !4 — 

„Not ttfid Tod" reicht doch nicht aus, um der Nation den 
CJharakter der Gilde zu geben, ganz abgesehen davon, dass 
wir wenig wissen von der praktischen Bedeutung dieser all- 
gemeinerf Wendung. Was endlich die Bemerkung betrifft, 
dass die Behörden nicht Unrecht hatten, wenn sie die Wohl- 
lätigkeitstendenzen der Landsmannschaften ini ausgehenden 
17. Jahrhundert als Nebenzweck ansahen, so ist das eine 
Vermutuiig von Fabricius, die richtig sein mag, für die 
es aber an Beweisen fehlt. 

Die Möglichkeit, die „neuen Nationen" genauer kennen 
zu lernen, bieten uns die ausführlichen Nachrichten, die wir von 
den Universitäten Rostock und Königsberg haben, sie geben 
uns zugleich das Bild der Entwicklung an allen protestanti- 
schen Universitäten, weil das Verbindungswesen überall in den 
Hauptzügen eine gewisse Gleiehmässigkeit erkennen lässt. 

Rostock. In der Einleitung zu den Gesetzen der 
Brandenburger in Eostock^) wird bemerkt, dass im Anfang 
des Jahres 1633 unter dem Rektorat des Professors der 
Theologie Johannes Gothmann alle in Rostock anwesendeik 
Studenten aus dem Kurfürstentum Brandenburg zu einer 
erlaubten Societät (Societas non illicita) zusammengetreten 
seien und für sich wie zum Vorteil der Nachkommen Gesetze 
beschlossen hätten, die weder dem akademischen Senat 
präjudicierlich, noch ihres Standes unwürdig seien. Sie wollen 
jede Anmassung und Leichtfertigkeit verbannen, Gemeinsam- 
keit ihrer Angelegenheiten und Freundschaft pflegen. Zu 
diesen! Zweck, sollen „omnia Brandenburgicae nationis mem- 
bra" jährlich einige Male sich versammeln. Die Gesetze 
bestimmen folgendes: 

1. Alle neu ankommenden Landsleute, besonders die, 
welche erst die Trivialschule verlassen haben, sollen sich 
ohne Verzug ihren Landsleuten anschliessen, bevor sie eine 
Beute Fremder werden. Sie sollen sofort bei der Nation 
ihre Namen angeben, um des Schutzes und Rates der Lands- 
mannschaft teilhaftig zu werden. 



^) Nach dem lateinischen Text aus Zehen der, S. 26ff. und 
nach der Übersetzung von Fahricius, S. 16 ff. 



— 15 — 

2. Zweimal im Jahre ist feierliche VersammluDg, bei 
der Name und Studium eines jeden, der Nicnra 46& fiaktors 
und der Zustand der Universität ins Nationalbuch ein- 
geschrieben werden. 

3. Bei derselben Gelegenheit werden die Namen der- 
jenigen vermerkt, welche abgegangen sind. 

4. Wer die Universität verlassen will, soll dies den 
Landsleuten anzeigen, dariiit er nicht wie ein Dieb bei Nacht 
entweiche, sonda^n von den Wünschen der Freunde begleitet 
abgehe. 

5. Wenn ein Streit zwischen Landsleuten oder zwischen 
Landsleuten und Fremden entsteht^ der sich nicht zur 
Kenntnisnahme der Behörde eignet, so soll er vor die 
^Fisci praefectos Senioresque Nationis vel etiam totum Mar- 
chicorum CoUegium" gebracht werden, die möglichst eine 
Einigung auf friedlichem Wege versuchen werden. 

6. Wer krank oder in Geldnot ohne Aussicht auf baldige 
Hilfe ist, soll aus dem Fiscus nationalis unterstützt werden. 

7. Um dies zu ermöglichen, soll jeder bei der allgemeinen 
Versammlung dem Präfect der Kasse zwei lübische Gulden 
bezahlen. Von dem Präfect hat er auch im Notfall die 
Unterstützung zu fordern.. 

8. Denselben Betrag sollen diejenigen leisten, die sich 
später der Landsmannschaft anschliessen. Wer in. schlechten 
Vermögensverhältnissen ist, geniesst Nachsicht. 

9. An seinem Namenstage soll jeder einen lübischen 
Gulden entrichten. Von den Reichen erwartet man aber 
das Doppelte und Dreifache. 

10. Wer Geld aus der Kasse entleiht, muss durch 
Pfand oder Unterschrift die Rückerstattung gewährleisten. 

11. Wenn ein Armer Geld ohne die Verpflichtung der 
Rückzahlung empfängt, soll er eine Quittung ausstellen, 
damit das Beispiel der Freigebigkeit verewigt werde und 
der Kassenführer sich ausweisen kann. 

12. Alle Landsleute sollen die Tugenden, die einem 
Studenten, besonders aber einem Landsmann, zukommen, 
üben: Ehrbarkeit, Bescheidenheit, Ruhe. Die Freundschaft 



— 16 — 

wird dadurch desto inniger und schiefe Urteile Fremder 
werden verhütet. Wer dawider handelt, wird nach dem 
Gutdünken des ganzen Kollegiums angemessen bestraft. 

Aus diesen Gesetzen ergibt sich, dass das Ziel der 
Nation i. eine Organisatipn der Landsleute zum Zweck 
gegenseitiger Unterstützung war, 2. dass sie es sich auch 
zur Pflicht machte, Ehrbarkeit und Sitte unter den Lands- 
leuten aufrecht zu erhalten. So konnte die Landsmannschaft 
so lange sie über die • gesteckten Grenzen nicht hinausging, 
der akademischen Behörde nur willkommen sein. An der 
Spitze der Nation standen Senioren (§ 5 der Gesetze), ge- 
wöhnlich zwei, ein Senior und ein Oonsenior, die von der 
Gesamtheit der Mitglieder durch Stimmenmehrheit gewählt 
wurden^). Dementsprechend werden wohl auch zwei präfecti 
Fiscis oder Fiskale anzunehmen sein (§ 5 der Gesetze)^). „Die 
Senioren hatten die Pflicht der Oberleitung, die Wahrung 
der Ehre der Nation, die Verhandlung mit dem Aussen- 
stehenden und der Vertretung gegenüber sowohl den Be- 
hörden als auch den anderen Nationen^)*)." Was die Senioren 
im Interesse ihrer Landsmannschaften unternehmen, unter- 
liegt der Genehmigung der Gesamtheit der Mitglieder^). 
Wenn § 2 der Gesetze der Brandenburger bestimmt, dass 
zweimal im Jahre eine feierliche Versammlung stattfinden 
soll, so ist damit nicht gesagt, dass dies die einzigen Zu- 
sammenkünfte der Mitglieder waren. Wie oft die Zusammen- 



1) Zehender, S. 41. 

2) „An der Spitze der Nation standen meistens 2 Senioren und 
2 Fiskale, die von der Gesamtheit gewählt wurden." Beyer, S. 16, 
Beyers Darstellung hat zwar mehr populären Charakter, dürfte aber 
im allgemeinen das Richtige treffen. 

") Der Senior Nationis wird nicht allein gehalten sein, auf diese 
Leges fleissig als ein ehrlicher Lands-Mann zu halten, sondern auch 
im übrigen sich des Chores getreulich anzunehmen und alle Zeit für 
dasselbe wohl zu vigiliren, damit nicht praejudicierliches eingeführt 
oder auch zugelassen werde, worauf sich Adversarii dermahleins be- 
rufen können. Gesetze der Pommern, VII, Zehender, S. 32. 

*) Beyer, S. 16. 

») Zehender, S. 41. 



— 17 — 

künfte abgehalten wurden, wissen wir nicht; wir wissen nur, 
dass der Senior das Recht hatte, die Mitglieder, so oft es 
ihm nötig schien, zu berufen ^). Diese Einberufung geschah 
durch ein Billet, das mit dem Nationalsiegel und dem 
Namen des Seniors unterzeichnet war. Es zirkulierte bei 
den Mitgliedern, die ihren Namen daruntersetzten*). Die 
Senioren und auch die älteren Studenten übten in der Ver- 
bindung eine fast unbeschränkte Gewalt über die jüngeren. 
Aus diesen Gesetzen ist über die tatsächlichen Zustände in 
den Nationen wenig zu entnehmen, dagegen bietet ein 
ßostocker Universitätsprotokoll von 1639 folgendes Akten- 
stück, das uns einen Einblick in die tatsächlichen Verhält- 
nisse gewährt; „Vor Rektor Huswedel erschien Theodor 
Holdorf aus Salzwedel, und klagte, weil sein Pennaljahr 
jetzo auf etliche Tage verflossen, und er aus erheblichen 
Ursachen nach Kopenhagen von hinnen wegziehen müsse, 
weil er allda eine Condition bekommen, so sei er zu Höpner 
als Senioren ihrer Nation gegangen, und liabe denselben ge- 
beten, dass er möchte absolviert werden. Der aber hätte 
geantwortet, es wäre in der Nation beschlossen, 6 Wochen 
übers Jahr noch zu bleiben, darum er's haben wollte, dkss 
er bleiben sollte. Er sei abermal nebst Werner Gigas und 
Hupäus zu ihm gegangen und dienstfreundlich gebeten, die 
Nation zu convociren, dass er absolvirt werden möchte; 
worauf Höpner geantwortet, er sollte bleiben, er wollte es 
hab3n, bliebe er aber nicht, und hielte nicht sein Jahr 
aus, nebst 6 Wochen, 6 Tagen, G Stunden, 6 Minuten, so 
sollte ihm nachgeschrieben werden. Er, Kläger, habe zum 
dritten Mal gebeten, ihn zu absolvieren, Höpner aber nichts 
destoweniger respondirt, wollte er nicht bleiben, sollte er 
laufen, ihm sollte wohl nachgeschrieben werden. Darnach 
folgends Höpner ihn durch den Convokanten Jakob Schultze 
zu sich gefordert, er aber nicht kommen können, weil er 
keine Schuhe gehabt. Höpner abermal geschickt, dass er 



^) Gesetze der Rostocker VII, Zehen der, S.*42. 
") Gesetze der Pommern VII, Zeh ender. S. 37. 

2 



^ 



— 18 — 



kommen sollte, oder ihm sollte etwas anders widerfahren, 
und er wollte zu ihm kommen, auch sollte er den Brief 
von Kopenhagen mitbringen. Darauf er respondirt, er 
könnte geschehen lassen, dass er zu ihm käme, solches der 
Convokant ihm Höpner referirt, welcher denselben darum 
ins Gesicht geschlagen, derselbe aber sieh gewehret. Folgends 
sei Höpner nach Müller gegangen, daselbst auch hinkommen 
und beisammen gewesen zwei Lüneburger und Joachim 
Fabricius; da habe Müller zum Kläger geschickt, zu ihm 
zu kommen, er aber respondirt, er hätte seinen Bescheid 
von Höpner schon bekommen, hätte auch keine Schuhe, 
Müller hätte ihm darauf Schuhe geschickt, dass er dennoch 
hinkommen sollte, er aber solche nicht wieder zurückgeschickt, 
und nicht kornmen wollen, noch dürfen, weil die Lüneburger 
hiervor einen juniorem bekommen, welchem sie Salz in die 
Nase gej^fropfet und Heede darüber gestossen mit einem 
Stock, auch also gerieben, dass er bluten müssen, danach 
sie ihm Bricken in die Haare gebunden, und ihm dieselben 
im Gesicht entzweigeschlagen; den Andern hätten sie die 
Haare und Bart weggenommen, dafür ihm, Klägern denn ge- 
gfauet, weil er auch hiervor hätte 20 Thlr. in die Nation geben 
sollen, welches er dennoch mit Thränen auf 4^2 Thlr. er- 
halten, auch gegeben. Nun gestern Abend zwischen 9 
und 10 Uhr, seien ihrer fünf, worunter Höpner, Fabricius 
und Starke, mit blossen Degen in seines Wirths Haus kommen, 
worüber Kläger sich versteckt*)." 

Die Verbindungen bildeten auch Seniorenkonvente aus, 
zu denen die an der Universität vorhandenen Korporationen 
ihre Vertreter entsandten. Diese Konvente hatten die Auf- 
gabe, allgemeine Studenten-Angelegenheiten zu besprechen 



*) Das Aktenstück, aus dem Tholuck dies S. 226 ff. mitteilt, ist 
nicht mehr vorhanden, aber wie mir H. Dr. Ad. Hofmeister mitteilt 
wäre es nicht undenkbar, dass gerade die Mitteilung an Tholuck den 
Verlust des Originals verschuldet hätte. Es sei indessen als voll- 
ständig authentisch zu betrachten, da Namen und Zeitverhältnisse des 
Aktenstückes in d^r Üniversitäts-Matrikel und im Buche der Märkischen 
Nation genau nachzuweisen wären. 



— 19 — 

und Streitigkeiten zwischen den einzelnen Nationen zu 
schlichten*). Die Fiskale hatten die Verwaltung des Fiscus 
nationalis. Jeder Landsmann musste sich bei seiner Nation 
melden*), zu einer anderü durfte er nicht gehen*). Die 
Nation führte eine Matrikel, in die der Novize eingetragen 
wurde, bevor er noch an der Universität immatrikuliert 
war. Er hatte einen Beitrag zu %jihlen, der bei den Branden- 
burgern 4 lübische Gulden jährlich betrug (§ 7)*). Dieses 
Geld und andere freiwillige Spendeo der Mitglieder ^) wurden 
nebst den Gesetzen und dem sonstigen Inventar, zu dem 
auch das Nationalsiegel gehörte, in einer Lade aufbewahrt. 



1) Zohender, S. 25; Beyer, S. 16. 

*) Pnnkt 5 der Gesetze der Rostocker sagt ausdrücklich: „Wer 
einheimisch geboren, mass sich zu dieser Landsmannschaft halten, 
und kann sich zu keiner der andern nationen schlagen." Hier ist aller- 
dings nur von den Rostocker Stadtkindern die Rede, und es lässt sich 
ohne weiteres nicht auf die anderen Nationen übertragen; aber es 
wird wohl die allgemeine Regel gewesen sein, zumal auch § 1 der 
Gesetze der Brandenburger bestimmt: AUe neu ankommenden Lands- 

leule . sollen sich ohne Verzug ihren Landsleuten an- 

schlicssen u. s. w. Zehen der, S. 41, 26. 

') Beyer sagt, S. 16: ^Aber dass jeder Landsmann sich bei 
seiner Nation zur Aufnahme melden mussto, dass die Nation keinem 
Landsmann, der nicht gerade von der Allgemeinheit verfemt und aus- 
gestossen war, die Aufnahme versagen durfte, war der Krebsschaden, 
der an den Verbindungen nagte. Sie fühl ton sich, da sie sich um 
den neuen Zuzug nicht zu bemühen brauchten, sorglos, die roheren 
Mitglieder, die nicht selten die Herrschaft an sich rissen, gebrauchten 
rlie ihnen über die Jüngeren verliehene Macht hart, ja grausam. Aus 
der Verbindung gab es kein Entfliehen, wenn man sich nicht der er- 
barmungslosesten Verfolgung aussetzen wollte, und die scheusslichsten 
Auswüchse rohesten Pennalismus sind durch den Nationalismus ge- 
pflegt und ausgebildet worden." Das sind freie Erwägungen, aber 
im ganzen gewiss richtig. 

*) Ich nehme an, dass mit den Worten „allgemeine Versammlung" 
(§ 7) die in § 2 erwähnte, zweimal jährlich abzuhaltende „feierliche 
Versammlung" gemeint ist. 

^) Nach § 9 der Gesetze der Brandenburger sollte jeder an seinem 
Namenstage einen lübischen Gulden entrichten; von den Reichen er- 
wartete man mehr. 

2» 



— 20 — 

Das Geld wurde zu ausserordentlichen Ausgaben, vor allem 
zur Unterstützung bedürftiger Landsleute, zur Pflege der 
kranken ^) und zur ehrenvollen Bestattung der verstorbenen 
Mitglieder verwendet. Zu letzterem Zweck besass die Nation 
einen Teil des Kirchhofes, der zu dem von ihr gemieteten 
Kirchenchor gehörte. Dieser spielte für die Nation eine 
grosse Rolle. Das sehen., wir aus den Beatimmungen über 
den Chor und aus dem Streite der Pommern und Bostocker 
um denselben^). Der Versammlungsort der Nation war zu- 
weilen die Kirche ^), Nicht selten hat die Nation einen der 
Professoren oder Prediger zu ihrem Patron erhoben, bei dem 
dann die Nationaliade deponiert wurde*). Die Gesamtheit 
der Mitglieder einer Nation besass die Disziplinargewalt 
über den einzelnen^). Dadurch trat sie allerdings als Macht 
neben der gesetzlichen auf. Ob sich die einzelnen Nationen 
in Bostock durch Farben unterschieden, ist nicht ersichtlich^). 



^) Vgl. § 6 der Gesetze der Brandenburger. 
^ Zehen der, S. 29 ff. „Kurze doch aber gründliche Nachricht 
was sich anno 1677 zwischen den allhier in Rostock Studierenden 
Pommern und Rostockern wegen des Pommerschen Chors in der 
St. Jakobs-Kirchen zugetragen und wie es den Pommeru de jure ver- 
blieben und zuerkannt." Der Inhalt ist kurz folgender. Die Pommern, 
die in Rostock studierten, besassen den Chor in der St. Jakobskirche. 
Als sie ihn aus eignen Mitteln nicht mehr erhalten konnten, ging or 
1671 in den Besitz der Rostocker über. Diesen wurde er aber wegen 
säumiger Bezahlung verschlossen und im Jahre 1677 von den Kirchen- 
vorstehern wieder den Pommern vermietet. Darüber entstand nun ein 
Streit zwischen Pommern und Rostockern, die sich des Anrechtes auf 
das Kirchenchor noch nicht begeben zu haben erklärten. Der Streit 
wurde von dem Rektor zu gunsten der Pommern entschieden. 

") Der Schluss der Gesetze der Rostocker lautot: „Diese Punkte 
sind den 1. Märtz 1744 verlesen worden in der St. Johanniskirche . . 
. . . Zehender, S. 42. 

*) Zehender, S. 34. 

^) Vgl« § ^"^ ^^^ Gesetze der Brandenburger. 

®) Dass es an anderen Universitäten der Fall war, ergibt sich 

aus Pabricius, S. 40. In Wittenberg hören wir 1658: „ 

kürzlich ist die Sitte eingerissen, die Ränder der Hüte mit seidenen 
Bändern von verschiedener Farbe, pro distinguendis nationibus, auf- 
zubinden." 



— 21 — 

Die Gesetze der Brandenburger in Rostock sind vom 
Jahre 1633, die neuen Statuten der Rostocker von 1743. 
Dazwischen liegen die ausführlichen Angaben der Pommern 
in Rostock vom Jahre 1677. Alle drei zeigen eine 
gleichmässige, nur in unwesentlichen Punkten verschiedene 
Verfassung der Nationen, so dass wir daraus erkennen, dass 
die Landsmannschaften des 17. Jahrhunderts sich auch in 
der ganzen ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erhielten 
und zwar im wesentlichen mit der gleichen Verfassung. 
Auch weiterhin fehlte es in Rostock nicht an Verbindungen; 
das zeigt die Verordnung vom 2. Sept. 1750, welche die 
gänzliche Aufhebung aller „Verbindungen und Gesellschaften 
unter dem Namen derer Landsmannschaften oder Nationen" 
verfügt, und der landesherrliche Erlass vom 10. Nov. 1795, 
der alle Studenten - Orden schlechterdings verbot und die 
nach diesem als Ordensmitglieder Überwiesenen mit der 
schärfsten Relegation belegte. Dieser Erlass wurde jedem 
neu eintreffenden Studenten zugleich mit der Matrikel ein- 
gehändigt^). Unter Orden ist hier Verbindung schlechthin 
zu verstehen. 

KönigfSbergr. Ähnliche Landsmarinsöhaften werden in 
Königsberg genannt. Nach einem kurfürstlichen Reskript 
vom 12. Sept. 1664 sollten Kasse, Schlüssel und Lade nebst 
den darin befindlichen, eigenbeliebig aufgerichteten Gesetzen, 
Handschriften und Pfändern sowie dem Vorrat an barem 
Gelde und goldenen und silbernen Trinkgefässen von den 
Nationalkollegien in dem Senatorio abgeliefert werden^). 

Ein Edikt vom 7. März 1668 zeigt, dass die Verbindungen 
von der Universität noch nicht ganz geschwunden waren. 
„Nun habet Ihr vor euch ebenmässig daran wol cooperiret, 
und über solcher Abschaffung bisher (sc. seit 1664) mit 
Fleiss und Nachdruck zwar gehalten, dennoch aber wil aufs 
neue hierfür brechen, als wolte solch Übel unter anderen 



») Pick, S. 289, 291. 

^ D. H. Amol dt, Ausführliche und mit Urkunden versehene 
Historie der Königsbergischen Universität, Tl. 1. 2. Königsberg i. Pr. 
1746. 1, S. 448. 



— 22 — 

Nahmen wieder angestifftet werden^)." Im Jahre 1670 hat 
dann der akademische Senat selbst Gesetze entworfen und 
alle Studierenden in 4 Nationen eingeteilt, die Pommern, 
Schlesier, Preussen und Westfalen, die quartalsweise in der 
Generaldirektion abwechselten. Nachdem diese Gesetze von 
der höchsten Landesobrigkeit bestätigt waren, wurden sie 
in der „Confirmatio Legum pro Societatibus Nationum stabi- 
liendis" am 23. Mai 1683 den Studierenden bekannt ge- 
macht*). Jedem neu ankommenden Studenten wurde bei 
Strafe der Exklusion geboten, nach erfolgter Immatrikulation 
in eine dej- 4 Nationen zu treten. Die Söhne des preussischen 
Adels und die Königsberger Stadtkinder wurden dieser Ver- 
pflichtung enthoben, weil sie „die ihrigen zur Stelle hätten, 
die Selbsten über sie die nöthige Aufsicht haben könnten." 
Sehr lange haben diese Nationen wohl nicht bestanden, denn 
Amol dt sagt in seinem, 1746 erschienenen Werke, dass 
man „von den National-CoUegiis auf dieser Academie schon 
in langer Zeit nichts mehr" wisse ^. Es bedürfte aber 
einer Untersuchung, ob nicht trotzdem im 18. Jahrhundert 
auch hier Landsmannschaften und Orden vorhanden waren. 
In Königsberg finden wir also wie in Eostock den 
Eintrittszwang. Das landsmannschaftliche Prinzip war nicht 
streng durchgeführt, da Studierende, die nach ihrer Heimat 
nicht ohne weiteres zu einer der obigen 4 Nationen ge- 
hörten, doch in eine derselben eingereiht wurden. In der 
2. Hälfte des 18. Jahrhunderts sehen wir etwas Ähnliches 
in Frankfurt*). 



*) Grube, corpus Constitutionum Prutenicarum, Königsberg 1721, 
S. 286. 

2) Grube, S. 293 ff. 

8) Arnoldt I, S. 261 ff. 

*) § 9 der Skizze des Kartelies zwischen den 3 Kränzchen in 
Frankfurt lautet: Das Märkisch - Pommersch*^ Kränzchen besteht aus 
gcborenon Märkem und Pommern, das Schlesische aus gebornon 
Schlesiern, das Preussische aus allen übrigen Landsleuten. Frank- 
furter Akten, Fach 32, No. 37. 



— 28 — 

Die zumeist dürftigen Nachrichten der anderen protestan- 
tischen Universitäten weisen auf ähnliche Verhältnisse hin 
wie in Rostok und Königsberg. 

Tübingren. In Tübingen hören wir bereits im 16. Jahr- 
hundert von Landsmannschaften, kennen aber deren Ver- 
fassung nicht, um ein klares Bild von ihnen zu gevinnen. 
Nach KlüpfeP) traten 1559 einmal die^Polen aus Ver- 
anlassung des Mordes eines Landsmannes als Gesamtheit auf; 
bei einem Krawall im Jahre 1582 sind es die Preussen, die 
zusammenhalten, 1589 erscheinen die Sachsen als eine 
grössere Kneipgenossenschaft, späterhin bilden die Mömpel- 
garter eine eigene Kameradschaft. Das alles bietet uns 
doch aber noch keinen Beweis, dass es ausgebildete Korpo- 
rationen waren, ebensowenig ist das bei den in den Tübinger 
Senatsaktendes 1 G.Jahrhunderts mehrfach erwähnten Kränzchen 
und Konventikeln, auch Königreichen der Fall, die durch 
ein Reskript von 1589 verboten wurden^). Bis zum Jahre 1670 
hören wir nichts weiter. Im 18. Jahrhundert stehen wir in 
Tübingen auf ganz sicherem Boden. Ein herzogliches Reskript 
vom Jahre 1765 verbietet die „mehr auf zeit- und kost- 
spielige Neuerungen als auf Realitäten abzielenden Ver- 
bindungen." Im Jahre 1770 erschien ein neuer Erlass, der 
die studierende Jugend vor den „höchstschädlichen Ordens- 
verbindungen verwarnt, und alle dergleichen Gesellschaften 
für aufgehoben erklärt, die bisher getragenen Ordenszeichen 
abzufordern befiehlt, wegen der etwaigen heimlichen Zu- 
sammenkünfte Haussuchungen anordnet, die Widerspenstigen 



1) Geschichte und Beschreibung der Universität Tübingen. Tü- 
bingen 1849, S. 182. 

^) Fabricius hat diese Nachrichten von Klüp fei übernommen; 
es erweckt den Anschein, als sähe er darin bereits eine dem 17. Jahr- 
hundert analoge landsmannschaftliche Bildung, zumal er unmittelbar 
im Zusammenhange damit von den in Strassburg 1650 erwähnten 
Landsmannschaften der Ulmer, Rothenburger und Wormser redet, von 
denen wir auch nichts Näheres wissen. Es bedürfte für Tübingen 
einer Untersuchung aus den Akten, wie ich sie für Frankfurt hier 
versuche. 



- 24 - 

mit 8 — 14tägiger Carcerstrafe, und bei beharrlichem Un- 
gehorsam mit dem consilium abeundi bedroht. Hier finden 
wir wie so oft die Orden nicht als eine besondere Art der 
Verbindung, sondern gleichbedeutend mit Landsmannschaft, 
Verbindung überhaupt gebraucht. Ein Unterschied zwischen 
Orden und Landsmannschaften ist hier nicht erkennbar. 

Im „Apendix Statuorum jussu Serenissimi Domini 
Ducis promulgata" A. 1770 finden sich ähnliche Be- 
stimmungen. 

De ordinibus sive societatibus et confoederationibus 

Studiosorum. 

1. Omnes ejusmodi societates vi supremae potestatis 
Ducalis prohiljitae et abolitae sunto. 

2. Qui prima vice in hujusmodi Ordine deprehensus 
ftierit, carcere per octiduum, qui secunda vice, per quatuor- 
decim dies punitor, qui tertia vice legem ita transgessus 
fuerit, consilium abeundi accipito. 

3. Qui conventus societatum vel toleraverint, vel non 
statim indicaverint, graviter puniuntor. 

Diese Gesetze sind im Jahre 1796 in einem „kurzen 
x\uszug aus den Statuten und anderen Verordnungen der 
Universität Tübingen, sofeme solche die Studiosos betreffen** 
deutsch wiederholt. 

