tnitiinitmiaRWHntHiHtiifflUHaHHutimittmnninHiiBiamuiHiHfiflifiiinHWiutiiHRiiRHM
ilüiiiiiiiinm
iiiiiiiii'n
.„.Illlllll „illlllllllUl<mlllinilllmiilllllltt<il>mullllHlllll«iMllllllllllJ lllHllllr„,iiUllllnirt>r.mllMlHl..l;
1 DIESES EXEMPLAR TRÄGT DIE f
% ES WURDE GEDRUCKT FÜR f
i FRAU HENRIETtE |
I FREIFRAU VON SIMOLIN [
•"'"iillii "iiiiin" miiii lim ■niiu mn 'iimn" um Mimin"'-
DIE STUTTGARTER KUNST
DER GEGENWART
Robert Weise
König Wilhelm II. von Württemberg
Kgl. Hoftheater, Stuttgart
Robert Weise
Königin Charlotte von Württemberg
Kgl. Hoftheater, Stuttgart
DIE
STUTTGARTER KUNST
DER GEGENWART
HERAUSGEGEBEN MIT UNTERSTÜTZUNG
SR. MAJESTÄT DES KÖNIGS WILHELM IL
VON WÜRTTEMBERG, DER KGL. WÜRTT.
MINISTERIEN DES KIRCHEN. UND SCHUL.
WESENS UND DER FINANZEN, DER KUNST.
FÖRDERNDEN VEREINE STUTTGARTS
UND ZAHLREICHER KUNSTFREUNDE
STUTTGART 1913
DEUTSCHE VERLAGS^ANSTALT
DIE
STUTTGARTER KUNST
DER GEGENWART
IN GEMEINSCHAFT MIT
MAX DIEZ, EUGEN GRADMANN,
GUSTAV KEYSSNER, GUSTAV E.
PAZAUREK, HEINR. WEIZSÄCKER
BEARBEITET VON JULIUS BAUM
MIT 39 FARBTAFELN. 12 GRAVÜREN. 36 KUNST-
DRUCKTAFELN UND 229 TEXTILLUSTRATIONEN
STUTTGART 1913
DEUTSCHE VERLAGS^ANSTALT
c
c
Druck der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart
VERZEICHNIS DER STIFTER
SEINE MAJESTÄT KÖNIG WILHELM II. VON WÜRTTEMBERG
KGL. WÜRTT. MINISTERIUM DES KIRCHEN- UND SCHULWESENS
KGL. WÜRTT. MINISTERIUM DER FINANZEN
STUTTGARTER GALERIEVEREIN
VEREIN WÜRTTEMBERGISCHER KUNSTFREUNDE
VEREIN ZUR FÖRDERUNG DER KUNST
WÜRTTEMBERGISCHER KUNSTVEREIN
KURT VON ARNIM, TANGERHÜTTE — GEH. KOMMERZIENRAT FRIEDRICH
BLEZINGER, STUTTGART HOFRAT PETER BRUCKMANN, HEILBRONN —
PRIVATIER RICHARD CLESS, STUTTGART — RECHTSANWALT DR. JUR. KON-
STANTIN DEMMLER, STUTTGART — DEUTSCHE VERLAGS-ANSTALT, STUTTGART -
DR. JUR. GEORG VON DGERTENBACH, STUTTGART - GUSTAV DREHER, STUTT-
GART — KOMMERZIENRAT KARL ENGELHORN, STUTTGART - BRAUEREI-
DIREKTOR WILHELM FELDMÜLLER, STUTTGART — KOMMERZIENRAT ROBERT
FRANCK, LUDWIGSBURG — FRITZ FREIHERR VON GEMMINGEN-HORNBERG,
STUTTGART — FABRIKANT EMIL GMINDER, REUTLINGEN — FABRIKANT
ADOLF GROZ, EBINGEN - FABRIKANT ALBERT GUSSMANN, EBINGEN —
FABRIKANT MORITZ HORKHEIMER, STUTTGART — VERLAGSBUCHHÄNDLER
HEINRICH JACOBS, STUTTGART — KOMMERZIENRAT ADOLF KÄCHELEN, STUTT-
GART ~ FABRIKANT KORNELIUS KAUFFMANN, STUTTGART — ALBERT LANG,
STUTTGART - PRIVATIER LOUIS LAIBLIN, PFULLINGEN — FRAU MARIA LERCH,
HÖFEN ~ HERMANN LUTZ, MÜNCHEN — KONSUL MORITZ MARX, STUTTGART —
GEH. KOMMERZIENRAT DR. ING. PAUL VON MAUSER, OBERNDORF — GUSTAV
VON MÜLLER, STUTTGART — DIREKTOR KARL NESTEL, STUTTGART ~ KARL
VON OSTERTAG-SIEGLE, STUTTGART — KOMMERZIENRAT MORITZ PFLAUM f,
WIEN — SANITÄTSRAT DR. MED. FRANZ PIESBERGEN, STUTTGART— DR. OTTO
ROHM, DARMSTADT - FABRIKANT HEINRICH SCHEUFELEN, OBERLENNINGEN —
AUGUST SCHULER, STUTTGART — FRAU GEH. KOMMERZIENRAT GUSTAV VON
SIEGLE, STUTTGART - GEH. HOFRAT DR. ERNST VON SIEGLIN, STUTTGART —
HENRIETTE FREIFRAU VON SIMOLIN , STUTTGART — RUDOLF FREIHERR
VON SIMOLIN, MÜNCHEN - FABRIKANT OTTO STÄNGEL, STUTTGART-UNTER-
TÜRKHEIM — HEINRICH THANNHAUSER, MÜNCHEN — KOMMERZIENRAT
WILHELM WACHENDORFF, WIESBADEN - WIRKL. GEH. KRIEGS-
RAT RUDOLF VON WUNDERLICH, STUTTGART — WÜRTTEM-
BERGISCHE METALLWARENFABRIK, GEISLINGEN
VII
INHALTSVERZEICHNIS
Seite
EINLEITUNG (Prof. Dr. Diez) i
DIE STAATLICHEN KUNSTSAMMLUNGEN 13
Die Gemäldegalerie (Prof. Dr. Diez) 15
Die Kupferstichsammlung (Dr. Baum) 21
Die Altertümersammlung (Prof. Dr. Gradmann) 23
Das Landesgewerbemuseum (Prof. Dr. Pazaurek) 29
DIE MALEREI 35
Die heimische Schule 37
Keller, Haug, Speyer, Landenberger (Prof. Dr. Diez) .... 37
Die Künstler außerhalb der Akademie (Prof. Dr. Diez) ... 77
Die Landschaftsmaler (Prof. Dr. Gradmann) 103
Die nach Stuttgart berufenen Künstler 131
Igler, Kalckreuth, Poetzelberger, Grethe (Prof. Dr. Diez) . 131
Adolf Hölzel (Prof. Dr. Weizsäcker) 140
Die Hölzelschule (Dr. Baum) 150
Karl Schmoll von Eisenwerth (Prof. Dr. Weizsäcker) .... 157
Otterstedt, Pankok, Cissarz, Kerschensteiner, Gref, Reile (Prof.
Dr. Diez) 164
Die auswärtigen Schwaben (Dr. Baum) I73
DIE BILDNEREI 185
Donndorf und die ältere heimische Entwicklung (Dr. Baum) 187
Habich, Janssen und andere nach Stuttgart gezogene Künstler 195
Ludwig Habich (Prof. Dr. Pazaurek) 19S
Ulfert Janssen (Prof. Dr. Weizsäcker) 201
Andere nach Stuttgart gezogene Künstler (Dr. Baum) 207
Die auswärtigen Schwaben (Dr. Baum) 211
DIE ARCHITEKTUR (Dr. Keyßner) 217
DAS KUNSTGEWERBE 269
Die K Kunstgewerbeschule und die Lehr- und Versuchswerkstätte
(Prof. Dr. Diez und Dr. Baum) 271
Die württembergische Kunstindustrie (Dr. Baum) 287
KÜNSTLERVERZEICHNIS UND REGISTER 291
IX
VERZEICHNIS DER TAFELN
Robert Weise
Robert Weise
Friedrich Keller
Friedrich Keller
Friedrich Keller
Adolf Senglaub
Robert Haug
Robert Haug
Robert Haug
Robert Haug
Leo Bauer
Christian Speyer
Christian Speyer
Christian Speyer
Christian Landenberger
Christian Landenberger
Hermann Pleuer
Hermann Pleuer
Amandus Faure
Robert Weise
Amandus Faure
Alexander Eckener
Marie Lautenschlager
Otto Reiniger
Robert Weise
Otto Reiniger
Hermann Drück
Karl Schickhardt
Karl Schickhardt
Otto Reiniger
Erwin Starker
Robert Poetzelberger
Adolf Hölzel
Adolf Hölzel
Leopold Graf von Kalckreuth
X
Zwischen
Seite
Seine Majestät König Wilhelm IL
von Württemberg
Titelbild
Ihre Majestät Königin Charlotte
von Württemberg
Titelbild
Der Schnapstrinker
40/41
Steinbrecher
40/41
Hammerschmiede
4849
Bildnis
4849
Morgenrot
52/53
Reitender Jäger
5657
Marstall
56 57
Soldatenstudien
60 61
Der Raucher
6465
Reiterin
64/65
Bekehrung Pauli
68/69
Die Apokalyptischen Reiter
68/69
Das Märchen vom Müller Radlauf
76/77
Badende Buben
80 81
Bahnhof
80 81
Die Freunde
8485
Marokkanischer Spiegeltanz
88 89
Bildnis
88 89
Zirkus
88; 89
Schwäbischer Sandweg
92 93
Stilleben
9697
Wintertag
96/97
Familienbild
100 lOI
Tachensee
104 105
Voralb im Frühling
104 105
Am Neckar
112/113
Vorfrühling auf der Alb
112113
Donau bei Rechtenstein
116 117
Winter auf der Alb
120 121
Muggia
120/121
Dachauerinnen
128 129
Anbetung der Könige
128 129
Velazquezprinzessin
132 133
Wilhelm Laage
Alfred H. Pellegrini
Adolf Hölzel
Bruno May
Karl Schmoll von Eisenwerth
Hans Brühlmann
Franz Mutzenbecher
Franz Mutzenbecher
Alfred H. Pellegrini
Karl Schmoll von Eisenwerth
Alexander Frhr. von Otterstedt
Josef Eberz
Käthe Schaller-Haerlin
Karl Schmoll von Eisenwerth
Josef Kerschensteiner
Heinrich Zügel
Johann Vincenz Cissarz
Maria Caspar-Filser
Julius Heß
Franz H. Gref
Bernhard Buttersack
Julius Heß
Robert Hoffmann
Maria Caspar-Filser
Otto Gußmann
Gustav Schönleber
Karl Donndorf
Daniel Stocker
Karl Deibele
Emil Kiemlen
Ludwig Habich
Ludwig Habich
Ludwig Habich
Ulfert Janssen
Ulfert Janssen
Melchior von Hugo
Robert Poetzelberger
Melchior von Hugo
Hermann Lang
Erwin Kurz
Theodor Georgii
Theodor Georgii
Achalm
Zwischen
Seite
136 137
Notre-Dame
136 137
Helldunkelstudie
140 141
Dämmerung
144 145
Interieur
144 145
Karton zur Herabkunft
der
Freude
144 145
Die Bank
Christus unter den Schri
ftgelehrten
144 145
148 149
Die Brücke
148 149
Das Urteil des Paris
152 153
Kentaurenkampf
Karton zur Pietä
152 153
152/153
Die Hungrigen nähren
Odysseus in der Unterwelt
152 153
156 157
Truthahn
160 161
Finkenwerder
160/161
Aus einer Beethovensymphonie
Florenz
164 165
168 169
Interieur mit nähendem
Mädchen
168 169
Bildnis
172/173
Sommer
172 173
Stilleben
176 177
Eifellandschaft
176 177
Obsternte
180 181
Badende
184 185
Scheidemündung
Gustav von Siegle
184 185
184 185
Erweckung zum Leben
Sebastian
184 185
188 189
Kreuzigungsgruppe
Bogenschütze
Figuren am Portal des Ernst
Hauses in Darmstadt
-Ludwig-
192 193
192 193
192 193
Adorant
196 197
Bildnisbüste Maximilian
Bardt
200 201
Die Arbeit
200 201
Bildnis des Herrn Karl von
Ostertag-
Siegle jun.
Pietä
200 201
208 209
Brunnen
208 209
Sandalenlöserin
208 209
Garbenbinderin
208 209
Der Fischer
212 213
Grablegung
212 213
XI
Emil Epple
Emil Epple
Hubert Netzer
Hubert Netzer
Alfred Lörcher
Jakob Brüllmann
Theodor Fischer
Schlösser & Weirether
Heinrich Henes
Franz Böres
Schlafende Diana
Zwischen
Seite
2i6 217
Brunnennymphe
Figuren vom Nornenbrunnen in
216,217
München
216 217
Narzißbrunnen in München
220 221
Knieende
Bildhauerarbeiten an Theodor Fischers
224 225
Gustav-Siegle-Haus
Pfullinger Hallen
Salamanderbau
232 233
240 241
256 257
Teehaus
Silberkassette
264 265
272/273
XII
VORWORT
Das Werk „Die Stuttgarter Kunst der Gegenwart" erscheint zur Eröffnung
des Kgl. Kunstgebäudes in Stuttgart. Die Tatsache, daß dank der Gnade
des Königs Wilhelm II. und der Förderung durch Staat und Stadt der modernen
Kunst in Stuttgart nunmehr ein eigenes, stattliches Heim erstanden ist, in dem
künftig in regelmäßig wiederkehrenden Ausstellungen die Schöpfungen der
Kunst gezeigt werden sollen, bietet den natürlichen Anlaß, in diesem wich-
tigen Zeitpunkte auch in literarischer Form einen Überblick über das Schaffen
der württembergischen Künstler der Gegenwart zu geben. Ein solcher Überblick
ist zweifellos für den Einheimischen und den Auswärtigen ein Bedürfnis; denn
es fehlte bisher jeder Versuch einer zusammenfassenden Darstellung dieser
Kunstperiode, die, wie man schon heute wohl sagen darf, zu den wichtigeren
der württembergischen Kunstgeschichte gehört. Unsere Veröffentlichung er-
scheint aber um so mehr gerechtfertigt, als Stuttgart, im Gegensatze zu allen
anderen deutschen Kunststädten, bisher nur wenig getan hat, auf die Leistungen
seiner Künster hinzuweisen.
Dieses Buch widmet sich den Schöpfungen aller württembergischen und
der im Auslande schaffenden schwäbischen Künstler der Gegenwart. Es wäre
nahe gelegen, lediglich die Besten herauszugreifen, einen Überblick nur über
den Hochstand der württembergischen Kunst zu geben. In der Tat war dies
die ursprüngliche Absicht des Herausgebers. Am Ende erschien es aber doch
zu hart, zumal bei dem vorliegenden Anlasse, so viele Künstler gänzlich mit
Stillschweigen zu übergehen. So wurde der ursprüngliche Plan einer Aus-
wahl der Besten aufgegeben und umgekehrt ein möglichst vollständiger und
objektiver Überblick über alle Kunstwerke, die in und von Schwaben in den
letzten zwei Jahrzehnten geschaffen worden sind, angestrebt.
Die überaus reiche Ausstattung des Werkes ist vor allem den zahlreichen
Stiftungen von farbigen Kunstdrucktafeln und von Heliogravüren zu danken.
Dabei wurde soweit tunlich auf die Wünsche der Stifter Rücksicht genommen.
Hieraus erwachsende Ungleichheiten in der Verteilung der Kunstbeilagen
konnten durch das Entgegenkommen des K. Ministeriums des Kirchen- und
Schulwesens und der Deutschen Verlags-Anstalt im wesentlichen ausgeglichen
werden. In mehreren Fällen mußte, dem Grundsatz möglichster Objektivität
entsprechend, die Annahme von Stiftungen abgelehnt werden, um nicht ein-
zelne Künstler gegenüber anderen bevorzugt erscheinen zu lassen.
XIII
Sämtlichen Spendern, insbesondere aber Seiner Majestät König Wilhelm II.,
den Kgl. Ministerien des Kirchen- und Schulwesens und der Finanzen, sowie
den kunstfördernden Vereinen, sei hiermit gedankt.
Dank gebührt auch den Künstlern für die entgegenkommende Überlassung
von Kunstwerken zur Nachbildung und für die Ausfüllung der Fragebogen.
Die Abbildungen wurden tunlichst der Bedeutung der Künstler entsprechend
verteilt. Nur bei einzelnen wenigen Künstlern wurde auf deren Wunsch
von der Aufnahme von Abbildungen abgesehen.
Die Fragebogen, die in nahezu tausend Exemplaren an Künstler und
Sammler versendet wurden, leisten für tunlichste Objektivität der Bericht-
erstattung Gewähr ; es war vorgesehen, das von ihnen gelieferte wertvolle
Material über die Kunstwerke und ihre Entstehungszeit in dem beigegebenen
Künstlerverzeichnis zu verarbeiten; dadurch wäre indes das Buch so erheblich
belastet worden, daß von der Durchführung dieser Absicht bedauerlicherweise
Abstand genommen werden mußte. Das ganze Material der Fragebogen ist
nunmehr Herrn Professor Dr. Thieme in Leipzig zur Verfügung gestellt worden
und wird von ihm in seinem an keine Schranken gebundenen Allgemeinen
Lexikon der bildenden Künstler verarbeitet werden.
Nachdem einmal der mit Notwendigkeit subjektive Qualitätsstandpunkt
aufgegeben und weitestgehende Vollständigkeit und Objektivität zu erstreben
war, erschien es folgerichtig, die Behandlung des Stoffes an möglichst viele die
Gewähr streng sachlicher Berichterstattung bietende Autoren zu verteilen.
Demgemäß übernahm Professor Dr. Max Diez, Vorstand der Gemäldegalerie,
die Einführung, die Geschichte der Gemäldesammlung und die Darstellung der
Entwicklung des größten Teiles der heimischen Malerei und des Kunstgewerbes,
Landeskonservator Professor Dr. Eugen Gradmann die Geschichte der
Altertümersammlung und der schwäbischen Landschaftsmalerei , Professor
Dr. Gustav E. Pazaurek die Geschichte des Landesgewerbemuseums und die
Darstellung der Entwicklung des Bildhauers Habich, Professor Dr. Heinrich
Weizsäcker die den Malern Hölzel und Schmoll von Eisenwerth und dem
Bildhauer Janssen gewidmeten Abschnitte, Dr. Gustav Keyßner die Archi-
tektur. Dem Herausgeber lag die Geschichte des Kupferstichkabinetts sowie
die Darstellung der Hölzelschule, der auswärtigen schwäbischen Malerei, der
ganzen übrigen Plastik und der Kunstindustrie ob. Jeder Mitarbeiter trägt
die Verantwortung für Form und Inhalt seiner Abhandlungen. Obgleich den
Autoren die Fragebogen vorlagen, haben sie sich die Mühe nicht verdrießen
lassen, nach Möglichkeit mit sämtlichen von ihnen behandelten Künstlern
persönlich in Verbindung zu treten. So haben alle ihre ganze Kraft ein-
gesetzt, das Werk zu einem würdigen Abschlüsse zu bringen.
BAUM
XIV
EINLEITUNG
EINLEITUNG
Daß unsere württembergische Kunst in dem Zeitraum der letzten zwanzig
bis dreißig Jahre eine fortschritthche Richtung eingehalten hat, daß sie
charaktervoller und origineller, volkstümlicher und heimatmäßiger, daß sie in
ihrem Verhältnis zur Natur wahrer und reicher, daß sie materialgemäßer und
darum wirkungsvoller, daß die Malerei malerischer, die Architektur konstruk-
tiver geworden ist — das wird unsere Darstellung, auch ohne daß wir in
die Ruhmesposaune stoßen, jedem aufmerksamen Leser klarmachen.
Möge eine kurze Erinnerung an die Entwicklung der Kunst in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts den Ausgangspunkt feststellen, von dem
diese Vorwärtsbewegung ihren Ursprung genommen hat.
Je weiter wir uns von dem vorigen Jahrhundert entfernen, um so deutlicher
wird es, daß die Entwicklung der Kunst in der ersten Hälfte desselben von
anderen Motiven getragen war als in der zweiten. Die Kunst erschien in der
ersten Hälfte des Jahrhunderts durchaus als ein allgemeiner Kulturfaktor,
d. h. sie war in ausgesprochenem Maße von den allgemeinen Bewegungen des
geistigen Lebens abhängig. Die Romantik z. B. entsprang einem allgemeinen
Hunger der europäischen Kulturmenschheit; sie durchdrang deswegen das
wissenschaftliche Leben ebenso wie das künstlerische, die Dichtung, ja die
Musik ebenso wie die bildende Kunst. Griff sie doch mit mächtigen Armen
sogar bis in die Politik vor, die eben anfangen wollte, sich statt auf Ge-
schichte auf eine geschichtslose Vernünftigkeit einzustellen. Ein solcher Zu-
sammenhang der Kunst mit der allgemeinen Kulturbewegung bringt es mit
sich, daß der Fortschritt der Kunst wesentlich in dem Verlangen nach neuem
Gehalt begründet ist.
Das änderte sich aber in der Epoche Pilotys. Man könnte allerdings
versucht sein, auch noch seine Richtung, als geschichtliche Malerei, aus
dem Bedürfnis neuer Stoffe zu erklären. Das Aufblühen des geschichtlichen
Sinns ist in der Tat eine Eigentümlichkeit der Zeit von der Mitte des vorigen
Jahrhunderts an. Er entwickelte sich bekanntlich bis zur Krankhaftigkeit,
und Nietzsche erkannte ihn schließlich als eine schwere Gefahr für die gesunde
Weiterentwicklung unseres Geisteslebens. Allein Piloty und seine Schule
aus dem Überwuchern des geschichtlichen Sinns abzuleiten, verbietet sich
schon dadurch, daß das Geschichtliche bei ihm und seinen Weggenossen so
ausgesprochen nur Vorwand ist. Vorwand für Kostüm-, Waffen-, Geräte-,
Architekturstilleben, die ihrerseits ihr Interesse nur in der malerischen Auf-
gabe haben, die sie sich stellen. Es beginnt also mit Piloty die Wendung der
malerischen Entwicklung, die von der Mitte des vorigen Jahrhunderts an die
Malerei ebenso wie die Plastik auf die Bahn der formellen Probleme, der tech-
nischen Neuerungen, der Steigerung der Mittel treibt. Eines der ersten Sym-
ptome für diesen Umschwung ist vielleicht das Wort Ludwigs I. von Cornelius:
er kann nicht malen.
Plötzlich bekam das Wort Malen einen neuen Sinn, und im Gefolge dieser
Umwandlung war bald auch Raffael kein Maler mehr. Der Name sollte (wie
es der Sprachgebrauch recht wohl erlaubte) ausschließlich dem vorbehalten
werden, der durch den farbigen Schein des Lebens gereizt und gepackt wird,
dessen Inspirationen nicht Gruppen mit Linien, sondern Farbenströme, Farben-
harmonien, Farbflecke, Farbenkontraste, das Aufzucken von farbigen Lichtern
aus dem Dunkel oder den Massen der gebrochenen Töne waren. Wie kränklich
oft diese malerischen Bestrebungen auftraten, wie wenig Künstler imstande
waren, aus der neuen Betonung der Farbe nun auch für Stoff und Behandlung
die nötigen Konsequenzen zu ziehen — das ist uns heute ganz klar geworden.
Es haftet vielfach etwas Unechtes und Phrasenhaftes, etwas Falschromantisches,
ein gewisses altmeisterliches Epigonentum an dieser Epoche. Eine wirklich
neue Sprache gewann die Malerei erst mit den Problemen des Freilichts, die,
indem sie neue Seiten der Natur offenbarten, Ausdrucksmittel schufen für
neue Stimmungen, Stimmungsnuancen, Stimmungskontraste, die der Kunst
auch einen ganz neuen Gehalt gaben. So erwuchs insbesondere in dem
allgemeinen Gegensatz der kalten Luftreflexe und der warmen Lichtwirkung
eine Kraft des Ausdrucks, der für viel kompliziertere Stimmungen ausreichte,
als sie die Braunmalerei darzustellen wußte.
Aber nicht nur neue Reize der Natur, nicht nur neue Stimmungen im
Künstler schuf diese Malerei des Lichts und der Luft — sie verwandelte un-
merklich auch die Aufgabe des Bildes selbst. Indem das Licht die Farben ab-
schwächte, indem die Luft sie abkühlte, indem diese Umhüllung mit Luft
und Licht den Kontur zerstörte, wurde das Interesse von den Einzelheiten des
Bildes abgelenkt und auf das Ganze gerichtet; der fixierende und absondernde
Blick, der vorher der Reihe nach auf den Einzelheiten des Bildes gehaftet hatte,
wurde ersetzt durch den zusammenfassenden Blick oder, wenn man v/ill,
die parallel gestellten Augen; der Künstler versuchte nicht mehr zu geben,
als was man mit einem Blick auch erfassen kann. Diese impressionistische
Richtung ist seither nicht mit Unrecht als ein allgemeines Symptom des modernen
Geistes aufgefaßt worden, dem, bei dem unendlich erweiterten Gesichtskreis
jedes einzelnen, die liebevolle Vertiefung in Einzelnes, Kleines und Unwesent-
liches nicht mehr so sympathisch ist; sie bedeutet also eine Einstellung der
Kunst auf die Moderne; künstlerisch aber bedeutet sie vor allem das Bild
als Ganzes, als Fleck auf der Wand. Infolgedessen mußte sie notwendig zu
einer Erneuerung der Wandmalerei führen. Diese hinwiederum hatte eine
natürliche und gesunde Tendenz zum Flächenhaften. Da aber die Flächen-
haftigkeit, d. h. die Ausschaltung der raumvertiefenden Tätigkeit der Phan-
tasie eine Bedingung für das reine Nebeneinander- und Zusammenwirken der
Farben ist, so kann man sich nicht wundern, wenn aus einer Bewegung, die
zunächst Farbenprobleme durch Lichtprobleme, den Kolorismus durch die
Graumalerei ersetzte, schließlich das Problem der Vollfarbe wieder mächtig
hervorschlug. Man wird eine ganz ähnliche Bewegung auf dem Gebiete der
Bildhauerkunst und der Baukunst nicht verkennen. Die Einordnung der
Plastik in den Gesamteindruck der Architektur, d. h. die Zurückdrängung
ihres frei persönlichen Lebens, die Unterordnung aller Details in der Architektur
unter einen aus der Massenverteilung sich ergebenden Gesamteindruck —
das sind Erscheinungen, die in derselben Richtung auf Geschlossenheit und
Ganzheit der Wirkung liegen. Die ganze Bewegung, ausschließlich von rein
künstlerischen Tendenzen geleitet, brachte die Kunst vielfach in den heftigsten
Gegensatz zu den Gewohnheiten und Bedürfnissen des Publikums; sie hat die
Bedeutung einer Revolution und mußte sich mühsam in die Welt herein-
kämpfen. Nachdem sie aber ihre Jugendtorheiten abgestreift hatte, brachte
sie eine gewaltige Errungenschaft zutage: die Theorie von der alleinseligmachen-
den Richtung war für immer über den Haufen geworfen und den einzelnen
Künstlerindividualitäten der Raum für ihre Entfaltung freigemacht. Es wäre
heute nicht mehr möglich, einen Maler deswegen herunterzusetzen, weil seine
Töne grauer sind, als man es gewohnt ist — wie es einstens Feuerbach begegnete.
Von dieser ganzen Bewegung des 19. Jahrhunderts war Württemberg,
das am Anfang des Jahrhunderts mit seinen Klassizisten noch eine so hervor-
ragende Stellung eingenommen hatte, bis zu den achtziger Jahren des Jahr-
hunderts nur wenig berührt worden. Ausläufer von allen Richtungen waren
hier tätig, aber keiner ist ein Faktor des Fortschritts geworden. Als man im
Jahre 1889 das fünfundzwanzigjährige Jubiläum König Karls feierte, waren
die Verfasser der Rückblicke auf diese Zeit in Verlegenheit, was sie von der
bildenden Kunst sagen sollten. Es war eine Art Dornröschenschlaf, in den
die Kunst verfallen war. Nur von der Architektur wußte man einiges Rühmen
zu machen. Man lobte die Bauten von Leins, insbesondere die Villa in Berg,
die damals epochemachend erschien; in der Johanniskirche ahnte man schon
einen falschen dekorativen Zug; man pries Egles Marienkirche, Polytechni-
kum und Baugewerkeschule. Mit halbem Bedenken betrachtete man die bald
darauf einsetzende Wendung zu dekorativem Prunk, zur Farbigkeit und zum
Barock, wenn man auch nicht verkannte, daß Gnauths Vereinsbank und die
Villa Siegle Werke eines genialen Kopfes waren; man verglich halb wehmütig
die Einfachheit der alten Stuttgarter Bauten, bei denen ,,eine Säule, eine ge-
meißelte Figur eine Seltsamkeit, ein fast heidnischer Luxus war", mit der
endlosen Zahl von ,, Säulen und Pilastern, Friesen und Balustraden, Atlanten
und Karyatiden", welche die neue Kunst aufwies. In der kirchlichen Bau-
kunst wies man, da die Garnisonskirche und die Heslacher Kirche nicht wohl
als epochemachend angesehen werden konnten, auf die große Zahl der Restau-
rationen hin (die uns heute recht viel Herzweh machen); kurz, wenn auch
eine überaus lebhafte Bewegung in der Baukunst eingesetzt hatte, man wußte
schon damals nicht recht, ob man auf einem guten und richtigen Weg war.
.■5
Aber vollends in Beziehung auf Malerei und Plastik versagen die Rück-
blicke des Jahres 1889 vollständig. „Noch ragt," sagt Freihofer, „die Zeit
von Cornelius und Thorwaldsen in diesen Zeitraum herein in Bernhard Neher
von Biberach, dem edelsten Meister der Malerei, den Württemberg in diesem
Jahrhundert hervorgebracht, und in Ludwig Hofer, dem Künstlergreis, der
in hohem Alter noch eine so reiche Tätigkeit entfaltet hat. An unserer Kunst-
schule haben wir in einer langen Reihe von Namen (die wir hier nicht alle auf-
zählen können), die alte und die jüngere Düsseldorfer Schule, das München
Kaulbachs und Pilotys vertreten gesehen und in Donndorf besitzen wir einen
der hervorragendsten Schüler des Dresdeners Rietschel. Die künstlerische
Jugend Stuttgarts aber, unter der manch hoffnungsvolles Talent sich befindet,
wandelt mit Lust in den Wegen des modernen Realismus und zollt auch dieser
und jener Modeverirrung gern ihren Tribut." Welche müde Resignation!
Epigonentum, Ausklänge und Nachklänge der Nazarener, der Düsseldorfer,
mißlungene Überpflanzungen aus dem München Kaulbachs und Pilotys und
ein bißchen Jugend, die ganz andere, aber auch zweifelhafte Wege einschlägt.
Keine Ziele, kaum Anfänge, kein erkennbarer Weg nach vorwärts und in
die Höhe.
Die Zustände an der Kunstschule sind in den achtziger Jahren noch nicht
wesentlich anders geworden, als sie Max Bach für Ende der fünfziger, Anfang
der sechziger Jahre geschildert hat (Stuttgarter Kunst, S. 321 ff.). Noch immer
dieselben elenden Räume, dieselben altertümlichen Methoden, das Zeichnen
nach den schematischen Köpfen von Dupuys und anderen Gipsmodellen, der
,, Antikensaal", das mühsame Ausführen mit Kreide. In den Malschulen ist
man von dem Kopieren der Studien des Lehrers wenigstens zu Stilleben und
Köpfen übergegangen. Man stellt einen Mannequin, bekleidet ihn mit einer
Mönchskutte und Kapuze, dazu einen Globus, einen Totenkopf, ein paar
Bücher, eine Sanduhr und malt daran ein gutes Vierteljahr. Die Aktschule
beherrscht gerade bei den besten Zeichnern wie Neher und Grünenwald das
idealisierende Sehen. Überall suchen sich die Schüler nebenher zu unterrichten,
wählen heimlich eigene Stoffe, schwänzen, wo sie können, und schließen auch
wohl hier und da dem korrigierenden Lehrer die Tür vor der Nase zu. Die Schule
weist deutlich nach rückwärts, sie sind von einem neuen Leben gepackt und
wollen vorwärts. Am meisten Vertrauen genießen lange Zeit die Landschafter,
deren Schulen voll sind; erst Funk (f 1877), später der noch anregendere
Ludwig (bis 1880), dem Käppis folgte. Häberlin, der Mallehrer, der 1883
weggeht, hat die Manier der Pilotyschule mitgebracht, rote Untermalung,
Lasieren in den Schatten, pastose Lichter; die Schüler haben mit Recht oder
Unrecht den Eindruck, daß ihm die Holzstöcke, die er für Schönlein u. a.
zeichnet, oft wichtiger sind als die Schüler und selbst als seine eigene Kunst.
Dennoch hat er für manche seiner Schüler eine treue und liebevolle Fürsorge
gezeigt. Grünenwald, ein Zeichenlehrer von großer Gewissenhaftigkeit, ist
doch dieser nach dem Charakteristischen ringenden Jugend zu sehr der aka-
demischen Schablone verfallen. Auf Häberlin folgt als Mallehrer Friedrich
Keller, ein Zukunftsmann, der einzige, der von Anfang an den Hauch der
6
neuen Zeit mit sich bringt, einer der Bahnbrecher der Luftmalerei, einer, der
instinktiv fühlt, was für neue Möglichkeiten in der Luft liegen. Spürt er einen
verheißungsvollen Mann unter den Jungen, so möchte er, nachdem er eine
Komponierschule erhalten hat, ihn gern an sich fesseln. Aber er ist noch ein
Einsamer und keiner, der die Ellbogen gebraucht. Im Lehrerkonvent der
Akademie und in den Sitzungen der Kunstkommission hat man den Eindruck,
daß Donndorf, der seit 1876 an der Akademie ist, die stärkste Persönlichkeit
ist. Daß er auch in der Kunstkommission vielfach die einflußreichste Stimme
hat, beweist, wie sehr die ganze Kommission noch von dem zeichnerischen
Ideal beherrscht ist.
Obwohl also die Akademie in dem letzten Jahrzehnt des Königs Karl
einen ihrer größten äußeren Fortschritte gemacht hatte mit dem Neubau in
der Urbanstraße, der sie im wesentlichen von der Verbindung mit dem Museum
loslöste, ihr größere und bessere Räume verschaffte und sie dadurch entwicklungs-
fähig machte, so zeigt ihre innere Entwicklung doch eine gewisse Stagnation,
wie sie an Akademien nur zu leicht eintritt, wenn die Lehrer mit der Künstlern
eigenen Gleichgültigkeit für allgemeinere Interessen eben ihrem Schaffen
nachgehen, und wenn keine zeitgemäße Erneuerung und Verjüngung des Lehr-
körpers stattfindet. Unsere jungen Leute gehen deswegen meist gegen Ende
ihrer Schulzeit nach München, so Schönleber und Zügel seit Beginn der siebziger
Jahre, Haug von 1877 — 1879, Reiniger 1884, Pleuer 1882 — 1885, und wenn
sie auch in den dortigen Schulen nicht allzuviel profitieren, so kommen sie
doch in ein größeres Getriebe, in einen größeren Zug des Lebens, in den Fluß
der Bewegung hinein, fühlen sich unter Mitstrebenden fortgerissen und be-
kommen Richtung und Ziele. Es bildet sich auf diese Weise eine Schar junger
schwäbischer Künstler von zukunftsvoller Bedeutung heran. Es ist charakte-
ristisch, daß die ältere Generation derselben, um Schönleber und Zügel gruppiert
(beide Anfang der fünfziger Jahre geboren), der Heimat noch verloren geht;
aber die jüngere findet einen besseren Boden, da König Wilhelm, der unter-
dessen (Oktober 1891) zur Regierung gekommen ist, sich bald entschlossen
zeigt, der Kunst eine neue Stätte in Württemberg zu schaffen.
Die Berufung Liezenmeyers (eines Künstlers von sehr gutem Namen)
zur Direktion der Akademie (Oktober 1880) ist ein Symptom dafür, daß man
schon in den letzten Zeiten der Regierung König Karls das Bedürfnis hatte, der
Kunst im Lande aufzuhelfen. Er war ein feiner, netter, hilfsbereiter Mensch,
der den Schülern gern an die Hand ging, aber ihnen, wenigstens im Malerischen,
nicht viel helfen konnte. Um Stuttgart hat er sich durch die Gründung des
Vereins zur Förderung der Kunst ein dauerndes Verdienst erworben. Aber er
blieb, wie später Herterich, doch mit einem Fuß in München stehen, das ihn
bald wieder zurückrief. Sein Nachfolger Schraudolph, von 1883 an, hielt
es elf Jahre in Stuttgart aus, bis er endlich durch eine der unerfreulichen Preß-
hetzen, wie sie leider schon manchmal in Stuttgart in Szene gesetzt wurden,
weggefegt wurde. Schraudolph war ein Mann von Talent und Geschmack
(das letztere ergibt sich z. B. aus seinem Verhalten in der Ankaufskommission),
aber ohne die Energie, die notwendig war, der zurückgebliebenen Kunstschule
7
aufzuhelfen. Immerhin verdankt sie ihm z. B. die Einführung der Modellgelder
für die Atelierschüler, die, wenn sie ohne Mittel waren, vorher hilflos in den
Ateliers gesessen hatten.
Nun aber zog mit einem der Jungen, mit Robert Haug, im Jahre 1894,
drei Jahre nach dem Regierungsantritt König Wilhelms, der Mann in die
Akademie ein, der sich bald zur einflußreichsten Persönlichkeit in dem Lehr-
körper entwickeln und bei allen weiteren Berufungen vor allem infolge des
Vertrauens, das seine Persönlichkeit und sein Ansehen in der Künstlerschaft den
maßgebenden Instanzen einflößte, den entschiedensten Einfluß ausüben sollte.
Eine in hohem Maße männliche Kraft, voll Energie des Charakters, voll un-
erbittlicher Wahrheitsliebe und Konsequenz, stark bis zur Härte, aber gerecht;
als Künstler voll unermüdlicher Gründlichkeit und Schaffensfreudigkeit, als
Kritiker von einem bestimmten und sicheren, aber keineswegs einseitigen
Geschmack, neben hoher Künstlerfähigkeit eine Intelligenz ersten Ranges: so
ist er in die Akademie eingetreten. Seine erste Tat war vielleicht die Berufung
des anmutigen, beweglichen, höchst sensitiven Ludwig Herterich auf die
durch den Abgang von Grünen wald frei gewordene Stelle eines Zeichenlehrers:
Haug und Herterich zusammen, der starke, sichere Zeichner, der sensitive
Maler, wahrlich eine verheißungsreiche Kombination! Leider dauerte sie
nicht lange. Herterich, der sich auch körperlich in Stuttgart nie recht wohl
fühlte, drängte mit allen Sinnen nach München zurück, das ihn auch bald
wieder an sich zog. Vor seinem von allen Seiten tief bedauerten Scheiden soll
ihm der König eine Gewissensfrage über die Stuttgarter Kunstzustände vor-
gelegt haben, die Herterich freimütig dahin beantwortete, daß Stuttgart starker
künstlerischer Persönlichkeiten von allgemeinem Ansehen dringend bedürfe:
es gibt vielleicht kein besseres Zeugnis für das entschiedene Interesse, das der
König an der künstlerischen Wiedergeburt seines Landes nahm.
Die Folge war die im Jahre 1899 erfolgende Berufung der drei Maler
Graf Leopold von Kalckreuth, Carlos Grethe und Robert Pötzel-
b erger an die Stelle des scheidenden Herterich. Sie hatten sich in Karlsruhe
solidarisch gefühlt und erklärten sich nun solidarisch; man konnte Kalckreuth
nicht ohne seine Freunde haben; und durchdrungen von der Notwendigkeit,
einen entscheidenden Schritt in der Kunstpflege weiterzukommen, entschloß
sich der König zur Berufung der verbundenen Künstler: ein seltener, vielleicht
nie wieder dagewesener Vorgang. Kalckreuth, für den keine Stelle vorhanden
war, bekam zunächst den Lehrauftrag für eine Komponierschule, Pötzelberger
die durch Herterichs Abgang freigewordene Stelle des Zeichenlehrers, Grethe
die zu der Zeichenschule gehörige Hilfslehrerstelle, die freilich nur gering dotiert
war. Aber was am Gehalt für Kalckreuth und Grethe fehlte, übernahm der
König auf seine Schatulle. Er konnte hoffen, mit dieser dreifachen Berufung
das künstlerische Gewicht Stuttgarts so zu verstärken, daß der Vorsprung
anderer Staaten eingeholt werden konnte.
Diese Hoffnung hat auch nicht getäuscht. Aus den Trümmern der alten
Kunstgenossenschaft entstand nach manchen Kämpfen, in denen das Alte
und das Neue heftig zusammenstießen, eine neue Vereinigung: der Künstler-
8
bund, als Verband aller der Künstler gedacht, die nachweisen konnten, daß
sie es in den letzten drei Jahren aus eigener Kraft zur Aufnahme in eine der
großen Kunstausstellungen gebracht hatten; als ein Ausstellerverband, der
nun seinerseits seinen Mitgliedern mit eigener Jury die korporative Ausstellung
gewährleisten sollte. Der Plan allerdings, daß Stuttgart von da an auf allen
großen Ausstellungen geschlossen auftreten sollte, erfüllte sich nur zum Teil.
Man suchte die eigenbrötlerischen Schwaben, die geborenen Outsiders, wie
Pleuer und Reiniger mit vieler Mühe in diesen neuen Bund hereinzuziehen, auch
die Regierung griff einmal mit vielem Geschick und Takt ein; aber ohne dauern-
den Erfolg. Von diesem Ausstellerverband, der ursprünglich auch gesellige
Zwecke verfolgen sollte, löste sich bald ein geselliger Künstlerbund ab, der
unter der Unterstützung und Teilnahme des Königs bald hier, bald dort ein
Klublokal offen hielt und insbesondere bei Kalckreuth eine lebhafte Förde-
rung fand.
Aber die Wirkung der Neuberufungen ging weiter und tiefer. Wenn Graf
Kalckreuth schon durch die Achtung, die er in ganz Deutschland genoß, dann
durch den Zauber seiner wahrhaft liebenswürdigen Persönlichkeit, durch die
Unermüdlichkeit, mit der er sich den Interessen und Bestrebungen der jungen
Künstlerschaft, ihren individuellen Anschauungen, ja selbst ihren geselligen
Bedürfnissen zur Verfügung stellte, eine mächtige Anziehungskraft ausübte,
so gewann Stuttgart in Grethe einen Mann, der die Aufgabe, Stuttgart zu
einer wirklichen Kunststadt zu machen, in ihrer vollen Bedeutung einschätzte,
sie mit der entschiedensten Intelligenz in Angriff nahm und in seinem un-
ermüdlichen Kopfe Plan auf Plan erzeugte, um das künstlerische Leben zu
steigern. Das einfachste war vielleicht die Fortsetzung dessen, was eben Herterich
verlangt hatte: Versammlung künstlerischer Persönlichkeiten in Stuttgart, wie
es der im Jahre 1905 gegründete Verein württembergischer Kunst-
freunde nach Grethes Sinn leisten sollte: Herbeiziehung auswärtiger Künstler
durch das lockende Versprechen, daß ihnen auf mehrere Jahre ein sicheres Ein-
kommen garantiert werde durch Ankäufe, die der Verein bei ihnen machen und
an seine Mitglieder bis zu einem bestimmten Prozentsatz ihrer Beiträge wieder
abführen sollte. Ein grotesker Plan für alle, die nur an die Konkurrenz dachten,
die manchem hungernden Künstler damit gemacht werden würde, ein groß-
artiger Plan für diejenigen, die der Ansicht waren, daß die Hebung der
Kunststadt schließlich notwendig auch zum Vorteil des einzelnen ausschlagen
müsse. Der Verein hat gleich nach seiner Gründung Robert Weise, Cissarz
und Habich hierherberufen, hat durch Professor Pankok ein großes Atelier-
gebäude im Stafflenberg erbauen lassen und seit seiner Gründung für un-
gefähr hunderttausend Mark Bilder bei hiesigen Künstlern angekauft und an
seine Mitglieder verteilt. In dem von dem Galerievorstand Professor von Lange
gegründeten Galerieverein, nach dem Stuttgart schon längst ein dringendes Be-
dürfnis hatte, sorgte Grethe für eine ausgiebige Vertretung der Künstlerschaft.
Seiner Initiative entsprang nun aber eine Reihe weitausschauender Pläne,
die das Wohl des ganzen Landes im Auge hatten, so die Gründung der Lehr-
und Versuchswerkstätten, die ihm als eine notwendige Ergänzung zu
Stuttgarter Kunst 2 g
dem Betrieb der sogenannten reinen oder freien Kunst erschien. Das Beispiel
Englands, früher Frankreichs, zeigte ihm, daß das Volk selbst, daß die Volks-
wirtschaft nur auf diesem Wege einen bedeutenden Gewinn machen könne,
daß insbesondere Stuttgart, nach Grethes Überzeugung in der höheren Kunst
dazu verurteilt, eine Vorstadt Münchens zu bleiben, Stuttgart mit seiner so
entwickelten Kunstindustrie, auf diese Ergänzung seiner künstlerischen Be-
strebungen durch das Kunstgewerbe angewiesen sei. An diese Gründung schloß
sich später der überaus fruchtbare, ökonomisch und künstlerisch gleich vorteil-
hafte Plan einer Vereinigung sämtlicher Kunstanstalten, ein Plan, dem die
Regierung durch das großzügige Weißenhof projekt entgegenkam. Die nebenher-
gehende Absicht, an die neue Anstalt sogenannte ,, königliche Werkstätten"
anzuschließen, Werkstätten, in denen einerseits Mustermöbel hergestellt,
andererseits Handwerksmeister herangebildet werden sollten, um das Land
mit künstlerisch höher gebildeten Handwerkern zu versehen, und durch die den
Lehr- und Versuchswerkstätten die ihnen so notwendige Arbeit geschafft werden
sollte, scheiterte vorläufig an finanziellen Schwierigkeiten. Dagegen steht ja
nun das von Grethe dringend geforderte Kunstausstellungsgebäude fertig da.
Nachdem eine Reihe von Kunststädten, Dresden, Darmstadt, Mannheim, Düssel-
dorf mit solchen Bauten und mit bedeutenden Ausstellungen vorangegangen
waren, erkannte König Wilhelm es als eine unbedingte Notwendigkeit, in
Stuttgart, wo man Kunstausstellungen bisher nur durch Ausräumen der Gemälde-
galerie hatte unterbringen können (internationale Ausstellungen 1891, 1896,
Ausstellung der Münchener Sezession 1894, 1895, 1899, Französische Ausstellung
1901 und 1907), ein Heim für Ausstellungen zu schaffen.
Der Bau des Kunstausstellungsgebäudes wurde Theodor Fischer über-
tragen, der von 1901 an als Professor an der Technischen Hochschule gewirkt
hatte, freilich, als er den Auftrag erhielt, eben nach München zurückgekehrt
war. Auch mit seiner Berufung hatte Stuttgart einen energischen Schritt nach
vorwärts getan. Ein Mann, von dessen mächtigem Streben schon die erste
Ausstellung seiner Werke und Entwürfe, die er hier machte, ein beredtes Zeugnis
ablegte. Ganz erfüllt von dem Bedürfnis, aus der alten dekorativen Bauweise
herauszukommen und der Baukunst die Wirkung durch die Elemente der
Konstruktion, durch Flächenverteilung und Raumgliederung, durch zusammen-
gehaltene Massen, durch ein mehr charakteristisches Verhältnis von Mauer und
Öffnung wiederzugeben, begeisterte er sich bald für die altschwäbische Bauart
und den heimatgemäßen, landschaftgemäßen Zug, den sie hat. Dazu war er
ein Lehrer von enorm suggestiver Wirkung, wie geschaffen dazu, die Jugend
aus dem wahllosen Herumgreifen in historischen Stilen und Reminiszenzen
auf die einfachen letzten Grundlagen des Bauens zurückzuführen. An seiner
Berufung hatte Halmhub er einen hervorragenden Anteil, dessen Heim-
berufung aus Berlin selbst als ein Zeugnis dafür zu betrachten ist, daß man
sich an der Technischen Hochschule den neuzeitlichen Forderungen nicht
verschloß. Er zeigte sich als eine der vielseitigen expansiven Naturen, die so
überaus anregend wirken; als Architekt, Maler und Bildhauer hat er sich ver-
sucht; dazu war er — auch darin ein echter Schwabe — ein nachdenkender
Kopf mit philosophischen Bedürfnissen. So wurde bald auch die Technische
Hochschule eine Quelle, aus der sich Ströme künstlerischen Lebens befruchtend
ins Land ergossen. Man darf nur die Namen des Bildhauers Hab ich (der
bald an die Akademie überging), seines Nachfolgers Janssen und die des
Malers Schmoll von Eisenwerth nennen, der der Nachfolger Treidlers
wurde, ferner die Berufung von Bonatz als Nachfolger Fischers, um zu er-
kennen, was alle diese Berufungen bedeuteten: die Verjüngung der ganzen
künstlerischen Richtung, die Heranziehung eines modern und fortschrittlich
gesinnten Nachwuchses, die Zurückdrängung des Historischen und Epigonen-
haften und die Befreiung der künstlerischen Individualitäten.
Auch die Akademie der bildenden Künste hatte ihre Entwicklung mit der
Berufung der drei Karlsruher Künstler keineswegs abgeschlossen. Landen-
berger wurde 1905 auf die neuerrichtete Stelle eines technischen Mallehrers
von München berufen, als Lehrer schon vielfach erprobt, als Maler hochgeschätzt
durch die ausgezeichnete Belebung der menschlichen Hautfarbe, in seinen
Badebildern vom Ammersee ganz hingegeben an die Poesie der Morgen- und
Abendlüfte. Und als Kalckreuth im Jahre 1906 sein Lehramt an der Schule
niederlegte (zunächst ohne aus dem Lehrerkollegium auszuscheiden), wurde
Adolf Hölzelals Lehrer der Komposition berufen, ein Mann, mit dem eine
neue Note in die Stuttgarter Kunst einzog, das Problem des Wandbildes, die
Verbindung der Malerei mit der Architektur, die Farbenexperimente und die
Theorie der Komposition.
Fassen wir alles zusammen: die Künstlercharakterköpfe, die unsere
Schulen beleben: Keller und Haug, Herterich und Kalckreuth, Landenberger
und Hölzel, Halmhuber und Fischer, Habich, Janssen und Schmoll von Eisen-
werth; dann die außerhalb der Schulen sich immer vertiefenden und stärker
ausprägenden Maler, den zum höchsten Stil sich durchringenden Reiniger, der
späteren Zeiten wohl als der klassische Landschafter dieser malerischen Zeit
erscheinen dürfte, und den kraftvollen Pleuer, der die rauheste Wirklichkeit
des modernen Lebens der Kunst zu unterwerfen verstand; nehmen wir dazu
die Vereinsgründungen , die im Vergleich zu früher enormen Summen , die
für Ankäufe flüssig gemacht wurden , die umfassenden Neubefruchtungen
der Baukunst und des Kunstgewerbes — so ergibt sich heute ein ganz anderes
Bild von Kunstblüte als am Ende der achtziger Jahre, und man wird verstehen,
daß wir heute, wo mit der Eröffnung der ersten Ausstellung im Kunstgebäude
ein großer neuer Schritt vorwärts getan ist, das Bedürfnis haben, unserem
König und seiner Regierung und dem schwäbischen Volke dies Bild der letzten
zwanzig Jahre dankbar vor Augen zu stellen.
DIEZ
DIE STAATLICHEN KUNST-
SAMMLUNGEN
13
DIE GEMÄLDEGALERIE
Das Schicksal, die Entwicklung, der Aufschwung oder Niedergang einer Ge-
mäldegalerie hängt bei den Verhältnissen, wie wir sie in Württemberg und
sonst an vielen Orten haben, im wesentlichen von der Zusammensetzung der
sogenannten Ankaufskommission ab, oder, wie sie ursprünglich in Württemberg
hieß, der Kommission zur Beratung des Ministeriums in künstlerischen An-
gelegenheiten. Der Vorstand der Gemäldegalerie hat die Verantwortung nur
für das und ein Verdienst nur an dem, was der Kommission vorgeschlagen
wird. Für die Annahme seiner Vorschläge kann er nur mit Gründen allgemeiner
Art: hier ist eine Lücke auszufüllen, hier ist ein kunstgeschichtliches Interesse
zu befriedigen usw., und mit der einen Stimme wirken, die ihm bei den Ab-
stimmungen zusteht. Über den Wert oder Unwert der Bilder, vor allem moderner
Bilder, mögen und können die Künstler, aus denen die Kommission im wesent-
lichen besteht, von einem Kunstgelehrten sich nicht belehren lassen.
Die Zusammensetzung der -Kommission ist also die eigentliche Schicksals-
frage für eine Gemäldegalerie, und wenn heutzutage eine fast allgemeine Über-
einstimmung unter den Kunstsachverständigen darüber herrscht, daß unsere
Stuttgarter Gemäldegalerie in ihrer modernen Abteilung eine der besten deutschen
Galerien ist, wenn insbesondere in den letzten zwanzig oder dreißig Jahren
eine wahrhaft erfreuliche Entwicklung eingesetzt hat, so ist das Verdienst
daran in erster Linie bei der Kommission zu suchen. Es ist klar, daß die in
der Einleitung geschilderte Verjüngung des Lehrkörpers der Akademie, der
den Kern der Ankaufskommission bildet, sodann die Abordnung einer Anzahl
jüngerer Kräfte aus den Künstlervereinigungen in die Kommission auch für
die Galerie von fruchtbarster Wirkung sein mußte.
In den achtziger Jahren geben die Protokolle der Ankaufskommission
noch ein recht trübes Bild. Rüstige, im Jahre 1880 ein siebzigjähriger, und
als er 1897 sein Amt niederlegte, ein siebenundachtzigj ähriger Galeriedirektor,
stand der modernen Bewegung in der Kunst vollständig ablehnend gegenüber.
Das Beste, was gekauft wurde, Uhdes Abendmahl, Leibls Kopf eines alten
Mannes, Reinigers Eisack und vieles andere wurde unter seinem lebhaften
Protest gekauft, und der Mann, dessen Initiative die Galerie ihren Rembrandt
und (zum großen Teil wenigstens) Feuerbachs Iphigenie verdankt, der mit
dem energischen Eintreten für die letztere den Beweis lieferte, daß er über
15
seine eigene Zeit und Kunst recht wohl hinausgehen konnte, vermochte den
weiteren Schritt zum Verständnis der neuen, der Form nach naturalistischen,
in der Farbe so stimmungsgewaltigen Licht- und Luftmalerei nicht zu machen.
Natürlich vermochte er den Fortschritt nicht zu hindern, sobald die Kom-
mission, in der ihm namentlich der vom Polytechnikum gestellte Architekt
treu zur Seite stand, ihren Charakter änderte. Keller, Igler und der auch bei
Figurenbildern oft für das Fortschrittliche eintretende Käppis konnten noch
nicht viel erreichen. Als sie aber durch Haug verstärkt wurden, findet sich bald
meist eine geschlossene Gruppe von fünf gegen fünf, sechs gegen sechs, die zu
einer Majorität wird, sobald einer von der anderen Partei umfällt. So versuchte
zum Beispiel Haug mehrmals vergeblich einen Reiniger durchzusetzen; aber
endlich gelang es doch; und schon bei den ersten Ausstellungen der Münchener
Sezession (bei der wir sozusagen Pate gestanden sind) 1894 und 1895 findet
sich für einzelne Bilder eine geringe Majorität, während bei der Sezessions-
ausstellung von 1899 nicht nur Uhdes Abendmahl, sondern auch Bilder von
Landenberger, Herterich, Hugo König, Reiniger, Zügel, Crodel, Flad, Dett-
mann glatt durchgingen. Wenn einzelne von diesen Namen trotzdem nicht
in der Gemäldegalerie vertreten sind, so rührt das daher, daß, da Uhdes Abend-
mahl teurer wurde, als man gedacht hatte (25000 statt 18 000 Mark), einige
nachher wieder wegfielen. Dies geschah noch vor der Anstellung Kalckreuths
und seiner Genossen; man kann sich denken, wie leicht es nachher wurde, die
Beschlüsse der Kommission auf der Höhe zu halten. Ankäufe wie die des
Pissarro und des Aman- Jean auf der französischen Ausstellung 190 1, von
Kalckreuths Ahrenleserin, Zuloagas Teeverkäuferin, Slevogts Andrade,
Putz' Stilleben gehen erheblich über das Niveau einer etwas schwächlichen
Wohlgezogenheit hinaus, wie es sich bei Staatssammlungen leicht einstellt.
Mit Lemcke, dem Nachfolger Rüstiges, ging die Verwaltung der Gemälde-
galerie 1897 an die Kunstgelehrten über, und hier bedeutet die Amtszeit des
Professors der Kunstgeschichte an der Tübinger Universität Konrad Lange
(1901 — 1907) einen entscheidenden Abschnitt. Vor allem in der äußerlichen
Aufmachung der Galerie. In den immer voller werdenden Räumen des Museums
war allmählich die Aufhängung der Bilder mit einer gewissen müden Gleich-
gültigkeit vorgenommen worden, die sich um die kunstgeschichtlichen Zu-
sammenhänge nicht mehr viel, um die ästhetische Wirkung der Bilder gar
nichts mehr kümmerte. Man hatte versucht, sich mit Ausscheidungen zu
helfen; dann hatte man das Museum erweitert; Ende der achtziger Jahre waren
die beiden hinteren Flügel angebaut, die Akademie auf wenige Räume be-
schränkt worden — aber eine eigentliche Wendung in dem Aussehen der
Galerie ist doch erst von der Neuordnung Langes im Jahre 1902 zu datieren.
Es liegt in der Natur der Sache, daß der Fortschritt in erster Linie den wissen-
schaftlichen Forderungen Genüge zu leisten suchte; indessen erfuhr auch der
ästhetische Eindruck der Sammlung eine wesentliche Verbesserung, insbesondere
als Lange, der anfangs seine Ausscheidungen fast vollständig durch die aus
den königlichen Schlössern und der Altertümersammlung hereingeholten Bilder
aufwog, gegen Ende seiner Tätigkeit eine neue große Ausscheidung von 105
16
Bildern vornahm, die wesentlich der modernen Galerie zugut kam. Damit
diese Bilder nicht fruchtlos im Magazin stehenbleiben, wurde 1907 von dem
Ministerium Fleischhauer die Gründung der Filialgalerien in Ulm und Tübingen
angeordnet, denen sich unter Langes Nachfolger noch die von Gmünd anschloß.
Auch die Neuausstattung einzelner Säle der Gemäldegalerie durch die Pro-
fessoren der K. Lehr- und Versuchswerkstätte, so des sogenannten Pankok-
saales, der 1904 mit einer Ausstellung von Werken Pankoks eröffnet wurde,
beginnt unter Lange. Unter seinem Nachfolger wurde der Saal X von Pro-
fessor Haustein, die beiden Säle V und W von Professor Rochga neu eingerichtet.
Die Erfahrung zwang dazu, die späteren Säle, wenn auch immer noch vornehm,
doch etwas einfacher zu halten als ursprünglich geplant war.
Daß die Vermehrung der Galerie unter Lange vor allem der alten Samm-
lung zugut kam, Hegt in dem Berufe des Kunsthistorikers begründet; wenn
trotzdem die Kosten für Neuerwerbung von alten Bildern bedeutend hinter
den für die neuen Bilder ausgegebenen Summen zurückbleiben, so liegt das,
abgesehen von einigen guten Einkäufen (wie z. B. dem Erwerb des Ehninger
Altars um 2000 Mark), vor allem darin begründet, daß die älteren Bilder, wie
schon erwähnt, vielfach aus der Altertümersammlung und Schlössern stammten.
Jedenfalls ist mit den Erwerbungen Langes in unserer Sammlung das Gewicht
der altschwäbischen Malerei, in der eine unserer besonderen Aufgaben liegt,
bedeutend gesteigert worden. Von großer kunstgeschichtlicher Bedeutung war
endlich die Abfassung eines den neuzeitlichen Anforderungen entsprechenden
Katalogs (erste Ausgabe 1903, zweite 1907), in dem Lange nicht nur selbst
eine Anzahl Bilder neu bestimmte, sondern auch die vorhandene Literatur end-
lich für die Erforschung unserer Galerie fruchtbar machte. Außerdem wußte
er einige ausgezeichnete Bilderkenner wie Fabriczy und Bayersdorffer zur Mit-
arbeit heranzuziehen.
Ein hohes Verdienst Langes liegt endlich in der Gründung des Stuttgarter
Galerievereins (1906), dessen Protektorat König Wilhelm, dessen Vorsitz
Baron zu Putlitz übernahm. In kurzer Zeit gelang es dem rührigen Schatz-
meister des Vereins, dem Konsul Albert Schwarz, ca. 100 000 Mark für den
Verein zusammenzubringen. Von diesen Mitteln, hochherzigen Stiftungen und
den Jahresbeiträgen der Mitglieder, wurde im Lauf der Jahre nicht nur eine
stattliche Bildersammlung zusammengebracht, die statutengemäß der Gemälde-
sammlung einverleibt wurde, sondern es wurden auch der Kupferstichsammlung
und der Altertümersammlung mehrfach Beiträge zur Verfügung gestellt und
außerdem eine Reihe ausgezeichneter Leihgaben wie die köstliche, im Besitz
des Königs befindliche ,,Nanna" von Feuerbach, Uhdes ,, Schwerer Gang" (im
Besitze der Frau Geheimrat von Siegle), Feuerbachs ,, Wasserträgerin" (im
Besitz der Frau Geheimrat von Steiner) für die Gemäldegalerie vermittelt.
In der neuen Ankaufskommission kam mit immer größerer Entschieden-
heit der Grundsatz zur Geltung, die Beschränkung, die unserer Galerie durch
den Mangel an bedeutenderen Mitteln bei immer steigenden Bilderpreisen auf-
erlegt ist, dadurch wenigstens einigermaßen auszugleichen, daß man sich be-
mühte, vor allem die moderne Galerie zu entwickeln, im wesentlichen vom
Stuttgarter Kunst 3 17
lebenden Künstler zu kaufen und womöglich, ehe die großen Kunsthändlerpreise
einsetzen. Dies veranlaßte die Lehrerschaft der Akademie, mit der Errichtung
einer eigentlichen Direktorsstelle an der Gemäldegalerie dem Ministerium
wenn auch keinen Künstler (was eigentlich das Nächstliegende gewesen wäre),
so doch einen Kunstgelehrten aus der Mitte des Lehrerkollegiums vorzuschlagen,
einen Mann also, der in möglichst lebendiger Fühlung mit der Künstlerschaft
selbst stehen und auch sonst ihre Interessen möglichst vielseitig vertreten sollte.
So übernahm der Verfasser des gegenwärtigen Rückblicks, der als Lehrer der
Kunstgeschichte an der Akademie schon längst auch die Führungen durch
die Gemäldegalerie veranstaltet hatte, im Jahre 1907 als erster hauptamtlicher
Vorstand die Gemäldegalerie. Eine Reihe empfindlicher Lücken gerade in
unserer modernen Kunst wurden zunächst ausgefüllt. Haug, von dem seit
seinem Jugendbild, den ,, Preußen vor Möckern", nichts mehr in die Galerie
gekommen war, obwohl er seit der Zeit seinen ,, Abschied", ,,Im Morgenrot",
,,Der Vortrupp der Preußen am Rhein" und andere Bilder ersten Ranges ge-
malt hatte, zog mit den ,, Reitenden Jägern", später mit dem auf Veranlassung
des Galerievorstands von einem Kunstfreund gestifteten ,, Liebling", Landen-
berger mit den auf dieselbe Weise gestifteten ,, Badenden Knaben", Reiniger
mit der ,, Hochebene von Scheffach", der ,, Mondnacht" (die letztere ebenfalls
Stiftung eines Kunstfreundes), PI euer mit dem von einem Großindustriellen
geschenkten ,, Abschied" aufs neue in die Gemäldegalerie ein. Auch die Samm-
lung alter Bilder wurde nicht vernachlässigt. Der bezeichnete Altarflügel von
Johann und Ivo Strigel und die Gündringer Altarbilder, Werke eines noch
unbekannten, aber ausgezeichneten Meisters um 1470, bilden eine erhebliche
Vermehrung unseres Schatzes an altschwäbischer Kunst; aber auch die nieder-
ländische Sammlung hat mit den beiden bezeichneten Bildern von Jakob von
Amsterdam (dem Galerieverein geschenkt von einem Kunstfreund) und Pieter
Quast und einigen anderen einen nicht unbedeutenden Zuwachs erfahren. Ja
ein ungewöhnlicher Glücksfall und eine hochherzige Schenkung an den Galerie-
verein machte es möglich, sogar die italienische Sammlung um ein selten gut
erhaltenes vorzügliches Bild von einem der besten Maler der nachraffaelischen
Zeit, Tibaldi (,,Die Heilung des blinden Tobias") zu vermehren.
Die wichtigste Neuerung aber, die von dem gegenwärtigen Galerievorstand
in die Wege geleitet wurde, ist der in unserer Galerie zum erstenmal mit voller
Konsequenz gemachte Versuch, die Anordnung der Bilder prinzipiell vom
künstlerischen Standpunkt und somit auch unter entscheidender Mitwirkung
von Künstlern bewerkstelligen zu lassen. Die Ankaufskommission und das
Ministerium hatten diesen im Zug der Zeit liegenden Plan gebilligt. Aller-
dings hatte Lange in der Einleitung zu seinem Katalog der Gemäldegalerie
von solchen Ideen noch als von ,, Schrullen" gesprochen. Allein der Gedanke,
daß eine Gemäldegalerie nicht in erster Linie ein kunstgeschichtliches
Bilderbuch, sondern ein Ort künstlerischen Genusses, wie etwa das Theater,
sein soll — schon Wackenroder sagt deswegen: Bildersäle sollen Tempel sein — ;
die einfache Erwägung, daß der Künstler unmöglich so viel Kraft und Mühe
auf die Durchführung von Ton und Harmonie, auf die Ausscheidung aller
störenden Nebenwirkungen verwendet haben kann, um dann sein Bild in der
Gemäldegalerie durch die ganze Umgebung und Aufmachung geschädigt, in
der Wirkung herabgedrückt, in ein disharmonisches Ganze eingefügt zu sehen:
diese Erwägungen haben schon bisher dazu geführt und werden immer mehr
dazu führen, daß bei der Aufhängung der Bilder in einer Gemäldegalerie der
wissenschaftliche und historische Gesichtspunkt zwar selbstverständlich nicht
prinzipiell vernachlässigt, aber dem ästhetischen oder künstlerischen nachgesetzt
wird. Der Deutsche leidet ja allerdings an einer gewissen Hypertrophie des
intellektuellen Interesses, und es mag immer noch manche Besucher von
Gemäldegalerien geben, denen die Einreihung eines Bildes in ein bestimmtes
Fach, in eine gewisse Zeit und Schule — ein Vorgang, zu dem ihnen ja übrigens
der Katalog alle Mittel an die Hand gibt — wichtiger ist als die ganze Fülle
künstlerischen Genießens, das etwa aus ihm geschöpft werden kann. Ja bei
älteren Kunstgelehrten lautet es manchmal, als ob die Kunst um der Kunst-
geschichte willen da wäre. Allein es läßt sich nicht verkennen, daß wir mit
aller Macht aus dieser schulmeisterlichen Pedanterie herausstreben, und die
Zeit, wo man die Galerien im wesentlichen als Studienfeld für den Kunst-
historiker betrachtete, wird bald für immer vorüber sein. Wie groß und schön
die Aufgabe ist, die mit einer wahrhaft künstlerischen Aufmachung dem
Museumsleiter gestellt ist — man muß es erlebt haben, um es voll zu würdigen!
Wie Bilder, die unbeachtet an der Wand hängen, auf einmal Leben und Kraft
gewinnen, wie die Akzente, die der Künstler in das Bild gelegt hat, gesteigert
werden, wie Wände und Säle eine festliche und feierliche Wirkung gewinnen
können, die den Beschauer von vornherein mit einer Atmosphäre von Har-
monie umgibt; wie umgekehrt Bilder, die nach Isolierung schreien, durch das
Drängen der Umgebung ihr bestes verlieren können, wie Bilder geschädigt
werden können, indem man Teile von ihnen in der Wand ertrinken, ja indem
man nur die Augenhöhe des Beschauers unberücksichtigt läßt usw., alle diese
künstlerischen Erfahrungen machen zwar das Aufhängen der Bilder in einer
Gemäldegalerie zu einer immer neuen, einer im eigentlichen Sinn unendlichen
Aufgabe, und sie zwingen zu mancherlei Ausscheidungen — aber um so besser,
wenn sie dazu führen, daß die widersinnige Massenanhäufung von Bildern etwas
zugunsten von Provinzialmuseen und Filialgalerien durchbrochen wird.
Die Namen der beiden bei der Neuordnung der Gemäldegalerie von 1912
und 19 13 mitwirkenden Künstler, der Professoren Landenberger und
Hölzel, verdienen in einem Bericht über die Geschichte unserer Gemälde-
galerie den vollen Ruhm ihrer unendlich mühevollen, aber wahrhaft hingebenden
und verständnisvollen Arbeit.
Teils der Bilderauswahl, teils der Ehrung einheimischer Sammler und
einheimischer Künstler dienten eine Reihe von Ausstellungen, die in Ermanglung
eines anderen Raumes in den Sälen der K. Gemäldegalerie abgehalten wurden
und so einen Teil ihrer Geschichte bilden. In die Zeiten Langes fällt die Michetti-
ausstellung 1902, die Schüzausstellung 1905, die Rembrandtausstellung 1906,
endlich die Ausstellung von Bildern des von Stuttgart scheidenden Kalckreuth
1907; in die Übergangszeit 1908 die Ausstellung der altdeutschen Bilder aus
19
dem Besitz des Herzogs von Urach. Unter dem gegenwärtigen Vorstand fand
1908 die Ausstellung der Bildersammlung des verstorbenen Rechtsanwalts
Walcher, darauf 1909 zum fünfundzwanzigjährigen Lehrerjubiläum des Künst-
lers die erste umfassende Ausstellung des Lebenswerkes von Friedrich Keller
statt. Es folgten 1909, 1910 und 191 1 die Gedächtnisausstellungen für Reiniger,
Otterstedt und Pleuer und 191 2 die Ausstellung des Lebenswerkes von Schön-
leber. Wie man sieht, eine stattliche Reihe von Ausstellungen, die es recht
erfreulich erscheinen läßt, daß wir nach der Eröffnung des Neuen Kunst-
ausstellungsgebäudes nicht mehr so häufig in die Lage kommen werden, die
Gemäldegalerie für diese Zwecke ausräumen zu müssen.
DIEZ
DIE KUPFERSTICHSAMMLUNG
Nirgends kommt der Kunstfreund der Seele der Kunst näher als im Umgang
mit der Graphik. Hier ist es wie sonst nirgends möglich, die Kunstwerke
selbst in der Hand zu halten, ihr Werden, ihre Zustände in mehreren Ent-
wicklungsstadien zu verfolgen. Mit Recht hat Württemberg daher die
K. Kupferstichsammlung reich dotiert und ausgestattet; einige ihrer Bestände,
wie die Dürer- und Rembrandtsammlung, gehören zu den besten und voll-
ständigsten Kollektionen ihrer Art. Dies bewirkt zu haben, ist das große
Verdienst Kräutles, des 1908 ausgeschiedenen, 1910 gestorbenen ehemaligen
Vorstandes der Sammlung. Kräutle, selbst ausübender Kupferstecher, war
einer der Museumsleiter vom alten Schlag, die nicht auf multa, sondern auf
multum sahen. Die Qualität war ihm die Hauptsache, das spezifisch Kunst-
historische lag ihm ferner. Dank diesem Qualitätsgefühl und dem glücklichen
Umstände, daß Stuttgart, hauptsächlich infolge der Bemühungen des Hauses
Gutekunst, einer der wichtigsten Märkte für Graphik ist, gelang es Kräutle,
vor allem die Werke seiner Lieblinge — und das waren außer Dürer auch die
übrigen Deutschen des 15. und 16. Jahrhunderts, außer Rembrandt auch
die anderen bedeutenden Holländer, endlich die Engländer des 18. Jahr-
hunderts — in wundervollen Drucken zu sammeln. Die Freude, mit der er
einem Kunstverständigen seine Schätze zeigte oder auch seine großen öffent-
lichen Ausstellungen veranstaltete, glich dem Verliebtsein des privaten Samm-
lers in seine Blätter, wie es uns Daumier so unnachahmlich geschildert hat.
Unter dem neuen Sammlungsvorstand Willrich (seit 1909) ist die Pflege
der zeitgenössischen Graphik in den Vordergrund getreten; zugleich ist neuer-
dings der Versuch gemacht worden, die Ausstellungen nicht als Schau-,
sondern teilweise auch als Verkaufsausstellungen einzurichten und sie nicht
auf Stuttgart zu beschränken, sondern auch im Lande zu zeigen.