• Wittenbepgr. Wittenberg war wie Kostock ein Haupt- 
hort des Nationalismus. Die Edikte gegen ihn beginnen 
schon 1621 und steigern sich an Zahl und lächerlichem 
Schwulst bis in die sechziger Jahre des Jahrhunderts. In 
einem Edikt vom Jahre 1653 heisst es: seit einigen Jahren 
wählen die Nationen der Studenten sich einen Senior, der 
alle Gewalt hat. Woher nehmen sie diese Gewalt? Sie ist 
nicht legitim, denn es gibt nur einen Rektor, eine Behörde, 
ein akademisches Album. Das alles stellen diese neuen 
Tribüne auf den Kopf. Sie zwingen die Neulinge, sich in 
die Nationalmatrikel eintragen zu lassen und Geld zu be- 
zahlen, welches die Senioren durchbringen. Sie legen den 
Neulingen unwürdige Dienste auf, bestimmen Strafen, haben 



— 25 — 

einige excludirt und mit Gewalt fortgetrieben. Daher wird 
bestimmt, dass es fortan keine nationum seniores, h. e. ma- 
gistri et judices, keine Nationsmatrikel, keine Versammlungs- 
orte und Gerichte mehr gebe. 1659 wird wieder über die 
„nationum senacula" geklagt.; das seien richterliche Sitzungen 
mit Beisitzern, die sich wie eine Obrigkeit Gewalt anmassen 
und Strafen verhängen, „ut tyrannidem agere videantur." 
1660 heisst es, alle Unordnungen kämen von den „nationum 
conciliabulis". Nun aber tritt auch hier infolge des Überein- 
kommens, nach dem die protestantischen Eeichsstände auf 
dem Keichstag zu Begensburg 1654 die Nationen verboten, 
eine Kjisis ein. 1661 schreibt Professor Kirchmeier, die 
symbola und nationes seien abgeschafft. Aber der Nationalis- 
mus blühte fort und namentlich im Anfang des 18. Jahr- 
hunderts füllen sich die Protokolle mit Untersuchungen über 
die Landsmannschaften. 1706 bestanden zahlreiche Lands- 
mannschaften in aller Form, die der Senat stillschweigend 
gewähren liess. Deshalb erging in diesem Jahre ein Eeskript 
an die Universität, in welchem mit Entziehung der Juris- 
diction gedroht wurde, falls der Senat fernerhin so gewissen- 
los durch die Finger sehe^). . 

Jena. Nach einem Edikt vom 4. Februar 1644 sollen 
in Jena zur Aufrechterhaltung des Pennalismus „certae con- 
foederationes*" gebildet worden sein. In diesem Erlass wird 
ausgeführt, dass die Burschen in Konventen zusammen- 
kommen, Gesetze und Dekrete erlassen, Streitigkeiten ent- 
scheiden, bisweilen unter Auflegung eines Zeugeneides, Recht 
sprechen, Strafen bis zur Infamie auflegen und solche er- 
lassen „ferme nihil eorum non andere et peragere, 

quae a summis potestatibus soll sunt magistratui concessa^). 
Das akademische Programm vom 1. September 1660 verbot 
das Tragen verschiedener Bänder und Farben den jenaischen 
Studenten, „als zu Rottirungen und Leichtfertigkeit Anlass 



1) Fabricius, S. 39—41. Tholuck, S. 325, Anm. 310. 
«) Fabricius, S. 42. 



— 26 — 

gebend;" allein schon 1675 zeigen sich die Landsmann- 
schaften, vollständig organisiert, wieder öffentlich und geben 
zu neuem strengen Verbot, dem Mandat vom 22. Juli 1675 
Veranlassung. Nach diesem Mandat hatten sich die jenenser 
Studenten zu vier verschiedenen Nationen, unter der Leitung 
von Senioren, verbündet, mit dem offen ausgesprochenen 
Zweck, Liebe und Freundschaft unter sich zu befördern, 
namentlich, aber, um „hinführe de» kranken und noth- 
leidenden Studenten behülflich zur Hand zu gehen, und, 
wenn Einer ihrer Mitglieder etwa versterben sollte, denselben 
ehrlich begraben zu können;" diese 4 Nationen zeichneten 
sich durch verschiedene Uniformen, namentlich verschieden- 
farbige Bänder an den Stossdegen ihrer Mitglieder, von ein- 
ander aus und traten öffentlich als geschlossene Korporationen 
auf. Jenes Mandat des Herzogs Bernhard von Jena, welcher 
in dem eben angegebenen Zweck dieser Verbindungen nur 
„Vorwand und Schein" erblickte, untersagte aber diese, „zu 
vermeinter Cognoscir und Bestrafung geringer Verbrechen ohne 
Zuziehung des Rektors und Senats errichteten Convocationen", 
und befahl die Abschaffung der Nationalabzeichen und 
Herausgabe der Matrikelbücher an den Rektor; gegen die 
Widerspenstigen, besonders die Rädelsführer, aber die Ver- 
hängung harter Strafen ohne Ansehen der Person. Dies Ein- 
schreiten hatte jedoch nicht die gehofftc Wirkung: der 
Nationalismus bestand in Jena aller Verbote ungeachtet 
fort^). 1704 und. 1724 wurden mehrere scharfe Patente 
gegen die Landsmanschaften erlassen, und Senioren und 
Subsenioren solcher Verbindungen mit der Relegation in 
perpetuum, nach Befinden cum infamia, bedroht 2). 1765 
erging abermals eine Verordnung gegen die Landsmann- 
schaften^). Am 13. Februar 1767 erliessen sämtliche Nutri- 
toren der Universität ein Mandat gegen die Ordensverbindungen. 
Den Orden wurde darin vorgeworfen, dass sie zu mannig- 



1) Rieh. u. Rob. Keil, S. 121 ff. 

2) Ibid., S. 175. 

8) Dolch, S. 240. 



— 27 — 

faltigen, teils gegründeten, teils ungegründeten üblen Nach- 
reden für die Akademie Anlass gegeben, zum Zeitverderb 
und zu unnötigen Ausgaben, sowie zum Missbrauch des 
Namens Gottes bei Ablegung des Ordenseides Gelegenheit 
verschafft und zur Vermehrung der Studentenhändel und 
vielen andern Ärgernissen und Unordnungen beigetragen 
hätten. Es wurden deshalb in dem erwähnten Gesetze alle 
Studentenorden für aufgehoben erklärt und befohlen, dass 
in Zukunft niemand ein Ordenszeichen tragen, einer Ordens- 
zusammenkunft beiwohnen , ein Ordensmissiv verfertigen 
oder darin votiren, einen Ordensmeister, Aufseher, Secretär, 
Beisitzer oder Anwerber abgeben sollte. Im Falle jemand 
sich betreten lassen würde, gegen dieses ernstliche Verbot 
zu handeln, heisst es dann, „so sollen nicht nur diejenigen, 
welche in Unseren gesammten oder Particular- Diensten stehen, 
ihrer Ämter und Würden, auch anderer Emolumenten ver- 
lustig seyn, die Studiosi aber mit der sträcklichen und un- 
abbittlichen Relegation angesehen, Unsere Landeskinder aller 
Versorgungen in unseren Landen verlustig erklärt, die Fremden 
aber ihrer Landesherrschaft zur wohlverdienten Ahndung 

bekannt gemacht werden Endlich soll auch bei 

Immatriculirung der ankommenden Studiosorura von einem 
jeden vermittelst eines Eydes das feierlichste Versprechen 
geschehen, sich auf dieser Universität in keine Ordens- 
verbindung einzulassen^)." Ein Edikt vom 8. April 1778 
bedrohte nicht nur die Vorsteher und Werber solcher Ver- 
bindungen, sondern auch diejenigen, welche als Auswärtige 
in diese sich auihehmen Hessen, mit der perpetuellen Rele- 
gation, bald mit, bald ohne Infamie, und verbot das Tragen 
von Nationalzeichen, „es mag bunt oder sohwarz sein, in 
einem Busch, Schleife, Bouquet oder Band, oder in einem 
anderen Zeichen bestehen, auf einem schwarzen oder grauen 
Hut oder anderwärts getragen werden", und die Abhaltung 
landsmarinschaftlicher Commerse und Fechtkränzchen. Über- 
tretungen dieses Verbots sollten mit achttägigem bis vier- 



1) Eich. u. Bob. Keil, S. 179 ff. 



— 28- — 

wöchentlichem Carcerarrest bestraft, diejenigen aber, „welche 
führohin andern Gesellschaften, in denen übermässig getrunken, 
auch andere Ausschweifungen vorgenommen würden, hielten 
oder auch nur besuchten, desgleichen im Trunk sich über- 
nähmen,^ ohne Ansehen der Person mit einer „dem Vergehen 
proportionirten" Carcerstrafe belegt werden*). Die Ver- 
folgung richtet sich also gegen Orden und Landsmannschaften 
und zwar wurden die Landsmanschaften aus wesentlich , den 
gleichen Gründen verfolgt, welche Anlass boten zur Ver- 
folgung der Orden. Nur der Missbrauch des Eides \^nd un- 
bestimmte Gerüchte wurden bei den Orden hinzugefügt. Im 
ganzen aber hat es den Anschein, als wenn man in Jena 
die häufig erhobene Beschuldigung, dass die Orden mit dem 
Freima^rertum zusammenhingen, nicht für begründet er- 
achtete. Nach einem am 2. März 1795 von den zu Regens- 
burg versammelten Reichsständen gefassten Beschlüsse wurde 
auf allen deutschen Universitäten das Verbot der Ordens- 
verbindungen in Erinnerung gebracht. In Jena geschah 
dies durch ein Gesamtpatent der fürstlichen Erhalter vom 
15. August- 1795. Durch dieses wurden alle und jede 
Studentenorden, als „der akademischen-Disziplin, der Moralität, 
dem Fleisse und der Ökonomie der Studenten nachteilig," 
nochmals verboten, und die Teilnehmer an solchen Ver- 
bindungen mit perpetueller Relegation und dem Verluste 
der Aussicht auf Beförderung und Anstellung im Vaterlande, 
sowie dem Nachteil bedroht, auf keiner anderen deutschen 
Universität aufgenommen zu werden. Dabei wurde das 
frühere Patent vom Jahre 1767 ausdrücklich bestätigt. Ein 
Reskript vom 29. September 1795 ordnete ferner an, dass 
das seit 1780 eingeführte Angelöbnis an Eidesstatt bei der 
Inskription ausdrücklich auch auf Beobachtung der gegen 
die Orden erlassenen Gesetze gerichtet werden sollte; auch 
sollten nach einem herzoglich weimarischen Reskript vom 
17. April 1797 sämtliche Goldschmiede der Städte Weimar 
und Jena bei 20 Thaler Strafe gehalten sein, falls bei ihnen 



1) Eich. u. Rob. Keil, S. 182. 



- 29 — 

die Fertigung von Ordenszeichen bestellt würde, davon so- 
fort Anzeige an die Generalpolizeidirection zu machen. Aber 
alle diese Verordnungen waren von geringem Erfolg, wie- 
wohl sich die Orden in grösseres Geheimnis zurückgezogen 
hatten; schon im Juli 1797 wurde der Constantistenorden 
in Jena entdeckt und über 19 Ordensbrüder die Eelegation 
verhängt. Infolge dieses Vorgangs wurde im Weimarischen 
durch Reskript vcm 27. Oktober 1797 angeordnet, dass 
künftig schon die abgehenden Gymnasiasten vor dem Ein- 
tritt in Ordensverbindungen ernstlich verwarnt und für den 
Fall der Übertretung der vorhandenen Befehle mit der Ver- 
sagung jeder künftigen Beförderung in ihrem Vaterlande 
bedroht werden sollten; dasselbe Reskript bestimmte, dass 
für die Zukunft jeder neu ankommende Student bei der In- 
skription einen Revers wegen Befolgung der gegen die Orden, 
Landsmannschaften und andere geheime V^erbindungen er- 
lassenen Gesetze zu unterzeichnen habe ^). Daraus geht her- 
vor, dass man hier unter Orden jede Verbindung schlecht- 
hin verstand. 

Helmstädt. Für Etelmstädt sind uns spärliche Nach- 
richten aus dem 17. Jahrhundert bekannt. 1654 sind „die 
Seniores unter den Studiosis auf die grosse Consistorialstube 
erfordert und sie dabei mit Ernst vor weiterer Unordnung 
verwarnt" worden. 1660 wurde dort ein Verbindungsband 
während des Gottesdienstes zum Hohn an den Galgen ge- 
schlagen*). Diese letzte Nachricht ist nicht recht ver- 
.ständlich. 

Leipzig^. Auch aus Leipzig haben wir nur Kenntnis 
von Verbindungen des 17. Jahrhunderts, obwohl es nicht 
zweifelhaft sein kann, dass es im 18. Jahrhundert daran 
auch hier nicht mangelte. Leipzig stand doch mit Halle in 
engstem Verkehr. 1654 waren in Leipzig die Nationen fest 



1) Rieh. u. Rob. Keil, S. 321 ff. 
») Tholuck, S. 281. 



— 30 — 

organisiert; sie hatten ihre Senioren und Fiskale und führten 
mit den Landsmannschaften anderer Universitäten Korre- 
spondenz. In demselben Jahre wurde der Senior der polni- 
schen Nation relegiert. 1657 gab es eine meissnische 
Landsmannschaft. Ein Edikt von 1659 beschreibt das 
Wesen der Landsmannschaften ebenso wie wir es in Witten- 
berg und anderwärts gefunden haben. 1682 erging wieder 
ein scharfes Edikt, der Senat liess die Senioren und Famuli 
citieren und forderte die Nationalbücher ab. Daraus entstand 
ein grosser Tumult^). 

Greifiswald. In Greifswald scheint von jeher eine 
Zweiteilung in Deutsche und Schweden (d. h. Schwedisch- 
Pommern) stattgefunden zuhaben. 1659 hatte die „deutsche 
Nation" Streit mit der Schwedischen Landsmannschaft einer- 
seits und mit der üniversitätsbehörde anderseits wegen 
des Pennalismus. Sie fährte damals ein Siegel, welches einen 
Mann mit 5 Pfeilen darstellte und die Umschrift unitate 
fortior trug. 1662 erliess Graf Wrangel ein Edikt gegen 
die „Teutsche Societät". Spuren der Einteilung in Deutsche 
und Schweden finden sich noch 1802^). Von dem 18. Jahr- 
hundert gilt für Greifswald dasselbe wie für die anderen 
protestantischen Universitäten. Wenn auch genauere Nach- 
richten noch fehlen, so dürfen wir auch hier Landsmann- 
schaften und Orden voraussetzen. 

Halle. Wie in Jena, so machten auch in Halle die 
Landsmannschaften den Behörden schon früh zu schaffen. 
Königliche Erlässe vom 13. und 22. November 1717 ver- 
langten strenge Bestrafung der bedenklichen Verbindungen. 
Dann schweigen die Nachrichten lange Zeit. Im September 
1767 entdeckte man bei Auflösung einer magdeburg-halber- 
städter Landsmannschaft auch eine märkische und pommersche, 
obgleich auf einen Antrag der Kur- und Liefländer, die sich 
zu einer solchen hatten verbinden wollen, ein königliches 
Reskript vom 10. Juli 1767 die strengste Unterdrückung 



1) Fabricius, S. 41. 
») Ibid. S. 39. 



— 31 ^ 

aller Landsmannschaften angeordnet hatte *). 1766 wie 1768 
und 1774 richtete sich die Untersuchung gegen den Orden 
der Inviolabist^n *). Die Orden der Unitisten und Konstan- 
tisten wurden 1781 aufgehoben; viel wurde damit nicht 
erreicht, denn nach den Jahrestabellen wurden noch 1788 
dreissig Studenten wegen ihrer Teilnahme am Konstantisten- 
orden nieist mit Karzerstrafe belegt. Auch der Orden der 
Unitisten musste 1786 geschlossen werden; Zedlitz mahnte 
bei diesem Anlass zur Strenge mit dem Befehl, das Verbot 
der Orden jährlich in deutscher Sprache anzuschlagen. Zu 
der Wirksamkeit dieser Anordnung scheint er indes selbst 
nicht volles Zutrauen gehabt zu haben, da er am 26. Januar 
1786 des weiteren verfügte, dass die akademische Verbindung, 
welche sich selbst aufhebe und ihre Gesetze, Listen und 
Abzeichen einreiche, straflos sei und fernerer Untersuchung 
entgehe. Ungefähr dasselbe verkündete der Minister Massow 
noch am 3. November 1801. Nachdem am 8. März 1796 
die allgemeinen Gesetze für die Studierenden aller Fakultäten 
erlassen waren, erfolgte am 31. desselben Monats ein aber- 
maliges Verbot aller Orden und Landsmannschaften^). Am 
20. Oktober 1798 erging ein „Edikt wegen Verhütung und 
Bestrafung geheimer Verbindungen, welche der allgemeinen 
Sicherheit nachteilig werden können*)". 

§ 2 dieses Ediktes lautet: Wir erklären daher für un- 
zulässig und verbieten hierdurch Gesellschaften und Ver- 
bindungen, 1) deren Zweck, Haupt- oder Nebengeschäft darin 
besteht, über gewünschte oder zu bewirkende Veränderungen 
in der Verfassung oder der Verwaltung des Staates oder 



*) Conrad Bornhak, Geschichte der preussischen Universitäts- 
verwaltung bis 1810. Berlin 1900. S. 81. 

*) Wilh. Schrader, Geschichte der' Friedrichs-Universität zu 
Halle. Erster Teil. Berlin 1894. S. 253 und 597 ff. 

8) Schrader, S. 598 ff. 

*) Joh. Fr. Wilh. Koch, Die Preussischen Universitäten. 
II. Bd., I. Abtl. Berlin, Posen und Bromberg 1840. .Nr. 104, S. 97 ff 
Das Edikt ist am 6. Januar 1816 von Friedrich Wilhelm HI. in einer 
»allerhöehsten Verordnung wegen der geheimen Verbindungen" vnederholt. 



- 82 - 

über die Mittel, wie solche Veränderungen bewirkt werden 
könnten, oder über die zu diesem Zweck zu ergreifenden 
Massregeln, Beratschlagungen, in welcher Absicht es sey, 
anzustellen; 2) worin unbekannten Obern, es sey eidlich, 
an Eides Statt, durch Handschlag, mündlich, schriftlich, oder 
wie es sey, Gehorsam versprochen wird; 3) worin bekannten 
Obern auf irgend eine dieser Arten ein so unbedingter Ge- 
horsam angelobt wird, dass man dabei nicht ausdrücklich 
alles dasjenige ausnimmt, was sich auf den Staat, auf dessen 
Verfassung und Verwaltung, oder auf den vom Staate be- 
stimmten Eeligionszustand beziehet oder was für die guten 
Sitten nachteilige Folgen haben könnte; 4) welche Ver- 
schwiegenheit in Ansehung der den Mitgliedern zu offen- 
barenden Geheimnisse fordern oder sich angeloben lassen; 
5) welche eine geheim gehaltene Absicht haben oder vor- 
geben oder zur Erreichung einer namhaft gemachten Ab- 
sicht sich geheim gehaltener Mittel oder verborgener 
mystischer, hieroglyphischer Formen bedienen. Wenn eines 
der Nr. 1, 2, 3 angegebenen Kennzeichen unerlaubter Ge- 
sellschaften und Verbindungen stattfindet, können solch« in 
ünsern gesamten Staaten nicht geduldet werden. Ein Gleiches 
soll auch in Ansehung der Nr. 4 und 5 bezeichneten Ge- 
sellschaften und Verbindungen, jedoch mit der im nächst- 
folgenden § gemachten Ausnahme^) Statt finden. 

Im Jahre 1810 wurden in Halle, — das ist die letzte 
Nachricht, die wir von dort haben ~, wegen landsmann- . 
schaftlicher Verbindungen vier religiert und neun exiliert^). 

Göttingren. Für Göttingen datiert vom Juli 1751 ein 
Edikt, worin der Senat seinem Missfallen über das Tragen 
von Bändern in verschiedenen Farben Ausdruck gibt und 



^) Ausgenommen sind nach § 3 von den Freimaurerorden drei 
Mutterlogen : die Mutterloge zu den drei Weltkugeln, die grosse Lande«- 
loge, die Loge Royal York de l'Amitie und die von ihnen gestifteten 
Tochterlogen. Koch, S. 99. 

«) Dolch, S. 242. 



— 38 — 

an das 1747 erlassene Verbot von „Brüderschaften, Gesell- 
schaften oder Orden** erinnert*). 

Ob wir hier an rein studentische Orden zu denken 
haben, ist fraglich; nach Fabricins^ finden sie sich erst 
von 1771 atn. Die göttingischen Gesetze von 1762 ver- 
boten landsmannschaftliche Verbindungen als etwas sehr 
Schädliches ohne bestimmte Strafe, Ordensverbiudungen da- 
gegen bei Belegation '). Hier ist der unterschied zwischen 
landsmannschaftlichen und Ordensverbindungen besonders 
hervorgehoben, ohne dass gesagt wird, worin er besteht. 
Von 1766 — 1772 bewegten sich die Landsmannschaften ganz 
öffentlich und eine gewisse Konnivenz gegen sie enthält 
auch das Verbot vom 22. Januar 1772, welches erlaubt, die 
Uniformen aufzutragen*). 

Erlangen. Was ich oben von den Orden gesagt habe, 
gilt auch für Erlangen, wenn die Regierung am 8. Mai 1769 
fordert, dass alle Ordensmitglieder die Orden abschwören 
und im Weigerungsfalle auf die Festung gebracht werden 
sollten, und wenn sie am 25. Mai d. J. aufs strengste das 
Werben für- die Orden auf den Gymnasien verbot. 1777 
wurden scharfe Befehle gegen den Harmonieorden erlassen, 
1792 dieser, der bereits als der schwarze Orden auftrat, 
aufgehoben. Infolge des bereits oben erwähnten Reichstags- 
schlusses vom September 1795, durch den alle Studenten- 
orden in Deutschland verboten sein sollten, schwuren im 
November desselben Jahres sämtliche Amicisten, Konstantisten 
nnd Schwarze in Erlangen den Orden ab. Da eine Unter- 
suchung im Jahre 1797 den Fortbestand des schwarzen 
Ordens ergab, so wurden die entdeckten Mitglieder zum Teil 
mit Relegation bestraft, diese dann aber in consilium abeundi 
^ud Karzerstrafe verwandelt. Im Jahre 1802 wurden die 



1) Fick, S. 396. 

^ Die Studentenorden, S. 33. 

») Dolch, S. 241. 

*) Fabricius, Die deutschen Korps, S. 91. 



- Si - 

Gesellschaften und Verbindungen aufgelöst, sofort aber die 
Vereinigung von Studierenden in vier andere Gesellschaften 
gestat;tet. Unter dem 28. Februar 1813 erging das Ver- 
bot aller geheimen Gesellschaften bei Strafe der Relegation^). 

Kiel. In Kiel wurden 1774 in einem Edikt die Lands- 
mannschaften und besonders die Orden verboten, doch ist 
von einem Bestehen der letzteren in Kiel nichts bekannt 
und für eine landsmannschaftliche Gliederung war auf der 
kleinen, nur von Landeskindern besuchten Universität wenig 
Raum *). 

Giessen. Der Rektor der Universität Giessen erlässt 
bereits 1608 ein Edikt gegen die von anderen Universitäten 
nach Giessen übertragenen „factiones**. Becker^) hat dar- 
über eine neue Untersuchung gebracht. Ih-st die zweite 
Hälfte des 18. Jahrhunderts ist für Giessen besser belegt. 
In den Universitätsgesetzen von 1779, welche 1790 noch 
verschärft wurden, warnt §7 unter „Nationalismus und Penna- 
lismus" vor den Landmannschaften „wegen der Zeit ^nd 
Geld fressenden Gelage, vor den sogenannten Kränzchen, die 
die Quelle von allerlei Unordnungen, Jalousien, Feind- 
schaften, Zänkereien und anderen Zeit und Kosten verderb- 
lichen Übeln" seien. Als ein sicheres Zeichen für das Vor- 
handensein solcher „Conventiculorum" sind besondere Gesetze, 



^) Joh. G. V. Engelhard t, die Universität Erlangen von 1743 
bis 1843, Erlangen, zum Jubiläum der Universität 1843, S. 180 flf» 

8) Fick, S. 376 ff 

•) In „Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins." N. F. 
Bd. XI. Giessen 1902, S. 57—84, Giessener Studcntentum in der 
Frühzeit der Universität (1605— 1624) von Dr. Wilh. Martin Becker, 
S. 80. Er lässt es zweifelhaft sein, ob^ hier an Verbindungen gedacht 
ist. An einen engen landsmannschaftlichen Zusammenhang ist nach 
seiner Meinung auch nicht zu denken, wenn wir hören, dass dem 
Professor Gisenius besonders die „Westphali" anhingen. Nach 
meiner Meinung ist es nicht ausgeschlossen, dass wir es hier doch 
mit einer der dem 17. Jahrhundert eigentümlichen Formen von 
Nationen zu tun haben. 



- 85 — 

Geldbeiträge, Ordenshieber, besondere Zeichen in den Stamm- 
büchern, Uniformen, ühr- und Stockbänder, Kokarden, 
Federbüsche, Schleifen und Bänder an den Hüten bezeichnet 
und diese auf das strengste verboten. Anfangs 1789 wurde 
durch den Senat in Giessen eine fränkische Landsmannschaft 
festgestellt, die auch in Marburg existierte. Diese Lands- 
mannschaft war eng mit dem Hannonistenorden verbunden 
und bildete dessen Pflanzschule. In der Mitte der 90er Jahre 
fend Laukhard keine Spur mehr von den Kränzchen, aber 
auch das Ordenswesen lag ganz darnieder. 

Harbiu^. Die Orden sind, wie es scheint, in Marburg 
von Giessen aus eingedrungen, wenigstens finden wir eine 
enge Verbindung zwischen den Harmonisten in Giessen und 
Marburg auch insofern, als der Orden auf beiden Universi- 
täten mit der Landsmanschaft Franconia verbunden war, wie 
denn auch beide auf beiden Hochschulen zugleich infolge 
der in Giessen angestellten Untersuchungen 1789 aufgehoben 
wurden. Weder Orden noch Landsmannschaften konnten 
hier zur Blüte gelangen, da die Behörden ihnen feindlich 
gesinnt waren. Es zeigt sich das auch im Anfange des 
19. Jahrhunderts^). 

Heidelbergr. Verhältnismässig spät erhalten wir von 
Studentenverbindungen in Heidelberg Kunde. Am 12. Dez. 
1683 wird dem akademischen Senat vom Rektor die Anzeige 
erstattet, dass „etliche studiosi unter sich einen neuen orden 
unter einem gewissen zeichen von bandt aufgerichtet, welche 
wöchentliche Zusammenkünfte hielten und mit einander stark 
coUationierten". Es wurde der Beschluss gefasst, private 
Erkundigungen darüber einzuziehen und dann dazu Stellung 
zu nehmen^). Orden steht hier ganz allgemein für Ver- 
bindung. Für das 18. Jahrhundert ist für Heidelberg nichts 



>) Fick, S. 324ff. 

^) E. Winkel mann, Urkundenbuch der Universität Heidelberg, 
Heidelberg 1886, H S. 218 (No. 1771.) 