Zu den wichtigsten Erwerbungen gehören 1891 Blätter von Dürer und
Ludwig Richter, 1892 Schongauer, Führich und Schnorr von Carolsfeld, 1893
Schongauer, Rembrandt, Uhde, Haug, 1894 Schongauer, Rembrandt, Klinger,
1895 Cranach, Beham, Rembrandt, 1896 Führichzeichnungen aus der Samm-
lung Manz, 1897 Aldegrever, Beham, Dietterlin, 1898 Dürer und Rembrandt aus
der Auktion Sträter, Preller, Peters, Achenbach, O. Fischer, 1899 Rembrandt,
Führich, Klinger, Halm, Zorn, Hollenberg, 1900 Dürer, Holzschnitte aus der
Sammlung Cornill d'Orville, Goya, Schwind, 1901 Dürer, Rembrandt, Leibl,
Klinger, Thoma, Whistler, 1902 Dürer, Beham, Thoma, Klinger, Kalckreuth,
1903 Dürer, Altdorfer, Feuerbach, Studie zur Amazonenschlacht, Halm, Zorn,
Vogeler, Kollwitz, Olde, 1904 Dürer, Richter, Whistler, 1905 Schongauer,
Dürer, Altdorfer, Aldegrever, Rembrandt, Weitbrecht, Whistler, Hollenberg,
1906 Dürer, Beham, Rembrandt, japanische Holzschnitte, 1907 Millet, Klinger,
Whistler, 1908 Rembrandt, Liebermann, 1909 Altdorfer, Zasinger, Leibl, Zorn,
Steinlen, Besnard, Rops, Grethe, 1910 Cranach, Wechtlin, Baidung, Beham,
Menzel, Eckener, Faure, Hollenberg, Kalckreuth, Laage, F. Lang, Lebrecht,
Mutzenbecher, Pankok, Rath, Schmoll von Eisenwerth, Seufferheld, Voigt,
191 1 Klinger, Stauffer, Boehle, Orlik, Munch, 1912 Aldegrever, Beham, Pencz,
Rembrandt, Forain, Willette, Thoma, Klemm. Unter den Schenkungen ist vor
allem die der Württembergicasammlung Gutekunst, 1899, zu erwähnen. In
den letzten Jahren hat der Galerieverein Werke älterer Meister als Leihgabe
zur Verfügung gestellt.
1892 erhielt die Kupferstichsammlung die Säle, die sie noch heute inne-
hat; 1909 wurde ihre Ausstattung erneuert. Die Sammlung ist so im Be-
sitze von Räumen, die sich für die Veranstaltung von Ausstellungen im be-
sonderen Maße eignen. Folgende größere Ausstellungen fanden statt: 1892
Dürer, 1893 Rembrandt, 1894 deutsche Meister des 15. Jahrhunderts, 1895
Cranach und Holbein d. J., 1896 deutsche Kleinmeister des 16. Jahrhunderts,
1897 Rubens, 1898 Cornelius, Overbeck, Schnorr, 1899 Sammlung Gute-
kunst, 1900 Führich, Schwind, Rethel, 1901 Klinger, Thoma, 1902 moderne
Lithographien, 1903 moderne Radierungen, 1904 Richter, 1905 Sammlung
Gutekunst, 1906 Chodowiecki, 1907 Darstellungen zur württembergischen
Uniformkunde 1791 — 1865, von Braun, Diez, Faber du Faur, Haug, Speyer,
1908 Halmhuber, 1910 Erläuterungen des graphischen Verfahrens, Stutt-
garter Graphik, 1911 Alt-Stuttgart, Goya, 1912 Hollenberg, F. Lang. Orlik,
Münchener Graphik, japanische Holzschnitte. Wanderausstellungen wurden
in Tübingen, Heilbronn, Hall und Gmünd veranstaltet. Die Ausdehnung
dieser Ausstellungen auf weitere Städte des Landes ist in Aussicht ge-
nommen.
BAUM
DIE ALTERTÜMERSAMMLUNG
Mit dem Stande und den Strömungen des Stuttgarter Kunstlebens hängt, wie
durch einen Grundwasserstrom, auch das Altertumsmuseum zusammen
und noch mehr das Landeskonservatorium, das mit dem Museum vereinigt ist.
An der Gründung der ,, Staatssammlung vaterländischer Altertümer" war die
Kgl. Kunstschule beteiligt. Deren Sekretär, Professor Dr. Adolf Haackh,
war der erste Inspektor der Sammlung, und Professoren der Kunstschule waren
als Mitglieder der ,,Kgl. Kommission für die Verwaltung der Staatssammlung"
ihre Berater, so Th. Wagner und B. Neher und viele gute Namen seither.
Eine Altertümersammlung ist zwar keine Kunstsammlung, sondern eine
wissenschaftliche. Eine Altertümersammlung, die den Namen eines Museums
verdient, ordnet die Altertümer so, daß sie das Leben der Vergangenheit dar-
stellen: Geschichte, vorgeführt an Sachen. Ihr eigentlicher Zweck ist nicht
Kunstgenuß und Kunsterziehung, sondern anschauliche Belehrung und patrio-
tische Volkserziehung. An die individuell denkwürdigen Reliquien und Denk-
mäler der Geschichte des Ortes oder Landes reihen sich die Dinge, die wegen
kulturgeschichtlicher, typischer Bedeutung merkwürdig sind.
Aber ein Teil der Geschichte ist eben auch die Kunstgeschichte. So berührt
sich das historische Museum unvermeidlich mit den kunsthistorischen Samm-
lungen, aber auch mit der Kunst. Kunstwert haben oft auch solche Dinge,
die nicht als Kunstwerke auftreten. Der strengste Wertmesser, den ein Sammler
an Artefakte anlegen kann, ist doch immer der der Kunst. Und was uns zu
den Altertümern hinzieht, das ist die Freude an sinnHchen, sichtbaren Dingen,
die Künstlerfreude, wie sie Goethe nennt. Darum sammeln wir alle am liebsten
solche Altertümer, die auch künstlerischen, nicht nur wissenschaftlichen Wert
haben. Der Geist einer Zeit spricht sich am deutlichsten und eindringlichsten
in ihren Kunstwerken aus. Die Kunst aus dem Museum verbannen hieße
die Seele verbannen. Und das Geistige, Seelische ist doch — wie Steinhausen
betont — auch in aller Kulturgeschichte die Hauptsache.
Heute ist die Aufgabe des historischen Museums oder Altertumsmuseums
in der Theorie klar gezeichnet. Nur läßt sich die von Philologen, Germanisten
ausgearbeitete Ordnung der Altertümer nicht leicht vom Papier auf die Sachen
im Museum übertragen. Jedes historische Orts- oder Landesmuseum bildet
einen besonderen Typus, und das ist ein Glück. Auch aus der Aufmachung
23
der Altertümer im Museum läßt sich die Kunst nicht ungerächt verbannen.
Mögen bedeutende Kunstwerke ganz ihrer eignen Wirkung überlassen bleiben.
Andere Dinge bedürfen der künstlerischen Anordnung, wenn das Ganze nicht
langweilig werden soll, wie es rein wissenschaftliche Sammlungen für den
Laien immer sind.
Nach ihren Satzungen sollte die Staatssammlung vaterländischer Alter-
tümer „zugleich ein historisches Kunstgewerbemuseum" sein, wie z. B. das
Bayrische Nationalmuseum heute noch ist. In dieser Beziehung ist sie über-
flügelt und abgelöst worden durch das jetzige Landesgewerbemuseum. Alter-
tums- und Gewerbemuseum sind ja in Wahrheit ebenfalls zwei verschiedene,
einander ergänzende Typen. Im Gewerbe- und Kunstgewerbemuseum sind
die technologischen, nach dem Stoff geordneten Sammlungen die Hauptsache;
und die Beschränkung auf das Vaterländische wäre hier, wo es sich um die
besten Vorbilder handelt, vom Übel. Im Altertumsmuseum handelt es sich immer
nur um das Historische und vorzugsweise um das Heimische. Hier werden
die Dinge zusammengestellt, wie sie im Leben beieinander waren. Hier gelten
die drei Einheiten der Bühnendichtung. Das Leben der heimischen Vergangen-
heit soll in seinen verschiedenen Epochen gezeigt werden. Und wenn Ent-
wicklungsreihen vorgeführt werden, beziehen sie sich nicht auf die Herstellung,
sondern auf die Bedeutung, den Gebrauch der Sachen.
Die Direktion der Staatssammlung vaterländischer Altertümer ist zugleich
Landesamt für öffentliche Denkmalpflege. Als der Landeskonservator Paulus
Vorstand der Sammlung wurde, behielt er die Denkmalpflege als Nebenamt
bei, und später blieb sie Dienstaufgabe des Museumsleiters, etwa so, wie
wenn der Konservator des naturhistorischen Museums zugleich den Schutz
der Naturdenkmäler im Lande hätte.
Bei diesem Doppelamte fehlte aber doch dem Konservator der Kunst-
und Altertumsdenkmäler, wenigstens solange er ganz allein war, oft wegen
auswärtiger Geschäfte die Zeit und Ruhe, um sich der Sammlung so zu widmen,
wie es das Ideal des Museums verlangt. Allerdings ist die Verbindung beider
Aufgaben innerlich begründet und nützlich für das Land. Das Gewissen des
Landeskonservators hält den Museumsdirektor davon ab, bewegliche Altertums-
denkmäler ohne Not von ihrer Stelle zu entfernen. Dem Museum nützt die
Vereinigung insofern, als sie ihm Gelegenheiten zeigt, aus erster Hand zu kaufen,
billiger und vor Fälschungen sicherer als im Kunsthandel. Freilich ist dabei
auch manches gekauft worden, was man nicht gerade gebraucht und lieber
an Ort und Stelle gelassen hätte. Es wurde nur gekauft, weil die Denkmal-
pflege kein anderes Mittel hatte, es dem Handel zu entziehen. Um die Ver-
steigerungen, zumal die auswärtigen, zu benützen, fehlten dagegen meist die
Mittel und darum auch die Fühlung mit dem großen Kunstmarkt.
Was am meisten vermißt wird, sind ganze echte Stilzimmer und Bauern-
stuben von zusammengehörigen alten Stücken. Auch die in andern Museen
so beliebte Apotheke fehlt uns. In einem württembergischen Landesmuseum
wird einmal auch eine der alten hölzernen Kelter pressen aufgestellt sein müssen;
so sehr die mächtige mittelalterliche Maschine ,, Sperrgut" wäre. Und anderes
24
Gerät aus alter Zeit. Volkstrachtenstücke sind in großer Zahl vorhanden,
nur meist nicht ausgestellt. Modelle von Bauernhäusern wird man später für
das neugebaute Museum noch anfertigen können und dann wohl auch noch
bezeichnende Originalteile bekommen.
Anderes, was im Hinblick auf andere historische Landesmuseen vermißt
wird und für Württemberg unwiederbringlich verloren scheint, fällt nicht der
Anstalt und überhaupt nicht der Neuzeit zur Last. Für ein eindrucksvolles
landesgeschichtliches Museum müssen die vergangenen Jahrhunderte und die
maßgebenden Stellen der Hof- und Staats- und Stadtverwaltungen und viele
Familien das Material gesammelt oder doch aufbewahrt haben. Daran hat es
bei uns gefehlt. Was für ein reiches und künstlerisch wertvolles Material
könnte vorhanden sein aus Altwürttemberg! Man denke an Fürsten wie
Eberhard im Bart, Ulrich, Christoph, Ludwig, Friedrich L, Eberhard Ludwig
und Karl Eugen! Nur die Kunstkammer hat sich zum Teil erhalten, von der
Rüstkammer und der Garderobe fast nichts und ebensowenig von dem Jagd-
zeug und der Geschirrkammer und dem Wagenpark des Marstalls. Immer
wieder wurden früher kostbare Möbel, Teppiche, Kostüme usw. verschenkt
oder zu Schleuderpreisen versteigert. Wertvolle historische Hofkostüme kamen
in die Garderobe des Hoftheaters und so weiter. Auch Altertümer des Landes-
arsenals wurden nach 1871 versteigert; ein Helm für Kolbenturnier ist aus
dem Handel in die Staatssammlung gerettet worden. Blutwenig ist erhalten
von den Trophäen, die die württembergischen Prinzen aus den Türkenkriegen
brachten, und von Erinnerungsstücken aus dem Dreißigjährigen Krieg und
aus den Napoleonischen und Befreiungskriegen, wo die Württemberger sich
so manchmal ausgezeichnet haben. Nicht viel besser steht es mit den persönlichen
Reliquien unserer Fürsten, ihren Ehrenzeichen, Waffen, Kostümen, Schmuck-
sachen und Handgeräten. Man war in Württemberg zu wenig byzantinisch.
Die Geschichte der Altertümersammlung im letzten Vierteljahrhundert
läuft in der Hauptsache darauf hinaus, daß sie immer gewachsen ist, aber sich
nicht hat entfalten können. Es war eine große Wohltat, als sie (1886)
endlich in feuersichere, hohe und helle Räume kam, im Erdgeschoß des Gebäudes
der Landesbibliothek. Aber schon damals mußten große und wertvolle Bestände
magaziniert werden (altdeutsche Altarschreine, Steindenkmäler, Ausgrabungen).
Kostbare Bilderteppiche wurden an der Decke aufgehängt und zu ihrer Be-
sichtigung Handspiegel aufgelegt! Kostüme und Textilien mußten in Schub-
laden gelegt werden. Und im Laufe der Zeit wurde es natürlich immer schlimmer.
Die besten Gemälde, viele Werke der schwäbischen Meister Zeitblom, Schaff-
ner usw., wurden später in die Staatsgalerie übergeführt, weil sie in der Alter-
tümersammlung einfach totgehängt waren. Die vom Landesgewerbemuseum
neuerdings angebotenen Volkstrachtengruppen, eine volkstümliche Anziehung
ersten Ranges, mußten aus Mangel an Raum abgelehnt werden. Dagegen
wurde neuerdings (1910) trotz aller Enge ein Teil des Armeemuseums auf-
genommen, nur um sie der Öffentlichkeit zu erhalten und für später dem histori-
schen Landesmuseum zu sichern. Die römischen Steindenkmäler (über
400 Nummern) stehen in einem Magazin des Souterrains, dicht gedrängt. In
Stuttgarter Kunst 4 ^5
der Schutzhalle im Garten der Bibliothek stehen ebenso die Steindenkmäler
von der vorgeschichtlichen und der Karolingerzeit bis auf das Rokoko und
den Neuklassizismus; darunter kostbare Originale wie die Spitzsäule vom
Marktbrunnen Eberhards im Bart zu Urach. Oberstudienrat Paulus wünschte
für die Steindenkmäler eine Halle, die nach der Art des Camposanto von Pisa
den Garten umschlossen hätte. Schließlich mußte er an dem kleinen Back-
steinbau froh sein, den der Volksmund ,, Kegelbahn" nennt.
Von den Ausgrabungen kommt Kiste über Kiste mit wichtigen Scherben,
kommen Steindenkmäler zu vielen Zentnern. Im Garten sind davon Trophäen
aufgebaut. Die schönsten sind neuerdings in der Vorhalle des Bibliothekgebäudes
aufgestellt worden. Dort stehen auch Geschütze, während Schlitten und Sänften
im Saal des Kgl. Kunstkabinetts neben den Cimelien stehen, und andere Fahr-
zeuge, Postwagen, Feuerspritzen, Fahrräder u. dgl. in verschiedenen Schuppen
der Stadt. Das Hauptmagazin des Museums ist jetzt im ehemaligen Zuchthaus.
Genug ist doch auch des Erfreulichen zu berichten. Von der Gnade der
Majestäten, der Könige Karl und Wilhelm II. und der Königinnen Olga und
Charlotte und der königlichen Prinzen und Prinzessinnen. Die Bestände der
ehemaligen fürstlichen und königlichen Kunstkammer sind der Glanzpunkt
des Museums. Der archäologischen Abteilung ist die ganze Sammlung des
Herzogs Wilhelm von Urach als Leihgabe des Erben angegliedert. Die hohe
Staatsregierung und die Ständeversammlung haben immer wieder die Betriebs-
mittel und in jüngster Zeit auch wieder den Personalstand vermehrt. In be-
sonderen Fällen sind auch außerordentliche Mittel beschafft worden. Die
größte außerordentliche Zuwendung, die 78 000 Mark betrug und den Ankauf
der berühmten Murschelschen Porzellansammlung ermöglichte, liegt zwar
außerhalb des Zeitraumes, den wir hier überblicken, wird aber im Museum
nie vergessen. Die Staatsfinanzverwaltung hat namentlich beim Einzug der
Sammlung in die gegenwärtigen Räume ihr aus Staatsgebäuden des Landes
bewegliche Kunstaltertümer überwiesen, die an Wert jene Barsumme noch
übertreffen. Heute sind solche Zuwendungen schwer zu erlangen; sie stoßen
auf örtliche Widerstände, besonders wo ein Ortsmuseum vorhanden ist, und
ein solches fehlt nicht leicht mehr, wo es Altertümer gibt. Von Gemeinden
schon gar nicht mehr, wiewohl früher auch von Städten wie Stuttgart, Gmünd,
Leonberg u. a. solche Schenkungen gemacht wurden. Die großartigste war
die des evangelischen Stiftungsrats von Herrenberg, Kunstaltertümer aus der
dortigen Stiftskirche, darunter der riesige Altarschrein von Jörg Ratgeb. Dafür
leiht heute die Stadt Stuttgart nicht nur bei jedem örtlichen Anlaß dem Museum
ihre mächtige Unterstützung, sondern hat ihm auch beträchtliche Geldmittel,
ordentliche und außerordentliche, zur Verfügung gestellt. Ein Museumsverein
für die Altertümersammlung ist unter dem Protektorat des Herzogs Ulrich
1910 durch Freiherrn Karl von Valois gegründet worden. Ihm ist unter andern
Vereinen der Schwäbische Albverein als Mitglied mit größerem Beitrag bei-
getreten. Den größten und bedeutendsten Zuwachs brachte die Einverleibung
der Altertümersammlung des Württembergischen Altertumsvereins (1889).
Ganze Sammlungen von hohem Werte sind auch von Privaten überwiesen worden.
26
So die Schenkungen Stützel und von Sieglin, die Vermächtnisse des Freiherrn
O. von Breitschwerdt und des Geheimen Kommerzienrats A. von Pflaum, die
Schenkung der Erben des Freiherrn K. von Valois, die Leihgaben des Freiherrn
von Schertel und von Seeger. Unter den angekauften Sammlungen ist die
bedeutendste die des Präsidenten von Föhr.
Bedeutender Zuwachs ist zu verzeichnen in den Abteilungen der älteren
und jüngeren Steinzeit, wofür das Land zwei ausgezeichnete Forscher besitzt,
dann in der römischen, teils durch eigene Ausgrabungen, teils durch Über-
weisungen der Limeskommission des Reichs. Die Abteilungen der vorrömischen
Metallzeit und des alemannisch-fränkischen Frühmittelalters blieben nicht im
Rückstand. Diese kunstgeschichtlich noch wenig gewürdigten Altertümer der
Vor- und Frühgeschichte sind gerade auch für Künstler als Studienmaterial
wertvoll, sowie die mykenischen, die in prachtvollen Nachbildungen im Museum
zu sehen sind.
Eine schöne Sammlung griechischer, hellenistischer und oströmischer
Altertümer ist erwachsen aus bescheidenen Anfängen, die auf das Kgl. Kunst-
kabinett zurückgehen. Der ganze große Zuwachs ist durch Schenkungen
zusammengekommen. In ein Museum ,, vaterländischer" Altertümer gehören
diese Anticaglien vielleicht nicht, wohl aber in ein archäologisches Landes-
museum, dessen die Hauptstadt nicht entbehren kann. So sind nun auch in
Stuttgart Antiken im Original zu sehen, darunter so bedeutende wie der
,,Sieglinsche Alexanderkopf".
Das Münz- und Medaillenkabinett, das zirka 27 000 Nummern zählt,
vermehrt sich immer noch rasch, obwohl es sich neuerdings auf Württem-
bergica und einheimische Funde beschränkt und von jenen nur noch Seltenheiten
zu erwerben braucht. Ausgestellt können immer nur kleine Abteilungen werden,
diese auch wohl vervollständigt durch Leihgaben. Eine große Sammlung
vaterländischer Siegel ist vorhanden, aber nur teilweise ausgestellt. Diese
Kleinkunstwerke haben für ein historisches Museum ganz besondere, mehr-
fache Bedeutung. Die altdeutschen Altarwerke, Holzplastiken und Gemälde
sind heute mehr als je geschätzt. Sie werden manchmal schon fast ebenso hoch
bezahlt wie itaHenische Renaissancewerke. Das Museum kann mit seinen
ordentlichen Mitteln auf diesem Markt nicht ankommen. Trotzdem ist der
Zuwachs an Tafelbildern und vorzüglich an Holzbildwerken ein reicher und
hoffentlich wertvoller. Ein Dutzend Altarwerke und zahlreiche Tafelbilder,
die im Magazin zu verderben drohten, sind neuerdings durch Maler Wennagel
restauriert und ausgestellt worden, so gut es eben ging. Von den meisten mittel-
alterlichen Wandgemälden des Landes besitzt das Museum Kopien, die bei
der Aufdeckung durch das Landeskonservatorium gemacht wurden. Die
Altertümersammlung hält sich für verpflichtet, vaterländische Bilderwerke
auch aus solchen Zeiten aufzunehmen, deren bildende Kunst die Kunstgelehrten
zurzeit weniger anzieht, wie z. B. die der Spätrenaissance, und zwar nicht nur
Bildnisse, Ansichten und andere Darstellungen von gegenständUcher, orts- und
kulturgeschichtlicher Bedeutung, sondern auch typische Kunstwerke der Zeit.
Vielleicht erwerben sich die Altertümersammlungen damit doch auch noch
27
einmal den Dank der Kunstgelehrten und der Künstler, so wie früher mit der
Aufbewahrung altdeutscher Bilder.
Über die verschiedenen Bestände der Sammlung unterrichtet der illu-
strierte , .Führer" (3. Auflage); über den Zuwachs berichtet regelmäßig der
„Württ. Staatsanzeiger", über die archäologischen Arbeiten des Museums
eingehender die ,, Fundberichte aus Schwaben". Von den Bilderpublikationen
sind neben dem Landesinventarwerk die illustrierten Kataloge (Ludwigsburger
Porzellanplastik, Glasgemälde) die wichtigsten. Andere Kataloge harren der
Veröffentlichung.
Neu aufgestellt wurden die archäologischen Abteilungen, ein Teil der
römischen und deutschen Steinbildwerke (in der Vorhalle), das Rokokozimmer,
die Gläser (diese unter freundlicher Mitwirkung von Professor Dr. Pazaurek)
und andere kleinere Abteilungen.
Hauptaufgabe ist jetzt der Neubau. Unter dem Protektorat Seiner König-
lichen Hoheit des Herzogs Ulrich, dem Ehrenvorsitz der Staatsminister General
von Marchtaler, Dr. von Fleischhauer und Dr. von Habermaas und dem Vorsitz
des Freiherrn von Brusselle-Schaubeck hat sich ein Komitee gebildet, das den
Bau als ein bleibendes Denkmal der Regierung Seiner Majestät des Königs
Wilhelm H. und der Liebe seines Volkes auf das Jahr des fünfundzwanzigjährigen
Regierungsjubiläums (1916) herbeizuführen hofft.
GRADMANN
28
DAS LANDESGEWERBEMUSEUM
Was das Stuttgarter Landesgewerbemuseum heute ist — Gebäude und
Sammlungen — , entstand durchaus unter der Regierung des gegen-
wärtigen Königs Wilhelm II. — Nicht als ob man in Württemberg erst nach 1891
angefangen hätte, technische und künstlerische Vorbilder für das heimische
Schaffen zusammenzutragen und der Allgemeinheit zugänglich zu machen.
Lange bevor im Jahre 1896 der jetzige prunkvolle Neckelmannbau, dessen
Haupthalle dem Andenken König Karls geweiht ist, feierlich eröffnet wurde,
hatte die Kgl. Zentralstelle für Gewerbe und Handel die Wichtigkeit anregender
Musterstücke für Handwerk und Kunsthandwerk, Industrie und Kunstindustrie
erkannt, ja früher als in den meisten anderen Staaten Sammlungen angelegt,
die noch in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückgreifen. ,, Musterlager"
hieß damals ganz richtig jene in den kleinen, vergitterten Räumen der ehe-
maligen Legionskaserne aufgestapelte Anhäufung von allerhand lehrreichen
und eigenartigen Dingen, Maschinen und Handv/erkszeug, Rohstoffen und
technologischen Verarbeitungslehrgängen, Formen und Dekorproben aus allen
Materialgruppen, Tausenden von ,,Kurz- und Langwaren", die man auf großen
und kleinen Ausstellungen namentlich im Ausland gefunden, auf Messen oder
in Fabrikbetrieben erworben hatte. Daß die schwäbische Produktion, die auch
selbst im weitestgehenden Maße als selbständiger Aussteller auftrat, ungemein
viel Anregungen, namentlich in technischer Beziehung, auf diese Weise er-
halten konnte und auch tatsächlich erhalten hat, darüber herrscht kein Zweifel.
Aber es gehörte ein glückliches Auge und eine geübte Hand dazu, aus der
Überfülle des Gebotenen namentlich in ästhetischer Hinsicht nur Gutes heraus-
zufinden, zumal doch bekanntlich gerade die zweite Hälfte des 19. Jahr-
hunderts zu den künstlerisch am wenigsten selbständigen Perioden zählt.
Galt doch noch die Quantität der den verschiedenen historischen Stilepochen
nacheinander entlehnten Motive und Motivchen ungleich mehr als die Qualität,
und all der aufgewendete Scharfsinn schien sich damals in die Hauptfrage
zuzuspitzen, wie man prunkhafte Formen und reichsten Schmuck am billigsten
herstellen könne, selbst unter ausgiebigster Heranziehung untergeordneter
Materiale und bedauernswerter Surrogate. Man staunte damals ja allgemein,
nicht nur in Württemberg, die großartigen Errungenschaften der empor-
kommenden Industrie an, ohne sich darüber Rechenschaft zu geben, daß alle
diese bewundernswerten Fortschritte auf chemischem oder technischem Gebiete
29
lagen, während das Empfinden für künstlerische Qualität im selben Maße ein-
geschrumpft war.
Selbst die kostbarsten Originalarbeiten der besten Museen oder fürstlichen
Kunstkammern wurden nicht mit anderen Augen angesehen. Kein Wunder,
daß im praktischen Leben Kopien dieselben Dienste leisteten wie die immerhin
teureren, echten, alten Stilobjekte. Ja moderne Umarbeitungen und Anwendungs-
möglichkeiten historischer Motive wurden sogar vielfach — gewissermaßen als
ästhetische Halbfabrikate — schon der Bequemlichkeit wegen vorgezogen.
Präsident von Steinbeis und nach ihm Präsident von Gaupp, die die Ge-
denktafeln in der König-Karl-Halle des Museums als die Schöpfer des Ge-
werbemuseums bezeichnen, waren Realpolitiker und durchaus Kinder ihrer
Zeit, als sie, vom besten und redlichsten Willen beseelt, aber auch nur von
einem Kaufmann, dem inzwischen ebenfalls verstorbenen Hofrat Senfft, unter-
stützt, dem ,, Musterlager" und späteren Gewerbemuseum einen großen Teil
ihrer Lebensarbeit widmeten. Es hieße weit über den Rahmen dieses Buches,
das ja nur Kunstfragen zu behandeln bestimmt ist, hinausgreifen, wollte man
es versuchen, den Verdiensten der beiden genannten Präsidenten gerecht zu
werden, die ja vielfach auf anderen Gebieten liegen. Die Organisationspläne
namentlich von Steinbeis entstammen ja einer Zeit, die noch keine Kunst-
und Musterschutzgesetze kannte, sondern mit den Kunstformen ohne Rücksicht
auf ihre Herkunft frei schalten und walten zu dürfen überzeugt war, dafür
das Schwergewicht auf die Ausbreitung technischer' Errungenschaften legte
und auf diesem Gebiete die nachhaltigsten Erfolge zu verzeichnen hatte.
Inzwischen aber hatte die allgemeine museale Entwicklung nicht still-
gestanden. In Wien und Berlin war das Musterlagerstadium bald überwunden
worden, und der neue Typus der Kunstgewerbemuseen hatte sich heraus-
gebildet und überall Nachfolge gefunden. Das künstlerische Moment sollte
hinter dem technischen nicht mehr zurückstehen. Die geschichtliche Entwick-
lung, die die hervorragendsten kunstgewerblichen Arbeitsstätten alter Zeiten
oder ferner Völker durchgemacht hatten, wurde in den größeren Sammlungen
immer klarer herausgearbeitet und gestattete zahlreiche Schlüsse über die
Ursachen von Wachstum, Blüte und Verfall; das Auge schärfte sich beim
eingehenden Studium von Originalen, die auch von verhältnismäßig guten
Nachbildungen oder Verarbeitungen in eine immer größere Entfernung rückten.
Man mußte den verlorenen Zusammenhang mit Kunstgeschichte und Ästhetik
wieder herzustellen trachten, um nicht von der Hand in den Mund zu leben,
sondern weiterblickende Organisationspläne aufstellen zu können. Die scharfe
Konkurrenz, die selbstverständliche Begleiterscheinung der glänzenden Ent-
wicklung deutscher industrieller Arbeit, duldet keinen Stillstand, namentlich
dem Ausland gegenüber.
Dies wurde auch in Württemberg erkannt, als Präsident von Mosthaf an
die Spitze der Kgl. Zentralstelle für Gewerbe und Handel trat und den Schreiber
dieser Zeilen zur Leitung der kunstgewerblichen Sammlungen berief; in dem
Bestreben, die ihm unterstehenden Anstalten im Sinne verwandter Institute
auszugestalten und ihnen frisches Blut und neue Kräfte zuzuführen, wandte
30
er seine Aufmerksamkeit auch dem Landesgewerbemuseum zu, dessen vor-
wiegend pseudohistorischen Gegenstände zwar zu den imposanten Museums-
räumen passen mochten, ihren eigentlichen Daseinszweck zu erfüllen jedoch
kaum mehr imstande waren. Hatte doch indessen die moderne Stilbewegung
überall, auch in Württemberg, mit ganzer Kraft eingesetzt und verlangte nach
anderweitigen Anregungen. Nicht abgeleitete, indirekte Formen und Dekore
konnten nunmehr von Nutzen sein, nicht sogenannte ,, Stilzimmer" geduldet
werden, die fast ausnahmslos zeigten, wie die großen historischen Stile in
Wirklichkeit nicht ausgesehen haben. Dagegen mußte, wie in den großen
Kunstgewerbemuseen anderer Städte, an charakteristischen und gediegenen
Objekten die stilbildende Kraft früherer Zeiten erkennbar gemacht werden.
Dadurch, daß man an Stelle der früher überall üblichen gedankenarmen
Nachbildung von ,, Musterstücken" das liebevolle Studium der besten erreich-
baren Kunstgewerbeerzeugnisse der verschiedensten Zeiten treten ließ, lernte
man durch Anschauung die vielfach noch ungeschriebenen Gesetze kennen, die
unter den jeweilig geänderten Kulturverhältnissen der Materialbehandlung,
Technik und Formgebung sowie dem Schmucke in Linie und Farbe zugrunde
liegen; erst dadurch aber ist die geeignete Grundlage für die Behandlung der-
selben Fragen in unserer stilbildenden Gegenwart gewonnen.
Die hochentwickelte Kunstindustrie des Landes, namentlich die graphi-
schen Künste und Buchgewerbe, die Möbelindustrie, die Verarbeitung edler
und unedler Metalle, die Textilindustrie haben gewiß ein Anrecht auf ähnliche
Berücksichtigung und Vertretung in den Sammlungen, wie sie die spezifisch
heimischen Industrien der Schwarzwälder Uhren und der Stuttgarter Tasten-
instrumente durch die wichtigen Kollektivschenkungen von Geheimrat Dr. Arthur
Junghans-Schramberg und Kommerzienrat Karl Pfeiffer-Stuttgart gefunden
hatten. Aber auch die keramische Industrie, die heute in Württemberg nicht
so sehr im Vordergrund steht wie in früheren Jahrhunderten, darf wegen ihrer
Wechselwirkung zu anderen Materialgruppen nicht zurückstehen, und selbst
die Glasindustrie darf nicht ganz fehlen.
Was das heißt, in unseren Tagen eine Sammlung aller kunstgewerblichen
Zweige zusammenzubringen, kann nur der würdigen, der die rapid empor-
schnellenden Antiquitätenpreise im letzten Jahrzehnt verfolgt hat. Und trotz-
dem ist dies bis zu einem recht ansehnlichen Grade gelungen, allerdings nur
dadurch, daß die bescheidenen etatmäßigen Mittel durch hochherzige Stiftungen
bewährter Gönner in entscheidender Weise vermehrt worden sind. Besonders
großen Dank schuldet unser Land in dieser Beziehung namentlich jenen Männern,
deren Namen hier zum bleibenden Gedächtnis verewigt sein mögen: Bauer-Kiel,
R. Bosch, C. Dinkelacker, A. Fasig-Ludwigshafen, R. Franck-Ludwigsburg,
E. Gärtner, D. Heilner, F. N. Jedele, A. Kächelen, A. Kienlin-Schwenningen,
J. Kienzle, C. L. Maag, J. Mauthe, E. von Pfeiffer, C. J. Schlenker, E. von
Sieglin, von Steinbeis-Brannenburg, G. Steingräber-München, A. Steinharter-
München, E. Terrot-Cannstatt und R. Wißmann-Cannstatt.
Mit der Neugestaltung der Sammlungen ging selbstverständlich eine voll-
ständig neue Aufstellung Hand in Hand. Unverändert blieb nur die repräsen-
31
tative König-Karl-Halle, die auch weiterhin das für wechselnde Ausstellungen
bestimmte Zentrum blieb, also eigentlich unausgesetzt Änderungen unter-
worfen ist. Da auch das reichste Kunstgewerbemuseum nicht lückenlos sein
kann, namentlich aber die modernsten Schöpfungen rascher vorführen muß,
ehe sich ein feststehendes Urteil über die ästhetischen Vorzüge oder Schwächen
einzelner Gegenstände gebildet haben kann, da somit der Ankauf mancher
Objekte, die doch in irgendeiner Hinsicht hohes Interesse bieten, für die ständigen
Sammlungen nicht immer ratsam erscheint, wird das Ausstellungswesen, das
die einzelnen Produktionsgruppen möglichst gleichmäßig berücksichtigen soll,
stets von ausschlaggebender Bedeutung bleiben. Und neben jenen Vorführungen,
die den verschiedenen Materialien oder Ursprungsstätten gewidmet sind, wird
man auch gerne, soweit es Zeit und Mittel erlauben, hier und da in Ausstellungs-
form eine wichtige ästhetische Frage der Lösung zuzuführen trachten oder
aber unter Hinzuziehung auswärtigen Kunstbesitzes einzelne Kapitel aus der
Geschichte des Kunstgewerbes im Zusammenhange zur Diskussion stellen,
um neben den Forderungen des Alltags auch die wissenschaftliche Forschung
nicht zu vergessen, vielmehr die praktische Arbeit auch nach der theoretischen
Seite zu ergänzen.
Aus der großen Ausstelhmgshalle gelangen wir über die pompösen Marmor-
treppen vorbei an dem nicht gerade vorteilhaft unter die Sammlungsräume
eingekeilten Vortragsaale, wo in Wort und Lichtbild ebenfalls künstlerische
und kunstgewerbliche Fragen der verschiedensten Art, erörtert werden, zu den
eigentlichen kunstgewerblichen Sammlungen, die nach stofflichen Gruppen
angeordnet sind. Vorgelagert sind jedoch aus örtlichen Rücksichten die beiden
geschlossenen Abteilungen der Uhren — im Hinblick auf die Schwarzwälder
Uhrenindustrie — und der Tasteninstrumente, die in Beziehung zur Stutt-
garter Klavierbauindustrie stehen.
Aber auch in den Materialgruppen wird die Rücksicht auf die heimischen
Produzentenkreise jener auf die Konsumenten stets vorangestellt, obwohl er-
fahrungsgemäß Blüte und Wachstum der besten Erzeugungsstätten untrennbar
sind von der Erziehung des kaufkräftigen Publikums zur richtigen Einschätzung
wertvoller Qualitätsarbeit. — Den Anfang macht die Textilabteilung mit ihren
alten und neuen Geweben, Zeugdrucken, Stickereien und Spitzen, an die sich
die Gewänder anschließen, und zwar nicht nur die heimischen Volkstrachten,
sondern auch kirchliche und profane höfische Gewänder, namentlich jene schönen
Rokokokostüme, die auf Anordnung unseres Königs aus der Hoftheater-
garderobe hierher gekommen sind.
Eine gute alte Stuttgarter Spezialität bilden die technologischen Lehrgänge,
die jeder Stoffgruppe angegliedert sind, Rohstoffe, Werkzeuge und Maschinen
sowie Verarbeitungsstadien, die zum Verständnisse der Arbeitsleistungen sehr
erwünscht sind, in anderen Kunstgewerbemuseen jedoch zum Teile oder fast
ganz fehlen. Namentlich in der graphischen Abteilung nehmen sie mit Recht
einen breiten Platz ein, da doch Stuttgart der zweitgrößte Buchverlagsort des
Deutschen Reiches ist. Hier finden auch die vorübergehenden Ausstellungen
aus der Plakatsammlung statt, die an Reichhaltigkeit nur von wenigen Museen
32
übertroffen werden. — Zu den Proben alter und neuer Schriften, Drucke, Vor-
satzpapiere und Bucheinbände treten auch charakteristische Lederarbeiten,
ferner eine gewählte Sammlung von Fächern und Miniaturen hinzu.
Einen stattlichen Eindruck macht die keramische Sammlung, zunächst die
Bau- und Ofenkeramik, dann die Gefäßkeramik, von antiken Schalen, italieni-
schen Majoliken, holländischen, französischen und deutschen Fayencen und
Hafnergeschirren oder deutschem Steinzeug angefangen bis zum modernsten
Porzellan oder Steingut. Wie an anderen guten Museen war man bestrebt,
namentlich die Porzellansammlung entsprechend auszubauen, diesmal weniger
aus Rücksichten für die örtliche Industrie — Hamburg mit seiner unvergleich-
lichen keramischen Sammlung hat ja auch keine Werkstätten dieser Art — ,
sondern wegen der überragenden Bedeutung in der jFormengebung überhaupt,
wie aus dem Gesichtspunkt heraus, daß wir nur hier (und in der viel teureren
Emailkunst) die unveränderte Farbenstimmung des alten Kunsthandwerks
studieren können.
Die Glassammlung ist nur klein, aber gewählt. Hier tritt die Vorbildlichkeit
von Form und Farbe für andere Stoffgruppen wesentHch zurück, und da Würt-
temberg heute keine entwickelte Kunstglasindustrie besitzt, war die Beschrän-
kung auf das WesentHchste selbstverständHch. Um so reichhaltiger sind die
Abteilungen der Metalle bedacht worden, zunächst das Eisen mit guten Gitter-
und Schlosserarbeiten wie mit Ätzmalereien, dann das Zinn, das in Württem-
berg eine größere Rolle spielt als anderwärts, ferner die Bronze nebst Kupfer-
und Messingarbeiten, schließlich — in der Galerie — die Edelmetallarbeiten
nebst Email, Dosen und Medaillen. — Die letzte große Abteilung, deren Er-
weiterung leider durch den Raum engere Grenzen gezogen sind, enthält die
Möbel- und Holzschnitzereien vom Mittelalter bis in die neueste Zeit nebst
einigen Schnitzereien aus Elfenbein und anderen Stoffen.
Zu diesen kunstgewerblichen Sammlungen tritt ergänzend im Obergeschoß
eine umfangreiche Gipssammlung, die, weit über den kunstgewerblichen Rahmen
hinauswachsend, vorwiegend stilgeschichtliche Tendenzen verfolgt, aber durch
viele Abgüsse von menschlichen, Tier- und Pfianzenformen auch unmittelbar
der Praxis dient.
Aus den früheren Beständen des Museums wurden die besten Stücke in
den Loggien zu beiden Seiten der König-Karl-Halle zu einer neuen Gruppe
vereinigt, die die ,, Geschmackswandlungen der letzten Jahrzehnte", also den
raschen Wechsel oft überschätzter Moden viel instruktiver veranschaulicht, als
dies irgendwo anders bisher auch nur versucht worden wäre. Die Zeit zwischen
der ersten Londoner und der letzten Pariser Weltausstellung mit ihrer äußer-
lichen Abwandlung historischer Stilformen wird hier — nach Jahrzehnten
geordnet — ganz deuthch. — Weniger gute Stücke der ehemaHgen Sammlungen
bilden den Grundstock einer weiteren, scharf von allem anderen gesonderten
Abteilung, die sich als negative Ergänzung bisher in jeder Beziehung bewährt
hat: die Geschmacksverirrungen. In streng systematischer Anordnung wurde
hier der erstmaHge Versuch unternommen, die Fehler gegen den guten Ge-
schmack je nach dem Material, nach der Konstruktion und Technik sowie
Stuttgarter Kunst 5 33
nach der Kunstform und dem Schmuck in Zeichnung und Farbengebung zu
illustrieren und durch zahllose Beischriften zu erklären.
Noch eine seriöse Abteilung der kunstgewerblichen Sammlungen darf
keineswegs vergessen werden, wenn sie auch aus räumlichen Gründen getrennt
aufgestellt werden mußte. Es ist dies die orientalische Gruppe, besonders die
chinesische und japanische Kunst, deren beste Stücke mit den Namen des
verstorbenen Kommerzienrats Scholl in London und des Geheimen Hofrates
Professor Dr. E. von Balz in Tokio, jetzt Stuttgart, aufs innigste zusammen-
hängen. Übrigens läßt sich die Dislozierung dieser Sammlung durch die so
ganz anders geartete geschlossene Kultur des fernen Ostens gewiß rechtfertigen.
Daß mit dieser kurzen Skizze Geschichte, Bedeutung und Ausdehnung
des Landesgewerbemuseums nicht erschöpft werden konnte, liegt auf der
Hand. Mußte doch hier, da es sich lediglich um die künstlerische Seite dieses
Institutes handelt, die ganze große, rein technische Gruppe mit ihren Maschinen
und Motoren, Rohstoffen und Erzeugnissen ebenso weggelassen werden wie
alle Behelfe, die die Gewerbeförderung oder Gewerbehygiene zu bieten hat,
ganz abgesehen von den anderen selbständigen Anstalten der Kgl. Zentralstelle
für Gewerbe und Handel, wie die Bibliothek oder das chemische Laboratorium,
die ja auch im gleichen Gebäude untergebracht sind. So verschieden aber
auch die Ziele und Aufgaben dieser Institute sein mögen, sie vereinigen sich
doch alle im redUchsten Streben nach der bestmöglichen Förderung guter
heimischer Arbeit.
PAZAUREK
34
DIE MALEREI
35
DIE HEIMISCHE SCHULE
KELLER HAUG SPEYER LANDENBERGER
Es kann nicht bezweifelt werden, daß es auch den Zeitgenossen schon
möglich ist, den eigentlich großen Künstler von dem bloß tüchtigen
und vortrefflichen Künstler, Raffael von Andrea del Sarto, Dürer von Lucas
van Leyden usw. zu unterscheiden. Ja diese Aufgabe scheint nicht einmal die
schwierigste, welche die Kritik zu lösen hat, denn der große Mensch, der in
jedem großen Künstler steckt, kann sich ebensowenig verbergen wie die voll-
endete Leichtigkeit in der Handhabung der künstlerischen Mittel, in welcher
sich echte Künstlergröße bewährt.
Es ist aber noch eine andere Aufgabe zu lösen, die etwas schwieriger
sein dürfte, das ist die Aufgabe, die wirklich künstlerische Natur von dem
,, Auchkünstler" zu unterscheiden, den geborenen Künstler von dem, der sich
dazu gemacht hat, oder wie man früher gern zu unterscheiden pflegte: das
künstlerische Genie von dem künstlerischen Talent. Hier gibt es, soweit wir
sehen, nur ein sicheres Unterscheidungsmerkmal. Das ist die innere Not-
wendigkeit, der innere Zwang, mit dem sich in dem Künstler die künstlerische
Funktion vollzieht: er will nicht dichten, sondern muß dichten, er will nicht
malen, sondern muß malen; die künstlerische Funktion ist nicht Velleität,
sondern Pathos, Leidenschaft in ihm. Ob aber ein Werk der Kunst unter einem
solchen Zwang entstanden ist, das sieht man ihm nicht ohne weiteres an. Es
gibt nur gewisse Symptome, an denen man es etwa erkennen kann.
Das wichtigste dieser Symptome ist das, daß die Mittel, mit denen der
Künstler arbeitet. Form, Farbe, Licht, auch wirklich Ausdrucksmittel sind,
daß sie nicht irgendeinem Nebenzweck der Kunst, wie etwa Nachahmung des
Wirklichen, sondern ihrem Hauptzweck dienen, dem Zweck, Ausdruck inneren
Lebens zu sein. Dies gibt dem Werk des wahren Künstlers, der künstlerischen
Natur, eine eigentümliche innere Einheit und Zweckmäßigkeit, eine innerliche
Ganzheit und Geschlossenheit, die es in hohem Maße klar, einleuchtend und
durchsichtig macht. Ein Beispiel mag zur Illustration genügen. Makart war
sicher kein großer Künstler, aber er war ein echter Künstler, eine künstlerische
Natur. Das beweisen eben die Mängel, die man ihm heutzutage zum Vorwurf
macht, seine geistige Leere, seine Formenflachheit. Was er ausdrücken wollte
und ausdrücken konnte, das Vibrieren der Nerven unter der sinnHchen Lebens-
37
Fr. Keller, Steinbrecher, 1878
Hamburg, Kunsthalle
freude, das findet seinen vollen, reinen und klaren Ausdruck in der Art seiner
Kunst. Ihm ist die Farbe nicht, wie so manchem seiner Mitstrebenden und
Zeitgenossen, auch etwas, was man als Schmuck und Reiz irgendwo an-
bringen kann, sondern sie ist ihm alles, aber eben damit etwas nicht Gleich-
gültiges, sondern etwas durch und durch Notwendiges und Beseeltes.
Solche ,, Naturen" haben, wie alles, was Natur ist, vermöge der in ihnen
fühlbaren Notwendigkeit etwas an sich, was den wissenschaftlichen Trieb
anlockt; sie offenbaren die geheimen Zusammenhänge unter den Erscheinungen.
Als ich vor ungefähr zwanzig Jahren zum erstenmal versuchte, die Kunst
Robert Haugs ,,auf den Begriff zu bringen", sah ich mich veranlaßt, eine
Art ,, Theorie des Freilichts" aufzustellen, d. h. den Versuch zu machen, die
sämtlichen Wirkungen zu untersuchen, welche die so eigentümliche Dämpfung,
Abkühlung, Abblassung der Farben im freien Lichte auf die gesamte Auf-
fassung des Bildes, auf die Stellung und Bedeutung der Figuren in der Land-
schaft, kurz gesagt: auf die Wahl des Stoffes und die Gesamterscheinung der
Form ausüben m.ußte. Es gab Freilichtbilder genug, die einen solchen Gedanken
nicht nahelegten. Aber in Haugs damaligen Bildern, in dem , .Abschied",
dem ,, Morgenrot", war eine Geschlossenheit und eine vernünftige Zweck-
mäßigkeit, die sich dem Beschauer so deutlich kundmachte, daß man sich
unwillkürlich genötigt fühlte, darüber nachzudenken, wie die verschiedenen
38
Eigenschaften des Bildes unter sich und mit dem Zweck des Ganzen zusammen-
hängen.
Diese Gedanken drängen sich dem Kunstkritiker auf, wenn er versucht,
sich klarzumachen, was einen Hang, einen Reiniger, einen Landenberger aus
der großen Zahl ihrer Mitstrebenden in so eigentümlicher Weise heraushebt,
daß, wie man es oft erfahren hat, Künstler wie Menzel oder Uhde in einer
großen Ausstellung von ihren Bildern unfehlbar festgehalten wurden. Gewiß
erschöpfen diese schwäbischen Künstler auch in ihrer Gesamtheit nicht das
Fr. Keller, Steinbrecher
39
reiche Leben, das unsere moderne Kunst auszeichnet. Eine gewisse Einseitig-
keit haftet nicht nur jedem von ihnen, sondern auch der ganzen Richtung
unserer Kunst in dem für uns wichtigen Zeitraum an. Aber was diese Künstler
sind, das sind sie durch und durch. Sie tragen das Siegel der künstlerischen
Natur, der geborenen Künstlerschaft an sich. Bei jedem von ihnen ist es mög-
lich zu sagen, wo der Reiz liegt, der sie zur Kunst zwingt, was der Zweck ist,
dem sie alles unterordnen. Sie haben jene innere Notwendigkeit in sich, die
den Menschen zwingt, unbeirrt von außen, von Anerkennung und Tadel, von
Gunst und Abgunst den eigenen Weg zu gehen. Und dieselbe innere Ge-
schlossenheit und fühlbare Zweckmäßigkeit, denselben unwiderstehlichen
Zwang zeigt häufig auch der Lebens- und Entwicklungsgang solcher Naturen.
,, Friedrich Keller ist ein hervorragendes Beispiel der ursprünglichen,
über alle Hindernisse triumphierenden Künstlerbegabung. Bedenkt man, daß
es ihm erst im 27. Lebensjahr gelang, das Ziel zu erreichen, das ihm schon
in seinem Knabenalter vorschwebte, den Eintritt in die Kunstschule, so weiß
man nicht, was man mehr bewundern soll, die zähe Ausdauer, mit der er an
seinem Ziel festhielt, oder die stille, echte Künstlerglut, die ihn zwang, unter
kümmerlicher Handwerkstätigkeit sein künstlerisches Streben immer höher
zu entwickeln."
Diese Worte, mit denen ich im Jahre 1908 einen Aufsatz zu Kellers
25Jährigem Lehrerjubiläum einleitete, möchte ich an der Spitze dieser Be-
sprechung wiederholen, um die aufrichtige Bewunderung auszudrücken, die
der nähere Einblick in dieses schöne Künstlerleben bei dem Freunde der Kunst
erweckt. Wahrlich, sie ist ein Epos, diese Künstlergeschichte; im ganzen eine
Idylle, doch nicht ohne ernsten Hintergrund. Irrfahrt nach einem schönen Ziel,
von dem der Fahrende immer wieder zurückgedrängt wird, und ein im Innersten
rührender Glaube, daß es doch schließlich erreicht wird. Endlich mit fliegenden
Wimpeln Einfahrt in den gesuchten Hafen und emsiges Ausbreiten der ge-
sammelten Schätze auf dem Markt des Lebens, der dann an dem so wenig
marktschreierisch veranlagten Künstler meist vorübergeht.
Ein Bauernknabe von Neckarweihingen, OA. Ludwigsburg, der alles
zeichnet, was ihm in den Weg kommt, jedes Bild kopiert, das in den Stuben
seines Heimatorts hängt, von dem Pfarrer und Bezirksschulinspektor entdeckt
wird und die Erlaubnis bekommt, an dem Zeichenunterricht der Lateinschule
der benachbarten Oberamtsstadt teilzunehmen. Dort sind keine Vorlagen vor-
handen, deswegen zeichnet der Lehrer, Freund von Horace Vernet, Riesen-
formen an die Tafel, die dann kopiert werden. Was für ein hübsches Bild aus
der guten alten Zeit! Trotz allem Talente ist, weil das Geld fehlt, keine Rede
von der Kunstschule. Also zum Handwerksmeister, der seinen Lehrling miß-
handelt, bis er fortläuft. Damit ist der Lehrling aber auch bei den anderen
Handwerksmeistern boykottiert. Bleibt nichts als die Blechwarenfabrik mit
ihren bemalten Kaffeebrettern, daneben in den kümmerlichen Mittagspausen,
40
Friedrich Keller
Der Schnapstritiker
Besitzer : Edwin Feldniüller, Stuttgart
• -. ü
u 'S
, +-'
abends bei Licht unablässiges Zeichnen, Sonntags Besuch der Zeichenschule.
Endlich der erste Preis der großen Zeichenausstellung in Stuttgart. Unter
so vielen der Beste!
Der Achtzehnjährige macht sich mit seinen Zeichnungen unter dem
Arm auf den Weg [nach der Hauptstadt, den er, o wie oft! am Sonntag
gewandert ist, um sich an den Bildern des Museums zu laben. Er kommt in
die Kunstschule, die er kennt, weil sie noch im Museumsgebäude ist, in der
ihm sogar Neher schon ^
freundlicheBeachtung
geschenkt hat, und —
wird auf der Treppe
von derHausmeisterin
abgefangen. ,,Was
will der junge Mann ? "
,,Ich möchte Kunst-
schüler werden." —
,, Ein Maler?" — „Ja,
wenn es möglich
wäre." — ,,Was für
ein Maler?" — ,,Ein
Historienmaler, wenn
es möglich wäre." —
,,So ... so . . . ein
Historienmaler. Hast
du denn Geld?" —
,,Geld hab' ich keins,
aber ..." — ,,Dann
kehr nur gleich um
und bitte Gott, daß
er dir die Mucken
aus dem Kopfe treibt.
ZumHistorienmaler,"
schließt die gute Frau,
frei nach Montecuculi,
,, gehört Geld . . .
Geld . . . Geld."
Tiefbetrübt zog der junge Keller ab, aber keineswegs mit dem Gedanken,
die Sache aufzugeben, sondern mit dem festen Entschluß, sich das nötige Geld zu
erwerben. Wie er das dann getan hat, wie er schließlich als Geselle des ge-
schätzten Dekorationsmalers Kämmerer sich wenigstens den Winter freizu-
machen suchte für die Kunstschule, wie er endlich entschlossen dem Handwerk
den Rücken kehrte, im 27. Jahr auf die Kunstschule ging und sich mit Wappen-
malen und derartigem mühselig über Wasser hielt, das ausführlich zu schildern
würde hier zu weit führen. Genug, er erreichte seinen Zweck. HäberUn schickte
ihn schließlich selbst nach München, damit er in einen größeren Zug hinein-
Stuttgarter Kunst 6 4^
Fr. Keller, Im Steinbruch
Fr. Keller, Phantasieakte
komme. Dort ging er noch einmal in die Schule zu Lindenschmit, denn er
wollte immer noch Historienmaler werden; er erhielt auch einen Preis für
die Komposition eines Kolumbus. Aber die Schule konnte ihn schon nicht
mehr beeinflussen. Er hatte seine Malnote, er hatte bald in den Steinbrüchen
von Fölling auch seinen Stoff gefunden. Die Steinbrecherskizze von 1876 hat
Defregger gekauft. Zwei Jahre später entstanden die Steinbrecher der Ham-
burger Kunsthalle, ein geniales Werk, das in der Beobachtung der Lufttöne
epochemachend ist und seiner Zeit vorauseilte. Es erregte starkes Aufsehen
und brachte dem Künstler Ehre und Auszeichnung. Während die kleinen
Genrebilder, die er gleich anderen malte, nach Amerika und England gingen,
Fr. Keller, Lots Flucht
und nur wenige köstliche, wie ,,Der Maler auf Reisen" (im Besitz von Frau
Professor Häberlin), ,,Die beiden Trinker" (im Besitz von Defregger), sich
bei uns erhalten haben, ist diese erste große Steinbrecherszene — ein Markstein
deutscher Kunst — glücklicherweise in ein deutsches Museum gekommen.
Man muß sich die Frage vorlegen, wie Keller zu dem Thema kam, dem
er von da an seine beste Kraft gewidmet hat, der Darstellung der menschlichen
Tätigkeit in den Steinbrüchen und den Eisenhämmern. Die eigenen Aussagen
des Künstlers weisen ebenso wie die ersten Beispiele solcher Bilder darauf
hin, daß er nicht von dem Malerischen dieser Vorgänge ausging, von den ver-
witterten und verstaubten Gewändern, den ebenso rauhen und verwitterten
Gesichtern, den starken Schatten und Lichtgegensätzen in dem Steinbruch
und in dem Eisenhammer. Auch wäre es wohl nicht richtig, wenn man dem
Herauswachsen des Künstlers aus dem Dorfleben, dem Bauernleben, also
43
Th. Lauxmann, Grablegung
aus der Sphäre körperlicher Arbeit, oder etwa bestimmten Jugendeindrücken
einen stärkeren Anteil an dieser Stoffwahl zuschreiben wollte. Vielmehr ist
es charakteristisch, daß den Künstler immer vor allem die Anstrengung der
Kraft interessiert, das schwere Zerren, Schieben, Stoßen, Tragen, d. h. solche
Funktionen des Körpers, die ihn biegen, auseinanderwickeln, gegensätzlich
stellen, also Gelegenheit zu starken Verkürzungen und bewegten Silhouetten
geben. Die Freude an der Darstellung des bewegten und verkürzten Körpers
ist das künstlerische Pathos in Keller. Es wurde wohl gefördert durch den
Zeichenunterricht Nehers, der (wie die Kreuzabnahme in der Galerie beweist)
dafür auch ein besonderes Verständnis hatte; wie tief aber diese Freude an
Stellung und Bewegung des menschlichen Körpers in Keller selbst wurzelte,
beweisen die Phantasieakte, von denen wir hier einige Proben geben. Welche
Fülle von Motiven und welcher Reichtum der Behandlung ist darin, bald trocken
und knapp, bald in schwingenden Wellen, bald mathematisch starr, bald voll
weicher Details ; hebende, tragende, tanzende, stürzende, ruhende Figuren,
die einen in Drehung jeder Körperachse, voll des höchsten organischen Lebens,
die anderen psychologisch charakterisierend und in jedem Zug beseelt. Aber
es ist ein Zeichen jener echten Künstlerschaft, von der wir oben sprachen,
daß Keller nun sehr bald die Farbe seiner Steinbrecher abdämpfte, ihnen die
Wirkung der Luft und des Lichtes zugut kommen ließ, daß er nicht mit
kleinlichen Farbeneffektchen, zu welchen seine Zeit so viel Neigung hatte,
operierte, sondern entschlossen den Weg der gebrochenen Farben, der Hell-
malerei ging, gehorsam keinem Vorbild, sondern dem Wahrheitsinstinkt seines
Auges und dem künstlerischen Trieb, alles der einen Hauptwirkung unter-
zuordnen. Es ist keine Frage, daß er in dieser Richtung einer der selbständigen
Bahnbrecher war.
44
Th. Lauxmann, Studienkopf
Der Gegensatz des warmen
und kalten Lichtes, der in den
Steinbruchbildern, den Karren-
schiebern usw. in gedämpfter
Form wirksam ist, erhält dra-
matische Kraft und leidenschaft-
liches Pathos in den Eisenham-
merszenen, in denen Keller rote
Feuersglut und das kalte, graue,
im Gegensatz zu dem Orange
des Feuers intensiv blau wir-
kende Licht der Fenster einen
gewaltigen Kampf kämpfen
läßt. Als ein besonders be-
kanntes Beispiel dafür mag das
Bild der Stuttgarter Galerie die-
nen. Die beiden rauhen Zyklo-
pen, die hier ,,am Feuer" ar-
beiten, das sie mit rotem Licht
übergießt, sind von hinten an-
geschauert von dem kalten
Tagesschein, der durch die Fen-
ster dringt. Mit vollendeter
Kunst ist der Streit der beiden Lichter auf den Köpfen und Hemden der beiden
dargestellt; aber das wahrhaft Große an dem Bild ist doch die Art und Weise,
wie diese streitenden Lichter die unheimliche Stimmung zum Ausdruck bringen,
die an solchen Orten
eintritt, wo der Mensch
mit so gewaltigen und
zerstörenden Natur-
kräften ringt. Auf
diese Weise wird das
Bild ein Stück von
dem ewigen Kampf
der Menschheit gegen
die furchtbaren Mäch-
te der Natur, ein
Stück von dem Epos
menschlicher Kraft
und Größe.
Daß Keller, so
ganz modern in den
eben geschilderten
Bildern , in seinen
religiösen Bildern
45
_ __ -^ . - ■ — »-e ? ■'
K. Wahler, Eisenhammer
(wie denen in der Kirche zu Großeislingen und Babstadt) und in allegorischen
Bildern (wie im Justizpalast in Ulm) teilweise andere Wege geht und
manchmal in der Zeichnung altmeisterlich anmutet, daß er, sonst ein so
großer Freund der derbrealistischen Form, in ihnen die durchaus reine, edle
und große Linie festhält, ist ein interessanter, auf den ersten Blick vielleicht
verwunderlicher, aber doch keineswegs unverständlicher Zug in seinem
Wesen. Er ist auch hier ein naiver, von innen heraus wirkender, Mode-
richtungen und Schlagworten unzugänglicher Künstler. Seine Seele, von
Jugend auf religiösen Empfändungen weit geöffnet, gerät bei den religiösen
Bildern, bei dem Gedanken an Jesus unter den Mühseligen, an die sorgende
Liebe, die Jesus zu Grab trägt, in jene feierlichen Schwingungen, die aus den
alten Chorälen unserer Kirche klingen. Er zieht die Schuhe von seinen Füßen
und schüttelt den Staub der Erde von sich. Ihn packt ein gewaltiges Propheten-
leben, und die Kunst wird ihm Dienerin der höchsten Wahrheit. Er kann nur
in hohen und feierlichen Tönen sprechen. Die schlichte Innigkeit, die Rem-
brandt und Uhde in ihre Mühseligen und Beladenen gelegt haben, liegt ihm
nicht. Er stellt nicht die seufzende, gottsuchende Seele der Gegenwart, sondern
das große Epos der Vergangenheit dar. Wer wollte das Recht dieser Auf-
fassung bestreiten ? Wenn wir auch zugeben müssen, daß die grobe Knechts-
gestalt, in der wir heute den Stifter des Christentums zu sehen lieben, uns
tiefer ans Herz greift, vielleicht wahrer und inniger wirkt als die schönen,
mächtigen und feierlich abgewogenen Formen in Kellers religiösen Bildern,
es ist doch genug echte Künstlerschaft, gewaltiges Können in diesen Bildern,
um ihnen einen dauernden Wert zu geben; und dem Empfinden des Volkes stehen
sie näher als die anderen. Vollends ganz an seinem Platze aber ist Keller,
wenn er Simson oder Lot zum Gegenstand nimmt. Welch ein Gewaltiger der
Vorzeit ist dieser aus dem brennenden Sodom flüchtende Lot!
Keiner seiner Schüler ist Keller auf sein eigenstes Gebiet gefolgt, das der
mühevollen Arbeit in den Steinbrüchen mit den hellen Tönen der Malerei und
den schwierigen zeichnerischen Aufgaben. Dagegen haben doch einige von
seinen Schülern nicht nur in frühen Arbeiten Spuren einer ganz bestimmten
Farbgebung gezeigt, wie wir sie in Kellers eigenen Studienköpfen finden,
sondern auch in Form und Inhalt an einzelne Seiten seiner Tätigkeit angeknüpft.
So ist ihm Lauxmann in seinen Anfängen auf das Gebiet der Kirchenmalerei,
Wahler in seinen besten Bildern auf das der Eisenhämmer gefolgt, und auch
Wicky hat in seinen Interieurs die Arbeit in einer Weise aufgesucht, die viel-
fach an Keller erinnert.
Theodor Lauxmann hat in seiner Studienzeit Grünenwald als Zeichen-
lehrer dankbar geschätzt und Keller, bei dem er sowohl die Mal- als die Atelier-
schule besucht hat, in guter Erinnerung behalten. Er lobt an seinem Meister
den Schwung, der in seiner ganzen Kunst lebt und den er mitzuteilen wußte,
wenn er auch nie ein Mann vieler Worte gewesen ist. Mehrere Reisen nach
46
Italien und Paris führten ihn dann zu kunstgeschichtlichen Studien, die ihn
auch, abgesehen von dem malerischen Zweck, anzogen. Von 1895 an finden
wir ihn mit dekorativen Wandgemälden beschäftigt, wie den allegorischen
Deckenbildern im Königin-Olga-Bau, mit Glasgemälden für die Friedhofkapelle
in Eßlingen und die äußere Kirche in WaibHngen. Ein großer Auftrag ward
ihm in der Stadtkirche zu Schorndorf, wo er eine Kreuzigung und eine Grab-
legung in Öltempera malte. In allen diesen Werken, auch in dem Selbstporträt,
das die Gemäldegalerie erwarb,
ist er wesentlich Zeichner, und
durchaus zeichnerisch sind auch
seine Entwürfe von Szenen aus
der württembergischen Ge-
schichte. Erst die Beschäftigung
mit den Volkstrachten Würt-
tembergs, über die er Vorlesun-
gen hielt, trieb ihn in das Male-
rische hinein. Das von der Ge-
mäldegalerie erworbene frisch-
farbige Bild ,,Der Besuch" wird
allgemein für sein bestes ge-
halten, und neuerdings hat er
selbst mit einfachen Geflügel-
stilleben, in denen sich der ma-
lerische Trieb auslebte, einen
entschiedenen Erfolg gehabt.
In einigen reizvollen Ham-
merschmieden hat Karl Wah-
ler das Kellersche Motiv fort-
gesponnen. Nicht in den großen
Formaten, zu denen Keller durch
sein Gefühl für das gewaltige
Leben dieser Szenen ganz von
selbst geführt wird, sondern in
kleineren Bildern, die eben des-
wegen mehr auf das rein Male-
rische gehen und nicht den großen Kampf entgegengesetzter Lichter, sondern
das Aufglühen des Rot aus den Dämmerungen der Arbeitssäle zum Gegenstand
haben. Wahlers Landschaften vom Bodensee, aus dem Bregenzer Wald und
aus unserer eigenen Umgebung lieben die zermorschten Hütten, die malerischen
Höfe, die versteckten Winkel, denen er ihr farbiges Leben abzugewinnen weiß.
Solchen Dingen geht er mit offensichtlicher Liebe nach und weiß sie schlicht
zur Geltung zu bringen.
Eine solche schlichte Art hat auch Franz Albert Wicky, dessen Zu-
sammenhang mit Keller in den Werkstätteninterieurs spürbar ist, deren seelisches
Behagen er liebt. Dabei ist es ihm nicht um die verwickelte Stellung der
47
F. A. Wicky, Bildhauer
körperlichen Anstrengung zu tun, sondern um die stille Bildwirkung, die die
aufgehende Tür einer solchen Arbeitsstätte so oft im Türrahmen sehen läßt;
und der künstlerische Eindruck hat deswegen etwas von dem Reiz, den wir
alle von Jugend auf empfinden, wenn wir eine Werkstatt mit dem emsig wirken-
den Bewohner betreten, dessen Geschicklichkeit uns imponiert. Im Anfang ist
Wicky in der Farbe noch zurückhaltend und begnügt sich auch einmal mit
dem zeichnerischen Eindruck, aber die Blumen- und Obststilleben, in die er sich
später mit Hingebung versenkte, haben ihn tiefer in die Farbe gehen lassen,
so daß seine Marktszenen und neueren Interieurs von einer wohltuenden fröh-
lichen Farbigkeit zeugen.
Verwickeitere Naturen sind zwei andere Schüler Kellers: Zix und Seuffer-
held. Ferdinand Zix ist mehrmals mit religiösen Charakterköpfen wie
Buddha und Christus aufgetreten, in denen er tiefes geistiges Leben in eigen-
tümlicher Formung zum Ausdruck zu bringen suchte: bei Buddha die Stille
des abgetöteten Le-
benswillens und der
Leidenslosigkeit, bei
Christus den ent-
schlossenen Leidens-
willen. Darin spricht
sich ein starkes Inter-
esse an den religiösen
Problemen aus, und
religiös im weiteren
Sinne , wenn nicht
gar sozialistisch ten-
denziös wird man
auch den Steinklopfer
finden, mit dem Zix
angefangen hat. Al-
lein plötzlich wandte
er sich, noch vor
Otterstedt, der Blu-
menmalerei zu, nicht
der Malerei der stil-
len Blume, die durch
ihrWesen interessiert,
sondern der der lau-
ten, starkfarbigen,
duftlosen, der Gicht-
rosen, oder der Mas-
senblumen: Schnee-
ballen und derarti-
gen, aus denen er nun
rein malerische Werte
F. Zix, Der neue Tag
48
ctl
f
xrx
CS
<A
w
4J
(U
>
g
ja
^
CJ
{2
t-l
<u
-d
a
(1)
g
u
CS
p^
w
Adolf Senglaub
Bildnis
Besitzer: Otto Stängel, Stuttgart-Untertürkheim
^ ^■
herausarbeitet. Viele sind ihm seither auf dieses Gebiet gefolgt, das bald auch
die rein dekorative Richtung mächtig reizte. Zix selbst bleibt aber bei einer
naturalistischen Auffassung dieser Dinge, die insbesondere durch das Spiel des
Lichtes über diesen Blütenmassen interessiert. Seine Behandlung aber ist breit
impressionistisch und mit der Zeit immer freier geworden.
Heinrich Seufferheld ist kaum den Stuttgarter Künstlern zuzu-
rechnen, obwohl er nach Studien in München und Berlin hier zehn Jahre lang
im Meisteratelier bei Keller und
Kräutle gearbeitet hat. Denn ^
er ist bald aus Stuttgart ver-
schwunden und im Jahre 1909
als der vortreffliche Zeichner, ■
I'
der er ist, Universitätszeichen- |
lehrer in Tübingen geworden. |
Schon als Zögling des theolo- r
gischen Seminars in Urach inter-
essierte er sich mehr für die K
Kunst als für die Theologie. Er
schwelgte bei seinen Zeich-
nungen in einer minutiösen i^;
Pünktlichkeit, die ihn auf ge- -*
wisse Zweige der reproduzieren-
den Kunst hinwies. Die Malerei,
in der er ernste Gegenstände,
,, Grablegung", ,, Heimkehr",
breit und mit entschiedener
Stimmung behandelte, hat ihm ^
dann eine freiere Hand ver-
schafft, die ihm bei der Radie-
rung zugut kam. Man hat in Stuttgart seither nur wenig von ihm gesehen;
er hat aber den Eindruck einer ernsten Künstlerschaft hinterlassen, die es
wohl verdiente, nicht im Lehramt unterzugehen.
Zwischen ihm und Theodor Schnitzer ist in der ganzen Art ein Unter-
schied, der sich kaum größer denken läßt. Seufferheld ist entschieden eine
starke, in den Empfindungen heftige Natur, während Schnitzer in seiner ganzen
Art und Arbeit eine intime Zartheit zeigt, die an das Weibliche erinnert. So
gibt es von ihm einen frühen Akt in kleinem Format von solcher Duftigkeit
der Färbung, so weichem Klang in den beschatteten Fleischtönen, daß man
sich nichts Zarteres denken kann. In den Bildnissen, zu denen ihn weniger
Neigung als die Notwendigkeit des Lebens zieht, ist er bescheiden und zurück-
haltend objektiv; er gibt ihnen gerade so viel Handfrische, daß sie einen zarten,
subjektiven Anhauch bekommen und nicht malerisch langweilig werden. In
seinen Landschaften ist er am besten bei kleinem Format und feinen intimen
Stimmungen, die er aus einem luftigen Grau herausarbeitet. Am entschiedensten
aber wirkt er in seinen Zeichnungen zur katholischen Fibel und anderen Schul-
stuttgarter Kunst 7 49
*:
Th. Schnitzer, Studienkopf
büchern, wo er sich in der einfachen Technik an Richter anlehnt, aber in der
Naivität und dem zarten Humor, der heiteren Frische der Auffassung offenbar
das Beste aus sich herausholt.
Ganz ins Große geht umgekehrt Adolf Senglaub, dessen neuestes Bild,
ein sich über den erschlagenen Bruder beugender Kain, überschienen von
unheimHchem kaltem Dämmerlicht des aufsteigenden Mondes, in der mächtigen
Zeichnung, in den starken Verkürzungen, in dem ausgesprochenen Kompo-
sitionstrieb die zwei
Seiten der Kunst sei-
nes Meisters Keller
zu vereinigen sucht.
Schon in seinen frühe-
sten Bildern (z. B.
dem ,, Mädchen auf
dem Dach", das er
noch auf der Schule
gemalt hat) zeigt er
die Neigung zum
großen Format und
schwungvoller Linie,
die gefährlich werden
könnte, wenn er nicht
ein guter und sicherer
Zeichner wäre. In
der Farbe liebt er im
allgemeinen trübe
Töne, die er aber z. B.
in dem großen, für
das Rathaus zu Hei-
denheim gemalten
Bild, ,, Einzug Herzog
Ulrichs mit seiner
Gemahlin Sabina",
durch eine festliche
Freudigkeit überwun-
den hat. Auch in seinen Bildnissen, z. B. in dem vortrefflich aufgefaßten
Porträt des Herrn Sorge, strebt er nach Raumwirkung und charakteristischer
Auffassung und zeigt sich so im ganzen als ein Künstler, der einen entschie-
denen Trieb hat, die Macht der Linie auszunützen und ihr das andere unter-
zuordnen.
Ein echter Zögling der Kellerschule ist endlich noch der aus Leer in Ost-
friesland stammende Gerrit Onnen, der von Zeit zu Zeit mit Kollektionen
von Interieurs, Landschaften holländischen Charakters und namentlich Genre-
bildern zutage getreten ist. Zu den letzteren zieht ihn seine Neigung, die auf
das Stille und Intime geht: ,,Der Gelehrte", ,,Die Nähstube", das sind Themen,
50
G. Onnen, Am Fenster
die ihn charakterisieren; die sanften Reize des eigenen Heims stellt er in duftigen
Interieurs dar. Ist er früher zuweilen im Braunen steckengeblieben, so bemüht
er sich in den letzten Jahren um eine helle Farbigkeit. Auch seine Radierungen
bewegen sich auf demselben Wege. Meistens zeigen sie den echten, mürben
Strich der Radierung und das Streben nach Herausarbeiten der Licht- und
Schattenflächen, auf das die besten Meister der Radierung und die ganze
Natur dieser Technik als ihr wahres Ziel hinweisen.