3* 



bekannt, und da das urkundliche Material für Heidelberg 
sorgfältig durchgearbeitet ist, so kann man wohl sagen, dass 
hier im 18. Jahrhundert Studentenverbindungen fehlten oder 
nur geringe Bedeutung hatten. Die kirchlichen Verhältnisse er- 
klären das zur Genüge.^ Erst nach der Reform der Universität 
von 1803 werden die Nachrichten zahlreicher. Am 25. April 
1804 wird ^as Verbot aller Verbindungen erneuert. Unter 
Absatz 12 des kurfürstlichen Erlasses heisst es^): „Da in- 
dessen aus der leidigen erfahrung bekannt ist, dass vorzüg- 
lich die sogenannten geheimen orden oder geheimen gesell- 
schaften, welche mit bekannten und unbekannten obern zu- 
sammenhängen oder auf irgend eine art ihren zweck oder 
die mittel dazu verheimlichen, sodann überhaupt alle Ver- 
bindungen und Verbrüderungen, welche sich auf das werben 
mehrerer mitglieder, sei es auch zu einem angeblich unver- 
borgenen zweck, legen, dabei aber die sanction der Staats- 
gewalt des landes, in welchem sie sich befinden, nicht vor 
sich haben, vorzüglich bei der studierenden Jugend eine 
reichhaltige quelle von missbräuchen, von geld- und Zeit- 
verlust, ja nicht selten von verkehrten grundsätzen und 
Sittenverderbnisse, in jedem falle aber von Uneinigkeiten und 
Zwietracht und schuldlichem parteigeiste sind, so finden wir 
für iiothwendig, die verbotte solcher von einer guten landes- 
polizei nie zu duldenden Verbindungen für die Universität 
Heidelberg insbesondere zu erneuern," Am 30. März 1805 
erliess der Kurfürst ein Edikt gegen den Konstantistenorden. 
Die Mitglieder dieses Ordens und anderer unerlaubter Ver- 
bindungen gehen zwar straflos aus, doch wird aufs schärfste 
vor Erneuerung der Verbindungen gewarnt^). Die letzte 
grossherzogliche Verordnung gegen Orden und Landsmana- 
schaften ist vom 4. Juni 1810 datiert^). 



1) Ibid. I, S. 452. 

2) Winkelmann, II S. 338 (No. 2634). 
8) Winkelmann, II S. 343 (No. 2670). 






— 37 — 



m. 



r 

I Das studenüsclie KorporaÜonswesen in Frankfurt a. 0. 
I von der Grflndungr der Universität 1506 bis zu 

I ihrer Aafhebungr 1811. 

1. Literatur. 
Ueber die Studentenverbindungen in Frankfurt ist bis 
jetzt sehr wenig bekannt geworden, aber sie fehlten in 
Frankfurt nicht und trugen den gleichen Charakter wie an 
den übrigen protestantischen Universitäten. Zwei Professoren, 
die um die Wende zweier aufeinanderfolgender Jahrhunderte 
an der Frankfurter Viadrina wirkten und das Rektorat wieder- 
holt bekleideten, haben Nachrichten über die dortige Uni- 
versität hinterlassen: 

1) J. C. Becman, Notitia üniversitatis Francofartanae, 
Francofurti ad Viadrum 1707. 

2) C. B. Hausen, Geschichte der Universität und Stadt 
Frankfurt an der Oder, seit ihrer Stiftung und Erbauung, 
bis zum Schluss des achtzehnten Jahrhunderts, grösstenteils 
nach Urkunden und Archiv-Nachrichten bearbeitet. Frankfurt 
an der Oder. 1800. 

Becman gibt einen Überblick über die Anfänge der 
Universität, ihre Privilegien, Rechte und Statuten, zählt die 
Rektoren und Professoren auf und gibt eine Darstellung 
von ihrem Leben und Wirken. Daran schliesst sich eine 
Reihe einzelner Erlasse und Berichte, unter denen einer 
über den auch an der Frankfurter Universität herrschenden 
Pennalismus Aufschluss gibt. 

Hausen ist in mancher Beziehung inhaltreicher, aber 
die Studentenverbindungen schliesst er nach seinem Plane 
aus. Er kannte sie sehr gut. Wie wir aus den Akten 
sehen, hat er oft in Ordensangelegenheiten ein entscheidendes 
Urteil gefällt und sicher hat er sich während seiner wieder- 
holten Rektoratstätigkeit auch oft genug mit den Orden be- 
fassen müssen. 

Die sonstige Literatur über das Verbindungswesen weist 
nur sehr spärliche Notizen über Frankfurt auf. Um so not- 



— 38 — 

wendiger ist es daher, aus den teils in Breslau, teils in 
Berlin erhaltenen Akten unsere Kenntnis über das Frank- 
furter Verbindungsleben zu vermehren. Die Aktenstücke zur 
Geschichte der Franfurter Universität im Geheimen Staats- 
archiv zu Berlin enthalten kein wesentliches Material über 
die Verbindungen. Etwas mehr, allerdings erst für die zweite 
Hälfte des 18. Jahrhunderts, findet sich im „Frankfurter 
Archiv" der Breslauer Universität. 

2. Die Nationen und Landsmannschaften bis zum 
Anfang des 19. Jahrhunderts. 

Frankfurt war die letzte Universität, auf der die in 
Paris und Bologna ausgebildete Gliederung der mittel- 
alterlichen Universitäten, die Einteilung in Nationen, zur 
Grundlage der Universitätsverfassung gemacht wurde. Von 
den nach dem Pariser Vorbilde gestalteten deutschen Uni- 
versitäten, Wien, Prag, Leipzig und zuletzt Frankfurt,^erhielt 
sich die amtliche Einteilung der Studenten in vier Nationen 
— wenngleich nur formell und ohne weitere Bedeutung — 
in Leipzig merkwürdigerweise bis zum Jahre 1830^)*). Die 



1) Tholuck, S. 280. 

*) Auf den schwedischen Universitäten besteht noch bis in die 
Gegenwart der Nationalismus und zwar in Toller Lebenskraft, nicht 
als altertümliche Rarität. Je nach der Frequenz der beiden schwedi- 
schen Landesuni versi täten ist die gesamte Studentenschaft in eine 
grössere oder geringere Zahl von Nationen geteilt, zu deren jeder die 
einer oder mehreren Provinzen Angehörigen gezählt werden. Die 
Mehrzahl dieser Nationen besitzt ihr eigenes Nationalhaus, Guten, 
Bibliothek, Fiskus, Krankenfonds, Matrikel. Die Studierenden teilen 
sich in_novitii, recentiores, juniores und seniores; ein oder zwei selbst- 
gewählte Kuratoren aus ihrer Mitte leiten die Angelegenheiten und 
ein Professor, womöglich derselben Nation angehörig, bildet die selbst- 
gewählte Spitze. Tholuck, S. 280. 

Ähnlich lautet noch die Schilderung der schwedischen Ver- 
hältnisse in neuerer Zeit: die Studenten verteilen sich nach ihrer Her- 
kunft in „Nationen" (13 in üpsala, 12 in Lund), jeder Student muss 
einer Nation angehören. An der Spitze jeder Nation steht ein von 
der Nation unter den ord. Professoren gewählter Inspektor und aus 



— 39 — 

4 Nationen, in die die Universität Frankfurt bei ihrer Stiftung 
1506 eingeteilt wurde, waren: Die märkische, fränkische, 
schlesische und preussische (Marchica, Pranconica, SIesitica, 
Prutenica). Sie beruhten auf landsmannschaftlicher Basis 
und waren integrierende Bestandteile der üniversitatsorgani- 
sation. So erfolgte die Wahl des Rektors in jedem Halb- 
jahre von den Magistern, Doktoren und Professoren der 
Nationen. In der Führung des Rektorats wechselten die 
Nationen unter einander ab. Auch die 12 Stellen in dem 
grosswa Kolleg, die 20 Sitze im regierenden Rat der Artisten- 
fakultät, 80wk der 20 Konsiliarien, Assessoren und Richter, 
welche mit dem Rektor die Universität verwalteten, wurden 
nach den vier Nationen der Märker, Franken, Schlesier und 
Preussen verteilt. Die ersten 21 Jahre hindurch wurde 
femer die Immatrikulation nach Nationen vorgenommen, 
dann hörte dies auf. Der Rektor sollte noch weiter nach 
Nationen gewählt werden, aber wenn die Wahl anders fiel, 
so setzte man den Gewählten in die Nation, die an der 
Reihe war*). Die Einteilung in Nationen wurde im 17. Jahr- 
hundert aufgegeben. 1667 wurde verordnet, dass das 
Rektorat nach den 4 Fakultäten wechseln sollte*). 

Von der Deposition in Frankfurt wissen wir fast nichts. 
Es ist aber kein Zweifel, dass sie hier geübt wurde ^). Anders 

ihrer Mitte gewählte Kuratoren. Die Nationen leben nach eigenen, 
vom kleineren Konsistorium (Aufsicht über den Gang des Unterrichts 
und das Verhalten von Lehrer und Studenten übt das kleinere Kon- 
sistorium, das aus dem Rektor als Vorsitzenden und 5 ordentlichen 
Professoren besteht) bestätigten Statuten; sie üben eine gewisse dis- 
ziplinare Aufsicht über ihre Mitglieder aus, bezwecken übrigens gegen- 
seitige Unterstützung und gesellschaftliche Unterhaltung. Jede Nation 
hat eigene Kassen u. Bibliothek,' in Upsala besitzen die meisten ein 
eigenes Haus (teilweise Paläste). Gebühren pro Semester 10—20 Kronen. 
Minerva, Jahrb. d. gel. Welt, hrsg. v. Kukula und Trüb n er, 
IL Jhg. 1892—93, Strassburg 1893, S. 19 ff. 

^) G. Kaufmann, die Geschichte der^ deutschen Universitäten, 
II Bd. Stuttgart 1896, S. 65 ff. 

^ Hausen, S. 85. 

") In Frankfurt und K'inigsberg schritt die Behörde dagegen 
ein, dass die Depositioii an älteren Männern vorgenommen wurde 
Tholuck, S. 204. 



— 40 — 

steht es mit dem Pennalismns. Schon 1616 ist ein Frank- 
furter Edikt dagegen gerichtet, dem 1636 und 1638 andere 
folgten^). Wie sehr hier der Pennajlismus wlithete, das 
zeigen die Ausführungen Becmans^), deren wesentlichen 
Inhalt Hausen') mit folgenden Worten wiedergibt: „Der 
traurigen Schicksale des 30jährigen Krieges ungeachtet ent- 
stand auf hiesiger Universität, sowie vorher auf anderen 
deutschen Universitäten, jene schändliche akademische Sitte, 
welche unter dem Namen Pennalismus berüchtigt ist. Nach 
selbiger wurden die neu ankommenden Studierenden miss- 
handelt, zum Trunk verleitet, ihnen Summen Geldes ab- 
genommen, diejenigen aber, die an diesem Laster keinen 
Anteil nehmen wollten, bitter verfolgt. Im Jahre 1639 wurde 
diese Sitte auf hiesiger Universität vorzüglich herrschend. 
Es erfolgten zwischen der Akademie Wittenberg und der 
hiesigen, sowie zwischen andern deutschen Universitäten, 
über Ausrottung dieses Übels Unterhandlungen und man trat 
in eine harmonische Verbindung, diese Lasterhaften, im Fall 
sie von einer Universität vertrieben würden, zu keinen aka- 
demischen Bürgern aufzunehmen. Churfürst Georg Wilhelra 
unterstützte diese Vereinigung mit seinen Befehlen. Dennoch, 
brach unter Friedrich Wilhelm 1646 der Pennalismus heftiger 
als jemals aus. Der damalige hiesige geistliche Inspektor 
M. Heinsius betrug sich hierbei sehr unklug. Denn selbiger 
erklärte die Studierenden, welche sich bei diesen Bachanalien 
einfinden würden, gleichsam als ein evangelischer Papst, in 
den Kirchenbann und untersagte ihnen allen Gottesdienst 
und Gebrauch des Nachtmahls. Dieses unweise Benehmen, 
welches der damalige Kektor Pelargus nicht hätte zugeben 
sollen, zog traurige Unruhen nach sich. Die Studierenden 
setzten die Bachanalien, welche sie bisher geheim gehalten 
hatten, öffentlich fort, verliessen während einer von Heinsius 
gehaltenen Predigt ihre Sitze auf dem Chor der Kirche mit 



») Tholuck, S. 289 ff. 

2) Notitia ün. Francof. c. VIII S. 280. 

8) Hausen, S. 18 ff. 



— 41 — 

tobendem Geräusch. Sie vernachlässigten ferner alle Vor- 
lesungen, widersetzten sich dem Rektor und Senat und übten 
mannigfaltige grobe Ausschweifungen aus. Des Churfürsten 
Klugheit und landesväterlicher Sinn besänftigte die berauschten 
Jünglinge 1647." Durch den Beschluss der protestantischen 
Beichsstände auf dem Reichstag zu Regensburg 1654 wurden 
die schärfsten Massregeln zur Ausrottung de^ Pennalismus 
vereinbart, und so schwand diese schändliche Gewohnheit 
allmählich auch in Frankfurt, besonders nach den Ver- 
ordnungen des Regenten von 1659 und 1661. Seit 1667 
ist, wie Hausen*) sagt, die geringste Spur nicht mehr davon 
übrig geblieben. Den Universitäten Frankfurt, Wittenberg 
und Jena verdanken die übrigen die Ausrottung dieses 
Lasters*). Da der Pennalismus im Nationalismus seine 
Stütze fand, so war der Kampf gegen ihn gleichzeitig ein 
Kampf gegen die Nationen. Oben sahen wir bereits, dass 
man die Nationen in Frankfurt als üniversitätsorganisationen 
in der Praxis bald fallen Hess oder wesentlich modifizierte. 
Doch erwies sich unter den Studierenden selbst das Gefühl 
der landsmannschaftlichen Zusanamengehörigkeit stark genug, 
um die Nationen, losgelöst von der Universitätsverfassung, 
als Vereine der Studenten fortleben zu lassen. Über die 
neuen Nationen in Frankfurt sind wir schlecht berichtet. 
Weder die Akten noch auch die Protokolle^) gewähren uns 
einen Einblick in ihre Verfassung. Wir gehen aber nicht 
fehl, wenn wir für Frankfurt eine ähnliche Entwicklung an- 
nehmen, wie wir sie oben bei Rostock näher kennen gelernt 
haben. Für den grossen Zeitraum von 1661 — 1732 fehlt 
uns jegliche Nachricht über das Verbindungsleben in Frank- 
furt. Erst 1732 bietet sich wieder ein Anhalt in den 
„Leges Acaderaicae a Studiosis in Regia Francofurtana üni- 
versitate observandae, Francofurti ad Viadrum 1732". Dort 
heisst es : 



1) S. 19. 

2) Ibidem. 

*) Die Protokolle des 17. Jahrhunderts sind daraufhin durch- 



— 42 — 

§ 21. 

Nemo factiones hetairias ac sodalitia conciliato, vel foveto, 
conventicula convocato, poenam meritos defendito, iniuriam" 
sibi commilitonibusve fieri, apud vulgus iactato, sed querelas, 
si quas habere sibi videbitur, Rectori exponito, eas si probare 
non poterit, poeüam eamdem cum commilitone, quem tarn 
iniuste defendit, dato. 

Das Auge der Obrigkeit zwang die Landsmannschaften, 
falls sie sich nicht ganz, auflösen wollten, sich möglichst im 
Geheimen zu halten, und dieses Geheime drängte um die 
Mitte des 18. Jahrhunderts zu einer neuen Form von Ver- 
bindungen, die manche Einrichtung von den damals so weit 
verbreiteten geheimen Orden der Freimaurer, Bosenkreuzer 
u. a. entlehnten und darum in den Verdacht kamen, mit 
dem Freimaurerorden in engem Zusammenhange zu stehen. 
Über diese Verbindungen, die sogenannten Orden, werde ich 
weiter unten ausführlicher handeln, ebenso über die obrig- 
keitlichen Verbote, die sich ebenso gegen die Orden wie 
gegen die Landsmannschaften richteten, da eine Zersplitterung 
teilweise eine Wiederholung nötig machen würde. Hier 
kommt noch eine neue Form der Landsmannschaften in 
Betracht, die sich in den achtziger Jahren des 18. Jahr- 
hunderts bildete und eine Zeitlang den Schutz der Obrigkeit 
genoss, weil sie den Kampf gegen die verpönten Studenten- 
orden auf ihre Fahne schrieb: die Kränzchen, deren Mit- 
glieder „Kränzianer" genannt wurden. Auch in Frankfurt 
erlangten sie die Anerkennung. der Universitätsbehörde. Wir 
sehen oft Professoren für sie eintreten^). Aber schon um 
die Wende des Jahrhunderts werden sie in gleicher Weise 
wie Orden und Landsmannschaften durch königliche Erlasse 
verboten. Für die Entstehung der Landsmannschaften und 
ihre Fortbildung in den Kränzchen teilt Fabricius^) eine 
wertvolle Quelle mit. Es ist das „Stammbuch für die märkische 



*) So z. Bsp. Konsistorialrat Prof. Steinbart. Geh. Staats- 
archiv, Reposit. 76, II 190. 

2) Die Deutschen Korps, S. 260 ff. 



— 43 — ^^ \ 

Yerbindimg seit dem 17. November 1807«, handschriftlich 
im Besitz der Marchia zu Berlin. Über Frankfurt berichtet 
dieses Stammbuch: „Nachdem auf der Universität lange Zeit 
mancherlei Orden ihr Unwesen getrieben und einen schlechten 
Komment durch ehrlose Gesetze und Einrichtungen eingeführt 
hatten: so fassten mehrere vernünftige Mitglieder, welche 
die üble Verfassung der Orden einsahen, den Entschluss die 
Orden zu verlassen, eine neue Gesellschaft zu errichten, darin 
bessere Gesetze einzuführen und so den ganzen Komment 
auf der Universität zu verbessern. Der jetzige Kriegsrat 
Grothe in Berlin, ein (geborener) Märker, war der erste, 
der als ein solcher Verbesserer auftrat, eine neue Ge- 
sellschaft errichtete und als Senior 1786, am 3. Juli, an ihre 
Spitze trat. Sie suchten aus allen Orden die besten Mit- 
glieder aus, nahmen sie sowohl als andere brave Männer 
in ihre Mitte auf, in der Absicht, vereint die Orden zu 
stürzen, ein freundschaftliches Verhältnis unter sich einzu- 
führen, den Stock, der damals Mode war, abzuschaffen und 
so den Ion auf der Universität zu verbessern. Da diese 
Gesellschaft aber bald zu stark wurde, sahen sie wohl ein, dasses 
besser wäre, sich zu trennen und besondere Gesellschaften unter 
demNamen der Kränzchen zu errichten. So entstanden nach und 
nach das preussische, schlesische, pommersche und märkische 
Kränzchen. Bald wurde nun aber das pommersche Kränzchen 
zu schwach und die Mitglieder desselben traten in das 
märkische Kränzchen im Jahre 1800 über und errichteten 
das märkisch- pommersche Kränzchen oder die märkisch- 
pommersche Verbindung. Diese Verbindung bestand nun 
lange Zeit auf der Universität, bis endlich im Jahre 1806 
durch den unglücklichen Krieg die Universität Halle gänzlich 
aufgehoben wurde und die meisten Mitglieder des dortigen 
märkischen und pommerschen Kränzchens hierher nach 
Frankfurt kamen. Nun ward die vereinte Verbindung zu 
stark, um fernerhin zusammen bestehen zu können. Dies 
sah der vormalige brave Senior der märkisch-pommerschen 
Verbindung, Hille, von Geburt ein Märker, der um diese 
Zeit zum Besuch nach Frankfurt kam, sehr gut ein und 



— 44 — 

hielt es, da er noch immer sehr viel Anteil an allem nahm, 
was das märkische Vaterland^) betraf, für das beste, dass 
sich Märker und Pommeraner trennen möchten , welche 
Trennung auch noch während seines Hierseins am 16. Nov. 
1807 erfolgte. Am folgenden Tage, den 17. November 1807 
wurde die märkische Verbindung gestiftet, deren Mitglieder 
seit dieser Zeit folgende gewesen sind." 119 Namen werden 
nun aufgezählt, die sich auf vier Jahre verteilen, sodass wir 
uns von der beträchtlichen Stärke der Verbindung einen 
Begriff machen können. Nach obigem Bericht — eine andere 
Notiz ist darüber leider nicht erhalten — war der Übergang 
von den Landsmannschaften zu den Kränzchen nicht unver- 
mittelt erfolgt. Die Kränzchen bildeten hier die Fortsetzung 
nicht bloss der Landsmannschaften, sondern auch der Orden ; 
denn Ordensbrüder selbst gaben die Initiative zur Gründung 
eines Vereines, der sich in Kränzchen auflöste, weil er zu 
stark geworden^). Es darf uns nicht wunder nehmen, dass 
die Kränzchen hier von den Behörden anerkannt und be- 
schützt wurden. Wäre zur damaligen Zeit eine andere 
Verbindung aufgetreten, die unter ihren Tendenzen auch 
die der Bekämpfung der Orden gehabt hätte, so wäre sie 
der Behörde, die in den Orden eine grosse Gefahr erblickte, 
willkommen gewesen. Die Anerkennung der Behörden ging 
so weit, dass sie beispielsweise in Halle mit den Kränzchen 
über üniversitätsfestlichkeiten verhandelten. Den Hallenser 
Kränzchen schien die Gnadensonne allerdings nicht lange. 
Die alte Abneigung der Behörden gegen die studentischen 



*) Schon Fabricius macht darauf aufmerksam, es wäre wohl 
zu beachten, dass hier „Vaterland" gleichbedeutend mit „Lands- 
mannschaft*' gebraucht sei. Die Deutschen Korps, S. 262. 

2) So viel ich sehe, vertreten Fabricius und Bärnstein die 
Ansicht, es hätten die Landsmannschaften nur, um die Gesetze zu 
umgehen, zeitweise die Form von Kränzchen angenommen, während 
doch aus obiger Darstellung klar hervorgeht, dass die Landsmann- 
schaften nicht aus diesem Grunde und auch nicht unmittelbar in 
Kränzchen einmündeten. Der Kampf gegen die Orden und die 
Besserung der Sitten an der Universität waren vielmehr die Motive dazu. 



— 45 — 

Yereinigtingen erwachte wieder, und durch Hofreskript wurden 
sie 1796 aufgelöst. Freilich ohne viel Erfolg. Schon im 
Jahre 1801 erregten sie wieder den Unwillen der hohen 
Obrigkeit^). Ähnlich war es in Frankfurt. Die Abneigung, 
die sich gegen 4ie Orden gezeigt hatte, traf auch die 
Eranzchen und sie würden durch Denunziationen mancherlei 
Art, wenn sich diese auch oft als unbegründet erwiesen, 
den Behörden immer verdächtiger. So zeigen die ünter- 
suchungsakten vom März 1806*), wie haltlos oft die Be- 
schuldigungen waren, die man gegen die Kränzchen aus- 
streute. Trotz wiederholter Untersuchungen und zahlreicher 
Verfolgungen bestanden die Kränzchen weiter. Vom 16. Nov. 
1808*) haben wir die Beschwerden einiger Studenten gegen 
die Kränzchen und Landsmaimschaften. Sie bestanden bis 
zur Aufhebung der Universität und gingen mit den Studenten 
auf die Universitäten Breslau und Berlin über, wo sie, dem 
Geiste der Zeit entsprechend, ihre Metamorphose durch- 
machten; denn wie Schrader*) richtig bemerkt, der im 
Grunde ideale Drang, sich mit Gleichgesinnten oder mit 
den näheren Landsleuten enger zusammenzuschliessen, liess 
sich weder damals noch später schlechthin ersticken. Über 
Zweck und Wesen der Kränzchen geben uns Untersuchungs- 
akten aus dem Jahre 1802^) Aufschluss, denen „Allgemeine 
Cartell-Gesetze der vier respectiven Kränzchen auf der Uni- 



*) Fick, S. 389. 

*) Fr. Arch. F. 32 No. 46. Eine Untersuchung der Kränzchen 
auf Grund der Denunziation eines Studenten bildet den Inhalt des 
Aktenstückes. Die Untersuchung zieht sich von März bis Mai 1806 
hin und verläuft ergebnislos. 

«) Geh. Staatsarch. Reposit. 76, 11 192. 

*) Geschichte der Universität Halle, I S. 599. 

^) Fr. A. F. 32 No. 41. Das Aktenbtindel, etwa 21 Blatt stark, 
enthält das Konzilsprotokoll vom 12. März 1802 über die in Ver- 
bindungsachen anzustellenden Untersuchungen, den Bericht der 
Untersuchungskomniission vom 13. März 1902 und die Kartellgesetze 
von 1798; ausserdem Konventsprotokolle der märkisch-pommerschen 
Verbindung vom 27. Februar 1802 an und das Protokoll des Senioren- 
konvents vom 3. März 1802. 



— 46 — 

versität zu Prankfort a. 0." aus dem Jahre 1798 beigegeben 
sind. Sie lauten: 

1.4 

Der Zweck dieser vier durch Freundschaft fest ver- 
bundenen, als des Schlesischen, Preussisohen, Pommerschen 
und Märkischen Kränzchens, ist Ausrottung schädlicher Ordens- 
verbindungen, und die Aufrechthaltung eines vernünftigen 
Studenten-Comments. Um diesen gemeinsamen edlen Zweck 
zu erreichen, ist ein freundschaftliches Vernehmen sowohl 
zwischen den Verbindungen selbst als auch besonders der 
einzelnen Mitglieder, durchaus nöthig, unJ es haben sich 
daher um dieses zu bewirken diese vier respectiven Ver- 
bindungen vereinigt auf folgende Vorschriften zu achten, 
um den möglichen Fällen vorzubeugen, wobei Missverhält- 
nisse entstehen könnten. 

n. 

So wird also, um Streitigkeiten zu vermeiden, die 
bei Aufnahme neuer Mitglieder stattfinden könnten, fest- 
gesetzt, dass 

1. das Märkische Kränzchen berechtigt ist, alle Landsleute 
mit Ausschliessung aller gebohrnen Schlesier, Preussen und 
Pommern unter sich aufzunehmen, 

2. dass eben so das Schlesische Kränzchen einen jeden 
ausser aller gebohrnen Märker, Preussen und Pommern 
aufzunehmen befugt ist, 

3. dass ferner das Preussische Kränzehen alle Landsleute 
mit Ausschluss aller gebohrnen Märker, Schlesier und 
Pommern zu Mitgliedern ihrer Verbindung aufnehmen 
darf, und dass 

4. das Pommersche Kränzchen einen jeden, der nicht ge- 
bohrner Märker, Schlesier oder Preusse ist, aufzunehmen 
befugt ist^). 



*) No. 4 ist durchgestrichen, wahrscheinlich deshalb, weil zur 
Zeit der Untersuchung, im Jahre 1802, das Pommersche Kränzchen 
nicht mehr in Betracht kam, da es bereits 1800 mit dem Märkischen 
zu dem Märkisch-Pommerschen vereinigt war. 



m 



A 



— 47 — 



m. 



Diese vier edlen Verbindungen betrachten sich, sofern 
sie den allgemeinen Zweck haben, den Orden entgegen zu 
arbeiten, als eine Korporation. Falls dennoch zwischen 
einem Orden und einer Landsmannschaft Scandal vorkonmit, 
so ^ird das die Sache aller vier Verbindungen und sind die 
übrigen verpflichtet, gegen diese Feinde Beistand zu leisten. 
Scandal zwischen* Individuen bleibt immer nur die Sache 
des Kränzchens, dessen Mitglied dabei intressiert ist. 

IV. 

Im Fall, dass Mitglieder der einen oder der andern 
Verbindung an einem öffentlicheu Orte Streit erhalten sollten 
und Ordensbrüder sich selbst thätlich vergingen, so ist ein 
jeder, wenn auch^seineJEhre nicht gekränkt wäre, aus ob-- 
gedachtem Grunde zum Beistand verpflichtet. Der Scandal 
sollte übrigens nicht gesucht werden. 



Es soll so lange unter diesen Verbindungen eine freund- 
schaftliche Eintracht herrschen, als eine oder die andere 
nicht in einen Orden ausartet, oder zu einem Orden über- 
tritt, denn in diesem Falle hat sie die Bache der übrigen 
zu erwarten. 

VI. 

Es darf keine der vier Verbindungen mit einer andern 
allein sich näher vereinigen, als sie mit den übrigen ver- 
einigt ist, und noch weniger Ein Ganzes mit ihr unter 
einem Namen ausmachen. 

VII. 

Es darf keine dieser vier edlen Verbindungen aus diesem 
durch's Ehrenwort beschwornen Cartell heraustreten oder 
geflissentlich die Gesetze7^desselben übertreten, ohne den 
anderen Verbindungen dafür Verantwortung und im nöthigen 
Fall Genugthuung schuldig zu sein. 



— 48 — 

vm. 

Sollten demohngeachtet Beleidigungen zwischen zwei 
ganzen Landsmannschaften vorfallen, so sind die übrigen 
beide verbunden, wenn die Sache sich zum Beilegen noch 
qualiflcirt, die Vermittler zu machen. Im Fall aber die 
Ehre der einen oder andern Verbindung durch die Klinge 
gerettet werden muss,* neutral zu bleiben. 

IX. 

Um aber alle unnölhigen Duelle zu verhindern, so wird 
festgesetzt, dass jede verbal beleidigung, die unter dem 
dummen Jungen ist, zurückgenommen werden kann, wenn 
sie der beleidigte zurückgenommen wissen will; der Be- 
leidiger ist auch besonders noch verpflichtet, zuerst die 
Hand zum Frieden zu biethen. 

Können sich die streitenden Partheien nicht vereinigen, 
und muss es auf dem Kampfplatz der Ehre entschieden 
werden, so müssen folgende Gesetze des Studenten Gomments 
beobachtet werden. 

1 . Hierher gehören, dass die Coramation innerhalb drei 
Tagen geschehe, die Tage der Beleidigung und der Cora- 
mation mit inbegriffen, dass ferner alsdann die Forderung 
innerhalb drei Tagen geschehen sei, die Tage der Coramation 
und der Forderung mitgerechnet, dass endlich das Duell in drei 
Tagen geendigt sei, inclusive des Tags der Forderung und 
Duells; so das^ die ganze Schlägerei innerhalb sieben Tagen 
inclusive des Tags der Beleidigung und der Schlägerei 
beendigt ist. 

2. Coramation geschieht durch zwei Mitglieder des 
Kränzchens, zu welchem der Beleidigte gehört, und es ist nicht 
erlaubt, um noch grössere Händel zu verhindern, selbst zu 
coramiren. Eben so müssen auch zwei Kränzianer fordern 
Jedoch kann auch gefordert werden, ohne vorhergegangene 
Coramation, wenn die Beleidigung von der Art ist, dass 
jede weitere Erklärung darüber überflüssig wird, wenn sie 
sich also durchaus zum Duell qualificirt. 



— 49 — 

3. Der Geforderte bestimmt die Zeit und den Ort, wo 
und "wann sie sich schlagen wollen. 

4. Der, welcher in desavantage ist, hat den Aushieb, 
und es mnss von dem Secundanten dahin gesehen werden, 
dass damit nicht gezögert, sondern bald ausgehauen wird. 

5. Unter Kränzianern gilt es ferner nicht mehr, sich 
in avantage zu setzen weder durch Ohrfeigen noch Stock- 
prügel, noch Hetzpeitsche, zu welchem Ende es nothwendig 
wird, dass man sämtliche Mitglieder der vier Verbindungen 
kenne. 

6. Sollte sich einer vergessen, und demohngeachtet, sich 
durch eins obgedachter Mittel in avantage setzen wollen, 
so bleibt er dennoch verbunden, Satisfaction zu fordern, und 
es hilft ihm diese avantage gar nichts. 

7. Die schlagenden Partheien, sowie auch die Secundanten, 
müssen in steifen Stiefeln und Burschenhütchen erscheinen. 
Letzterer Pflicht ist es, so gleich halt zu rufen, wenn ein 
Hieb gefallen oder wenn ihr Duellant bis an die Wand im 
Kampfe zurückgedrängt ist. 

8. Jede der schlagenden Partheien müssen zwei scharfe 
Hieber zum Schlagen mitbringen, im Fall einer vor Ent- 
scheidung des Duells spränge. Auch darf nur mit Kücken- 
klingen geschlagen werden. 

9. Die beiden schlagenden Partheien sind wärend des 
Duell inviolabel, und es fällt daher jede neue Beleidigung, 
die wärend desselben geschehen sollte, auf den Secundant 
des Beleidigten, der alsdann dafür Genugthuung nimmt. 

10. Es dürfen nicht unter sieben Gängen gemacht 
werden, bevor kein Blut geflossen ist, alsdann beruht es auf 
dem, welcher in desavantage ist; hat dieser noch nicht 
Satisfaction, so muss sich sein Gegner weiter schlagen. 

11. Die Senioren der vier Landsmannschaften sind 
immer verbunden dabei gegenwärtig zu sein, um auf die 
Haltung dieser Gesetze zu merken. Im Fall einer nicht 
gegenwärtig sein kann, muss wenigsten ein Alter seine Stelle 
vertreten 

4 



— 50 — 

12. Um allen grossen Zusamniaift»ss zu vermeiden, so 
soll von jeder der schlagenden Parteien hbt ftnf inclusive 
des Schlagenden selbst, des Secundanten und dt&.ßeniors 
gegenwärtig sein dürfen. Von den beiden übrigen LaiMte- 
raannschaften ist einer jeden vergönnt zwei Mitglieder aus 
ihrer Verbindung inclusive des Seniors mitzubringen. 

13. Alles dieses müssen Kränzianer sein, den schlagenden 
Studenten allein nur ist es erlaubt, einen Freund, wenn er 
auch nicht im Kränzchen ist, mitzubringen, und muss es 
erst den Senioren angezeigt werden, von denen es noch 
immer abhängt, ob er gegenwärtig sein darf. Ein Ordens- 
bruder darf in keinem Falle dabei sein. 

14. Jede Schlägerei muss wenigstens 2 Stunden vorher 
den andern beiden Landsmannschaften von derjenigen 
Landsmannschaft -angezeigl werden, dessen Mitglied in des- 
avantage ist. 

XI. 
Bekommt ein Kränzianer mit einem ex Kränzianer 
Scandal, so muss es dem Kränzianer erlaubt bleiben, sich 
in avantage zu setzen, und kann alsdann, wenn der Ex- 
kränzianer Satisfaction verlangt, ihm dieselbe nicht ver- 
weigert werden. 

xn. 

Der Exkränzianer muss sich alsdann an eine Lands- 
mannschaft*) wenden, deren Pflicht es ist, ihn zu unter- 
stützen und die Scandalgeschäfte zu übernehmen. Das gilt 
auch, wenn beide Schlagenden Exkränzianer wären, es darf 
aber dabei dennoch die oben bestimmte Zahl der Anwesenden 
nicht überschritten werden.. 

XHL 

Füchsen, wenn sie sich schlagen müssen, können au 
ihr Verlangen vier Wochen Übungszeit erlassen werden, vom 
Tage der Forderung an. Jedoch fällt diese Zeit von dem 
Augenblick an weg, als sie Brenner werden. 



*) Landsinannscliaft hier = Kränzchen. 



— 51 — 

XfV. 

Jeder Student, er sei Kränzianer oder Exkränzianer, wird 
des Verschisses fähig, wenn er für wahre Beleidigungen 
Dicht Satisfaction nimmt oder giebt, oder durch entehrende 
Handlungen sich der Verachtung der übrigen würdig macht. 

XV. 

Wird einer aus einer Verbindung exludirt oder in Ver- 
schiss getiian, so soll dies den übrigen Verbindungen an- 
gezeigt werden, und es darf alsdann keine denselben unter 
sich aufnehmen. Dies gilt auch von einem freiwillig Aus- 
getreteuen. 

XVI. 

Eis ist keine Landsmannschaft verbunden die Ursachen, 
warum ein Mitglied exludirt worden, anzuzeigen, wohl aber 
wenn ein Mitglied in Verschiss gethan wird. 

xvn. 

Da dies Strafe sein soll, so muss sie fühlbar gemacht 
werden dadurch, dass er völlig Satisfactions unfähig wird, 
dass man sich seines Umgangs und seiner Gesellschaft ent- 
zieht und, zum Beispiel, nie mit ihm spielt. 

xvm. 

Jeder Philister wird des Verschisses fähig, wenn er 
sich auf eine grobe oder wohl gar thätliche Weise an einem 
Studenten vergeht oder es auch durch grosse Prellereien 
verdient. Jedoch soll das Factum erst dem Senioren- Convent 
angezeigt werden, von denen es nach genauer Untersuchung 
bestimmt wird. 

XIX. 

Der Verschiss besteht alsdann darinnen, dass kein 
Stadent in des Philisters Haus wohne, keiner Arbeit bei 
ihm machen lasse, und wenn es ein Pferdephilister ist, so 
lange keine Pferd von ihm genommen werde, als die Zeit 
seines Verschisses bestimmt worden ist. 

XX. 

Handelt einer wissentlich dawieder, so wird das für 
Beleidigung der vier Kränzchen angesehen und muss der 
sich mit den vier Senioren und Consenioren schlagen. 



— 52 — 



1 



XXI. 

Es ist endlich nothwendig, dass sich die Senioren über 
Sachen, welche das Ganze oder die Ordensbrüder betreflFen, 
besprechen, und ein Haupt Conclusum abfassen, damit sich 
die vier Verbindungen nicht auf verschiedenen Wegen ent- 
gegenarbeiten. Es müssen also die Senioren zuweilen 
Senioren Convent, wenigstens alle vier Wochen einmal halten 
und es in strWtigen Fällen durch die Mehrheit der Stimmen 
4er Landsmannschaften entschieden werden lassen. 

xxn. 

Es ist jeder Senior verpflichtet die Neuaufgenommenen 
den andern Senioren anzuzeigen, damit man sich näher 
kennen lerne und so die Freundschaft fester werde. 

In dieser Form bestand das Kartell zwischen den vier 
Kränzchen bis zum Jahre 1800. In diesem Jahre vereinigte 
sich das pommersche Kränzchen, das sich aus Mangel an 
Mitgliedern nicht halten konnte, nait dem märkischen zu 
dem märkisch - pommerschen Kränzchen oder der märkisch- 
pommerschen Verbindung. Dadurch wurde eine Änderung 
der Kartellgesetze notwendig, da beispielsweise No. VI der 
früheren Kartellgesetze durch die Vereinigung der beiden 
Kränzchen aufgehoben war. Es bildete sich ein neues Kartell 
zwischen den drei Kränzchen, dessen Gesetze ebenfalls er- 
halten sind. 

„Skizze des Kartells zwischen den drei Kränzchen^)." 

I. Der Zweck der Landsmannschaften ist 
1. Orden zu vertilgen und ihrer Entstehung vor- 
zubeugen. 



*) Fr. A. F. 32 No. 87. Mit anderen Gesetzen eingereicht am 
16. März 1802. Ausser obiger Skizze finden sich darin „Supplemente 
und nähere Bestimmungen zu dem Gesetzbuch des Märkisch-Pommerschen 
Kränzchens", eine Skizze der Gesetze desselben Kränzchens, die Rede 
des Seniors bei der Aufnahme von neuen Mitgliedern am 29. Januar 
1802, die Abschiedsrede eines Mitgliedes und die Antrittsrede des neuen 
Seniors, gehalten im März 1802. Alle drei Reden beziehen sich auf 
die Märkisch-Pommersche Verbindung. 



— 53 — 

2. Streitigkeiten unter den Studierenden vorzubeugen^ 
die entstandenen Streitigkeiten womöglich zu schlichten, und 
wo dies nicht möglich ist, und die Streitenden auf das 
Duell bestehen, solche Vorkehrungen und Maasregeln zu 
treffen, dass dasselbe so wenig gefährlich als möglich werde. 

3. Ordnung in den Angelegenheiten der ganzen Burschen- 
schaft zu befördern. 

4. Das Ansehen und das äussere Glück der Mitglieder 
während ihres akademischen Lebens zu erhalten und befördern. 

IL Diese Zwecke zu erreichen, setzen die Landsmann- 
schaften durch ihre Repräsentanten folgendes fest: 

1. Das Ehren- Wort mit freiem und festem Willen ge- 
geben, bindet den Geber dergestalt, dass er es wider Willen 
dessen, dem er es giebt, nicht zurücknehmen, und nicht da- 
wider handeln darf, wenn er sich nicht als einen Menschen 
ohne Gefühl für Ehre und Recht darstellen und der Achtung 
sämtlicher Studierender verlustig gehen will. 

2. Die Landsmannschaften geben sich gegenseitig durch 
ihre Repräsentanten das Ehrenwort, auf die Befolgung dessen, 
was in diesem Cartelle ausgemacht und bestimmt wird, zu 
halten; und dies soll von Zeit zu Zeit wiederholt werden. 

3. Jedes Mitglied der drei Landsmannschaften ist ver- 
bunden, sobald es von der Existenz eines Ordens Verdacht 
schöpft, es anzuzeigen. 

4. In Rücksicht der Ordensverbindungen machen sämt- 
liche 3 Landsmannschaften einen Corpus aus und arbeiten 
jpait vereinten Kräften auf die Tilgung derselben. 

5. Jedes Mitglied eines Ordens ist im sogenannten 
Verschiss; und dieser besteht darin, dass Niemand von den 
Landsmannschaften mit den Ordensbrüdern Umgang haben, 
nicht mit ihm zusammen wohnen, nicht mit ihm spielen 
darf und so wenig wie möglich an öffentlichen Orten ge- 
duldet werden soll. 

6. Die näheren Maasregeln bleiben den Beschlüssen der 
Landsmannschaften und ihrer Repräsentanten in jedem ein- 
zelnen Falle überlassen. 






— 54 — 

7. Satisfaktion auf die Klinge sollen Ordensbrüder nie 
erhalten. 

8. Keine der drei Landsmannschaften darf ohne Vor- 
wissen und Genehmigung der übrigen wesentliche Ver- 
änderungen ihrer inneren Einrichtungen vornehmen. Es 
sollen nicht mehr als diese drei Kränzchen errichtet, aber 
auch nicht die Zahl der jetzt bestehenden verringert werden. 

9. Das Märkisch-Pommersche Kränzchen besteht aus 
gebornen Märkem und Pommeranern, das Schlesische aus ge- 
bornen Sehlesiern, das Preussische aus allen übrigen Lands- 
leuten. 

10. Keine Landsmannschaft darf die ihr nicht bei- 
gelegten Landsleute an sich ziehen oder gar dergleichen in 
ihre Verbindung aufnehmen. 

11. Es sollen von Zeit zu Zeit von den Älteren jeder 
Verbindung Zusammenkünfte gehalten und in diesen über 
die Angelegenheiten der Verbindungen beratschlagt werden. 
Was die Stimmenmehrheit in diesen beschliesst, gilt als 
Gesetz für alle Mitglieder. 

12. Vorzüglich sollen sich diese Senioren Convente mit 
Schlichtung der Streitigkeiten und Händel der verschiedenen 
Landsleute beschäftigen, und wo diöse nicht beigelegt werden 
können, soll den Streitenden das Duell freistehen. 

13. Wenn zwei Landsmannschaften gegen -einander er- 
bittert sind, so ist die dritte Schiedsrichterin; ipmmt es 
in solchen Fällen zum Duell, so schlagen sich im i^amen 
der Verbindung Einer oder ein Paar der Älteren. y 

14. Jede Landsmannschaft giebt ihrem Mitgliede einRP 
Sekundanten, welcher nun gefährlich scheinende Hiebe weg- 
zunehmen verpflichtet ist. 

15. Alle bei einem Duelle vorfallenden neuen Be- 
leidigungen sollen nicht Veranlassung eines neuen Duelles 
werden. 

16. Der dumme Junge ist die höchste Verbalbeleidigung 
und der Beleidigende ist zur feierlichen Zurücknahme des- 
selben verpflichtet. 



— 55 — 

17. Kein Kränzianer darf sich gegen die Anderen in 
Avantage setzen durch Thätlichkeiten oder Schimpfreden; 
widrigenfaUs wird er exludiert; doch soll auf die Hitze des 
Streites und gerechte ürsach billige Rücksicht genommen 
irerden. 

18. Keine Landsmannschaft darf sich weigern ein Mit- 
glied zu excludiren, welches eins von den in diesem Cartell 
gegebenen Gesetzen übertreten hat, welches mit Exclusion 
verpönt ist; oder wenn sonst ein Mitglied unmoralische 
Handlungen begeht, deren Folge allgemeine Verachtung ist. 

19. Auch in den sogenannten Verschiss sollen nach Be- 
fund der Umstände unwürdige Studierende gethan werden, 
selbst wenn sie vorher Mitglieder der Landsmannschaften 
waren. 

20. Auch Philister (.-Leute, die nicht Student sind und 
nicht studiert haben:) können durch den Schluss des Senioren 
Convents in den Verschiss gethan werden, wenn sie sich 
durch Thätlichkeiten ungerechter Weise gegen Studenten 
vergangen haben, Betrügereien sich zu Schulden kommen 
lassen u. s. w. Doch soll jedesmal genaue Untersuchung der 
Sache vorangehen. Dieser Verschiss besteht darum, dass 
während der bestimmten Zeit Niemand von ihnen etwas 
kauft, miethet, borgt, nicht bei ihnen wohnt u. s. w. 

Die Kartellgesetze zeigen, wie diese Verbindungen ein- 
ander verwandt sind. Gemeinsames Interesse führt sie be- 
sonders da zusammen, wo es gilt, den Kampf gegen die 
Orden aufzunehmen; denn ein Streit zwischen einem Orden 
und einer Landsmannschaft ist immer Sache aller 4 Kränzchen. 
Die Kränzchen bilden nur unter anderem Namen die Fort- 
setzung der Landsmannschaften. Es sind landsmannschaft- 
liche Verbindungen, die sich von gewissen Unsitten frei zu 
machen suchten. Wie wir oben sahen, wird Landsmann- 
schaft in der Bedeutung von Kränzchen gebraucht. Die 
Gesetze der Kränzchen zeigen nichts von den Wohltätigkeits- 
tendenzen, die wir bei den Landsmannschaften des 17. Jahr- 
hunderts bis zur Mitte des 18. kennen gelernt haben. Es 
ist daraus aber noch nicht mit Sicherheit zu schliessen, dass 



— 56 — 

die Tendenz gegenseitiger Unterstützung in „Not und 
Tod" ganz fortgefallen wäre. Es hat den Anschein, als ob 
diese Verbindungen mehr geselliger Natur gewesen wären. 
Die Ämter der Senioren und Konsenioreh, auch Senioren- 
konvente finden wir bei ihnen wieder. Seniorenkonvente 
wurden wenigstens alle vier Wochen einmal abgehalten. 
Die Bestimmungen über Duelle nehmen einen breiten Raum 
in den Gesetzen ein. Es schien auch die Möglichkeit nicht 
ausgeschlossen, dass ein Kränzchen in einen Orden ausartete 
oder Kränzianer zu einem Orden übertraten. Letzteres ist 
in Frankfurt in der Tat oft genug vorgekommen^). In 
diesem Falle war der Bruch des freundschaftlichen Verhält- 
nisses mit den andern Kränzchen oder den Kränzianem ge- 
gegeben und die Abtrünnigen, hatten die Rache der Zurück- 
bleibenden zu fürchten. 

Was aus den einzelnen Kränzchen bei Auflösung der 
Universität Frankfurt wurde, will ich bei der Beschreibung 
der einzelnen Kränzchen ausfahren. Ich komme nunmehr 
zu den Orden; es wird sich nicht vermeiden lassen, auch 
^ dabei noch hin und wieder der Landsmannschaften und 
Kränzchen Erwähnung zu tun. 

3. Die Orden. 

Was den Namen „Orden" betrifft, so finden wir ihn 
ganz allgemein für studentische Verbindungen, bevor noch 
von eigentlichen Studentenorden, wie sie erst die zweite 



1) Fr. Arch. F. 32 No. 40. Das Aktenstück enthält eine Ein- 
gabe der Schlesier um Erlaubnis zur Fortsetzung ihres Kränzchens 
vom 16. März 1802. Beigegeben ist das Gesetzbuch des Kränzchens, 
das die Namen der Mitglieder von 1795 bis 1802 anführt. Darunter 
finden sich namentlich aus dem Jahre 1796 einige, die excludiert 
wurden, weil sie sich mit den Konstantisten in Verbindung gesetzt 
hatten und in den Orden übergetreten waren. Zugleich zeigt die 
Liste der Mitglieder, dass man sich nicht streng an das landsmannschaft- 
liche Prinzip hielt; denn nicht bloss Schlesien, sondern auch Pommern, 
Südpreussen, Magdeburg, Anhalt sind vertreten, allerdings sehr ver- 
einzelt. 



— 57 — 

Hälfte des 18. Jahrhunderts zeitigte, die Rede war. Schon 
Tholuck*) spricht von gedruckten Statuten des 1622 ge- 
stifteten Constantinerordens." 1683 wird dem Heidelberger 
Senat angezeigt, dass einige Studenten unter sich einen 
neuen „Orden" errichtet hätten*). 

Auch Goethe spricht in seinen amtlichen Gutachten 
ganz allgemein von Landsman?ischaft;en und andern Ver- 
bindungen der Studenten, ohne die Orden besonders zu er- 
wähnen. In dem Votum vom 7. April 1786 schreibt er: 
„Landsmannschafl;en und andere Verbindungen der Studierenden 
können vielleicht nie ganz ausgerottet, sie können aber ge- 
schwächt werden. Anhaltende Aufinerksamkeit ^und fort- 
dauernde Wirkung auf denselben Zweck können das Übel 
mindern, ihm Einhalt thun, dessen Ausbrüchen zuvorkommen. 
Wie sollten Männer, die ihre Lebenszeit an einem Ort zu- 
bringen, Erfahrung und Gewalt haben, nicht mit jungen 
Leuten, die längstens alle 3 Jahre wechseln, fertig werden 
können? Aber Lässigkeit und Uneinigkeit dieser Häupter 

lässt das Übel einschleichen und einwurzeln " 

Am I.Juni desselben Jahres spricht er sich folgendermassen 
darüber aus: „Bei meinem Aufenthalt in Jena habe ich die 
wiederholten Klagen über das einreissende landsmannschaftliche 
Wesen vernehmen müssen uid ich bin auf das Dringendste 
veranlasst worden, höchsten Orts deshalb Vorstellung zu 
thun. Obgleich nur eine geringe Zahl der Studierenden als 
Urheber und eigentliche Triebfedern dieses Unwesens angesehen 
werden können, so ist doch bereits der grösste Theil der 
Studierenden theils verführt, theils gezwungen worden, sich 
in solche Verbindungen zu begeben und die gegenwärtig 
noch freien und wohlgesinnten gehen täglich gutdenkende 



') S. 281. Über diesen Orden wissen wir sonst nichts Näheres. 

2) Winkelmann, Urkundenbuch Il,S.218,No. 1771. Damit lässt 
sich die Behauptung von Fabricius (die Studentenorden, S. 30), 
dass die Studentenorden ihren Namen zweifeUos vom Freimaurerorden 
entlehnt haben, schwer in Einklang bringen. Wir sehen vielmehr, 
dass der Name vorhanden war, bevor noch an den Frein^aurerorden 
XU denken war. 



- 58 — 

Professoren an mit der Bitte, dass Anstalten getroffen werden 
möchten, sie für der Zudringlichkeit der übrigen zu schützen. 
Man hält für nöthig, alle diejenigen, welche der lands- 
mannschaftlichen Verbindungen verdächtig sind und welche 
von den Pedellen gar sicher angegeben werden können, vor- 
kommen zu lassen und solche ohne Untersuchung und ohne 
weiteres abzulegendes Bekenntniss dahin zu bedeuten, dass 
sie eidlich anzugeloben hätten, wenn sie sich in einer solchen 
Verbindung befänden, dass sie selbige sogleich verlassen 

und niemals wieder darein sich begeben wollten 

Man würde sich freilich sehr betrügen, wenn man glauben 
wollte, d^ii^s eine solche Operation nachhaltig sein könnte; 
allein für den Augenblick hält man sie höchst nöthig, um 

Luft zu gewinnen ^)"' Wenn Goethe der Orden 

nicht besonders Erwähnung tat, so hielt er den Unterschied 
zwischen Orden und Landsmannschaften offenbar nicht für 
wesentlich. Zahlreich treten die Orden in der zweiten Hälfte 
des 18. Jahrhunderts auf^). Die bekanntesten waren der 
Amicisten-, der ünitisten-, der Konstantistenorden und 
hauptsächlich der Orden der schwarzen Brüder oder Harmo- 
nisten. Ausserdem treffen wir noch an den Kreuz-, Fass- 
binder-, Lilien-, Inviolabilisten-, Defensions-, Confldentisten-, 
Concordisten-, Indissociabilisten-, Desperatistenorden und den 
Orden der Independenten u. a. m. Die Formen dieser Orden 
waren in manchen Stücken von dem Freimaurertum entlehnt, 
aber damit ist nicht erwiesen, dass alle Orden, oder dass 
ein Orden mit dem Freimaurertum zusammenhing. 

Die Konstitutionen der einzelnen Orden ruhten auf der 
Idee der Freundschaft und der sittlichen Vervollkommnung. 



^) Nach Fabricius, Die Studentenorden, S. 15 ff F. sagt 
nicht, woher er diese Vota Goethes hat, ob aus den Akten oder aus 
einer anderen Quelle. 

") Es ist mir fraglich, ob sich die Unterscheidung zwischen 
akademischen Orden und Studentenorden, die wir bei Fabricius 
(Die Studentenorden, S. 33) finden, sicher durchführen lässt. Auch 
die Behauptung, dass die Orden sich als reine studentische Verbindungen 
erst von 1771 an finden, ist nicht genügend begründet.^ 



— 59 — 

Der OMenseid verlangt von den Brüdern: Unzertrennliche 
Freundschaft und gegenseitige Beförderung auch über das 
Studentenleben hinaus. Die Aufnahme erfolgte lediglich 
nach deni Gesichtspunkte persönlicher Zuneigung. Dieser 
Grundsatz der Orden hinsichtlich der Aufnahme ist fortan 
für alle studentische Verbindungen unbestrittene Begel 
geworden ^). 