Robert Haug. Haug, der am 27. Mai 1857 mitten in unserer netten
Stuttgarter Altstadt, im Angesicht der Leonhardskirche, geboren wurde, ent-
stammt einer Handwerkerfamilie, d. h. dem Lebenskreis, der unter unseren
heutigen Verhältnissen dem Künstlertum wohl am meisten mißtrauisch und
abgeneigt gegenübersteht. Keine Berührung mit der Kunst ist in seiner Familie,
wenigstens bei den näheren Vorfahren, nachzuweisen, wenn es auch etwa be-
deutungsvoll erscheinen mag, daß er durch seine mütterliche Großmutter mit
Hölderlin zusammenhängt. Aber er versenkte sich schon mit 12 Jahren voll
Vorliebe in die Reliefs der Befreiungskriege auf unserer Jubiläumssäule, und
seine schlechten Zeichenzeugnisse (Zeichnen nach stilisierten Vorlageblättern!)
hinderten ihn nicht, dem angeborenen Zeichentrieb leidenschaftHch nachzu-
gehen. Mit dem Erfolg, daß der Rektor seiner Schule, der treffliche Oberschulrat
Bücheier, den Widerstand des Vaters schließlich besiegen und den jungen
Menschen mit 15 Jahren dem Professor Häberlin vorführen konnte. Hier
zeichnete er einiges, z. B. Hände, nach der Natur und wurde sofort ange-
nommen.
Der Akademie stand indes Haug im allgemeinen spröd gegenüber, wie
früher dem Zeichenlehrer seiner Schule. Das ist ja bis zu einem gewissen Grad
fast immer bei denen der Fall, die den unfehlbaren Magnet der künstlerischen
Natur in sich selbst tragen. Aber ungleich so manchem Jüngeren lernte er
das künstlerische Handwerk mit einer vorbildlichen Gewissenhaftigkeit, ins-
besondere das Zeichnen. Neher, von dem schon die Rede war, hatte auch auf
ihn den stärksten Einfluß. Bei seiner verschönernden Art zu sehen, empfand
er doch offenbar den Reiz der Verkürzung, d. h. der Durchführung des Körpers
durch die Raumdimensionen in höherem Maß. Er korrigierte solche Sachen
mit Lust und vollem Verständnis. Weniger war Haug von der Malmethode
Häberlins befriedigt, der nach der Pilotyschablone verfuhr und damit manchem
originellen Malerinstinkt bis ins Herz griff. Wer so geeignet war wie Haug
mit seinem echten Schwabenkopf, in so einem Falle Widerstand zu leisten,
den mochte er nicht. Es kam zu einem Konflikt. Haug verließ die Schule und
ging 1877 nach München.
Aber auch in München fand er nicht, was er suchte. Er wollte in die
Schule von Wilhelm Diez eintreten, zu dem ihn seine Freude an Soldaten und
Pferden zog. Er hätte aber ein Jahr warten müssen, da die Schule überfüllt
war, ein Luxus, den er sich nicht gönnen konnte. So trat er bei Otto
R. Haug, Die Preußen bei Möckern
Stuttgart, Kgl. Gemäldegalerie
Seitz ein, und hier befand er sich unter einer Anzahl höchst interessanter Mit-
schüler (von denen ihm namentlich noch der Amerikaner Chase in Erinnerung
ist). Aber auch außer der Schule fand sich anregender Umgang genug. Man
darf nur die Namen Stauffer-Bern und etwa Ludwig Herterich nennen, mit
denen Haug sich damals anfreundete , um zu begreifen, wie belebend die
Münchener Zeit auf den Künstler wirken mußte. In der Pinakothek interessierten
ihn vor allem die kleinen Rembrandt mit ihrer energischen Realistik und ihrem
feinen Farben- und Lichtleben.
Haug kehrte 1879 an die Stuttgarter Akademie zurück, wo bald nachher
Liezenmeyer Direktor wurde, und wurde Atelierschüler. Er bekam sogar —
ein seltener Fall — ein Atelier für sich allein. Aber was nützt ein eigenes
Atelier, wenn die Schule kein Modellgeld gibt und der Schüler kein Geld hat,
um selbst Modelle zu bezahlen? Man war zu gezwungener Untätigkeit ver-
dammt. Begreiflich, daß Haug nicht mit freundlichen Erinnerungen an eine
Zeit zurückdenkt, die für einen strebsamen Menschen eine Art von Tantalus-
qual bedeuten mußte.
Als Haug die Schule verließ, waren die Verhältnisse für ihn trüb genug.
Beinahe zehn Jahre lang mußte er sich das Malen ganz versagen. Aber die
damalige Generation war härter als die heutige. Sie nahm entschlossen das Hand-
werk auf sich, wenn es mit der Kunst nicht ging, und so hat sich auch Haug
schlecht und recht mit Zeichnungen zu Illustrationen durchgeschlagen, bis
er sich ein wenig Luft geschafft hatte. Was Wunder, wenn wir in der ganzen
Zeit von 1879 bis 1889 kein Bild von ihm finden als die Ludwigsburger Schloß-
wache (1880)! Er hätte wohl das Malen ganz verlernt, wenn er nicht 1881 von
Faber du Faur nach Hamburg berufen worden wäre, um an dem großen
Panorama der Schlacht von Wörth mitzuhelfen, d. h. Studien für den Künstler
zu malen.
52
R. Haug, Gaisburg
Im Jahre 1889 folgen dann die „Preußen bei Möckern", ein Werk von
so eindringlichen Vorzügen, daß sich die Galerie sofort seiner bemächtigte —
allerdings um Haug dann 20 Jahre lang zu vergessen. Dazu kaufte Schraudolph
die prachtvollen Studien für die Akademie, deren Sitzungszimmer sie heute
noch schmücken. Es ist nicht die schreckliche Leidenschaft mancher fran-
zösischen Schlachtenbilder darin, sondern ein mehr epischer Ton. Nicht Nah-
kampf, sondern Fernkampf; in der Stimmung eine gewisse Bangigkeit, wie
etwa in dem Verse: Eine Kugel kam geflogen, gilt sie mir oder gilt sie dir?
Dabei doch der Schrei der gepreßten Brust. Die Haltung der einzelnen Figuren
bewegt, verschieden, raumerfüllend und raumkonstruierend, dem unruhigen
Leben einer so bewegten Masse entsprechend. Das Ganze in seinen trüben
Lufttönen ,,ahnungsgrauend, todesmutig"; in der Farbe, wie bei allen schwäbi-
schen Zeitgenossen (z. B. bei Reiniger und Pleuer), noch etwas tintig, aber
schon fein in dem Gegensatz der gelben Kragen gegen die blauen und grauen
Haupttöne. Haug hat es später vergrößert, ohne den ganzen Zauber dieser
Jugendarbeit wieder zu erreichen. Er folgte damit aber einem richtigen Instinkt.
Denn das Bild hat den einzigen Fehler, für das gewaltige Leben, das es enthält,
zu klein zu sein.
Mit dem ein Jahr später gemalten ,, Abschied" erhielt Haug, nachdem
ihm das vorhergehende Bild die kleine goldene Medaille eingetragen hatte,
die große (die er später einmal dem schwer ringenden Pleuer zum Versetzen gab) ;
vor allem erhielt er damit den Eintritt in die Münchener Pinakothek und rückte
mit einem Schlag an die Spitze der württembergischen Maler. Das Bild, das
damals impressionistisch genug wirkte, mutet jetzt mit seiner sorgfältigen
Zeichnung, seiner feinen Ausführung fast akademisch an. Es hat aber von
dem unbeschreibHchen Reiz der Komposition nichts verloren, und zum ersten-
53
mal hat Haug darin die Eigenschaft gezeigt, in der ihm wohl überhaupt kein
Maler seiner Zeit gleichkommt, die sprechende Haltung, die psychologisch
ganz durchgefühlte Stellung, die sich so unvergeßlich einprägt. Wer,
der es einmal gesehen hat, kann die Haltung des Mädchens vergessen, das mit
seinem Schirm den Schnee durchwühlt? Wer die Haltung des Offiziers, der vor
ihr steht? Bangigkeit, vielleicht Scham auf der einen Seite, männliche Kraft,
Verheißung, Mut auf der anderen, dazu in dem kalten Morgen das Grauen
der Gefahr und des Abschieds: das Bild zeigt, wie weit die Fähigkeit der Malerei
noch geht, selbst im Gebiet der Erzählung. Denn wenn die Phantasie auch über
das Bild hinausschweifen mag zu dem, was geschehen ist, und zu dem, was
geschehen wird: das Auge wird immer zu diesem gefühlsschweren Moment
zurückkehren, den der Künstler gewählt hat, und in den Linien der Zeichnung,
in Luft und Licht etwas finden, das keine dichterische Darstellung zu er-
setzen oder in ähnlicher Weise zu leisten vermöchte.
Ganz aus dem Schwarzen herausgewachsen ist Haug in dem Dresdener
Bilde ,,Im Morgenrot", das in gewissem Sinn seinen Höhepunkt darstellt und
ohne allen Zweifel als eine der vollkommensten Leistungen betrachtet werden
darf, die wir der Kunst der Gegenwart verdanken. Noch mehr als im ,, Abschied"
weht hier der Odem des Volkslieds: ,, Morgenrot, leuchtest mir zum frühen
Tod." Und doch ist keine bestimmte Beziehung auf das Hauffsche Volkslied
darin. Kein Ausziehen zum Kampf, sondern eine müde Patrouille, die weit
geritten ist und bei der einer schläfrig in das Morgenrot hineindämmert, ein
anderer die Mütze lüftet, daß der Strom des Morgenwindes durch die schweiß-
befeuchteten Haare streicht, während der ruhelose Offizier auf dem Hügelrand
seine Beobachtungen macht. Aber in dieser Doppelstimmung des kalten
Morgengrauens und des leicht daran streifenden warmen Morgenlichtes —
welche Wirkung! Verständlich dem einfachsten Bauern wie dem Gebildeten,
von einem unverwüstlichen echten und starken Stimmungsgehalt, ist das
Gemälde, schon längst eines der meistkopierten in deutschen Galerien, in dem
von dem Künstler selbst gemachten farbigen Steindruck vollends eines der
Lieblingsbilder des deutschen Volkes geworden.
Ich setze ihm an schöner, rein durchgefühlter Stimmung den in derselben
Zeit entstandenen, viel weniger bekannten ,, Spaziergang" an die Seite,
jenes vom Rücken gesehene Liebespaar, das am sonnigen Sommertag den
schmalen Weg durchs Kornfeld auf den Wald zugeht. Ein Bild von dem
schönsten Sommerreiz und Liebesreiz, das unwillkürlich an den Weg Hermanns
und Dorotheas durch die Kornfelder der Hochebene erinnert. Aber es ist nicht
von dem Dichter inspiriert, sondern von dem besten Zauber der Natur und
des Lebens selbst, das alte, ewige Lied von der Sommersonne und dem Sommer-
glück. Der feine Duft über der Landschaft ist so stark empfunden und so
vortrefflich wiedergegeben, daß man den Geruch des reifen Korns zu spüren
glaubt.
Auch diese Schöpfung ist von klassischer Durchbildung und tadelloser
Vollendung; auch hier ist die Bewegung der Figuren in ihrer Unbewußtheit
von sprechendem Reiz; auch hier sind die neuen Hilfsmittel der Luft-
54
R. Haug, Spaziergang
maierei in vollkommener Weise in den Dienst der Stimmung gestellt, so daß
das Bild ganz von schönem Leben durchglüht erscheint.
Haugs Entwicklung ist dann eine für unsere Zeit typische gewesen. Wie
er schon in seiner ersten Zeit aus dem Dunklen in das Lichte strebte,
so hat er sich später aus dem Grauen immer mehr in das Farbige hineinge-
arbeitet. Die Wachtfeuer der Bremer und Karlsruher Kunsthalle sind wohl
die ersten Zeichen dieses Übergangs. Haug fängt an, die Schimmel zu lieben
mit dem reizvollen Spiel der kalten und warmen Lichter; blanke Kürassier-
uniformen, die originellen scharfgrünen Monturen und Helmraupen der
württembergischen Louisjäger, die gelben Postkutschen, schließlich das Schar-
lach des Jagdreiters. Manche führen das auf den Einfluß Herterichs zurück,
der eine Zeitlang, warm mit Haug befreundet, neben ihm an der Kunstschule
wirkte; aber es bedarf keiner solchen Zufälligkeit. Es ist dieselbe Entwicklung,
die wir auch bei Reiniger, Pleuer, Zügel und vielen anderen wahrnehmen.
Als Landenberger im Jahre 1908 den württembergischen Saal der Dresdener
Ausstellung hängte, hatten wir alle den Eindruck, wie merkwürdig fein, aber
auch wie merkwürdig grau er aussah. Heutzutage würde er energischer in
der Farbe sein, und selbst die reine Farbe würde ihm nicht fehlen.
Es ist vielleicht schade, daß Haugs Wandmalereien im Stuttgarter Rathaus,
im Feuerbacher Rathaus, in der Steinstraße zu Stuttgart nicht ein paar Jahre
später gemalt worden sind. Wandmalereien, die sehr bald die Einflüsse der
Atmosphäre aufnehmen und verwittern, dürften wohl etwas kräftiger angesetzt
sein, als es Haug mit dem äußerst fein geschliffenen Organ seines Farbensinns
getan hat. (Physiologische Untersuchungen an Haugs Auge haben ergeben,
daß seine Farbenempfindlichkeit weit über das normale Maß hinausgeht und
eine überhaupt nur selten vorkommende Schärfe hat.) Man wird sich deswegen
mehr an der Komposition dieser prächtigen Handwerkerzüge freuen als an
der Farbe, an den, wie immer bei Haug, so charakteristischen Stellungen und
Bewegungen der wirkHchen oder allegorischen Figuren, an dem heiteren epi-
schen Zug, den sie an sich haben. Nicht vergessen seien aber auch die groß-
zügigen Landschaften im Sitzungssaal des Rathauses mit ihrer flächenhaften
StiHsierung. Eine von ihnen hat Haug auf Stein übertragen, und sie schmückt
schon manches Haus im Lande. Schade, daß dieser eminente Zeichner nicht
noch mehr getan hat in der Richtung auf die reproduktiven Künste. Sieht man
den ebenfalls auf Stein gezeichneten Totentanz an, diesen vom nächtlichen
Gelage mit halbirren Augen von dem Sekundanten Tod durch den Zwinger ge-
schleppten Jüngling, der im Begriff ist, sein junges Leben im Zweikampf aufs
Spiel zu setzen, so muß man sagen, Haug hätte uns eine Serie von Totentanz-
bildern geben können, die machtvoll an alle Herzen gegriffen hätte.
Robert Haug ist kein bequemer Lehrer. Er verlangt, was er selbst leistet,
unermüdliche Arbeit und volle Konzentration. Manchen ist er am Anfang
zu streng gewesen und zu eifrig mit Korrigieren. Aber fast alle seine Schüler
56
f.
V
^^
*.;
' \
JBK&^Hita^HMH^i iüS'^
Robert v. Haug
Reitender Jäger
Besitzer: Gustav v. Müller, Stuttgart
00
p
CS
K
4->
1— t
;-i
1—1
Ol
4-1
O
S2
P<
^
sind darin einig, daß er die starken Persönlichkeiten zur höchsten Anspannung
der Kräfte bringt und daß seine unnachsichtige Art, die kein Paktieren mit
der Unwahrheit kennt, wenn sie auch schwächere Naturen zurückscheucht,
bei den stärkeren alles herauszulocken weiß, was in ihnen liegt. Er ist über-
zeugt, daß die Schule das Beste nicht geben kann, daß sie aber überflüssig
wäre, wenn sie nicht das Lernbare mit aller Energie mitteilen würde. ,, Gewalt-
tätig, aber wohltätig," so hat ihn einer seiner Schüler treffend charakterisiert.
Seiner Natur entspricht es, daß er den Sinn für die Zeichnung lebendig erhält
L. Bauer, Süße Fruchte
und den für die Komposition erweckt, und dies ist auch ein gemeinsamer Zug,
der bei fast allen seinen Schülern fühlbar ist.
Leo Bauer, der gegenwärtige Vorstand der Kunstgenossenschaft, gehört
zu seinen frühesten Schülern und ist von Schraudolph zu Haug übergegangen.
Er hat von Schraudolph Anregungen empfangen und lobt seine ernste, nicht
lobhudelnde Art. Jedenfalls hat ihm die Schule einen entwickelten Formensinn
und volles Verständnis für die Forderungen der Komposition mitgegeben.
Er fing — was damals natürlich war — mit dem Genre an und erhielt für
seine ,, Muttersorgen" die goldene Medaille in München. Indem er sich aber
mehr und mehr in das Malerische hineinarbeitete, drängte er den Gegen-
stand zurück. Einerseits bekommt er einen Zug ins phantastisch Dekorative
(,,Süße Früchte"), andererseits wendet er sich zu ruhigen Daseinsbildern
Stuttgarter Kunst 8 57
(Atelierszenen, Mädchen im Bade), in denen er das farbige Leben heraus-
arbeitet, oder zu Interieurs, wie die aus dem Ludwigsburger Schloß, in denen
eine feine malerische Stimmung alles ist. Bei der Geschicklichkeit, mit der er
dekorative Aufgaben zu lösen weiß, möchte man es bedauern, daß er noch
keine Gelegenheit zu einer größeren Arbeit in dieser Richtung bekommen hat.
Dagegen hat er sich auf dem graphischen Gebiet reich betätigt, und hier im-
poniert seine tüchtige Zeichnung ebenso wie die malerischen Reize, die er der
Radierung zu entlocken vermag.
Haben wir bei Leo Bauer ein sich nach vielen Seiten ausbreitendes Künstler-
leben, so finden wir eine Reihe von Schülern Haugs beinahe konzentriert
auf ein einzelnes Gebiet, das von den Künstlern häufig nur notgedrungen
betreten wird, das Gebiet des Porträts. Solche Künstler sind Hans Gaukel,
Rudolf Thost und Oskar Obier.
Hans Gaukel, von Geburt an mit einem körperlichen Leiden behaftet,
das ihn teilweise des Gebrauchs seiner Hände beraubt, macht fast das Wort
von dem Rafael ohne Hände zur Wahrheit. Er ist ein starkes zeichnerisches
Talent. Seine noch auf der Schule gemalte ,, Magdalena", ein mit dem Ge-
sicht auf den Boden gestrecktes
prachtvolles Weib, imponiert
durch die Sicherheit der Ver-
kürzung ebenso wie durch die
malerische Behandlung und er-
weckt den Glauben, daß auf
diesem Gebiet wohl Gaukeis
eigentlichste Aufgabe liegen
würde. So hat ihn wohl auch
die Not des Lebens zunächst auf
das Gebiet des Porträts geführt.
Aber die Sicherheit seiner Zeich-
nung, sein Sinn für das Psycho-
logische, ein natürlicher Ge-
schmack im Arrangement lassen
ihn offenbar auch dem Porträt
eine eigentliche Künsterliebe zu-
wenden, die in den zahlreichen
Aufträgen des Künstlers eine
freundliche Anerkennung findet.
Ganz ähnlich ist die künstle-
rische Stellung zum Porträt bei
Rudolf Thost, dessen künst-
lerische Fähigkeiten sich auch
in Akten von sicherer Zeichnung
und feinem Linienflusse fühlbar
machen, der in Landschaften,
H. Gaukel, Das Kirschenmäde! Blumenstilleben u. a. einen stär-
58
keren malerischen Trieb auszuleben sucht und zum Porträt ebenfalls die
Fähigkeit psychologischer Charakteristik mitbringt. Von Gaukel unterscheidet
er sich durch einen modernen Einschlag in der Darstellungsweise, eine freiere,
mehr spielende Hand und ein ausgesprochen subjektives Moment in der Auf-
fassung. Seine Pinselführung neigt mehr zur Breite, seine Farbgebung hat
zuweilen einen kapriziösen Zug; beides trägt dazu bei, seine Bildnisse dem
modernen Geschmack anzunähern.
Noch stärker ist dieser subjektive Zug bei Oskar Obier, der von Anfang
an mit der größten Klarheit auf diesem Gebiete seine eigentliche Aufgabe
gesehen hat. Betrachtet man die Köpfe, die er noch auf der Schule gemalt hat,
Köpfe, in denen er, ohne sich um die Farbe zu kümmern, mit breitem Pinsel die
Flächen bezeichnet, die Lichter und Schatten modellierend in großen Zügen
eingesetzt hat, so sieht man, daß hier eine Kraft am Werke ist, die das Ganze
der Porträtaufgabe voll zu fassen versteht und nicht geneigt ist, mit einem
Nebeninteresse zu kokettieren. Obier fühlt den Charakter mit außerordentlicher
Klarheit. Seine zahlreichen Federzeichnungen und Kohlenzeichnungen von
menschlichen Köpfen schmiegen sich in der immer verschiedenen Technik den
Verschiedenheiten der Individua-
litäten verständnisvoll an und
tragen den Charakter einer
außerordentlichen künstlerischen
Ganzheit und Geschlossenheit an
sich. Wie weit Obier sich in das
eigentlich Malerische hinein-
arbeiten wird, wie weit er darin
gehen kann, ohne seinen Cha-
rakter zu verlieren, muß die
Zukunft lehren. Das letzte Por-
trät, ein Bild seiner Gattin im
Strohhut, zeigt ihn licht und
heiter in der farbigen Wirkung
und diese Wirkung ganz im
Dienste der Charakteristik.
Haben wir es bei den letzt-
genannten drei Malern mit aus-
gesprochenen Porträtmalern zu
tun, so kann man das nicht
sagen von Friedrich Zundel,
obwohl auch er einen Teil seiner
Arbeit auf das Lebensunterhalt
gewährende Porträt verwendet.
Es ist offenbar, daß sein Inter-
esse nicht auf menschliche In-
dividualitäten, sondern auf Typen
geht, und zwar sind seine Typen R. Thost, Landschaft
59
die des arbeitenden Volks, insbesondere des Bauernvolkes, unter dem er seine
Wohnung aufgeschlagen hat. Was er hier anstrebt, ist vollkommen erkenn-
bar. Ohne alle malerischen Kunststücke will er die unbewußten natürlichen
Stellungen und Bewegungen des arbeitenden Menschen in ihrer einfachen Größe
zum Ausdruck bringen (so in seinem ,,Mähder", in dem ,,Gang zur Arbeit");
die Farbe hält er dabei licht, zeichnerisch oder modellierend, ohne indes ganz
auf Lufttöne zu verzichten; den Hintergrund andeutend, in einfachen Flächen.
F-s ist schade, daß
für eine so geartete
Kunst keine Wand-
flächen vorhanden
sind. Der Künstler,
der in seinen ersten
Werken (z. B. „Der
Notschrei") und in
frischen Studienköp-
fen mehr ins Male-
rische ging, hat sich
im Interesse des gei-
stigen Ausdrucks in
der Farbengebung
eine Entsagung auf-
erlegt, die ihn einsam
macht.
Der charaktervol-
len Einseitigkeit Zun-
dels setzen wir eines
der beweglichsten Ta-
lente gegenüber, die
aus der Schule Haugs
hervorgegangen sind,
in Richard See-
mann. Der Künst-
ler war früher Kauf-
mann und ist erst
mit fast vierzig Jahren zur Kunst übergegangen. Spricht schon dies für
einen starken künstlerischen Trieb, so darf man diesen wohl auch in der
außerordentlichen Regsamkeit und Vielseitigkeit der künstlerischen Betäti-
gung sehen. Man findet in seinem Atelier das Genrebild im früheren Sinne
(„Mädchen am Klavier", ,, Barmherzige Schwester, in einem Buche lesend")
ebenso wie das schlichte Blumenstilleben im Stile von Faure, die grautonige
Landschaft von zeichnerischer Größe ebenso wie den Schnee oder Waldweg
mit Sonnenflecken und farbigem Lichte, das streng gezeichnete, durchgeführte
Porträt ebenso wie die in Licht und Farbe schimmernde ,, Arbeit im Erker".
Der Künstler empfindet offenbar die ganze Wonne des Schaffens und sucht
60
O. Obicr, Pfarrer Knapp (Fedorzeichnung)
Robert v. Haug, Soldatenstudie
R. Seemann, Im Erker
sie unermüdlich zu genießen; erzieht
sie nicht aus einer bestimmten Art
von Stoffen, sondern aus allem, was
die Welt enthält. Am nächsten
scheint ihm aber still idyllisches Men-
schen- und Naturleben zu liegen.
Einer jüngeren Generation von
Haugschülern gehört dann das Klee-
blatt Finkbeiner, Kurz undLaiblin an.
Hugo Finkbeiner ist nach
dreijähriger Schulung an der Kunst-
gewerbeschule als Dekorationsmaler
an die Akademie übergegangen, ein
Mann, der sich einst von Naumann
packen ließ, in reiferen Jahren noch
einmal auf die Schule ging und heute
als Zeichenlehrer an der neuen Real-
schule an allen Bewegungen auf dem
Gebiete der Kunsterziehung be-
trachtend oder tätig beteiligt ist. Die
Landschaft mit Menschen, die als
ein Stück Landschaft erscheinen oder in sie ganz eingetaucht sind, ist sein
Gebiet. Früher grau, ist er immer farbiger geworden, wenn ihm auch eine
ernste Wirkung eigen bleibt — wie in seiner trefflich komponierten ,, Kar-
toffelernte" mit dem Grauviolett und Grün, das sie beherrscht, oder in
anderen Bildern von schwerem dunklem Himmel. Man spürt in seiner ganzen
Kunst eine herbe, ernste Art, die sich schwer herausarbeitet, eine rege innere
Anteilnahme, die in Stellung und Farbe gleichmäßig zum Ausdruck kommt.
Wie bei Fink-
beiner ein bestimmter
seelischer Charakter,
so ist bei Er wi n L a i b-
lin ein bestimmtes
künstlerisches Ziel
deutlich zu erkennen.
Er strebt nach brei-
ter, flächenhafterWir-
kung in seinen Land-
schaften, um sie im
vollen Sinn groß deko-
rativ zu gestalten, so
in den Parklandschaf-
ten mit den herbst-
lichen Bäumen , die
sich gerade noch so
H. Finkbeiner, Kartoffelernte
6l
viel vertiefen und gerade noch so viel Realistik haben, daß sie als selbständige Tafel-
bilder erscheinen können. Ein Schritt weiter, und sie sind wirkliche Wandbilder,
Teile der Wand geworden. Wo es ihm am besten gelingt, da weiß er den breiten
Farbflächen eine Form zu geben, die ebensowohl charakteristisch als an sich
interessant ist (wie z. B. dem großen Sonnenfleck auf seiner Landschaft aus
den Anlagen). Zu diesem Streben nach breiter, dekorativer Wirkung hat
Laiblin den Weg durch ein sorgfältiges Naturstudium gewonnen, ohne welches
alle dekorative Stilisierung leer werden muß. Die italienischen Landschaften
aus Venedig, die nichts als den natürlichen Stil dieser Dinge an sich haben,
mit der starken Harmonie ihrer dunklen Lüfte und tonigen Bauwerke weisen
wohl darauf hin, daß es das Harmoniebedürfnis ist, das Laiblins dekorative
Richtung hervorgerufen hat. Denn man kann nicht verkennen, daß Raum-
vertiefung ebenso wie Fülle des Details der Empfindung der farbigen Harmonie
nicht förderlich ist. Auch in Figurenbildern wie dem originell gedachten
Entwurf ,,Die Jugend und ihr Schatten" zeigt Laiblin denselben Zug zur
charakterisierenden Stilisierung.
Nicht mit einem Streben, sondern mit einer in gewissem Sinn fertigen
Kunst und Art ist Julius Kurz aus der Schule herausgetreten. Ein Studien-
kopf aus der Haugschule, das Bild eines Schusters in Fridingen mit der humo-
ristischen Auffassung des freundlich grinsenden, höchst charakteristischen Ge-
sichtes zeigt ihn in der Tat schon auf seinem Wege. Braun in Braun mit leichten
rötlichen Lasuren gut
modellierend, aber
vor allem durchcha-
rakterisierend ist die
Behandlung dieses er-
quicklichen Kopfes.
Von ihm ist der Weg
zu den humoristi-
schen Szenen, in
denen sich dann der
Künstler ausgelebt
hat, nicht allzuweit.
Es sind meist kleine
Bilder mit irgendeiner
Stimmung charakte-
ristischen Humors:
der Handwerksbur-
sche, der mit gierig gestrecktem Hals die Suppe löffelt, während die freund-
liche Spenderin ihm von hinten am Fenster zusieht; der Maler, der sich auf
den Weidenbaum gesetzt hat und mit charakteristischer Kopfwendung nach
seinem Objekt in der Ferne späht, während der Hund unten seine Jacke
bewacht; der zufriedene Bauer mit dem Mopsgesicht, der früh vor die Haus-
tür tritt und die Morgenluft mit seiner langen Pfeife würzt: solche Themen,
aus eigenen Lebenssituationen heraus geboren, reizen den Künstler. Farbe
62
"jim
■•m
W
"*?
■>Xsri,..- >.■ ,
■!<
*
'S«
m
JLr
W*
Ä ?Jy*' 4
ll«i#
W^
™,
m '' ■ . %i
1
HF
■ J
1
1 1 S*^^^^^^H
i
« «s»~-.
f
'^BBBR^^^^^^ ^^
E. Laiblin, In den Anlagen
und Beleuchtung ordnet er dabei immer entschiedener dem Gesamteindruck
unter, und an die Stelle der scharf karikierenden Gesichtsformen seiner
frühesten Bilder hat er nun die bloße Herausarbeitung charakteristischer Typen
und Stellungen gesetzt. Von welchem wahrhaft erquicklichen Humor ist
das hier reproduzierte Bild einer ver-
gnügten alten Frau!
Ein Haugschüler ist auch Wil-
helm Hugo Rupprecht zu nen-
nen, der schon bei Landenberger
durch die Frische seines malerischen
Sehens auffiel. Er ist leider aus der
Stuttgarter Kunst insofern ausge-
schieden, als er sich nach Neuffen
verzogen hat. Das ist für einen jungen
Künstler ein gefährliches Experiment,
wenn es gleich auch hier gelten mag,
daß das ,, Talent sich in der Stille"
bildet. Zu viel verliert man doch
leicht an der Mitarbeit gleichstre-
bender Genossen, und jedenfalls ge-
hört ein fester, auf sich selbst ruhen-
der Charakter dazu, um solche Ein-
samkeit ohne Schaden zu ertragen.
Was man .seither von Rupprecht in
Stuttgart gesehen hat, zeigt ihn etwas
trüb und schwer in der Farbe. Die
Landschaften mit diesen dunklen und
feuchten Lüften haben etwas eigentümlich Melancholisches, aber freilich sehr
Stimmungsvolles und viel Ton, und es kann sich sehr wohl etwas Vortreff-
liches daraus entwickeln. Rupprechts Bildnisse sind trockener in Farbe, streben
aber nach ernster Charakteristik. Die Farbigkeit der Hautmalerei, die er in
früheren Zeiten gehabt hat, scheint ihn nicht mehr so sehr zu interessieren.
Wie Kurz hat auch Gustav Adolf Friedrich son schon auf der Schule
das eigentümliche Gebiet entdeckt, in dem sich sein Formsinn und seine rege
Phantasie — die beide über die langsame Technik der Malerei hinauseilen —
ausleben kann. Er trat plötzlich mit jenen farbigen Silhouetten hervor, aus
farbigem Papier geschnitten, die eine Szene aus dem gesellschaftlichen Leben
der Gegenwart oder dem Leben vergangener Kulturepochen in überaus charak-
teristischen Stellungen mit viel Humor und Grazie darstellen. Ganz reduziert
auf die Flächen- und Profilwirkung unter Verzicht auf alle Detailausführung
sind solche Bilder in ihrer vollkommenen Kunstwirkung ein schlagender Beweis
dafür, wie frei die Kunst sich gegenüber der Wirklichkeit bewegt, ja auch
dafür, wie viel leichter Illusion durch die Befreiung von der genauen Wirklich-
keit als durch sklavische Abhängigkeit von ihr erreicht wird. Die Bilder haben
deswegen auch überall dasselbe Aufsehen und rege Teilnahme hervorgerufen.
63
J. Kurz, Bildnis einer Alten
Wie reich aber die Seele des Künstlers und wie sicher sein künstlerisches Ver-
mögen sein muß, um dauernd auf diesem Wege sich und andere zu befriedigen,
liegt auf der Hand.
Zu Haugs Schülern zählen auch der tüchtige Pferdemaler Georg Lebrecht
sowie Alfred Gärtner.
Christian Speyer. Eine nicht nur unter der Stuttgarter Künstlerschaft,
sondern auch in dem ganzen Kreis deutscher Kunst eigenartige Erscheinung
ist Christian Speyer, der Maler der gewaltig bewegten schweren Pferde, der
farbenfreudige Temperamaler.
Geboren ist er am 21. Februar 1855 in Vorbachzimmern, OA. Mergentheim,
als der Sohn des dortigen Pfarrers. Eine lange Reihe von Vorfahren, die in
Windsheim, Rothenburg o. T., Nürnberg Pfarrer und Dekane waren, wies ihn
von Haus aus in die theologische Laufbahn. Er betrat sie auch in der in
Württemberg üblichen Weise durch das Tor des Landexamens, das ihn in das
theologische Seminar nach Blaubeuren führte. Mit der mittelalterlichen
Romantik seiner Burgen, mit seiner wundervollen blauen Quelle, mit dem
mächtigen Kranz von Felsen ringsherum, mit dem köstlichen Hochaltar in
der alten Klosterkirche ist Blaubeuren sicher kein übler Aufenthalt für einen,
der künstlerische Triebe in sich hat. Weniger erquicklich ist dann wohl aller-
dings der Betrieb der alten Sprachen — bis zum Hebräischen — für einen, der
,,das Wort so hoch unmöglich schätzen kann", und Speyer hat sich auch recht
ablehnend dagegen verhalten und schon im 16. Jahr den Versuch gemacht, der
Welt der Worte zu entfliehen, um in die der Bilder überzugehen. Dieser Ver-
such mißlang, und so blieb er bis zum vollendeten 18. Jahr bei den Theologen.
Als das Konkursexamen für das ,, Stift" in Tübingen glücklich bestanden war,
durfte er zur Belohnung nach Wien reisen, wo er Verwandte hatte und wo
damals (1873) die Weltausstellung einen mächtigen Anziehungspunkt bildete.
Hier ereilte ihn sein Schicksal. Es war Meissonier, der es ihm antat, und
vor dem es ihm plötzlich feststand: ich werde Maler. Kein Einspruch der
Familie, die ihm alle Berufe bis auf diesen einen freistellte, half mehr. Schließ-
lich setzte er seinen Willen durch.
Die Kunstschule durchlief er in der mehrfach geschilderten Weise, zuerst
die Vorschule bei Kräutle (bei dem er später auch radieren lernte), dann den
Antikensaal mit den wechselnden Lehrern, dann die Malschule bei Häberlin
mit Stilleben und kostümierten Köpfen. Auch Speyer aber rühmt vor allen
die Lehrfähigkeit Nehers im Aktzeichnen, Nehers, der zwar aus jedem dick-
köpfigen Modell mit stumpigem Körper einen wohlproportionierten Jüngling
machte, und, wenn er einmal angefangen hatte zu korrigieren, den ganzen Akt
durchzeichnete, aber, wie oben gesagt, für den menschlichen Körper in seiner
Bewegung ein vorzügliches Verständnis hatte. Auch in der Kompositions-
schule war Speyer bei Häberlin; niemals gelang es ihm, ein Atelier allein zu be-
kommen, vielmehr malten sie zu dritt an großen Bildern, in kleinstem Raum
zusammengedrängt.
64
Leo Bauer
Der Raucher
Christian Speyer
Reiterin
Chr. Speyer, Reiterkampf
Stuttgarter Kunst 9
Seine eigentliche Meisterschule fand Speyer erst in Italien, wohin er sich
im Jahre 1881 mit dem Gegenbaurschen Stipendium auf den Weg machte.
Am mächtigsten wirkte Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle auf ihn, und
die Spuren davon wird man in manchem großen Karton seiner späteren Bilder
noch finden können. Sonst trieb er sich auf dem beliebten Studienfeld von
Olevano herum, bis ihn eine Empfehlung, die ihm der spätere Kommerzienrat
Pflaum an den Afrikaforscher Nachtigal mitgegeben hatte, nach Tunis ver-
schlug. Nachtigal war eben im Begriff, als deutscher Konsul nach Tunis
zu gehen, als er mit Speyer in Palermo zusammentraf, und leicht vermochte
er den Künstler, ihn in das Land zu begleiten, dahin ihn die längst von den
Malern entdeckte orientalische Farbenromantik und vielleicht nicht zum
wenigsten der Gedanke an Pferd und Reiter zog, für die er von seinen frühesten
Lebensjahren an das wärmste Interesse hatte. Als Soldat hatte Speyer bei der
Artillerie gedient, und dies hatte nicht wenig dazu beigetragen, seine Freude
an dem edlen Tiere neu zu beleben. Sie liegt ihm in der Tat so tief im Blute,
daß er sich im Scherz als einen Hunnen bezeichnet.
Tunis war damals nicht ungefährlich, da die französische Invasion —
Speyer erlebte dort die Beschießung von Sfax — die Gemüter der Eingeborenen
heftig erregt hatte. Man konnte es nicht wagen, ohne Waffen auszugehen.
Chr. Speyer, Pferdebändiger
66
/^ »" _
^
^ .^;^*Ä^
%
1
w
^r ' A^-^ ^ir^q^
^K VSC^'T 'tt4.JHp
Chr. Speyer, Der heilige Georg
Einen gewissen Schutz gewährte die Wohnung in einem dem englischen Kon-
sulat gehörigen Hause. Hier lebte Speyer mit dem Berliner Maler Fuchs eine
köstliche Idylle. Man studierte und m.alte auch zuweilen Handwerksschilder
für die Boulangerie au renard und andere. Fuchs, der auch kochte, ging, unter-
stützt von seiner vielseitigen Sprachkenntnis, mit den Bildern in die Stadt und
verkaufte sie. So verdiente man sich das Geld zum Leben.
Ein Brief des Studienfreundes Robert Haug rief Speyer nach Stuttgart
zurück. Dort hatte unterdessen Liezenmeyer den Verein zur Förderung der Kunst
gegründet, der bei Malern, die ihren Wohnsitz in Stuttgart nahmen, Bilder
bestellte, also einen ähnlichen Zweck verfolgte wie später der Verein Würt-
tembergischer Kunstfreunde. Einen solchen Auftrag stellte Haug für Speyer
in Aussicht, und in der Tat erwartete den Zurückgekehrten nicht nur die schöne
Aufgabe, für looo Mark ein Bild ,, Tunesische Vorposten" (jetzt in Zürich)
zu malen, sondern auch eine höchst willkommene Anzahlung von 500 Mark.
Diese mußte er allerdings wieder zurückgeben, als er sich nicht entschließen
konnte, in Stuttgart zu bleiben, sondern 1883 nach München zog. Hier blieb er
dann bis zu seiner Berufung an die Akademie nach Stuttgart, wo er eine Hilfs-
lehrerstelle an der Zeichenschule bekam. Eine kurze Unterbrechung bildete
nur ein Besuch in Berlin, wo er ein halbes Jahr Studien beim Gardekorps
machte. Speyer hat wie Haug sein redliches Teil Handwerk auf sich genommen
und viel illustriert (Bleibtreus Schlachtenbilder usf.). So diente auch dieser
Besuch in Berlin den Vorstudien für ein großes, von Spemann verlegtes Werk:
67
Das deutsche Heer. In München erwarb sich Speyer mit seinen trefflich kom-
ponierten, in der Färbung eigenartigen Bildern bald eine geachtete Stellung
in den Reihen der Künstler, aus denen sich später die Sezession bildete.
Es dürfte wenig Bilder von Speyer geben, auf denen kein Pferd dargestellt
ist. In der Galerie befindet sich ein Reitergefecht der Württemberger bei Wörth
und der Reiter mit Hund. In der Garnisonskirche zu Ulm hat Speyer die apo-
^tuugart, kgl. OemaMegalene
Chr. Speyer, Reiter mit Hund
kalyptischen Reiter und die Bekehrung des vom Pferde stürzenden Paulus
gemalt. Die apokalyptischen Reiter hatten ihn schon früher beschäftigt. Er
malt einen Pferdebändiger und setzt den nackten menschlichen Leib gegen
die gewaltigen Linien des Pferdes; er läßt den berittenen Boten sein Hörn
blasen. Er läßt die junge Reiterin im Herrensitz mit festem Griff in die Zügel
fassen. Auch die Weisen aus dem Morgenland werden ihm eine Reiterszene,
und Maria reitet mit ihrem Kind und ihrem Mann nach Ägypten. Unzähligemal
68
hat Speyer Pferde gezeichnet in den vielen Illustrationen, die er gemacht hat,
Pferde in jeder Stellung und jeder Verkürzung, im Trab und Galopp, in der
heftigsten Bewegung, immer mit dem vollkommensten Verständnis für die
Struktur des edlen Tieres, für seine Bewegungen und auch seine Seele. Er
liebt das schwere Pferd und gibt gern den Eindruck von der Wucht, die in ihm
liegt. Das bringt von selbst die gewaltig gesteigerte Bewegung mit sich.
Es ist ein köstlich Ding, wenn ein Maler einen Gegenstand in der Natur
oder der Gesellschaft hat, den er liebt, den er mit Leidenschaft umfaßt. Denn
natürlicherweise entspringt der Trieb zur Darstellung aus der Freude an der Er-
scheinung, und die Freude an der Erscheinung aus der Liebe zu dem Gegen-
stand. Speyers Kunst hat so etwas Naturgeborenes und Echtes an sich. Man
empfindet lebhaft die Freude mit, die er an seinen Gegenständen hat. Er malt
seine Liebe mit hinein, und sie schleicht sich dem Beschauer ins Herz.
Speyer ist sodann Kolorist, wenn man diesen Namen in dem Sinn nehmen
will, den er eigentlich haben sollte: er hat Freude an der satten, reinen Farbe,
an Farbenkontrasten. Damit hängt es zusammen, daß er seit langer Zeit nur
Tempera malt. Zwar ist der erste Anlaß dazu auch für ihn ein äußerlicher
gewesen. Er bekam durch Vermittlung von Haug den Auftrag, den Truppen-
einzug des Jahres 1871 im Lindenhof in der Hauptstätterstraße zu malen, und
da er den Eindruck eines Wandbildes hervorbringen wollte, benutzte er die
Temperafarben des Chemikers Friedlein in München, der damals mit dem
Anspruch auftrat, die alte Tempera wieder entdeckt zu haben. Der Versuch
gelang nicht, und Speyer übermalte das Bild mit Öl. Als er aber entdeckte,
daß der Mißerfolg von der falsch präparierten Leinwand herrührte (die im
Malgrund wenig Leim, dagegen etwas Porzellanerde enthalten muß), kehrte
er zu der Technik zurück, die ihm teils durch ihre Reinheit und Sauberkeit,
teils durch die schönen Hellen, die sie gibt, imponierte. Mit der Zeit lernte er
sie vorzüglich beherrschen, und man kann bei seinen besten Bildern nicht ver-
kennen, daß sie insofern mit seinem wesentlich zeichnerisch angelegten Talent
zusammenhängt, als der Pinsel mit der Tempera leichter und natürlicher zeichnet
als mit dem Öl. Die Schimmel von Speyer mit der klaren Wirkung der Tempera
in dem warmen Licht und den kalten Schatten gehören in der Tat zu den präch-
tigsten Gebilden, die unsere schwäbische Kunst hervorgebracht hat.
Christian Landenberger . So gewiß der Mensch, wie man sagt, der
,, erste Gegenstand der Kunst" ist, so gewiß ist die menschliche Hautfarbe das
erste und wichtigste Problem der Malerei. Wer es einmal versucht hat, auf der
Palette die Töne zu mischen, die genau der Farbe der Haut entsprechen, der
weiß, welch eine Verkochung sämtlicher Farben in der Haut des weißen Menschen
stattfindet, und versteht, wie merkwürdig die Bezeichnung ,, weißer" Mensch
ist. Sie bedeutet einen eigentümlichen Lichtcharakter dieser Farbe, ist der
Ausdruck für einen gewissen hellen und zugleich farbigen Schein, der von
der Haut von Menschen unserer Farbe ausgeht, in welcher Umgebung sie sich
69
auch befinden mögen;
und sie kontrastiert
eigentümlich mit dem
trüben und schmut-
zigen Gemisch, das
auf der Palette der
Hautfarbe entspricht.
Rein physikalisch be-
trachtet ist es wohl
der gänzliche Mangel
an unorganisch kal-
ten, tüncheartigen,
staubartigen, metalli-
schen Elementen in
der Erscheinung der
menschlichen Haut,
der ihre Eigentüm-
lichkeit ausmacht und
den zu erreichen auch
im ganzen als die
Aufgabe des Malers
betrachtet werden
muß. Diese organi-
sche Lebendigkeit und
die lichte, heiter far-
bige Wirkung müssen
dem trüben stofflichen
Farbenmaterial, mit
dem sie dargestellt
werden sollen, abge-
rungen werden, und
dies Problem wird um so schwieriger, wenn die Hautfarbe durch Licht und
Schatten scharf modelliert wird. Die Malerei hat manche Mittel gefunden, um
der Aufgabe gerecht zu werden. Sie hat dunkle Hintergründe genommen,
schwarze Kleider, schwarze Hüte, um die Hautfarbe durch Kontrast zu heben;
sie hat der Haut eine warme braune Färbung gegeben, die oft genug kon-
ventionell ist, und hat die Schatten, um sie vor Schwärze zu bewahren, durch
Reflexe aufgehellt. Sie hat, statt mit Schatten bzw. mit Abdunkeln der Farben,
mit dem Gegensatz von kalten und warmen Tönen modelliert; schließlich
war es ein für die Reflexe günstiges halbdunkles Interieurlicht, in dem die
menschliche Haut am lichtesten und am meisten organisch erschien; die Malerei
des Helldunkels brillierte in dem Reiz der Hauttöne. Wie wichtig das Pro-
blem den Malern war, kann man daraus ersehen, daß Lionardo im Traktat
über die Malerei die Beobachtung notiert, daß die Haut unter einem dunklen
Tor am besten aussehe.
70
Chr. Landenberger, Le^tmies Mädchen
Und doch wissen wir heute, daß das Problem in den Tagen der Venezianer
und der Niederländer im Grunde noch nicht gelöst war, daß insbesondere die
eigene Fähigkeit der Haut, die in ihr zusammengekochten Töne der Farben-
skala je nach der Beleuchtung voneinander zu lösen und einzeln an den Tag
zu bringen, sich dadurch wirklich zu einer malerischen Erscheinung zu
machen, noch nicht beobachtet wurde. Das geschah erst mit dem Freilicht,
das der Haut zunächst ihren organischen Ton nahm, sie stumpf machte, trüb
und undurchsichtig in den Schatten und matt und glanzlos in den Lichtern.
Jetzt tauchte das Problem neu auf, auf seinen natürlichen Boden, das heißt auf
den Boden der Natur selbst gestellt, und es galt nun, ohne künstliche Atelier-
dämmerung und zufällige Reflexe die Haut des Körpers im vollen Tageslicht
als das festzuhalten, was sie auch im vollen Tageslicht noch ist: eine lichte
Farbenerscheinung. Was für Versuche gemacht wurden, um dieses Licht
herauszubringen, wie man pointillierte und reine Farben nebeneinander-
setzte usw., ist noch in aller Erinnerung. Ebenso, daß viele bald daran verzagten
und wieder zur altmeisterlichen Bräune zurückkehrten. Einer der wenigen,
denen es gelungen ist, ohne Künstlichkeit, nur durch sorgfältige Beobachtung
der Natur die menschliche Haut malerisch neu zu beleben und wenigstens einen
■ jr^^^mmjmgfmimk^^M
u^^^^
HH^^^.
f7
^
üi
l^^^^^^^H
^
Jm
f
i
^^
^ -
1^
vi
f ^
~ .'"^^fi^li
Hp
m
^M ~> '^1
."^ ''
_ . 'T^^^^^w^
1"
m
1 ■ '
wU
1
-,.t-v ■'.■•>>■.
'■ V* ■•4*^.,
f
,v
^^^^^^^1
■•\ rk: ... _ -
V ^
^^^
Chr. Landenberger, Frühling
71
Teil ihres inneren Reichtums ans Licht zu bringen, ist Leibl. Von ihm ist auch
Lande nb erger angeregt worden. Aber er hat bald einen selbständigen Weg
eingeschlagen.
Christian Landenberger ist am. 7. April 1862 in Ehingen geboren und
stammt aus einer Familie, in der man von früherer künstlerischer Tätigkeit
ihrer Glieder nichts zu erzählen weiß. Ein tiefes, wenn auch verschlossenes
Gemüt, eine lebhafte Phantasie, eine frische Art, die Welt anzusehen, scheint
er von der Mutter geerbt zu haben, einer bedeutenden Frau, die nach dem
frühen Tode ihres Mannes das schwere Geschäft, das er geführt hatte, mit
entschlossener Tatkraft weiterführte und bei Lebzeiten des Vaters die künst-
lerischen Bestrebungen des Sohnes kräftig unterstützte. Die früh erkennbare
Befähigung führte ihn an die Kunstschule, wo er den mehrfach geschilderten
Weg machte, bei Grünewald zeichnen, bei Häberlin und Keller malen lernte
und dann zu Liezenmeyer und Schraudolph in die Atelierschule kam. Das beste
an dieser Zeit waren die damals (1875) eben eingeführten Sommerausflüge in
den Schwarzwald unter Leitung von Käppis, Keller u. a.. von denen unser
junger Maler reichen Gewinn heimbrachte. Leider war niemand da, der ihn in
den Stand gesetzt hätte, nun auch die Frucht seiner Studien zu pflücken. Noch
heute erinnert er sich mit Bedauern eines Bildes, das er damals in der Arbeit
hatte, eines Dorfarztes, der in einer Schwarzwaldstube Besuch macht, während
die Kinder sich mit seinem grauen Zylinder auf dem Tisch beschäftigen: weder
Liezenmeyer noch Schraudolph waren geschickt genug, ihn zu lehren, wie er
die Figuren zu dem Bilde malerisch zusammenbringen konnte. Mitten im
Vorwärtsstreben riß ihn die herbe Notwendigkeit des Lebens, das Verlangen
der Mutter nach männlicher Hilfe zur Zeit, als der älteste Sohn seinen Militär-
dienst tat, aus den Künstlerträumen in die Heimat zurück. Nach einem Jahr
konnte er an die Schule zurückkehren. Aber bald verließ er sie, um einem
drohenden Konflikt mit Schraudolph auszuweichen, dem die rebellische Schüler-
schaft schließlich die Ateliertüre verschloß, und ging nach München. Dort
wollte er bei Defregger eintreten, der ihm auch über vierzehn Tage ein Atelier
zusagte. Aber in dieser Zeit lernte er die Schüler Defreggers kennen und
kam zu dem Eindruck, daß es nicht sein Fall wäre, ,, Lederhosen zu malen".
Nach einem kurzen Versuch bei Otto Seitz kehrte er der Schule den Rücken
und arbeitete ohne Lehrer weiter. Das Beste, was er tun konnte, können wir
heute mit voller Überzeugung sagen. Er holte seine Anregung da, wo er etv/as
fand, was seiner Natur gemäß war. Bei Leibl, dessen Strich er sich eine Zeit-
lang aneignete; bei Uhde, dessen erste Freilichtbilder (wie z. B. die Bergpredigt)
stark auf ihn wirkten. Entscheidend für seine Entwicklung wurde bald die
Abwendung vom Genre, in der ihm einige Freunde wie Langhammer, angeregt
durch Bastien Lepage, vorangingen. Bald finden wir ihn ganz frei, zu dem
selbständigen, höchst persönlichen Sehen durchgedrungen, das dann allen seinen
Bildern eine unverkennbare Art aufprägt. Ohne in die Jugendunarten der
Freilichtmalerei zu verfallen, faßt er direkt das Malerische im freien Lichte
des Morgens und Abends; ohne nach einer besonderen Poesie des Stoffes zu
streben, gibt er unmittelbar die Poesie der farbigen Lüfte selbst — so haben eine
72
Reihe von Kritikern übereinstimmend und von Anfang an das Eigentümliche
in seiner Malerei bestimmt. „Seine Kunst ruht auf dem denkbar innigsten Ver-
hältnis zur Natur, sein sublimer malerischer Geschmack ist aus der An-
schauung, nicht aus Theorien gewonnen, ist nicht die Frucht überlieferter
und überverfeinerter Kultur, sondern unmittelbarer Ausdruck seines eigenen
Wesens." ,,Ich liebe an Landenberger," sagt ein anderer Kritiker, ,,den rein
menschlichen Lyrismus der Malerei, die tieferlebte und Leben ausstrahlende
Empfindsamkeit
dieser Farbenpoesie,
die keine roman-
tische Legende, kei-
nen literarischen
Märchenzauber
braucht, sondern
ohne große Worte
und pathetische Po-
sen die Schönheit
allenthalben zu fas-
sen weiß." ,, Dieser
Einzige," so klingt
es fast von Anfang
an durch die Beur-
teilungen.
So fing er mit
Schwarzwaldbildern
(aus der Gegend von
Gutach) an — von
ihnen hat der Prinz-
regent Luitpold und
das Städelsche In-
stitut eines der ersten
erworben -, ging
dann zu den Donau-
bildern aus der Ge-
gend von Sigmarin-
gen und von da zu den
Ammerseebildern
über, deren eines (die ersten badenden Buben der Pinakothek) die große goldene
Medaille in München erhielt. Aber bald zeigte es sich, daß selbst so früh er-
rungener Ruhm einen Künstler noch nicht über die großen Schwierigkeiten
des Lebens hinaushebt. Landenberger mußte, als er daran dachte, einen
eigenen Hausstand zu gründen, in München zuerst eine Privatschule auftun,
dann den Unterricht an der Damenakademie übernehmen und selbst in den
Sommerstudienzeiten am Ammersee eine — ihm übrigens recht sympathische
— meist aus strebsamen jungen Leuten bestehende Sommerschule halten. End-
stuttgarter Kunst 10 73
München, Sezessionsgalerie
Chr. Landenberger, Studienkopf (Zeichnung)
lieh holte ihn Württemberg im Jahre 1905 an die Akademie, wo er seither
als Mallehrer wirkt, ein Lehrer, der besser weiß, wie man Schülern helfen
kann, als es seine eigenen Lehrer gewußt hatten.
Sobald Landenberger die Neigung zum eigentlichen Genre überwunden
hat, ist fast immer Wasser in seinen Bildern und menschliche Akte in und am
Wasser. In diesem Scheine von oben und unten lebt die menschliche Haut.
Fast von Anfang an, jedenfalls schon in ganz frühen Bildern hat Landenberger
jene farbige Klarheit der Hautmalerei gehabt, an der man seine Bilder sofort
erkennt, und in der er in Wahrheit unerreicht dasteht. Es ist eine organische
Frische in diesem köstlichen Wechsel von kalten und warmen Hauttönen, die
wie eine Offenbarung wirkt. Sonst zeigt sich auch bei Landenberger eine Ent-
wicklung im rein Malerischen. Er ist in seinen Jugendbildern zuweilen noch
hart und trüb, dann
kommt er in jenen
feinen lichten Grau-
ton herein, in dem
alle Dunkelheit ausge-
löscht scheint und der
nur durch zarte Mor-
gen- oder Abendlich-
ter duftig belebt ist.
Aber von dem neuen
Jahrhundert an macht
sich ein immer ent-
schiedeneres Bestre-
ben geltend, kräftige
Farbentöne in das Bild
zu bringen, also im
eigentlichen Sinne ko-
loristisch zu wirken.
Mansieht grüne Schür-
zen, hellviolette Ge-
wänder, farbige Tep-
piche, und jedesmal
ist es ein neues rein
malerisches Problem,
das der Künstler in
Angriff nimmt.
Dabei hält sich
Landenberger in den
Stoffen vorsichtig im
Rahmen dessen, was
seiner farbigen Kunst
natürlich ist. Er hat
Chr. Landenberger, Bulgarin eS aufgegeben, ZU er-
74
zählen, und schildert
in der Regel einen
ruhigen Zustand, der
ein stilles, gesundes
Leben in der farbigen
Schönheit auszuströ-
men scheint. Aber
Menschenleben ist es
doch, was ihn vor
allem interessiert, und
bei aller Zurückhal-
tung im Ausdruck der
Empfindung ist doch
seine Malerei nie
Schellengeklingel. So
vortrefflich er es ver-
steht, einmal ein rein
malerisches Kunst-
stück zu machen, wie
ein totes Perlhuhn
oder einen weiblichen
Halbakt vor dem Spie-
gel, und so sicher er
ist, auch damit den
Blick des Kenners auf
sich zu ' ziehen, so
wenig ist er eigent-
lich ein Freund des
l'artpourl'art. ,,Wenn
man," sagte er ein-
mal, ,,so viel gear-
beitet hat, um malen
zu können, so will
man schließlich seine
Kunst auch auf etwas Rechtes verwenden." Das oben erwähnte Beispiel von
seinem ersten Plan zu einem größeren Gemälde zeigt, wohin seine Neigung
ging. KindHches Wesen hat ihn offenbar immer interessiert. Das weist in der
Regel auf tieferes Gemütsleben hin. Niemand kann dieses verkennen in dem
Bild der Stuttgarter Galerie ,,Nun ade, du stilles Haus", mit dem er seine erste
Medaille erhielt. Malerisch herb in der Masse des kalten Grüns im Vordergrund,
ist es doch köstlich in dem reinen farbigen Licht dieses von der Morgensonne
angeglühten Flußwinkels. So ist auch der junge Handwerksgeselle, der oben
auf dem grünen Hügel steht, um das ,, stille Haus" unten im Talwinkel noch
einmal zu grüßen, von einem herben Realismus und recht verschieden von den
munteren, lockigen Handwerksgesellen, wie man sie bei Richter u. a. gesehen
75
Chr. Landenberger, Mädchen vor dem Spiegel
hat. Aber mit seiner einfachen, natürlichen Art stiehlt er sich ebenso ins Herz
wie dieses Vaterhaus im Talgrunde, das mit dem klaren Wasser vor sich, in
dem es sich spiegelt, wie ein Abbild friedlich schöner Jugendtage erscheint.
Selbst die Knabenakte am Wasser sind keineswegs ohne seelische Akzente.
Es sind in der Regel in Haltung und Gebaren echte Buben, wenn der Künstler
es sich auch versagt, ein Genrebild ,, Wasservergnügen" oder etwas Derartiges
daraus zu machen.
Trotzdem war es
für die Freunde Lan-
denbergers eine Über-
raschung, als er mit
dem köstlichen Mär-
chenbild herauskam,
das uns die Prinzessin
AmeleiamitdemMül-
1er Radlauf zeigt, wie
sie über die blumige
Höhe reiten. Hier ist
die ganze farbige
Heiterkeit der Natur,
die der Künstler nun
so wundervoll darzu-
stellen vermag, ver-
wendet, um den Mär-
chenhauch um diese
Gestalten zu gießen;
hier lebt man wirklich
in einer Märchenwelt
voll sonniger Heiter-
keit, und die farben-
helle Kunst unserer
Tage hat wieder einen
Stoff gefunden, der
sie mit vollem Leben
durchströmt. Solches
Märchenleben ist auch
in den dekorativen Bildern, die Landenberger für das Haus des Kommerzien-
rats Haux in Ehingen und für das Hoftheater in Stuttgart gemalt hat. Es ist
in den Landenberger eigenen Farbenzusammenstellungen, bei denen insbe-
sondere ein helles Violett eine merkwürdige Stimmung sanfter Festlichkeit her-
vorruft, eine ausgesprochene Märchenlust, die in hohem Maße dem Zweck
gerecht wird, einem Zimmer freundliche und poetische Stimmung zu verleihen.
Neuerdings klingt auch die religiöse Note in Landenbergers Bildern mächtig
an. Auf seinen Staffeleien stehen zwei solche Bilder. Eines, das er lang gehegt
hat, zeigt einen friedlich und hilfreich durch eine Volksmenge gehenden Jesus
76
Chr. Landenberger, In der Kirche
Christian Landenberger, Das Märchen vom Müller Radlauf
von solcher Schlichtheit und solcher Innigkeit, daß er an das Beste von Rem-
brandt und Uhde erinnert. Er schreitet durch eine farbige Welt, aber diese
wirkt nur als Folie zu der lichten Helle seines weißen Gewandes, die ihn
als das ,, Licht der Welt" oder, um große Worte, die in der Tat nicht passen,
zu vermeiden, als einen sanften Geist des Segens erscheinen lassen. Das Bild
kulminiert in Farbe und Licht in dieser köstlichen Gestalt, die es zu einer
mächtigen Einheit zusammenfaßt, wie es wohl das tiefste Leben in Landen-
bergers Kunst und Wesen offenbart. Dasselbe gilt von der prachtvollen Kom-
position der vom Kreuze wegwankenden, von zwei Frauen gestützten Maria.
Wie Haug, dessen Bilderzahl kaum die Zahl seiner männlichen Jahre über-
steigt, ist auch Landenberger kein eigentlich fruchtbarer Maler. Dem un-
ermüdlichen Fleiß hält die ungemein sorgfältige Vorbereitung der Bilder die
Wage. Schwer nur kann sich der Künstler in Zeichnung und Malerei genug-
tun, und das Improvisieren ist nicht seine Sache. Wenn frühere Kritiker hie
und da einmal von dem Skizzenhaften seiner Bilder sprechen, so ist das eine
Verwechslung. Ein auf Gesamtwirkung gemaltes Bild ist keine Skizze und
keine Studie, wie leicht auch immer über Einzelheiten hinweggegangen sein
mag, die der Künstler eben um der vollen Bildwirkung willen vernachlässigen
will. Im Gegenteil, Landenberger hat immer im Gegensatz zu mancher leicht
hingeworfenen Impression unserer Tage volle Bildwirkung erstrebt, und sein
Gefühl für Komposition, für die Stellung der Gestalten im Raum ist immer
mehr anerkannt worden. DIEZ
DIE KÜNSTLER AUSSERHALB DER AKADEMIE
Wenn wir die Künstler außerhalb der Akademie, soweit das möglich ist, nach
den Atelierschulen geordnet haben, in denen sie gebildet worden sind, so sind
wir uns bewußt, daß damit nur der Ausgangspunkt der künstlerischen Bildung
bezeichnet, eine sachliche Klassifizierung der Künstler aber nicht erreicht ist.
Denn eine Schule Kellers, Haugs, auch Kalckreuths im Sinne gewisser ge-
meinsamer Eigentümlichkeiten des künstlerischen Schaffens gibt es nicht;
höchstens bei Hölzel könnte von einer solchen geredet werden. Aber auch
seine Schüler gehen, sobald sie dem unmittelbaren Einfluß des Meisters ent-
zogen sind, vielfach aus einander.
Einer anderen sachlichen Klassifizierung der Künstler setzen sich aber
erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Nur selten ist bei der heutigen Neigung
zu universeller künstlerischer Betätigung dem Künstler auch nur eine be-
stimmte Stoffwahl zuzuteilen. Landschaftsmalerei und Figurenmalerei, Porträt-
malerei und Genremalerei sind nur selten ganz getrennt. Selbst der Stil:
Impressionismus und Detailmalerei, Freilicht und Atelierlicht, dekorative oder
naturalistische Auffassung ist zuweilen bei denselben Künstlern verschieden, je
nachdem die Aufgabe ist, die sie vor sich haben. Wir verfahren also chronolo-
gisch und beginnen mit den im wesentUchen noch auswärts gebildeten Künstlern.
77
G. Gaupp, Studienkopf
Gustav Gaupp ist im
wesentlichen in München ge-
bildet, nachdem er als Litho-
graph, geschult von dem alten
Gnauth, in Wien und London
mehrere Jahre eine auskömm-
liche Stellung innegehabt hatte.
Er landete schließlich in der
Pilotyschule und verdankt ihr
neben einer Reihe von Entwürfen
zu geschichtlichen Gemälden
(,, Einbringung eines gefangenen
Raubritters") einen dekorativen
Auftrag in dem Pringsheimschen
Palais zu Berlin, das die Piloty-
schüler miteinander ausmalten.
Gaupps Anteil, ,,Die Quelle",
erinnert an den Stil Makarts.
Aber schon damals betrachtete
er das Porträt als die ihm eigent-
lich liegende Aufgabe. Von
1880 — 1884 war er als Porträt-
maler in Hamburg und London tätig, wie später in Rom. In Stuttgart malte
er z. B. die Porträte des Ministers von Sarwey und des Architekten Neckel-
mann, die Gemäldegalerie besitzt von ihm das des Musikers Hans Richter. Das
zweite Bild Gaupps in der Gemäldegalerie, von dem Gaupp noch die reizvolle
Skizze besitzt, die ihm den Auftrag verschafft hat, der schachspielende Kar-
dinal, ist noch ein Genrebild im historischen Geschmack. Neuerdings liebt es
Gaupp, Akte im Freien zu malen, in denen es ihm um das Spiel der Fleisch-
töne im Lichte zu tun
ist. Die Linienführung
will er aber nicht
vernachlässigen, wie
überhaupt seine ganze
Richtung mehr auf
das Zeichnerische als
das Malerische weist.
Eine ähnliche Lauf-
bahn wie Gaupp: vom
Lithographen durch
arbeits-und verdienst-
reiche Jahre hindurch
zum Maler, und in
der Malerei von far-
biger Frische zu einem
78
A. Specht, Lowe im Käfig
mehr grauen luftigen Ton hindurch, hat auch August Specht gemacht,
der Bruder des bekannten und vielbeschäftigten Tiermalers und Tier-
illustrators Friedrich Specht. Erst am Ende seiner dreißiger Jahre gelang es
ihm, auf die Kunstschule zu kommen, in die er gleich als Atelierschüler eintrat.
Ein an Studien reiches Leben führte ihn aber dann weit in der Welt herum,
in die Alpen und an die Nordsee, nach Paris und Hamburg, nach Berlin und
Dresden, Köln und Leipzig. Seine frühesten Bilder, Bauernhöfe, malerische
Hütten, sind frischfarbig und etwas brauntonig. Sie verkauften sich rasch
und teilweise wiederholt. Seine
neueren Bilder, ,, Jagdbeute im
Schnee", ,, Keiler im Schnee",
,, Januarhirsch", haben Luft und
Licht und zeigen sorgfältiges
Studium im Freien, während er,
wenn es das Thema mit sich
bringt, auch gern noch einmal
tiefer in die Farbe greift (Krevet-
tenfischer in Oostdunkerke u.a.)
Seine ausgebildete Zeichenfähig-
keit zeigt sich auch in Buch-
illustrationen.
Noch viel entschiedener als
bei diesen beiden ist die zeichne-
rische Richtung bei Richard
Ernst Keppler, der sich mit
der Zeit ganz der Illustration
zugewendet hat. Er ist vom
Polytechnikum zu der Kunst-
schule übergegangen, wo er noch
den Einfluß von Neher erfahren
hat. Dann hat er in München
und Wien weiterstudiert und
dort einen entscheidenden Anstoß durch Moritz von Schwind bekommen.
Märchenfriese sind es, durch die er zuerst einen starken Erfolg erzielte
(,, Schäfer und Schlange" im Palais Schmidt-Sugg, Wien, ,,Der Mönch und
das Waldvöglein" im hiesigen Privatbesitz). Eine Allegorie der ärztlichen
Wissenschaft von ihm (Ölbild) ist nach Boston in Nordamerika gekommen.
Von 1870 an hat er für fast alle größeren Verlagsanstalten Deutschlands, Öster-
reichs und der Schweiz Buchschmuck und Illustrationen gezeichnet.
Wie Keppler gehört auch der um sieben Jahre jüngere Hermann Plock
den in den fünfziger Jahren Geborenen an. Als einen auswärts Geschulten
kann man ihn nur insofern betrachten, als er den ersten künstlerischen Unter-
richt im Zeichnen und Modellieren bei seinem Vater empfing, der ein geschickter
Modelleur der Wasseralfinger Hüttenwerke gewesen ist. Vom zwanzigsten
Jahre an finden wir ihn an der Stuttgarter Akademie bei Grünenwald, Häberlin,
79
H. Plock, Im Waldsee
Keller und Schraudolph, Ende der achtziger Jahre geht er nach Italien, und
dann wohnte und arbeitete er in Stuttgart, bis ihn die heimtückische Krankheit
ergriff, an der er noch jetzt in seiner Heimat daniederliegt. Stuttgart birgt
noch manch schönes Porträt von ihm; auch landschaftliche Studien kann man
da und dort finden. Seine Seele aber liegt in Bildern wie das ,, kranke Kind"
(einst im Besitz der Königin Olga) oder das am Wasser vom Felde heim-
kehrende Liebespaar oder auch in dem beim Gebet am Kreuz vom Blitz er-
schlagenen Schäfer, einem Bilde, das zeigt, wie stark der Künstler von Welt-
H. Plock, Das kranke Kind
anschauungsfragen bewegt war. Das beste, was er geschaffen hat, wird das
Bild der Gemäldegalerie bleiben: der am Abend ruhende Schäfer, dessen
Blicke das eben angezündete Licht der Mühle in jenem ,, kühlen Grunde" suchen.
An Harmonie der graulichen Farbe, an feiner Beobachtung der kalten und
warmen Töne, an vollendetem Ausdruck der Stimmung bleibt es eine der
besten Leistungen der Zeit, in seiner tiefen Stimmung gleich erfreulich für
den Künstler wie für den Laien.
Das geschichtliche und religiöse Genre, das auch in Kepplers Illustrationen
eine reiche Bearbeitung gefunden hat, hat sich dann einen eigenen Herold
geschaffen in Rudolf Yelin, der mit seiner Geburt schon den sechziger Jahren
des vorigen Jahrhunderts angehört. Er war wie Speyer ursprünglich Theologe
80
N
-S
•^
^
^
#/.
I
Uli h
< i> : J
'1 1 1
liiU A
m
'■>'
. i ■ ' ,' j - 1 ' ■ ■ '
und hat selbst noch das philosophische
Jahr des Stiftes in Tübingen mitge-
macht. Mit nicht ganz zwanzig Jah-
ren ging er dann nach München, wo
ihn Herterich, damals Korrektor am
Abendakt, stark anzog. Im Akt-
zeichnen war er einer der ersten. Liezen-
meyer dagegen vermochte mit die-
sem Schwaben nichts anzufangen. Er
ging dann nach kurzer Zeit zu Keller
nach Stuttgart. Von da folgte er eini-
gen Freunden, den beiden Schuster-
Woldan u. a., nach Frankfurt zu Frank
Kirchbach, um zu Stille und Sammlung
zu gelangen. Die stärksten Eindrücke
machten ihm die besseren ,, Corne-
lianer", besonders Steinle, an den auch
seine ersten Sachen in Farbe und Zeich-
nung erinnern. Gleich darauf bekam
Yelin eine schöne Aufgabe für Glasge-
mälde in seiner Vaterstadt Reutlingen,
dann in der Stiftskirche zu Stuttgart, eine
Aufgabe, die ihm freilich wegen man-
gelnder Freiheit wie wegen unvollkom-
mener Übung zur Qual wurde, und seit
der Zeit ist er einer der gesuchtesten
R. Yelin, Kirchenfenster
R. Yelin, St. Matthäus, Glasmalerei
Stuttgarter Kunst ii
Kirchenmaler, dessen Werke sich
in Preußen, Hannover, Hessen
und Sachsen ebenso wie in Würt-
temberg finden. Er ist anfangs
noch etwas nazarenisch ange-
haucht, und eine sanfte lyrische
Stimmung, ein Ton gleichmäßiger
Andacht ist ihm immer geblie-
ben. Aber sein Strich wird im-
mer kräftiger, männlicher; der
Stil der deutschen Renaissance,
ja selbst der Gotik tritt nicht
nur in der energischen Faltung
der Gewänder, sondern auch in
den scharf geschnittenen Ge-
sichtern zutage, von denen sich
manche (wie z. B. Moses in der
Protestationskirche zu Speyer)
zu ernster Größe er-
heben. Vollendet
scheint sein Stil in
den Fenstergemäl-
den für die Marien-
kirche in Reutlin-
gen, in denen er den
Zug zur Kirche mit
einer mächtigen Pro-
phetengestalt und
dann den Brunnen
des Lebens darge-
stellt hat. Ein un-
ermüdlicher Zeich-
ner, ein heiterer
Märchenplauderer:
so lernt man ihn aus
seinen Skizzenbü-
chern und manchen
Einzelblättern ken-
nen; daß er aber
auch Charakterty-
pen der Straße in
der frappantesten
Silhouette mit aus-
gesprochenem Hu-
mor darstellen kann,
das würde man hin-
ter dem Maler von Kirchenbildern und Kirchenfenstern kaum suchen.
Ein anderer vielbeschäftigter Kirchenmaler ist der Sohn des Patriarchen
unter den württembergischen Malern, des Schöpfers der ,, Waisen" in der
Gemäldegalerie, des jüngst verstorbenen Karl Bauerle. Karl Theodor
Bauerle ist in einer ganzen Reihe von württembergischen und auswärtigen
Kirchen mit Wandmalereien, in anderen mit Tafelbildern vertreten. Die
Innigkeit, die diese Bilder zeigen, hat er von seinem trefflichen Vater geerbt.
In der letzten Zeit ist er übrigens nur wenig mehr hervorgetreten.