Wann tauchen die Orden in Frankfurt a. 0. auf? Schon 
1755 begegnet uns daselbst der Orden der irrenden Bitter. 
Die Nachrichten über ihn sind zu unsicher, als dass sich 
etwas Bestimmtes sagen Hesse. Weiter unten werde ich den 
Inhalt des x\ktenstückes wiedergeben, das sich mit diesem Orden 
beschäftigt. Im Jahre 1772 treffen wir den Orden der Inviola- 
bilisten an, zu dem sich nach Laukhard's Bericht 1778 
der Amicistenorden gesellte. Die Behörde schritt schon früh 
gegen die Orden ein; das ersehen wir ms Anschlägen*) 
gegen die Orden und Landsmannschaften, die jetzt stets zu- 
sammen genannt werden, aus den Jahren 1775, 1776 und 
1781. Diese Anschläge gebieten die Aufhebung der be- 
stehenden „ordines" unter Androhung der Belegation und 
der Berichterstattung an den König. Eine grössere Unter- 
suchung wurde eingeleitet, als der Minister Zedlitz im 
Februar 1782 einen Erlass Friedrichs des Grossen nach 
Frankfurt sandte, eine Abschrift dessen, „was Wir an die 
üniversitaet zu Halle zu Stöhrung der daselbst eingerissenen 
Ordens- und Landmannsschaflfts-Verbindungen, des Herum- 



») A. M. Jhrg. 1884/85, Bärnstein, S. 71 ff. 

') Neben obigen Anschlägen, die sich mit den Orden und Lands- 
mannschaften beschäftigen, sind noch zahlreiche Anschläge erhalten, 
die über den Rektoratswechsel, über die disziplinarischen Vergehen 
der Studenten, namentlich über den Streit der Studenten mit den 
militärischen Wachen und Bürgern der Stadt, über nächtliche Ruhe- 
störungen der Studenten, über Stipendien und über die Kommunität 
Auskunft geben. Es wäre recht lohnend, dieses Material, das durch 
eine grosse Zahl von Aktenstücken ergänzt wird, zu verarbeiten. Da- 
durch würde unsere Kenntnis über die erste preussische Landesuni- 
versität bedeutend erweitert werden. 



— 60 — 

laufen derer Studenten auf den benachbarten Dörfern,' über- 
haupt zur Hemmung alles ungesitteten Betragens der studie- 
renden Jugend dato zu erlassen nöthig gefunden, mit gnä- 
digstem Befehl, euch ebenfalls hiernach gemessenst zu achten, 
und in wie fern solches Verboth etwa nach der Localität ab- 
zuändern sey, Vorschläge zu .thun^)." Aus diesem Erlass 
greife ich nur die hier in Betrac]it kommenden Punkte 
heraus : 

B. Was demnach die unter den Studenten zeithero übliche 
Verbindungen von Landsmannschaften, Orden und dergleichen 
anbelangt, so muss schlechterdings deren Ausrottung be 
würcket werden. Es kann auch den Professoribus nicht un- 
bekannt seyn, dass die üniversitaet Göttingen nur erst seit 
dem Zeitpunkte zu blühen und der Halleschen üniversitaet 
den Vorrang streitig zu machen gewusst hat, seitdem dort 
mehr mit vereinigten Kräften sämtliche Lehrer auf Sitten 
und Ordnung bei den Studenten gesehen, und schlechterdings 
keine Verbrüderung und Verbindung unter ihnen, keine 
äusserliche Abzeichen von Coquarden und dergleichen, keine 
öffentliche Aufzüge bei Abreisen der Studenten oder bei dem 
Prorectorat Wechsel geduldet worden. Um nun sowohl 
den durch gedachte üniversitaet der hiesigen gethanen Ab- 
bruch zu verhindern, als auch vorzüglich um der studierenden 
Jugend die nächste Veranlassung zum unsittlichen zu be- 
nehmen, muss 

1. unter Kommination der unausbleiblichen Relegation 
ohne unterschied, ob adeliche oder unadeliche, sich der 
üebertretung schuldig gemacht, alle Verbindungen von Ordens 
Landsmannschaften und dergleichen öffentlich verboten 
werden. 



^) Fr. Arch. F. 32 No. 15. In einem Umfange von etwa 23 Blatt 
bringt das Aktenstück obigen ausführlichen Erlass, die Konzilsver- 
handlungcn darüber und die Vota der einzelnen Professoren, den Be-" 
rieht an den König im Konzept, eine Anfrage der Universität an den 
König, ob den Studenten „Musiquen" erlaubt seien und die darüber 
von den Professoren eingeholten Vota, die bewirken, dass die Anfrage 
nicht an den König gerichtet wird. 



— 61 — 

2. alle öflFentliche Aufzüge, es sey bei Begleitung ab- 
reisender Studenten oder bei Pro Rectorais Wahlen oder der- 
gleichen, gänzlich untersagt, 

3. kein äusserlich Kennzeichen der Landsmannschaften 
oder anderer Verbindungen durch Tragung von Bändern oder 
Coquarden oder dergleichen Abzeichen gelitten werden u. s. w. 

Die Regierung verbot in diesem Erlass Landsmannschaften 
und Orden, alle Verbindungen ohne Ausnahme, weil sie Sitte 
und Ordnung unter den Studenten gefährdeten. Sie hatte 
nicht die Vorstellung, dass die Orden eine gelährlichere 
Form der Verbindungen waren. Noch im Mai desselben 
Jahres erfolgte ein weiterer Erlass des Königs folgenden 
Inhalts 1): 

„Es ist Uns glaubhaft angezeiget worden, dass dort einige 
so genannte Orden unter den Studenten eingefahrt sind, 
deren einige sich Indissociable, die andern hingegen Con- 
stantisten nennen, und dass zwischen diesen Orden jetzt 
eine Art von Fehde subsistire, die da wahrscheinlich machet, 
dass die Constantisten als der schwächere und gedrückte Theil 
die Mitglieder anzeigen und vielleicht auch Mittel an die 
Hand geben möchten, diesem puerilen Unfug auf immer zu 
steuerh. 

Wir haben dahero zu beschliessen geruhet, dass eine 
besondere Konmiission, zu welcher wir den jetzigen Rector, 
den Exrector Madihn, den KonsistorialratSteinbarth, den Pro- 
fessor Meyer, und Professor Michaelis ernennen, diese Sache 
vornehmen, sowol die Mitglieder der Ordens eruiren, als 
das nötige zu gäntzlicher Ausrottung derselben vornehmen, 
auch Mittel vorschlagen solle, wie nach deV bewürckten 
Trennung fürs Künftige dergleichen Verbindungen in ihrer 



») Fr. Arch. F. 32 No. 29. Das Aktenstück erhält obigen Er- 
lass vom 23. Mai 1782, die Konzilsverhandlungen darüber, ein Ver- 
hörprotokoll unä die Reverse, die die Indissociabilisten, Inviolabilisten, 
ünitisten ^und Konstantisten in den Monaten Juni und Juli 1782 
unterzeichnet haben. Ausserdem finden sich darin einige Ver- 
handlungen der Ordensuntersuchungskommission. Die Professoren 
reden nur von Orden, andere Verbindungen werden nicht erwähnt. 



— 62 — 

ersten Entstehung entdecket, und die Vertreter mit ernstlicher 
Strafe beleget werden können u. s. w. Während vorher von 
Orden und Landsmannschaften die Eede war, ohne dass ein 
besonderer Verdacht die Orden traf, ist dieser Erlass allein 
gegen die Orden gerichtet. Es ist dies teilweise aus dem 
Streite der Indissociabilisten und Konstantisten erklärlicli, 
denn andere Gründe, die zur Verfolgung der Orden besonderen 
Anlass hätten geben können, fallen für Frankfurt wenigstens 
fort. Es ist auch kaum anzunehmen, dass man die anderen 
Verbindungen von nun an frei gewähren Hess. Wir ersehen 
auch aus diesem Erlass, dass schon zu Beginn der 80 er Jahre 
die Orden der Indissociabilisten und Konstantisten in Frank- 
furt vorhanden waren und dass die Obrigkeit auch die 
Mittel nicht scheute, in dem Kampfe zweier Ofden die 
schwächere Partei an sich zu ziehen, um mit ihrer Hilfe den 
Orden den Garaus zu machen. In den Untersuchungen, die 
die Ordenskommission vornahm, wird auch der Unitisten- 
orden zum erstenmal genannt. 

Am 25. Juni 1783 ging ein Bericht der Universität an 
das Oberkuratorium ab; er enthielt die ausführliche Unter- 
suchung über die Orden und die Mitteilung, dass die Mit- 
glieder der Orden ermittelt und die Verbindungen aufgehoben 
seien. Um künftig das Entstehen neuer Verbindungen zu 
verhindern, habe die Kommission den Beschluss gefasst, dass 
durch einen deutschen^) Öffentlichen Anschlag den Studenten 
verboten werde, Orden zu errichten und in sie einzutreten, 
dass dieser Anschlag bei dem Anfange eines jeden Halb- 
jahres von neuem affigiert, dass er auch gedruckt und 
jedem Studenten ein Exemplar davon zusammen mit den ^ 
übrigen akademischen Gesetzen eingehändigt werde. Der 
jeweilige Rektor sollte ausserdem die neuankommenden 
Studenten zur strengsten Beobachtung dieses Anschlages bei 
der Inskription verpflichten. Dem Pedell sollte aufgetragen 
werden, auf die Entstehung von Verbindungen aufmerksam 
zu sein und bei dem geringsten Verdacht davon Anzeige zu 

1) Bisher waren die Anschläge in lateinischer Sprache abgefasst 



machen. Die Vorschlage der Koramission wurden durch 
einen Kgl. Erlass vom 3. November 1785 gutgeheissen und 
teilweise noch verschärft, da in diesem Jahre eine neue 
Untersuchung gegen die Unitisten und Konstantisten erforder- 
lich gewesen. Der im Sinne des Kgl. Erlasses gedruckte 
Anschlag hatte folgenden Wortlaut^); Damit alle gesetz- 
widrigen Ordensverbindungen, welche den akademischen Ge- 
setzen, der Disciplin, den Sitten und der Wohlfarth der 
Studiren den so äusserst nachtheilig sind, für die Zukunft 
verhindert und endlich gänzlich zerstöret werden möchten, 
so haben S. Königl. Majestät durch allerhöchsten Special- 
befehl folgendes Reglement in Ansehung 'der Ordensver- 
bindungen in deutscher Sprache öffentlich bekannt zu machen 
und auf dessen Beobachtung strenge zu sehen anbefohlen. 
Es werden also hiermit alle gesetzwidrige Ordensver- 
bindungen, und namentlich die Orden der Konstantisten, 
Unitisten, Inviolabilisten, Indissociabilisten, Defensionisten, 
und wie sie Namen haben oder unbekannt existieren mögen, 
auf das erntlichste und nachdrücklichste untersagt und ver- 
boten, und sollen alle diejenigen, welche nach diesem erneuerten 
Verbote eine solche Verbindung stiften, fortsetzen, derselben 
vorstehn, durch Überredung andere liineinziehn oder hinein- 
zuziehn versucht haben, mit der härtesten Bestrafang belegt 
werden. Wer einen solchen akademischen Orden oder einzelne 
Mitglieder desselben anzeigt, er mag selbst ein Mitglied, 
Bürger oder Aufwärter seyn, soll für seine richtig befundene 
Anzeige, ausser der völligen Verschweigung seines Namens, 
eine, von den überführten Mitgliedern neben ihrer ander- 
weitigen strengen Bestrafung aufzubringende Belohnung von 
^0 Thalern zu erwarten haben. 



1) Fr. Arch. F. 32 No. 30. [D&a Aktenstück, 65 Blatt stark, 
i<i})t das Verhörprotokoll der Konstantisten und Unitisten und aller 
derer, die im Verdacht standen, diesen beiden Orden anzugehören, 
den schriftlichen Verzicht der Mitglieder, einen Erlass des Königs 
gegen die Orden mit Verhaltungsmassregeln gegen dieselben und den 
gedruckten Anschlag vom Januar 1786. Ausserdem ist dem Akten- 
stück -das Gesetzbuch der Konstantisten beigegeben. 



— 64 — 

Wir ermahnen also hiermit alle hier studierende Jünglinge 
und akademischen Bürger so väterlich als ernstlich diesem! 
wiederhohlten Verbote auf das pünktlichste nachzuleben, indem, 
weun Verbindungen dieser Art entdeckt werden, sie sogleich 
auf das schärfste untersucht, und die sowohl gegen ganze 
Orden als gegen einzelne Mitglieder verhandelte vollständige 
Üntersuchungsakten mit unserm Gutachten an das hohe 
Oberkuratorium eingeschickt werden müssen, welches sodann 
nach Massgabe der Umstände in jedem einzelnen Falle selbst 
verfügen wird. 

Publiziert den 12. Januar 1786. 

(Es folgen die Unterschriften und das Siegel). 

Die Folge dieses Anschlages war nicht, dass die Orden 
wirklich ganz verschwanden, im Gegenteil, erst jetzt hatte 
es für die Ordensbrüder um so grösseren Eeiz, sich in 
mystisches Geheimnis und Dunkel zu hüllen. Dieses allzu- 
scharfe gehässige Vorgehen gegen die Orden hatte vielmehr 
eine Lockerung der Sitten und einen gefährlichen Missbrauch 
des Eides zur Folge. Darum wurden die Bedenken, den 
Studenten auf ihre Aussagen den Eid abzunehmen, von dem 
Konsistorialrat Professor Steinbart, der, ein Mitglied der 
von der Eegierung eingesetzten Ordenskommission, ein ebenso 
eifriger Verfolger der Orden wie Beschützer und Fürsprecher 
der Kränzchen war, auch vorgebracht und von ihm der Rat 
erteilt, von einem Eide jetzt und auch in Zukunft abzusehen; 
denn neben vielen anderen Gründen hält er auch den Fall 
nicht für ausgeschlossen, dass die Studenten, durch die 
Jesuitenmoral verleitet, falsch schwören könnten i), DiesQ 
Gefahr, dass die Ordens Verbindungen „Schulen des Mein- 
eides" wären, beschäftigte recht ernstlich die Gemüter. Sie 
wurde zu einer nicht geringen Sorge der Landesherren und 
gab den Anlass zur Anregung eines Abkommens, das von 
Weimar ausgehend, mit den Höfen zu Berlin, Dresden, 



1) Fr. Arch. F. 32 No. 30. Über den näheren Inhalt des Akten- 
stückes 8. 0. S. 63. 



— 65 — 



Hannover, Kassel, Darmstadt und Stuttgart getroffen werden 
sollte. In Jena glaubte man bei einer Untersuchung im 
Jahre 1792 die Entdeckung gemacht zu haben, dass ausser 
rielen anderen nachteiligen Folgen die Ordensverbindungen 
besonders die Meineide begünstigt und alle Moralität der 
eidlichen Verpflichtungen zu schwächen und aufzuheben sich 
beflissen hätten. Dieser Missbrauch erschien für alle künftige 
Verwaltung geistlicher und weltlicher Ämter so gefährlich, dass 
der Herzog Karl August von Sachsen-Weimar nur einen 
allgemeinen Erlass für alle protestantischen Universitäten 
für wirksam und autoritativ genug erachtete, um diesem 
Übel zu steuern. Es war darum die Frage, ob, wie bereits 
1654 auf dem Reichstag zu Regensburg das corpus Evangeli- 
corum ein conclusum wegen des Pennalismus erlassen, auch 
in dieser Angelegenheit ein ähnliches conclusum erwirkt oder 
ob nicht die „gesamten hohen Stände des Reichs dazu mehr 
qualificirt seien". Man sollte sich darüber einigen, dass 
Ordensverbindungen nirgends geduldet und allen Studierenden, 
die sich mit ihnen abgegeben, die Beförderung in geistlichen 
und weltlichen Stellen versagt werden sollte. Diese Vor- 
schläge des Herzogs von Sachsen-Weimar sandte der Minister 
Woellner nach Frankfurt mit dem Spezialbefehl Friedrich 
Wilhelms II., „sofort zu berichten, ob und wie der Ver- 
ordnung vom 3ten November 1785 bisher ein Genüge ge- 
schehen, was seitdem für Erfahrungen und Entdeckungen 
über die akademischen Orden gemacht worden, besonders ob 
Oründe vorhanden, diese Ordensverbindungen für Schulen 
des Meineids zu halten, wie bey einer Untersuchung zu 
Jena neuerlich entdeckt worden; ferner was Ihr für die 
Zukunft für rathsam haltet, um diesen schädlichen Ver- 
bindungen zu steuern, gegen die Ihr, wie es scheint, bisher 
zu nachsichtig verfahren habt." Auf welchen Widerstand 
und auf welches Missfallen diese strengen Massregeln schon 
damals bei den Professoren stiessen, mag uns das Votum 
eines Mannes zeigen, der in der Mitte der Dinge stand, des 
Professor Berends, dem viele andere Professoren beitraten: 
„Wir haben ja nicht die geringste Anzeige, dass die aca- 

5 



— 66 — 

demischen Orden den Meineid lehren, oder anch nur be- 
günstigen. Dies muss mit klaren Worten im Bericht gesagl; 
werden, weil das Gegenteil nicht bewiesen werden kann. 
Die strengen Gesetze, wodurch unbedachtsamen Jünglingen 
der Weg zur Versorgung gänzlich versperrt werden soll, 
würde auch ich nicht in Torschlag bringen. Ich wurde viel- 
mehr sagen, dass wir nur indirect, durcli Warnung und 
Belehrung, die jungen Leute Ton solchen possenhaften, Zeit 
und Geld kostenden geheimen Verbindungen abhalten könnten ; 
dass es nützlich sein würde, wenn dies schon auf Gymnasien 
und Schulen geschehe; dass wir uns daher den directen Vor- 
kehrungen gegen diese Verbindungen unterwerfen würden. 
Dann haben wir wenigstens keine Schuld, wenn durch zu 
strenge Massregeln manche Individuen unglücklich werden 
und die Lust zu solchen geheimen Gesellschaften, welche ja 
so die ansteckende Seuche unseres Jahrhunderts sind, noch 
viel mehr zunimmt Jede verfolgte geheime Gesell- 
schaft nimmt zu an innerer Kraft." ^) Diesem Votum 
des Prof. Berends schloss sich die Mehrheit der Professoren 
an und so wurde die Anfrage des Ministers Woellner dahin 
beantwortet, es wäre nicht das geringste Zeichen dafür vor- 
handen, dass die akademischen Orden den Meineid lehren 
oder auch nur begünstigen. Aber die Regierung Hess sich 
nicht zu grösserer Milde bewegen, sie wollte die Orden mit 
Gewalt ausrotten, ganz ähnlich, wie sie auch die Bürger in 
ihren Geschälten und Vergnügungen bevormundete. 

Im Jahre 1793 kam es wegen der Studentenverbindungen 
auf Gruftd der Anregung des Herzogs Karl August zu einer 
von den Kurfürsten, Fürsten und Ständen zahlreich besuchten 
Reichs versanmilung zu Regensburg. Das deutsche Reich, 
das sich sonst um die Angelegenheiten des Reiches recht 
wenig kümmerte, sah doch in den Studentenverbindungen 



1) Fr. Arch. F. 32 Nö. 31. Verhandlungen über die Orden, ver- 
anlasst durch Auffindung von Spuren des Konstantistenordens, obige 
Vorschläge des Herzogs von Sachsen- Weimar, die Vota der Professoren 
darüber und das Konzept des Berichtes an den König vom Angust 
1792 bilden den Inhalt des Aktenstückes. 



— 67 — 

eine so grosse Gefahr, dass es eine dringende Aufgabe schien, 
diesem Übel von Keichswegen zu steuern. Dieser Reichs- 
schluss vom 14. Juni 1793 ist wenig bekannt; man pflegt 
andere, frühere Reichsgesetze als die letzten bedeutsamen 
Eingriffe des Reiches in die Angelegenheiten der Einzelstaaten 
zu bezeichnen, so das Gesetz gegen die Missbräuche unter 
den Handwerksgesellen vom Jahre 1731, das durch einen zu 
Augsburg im Jahre 1721 vorgefallenen Aufstand der Schuh- 
knechte veranlasst worden war, und des weiteren ein Gesetz 
zur Regelung des Münzverkehrs, in dem durch ein Reichs- 
gutachten vom 10. September 1738 der Leipziger Münzfuss 
in Ansehung der Goldmünzen und groben Silbersorten zum 
Reichsmünzfuss angenonmien wurde ^). Der Kampf gegen 
die Stndentenorden rüttelte das deutsche Reich aus seiner 
Untätigkeit auf und zwang es zu tätigem Eingreifen. Als 
gälte es, eine grosse gemeinsame Gefahr vom Reiche abzu- 
wenden, vereinigte man sich auf dem Reichstage zu Regens- 
burg, um über die Studentenorden und ihre völlige Ausrottung 
SU beratschlagen und zu beschliessen. Die Beschlüsse des 
Reichstages sind aus einem Erlass des Königs an die Uni- 
versität Frankfurt vom 20. Juni 1795 bekannt; darum bringe 
ich diesen Erlass auch ganz zum Abdruck*): „Von Gottes 
Gnaden Friderich Wilhelm, König von Preussen u. s. w. Ihr 
wisset, Weichergestalt die sogenannten Studenten-Orden schon 
längstens von unseren Vorgängern an der Regierung und 



*) J. St. Putte r, historische Entwickelung der heutigen Staats- 
verfassung des Teutschen Reichs. Zweyter Theil von 1558—1740. 
Göttingen 1786, S. 448 ff. 

') Fr. Arch. F. 32 No. 47. Das Aktenstück ist sehr umfangreich. 
Es fuhrt den Titel „Acta Generalia wegen der Studenten-Orden auf 
Universitäten etc. und die Relegation hetreffend." Es beginnt mit 
dem Erlass des Königs vom 20. Juni 17S5, enthält ausserdem die 
Verhandlungen über den Abschluss von Konventionen der Frankfurter 
Universität mit Jena, Marburg, Halle, Königsberg, Erlangen, Göttingen, 
Leipzig, Wittenberg und Helmstädt. Durch diese Konventionen ver- 
pflichteten sich die Universitäten zur gegenseitigen Mitteilung der 
Relegierten. Eine grosse Anzahl solcher Relegationsanzeigen, teils 
gedruckt, teils geschrieben, sind den Aktenstücken beigegeben. 

5* 



.— 68 — 

Uns, auf Unseren Universitaeten, als etwas, das für die aca- 
demische Disciplin und für die Moralitaet, den Fleiss und 
die Oeconomie der Studierenden höchst schädlich ist, und 
nur Zeit und Sittenverderb, Schulden machen, Schlägereyen, 
Unfleiss im Studieren, und allerhand ' Ausschweifungen und 
Thorheiten nach sich ziehet, verboten gewesen, und was für 
wiederhohlte und geschärfte Verfügungen dieserlialb ergangen 
sind. Wir wollen auch auf diese Verfügungen ferner mit 
genauem Ernste und mit strengem Nachdrucke um so mehr 
gehalten wissen, als wir zur allgemeinen Steurung ^othaner 
Studenten-Orden uns mit sämmtlichen des Deutschen Reichs 
Churfürsten, Fürsten und Ständen bey der fürwährenden 
Eeichsversammlung dahin vereinigt haben, dass 

L, alle und jede Studenten Orden, auf allen üniversi- 
taeten in Deutschland schlechterdings verboten werden 
sollen; 

2., jeder Studierende, der nach Bekanntmachung des 
Verbots doch noch in einem Studenten-Orden geblieben, oder 
gar solchem erst beygetreten ist, allenthalben unnachsichtlich 
und gleichförmig sofort mit der Strafe der Relegation be- 
legt, auch 

3., auf keine andere Universitaet in Deutschland wieder 
aufgenonamen werden, und 

4., diese Relegation den Landes-Collegien in dem Vater- 
lande des Relegati und den anderen Universitaeten bekannt 
gemacht, übrigens 

5., dieses alles den Universitaets-Gesetzen allenthalben 
namentlich einverleibet und einem jeden Studierenden bey 
der Immatriculierung durch den jedesmaligen Recktor und 
Prorecktor mit warnendem Nachdruck eingeschärft werden soll. 

Wir setzen, ordnen, und wollen demnach, dass dieses 
alles auf Unserer dortigen Universitaet gleichfalls beobachtet 
werde, besonders aber ad 4 von jeder, wegen Ordensver- 
bindungen geschehenden Relegation anhero Anzeige geschehe, 
damit Unsere übrige Universitaeten und durch unser De- 
partement der auswärtigen Geschäfte alle Universitaeten 
Deutschlands und die auswärtigen Landes - Collegia des 



— 69 ~ 

Yaterlandes des Belegirten davon benachrichtiget werden 
mögen, auch von den angehenden Studirenden, bei der Ein- 
führung ad 5 annoch ein Handschlag abgefordert werden 
soll, sich in keinen Orden einzulassen, unter der Verwarnung, 
däss wenn sie dem ohnerachtet eintreten und entdeckt werden 
sollten, sie f&r den Bruch dieser Angelobung noch besonders 
bestraft werden würden. Zur baldigeren Entdeckung aber 
jedem Hauswirthe auf eurer Universitaet, bei willkürlicher 
Strafe von Euch aufgegeben werden soll, auf das genaueste 
Acht zu haben, ob etwa Zusammenkünfte dieser Art in ihren 
vermieteten Häusern gehalten werden, und sobald sie dergleichen 
bemerken, dies Eurem Prorectori insgeheim anzuzeigen, da- 
mit dadurch Veranlassung genommen werden könne, sich 
auf eine schickliche Art davon zu versichern, und demnächst 
die Untei'suchung zu veranlassen. 

Ihr habt dieses Unser gegenwärtiges Rescript zur öfifent- 
lichen Publication zu bringen, den Inhalt desselben den 
dortigen üniversitätsgesetzen einzuverleiben, und darnach 
Euch genau zu achten und zu verfahren. Wir wollen es 
überdies unserm landesherrlichen Ermessen vorbehalten, nach 
Befinden diejenigen, welche diesem Unserm Verbote zuwider 
sich ferner zu Studenten-Orden gehalten oder darein begeben 
baben, keiner Anstellung und Beförderung in unseren Landen 
Diensten theilhaftig werden zu lassen u. s. w." 

Nach einer der letzten Bestimmungen dieses Erlasses 
finden wir auch in den „Allgemeinen Gesetzen für alle 
Universitäten in den Königlichen Landen, publiciert 1796, 
folgenden Passus: 

§21. 

. Dauernde Gesellschaften zu einem gewissen Zweck können 
nicht ohne Vorwissen der akademischen Obrigkeit er- 
richtet werden, und haben ohne deren Erlaubnis] die Ver- 
mutung einer gesetzwidrigen Absicht wider sich. Be- 
sonders werden Orden und Landsmannschaften bei Strafe 
- einer immerwährenden Kelegation von allen Universitäten in 
den Königlichen Landen hiermit ernstlich untersagt, wie 



— 70 — 

dann auch die Veranstaltung getroffen worden, auf keiner 
üniversitaet in Deutschland wieder aufgenommen werden ^). 

Zu diesem Zwecke wurden zwischen den einzelnen Uni- 
versitäten Konventionen abgeschlossen, ,,alle religierten und 
mit dem consilio abeundi belegten Studenten mit Bemerkung 
der Wegweisung anzuzeigen und erst^ren die Aufnahme 
zu versagen und die mit dem consilio abeundi von einer 
Universität weggeschafften der andern auch anzuzeigen, da- 
mit auf solche, wenn sie ja aufgenommen werden, eine desto 
genauere Aufsicht geführet werden könne." Diese Konven- 
tion wurde von der Eegierung zwischen Jena und Frankfurt 
abgeschlossen und allmählich auf Marburg, Halle, Königs- 
berg, Erlangen, Göttingen, Leipzig, Wittenberg und Helm- 
städt erweitert. Eine grosse Anzahl von Relegationsanzeigen 
der einzelnen Universitäten — die Relegation wurde nicht, 
bloss wegen der Teilnahme * an Studentenverbindungen, 
sondei;n in sehr vielen Fällen auch wegen eines Duells ver- 
hängt — bezeugt den regen Verkehr zwischen den einzelnen 
Universitäten, der durch das Kartell hervorgerufen war. 
Durch einen Kgl. Erlass vom 7. September 1799 wurde der 
Universität Frankfurt mitgeteilt, „dass das Euch bekannt ge- 
machte Cartel mit dien Chursächsischen, Churbraunschweigi- 
schen, Herzoglich Braunschweigschen und Herzog Sächsischen 
Universitäten nur auf die Relegations-Fälle, und nicht auf 
die Fälle des Consilii abeundi gehet." Die Regierung unter- 
stützte die Konventionen, weil sie „die Aufnahme gefährlicher 
Subjekte" verhüteten. Nach obigem Erlass schloss sie aber 
nur die wirklich Relegierten von der Aufnahme auf den 
Landesuniversitäten aus. Im Jahre 1795 beginnen die Re- 
legationsanzeigen, die letzte ist aus Leipzig vom 3. Juli 1811. 

Weder der Regensburger Reichstagsschluss noch die in- 
folgedessen abgeschlossenen Konventionen der einzelnen Uni- 
versitäten führten zu dem gewünschten Resultate. Dazu 
kam noch, dass die Kränzchen, die zunächst der Behörde im 
Kampfe gegen die Orden eine treffliche Waffe waren, der 



1) Fr. Arch. F. 54 No. 7. 



- 71 — 

Obrigkeit auch bald verdächtig und in gleicher Weise wie 
die Orden verfolgt wurden; allerdings gelang es ihnen immer 
wieder zeitweise die Anerkennung der Behörde zu erreichen. 
Die Orden beschäftigten die Regierung auch weiterhin. 
Der Minister Woellner setzte 1797 eine „perpetuirliche 
Orden s-Commission" ein, zu der ein Mitglied aus jeder 
Fakultät gehören sollte. Ihre Aufgabe sollte es sein, auf 
jede Kegung einer Verbindung sorgsam zu achten und bei 
dem geringsten Anhalt sofort Nachforschungen anzustellen. 
Bei Ablauf eines jeden Halbjahres . sollte sie über ihre 
Tätigkeit dem Ministerium Bericht erstatten. Zu Mitgliedern 
der Kommission wurden der Direktor Madihn, die Profes- 
soren Eis n er, Pirner und Huth ernannt. Als Pirnerim 
folgenden Jahre starb, blieb es bei den drei übrigen, 

Professor Huth arbeitete eine Instruktion für die 
Ordenskommission aus, die von dem König approbiert wurde. 
In dem bezüglichen Erlass vom 3. Juli 1798 wurde noch 
einmal die Tätigkeit der Kommission hervorgehoben. ., Selbige 
sollte nur auf die Ordensverbindungen vigiliren, und wenn 
ihr von selbigen Anzeigen vorkommen, denselben näher 
nachforschen, sobald sich aber ein redlicher Verdacht hervor- 
tut, mit dem jedesmaligen Rectore und Directore über die 
weiter zu ergreifenden Massregeln communiciren ; so erhellt 
hieraus klar, dass die Geschäfte dieser Commisson bloss in 
Entdeckung und Nachforschung der Geheimen Gesellschaften 
und ihrer Mitglieder bestehen soll, und dass die dazu er- 
greifenden Massregeln ihrer Einsicht und üeberlegung nach 
dem Locale und andern Umständen überlassen bleiben; dass 
aber, sobald sich ein redlicher Verdacht, oder gar Beweis- 
Gründe hervorthun, die Sache an den Rector zur offlciellen 
weitern Nachforschung abgegeben werden müsse" *). Ob die 
Ordenskommission grosse Erfolge hatte, kann ich nicht an- 
geben. Eins ersehen wir aber aus ihren Berichten, dass sie 



*) Fr. Arch. F. 32 No. 36. Fünf Erlasse des Königs in obiger 
Angelegenheit und die Vorschläge der Professoron enthält das 
Aktenstück. 



— Ta- 
dle Orden gänzlich verwarf, die Kränzchen (Landsmann- 
schaften) aber dem Schntze der Obrigkeit empfahl; darüber 
heisst es in einer „Privatrelation über die auf hiesiger Uni- 
versität entdeckten Studentenverbindungen" von Professor 
Steinbart vom 20. März 1802: „Zwischen Ordensverbindungen 
und zwischen landsmannschaftlichen Vereinen ist ein mehr- 
fach wesenslicher Unterschied. In Orden vereinigen sich 
lauter Brauseköpfe, welche renommieren wollen, ohne Rück- 
sicht auf Herkommen und Charakter, und werben alles an, 
was handfest zu seyn scheint, oder Geld zu Depensen her- 
geben kann. In landsmanschaftlichen Verbindungen ist der 
weit grössere Teil von ruhiger friedliebender Gemütsart, 
schränkt sieh auch nur auf Landsleute von unbescholtenem 
Betragen ein und wählt zu seinen Vorstehern nicht wie die 
Orden „homines facinorosos" die alles aufs Spiel setzen, 
sondern alte Studenten von vorzüglichen Kenntnissen und 
reifer üeberlegang, gegen welche jeder als Schiedsrichter 
Achtung haben kann. Endlich werden auch in den Ordens 
die Mitglieder bei der Aufnahme eidlich und auf Zeitlebens 
verpflichtet, dagegen bei den hiesigen Kränzchen nur ein 
Handschlag auf Beobachtung der Gesetze verlangt wird*, 
jeder unangefeindet heraustreten kann, wenn er will und 
der Gesamtverein nur auf die üniversitätsjahre, um sie 
ruhiger zu durchleben, gestiftet wird"^). Abgesehen davon, 
dass der Bericht in hohem Masse den Verdacht der Partei- 
lichkeit erweckt, geht das, was darin von den Orden aus- 
gesagt wird, auf 1802. Auf die Orden um 1770/80 ist 
daraus kein Schluss zu ziehen. 

Im folgenden Jahre, namentlich im Monat März, ent- 
standen grosse Unruhen unter den Studenten, die durch 
Schlägereien und teilweise auch dadurch hervorgerufen waren, 
dass die Angehörigen der Studentenverbindungen die nicht 
inkorporierten Studenten sehr oft öffentlich mit dem Schimpf- 
namen „Miserabilisten" belegten. Die Anklagen bei der 
Universität wuchsen von Tag zu Tag und so schritt der 



1) Geh. Staatsarch. Reposit. 76, II 190. 



- 73 ^ 

Senat mit grosser Strenge gegen die Übeltäter ein. Ein 
Anschlag der üniversitätsbehörde vom 22. März 1803, der 
am 22. Mai desselben Jahres wiederholt wurde, zeigt uns 
die Elrbitterung der Behörde über die fortgesetzten Unruhen, 
aber auch ihre Ohnmacht und Verlegenheit ihnen gegen- 
über und den Mangel eines planmässigen Einschreitens zu 
ihrer Abstellung; denn in dem Anschlage heisst es, dass 
als Mitglieder eines Ordens, Kränzchens, einer Landsmann- 
schaft alle diejenigen betrachtet werden sollen, welche sich 

1) „in die Streitigkeiten oder Händel Anderer mischen, 

2) wenn mehrere in Verbindung Streit oder Händel 
mit andern anfangen und sie, es sey durch Worte, oder ge- 
ringschätzige Gebehrden, beleidigen, oder wenn jemand 

3) irgend an einem öffentlichen prte, wo andere und 
mehrere Studenten sich befinden, Anzüglichkeiten sich er- 
laubet, die Beziehung auf andere Studenten haben, oder 

4) auf öffentlicher Strasse beschimpfende Wörter, oder 
solche, die dafür allgemein angenommen sind ^), einem andern 
Studenten nachruft. 

Alle diese sollen ohne weitere Beweisführung als Mit- 
glieder einer gesetzwidrigen Verbindung, und ohne alle 
Eücksicht auf ihr sonstiges Wohlverhalten und auf ihree 
Pleiss, mit der Relegation bestraft werden*)." 

Etwa 20 Studenten wurden infolge der grossen Unruhen 
im Monat März schwer bestraft. Das hatte die Wirkung, 
dass etwa 150 Studenten am 2. Juni 1803 aus der Stadt 
auswanderten und auf das Dorf Krebsjauche und von da 
nach Neuenzelle zogen, wohin sich in dieser Jahreszeit 
jährlich viele Studenten zum Fronleichnamsfeste zu begeben 
pflegten. Durch einen Anschlag des Rektors, von |dem den 
ausgewanderten Studenten eine Abschrift nach Neuenzelle 
überbracht wurde, wurden die Studenten zur Rückkehr ver- 
anlasst. Sie erfolgte am 6. Juni. Die Studenten erklärten. 



*) Dafür galten ausser »Miserabilist" noch „Hui", „Hussa" u. a 
») Fr. Arch. F. 32 No. 23. Ein langes Verhörprotokoll. Bei- 
gegeben ist der gedruckte Anschlag vom 20. März 



I 



— 74 — 

sie wären nur ausgewandert, um nicht iliren Missmut über 
•die strenge Bestrafung in der Stadt ausbrechen zu lassen, 
wodurch sie nur wieder in neue Strafen verfallen wären. 
Sie hätten nicht hindern können, dass viele ihrer Bekannten 
sie begleiteten. Aus dem Bericht an den König, dem wir 
obige Nachricht entnehmen, ersehen wir noch, dass sich 
von verbotenen Ordens Verbindungen im Jahre 1803 nichts 
regte, Kränzchen hätten wohl vor 2 Jahren Hier bestanden, 
doch seien sie ebenfalls, besonders noch ganz neulich durch 
einen Anschlag vom 20. März dieses Jahres aufgehoben 
worden. Der Geist solcher Verbindungen, so bemerkt der 
Berichterstatter treffend, pflegt bei der Vernichtung ihrer 
Statuten und Gesetze nicht sogleich mit zu sterben^). 

Die andauernden Untersuchungen über die Verbindungen 
unter den Studenten führten den akademischen Senat zu 
der Erwägung, ob es nicht ratsamer wäre, die gesellschaft- 
lichen Verbindungen bestehen zu lassen. Die Orden sollte 
man wegen ihrer eidlichen Form und damit verbundenen 
willkürlichen Werberei an und vor sich für Verbrechen er- 
klären, hingegen die nach Landsmannschaften eingeteilten 
Kränzchen zwar ohne Autorisation lassen, aber doch zu 
keinem Verbrechen machen, sondern tolerieren." Mait einigte 
sich darüber nicht. Auch andere Vorschläge wurden laut, 
weil man sich den Gedanken nicht verschliessen konnte, 
dass „gesellschaftliche Verbindungen dem Genius der Zeit 
in unseren Tagen gleichsam nothwendige Bedürfnisse 
seien". 

Ich fasse noch einmal kurz alles zusammen, was sich 
für die Orden im Wesentlichen ergibt. Wenn die Orden 
so heftig verfolgt wurden, während man die Kränzchen 
zeitweise duldete, so lag es teilweise daran, dass man einen Zu- 
sammenhang der Studentenorden mit den Freimaurern ver- 
mutete, weil sie von diesen bestimmte geheime Zeichen 
entlehnt hatten. Je mehr man aber auf Grund dieser Ver- 
mutung die Orden verfolgte, um so enger und heimlicher 



1) Fr. Arch. F. 32 No. 23. Über den Inhalt s. o. S. 73. 



— 75 — 

schlosseo sie sich zusammen. Diese Geheimtuerei weckte 
allerlei Gerüchte, die die Obrifjkeit veranlassten, in den Orden 
eine grosse Gefahr zu erblicken. So galten sie in Jena als 
„Schulen des Meineides." Für Frankfurt konnte das nicht 
festgestellt werden, wie das Votum des Prof. Berends ergab, 
dem sich die Mehrheit der Professoren anschloss. Die 
Regierung und die Universitätsbehörde machte auch schliesslich 
keinen Unterschied zwischen Orden und Kränzchen, beide 
wurden in gleicher Weise unterdrückt. Nur in einer Privat- 
relation des Prof. Steinbart wurde der Versuch gemacht, den 
Unterschied zwischen Orden und Kränzchen auseinanderzu- 
setzen. Steinbart sucht den Unterschied in 

1) dem Charakter der Mitglieder und 

2) der Dauer der Zugehörigkeit zum Orden ^). Ein 
Zusammenhang mit dem Freimaurerorden ist von St. nicht 
behauptet worden. Sein Bericht schien aber sehr parteiisch 
gehalten. 

Ich komme nunmehr zur Darstellung der einzelnen 
Orden und Kränzchen, die auf der Universität Frankfurt be- 
standen haben, 

a. Orden der irrenden Ritter. 

Das erste der Aktenstücke, die uns einen Einblick geben 
in das Verbindungsleben an der Universität Frankfurt a. 0. 
. in der 2. Hälfte des 18. und am Anfange des 19. Jahr- 
hunderts, enthält die Untersuchung über den Orden der 
irrenden Ritter vom 11. und H.Dezember 1755^). Meines 
Wissens wird dieser Orden auf keiner andern Universität 
erwähnt. Dem Rektor der Universität wurde die Anzeige 
gemacht, „dass einige Herrn studiosi hierselbst ohnlängst 
unter sich eine Gesellschaft errichtet und selbige mit dem 
Namen der irrenden Ritter belegen wollen, auch sogar Leges 



1) S. 0. S. 72. 

2) Fr. Arch. F. 32 No. 27. Das Aktenstück ist von geringem 
umfang und enthält nur das Verhörprotokoll über den Orden der 
irrenden Ritter vom 11. und 14. Dez. 1755. 



— 7*6 --- 

oder sogenannte Statuta unter sich errichtet und nach deren 
Inhalt ungebührliche Dinge vorgenommen haben sollen." 
Nach den Aussagen der Studenten Martin Gottlob Paul und 
Gottfried Pfeifer bezweckten die Ordensritter, Leute auf der 
Strasse anzufallen und zu plündern, auch Mädchen zu 
stupriren, es sei auf der Gasse oder in der Stube, wie es 
käme; sie beschuldigten sie, dass sie als Bettler verkleidet 
umhergezogen seien und Leute angefallen hätten. Alle 
Sonntage sollten die Ordensritter bei einem Ordensbruder 
zusammenkommen und erzählen, was ihnen die ganze Woche 
„von Aventuren" begegnet, und das sollte in ein Buch ge- 
schrieben werden. In den Legibus hätten sich die Glieder 
des Bundes andere Namen gegeben. Die erste lex hätte 
bestimmt: „Wenn einer der Bitter von seinen aventuren, 
so ihm die Woche begegnet, was vergessen, sollte er eine 
Schreibtafel bey sich führen, um alles aufzuzeichnen." Die 
zweite öder dritte lex wäre gewesen: „Wenn sich etwa jemand 
ihnen entgegensetzen würde, sollten sie solchen gleich ohne 
weiter mit ihm zu reden, an den Hals schlagen, und sollte 
die Gesellschaft genau zusammenhalten. ** Anders lautet die 
Aussage der Studenten Carl Friedrich Seipt, Carl 
Friedrich Schönberg, Wilhelm Ehrenfried Neu- 
gebauer, Joh. Christian Eichler, Joh. Friedrich 
Gottlob Satorius, Ernst Gottlob Scheider, Carl 
Ferdinand Kleinert, die der Mitgliedschaft an dieser Ge- 
sellschaft bezichtigt wurden. Es wäre eine Gesellschaft, die 
zu Spass und Scherz sich vereinte; jeder Ritter sollte eine 
lustige Historie erzählen, die ihm selbst oder einem ändern 
begegnet sei, er sollte die Gesellschaft mit einem ßitter- 
gesang ergötzen. Ein anderer behauptete, eine wirkliche 
Gesellschaft hätte gar nicht bestanden, es sei nur eine Idee 
gewesen, angeregt durch ein damals erschienenes Buch 
^der deutsche Don Quichot", und Don Quichot sollte bei 
einer zu spielenden Burlesque als Schutzpatron aufgestellt 
werden. Ein dritter gibt den Endzweck wie folgt an: 

„1. Der Endzweck des Ordens ist, eine beständige 
Freundschaft zu erhalten. 



^^.■ 



— 77 ~ 

2. Der Orden soll „irrende Ritter" genannt werden. 
Zu diesem Titel hat das neu herausgekommene Buch „Ritter 
und Riese*' Gelegenheit gegeben. 

3. Don Quichot soll als Schutzpatron der Verbindung 
gemalt auf dem Tisch stehen. 

4. Alle Sonntage sollen die Ritter zusammenkommen, 
bald bei diesem, bald bei jenem, der Ort ihrer Zusammen- 
kunft soll ein Schloss heissen. 

5. In der Zusammenkunft soll von jedem erzählt 
werden, was ihm die Woche durch in Gesellschaft begegnet. 

6. Jeder Ritter soll einen Sonntag um den andern der 
Gesellschaft einen Rittergesang vorlegen." 

So verschieden lauten die Aussagen über diesen Orden. 
Sie haben teils harmlosen, teils gefährlichen Charakter. 
Welche Entscheidung die Universität über diesen Orden traf, 
wissen wir nicht, die Akten schweigen darüber. Doch wirft 
dieser Orden Licht auf das Wesen solcher Gesellschaften, 
bei denen sich — ich erinnere an eine ähnliche Erscheinung, 
den Mopsorden — gewisse literarische Interessen mit phan- 
tastischen Spielereien verbanden. 

b. Der Amicistenorden. 

Nach Fabricius^) ist der Amicistenorden in Jena 1771 
ans der Mosellaner Landsmannschaft hervorgegangen. Er 
hat die grösste Bedeutung unter den Orden erlangt und auf 
fast allen protestantischen Universitäten seinen Sitz gehabt. 
So fehlte er auch in Frankfurt nicht. Allerdings wird er in 
den Untersuchungsakten der Studentenverbindungen nicht 
erwähnt, aber Laukhard^) berichtet, dass die Amicisten dort 
1778 und 1790 bestanden hätten. Sonst wissen wir nichts 
darüber, als dass im Jahre 1811 von mehreren Universitäten, 
zn denen auch Frankfurt gehörte, über die Wittenberger 
Amieisten und Constantisten der Verruf verhängt wurde. 
Das ist auch zugleich die letzte Spur des Ordens. 



*) Die Studentenorden, S. 34. 

«) Leben und Schicksale, I. Teil, Hallo 1792, S. 157. 



— 78 ^ 

c. Der Constantistenorden. 

Nach den Mitteilungen Meters soll der Constantisten- 
orden am 23. Februar 1777 in Halle gestiftet worden sein *). 
Das bestreitet Fick*); er sagt, dass er schon auf anderen 
BfljyrrftitMen bestanden habe, bevor er nach Halle gekommen 

sei. B^ie afhar imA Ammr A-aflaffirnng iiiii jasu^ 

Fabricius bei — entscheiden si<jh ^afSr, dass die Hittter- 
loge in Halle war. Der Orden bestand ausserdem in Giessen, 
Erlangen, Heidelberg, Leipzig, Jena, Wittenberg, Göttingen, 
zweifelhaft ist es, ob er auch in Marburg existierte*), da- 
gegen gelangte er in Frankfurt zu grosser Blftte. 

Im Jahre 1782 hören wir zum erstenmal von der 
Existenz der Konstantisten in Frankfurt. Sie waren riiit den 
Indissociabilisten in Streit geraten und sollten als der 
schwächere Teil von der Obrigkeit zur' Denunziation und 
Tilgung der Orden verwendet ^werden*). Sie unterschrieben 
einen Bevers, in dem sie sich verpflichteten, ihre Verbindung 
aufzuheben und sich künftig unter keinerlei Namen und 
Vorwand zu verbinden, bei etwaigen Streitigkeiten nicht ge- 
meinschaftliche Sache mit einander zu machen, noch sich in 
andere Händel zu mischen. Unterschrieben ist dieser Bevers 
von folgenden 7 Konstantisten: 

A. S. Derling, K. F. Graf Posadowsky- 
P. J. Hegner, Wehner, 

B. Schmiedecke, C. F. Krüger, 
H. Tholen, F. Schmidt^)«). 

Damit Hess sich der Orden natürlich nicht beseitigen. 
Die Konstantisten hatten festen Fuss gefasst, sagt Fabricius '^) 



1) Otto Mejer, kulturgeschichtl. Bilder aus Göttinj?en, Linden- 
Hannover 1889 8. in Fabricius, die Studentenorden, S. 86. 

2) S. 388. 

•) Fabricius, die Studentenorden, S. 186 ff. 

*) S. 0. S. 61. 

») Fr. Arch. F. 32 No. 29. Über den Inhalt s. o. S. 61. 

*) Die Namen sind verglichen und korrigiert nach E. Fried- 
länder, Matrikel der fJniversität Frankfurt a. 0. 3 Bde. Leipzig 
1887—1891. 

'') Die deutschen Corps, S. 259 ff. 



— 79 — 

und ihre Loge führte die Bezeichnung C- — . In der Bio- 
graphie V. Helds (von Varnhagen von Ense) wird S- 3it 
berichtet, als Held im Frühjahr 1784 als Student nach 
Frankfurt gekommen sei, hätten sich die meisten Studenten 
in Landsmannschaften zusammengehalten, „Verbindungen 
der natürlichsten Art, denen über die üniversitätsjahre hinaus 
keine Dauer zu geben war". Daneben bestanden die Orden 
der Konstantisten und Amicisten; dem ersteren schloss sich 
Held an „und wurde schnell ein leidenschaftlicher Konstantist» 
befeuerte die Mitglieder, warb deren neue, dichtete Lieder 
für die Zusammenkünfte, trat ritterlich für die Ehre und 
das Ansehen des Vereins zum Waflfenkampfe vor und bewirkte 
mit Hüte einiger Freunde eine zweckmässige Reform und 
neue Fassung der Gesetze des Ordens." 

Bei einer Untersuchung im Oktober 1785*) wurde das 
Ordensbuch ausfindig gemacht, das die Gesetze der Kon- 
stantisten enthält und über den Zweck des Ordens Auskunft 
gibt. Eine allgemeine Einleitung geht voran; „Wenn auf 
Akademien Verbindungen gewählet werden, um zufriedener 
und glücklicher zu der Bestimmung zu gelangen, die nach 
dem Plane der Welt uns angewiesen ist, so ist diese Wahl 
höchst rechtmässig und jedes edlen Jünglings würdig. Da 
es aber deren so mannichfaltige giebt, die nur falschen 
Glanz von sich geben, wodurch nur das Auge des geübteren 
Menschenkenners dringen kann, die nur auf ihren Nahmen, 
nur auf furchtbare Ueberlegenheit ihrer Fäuste strotzen, in 
denen nur :>venigen gar nicht beglückenden, ja wohl gar ins 
Verderben stürzenden Einrichtungen statt haben, so ist bei 
diesem Schritte die äusserste Behutsamkeit nöthig. Und um 
desto mehr verdient das Band, welches edeldenkende Ge- 
müther zu den erhabenen Absichten verknüpfte, ihren Pfad 
sich wechselseitig mit Blumen zu bestreuen, sich die Dornen 
auszugäten — sich unter allen Umständen des Lebens brüder- 
liche Wohlthäter und Führer zu seyn — sich ununterbrochen zu 



1) Fr. Arch. F. 32 No. 30. Über d. Inhalt d. Aktenstückes 
s. 0. S. 63. 



-- 80 - 

diesen göttlichen Zwecken untereinander treu zu bleiben bis 
ans Ende — dies Band verdient eigentlich nur den Namen 
eines florirenden Ordens, und der Wunsch junger Studierender, 
die Weisheit und geselligen Tugenden zu ihren künftigen 
Idealen sich einsammeln und erwerben sollen. 

Jedes Gesetz, sollte es sich auch auf akademische Vor- 
urtheile gründen, jede Einrichtung, sollte sie auch aus Sinn- 
lichkeit herfliessen, rauss immer zu kurz vorhin erwähnten 
Eealitäten hinwürken,. und immer als Mittel zum Zweck ab- 
gewogen seyn. Unser Bund soll sich diesem Ideal so viel 
als möglich nähern; wie weit er sich wtirklich nähert, werden 
nachfolgende Gesetze und vorzüglich die Erfüllung derselben 
entscheiden. 

1. 

Es soll keiner in den Orden Fratrum constantia con- 
junctorura aufgenommen werden, der nicht folgendem requi- 
sitio entspricht.' 

1. Er muss ein redliches gutes wahrer Freundschaft 
fähiges Herz besitzen. 

2. Keinen veränderlichen Charakter verraten, sondern 
uneingeschränkter dauerhafter ewiger brüderlicher Zuneigung 
fähig seyn. 

3. Er muss wirklich diese Zuneigung gegen die Sub- 
jecte des Ordens fühlen. 

4. Alle Ordens-Brüder müssen ihn ebenso brüderlich 
uneingeschränkt lieben können — kein Hinderniss bei sich 
empfinden, ihn nicht von ganzem Herzen als ihren Mitbruder 
aufzunehmen. 

5. Es muss kein Flecken auf seiner Ehre haften und 
er muss sich nicht durch irgend eine zweideutige Hand- 
lung verächtlich oder allgemein verhasst gemacht 
haben. 

Nach diesem requisitio wird allemal die Wahl eines 
neuen Mitbruders getroffen. Die Vota müssen dabei über- 
einstimmend seyn, ein Contradicent schliesst den in Vor- 
schlag gebrachten recipiendum sogleich aus. 



— 81 — 

2, 
Da es bei dieser Verbindung so vielfältig häufige Fälle 
gibt, über das beste derselben etwas zu beschliessen, oder 
abzuändern, und über alles was den geringsten Einfluss in 
dieselben hat, sich mit einander zu besprechen, so soll der 
ganze Orden alle vierzehn Tage des Sonntags zwischen 11 
und 12 Uhr, sich versammeln, entweder bei dem Senior oder 
andern Ordensbruder, wo man am bequemsten beisammen 
seyn kann. 

3. 
Es ist die Pflicht von der grössten Wichtigkeit, dass 
jeder Ordensbruder mehr auf sich und die Untadelhaftigkeit 
seiner eigenen Handlungen und seines Betragens sehe, als 
dass er dieses bei seinem Mitbruder kritisiere. Und ein 
jeder rauss, wenn er etwa einmal von seinem brüderlichen 
Freunde kaltsinnig begegnet würde, mehr die Ursache davon 
in seinem eigenen Verhalten als bei seinem Freunde auf- 
suchen; er muss denn alles vermeiden wodurch er ihn nur 
im mindesten zu kränken geglaubt hat, alles mögliche an- 
wenden, wodurch er sich wieder die Liebe und das Zutrauen 
seines brüderlichen Mitgenossen erwerben kann. 