I^Hl
^^^^H
^■^^^Ml
T^^^^^^l
F
Hh7 f -^jM
JM
0
•^
BkSI
H. Pleuer, Bildnis von R. Haug
Hermann Pleuer. Fast zweihundert Bilder waren es, welche die Ge-
dächtnisausstellung für den allzufrüh verstorbenen Hermann Pleuer im April
und Mai 191 1 in den Räumen der Gemäldegalerie versammelte; und dabei
sind, wie die Vorrede zum Katalog dieser Ausstellung sagte, um der Beschränkt-
heit des Raumes willen noch Dutzende von wahrhaft bedeutenden, für die
Entwicklung des Malers charakteristischen Bildern zurückgestellt worden,
82
während auf andere zum voraus verzichtet werden mußte. Dies zeigt in
den 47 Lebens- und 20 — 25 Künstlerjahren, die dem Maler vergönnt waren,
eine ungeheure Fruchtbarkeit, namentlich wenn man bedenkt, daß unter den
200 Bildern eine Reihe großer Leinwanden hingen, die die Arbeit von Monaten
darstellten. Aber im großen ganzen weist die Zahl der Werke schon von
vornherein nicht nur auf einen Impressionisten, sondern auch zum Teil auf
einen improvisierenden Künstler hin, und das ist Pleuer auch gewesen oder
vielmehr geworden: denn in seiner Jugend führte er so sorgfältig aus wie nur
einer, und seine Bilder machen den Eindruck der genauesten Überlegung.
Daß die Entwicklung zum Impressionismus in seinem Talent lag, kann man
mit Sicherheit behaupten; das Improvisieren hängt möglicherweise m.it seinen
Lebensschicksalen zusammen; mit dem herben Kampf um die Existenz, der
ihm nicht gestattete, das Ausreifen eines Werkes mit ruhigem Geiste abzu-
warten.
Das Leben hat Pleuer rauh angefaßt, und wenn auch sein Charakter und
das Ansprechende in seinem Wesen ihm eine Reihe von treuen Freunden ver-
schaffte, und wenn auch seine Kunst bald einige Sammler und Kunstverständige
mächtig anzog, so
wollte es ihm doch
nicht recht gelingen,
die Geltung zu er-
reichen, die ihm
zweifellos gebührte,
und die Preise zu
erzielen, auf die er
ein Recht hatte.
Kaum stand die
Leinwand fertig auf
der Staffelei, so war
er oft gezwungen,
sie zu jedem Preis
zu verkaufen; ja er
mußte froh sein, daß
er Männer fand, die
hinlänglich Ver-
trauen auf seine
künstlerische Per-
sönlichkeit hatten,
um ihm ä f ond perdu
ein Drittel oder auch
ein Fünftel des Wer-
tes zu zahlen, den
er vernünftigerweise
hätte in Anspruch
nehmen können.
H, Pleuer, Badende Mädchen
83
Schmerzlich muß es empfunden werden, daß es sich nicht schicken wollte,
ihn durch eine Lehrstelle an der Akademie aus seiner unsicheren Lage heraus-
zureißen. Als er reif und anerkannt genug war, um auf eine solche Stelle
hoffen zu dürfen, mußte ihm Landenberger mit seinem weit über Deutschland
verbreiteten Ruhm vorgehen.
Pleuer stammt aus einem Hause, dem die Kunst nicht fremd war: sein
Vater war Graveur. Nachdem er die Zeichenschule bei Herdtle durchgemacht
hatte, war der angehende Künstler eine Zeitlang bei seinem Vater als Graveur
und Ziseleur tätig. Mit i6 Jahren kam er auf die Kunstgewerbeschule, darauf
in die Akademie, wo er den mehrfach geschilderten Studiengang durchmachte,
Grünenwald und Häberlin als Lehrer hatte und schließlich von der Sehnsucht
nach frischerem Leben und realistischer Kunst nach München getrieben wurde.
Wie Haug studierte er dort bei Seitz und kehrte nach einigen Jahren nach
Stuttgart zurück. Während aber Haug nach einer langen, mit Handwerks-
arbeit gefüllten Pause raschen Ruhm errang, ist Pleuer schwer und mühsam
durchgedrungen. Was für Werke hatte er in den neunziger Jahren geschaffen!
Aber es war nur wenige Jahre vor seinem Tode, als die Kollektivausstellung,
die ihm die Münchener Sezession veranstaltete, ihn stärker in den Vordergrund
rückte, und trotz begeisterter Anerkennung von einzelnen kunstverständigen
Kritikern war auch selbst damals der Eindruck mehr der einer wider Willen
abgezwungenen Achtung als der einer begeisterten Hingabe an die gewaltige
Leistung.
Die Zeit wird dem Wert dieses großen Talents sicher gerechter werden,
und um an dieser Wandlung mitzuarbeiten, müssen wir versuchen, so nüchtern
als möglich die Umrisse seiner Künstlerpersönlichkeit zu zeichnen und die
Punkte aufzuweisen, wo er seine Zeitgenossen überragte.
Gehen wir von dem Stofflichen aus, so bleibt es der unvergängliche und
auch unbezweifelbare Ruhm Pleuers, daß er für die Kunst ein Gebiet erobert
hat, das sonst ganz der Prosa des Lebens überwiesen wird: die Eisenbahn.
Auch andere haben Eisenbahnen gemalt, aber wer hat wie Pleuer das Malerische
darin gefaßt, so wie es Turner seinerzeit in jenem ersten Eisenbahnbild getan
hat? Er hat das Gebiet erobert, er hat es der Kunst unterworfen. Er hat die
gewaltige Seele, den Dämon in diesen Ungeheuern der modernen Technik
empfunden; er hat ihn gefühlt in den dunklen Massen, die daherbrausen,
in dem qualmenden Rauch und Dampf, den sie in die Lüfte schicken, in
jenen finsteren Tiefen, mit denen sie die Lüfte des Abends oder den grauen
Dunst des Wintertags färben, und er hat diese dämonische Seele in so
gewaltigen Impressionen zur Erscheinung, zum Sprechen gebracht, daß sie
nicht Neugier, Staunen oder Interesse, sondern jene Mischung von Schrecken
und Bewunderung erregt, die als eines der stärksten Gefühle gelten muß,
die die Kunst zu vermitteln berufen ist. Daß er damit an die Seite von großen
modernen Realisten wie Dickens und Zola tritt, ist nicht zufällig. Zola hat
ihn mächtig gepackt; bis zum Pessimismus, bis zur Verzweiflung ist er in
diese Weltanschauung eingedrungen, und wenn er sich später innerlich von
dem ihm so befreundeten Haug getrennt hat, so liegt ein Grund davon darin,
84
Hermann Pleuer, Die Freunde
daß dieser mit seiner lebenbejahenden Natur den Weg in diese Tiefen nicht
mitmachen konnte. Gewiß, nicht jede Eisenbahn, die Pleuer gemalt hat, ist
eine gleich gewaltige Vision; aber man achte einmal darauf, wie er die trockenen
und prosaischen Einzelheiten dieses mechanischen Systems, wie er die Schienen,
die Rückseiten der Häuser behandelt hat, und vergleiche das mit anderen
Bildern aus den ,, Stätten der Arbeit"; man wird dann jenen Zug nicht ver-
kennen, von dem ich oben gesagt habe, daß er die künstlerische Natur von
dem künstlerischen
Talent unterscheidet:
die machtvolle Un-
terordnung aller Ein-
zelheiten unter den
Zweck eines Stim-
mungsausdrucks. Das
kann kein bloßer
Nachschreiber der
Wirklichkeit machen,
das macht nur der
Dämon des Künstler-
tums, der echte künst-
lerische Poet, der
Mann der künstle-
rischen Phantasie.
Ich habe seiner-
zeit gesagt und bin
noch der Meinung,
daß mit der starken
Phantasie, die eine
so zähe Wirklichkeit
zu Feuer machen
kann, der zweite Zug
zusammenhängt, der
jedem Kenner von
Pleuers Lebenswerk
auffallen muß, die
von Anfang an vorhandene Freude Pleuers am Dunkeln. Die Phantasie
liebt das Dunkel, das sie anregt, das Geheimnisvolle, Ahnungsvolle, das in
ihm liegt. Pleuer ist nicht nur anfangs schwarz und tintig, wie es alle unsere
Jungen, auch Reiniger und Haug, am Anfang waren, sondern er bleibt dabei
und sucht seine Rechtfertigung in den Dämmerungen und Nächten, die er
malt. Er schwelgt im Dunkel. Die beiden Maler im Atelier, ,,Der Abschied"
der Gemäldegalerie, das ,,Amen", das ,, Gebet", alle die Mondscheinbilder mit
den badenden Frauen am Wasser, mit dem Liebespaar, mit dem Weihnachts-
engel, die Straße in Beihingen: überall Dämm^erung, Mondschein oder volle
Nacht, von leichten Streifen des Lichts erhellt oder von kaltem Schimmer über-
8s
H. Pleuer, Bildnis von H. Tafel
H. Pleuer, Die große Kurve
gössen. Aber wie macht er das! Man sehe einmal die Mondscheinbilder der
letzten zwanzig Jahre durch, wie viele Maleraugen scharf genug waren, um
dieses kalte Licht und diese warmen Schatten zu sehen und den eigentümlichen
Lichtzauber der Mondnacht zum Gefühl zu bringen, um solche Menschen-
leiber in Licht und Schatten der Mondnacht zu modellieren und noch malerisch
zu beleben. Denn es ist sicher: dieser gewaltige Realist ist nicht nur zugleich
ein träumender Poet, ein Mann der Visionen, sondern auch ein gewaltiger
Maler.
Seine malerischen Eigenschaften offenbaren sich in der Art, wie er das
Dunkel, in das er seine Gestalten hüllt, farbig zu beleben weiß. Der ,, Abschied"
in der Gemäldegalerie stellt eine Szene in tiefer Dämmerung dar, kaum er-
hellt von dem ersten Schimmer des Tageslichts, das durch den Spalt der Türe
hereinfällt: aber wie belebt sich diese große dunkle Fläche mit farbigen Tönen,
wenn der Beschauer vor ihr steht; wie fängt es an, auf den grauen oder braunen
Flächen zu schimmern, wie ist es dem Künstler gelungen, das geheime Farben-
leben dieser Flächen zu entfalten, so daß kein gleichgültiges oder langweiliges
Fleckchen übrigbleibt. Man hat, als das Bild zuerst der Ankaufskommission
vorlag, aus der damaligen Gewohnheit heraus, die für Genrebilder eine
gewisse mäßige Größe vorschrieb, es für zu groß gehalten. Es wäre nur dann
zu groß, wenn der Künstler nicht verstanden hätte, die große Fläche malerisch
zu beleben, oder wenn in der Auffassung etwas Kleines und Spielerisches läge,
das mit dem großen Format im Widerspruch stünde. Allein dieses abschied-
nehmende Liebespaar hat etwas durchaus Großzügiges an sich; es kann ebenso-
gut am Rande des Todes stehen wie Romeo und Julia. Darauf muß man achten,
wie allmählich die Farbe in diese Finsternisse dringt, wie erquickend man
86
dieses Hervorblühen der Farbe aus der Finsternis oder dem Dunkel empfindet,
und wie bewußt der Künstler auf diese Wirkung hinarbeitet. Dann wie er sich
darin von Stufe zu Stufe unablässig strebend entwickelt hat.
Man verfolge einmal den Weg von den fein gezeichneten dunklen, von
zartem Licht umsäumten Akten seiner Frühzeit bis zu den badenden Frauen
im Besitz des Freiherrn von König-Fachsenfeld, des treuen Freundes seiner
Kunst, dem er so manche Erleichterung seiner späteren Jahre verdankt, und
von den badenden Frauen mit der verblüffenden Ehrlichkeit ihres diffusen
Tageslichtes bis zu den lichten, breiten, kontrastierenden Farbflächen der
,, großen Kurve"! Nimmt man alles, was dazwischen liegt: diese finsteren,
qualmenden Lokomotiven mit den im Abendlicht leuchtenden farbigen Häusern
im Hintergrund; diese mitten im hereindämmernden Abend heimgehenden
dunklen Arbeitergestalten; diese Heizer im Maschinenschuppen neben der blau-
schwarz schimmernden Lokomotive mit dem konzentrierten Licht, das herein-
fällt, während sie sich den Kohlenstaub vom Leibe waschen: man mag es
ansehen, wie man will, es kommt eine machtvolle Künstlernatur zutage, die
wohl oft im Improvisieren steckengeblieben ist, die es häufig nicht zu jener
inneren Reife und Geschlossenheit der Komposition, zu jener Selbstverständlich-
keit und Notwendigkeit der Erscheinung, zur eigentlichen Vollendung gebracht
hat, die aber nur um so entschiedener die elementare Wucht und Größe der
Begabung dokumentiert. Wie manche Generation kann noch von Pleuer lernen,
0. Jung, Doppelbildnis
87
von den Problemen, die in seinen Bildern spuken, von den Lösungen, die da
und dort auftauchen! Denn nicht die Vollendung ist es, von der man lernen
kann, sondern das machtvolle Werden.
An Pleuer schließen wir gleich einen anderen Meister des Dunklen,
Amandus Faure, an. Von seinem ersten Auftreten an hat er die
Aufmerksamkeit des Kunstfreundes durch seine ganz bestimmte Eigenart
und durch die Sicherheit auf sich gezogen, mit der er sie geltend machte.
Auch er ist ein Mann von starker und höchst beweglicher Phantasie.
Sie lockte ihn als Kind schon in die Kreise des Zirkus und des Artisten-
volkes, das ihn bewohnt, sie läßt ihn immer wieder das Aufzucken
oder Aufglimmen der Lichter in dem Dunkel darstellen; ein weites
Rund, in dem sich
schattenhafte Gesich-
ter und Gestalten, von
Lichtfunken flüchtig
erhellt, bewegen; matt
erhellte Winkel, in
denen der Clown die
Hände über der Lampe
wärmt und die ,, Schwe-
stern" so fremden Na-
mens ihm gemütlich
aneinandergelehnt zu-
sehen; Blicke in be-
leuchtete Bühnen über
dunkle Köpfe hin-'
weg. Hier ist er ganz
Maler, im Anfang
etwas trüb, zuweilen
im Braunen stecken-
bleibend, endlich zu
prachtvoller Farbigkeit hindurchdringend, von der sein neuestes großes Bild,
,,Simson und Delila", die Vollendung dieser ganzen Richtung, das schönste Bei-
spiel gibt. Aber dazwischen hat sich eine andere Bewegung in ihm angemeldet.
Ein Psychologe tritt auf, der meisterlich charakterisiert, ein Satiriker, der
grotesk karikiert. Dabei ändert er instinktmäßig den Ton der Bilder, wird
hell, geht aus der poetischen Dämmerung der Nacht und der Kulissen in
das scharfe graue Licht des Tages, seine Farben wandeln sich ins Kalte, um
den seelischen Gehalt unverhüllt an den Tag zu bringen. Welche macht-
volle und geniale Charakteristik der Irren, der Verbrecher, die ihren Tages-
spaziergang machen! Und dieser Hogarth ist derselbe, der in reizenden
Sträußen von Feldblumen, schlecht und recht gemalt, nur durch das Arrange-
ment sich über das Gewöhnliche hinaushebend, eben durch den gänzlichen
Mangel an all dem anspruchsvollen Pomp, den wir sonst in Blumendarstellungen
uns gefallen lassen müssen, so erquicklich wirkt.
88
A. Schmidt, Sommer
Amandus Faure, Zirkus
Amandus Faure
Marokkanischer Spiegeltanz
Robert Weise
Bildnis
Besitzer: I<eo Schoeller, Düren i. Rh
Nicht bloß des
Stoffes wegen, den
auch er gern aus dem
Zirkus holt, sondern
auch wegen seiner
künstlerischen Art
reiht sich hier Hans
Molfenter an, der,
wie Faure, vielfach
die aus dem Dun-
kel sich entwickelnde
Farbe zu seinem
Thema gemacht hat.
Vor allem hat auch
er die Lust am Far-
big-Exotischen, am
Phantastischen, an
den romantischen Ge-
sellschaftsschichten
dieser nüchtern ge-
wordenen Welt. Sie
behandelt er mit ent-
schiedener Frische.
Flüchtige Zirkus-
szenen faßt er in
raschen Impressionen
auf, bald in sonniger
Farbigkeit, wie sie
sich im Freien ent-
wickeln, bald in dem
eigentümlich farbig belebten Dunkel des Interieurs. Überall macht sich der Trieb
bemerklich, etwas Ganzes, Durchgefühltes zu geben. Selbst das wilde Tier, dem
er sich gern widmet, will er nicht bloß als Farbfleck geben, sondern in seiner
Wildheit charakterisieren, und diesem Zweck dient ihm Farbe und Beleuchtung.
Nimmt man diesen Zug zu einer Kunst von innen heraus, die Energie, mit der
der frühere Lithograph, der erst mit 20 Jahren auf die Kunstschule kam, so-
fort seinen Weg als Maler einschlug, die charaktervolle Entschlossenheit, mit
der er seine italienischen Studien vernichtete, weil sie ihm nicht genügend
aus dem Vollen geschöpft schienen, die mächtigen Eindrücke, die er von der
italienischen Kunst, insbesondere von Michelangelo, bekam, ohne sich im
mindesten durch sie aus dem Weg bringen zu lassen, so hat man allen Grund,
hier eine jener oben geschilderten künstlerischen Naturen und also eine der
besten Hoffnungen unserer Stuttgarter Kunst zu erkennen.
A. Eckener, Schleswig-Holsteinische Veteranen
Stuttgarter Kunst 12
89
Otto Jung, geb. 1867,
hat zwar die ersten Jahre sei-
nes akademischen Studiums
an unserer Kunstschule zu-
gebracht, ist aber dann noch
vier Jahre nach Karlsruhe ge-
gangen, um dort unter Ritter
und Claus Meyer seine Studien
zu vollenden. Er ist dann
hierher zurückgekehrt und hat
vielfach als Lehrer gewirkt.
Manche feine , grautonige
Landschaft ist schon von ihm
gesehen worden, und äußer-
lich betrachtet nimmt die
Landschaft einen großen Teil seiner Tätigkeit ein
ist er Figurenmaler, und insbesondere ist es eine
A. Eckener, Alte Tanten (Radierung)
R. Ehinger, Zirkus (Radierung)
Seiner Neigung nach aber
ewisse Art von Porträt, das
er pflegt: das Porträt
in der Landschaft;
nicht als ein eigent-
liches Freilichtbild
durchgeführt, son-
dern so, daß die Land-
schaft nur dazu
dient, dem Porträt,
das nach ihr gestimmt
wird, die feinen
grauenTöne zu geben,
an denen der Künst-
ler seine Freude hat.
Das Zeichnerische in
den Bildern, das J ungs
Stärke ist, kommt auf
diese Weise reiner zur
Wirkung, und die
Fähigkeit des Künst-
lers, zu gruppieren
und in schönen Sil-
houetten zu sehen,
Stellung und Haltung
natürlich und doch
stimmungsvoll zu
machen, macht sich
vielfach mit Anmut
geltend.
90
Einen vollen Schritt in das malerische Sehen der Gegenwart hinein, in
das wirkliche Freilicht, hat dagegen der gleichaltrige Alfred Schmidt, ge-
boren in Dresden, gemacht. Er hängt mit der Familie Rietschels zusammen;
im 19. Jahre ist er zur Kunst übergegangen, und die Verwandtschaft mit dem
zweiten Direktor der Karlsruher Kunsthalle, Dr. Kölitz, brachte ihn nach Karls-
ruhe. Dort durchlief er die Akademie, brachte aber zwischenhinein ein Jahr
in Paris und in der Bretagne zu. Stärkeren Einfluß empfing er aber nur von
Baisch; mit Kalckreuth, an den er sich angeschlossen hatte, siedelte er dann
nach Stuttgart über, wo er bald eine Malschule für Damen zu halten anfing.
Früher im Donautal (Gutenstein), dann am Ammersee (Diessen) studierend,
hat er bald das Anekdotische, mit dem er anfing, beiseite gelassen und sich,
wie Landenberger, dem Reiz des Wassers und des Aktes am Wasser hingegeben.
Er sieht durchaus malerisch und ist deswegen reich an Stimmung. Sein ,, Abend-
frieden" (Motiv aus dem Eselsburger Tal bei Heidenheim) mit einem vom
Rücken gesehenen Liebespaar auf der Bank, ein Badeplatz mit stehender
und sitzender weiblicher Figur, ein Bild von seltener Frische der Naturstimmung,
charakterisieren ihn
aufs beste.
Alexander
E ck e n e r , der im
Jahre des großenKrie-
ges geboren ist, hat
seine Heimat noch
weiter im Norden; er
stammt aus Flens-
burg und hat auch
dänisches Blut in
seinen Adern ; ein
kräftiges Bauernge-
schlecht ist es, aus
dem er hervorging.
Seine ersten Zeichen-
versuche machte er
an Tieren, besonders
Pferden. Vom Real-
gymnasium ging er
mit 19 Jahren an die
Münchener Akade-
mie, wo er den Zei-
chenunterricht bei
dem älteren Herte-
rich genoß und gleich
darauf bei Rath (der
das Radieren noch
wie ein Alchimist P- Huber, Damenbildnis
91
betrieb) radieren lernte. Die zeichnerische Neigung war so stark, daß ihn der Mal-
lehrer (Wagner) hinauswarf; er ging dann nach Haus und malte wider Willen,
da ihm das Material zum Radieren fehlte, Naturstudien. Endlich fand er bei
Kalckreuth, der ihn durch seine ganze Natur anzog, zwar nicht gerade viel
künstlerische Einzelhilfe (das war nicht Kalckreuths Sache), aber jene kräftige
Anregung, die so wohltätig ist, weil sie Mut und Zuversicht gibt. So lebt er
seit 1900 in Stuttgart, macht die Nord- und Ostseeküste, aber auch die Königs-
bronner Hüttenwerke zu seinen Studienplätzen für die Malerei und wurde
nach dem Tode Kräutles 1908 zum Radierlehrer an die Akademie berufen.
In seiner Malerei liebt er Strandbilder mit schimmernder See, einsame Höfe
mit ihren farbigen Wänden, aber besonders die derben Charakterköpfe der
Bauern und Fischer, an deren Ver-
witterung er als Maler und Mensch
Freude hat; in der Graphik ist er sich
der Tragweite der Techniken voll be-
wußt, weiß kalte und warme Nadel
gleichgut zu behandeln und bringt
aus der Radierung häufig (wie z. B.
in dem ,, Abschied" von Pleuer) ein
farbiges Leben heraus, das malerisch
anmutet. Unter Eckeners Schülern
muß an erster Stelle der tüchtige Ra-
dierer Robert Ehinger genannt
werden.
Ganz fern von dem herben Rea-
lismus des Norddeutschen ist Paul
Huber, der von seinem Lehrer Gysis
die Freude an der schönen Linie, an
der bildmäßigen Stellung der Gestal-
ten überkommen hat. Er begann seine Studien unter Grünenwald, Igler und
Keller in Stuttgart, setzte sie in München fort und vollendete sie bei Julian
in Paris, wo er sich mit einem hübschen Kompositionstalent bald Erfolge er-
rang und den Wettstreit der ganzen internationalen Malergesellschaft in
eifriger Arbeit mitmachte. Er kehrte dann nach Stuttgart zurück, wo er
seither einer der meistbeschäftigten Porträtmaler ist; über hundert Bildnisse von
ihm sind hier zu finden. Was er in diesen anstrebt, ist neben dem ge-
schmackvollen Arrangement die schöne Linie und die vornehme Charak-
teristik. Das hier abgebildete Frauenporträt kennzeichnet ihn durchaus; und
wenn ihn auch seine Neigung auf das Gebiet der dekorativen Malerei locken
würde — eine Mosaik für ein Grabdenkmal gibt von dieser Neigung
neuerdings Kunde — , wenn ihn zuweilen sogar der Lichtreiz eines Interieurs
in die moderne Richtung lenkt, so scheint doch das Talent dieses Künstlers
in der Porträtmalerei zu kulminieren.
Ihr hat sich auch mehr und mehr der mit Huber gleichaltrige Robert
Weise zugewandt, der nach langem Aufenthalt in Gottlieben am Bodensee
92
R. Weise, Knabenbildnis
-a
c
J3
w
T3
C
• <
durch den Verein Württembergischer Kunstfreunde nach Stuttgart gerufen
wurde, um mit seinem schönen Talent der Stuttgarter Künstlerschaft eine
neue kräftige Note zuzuführen. Weise hat die künstlerische Begabung wohl
R06fW*vtiSt. .,..
R. Weise, Die Städterin
von dem Hoffmannschen Zweige seiner Familie geerbt, in dem künstlerische
Bestrebungen ziemlich vielseitig vorhanden waren (der Maler Robert Hoffmann
gehört auch der Familie an), hat aber auch in dem Hause seines Vaters, des
bekannten Buchhändlers, vielfache Anregung erfahren. So ist er nach kurzer
militärischer Laufbahn, aus der ihn eine Erkrankung herauswarf, mit 19 Jahren
93
F. Lang, Papagei (Farbiger Holzschnitt)
nach Düsseldorf gekommen, wo er
von Artur Kampf am stärksten be-
einflußt wurde. Zu Schulkameraden
hatte er jene jungen Leute, die später
die Worpsweder Malerkolonie grün-
deten. In Paris bei Julian, auf Rei-
sen in Spanien , wo er Velazquez
kopierte, vollendete er dann seine
Bildung. In München, wo er sich
zuerst ansiedelte, war er unter den
Gründern der Scholle, an deren breite
Flächigkeit er indes kaum erinnert.
Von 1901 an, wo er sich in Gottlieben
niederließ, folgen die Werke, die ihn
berühmt gemacht haben, jene pikante
Lösung des Problems des Freilicht-
porträts, die ihm eigen ist. Die ,, Städ-
terin", 1901, im Besitz des Grafen
Raczinski, erhielt die goldene Medaille,
1904 malte er das Familienbildnis in
der Pinakothek, das in seiner frischen
Natürlichkeit und Herbheit immer
etwas Erquickendes behalten wird;
im selben Jahre die ,,Dame in Herbst-
landschaft" (Nationalgalerie Berlin)
und im Jahre darauf die ,, blaue
Stunde". In allen diesen Leistungen
hat er sich jedesmal zu einem neuen
Problem zusammengerafft und etwas
voll Charakteristisches erreicht. So
auch in der ,, Mutter Erde" der
Stuttgarter Galerie, einem in man-
chen Beziehungen inkommensurabeln
Bild, das in seiner Mischung von
Natur und Komposition, malerischen
und zeichnerischen Reizen, Wirklich-
keit und Idealität einen eigentüm-
lichen Zauber hat, ohne ganz die
überzeugende Wahrheit seiner frühe-
ren Werke zu erreichen. Das Bild
des Kaisers, das Weise für Wies-
baden malte, hat ihn dann für eine
Reihe von Jahren auf das Gebiet des
Porträts geführt, wo er nicht immer Gelegenheit hatte, seine eigentümlichen
Vorzüge, zu denen auch ein kapriziöser Formsinn gehört, voll zu entfalten.
94
Prachtvoll ringt sich seine Natur erst wieder durch in dem Porträt der Tänzerin
Napierkowska.
Von einer erquicklichen Klarheit und Entschiedenheit ist das künstlerische
Leben bei einem anderen echten Schwaben, bei Fritz Lang. Die künst-
lerische Begabung hat Lang von dem Vater, einem geschickten Zeichner, dem
langjährigen Redakteur des ,, Schwäbischen Merkur", geerbt. Er ist ungefähr
zwei Jahre auf der hiesigen Kunstschule gewesen und hat da noch bei Kräutle
radieren gelernt. Dann ist er in-
folge eines Konflikts mit dem
Lehrerkollegium, der damals viel
Staub aufwirbelte, nach Karls-
ruhe gegangen, wo er von Weis-
haupt die stärksten Anregungen
empfing. Weishaupt hat ihm
seinen Stoff, die Tierwelt, er-
schlossen und ihm die grauen
Töne gegeben, die seine früheren
Bilder aufweisen. Indes hat er
als Maler offenbar auch noch
andere Einwirkungen erfahren.
Er wird bald farbiger, tiefer und
dunkler in den Tönen, stellt
(z. B. bei dem Bilde des Schloß-
platzes, das ihn lang beschäftigt
hat) sich etwa in die Linie von
Pleuer nud folgt dann seinem
eigenen Instinkt. Seine neuesten
Bilder, wie der radschlagende
Pfau oder die Goldfische, lassen
die Farbe aus dem Dunkeln auf-
glühen. Eine viel höhere Be-
deutung aber, ja eine klassische
Vollendung zeigt er als Holz-
schneider, nicht nur durch den
Reiz der echtesten Holzschnitt-
F. Lang, Am Schloßplatz
technik und einer ihr entsprechenden farbigen Behandlung, sondern durch eine
meisterhafte Auffassung des Gegenstandes, die liebevolle Beobachtung, den
köstlichen Humor in der Darstellung der Tier- und Märchenwelt. Seine ,,Jagd
nach dem Glück", sein Vogelbuch, seine Märchenbüder mit ihrem köstlichen
Titelblatt sind mit ihrer sicheren Zeichnung, ihrer gesunden Natürlichkeit,
ihrem frischen Humor hoch zu bewertende Leistungen, und es nimmt den
Beschauer nur Wunder, daß sich der Buchhandel nicht längst dieser trefflichen
Sachen bemächtigt hat.
Als einen im wesentlichen autodidaktisch gebildeten Künstler be-
zeichnet sich selbst Reinhold Nägele, dessen Erscheinen in den Aus-
95
Stellungen des Kunstvereins so-
fort die allgemeine Aufmerksam-
keit erregte. Er ist zwar kunst-
gewerblich in Stuttgart (bei
Rochga) ausgebildet worden und
hat sich als kunstgewerblicher
Zeichner sowie als Profan- und
Kirchenmaler in Berlin betätigt.
Aber seit 1908 hat er sich gänz-
lich vom Kunstgewerbe abge-
wandt, fleißig Akt gezeichnet
und ist dann plötzlich mit den
eigenartigen, in Tempera gemal-
ten, feinfigurigen und phanta-
stischen Bildern hervorgetreten,
deren Schauplatz Straßen und
Gesellschaftsräume sind, deren
Stimmung eine Mischung von
erregter Geschlechtlichkeit und
Humor ist. Er hat mit seinen
ersten Bildern gleich eine Aus-
stellung bei Cassirer erreicht,
obwohl er damals noch nicht die
Sicherheit der minutiösen Zeich-
nung und die freie Zweckmäßig-
keit der Komposition erlangt
hatte, die ihn später auszeichnet. Jetzt ist er in manchem klassisch, weil er
vollkommen erreicht, was er will. Man betrachte sich einmal das aus lauter
nächtlich erleuchteten Fenstern bestehende Bild ,, Serenade" mit dem vorn
sitzenden, zartvioletten Harlekin in der charakteristischen Stellung und die
meisterhafte, so einfache Linie, mit der jedem Fenster der Ausdruck einer
Fülle von Details gegeben ist! Zuletzt hatte er das Gefühl, auf einem toten
Geleise angekommen zu sein (vermutlich als der seelische Reiz seiner Gegen-
stände für ihn nachließ), und wandte sich einer stilisierten Landschaft zu.
Diese ist gut, wenn sie ebenso kapriziös ist wie seine anderen Sachen, von
denen sich der Künstler hoffentlich nicht auf die Dauer abgewandt hat.
R. Nagele, Markt
Mit Reinhold Schmidt, Karl Schmauk und Hugo Diez gehen wir
über zu den Künstlern, die ihre Bildung im wesentlichen in Stuttgart gehabt
haben.
Reinhold Schmidt, der Maler der Pferde oder Husaren usw., ist durch
die Schulen Grünenwalds, Häberlins und Schraudolphs gegangen und später
Zeichenlehrer geworden; als solcher nimmt er eine hervorragende Stellung in
96
Marie Lautenschlager
StiUeben
Besitzer: Gustav v. Müller, Stuttgart
, l
V
00
fii
diesem in so lebhafter geistiger Bewegung stehenden Stande ein. Seine
Bilder zeigen einen Fortschritt von interessant komponierten, aber wesent-
lich zeichnerischen Sachen zu einer mehr lockeren und malerischen Dar-
stellung ; sein schwäbischer Fuhrmann dürfte in dieser Richtung eines der
am besten gelungenen Werke sein. In der Kunstgenossenschaft hat Schmidt
immer eine hervorragende Rolle gespielt und ist mehrfach von ihr in die Ge-
mäldeankauf skommission, den sogenannten ,, Kunstrat", delegiert worden.
Die Fürstin von Wied ließ ihn ein Familienbild ihres Hauses malen, und der
König hat ihn als Porträtisten edler Rassepferde vielfach beschäftigt. Schon
vor Jahren hat er ihn durch die große goldene Medaille für Kunst und Wissen-
schaft ausgezeichnet.
Karl Schmaukist weder bei Keller noch bei Haug Atelierschüler gewesen,
sondern hat in Schraudolph einen mit Dankbarkeit verehrten Mal- und Kom-
positionslehrer gehabt, dessen Einwirkung, namentlich in der Richtung auf die
Komposition, der Künstler noch heute lebhaft empfindet. Schmaukwar früh ge-
zwungen, zu illustrieren, um sich das Studium und das Leben zu ermöglichen,
und zwar sind es Jugendzeitschriften (z. B. der ,, Jugendfreund"), für die er vor
allem gearbeitet hat. Dabei zeichnet ihn bei einfacher, geschickter Technik ein
erquickliches Verständnis für die Kindesnatur aus. Trotz dieser starken Beschäf-
tigung mit zeichnerischen Aufgaben scheint aber sein eigentliches Talent im
Malerischen zu liegen, denn seine Bilder (Interieurs von Handwerkern, Schustern,
K. Schmauk, Im Vorfrühling
Stuttgarter Kunst 13
97
Schmieden ; Abenddämmerung
am Neckar) zeigen eine frische
Farbigkeit und sind offenbar von
malerischen Reizen angeregt.
Hugo Diez hat unter den
heutigen Malern der Akademie
nur noch Igler eine Zeitlang als
Komponierlehrer gehabt, der ihn
aber wesentlich im Malerischen
beeinflußte; sonst studierte er bei
Rüstige, Grünenwald und Schrau-
dolph. Er beschäftigte sich an-
fangs mit Sittenbildern (,, Frei-
heitsgedanken" — ein alter und
junger Mönch, die sich hinaus-
sehnen, ,,Die Spieler") ; ging
dann, von Krankheit vielfach aufs Land getrieben, zur Landschaft über, die
er häufig sehr kräftig und starkfarbig behandelt, und hat in der letzten Zeit
mehrfach durch seine Interieurs aus dem hohenloheschen Schlößchen Fried-
richsruhe bei Öhringen die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sein neuestes
Bild, der ,, Raucher im Atelier", zeigt ihn wieder auf den Bahnen einer behag-
lichen, malerisch orientierten Genremalerei.
H. Diez, Am Fenster
* *
F. Herwig, Der Leser
Unabhängig von
der Zugehörigkeit zur
Schule sei schließlich
eine Künstlervereini-
gung der letzten J ahre
besprochen, eine Ver-
einigung von jungen
Künstlern, die, ohne
durch eine gemein-
same Note der Malerei
zusammengehalten
zu werden, bestrebt
sind, das schwäbische
Moment in der Künst-
lerschaft zu stärken,
für die Rechte der
Einheimischen einzu-
treten und so in ihrer
Art für das Gedeihen
unserer Stuttgarter
Kunst mitzuwirken :
98
R. Schmidt, Schwäbischer Fuhrmann
die Künstlervereini-
gung der Schwaben.
Ihrer künstlerischen
Art nach tragen sie
das charakteristische
Merkmal einer Sezes-
sion an sich: Eman-
zipation von fremder
Jurierung durch ge-
schlossenes Auftreten
und wohl auch eine
gewisse Neigung zu
möglichst energischer
Betätigung der Sub-
jektivität. Sie gehen
deswegen in Art und
Auffassung auch sehr
weit auseinander, und
zwischen Krauß und
Haag ist kaum ein anderer Berührungspunkt als das eben geschilderte Eman-
zipationsbestreben. Die meisten und vielleicht gerade die talentvollsten Mit-
glieder sind noch mitten im vollen Werden, im Suchen nach ihrem eigenen
Wesen und einem bestimmten Charakter; und wenn man nicht einen vor dem
anderen hervorheben will, bleibt vorläufig nichts als das eifrige künstlerische
Streben, das in der Vereinigung herrscht, anzuerkennen und ihr ein freund-
Hches Glückauf zuzurufen. Die Vereinigung besteht heute aus den Malern bzw.
Graphikern: Gottfried Graf, Robert Haag, Ferdinand Herwig, Eugen
Krauß, Heinz Niederbühl, Emil Stecher, Erwin Schweizer, und
aus den Bildhauern
Julius Frick, Max
Natter und Fried-
rich Thuma. Ihnen
reihen wir, obwohl er
nicht zu dem Bunde
gehört, den in Tü-
bingen geborenen
Theodor Werner
an, der hier nur seine
Zeichenschule durch-
gemacht, dann man-
che Jahre in Paris
und in Italien studiert
hat. Wie die Schwa-
ben sucht er eigene
Wege. Stark von
99
K. Rettich, Stall
Cezanne angefaßt, betrachtet er die Kunst als ein sehr ernstes Problem, das
nicht im Handumdrehen erledigt ist. Vorläufig zeigen besonders seine Land-
schaften mit ihrer lockeren und gut gesehenen Farbigkeit ein schönes Talent.
Die Anstalten für die künstlerische Ausbildung der Mädchen sind in Stutt-
gart früher besser gewesen, als sie heute sind, wo den werdenden Künstlerinnen
nur eine Abzweigung der Akademie mit einem beschränkten Studiengang zur
Verfügung steht, eine vollwertige akademische Ausbildung dagegen nicht ge-
boten wird. Früher war das anders. Ältere Malerinnen haben noch den vollen
M. Lautenschlager, Traumerei
Unterricht an der Akademie mitgemacht, und mehrfach sind in der letzten Zeit
öffentliche Stimmen laut geworden, die eine Erneuerung dieses Zustands ge-
fordert haben. Daß der Erfüllung dieser Forderungen einige prinzipielle Be-
denken entgegenstehen, wird niemand verkennen, der über die Entwicklung
dieser Sache an anderen Akademien oder über die Wirkung der vollen Koedu-
kation, z. B. in Amerika, orientiert ist. Aber es genügt, darauf hinzuweisen, daß
auch die im Neubau der Akademie vorgesehenen Räume bei den beschränkten
Mitteln unseres Staates für eine gleichberechtigte Teilnahme der Mädchen an
dem akademischen Unterricht in keiner Weise ausreichen würden. So bleibt nur
der Ausweg übrig, der in München mit Erfolg eingeschlagen worden ist: die
Errichtung einer besonderen Damenakademie aus Privatmitteln, aber mit staat-
lieber und städtischer Unter-
stützung, und die Herbeiziehung
tüchtiger Künstler in jüngeren
Jahren zur Erteilung des Unter-
richts an dieser Akademie. Es
genügt, daran zu erinnern, daß
in München Männer wie Her-
terich, Landenberger, Jank u. a.
Lehrer an der Damenakademie
waren, um zu zeigen, wie vor-
teilhaft dieser Weg werden kann.
Anna Peters, Schülerin ihres
Vaters P. F. Peters, steht jetzt
an der Spitze unserer älteren
Malerinnen. Sie hat, geschult
ganz allein von ihrem Vater
Pieter Francis Peters und sich
orientierend an den französischen
und holländischen Vorbildern, die
ihr dessen ,, permanente Kunst-
ausstellung" darbot, mit Kinder-
bildern angefangen, hat diese
dann ihrer Schwester Petronella
überlassen und sich den Blumen
zugewendet. Mit ihren Blumenstilleben hat sie von Anfang an erfreulich ge-
wirkt , eine Menge von Auszeichnungen
davongetragen und ein unablässiges künst-
lerisches Weiterstreben gezeigt. In ihren
früheren Arbeiten oft noch lasierend in
der Farbe und von zarter Helligkeit im Ton
und in der Ausführung stark detaillierend,
hat sie jetzt eine kräftige Farbigkeit, eine
meisterhafte Sicherheit der Behandlung
und einen Geschmack im Arrangement
erreicht, der kaum übertroffen werden
kann. In ihrer Ausstellung im Malerinnen-
verein fielen die Bilder Herbstlaub und
Traubenlaub besonders auf: Vasen auf
Steinbrüstungen mit dem farbigen Laub
und einer fernen dunklen Berglandschaft
im Hintergrund: poetischer kann man das
nicht machen.
Als Tiermalerin hat sichCamilla Zach-
Dorn ein reiches Arbeitsfeld geschaffen. Es
ist noch in aller Erinnerung, wie ihre , , Königs-
A. Peters, Weinlaub
P. V. Waechter, Porträt
spitzer" auf der Postkarte zur silbernen Hochzeit des Königspaares er-
schienen. Sie ist eine richtige Tier porträtistin (wie auch eine Porträtistin
von menschlichen Persönlichkeiten), und ihre Technik paßt sich dem Charakter
der kurz- oder langhaarigen Hausfreunde des Menschen trefflich an. Unter
ihren menschlichen Porträten sollen das von Friedrich Vischer, dem Ästhetiker,
das von Baudirektor Hähnel und das von Fräulein Blum hervorgehoben
werden.
Marie Lautenschlager hat sich vor allem als tüchtige Bildnismalerin
hervorgetan. Zu ihren besten Leistungen gehört ein Porträt des Freiherrn
von Otterstedt. Von einem Pariser Aufenthalt hat sie zarte Landschafts-
gouaschen heimgebracht. Ihre neueste Entwicklung ist, wie das hier abge-
bildete Stilleben (vgl. die Tafel) zeigt, von Hölzel beeinflußt.
Als Porträtistinnen sind auch Paula von Waechter und Adelheid
Scholl hervorgetreten.
Einer jüngeren Richtung der Malerei gehören Johanna Koch und Klara
Rettich an. Johanna Koch hat schon die abgesonderte Damenmalschule
bei Keller besucht. Ein Studienkopf aus ihrer Schulzeit zeigt den deutlichen
Einfluß von Keller.
Ihre Neigung gehört
der Figurenmalerei,
die sie auch bei der
Landschaft nicht ver-
nachlässigt; dabei
strebt sie nach cha-
rakteristischen Stel-
lungen und Bewe-
gungen, wie bei dem
Bild des ruhenden
,, Wanderers" oder
dem ,, Frühling", wo
sie drei Mädchen in
das sonnenbeschie-
nene, von Pappel-
reihen durchzogene
Wiesental bei Korn-
westheim gestellt hat,
die in ihrer Haltung
durch eine unbewußte
Grazie wohltuend auf-
fallen. Daß die Künst-
lerin sich auch noch
den Kopf eines wein-
frohenPhilosophenim
Altertum ausgedacht
j. Koch, Frühling Und sich mit Wetter-
hexen und Elfen beschäftigt hat,
beweist die Vielseitigkeit ihrer
Interessen.
Entschieden aufgefallen und
auch in großen Sammelausstel-
lungen der hiesigen Künstler-
schaft im Münchener Glaspalast
mit in die erste Reihe getreten
ist in den letzten Jahren Klara
Rettich, eine geborene Ame-
rikanerin, die ihre letzte Aus-
bildung als Schülerin von Pro-
fessor Haug erhalten hat. Man
sah von ihr Interieurs von Ställen
mit Tieren, die überaus feintonig
waren , Blumenstilleben , Akt-
studien und Bildnisse, und fast
überall hatte man den Eindruck
eines selbständigen Sehens, einer
sicheren Hand und eines guten
Farbensinns. In den Porträten
nimmt sie es sehr ernst und
verfolgt offenbar eine mehr zeich-
nerische als malerische Rich-
tung; doch versucht sie auch hier
der Gesamterscheinung eine ma- m. Niii, Chrysanthemen
lerische Note zu verleihen.
Martha Nill, die ihre Bildung bei Professor Igler und später bei dem als
Lehrer überaus tätigen und geschickten Joseph Kerschensteiner erhalten hat,
hat sich teils durch Landschaften, teils durch Blumen- und andere Stilleben
bekannt gemacht. Namentlich in ihren Blumenstücken fällt sie durch Ein-
fachheit und schlichte Empfindung für den Reiz ihres Gegenstandes ange-
nehm auf.
DIEZ
DIE LANDSCHAFTSMALER
Württemberg ist ein malerisches Land, nicht nur im älteren, sondern
auch im heutigen Sinne des Wortes, d. h. nicht nur reich an romantischen
Ansichten, sondern auch an Charakter- und Stimmungslandschaften, im Neckar-
becken und fränkischen Muschelkalkland mit seinen idyllischen Tälern, im
Albvorland und in den Tälern und auf der Hochfläche der Alb, im ober-
schwäbischen Alpenvorland mit seinen Mooren, am Bodensee und auf dem
Schwarzwald, selbst auf den Fildern und im Gäu.
Und die Schwaben haben seit der Zeit der Romantik und der schwäbischen
Dichterschule eine starke Vorliebe für die Landschaftsmalerei; nicht nur die
103
Kunstfreunde, was sich leicht begreift, da die Landschaft dem Dilettantismus
und dem auf die Naturwahrheit gerichteten Laienurteil am leichtesten zugäng-
lich und zum neutralen Zimmerschmuck geeignet ist, sondern auch die Künstler.
Für eingefleischte Schwaben ist es ausgemacht, daß ein schwäbischer Land-
schaftsmaler sein Bestes immer bei der schwäbischen Landschaft gäbe. Sie finden
den Beweis zum Beispiel bei Reiniger und selbst bei Schönleber, wenn sie
ihre italienischen Landschaften mit den heimischen vergleichen. Die Maler
sagen ja auch selbst, daß sie sich in eine Landschaft erst einleben müssen;
und es mag wohl sein, daß die Poesie der Jugendeindrücke durch nichts ersetzt
werden kann. Doch glücklicherweise ist des Deutschen Vaterland nicht so
klein. Gerade eingewanderte Künstler wie Hollenberg haben uns die Eigenart
und Schönheit unserer Heimat oft in neuer und ergreifender Weise vor Augen
gestellt. Kalckreuths ,, Waidenburg" in unserer Staatsgalerie ist mit seinem
eigenartig behandelten Baumschlag in ehrlichem Grün solch ein Bild. Und wieder
Hölzeis ,, Bebenhausen". Von Kalckreuth ist zum Beispiel die schwäbische,
jetzt in München lebende Landschaftsmalerin Maria Caspar-Filser angeregt
worden. Robert Poetzelberger gibt mit Vorliebe Stadt- und Landschaftsbilder,
die von oben gesehen und wohl sogar ganz ohne Himmel sind; ein fränkisches
Flußtal (bei Rothenburg), ein schwäbisches Städtchen am Bodensee; mit einer
zeichnerisch-malerischen Feinheit, die nur bei Schönleber ihresgleichen findet.
Und sein ,, Flußtal" ist wegen der innigen Auffassung des Idyllischen mit
Thomas Landschaften verglichen worden. Der Österreicher tut es also jedem
Schwaben gleich.
Oft ist in Ausstellungsberichten zu lesen, daß die schwäbische Malerei
den wohltuenden Eindruck der Naturfrische mache, einer Unbefangenheit,
deren Gegenteil bezeichnet wird als ,, Ausstellungsmalerei". Das gilt vor allem
von der Landschaftsmalerei und ist sicherlich zum Teil auf den Eindruck von
Otto Reinigers Frühwerken zurückzuführen. Aber auch auf andere schwä-
bische Künstlerpersönlichkeiten paßt es wie angegossen, auf Kornbeck und
auf mehr als einen von den Jungen; doch ebensogut freilich auch auf Kalck-
reuth. Gut schwäbisch ist es sicherlich; entsprechend der schwäbischen Lyrik,
die ihre Frische dem Volkslied und der naiven, noch vom ganzen Volke ge-
sprochenen Mundart verdankt.
Die Schwaben haben vor allem einen lyrischen Zug, den sie nicht
unterdrücken können. Selbst in der Zeit des Naturalismus haben ausge-
zeichnete Maler wie Pleuer, Haug, Landenberger, Speyer sich einmal oder
mehrmals im Gegenstand und Titel ausdrücklich dazu bekannt. Es hat ihnen
vielleicht in der auswärtigen Kritik einmal geschadet. Das schwäbische Volk
liebte sie darum nur um so mehr und läßt sich die Überzeugung nicht nehmen,
daß ihre Malerei deshalb nicht schlechter sei.
Landschaftsmaler, die aus Schwaben stammen und schon ganz der Ge-
schichte angehören, sind: Jakob Gauermann (1773 — 1843); Gottlob Friedrich
104
Otto Reiniger
Tachensee
Besitzer: Dr. Franz Piesbergen, Stuttgart
Steinkopf (1779 — 1860); Friedrich Dörr von Tübingen (1782 — 1841); Christoph
Rist in Augsburg (1790 — 1860); Louis Mayer (1791 — 1843); Karl Heinz-
mann (1795 — 1846). Diese sämtlich Vertreter der romantisch-klassizistischen,
historischen Landschaftsmalerei.
Dann die Romantiker und Anhänger der Neurenaissance in der Malerei:
Hermann Herdtle (1819 — 1889); Gustav Herdtle (geb. 1835); Karl Ebert
(1821 — 1885); Friedrich Salzer (1827 — 1863); Theodor Schüz (1830 — 1900);
Gustav Cloß (1840 — 1870); Ernst Reiniger (1841 — 1873); Gustav Conz.
Eingewanderte, die an der schwäbischen Landschaftsmalerei teilnahmen,
waren: der Berliner Adolf Friedr. Harper (1725 — 1806, hier 1756 — 1798);
Joh. Friedr. Steinkopf aus Oppenheim (1737 — 1825), der Vater und Lehrer
des berühmten Landschaftsmalers; Joh. Jak. , .Müller von Riga" (1765 — 1831);
Heinrich Funk von Herford in Westfalen (1809 — 1877); Pieter Francis Peters
aus Nymwegen (1818 — 1903); Fr. X. Riedmüller aus Konstanz (1829 — 1901);
Karl Ludwig aus Römhild (1839 — 1901, hier 1877 — 1880).
Auch Figurenmaler, Meister des Sittenbildes, haben die Landschafts-
malerei gefördert. So Jakob Grünenwald (1821 — 1896), der Schüler Nehers
und Dietrichs und Lehrer mehrerer angesehener Landschaftsmaler, und Karl
Häberlin (1832 — 191 1), von dem dasselbe gilt. So auch die Tiermaler Anton
Braith {1836 — 1905); Hermann Baisch (1846 — 1894, hier 1872 — 1880) und
sein Bruder Otto (1840 — 1892), die beiden Mali, Johann (1828 — 1865) und
Christian (1832 — 1906).
Hier sind ferner die Architekturmaler einzureihen wie Gustav Bauernfeind
(1848 — 1905) und Adolf Treidler (1846 — 1905); und die besseren Ansichten-
zeichner und Aquarellisten, die Originalradierer und Lithographen. Durch
künstlerische Wiedergabe vaterländischer Ansichten haben Viktor Heideloff
(1757 — 1817), Friedr. Aug. Seyffer (1774 — 1845), Karl Friedr. Seubert (1780
bis 1859), K. Obach (1807 — 1865), Eberh. Emminger (1808 — 1885), Robert
Ebner, Wölfle, 0. Braungart, Herrn. Genter und manche andere dauernden
Wert behauptet. So auch Max Bach (geb. 1841), der zugleich als Kunst-
schriftsteller tätig ist.
Zu Harpers Zeit war die Landschaftsmalerei noch dekorativen Zwecken
dienstbar. Der Landschaftsmaler war am Hofe Herzog Karls zugleich Theater-
maler und verpflichtet, dem Historienmaler Guibal bei der Luft, den Blumen und
den Fruchtgewinden zu helfen. Als Türaufsatzfüllungen malte er, den Goethe den
,, geborenen Landschafter" nennt und der in Italien den Unterricht des berühmten
Landschaftsmalers Wilson genossen hatte, seine italienischen ,, Veduten", römi-
sche Ruinen, Brücken und dergleichen, in romantisch-klassischem Geschmack
und noch in der sicheren Technik des Rokoko, in braunen oder bunten Tönen
mit manieriertem Baumschlag und flotter Staffage. Er war in der Karlsschule der
Lehrer des Tirolers Koch, der freilich, wie bekannt, dieser Schule entwich.
Der Begründer der schwäbischen Landschaftsmalerei ist G. Fr. Steinkopf.
Steinkopf, als Maler hier von seinem Vater und in Wien an der Akademie
ausgebildet, schloß sich in Rom an J. A. Koch und Reinhart, Schick und
Wächter an. Sie fühlten sich als Deutsche im Sinn der Romantiker, kamen
Stuttgarter Kunst 14 105
aber von der Überlieferung der klassizistischen französischen Kunst nicht los.
Die Landschaftsmaler wagten zuerst den Ritt ins romantische Land, zunächst
natürlich nur ins Gegenständliche. Deutsche Landschaften, stilisiert in der
Art von Claude Lorrain und Poussin, schön komponiert, in edlen Linien ge-
zeichnet und gelungen in der Raumwirkung wie in der sonnigen Luft, be-
lebt von braven und zufriedenen Landleuten, aber doch uns anmutend wie
eine Bühnenszene, besonders im Baumschlag, und in der Farbe nur wie
kolorierte Zeichnung, Malerei aus der Erinnerung, die über eine allgemeine
Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit der Farbengebung nicht hinauskam. In der
Natur wurde damals fast nur gezeichnet, gemalt wurde in der Werkstatt.
Darum lebt Steinkopf für uns mehr in den lithographierten Blättern nach seinen
Gemälden, namentlich ,, Rosenstein" und ,, Roter Berg" (Wirtenberg), letzteres
mutet uns an wie ein vorweggenommenes Idyll von Schüz. Bezeichnend
durch die Wahl des Gegenstandes ist auch das Bild ,,Ein schwäbischer Früh-
ling" (im Besitz des Königlichen Hauses, 1839). Steinkopf ist als Professor
und Direktor der hiesigen Kunstschule der grundlegende Lehrer von Karl Ebert,
Hermann Herdtle und Th. Schüz gewesen. Lange hat sich die ganze An-
sichtenzeichnerei in Schwaben an seinen Stil gehalten.
Funk, ein Schüler und Genosse Schirmers und Lessings, Professor hier
1854 — 1876, hat in der deutschen Jahrhundertausstellung (1904) seinen Platz
neben den bedeutendsten Meistern der Landschaft behauptet. Seine Bilder
vom Rhein, von der Eifel, aus den Alpen und Voralpen wirken vornehm und
bedeutend; ihre Stimmung, meist ernst, liegt nicht nur im groß erfaßten
Charakter der landschaftlichen Formen, sondern auch schon, wenigstens an-
gedeutet auf eine Art, die fein, wie bewußte Zurückhaltung wirkt, in der Farbe.
Eichenbäume und sturnigepeitschte Wipfel sind beliebte Requisiten dieser
heroischen Landschaftsmalerei. Schüler von ihm waren Gustav Cloß, Ernst
Reiniger und Albert Käppis.
Ein Schüler Schirmers war auch Fr. X. Riedmüller aus Konstanz , der
seit 1868 hier lebte. Den älteren Besuchern des Kunstvereins sind von ihm
namentlich gefällige Aquarelle und Kreidezeichnungen erinnerlich, die meist
Partien vom Bodensee oder Waldpartien darstellten.
Funks Nachfolger, der Meininger Karl Ludwig aus der Pilotyschule, war
ebenfalls ein ausgezeichneter Landschafter, Calames deutscher Nebenbuhler,
wirkte aber nur drei Jahre hier (1877 — 1880.) Ein Meister der Zeichnung
und der Farbe, die er so recht ölfarbenmäßig behandelt, schmelzend, leuchtend,
tief und satt. Vielbewandert, gab er auch in seinen Bildern alles, was den
Wanderer in der Landschaft freut: schöne Gegenden aus dem Hoch- und
deutschen Mittelgebirge, saftiges Grün, Sonne und Wolkenschatten, wodurch
die gutgemalten pittoresken Gegenstände mit Licht und Schatten in Wirkung
gesetzt werden. Es ist, im Vergleich zur späteren Stimmungsmalerei, voll-
endete Porträtlandschafter ei und Detailmalerei. Zu seinen Schülern zählt
Hermann Drück.
Jakob Grünenwald (Professor 1877 — 1896) malte auch Landschaften
in der Art der Pilotyschüler, er besonders schwer und meist auch trüb in der
106
Farbe. Baisch, Braith und Mali vertreten mit Ludwig, Cloß, E. Reiniger
die farbenfrohe, illustrativ bunte, oft süßliche Malerei der Neurenaissance, die
nach heutigem Empfinden die beherrschende Stimmung durch Luft und Licht und
manchmal die schlichte Wahrheit und den tiefen Ernst der Natur vermissen
läßt. Aber die körperliche Landschaft, wie sie sich bei klarer Luft im
hellen Licht der Sommersonne darstellt, haben sie schon in vollkommener
Weise wiedergegeben. Ihr Fehler war auch wohl, daß sie zuviel des Male-
rischen oder vielmehr Zeichnerischen, zuviel Mannigfaltigkeit des Gegen-
ständlichen ins Bild brachten und es in den Formen steigerten.
Theodor Schüz, ein schwäbischer Pfarrerssohn, Schüler Steinkopfs und
Pilotys und Düsseldorfer Genremaler, gilt noch heute vielen als der echteste
Maler schwäbischer Landschaft und Sitte, besonders wegen des lyrischen, den
Volkston treffenden Anklanges seiner Kunst. Gemütvoller als er schildert sie
keiner. Auch der Humor fehlt ihm nicht, etwas von der schalkhaften Anmut
und inneren Überlegenheit Mörikes. Seine Poesie ist freilich manchmal senti-
mental nach Düsseldorfer Art, die auch den Schwaben zusagte und heute noch
vielfach zusagt. Er ist ein besserer Maler als Ludwig Richter, doch ein minderer
als Spitzweg. Schüz ist gewohnt, im Bilde zu erzählen und liebt es, die Natur
als Sinnbild des Menschenlebens zu deuten. So arbeitet er mit symbolischen
Einzelheiten, die man sozusagen lesen muß, und kann sich nicht genugtun in
der Anhäufung bedeutungsvoller Nebenepisoden im Vordergrund und Mittel-
grund. Ihnen opfert der Maler sogar das Gleichgewicht der Komposition, die
Klarheit des Raumeindrucks und die Richtigkeit der Geländezeichnung. Den-
noch gibt er schwäbische Charakterlandschaften so wahr und innig wie keiner
vor ihm. Er hat zuerst das Bild der Albkette in schlichter Schönheit dargestellt
und den Zauber des Vorfrühlings, den Uhland besungen, in Wald und Feld
malerisch erfaßt; er auch zuerst das Wunder der Obstbaumblüte, das Schwa-
bens Stolz und Wonne ist. In manchen seiner Sitten- und Gesellschaftsbildern
ist die Natur gar zu schön, die Baumgestalten alle nach dem Geschmack der
damaligen Landschaftsmalerei so üppig, daß man ans Theater erinnert wird;
in anderen, vornehmlich in seinen reinen Landschaftsbildern, gibt er treu und
fein den Natureindruck wieder. Auf seinem Hauptwerk, der ,, Mittagsruhe
in der Ernte" (1861, Staatsgalerie), zeigte er einen merkwürdigen Anlauf zum
Kolorismus der Freilichtmalerei. Auf den Gesichtern der Hauptgruppe im
Schatten des Apfelbaumes liegt ein grüner Schimmer, die Lichter sind rot
und die Schatten violett. Und mit welcher Liebe ist der große Apfelbaum
zeichnerisch und malerisch ausgeführt. Die Photographie arbeitet nicht ge-
nauer. Von den Malern kann das heute nur noch Kornbeck. Und ebenso
das Landschaftspanorama im Hintergrund (mit Herrenberg). Das schönste
ist aber doch auch hier noch der ansprechende Gegenstand und die gemüt-
volle Beseelung des Figürlichen.
Peters, der holländische Landschaftsmaler auf schwäbischem Boden, war
noch in den guten Überlieferungen der holländischen Malerei aufgewachsen.
Durch mehr als ein halbes Jahrhundert hat er in Schwaben gemalt, sehr fruchtbar
und geschäftsgewandt, so daß ein flüchtiger Manierismus nicht ausbleiben
107
A. Käppis, Hohenstaufen
Rostocltj Museum
konnte. Seine besten Bilder reichen immerhin an Schleich, den Vater der
intimen und koloristischen deutschen Landschaftsmalerei, heran. Viele gehören
aber der Gattung der beschreibenden Malerei an, Ansichten aus den Alpen,
Kufstein, Rheintal, und aus Schwaben, namentlich der Köngener Gegend.
Seinen meisten späteren Bildern fehlt die Farbigkeit, abgesehen etwa vom
blauen Himmel. Erde, Laub und Wasser schwimmen in einem warmen,
dünnen Braun.
Zwei hochbegabte Künstler aus Stuttgart, die gegen 1870 in München
lebten und beide jung starben, zeigen unter sich eine nahe Verwandtschaft in
ihren Landschaftsbildern: Gustav Cloß (geb. 1840) und Ernst Reiniger (geb.
1843). Aus Funks Schule hervorgegangen, kamen sie in München unter den
Einfluß Pilotys und Schleichs, wanderten dann in Italien und malten italienische
und deutsche Landschaften, Romantik im Gewand der Renaissance, mit Über-
tragung der hesperischen Üppigkeit auf deutsche Landschaften. Ernst Reiniger
erscheint nach Veranlagung und Schicksal als merkwürdiger Vorläufer und
Doppelgänger seines Vetters Otto Reiniger.
Ludwigs Nachfolger, Albert Käppis (geb. in Wildberg 1836, Professor
hier 1880 — 1905), ist der fruchtbarste und im Gegenstande mannigfaltigste
der schwäbischen Landschaftsmaler, eine echt schwäbische Poetennatur, aber
auch ein Maler von Qualitäten, der in einem langen, fleißigen und glücklichen
Leben die Entwicklung der Landschaftsmalerei von Funk, seinem Lehrer, bis
auf Reiniger, seinen ehemaligen Schüler, mitgemacht hat. In München,
wo er besonders den Einfluß Liers erfahren zu haben scheint, in Düsseldorf,
wo ihn das poetische Sittenbild anziehen mußte, und auf Studienreisen nach
Düsseldorf, Holland, Belgien und Paris weiter ausgebildet, ließ er sich in
München nieder und folgte schließlich einem Ruf nach Stuttgart, wo er der
Lehrer aller tonangebenden schwäbischen Maler von heute wurde. Gleich
Schüz, dem er verwandt erscheint wie kein zweiter, ging er vom Sittenbild aus,
108
und zwar vom Arbeitsleben des schwäbischen Landvolkes. So schildert er die
Schafschur, Heuet und Ernte, Obstmosterei, Weinlese und Kelterei, Kartoffel-
ernte, Dreschen auf der Tenne und mit der Dreschmaschine (1879) und Putz-
mühle, das Hanfbrechen und Linnenbleichen, den Bauernhof mit Schweinen
und Geflügel, die Mühle, das Leben auf der Dorfgasse vor dem Wirtshaus.
Dann Fischerszenen von den Seen des Voralpenlandes und später vom Meer
im Süden und im Norden; den Fischmarkt von Augsburg und von Venedig, die
Fischrösterei, die ländliche Schiffswerft. So wird er zum Landschafts- und
Seemaler. Seine Sittenbilder haben gegenständlich großen Reiz und auch
kulturgeschichtlichen Wert, weil sie mit herzlicher Liebe zur Sache studiert
und humorvoll ausstaffiert sind. Die Bilder aus den Keltern von Rohracker
und Güglingen und vor der Gundelsheimer Kelter (1877, Museum Bonn) werden
später einmal, wenn die letzte hölzerne Kelterpresse verschwunden ist, als
Modelle dienen können. Die Obstmostkelterei im Schwarzwald mutet uns an
wie eine Illustration zu Hermann Hesses Schilderung.
Aber sie sind mehr als Illustrationen; den Maler lockte immer schon das
Malerische des Gegenstandes, das Halbdunkel in der Kelter, das Helldunkel
der Dreschtenne, die Stimmung des Regentages oder Winterabends im Schwarz-
walddorf (1881, Galerie Stuttgart), der schimmernde Duft des Herbstes, das
Silberlicht des Morgens über der Wiese, der goldige Sonnenglanz des Nach-
mittags auf dem Korn und Stroh und die tieftönigen Gewitterwolken, die Schön-
heiten des Wassers und des Lichtes und der Luft darüber. Seine Städtebilder,
die alle am Wasser liegen, am Neckar oder der Donau, an einem Binnen-
see oder einer nordischen oder italienischen Küste, haben echt malerische
A. Käppis, Ernte auf der Alb
109
Stimmung. In der das Pittoreske steigernden Zeichnung wirken sie schon
ein wenig altmodisch. Dafür haben manche etwas von dem, was zum guten
Bildnis gehört, den Charakter, aus dem wir ein Schicksal lesen. Das gilt auch
von den historischen Landschaften Hohenstaufen (1881, Museum Rostock)
und Hohenneuffen. Käppis' Kunst ist keineswegs auf das Idyllische beschränkt,
auch das Romantische und Pathetische gelingt ihr. Rein malerisch sind die
kleinen Bilder vom Erntefeld und von den deutschen Seen das Beste, was der
Meister geschaffen hat; besonders auch die ganz modernen, mit verhältnis-
mäßig großen Stimmungsfiguren in Freilichtmalerei wie die Schnitterin und
der Aufbruch der Bodenseefischer (1896). Auf der Höhe seiner Kraft, in den
achtziger Jahren, hat er bei den großen Kompositionen, wie dem Hohenstaufen,
A. Käppis, Aufbruch der Bodenseefischer
auch die große Form. An seinen älteren Bildern erfreut oft gerade die Sorgfalt
und Meisterschaft, womit der Vordergrund durchgebildet ist, in wirksamem
Gegensatz zur duftigen Ferne oder dem durchsichtigen Himmel, ein Kornfeld,
eine blühende Wiese. Die duftige, lichtgetränkte Schönheit der Seebilder aus
den neunziger Jahren, wo nur ein Kahn in körperlicher Schwere zwischen
Wasser und Luft hängt, gib keine Nachbildung wieder. Die ,, Erinnerung an
Königsfeld" (1910) ist noch ein Kabinettstück, das jedem Jungen zur Ehre
gereichte.
Im Schlößchen von Oberensingen bei Nürtingen haust seit langem Julius
Kornbeck (geb. 1839), ein Künstler von schlichter Eigenart bei feiner Geistes-
bildung. Wie Schüz und Käppis schildert er das schwäbische Land gern zu-
sammen mit dem arbeitenden Landvolk, und wie die alten Meister geht er
gern allen Einzelheiten nach, ein reiner Porträtist der Landschaft. Eine gewisse
Tonstimmung wird immer erreicht, nur kein moderner Kolorismus. Sein
Lichtton ist im Lauf der Jahre immer wärmer geworden. Eine beschreibende
Kunst von einfältiger Wahrheit, feiner Beobachtung und gewinnender Herz-
lichkeit. Die Heuet und die Ernte im Neckartal, den frischgrünen Frühling
und den Sommer im Albvorland, bei heiterem Himmel oder hellen Wolken,
den Dorfbach im grünen Dämmerlicht seines Laubdachs, den Blick auf Nür-
tingen, den Hohenneuffen von fern und nah, Achalm und Teck, den Wasser-
fall von Urach, Wasser, Bäume, besonders Weiden, Korn und Gras und Heu,
dazu allerlei Hausgeflügel, Schafe, Kühe und Stiere, das malt er alles nach der
Natur fertig bis zum letzten Blatt, mit der Freude und dem Sachverständnis
des Landmannes. Ein Atelier braucht er nicht. Wer ihm draußen zusieht,
darf ihm malen helfen. Sein Bildungsgang führte ihn aus Funks Schule nach
München und Düsseldorf und auch an die großen modernen Kunststätten
des Auslandes. A. Achenbach, H. Baisch, A. Braith und E. Reiniger waren
seine Kameraden. Aber seine Kunst ist ganz eigenes Gewächs; ist selbst
ein Stück Natur und kann so nie veralten noch verleiden.
Zögling der hiesigen Akademie (dann von Wenglein) war auch Her-
mann Eichfeld (geb. 1845 in Karlsruhe, früher Offizier), sowie Hermann
Nestel, geb. in Stuttgart 1858, Schüler von Ludwig. Er hat später an der
Riviera gelebt und ist dort jung gestorben.
Die Stuttgarter Landschaftsmalerei der letzten 25 Jahre bildet einen Höhe-
punkt der deutschen Kunst. Es ist die Epoche des Impressionismus. Im-
pressionismus ist die moderne Form des Naturalismus in der Malerei. Auch
innerhalb des Impressionismus kann das Verhältnis von Objektivität und Sub-
jektivität verschieden sein und sich verschieben. Eine gesunde Entwicklung
führt von der Objektivität zur Subjektivität hinüber, im allgemeinen und
beim einzelnen Künstler. Objektivität für das Studium; subjektive, schöpfe-
rische Freiheit für die Meisterjahre. Das zeigt sich besonders deutlich in
der folgerichtigen Entwicklung von Reiniger und Pleuer. Diese beiden waren
in Württemberg die Führer und Vorkämpfer, neben ihnen Robert Haug und
Friedrich Keller, bis Graf v. Kalckreuth dazukam. Pleuers Bilder wurden in
München anfangs wegen des Gegenstandes zurückgewiesen oder wieder ab-
gehängt. Reiniger wurde verspottet als ,, Ackerschollenmaler". Aber Künstler
wie Böcklin und Uhde zollten ihnen Beifall.
Die hiesige Kritik, voran Alfred Freihofer, machte sich früh zum Dol-
metscher der neuen Kunst und zum Herold der genialen jungen Meister; und
die württembergischen Kunstfreunde waren bald stolz auf ihre Landsleute —
kauften aber wenig Bilder. Heute sehen wir mit wehmütiger Freude auf die
Denkmäler dieser gesegneten Zeit. Die beiden Führer sind dahin, vor der
Zeit aufgerieben in Mühen, Kämpfen und Entbehrungen. Der Naturalismus
selber scheint schon wieder überwunden. Die Jugend wendet sich anderen
Idealen zu, die ihr höher und frischer dünken. Und die getreuen Nachfolger
leiden naturgemäß unter dem Schicksal, Nachfolger zu sein. Aber dem
Schwabenlande bleibt der anerkannte Ruhm, den größten unter den deut-
sehen Landschaftsmalern dieser Epoche hervorgebracht zu haben, den, dessen
Werk in allen Stücken Größe hat. Diese Künstler, denen die Natur zur
Dichterseele Maleraugen gab, gingen aus, die Wahrheit suchen, und fanden
Schönheit, wollten nur Natur und gaben dennoch Poesie. Sie wollten nur
durch ihre Kunst wirken und verschmähten alles Konventionelle, Romantische,
Pittoreske, Sentimentale, Literarische, Dilettantische; alles sollte selbstempfun-
den, neu und eigen sein. Das Einfache reizte sie, weil es das Schwierige
war. Sie waren Revolutionäre in der Stoffwahl und der Technik. Die intime
Landschaftsmalerei suchte in der Heimat die bescheidensten Motive, die neue
Sittenmalerei hielt sich an das Alltägliche und gab es rein malerisch, sachlich,
darstellend, ohne zu erzählen. Der malerische Vortrag wurde Selbstzweck,
ihm sollte das Bild allen Reiz verdanken. Dabei war freilich die Zeichnung
immer korrekt und wohlberechnet. Die Farbe sollte so genau als möglich
dem Natureindruck entsprechen, und zwar dem Eindruck eines Augenblicks.
Jeder Farbton sollte den Wert bekommen, den er im Gesamteindruck dieses
Augenblicks hatte. Man wollte die Dinge malen, wie man sie erblickte, nicht
wie man wußte, daß sie seien oder bei genauerem Hinsehen sie fand. Dem
strengen Naturalisten ist es auch verboten, aus dem Gedächtnis zu malen.
Damit fallen eigentlich farbige Nachtstücke und Mondscheinbilder weg. Man
möchte sich wundern, daß sie überhaupt noch Bilder malten, nicht nur Studien
in der Natur. Sie waren eben doch, wiewohl sie sich anfangs fast wie Photo-
graphen oder Naturforscher fühlten, Künstler, denen es auf die Wirkung an-
kam, und diese mußte studiert und probiert werden. Dabei erkannten sie,
daß auch im Ausstellungsbild nur eine rasche Malerei die gewünschte Wirkung
tue. Flüchtige Erscheinungen wirken glaubhafter, Farbenstimmungen ein-
drucksvoller in flüchtiger Wiedergabe. Mit möglichst wenig Strichen ein Bild
zu malen, war der Vorsatz Reinigers. So kam man auf die breite, skizzen-
hafte Technik, wie sie schon Frans Hals geübt hatte, eine Technik, die nie-
mals im fertigen Bild ihre Spur verwischen will, sondern im Gegenteil sich mit
zur Schau stellt. Je vollkommener die Illusionswirkung, desto deutlicher
müssen auch wieder die ,, illusionstörenden Momente" hervortreten, das ver-
langt das Wesen der Kunst, wie es der Ästhetiker dieser Kunstepoche,
Konrad Lange, dargelegt hat. Eine rohe Technik im Vergleich zu der der
alten Meister, ohne Schulüberlieferung, fast ganz verzichtend auf Unter-
malungen und Lasuren, primitiv — sie nennt sich ja auch Malerei alla
prima — und doch höchst raffiniert. Die Eigenschaften der Ölemulsion
wurden bald geistreich ausgenützt, bald möglichst verleugnet, je nach
dem Gegenstand. Auch die plastische Licht- und Schattenwirkung der dick
aufgesetzten Farbmasse wird benützt. Man muß staunen, wie das alles
gelungen ist. Hier scheint der Farbkörper feucht, dort trocken, hier spiegelt
er, dort ist er rauh, hier flimmert er, dort scheint er alles Licht zu ver-
schlucken. Ein trockener, breiter Borstenpinselstrich schafft hier feines,
durchsichtiges Geäst, dort ein lockeres Wölkchen, dort wieder zerstäubenden
Schaum. So vermögen die Maler die feinsten Unterschiede in der stoff-
lichen Beschaffenheit der Dinge und die flüchtigsten Erscheinungen des
4->
u
cd
3
■tJ
Oi
a
J3
u
CO
•3
O
•o
t-t
o
D
CS
s
es
42
J3
ci
<u
10
ja
'S -
J3 .^
u .ä
_ :3
« S
W >
Lichtes und der Luft wiederzugeben, solche, die man vorher überhaupt nicht
wahrgenommen hat. Die Maler waren vielfach schärfere Beobachter der
Farbe als die Naturwissenschaft mit ihren Instrumenten und Experimenten.
Die Landschaftsmaler lernten die Erde malen, wie sie feucht erscheint, das
Wasser in jeder Bewegung, die körnige oder flockige Beschaffenheit des
Schnees, den Schleier der Blattknospen am Buchenwald, den Glanz des
Taues auf der Wiese, die reine oder trübe, dünne oder dicke, trockene
oder feuchte, stille oder zitternde oder wehende Luft, den Regenschleier, den
die Sonne durchdringt, das Funkeln des Lichtes auf den Körpern in dem
Augenblick, ehe der Nebelschleier zerreißt, die zarte Beleuchtung des sich auf-
hellenden Abends nach einem Regentag, wie sie einen Waldrand färbt, den
blassesten Lichtstrahl, den letzten Tagesschimmer und das Zwielicht von
Abenddämmerung und Mondaufgang, von Mondschein und Lampenschein;
jeden leisen Widerschein von Helligkeit und Farbe im Schatten und im Dunkel.
Der Maler sieht überhaupt nichts mehr farblos. Er läßt in der Natur kein
Schwarz und Grau und Braun mehr gelten. Er ist ungeheuer anspruchsvoll
gegen sich und seinesgleichen, verlangt unendlichen Reichtum von Nuancen
und dennoch unter allen Umständen einen einheitlichen Ton des Bildes.
Tonstimmung in Braun gilt als minderwertig, weil gar zu billig. Die Maler
genießen und verstehen zu würdigen, was die Natur als Koloristin leistet auf
den feuchten Ackerschollen, im Herbstwald, auf den Wolken und dem Wasser.
Pleuer empfand solche Sensationen sogar auf dem rauchigen und rußigen
Bahnhof im Tau- und Regenwetter. Auch die öde Fabrikstadt kann ein
Gegenstand der Landschaftsmalerei werden. Die Sonne macht die Farben
und die Luft die Stimmung, und das Wasser spiegelt beides wider.
Diese Naturalisten verfahren nie verstandesmäßig, sondern immer künst-
lerisch, das liegt im Impressionismus. Es kommt ihnen immer nur auf die
Gesamtwirkung an, l'expressiori par l'ensemble. Sie dachten zum Beispiel gar
nicht daran, was heute wieder ein Künstler unter Berufung auf die alten
Meister fordert, daß es ein Gebot der technischen Logik sei, zuerst die helle
Luft dünn zu malen und dann das davorstehende durchbrochene Laub dick;
sondern sie setzten die Lichter in dicken Patzen auf, und sie wirken richtig.
Die Bilder sind auf Farbenwirkungen berechnet, aber es sind eben doch
Abbildungen von Formen der Natur. Darum sind sie zeichnerisch aufgebaut
und vorbereitet. Pleuer zeichnet vorher Studien von Lokomotiven, die die
Bewunderung der Leute vom Maschinenbaufach erregen. Und auf seinen
Bahnhofbildern soll jede Weiche richtig gestellt sein. Diese Malerpoeten ge-
statten sich, zumal anfänglich, nicht die kleinste Abweichung von der Natur,
nicht die geringste Willkür. Höchstens vereinfacht wird das Bild auf dem Weg
von der Studie zum Gemälde. Die Malerei muß eben immer in der Richtigkeit,
wenn auch gewiß nicht in der Ausführlichkeit, vor der Photographie bestehen
können. Gelände, Erdreich und Gestein und Pflanzenkleid, Klima, Witterung
und Tageszeit müssen richtig charakterisiert sein; nicht ein willkürliches
Farbenspiel soll ja gegeben werden, sondern eine Naturstimmung. Aber auch
Malen wie Zeichnen ist Weglassen. Was hier weggelassen wird, sind die
Stuttgarter Kunst 15 113
Einzelheiten der Form. Ausführliche Zeichnung würde die Wirkung der Farbe
beeinträchtigen. Ein mannigfaltiger Gegenstand schwächt den Eindruck der
Luft- und Lichtstimmung. Auch der Naturalist komponiert, und wäre es nur
in der Wahl des Motives, gleichwie der Liebhaberphotograph einen Ausschnitt
wählt, worin die Natur schon komponiert hat. Jedes malerische Motiv soll
eine abgerundete, geschlossene Welt sein, groß im kleinen, einfach, klar in
den räumlichen Verhältnissen und bezeichnend in den Linien. Reiniger malt
ein blühendes Bäumlein auf nackter Erde, und es wird der Inbegriff des
Frühlings; ein Stückchen vom Feuerbach oder eine Waldpfütze, und wir
empfinden das ganze Wesen des nassen Elements. Pleuer malt ein Schafhaus
oder eine ganz unmalerische Dorfgasse im Mondschein, und wir spüren die
Bewegung des Mondlichtes, wie es flimmert, rieselt, füllt.
Auch die raffinierteste Kunst ist müßiges Spiel oder trockenes Handwerk,
wenn sie nicht irgendeinen höheren Inhalt hat, was die idealistische Ästhetik
die Idee des Kunstwerks nannte. Fragt man den Naturalisten nach dem In-
halt seines Kunstwerks, so wird er grob. Er wolle nichts erzählen oder lehren,
sondern malen. Was, sei gleichgültig, nur wie gemalt werde, darauf komme
es an. Was unsere großen Naturalisten aber wirklich gaben, war ein Natur-
eindruck nicht nur auf einer Netzhaut, sondern in einer Dichterseele. Der
Gegenstand war ihnen in Wahrheit keineswegs gleichgültig; sie liebten ihn.
Den Inhalt nahmen sie aus ihrem eigenen Innern, ohne es zu wollen und
zu wissen; sie hatten ihn auch von der Natur empfangen. Der höhere In-
halt ihrer Naturbilder war eben ihre Liebe zum Gegenstand, ihre Natur-
verehrung, ihre Künstlerfreude, ihre Seele.
Nenn's Glück, Herz, Liebe, Gott!
Ich habe keinen Namen dafür,
Gefühl ist alles.
Heute wird das alles, was die ersten Impressionisten fanden, oft und gut
gemalt; aber doch — so will es uns, vielleicht nur durch die Brille eines
historischen Vorurteils scheinen — nicht mehr so ergreifend, nicht mehr mit
der Ursprünglichkeit und organischen Kraft, wie es jene Großen hingestellt
haben.
Die echten Landschaftsmaler verzichten meist auf jede Staffage, obwohl,
wie die Sage geht, Bilder mit Staffage besser verkäuflich sind. Sie kommen
damit nur dem neuzeitlichen Naturgefühl entgegen, das die Natur rein, einsam
und unberührt wünscht. Im Naturgefühl das Selbstgefühl aufgehen zu lassen, ist
uns Wonne; die Natur erscheint uns heiliger als der Mensch. Die heutige Land-
schaftsmalerei empfindet die erzählende Staffage als Störung — etwas Vorüber-
gehendes, das die feierliche Ruhe, Stille und Stimmung unterbricht — ; sie bedarf
auch der ruhenden, auf die Stimmung hinweisenden Figuren nicht mehr, um die
Stimmung auszudrücken und das Seelische anklingen zu lassen. Ist es noch
Naturalismus oder ist es nicht vielmehr Poesie, Urweltromantik, wenn der
Maler im Bilde des Eisacktales Straße, Bahn und Siedlungen, jede Spur des
Menschen wegläßt? Ist es Wahrheit, wenn er auf dem Eibstrom bei Hamburg
114
nur ein paar leere Boote schwimmen läßt ? Es gibt eben doch Motive, die nach
Art und Umfang eine Staffage verlangen, auch für das heutige Empfinden,
und wäre es nur eine weidende Kuh, eine Schafherde, die sich kaum vom Ge-
lände abhebt, oder ein fern blinkendes Segel auf der Wasserfläche des großen
Sees, ein Wagen auf der Landstraße. Wenn ein Figurenmaler von Beruf auch
einmal eine Landschaft malt, wird er sich die Staffage nicht leicht nehmen
lassen; nur wird er, wenn es ihm um die Landschaft zu tun ist, auf jede Er-
zählung verzichten und sich mit einer Stimmungsfigur begnügen.
Merkwürdig aber ist die neue Gattung des Figurenbildes mit landschaft-
lichem Hintergrund. Es ist fast immer nur eine Gestalt, und zwar eine Stim-
mungsfigur. Sie ruht und schaut auf die Landschaft oder ist in sich versunken
oder sie nimmt Abschied oder grüßt ankommend den Ort. Und die Landschaft
ist nicht etwa, wie in älteren Bildern wohl, nur kulissenartig angedeutet,
sondern eine richtige Landschaft von selbständigem Wert; meist mit hohem
Horizont. So ist die Landschaftsmalerei zurückgekehrt zu der Stelle, wovon
sie zu Ende des Mittelalters ausgegangen ist. Aber jetzt ist sie nicht mehr
geduldet, sondern sie ist Herrin im Figurenbild. Auch die Figur ist sozu-
sagen landschaftlich behandelt; als farbige Erscheinung im Freilicht. Aus
der Aufgabe der figürlichen Freilichtmalerei ist die ganze neue Hintergrund-
landschafterei erwachsen. Das Verhältnis der Figur zur freien landschaftlichen
Umgebung, darauf ist es abgesehen.
Wenn es eine schwäbische Schule der Landschaftsmalerei gibt, beruht sie
nicht auf Künstlerkolonien, sondern hauptsächlich auf dem Eindruck Otto
Reinigers. Von ihm, der sein eigener Lehrer gewesen war, haben alle schwä-
bischen Landschaftsmaler gelernt, obwohl er nie ein Lehramt hatte. Er hat
die neuen Aufgaben gestellt und kraftvoll gelöst; und die neuen Themata an-
geschlagen, die noch heute variiert werden.
Otto Reiniger, geboren in Stuttgart 27. Febr. 1863, war ein Vetter
des Landschaftsmalers Ernst Reiniger, den er zwar kaum mehr kannte,
aber in seinen Lebensplänen — bis auf die Reiseziele hinaus — nachahmte.
Nach dem Gymnasium bezog er die Kunstschule (1881), ging aber bald (1883)
nach München zu Wenglein, wo er auch nur wenige Monate aushielt. Vier
Jahre hielt er sich dann, auf eigene Faust Landschaftsstudien malend, in
Italien auf. Seit 1888 lebte er in seiner Vaterstadt, später mit dem Titel des
Professors. Einmal war er mit Pleuer in Venedig, einmal auch in Paris, wieder-
holt in Italien und mehrmals in den Alpen, namentlich am Wallensee ; auch
in der Pfalz und, infolge eines Auftrags, in Hamburg. Nach einem verhäng-
nisvollen Brand in seinem Atelier (1904) bezog er ein Landhaus am Tachensee,
unfern von Stuttgart. Schon machte sich das Nierenleiden geltend, das ihn
früh wegraffen sollte. Am 24. Juli 1909 verschied er.
Reiniger war zur Landschaftsmalerei im Sinne des Impressionismus ge-
boren, selbst seine Kurzsichtigkeit kam ihm dafür zustatten. Die freie Phantasie
unterdrückte er, wenigstens in den Studienjahren, so stark seine Begabung
für die Komposition und sein Gedächtnis für Landschaften war. Merkwürdig,
wie in seinen dilettantischen Jugendarbeiten schon seine künftige Richtung
115
angedeutet ist. Als Mensch war er still, zartfühlend und aufopfernd, herb in
seinem Urteil; ein Grübler, der viel über Kunst nachdachte und die alten
Meister sehr wohl kannte. Ein Drang nach künstlerischer Vollendung, der
sich selbst niemals genugtun konnte, zwang ihn, oft lange Zeit mit einem
Bilde sich zu quälen und schließlich, wenn der Ausstellungstermin drängte,
in wenigen Stunden ein älteres Motiv zu wiederholen. Seine Entwicklung ging
ganz folgerichtig vom Zeichnen zum Malen, vom analytischen Studium der
Natur zum synthetischen Schaffen, vom Kleinen zum Großen, von der Nähe
in die Weite, von dem Ernst des Suchenden zur Freude an der Welt und an
der eigenen Kunst.
In Italien lernte er zeichnen und malen, die Dinge nach ihren stofflichen
Eigenschaften charakterisieren. Bilder auszuführen fühlte er sich noch nicht reif.
Im Figürlichen hat er sich dort ebenfalls auf eigene Faust geübt. Nach der
Rückkehr (1888) setzte er noch lange die gründlichen Detailstudien fort, am
Feuerbach und auf der Feuerbacher Heide; Studien im Sinne der ,, intimen"
Landschaftsmalerei der Franzosen. Dort fand er seinen ersten Stil, den des
Nahbildes in mattem Licht. Nur einen Versuch, wiewohl einen gelungenen,
bedeutet das in jener Zeit gemalte kleine, feine Bildnis seiner Mutter am
Fenster mit Ausblick ins Freie. Auch das zeichnerisch durchgebildete Bild
des ,, Frühlings" mit der grünen Wiese am Bächlein ist für jene Zeit (1890)
schon eine Ausnahme. Und ebenso der Buchenwald im Vorfrühling. Der
konventionell-romantischen Waldpoesie der Neurenaissance, der grünen Däm-
merung mit den gelben Sonnenflecken, ist der Künstler lieber aus dem Weg
gegangen. Später (1892) hat er einmal einen Herbstwald gemalt, auch im
Feuerbachtal, als hochstämmigen Wirtschaftswald, dem fast nur der Ausblick
in die Ferne poetischen Reiz verleiht. In seinen Reiseskizzen ist freilich
alles, was nur malerisch heißt, vertreten.
Schon 1889 bekam er für eine Vorfrühlingsstimmung aus dem Feuerbachtal
die goldene Medaille in München. Das Bild, fast sein einziges mit figürlicher
Staffage, ist verbrannt. Und 1890 hatte er auf der Münchener Ausstellung einen
,, Abend", der bei den Künstlern ungeheuren Eindruck machte, Ackerschollen
im letzten Strahl der Abendsonne. Man ärgerte sich über den Gegenstand und
bewunderte die vertraute Kenntnis und Beherrschung der Natur.
Die bezeichnenden Werke sind die Winter- und Vorfrühlingsbilder vom
Feuerbach, die den großen Stil nach 1893 bringen und vielleicht der Nachwelt
als seine größten Leistungen gelten werden. Der strenge, exakte Naturalismus
ist überwunden, vielleicht ohne daß der Künstler selber es gemerkt und zuge-
standen hat. Was ihn jetzt bewegt, sind Probleme der formalen, vornehmlich
der farbigen Harmonie. Die Form, die Zeichnung wird vereinfacht bis zum
äußersten, bei unbedingter Richtigkeit. Es gilt der Klarheit der räumlichen
Anschauung, die dem Künstler angeboren war. Der Aufbau der Bilder zeigt
von nun an eine formale Gesetzmäßigkeit, die zwar keineswegs auf äußerlichen
Regeln, wohl aber auf sicherem künstlerischem Gefühl beruht. ,,Die hinreißende
Rhythmik seiner Formen findet in der neueren Kunst nur bei Corot ihresgleichen,
dem Reiniger freilich sowohl in der Herbheit des Naturgefühls wie im Kolorit
116
tu
3
nJ
C
o
Q
C
'S
überlegen ist." Als Kolorist feiert er — • „ein Frans Hals der Landschaft" —
Triumphe in den stumpfen Farben, denen danebengesetzte Kontrasttöne
wunderbare Leuchtkraft geben. So in dem großen ,, Feuerbach" von 1893 der
Stuttgarter Galerie. „Wie hier das Hellbraun der Flut durch ein benachbartes
Dunkeloliv zum leuchtenden Goldton gesteigert wird, das gehört zu den größten
koloristischen Leistungen aller Zeiten." Die Natur schafft mit dekorativer
Absicht solche feinen Farbenspiele in der Tierwelt. Beim Gefieder des Reb-
huhns spielt sie so mit den Erdfarben. Aber auch in der Landschaft zeigt sie
solche Pracht und Feinheit. Nur bedürfen wir der Künstler, um sie zu finden.
Wie Perlmutter schillert das Schneewasser, und in Opaltönen leuchtet die
Schneewächte. Und nur in mattem und durch trübe Luft gefärbtem Lichte
Siuttgaiier Kgl G;;ni.ilJeg.ilerie
O. Reiniger, Der Feuerbach
leuchten solche zarten Farben. So malt Reiniger am trüben Wintertag, wenn
das Licht verglimmt, nur noch auf Wolken und dem Wasserspiegel widerleuch-
tend, malt trübes Schneewasser und schmutzigen Schnee, nackten Boden, kahle
Weiden — wenn er nicht auch auf den zeichnerischen Reiz des Ufergebüschs
ganz verzichtet. So kann nur Reiniger das fließende Wasser malen und das
verstohlene Licht, die leuchtenden Wolken und die feuchte Luft, die nasse
Erde und den lockeren Schnee. Mächtig weitet und bewegt sich das Gelände.
Ein wunderbares Pathos steigert das armselige, für Alltagsbegriffe kaum
idyllische Motiv. Es ist ein Wunder wie in Beethovens Musik. So malt er den
Feuerbach wohl hundertmal in Studien und auch in Bildern noch mehrmals;
unter roten Wolken (1894), i^n Frühling (1895) und im Sommer, oder nach
einem Gewitter (1895). Ähnliche Motive wie der Feuerbach bot dem Künstler
dann die Heimat seiner Mutter, das Kochertal bei Hall (ober Tullau) und
117
das Bühlertal, wo er in der Mühle zu Oberscheffach sein Quartier aufgeschlagen
hatte; später auch die Albtäler bei Hayingen. Leider sind von diesen Bildern
mehrere im Atelierbrand zugrunde gegangen, andere in die Welt verstreut.
Ein Hauptbild ist der „Kocher" der Berliner Nationalgalerie (1893). Fast alle
sind durch feuchte Luft trüb oder silberig gestimmt.
Was Reiniger am Feuerbach gelernt, vor allem die Kunst, fließendes
Wasser zu malen und die Farben der Dinge mit Hilfe der Luft auf einen Ton
zu stimmen, ist auf ein großes Motiv übertragen in dem Bilde ,,Eisacktar' von
1899 der Staatsgalerie, das übrigens nicht mit der ganzen im Motiv gegebenen
Größe wirkt. Hier fehlt der Maßstab, den der Maler auf dem Bild der Elbe
klüglich in Gestalt von einigen leeren Booten beigesetzt hat.
Der Künstler richtet seinen Blick nun in die Weite. Er malt das Dorf Feuer-
bach, gesehen vom Feuerbachtal (1894) ; den ,,Blick aufs Neckartal" von der Feuer-
bacher Heide (1894) ; einen ,, Roten Abend" nach dem Gewitter, mit Regenbogen.
Aber noch eines von den Motiven oder Thematen, womit er den Schatz
der Kunst genial bereichert hat, ist dem Bereich des Nahbildes entnommen: das
des blühenden Baumes. Reiniger malt nicht die Obstbaumblüte in der hellen
Sonne, nicht das Blütenmeer, dem das frische, frohe Maiengrün zur Folie
dient, sondern ein einzelnes bescheidenes Bäumchen in nackter Ackererde und
im letzten Abendlicht. Die Blüte sieht fast aus wie Reif, aber wunderbar
leuchtet sie wie von verglimmender Glut durch die Dämmerung, selbst die
Ackerschollen scheinen verstohlen davon aufzuleuchten. Das Bild hat etwas
Rührendes, fast Heiliges.
Die blühenden Bäume (Hauptbild von 1900 der Staatsgalerie) leiten über zu
den sonnigen weiten Sommerbildern. Da ist eine ,, Sommerlandschaft" am hellen,
aber dunstigen Nachmittag, die Reiniger nach einem Motiv von der fränkischen
Ebene über dem Bühlertal bei Hall mehrmals zum Bild gestaltet hat; herrlich,
wenn auch nicht so originell, sondern an Corot und Rousseau gemahnend.
Freude geht von dieser Landschaft aus, die trotz der Weite einfach gehalten ist
und abgetönt wie ein alter Gobelin. Ein Ausblick über eine Hochebene, deren
schroffe Talfurchen wie in der Wirklichkeit fast verschwinden. Die Örtlichkeit
mit dem Städtchen Vellberg hinten kaum zu erkennen, absichtlich verwischt.
Darüber ein mattblauer Himmel mit weißleuchtenden geballten Wolken; vorn
wogendes Gras im Silberschimmer und ein paar stolze Baumgestalten, deren
Art unbestimmt gelassen ist. Die von Licht erfüllte Luft im Verein mit dem
spiegelnden Wasser wird mehr und mehr der Gegenstand seiner Bilder. Das
lokale Motiv ist nur noch ein Anlaß. Die Donau bei Marchtal, durch ein Wehr
geschwellt und gestellt, links eine Kulisse von Parkbäumen, gegenüber ein
Dörfchen und darüber ein Wolkenhimmel, aus dem für einen Augenblick
nach einem Regentag die Abendsonne bricht, leuchtend in roter Glut. Der
Flußspiegel strahlt davon wie flüssiges Erz. Aber das Wehr vorn liegt in
kühlem Schatten. Erde, Gras und Laub scheinen noch von Feuchtigkeit zu
glänzen. Das Hauptbild gehört der Münchener Pinakothek.
Dasselbe Thema: Fluß mit Bäumen unter hohem Himmel, schlagen zwei
Bilder vom Neckar an, Motiv bei Geisingen (OA. Ludwigsburg). Ein gewundenes
118
breites Wasserband zwischen bescheidenen Uferhöhen, ein paar Riesenpappeln,
breit und luftig gemalt, fast schattenhaft; sonst nichts. Aber dies Wenige ein-
getaucht in ein Meer von Duft und Licht, das eine Mal in goldigem, das andere
Mal in silberigem Ton. Das ganze Bild ist voll von jenem Leben, das die Maler
meinten, als sie den Ausdruck ,, Stilleben" für Bilder toter Dinge prägten.
Aber streng naturalistische, bloß intime Landschaftsmalerei ist es doch
nicht mehr. Der Meister hat sein früher ausgesprochenes Ziel erreicht, frei
mit der Natur schalten zu können wie Rubens als Landschafter und Claude
Lorrain. Die Bilder sind energisch komponiert — man sehe die Wolken auf
dem Donaubild — und eine unverkennbar dekorative Absicht mischt sich ein.
Noch einmal, schon mit gebrochener Kraft, hat Reiniger das Thema des
Flusses aufgenommen, größer als je zuvor im Gegenstand, nicht in der Auffassung.
Das ist die für die Hamburger Kunsthalle gemalte „Elbe", die der Meister nicht
mehr zur Vollendung
und Abnahme ge-
bracht hat. Es ist ein
schwermütiges Bild,
wie es die Nordsee-
küste wohl an trüben
Tagen in der Seele ei-
nes Schwabenkindes
zurücklassen mag.
Nichts von dem be-
wegten Leben des Ver-
kehrs auf Deutsch-
lands Wasserstraße,
nichts von Hamburg
und von den Lusthäu-
sern am grünen Ufer.
Der Auftraggeber wi-
derriet dem Binnenlandmaler, Schiffe für die Hamburger darzustellen
malte der nur einen stillen Uferwinkel.
Der Landsitz Tachensee bot dem Künstler, der sich sein Leiden wohl bei
den früheren Naturstudien geholt hatte, die Möglichkeit, ohne allzugroße Be-
schwerden nach der Natur zu malen, was er brauchte, Wasser, einen kleinen
Waldweiher, Wald- und Obstbäume, den Ausblick auf schwäbische Kultur-
landschaft mit Waldhügeln und schimmernden Siedlungen. Das führte ihn zur
intimen Landschaft zurück, zu Studien im Waldesinnern und solchen im Schnee
bei Frost und Tauwetter und auch zum Nachtstück, was er früher als strenger
Naturalist vermieden hatte Auch der Erholungsaufenthalt am Gardasee, wo
der kranke Künstler die Studien nicht lassen konnte, hat zwei Bilder gezeitigt.
Im Nachlaß sind außer den Ölskizzen auch namentlich Feder- und andere
Zeichnungen von bewunderungswürdiger Meisterschaft, ältere von rein zeich-
nerischer Art und spätere von ausgesprochen malerischer Absicht, und über-
raschende Naturstudien in Tempera, die den Impressionisten dem Problem
119
H. Drück, Abend (Burgstall Liebenau)
So
K. Schickhardt, Neckartal bei Rottenburg
der Farbenzerteilung nahegekommen zeigen. Besonders die Studien an
einem Gebirgsbach sprühen bei der Wiedergabe des Gischts in der Mittags-
sonne von Farbenfunken. Es ist wohl anzunehmen, daß der Meister bei ge-
sunder Kraft noch weiter fortgeschritten wäre, daß er die Gegensätze noch
stärker angespannt, die Stimmungen noch vertieft und das Problem des Lichts
noch kühner angefaßt, vielleicht aber auch den Naturalismus ganz verlassen
hätte. Einige von seinen schönsten Bildern und viele Studien und Skizzen
hat der unheilvolle Brand zerstört. Sehr vieles hat er auch selbst vernichtet,
weil es ihm nicht genügte. Aber seine besten Bilder hat ein günstiges Ge-
schick der Stuttgarter Galerie zurückgeführt.
Reinigers Größe beruht nicht nur in seiner malerischen Begabung, sondern
auch in der Schärfe seines Geistes, der Kraft seines Willens und der Reinheit
seiner Gesinnung. Er mußte selber seinen Weg suchen, sich die Aufgaben
stellen, die ihn förderten, und sein Ideal unter bitteren Erfahrungen festhalten.
Die zähe, bohrende Energie seiner Naturstudien in der Zeit, da er ein Werdender
und einsam Suchender war, erinnert unmittelbar an Dürers Wort von dem
„Herausreißen" der Schönheit aus der Natur. Geniale Einseitigkeit war ihm
in der Jugend eigen; sie verlor sich immer mehr in seinen reifen Jahren.
Hermann Drück (geb. 1856) war Schüler von Ludwig und Käppis und
studierte auch in Dachau. Er lebt jetzt seit 1903 zu Neckartailfingen im Alb-
vorland, nicht weit vom Wohnsitz Kornbecks. Da malt er die Albberge um
den Neuffen, das Flußtal mit dem Wehr und den hohen Pappeln, das Dorf, das
sich behaglich an den Abhang schmiegt, und seine traulichen Gassen in der
Dämmerung des Abends und des Mondscheins. Den feinen Farbenkünstler
m
w^
Robert Pötzelberger
Muggia
Besitzer :
Seine Majestät König Wilhelm II. von Württemberg
ziehen vorzüglich die Stimmungen des bedeckten Himmels, des Frühlings
und des Herbstes an, während man dieselben Landschaften von Kornbeck meist
im hohen Sommer und am hellen Mittag gemalt sieht.
Ein liebenswürdiger Geist von der Art unseres Schüz schildert da die Hei-
matlandschaft mit modernen, rein malerischen Mitteln und in größerem Zuge.
Abendfrieden, Frühlingshoffnung, Maienlust, das sind Themata, die ihm liegen.
Die Gefahren dieser süßen Stimmungen hat der Meister glücklich überwunden.
Seine Entwicklung wird durch folgende Hauptbilder bezeichnet: Abend, bei
Höfingen (1881); Morgenstimmung, bei Cannstatt (1884); Am Kanal, bei
Berg (1885) ; Blick auf den Rosenstein; Vorfrühlingsabend, bei Botnang (1892);
Mondaufgang, bei Bartholomä (1898); Gewitterstimmung am Neckar; Mond-
landschaft mit Schafherde; Jusiberg; Dorfeingang im Mondschein; Leonberger
Heide; Abendstimmung, Neckarhausen; Stuttgarter Straßenbild, am Königs-
bau (1905); Vorfrühling im Albvorland (1910); Waldrand in Regenstimmung.
Karl Schickhardt (geb. 1866), ein Sprößling der alten württem-
bergischen Künstlerfamilie, Zögling der heimischen Kunstschule, dann noch
Wengleins, ist der nächste Nachfolger von Reiniger. Auch er ein einge-
fleischter Landschafter, der Einsamkeit geneigt und der unausgesprochenen
Poesie und abhold aller Staffage. Er ist ,,der Maler der Schwäbischen Alb",
ihrer weltabgeschiedenen Felstälchen und ihrer weiten Heiden mit den Fern-
blicken zum Hochgebirge, und des oberen Neckartals bei Rottenburg mit
seinen heimlichen Schönheiten, jener Landschaften, die mit dem Charakter
K. Schickhardt. Fruhlingslandschaft
Stuttgarter Kunst i6
der Muschelkalkformation die Vegetation des Schwarzwaldes verbindet.
Schickhardt hat auch an der Form seine Freude, er zeichnet fein und
treffend das Gelände und entlockt ihm die bedeutende Linie, und gibt pracht-
voll Wuchs und Laubfärbung der Bäume, ein unübertroffener Meister in
der grünen Farbe. Er ist wohl unter den schwäbischen Meistern heute der-
jenige, der die reichste und genaueste Naturbeobachtung hat. Er greift auch
wieder zu pathetischen und düsteren Motiven, wie Gewitter und Sturm, und
ergeht sich ein andermal wieder in den allerzartesten Stimmungen, wie dem
lichtgetränkten Nebel, worin die Zweige der Bäume funkeln, oder der Talwiese
mit den Uferbäumen im ersten Grün unter blasser Frühlingssonne. Seine Technik
ist voll Bravour und verfügt über raffinierte Mittel, weiß besonders auch das
Pastell und die Tempera, diese selbst im Ölbild zu verwenden, bald für Unter-
malungen, bald offen für die Luft, auf der die Wolken stehen, und das Wasser.
Hauptbilder: Mühlen im Laucherttal (1896), Im Laucherttal, Frührot
(1898), Herbstmorgen, Märzenabend (1897), Abendwolken (1900), Albdorf
(1902), Weiden am Neckar (1907), Neckartal bei Rottenburg (1908), Neckar-
durchbruch (1909), Föhnstimmung auf der Alb (1910), Vergehender Schnee
(1911), Märzschnee, Auf der Alb, Saumpfad (1912).
Felix Hollenberg (geb. 1868, ausgebildet in Düsseldorf und Stuttgart) ,
ein ausgezeichneter Radierer, ist auch als Maler, und zwar als Stimmungs-
maler, einer der Führer unserer Landschaftskunst. Vor allem ist er Zeichner,
ein Meister aller Formen in der Landschaft, der vor keiner Schwierigkeit
zurückschreckt. Er hat seine Freude an der organischen Schönheit der Einzel-
heiten, wie an dem gesetzmäßigen Bau des Geländes, der Weite des Raumes und
den großen Erscheinungen der Atmosphäre. So sind seine Landschaftsschilde-
rungen geeignet, als geographische Charakterbilder zu dienen, ohne daß sie
darum an künstlerischen Qualitäten Not litten. Eine gewisse Neigung zum
Stilisieren, die besonders bei Bäumen, kahlen und belaubten, und bei Wolken-
bildungen auffällt, hat bis jetzt der Wahrheit und Überzeugungskraft seiner
Darstellungen keinen Eintrag getan. Seine bekanntesten Motive sind dem
Neckartal unterhalb Cannstatt entnommen. Neuere dem Münsinger Lautertal.
Als Maler liebt er ernste Stimmungen und zurückhaltende Farbengebung
mit Bevorzugung kalter und sparsamer, aber wirkungssicherer Verwendung
warmer Töne, eine strenge und kraftvolle Kunst, die vor allem Wahrheit
und Ausdruck sucht.
Solche Gemälde sind: Ein abgeerntetes Feld mit Garben, die im Abend-
schein glühen, im Hintergrund ein Städtchen, schon in Dunst gehüllt, und eine
nebelige Ferne. Ein Kornfeld im Schatten, gestreift von huschenden Sonnen-
blicken. Ein Herbstwald im Absndlicht erneuert Leistikows Naturanschauung.
Es steckt in Hollenberg etwas vom Naturforscher. Gedanken über landschaft-
liche Schönheit und Kunst hat er auch schon als Schriftsteller ausgesprochen.
Als Landschaftsradierer, der manche Platte ganz im Freien radiert hat,
pflegt er für dieselben Motive meist den malerischen Stil, die Tonmanier der
Aquatinta (Schmirgeltechnik) in Verbindung mit Strichzeichnung. Für an-
spruchslosere Blätter und Gelegenheitsarbeiten wählt er gern die anmutigen Orts-
bilder, deren das Schwabenland so viele aufzuweisen hat, und den zeichnerischen
Stil der Nadel und des Stichels. Auch als Lithograph hat er sich betätigt.
Fritz Hummel in Reutlingen ist von der Dekorationsmalerei zur Kunst
aufgestiegen. Als Maler in München ausgebildet bei Nauen, Lesker, Rud. Seitz.
In seinen Landschaftsbildern von der Alb macht sich die dekorative Auffassung
oft glücklich geltend. Bilder aus Alt- Reutlingen hat er auf Stein gezeichnet.
Ein Vollmensch und reichbegabter Künstler ist Richard Herdtle aus
der schwäbisch-fränkischen Künstlerfamilie, einst Pleuers vertrauter Kamerad.
Durch Illustrationsarbeiten und Lehrtätigkeit in Anspruch genommen, ist er
als Tier- und Landschaftsmaler viel zu wenig hervorgetreten, weiteren Kreisen
fast nur durch Steinzeichnungen wie den ,, Vorfrühling" mit der Schafherde
und das ,, Schimmel-
viergespann" be-
kannt geworden.
Karl Goll. geb.
1870 hier als Sohn
eines Künstlers, ist
aus der Kunstge-
werbeschule zur
Malerei gekommen,
worin Treidler, Igler
und Schraudolph
seine Lehrer waren,
malt Landschaften
und Architekturen,
Sittenbilder, Bild-
nisse, Tierbilder und
Blumenstücke und
bevorzugt in der
Landschaft idylli-
sche Motive in zarter Stimmung und entsprechend kleinem Format, denen er
gern einen erzählenden poetischen Einschlag gibt, so daß man an Th. Schüz
erinnert wird. Bezeichnend für seine feinsinnige Gattungsmalerei ist ein
Pastellbild ,, Konfirmationstag", eine Frühlingslandschaft am Neckar mit
Spaziergängern.
Adolf Stattmann, Schüler von Robert Haug, hat sich neben der Land-
schafts- und Seemalerei mit besonderem Erfolg einer eigentümlichen Art von
Bildnis gewidmet, die dem humoristischen Sittenbild verwandt ist; beschäftigt
sich aber jetzt hauptsächlich mit illustrativen und kleineren graphischen Arbeiten.
Dem neuen dekorativen Zug kommt unter Reinigers Nachfolgern der
hochbegabte Erwin Starker am meisten entgegen. Geboren 1872 in Stuttgart,
ausgebildet unter Käppis und Schönleber und auf Reisen nach den Nieder-
landen und zu den großen Stätten der modernen Kunst, lebt er seit 1896 in
seiner Vaterstadt. Er liebt das Duftige und Mattabgetönte, arbeitet darum gern in
Pastell, worin er unerreichter Meister ist, und wetteifert mit Dill im großen Stile
123
K. Goll, Steinschleifer
der Stimmungsmalerei. Ihm gelingen aber auch glänzende Lichtwirkungen.
Seine Winterlandschaft mit halb aufgelöster Schneedecke unter gelbem Abend-
himmel ist bewunderungswürdig nicht nur durch die Kraft des Lichtes und
die Wahrheit des Tones, sondern auch durch die Sicherheit der stofflichen
Charakteristik für Schnee und Erde und den flimmernden Himmel. Andere
Themata sind: Vorfrühling am Bach, Laubgang, Hochwasser (1906), vor der
Ausreise, Ausfahrt (1911) — farbensprühendes Hafenbild aus Antwerpen — ;
Sturm auf dem Bodensee; Dämmerung am See; Meersburg.
Walther Strich-Chapell von Stuttgart (geb. 1872), eines Künstlers Sohn,
Lieblingsschüler Schönlebers, hat 1904 seinen Wohnsitz wieder in die Heimat,
nach Sersheim, dem schon durch Schönleber bekannt gewordenen Dorf mit
dem ,, gemütlichen" Kirchturm, verlegt und steht so, geographisch und künst-
lerisch, in der Mitte zwischen Karlsruhe und Stuttgart. Motive nach Schön-
lebers Geschmack wurden abgelöst von solchen nach Reinigers Art. In
Schönlebers Spuren wandelnd, hat er oftmals Sersheim gemalt und die Weiden
und Pappeln am Bach im Frühling und das Jagsttal bei Langenburg (Regen-
bach) ; in Reinigers Spuren den Bach im Winter und im Vorfrühling, blühende
Bäume, das Enzwehr und Neckarwehr (Mundeisheim). Das Enztal bei Unter-
riexingen ist jetzt sein eigenstes Studiengebiet. Strich-Chapell malt die blühen-
E. Starker, Frühling am Überlinger See
124
den Bäume ein-
gehender als Rei-
niger und in voller
sonniger Pracht. Er
malt auch den grü-
nen Maientag. An
Blumen macht er
seine Farbenexperi-
mente, die auf reine
Farbe und tiefen Ton
ausgehen. Auch im
Gebirge, bei Oberst-
dorf, hat er seine
Studien gemacht,
vornehmlich Schnee-
studien. Dem dau-
ernden Landaufent-
halt und ausgedehn-
ten Studien auf der
Alb (Würtingen)
dankt es der Künst-
ler, daß er eine eigene
und intime Natur-
auffassung gefunden
hat, was ihm in
Karlsruhe, zumal bei
der Beschäftigung
mit der farbigen
Steinzeichnung,
schwerlich so früh gelungen wäre. Die Natur gab ihm ein bewegliches
Talent, auch dekorative Anlagen, Temperament und poetischen Sinn.
Von seinem Lehrer hat er die sichere, leichte, beinahe glatte Technik.
Er bemüht sich, die Schwere der Ölfarbe immer mehr zu überwinden, und
beschäftigt sich mit dem Problem der Malerei mit reinen Farben. Eine
schwäbische Landschaft in der Karlsruher Galerie (1906), eine Mondnacht in
der Stuttgarter Galerie (1910) und eine Alblandschaft im Hoftheater daselbst
(1912) sind neben Steinzeichnungen wohl seine bekanntesten Arbeiten. Ältere
Gemälde sind: ein ,, April" (1903), ,. Zwielicht im Schnee", , »Mondnacht",
„Schwarzwaldtal", ein ,, Waldinneres", „Dorfinneres", „Dorf im Abendschein",
eine offene Scheuer mit Durchblick. Scheidendes Licht, Durchbrechendes Licht,
eine Wiese mit abgestorbenem Gras oder mit Streu, die in der Frühlingssonne
goldig glänzt, der Maitag im Enztal, der Einsame Baum auf der Alb, fast im
Galerieton gehalten, eine Brücke mit einem Schimmel sind neuere Arbeiten.
Ernst Wirsum (geb. 1872) ist ein Heimatmaler im besten Sinne des
Wortes, schlicht und treu und seelenvoll in seinen kleinen Porträtlandschaften
125
E. Starker, Neckar bei Eßlingen
W. Strich-Chapell, Blühender Baum
aus der anmutigen Umgebung Stuttgarts, zum Beispiel einen Fernblick von
der Geroksruhe in freundlicher Herbststimmung.
Eugen Stammbach, geb. 1876 in Stuttgart und hier ausgebildet, fällt
auf durch eine eigenartige, dem Neuimpressionismus verwandte Technik und
ein Kolorit, das beim ersten Blick schwärzlich erscheint, besonders in den
Schatten, dann aber bald frappiert durch eine fabelhafte Plastik der körper-
lichen Dinge und eine seltene Kraft des Lichtes. Blühende Bäume und Büsche,
Laub und Rinde, Erde und Schnee gibt er mit pastos aufgesetzten Fleckchen
reiner Farben, während Luft und Hintergründe dünn und glatt gemalt sind.
Dabei ist er immer farbiger geworden. Innenbilder aus dem Walde und
Parkpartien liegen seiner Kunst am besten, die jetzt wohl den Weg zum
großen Stile und zu einer selbständigen Hellmalerei suchen wird.
Eugen Krauß von Göppingen (geb. 1881), eine kräftige Natur als Mensch
und Künstler, hat in München die Bildhauerei und dann in Stuttgart unter
Landenberger und Hölzel die Malerei erlernt und Reisen nach Holland, Belgien
und Spanien unternommen. Landschaftsbilder: Birken im Vorfrühling (1908),
Vorfrühling (1909), Gewitter am Untersee, Rast, Herbstabend, Blühender Baum,
Dämmerung, Sonnenkringel im Walde, Waldweg — diese 1910; Buchenwald,
126
Stürmischer Märztag, Vorfrühlingsabend (1911) Frühling, Allee, Buchenwald,
(1912). Sonstige: Wilde Rosen, Mutter mit Kind, der Sammler, Zigeuner,
Schimmel, Kabylenmarkt und andere Szenen aus Marokko.
Robert Haag, geboren in Stuttgart 1886, ausgebildet in der hiesigen Aka-
demie bei Poetzelberger, Grethe, Haug, hat sich hier und in Unteraichen nieder-
gelassen. Eine Studienreise nach Holland und Belgien scheint ihm an der
See und in den Galerien besonders fruchtbare Eindrücke hinterlassen zu
haben. Andere Studienreisen führten ihn in die Vogesen und das Allgäu.
Bilder: Windmühle, Stürmischer Tag, Sommernachmittag (1908); Pappel-
straße (1910); Kornfelder, Durchbrechende Sonne, Wintersonne, Wiesental
(191 1); Wintertag, Weiden im Schnee, Waldrand, Morgensonne, Vogesen-
landschaft, Ausblick auf den Rhein, Wettertanne, Vorfrühling, Pappelstraße
im Winter, Föhrenwald (1912); Körschtal. Haag hat das Zeug zum
Landschaftsmaler gro-
ßen Stils. Er versteht
es, einfache Motive an-
ziehend zu gestalten
und feine Stimmungen
zu erfassen. Auch als
Graphiker betätigte er
sich, neuerdings be-
sonders in farbigen Ra-
dierungen.
August Aldinger
ist aus dem Kirchen-
dienste noch zur Ma-
lerei in Landenbergers
und Haugs Schule über-
gegangen. Als Land-
schaftsmaler ist er noch
ein Suchender, der sich
ganz von der Natur
leiten läßt. Auf dem
Burgholzhof bei Cann-
statt, der ihm Heimat
und Wohnsitz ist, malt
er das Ackerfeld mit
hohem Himmel und
mit dem Pfluggespann
in großer Silhouette,
das Kornfeld und die
Ernte, diese einmal
auch in monumentalem
Stil, mit ausgesproche-
ner epischer Begabung.
R. Haag, Vogesenlandschaft
127
Aus der Malschule von Landenberger und der Komponierschule von
Hölzel ist Martin Nicolaus hervorgegangen, ein Schlesier von Geburt
(1887), der sich ganz der schwäbischen Stimmungslandschaft widmet. Seine
Bilder, Aprilwetter, Frühlingsabend und Felsental in der Alb, geben un-
befangen den fein ausgewählten Natureindruck wieder, ohne Anlehnung an
einen neuen Stil oder absichtliches Suchen nach einem eigenen.
Hans und Heinz Niederbühl sind Brüder, gebürtig von Stuttgart und
ausgebildet in der hiesigen Akademie, beide zuletzt bei Haug. Während
der ältere sich fast ganz der Illustration zugewendet hat, ist der jüngere
noch als Maler und Radierer, vorzüglich auf dem Gebiet der Landschaft und
des Tierstücks, in vielversprechender Entwicklung begriffen.
A. Aldinger, Ernte
Fritz Hafner, jetzt in Wickersdorf bei Naumburg wohnhaft, betont
in der Landschaftsmalerei vorzüglich das Zeichnerische.
Als junger Maler (und z. T. auch Radierer) sind in diesem Zusammen-
hang wenigstens zu nennen : Albert Berger, Heinrich Eberhard, Bernhard
Klinkerfus, August Köhler, Hermann Reichert.
Von den Malerinnen des Landes haben sich im Fach der Landschaft
Charlotte Bücheier (Reichenbach a. Fils), Elise Drück — die Gattin
des Malers — , Klara Kolb (Ulm), Maria Osthof f-Hartmuth, Hedwig
Rau-Mohn, Julie Textor und Sally Wiest ausgezeichnet. Johanna
Koch pflegt besonders die Gattung der Stimmungsfiguren in der Landschaft.
Als Graphiker oder Zeichner mit landschaftlichen (und meist auch figür-
lichen) Arbeiten sind außer den schon genannten Maler-Radierern mit Aus-
zeichnung zu erwähnen: Karl Fuchs, Eßlingen. August Schirmer
(geb. 1860), ein Meister in der farbigen Zeichnung für malerische Architektur-
128
N S
■o n
" <L>
-^ a
O J3
< Q
motive, sowie die an anderer Stelle besprochenen Künstler Heinrich
Seufferheld in Tübingen, Georg Lebrecht, Wilhelm Laage, endlich
Gottfried Graf.
* *
Von Steinkopf bis Reiniger ist die Landschaftsmalerei in Schwaben ruck-
weise, aber ohne Rückschritt immer weiter gekommen in der Wiedergabe
der Natur und insbesondere der farbigen Erscheinung der Dinge. Immer glaubte
man sie vollkommen zu beherrschen, und immer wieder gab es junge Un-
zufriedene, die neue Probleme aufstellten und der Natur von einer neuen Seite
näherkamen. Immer stießen sie anfangs auf Widerspruch oder Gleich-
gültigkeit.
In der Krisis des Naturalismus hat sich die bildende Kunst auf ihre wahren
Aufgaben und eigenen Mittel besonnen. Die Malerei braucht sich, dank ge-
rade dem Impressionismus, vor ^
der Photographie und was daran
hängt, keineswegs zu fürchten.
Der Farbenphotographie fehlt,
von Ausnahmefällen abgesehen,
der Ton, die einheitliche Farben-
stimmung, sie wirkt wie ein
schlechtes Gemälde. Die
Photographie gibt zu wenig an
feinen Tönen und zu viel an
Einzelheiten der Form, viel
mehr, als das Auge wahrzu-
nehmen pflegt, wenn es sich
nur einem künstlerischen Ein-
druckhingibt. Die Photographie
versteht nicht von den Neben-
sachen abzusehen. Durch Abstraktion aber erreicht die Kunst ihre reinen,
starken Wirkungen, formale und seelische. Der Maler kann nicht so weit
von der Form absehen wie der Zeichner von der Farbe. Die ganze Fülle der
Erscheinungswelt steht ihm zur Verfügung, das ist sein Reichtum und die
zwingende Illusion der Naturwirklichkeit sein Zauber; aber dieser Reichtum
gehört ihm doch auch immer nur zur Auswahl; in der Beschränkung muß er
sich als Meister zeigen.
Heute nun ist es nicht mehr auf vollkommenere Illusion in der bildenden
Kunst abgesehen, sondern auf ,, illusionstörende Momente", auf dekorative
Wirkungen. Der Naturalismus ist erlahmt, seine letzte Äußerung, der Lumi-
nismus, hat die Überzeugungskraft verloren. Der Impressionismus will in
Expressionismus umschlagen. Die neue Kunst ist Flächenkunst und will der
Raumkunst dienen, aber auch die Farbenwirkung steigern. Sie geht von
formalen Motiven aus, von Flächenteilung, Linienschönheit, Gleichgewicht
der Massen, Farbenkomposition. Dieser neue Stil der Flächenmalerei mit
Stuttgarter Kunst 17 129
M. Nicolaus, Tauwetter
reinen Farben und farbigen Umrissen zieht auch in die Landschaftsmalerei
schon ein. Manche Bilder sehen aus wie Farbenskizzen zu Glasgemälden.
Und dabei legt sie auch wieder Nachdruck auf bewußten Inhalt, schämt sich
nicht der gegenständlichen Schönheit und des poetischen Gehaltes. Das Phan-
tastische findet wieder Anklang. Von anderen wird die Form, das Zeichnerische,
der Reichtum und die organische Schönheit der Einzelheiten aufs neue ge-
wertet, weil die virtuose Malerei auf Farbenstimmung schon zu billig ge-
worden ist. So werden Künstler wie Kornbeck, Thoma und Haider wieder
modern, und die altdeutschen Meister werden wieder Vorbild. Das alles be-
deutet eine Rückströmung gegenüber dem impressionistischen Naturalismus.
Wird sich aus dem Chaos noch ein höherer moderner Stil herausheben, oder
ist die bildende Kunst an einem toten Punkte angelangt? Es fehlt heute die
frohe Zuversicht, die die Begründung der deutschen Landschaftskunst, die
Erneuerung der Ölmalerei, die Entdeckung der intimen Naturschönheit und
die Entwicklung der reinen Stimmungsmalerei einst begleitet hat, fehlt das
klare Ziel.
Wenigstens der Landschaftsmalerei wird, so möchten wir hoffen, das
Errungene unverlierbar bleiben, der verfeinerte Farbensinn und die neu-
erschlossene Welt von gegenständlicher Schönheit und Poesie, die Empfäng-
lichkeit für die intime Landschaft, für tiefe Auffassung einfacher Motive, für
die Stimmung in der Natur und für den Ton im Bilde. Wir wissen jetzt, daß
die Farben der Dinge nicht ruhende Eigenschaften, sondern wechselnde Licht-
erscheinungen sind, aufleuchtend in unseren Augen aus dem Dunkel der
räumlichen Welt. Wo wir früher nichts als Dunkel sahen, sehen wir jetzt
Farbe, sehen auch die Schatten aufgehellt von farbigem Licht, sehen die Farben
gesteigert und umgefärbt durch den Gegensatz der Ergänzungsfarben, sehen
sie abgetönt und zusammengestimmt durch die Luft und die Beleuchtung.
Wir haben gelernt, die Schönheit der heimischen Natur zu lieben, so reizlos
oder bescheiden sie im Sinne der Vedutenmalerei erscheinen mag; und die
Größe der Natur im Kleinen, Nahen und Alltäglichen zu verehren.
GRADMANN
DIE NACH STUTTGART BERUFENEN
KÜNSTLER
IGLER KALCKREUTH POETZELBERGER GRETHE
In der Ankaufskommission für Gemälde waren es zuerst die Maler Igler und
Käppis, welche die neuen Bedürfnisse der Galerie und die neuen Richtungen
der Malerei zur Geltung zu bringen strebten. Auch ihre eigene Malerei blickt
zweifellos nicht nach der Vergangenheit, sondern nach der Zukunft. Es
liegt aber in der Natur der Sache, daß bei solchen neuen Bewegungen eine
Reihe von Talenten,
auch starke Talente,
sich der größeren
Wahrheit der neuen
Richtungen , ihres
fortschrittlichenCha-
rakters bewußt wer-
den, ohne sich doch
mit entschiedenem
Bruch ganz auf die
Seite des Neuen zu
stellen. Zwischen
dem Alten und
Neuen stehend, zei-
gen sie oft einen
Widerspruch in ihrer
Erscheinung, der
schließlich ihre Wirkung beeinträchtigt, wenn sie auch durch das Neue, das
ihnen aufgegangen ist, eine Zeitlang stark hervorgehoben werden.
Einen solchen Charakter trägt die Malerei Igler s, der, in Wien und
München gebildet, in der letzteren Stadt als ein fruchtbarer und vielgeschätzter,
auch viel verkaufender Künstler lebte, als er unter Schraudolph nach Stuttgart
berufen wurde. Er hatte seinen Stoff in der Kinderwelt gefunden, stellte sie
aber nicht in der Malweise seines Lehrers Waldmüller und nur am Anfang
in der unserer früheren Koloristen (wie etwa Kurzbauers), später aber mit
den Mitteln der Freilichtmalerei dar. Vielleicht ist diese, wenigstens für die
idyllische Stimmung solcher Kinderdarstellungen, nicht so geeignet wie die
131
G. Igler, Klobterschule
alte Braunmalerei mit ihren warmtonigen Interieurs, und Iglers Bilder, dem
Inhalt nach anziehend, voll Gefühl für das ewig Kindliche, mit manchem
innigen, der Natur abgelauschten Zuge, bekommen später durch kreidige Luft-
töne zuweilen den Eindruck einer gewissen Trockenheit, die mit dem seelischen
Gehalt nicht recht harmonieren will. Aber niemand wird verkennen, daß er seine
Interieurs namentlich in der Beleuchtung sorgfältig studierte, und so vermochte
er als Lehrer wohl den Blick von dem konventionellen Sehen zu befreien und
für das Wirkliche zu öffnen. Die Gemäldegalerie besitzt nunmehr drei Bilder
von ihm; eines in der allgemeinen Sammlung, eines in dem Vermächtnis der
Königin Olga und eines (wohl das beste) in dem Pflaumschen Kabinett (,,Steeple-
G. Igler, Auf der Strafbank
chase"). Sie gehören in der gesunden und warmen Empfindung, die er
für die Kinderwelt zeigt — und für diejenigen, die sich in selbstloser Freund-
lichkeit mit ihr abgeben — ohne Zweifel zu dem Liebenswürdigsten, was er
geschaffen hat.
Leopold Graf von Kalckreuth. Obwohl Graf Kalckreuth unserer
Akademie wieder verloren gegangen ist, darf der Eindruck auch seines künst-
lerischen Wesens in einer Schilderung der Stuttgarter Kunst der Gegenwart
nicht fehlen, und wir setzen ihn an die Spitze der ,, Neuen", weil er als die
markanteste Künstlerpersönlichkeit unter ihnen bezeichnet werden darf.
Als Graf Kalckreuth im Jahre 1899 von Karlsruhe nach Stuttgart berufen
wurde, war er nicht nur ein fertiger Künstler von dem ausgeprägtesten Charakter,
sondern er besaß auch einen sicheren, in ganz Deutschland anerkannten
Künstlerruhm, der seine Persönlichkeit in hohem Maße geeignet erscheinen ließ,
das Ansehen Stuttgarts im Kunstleben der Nation zu heben. Seine Abstammung
132
Leopold Graf von Kalckreuth, Velazquezprinzessin
und seine bisherige Tätigkeit in Weimar und in Schlesien hatten einen gewissen
norddeutschen Zug in seinem künstlerischen Wesen voll zur Entfaltung ge-
bracht. Dieser Zug lag, für den Schwaben stark fühlbar, in der einfachen,
schlichten Ehrlichkeit seiner Kunst, in der Unerschrockenheit, mit der er den
herben Seiten der Wirklichkeit zu Leibe ging. Der Schwabe ist eigentlich niemals
ein wirklicher Realist; er idealisiert gern und wird in seiner idealisierenden
Tätigkeit der Wirklichkeit gegenüber subjektiv; er steigert die Natur und erhöht
sie, auch wo er ihr treu zu sein beabsichtigt. Diesem Wesen gegenüber ist
Kalckreuths Natur und Kunst uns in gewissem Sinn nüchtern erschienen, und
törichte Leute, die den warmen Pulsschlag der Empfindung nicht fühlten, der
in allem lebt, was Kalckreuth geschaffen hat, haben ihn einen Handwerker
genannt und ihm das Künstlerische abgesprochen. Nur die Gewöhnung an
die groben, schreienden Manieren der modernen Kunst, an ihre zudringliche
Subjektivität kann ein solches Urteil erklären; wer gesehen hat, wie sich auf
einer der Dresdener Ausstellungen Kalckreuths Porträt seiner Gattin neben
dem Besten der alten Zeit gehalten hat, der weiß es sicher, daß wir es hier nicht
nur mit einer durchaus echten und tiefen Künstlernatur, sondern wohl über-
haupt mit einem der dauerndsten Werte unserer neueren deutschen Kunst zu
tun haben. Und so hat er sich auch bei uns energisch durchgesetzt. Schließlich
ist gerade in der herben Ehrlichkeit der Kalckreuthschen Kunst, in ihrer Ver-
bindung mit seiner Gemütstiefe etwas gewesen, was uns Schwaben tiefer und
immer tiefer in seinen Bannkreis zog.
Kalckreuth ist nicht nur als ein anerkannter, sondern auch als ein überaus
vielseitig erprobter Künstler zu uns gekommen. Sittenbild (wenn man das
Wort nicht im älteren Sinn nehmen will), Porträt und Landschaft waren seine
Gebiete. Bald nachdem er sich hier festgesetzt hatte, hat er uns in der ,, Ähren-
leserin", in diesem wehmütigen Schatten auf dem glanzvollen Antlitz des
Abendhimmels, eines der ausdrucksvollsten Sittenbilder unserer Galerie ge-
geben. Eine Reihe anmutiger Szenen aus seinem Familienleben, wie z. B. das
Haustheater, fallen in diese Zeit. Von den Porträts ist seine kleine Tochter
Etta im Kostüm der Kinder Philipps IV. von Spanien noch in aller Erinnerung.
Bewundernswürdig aber war es vor allen Dingen, mit welcher Entschlossenheit
sich Kalckreuth in die Reize seiner neuen Heimat einlebte. Als er im Jahre 1907»
kurz vor seinem Abgang, das Bild seines Schaffens in den Stuttgarter Jahren
uns in einer Kollektivausstellung vorführte, fand man eine neue Note, die
uns die württembergischen Künstler nicht hatten sehen lassen, in seinen Bildern
vom Schwarzwald, von der Hochebene bei Eutingen und Hochdorf, von den
herrlichen Forsten bei Waidenburg.
Nicht leicht ist es, das Eigentümliche von Kalckreuths Technik zu be-
zeichnen, und fast unmöglich, seine Stellung zu den Richtungen der modernen
Malerei zu bestimmen. Man könnte vielleicht behaupten, daß seine Darstellung
ohne alle Mätzchen, Kunstgriffe, Manieren und Methoden so nah bei der
Wahrheit bleibt, als es überhaupt möglich ist, wenn die Dinge noch künstlerisch
belebt sein sollen, oder daß er sich verschiedenen Gegenständen mit einer
gewissen naiven Selbstverständlichkeit durch verschiedene Malweisen anpaßt.
133
L. Graf v. Kalckreuth, Waidenburg
Stungart, Kgl. üeraäkiegalerie
Er verschmäht künstliche Arrangements und Probleme. Wo er je einmal so
etwas wie ein Farbenexperiment macht (wie z. B. einmal bei einem Porträt
seines Schwagers, des Grafen York), da werden die meisten Maler der Ansicht
sein, daß er darin nicht glücklich ist, weil ihm der Sinn für die Starkfarbigkeit
und ihre Gesetze fehlt. Um so feiner ist sein Sinn für die Wirkung des Lichtes,
das in der Tat fast überall seinen Bildern, selbst den Porträts, einen eigenen
Zauber verleiht; hierin hat er eine Sicherheit der Empfindung, die Lichtwark
veranlaßt hat, jenes Porträt der Frau Zacharias, zu drei verschiedenen Tages-
stunden gemalt, dreimal für die Hamburger Kunsthalle zu erwerben. Sicher kann
man Kalckreuth keinen Impressionisten nennen. Dafür versenkt er sich viel zu
liebevoll in das Detail seiner Bilder. Man denke nur an die reizvolle Aus-
führlichkeit, mit der er in dem Bilde der Ährenleserin das Stoppelfeld behandelt,
wie er den Wechsel von kalten und warmen Lichtern auf der vom Abendschein
übergossenen gefurchten Fläche durchgeführt hat. Nichts Grobschlächtiges liegt
in seiner vornehmen Art, und seine Wahrheitsliebe, seine Ehrfurcht vor der
Natur gestattet ihm nichts Gewaltsames, nichts Übertriebenes, das den Eindruck
134
der Technik über den Eindruck des Gegenstandes, den Eindruck der Hand
über den Eindruck des Auges erheben würde. Das ist es vor allem, was es
wahrscheinlich macht, daß seine Bilder etwas von der Ewigkeit der Natur an
sich haben werden, wenn uns subjektivere Bilder mit den Subjekten, von welchen
sie herrühren, gleichgültig geworden sind.
Kalckreuth ist von Stuttgart geschieden und hat sich ein eigenes Heim
in der Nähe von Hamburg erbaut, nachdem er schon vorher zum tiefen Be-
dauern aller seiner Kollegen sein Lehramt an der Akademie niedergelegt
hatte. Ob die Erwartungen, mit denen er nach Stuttgart kam, wo ihn der
König schließlich zu seinem. Kammerherrn ernannte, sich erfüllt haben, wagen
L. Graf v. Kalckreuth, Die Ährenleserin
Slattgart, Kgl. Gemäldegalerie
135
wir weder zu bejahen noch zu verneinen. Ob der Künstler bei einem schweren,
kaum jemals zu verschmerzenden Verlust, der ihn hier in seinem Familien-
leben getroffen hat, gern an Stuttgart zurückdenkt — wer kann es sagen ?
So viel ist aber gewiß, daß er hier eine Reihe dankbarer Schüler und treuer
Freunde zurückgelassen hat, die seine Kunst und seine Persönlichkeit in
liebevoller Erinnerung behalten, eine Persönlichkeit, die man nicht nur ver-
ehrte um deswillen, was sie gab, sondern noch mehr um deswillen, was sie war.
Robert Poetzelberger , geboren in Meran, stammt aus einer alten
oberösterreichischen Familie, in der künstlerische, insbesondere musikalische
Begabung vielfach zu Hause war. Das Talent, Karikaturen zu zeichnen, hat
er, nicht zum Ergötzen seiner Lehrer, schon als Knabe auf dem Gymnasium
geübt. Sein eigentliches Kunststudium begann er in Wien, zunächst als Zögling
der dortigen Handelsschule, indem er seine Abende mit Aktzeichnen ausfüllte.
Die Wiener Akademie, auf die er dann überging, befriedigte ihn nicht; auch
hier herrschten, wie in Stuttgart, verrottete Zustände und ein langweiliger
schulmeisterlicher Betrieb. Erst der Orientmaler Leopold Müller brachte
Leben in die Malschule, malerische Aufgaben, Beobachtung von Luft und
Licht. Ihm verdankt der Künstler am meisten. Als er dann malen gelernt hatte,
siedelte er nach München über, wo ihm Löfftz nicht sogleich einen Platz in
seiner Schule geben konnte. Da, umgeben von jenem abenteuerlichen Künstler-
volk, das sich aus Of fi-
zierskreisen,Hande]£-
kreisen, gelehrten
Kreisen usw. rekru-
tierte, entschloß er
sich kurzerhand, sel-
ber weiterzustudie-
ren, und bald trat er
mit Genrebildern in
dem damaligen, etwas
zum Sentimentalen
neigenden Geschmack
hervor, die in dem von
amerikanischen Käu-
fern überschwemm-
ten München rasch
abgesetzt wurden.
Poetzelbergers Bilder,
seine Liebespaare am Klavier usw. sind nicht sentimental, aber innig und
gemütvoll, und es steckt ein ausgesprochener Poet in ihm. Wenn man es
früher einmal als das Wesen des Schönen bezeichnet hatte, daß es eine Fülle
von Vorstellungen erwecke, so waren die Bilder in diesem Sinn schön: ahnungs-
voll empfunden, die Phantasie anregend. So die jungen Leute am Klavier, die
Kinder, die über den Friedhof gehen, der prachtvolle Greis neben dem jungen
Mädchen vor dem Schloßportal (Fallende Blätter), so ein reizendes Pfarrhaus-
136
R. Poetzelberger, Auf der Höhe
■u
<u
Ol
et
CS
?i a
00
Ol
. Ol
K S
— ■ O
Interieur mit zwei Mädchen, die sich an einer hübschen Stelle eines alten
Buches ergötzen. Was uns aber heute, wo wir das Inhaltliche (mit Recht oder
Unrecht, zuweilen mit Unrecht) nicht mehr so schätzen, an diesen Bildern
künstlerisch anzieht, das ist die prachtvolle Zeichnung und Komposition.
Der künftige Bild-
hauer kündigt sich
hier an in der treff-
lichen dreidimensio-
nalen Bewegung der
Gestalten, den vor-
züglich gefühlten
Kontraststellungen
und der natürlichen
Haltung. Poetzelber-
ger hat auch oft
(wie Meissonier u. a.)
die Gestalten seiner
Bilder zuerst mo-
delliert.
Gegen Ende der
siebziger Jahre ging
Poetzelberger nach
Italien, wo er etwa ein
Jahr blieb. Erbrachte
eine Reihe von ita-
lienischen Studien
mit, in denen nun das
Sittenbildliche zurücktritt und die Landschaft überwiegt. Nehmen wir hinzu, daß
ihm in Italien die Antike und die Frührenaissance, insbesondere die Plastik
der Frührenaissance, den tiefsten Eindruck machte und seine Studien auf sich
zog, so sehen wir, daß sich nun eine Trennung in seinem Schaffen vorbereitet;
der hochentwickelte Sinn des Künstlers für das Körperliche, den organischen
Zusammenhang der Gestalt, ihre Bewegung durch die drei Dimensionen treibt
zur Plastik, seine Freude an dem Malerischen fängt an, sich fast ausschHeßlich
im Landschaftsbild auszuleben, das von da an mehr den Charakter der Erholungs-
arbeit gewinnt. Befördert wird diese Entwicklung dadurch, daß Poetzelberger
um 1892 an die Zeichenklasse der Karlsruher Akademie berufen wird. Er faßte
dort, wie nachher in Stuttgart, seinen Lehrberuf mit einer Energie an, die
ihn vielfach der eigenen künstlerischen Arbeit Abbruch tun läßt. Ein starker
wissenschaftlicher Trieb macht sich bemerklich. Poetzelberger studiert die Ana-
tomie aus dem Fundament. So wird auch sein Zeichenunterricht tief ein-
dringend, in gewissem Sinn wissenschaftlich, nicht naiv, wie er an Akademien
gewöhnlich gegeben wird, und vielleicht manchem zu ernst und zu streng.
Bei Poetzelbergers Landschaften findet man eine Eigentümlichkeit, die
ihnen einen besonderen Charakter gibt. In der Regel haben sie wenig Himmel,
Stuttgarter Kunst 18 '37
R. Poetzelberger, Gebirgssee
oft keinen; wenn sie trotzdem zuweilen weite Aussichten zeigen, so sind es
meist Talblicke, die ihn offenbar ganz besonders anziehen. Er hat also, wie es
scheint, eine starke Empfindung von der Schwierigkeit, die diese leuchtende
Masse des Himmels bildet, und versagt sich den Ausweg, den die Kunst so oft
eingeschlagen hat: trübe Luft und stark bewölkten Himmel, für den er sich
offenbar wenig interessiert. Das trennt ihn von dar ganzen modernen Ent-
wicklung der Landschaft, die rein auf Ton und Luftstimmung geht. Poetzel-
berger sucht die Poesie in der Landschaft, und zwar scheint es, daß es wesentlich
das Idyllische ist, was ihn reizt: ,,Dich, mein stilles Tal." Dahin weisen auch
R. Poetzelberger, Flucht nach Ägypten
die stillen Wald- und Wasserwinkel, die Hochwalddurchblicke, die er gern dar-
stellt. Ferner mag es mit seiner wesentlich zeichnerischen Begabung zusammen-
hängen, daß es vor allem die ,, schöne" Landschaft ist, die er in seinen Bildern
aufsucht.
In der Plastik können sich der Sinn für die Form, die Raumerfüllung und
das Kompositionstalent, die Poetzelberger eigen sind, vollkommener ausleben.
Ihr hat er sich in neuerer Zeit immer entschiedener zugewendet.
Carlos Grethe. Daß ein Maler der See, ihres Strandes und ihrer Häfen,
seinen Wohnsitz dauernd im Binnenland nimmt, oder umgekehrt, daß ein im
Binnenland wohnender Maler das Stoffgebiet seiner Kunst an dem fernen
Meere sucht, das er nur einmal im Jahre auf ein paar Monate besuchen kann,
ist eine Seltsamkeit, die uns deutlich zum Bewußtsein bringt, wie sehr die
modernen Verkehrsverhältnisse die Welt umgestaltet haben. Ein wünschens-
werter Zustand ist es gerade nicht; aber man kann es doch auch wieder ver-
138
stehen, wie eine solche Trennung den Zauber frisch erhält, wie eine vom
Reiz des Meeres gepackte Künstlerpersönlichkeit, befreit von dem Zwange
des Lehramtes, mit dreifacher Wonne sich jedes Jahr zu dem gewaltigen Bilde
zurückwendet, dem sie ihre Kunst gewidmet hat. Carlos Grethe hat zwar in
Karlsruhe studiert, aber hat als Kind die große Fahrt über den Atlantischen
Ozean von Montevideo nach Hamburg gemacht, hat lange in Hamburg ge-
lebt, ist einmal als junger Künstler hinübergefahren nach Mexiko und hat
seit vielen Jahren in jedem Sommer die belgische Küste aufgesucht, um dort
seine Studien zu malen. Er ist mit dem Meere vertraut und ist vertraut
mit den kühnen Fischern, die es befahren. Manchmal ist er mit dem Fischer-
boot hinausgezogen, und er würde, wie Pauli sagt, nicht in Verlegenheit
kommen, wenn ihm eine solche Fahrt die Pflicht auferlegen würde, an Segel,
Riemen oder Ruder zu hantieren. So muß in der Tat ein Mann beschaffen
sein, der den Reiz des Meeres zum fast ausschließlichen Gegenstand seiner
Kunst macht.
Es ist aber, um dies gleich zu sagen, nicht der Reiz des Wassers, wie
ihn Ruskin schildert und Schönleber malt, sein Lichtfunkeln, seine Durch-
sichtigkeit, seine klaren Farben, die Grethe anziehen. Diese Reize vermißt
der Laie vielfach auf seinen Bildern. Es ist das Meer in seiner Macht, in seiner
Größe, dieser gewaltige Träger menschlicher Güter, diese Verkehrsstraße der
Nationen, dieses unermeßliche Jagdgebiet des kühnen Fischers, was den Künstler
begeistert. Die dunklen Schiffskolosse im Hafen, deren Lichter gespenstisch
im Wasser funkeln, die gefährlich schwellende Woge, die das Boot in die Ein-
fahrt trägt, die weite graue Fläche, auf der Nebel und Stürme liegen, die sturm-
erprobten Männer in ihren Ölanzügen, die ihre Pferde in die brandende Flut
treiben, um Krevetten zu fischen, die zusammengedrängte Mannschaft in dem
vom Sturm geschaukelten Boot, die niederen Räume des Volkslogis, in dem
die Handharmonika das Geräusch des Sturmes und der Wellen übertönt —
das sind die Dinge, die Grethes Phantasie erregen. Er sieht das Meer nicht
als Badegast und nicht als Weltbummler, sondern wie ein Fischer und Matrose,
aber wie ein Matrose, der gegen seine Furchtbarkeit und Größe noch nicht
gleichgültig geworden ist.
Diese Auffassung hat sich immer entschiedener bei Grethe herausgebildet
und ist immer reiner zum Vorschein gekommen. Seine Krevettenfischer stehen
heute wie schattenhafte Dämonen dem großen Meeresdämon gegenüber. Es
ist nicht mehr wie am Anfang der zufällige Augenblick, das Gehaben, das
Genre des Matrosen- und Fischerlebens, was Grethe beschäftigt, sondern es ist
dieses Leben selbst, auf seine ewigen Momente und auf seine ewige Bedeutung
reduziert. Ob Grethe, wie der Direktor der Bremer Kunsthalle, Dr. Pauli,
sagt, der erste Marinemaler der Gegenwart ist, wage ich nicht zu entscheiden;
jedenfalls ist er, glaube ich, der, der die größte Auffassung des Meeres hat.
Seine Seemenschen interessieren nun allerdings nicht mehr durch ihre Persön-
lichkeit. Irgendein Gemütsinteresse nimmt man ebensowenig an ihnen wahr, wie
sie etwa an den den Seeleuten eigenen Humor erinnern. Der gute Instinkt des
Künstlers ließ ihn diese Züge zurückdrängen, um das Interesse rein auf den
139
eigentlichen Gegenstand, das Meer und seine Macht, zu konzentrieren und so
im Malerischen zu bleiben, das seine Domäne ist.
Niemand kann verkennen, daß Grethe mehr Maler als Zeichner ist. Er
sieht gewissermaßen nur Massen, die gegeneinander stehen. Er ist im wesent-
lichen Lichtmaler und liebt deswegen die grauen und braunen Töne. Doch
kann man ihn keineswegs einen Graumaler oder einen Maler der gebrochenen
Töne nennen. Denn oft zeigt er eine Neigung, einen entschiedenen Farbenton,
die blaue Jacke eines Eisenarbeiters, das rote Licht einer Laterne, das Gelb
der Ölanzüge zur Melodie eines Bildes zu machen und den übrigen Tönen
die Begleitung zu dieser Melodie zu übertragen; er wird also Farbenkomponist,
ohne indes in die Gefahr einer spielerischen, innerlich nicht motivierten Ver-
wendung der Farbe zu verfallen. Denn in der Tat ist ihm dazu seine Kunst zu
ernst, die Gesamtstimmung zu wichtig. Diese veranlaßt ihn vielmehr im ganzen
zur Improvisation: seine Bilder haben etwas Zufälliges an sich, etwas Naives,
nicht Gekünsteltes, etwas Instinktmäßiges und Naturhaftes, so sehr in der Tat,
daß man zuweilen den Eindruck hat, daß sie in gewissem Sinn unter dem
Höchsten bleiben, was er gewollt hat, daß seine Wirkung noch größer und
machtvoller werden könnte, wenn er auch die einfachen Kunstmittel der
Komposition verwenden wollte, um sie zu steigern, wenn er die Möglich-
keiten durchprobieren wollte, die für die Gestaltung eines und desselben
Gegenstandes vorliegen. Wahrscheinlich wird ihn seine neueste Entwicklung
dahin drängen; dann wird er wohl auch die Einfachheit erreichen, die das
natürliche Ausdrucksmittel alles dessen ist, was wir groß und erhaben nennen.