Niemand muss die Liebe und Güte seines Freundes 
geradezu ohne Verdienste um ihn als ein ihm gebührendes 
Recht fordern, sondern alles gute was ihm 'sein Mit-Bruder 
widerfahren lässt, als Gefälligkeit ansehen, wofür er mit 
allen Kräften sich zu bemühen habe, dankbar zu seyn und 
sich wiederum um seinen liebreichen Freund verdient zu 
machen. Die Beobachtung dieser 'heilsamen Kegel wird der 
Grund aller brüderlichen Einigkeit, Verträglichkeit, und 
dauerhaftesten Liebe seyn. Also hat vorzüglich jeder Ordens- 
bruder vorzüglich diese Grundpflichten mit ganzem Herzen 
zu erfüllen, widrigenfalls er es nicht thut und sich mit der 
grössten Unwürdigkeit, Mitglied unseres unverfälschten Bundes 
zu seyn, befleckt und die gänzliche Unterlassung dieser 
Pflichten als Lieblosigkeit, Ungestüm, Verachtung und Treu- 
losigkeit muss mit der exclusion aus dem Orden, der ewige 
brüderliche Freundschaft Liebe und Treue zum Zweck hat, 
bestrafet werden. 6 



— 82 — 

4. 
Vermöge dieser Vorschrift findet gar keine Zwistigkeit, 
keine Beleidigungen, kein Gezanke, kein Srfiimpfen und viel 
weniger handgreifliche Debatten unter diesen Bundesge- 
nossen statt. Da alle nur ein Interesse haben und die Ehre 
eines Ordens-Bruders auch die Ehre des andren ist, so 
müssen sie sich immer beistehen, immer als Brüder der 
Beständigkeit diesen Charakter behaupten, immer den Vor- 
theil ihres Mitgenossen als ihren eigenen ansehen, nie den- 
selben andern ausser dem Orden zuwenden, sondern sich nur 
immer einander selbst den Vorzug geben. Sie müssen stets 
nur eine Seele seyn, nichts einander böse auslegen, und 
noch weniger hinter dem Rücken sich verkleinern, sondern 
in ihrem ganzen Betragen und in den kbünsten Äusserungen 
beweisen, dass sie wahre Brüder sin'd. F/enndschaft liehe 
Scherze und lustige Auftritte, die zur Aufmuntening dienen 
und nicht unter ihren Würden sind, sind immer erlaubt. 

5. 

Kein Ordensbruder soll dem andern in seinen Ver- 
gnügungen, die nicht unglückliche Folgen für ihn haben, 
hinderlich seyn, sondern vielmehr alles beitragen ihm das 
Leben so angenehm als möglich zu machen. 

6. 

Es muss keiner gegen andre ausser dem Orden gross- 
thun oder renommiren oder gar ohne Ursache Leute touchiren 
oder thätlich beleidigen, vielmehr soll jeder die Pflichten 
der allgemeinen Menschenliebe beobachten und durch herab- 
lassende Höflichkeit, Artigkeit und gute Sitten sich bei allen 
einen guten Namen ^u machen und sich dadurch zu signali- 
sieren suchen. 

7. 

Es muss jeder Ordens-Bruder gewisse Zeit den Studien * 
widmen und zwar in dem Masse, dass er in der Zukunft 
nicht mit Abscheu auf seinen Wandel und mit Reue an 
seine verschwundenen Jugendjahre zurückdenken darf, sondern 
wenigstens so viel Kenntnisse sich erworben, dass er der 
Bestimmung gewachsen ist, für die er sich erklärt hat. 



— 83 — 

8. - 

Zum Beschluss dieser wichtigen Punkte wird noch ge- 
boten, dass alle Ordensbrüder die Achtung, ohne welche 
ächte Freundschaft nie bestehen kann und die sich auch 
die vertrautesten Personen in der menschlichen Gesellschaft 
nicht versagen, dass alle Ordensbrüder diese Achtung in 
ihren allen Begegnungen sich einander bezeigen und dass 
sie in allen ihren Beginnen gegen einander eine erhabene 
und edle Denkungs Arth blicken lassen.'' 

Daran schliesst sich der Eid, den der Becipiend leisten 
musste. Er lautet: 

„Ich — — schwöre zu Gott dem Allmächtigen einen 
wahren leiblichen Eid, dass ich, so viel an mir liegen 
mag und in allen meinen Kräften stßht, diese eben verlesene 
Gesezze auf das treulichste beobachten, in allen Stücken 
und Punkten denselben auf das genaueste nachleben, dass 
ich reine und unverfälschte Treu« gegen diese meine Ordens- 
brüder beweisen will, bis ans Ende meines Lebens, so wahr 
mir Gott helfe!" 

Ähnlich wie dieser Eid der Konstantisten lauten auch 
die Receptionseide der übrigen Ordensverbindungen. So gab 
der Becipiend bei der Aufnahme in den Amicistenorden dem 
.Senior einen Handschlag mit ungefähr folgenden Worten^): 
„Ich N.N. verspreche den mir vorgelesenen Gesetzen aufs 
Genaueste nachzuleben, mich nie' ohne die höchste Noth vom 
Orden zu trennen, seinen Nutzen auf alle Weise zu befördern 
und allen Schaden nach meinen Kräften von meinen Brüdern 
abzuwenden, so gewiss als ich denke, als ein rechtschaffner 
Mensch und Bursche zu leben." 

Zu dieser Zeit, da die Behörde auch das Gesetzbuch 
des Ordens kassierte, gehörten zu ihm folgende Mitglieder: 

Joh. Daniel Stock, Carl Friedrich Bornemann, 
Christian Gottlob Ciamann, Carl Ludwig Curts, 
Joh. Friedrich Heinrich Böttcher, August Gottfried 
Pfeil, August Benjamin Scharff. 



*) Fr. Arch. F. 32 No. 30. Über den Inhalt d. Aktenstuckes 
i, 0. S. 63. 

6» 



— 84 — 

Auch andere kamen noch in Verdacht, dem Konstantisten- 
orden anzugehören, konnten dessen abier nicht überführt 
werden. Curts, der schon in Halle Konstantist gewesen, 
war mit mehreren andern von dort verwiesen worden und 
hatte in Frankfurt die Verbindung fortgesetzt. Aus seiner 
Aussage vor dem Rektor Schneider ersehen wir, dass zur 
Zeit der Entdeckung des Ordens kein Senior mehr an der 
Spitze des Ordens stand. Der Senior hatte weiter keinen grösseren 
Vorteil oder Vorzug als eine höhere Achtung. Er vereidete 
die neueren Mitglieder, legte Streitigkeiten zwischen Ordens- 
brüdern bei und hielt sie zu ihren Pflichten an. Das äussere 
Zeichen des Ordens war ein silbernes, vergoldetes Kreuz mit 
einem Totenkopf unten und einem Herzen in der Mitte. 
Auf dem Kreuze standen die vier Bnchstaben: 

V.F.C.C. 

Vivant Fratres Constantia Conjuncti^). 

Dieses Ordenskreuz trugen die Ronstantisten -in Halle 
auf der blossen Brust, bis es ihnen von der Behörde ab- 
genommen wurde. Danach war es nur noch Sitte, dass jeder 
Ordensbruder bei seinem Scheiden aus dem Orden sich ein 
Ordenskreuz machen liess. Durch den bereits oben wörtlich 
angeführten, gedruckten Anschlag vom 12. Januar 1786 wurde 
der Orden der Konstantisten untersagt. Wie wenig Erfolg . 
dieses Verbot hatte, zeigt eine Untersuchung aus dem Jahre 
17892), ^ie das Gerücht, dass der Konstantistenorden noch 
bestehe, veranlasst hatte. Die Studenten Heinrich Fried- 
rich Kettel, Ernst Friedrich Wilhelm Koser, Johann 
Guderian, Carl Gottlob Lehmann, Johann Nehring, 



*) Fabricius, die Studentenorden, S. 86 gibt nach Mejer 
als Chiffre der Konstantisten die Buchstaben F. C. C. d. b. Fratres 
Conjuncti Concordiae an, auch 2 verschlungene C sollen dazu gedient 
haben, bemerkt aber dazu, dass in seinen zahlreichen, von Konstan- 
tisten herrührenden Stammbuchblättern keine dieser Chiffren zu finden 
sei. Nach Fabricius waren auch drei f mit darumgeschlungencn C 
(fidelis frater fratrum Constantiae) ein Constantistenzeiehen. 

«) Fr. Arch. F. 32 No. 31. So. o. S. 66 über d. Inhalt d. 
Aktenstückes. 



-•■K* 



— 85 — 

Friedrich Fischer gaben zu, dass sie bis zum 12. November 
1788 in dem Konstantistenorden gewesen seien; an diesem 
Tage hätten sie aber dep Orden freiwillig aufgelöst und ihre 
Statuten verbrannt. Ordenskreuze hätten sie nicht besessen. 
Wir hören jetzt lange Zeit nichts von den Konstantisten. 
Erst wieder im Januar 1797 werden durch eine Denunziation 
starke Verdachtsmomente für das Bestehen des Ordens zu 
Tage getSrdert. Wir erfahren nun auch, dass die Ordens- 
brüder blaue Bänder an den Mützen trugen und die Ver- 
bindung der Konstantisten im Gegensatze zu den Kränzchen, 
die nur die TJniversitätsjahre hindurch dauerten, über 
dieselben hinaus sich erhielt, indem ein Mitglied des 
Ordens dem andern beistand ^). Dass der Verdacht gegen 
die Konstantisten sich nicht zu Unrecht erhob, zeigt ein 
Kgl. Erlass vom 23. April 1798. In demselben heisst es: 
„Es haben sich neuerdings Anzeigen hervorgethan, dass auf 
dortiger Akademie, unter jungen Leuten der Unfug mit dem 
Konstantisten- Orden getrieben wird. Wäre dieser Orden 
eine, von den sonst gewöhnlichen auf Thorheit und Leicht- 
sinn gegründeten Verbindungen der Universitäten, so möchte 
er die Aufmerksamkeit der Regierungen in einem weniger 
hohen Grade erregt haben als gegenwärtig, da man in seinen 
Statuten die gefährlichsten und frevelhaftesten Sätze gegen 
die Ordnung und Ruhe des Staats und gegen die ehr- 
würdigsten und heiligsten Verpflichtungen der Religion 
entdeckt hat. Wir befehlen Euch demnach hiermit, auf die 
Euch anvertraute und Eurer Führung übergebene Jugend das 
sorgfaltigste Augenmerk zu richten, und alles anzuwenden, 
um diesem Unwesen, welches durch ruchloses Bemühen 
die Hoffnung des Staats in der Blüthe seiner Jugend zu ver- 
giften trachtet, auf die Spur zu kommen, und Uns, sobald 



^) Fr. Arch. F. 32 No. 35. Denunziationsakten, den Konstantisten- 
orden betreffend. Sie enthalten ausführliche Verhörprotokolle vom 
18. Januar bis zum 24. Februar; die Resultate des Verhörs werden 
den Senatsmitgliedern vorgelegt, die ihre Vota darüber abgeben. Bei- 
gegeben sind (xcsetze des schlesischen Kränzchens. 



- 86 — 

Ihr mit Gewissheit etwas davon entdecken solltet, sogleich 
Eure pflichtmässige Anzeige zu machen^)." 

Dieser Erlass übertreibt die DiSge doch zu sehr. Wir 
haben bereits oben gesehen, dass keine Veranlassung vorlag, 
die Orden für besonders gefährlich zu halten. Für die 
obige Behauptung der Eegierung, dass main in den Statuten 
der Konstantisten „die gefährlichsten und frevelhaftesten 
Sätze gegen die Ordnung und Ruhe des Staats und gegen 
die ehrwürdigsten und heiligsten Verpflichtungen der Religion 
entdeckt" habe, ist ein Beleg nicht zu finden. Wenn sich 
wirklich der Missbrauch des Eides einschlich — für Frank- 
furt lässt sich das nicht feststellen — so war es das traurige 
Verdienst der zwar von den besten Absichten, aber nicht 
immer von der besten Einsicht geleiteten Behörde. Wäre 
der Orden geduldet und nicht zu mystischer Geheimnisthuerei 
förmlich gezwungen worden, hätte man ihn in voller Öffentlich- 
keit sich bewogen lassen, dann wäre er vielleicht ein Segen 
für die Studenten und die Universität geworden. Unter den 
obwaltenden Umständen aber nahm er geheime Zeichen, ja 
eine ganze geheime Schrift an, die uns aus einem Bericht 
der Universität Jena an die Frankfurter Viadrina vom 
21. Aprü'l798 erhalten sind^): 

Das gewöhnliche Alphabet, 
a. b. c. d. e. f. g. h. i. 

A^ ^. ä>. 6. A. £ i ^. it 

k. 1. m. n. 0. p. q. r. 



1) Fr. Arch. F. 32 No. 47. Der Inhalt bereits oben S. 67 ff. 
angegeben. 

*) Fr. Arch. F. 32 No. 47. Der Inhalt des Aktenstückes ist 
schon oben S. 67 ff. angegeben. 



s. 



u. 



— 87 — 



w. 



f ^. J- £ X ^. A 

Das geheime Alphabet ist folgendes: 
Es fehlen darinnen gleichfalls das x nnd y. Daher 
werden sie wieder in natura gemacht. 



d. 



e. 



f. 



g- 



9- 



h. 



oO 


X. 


1- 




+• 


ffr 


X 


> 


\ 








y 


1 






i- 








^ 








i. 


k. 


1. 


m. 


n. 


0. 




q- 


k 








u 




X. 





u. 



V. w. 



z. 



r 


4- 


?c. X. 




AS. 


heisst Berlin 


ES. heisst 


Jena 


BS. 


„ Halle 


FS. „ 


Göttingen 


CS. 


„ Frankturt a/M. 


GS. „ 


Heidelberg 


DS. 


„ Helmstädt 


HS. „ 


Erlangen 


JS. 


„ Eostock 


KS. , 


Leipzig 



i- 



88 



+S+ 


7> 


Senior 


+s 


n 


Consenior 


A 


= 


Convent 



'^y = Secretair 
= Loge 



FZ oder DB = unser Bruder. 
HA = antragen 

+ Bruder = Ordensbruder 



= ßeception und 
recipiren 
FZ'oäßi* BD unsere Brüder 
yk = recipiendus 

yk = recipiendi 



Z^oÄerl 



21 — XXIII = vid. Const. als der 21stc und 23ste Buch- 
stabe des allgemeinen Alphabets v. ^C. vor und rückwärts 
gezählt. 

iSW^VTÄ^ = Bleib unserm Bunde getreu. 
/J i^T*^ = Bleib getreu. 

_cr^ = vivant fratres Constantia conjuncti 

= vivat foedus Const. oder vivant Fratres. 
= floreat foedus fratrum Constantiae. 



h^ f) 9 = vivant fratres Constantiae conjuncti. 




(D 







Mit dem Jahre 1798 hören die Nachrichten über die 
Existenz des Konstantistenordens in Frankfurt gänzlich 
auf. Auf anderen Universitäten bestand er noch weiter, so 
in Heidelberg noch 1805^), in Jena hielt er sich bis 1809, 
in Wittenberg sogar bis 1811'). 



*) Nach Fabricius, die Studentenorden, S. 86 machte man 
dieses Zeichen, das die 8, die „heilige" Zahl der Konstantisten dar- 
stellte, auch umgekehrt, 

1) Heyck, S. 6 nach Winkelmann II S. 338 (No 2ft34). 

^) Fabricius, die Studentenorden S. 87. 



— 89 — 

d. Der Unitistenorden. 

Neben den Konstantisten nahmen die ünitisten auf 
der Frankfurter Universität eine herrschende Stellung ein. 
Sie sind offenbar auch in Halle und um 1771 entstanden, 
wo sie ebenfalls neben den Konstantisten eine grosse Rolle 
spielten^). Der Orden ünitas bestand ferner in Jena, 
Leipzig, Wittenberg, Rostock, Erlangen und Göttingen. , Die 
Gebrüder Keil*) rühmen den ünitisten nach, dass sie sich 
durch gute Kleidung vor den anderen auszeichneten und mit 
auffallendem Eifer dahin strebten, möglichst viele reiche und 
angesehene Leute an sich zu fesseln, wahrscheinlich um durch 
dieselben einen desto grösseren Einfluss im Staatsleben zu 
erlangen. 

Vom 3. Juni 1782') begegnet uns in den üntersuchungs- 
akten der Verbindungen in Frankfurt ein Revers, den vier 
frühere ünitisten, die Studenten Ph. J. Bernacki, S. W. 
Weitzmann, F. H. Frey tag und C. F. G. Rhau unter- 
schrieben haben. Sie geben darin die Versicherung ab, dass 
sie ihren Orden bereits aufgehoben und Gesetzbuch und 
Ordensinsignien vernichtet haben und geloben auf ihr Ehren- 
wort, sich nie wieder zu einer ähnlichen Verbindung zu- 
sammenzufinden^). Der Orden bestand also bereits zu Beginn 
der 80er Jahre auf der Frankfurter Viadrina. Im Jahre 1785 
wurden der Teilnahme an diesem Orden die Studenten Joh. 
Carl Christ. Thal, Gustav Gotthilf Bandelow, 
GhristianFriedrich Breyer, Ernst TraugottLehma nn, 
August Friedr. von Kunow, Albert Leopold Schall, 
Carl Gottfried Assmann, und Carl Wilhelm Dietrich 
überführt. Zwar wurde auf Grund einer Kgl. Verordnung 
der unitistenorden verboten, doch musste ein anderer Kgl. 
Erlass vom 12. September 1789 sich wieder speziell mit 



^) Fabricius, die Studentenorden, S. 88, d. deutschen Corps, S. 74. 

2) Eich u. Roh. Keil, S. 184. 

^) Wenn Fabricius, die deutschen Korps S. 76, sagt, dass der 
Orden 1783 von Halle aus zuerst nach Jena kam, so ist das wohl ein 
Irrtum; denn schon vorher finden wir ihn in Frankfurt. 

*) Fr. Aren. F. 32 No. 29. Über den Inhalt s. o. S. 61. 



□n 



— 90 — 

den Unitisten befassen und die Bestrafung derselben an- 
ordnen. Besonders streng sollten die Senioren und Sub- 
senioren und diejenigen bestraft werden, die andere Studierende 
zum Eintritt in den Orden bewogen. Aus der Untersaehung 
ergibt sich auch, dass der Orden Statuten und Gresetze und 
Ordenszeichen hatte. Das Ordenszeichen bestand in einem 
silbernen Kreuz, auf dem die Buchstaben: 

ü. J. A. F. 
standen; das bedeutet: 

ünitas jungit amicos fideles. 

In Halle wurde das Kreuz an einem orangefarbenen 
Bande getragen und zeigte zwei gekreuzte Degen. Das ist 
wahrscheinlich auch in Prankfurt so geweseA. Die Ordens- 
zahl war die 3, geschrieben -rV- 0- 

Von 1789 ab hören wir lange Zeit nichts von den Uni- 
tisten. Eine Denunziation aus dem Jahre 1793 stellte sich 
als unbegründet heraus^). Erst zu Beginn des neuen Jahr- 
hi;inderts wird von Halle aus der Versuch gemacht, den 
Unitisten orden wieder herzustellen. Zu diesem Zweck war 
Johann Friedrich Ludwig Christoph Jahn, der in 
Halle 2 Jahre Theologie und weitere 2 Jahre Philosophie 
und Geschichte stiidiert hatte, im Juli 1801 nach Frankfurt 
gegangen.^ Er selbst war in Halle Unitist gewesen und 
suchte nun in Frankfurt für seinen Orden zu wirken. Er 
zog eine Eeihe Studenten^) an sich und machte ihnen den 
Vorschlag Zusammenkünfte abzuhalten, in denen sie sich 
mit gelehrten Arbeiten beschäftigen sollten; auch sollte einer 



1) Fabricius, die deutschen Korps, gibt auf S. 74 und auf 
Zirkeltafel I näheres über Ordenszahl, Wahlspruch und Ordenszeichen 
der Unitisten. 

2) Fr. Arch. F. 32 No. 33. Ein Verhörprotokoll. Die Unter- 
suchung ist ohne Ergebnis. 

^) Jahn gibt in einem Brief an einen Ordensbruder die Zahl 
von 18 Studenten an; s. Fr. Arch. F. 32 No. 45. Das Aktenstück 
epthält das Protokoll, das über die Aussagen Jahns in Leipzig auf- 
genommen wurde, und einen Brief Jahns vom 21. Dez. 1801 an den 
Herrn von Schütz in Wittenberg 




— 91 — 

den andern bei Qeldmangel unterstützen. Langsam impft« 
er ihnen den Ordensgeist ein und hatte sich gerade auf den 
Weg nach Leipzig gemacht, um die Genehmigung der dortigen 
Loge zur Reception der hiesigen Studenten einzuholen, als 
die Obrigkeit hinter seine Pläne kam und sie vereitelte. 
Die Bestätigung für die Frankfurter Tätigkeit Jahns im 
Dienste seines Ordens gibt uns ein Brief, der am 14. Fe- 
bruar 1802 für ihn in Frankfurt einging, als er die Stadt 
bereits verlassen hatte. In dem Briefe heissst es: 

„Lieber Bruder! So sehr es uns immer zur ausser- 
ordentlichen Freude gereicht von Dir einen Brief zu erhalten, 
so war doch die Wonne, die uns der Inhalt Deines letzten 
Briefes machte, mit nichts zu vergleichen und keines Zu- 
sftizee fähig. Wir wünschen einmüthig Glück zu der neu 
gestifteten | ] und erkennen alle Glieder derselben als unsere 
innigsten Brttder an u. s. w. ^)" Aus diesem Briefe ersehen 
wir, dass auch die ünitisten geheime Zeichen hatten. 
Obiges I i bedeutet wohl „Loge". Wittenberg wird durch 
lll wiedergegeben, Frankfurt durch HIH. An Stelle 
ihrer Namensunterschrift setzten sie bestimmte Zeichen, durch 
die sie untereinander kenntlich waren. Am 28. März 1802 
entsagten mehrere Studenten in einem Revers des Unitisten- 
ordens, indem sie bereuten, dass sie sich „von dem Kandidaten 
Jahn unter Vorspieglung einer bloss litterarischen Gesell- 
schaft verleiten Hessen, in eine durch die Gesetze hart ver- 
pönte Ordensverbindung, welche den Namen der ünitisten 
führet, treten zu wollen." Diesen Revers unterzeichneten: 
Stephan Fuhs, J. W. A. Dütschke, 

J. F. Tetschke, C. Brosig, 

C. A. Lange, S. Hörn, 

C. Witte, Gh. L. Hollmann^). 



^) Eine Abschrift dieses Briefes findet sich im Fr. Arch. F. 32 
No. 43. Ausserdem ist darin ein umfangreiches Verhörpro tokoH wegen 
Hetablierung des Unitistenordens. 

«) Fr. Arch. F. 32 No. 44. Es enthält die Vota der Senats- 
mitglieder in der Untersuchung gegen die geheimen Ordensver- 
bindungen und die hierauf erlassenen Verfügungen. Das Aktenstück 
ist sehr umfangreich. (150 Blatt). 



— 92 — 

Damit war der Unitistenorden von der Frankfurter 
Universität verschwunden. In Jena hielt er sich bis zum 
Jahre 1809, über 1802 hinaus vielleicht auch nocli in 
Wittenberg und Leipzig. 

e. Der Orden der Inviolabilisten. 

In Frankfurt war der Orden der Inviolabilisten schon 
ziemlich früh Gegenstand behördlicher Verfolgungen. Schon 
im April 1772 finden wir eine Untersuchung über ihn. Es 
heisst darin, däss dieser Orden noch nicht aufgehört habe, 
sondern seine Existenz fortsetze. Wir werden also seine 
Entstehung etwas, wenn auch nicht ' viel früher ansetzen 
müssen. Die Ordensritter trugen einen Orden in Gestalt 
eines Triangels varn an der Brust ^). Im Januar 1776 
werden in einem lateinischen , Anschlag die Orden, nament- 
lich der „Ordo Inviolabilis" bei vStrafe der Eelegation und 
Androhung der Berichterstattung an den König verboten. 
Die Ordensinsignien sollten vernichtet, die Zusammenkünfte 
der Ordensbrüder gänzlich aufgehoben werden. Dieser An- 
schlag wurde im April 1781 wiederholt. Im Juni 1782 
mussten 3 Inviolabilisten, die bereits Ende 1781 ihi'en Orden 
freiwillig aufgegeben hatten, die Studenten Johann von 
Niesenburg, Emanuel Pauer und Konrad Engelbert 
Oe Isner, noch einmal schriftlich auf ihren Ordeii verzichten ^). 
Das war die letzte Eegung dieses Ordens an der Frankfurter 
Yiadrina. 

f. Der Orden der Indissociabilisten. 

Den Indissociabilisten begegnen wir in Franklurt um 
das Jahr 1782, wo sie mit den Konstantisten eine Fehde 
hatten und offenbar die Stärkeren waren, wie aus dem Kgl/ 
Erlass vom 23. Mai 1772 hervorgeht: „Es ist uns glaubhaft 
angezeiget worden, dass dort einige so genannte Orden unter 



*) Fr. Arch. F. 32 No. 28. Das Aktenstuck bringt nur einige 
kurze Untersuchungsprotokolle über den Inviolabilistenorden. Anlass 
zu der Untersuchung war eine Denunziation. 

2) Fr. Arch. F. 32 No. 29. Über den Inhalt s. o. S. 61. 



93 — 



den Studenten eingeföhrt sind, deren einige sich Indisso- 
ciable, die andern hingegen Constantisten nennen, und 
dass zwischen diesen Orden jetzt eine Art von Fehde sub- 
sistiere, die da wahrscheinlich niachet, dass die Konstan- 
tisten als der schwächere und gedrückte Teil u. s. w." 

15 Mitglieder hatte der Orden in diesem Jahre. Sie 
Wessen : 

Johann Daniel Bauerhunn, 

Johann Wegner, 

August Wilhelm Tobold, 

Carl August Fleischmann, 

Carl Kleiner 

Johann Christoph Heino Schmidt? 

Johann Gottlieb Daleke, 

Joh. Carl Aug. Ferdinand Pape, 

Gottlieb Heinrich Schulze, 

Ernst Gottlieb Bayer, 

Carl Friedrich Brunstein, 

Wilhelm Leopold von Rochow, 

Alex, von Monkiewicz, 

E. von Bredow, 

Carl Friedrich Heinrich von Enkevort. 

Sie lösten ihre Verbindung auf und leisteten schriftlich 
darauf Verzicht. Born hak behauptet, dass die Inviolables 
das Verbotsrecht der Obrigkeit bestritten i). Die ünter- 
suchungsakten bieten dafür keinen Anhalt. Somit fällt auch 
die Stütze, die Bornhak sich hieimit für seine Behauptung 
zu schaffen suchte, dass die Orden von radikalen Freiheits- 
ideen erfüllt gewesen seien. Nach 1782 hört man nichts 
mehr von dem Orden der Inviolabilisten. 

g. Das Märkische Kränzchen. 

Müller sagt in seiner Geschichte des Corps Silesia, 
S. 17: „Im Besitze der Berliner Marchia befindet sich eine 
alte Corpschronik, die berichtet, dass im Jahre 1786 in 

1) S. 83. 