DIEZ
ADOLF HÖLZEL
Die letzten fünfundzwanzig Jahre sind Zeugen eines außerordentlichen
Umschwungs gewesen, der sich auf dem Gebiet der malerischen Darstellung
bei uns in Deutschland wie bei unseren westlichen Nachbarn vollzogen hat.
In nahe verwandten Formen haben die beiden Länder, die, man darf es wohl
sagen, seit geraumer Zeit tonangebend sind in der Geschichte der Malerei,
den Entwicklungsprozeß des Realismus und dessen Ablauf von einem Extrem
zum anderen sich vollziehen sehen, haben gesehen, wie aus der Geburt des
Impressionismus eine Reihe weiterer Erscheinungen hervorging, die, folge-
richtig eine aus der anderen abgeleitet, endlich zur Auflösung des Realismus
und zur Aufstellung von völlig neuen Grundanschauungen geführt haben,
Anschauungen, die mit ihrer Abwendung vom zufällig Gegebenen und ihrer
Vorliebe für das mit Notwendigkeit Bestehende entschieden zu dem entgegen-
gesetzten Pole hinstreben. Ließ sich der Realismus von den Erscheinungen
der sichtbaren Welt bestimmen und nahm er sie als bildnerischen Stoff, wie
er sie vorfand, an, so dringt die heutige Entwicklung, wenn auch nicht ein-
heitlich, so doch an vielen Stellen zugleich darauf, den verborgenen Gesetzen
140
•a
3
c
3
:0
X
O
■a
<
des Naturgeschehens und den immer gleichbleibenden Grundlagen des Natur-
erkennens zu folgen, wie sie in der optischen Wahrnehmung auf der einen,
in den seelischen Funktionen der Einbildungskraft auf der anderen Seite vor-
handen sind.
Diese Bewegung ist nicht von heute auf morgen entstanden. In Frank-
reich hat ihr mit seinen theoretischen Reflexionen schon um die Mitte des
vorigen Jahrhunderts Eugene Delacroix vorgearbeitet, und eine systematisch
durchgeführte Begründung hat ihr in jüngster Zeit die Gruppe der sogenannten
Neuimpressionisten gegeben, die sich unter der Führung von Seurat, Signac u. a.
in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bildete und sich im besonderen
für ihre koloristischen Grundsätze die neuesten Errungenschaften der natur-
wissenschaftlichen Forschung zu eigen machte. Unabhängig davon sind ebenso
einzelne deutsche Künstler bemüht gewesen, sich von den Vorbedingungen
ihres Tuns im Wege einer exakten Beobachtung und eines streng geordneten
Denkprozesses Rechenschaft zu geben. Hildebrand und Marees sind die
bekanntesten unter ihnen geworden, aber sie sind nicht die einzigen, die in
derselben Richtung, und zwar schon vor der Zeit jener neueren französischen
Künstler, gearbeitet haben. Man hat diese Bestrebungen nicht immer ohne
Mißtrauen aufgenommen, als ob eine Epoche, in der ein solches Suchen nach
vernunftmäßig erkannten Gesetzen der Kunst stattfindet, zugleich ein Er-
lahmen des selbsttätigen künstlerischen Geistes mit sich führen müßte. Allein
nichts wäre verfehlter als eine derartige Voraussetzung. Es ließe sich im
Gegenteil der geschichtliche Nachweis führen, daß es auch vordem, wie etwa
in den Zeiten des italienischen Quattrocento oder der eklektischen englischen
Schule des i8. Jahrhunderts, nicht Perioden des Rückschritts, ja unter Um-
ständen sogar solche einer intensivsten Kräfteentfaltung waren, die für eine
derartige ,, Wissenschaft" der Malerei die theoretischen Grundlagen zu finden
bemüht waren.
Unter den Künstlern, die heute und in unserer eigenen Mitte einer
Methodik des künstlerischen Schaffens in dem angedeuteten Sinne zuneigen,
genießt Adolf Hölzel des bedeutendsten Ansehens. Es ist bei ihm sowenig
wie bei jenen älteren Meistern, die wir nannten, eine künstlich herbeigeführte
Berechnung, die ihn leitet. Eine hervorragende Befähigung, die Grundlagen
des künstlerischen Schaffens denkend zu zergliedern und sich ohne Vorbehalt
und Vorurteil die Vorgänge des inneren Anschauungsvermögens wie die
Eigenschaften der äußerlich gegebenen Darstellungsmittel zum Bewußtsein
zu bringen, diese, wenn man so sagen will, kritische Beanlagung allein hat
ihn bei seinen Aufstellungen geleitet. Die Ergebnisse seines Nachdenkens
sind eben deshalb auch nicht eilfertig oder sprungweise gewonnenen Einfällen
zu vergleichen. Sie beruhen zu einem Teile auf einem eingehenden Studium
der Meisterwerke alter Kunst und der Vorzüge, denen diese ihre unbestrittene
Vorbildlichkeit verdanken, noch mehr aber sind es die im Wege einer strengen
und beharrlichen Selbstdisziplin gewonnenen Resultate einer seit lange geübten
künstlerischen Tätigkeit, auf denen Hölzel seine grundlegenden Anschauungen
aufgebaut hat.
141
Die aus der Praxis abgeleiteten Erfahrungen des Künstlers führen, wenn
wir ihnen bis auf ihre Anfänge nachgehen wollen, in eine weit entlegene Zeit
zurück, so weit, daß sie heute schon vielen von den Jüngeren unter uns
kaum mehr anders als vom Hörensagen bekannt ist. Es hieße eine Geschichte
der Malerei in München während der letzten vierzig Jahre schreiben, wollte
man die ganze Summe der künstlerischen Strebungen oder Neubildungen ver-
zeichnen, die Adolf Hölzel mitdenkend und mitschaffend erlebt hat. Denn
aus eben jener Münchener Schule ist seine künstlerische Persönlichkeit hervor-
gegangen, wenn auch ihr Temperament eine unverkennbare Nuance zugleich
der österreichischen Heimat verdankt, der sie entstammt. Noch in den siebziger
Jahren ist Hölzel Schüler von Wilhelm Diez gewesen, womit auch schon
die künstlerische Atmosphäre bezeichnet ist, in der er aufwuchs. Die Gewissen-
haftigkeit der realistischen Detailschilderung, verbunden mit einem feinen
und gewählten Kolorismus, die Grundzüge jener künstlerischen Bildung also,
denen damals das gesamte jüngere München huldigte, von denen auch Leibl,
Löfftz und Trübner ausgegangen sind, das waren die Eigenschaften, die ebenso,
und zwar in pikantester Zuspitzung, in der Diezschule gepflegt wurden. In
den achtziger Jahren erfuhr diese Richtung eine bedeutende Wandlung durch
ihre Verschmelzung mit der Freilichtmalerei des französischen Impressionis-
mus, es folgte das Regime der grauen Palette, bis das bekannte Ereignis der
schottischen Ausstellung zum Anlaß eines erneuten Umschwungs wurde. Die
Schotten haben zwar nicht, wie manchmal etwas gar zu apodiktisch be-
hauptet wurde, ein neues München geschaffen, aber allerdings haben sie gegen-
über den zur Einseitigkeit neigenden impressionistischen Tendenzen den
Beweis geliefert, daß man tonig und stimmungsvoll und doch auch farbig
zugleich sein könne. Es folgte eine Zeit, die man vielleicht zutreffend als die
des schönfarbigen Impressionismus bezeichnen könnte, in der ein Zügel oder
Herterich den traditionellen grauen Grundton mit ihren zarten, rötHch oder
bläulich irisierenden Farben zu durchweben begannen, ein Dill mit seinen
großen, im rhythmischen Wechsel von kalten und warmen Lokalfarben durch-
geführten Stimmungsbildern aus dem Dachauer Moos hervortrat. Und wenn
schon früher Dachau, die nahe bei München in der Hochebene gelegene
Malerkolonie, zum vorübergehenden oder dauernden Stelldichein fast aller
dem Neuen zugewandten jüngeren Elemente der Münchener Künstlergesell-
schaft, der Uhde, Liebermann, Kalckreuth, Höcker, Herterich, Hölzel und
anderer geworden war, so erfolgte jetzt gerade hier ein erneuter engerer Zu-
sammenschluß von ausgeprägt fortschrittlichen Charakteren, unter denen Dill
und Hölzel die nachhaltigste Wirkung geübt haben.
Diese wie die früheren Entwicklungsphasen unseres Künstlers liegen
außerhalb des Rahmens der an diesem Orte zu gebenden Darstellung, die vor
allen Dingen seine Stuttgarter Wirksamkeit umfassen soll. Wir hätten sonst
wohl Ursache, uns länger bei dem reichen Arbeitsertrage auch jenes früheren
Lebensabschnittes und den Meisterwerken, die aus ihm herrühren, aufzuhalten.
Sie gehören in der Mehrzahl dem Gebiete des Genrebildes an, das sich hin
und wieder in ihnen auch mit landschaftlicher Schilderung verbindet. Durch-
142
geführt mit allen Reizen der illusionistischen Wirklichkeitsdarstelhing, in der
sich die Blüte der damaligen Münchener Schule zusammenfand, haben sie
auch an allen Ehren teilgenommen, die nur den Besten zu widerfahren pflegen.
So erhielt die idyllisch gefaßte Wiedergabe einer Zimmermannswerkstätte bei
ihrer ersten Ausstellung im Münchener Glaspalast im Jahre 1892 die goldene
Medaille, ein anderes Gemälde, ,,Die Hausandacht", wurde in demselben Jahre
für die Neue Pinakothek angekauft. Die Produktion der folgenden Jahre bis
zur Jahrhundertwende und nachher zeigt sodann bei Hölzel eine wachsende
Vorliebe für die Landschaft. Und zwar knüpft diese wie schon früher an die
heimatliche Natur an. Die an Motiven trotz ihrer scheinbaren Anspruchslosigkeit
keineswegs arme Gegend von Dachau, wo der Künstler längst seinen festen
Wohnsitz genommen hatte, steht als Beobachtungsfeld im Mittelpunkte dieses
zunehmenden Interesses. Und wie es oft geschieht, daß sich in einem solchen
Austausch mit den Mächten der still waltenden, ewig lebendigen Natur Gemüts-
kräfte entfalten, die mit Notwendigkeit von der exakten Nachbildung zu frei
gestaltender poetischer Schöpfung übergehen, so wurde auch hier das land-
schaftliche Element sehr bald zum Substrat einer malerischen Dichtung von
großer ursprünglicher Kraft und Gefühlsweite. Eine Zeitlang zeigen diese
Hervorbringungen einen bestimmten Parallelismus mit der von Dill gepflegten
Darstellungsweise, und Hölzel selbst steht nicht an, der freundschaftlichen
Anregung, die er von selten dieses Künstlers empfing, noch heute dankbar
zu gedenken. Äußerlich ist diese geistige Gemeinschaft in seinen Werken
allerdings nur während eines kurzen Durchgangsstadiums tatsächlich zum
Ausdruck gekommen. Dauernd blieb sie dagegen in der von beiden Künstlern
gehegten und damals in gemeinsamer Arbeit gereiften Überzeugung bestehen,
daß die Handhabung der künstlerischen Mitte! ihre Grenze nicht immer in
den Grenzen des Naturvorbildes findet, ja daß sie unter Umständen ihre volle
Wirkung erst dann erreicht, wenn es erlaubt ist, sie auch über die Natur hinaus
in Freiheit zu entfalten. Mit anderen Worten war das die Absage an den absoluten
Naturalismus und das Programm eines unabhängigen Gestaltens, das, ohne
den gegebenen Naturzusammenhang zu verleugnen, sich doch in erster Linie
auf die Kraft und Fülle der eigenen Intuition beruft.
Dieses Prinzip ist es, dem Hölzel seine methodische Fassung gab. Es
geschah nicht sogleich in der strengen Gedankenfolge, die er später daraus
entwickelte, aber doch so, daß nun eine ganz bestimmte innere Orientierung
nach diesem einen Ziele immer deutlicher in seiner Malerei hervortritt. Er
sucht deshalb auch in der Dachauer Landschaft nicht, was vor ihm andere
daraus entnahmen, das gegenständlich Sensationelle der Alpenfernsichten oder
der atmosphärischen Erscheinungen im Kampf des Lichtes mit Nebel- und
Wolkendunst; er heftet seine Augen auf die nächstliegenden einfachsten Be-
standteile der Vegetation, der Bodenplastik des Moor- und Heidelandes, dessen
Fluchtlinien sich in seinen Gemälden zu glanzvollen Raumdichtungen zu-
sammenschließen und dessen Farben mit ihren braunen, gelben, grünen oder
blauen Abschattungen in seiner Wiedergabe bald in starken, naturfrischen
Akkorden hervortreten, bald in der Hülle eines einheitlichen Helldunkeltons
144
>>
oi
60
s
d
3
M
o
Ol
a
a
p
s
IH
:ctJ
m Q
Karl Schmoll v. Eisenwerth
Interieur
C
D
•a
K
ja
c
nJ
m
V
J3
ja
C
die Tiefe und Schönheit altmeisterHcher Klangwirkungen annehmen. Zuweilen
beleben sich diese Bestandteile auch durch figürliche Zutaten, keine Staffage
im eigentlichen Sinne, noch weniger novellistische Charaktere, nichts weiter als
eine Verstärkung des gegebenen Formgerüstes durch das Hinzutreten ruhender
oder handelnder menschlicher Gestalten, die mit ihren Überschneidungen
den Rhythmus der Gesamtanlage noch weiter variieren und fühlbar werden
lassen. Ein Zyklus von dekorativen Gemälden, die unter dem Gesamttitel
A. Hölzel, Motiv aus Venedig
,,Der Zeiten Wiederkehr" im Jahre 1903 entstanden, bringt diese Tendenzen in
groß und lebendig gesehenen Formen zum Ausdruck. In dieselbe Entwicklungs-
reihe und in dasselbe Entstehungsjahr gehört auch das Bild, das eine unserer
farbigen Tafeln wiedergibt, die Mädchen mit den im Winde wehenden Kopf-
tüchern, in dessen zart getönten ,, Flächenformen" zugleich das später von
dem Künstler oft betonte Moment der farbigen Abstufung als Mittel einer be-
wußt angestrebten räumlichen Gliederung Bedeutung zu gewinnen anfängt.
Im Jahre 1905 folgte Hölzel einem Rufe als Vorsteher eines Meisterateliers
an die Stuttgarter Kunstakademie. Hatte er schon früher lehrend in einem
kleineren Kreise von Freunden oder Schülern die ihn beschäftigenden theo-
retischen Anschauungen vorgetragen, so wurde nun das Unterrichten für ihn
Stuttgarter Kunst 19 " 145
Berufsaufgabe, und damit zugleich nahmen auch seine leitenden Gedanken
mehr und mehr die Form eines systematischen Lehrgebäudes an. Versuchen wir
diese Grundanschauungen in einer kurzgefaßten Übersicht wiederzugeben, so
werden wir von einem Satze auszugehen haben, den der Meister selbst an die
Spitze zu stellen pflegt, daß nämlich nicht in dem Objekt der Darstellung,
sondern in ihren Mitteln das richtunggebende Prinzip der Malerei enthalten ist.
Was die Natur, vom Zufall regiert, wie sie ist, dem Auge vorhält, das ist an
und für sich noch kein Bild. Zum Bilde schließen sich ihre Formen erst in der
planmäßig geordneten Einheit zusammen, die ihnen das plastische Vermögen
des Künstlers gibt, und die Summe von Bildgedanken, die sich alsdann im
rhythmischen Wechsel der Linien- oder Flächenbewegung wie in der Überein-
stimmung der Verhältnisse zum harmonisch gefügten Ganzen zusammen-
schließen, ist das primäre Element der künstlerischen Gestaltung. Sekundär
verhält sich dazu das Gegenständliche der örtlichen oder figürlichen Er-
scheinung, das aber nichtsdestoweniger an Sichtbarkeit und Verständlichkeit in
dem Maße gewinnt, als es sich den Führungslinien jener abstrakten Formen-
gliederung einfügt oder unterordnet. Damit ist allerdings zunächst nur ein
Flächenbild gewonnen, dessen Entwicklung sich in den zwei Dimensionen der
Höhe und der Breite vollzieht. Allein tatsächlich ist darin auch die dritte Di-
mension, die sich in unserem Raumbewußtsein jenen ersten beiden zugesellt,
miteinbezogen; sie macht sich dadurch geltend, daß die einander begegnenden
Richtungskontraste der wagerecht, senkrecht, diagonal oder kreisförmig ver-
laufenden Hauptlinien der kompositionellen Anlage von selbst die Illusion von
hintereinander liegenden Raumabschnitten oder Plänen erzeugen und so auch
eine Ausdehnung der Bildvorstellung in die Tiefe zuwege bringen. Die Zahl
der Möglichkeiten, in denen sich bildgemäße Kombinationen solcher Art ent-
wickeln lassen, ist unendlich. Versuche, sie auszubauen, ruhen in der Form
von Skizzen zu Hunderten in Hölzeis Mappen. Eine unserer Abbildungen gibt
in der Form eines flüchtig mit der Feder gezeichneten Entwurfes eine ebenso
geistvolle als anschauliche Probe davon, eine zweite zeigt, wie sich die nur aus
linearen Elementen entwickelten Bildgedanken bereichern lassen durch den
hinzutretenden Helldunkelkontrast von gegeneinander gestellten Flächen in
verschiedenen Beleuchtungsgraden (s. Tafel und S. 147). Und wieder eine
Fülle neuer Gestaltungsformen tut sich auf, wenn außerdem bestimmte
Kombinationen der Farbengebung hinzutreten, ein Problem, mit dem sich
der Künstler vornehmlich in den zuletzt verflossenen Jahren beschäftigt hat.
Hölzel fußt in dieser letzten Hinsicht auf den neueren Errungenschaften
der wissenschaftlichen Farbenlehre, derselben, die auch den französischen Neo-
impressionisten ein so wichtiges Hilfsmittel geworden ist. Aber während jene
sich die erweiterte Kenntnis der optischen Gesetze vorwiegend dazu dienen ließen,
das farbige Pigment in seiner technischen Verwendbarkeit und Ausdrucks-
fähigkeit zu steigern, bewegen sich Hölzeis Intentionen in einer völlig anders
gearteten Richtung. Ihm dienen im Anschluß an das System des sogenannten
Farbenkreises die gegebenen Beziehungen der Spektralfarben, einzeln oder in
Gruppen geordnet, zu einer ganz eigenen Proportionalität der koloristischen
146
Anordnung, in der bald die kontrastierenden Wirkungen der komplementären,
bald die chromatischen Folgen der einander benachbarten Töne oder die er-
fahrungsgemäß zusammengehörigen Farbentriaden die Führung haben. Auch
diese Lösungen des Farbenproblems sind nicht im Wege künstlicher Reflexion
gewonnen, sie sind ebenso wie die vorher entwickelten Formsysteme das Ergebnis
eines eigenen Erlebens. Sie haben deshalb auch in dem Gesamtwerk des Künst-
lers ihre Geschichte so gut wie jene. Schon innerhalb des beschränkten Ton-
umfanges jener grau gehaltenen Stimmungsbilder, denen noch Schöpfungen
wie das kurz vor Hölzeis Übersiedlung nach Stuttgart entstandene Motiv aus
Venedig (s. Abb. S. 145) und dann eine Reihe der liebenswürdigsten Bilder
aus seiner neuen schwäbischen Heimat, von Bebenhausen, Cannstatt, Herren-
berg, dem Stuttgarter
Schloßgarten, ange-
hören, läßt er diese
farbigen Kontraste in
leise verhaltenen Tö-
nen anklingen. Einige
Figurenbilder der-
selben Zeit, so ein
Zyklus von drei Moti-
ven aus dem Frauen-
leben und eine gegen
das Licht gemalte
Atelierszene, die un-
längst in Buenos Aires
prämiiert wurde, be-
wegen sich in ver-
wandten Gleisen; das
System, der Farbe ist
hier wiederum gleich-
zeitig einer besonders sorgfältigen Durcharbeitung mit Bezug auf die Flächen-
verteilung unterzogen worden. Aber nicht genug mit diesen Ergebnissen, lockte
den Künstler die Farbe selbst zu immer stärkerer Ausnützung ihrer ursprüng-
lichen und ungebrochenen Werte. So entstanden in immer reicherer Zahl (s. die
zweite Farbentafel und die Abb. S. 147), meist in der Form von Entwürfen,
Kompositionen von eigentümlich faszinierender Wirkung, Visionen einer in
farbigen Gluten aufleuchtenden Traumwelt, dem Uneingeweihten vielleicht
nicht immer ohne weiteres zugänglich, in der Tiefe der gedanklichen Schöpfung
aber Zeugnisse eines überfließenden Reichtums der Phantasiebegabung, die
selbstherrlich frei und doch mit der Strenge und Folgerichtigkeit einer musi-
kalischen Komposition ihre Tonreihen meistert.
Der Zweck all dieser Form- und Farbenstudien erschöpft sich nicht in ihnen
selbst. Sind sie einerseits geeignet, bestimmte Bahnen der Entwicklung an-
zuzeigen, die in der Verwendung der künstlerischen Mittel über die bisher er-
reichten Grenzen hinaus noch offenstehen, so legen auf der anderen Seite die
147
A. Hölzel, Kompositionsentwurf, Olskizze
Gesetzmäßigkeit und die ausnehmend schmuckvolle Wirkung, die ihnen eigen
sind, den Gedanken ihrer Verwendung im Gebiet der dekorativen Wandmalerei
besonders nahe. Es wird weiter unten von der Ausmalung der Pfullinger Hallen
zu sprechen kommen, in der sie, wenn auch nicht durch Hölzeis eigene Hand,
so doch durch seine Schüler und unter seiner Leitung eine erste Probe in dieser
Hinsicht rühmlich bestanden haben. Dem Künstler selbst ist es leider bisher
nur einmal vergönnt gewesen, seine Gaben in einer Schöpfung von monu-
mentalem Gehalt zu betätigen. Das geschah in der überlebensgroßen Figur
(s. Abb. 8. 149) des gekreuzigten Christus, welche die Altarwand der von
Theodor Fischer erbauten Garnisonskirche in Ulm als machtvoll wirkender
Raumabschluß ziert. Als Repräsentant einer nahe verwandten dekorativen
Gattung darf daneben ein Altargemälde einer von zwei Heiligen verehrten
Madonna genannt werden, das die Prager Galerie erwarb.
Das Fortwirken in einem sich beständig erneuernden inneren Entwicklungs-
prozeß ist unserem Künstler zum Lebenselement geworden. Nie hat ihn der
Gedanke locken können, sich im sicheren Besitz eines einmal gewonnenen Er-
fahrungsschatzes ein bequemes Leben zu zimmern. Ein eminentes positives
Können, das er früh erlangte, wäre wohl geeignet gewesen, auch ihn auf einen
solchen Weg zu locken, wie ihn ja schon viele betreten haben und immer wieder
betreten werden. Aber nichts lag ihm ferner als eine läßliche Selbstzufriedenheit.
Es ist der Vorzug solcher Individualitäten von idealistischem Zuschnitt, wie
die seine ist, daß ihr Wirken ein beständiges Werden, ein Wachsen über sich
selbst hinaus bedeutet, und daß es sich eben deshalb nicht im Gegenwärtigen
erschöpft. Unser bestes Tun gehört ja nicht nur uns selbst an, seinen Inhalt
und seine Rechtfertigung in einem höheren Sinn empfängt es erst aus dem
Zusammenhang eines allgemeinen Fortschreitens, in dessen Dienst es sich stellt.
So ist es eine eigene Lebenskonsequenz, welche uns mit denen verbindet, die
vor uns waren, wie sie uns ebenso auf die hinweist, die nach uns kommen
werden. Und wenn wir letzten Endes uns dazu geführt sehen, auch ein Phänomen
wie Adolf Hölzeis Kunst unter diesem Gesichtspunkt zu beurteilen, so ist er es
selbst, der uns dazu ermächtigt vermöge der Auffassung, die er an seinem Teile
seiner künstlerischen Aufgabe entgegenbringt. Er betrachtet sich selbst nicht nur
als Künstler, sondern auch als Forscher: Entdecker werden wir ihn ergänzend
nennen dürfen. Durchaus nicht im Sinne des Neuerers um jeden Preis — er
kennt und achtet das künstlerische Erbe, das wir von alters her besitzen —
aber im Sinne des wagemutigen Piloten, den es treibt, seinen Kurs in unbekannte
Fernen zu richten und auf nie befahrenem Grunde seine Anker auszuwerfen.
In der Zeit des nationalen Aufschwungs, den wir vor wenig mehr als
einem Menschenalter sich anbahnen sahen, ist viel von einer Erneuerung der
deutschen Kunst die Rede gewesen, von einer , .zweiten Jugend", in der sie
wieder aufblühen werde. Der Gedanke war als Hoffnung oder Wunsch be-
rechtigt. Dennoch kann es nie ganz unbedenklich sein, an solche Erwartungen
bestimmte Prophezeiungen anzuknüpfen. Niemand weiß, wie ferne von uns
oder wie nahe eine solche Zukunft sei. Nur eines läßt sich vorhersagen: ihre
Zeit wird erfüllt sein, wenn man wieder in einem weiteren Umfange, als jetzt
148
wM
''' 'Sp' ^
r~t"^i
■fl
,.,-^: ,.-■
*'
^k^'vHM fl
P^
^H
^K} 1 Pä^
^^^^BlM
..-
J
W"
p»>i^^tf
w^-
•••
Alfred H. Pellegrini, Die Brücke
IMli,'J^>i...'j-!' :.» L --i^-;.';.....".*^..ViiiSby
A, Hülzel, Vorstudie zum Waudbilde des Gekreuzigten in der Ulmer Garnisonskirche
vielfach üblich ist, Kunst verstehen wird nicht nur als einen Schmuck des
Lebens neben anderen, sondern als ein Ringen der Menschenseele um eines
ihrer höchsten Güter. In der Richtung eines so hoch gestellten Zieles weisen die
Ideen, die für das Schaffen unseres Künstlers bestimmend sind. Das Bewußtsein,
sich ganz für sie gegeben zu haben, darf ihm schon heute als eine vollkommene
Genugtuung und als der schönste Lohn seines Wirkens erscheinen. .
149
Das Bild von Hölzeis künstlerischer Persönlichkeit kann man nicht voll-
ständig schildern, ohne der Schule zu gedenken, die sich um ihn gebildet hat
und die der unmittelbare Träger seiner Anschauungen ist, soweit sie lehrhaften
Inhalts sind. Es herrscht in dieser Gemeinschaft keinerlei Zwang, sondern jede
Individualität wird als solche geachtet und erhält freien Raum, sich zu ent-
falten, wie ja auch für den Künstler selbst das Ergebnis seiner theoretischen
Studien kein Dogma und kein Gesetz ist, das unverbrüchlich bindet, sondern
ein leitendes Prinzip, dem erst die freie Übung in der Hand des Meisters seine
wirkende Kraft verbürgt.
In nachstehendem folgen einige nähere Mitteilungen über die aus Hölzeis
Schule hervorgegangenen jüngeren Künstler, soweit diese schon in selbständiger
Berufsarbeit hervorgetreten sind.
WEIZSÄCKER
DIE HOLZELSCHULE
Die Anfänge des Strebens nach starker Farbe und monumentaler Auf-
fassung, das von Hölzel eine so starke Förderung erfuhr, gehen bereits auf
die Schule des Grafen Kalckreuth zurück. Unter den Künstlern, die ihm
die Grundlagen ihres Könnens verdanken, sind namentlich Gamper, Haller,
Karl Hofer, E. R.
Weiß, MetaVoigt,
Laage und Julie
Steiner zu nennen.
Nur die beiden letzten
blieben in Württem-
berg wohnhaft. Wil-
helm Laage, geb.
1868 in Stellingen
bei Hamburg, siedelte
mit Kalckreuth aus
Karlsruhe nach Stutt-
gart über und schlug
später seinen Wohn-
sitz in Betzingen
bei Reutlingen auf.
Ein feinsinniger und
scharfer Beobachter,
ist er als Landschafter
zu sehr auf die leuch-
tenden Farben der
nordischen Meeres-
küste, die er alljähr-
W. Laage, Gartenhaus
ISO
lieh aufsucht, eingestellt, als daß er die Alb je mit den Augen Schickhardts
oder Starkers ansehen könnte. Seine Achalm (vgl. die Farbtafel) gibt den
Berg ins Heroische, Monumentale gesteigert, während die Stuttgarter Land-
schafter mehr die in-
timen Stimmungs-
wirkungen betonen.
Seine herrlichen Kux-
havener Meerbilder,
von denen sich die
schönsten bei Dr.
Reinhard in Winter-
thur und R. Kißling
in Zürich befinden,
geben die Nordsee in
einer so leidenschaft-
lichen Stimmung, wie
sie niemals vorher ge-
malt worden ist. Wie
als Landschafter, so
liebt Laage auch in
seinen Bildnissen und
Stilleben die volle,
leuchtende Farbe. Be-
deutender noch als in
seinen Gemälden tritt
er uns in seinen zahl-
reichen vortrefflichen
Holzschnitten, wie-
derum hauptsächlich
landschaftlichen Cha-
rakters , entgegen
(vgl. das Verzeichnis
von Schiefler). Neben
Walter Klemm, Heine
Rath und Fritz Lang gebührt ihm. der Ruhm, die so lange verachtete Holz-
schnittechnik zu einer neuen und prachtvollen Wirkung gebracht zu haben.
Das hier abgebildete Gartenhaus gibt eine gute Vorstellung dieser markigen
Kunst. Julie Steiner, in Stuttgart geboren, arbeitete noch mehrere Jahre
nach Kalckreuths Wegzug in Klecken unter seiner Leitung weiter und hat sich
seine sorgsame und dennoch großzügige Art, zumal auf dem Gebiete der Bildnis-
malerei, in hohem Grade zu eigen gemacht.
Im Gegensatze zu den genannten Künstlern traten zahlreiche jüngere
Schüler des Grafen Kalckreuth, und zwar Bollmann, Brühlmann, Goldschmidt,
von Hugo, Moilliet, Mutzenbecher, Nitschke und Pfennig in Hölzeis Schule
über. Mehrere dieser Künstler wandten sich von Anfang an mit Entschieden-
151
H. Brühlmann, Schlafende
heit der Wandmalerei zu und fanden bald Gelegenheit, ihr Können zu entfalten.
Im Jahre 1907 errichtete Theodor Fischer die Pfullinger Hallen. Unter Hölzeis
Leitung übernahmen Brühlmann, von Hugo, Moilliet und Nitschke die
Ausmalung des Festsaales mit monumentalen Bildern, währendE d uardPfennig
die Schmückung der Turnhalle und der Treppenhäuser, Bruno Goldschmidt
der Prospekt der Bühne übertragen wurde (vgl. Baum, Die Pfullinger Hallen,
191 2). Zumal im
Musiksaal ist durch
die Einheitlichkeit der
Farbe — den Grund-
ton gibt ein tiefes
Seegrün — , durch die
Hervorhebung des
l^ächenhaften Charak-
ters der Bilder unter
Verzicht auf räum-
liche Wirkung und
durch den ernstenund
klaren Ausdruck der
Bewegung der dar-
gestelltenFiguren eine
Wirkung von wunder-
barer Harmonie und
Größe erreicht. Die
Pfullinger Hallen sind
dasgroßartigsteZeug-
nis des neu erwach-
ten, wenngleich noch
nicht völlig ausgereif-
ten monumentalen
Stiles auf schwäbi-
schem Boden. Auch
in der Folge fehlte es
nicht an bedeutenden
Aufgaben. Ihnen
schien vor allem
Hans Brühlmann
(1878 — 1911) gewachsen, ein Thurgauer, dessen markige Schweizerart mit dem
feinsten Gefühl für Rhythmus der Komposition und Stimmungskraft der Farbe
gepaart war. Neben seinen, noch den Einfluß Giottos verratenden Jüngern zu
Emmaus an der Erlöserkirche zu Stuttgart (1908), an der er zugleich mit Boll-
mann und Gref tätig war, mögen besonders seine farbenglühenden Stilleben und
die prächtigen lebensgroßen Aktbilder genannt werden, die er 1909 als Vorstudien
für die nicht mehr ausgeführten Wandbilder in der Loggia des Züricher Kunst-
hauses malte. Während sich Melchior von Hugo der Plastik, Eduard
%»
■»•fc"^' "^^zams-^
:ytH
P. Bollmann, Tanz
152
(
#^
#*:;
^bv
Alexander Freiherr v. Otterstedt
Kentaurenkampf
Besitzer :
Fritz Freiherr v. Gemmingen-Homberg, Stuttgarl
a
o
u
w
c
u
C
C
d
CS
-4->
Pfennig aber ganz der dekorativen
Malerei zuwandte, pflegte Franz
Mutzenbecher (geb. 1880 in
Hamburg) in gleicher Weise das
Wandbild (Proben seiner Tätigkeit
sind die Anbetung der Hirten und
Christi Himmelfahrt in der Kirche
zu Beutelsbach, 1908 — 1909, vier
Bilder aus dem Leben Christi in
der neuen Kirche zu Schwenningen
( 1910) und der zwölfjährige Christus
im Tempel in Th. Fischers Ulmer
Garnisonskirche) und die Radie-
rung; auf dem Gebiete der Schwarz-
weißkunst liegt vielleicht seine
größte Stärke; von der Sorgsamkeit
der Technik und der Stimmungs-
kraft seiner Schöpfungen auf diesem
Gebiete gibt die hier abgebildete
Radierung eine gute Vorstellung;
F. Wimmer, Bildnis
Stuttgarter Kunst 20
P. BoUmann, Bogliasco
unter seinen übrigen, teilweise
durch köstlichen Humor aus-
gezeichneten Blättern seien die
Rede in den Wind, die Gratu-
lation, die Spinne, Vor dem
Hause, der Mutige und Szenen
aus dem dunkelsten Hamburg
genannt. Paul Bollmann
(geb. 1885 in Hannover) hat
sich während seines Pariser Auf-
enthaltes stark von Watteau
beeinflussen lassen, wie die hier
abgebildete Studie zu dem im
Stuttgarter Hoftheater befind-
lichen Tanzbild erkennen läßt;
aus der neuesten Zeit stammen
vortreffliche hamburgische und
italienische Marinen kleinen
Formates und tüchtige Selbst-
bildnisse.
Eine etwas jüngere Gene-
ration hat den Grafen Kalck-
153
Ida Kerkovius, Bildnisstudie
reuth nicht mehr in Stuttgart ge-
sehen, sondern sich ganz unter
dem Einfluß Hölzeis gebildet.
In dieser Gruppe haben sich
Bruno May, Ernst Schlipf,
Fritz Wimmer, Martin Ni-
colaus, Alfred H.Pellegrini
und Josef Eberz rühmlich her-
vorgetan. May, geb. 1880 in
Berlin, ist mit Stilleben und In-
terieurs an die Öffentlichkeit ge-
treten, von denen sich zwei der
schönsten im Besitz des Königs
von Württemberg und des Staats-
ministers Schorlemer-Lieser be-
finden; hierzu haben sich neuer-
dings gute Bildnisse, wie das hier
wiedergegebene des Konzertmei-
stersWendling, und Landschaften
gesellt. Pellegrini (geb. 1881
in Basel) hat sich durch tüchtige
Kompositionen von Akten in
Landschaften sowie frische Land-
schaftsbilder aus Paris, von der
Nordsee und aus Venedig einen Namen gemacht. Unter seinen großen Akt-
kompositionen ist eine der schönsten die im Besitze von Professor Th. Fischer
in München befindliche, hier abgebildete Brücke. Für die Decke des Künstler-
bundsaales schuf er 191 3 vier Hegende Akte. Eberz (geb. 1880 in Limburg a. L.),
der alsLandenberger-
schüler begann, lehnt
sich neuerdings stark
an Hölzel an. Er be-
vorzugt religiöse Mo-
tive; eine gute Vor-
stellung seiner Art gibt
die hier abgebildete
Pietä. Von jüngeren
Schülern Hölzeis seien
W. Baumeister,
Heinrich Eber-
hard und Karl Diem
genannt, unter seinen
Schülerinnen Ida
Kerkovius, eine
energisch vorwärts-
154
V. May-Hulsmann, PuppenstiUeben
B. May, Carl Wendung
strebende Künstlerin,
ValerieMay-Hüls-
mann, die Schöpfe-
rin köstlicherPuppen-
stilleben, und Lydia
Schäfer, die sich be-
sonders die Pflege
monumentaler Glas-
malerei angelegen
sein läßt.
Es konnte nicht
ausbleiben, daß Höl-
zeis anregende Lehr-
tätigkeit auch jenseits
der Grenzen seines
Ateliers sich gel-
tend machte. Käthe
Schaller - Haerlin
zeigt in ihren Wand-
bildern in den Kirchen
zu Tailfingen (1907)
und Holzelfingen
(1908 — 1909), in
den großartigen Wer-
ken der Barmherzig-
keit in den Kirchen zu
Lichtental (1908 — 1910) und in der Kreuzigung der Eberhardskirche in Tü-
bingen (1911) einen an Giotto geschulten Stil, der sich zumal mit Brühlmanns
Art berührt; auch ihre trefflichen Bildnisse, wie jene des Oberstudienrates
Julius von Hartmann und des Architekten Martin Elsäßer, lassen sich in
ihrer breiten und stark auf der Wirkung der Farbe beruhenden Malweise am
ehesten mit Arbeiten aus dem Kreise Hölzeis in Verbindung bringen. Helene
Kob hat die Kirche in Rommeishausen ausgemalt. Auch Frida Lutz muß
an dieser Stelle genannt werden, die, indem sie den Stil ihrer energischen
und frischen Landschaften und Bildnisse erst bei Otterstedt, dann in Zürich
ausbildete, zu ähnhchen Ergebnissen gelangte wie die Hölzelschüler.
BAUM
F. Lutz, Kinder des Professors Neisser, Stettin
156
KARL SCHMOLL VON EISENWERTH
Ein erziehlicher Gedanke von weitreichender Bedeutung hat in den deutschen
Bauschulen der Gegenwart in stetig wachsendem Umfange Anerkennung ge-
funden, es ist die Einsicht, daß in den jungen Talenten, die dort ihren Studien
obliegen, das künstlerische Bewußtsein einer Stärkung bedarf gegenüber der
Menge technischen Wissens, das man gleichzeitig von ihnen verlangt. In der
Tat, was ist natürlicher, was ist selbstverständlicher, als daß diese Schulen
bestrebt sein sollen, Künstler zu erziehen und nicht nur technisch geschulte
Beamte oder Handwerker? Die Stuttgarter Technische Hochschule hat den
Vorzug, diesem Gedanken bei einer vor mehreren Jahren erfolgten Neuordnung
ihres Unterrichtes im Architekturfach als eine der ersten Rechnung getragen
zu haben. Ist es auch heutigestags weder möglich noch notwendig, die All-
seitigkeit der künstlerischen Bildung wiederherzustellen, vermöge deren sich
vor Zeiten die Eigenschaften des Baumeisters, des Malers und des Bildhauers
in einer Person vereinigen konnten, so ist es doch bei dem Zusammenwirken
aller drei Künste, zu dem gerade die Architektur so vielfältigen Anlaß gibt,
eine heilsame Forderung, daß der angehende Baukünstler auch die beiden
Schwesterkünste der Malerei und der Plastik bis auf einen gewissen Grad be-
herrschen gelernt habe, und wäre es auch nur in der Form, wie es Lessing von
dem Kritiker in seinem Verhältnis zum Dichter verlangt, er solle wenigstens
versucht haben, was jener bewerkstelligen muß, damit er von dem, was er selbst
nicht zu machen vermag, doch urteilen könne, ob es sich machen läßt.
In Stuttgart wurde dieser Grundsatz dadurch verwirklicht, daß bald nach-
einander, in den Jahren 1906 und 1907, die Professoren Ludwig Habich und
Karl Schmoll von Eisenwerth als Lehrer, der eine für Plastik, der andere für
Malerei, an die Hochschule berufen wurden. Eine besonders weitgehende Viel-
seitigkeit wurde dabei namentlich von dem letzteren verlangt, da ihm zugleich
der Unterricht im dekorativen Entwerfen übertragen wurde. Jedoch erschien
gerade er einer solchen Aufgabe in besonderem Grade gewachsen. Als Lehrer an
den bekannten Ateliers für freie und angewandte Kunst von W. von Debschitz in
München wie durch eigene Praxis in kunstgewerblicher Tätigkeit, in Metall-
schmuck, Stickereientwürfen, Möbel- und Glasarbeiten hatte er längst Gelegen-
heit gehabt, eine ebenso originelle Erfindungsgabe als gründliche theoretische
Kenntnisse im dekorativen Fachgebiet zu erproben. Mit dieser Betätigung
aber verband er die Eigenschaften des Malers von Beruf. Von der Malerei
war er ausgegangen, und auf dem Gebiete der Malerei lag auch von früh an
das letzte Ziel seines künstlerischen Ehrgeizes, die Ausübung der Wandmalerei
in großem Stil.
Schon die Malerwerke aus den ersten Jahren seiner selbständigen künst-
lerischen Tätigkeit, die etwa von 1899 an datieren, zeigen in gewissem Sinne
Neigung zu stilvoller Behandlung. Lyrische Eingebungen wie sie sind, zuweilen
an den schlichten Ton des Volksliedes anklingend, schildern sie blühende
Gärten oder Wiesen, von Wäldern eingehegt, dazwischen froh genießende
157
Menschen, auf einsamem Ritt dahinstreifend, oder in geselligem Spiel an
schattigem Waldrand gelagert, oder wandernd über Land, und Wetter und
Winden in jugendlicher Lust die Stirne bietend. Zu diesen Bildern wie zu einer
Reihe von graphischen Blättern verwandter Art in Radierung, Lithographie und
Holzschnittmanier sind zahlreiche Studien von bewundernswerter Gründlichkeit
vorhanden. Auf der anderen Seite aber nähern sich die geschilderten Werke
in einem bewußten Hinarbeiten auf einfach und bedeutend gesehene Farben
und Töne doch auch, wie schon angedeutet, jenem ,, Übersetzen" des Natur-
vorbildes, das ebenso von der in großen Formen ausgeübten Flächenkunst
unzertrennlich ist, und so bilden sie ideell eine Art von Vorstufe für die
monumentalen Malereien des Künstlers, die auszuführen er späterhin in der
Tat berufen war.
Die Stuttgarter Jahre Schmolls, die mit dem Beginn jener ausgedehnten
öffentlichen Bautätigkeit zusammenfielen, welche dem Gesamtbilde unserer
Stadt die Erinnerung an die Regierungszeit König Wilhelms H. dauernd ein-
prägen wird, haben den Monum.entalcharakter seiner Kunst zur Reife gebracht.
Allerdings nicht sogleich war es ihm vergönnt, sich in dieser Richtung hervor-
zutun. Vielmehr schien die erste Zeit seiner neuen Lehrtätigkeit mit ihrer viel-
fachen Inanspruchnahme durch den Unterricht eher eine Karenzzeit in rein
künstlerischer Hinsicht bedeuten zu sollen. Allein diese Hemmnisse wurden
durch eine um so höher angespannte Energie in den zu eigener Arbeit frei-
bleibenden Stunden überwunden. Diese Stunden wurden ausgefüllt durch
emsige Atelierstudien, Versuche, was sich dem Material des Malers nach der
Seite einer rein gegenständlichen Vertiefung abgewinnen lasse. Die Sommer-
reisen des Künstlers gaben Veranlassung zur Fortführung dieser empirischen
Studien auch auf anderem Boden, und so gingen aus ihnen schließlich die Er-
zeugnisse einer höchst intimen und reifen Atelierkunst hervor, von der wir
wiederum einzelne Beispiele zeigen können, so das Mädchen mit dem Turban,
so das Motiv von der Riviera mit der stehenden weiblichen Figur im Vorder-
grunde (s. Abb. S. 159 u. 161), und so das Vorbild von einer unserer farbigen
Tafeln, das aus einer größeren Reihe verwandter Interieurdarstellungen aus-
gewählt wurde. Als Ganzes genommen bedeuten diese Schöpfungen in dem
Gesamtwerk Schmoll von Eisenwerths eine neuere Phase der Bildgestaltung,
in der er stärker als früher die Kontraste von Licht und Schatten betont, auf
mannigfaltigere Weise die Lokalfarben zerlegt und zueinander in Beziehung
gesetzt hat: eine Gattung von allereigenstem Reiz der Farbe und von unmittel-
barster Innerlichkeit, von der man wohl sagen darf, daß sie das, was die
künstlerischen Mittel hergeben, ohne Rest zum Ausdruck bringt.
Von dem Ziele der Malerei im Zusammenhange mit architektonischer
Raumgestaltung haben den Künstler auch diese Zwischenarbeiten nicht ab-
gelenkt. Boten ihm schon kleinere private und öffentliche Aufträge hin und
wieder die Möglichkeit, dieser Neigung treuzubleiben, so durfte nun auch die
Arbeit der beiden letzten Jahre ganz vorwiegend der Beschäftigung mit monu-
mentalen Aufgaben gewidmet sein. Als Beisteuer zur malerischen Innen-
ausstattung der neuerbauten Hoftheater, und zwar für den Salon der Galaloge
158
im sogenannten Kleinen Hause, entstanden von seiner Hand vier kleinere
Bilder mit Szenen aus bekannten Opern- oder Schauspieldichtungen. Ein
zweiter, umfangreicherer Auftrag bestand in einem Wandgemälde allegorisch-
mythologischen Inhalts, einem ,, Urteil des Paris", das der Ausschmückung
eines zu ebener Erde gelegenen Gesellschaftssaales in dem von Theodor Fischer
errichteten Kunstgebäude dienen sollte. Und noch waren diese Werke nicht
ganz abgeschlossen, als ein letzter Auftrag und zugleich der größte von allen
K. Schmoll von Eisenwerth, Der schwarze Turban
an den Künstler herantrat, ein Bogenfeld in dem Lesesaal der neuen, von Paul
Bonatz erbauten Tübinger Universitätsbibliothek mit einer Figurenkomposition
zu schmücken, für die in Anspielung auf den geistigen Austausch zwischen
Lebenden und Toten, den Buch und Schrift vermitteln, die Beschwörung des
Teiresias durch Odysseus gewählt wurde.
Die vier Bilder des Kleinen Hoftheaters vergegenwärtigen je eine Szene aus
dem ,,Don Juan", der ,, Entführung aus dem Serail" (s. Abb. S. 163), aus ,,Was
ihr wollt" und aus der ,, Laune des Verliebten". Da sie von mäßiger räumlicher
Ausdehnung sind, konnte bei ihnen hinsichtlich der Anordnung und Farben-
wahl eine gewisse mittlere Linie zwischen der strengen Tektonik des eigent-
lichen Wandgemäldes und dem beweglicheren Rhythmus einer mehr dekorativen
159
Bildform eingehalten werden. Ihre Vorwürfe selbst aber schildern sie mit einem
Feingefühl auch des musikalischen und dramatischen Verständnisses, das sich in
Bewegungs- und Gefühlsausdruck zur Höhe einer erschöpfenden Charakterdar-
stellung erhebt, und das den Betrachtenden mit dem Ergebnis der künstlerischen
Planung zugleich die volle Stärke der dichterischen Schöpfung genießen läßt.
Die Quelle der Inspiration, die hier so leicht und spielend dahinläuft, sie
wird zum» starken, mächtig schwellenden Strom in den beiden anderen Monu-
mentalwerken, die wir nannten, dem Parisurteil und dem Abenteuer des Odysseus
im Schattenlande. Der ,, Segen des Rhythmus" herrscht auch in diesen letzten
Gemälden. Ebenso deutlich wird man aber auch im Vergleich zu den vor-
hergenannten die Elemente der Bildgestaltung wahrnehmen, welche sie
von diesen unterscheiden. Dort in den Komödien- oder Opernszenen sind es
Fluchtlinien der verschiedensten Richtung, auch in die Tiefe des Raumes hinein,
denen die Kompositionsgedanken eingegliedert sind, wie es der freien Form
von Malereien entspricht, die in lockerer Anordnung über die Wände verteilt
sind. Dagegen überwiegen in den ein für allemal festliegenden großräumigeren
Schöpfungen die elementaren Richtungskontraste der Horizontalen und der
Vertikalen, die ja normalerweise immer da am nachdrücklichsten in ihre Rechte
eintreten, wo dem Flächenbilde der schmückende Beruf des Wandgemäldes im
festgeschlossenen Gefüge eines architektonischen Ganzen zufällt. Bei dem in
eine oblonge Umrahmung eingeschlossenen Parisurteil (s. die Tafel) kommt
dieses Prinzip wohl am deutlichsten zum Ausdruck, und die einander ent-
gegenwirkenden Bewegungstendenzen halten sich auf ähnliche Weise in
Spannung wie etwa die lastenden und tragenden Kräfte im architektonischen
Gebilde. Wenn aber das Gleichgewicht dieser verborgenen Beziehungen und
die aus ihnen entspringende Eurhythmie der Formen ein Vorzug ist, den man
vor allem in den Werken hellenischer Kunst zu fühlen glaubt, so zeigt sich
in unserem Wandgemälde der antike Mythos vom Wettstreit der Schönheit
in einem Gewände, das ihm doppelt wohl ansteht. Es ist das trotzdem kein
entlehntes Gewand, sondern was hier antik ist in der Reihung der schlank
und gebieterisch aufgerichteten Hauptfiguren, die mit dem Horizont des in der
Ferne rauschenden Meeres und der darüberliegenden schimmernden Wolken-
bank im einfachsten und zugleich einleuchtendsten aller Kontraste hervor-
treten, das erscheint doch in völlig neue Formen von ursprünglicher Kraft
und Anmut ausgegossen. Eine unverfälschte moderne Geschmacksbildung hat
dem Gemälde auch an dem Orte seiner Bestimmung eine Umgebung geschaffen,
die seiner würdig ist. Die Innenausstattung lag hier in der Hand des Archi-
tekten Wilhelm Weigel, der mit ausgewähltem künstlerischem Takt auf den
Charakter des Gemäldes einzugehen gewußt hat.
Aus dem Reich des Lichtes, das die olympischen Götter bewohnen, führt
das letzte und größte Gemälde hinunter in die stygische Nacht. Wie es im
elften Gesang der Odyssee geschildert ist, erscheint, vom Totenopfer angelockt,
der Schatten des Teiresias dem vielgewandten Dulder, der mit zweien seiner
Gefährten die rechte Bildhälfte einnimmt. Von links drängen die Schatten aus
der Unterwelt heran, um aus der Opfergrube das Blut der geschlachteten Tiere
i6o
f
xn
•33
60
^
CO
Ol
(O
d
^ ja
o ü
•-.JH
zu trinken, Männer und Frauen aus den Heldengeschlechtern der Achäer,
an ihrer Spitze Achill in Waffen, wie er vor Troja fiel. In einem Saale, der die
glücklichsten Raum- und Lichtverhältnisse in ruhiger Vornehmheit zur Schau
trägt, beherrscht das Gemälde die Mitte der einen Langseite gegenüber dem
Hauptzugang. Eingeschlossen in ein Kreissegment, das von zwei Säulen ge-
K. Schmoll V. Eisenwerth, An der Riviera
tragen wird, ist es mit so ausgesprochener Deutlichkeit in den Verband einer
leitenden architektonischen Idee eingefügt, daß auch seine eigene innere Organi-
sation mit Notwendigkeit dem Rechnung tragen muß. Daher die kon-
struktiven Grundlagen der Anordnung: ausgesprochene Symmetrie der Bild-
hälften, Entwicklung der Figurenkomposition nicht sowohl in die Tiefe als in
fortschreitender Bewegung von einer Seite zur anderen (s. Abb. S. 162), und
ebendaher auch die Farbengebung. Ist grundsätzliche Zurückhaltung im
Stuttgarter Kunst 21 161
Kolorit ein Opfer, das der monumentale Stil an sich verlangt — auch in
dem Parisurteil hat sich der Künstler dieser Forderung nicht ganz entzogen — ,
so mußte hier vollends mit Rücksicht auf die rings umgebende weiße Wand-
fläche die Farbe eine gewisse Dämpfung erleiden. Und während in jenem Bilde
noch immer eine heitere und sonnige Färbung im umschließenden Ganzen
eines vertraulich gehaltenen Innenraumes erlaubt war, hat der Künstler hier auf
einem neutralen dunkelblauen Grundton, der den Fond des Gemäldes bildet,
nur ganz einfache Farbcharaktere sprechen lassen. In symmetrischem Aufbau
tritt ein beherrschender Kontrast von Gelb und Violett hervor, dem, wie der Ein-
•schlag in der Kette eines Gewebes, rote, blaue und grüne Töne als Gewandfarben
auf beiden Seiten sekundieren. Es ist eine Stimmung, wie sie auch gedanklich
dem Gemälde der Unterwelt entspricht. Unheimlich leuchtet der gelbe Schein
der Opferflamme hinab in Persephones Reich, während die komplementäre
Farbe des Violett in den Lokalfarben einzelner Gewänder und durchgehends
in den Schattenpartien des Gemäldes wiederkehrt: wie ein kühler Hauch aus
jenen Tiefen, aus denen kein Rückweg offen steht. So schließt sich in rückhalt-
loser Anerkennung der gegebenen örtlichen Vorbedingungen ein Komplex
schmuckvoller Formgedanken zu einem Ganzen zusammen, das doch auch
wieder sehr viel mehr zu bedeuten hat als ein bloßes Ornament. Es ist aufs
neue der Geist der Dichtung, dem der Zusammenhang der stofflichen Dar-
stellungsmittel einen eigenen höheren Gehalt entnimmt. Und nicht nur ein
K. Schmoll V. Eisenwerth, Aus dem Karton zur Beschwörung des Teiresias
162
Szene aus der Oper „Die Entführung aus dem Serail"
Stultgartj Kgl. Hoftheater
unbestimmter Gefühlsausdruck, vielmehr eine sichtbare Handlung belebt dieses
Ganze, gewaltig einherschreitend und in ergreifender Seelenschilderung wie
der Gang des Liedes selbst, dem sie entnommen ist.
Eine Kunst, die so Großes wirkt in ihrer Gesamterscheinung, wird nie
größer sein, als wenn ihr auch im einzelnen ein reines und korrektes Form-
gefühl zur Seite geht. Es wird sich dabei nicht so sehr um die sogenannte
Naturwirklichkeit handeln, um so mehr aber um den überzeugenden Ausdruck
des Wesentlichen der Erscheinung in seiner bleibenden und gesetzmäßigen
Bedeutung. Ein Zeichner wie Schmoll von Eisenwerth besitzt die Gabe, um
auch einer solchen Idealität der formalen Auffassung Genüge zu tun, und
das ist das letzte, das uns die geschilderten Werke erkennen und genießen lassen.
Denn ihr Absehen ist auf allseitige Vollendung gerichtet, und ihr letztes Ziel
ist die Schönheit. Ihr Urheber selbst hat die Gesinnung, die ihn bei seiner künst-
lerischen Arbeit leitet, unlängst an einer anderen Stelle in die Worte gekleidet:
,, Allein die edle Form macht Großes wahrhaft groß, gibt Kleinem einen Wert,
macht Leidiges erträglich." Den Schlüssel zum Verständnis seiner Werke
braucht man an keiner anderen Stelle zu suchen, er hat ihn uns mit diesen
Worten selbst in die Hand gegeben.
WEIZSÄCKER
163
OTTERSTEDT PANKOK CISSARZ KERSCHENSTEINER
GREF REILE
Eine der markantesten Künstlerpersönlichkeiten, die uns das weitere
Vaterland zugeführt hat, ist Karl Alexander Freiherr von Otterstedt.
Er stammt aus einem alten Adelsgeschlecht, das in der Geschichte der Mark
Brandenburg eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat. Sein Vater lebte als
preußischer Legationsrat in St. Petersburg, als der Künstler am 20. April 1848
geboren wurde. Die erste künstlerische Erziehung erhielt er auf der Akademie
von St. Petersburg; später besuchte er die Kunstschule in Weimar, dann die
in Karlsruhe. Darauf lebte er einige Zeit in Florenz bei Böcklin, der ihm, wie
Otterstedt in einer kleinen autobiographischen Skizze berichtet, großes Interesse
entgegenbrachte. Wir finden ihn dann zwei Jahre selbständig in München und
längere Zeit in Luzern, wo er sich eifrig dem Aktzeichnen widmete. Endlich
beschloß er seine Studien in Stuttgart bei Schraudolph und Keller.
Keine Frage, daß Otterstedt recht hat, wenn er sich das Zeugnis gibt,
ein rastloser Arbeiter gewesen zu sein. Wie unermüdlich er die Motive drehte
und wendete, bis die Erscheinung ihm genügte, zeigte die Gedächtnisausstel-
lung vom Anfang des Jahres 1910. Die alten Meister, die er von Jugend auf
gesehen und bewundert hat, bezeichnet Otterstedt als seine dauernden Vor-
bilder, aber es steht fest, daß er seine eigene Note in der Malerei suchte und hatte.
Die Schönheit der Farbe, ihre Sattheit und Leuchtkraft ist im allgemeinen das
Mittel, mit dem er wirkte, daher seine Freude an den Päonien, an starken und
kontrastreichen Wetterstimmungen, an mythologischen Stoffen, in denen eine
brennende Lebenslust zum Ausdruck kommt. Eine solche Kunst wird gern
einen dekorativen Zug haben und die rhythmische Linie suchen. Darin liegt
die Verwandtschaft Otterstedts mit der modernsten Richtung unserer heutigen
Malerei. Fortleben wird er in der Geschichte der Stuttgarter Kunst vor allem
als der Maler jener leuchtenden Blumenstücke, in denen die Farbenfreude,
wie kaum bei einem anderen unserer Künstler, ihre Triumphe feiert.
Bernhard Pankok. Pankok ist, wie an anderer Stelle geschildert
werden wird, der Vorstand der Lehr- und Versuchswerkstätten und ein Kunst-
gewerbler von der eigenartigsten Komplexion. Er ist als kunstgewerblicher
Erfinder Individualist und Poet, ein Freund des Feinen, Zierlichen, Stimmungs-
vollen: in seiner Arbeit durch das trockene Moment des Nützlichen eher ge-
hemmt als gefördert. Hier interessiert er uns nur als Maler und Graphiker,
als das, was er ursprünglich war und im Lauf der Zeit mit neuer Begeisterung
wieder geworden ist.
Die Ausstellung, mit der er den nach ihm benannten Saal in der Gemälde-
galerie eröffnete, machte plötzlich klar, daß er auch als Vertreter der freien
Kunst eine eigenartige Persönlichkeit ist, die sich auf einmal aufs entschiedenste
offenbarte. In Landschaften und Porträts oder Studienköpfen aus seiner Jugend-
zeit zeigte er eine gewisse altmeisterliche Feinheit und DeHkatesse; man hätte
die Sachen ohne alles weitere unter die Niederländer der Kgl. Gemäldegalerie
164
c
o
J3
a,
a
VI
c
>
o
J3
■4-»
lU
0)
3
<
d
c
nj
x:
o
OTTERSTEDT PANKOK CISSARZ KERSCHENSTEINER
GREF REILE
Eine der markantesten Künstlerpersönlichkeiten, die uns das weitere
Vaterland zugeführt hat, ist Karl Alexander Freiherr von Otterstedt.
Er stammt aus einem alten Adelsgeschlecht, das in der Geschichte der Mark
Brandenburg eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat. Sein Vater lebte als
preußischer Legationsrat in St. Petersburg, als der Künstler am 20. April 1848
geboren wurde. Die erste künstlerische Erziehung erhielt er auf der Akademie
von St. Petersburg; später besuchte er die Kunstschule in Weimar, dann die
in Karlsruhe. Darauf lebte er einige Zeit in Florenz bei Böcklin, der ihm, wie
Otterstedt in einer kleinen autobiographischen Skizze berichtet, großes Interesse
entgegenbrachte. Wir finden ihn dann zwei Jahre selbständig in München und
längere Zeit in Luzern, wo er sich eifrig dem Aktzeichnen widmete. Endlich
beschloß er seine Studien in Stuttgart bei Schraudolph und Keller.
Keine Frage, daß Otterstedt recht hat, wenn er sich das Zeugnis gibt,
ein rastloser Arbeiter gewesen zu sein. Wie unermüdlich er die Motive drehte
und wendete, bis die Erscheinung ihm genügte, zeigte die Gedächtnisausstel-
lung vom Anfang des Jahres 1910. Die alten Meister, die er von Jugend auf
gesehen und bewundert hat, bezeichnet Otterstedt als seine dauernden Vor-
bilder, aber es steht fest, daß er seine eigene Note in der Malerei suchte und hatte.
Die Schönheit der Farbe, ihre Sattheit und Leuchtkraft ist im allgemeinen das
Mittel, mit dem er wirkte, daher seine Freude an den Päonien, an starken und
kontrastreichen Wetterstimmungen, an mythologischen Stoffen, in denen eine
brennende Lebenslust zum Ausdruck kommt. Eine solche Kunst wird gern
einen dekorativen Zug haben und die rhythmische Linie suchen. Darin liegt
die Verwandtschaft Otterstedts mit der modernsten Richtung unserer heutigen
Malerei. Fortleben wird er in der Geschichte der Stuttgarter Kunst vor allem
als der Maler jener leuchtenden Blumenstücke, in denen die Farbenfreude,
wie kaum bei einem anderen unserer Künstler, ihre Triumphe feiert.
Bernhard Pankok. Pankok ist, wie an anderer Stelle geschildert
werden wird, der Vorstand der Lehr- und Versuchswerkstätten und ein Kunst-
gewerbler von der eigenartigsten Komplexion. Er ist als kunstgewerblicher
Erfinder Individualist und Poet, ein Freund des Feinen, Zierlichen, Stimmungs-
vollen; in seiner Arbeit durch das trockene Moment des Nützlichen eher ge-
hemmt als gefördert. Hier interessiert er uns nur als Maler und Graphiker,
als das, was er ursprünglich war und im Lauf der Zeit mit neuer Begeisterung
wieder geworden ist.
Die Ausstellung, mit der er den nach ihm benannten Saal in der Gemälde-
galerie eröffnete, machte plötzlich klar, daß er auch als Vertreter der freien
Kunst eine eigenartige Persönlichkeit ist, die sich auf einmal aufs entschiedenste
offenbarte. In Landschaften und Porträts oder Studienköpfen aus seiner Jugend-
zeit zeigte er eine gewisse altmeisterliche Feinheit und Delikatesse; man hätte
die Sachen ohne alles weitere unter die Niederländer der Kgl. Gemäldegalerie
164
hängen können; Geschmack war die hervorstechendste Eigenschaft an ihnen.
Neben diesen alten Sachen traten aber eine Anzahl von Porträts aus neuerer
Zeit so stark hervor, daß man sofort vermuten mußte, daß hier das besondere
Gebiet des Künstlers liege. Es gibt, wie ich glaube, ein unfehlbares Zeugnis für
das Vorhandensein einer solchen Begabung auf dem Gebiet der Kunst: das ist
die Entschiedenheit, mit der sich die Kunstwerke ins Gedächtnis einschreiben.
Und unter diesen Porträts waren einige, wie das des Dr. Schaible, die man nach
Aussehen, Haltung, Malweise noch nach Jahren deutlich vor sich sieht.
Die Art, wie Pankok das Porträt auffaßt, ist nicht ganz einfach zu be-
schreiben. Zunächst hat man den Eindruck, daß sich ihm mit der Persönlichkeit
— er malt sehr gern Leute, die er genauer kennt — sogleich die Vorstellung
einer bestimmten Stellung und Haltung verknüpft, die in eigentümlicher Weise
zu ihrem Charakter paßt. Dabei kommt es ihm auf das Konventionelle eines
Porträts oder auf irgendwelche Rücksichten des sogenannten guten , .Aussehens"
nicht an. Verkürzungen, Verschiebungen der Körperachsen müssen dazu
dienen, einen charakteristischen, d. h. einen den Charakter des Originals heraus-
hebenden Eindruck hervorzurufen.
Ebenso charakterisierend wie die Stellungen, die Pankok seinen Porträts
gibt, ist ihre malerische Behandlung. Pankok weiß nichts von der konventio-
nellen Hautfarbe, dem obligaten Braun des abgedämpften Atelierlichts. Er
stellt seine Gestalten in volles Licht, und eine bleiche Gesichtsfarbe ist ihm eine
bleiche Gesichtsfarbe, die er nicht zu verschönern sucht. Auch in Licht und
Schatten sucht er nicht mehr zu geben, als man sieht. Die bei Landenberger
geschilderte farbige Durcharbeitung der Haut liegt ihm nicht. Er scheut sich
auch nicht vor Schwärzen und Weißen, wenn sie auch etwas unorganisch
wirken mögen. Denn er sucht die malerische Belebung seiner Porträts nicht
in irgendeinem einzelnen Element derselben, sondern durchaus in ihrer Gesamt-
wirkung. Hier zeigt sich der kunstgewerbliche Erfinder. Irgend etwas bringt
er immer an, um eine sichere malerische Gesam.twirkung zu erzielen und den
Bildern jenes eigentümlich Pikante in der Farbe zu geben, das sie so tief ins
Gedächtnis einprägt. Es handelt sich dabei meistens um einen starken Farben-
klang, der erfrischend wirkt und so streng aufgefaßte und charakterisierte
Porträts ins Reich des Dekorativen erhebt.
Am bekanntesten ist das Porträt des Vorstandes der Stuttgarter Gemälde-
galerie, Dr. Diez, geworden, das durch ganz Deutschland gewandert und bis
nach Amerika gekommen ist. Überall erkannte die Kritik das eigentümlich
Packende in der Gesamterscheinung des Porträts und suchte es zu definieren.
Die meisten priesen die Zusammenstellung des verschiedenen Schwarz in der
Kleidung mit der Schwärze des Haares und Bartes, auf der in der Tat der
charakteristische Reiz des Ganzen beruht — obwohl es Pankok schwerlich
eingefallen sein würde, dies zur malerischen Hauptwirkung zu machen, wenn
es nicht zu der rötlichen Farbe der Wangen so gut gepaßt hätte. Andere
rühmten das Arrangement mit der kleinen Stickerei, andere die volle Natürlichkeit
und Einfachheit der Auffassung, die ungesuchte Verkürzung des Oberkörpers
— aber in dem Eindruck der seltsamen Kraft des Porträts war alles einig.
165
Viel bewundert und studiert wird dann weiter das Bild der Frau Professor
Haustein in der Kgl. Gemäldegalerie Stuttgart. Auch hier hat zunächst die
Haltung, das Vorgebeugtsein des schief zum Beschauer sitzenden Körpers,
eine äußerst charakteristische Wirkung. Sie steht in einer gewissen pikanten
Spannung zu der flächenhaften Malerei, die wie ein japanischer Farbenholz-
schnitt anmutet, und zu der schönen geschlossenen Silhouette auf dem einfachen
Hintergrund. In derselben Weise wirkt die Färbung des Gewandes in kleinen
einfachen komplementären Flecken von Rot und Blaugrün. In der Charakte-
ristik ist dann alle Kunst verwendet auf die feingliedrige Hand und den ebenso
fein gebauten Kopf, die, dem ganzen Charakter der Malerei entsprechend,
hier zu einem zarten malerischen Ge-
bilde geworden sind.
Unter den neueren Porträts Pan-
koks, die ich nur zum Teil kenne,
hat mir besonders imponiert das
des greisen Generals von Blume.
Hier galt es, eine Uniform mit ihren
Orden, eine Fülle von Farben und
dekorativen Details zu überwinden,
eine Aufgabe, an der bekanntlich
die meisten scheitern. Pankok hat
sie einfach dadurch gelöst, daß er
den General in ein beleuchtetes Grün
hineinsetzt, das ein vollkommenes
Gegengewicht gegen die farbigen Töne
der Uniform bildet und zusammen
mit diesen den greisen Kopf in ein-
facher Größe hervorwirken läßt.
Diese geistreiche Lösung des Pro-
blems hat etwas Überraschendes, aber
auch etwas einfach Überzeugendes;
und sie erlaubt dem Künstler, die
Wirklichkeit, wie er es gewohnt ist, in schlichter Wahrheit nachzubilden.
Der Ruhm Pankoks als Porträtmaler hat sich rasch verbreitet, und mehr-
mals ist er von Lichtwark berufen worden, um jene Sammlung ausgezeich-
neter Porträts zu vermehren, die Lichtwark in der Hamburger Kunsthalle
versammelt; in diesen Tagen noch hat er den Auftrag bekommen, den Lieb-
ling Deutschlands, den Grafen Zeppelin, zu malen.
Wir können aber Pankok als Maler nicht verlassen, ohne der Tätigkeit
in dem Stuttgarter Hoftheater zu gedenken, zu der ihn der jeder künstlerischen
Weiterentwicklung des Theaters offene Generalintendant Baron zu Putlitz be-
rufen hat. Die Dekorationen zu ,,Don Juan", ,, Figaro" und der ,, Entführung"
scheinen mir eine Leistung von wahrhafter künstlerischer Größe zu sein. Sie
haben die Kritik, die sich anfangs gleichgültig oder gar ablehnend verhielt,
überwunden; mir und vielen anderen haben sie die köstlichen Werke Mozarts
l66
J.V. Cissarz, Bildnis
)*
51^
*i^ '~7?'
'-jiC
,f \
J!äf.As
i/ V/^^
J. V. Cissarz, Straße auf Sylt, Radierung
mit einem neuen Reiz geschmückt, und ich werde niemals mehr dieSolfeggien des
Ständchens hören, ohne den orangefarbenen Mantel Don Juans durch die dunkel-
blaue Nacht leuchten zu sehen. Auch von den Kollegen Pankoks an den Lehr-
und Versuchswerkstätten haben einige in der Malerei Bedeutsames geleistet.
Hans von Heider hat mit großen dekorativen Landschaften viele Freunde
gefunden und, namentlich wo er mit leichterer skizzierender Hand arbeitet, eine
frische und ihm eigene Wirkung erreicht. Ebenso hat Rudolf Rochga vor
einiger Zeit durch eine Ausstellung farbiger Skizzen, in denen er Reiseeindrücke
verarbeitete, das Interesse der Kunstfreunde auf sich gezogen.
Johann Vincenz Cissarz ist ein Danziger, der in Dresden geschult
worden ist und aus dem Gebiete der freien Kunst bald in das der angewandten
überging. Was ihn dazu bewog, ist, wie man jetzt mit Sicherheit sagen kann,
nicht eigentlich der innere Trieb zu dem Handwerklichen gewesen, der für
den Kunstgewerbler wesentlich ist, sondern wohl die Not des Lebens und das
Bewußtsein, daß hier eine Lücke sich aufgetan hatte, die nach künstlerischen
Naturen verlangte. Auf der Schule war er ein gewandter Zeichner, der vorzügliche
Akte machte und von dem man viel erwartete. Sein malerisches Können kommt
zutage, wie er sich aus der Buchkunst, mit der er sich rasch einen Namen,
167
bedeutende Einkünfte und einen Ruf nach Darmstadt verschafft hatte, immer
aufs neue in die Gebiete der freien Kunst zurückgetrieben sieht. Schon 1904
hatte er auf der Weltausstellung in St. Louis die goldene Medaille für dekorative
Malerei erhalten. Als er 1906 von dem Verein württembergischer Kunstfreunde
nach Stuttgart berufen wurde, war er mit einem großen Wandbild für ein
Privathaus in Köln beschäftigt. Man sieht ihn dann von dem dekorativen Zug
(dem jener auf stürmischem Meer fahrende Schiffer noch ganz zugehört) zu
sorgfältig studierten Strandbildern von der Ostsee und Nordsee übergehen,
in denen statt dekorativer Phantastik eine herbe Trockenheit herrscht. Gelingt es
ihm, beides zu vereinen wie in dem großen Porträt einer Dame, die auf einer
Veranda mit dem Hintergrund des Meeres sitzt, so entsteht etwas höchst Charakte-
ristisches, Warmes und Anziehendes. Schließlich geht er in den , .Wächtern"
zum Gigantischen über; und die dekorativen Malereien für den Rathauskeüer
in Stuttgart, zu denen ihm die Stadt den Auftrag gegeben hat, werden wohl
seinen Beruf für immer in dieser Richtung festlegen.
Joseph Kerschensteiner, geboren in Augsburg als Sohn eines be-
deutenden Mediziners und Neffe des bekannten, namentlich um die Kunst-
erziehung so hochverdienten Oberschulrates und Reichstagsabgeordneten, ist
einer der Glücklichen, denen die Natur ihren Beruf deutlich erkennbar schon
in die Wiege gelegt hat. Die Leidenschaft seiner Kinderjahre waren Schuberts
J. V. Cissarz, Die Musik
Stuttgart, Kgl. Hoftheater
168
öp
B
0)
'S
d
J3
o
CO
Ö
o
+->
pq
Ol
«1
P4
Cd
O
.2 S
OS o
Julius Hess
Interieur mit nähendem Mädchen
1
1
J. Kerschensteiner, Elefanten
Tierbilderbücher; dann packten ihn die trefflichen Tierszenen Leutemanns,
die er aus der Gartenlaube jener alten guten Zeit herauszuschneiden pflegte.
In seinen Schuljahren sehen wir ihn über Menagerie und Zirkus alles, auch
die Schule, vergessen. Aus der Liebe zu diesen Dingen entsprang in der nor-
malsten Weise die Freude an ihrer Erscheinung und die Lust, sie darzustellen,
und so trieb es den jungen Künstler, der in München sein Realschulabsolutorium
gemacht und dann vier Jahre die Zeichenschule bei Hackl besucht hatte, nach
Karlsruhe , damals dem Eldorado des Tiermalers. Hermann Baisch hatte
dort die vortreffliche Freilichttiermalschule eingerichtet und war ganz der
Mann, die Liebe seines Schülers zu der Tierwelt lebendig zu erhalten. Noch
mächtiger wirkte dann Zügel auf ihn; Zügel, der die Fähigkeit hatte, seinen
Leuten die Welt der Farben im eigentlichen Sinne aufzuschließen, ihnen den
Reiz, der in dem Gegensatz der kalten und warmen Töne liegt, zum Bewußtsein
zu bringen und dem Auge mit einer fast wissenschaftlichen Erkenntnis dieses
Gegensatzes zu Hilfe zu kommen. ,,Der richtige Kolorist," pflegte er zu sagen,
,,ist nur der, der auch beweisen kann, warum hier ein kalter, dort ein warmer
Ton, warum dieser kalte Ton kälter als der andere ist." Trotz der leidenschaft-
lichen Aufmerksamkeit, mit der Kerschensteiner diese Erkenntnisse aufsog,
ist er doch nie, wie so viele andere, der Manier Zügels verfallen und etwa auf
den ersten Blick als Zügelschüler zu erkennen. Er besaß das Talent, das Wesent-
liche in der Arbeit und Lehre des Meisters von dem Zufälligen und Individuellen
Stuttgarter Kunst 22 169
zu trennen. Auch auf den Weg der Malerei von Schafen und Kühen Heß er
sich nicht treiben. Diese Tiere interessierten ihn zu wenig. Seine Liebe gehörte
doch wesentUch dem fremdartigen, dem phantasieanregenden, sozusagen dem
romantischen Tier, und nur darin zeigt er die Einwirkung der modernen Schule,
daß ihn das Tier wesentlich als Stilleben interessiert. Er gibt ihm nur so viel Be-
wegung, als es der Eindruck der Lebendigkeit erfordert, verschmäht aber alles,
was den der Illustration machen würde. Die Freude an koloristisch interessan-
ten Tieren hat ihn dann auch nach Stuttgart getrieben, wo ihm der einstige
Nilische Tiergarten eine Fülle von Material bot. Aus ihm stammen eine Reihe
seiner besten Sachen, die ihm nie lange im Atelier stehen blieben; in Malerei
und Zeichnung haben sie einen der großen und seltenen Vorzüge aller echten
Kunst: sie zeigen in jedem Strich die Liebe, mit der der Künstler sich seinem Gegen-
stand hingibt. Ein Elefant von Kerschensteiner ist in der Tat ein Kerl, den
man gern haben muß. Wenn man oft im Gebiet der Kunst auf den Gedanken
kommt, daß aus den warmen Erinnerungen an erregte Kindertage, an Kinder-
wonnen und Jugendentzückungen das Beste quillt, was ein Künstler geben
kann, möchte man auch von Kerschensteiner sagen, daß der warme Hauch
entzückter Jugenderinnerungen auf seinen Bildern liegt. Kerschensteiner
^.
J
Mm-
m
'M
P'
-^■driiiWs'i^,.,,^
'*'.i<rw,mf"^H^tfttti^a^
,t:^,-,/ft,' 5jit:.'"V»r
i'ii*inrti' ■ i«iirf>i>
J. Kerschensteiner, Pferde, Bleistiftzeichnung
170
hat dem von ihm vertretenen Gebiet in Stuttgart Bahn gebrochen und manchen
Künstler nach sich gezogen. Auch als Lehrer ist er vielseitig tätig, mit der
Lebendigkeit seiner Empfindung, mit der bilderreichen und anschaulichen
Frische, die seine Sprache kennzeichnet, mit seiner Einsicht in das Wesen des
künstlerischen Schaffens auch hier ein Meister, der seines Erfolges sicher ist.
Franz Heinrich Gref ist in Stühlingen geboren, hat in München
Landenberger zum Lehrer gehabt, in Karlsruhe bei Schmid-Reutte studiert,
der viel dazu beitrug, den äußerst lebendigen Zeichentrieb in dem Künstler
zu entwickeln, und ist schließlich Kalckreuth nach Stuttgart nachgezogen.
Kalckreuth, im letz-
ten Jahre seines Stutt-
garter Aufenthaltes,
hat nicht mehr viel
auf ihn gewirkt, und
als Hölzel die Schule
übernahm , schickte
ihn dieser zu Haug,
bei dem er vier Jahre
blieb. Künstlerischhat
er indessen wohl Lan-
denberger am meisten
zu verdanken, freilich
weniger im Sinne di-
rekter künstlerischer
Anregung als durch
den Gesamteindruck
der künstlerischen
Persönlichkeit. Gref
hat interessante Land-
schaften gemalt, allein
sein Hauptinteresse
gehört der Figuren-
malerei, und in ihr
hat er sehr frühe schon jene dekorative Haltung eingenommen, die ihn bald
den Architekten empfahl. Theodor Fischer ist es gewesen, der ihn zuerst
für die Kirche in Eglosheim und für die Erlöserkirche in Stuttgart heranzog.
Schon in diesen Anfängerwerken zeigt er die ansprechende Innigkeit, die ihn
zum religiösen Maler prädestiniert erscheinen läßt. Seine dekorativen Wand-
bilder (Realschulen in Kirchheim und Tübingen, Kirche in Neuneck, Ulmer
Garnisonskirche, Stadtkirche in Winnenden) zeigen ein entschieden modernes
Empfinden, in der Linie eine frische, behagliche Derbheit, in der Gesamtauffas-
sung eine vernünftige Anpassung an den architektonischen Zweck. Daß dieses
architektonische Stilgefühl auch für andere Aufgaben der Malerei nicht verloren
ist, beweist das merkwürdig stark wirkende Porträt des Tübinger Mathematikers
Professor Brill. Aber auch in der Fibel für die evangelischen Volksschulen
171
Neuneck, Kirche
Fr. H. Gret, Bergpredigt
f-^/
Z4^-
Fr. H. Gref, Sitzende Frau, Kohlezeichnung
Württembergs, die er mit Pelle-
grini illustrierte, und in anderen
Arbeiten für die reproduzieren-
den Techniken zeigt er, daß er
manches Herzliche und An-
sprechende zusagen hat und sich
verschiedenen Aufgaben in ge-
schickter Weise anzupassen ver-
mag.
Adolf Reile ist, obwohl in
Wiesbaden geboren, in Stuttgart,
dem er seit seinem fünften
Lebensjahr angehört, ganz hei-
misch geworden. Ungleich vielen
anderen ist er von Anfang an
vom Kunstgewerbe ausgegangen,
hat aber in seiner Entwicklung
immer mehr eine freie künst-
lerische Haltung angenommen.
Seine zahlreichen Wandbilder in
Kirchen (Riet, OA. Vaihingen,
Mitteltal bei Baiersbronn, Holz-
heim bei Göppingen u. a,, neuer-
dings auch in badischen Ge-
meinden) zeigen die gemeinsame
Eigentümlichkeit, daß sie aus
einem malerischen Gesamtbild der Kirche herauswachsen, von dem Reile auch
häufig die mit freier Hand gefertigte ornamentale Ausschmückung übernimmt.
Reile weiß den Wert der in der Farbe liegenden Stimmungsgewalt zu würdigen,
und wo ihm die Harmonie ebensosehr wie die Stimmung gelingt, erreicht er
exquisite Wirkungen. Seine Einzelfiguren sprechen bei aller dekorativen Hal-
tung den Charakter häufig mit ganz origineller Frische aus. Besonders ge-
lungen scheinen in dieser Richtung die Apostel in der Kirche zu Baiertal.
Ein anderer Zweig seiner Tätigkeit sind die nach Farbe und Stimmungsgefühl
ganz hervorragenden Entwürfe für den Gartenarchitekten Lilienfein, voll Be-
hagen, voll Naturzauber, voll Phantasie.
DIEZ
172
F. H. Gref, Bildnis
München, Kgl. Neue Pinakotliek
Bernhard Buttersack, Sommer
DIE AUSWÄRTIGEN SCHWABEN
Zu allen Zeiten hat Schwaben einen großen Teil seiner besten Söhne an
das Ausland abgegeben. Vielen bildenden Künstlern ist die Heimat, zumal
in den achtziger Jahren, zu eng gewesen. Sie haben auswärts festen Fuß gefaßt;
München war die bevorzugte Zufluchtsstätte; neben München kommen noch
Karlsruhe, Berlin, Dresden und Paris in Betracht. Vor allem die Münchener
Freilichtmalerei ist in hohem Grade durch Schwaben, wie Zügel, Buttersack,
Eckenfelder, Winternitz, Wolff, gefördert worden. Aber auch an der Entwick-
lung des älteren Realismus sind sie lebhaft beteiligt.
Unter den in München lebenden Vertretern der realistischen Malerei
älterer Richtung sei zunächst Anton Laupheimer, geb. 1846 in Erbach, ge-
nannt, ein Schüler Nehers und Rüstiges, dessen Genrebilder im Stile Defreggers
und Grützners gehalten sind. In etwas modernerer Weise pflegt Karl Hart-
mann, geb. 1861 in Heilbronn, Schüler Grünenwalds, Liezenmeyers und
Schraudolphs, das Sittenbild, während sein Vetter, Richard Hartmann,
geb. 1868 in Heilbronn, Schüler von Gysis, Höcker und Andreas Müller,
neuerdings in Wertheim ansässig, sich unter dem Einflüsse der Worpsweder mehr
der Landschaft zu-
gewandt hat. Gleich- S^^FIT"*^
falls als Landschafter,
von Schönleber be-
einflußt, ist Manuel
Wielandt, geb. 1863
in Kreuzfeld, hervor-
getreten. Wilhelm
Auberlen, geb. 1860
in Stuttgart, Schüler
von Grünenwald, Lie-
zenmeyer, Gysis und
Löfftz, von Lenbach
abhängig, zeigt sich
als tüchtiger Porträ-
tist; seinen Bildnissen
begegnet man, zumal
in württembergischen
Adelsfamilien, nicht K. Bauer, Der Bildhauer Hermann Lang
173
-j^^-^'^^MM^j^pCsSS^^^S^^-^'^Sjif •^^*g<<Sw^ ^^^^|^^HM^^BBHB|taH|
P^^^P^
BhH» ^^^ d^^^kijH^^^Dfil^ "^^^^H^Q^^E
H. Zügel, Heidschnucken
selten. Georg Jauß, geb. 1867 in Hattenhofen, Schüler Grünenwalds und
Kellers, ist ein Maler düsterer Landschaften und ländlicher Interieurs. Wilh.
Paul Keller-Reutlingen ist als Schöpfer verträumter Albbilder bekannt.
Theodor Bohnenberger, geb. 1868 in Stuttgart, Schüler von Häberlin und
Johann Herterich, muß wiederum als Maler eleganter Bildnisse und geschmackvoll
komponierter Aktfiguren genannt werden. Endlich sei Karl Bauer, geb. 1868
in Stuttgart, erwähnt, der unermüdliche bildnerische Biograph unserer Zeit, bei
Grünenwald, Keller, Igler in Stuttgart, Lindenschmit in München, Ferner in Paris
gebildet. Unter seinen Gemälden verdient an erster Stelle das große Temperabild
im Stuttgarter Sonderbundhause, Goethe und Bismarck als Studenten zu Pferde
darstellend, Hervorhebung, ferner sein Lutherbild in der Dreifaltigkeitskirche
in Görlitz. Am bekanntesten sind seine lithographierten Bildnisse berühmter
Männer, vor allem Goethes, Schillers, Mörikes, von Lebenden Schillings',
Stephan Georges, Gerhart Hauptmanns und vieler anderer. Der bedeutendste
unter den in München lebenden Schwaben älterer Schule war der Tiermaler
Anton Braith aus Biberach (1836 — 1905). Schüler Pflugs, seit 1851 in
Stuttgart, seit 1860 in München tätig, hat er sich vor allem unter dem Einfluß
Pilotys und, nach einer Pariser Reise, 1867, auch Troyons gebildet. Seine Tier-
bilder gehören mit zu den besten deutschen Leistungen dieser Art und bleiben
hinter den Schöpfungen Kollers und den älteren Arbeiten Zügels nicht zurück.
Er liebte vor allem die Tiere mit der landschaftlichen Umgebung unter be-
sonderer Betonung des atmosphärischen Stimmungscharakters darzustellen;
174
seine wichtigsten Schöpfungen sind eine Herde vor dem Gewitter, 1867, im
Museum zu Köln, eine Ochsentrift, 1869, in der Kunsthalle zu Hamburg,
Heimziehende Herde, 1872, in Elberfeld, Heranziehendes Gewitter, 1873, in
Biberach, ein ähnliches Bild von 1879 in Wiesbaden, Rückkehr einer Schafherde,
1880, in Stuttgart, Brennender Stall, 1882, in Biberach, Lustiger Morgen, 1886,
in Berlin, Kühe am Bach, 1896, in Biberach. Seit dem Jahre 1897 begann er
sich auch mit Lichtproblemen zu beschäftigen, ohne indes den Vorsprung, den
inzwischen sein jüngerer Landsmann Zügel auf diesem Gebiete erreicht hatte,
noch einholen zu können.
Unter den Münchener Freilichtmalern ist Heinrich Zügel (vgl. Georg
Biermann, H. von Zügel, Velhagen & Klasings Künstlerbiographien Nr. 99,
Bielefeld, 1910) der energischste. Mit einem Ernst und einer Ehrhchkeit ohne-
gleichen hat er die Wirkung des Lichtes auf die malerische Oberfläche der
Erscheinungen dargestellt. Selbst Pleuer, der ihm nahe verwandt ist, wird
von ihm noch weit
übertroffen. In Murr-
hardt 1850 als Sohn
eines Schafzüchters
geboren, hat er sich als
Künstler im wesent-
lichen autodidaktisch
gebildet. 1868 kam er
nach Stuttgart auf die
Kunstschule; da er
hier nichts lernen
konnte , siedelte er
1869 nach München
über und stellte im
nämlichen Jahre be-
reits mit Erfolg im
Glaspalast aus. Seine
Domäne ist die Dar-
stellung des Tieres im
hellen Licht. Die An-
fänge seiner Kunst
freilich zeigen nur das
emsigste formale Stu-
dium. In den frühe-
sten Arbeiten , bis
etwa 1 870 , interessiert
ihn lediglich einerseits
die körperliche Struk-
tur der Tiere, anderer-
seits das Material
ihrer Oberfläche, das E. Wolff, im Ludwigsburger Schloß
17s
F. Eckenfelder, Pflügende Rappen
Fell. Er lernt den Organismus der Schafe, Rinder und Hunde kennen, lernt,
wie sie sich bewegen, lernt die Wolle und das kurz geschorene Fell malen und
das Graugelb und Braun der farbigen Erscheinung. Bald macht sich ein neues
Moment geltend, die Freude an der rein koloristischen Komposition, die später
wieder zurücktritt. Es gibt aus den siebziger Jahren Werke von delikatem
koloristischem Aufbau, zumal die kleinen Bilder An der Tränke und Heißer Tag,
mit denen sich Zügel unmittelbar neben Potter stellte. Eines der letzten
Bilder, deren Wirkung überwiegend auf dem farbigen Reiz beruht, ist die schöne
Herbstlandschaft von 1885 im Besitze der Stuttgarter Galerie. Schon aber tritt ein
anderes Moment in den Vordergrund. Die nächsten Bilder, so die Frühlingssonne
des Breslauer Museums von 1888, werden einfacher, das Kolorit wird neutraler.
Ein Aufenthalt in Holland hat Zügel die silberne Atmosphäre feuchter Ebenen
lieben gelehrt. Von nun an liegt eine Zeitlang ein Duftschleier über allen Bildern.
Die Schafherde der Münchener Pinakothek von 1892 ist ganz auf Duft gestimmt,
und selbst die Schneebilder von 1895 haben noch etwas Altmeisterliches im
Ton, so, wie es die Barbizoner auch schon hätten geben können. Aber von
dem Aufenthalt in Finkenwerder im Jahre 1896 an bricht die Sonne durch.
Mit dem leuchtenden , frischen Bild aus Finkenwerder in der Münchener
Sezessionsgalerie, das hier farbig nachgebildet wird, setzt der Umschwung
ein. Und nun gilt das Ringen des Künstlers nur mehr der Sonne, dem Gegen-
satze von Licht und Schatten, von Warm und Kalt. Welche ungeheure Ent-
176
d
Xi
I
g
o
Ol
m
in
m
'S
Ol
I^HI
S^SI
■■
^H
H
¥ 1
r
^
1
■
L
I
^v tfi^^^^^^H
H
Pill
M ^^ '"ivl^l
9
1 . jB
M
ft
m
m
.3i
ITärt "1 HHH
1
■^M
1
''^^^^^^1
^^^^^^^^
"■*■•.
t^^H
1
^^k'
.'^
'''^1
K
>I^^H
1
1 ^^1.
^^'
■
flu
* *
^^^H
^H
o
a
o
Vi
a
u
Vi
V
a
o
M
d
a
o
a
o
o
B. Buttersack, Der letzte Sonnenstrahl
Wicklung noch einmal in den letzten Jahren von den leuchtenden Heidschnucken-
bildern aus der Lüneburger Heide zu den Wörther Gemälden, deren sonnige
Pracht noch durch die Reflexe des Wassers gesteigert wird! Liebermann, Uhde
und Landenberger mögen in ihren Themen vielseitiger sein — in bezug auf
die Intensität des malerischen Erlebnisses und auf die folgerichtige und er-
schöpfende Lösung der künstlerischen Aufgabe bleibt Zügel nicht hinter ihnen
zurück; ja vielleicht hat die Beschränkung des Stoffgebietes nur um so höhere
Meisterschaft zur Folge. — Unter den zahlreichen Zügelschülern, aus deren
Zahl Kerschensteiner schon früher erwähnt ist, legt Eugen Wolff, geb. 1873
Vw
J/tÖT^uiijktM.
B. Buttersack, Otterhausen, Zeichnung
Stuttgarter Kunst 23
177
in Filseck, seinerseits wiederum ein erfreuliches Können an den Tag. Sein Lieb-
lingsgebiet sind sonnendurchflutete Innenräume (vgl. die Abbildung); außer-
dem pflegt er die Darstellung der oberschwäbischen Landschaft. Auch Fried-
rich Eckenfelder, aus einer Balinger Familie stammend, 1861 in Bern
geboren, hat einige Zeit bei Zügel gearbeitet, sich jedoch im wesentlichen
selbständig entwickelt; von dem Können des trefflichen, langsam schaffenden
Malers geben die hier abgebildeten pflügenden Rappen einen guten Begriff.
Mit der gleichen Vollendung,
mit der Zügel das Tier im Sonnen-
lichte darstellt, behandelt Bern-
hard Buttersack, geb. 1858 in
Liebenzell, die von Sonnenlicht
erfüllte Landschaft. Er studierte
seit 1877 an der Stuttgarter Aka-
demie unter Grünenwald, Ludwig
und Käppis, ging 1881 nach
Dachau, wo er Baisch kennen
lernte, und begleitete diesen als
Meisterschüler nach Karlsruhe.
1884 bis 1889 lebte er in Mün-
chen, von da an meistens auf
dem Lande, seit 1899 in Haim-
hausen an der Amper. Sein Stil,
der in den Anfängen die Einwir-
kung des exakten, doch trocke-
nen Lehrers Karl Ludwig ver-
riet, entwickelte sich bald zu
größerer Breite und Leuchtkraft
der Farbe. Die Schönheit und der
Reichtum des Kolorits seiner un-
mittelbar vor der Natur gemalten
Landschaftsstudien sind kaum
übertrefflich; unter den großen
Bildern sind die namhaftesten der
noch etwas graue Dorfweiher der Stuttgarter Galerie von 1893, der Einödhof, der
letzte Sonnenstrahl, 1902, der Hochsommer, 1903, in der Münchener Pinakothek
(vgl. die Tafel), der Birkenhain, 1904, dessen erste Fassung Graf Moy besitzt.
Nicht minder eifrig als Zügel und Buttersack geht Richard Winternitz,
geb. 1861 in Stuttgart, Schüler Grünenwalds, Kellersund Liezenmeyers, den Licht-
problemen nach. Sein Lieblingsgebiet ist die Darstellung von Innenräumen, durch
die Sonnenstrahlen huschen, so daß die im Zimmer befindlichen Personen und
Gegenstände teils von der Helle getroffen, teils vom diffusen, schummerigen Lichte
halb verborgen werden. Er begann 1898 mit Darstellungen musizierender Gesell-
schaften, später malte er, im Wetteifer mit Landenberger, gern Waldbäche mit
badenden Buben, während heute die Interieurs oder Balkone mit Frauengestalten
178
R. Winternitz, Badende Buben
vorherrschen. Alle Bilder erfüllt ein feiner, poetischer Stimmungsgehalt. Neben
Winternitz möge Karl Piepho genannt sein, der 1869 zwar in Frankfurt
geboren wurde, doch in Stuttgart aufwuchs und hier auch zunächst die Aka-
demie besuchte. Auch er liebt die Darstellung halb vom Licht durchfluteter
Innenräume mit Geschirrstilleben, sowie zarter Frauengestalten im Grünen.
Seine eigenen Wege, und zwar in der Richtung auf das religiöse Monumen-
talbild, geht Gebhard Fugel, geboren 1863 in Oberklöcken, OA. Ravensburg,
Schüler von Grünen-
wald, Liezenmeyer
und Schraudolph. Im
Gegensatze zu der
herrschenden weich-
lichen Geschmacks-
richtung der kirch-
lichen Kunst strebt
Fugel, im Anschluß
an die herben Altdeut-
schen , nach einem
klaren , vertieften
Stile. Seine wich-
tigsten Schöpfungen
sind die Ausmalung
der Kapelle in Lie-
benau bei Tettnang,
1892 — 1893, der Ka-
pelle auf dem Geb-
hardsberg bei Bre-
genz, 1893 — 1894, der
J osephskirche inMün-
chen mit mächtigen
Kreuzwegstationen,
1902 — 1908, der öster-
reichischen Kapelle
an S. Antonio in Pa-
dua, 1904 — 1905, der
K. Caspar, Sebastian
Stadtpfarrkirche in Ravensburg, 1905 bis 1909. In den letzten Jahren hat er
eine Folge von Wandbildern für den religiösen Anschauungsunteriicht und
eine vortreffliche Volksbibel geschaffen.
Auch Karl Caspar, geb. 1879 in Friedrichshafen, Schüler von Ludwig
Herterich und Haug, hat sich vor allem der religiösen Malerei zugewendet; doch
ist seine Maltechnik viel entwickelter als jene Fugeis. Er ist durchaus ein An-
hänger der künstlerischen Richtung, die von E.R.Weiß und Hofer und in Stutt-
gart von der Hölzelschule gepflegt wird; an Gestaltungsvermögen ist er den
meisten der Gleichstrebenden überlegen. Zu seinen reifsten Werken gehören eine
Pietä und ein Sebastian, beide in zwei Fassungen existierend, ferner ein Johannes
179
M. Caspar-Filser, Der Frühlingshügel
auf Patmos, ein barmherziger Samariter, eine Geißelung und ein Samson von
191 1, die prachtvolle Judith, eine Taufe Christi, ein Noli me tangere und ein
Ölberg aus dem Jahre 1912. Die letzten Arbeiten zeigen ihn in einer neuen, noch
einmal kühnere Farbkontraste erstrebenden Entwicklungsphase. Ruhiger und
gleichmäßiger ist seine Gattin Maria Caspar-Filser, geb. 1878 in Ried-
lingen, Schülerin Fr. Kellers, ihren Weg gegangen, unter den süddeutschen
Malerinnen eine der stärksten künstlerischen Persönlichkeiten. Ihre Bilder,
meist belebte Landschaften, erfüllt ein an Reinigers Art gemahnender Rhj'thmus
der Massen, ein Wohlklang der Verhältnisse und eine Geschlossenheit der oft
herben Stimmung, die ihre Schöpfungen künstlerisch völlig abgeklärt er-
scheinen lassen. Zum Schönsten gehören der Föhn, 1909, das Triptychon Obst-
ernte, 1909, der Frühlingshügel, 1910, und die italienischen Bilder aus dem
Jahre 191 1. Beruht der Reiz dieser Werke vor allem auf der wirksamen
formalen Komposition, so sind die Arbeiten von Julius Heß (geb. in Stuttgart
1878, Schüler von Ludwig Herterich) durch eine unvergleichliche Harmonie
der satten, dunklen Farben ausgezeichnet. Es sind meist Bilder kleinen
Formates, Stilleben, Interieurs und Aktstudien von köstlichem Kolorit. In der
Richtung auf kräftige Farbwirkung hin entwickelt sich auch Gustav Essig,
geb. 1880 in Truchtelfingen, der zunächst in Stuttgart Architektur studierte
und sich dann unter Halm und Stuck weiterbildete.
180
c
o
x;
•a
O
H. Zerweck, Landschaft, Zeichnung
Als Zeichner von ungewöhn-
licher Eigenart hat sich Her-
mann Zerweck, geb. in Stutt-
gart 1862, Schüler von Grünen-
wald, Käppis und Keller (vgl.
Baum, Zerweckmappe, München
1908), ausgebildet. Seine Blätter
zeigen trotz starken Abstrak-
tionen eine große Ursprünglich-
keit und Frische und eine
unerschöpfliche Phantasie.
Berlin hat auf die Schwa-
ben stets nur eine geringe An-
ziehungskraft auszuüben vermocht. Hier leben Robert Breyer, geb. in
Stuttgart 1866, in München unter Nauen und Diez gebildet, und Robert
Hoffmann, 1868 in Stuttgart geboren und in Karlsruhe sowie bei Julian
in Paris geschult. Während Breyer in seinen delikaten Interieurs, seinen
Bildnissen und Landschaften sich durchaus die kühle und präzise Technik
des Liebermannischen Impressionismus zu eigen gemacht hat, verrät Hoff-
mann in seinen Landschaften, die Motive aus der Eifel (um 1903), vom
Mittelrhein (1907 und 1908) und
von der Lenzerheide (1909, 1910)
darstellen, noch die Beziehung
zu dem Landschafterkreise um
Reiniger. In Berlin lebt auch
Heine Rath, einer unserer tüch-
tigsten Holzschnittkünstler, der
gleich dem ebenfalls die Holz-
schnittechnik eifrig pflegenden,
nach Weimar übergesiedelten
Walter Klemm einige Studien-
jahre in Stuttgart verbracht hat.
In Dresden schafft Otto
Guß mann, geb. 1869 in Wach-
bach, OA. Mergentheim, einer
der vielseitigsten und kräftigsten
schwäbischen Künstler. Er be-
gann mit kunstgewerblichen Ar-
beiten, hat sich aber mehr und
mehr der Malerei zugewendet
und vor allem als Monumental-
maler Hervorragendes geleistet.
Seine wichtigsten Schöpfungen R- Breyer, Selbstbildnis
dieser Art sind am Burschenschaftsdenkmal in Eisenach, in der Lukas-
kirche in Dresden, der Christuskirche in Strehlen, der Versöhnungskirche
in Strießen , der Kirche in Kainsberg , der Martinskirche in Ehingen , im
Sitzungssaale des Ministeriums des Innern, im Ständehaus, Georgsgymnasium
und Rathaus zu Dresden und im Rathause zu Zeitz zu finden. Die trefflichen
Mosaiken für die Kirche der Dresdener Ausstellung 1906 (vgl. die Abbildung)
sind zerstört. Alle diese Werke zeigen gründliches Naturstudium mit groß-
zügiger Auffassung
gepaart. Unter seinen
Bildnissen ragen jene
seines Vaters und des
Bildhauers Wrba her-
vor. Am frischesten
sind seine kleinen,
koloristisch delikaten
Studien , von denen
wir eine hier auf
einer Farbtafel wie-
dergeben.
Was Zügel für die
Münchener, das be-
deutet für die Karls-
ruher Kunst Gustav
Schönleber. Ge-
boren 1851 in Bietig-
heim , studierte er
1870 — 1873 bei Lier
in München und sie-
delte 1880 nach Karls-
ruhe über. Der ge-
sunde Realismus bar-
bizonischen Gepräges,
den er sich bei Lier
erwarb, wurde auf
holländischen Reisen in den siebziger und achtziger Jahren vertieft und ver-
edelt. Aus dieser Zeit stammen holländische Bilder in den Galerien zu Dresden
(Vlissingen, 1882), Karlsruhe (1882), Stuttgart (Dortrecht, 1884) und München
(1888), die das Studium der holländischen Landschafter des 17. Jahrhunderts
nicht verkennen lassen. Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung zeigt ihn
die Mondnacht am Besigheimer Enzwehr (1890) in der Karlsruher Galerie.
Die neunziger Jahre ziehen ihn häufig nach Italien; in der klaren Luft des
Südens wird sein Stil exakter und kühler; er malt Landschaften von einer
bis ins kleinste sich verlierenden Naturtreue, wie die Punta da Madonnetta
(1893) der Münchener Pinakothek. Kaum zurückgekehrt, empfindet er die
italienische Prägnanz wohl als zu scharf und zu weitgehend; abermalige Reisen
182
Uresden, Kgl. (jemaldegalene
0. Gußmann, Bildnis seines Vaters
r'\
i
(j , Scjo'/t
Ut>ex^. fQo'6
G. Schönleber, Vorfrühling
an die Scheide und Elbe geben ihm die Freude an der Wiedergabe der atmo-
sphärischen Stimmung zurück. Nun entstehen Bilder von rein malerischer
Breite des Vortrags, wie die köstliche, hier farbig wiedergegebene Scheide-
mündung (1899) in der Darmstädter Galerie. Mit dem Beginne des 20. Jahr-
hunderts schlägt sein Stil nochmals, vielleicht unter dem Einflüsse Hans Thomas,
und nun für dauernd ins Zeichnerische um. Was er jetzt, mit spitzem Pinsel fast
wie mit dem Stifte arbeitend, aus der heimischen Landschaft herauszuholen
weiß, ist so persönlich und so ausdrucksstark, daß man die Einbuße an male-
rischen Qualitäten gern in den Kauf nimmt. Zu den köstlichsten Landschaften
dieser letzten Entwicklungsstufe gehören Bilder aus Besigheim (1900) in der
Karlsruher, Sersheim in der Stuttgarter und Lauffenburg (1900) in der Wiener
Galerie. In diese letzte Epoche fällt auch die Schöpfung zweier großer Gemälde
von Straßburg und Rothenburg für das Berliner Reichstagsgebäude. — Zwei
jüngere Stuttgarter, Walter Conz, geb. 1872, Schüler Grünenwalds, Schön-
lebers und des Grafen von Kalckreuth, und Albert Haueisen, geb. 1872,
gleichfalls unter Kalckreuth gebildet, haben sich stilistisch stärker an Thoma
angeschlossen. Conz hat zumal auch schlicht empfundene Radierungen von
großer Schönheit und Stimmungskraft geschaffen.
In Vicovaro in den Sabinerbergen arbeitet Eberhard Ege. In Paris
leben der Stuckschüler Maximilian Keller (geb. 1880 in Tübingen)
sowie Andre Lambert, geb. 1884 in Stuttgart, zuerst bei Freiherrn
von Habermann in München, dann bei Cormon gebildet, aber weit stärker
als durch die moderne Kunst von Gustave Moreau angeregt. Lambert, ein
Künstler von größter Eleganz und sublimstem Geschmack, hat die Motive zu
seinen überaus sorgsam ausgeführten Aquarellen meist aus der Bibel und der
antiken Geschichte gewählt; zwölf der köstlichsten sind 191 2 in vortrefflicher
Nachbildung in einem Mappenwerke (bei Hoffmann in Stuttgart) erschienen.
BAUM
0. Gußmann
Bauer
184
Otto Gussmann
Badende
Besitzer: Albert Gussmann, Ebingen
Ol
S
(U
O
03
O
w
o
n
X>
<u
a
M
■■o
a
ja
D
u
•O
tn
a
:3
>
<ä
(1)
■4J
•Ö
«5
'S
3
ja
Ü
o
f/usfav V. (.Jieale
WJ^Ä^^ v.S{^^,Oti£&ffari
^:a'/ue£' KM&cne'l'
.Stiä^cßbrt in t/er Würüi^^ffletaäwi2renß/>rif(.Öeielingen
'ji^fi^iM'fi^^/if,
^^ttOM^
DIE BILDNEREI
Stuttgarter Kunst 24 185
A. Donndorf, Grabmal der Königin Olga im Alten Schloß zu Stuttgart
DONNDORF UND DIE ÄLTERE HEIMISCHE
ENTWICKLUNG
Das IQ. Jahrhundert mit seiner starken einseitigen Vorliebe für die Schöp-
fungen der Malerei war der Entwicklung von Traditionen und Schulen
auf dem Gebiete der Bildnerei nicht günstig. Deutschland besaß im vergangenen
Jahrhundert einige große Bildhauer, aber sie schufen ohne dauernde Nach-
wirkung; es fehlten Plastikerschulen mit scharf ausgeprägten künstlerischen
Grundsätzen, wie sie für die Epoche der Renaissance bezeichnend sind und
wie deren eine sich zum erstenmal in der Gegenwart wieder in München um
Adolf Hildebrand gruppiert hat. So liegt es denn in der allgemeinen Ent-
wicklung begründet, daß man, wie aus dem vorhergehenden Abschnitte zu
ersehen ist, zwar von einer spezifisch schwäbischen Malerei, doch nicht von
einer solchen Plastik in der Gegenwart sprechen kann. Wir haben in der
Bildnerei zahlreiche individuelle Manieren, aber es mangelt uns ein geschlossener,
für die schwäbische Art charakteristischer Stil. Als besonders ungünstig für
die Entwicklung eines derartigen Stiles erweist sich einerseits der Umstand,
daß einige gerade der begabtesten württembergischen Bildhauer ihren Wohnsitz
in der Fremde genommen haben, andererseits die Tatsache, daß Adolf Donn-
dorf, der als Lehrer der Akademie in dem ganzen Zeitabschnitt, der uns hier
beschäftigt, am ehesten berufen gewesen wäre, den Schülern seine Art ein-
zuprägen, dies nicht vermocht und wohl auch nicht gewollt hat. Wie weit die
beiden neuerdings nach Stuttgart berufenen Bildhauer, Ludwig Habich und
Ulfert Janssen, zwei Künstler von starkem individuellem Stilgefühl, imstande
sind, schulbildend zu wirken, kann erst die Zukunft lehren.
* *
187
A. Fremd, Trauernde
Der Künstler, der jahrzehntelang die füh-
rende Stellung unter den Plastikern Stutt-
garts einnahm, ist Adolf Donndorf, geboren
1835 in Weimar. Von 1853 — 1860 Schüler
Rietschels in Dresden, hat er sich ganz den vor-
nehmen, wenn auch etwas weichlichen Klas-
sizismus seines Meisters zu eigen gemacht.
Noch während seines bis 1876 währenden
Dresdener Aufenthaltes schuf er Statuen für
die Wartburg,
heute im Eisen-
acher Schloß auf-
gestellt, die Figu-
ren des Savona-
rola , des Petrus
Waldus , Reuch-
lins und Friedrichs
des Weisen für das
Wormser Luther-
denkmal und das
treffliche Reiter-
denkmal des Her-
zogs Karl August
(1867), eines sei-
ner edelsten Wer-
ke, für Weimar.
Die wichtigsten
Schöpfungen nach
seiner Berufung
nach Stuttgart
(i876)sinddasRo-
bert - Schumann-
Denkmal in Bonn
(1876 — 1878), das Corneliusdenkmal in Düssel-
dorf {1877 — 1880), ein Brunnen für New York
(1883), das Burschenschaftsdenkmal in Jena
(1884), die Denkmäler für Bach (1885) und
Luther (1896) in Eisenach, für den Fürsten Karl
Anton in Sigmaringen (1890), das Teutschdenk-
mal in Hermannstadt (1898). Für die Gruft
im Alten Schloß fertigte er 1902 die Sarkophage
mit den liegenden Statuen des Königs Karl,
der Königin Olga und des Herzogs Eugen von
Württemberg , für die Hohensyburg die Denk-
mäler Wilhelms L , Bismarcks und Moltkes,
188
MittelstaLit, Kirche
R. Stocker, Johannes
Karl Deibele, Sebastian
weiterhin Reiterdenkmäler Wilhelms I. für Saarbrücken (1904), das kurz vorher
auch einen Bismarck von ihm erhielt, und Heidelberg (1905) und endlich die
große Schillerstatue für das Stuttgarter Hoftheater (1905). An die Stelle der
großen Form des Klassizismus trat in Donndorfs Stuttgarter Entwicklung mehr
und mehr ein bis ins kleinste gehender Realismus; doch verleugnen Kom-
position und Umriß
seiner Werke niemals
die Nachwirkung der
monumentalen Tra-
dition.
Einer der ersten
Bildhauer, die in
Donndorfs Stuttgarter
Atelier eintraten, war
Adolf Fremd. Ge-
boren 1853 in Vai-
hingen a. F., studierte
er zunächst 1869 bis
1874 auf der Stutt-
garter Kunstschule
bei Neher und Wag-
ner, darauf zwei
Jahre bei Haenel in
Dresden. 1876 in die
Notwendigkeit ver-
setzt, sich selbständig
zu machen, fand er
zunächst in Donn-
dorfs Atelier als Ge-
hilfe Unterkunft; da
indes der jüngere
Künstler auf einen
malerischen Realis-
mus ausging, welcher
der Richtung des älte-
ren nicht entsprach,
so dauerte die gemeinsame Arbeit nicht lange. Fremd fand dann bald ausreichende
Beschäftigung als dekorativer Bildhauer; von ihm rührt der ganze bildnerische
Schmuck des Hotels Marquardt und auch ein erheblicher Teil der Figuren am
Landesgewerbemuseum her. Unter seinen Grabmälern mögen jene für Emma
Keller (1878), Leuze, Hauff, Müller, Maria Sick (1902), Clausnitzer, Friedrich
Haußmann, Fischer (1913) auf dem Stuttgarter Pragfriedhof sowie die beiden
für die Familie Otto in Unterboihingen und Nürtingen erwähnt sein; ein schönes
Modell einer Trauernden, das nicht ausgeführt wurde, zeigt unsere Abbildung.
Von seinen übrigen Werken seien die Bronzefigur des Herzogs Eugen von Würt-
189
E. Kiemlen, Amazone
temberg(i878) für die Villa Berg,
der Nachtwächterbrunnen vor
der Stuttgarter Leonhardskirche
(um 1890), eine Beethovenbüste,
ein Kentaur im Garten der Villa
Simolin in Stuttgart, das Eber-
hardsdenkmal auf der Tübinger
Neckarbrücke, das Liszt- und
Urbandenkmal in Stuttgart, ein
Relief Lists und eine Statue
Uhlands im Stuttgarter Rat-
hause, alle diese Arbeiten aus
dem Anfange des 20. Jahr-
hunderts , endlich das Krieger-
denkmal für Champigny aus
dem Jahre 1910 genannt.
Gleichzeitig mit Fremd
studierte bei Wagner in Stutt-
gart und bei Haenel in Dresden
Georg Rheineck, geb. 1848
in Neckarsulm, 1881 — 1884 in
Leipzig, bis 1886 in Karls-
ruhe, seither in Stuttgart tätig.
Seine wichtigsten Werke sind
eine Resignation (1877), die
Büste Reineckes im Leipziger
Gewandhaus, das Peter-Müller-
Denkmal in Friedberg, der Fisch-
fängerbrunnen in Heilbronn,
die Hegelstatue am Stuttgarter
Rathaus und das Paulusdenk-
mal auf dem Hohenneuffen. Als Schüler Wagners sind ferner die Stutt-
garter Rudolf Dietelbach, geb. 1847, Theodor Bausch, geb. 1849,
und Albert Gackle, geb. 1853, zu nennen. Von Dietelbach stammen u. a.
die schönen Bildnisreliefe Mörikes auf dem Stuttgarter Pragfriedhof und
-Robert Mayers auf dem Heilbronner Friedhof, von Bausch die Brunnen-
nymphe (1880) am Neckartorplatz in Stuttgart, Figuren für das Stuttgarter
Landesgewerbemuseum und das Wiesbadener Hoftheater; von Gackle
rühren zahlreiche Statuen am Landesgewerbemuseum, an der Johannes- und
Pauluskirche in Stuttgart, Kruzifixe in Tailfingen und Großeislingen her.
Th. Bausch, Dekorative Figur
190
Eine Reihe jüngerer Künstler verdankt Donndorf die Einführung in die
Bildnerei. Diese Plastiker, die sich später meist ziemlich unabhängig von
Donndorfs Stil entwickelt haben, sind Claus Mohr, Emil Kiemlen, Karl Donn-
dorf, Karl Gimmi, Friedrich Thuma, Georg Daniel Stocker, Rudolf Stocker und
Walter Weitbrecht.
Claus Mohr, geb. 1868 in Lutzhorn, studierte seit 1893 auf der Stutt-
garter Akademie; für das Schillermuseum in Marbach schuf er 1902 Gips-
reliefe nach Schillers Dichtungen; unter seinen Statuetten seien eine Niobide
(1904), Hiob (1905), Christus (1906), Libelle (1911) und ein Faun (1912)
für das Stuttgarter Hoftheater genannt.
Emil Kiemlen, geb. 1869 in Cannstatt, schuf das Denkmal für
Johann Georg Fischer (1898), das Bismarckdenkmal in Heilbronn (1901
bis 1903), das Lenaudenkmal in Eßlingen (1902 — 1903), den Libellen-
brunnen am Herdweg
in Stuttgart (1903 bis
1904), die Statuen
der Könige Karl und
Wilhelm H. an der
Cannstatter Brücke
(1904 — 1906), eine
Bergpredigt für die
Stadtkirche in Ehin-
gen (1907), die große
Kreuzigungsgruppe
für das Grabdenkmal
der Familie Mauser
auf dem Friedhofe
zu Oberndorf a. N.
(1908 — 1911), einen
Johannes für Theo-
dor Fischers Erlöser-
kirche in Stuttgart
(1909), den großen
Junobrunnen für die
Cannstatter Kuran-
lagen (1910), zahl-
reiche Grabmäler und
neuerdings vor allem
Kleinbronzen wie die
reitende Amazone
und zwei anmutige
Tänzerinnen, Werke,
die dem Künstler
ganz besonders gut
gelungen sind.
191
K. Donndorf, König Wilhelm 11.
Karl Donndorf, geb. 1870 in Dresden, Schüler seines Vaters in Stutt-
gart, in Paris und Rom weitergebildet, ist der Schöpfer der Denkmäler für
Stoy und Schäffer in Jena (1893), für Kaiser Friedrich und Prinz Friedrich
Karl auf der Hohensyburg (1897), der Büsten für Karl Alexander und Groß-
herzogin Sophie in Weimar (1899), sowie weiterer vorzüglicher Porträtbüsten,
unter welchen jene des Königs Wilhelm II. von Württemberg, Nietzsches,
Zeppelins, Mascagnis, Siegles,
Sieglins, Scheidemantels und der
Frau Johanna Haustein hervor-
gehoben seien, des Athenebrun-
nens der Villa Siegle in Stutt-
gart und einiger guter Klein-
bronzen, z. B. einer Diana, einer
sterbenden Amazone, einer Pal-
las und eines Faunes.
Karl Gimmi, geb. 1870
in Heilbronn, studierte in Stutt-
gart, Berlin, London, New York
und wendete sich besonders der
Architekturplastik zu. Für das
Krematorium in Stuttgart schuf
er die Reliefe der vier Menschen-
alter, für das Warenhaus Tietz
daselbst das Giebelrelief, für das
Stuttgarter Hoftheater eine der
Attikafiguren. Unter seinen klei-
neren Arbeiten sind sehr reali-
stische Statuetten schwäbischer
Bauern zu nennen.
Friedrich Thuma, geb.
1873 in Biberach, vollendete für
die Stadtpfarrkirche seiner Hei-
mat 1908 einen hl. Martin, für
den Friedhof in Mittelbiberach
IQ09 einen Ölberg, 191 1 einen
Elisabethbrunnen für Waldsee
und 191 2 drei Reliefe für das
Stuttgarter Hoftheater.
Von den Brüdern Stocker ist Georg Daniel, geb. 1865 in Stuttgart,
mehr mit größeren Arbeiten, Rudolf, geb. 1879, bisher überwiegend als Klein-
plastiker und Medailleur hervorgetreten. Unter Daniel Stockers Arbeiten ragen
die Kainstatuette, 1901, im Stuttgarter Museum, die große Listbüste, 1905, in
den Bopseranlagen, einige vortreffliche Grabfiguren, so am Grabmal Hang-
leiters auf dem Stuttgarter Pragfriedhof, 1907 08, die Büste Schönleins, 1909,
in der Stuttgarter Handwerkskammer, die hübsche Nymphe am Brunnen in der
Suuig.irt, KL-turnigviiiiiasmm
D. Stocker, Bocksprünge
192
0mii jaemien
7J
i lOemdorf a. i^cA/zr
ireu^igangj^rujvpe an/ (/em S/raSma/ i/erykmi/iey^uzz/öer
J:::S^g,en6c^ilije^
Ludwig Habich, Figuren am Portal des Ernst-Ludwig-Hauses in Darmstadt
Alexanderstraße, 1908 10, Johannes
schreitend, 1909, Johannes und Paulus
am Portal von Theodor Fischers Ulmer
Garnisonskirche, 1909, vier dekorative
Reliefe im kleinen Stuttgarter Hof-
theater, 191 1, und die in der Urnenhalle
des Göppinger Friedhofs aufgestellte
Figur ,, Erweckung zum Leben", 1912
(vgl. die Heliogravüre), sowie Plaketten
auf Herzog Ulrich, Steinbeis, Kaiser
Wilhelm II., Hugo Wolf hervor. Unter
Rudolf Stockers größeren Arbeiten ge-
bührt vor allem der großen, ruhigen
Pfeilerstatue des Johannes an der Kirche
in Mittelstadt, 1912, Erwähnung. Seine
Plaketten, Relief figuren, die Schnelligkeit,
1906, das Sehnen, 1909, Tanz und Wein.
1910, symbolisierend, sind von guter
J. Maihöfer, Bildnis
D. Stocker, Brunnennymphe
Stuttgarter Kunst 25
Wirkung. Walter Weitbrecht, geb. 1879
in Schwaigern, hat sich hauptsächlich auf
dem Gebiete der dekorativen Plastik be-
tätigt, so mit Wandbrunnen an der Augen-
klinik in Tübingen, 1907, und dem Seminar
in Backnang, 1908, sowie mit Arbeiten
am Ständehaus und der Gewerbeschule in
Stuttgart und der neuen Kirche in Schwen-
ningen. Emil Mayer, geb. 1880 in
Cannstatt, Schüler Donndorfs und Rue-
manns, ist mit Bildnisbüsten hervorgetreten.
Unter den schwäbischen Plastikern,
die ihre Entwicklung außerhalb Stuttgarts
genommen haben, ist vor allem eine Gruppe
von Gmünder Künstlern zu nennen, die
meist auf der Gm.ünder Fachschule be-
gannen, ihre Ausbildung aber im Aus-
lande vollendeten. Unter ihnen muß
Karl Deibele, geb. 1869 in Gmünd,
hervorgehoben werden, der seine wich-
tigsten Lehrjahre bei Ruemann verbrachte.
193
Eines seiner besten Werke ist der hier abgebildete lebensgroße Sebastian,
191 1; vorzügliche Bildnisbüsten von ihm befinden sich in Berliner Privatbesitz.
Johannes Maihöfer, geb. 1875 in Mutlangen, hat seine Ausbildung in Paris
erfahren; er ist hauptsächlich mit Bildnissen hervorgetreten. Rudolf Pau-
schinger, geb. 1882 in Gmünd, Schüler Bosselts in Darmstadt, hat vortreff-
liche Bronzemedaillen, so 1908 mit Bildnissen seiner Eltern, 1910 des württem-
bergischen Königspaares, geschaffen. Ähnlich haben sich Wilhelm Fehrle,
geb. 1884, Schüler von Balthasar Schmidt, und Alfons Feuerle, geb. 1885,
Schüler von Dasio und Wadere, betätigt.
Karl Merz, geb. 1869 in Reutlingen, Schüler Ruemanns, seit 1903 in
Tübingen tätig, ist der Schöpfer des schönen Kinderbrunnens, 1909, im Rat-
hause und der Nymphe, 1910, auf dem von Theodor Fischer entworfenen
Brunnen an der Neckarbrücke zu Tübingen. Für Buttenhausen schuf er 1902
ein Haldenwangdenkmal. Karl Federlin in Ulm fertigte die neuen Statuen
an den Pfeilern des Ulmer Münsters. Theodor Schnell, geb. 1870 in Ravens-
burg, hat eine große Anzahl katholischer Kirchen mit Schnitzaltären aus-
gestattet. Zu seinen wichtigsten Schöpfungen gehören die Arbeiten im Dom
St. Martin in Rottenburg, 1893, in der Stadtpfarrkirche in Ravensburg, 1894,
Davos, 1894, St. Moritz und Wangen, 1900, Stuttgart, St. Elisabeth, 1901,
Poschiavo, 1902, Reutlingen, 1909, Cannstatt, 1910.
BAUM
R. Dietelbach, Mörike
194
HABICH, JANSSEN UND ANDERE NACH
STUTTGART GEZOGENE KÜNSTLER
LUDWIG HABICH
Das benachbarte Großherzogtum Hessen hat uns diesen Künstler geschenkt.
Damit soll weniger die zufällige Tatsache verzeichnet sein, daß Habich
— am 2. April 1872 — in Darmstadt geboren wurde, als an das Milieu er-
innert werden, aus welchem das hoffnungsvolle junge Mitglied der ersten
Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe zu uns kam.
War das ein Ringen und Gären, als im Jahre 1901 Darmstadt die ganze,
nach neuen stilistischen
Ausdrucksmöglichkeiten
lechzende Kulturwelt zu
sich einlud, um die Er-
gebnisse einiger Arbeits-
monate von sieben an der
Schwelle der zwanziger
und dreißiger Lebensjahre
stehenden mutigen und
frohgelaunten Gesellen vor-
zuführen! Joseph M.
Olbrich disponierte als ge-
nialer Raumverteiler, um
aus einem abgelegenen
Gelände eine wohlge-
gliederte Ausstellungsstadt
hervorzuzaubern , Peter
Behrens schuf mit durch-
geistigter Originalität ein
ganz neues Haus, Hans
Christiansen schwelgte in
üppigen Farbenharmonien
und schenkte uns die erste
stilisierte Zentifolie, Patriz
Huber wies hauptsächlich
der Innendekoration neue
1
V^
; 1
. c !
'-.'1
V
iL^HlK MaMKaKSML^^ .
L. Habich, Brunnen am Hause Olbrich in Darmstadt
195
Wege, und Paul Bürck entwarf monumentale Gemälde und temperamentvolle
graphische Arbeiten. Die beiden Bildhauer Rudolf Bosselt und Ludwig Habich
teilten sich in die plastischen Arbeiten, aber während Bosselt seine Stärke be-
sonders in der Kleinplastik betätigte, wagte sich Habich gleich an die größten
Aufgaben, und dies mit staunenswertem Können. Die beiden Kolossalstatuen
in Andernacher Tuffstein, die vor dem Hauptportal des Ernst-Ludwig-Hauses
stehen, bildeten in gewisser Beziehung den Clou der ganzen Ausstellung.
Was diese Handvoll jugendlicher Leute in beispielloser Arbeitslust und
Arbeitskraft damals geradezu aus dem Boden stampfte, hat manchen alten
Zopf ins Wackeln gebracht. Manches allzukühne Experiment wurde zwar
hinter kritischen Brillen arg zugerichtet, wohlfeiler Tadel suchte ,,das Doku-
ment deutscher Kunst" zu verkleinern oder ganz in den Staub zu zerren; doch
der Most — mag er sich auch hier und da noch absurd gebärdet haben — wurde
guter, edler Wein.
Nicht ein einziger der Künstlerschar von 1901 lebt heute noch in Darm-
stadt, ja zwei besonders starke Persönlichkeiten weilen nicht mehr unter
L. Habich, Goethedenkmal in Darmstadt
196
Ludwig Habich, Adorant
L, Habich, Dekorative Figur
Jena, Universität
den Lebenden. Andere Männer von anderer Eigenart haben inzwischen in
der hessischen Hauptstadt die Arbeit im gleichen Geiste fortgesetzt. Von den
damaHgen Aposteln eines neuen Evangeliums, die in alle Windrichtungen
fortgezogen sind, hat wenigstens einer, und wahrlich nicht der geringste, seinen
Weg in die schwäbische Residenz genommen und hier eine neue Heimat ge-
funden, zunächst an der Technischen Hochschule, dann an der Kunstakademie
von Stuttgart.
Der Lehrauftrag an der Stuttgarter Technischen Hochschule war für den
jungen Künstler gewiß sehr ehrenvoll, aber für seine Künstlerschaft zunächst
wenig fördernd. Manches, was Habich in seiner eigenen Entwicklung
zuerst bei König in Darmstadt oder bei den Studien im Städelschen Kunst-
institut in Frankfurt, später bei Volz in Karlsruhe oder Ruemann in München
erfahren, hat er sicherlich nebst vielem Selbstgeschauten und Selbstgeprüften
einer werdenden Generation weiter übermittelt. Weil aber unter seinen vielen
Schülern gerade die Berufsplastiker fehlten, wird man den Übergang an die
Kunstakademie begreiflich finden, da sich nur hier eine wirkliche Tradition
eines Bildhauers oder Malers herausbilden kann. Aber mag die Lehrtätigkeit für
den Schaffenden auch ermüdend, ja in manchen Fällen auch undankbar sein, so
bleibt sie doch nie ohne indirekte günstige Rückwirkung auf einen noch jungen
Künstler, der dadurch vor der Gefahr bewahrt wird, sich selbst zu verlieren.
Ob just Habich ein solches Korrektiv wirklich notwendig hatte, wer wollte
das zu behaupten wagen. Zählte er doch schon in Darmstadt, wo zu seiner
197
Zeit alles gärte und brodelte, nichts weniger als zu den um jeden Preis radikalen
Neuerern. Wenn ,, modern sein" heißt: alles Alte auf den Kopf stellen und
nur Unerhörtes versuchen, ohne Rücksicht auf Schönheit oder deren Gegenteil —
dann war Habich nie modern und wird es auch zum Glücke nie sein. Dazu
hat er eine viel zu festgefügte, tief sitzende Hochachtung vor allen wahren
Großtaten, die die größten Bildhauer vor ihm geschaffen.
Wenn man ein Paradoxon wagen will, könnte man ihn einen Klassizisten
ohne Klassizismus nennen. Mit anderen Worten: Habich ist kein Eklektiker,
der bewährte Formen oder Stellungen abschriebe und neu kombinierte; aber
er kennt das uralte Geheimnis der größten Meister der klassischen Zeiten, das
in nichts anderem besteht als in der immerwährenden Wiederentdeckung der
ewigen Schönheit des menschlichen Körpers und seiner Verhältnisse. Und
wie die alten Griechen die keuschen Formen eines Epheben stets aufs neue
zu variieren wußten, so wählt auch er mit besonderer Vorliebe die edle, herrliche
Jüngiingsgestalt, um diese seinen Werken einzugliedern. Was er schon in
Darmstadt in dem reiz-
vollen Brunnen am Haus
Olbrich geschaffen, das
ersteht in neuer Gestalt
im Stuttgarter Eberhards-
bau-Brunnenrelief wieder,
und dem stimmungsvollen
Darmstädter Goethedenk-
mal, dessen Mittelpunkt
der Genius über dem Dich-
terrelief bildet, sowie dem
Gottfried- Schwab- Denk-
mal von Darmstadt stellt
er das Stuttgarter Burck-
hardtdenkmal gegenüber,
an dem das Relief des be-
rühmten Arztes — wie auf
dem ungefähr gleichzei-
tigen Düsseldorfer Moore-
denkmal — ebenfalls den
Sockel schmückt, während
die Bronzehauptgestalt in
schlichter Reinheit einen
eben Genesenen darstellt,
welcher der ärztlichen
Kunst seinen Dank zum
Ausdruck bringt.
Gerade das Einfache
und Schlichte ist ja auch
L. Habich, Mädchenbüste das Größte in der Kunst.
198
Ebenso natürlich und ge-
sund wie als Mensch ist
Habich auch als Künstler.
Er zählt ja nicht zu jenen,
die in der absichtlichen,
oft gequälten Stilisierung
ein neues Heil erblicken,
noch weniger zu den
Primitiven , die etwa den
Metopen vonSelinunt oder
dem Apollo von Tenea
nacheifern, als ob alle
Kunst seitdem an die dritt-
halbtausend Jahre still-
gestanden hätte. Und doch
liegt ihm auch nichts an-
deres ferner, als natura-
listische Zufälligkeiten zu
bieten, sich zu einem Ab-
gußfabrikanten der Natur
degradieren zu wollen; er
zählt eben zu den nicht all-
zuhäufigen echten Künst-
lerpotenzen, die die rich-
tige Mitte zwischen den Ex-
tremen einzuhalten wissen,
mit tüchtigen anatomischen Kenntnissen ausgerüstet das verkörpern, was ihr
Künstlerauge an ästhetischen Reizen in der Umwelt erschaut und ihr künst-
lerisches Gewissen zu einer geschlossenen Einheit zu formen vermag.
Man darf nicht behaupten, daß unser Künstler, wenn ihm dies die
betreffende Aufgabe just nahelegte , nicht auch in der Stilisierung einen
Schritt weiter als sonst zu gehen vermöchte. Man braucht nur etwa die
Bronzetür des Predigerhauses zu Darmstadt zu betrachten , die im An-
schluß an die Bibelworte: ,,Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn,"
das gewaltige Ringen mit dem geharnischten Erzengel zum kraftvollen
Ausdrucke bringt. Durch Olbrichs architektonische Umgebung waren hier
eben die betreffenden Voraussetzungen geboten. Als aber Theodor Fischer
für seine Universität in Jena eine krönende Kolossalfigur benötigt, da ent-
steht jener prächtige, überlebensgroße ruhende Jüngling, dessen weiche Mus-
kulatur von Stilisierung eben nur so viel aufweist, als durch die Dimen-
sionen vorgezeichnet ist. Schade, daß Habich so selten in die Lage
kommt, gerade in den monumentalen Größenverhältnissen, seine schon
in Darmstadt hierfür bewiesene ganz besondere Begabung zu offen-
baren. Gerade er, der ,, wuchtig" und ,, brutal" stets streng auseinander-
zuhalten weiß, wäre die richtige Persönlichkeit, dem heute verbreiteten
199
L. Habich, Hirsch
bluttgan, KunstgebauJe
schwächlichen Geschlechte lebenswahre und formenschöne Titanen gegenüber-
zustellen.
In Ermanglung solcher Aufgaben scheut sich Habich keineswegs, dar-
zutun, daß ihm auch kleinere Arbeiten ganz sympathisch sein können.
Was ihn nicht interessiert, nicht innerlich erwärmt, übernimmt er nicht, und
mehr als einmal hat er selbst materiell lohnende Aufträge einfach abgelehnt.
Aber wenn ihn irgendeine, wenngleich bescheidene Aufgabe fesselt, dann über-
nimmt er auch die Modellierung eines lieblichen Kinderköpfchens, eines Faun-
kopfbrunnenreliefs oder selbst einer Plakette. Den Porträtkopf des Königs
von Württemberg hat keiner so gut aufgefaßt wie er, die Züge des Grafen
Linden geradezu ideal wie-
dergegeben. Es scheint
fast, daß er in der letzten
Zeit eine besondere Hin-
neigung für Kleinbronzen
an den Tag legte. Dafür sei
nur auf die säugende Stute
hingewiesen, die Baron zu
Putlitz für einen Hofsalon
des neuen Theaters erwor-
ben, oder auf den tem-
peramentvollen Reiter auf
dem sich bäumenden Roß,
den die Ulmer Ulanen als
Ehrengeschenk für ver-
diente Offiziere bestellt
haben. Wie liebevoll ist
hier doch jede Einzelheit
behandelt, ohne eine Spur
süßlicher Kleinlichkeit, die
ähnlichen französischen
Bronzestatuetten anzu-
haften pflegt. — Zu
den letzten Arbeiten des
Künstlers zählt der vergoldete Bronzehirsch , der das Kunstgebäude von
" Theodor Fischer krönt und über seine nächstliegende dekorative Bestimmung
hinaus auch das württembergische Wappentier zum Ausdrucke bringt, und
ein kniender ,,Adorant", der sich etwa in einer kreisförmigen Pergola auf
einem Hügel vorzüglich ausnehmen wird. Als Habichs nächste Aufgaben
werden wir die Plastik für die nach seinem Entwürfe gegliederte Abschluß-
mauer der Stuttgarter königlichen Anlagen zu erwarten haben; aber hoffent-
lich wird man ihm bald auch ein großes monumentales Werk anvertrauen,
um ihm Gelegenheit zu geben, sein reifstes Können an vollwertigen Aufgaben
zu bezeugen. Der heutige Akademieprofessor wird gewiß hinter dem achtund-
zwanzigj ährigen Anfänger von Darmstadt, dessen Portalfiguren vor dem
L. Habich, Pferde
Ulfert Janssen, Bildnisbüste Maximilian Bardt
München, Kgl. Glypiotiiek
'V^irt Janssen
^(auptfigurvom^briurKÜrtbrunrien in Sdöen a.ä 3iuhr
sm/c^i
ii/Ti^
^uanü\ (m5 Jlerrn yian V. üd/e/'/aa-K^iea/e Jun.
Ernst-Ludwig-Haus auch seither in der hessischen Kunstresidenz nicht über-
boten worden sind, nicht zurückstehen. Freuen wir uns, daß wir Habich
zu den Unseren zählen dürfen, beschenken wir uns selbst, indem wir sein
hohes Können für uns möglichst auszuschöpfen trachten.
PAZAUREK
ULFERT JANSSEN
Es ist der Ertrag einer kaum zehnjährigen Schaffensperiode, mit dem wir
es zu tun haben, wenn wir von Ulfert Janssen berichten sollen, aber es
ist ein Ertrag von ungewöhnlich vielfältiger Art und ebenso bedeutend durch
die Tüchtigkeit wie durch den Umfang der Leistungen, die er aufweist. Zwei
Tätigkeitsgebiete treten darin hauptsächlich hervor: die zum Schmuck von
monumentalen Bauwerken oder Denkmälern dienende Steinplastik und die
Porträtdarstellung. Die in dem zuerst genannten Gebiet erprobte Übung des
Künstlers war es hauptsächlich, die im Jahre 1910 seine Berufung an die Stutt-
garter Technische Hochschule veranlaßte, als Ludwig Habich, der bis dahin
das Bildhaueratelier an dieser Schule geleitet hatte, an Donndorfs Stelle zur
Akademie der Künste übertrat. Die Erwägungen, die zur Begründung einer
Bildhauerwerkstätte an der Technischen Hochschule geführt haben, sind in
unserem Berichte über die Wirksamkeit von K. Schmoll von Eisenwerth im
Zusammenhang mit dessen Unterricht in der Malerei erörtert worden, und
es ist dort bereits auf den durch nichts zu ersetzenden Gewinn hingewiesen
worden, der den Bauschülern aus der eigenen Handanlegung an praktischen
Aufgaben der Malerei so gut wie der Bildhauerkunst erwächst. Zur skulpturalen
Technik ist hier auch die eigentliche Steinbildhauerarbeit zu rechnen, eine
Übung, die besonders lange, auch in der Ausbildung der Bildhauer von Beruf,
vernachlässigt worden ist. Es gab unter den Meistern dieses Faches im vorigen
Jahrhundert und noch früher viele, die nur selten einen Meißel anzurühren
pflegten und die es untergeordneten Handwerkern überließen , ihre in Ton
ausgeführten Modelle in Stein zu übertragen. Dagegen gehört Janssen ebenso
wie schon vor ihm Habich zu einer jüngeren Gruppe von Bildhauern, die im
Gegenteil auf jene nur scheinbar untergeordnete Praxis hohes Gewicht legen,
in der Erkenntnis, daß ein plastisches Kunstwerk in seiner Wirkung nicht
überzeugender sein kann, als wenn es von seinem Urheber selbst in dem Stoff
gedacht und ausgeführt ist, für den es bestimmt ist.
Der ,,Materialstir', der sich dem Werke aus einer solchen Grundanschauung
mitteilt, macht sich nicht am wenigsten dann in seiner Bedeutung fühlbar,
wenn Architektur und Plastik an einer und derselben Aufgabe ineinander-
greifen. Nur die aus dem Stoff entwickelte Stilform wird in einem solchen
Falle nicht als fremder Bestandteil innerhalb des massiven Baukörpers emp-
funden werden. Aber freilich ist das nicht das einzige, worauf es ankommt,
soll die plastische Schmuckform ergänzend zur Architektur hinzutreten. Mit
Stuttgarter Kunst 26 201
U. Janssen, Prometheus (Pfeilerfigur in der Aula der Universität München)
U. Janssen, Herakles (Pfeilerfigur in der Aula der Universität München)
Recht verlangt man außerdem, daß sie architektonisches Empfinden zeige,
mit anderen Worten, daß der ausführende Künstler imstande sei, sich in die
konstruktiven Grundgedanken eines baulichen Organismus einzufühlen. Wenn
sich Janssen gerade in der Hinsicht die besondere Anerkennung der Architekten
erworben hat, so ist ihm dazu ohne Zweifel förderlich gewesen, daß er sich
in einem nahezu dreijährigen Studium an den Bauschulen von Braunschweig
und München ein positives Wissen um die Bauformen angeeignet hat. Was
aber in derselben Richtung von entscheidender Bedeutung für ihn gewesen
sein dürfte, das ist auf Seiten der reinen plastischen Anschauung ein aus-
geprägter Sinn für Maß und Ordnung, womit er jeglicher Erscheinungsform
und im besonderen der am höchsten organisierten Lebensform des mensch-
lichen Körpers grundsätzlich gegenübertritt. Ganz allgemein hat ja in der
modernen Bildhauerkunst, im Gegensatz zu den früher vorherrschenden rea-
listischen Strebungen, eine stilisierende Behandlungsweise an Boden gewonnen,
wenn auch die Abschattungen, in denen sie sich durchgesetzt hat, noch immer
weitgehende Unterschiede aufweisen. In München, wo der aus Friesland ge-
bürtige Künstler seine Fachstudien als Bildhauer beendete und seit dem
Jahre 1903 selbständig tätig war, hat sich die Neigung zur abstrakten Form-
anschauung, wie sie jenes stilistische Prinzip bedingt, unter dem Einfluß
Hildebrands wohl am festesten eingebürgert. Janssen ist kein Schüler dieses
Meisters. Aber an seinem Teile zeigte er sich recht beraten, wenn gerade
er sich dieser Richtung nicht versagte, nachdem er einmal seinen Beruf zur
dekorativen Großplastik wie zur monumentalen Skulptur überhaupt er-
kannt hatte.
Der erste bedeutende Auftrag, der es ihm ermöglichte, seine Begabung
für plastische Darstellung in großem Stile öffentlich darzutun, war der so-
genannte , Jahrhundertbrunnen" in Essen a. d. Ruhr, dessen Ausführung ihm
auf Grund eines Wettbewerbes im Jahre 1904 zufiel. Der Brunnen hat einen
architektonischen Rahmen, aber das Figürliche ist daran die Hauptsache.
Vor einer nicht sehr hohen Wand, der sich künftig wohl einmal ein dahinter
im Entstehen begriffener Baukörper angliedern wird, sitzt die halbnackte
Gestalt eines Industriearbeiters in doppelter Lebensgröße, ein prächtiges
Bild elementarer Kraftentfaltung, den Schmiedehammer lässig über die linke
Schulter gelegt (s. die Heliogravüre); zu den Seiten unten, da wo zugleich die
Brunnenmündungen liegen , ist der Aufbau mit je einer spielenden Kinder-
figur geschmückt. Es ist ein Denkmal der Arbeit, dem Sinn nach etwas
Ähnliches wie jene monumentalen Arbeiterstandbilder, die in den letzten
Jahrzehnten aus der großen belgischen Bildhauerschule, vor allem aus Meuniers
Hand, hervorgingen. Dagegen liegt in der Ausführung doch ein bedeutender
Abstand zwischen dem romanischen Kunstcharakter Meuniers, der des Affektes
bedarf, um sich auszusprechen, und Janssens schlichter niedersächsischer Art,
die für dasselbe Problem zwar auch eine in hohem Maße eindrucksvolle, aber
weniger rhetorische Geste gefunden hat. Auch die grundlegende Auffassung
der Form ist eine andere. Im besonderen zeigt an der Essener Figur die breit
und energisch durchgeführte Modellierung der Flächen den Künstler sehr
204
entschieden auf dem Wege zu einer Gesetzmäßigkeit des Stils, die von dem
Naturalismus der Belgier weit abliegt und die in ihrer ruhigen Größe einen
durchaus eigenen und persönlichen Wert besitzt.
Die zweckbewußte Gestaltungsgabe, die hier hervortritt , bekunden in gleich
hohem Maße die beiden mythologischen Pfeilerfiguren, Herakles und Prometheus
(s. Abb. S. 202 u. 203), aus der 1909 von Bestelmayer umgebauten Avila der
Münchener Universität, die wir neben jenem modernen Heros der Arbeit unseren
U. Janssen, Quellnymphe im Solbad Raffelberg
Abbildungen einfügen. Sie sind in schwarzem Granit hergestellt, die Maße
gleichfalls überlebensgroß. Da sie an der Bestimmung der Pfeiler, mit denen
sie verwachsen sind, einen eigenen funktionellen Anteil haben, zeigen sie folge-
richtig das Stilprinzip auf der Höhe seiner Entfaltung. Man darf in ihrem An-
blick, was Strenge und Schönheit der formalen Gestaltung anlangt, vergleichs-
weise an die idealen Bildungen griechischer Frühkunst erinnern, deren ,,tek-
tonischer" Stil zuweilen ja auch verwandten Zielen gedient hat. Und aufs
glücklichste fügen sie sich in dieser Bedingtheit den vierkantigen Grundformen
der Pfeiler ein, ohne doch auf ein eigenes geistiges Fürsichsein zu verzichten.
Uralte Sage vom Mut des Starken und von der Gewalt des schöpferischen
20s
Menschengeistes hat von früher Zeit an beiden Gestalten einen symbolischen
Inhalt beigelegt. Der Künstler hat ihn nicht ausgelöscht, vielmehr hebt das
harte Gefüge des dunklen Steines zusammen mit den einfach-großen Formen der
Körperbildung den sinnbildlichen Charakter, der beiden innewohnt, um ein
bedeutendes, und so wal-
ten sie mächtig und feier-
lich als überirdische Wäch-
ter über der Stätte, die künf-
tige Geschlechter in Kraft
und Weisheit erziehen soll.
Wir müssen es uns im
Rahmen dieser Darstellung
versagen, die Werke im
einzelnen zu nennen , die
Janssen außerdem an zahl-
reichen Orten Nord- und
Süddeutschlands ausgeführt
hat. Wir streifen nur einige
derstattlichsten unter ihnen,
wenn wir etwa der Fassade
des Stadthauses in Apolda,
der Giebelfiguren, der Por-
tale und des Fortunabrun-
nens für die Sparkasse in
Mühlheim a. d. Ruhr, eines
Brunnens mit der Bronze-
figur einer Nymphe im Sol-
bad Raffelberg bei Duisburg
(s. Abb. S. 205), der Treppen-
anlage vor der Ausstellungs-
halle auf der Theresienwiese
in München oder der Büsten
von Denkern und Dichtern
am neuen Bau der Tübinger
Universitätsbibliothek hier
im besonderen gedenken.
Verschiedene Grabmäler
schließen sich der Reihe
dieser Schöpfungen an. Wir heben als das jüngste unter ihnen den für
Ludwig Knaus auf dem Friedhof von Dahlem bei Berlin errichteten Stein her-
vor, dessen Sockel ein paar reizvolle Kinderfiguren von Janssen schmücken,
während die architektonische Form von dem Sohne des Verstorbenen, dem
Architekten Otto Knaus, herrührt.
Sowenig wie diese Skulpturwerke größeren Umfangs vermögen wir hier
die Zahl der von Janssen geschaffenen Bildnisse zu erschöpfen. Sie sind in den
206
U. Janssen, Porträtbüste Karl Schmoll von Eisenwerth
verschiedensten Stoffen ausgeführt, so in glasierter Terrakotta der interessante,
von langem Haarwuchs umrahmte Kopf des Justizrats Niemeyer in Essen,
in Marmor eine Herme mit den zu einem bacchischen Typus umgewandelten
Zügen des Zeichners Erich Wilke — diese in der Galerie der Münchener
Sezession — eine größere Reihe sodann in Bronze, die ein von dem Künstler
besonders gern gebrauchtes Material ist. Zu diesen letzten zählen der Kopf
einer jungen Frau, der auf der Münchener Internationalen Ausstellung im
Jahre 1909 mit der zweiten goldenen Medaille ausgezeichnet wurde, dann die
in meisterlicher Breite aufgefaßte Büste (s. die Tafel), welche die Glypto-
thek in München neben einer zweiten Bronze von Janssen, dem Bildnis des
Malers Koppen, ankaufte, endlich zwei Porträtköpfe von Stuttgarter Künstlern,
Paul Bonatz und Karl Schmoll von Eisenwerth (s. Abb. S. 206). Die-
selbe Hand, die mit so wuchtigen Schlägen ihre Gestalten aus dem Stein
hervorzuholen weiß, wenn es sich um ein Schaffen im großen handelt, arbeitet
in diesen Bildnissen mit den feinsten Mitteln der Charakterdarstellung, einem
jeden die Form und die seelische Belebung der Züge verleihend, die gerade ihm
gemäß ist. So tragen denn auch diese Werke neben dem rein künstlerischen
ein stark persönHches Element in sich: es ist aufs neue das Naturell des Künst-
lers selbst, das darin erscheint, in jenem sicheren inneren Gleichgewicht, an
dem man das reife Talent erkennt, und in jener Unbestechlichkeit des inneren
Sinnes, die, um ein Wort von Carlyle zu gebrauchen, Summe und Höchst-
gewinn aller guten Eigenschaften und aller treu vollbrachten Leistungen eines
Menschen ist.