— 94 — 

Frankfurt das märkische Kränzchen gegründet worden sei, 
das in der Kokarde die märkischen Landesfarben oran ge- 
weiss führte." Danach hätte also die Teilung des 1786 von 
dem bereits oben erwähnten Märker Grothe gegründeten 
Vereins noch in demselben Jalire stattgefunden und wir 
hätten auch für die übrigen Kränzchen 1786 als Gründungs- 
jahr anzusehen. Das märkische Kränzchen nahm nur ge- 
borene Märker auf. Wir hören von ihm in den Akten zum 
erstenmal im Jahre 1797^). Statuten und Gesetze hatte die 
Verbindung zu dieser Zeit nicht mehr. Die Mitglieder ver- 
sammelten sich alle Sonnabend in den 3 Kronen zu einem 
Abendessen. 

h. Das Pommersche Kränzchen 

nahm nur geborene Pommern auf. Da es mit der Zeit zu 
schwach wurde, vereinigte es sich mit dem märkischen 
Kränzchen im Jahre 1800 zu dem 

i. Märkisch-Pommerschen Kränzchen oder der 
Mär kisch-Pommer sehen Verbindung. 
Der Wahlspruch der vereinigten Märker und Pommern 
war: Succurre cadenti. Er fand sich bei einer Haus- 
suchung im März 1802 auf einem Pfeifenkopf aus weissem 
Porzellan neben dem Buchstabenzug: F. V. M. P, C. Die 
Farben des Kränzchens waren orange, auch orange-schwarz 
und orange-violett: Diese Farben paradierten als Kokarden 
an den Hüten, als Püschel an den Tabakspfeifen und an 
den KoUetts. Bald nach Vereinigung der beiden Kränzchen 
scheint ein Verfall der märkisch - pommerschen Verbindung 
eingetreten zu sein, denn aus den „Protokollen vom 27. Fe- 
bruar 1802 an, Sachen enthaltend, welche im vollzähligen 
Konvent zur Sprache gekommen sind", ersehen wir, dass am 
2. März 1802 eine völlige Eestauration der Verbindung er- 
folgte. Ein Senior, zwei Vorsteher und ein Sekretär wurden 
gewählt. Die Mitglieder zahlten monatliche Beiträge. Wer 



1) Fr. Arch. F. 32 No. 35. Über den Inhalt s. o. S. 85. 



— 95 — 

aus diesem oder einem anderen Kränzchen austrat,musste 
folgende schriftliche Erklärung abgeben: Ich gebe hiermit 
mein Ehrenwort, da ich aus der Verbindung entlassen werden 
soll, weder von alledem, was ich von der Verbindung und 
ihren Gesetzen weiss, etwas gegen jemanden zu sagen, noch 
in eine Verbindung wieder zu treten^)". Aus dieser Er- 
klärung ersehen wir, dass das Kränzchen seine Gesetze auch 
geheim hielt. Eine Eingabe der Märker und Pommern an 
den Rektor vom 18. März 1802 enthält den „Inbegriff der 
neueren Vorschriften, nach welchen die Märker und Pommern 
während ihres Aufenthaltes auf der Akademie zu handeln 
sich gegenseitig versprachen*)." Folgende Einleitung geht 
voran: „Ehe wir eine Übersicht von den Gesetzen selbst 
geben, sey es uns erlaubt, die Veranlassung zu ihrer An- 
fertigung anzugeben. Der Zweck, den die ersten Stifter 
unserer Vereinigung bey Abfassung ihrer Gesetze vor Augen 
hatten, war von der Art, dass wir auch für die jetzigen Zu- 
stande nichts passenderes aufstellen könnten; allein mit der 
Länge der Zeit haben sich die Verhältnisse der Studierenden 
ungemein verändert. Viele Hindernisse, welche ehemals 
stattfanden, sind jetzt aus dem Wege geräumt, die Mittel, 
welche damals zur Erreichung jenes Zweckes angewendet 
werden mussten, sind jetzt nicht mehr nötig. — Die Stifter 
unserer Vereinigung bestrebten sich, die Orden zu vertilgen ; 
wir haben nur nötig ihre Entstehung zu verhindern. Jene 
waren bemüht, sich vor den Gewaltthätigkeiten ihrer Feinde 
zu sichern, wir dürfen nur auf Mittel sinnen, das gute Ver- 
nehmen, in welchem wir mit einander stehen, zu erhalten 
und zu vermehren. 

Dies und mehrere andere kleine Umstände, welche aus 
den Gesetzen selbst hervorleuchten, machten neue Vorschriften 
nötig, welche mit unserer Lage und Denkart genau überein- 
stimmten. Folgende 24 Punkte machen den Hauptinhalt 
derselben aus: 



*) Fr. Arch. F. 32 No. 4 1 . Der Inhalt bereits angegeben S. 45. 
*) Fr. Arch. F. 32 No. 39. Das Aktenstück bringt nur die Ein- 
gabe der Märker und Pommern nebst ihren Gesetzen. 



tLTwm 



96 — 



1. 



Da unser Bestreben dahin geht, mit unserer Obrigkeit 
zu einem Zwecke zu arbeiten, so ist es die erste Pflicht 
jedes Märkers und Pommeraners, durch sein Betragen Achtung 
gegen die akademischen Gesetze zu beweisen. 

2. 

Der sicherste Beweis davon ist ausdauernder Fleiss und 
sittliches Betragen> Es darf daher wenigstens nie ein solches 
Mitglied in unserer Verbindung geduldet werden, welches 
sich durch Faulheit, unanständige Kleidung und Sitten aus- 
zeichnet. 

3. 

Gegen andere Studenten muss ein jeder sein Betragen 
nicht nur nach den Gesetzen der Obrigkeit einrichten, sondern 
auch nach den billigen Vorschriften, welche wir unter uns 
selbst einfuhren. Es ist also nicht genug sich des niedrigen 
Eenommirens und solcher Beleidigungen zu enthalten, welche 
nach den Akademiöchen Gesetzen strafbar sind, sondern 
auch selbst der kleinen Neckereyen, welche in den Augen 
der Studenten als Beleidigung erscheinen können. 

4. 

Seinen eignen Landsleuten, besonders denen, welche 
durch gegenseitige Versicherung der Freundschaft und 
Bruderliebe genauer mit ihm vereinigt sind, ist er nicht nur 
alles das zu leisten schuldig, was im vorhergehenden Punkte 
von ihm gefordert wird, sondern auph die bey weitem grösseren 
Pflichten der Freundschaft, durch deren Unterlassung er sich 
dennoch 1er Exclusion fähig macht, wenngleich kein Gesetz, 
sondern sein eignes Gefühl ihm dieselben bestimmen kann. 

5. 

Veranlasst jugendliche Hitze ihn zum Streit mit einem 
seiner Landsleute, so wird ihm die Pflicht aufgelegt, ^ch 
entweder mit seinem Landsmann privatim zu vertragen, — 



— 97 — 

oder wenn er sich dazu nicht verstehen will, — es wenigstens 
dem Senior anzuzeigen und ihn zur Vermittlung aufzufordern. 
Glaubt sich indessen jemand noch zu sehr beleidigt, so steht 
es ihm auch frey, die Sache im Convente vorzutragen, wo 
dann nach den Gesetzen der Billigkeit Vorschläge zur Ver- 
söhnting gemacht werden sollen. 

6. 
Findet er auch hier nicht vollkommene Genugthuung, 
dann steht es ihm frey, dieselbe bei der Akademischen 
Obrigkeit nachzusuchen. 

7. 

Wählt er aber einen andern Ausweg, sich etwa mit 
eigner Hand selbst Genugthuung zu verschaffen, sey es nun 
mit dem Degen oder mit dem Stocke, so ist Exclusion eine 
unausbleibliche Folge davon. — Wer einmal excludiert worden, 
kann erst nach Verlauf eines halben Jahres wieder auf- 
genommen werden, und auch dann nur mit Übereinstimmung 
aller Mitglieder. 

8. 

Da die Angelegenheiten einer solchen Vereinigung nicht 
von allen zugleich besorgt werden können, so werden immer 
4 der vorzüglichsten Mitglieder dazu gewählt. 

9. 
Sie bestehen aus einem Senior oder Sprecher, zwey Vor- 
stehern oder Fechtmeistern und einem Secretär. 

10. 
Bey der Wahl des ersten wird besonders auf strenge 
Rechtschaffenheit des Characters, auf musterhaftes Betragen 
und vorzüglichen Fleiss und endlich auf Gewandtheit im Aus- 
druck gesehen. — Geschicklichkeit im Fechten hat auf die 
Wahl eines Sprechers keinen Bezug. 

11. 
Seine Pflicht ist auf genaue Haltung der Gesetze zu sehen, 
Zwistigkeiten beyzulegen, bey Begleitungen und anderen Feier- 

7 



— 98 — 

lichkeiten die nöthigen Anstalten zu treffen, und in unsern 
Versammlungen den Vortrag zu halten. 

12. 

Bey der Wahl der Fechtmeister oder Vorsteher wird 
mehr Fertigkeit in der Fechtkunst erfordert, indem es ihnen 
übertragen ist, darin Unterricht zu geben. — Übrigens wird 
bei ihrer Wahl auch so viel wie möglich auf jene moralische 
Beschaffenheit gesehen, welche von einem Senior gefordert 
wird, wie dies auch ihre übrigen Geschäfte, welche ihnen 
übertragen sind, nothwendig machen. 

13. 

Sie müssen nemlich den Senior in seinen Geschäften 
unterstützen, auch wenn dieser krank wird, dieselben ganz 
verwalten. Ferner müssen sie ihren Landsleuten die Stunde 
der Zusammenkunft ansagen, sie mit den Gegenständen des 
Vortrags vorher bekanntmachen und endlich für den guten 
Zustand des Fechtapparates sorgen. 

14. 

Als Secretair wird besonders ein solcher gewählt, welcher 
sich immer durch eine bestimmte und regelmässige Lebens- 
weise auszeichnete, besonders durch unausgesetztes Besuchen 
der CoUegien, gute Ökonomie u. s. w. Dies folgt ebenfalls 
aus den Geschäften, welche ihm übertragen sind. Er hat 
nemlich 

15. 

die Rechnungen von den Bey trägen zu führen, welche monat- 
lich aus 4 gg. bestehen und zur Anschaffung der Rappire 
und Fechthandschuhe bestimmt sind, — und die Beyträge 
selbst einzusammeln. Ferner die Beschlüsse des Convents 
niederzuschreiben, und bey ausserordentlichen Vorfällen, als 
Comitaten, Abendmusik, Unterstützungen armer Studenten 
uud anderer Hilfsbedürftigen, die Einsammlung zu über- 
nehmen. 



— 99 — 

16. 
Übrigens haben diese 4 Repräsentanten sowie auch alle 
Altere und Candidaten das Recht und die Pflicht auf sich, 
bey vorfallenden Streitigkeiten und besonders an öffentlichen 
Orten auf Ruhe zu dringen, jedoch freundschaftlich und mit 
Verweis auf unsere Gesetze. — Hört ein Mitglied diesen 
gutgemeinten Ermahnungen gar nicht, oder setzt es den- 
selben Beleidigungen entgegen, so wird dies der Versamm- 
lung angezeigt, und nach Befinden der umstände die Sache 
gütlich beygelegt oder derselbe excludiert. 

17. 
Keiner dieser 4 Repräsentanten ist zur Übernehmung 
dieser Geschäfte gezwungen; es hängt dies ganz von dem 
Willen eines jeden ab. 

18, 
Dieser Vereinigung selbst können nur Märker und 
Pommeraner beytreten, weil diese durch Schulbekanntschaften 
und andere kleine Umstände schon von selbst sich näher 
aneinander schliessen. 

19. 
Doch wird nicht jeder derselben dazu aufgenommen, 
sondern nur diejenigen, mit denen wir sämtlich in näherem 
Umgang zu stehen wünschen, und welche von sich erwarten 
lassen, dass sie gern die Regeln beobachten werden, welche 
bey uns eingeführt sind. 

20. 
Es hängt indessen ganz von der Willkühr eines jeden 
ab, ob er dieser Vereinigung beytreten will oder nicht. 

2L 
Bey der Aufnahme selbst finden keine Feyerlichkeiten 
statt, sondern ehe diese wirklich vor sich geht, werden ihm 
die Gesetze zur Durchsicht übergeben. Finden diese seinen 
Beyfall, und verpflichtet er sich dem Senior durch einen 
Handschlag zur treuen Befolgung derselben, so wird er 
einige Tage nachher von diesem mit einer kurzen Rede in 
die Versanunlung eingeführt. 



— 100 — 

22. 

Sogenanntes Receptionsgeld wird bey dem Eintritte nie 
gegeben, sondern jeder, der die Feehtkunst erlernen will, 
giebt 1 oder 2 rttl, je nachdem die Vermögensumstände 
eines jeden es erlauben, um dafür sogenannte Schulrappiere 
anschaffen zu können, welche dem Anfanger zuerst in die 
Hand gegeben werden. Übrigens ist jeder von allen Bey- 
trägen frey, welcher nur 100 Rttl jährlichen Wechsel hat. 

23. 

Der Austritt aus dieser Vereinigung steht einem jeden 
frey, nachdem er zuvor durch einen Handschlag versichert 
hat, nie in einen Orden zu treten, den Freymaürer-Orden 
ausgenommen. Jedoch ist es Pflicht von ihm die Beweg- 
giünde davon zu sagen, indem die Vereinigung sich nicht 
den Vorwurf machen will, als sey ihre Verfassung Ursache 
davon. Ist wirklich Unzufriedenheit mit seinen Landsleuten 
der Beweggrund, so ist es seine Pflicht, gerade und offen seine 
Meinung zu sagen, und darf dies nie als Beleidigung an- 
gesehen werden. Sind seine Forderungen gerecht, so sind 
die Mitglieder verpflichtet, dieselben für die Folge zu be- 
friedigen Beruht die Ursache seines Austrittes aber auf 
Familienverhältnisse oder ähnliche Umstände, so wird er 
freundschaftlich entlassen, und kann zu jeder Zeit auf unsern 
Beistand rechnen, sobald er dessen bedarf. 

24. 

Die Strafe der Exclusion ist die einzige die wir haben, 
und erfolgt auf jede Handlung, welche das Mitglied unserer 
Freundschaft und brüderlichen Liebe unwürdig macht." 

Die Mitgliederzahl der Verbindung wird von dem Kon- 
sistorialrat Steinbart im März 1802 auf 31 angegeben. Die 
Kränzianer erhielten von den Ordensbrüdern den Spottnamen 
„Schokoladenbrüder", weil sie bei ihren Zusammenkünften 
angeblich Kaffee oder Schokolade tranken^). Im Jahre 1807 



>) Fr. Arch. F. 32 No. 42. Den Inhalt des Aktenstückes bilden 
Verhandlungen vor dem akademischen Senat betreffs der Kränzchen 
vom 23. April bis 10. Juli 1802; ausserdem sind darin die Gesetze 
des Freuss. Kränzchens. 



— 101 — 

trennten sich Märker und Pommern wieder. Von den Pommern 
hören ^vir weiter nichts mehr, als dass bei Gründung der 
Universität Berlin daselbst von Frankfurter Studenten eine 
Landsmannschaft Pommerania gegründet, bzw. erneut wurde ^). 
Sie hatte die Farben blau- weiss *). Dagegen wissen wir von 
der märkischen Verbindung, die am 17. November 1807 
neu gestiftet wurde, dass sie .während der letzten 4 Jahre 
des Bestehens der Frankfurter Viadrina 11 ^ Mitglieder hatte. 
Als die Frankfurter Universität im Herbst 1811 mit der 
Breslaner vereinigt wurde, zogen die Studierenden zum weit- 
aus überwiegenden Teile nach Berlin, wo sich infolgedessen 
(las studentische Leben zunächst entsprechend dem der alten 
märkischen Landesuniversität entwickelte; insbesondere sehen 
wir in Berlin sofort eine Landsmannschaft Marchia, wie sie 
mit denselben Farben (orange- weiss) in Frankfurt bestanden 
hatte und auch in Breslau entstand'). In Berlin konstituierte 
sie sich von neuem im November desselben Jahres. Sie 
löste sich am 10. Februar 1813 infolge des Aufrufs zu den 
Waffen auf*). In Breslau stiftete im November 1811 nach 
dem Bericht des Stammbuches der Berliner Marchia „der 
brave und in Frankfurt sehr geschätzte Kandidat der Gottes- 
gelahrtheit, Herr Julius Kriele, zweiter Sohn des Predigers 
Kriele in Frankfurt a/0. eine Marchia", die im Januar 1812 
bereits viele Mitglieder zählte^). Durch die Freiheitskriege 
wurde alles studentische Leben jäh unterbrochen. Nach 
Beendigung der Freiheitskriege 1815 schlössen sich die 
Verbindungen wieder zusammen. Die Silesia et Marchia 
conjuncta bildeten 1815 das Corps Teutonia (schwarz-rot- 
weiss), das damals allein bestand und von der ganzen 
Studentenschaft in seiner führenden Rolle anerkannt wurde. 
Es wurde 1817 mit den Farben schwarz- rot-gold in eine 



») Müller, S. 18. . 

2) Fabricius, D. Deutschen Corps, S. 264. 

«) Fick, S. 419 ff. 

*) Fabricius, Die Deutschen Corps, S. 263 ff. 

ß) Ibidem, S. 262. 



— 102 — 

Burschenschaft umgewandelt, der jetzt alle ßenoncen deutscher 
Nationalität als vollberechtigte Mitglieder angehörten^). 

k. Das Schlesisehe Kränzchen. 

Erst vom Tage d«r Wiedervereinigung dieses Kränzchens, 
vom 20. September 1785 ab, stehen uns nähere Nachrichten 
darüber zur Verfügung. Wir besitzen die j^Grundregeln 
einer Freundschaftlichen Vereinigung zum Zweck des künftigen 
Wohls derselben, insbesondere aber der Eechtschaffenbeit, 
des Fleisses und der guten Sitten," die Geschichte und 
Zweck der Verbindung enthalten*). 

Sie wurden durch allgemeine Billigung am 6. Dezember 
1801 zum Gesetz erhoben. Es folgen diesen Bestimmungen 
128 Namen von Mitgliedern des schlesischen Kränzchens, 
die sich auf die Zeit von 1795 — 1802 verteilen. Wir sehen 
auch hier wieder, dass man sich nicht streng an den Geburts- 
ort hielt, indem auch Pommern und Südpreussen in den 
Bund aufgenommen wurden. Im Jahre 1796 treten einige 
Mitglieder des schlesischen Kränzchens zum Konstantisten- 
Orden über. Der Wahlspruch des schlesischen Kränzchens 
war: Virtuti Corona. Es bestand bis zur Auflösung der 
Universität in Frankfurt und nahm im Laufe der Zeit die 
Farben hellblau -weiss, nach einem Briefe Jahns- vom 21. 
Dezember 1801 die Farben schwarz - rosa an. In Breslau 
fanden sich die schlesischen Landsleute bald wieder zusammen 
und feierten am 11. November 1811 ihre Neugründung durch 
einen solennen Kommers. Alle Mitglieder der Frankfarter 
„Silesia'' traten dieser Breslauer Landsmannschaft bei, bis 
auf zwei^). Auch in Berlin wurde die Landsmannschaft 
„Silesia" erneut. Welches Schicksal sie später in Breslau 



1) Fick, S. 431. 

2) Fr. Arch. F. 32 No. 40. Über den Inhalt s. o. S. 56. Die 
Gesetze des Schlesischen Kränzchens bringe ich nicht zum Abdruck, 
weil sie den Statuten der Märkisch - Pommerschen Verbindung ent- 
sprechen und nichts Neues bringen. 

») Müller, S. 18. 



fW^ 



— 103 — 

hatte, haben wir bereits oben bei der Darstrilong des 
märkisehen Kränzchens gesehen. 

1. Das Preussische Kränzchen. 

Auch eine preussische Landsmannschaft entstand bald 
nach 1 786 in Frankfurt. Sie wurde auch das südpreussische 
Kränzchen genannt. Jeder rechtliche Student, der nicht 
Neumärker, Pommer oder Schlesier war, wurde darin auf- 
genommen ^). Zu derselben Zeit wie das märkisch-pommersche 
und das schlesische Kränzchen reichte auch das preussische 
einen Entwurf seiner Gesetze bei der Universitätsbehörde 
ein, um dadurch die Erlaubnis znr Fortsetzung der Ver- 
bindung zu erwirken. Dieser Entwurf wurde am 17. März 
1802 vorgelegt*). 

Die Zahl der Preussen im Jahre 1802 betrug 22. Ihr 
Wahlspruch lautete: amor patriae dulce concordiae 
vinculum. Sie trugen die Farben schwarz - weiss - schwarz, 
nahmen aber nach der Übersiedlung nach Breslau rot — 
aus den Breslauer Stadtfarben rot- weiss stammend — hinzu 
und führten von da an schwarz- rot- weiss'). Jahn gibt in 
dem oben erwähnten Briefe die Farben der Preussen auf 
grün -rot an. Die Annahme von Fabricius hat mehr Wahr- 
scheinlichkeit für sich. Nähere Nachrichten aus jener Zeit 
fehlen; keinesfalls hat die Borussia die Zeit der Freiheits- 
kriege überlebt*). 

Als Resultat ergiebt sich aus den Nachrichten der 
protestantischen Universitäten für die Orden und Kränzchen 
folgendes: Es besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen 
Orden und Kränzchen. Zwar wurden die Orden anfangs 



1) Geh. Staatsarch. Eeposit. 76, 11 190. 

*) Fr. Arch. F. 32 No. 38. Der Entwurf der Gesetze des preuss 
Kränzchens und eine Eingabe der Preussen um Erlaubnis zui Fort- 
setzung ihrer Verbindung bilden den alleinigen Inhalt des Aktenstückes 
Ich lasse den Wortlaut des Entwurfs hier nicht folgen, weil er nichts 
wesentlich Neues enthält. 

•) Fabricius, Die Deutschen Corps, S. 363. 

*) Ibidem. 



— 104 — 

eifrig verfolgt, während man die Kränzchen duldete; das 
hatte darin seinen Grund, dass man einen Zusammenhang 
der Orden mit den Freimaurern vermutete. Diese Vermutung 
wurde genährt durch bestimmte geheime Zeichen, die die 
Studentenorden den Freimaurern entlehnt hatten. Die 
Kränzchen hingegen wurden geduldet, weil sie, um so die 
Anerkennung der Behörde zu erlangen, den Kampf gegen 
die Orden auf ihre Fahne geschrieben hatten, sodass die Be- 
hörde in ihnen eine wirksame Waffe zur Ausrottung der so 
gefährlich scheinenden Oiden sah. Im übrigen waren die 
Orden ebenso wie die Kränzchen gesellige Vereinigungen, in 
denen die Mitglieder nicht selten zu ausgelassenem Treiben 
und unmässigem Leben angehalten wurden. Darum wurden 
auch später Kränzchen wie Orden unterschiedslos von der 
Behörde verfolgt. Dass in den Orden der Meineid gezüchtet 
wurde und sie so einen höchst verderblichen Einfluss auf 
einen Teil der studierenden Jugend ausübten, ist zwar viel- 
fach behauptet, aber niemals bewiesen worden. Das bestätigen 
auch die Frankfurter Akten über die Studentenverbindungen; 
denn aus all' den Untersuchungen, die im Februar^ Mai, 
Juni und Juli 1782, im Oktober und November 1785, im 
August 1792, im folgenden Jahre, im Januar und Februar 
1798, im Jahre 1802 und im März 1803 in Frankfurt a/0. 
über die Orden der Indissociabilisten, Inviolabilisten, ünitisten 
und Konstantisten angestellt wurden, ergab sich nichts, 
was einen wesentlichen Unterschied zwischen Orden und 
Kränzchen begründet hätte. Das war auch die Ansicht der 
Professoren, die am deutlichsten in dem von den meisten 
Professoren ' gebilligten Votum des Professor Berends im 
Jahre 1792 zum Ausdruck kam^). Die Regierung scheint 
im Grunde derselben Ansicht gewesen zu sein, denn in all' 
ihren Erlassen werden Orden und Kränzchen in gleicher 
Weise verboten. Nur der Bericht des der Untersuchungs- 
kommission der Verbindungen angehörenden Konsistorialrats 
Prof. Steinbart zeigt eine Abweichung davon. In seiner 



') S. 0., S. 65 ff. 



— 105 — 



Privatrelation werden die Kränzchen dem Schutz der Obrig- 
keit empfohlen, während die Orden, in denen sich „lauter 
Brauseköpfe vereinigen, welche renommieren wollen", die 
^homines facinorosos'' zu ihren Vorstehern wählen, der Ver- 
folgung preigegeben werden. Steinbart hat keine Tat- 
sachen anzuführen gewusst, die seine Behauptungen stützen 
könnten. Darum ist sein Urteil, das an mehreren Stellen 
eine Parteilichkeit für die Kränzchen zeigt, fast wertlos. 



r 



Ljöbonslauf. 



Ludwig Golinski, jüdischen Glaubens, Sohn des 
Kürschners Bernhard Golinski und seiner Ehefrau Johanna 
Golinski, geb. Seldis, ist am 15. Oktober 1879 in Lissa 
in Posen geboren. Er besuchte zuerst die jüdische Volks- 
schule, dann das Kgl. Komenius-Gymnasium seiner Geburts- 
stadt. Ostern 1899 erhielt er das Zeugnis der Reife und 
studierte von Oktober 1899 bis Oktober 1903 Geschichte 
und Philosophie an der Universität zu Breslau. Gleichzeitig 
gehörte er dem dortigen Rabbinerseminar als ordentlicher 
Hörer an. Während seiner Studienzeit hörte er die Vor- 
lesungen der 'Herren Professoren und Dozenten: 

DDr. Brockelmann, Caro, Cichorius. Ebbing- 

haus, Freudenthal, Kaufmann, Koch, Muther, 
.Schulte, Stein, Stern, Zacher, Brann, Horovitz, 

Lewy. 

Allen seinen hochverehrten Lehrern, besonders Herrn 
Prof. Dr. Kaufmann, der ihm die Anregung zur vorliegenden 
Arbeit gegeben und dieselbe durch seinen Rat wesentlich 
gefördert hat, stattet der Verfasser hierdurch seinen herz- 
lichsten Dank ab. Herzlichen Dank sagt er femer dem 
Geh. Staatsarchivar, Herrn Dr. Hegert, der ihm im Kgl. 
Geh. Staatsarchiv zu Berlin, und Herrn Universitätssekretär 
Richter, der ihm im Frankfurter Archiv der hiesigen Uni- 
versität die Arbeit nach Kräften erleichert hat. 



TY]e&er}. 



1. Die „neuen Nationen" des 17. Jahrhunderts stehen miti 

I 

den alten Nationen der mittelalterlichen Universitäten 

I 
nicht in Zusammenhang, aber sie bilden den Ursprung 

für das Verbindungsleben der Gegenwart. j 

2. Der Pennalismus ist älter als die Nationen des 
17. Jahrhunderts. 

3. Die Schreibart Widukinds von Corvey erinnert viel- 
fach an die biblische Diktion. 

I 

4. Spahns Charakteristik des ersten Preussenkönigs ist j 
als misslungen ^u betrachten. 

5. Treitschkes Urteil über Rotteck ist falsch und un- 
gerecht. 



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