WEIZSÄCKER
ANDERE NACH STUTTGART GEZOGENE KÜNSTLER
Robert Poetzelberger, geb. 18^6 in Wien, an der Wiener Akademie
geschult, ist mit gleicher Liebe der Malerei und der Plastik zugetan. Seine
herbe Bronzepieti vom Grabmal Louis Hagenbucher, 1904, in Heilbronn kann
sich neben den besten Arbeiten der Frührenaissance sehen lassen; auch seine
Kleinbronzen wie die Diana und das haarflechtende Mädchen verraten bei aller
Selbständigkeit der Erfindung den Einfluß der älteren Kunst. Weicher sind
seine feingliedrigen, durch außerordentHchen Kontrastreichtum der Stellungen
ausgezeichneten Marmorfiguren wie die Ariadne und die zarte Susanna. — Ein
Künstler voll sonnigen Humors, eine der liebenswürdigsten Erscheinungen
unter den Stuttgarter Plastikern ist Joseph Zeitler, geb. 1871 in Fürth. Er
pflegt mit feinem Stilgefühl und bestem Erfolg die Holzschnitzerei im älteren
Sinne; die kleinen Figuren und Gruppen dieser Art, wie der hier abgebildete
Bärenführer, der Orgeldreher und der Wahrsager, sämtlich 1905 entstanden,
gehören zu den köstlichsten Holzskulpturen aus neuerer Zeit. Allerliebst sind
auch der Puttenbrunnen vor Theodor Fischers Heusteigschule, 1905, und der
Hans-im-Glück-Brunnen, 1908, auf dem Stuttgarter Geisplatze. Für Kloster
Beuron schuf er 1906 07 einen großen St. Martin, für die Ellwanger Stadtkirche
1909 10 das bronzene Taufbecken. Franz Böres, geb. 1872 in SeHgenstadt,
207
R. Poetzelberger, Diana
ZU erfassen. Unter seinen Werken
der Königin, 1909, im Sitzungssaale
sowie die Bronzepla-
kette auf die silberne
Hochzeit des Königs-
paares, 1 9 1 o,die Brun-
nenfigur im Garten
des Herrn Gustav von
Müller in Stuttgart,
1910 (vgl. die Helio-
gravüre), die Bronze-
büste des Herrn von
Ostertag-Siegle, 1 9 1 1
(vgl. die Heliogra-
vüre), die Majolika-
208
studierte an der Hanauer Aka-
demie und wandte sich gleich-
mäßig der Plastik und dem Kunst-
gewerbe zu. Von seinen bild-
nerischen Fähigkeiten gibt das
hier reproduzierte Totentanz-
relief, von seinen kunstgewerb-
lichen Qualitäten die von ihm
entworfene, bei Bruckmann aus-
geführte Silberkassette (vgl. die
Tafel) eine Vorstellung. Mel-
chior von Hugo, geb. 1872 in
Usingen , ursprünglich Maler,
studierte zuerst auf der Akade-
mie Julian, dann bei Carriere,
später bei Herterich, Kalckreuth
und Hölzel. Von seiner Beteili-
gung an der Ausmalung derPful-
linger Hallen war früher die Rede.
Etwa seit 1909 hat er sich aus-
schließlich der Bildnerei zuge-
wandt, deren verschiedene Tech-
niken er mit grüblerischem Eifer
pflegt. Ebensosehr wissenschaft-
lich wie künstlerisch veranlagt,
begnügt er sich in seinen Werken
nicht mit der Wiedergabe der
bloßen Erscheinung, sucht diese
vielmehr in ihrer Begründung
und mit ihren Zusammenhängen
seien die Marmorreliefs des Königs und
der Württembergischen Ersten Kammer,
F. Bores, Totentanz
"f/erma/m Junff
-iS.&i..:^c6erl SiMma/m, 66üig£n
Ja//(/a/(7//dkyv/i
Erwin Kurz, Garbenbinderin
J. Brüllmann, Geiserbrunnen in Zürich
figur eines Kindes, 191 1, die
Bronzebüste eines Mönches,
1912, die Marmorbüste des Ma-
lers Robert Weise, 1912, und die
große Marmorgruppe eines Lie-
bespaares, 1910 — 1912, genannt.
Jakob Brüllmann, geb. 1872
in Weinfelden, in München unter
Ruemann, Drumm und Floß-
mann geschult, hat sich als treff-
licher dekorativer Bildhauer von
schlichtem und kernigem Wesen
besonders an Bauten Theodor
Fischers, so der Erlöserkirche
und dem Gustav-Siegle-Haus be-
währt. Bei den Wettbewerben
für den Geiserbrunnen in Zürich,
191 1, und für das Reformations-
denkmal in Stuttgart wurden ihm
jeweils Preis und Ausführung zu-
gesprochen. Auch Heinz Fritz,
geb. 1873 in Köln, hat sich zu-
nächst in Düsseldorf und Metz
als dekorativer Bildhauer be-
Stuttgarter Kunst 27
J Zeitler, Bärenführer
209
tätigt. In Stuttgart ist
er mit Büsten der Frau
von Doertenbach, 1904,
des Ehepaares Gmelin
und des württembergi-
schen Königspaares her-
vorgetreten. Gustav
Adolf Bredow, geb.
1875 in Krefeld, be-
gründete seinen Ruf
nicht nur durch zahl-
reiche kleinere Werke,
stilvolle Plaketten und
leicht archaisierende
Büsten , sondern vor
allem durch die um-
fangreichen plastischen
Arbeiten für das neue
Rathaus in Hannover
und den riesigen Brun-
nen für Buenos Aires.
Für die Matthäuskirche
in Stuttgart schuf er eine
Bergpredigt; auf dem
Stuttgarter Pragfriedhof
befinden sich gute Grab-
mäler von ihm für die
Familien Schiedmayer
und Pflaum. Hermann
Jung, geb. 1876 in
Osnabrück, hat sich viel
mit Holzschnitzerei beschäftigt. Endlich nennen wir hier noch Wilhelm Nida-
Rümelin, geb. 1876 in Linz a. D., den nur vorübergehend in Stuttgart tätigen
Meister der unvergleichlichen Stuckreliefe in der Kuppel des Kunstgebäudes
und in Elsäßers Gaisburger Kirche.
H. Fritz, Frau von Doertenbach
Unter den jüngeren Künstlern sei Georg Blümhuber, geb. 1882
in Feldkirchen bei Traunstein, ein Schüler Bleekers und Janssens, erwähnt;
für Trostberg schuf er 1910 eine hölzerne Kreuzigungsgruppe; in neuerer
Zeit hat er sich erfolgreich der Porträtbildnerei zugewendet. Christian
Aeckerlin, geb. 1884, Wilhelm Julius Frick, geb. 1884, und August
Häusser, drei Habichschüler, haben den Figurenfries im Foyer des großen
Stuttgarter Hoftheaters geschaffen.
BAUM
DIE AUSWÄRTIGEN SCHWABEN
Gleichwie auf die Maler, so hat auch auf die schwäbischen Bildner München
stets die stärkste Anziehungskraft ausgeübt; hier leben Hermann Lang,
Erwin Kurz, Emil Epple und Theodor Georgii. Auch Hubert Netzer war in
München tätig, ehe er eine Berufung an die Düsseldorfer Akademie erhielt.
In Berlin arbeitet Alfred Lörcher. In Florenz haben sich Wilhelm Riedisser,
geb. 1870 in Kißlegg, und
Peter Bruckmann, aus der
Heilbronner Familie stam-
mend , der Freund von
Marees und Böcklin, nie-
dergelassen. Die geringsten
unter den schwäbischen
Bildhauern sind es nicht, die
in der Fremde schaffen.
Der einzige unter ihnen,
der die Beziehungen zur
Heimat lebhaft aufrecht
erhalten hat , ist H e r m a n n
Lang, geb. 1856 in Hei-
denheim, Schüler Wagners
und Donndorfs in Stutt-
gart und , nach längerer
Selbständigkeit, 1892 bis
1895 noch Hildebrands in
München, ein Künstler von
großem Feingefühl, tief und
zugleich still, zurückhal-
tend und doch ausdrucks-
voll. Der hier abgebildete
sitzende Hirt von 1893, im
Besitze des Grafen Lancko-
roriski in Wien, gibt eine
gute Vorstellung dieser
zarten, die Form niemals
bis zum äußersten durch-
bildenden , aber in dem, H. Lang, Sitzender Hirte
was sie gibt, anschaulichen und
eindringlichen Kunst. Aus dem
gleichen Jahr hat sich das Bild-
nisrelief eines alten Mannes, aus
den nächsten Jahren eine Reihe
von Bildnisbüsten, teilweise nach
den Kindern des Künstlers, er-
halten. 1895 schuf er eine
Sebastiansstatuette, 1898 das
Tympanon für das Hauptportal
der Pauluskirche in Heidenheim
und das Grabmal der Gräfin
Lanckoronski in Wien, 1903
einen auferstehenden Christus
für die evangelische Garnisons-
kirche in Ludwigsburg, 1905 ein
Hochrelief, Christus und Thomas,
für die Münchener Erlöserkirche,
1907 den Kruzifixus für die
Markuskirche in Stuttgart, eines
seiner schönsten Werke. Unter
seinen neueren Bildnissen ragen
die Büsten Liebermeisters in der
medizinischen Klinik in Tübin-
gen, 1903, und August Paulys,
1904, hervor, ferner eine Plakette auf Adolf Bayersdorfer, 1904, Reliefe der
Gattin des Malers Karl Bauer und Martin Greifs, 1906, und Plaketten auf Greif,
1909. 1912 fertigte er auch das Grabmal dieses Dichters für Palmberg sowie
jenes des Komponisten Burkhart in Nürtingen. Von einzelnen Werken der
freien Plastik seien noch eine bronzene Faunstatuette, 1902, das Relief eines
Trinkers, 1903, die Statue des Ulrich von Ensingen für das Ulmer Münster,
1911 — 1912, und das köstliche kleine Mar-
morrelief einer Sandalenlöserin, 1912, im
Besitze von Albert Gußmann in Ehingen,
genannt (vgl. die Heliogravüre).
Hermann Lang noch überlegen an künst-
lerischer Kultur, an Feinsinnigkeit ihm ver-
wandt, ist Erwin Kurz, der Sohn des
Dichters Herm.ann Kurz, geb. 1857 in Stutt-
gart, seit 1878 in fortwährendem Zusammen-
sein mit Adolf Hildebrand in Florenz aus-
gebildet, von wo er 1895 als Professor an die
Münchener Akademie übersiedelte. Formal
durchaus dem streng gesetzmäßigen Schaffen
Hildebrands folgend, ist er im Ausdrucke,
212
E. Kurz, Bildnisbüste 0. 0. Kurz
r- ."-
\
Z_
\
■\J
)J^
E. Kurz, Plakette auf Hermann Kurz
Theodor Georgii, Fischer
Theodor Georgii, Grablegung Christi
zumal seiner Bildnisse, vielleicht noch etwas zurückhaltender, versonnener,
kühler. Die wundervolle Ruhe und Abgeklärtheit seines Könnens zeigen
ebensowohl die liegende, Schwaben symbolisierende Figur an der Prinzregenten-
brücke und die kniende Ährenleserin vom Waizfelderbrunnen, 1905 (vgl. die
Tafel) , zwei Bassinfiguren am Brunnen im Ausstellungsparke (1908) in
München, die Plastik am Witteisbacherbrunnen in Zweibrücken und die Statue
an einem Zierbrunnen in Mann-
heim, wie auch die Bildnisse,
unter denen die trefflichen Pla-
ketten auf seinen Vater und
Hermann Levi, die edle mar-
morne Bismarckbüste in der
Walhalla und die Bronzebüste
seines Sohnes Otho Orlando her-
vorragen.
Ihm künstlerisch verwandt,
doch wärmer und temperament-
voller, ist Theodor Georgii,
aus einer Stuttgarter Familie
stammend, 1883 in Rußland ge-
boren, anfänglich bei Poetzel-
berger, dann bei Dillens, seit
1905 unter Hildebrand ausge-
bildet, dessen Tochter Irene er
heiratete. Anfänglich wandte er
sich besonders der Tierdarstellung
zu. Lebensgroße Bronzen von
prächtiger Geschlossenheit der
Form sind ein Rehbock und
Hirsch, 1906, ein Reh, 1908, ein
Wasserbock, 1909, ein Mähnen-
schaf, 191 1, im Museum und
Bürgerpark zu Bremen, in der
Glyptothek und demAusstellungs-
park zu München und im Fürther
Stadtpark aufgestellt. 1909 trat
er zum erstenmal mit einer großen Marmorstatue, einem Netzträger, hervor.
Mit diesem vortrefflichen Werk, das, trotz Verminderung des Kontrapostes
und der Drehung, zum.al in den Körperproportionen, das eindringliche Studium
des späten David des Michelangelo im Bargello verrät, setzt eine Reihe von
Arbeiten ein, die zum Besten gehören, was die deutsche Plastik in den letzten
Jahren hervorgebracht hat. 1910 folgt das anmutige Relief einer Mutter mit
zwei Kindern, 191 1 die edle Grablegung, ein Werk von strengster Komposition,
jetzt im Besitze des Fürsten Henckel von Donnersmarck, 191 2 eine bronzene
Diana, die bei Professor Harries in Forti dei Marmi Aufstellung findet. Von
213
E. Epple, Bildnis einer Schauspielerin
gleicher Vollendung sind einige Plaketten, zum Beispiel jene auf Furtwängler
und Lipps.
Ganz unabhängig von Hildebrand hat sich Emil Epple, geb. 1877 in
Stuttgart, entwickelt. Schüler von Donndorf und Ruemann, von 1900 an
nahezu acht Jahre lang in Rom tätig, hat er in unermüdlichem Ringen mit
der Natur und unablässiger Beobachtung der Antike einen Stil ausgebildet,
dem zwar die Gebundenheit der Reliefauffassung im Hildebrandischen Sinne,
doch im übrigen nicht der Adel klug abwägender Gestaltung mangelt. Den
rastlos Schaffenden bewahrt die Lebhaftigkeit seines Temperamentes vor
Schematismus; jedes seiner zahlreichen Werke bedeutet für Epple eine neue
künstlerische Aufgabe. Seine erste bedeutende Schöpfung war ein im Jahre 1900
entstandener schreitender Or-
pheus (Bronze), nach dem er
1906 eine wenig veränderte Mar-
morkopie herstellte (jetzt im Be-
sitz von Dr. Groddeck, Baden-
Baden). 1901 folgte die Büste
von Robert Guthmann, Berlin,
1902 die lebhafte Büste der Frau
Dr. Groddeck, im gleichen Jahre
der prachtvolle Bronzekopf einer
Römerin (in der Sammlung
Strupp in Meiningen). Aus dem
Jahr 1907 hat sich der Entwurf
für eine bacchantische Tänzerin
erhalten; in jener Zeit entstan-
den auch ein ruhender Bacchus
(1907) und der schöne Brunnen
im Hause des Herrn von Oster-
tag-Siegie in Stuttgart, dessen
Mittelrelief unsere Heliogravüre
zeigt. Eines der größten Werke
aus dieser Epoche ist die Brun-
nenfigur einer auf einer Schild-
kröte knienden Anadyomene;
zum trefflichsten gehört der
trauernde Jüngling an Theodor
Fischers Spittagrabmal (1909)
in Tübingen. Ganz besonders
hat sich die Tätigkeit des Künst-
lers in den letzten Jahren ge-
steigert. 1910 entstanden die
Skizze zu einer überlebensgroßen
jagenden Diana, das Brunnen-
Th. Georgii, Diana buberl im Haus Harries in Kiel,
214
ein sitzender Prometheus (Bron-
ze) in der Sammlung Strupp in
Meiningen und das Taufrelief
für die evangelische Garnisons-
kirche in Ulm. 191 2 schuf er die
Büsten bedeutender Dichter und
Musiker für das Foyer des großen
Hoftheaters in Stuttgart ; unter
ihnen gebührt der fein beseelten
Büste Mozarts der Preis. Auch
im übrigen hat sich Epple in der
Gegenwart stark der Bildnis-
kunst zugewendet; es entstand
ein herbes, bis ins Feinste jedem
Zuge des Antlitzes folgendes
bronzenes Selbstbildnis und das
Bronzeporträt einer Schauspie-
lerin (vgl. die Abbildung). Eines
seiner reizvollsten Werke ver-
spricht die Sandalenbinderin zu
werden, eines seiner kühnsten ist
die schlafende Diana im Besitze
des Freiherrn von Gemmingen-
Hornberg in Stuttgart (vgl. die
Heliogravüre). Auch in dieser
Schöpfung wird in der Kompo-
sition etwas Selbständiges und
Neues gesagt. ,,Die beiden kräf-
tigen nackten Beine der Gestalt
ergeben durch ihre Stellungs- und
Lagedifferenzen eine interessante,
kontinuierlich sich entwickelnde
Aufwärtsbewegung, die in einer
zarten Linie über den vom Ge-
wand umhüllten Oberschenkel
leicht nach abwärts fällt, um dann
aufs neue unter rhythmischer Umkehrung des Bewegungsmotives über Brust und
Arm nach oben zu gehen und über das im Schlummer hingesunkene Haupt hinweg
an dem herabhängenden Arm wieder niederzugleiten. Die stillen Bewegungen
des Schlafes, das Sichheben und Senken der Brust haben sich auf den ganzen Körper
und seine Glieder übertragen : entspannt, willenlos bringen sie das besondere
Leben des Schlafes mit plastischen Mitteln, durch die Körperaktion zum Aus-
druck . . . Man sieht nur die Gestalt, aber mit ihr steigt vor uns das Bild des ernsten
Friedens auf, in dem das stolze Schweigen der Größe und der heitere Zauber des
Intimen still beieinander wohnt" (Burger, Zeitschr.f.bild. Kunst, 1910, S. 173 f.).
215
H. Netzer, Knabe mit Hahn
Einer ganz anderen Richtung als alle bisher genannten Künstler folgt
Hubert Netzer, geb. 1865 in Isny. Der eigenwillige Algäuer, der 1891 bis
1894 bei Ruemann studierte und 191 1 an die Düsseldorfer Akademie berufen
wurde, sieht sein Ideal mehr in der barocken als in der klassischen Kunst.
Mit äußerst lebendigen, unruhig komponierten Arbeiten begann er. 1893 ent-
stand sein Entwurf für das Karl-Olga-Denkmal in Stuttgart, der den ersten
Preis erhielt und im Stuttgarter Museum aufbewahrt wird. Im gleichen Jahre
schuf er den anmutigen Tritonbrunnen für die Herzog-Wilhelm-Straße in
München. Auch seine neuesten Werke, der Jonasbrunnen auf dem Joseph-
platz in München (1911) und der Entwurf zu einem Welttelegraphendenkmal
in Bern mit der Riesengestalt des Zeus, zeigen einen barocken Einschlag. In
der Zwischenzeit aber entstanden Werke von ruhigerer Formgebung; das reifste
von ihnen, der Nornenbrunnen in München, darf wohl als eine der glück-
lichsten Schöpfungen der
Bildnerei aller Zeiten ange-
sprochen werden. Die früheste
unter diesen Arbeiten ist
der Narzißbrunnen im
Münchener Nationalmuseum
(1897); 6S folgen der Or-
pheusbrunnen (1899) in New
Yorker, der Knabe mit Huhn
(1901) in Berliner Privat-
besitz. Der Nornenbrunnen
entstand 1907, eine mächtige Schale auf hohem Sockel, über dessen Vor-
kragungen sich, die Schale stützend, die drei Nornen erheben, hoheitsvolle
Gestalten, ihrer architektonischen Aufgabe entsprechend durchaus geschlossen
pfeilermäßig in der Form und doch von tiefem Leben erfüllt.
Nach einem wiederum anders gearteten Kunstideal strebt, mit ebenso ent-
schiedenem Willen wie starkem Persönlichkeitsausdruck, Alfred Lörcher,
geb. 1875 in Stuttgart. Seiner Ausbildung, die er zunächst im praktischen
Kunstgewerbe, erst zuletzt bei Ruemann genoß, verdankt er die Vorliebe für
das Gebiet der Medaillen und Plaketten, auf dem er vielleicht sein Bestes und
Eigenstes gibt. In der Figurenplastik folgt er dem von der archaischen Kunst
beeinflußten Stil, wie ihn in Frankreich Maillol, bei uns Hoetger, Lehmbruck,
Albiker und Haller vertreten. Eine gute Vorstellung seiner Kunst geben die in
der Heliogravüre abgebildete Basaltstatuette einer Kauernden und die Büsten
von Dr. Röhm in Darmstadt, 1906, Konrad Haußmann, 1907, der Malerin Julie
Steiner 1910. Auf dem Fangelsbachfriedhof sieht man seine Grabmäler für
Justizrat Leipheimer, 1904, Hauptmann Keßler, 1905, und Konsul Vellnagel, 1909.
So wird, auf dem Gebiete der Plastik noch mehr als auf dem der Malerei,
das Schaffen der heimischen Künstler durch die Tätigkeit der auswärtigen
Schwaben ergänzt, und man sieht, wie stark auch hier die deutsche Kunst der
Gegenwart von Schwaben befruchtet wird.
BAUM
A. Lörcher, Plakette
A. Lörcher, Plakette
2l6
ömil iSpple
33si.9hix^ei/i£rrvSemmingen.-^r/u!e/g,5liä^aft
§N
i
c^
/^
f ■
^^1^ ^
k*i2
I
^^—^^^L^^Mf.
^^^^■IHKki«.
\
^^1^^^. I^üik.«
■
' lu =
J!
1
1 '^ ^
L
1
?i^l
j
Hubert Netzer, Figuren vom Nornenbrunnen in München
DIE ARCHITEKTUR
Stuttgarter Kunst 28 217
-'.'V^,
L. Eisenlohr, Neue Donaubrücke, Ulm
DIE ARCHITEKTUR
Wie oft sind Malerei, Plastik und Architektur als drei innig gesellte,
schwesterliche Frauenbilder dargestellt worden! Die Allegorie war
natürlich nicht nur beliebt wegen der Dreizahl, die so fruchtbar an Motiven für
Gruppenkompositionen ist, sie bezeichnete auch die enge Zusammengehörigkeit
der drei Künste anschaulich. Anschaulich, aber nicht ganz richtig. Wenn
Malerei und Plastik als freie Künste unbestreitbar Schwestern sind, so ist doch
die Architektur, die ihnen überhaupt erst ein Heim schafft und der sie oft
die höchsten und gewaltigsten Aufträge verdanken, keine ihnen Gleichbürtige,
Freigeborene. ,,Die Baukunst bleibt für alle Zeit eine angewandte Kunst,
wie sie es von je war." Die Freiheit erlangt sie erst in dem Streben des
Architekten, seine Aufgaben so zu lösen, daß sie nicht nur der Forderung der
Brauchbarkeit, sondern auch dem ästhetischen Gefühl genügen, daß mit dem
Zweckmäßigen zugleich etwas in höherem Sinn Gesetzmäßiges, Harmo-
nisches geschaffen wird. Immer wieder treten diesem Streben sachliche und
menschliche Widerstände hemmend, verwirrend, lähmend entgegen. Es ist,
wenigstens für unsere noch immer so kunst- und besonders architekturfremde
Zeit, vielleicht keine zu starke Übertreibung, zu sagen, daß die wirklich zu-
stande gekommenen Bauwerke, die ganz den Absichten ihrer Schöpfer und
den gerechten Forderungen an Vollkommenheit entsprechen, sich über einer
Massengruft erheben, in der die doppelte oder dreifache Anzahl von Arbeiten
ruht, die, an sich nicht minder gut als jene, durch den Unverstand der
Menschen oder die Ungunst der Verhältnisse dazu verurteilt wurden, über den
Zustand des Entwurfs nicht hinauszukommen, sondern den Platz in der Wirk-
lichkeit, der ihnen gebührt hätte. Schlechtem und Wertlosem zu überlassen.
Aber wie schwer auch immer der Architektur das Ringen nach der Höhe
des wahrhaft Künstlerischen gemacht wird, es ist ihre sittliche Pflicht, diesen
Kampf immer wieder aufzunehmen und durchzuhalten. In dem äußeren
Umfang und der inneren Bedeutung der Aufgaben, die ihr übertragen sind,
219
liegt solche sittliche Verpflichtung begründet. Den Forderungen des Tages
soll sie mit Arbeiten genügen, von denen die Dauer vieler Jahre, ja langer
Jahrhunderte verlangt wird; von ihren Werken ist das landschaftliche und
kulturelle Gesicht einzelner Landschaften und ganzer Länder mit abhängig.
— Das für die Dauer Bestimmte so zu gestalten, daß es der Dauer auch
wert ist, das Antlitz der Erde nicht zu entstellen, sondern ihm da, wo die
Naturschönheit weichen muß, eine neue menschliche Schönheit zu geben, das
sind die den innersten Kern der unmittelbaren Zweckforderungen bildenden
höheren Aufgaben, in deren Dienst auch die Architektur eine freie Kunst wird.
Nichts kann die große Bedeutung der Architektur für das ganze Volks-
leben, die fast unübersehbare Weite ihres Arbeitsfeldes zu so klarer und ein-
C.^Weigle, Friedhofanlage Göppingen
drücklicher Anschauung bringen wie das Wachstum unserer modernen Groß-
städte. Baugeschichtliche Monographien, wie sie z. B. als Festgaben für die
in den betreffenden Städten tagenden Versammlungen der deutschen Architekten
und Ingenieure entstanden, sind wichtige Beiträge zur deutschen Bau- und
Kulturgeschichte. Nicht eine solche Monographie von auch nur annähernder
Vollständigkeit sollen die nachfolgenden Seiten bringen. Im Rahmen dieser
ganzen Schrift kann es sich nur darum handeln, einen Begriff davon zu geben,
wie da^ heutige Stuttgart am allgemeinen deutschen Bauschaffen der Gegen-
wart teilnimmt, und anzudeuten, wie dieser Anteil bestimmt wird durch die
örtlichen Bedingungen baugeschichtlicher und landschaftlicher Art. Nur eine
Skizze also wird hier geboten, und von der Skizze wird niemand, der sich einen
Begriff machen kann von der immer breiteren Entfaltung der Bautätigkeit
in Stuttgart, von der stets wachsenden Zahl hier wirkender Architekten, die
Vollständigkeit eines ausgeführten Bildes verlangen, für das an dieser Stelle
weder der Raum noch der rechte Ort wäre. Auch die relativ zahlreichen Abbil-
dungen bedeuten natürlich nur eine verschwindend kleine Auslese aus dem,
J3
o
C
:3
2
2
J3
3
was im Bilde vorgeführt zu werden verdiente; sie sollen vor allem die Mannig-
faltigkeit der Aufgaben, die an den modernen Architekten herantreten, und
seine Fähigkeit, sie künstlerisch zu lösen, illustrieren helfen.
Mit ein paar Zahlen läßt sich das rasche Wachstum Stuttgarts bezeichnen:
Vor etwa hundert Jahren, beim Regierungsantritt König Wilhelms I., war es
eine Stadt von einigen
■ I Q
20000 Einwohnern; 1864,
als König Karl den Thron
besteigt , sind es etwa
70000, und diese Zahl
hob sich in den 27 Jahren
seiner Regierungszeit ge-
rade auf das Doppelte.
Heute, nach der Einver-
leibung von Cannstatt,
Untertürkheim, Degerloch
usw., hat Groß-Stuttgart
gegen 300000 Einwohner.
Aber ehe die neue Groß-
stadt den Weg aus dem
engen Nesenbachtal ins
weite Neckartal fand, wo
sie sich ungehemmt aus-
breiten kann, ist sie an
den steilen Hängen der
Höhenzüge emporgeklom-
men, die sie von Ost und
West einfassen, hat ihr
Straßennetz über die von
jenen Höhen in die Tal-
sohle vorgeschobenen Hü-
gel, über all die kleinen
Täler und Schluchten des
merkwürdig reich geglie-
derten Geländes hingebrei-
tet. So kann sich keine andere deutsche Großstadt an Eigenart und Anmut
der Lage mit Stuttgart vergleichen; aber freilich für eine werdende Großstadt
hat diese Lage sehr viel Ungünstiges. Einen noch traulicheren, bildmäßigeren
Anblick als heute bot gewiß die Stadt, als sie noch herzogliche Residenz
war, oder in den ersten Zeiten ihrer Würde als Königssitz: die beherrschende
Gruppe der fürstlichen Bauten, von ihr überragt und bewacht das Gassen-
und Dächergewimmel der Altstadt, dem sich nach Süden und Westen zwei
bescheidene kleine Vorstädte vorlagerten, die westliche, mit dem stolzen Bei-
C. Weigle, Hotel Marquardt, Eckdetail
namen die „Reiche", auffallend durch die ganz schematische Anlage ihrer
Häuserquadrate. Die neuen Teile diesem alten Kern organisch anzugliedern,
die notwendig werdende Bebauung der Talwände so zu führen, daß die Bau-
linien sich möglichst natürlich und zwanglos dem Gelände anschmiegten und
so unter Erfüllung der praktischen Forderungen zugleich geschlossene male-
rische Straßenbilder geschaffen würden — das wäre eine wundervolle Aufgabe
für die Städtebaukunst gewesen. Aber gerade in den Jahrzehnten, als die
Aufgabe gestellt wurde, war in Deutschland alle Tradition und jede tiefere
Erkenntnis der Städtebaukunst verloren gegangen. Wie Etzels Neue Weinsteige,
dies Meisterwerk schöner, naturgemäßer Straßenführung, innerhalb der Stadt
keine Nachahmung fand, so scheint die köstliche Anlage des neuen Schloß-
platzes, die wir Leins und Hackländer verdanken, mehr ein glücklicher Fund,
ein genialer Einfall zu sein als die Frucht tiefer künstlerischer Einsicht. Denn
dieselbe Zeit, die diesen Platz schuf und die neben ihm die älteren, nicht
minder wertvollen Vorbilder des Marktplatzes und des Alten Schloßplatzes
mit dem Schillerdenkmal hatte, verzettelte die Möglichkeit zur Schaffung
einer neuen monumentalen Forumbildung in so bedauerlicher Weise, wie wir
es heute in der Gegend um Hegelplatz und Gewerbehalle sehen. Derselbe
natur- und kunstverlassene Geist hat auf dem Reißbrett die schönen geraden
-P'
Ä
^^H -V— '°='=^^^s^^S5^M|pLi^ 't
^HJi^i
K,
pi^i
r^V ^m 1
llia
^^^^J^^^^H
L. Eisenlohr, Schillermuseum in Marbach
Linien der Stadterweiterung gezogen, die in der unebenen Wirklichkeit die
zerrissenen Kreuzungspunkte, die allzu steil ansteigenden oder die künstlich
geebneten, den Blick des Passanten ins leere Nichts führenden Straßen ver-
schuldeten, unter denen das Stadtbild Stuttgarts an so vielen Stellen leidet.
Und dazu kamen unselige baupolizeiliche Vorschriften im Verein mit sogenannt
praktischen Rücksichten, die z. B. die Dächer — die Dächer einer Stadt, die
dazu bestimmt scheint, von der Höhe betrachtet zu werden — verkrüppeln
ließen, mit dem Zwang des Dreimeter-Bauwiches jede geschlossene Wirkung
des Straßenbildes unmöglich machten und damit überhaupt den Sinn für ein-
heitliche monumentale Baugestaltung auf Jahrzehnte unterbanden.
Es bedeutet keine Herabsetzung Stuttgarts, von alldem zu sprechen. Denn
die Einsichtslosigkeit war in ganz Deutschland die gleiche, nur daß sie nicht
überall so viel Schönes zu verderben oder im Keime zu ersticken fand, und wie
L. Eisenlohr, Papierfabrik Scheufeien, Oberlenningen
anderswo ist es ja jetzt auch in Stuttgart besser geworden. Außerdem aber besaß
Stuttgart seit den Tagen, die das Alte Schloß und das Lusthaus entstehen sahen,
tüchtige, zum Teil geniale Baumeister und eine schlichte, aber gesunde Tradition
auch im einfachen bürgerlichen Bau, der durchaus nicht die Verachtung ver-
diente, mit der man ihn zu betrachten anfing, als sich auf Befehl des ersten
Königs die Wendung vom Fachwerk- zum Steinbau vollzog. Noch heute zeigt,
auch außer den Bauten an der Westseite des Marktplatzes, gar manches breit
und hoch aufragende Giebelhaus, daß diese gut bürgerliche, altschwäbische
Architektur sogar monumentaler Wirkungen fähig war, und noch manche
alte Gassen und winklige Plätzchen bewahren den malerischen und Stimmungs-
reiz einer Vergangenheit, die freilich von dem Verlangen der Gegenwart nach
Luft und Licht, nach Weiträumigkeit und Hygiene noch nichts wußte. Das
Werk ,, Alt-Stuttgarts Baukunst" von Lambert und Stahl gewährt einen eindrucks-
reichen Überblick über diese anspruchslos bürgerliche Kunst, die, bei allem
Festhalten am Überkommenen, Heimatlichen, doch mit der Zeit weiterzu-
schreiten, neue Anregungen aufzunehmen und sich anzupassen verstand, so daß
die allgemeine Bauentwicklung von der Renaissance über Barock und Rokoko
bis zum Klassizismus des Louis XVL und bis zum Biedermeierstil sich in
223
diesem still gleitenden Nebenfluß deutlich, wenn auch gedämpft widerspiegelt:
von den Tagen Georg Beers und Heinrich Schickhardts bis auf die des Erbauers
von Hohenheim, R. F. H. Fischer, und der schon überwiegend dem 19. Jahr-
hundert angehörenden Thouret, Groß, Gaab, Barth usw. Der Mann, der durch
langes Leben und reiches Schaffen die Brücke von den ersten Jahrzehnten fast
bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts schlug, ist Chr. Fr. Leins. In
seiner baukünstlerischen Physiognomie weist er nicht mehr jene Einheitlichkeit
auf, die auch noch die spätesten der Klassizisten, am meisten vielleicht den
trefflichen G. Barth, auszeichnet. Als Leins selbständig zu schaffen begann,
hatte der Eklektizismus, das Bauen nach älteren, willkürlich gewählten Stil-
L. Eisenlohr und O. Pfennig, Kurgartenhotel
i.i ichshafen
Vorbildern, schon auf der ganzen Linie gesiegt, war er selbst doch Schüler Zanths,
der die maurische Wilhelma baute, und entstand etwa gleichzeitig mit seinen
eignen ersten, noch klassizistischen Werken das Münzgebäude (von Groß ent-
worfen) in dem romanischen Stil des Müncheners Gärtner, und gar ein veneziani-
scher Palazzo (von Gaab), in dessen Nähe später Leins sich sein eigenes Haus,
das spätere Palais Weimar (jetzt Urach) errichtete. Die anmutige Villa Berg
in Formen der italienischen Renaissance, der Königsbau, dessen in sich un-
versöhnbare Doppelbestimmung zum Basar und zum Saalbau er hinter der
glänzenden Kulisse einer antiken Säulenhalle verbarg, die gotische Johannes-
kirche, für ihre bescheidenen Dimensionen im Äußern viel zu reich gegliedert
und geschmückt — man braucht nur diese drei Bauten nebeneinander zu
nennen, um festzustellen, daß Leins schon die ganze proteusartige Verwandlungs-
224
^ü^red Uefrc/ier
iäe^- J^Wred. U^raber
ytroLee-rule^
fähigkeit des modernen Stil-
architekten, dabei aber, wie all
seine Zeitgenossen, noch nicht
jene intimsten Kenntnisse der
alten Stile sich angeeignet hatte,
die erst die methodische Kunst-
wissenschaft erschloß. Dennoch
blieb ihm, trotz dem Zuviel der
Johanneskirche, über die man
den köstlichen Kirchturm von
Möhringen a. F. nicht vergessen
darf, der Sinn fürs Liebenswür-
dige, Schlichte. Als älterer Mann
hat er noch die Epidemie der
neuen deutschen Renaissance
erlebt, die alles Bedenkliche des
historischen Vorbildes unbedenk-
lich aufnahm und übertrieb, und
in seinen letzten Jahren sah er
auch noch den prunkvollen,
schweren Dekorationsstil, den
Wallot mit dem Reichstags-
A. Koch, Portal in der Erzabtei Beuron
Stuttgarter Kunst 29
U. Pohlhammer, Nikolauskirche in Stuttgart
gebäude inaugurierte, bis in sein
geliebtes Stuttgart vordringen. Er
durchschaute mit kühlem Blick das
Übersteigerte und darum Unhaltbare
dieser Richtungen und erhoffte von
der Zukunft, die er nicht mehr er-
leben sollte, daß ,,die da und dort zum
Vorschein kommende Überschweng-
lichkeit der Bauten im Geschmacke
der deutschen Renaissance ruhigeren
und ernsteren Formen wieder den
Platz räumen werde". Jedenfalls hat
er durch seine Lehrtätigkeit wie
durch sein praktisches Schaffen dazu
beigetragen, daß die Stuttgarter Bau-
weise, soweit sie künstlerischen In-
tentionen folgte, sich viel von dem
sympathischen und soliden Wesen er-
hielt, das ihn selbst charakterisiert.
Es ist ganz bezeichnend, daß ein
moderner Bautypus, der sich in
225
Lambert & Stahl, Haus der Ersten Kammer in Stuttgart
aus: „Architelctiir des \X. ]ahrliiinderts", Berlin, W:ismuth iS: Co,
anderen Städten zum
eigentlichen Vertreter
des Protzentums in
der Architektur her-
auswuchs: das Bank-
gebäude, in Stuttgart
sich Maß und Re-
serve bewahrt hat, von
dem vornehm kühlen
Haus der Reichs-
bank, das Egle und
Beyer in italienischer
Renaissance erbau-
ten, aus den siebziger
Jahren, bis zu den
neuesten Werken die-
ser Kategorie, z. B.
Stahl & Federer, Kre-
ditverein, die von L. Eisenlohr unter Mitwirkung von O. Pfennig
errichtet wurden, und die bei sehr sparsamem Schmuck ihre repräsentative
Wirkung vor allem durch die ruhige Gliederung und den streng betonten
Steincharakter der klassizistisch gehaltenen Fassaden erzielen. Als eine Aus-
nahme fast, die aber doch die Grenze noch nicht überschreitet, erscheint Gnauths
Vereinsbank (1884) mit ihren übergroßen Masken und Karyatiden. Es kündigt
sich hier der pathetische Über-
schwang an, der in Neckelmanns
Landesgewerbemuseum (vollen-
det 1896) aufs lauteste durch-
brach. Starkes, aber ungezügel-
tes Temperament, reiche Er-
findung, die sich freilich mehr
aus der Überfülle der Vorbilder
als aus eigenstem innerem
Schauen speist, kennzeichnen
diesen Bau, der für Stuttgart
in gewissem Sinne verhängnis-
voll werden sollte. Mit seiner
sich in unaufhörlichem For-
tissimo ergehenden Formen-
sprache hat er dem Publikum ganz falsche Begriffe von den Mitteln und Wir-
kungen monumentaler, repräsentativer Architektur beigebracht. Durch die
großen Abmessungen der einzelnen Bauglieder sollte das Bauwerk stark und
wuchtig, durch die gleichmäßig alles bedeckende Verschwendung des pla-
stischen Schmucks sollte es lebhaft und reich wirken. Die Fachleute sind
dieser stürmischen Eloquenz nie ganz erlegen, desto mehr die Laien, die wohl
226
Lambert & Stahl, Haus der Ersten Kammer (Korridor)
.ms: ..Arcbiteklur des \X. |.s!irlnmJerts'', Berlin, Wasmulh \ Co.
ifl In
In in
n VI n n n
11 11 .. II 11 11
■B
BH
B^B
" SB R
in -in]
Ri m
m sn^m
^n n n n
II II 11
*h 1^
Ok flk
^ ^ 4k
n n n n
ai 11 11
"I" ■«■ "P "3«
sp IAA
•m r, 1 ^
attttft
*4I
R n
jL
n a R "
n n n q
II 11 li
JL
1
ü 9 q
Th. Fischer, Schule an der Heusteigstraße in Stuttgart
auch anfangs Bedenken hatten, dann aber dem „ungünstigen Platz" die Schuld
an allem gaben, was ihnen nicht behagen wollte. Aus den geringschätzigen
Urteilen, die man über ältere einfache Bauten, wie die Alte Akademie, und über
das jüngste der monumentalen Werke in Stuttgart, Theodor Fischers Kunst-
gebäude, oft genug fällen hören kann, klingt ein Geschmack heraus, der sich,
bewußt oder unbewußt, an der Architektur des Landesgewerbemuseums ge-
bildet, d. h. verbildet hat. Es ist ein wechselvoller und interessanter Abschnitt
der modernen Entwicklung, den in Stuttgart das Landesgewerbemuseum und
das Kunstgebäude als Endpunkte bezeichnen: der Entwicklung von der deko-
rativen zur sachlichen Bauweise, wie sie vielleicht am kürzesten zu benennen
wäre. Mit solch knappen Formulierungen ist freilich immer die Gefahr ver-
bunden, ungerecht zu sein oder mißverstanden zu werden. Man muß sich eben
gegenwärtig halten, daß mit ihnen zunächst nur die Gesamttendenzen charakte-
risiert, nicht Einzelleistungen abgeschätzt werden sollen. Unter der Vorherr-
schaft der dekorativen Richtung, der historisierenden Stilarchitektur sind
natürlich auch sachlich tüchtige Werke in Fülle geschaffen worden; und die
Sachlichkeit, die wir heute erstreben, schließt anmutigen Schmuck und festUche
Pracht nicht aus. Das Unsachliche jener heute — hoffentlich für immer —
überwundenen Epoche aber lag im wesentlichen darin, daß man den Bau-
gedanken nicht aus der Bauaufgabe selbst entwickelte, sondern aus den Schatz-
kammern der alten Stile diejenige Form hervorsuchte, die für den betreffenden
Zweck die entsprechendste, am leichtesten dem heutigen Bedürfnis anzupassende
schien. In diesem Sinne war die Architektur zur Dekorationskunst geworden
und blieb es, bis, Hand in Hand wirkend, die fortschreitende geschichtlich-
ästhetische Einsicht und das immer stärkere praktische Bedürfnis sie wieder
als das erkennen lehrten, was sie wirklich ist : Raumkunst. In dem Wort
Raum ist das Tiefste und Höchste der Architektur beschlossen ; Räume zu
schaffen, ist ihre ursprüngliche und ewige praktische Aufgabe; Raum zu ge-
stalten ihr künstlerisches Wesen.
227
Mit dieser Erkenntnis ist der Bann der historischen Stile gebrochen. Wie
der Dichter, dem die Sprache das lebende Kleid der Dinge und innerlich erlebter
Besitz ist, altes, vergessenes Sprachgut wieder hervorholt, ohne zu altertümeln,
Neues gestaltet, nicht weil es noch nie dagewesen, sondern weil es in ihm da
war und erwuchs, so unbefangen steht nun der schöpferische Baukünstler den
überlieferten architektonischen Formen gegenüber. Er wird sich ihrer bedienen,
je nachdem er sie als raumbildende und stimmungschaffende Faktoren gebrauchen
kann; aber er wird sich von ihnen nicht mehr unter das Joch einer sogenannten
Stilrichtigkeit beugen lassen, sondern sie mit Neuem, von ihm selbst oder seiner
Zeit Gefundenem in einer höher gefaßten Richtigkeit, der Harmonie des Ganzen,
die ihm vorschwebt, vermählen und darin aufgehen lassen.
So anziehend und lehrreich es ist, diese Entwicklung, die in ihren Haupt-
linien überall in Deutschland, hier schneller, dort langsamer, den gleichen
Verlauf nimmt und nehmen muß, in den Straßen und der Umgebung Stuttgarts
wie weiter draußen in Städten und Dörfern des Königreichs an Einzelbauten
und architektonischen Gesamtbildern sich anschaulich zu machen, so schwer
dürfte es sein, die so gewonnene Anschauung heute schon in knapper
schriftlicher Darstellung zu fixieren. Nicht nur, daß wir den Dingen noch zu
nahe stehen, um mit voller Sicherheit das Wichtige, Bleibende vom minder
Wesentlichen und Vergänglichen unterscheiden zu können; nicht nur, daß uns
manchmal jener starke psychologische Zwang: der Undank der Gegenwart gegen
die unmittelbar vorausgehende Generation, unbewußt den Blick trüben mag —
im Bauwesen selbst und ganz besonders im modernen Bauwesen liegt ein
gewichtiges Moment, das die Aufgabe erschwert. Daraus, daß die Architektur
im Grunde angewandte Kunst, Zweckkunst ist, folgt, daß sie weit weniger per-
sönliche Kunst ist als Malerei und Plastik. Vielleicht gibt es kein einziges Bau-
werk, in dem der
Architekt nicht ein
Stück seiner ur-
sprünglichen Absicht
— und damit wohl
auch ein Stück seiner
Persönlichkeit — dem
praktischen Zweck
oder gar nur einem
besserwisserischen
Laieneinfall des Bau-
herrn opfern mußte.
Aber auch sein gan-
zes Schaffen wird von
den materiellen Ver-
hältnissen, den tech-
Th. Fischer, Schule in Höfen nischeu Fortschritten,
228
den geistigen Strömungen
der Zeit meist noch stär-
ker bedingt als durch die
inneren Faktoren seiner
Entwicklung; und wieder,
wo diese dank einer gün-
stigen Fügung mit dem
Verlauf der allgemeinen
Kulturideen und -forde-
rungen in engem und har-
monischem Zusammen-
hange bleibt, geht sein Ich,
gewissermaßen anonym
werdend, in dem Ganzen
seiner Umwelt unter. So
ist die Zahl der Archi-
tekten, die allen Phasen
der Entwicklung in den
letzten Jahrzehnten ge-
folgt sind, nicht gering,
und es sind oft nicht die
schlechtesten, die zu dieser
Zahl gehören. Besonders
gefördert wird aber dieser
unpersönliche Zug durch
die Intensität und Aus-
dehnung des heutigen Bau-
betriebs. Die Zahl und Mannigfaltigkeit der Aufträge, das Ineinandergreifen
des Technischen und Künstlerischen, die geschäftliche Kompliziertheit der
Verhältnisse machen oft den festen Zusammenschluß mehrerer Architekten zu
einer Firma oder mehr gelegentliches Zusammenarbeiten zu einem bestimmten
Zweck notwendig. Oder ein vielbeschäftigter Künstler umgibt sich mit einem
ganzen Stab junger Fachgenossen, die nicht nur die eigentlichen Hilfsarbeiten
auszuführen haben, sondern sehr oft auch zur künstlerischen Mitwirkung heran-
gezogen werden. — Aus all diesen Gründen kann ein Stück moderner Bau-
geschichte nicht in dem strengen und eigentlichen Sinn wie andere Kapitel der
Kunstgeschichte Individualitäten schildern und analysieren; und dem Blick,
der nach Richtpunkten in diesem Werdegang sucht, stellen sich markante
Werke, in denen zu verschiedenen Zeiten und auf verschiedene Weise die
Lösung der gleichen Aufgaben versucht wurde, zunächst als Illustrationen des
allgemeinen Bauwillens und -geschmackes, erst in zweiter Linie als Dokumente
für die Entwicklung der einzelnen Architekten dar.
Was der Stuttgarter Architektur immer eine gewisse, über das Lokale hinaus-
gehende Bedeutung, einen festen Rückhalt gegeben hat, war neben und über der
Stellung der Haupt- und Residenzstadt der Zusammenhang des praktischen Bau-
229
Th. Fischer, Erker am Haus Zeller in Stuttgart
Wesens mit der Technischen Hochschule (1829 als Gewerbeschule gegründet,
1840 zur Polytechnischen Schule, 1862 zur Hochschule erweitert). An ihr hat
zum Beispiel Leins viele Jahrzehnte lang als Lehrer gewirkt und hat neben sich
eine neue Generation von Professoren heranwachsen sehen, die zum Teil seine
Schüler gewesen waren. Unter den heute noch lebenden Leinsschülern seien als
die ältesten besonders Conrad DoUinger und Robert Reinhardt genannt.
Der erstere hat sich
im Stadtbild mit der
vieltürmigen Garni-
sonskirche und der
kleineren, mit un-
günstigstem Terrain
sich klug abfindenden
Friedenskirche, beide
in romanischem Stil,
eingetragen und au-
ßer durch viele andere
Bauschöpfungen sich
besonders verdient
gemacht durch Auf-
nahme und Rekon-
struktion alter schwä-
bischer Architektur-
gebilde von geschicht-
lichem und rein
künstlerischem Wert.
Reinhardt hat u. a.
das Marienhospital
und die von Jobstsche
Gedächtniskirche ge-
baut, die in der Ver-
wendung der stilisti-
schen Mittel der Gotik
auf ihre Lage (sie
bildet die Ecke eines
Straßenblocks , der
nur die Hauptfassade und eine Längsseite frei hervortreten läßt) mit richtigem
Takt abgestimmt ist. Als Gelehrter beschäftigt sich Reinhardt ebenso intensiv
wie erfolgreich mit Forschungen über den antiken Tempelbau.
Während Dollinger und Reinhardt jetzt im Ruhestand leben, wirkt ein
anderer Leinsschüler, P. Lauser, zugleich Schüler der beiden eben Genannten,
noch heute an der Hochschule als Lehrer für Ornamentik; außer in eigenartigen
Studien über antike Bauschmuckformen hat er sich praktisch betätigt als
künstlerischer Berater des Hüttenwerks Wasseralfingen und durch Privathaus-
bauten in der reiche Verzierung liebenden Art der späteren Leinsschule, für
230
Th. Fischer, Haus Wilbrandt in Tübingen
die wir als ein gefälliges und bekanntes Beispiel in unseren Abbildungen das
Eckdetail vom Neubau des Hotels Marquardt, einer Arbeit C. Weigles (damals
in Firma Eisenlohr & Weigle) geben. Im übrigen kann man wohl sagen, daß
fast die ganze ältere Architektengeneration Stuttgarts entweder direkt aus
Leins' Schule hervorgegangen oder doch aus dem Boden, den diese schuf, er-
wachsen ist.
Gar manche der älteren Leinsschüler, wie z. B. Heinrich Dolmetsch,
der Erbauer der in frei behandeltem romanischem Stil erbauten Markuskirche,
sind ihrem Lehrer schon im Tode nachgefolgt; aber eine stattliche Zahl steht
noch in voller Rüstigkeit an der Arbeit und hat es ganz im Sinne ihres Meisters
verstanden, mit der Zeit Schritt zu halten. Zu den Vertretern dieser Gene-
ration, die ihrem Lebensalter nach etwa in die fünfziger Jahre des 19. Jahr-
hunderts zurückreicht, gehören zum Beispiel auch C. Weigle und L. Eisenlohr,
A. Knoblauch, A. Lambert, W. Scholter, U. Pohlhammer, J. Cades. Die bei-
den an erster Stelle
Genannten waren
viele Jahrzehnte
lang in einer Firma
vereinigt, wobei
sich jedoch jeder
von ihnen die Selb-
ständigkeit im ei-
gentlich Künstleri-
schen wahrte. Von
Weigles Arbeiten
wurde schon der
Anbau des Hotels
Marquardt (der
ältere Teil stammt von Beyer) als Beispiel für die reiche dekorative Art der
neunziger Jahre genannt. Zahlreiche Stadthäuser (z. B. das der Schwanen-
apotheke), Villen und Schlösser (wie das von Nußdorf) verzeichnet die Liste
seiner Arbeiten, neben Gebäuden, die öffentlichen Zwecken dienen: dem statt-
lichen Haus der Lebensversicherungs- und Ersparnisbank, der in leichtem,
zierlichem Stil gehaltenen Volksbibliothek mit dem in Stuttgart ungewöhn-
lichen Schmuck eines Dachgartens; dem besonders im Innern reich aus-
gestatteten Finanzministerium; dem Kgl. Interimstheater, das nach dem Brand
des alten Hoftheaters 1902 in wenigen Monaten erstellt wurde und nun,
nachdem es ein Jahrzehnt seine Aufgabe als Platzhalter aufs beste erfüllt hat,
wieder verschwindet. Bald den, bald jenen Stil nach Zeitgeschmack und Be-
darf der Aufgabe freier oder strenger anwendend, hat Weigle zum Beispiel des
romanischen Stils sich mit viel Glück in der schönen Friedhofanlage von
Göppingen bedient. — Auch in Ludwig Eisenlohrs Arbeiten aus den Jahren
der gemeinsamen Tätigkeit mit C. Weigle läßt sich die Wandlung der An-
schauungen und Forderungen des Geschmacks wie der Praxis jener Dezennien
gut ablesen: das Landhaus Gießler (1896), die schön geschlossene Knospstraße,
231
Th. Fischer, Wirtshaus in Gmindersdorf
Th. Fischer, Erlöserkirche in Stuttgart
die Villen Simolin (1903) und Rosenfeld, das Wohnhaus Leicht in Vaihingen a. F.
(1903 04) bezeichnen den Weg von der deutschen Renaissance über das so-
genannte bürgerliche Barock zum Klassizismus. Das Marbacher Schillermuseum
( 1901 02) ist wohl einer der ersten bedeutenderen Bauten, die mit Bewußtsein und
eindringendem Verständnis auch praktisch wieder an die Architektur der Zeit
des Herzogs Karl anknüpfen — wenn irgendwo, war hier die Wahl des histori-
schen Vorbilds durch die geistige Bestimmung des Gebäudes gerechtfertigt,
wurde aber auch dessen praktischen Anforderungen vortrefflich angepaßt.
Wie hier an die fürstliche, so knüpfte Eisenlohr in seinen Rathausbauten für
Vaihingen a. F. (1906 07) und Feuerbach (1908 09) an die volkstümliche Bau-
tradition der schwäbischen Vergangenheit mit Glück an. Beide Male bildet das
Haus mit seinen im rechten Winkel aufeinanderstoßenden Flügeln eine Ecke des
Platzes, der hübsche Brunnen und die Freitreppe führen den typischen Schmuck
des alten deutschen Rathauses ohne aufdringliche Altertümelei ins Leben der
Gegenwart zurück. Mit demselben sicheren Geschmack behandelt der Architekt
aber auch spezifisch moderne Aufgaben: das große Geschäftshaus Breuninger
(1901 02 und 1907 08), das sich nur allzu eng in seinen Altstadtwinkel hinein-
drücken muß; das vornehme Ausstellungshaus der Möbelfabrik Epple & Ege
(1907 08), die schmale Fassade ganz auf durchgehende Vertikalen gestellt; die
schon früher erwähnten Banken und die Baulichkeiten der Papierfabrik Scheufeien
232
Jakob Brüllmann, Bildhauerarbeiten an Theodor Fischers Gustav-Siegle-Haus in Stuttgart
in Oberlenningen, bei denen der Baumeister in vorbildlicher Weise differen-
zierte: die Beamten- und Arbeiterwohnungen inländlichem Stil, anheimelnd und
behaglich; die eigentliche Fabrik streng sachlich und, unter völligem Verzicht
auf die sonst so beliebten, unorganisch dem Nutzbau aufgeklebten Schmuckteile
in Haustein, zu künstlerischer Wirkung erhoben allein durch die guten, groß-
zügigen Verhältnisse in den bedeutenden Abmessungen und durch die kräftige
Betonung der Vertikale. — In den letzten Jahren, in gemeinsamer Arbeit mit
dem Fischerschüler 0. Pfennig, entstanden u. a. das Kurgartenhotel in Fried-
richshafen, durchaus in der vornehmen Einfachheit unaufdringlichen Komforts
gehalten, die heute für Gasthöfe ersten Ranges verlangt wird; das Gymnasium
in Cannstatt, in ernstem, doch nicht kühlem Klassizismus; der Konzertsaal
des Kgl. Konservato-
riums in Stuttgart,
dessen klare, ruhige
Linienführung mit
Recht darauf verzich-
tet, sich der über-
reichen französischen
Renaissance des
Hauptgebäudes an-
zupassen; die der
Vollendung entgegen-
gehende Heilands-
kirche nahe der Villa
Berg, dem einstigen
Wohnsitz der Stif-
terin, Herzogin Wera,
auf deren Wunsch das
nicht sehr umfang-
reiche Gotteshaus in
französisch - romani-
schem Stil ausgeführt
wurde; ein großes
Geschäftshaus in Ulm.
Die alte Reichsstadt
hat seit vorigem
Jahr noch ein andres,
von Eisenlohr allein
entworfenes Werk
aufzuweisen: die Do-
naubrücke nach Neu-
ulm hinüber, die in
ihrer monumentalen
Stattlichkeit so recht
zum Ausdruck zu
Stuttgarter Kunst 30 233
Th. Fischer, Garnisonskirche in Ulm
bringen scheint, wie die Ulmer sich einer rühmlichen Vergangenheit und der
Pflichten, die sie für die Gegenwart auferlegt, bewußt sind.
Ein Altersgenosse Eisenlohrs ist Andre Lambert, französischer
Schweizer von Geburt, Schüler von Leins und Viollet le Duc. Die Firma
Lambert & Stahl ist weit über Stuttgart hinaus bekannt geworden durch
die von ihr herausgegebenen Tafelwerke (das Buch über Alt-Stuttgarts Bau-
kunst wurde schon oben erwähnt) ; in Stuttgart selbst bleibt ihr Name mit
mehreren großen Bauten wie dem Olgabau, dem Haus der Ersten Kammer und
einer großen Reihe von Privatbauten verknüpft. Der französische Einschlag
in Lamberts Wesen, der ihn nicht hindert, sich in die deutsche Architektur
mit feinem Verständnis zu versenken, tritt in der Vorliebe für französisches
Barock (Olgabau) und französischen Klassizismus hervor. Im Geiste dieses
letzteren ist die repräsentative Erste Kammer, sind auch, mit stärkerer Be-
tonung behaglicher Eleganz, Villen wie die des Dr. Stein gehalten. Gleich
dem französischen Schweizer Lambert hat sich auch der Deutsch -Schweizer
W. Scholter ganz in Stuttgart naturalisiert. Außer im Privatwohnbau hat
Th. Fischer, Gustav-Siegle-Haus in Stuttgart
234
Th. Fischer, Kunstgebäude in Stuttgart
er sich auch an einer ausgeprägt modernen Aufgabe der öffentHchen Baukunst
betätigt : in dem Krematorium auf dem Stuttgarter Pragfriedhof, einem
würdigen, maßvoll geschmückten Bau, der ohne laute Pathetik eine ernste
Stimmung atmet.
Der gleichen Generation wie die eben Genannten gehören zwei Haupt-
vertreter des katholischen Kirchenbaus in Württemberg an: Ulrich Pohlhammer
und Josef Cades. Pohlhammer, seit mehr als einem Vierteljahrhundert in
Schwaben tätig, hat in dieser Zeit an sechzig Landkirchen (darunter zwei prote-
stantische) errichtet, nicht nur in den traditionellen Kirchenbaustilen, Ro-
manisch und Gotisch, sondern auch in Spätbarock, und immer bereit, auch
moderne Formen mit der Überlieferung in Einklang zu bringen. In Stuttgart
selbst hat er die kleine und freundliche Nikolauskirche (im Übergangsstil)
gebaut, die sich mit einer ähnlich ungünstigen Situation wie Dollingers Friedens-
kirche abfinden mußte und statt des Turmes sich mit einem schlanken Dach-
reiter begnügt. Cades gibt in seinen Kirchenbauten dem romanischen Backstein-
bau überwiegend den Vorzug, so in Stuttgart bei der Elisabeth-, in Cannstatt
bei der Liebfrauenkirche, die durch die kräftige Gliederung der Massen, die gute
Silhouette des Turmes bekunden, daß ihr Erbauer zu dem von ihm gewählten
Stil in wirklicher Wahlverwandtschaft steht. — Jüngere Vertreter des katholischen
Sakralbaues sind Edmund Capitain, der sich besonders auch der Erstellung
von klösterlichen Anlagen widmet (mit Kinderschulen verbundene Schwestern-
23s
häuser in Lautlingen, Bühlerzell u. a., Kirche und Ordenshaus für die Gesell-
schaft Jesu in Graz usw.), und August Koch, der vor allem die Einrichtung
kirchlicher Innenräume pflegt; mit feinem Nachempfinden verwendet er dabei
oft, wie in dem Saal für die Erzabtei Beuron, die strengen, edlen Formen früh-
christlicher Kunst. — Dem Stand der katholischen Kirchenbaukunst in Würt-
temberg im allgemeinen kommt es sicherlich zugute, daß der Bischof von
Rottenburg, Dr. von Keppler, ein Mann voll persönlichen regen Kunstsinns und
kunsthistorischer Bildung ist, der dem Kirchenbau niemals allzu beengende
Schranken ziehen würde. Immerhin wird das Verhältnis zu den historischen
Stilen wohl noch auf lange hinaus für
den katholischen Kirchenbau ein anderes
bleiben als für den protestantischen.
Wenn nun aber jener, durch innere und
äußere Gründe enger an die Tradition
gebunden, mit den von dieser darge-
botenen Schätzen in wirklich architek-
tonischem , d. h. raumkünstlerischem
Sinn schaltet, wird er ebenso — nicht
mehr und nicht minder — wahrhaft
sach- und zeitgemäß schaffen wie der
protestantische Kirchenbau, wenn dieser
sich ehrlich zu der größeren Schlichtheit
und Schmucklosigkeit seines Kultus
bekennt und diesen Geist sich seinen
Körper bauen läßt in wachsender Un-
abhängigkeit von den mittelalterlichen
Formen. Jedenfalls ist für den prote-
stantischen Kirchenbau die Emanzipa-
tion von der Vormundschaft der früheren
Stile eine äußerst wichtige Tatsache; er
ist heute, besonders auch in Württem-
berg, in ein neues Stadium eingetreten, das mit den Daten dieser Ent-
wicklung in enger Beziehung steht. Und so dürfen wir uns von hier aus
dem Neuen zuwenden, das mit voller Entschiedenheit etwa seit Anfang
des Jahrhunderts auch in unseren engeren Landesgrenzen sich Bahn brach
und hier nicht minder gründlich wie im übrigen Deutschland durch-
gedrungen Tst.
W. Weigel, Gesellschaftsraum im Kunstgebäude
in Stuttgart
Wieviel es für die Architektur Stuttgarts bedeutet, daß die Stadt der Sitz
einer Technischen Hochschule ist, das sollte sich aufs neue besonders klar bei
der Berufung Theodor Fischers erweisen. Als Nachfolger Neckelmanns trat
Fischer, bis dahin Bauamtmann der Stadt München, 1901 in den Lehrkörper
der Stuttgarter Hochschule ein. Bis 1908 hat er hier gewirkt, um dann wieder
nach München zurückzukehren. In den Jahren seiner Stuttgarter Wirksam-
236
keit vollzog sich der entschiedene Anschluß der Stuttgarter Baukunst an den
neuen Geist besonnenen Fortschritts und innerer Sammlung, der um die Jahr-
hundertwende, im wesentlichen von München ausgehend, sich in ganz Deutsch-
land auszubreiten begann. Durch seine Lehrtätigkeit wie durch seine Werke,
die er während seiner Stuttgarter Zeit innerhalb und außerhalb der württem-
bergischen Grenzen und auch noch nach der Rückkehr nach München im
Schwabenland ausführte, hat Fischer viel dazu beigetragen, daß jener Anschluß
sich so rasch, mit klarer Orientierung und gründlich eingreifend vollzog. Er
hat sich damit ein dauerndes Heimatrecht in Schwaben und in der schwäbi-
schen Kunstgeschichte erworben. Das ist aber nur darum möglich geworden,
weil sein Wesen der schwäbischen Art und speziell der volkstümlichen Bau-
A. Knoblauch, Schule in Auingen
gesinnung des kleinen, aber von reicher und mannigfacher Kulturüberlieferung
durchdrungenen Landes innerlichst verwandt war. Den Sohn der alten fränki-
schen Reichsstadt Schweinfurt, die nicht bloß in dem prächtigen Rathaus
noch Spuren und Erinnerungen ihrer Vergangenheit trägt, mußte der klas-
sische Boden alten Reichsstadtwesens von vornherein heimisch und vertraut
anmuten, um so mehr, als es gerade die Sprache der Architektur ist, in der uns
diese Städte am schönsten und eindringlichsten von ihrer Geschichte erzählen.
Für sein wohlbedachtes Streben, zunächst vor allem die bürgerliche Baukunst
wieder auf die Grundlage gesunder Volkstümlichkeit, ruhigen, wahrheitliebenden
Selbstbewußtseins stellen zu helfen, fand Fischer in Schwaben und auch speziell
in Stuttgart günstigere Vorbedingungen an den alten Architekturdenkmälern
als in München, dessen heimatlicher Privatbau im Gegensatz zu den prächtigen
Werken vornehmer Barock- und Rokokokunst in früheren Jahrhunderten keine
237
hohe Stufe erreicht hatte. Das schwäbische Giebelhaus, Straßenanlagen und
Stadtbilder — in allem traf er auf Grundbestandteile seines eignen künstle-
rischen Wollens. Es muß aber gerade in diesem Zusammenhang betont werden,
daß dies Wollen mit dem oft mißbrauchten und darum verdächtig gewordenen
Wort ,, Heimatkunst" auch nicht annähernd umschrieben oder erschöpfend
bezeichnet werden kann. Wer sich die Mühe nimmt, sich von den Arbeiten
Ml^^'l'^
Klatte & Weigle, Schule in Bernhausen
Fischers aus den bildlichen Veröffentlichungen eine zusammenfassende An-
schauung, einen allgemeinen Überblick zu verschaffen, der muß, wenn er
überhaupt für Architektonisches Blick hat und wenn ihm der Blick nicht durch
Unsachliches getrübt ist, bald erkennen, daß hinter und über den jeweils wech-
selnden Formen, durch die Fischer die Beziehung seiner Bauten zu ihrer Um-
welt und deren örtlichen und geschichtlichen Überlieferungen knüpft, ein
fester, einheitlicher Formwille von einer fast abstrakten Klarheit und Be-
stimmtheit steht, dem es zunächst und vor allem um die ursprünglichsten,
wesentlichen und unvergänglichen Elemente baukünstlerischen Schaffens zu
tun ist. Das Bauwerk als dreidimensionales Gebilde durch die Verteilung der
kubischen Massen, durch die Richtung der Flächen gegeneinander und ihre
harmonische Binnengliederung, durch großen Umriß, Gleichgewicht der Maße
zu einer lebendigen, zugleich anregenden und beruhigenden Bildvorstellung
fürs Auge zu gestalten, dies etwa ist die künstlerische Tendenz Fischers in
allgemeinster Formulierung. Aus der streng sachlichen Erfassung des prakti-
schen Zwecks und aus der Rücksicht auf die architektonische und landschaft-
liche Umgebung erwachsen die Grundlinien der baumeisterlichen Konzeption;
238
aus dem Streben, Massen und Flächen zu voller Wirkungsmöglichkeit sich
ausleben zu lassen, ergibt sich die Notwendigkeit, auf allen rein äußerlich hin-
zugetanen Schmuck zu verzichten, nur die funktionell wichtigsten Bauteile,
die an sich schon die Fläche unterbrechen, dekorativ zu betonen, desto stärkeren
Nachdruck aber auf gute Proportionen zu legen, die so viel entscheidender sind
für den ästhetischen Gesamteindruck als die reichste nachträgliche Dekoration.
Monumentalität wird erreicht nicht durch große Abmessungen an sich, durch
gleichmäßige Steigerung aller Bauglieder ins ,, Überlebensgroße", sondern gerade
durch den Gegensatz zwischen den bescheidenen Abmessungen einzelner Teile
und der Größe des Ganzen (Ulmer Garnisonskirche: der Bogen zwischen den
beiden Türmen, unter der Glockenstube, würde nicht so gewaltig wirken,
wenn nicht die fast lukenartig klein erscheinenden Fenster in den Türmen und
die etwas größeren Öffnungen der Glockenstube sich als Maßstab darböten.
Ähnlich wird die Wucht der breitgelagerten Fassade der Stuttgarter Heusteig-
schule veranschaulicht durch die relativ kleinen, zierlich gestalteten Korridor-
fenster im ersten und zweiten Stock des Mitteltrakts). Eindrucksvoller als durch
strenge Symmetrie werden Baumassen gegliedert durch die Verbindung von
symmetrischen und unsymmetrischen Teilen (Pfullinger Hallen; die dem Kon-
R. Dolliii!^
Neue Realschule in Schorndorf
zertsaal vorgelagerte Fassade symmetrisch, der Turnhallenflügel seitlich an-
gefügt) oder durch Aufhebung der Symmetrie zugunsten eines freien Gleich-
gewichts (Heusteigschule: vorspringender Anbau am nördlichen, rücktretender
am südlichen Flügel). Wie die Größe einer Mauerfläche durch wenige und
kleine Öffnungen gesteigert wird, so wird sie innerlich belebt durch die Ver-
teilung der Fenster, durch deren verschiedene Anzahl oder verschiedene Höhe in
den einzelnen Stockwerken (Pfullinger Hallen, Konzertsaalfassade: ein dreifach
gegliedertes Fenster im Giebelaufsatz, fünf große, fast quadratische Fenster
239
F. E. Scholer, Städtische Madchenschule in Göppingen
im Ober-, sieben kleinere mit Bogenabschluß im Haupt-, neun kleine im
Untergeschoß. Gartenfassade des Hauses Wilbrandt in Tübingen: über den
Wölbungen des Untergeschosses Haupt- und Obergeschoß zu einer quadratischen
Fläche zusammengefaßt; die sehr hohen Fenster des unteren, die niedrigeren
des oberen Stockwerks ergeben einen lebhaften Gegensatz, eine Verjüngung,
die auf den doppelt geschwungenen Giebel mit der dreigeteilten Loggia vor-
bereitet). Den Ausmaßen und Proportionen eines und desselben Baues muß
immer eine Art durchgehender Maßeinheit, etwas wie ein gemeinsamer Schlüssel
zugrunde liegen, und diese Grundnorm wieder bestimmt sein durch die ein-
heitliche Richtungstendenz, die aufstrebend, vertikal, oder lagernd, horizontal,
sein kann oder wohl auch beide Richtungen balanciert — eines der wichtigsten
Gesetze: sehr oft werden wir, wenn trotz manchen sonstigen Vorzügen ein
P. Bonatz, Universitätsbibliothek in Tübingen
240
Ol
C
J3
Gebäude der rechten Haltung und festen Physiognomie zu entbehren scheint,
bei näherem Zusehen erkennen, daß dieser Mangel auf das Fehlen der be-
stimmten Richtungstendenz zurückzuführen ist (aufstrebende Tendenz z. B.
Garnisonskirche Ulm, Haus Wilbrandt in Tübingen; lagernde Tendenz: Pful-
linger Hallen, Erlöserkirche Stuttgart, Kunstgebäude; beide Tendenzen zu
gegenseitiger Steigerung ausgeglichen an der Heusteigschule).
All diese Grundsätze jedoch sind von sehr allgemeiner, ja abstrakter
Natur; sie reichen noch durchaus nicht hin, einem Bauwerk persönlichen Stil
zu geben, und sie könnten leicht — worin überhaupt für den Künstler und für
Künstlerschulen die Gefahr völlig klaren theoretischen Bewußtseins liegt —
P. Bonatz und F. E. Scholer, Turnhalle in Feuerbach
zu einer Schaffensart von akademischem, lehrhaft-nüchternem Charakter führen.
Aber andererseits geben sie den verschiedenartigsten Persönlichkeiten Halt
und Raum zum Ausleben ihres Wollens; ein so ausgesprochen moderner
Architekt wie der Holländer Berlage bekennt sich in Wort und Werk ebenso
zu ihnen wie Fischer, der seinerseits oft genug, in Erfüllung des französischen
Satzes: ,,0n est toujours le reactionnaire de quelqu'un", für einen Konservativen
oder Romantiker angesprochen wird. Wären es romantische Gefühlswerte,
gegenwartfeindliche Stimmungen, die unseren deutschen Baumeister zu den
Werken altheimischer Überlieferung hinziehen, so würde sich das verraten
durch das nie zu verbergende Stigma alles Nachempfindens und Nachahmens,
die äußerliche und die allzureichliche Herübernahme sekundärer Stileigentümlich-
keiten und Zierformen. Nichts liegt der Art Fischers ferner als ein solches
Zuviel; ist es doch gerade seine Einfachheit, sein sachlicher Ernst, was viele
befremdet — die Abwesenheit alles rein Dekorativen, das noch immer von
der Herrschaft der alten Stile her häufig genug so ungefähr als das eigentliche
Stuttgarter Kunst 31 241
Wesen der Architektur angesehen wird. Das gefühlsmäßige Band zwischen
Fischer und den kräftig volkstümlichen Werken deutscher Vergangenheit ist
die Stammesgemeinschaft und -eigenart, also gerade das, was sozusagen das
ewig Gegenwärtige in den verschiedenen Generationen eines Volkes ausmacht;
die bewußte Einsicht stärkt dieses Band, weil sie in jenen Werken die Erzeugnisse
eines vernünftigen, sachgemäßen, von innen heraus künstlerischen Schaffens
erkennt. Weil aber die allgemeine Baugesinnung, das Elementare der natio-
nalen Formensprache ihm das Wichtige ist, mußte es ihm auch ganz fern liegen,
theoretisch oder praktisch eine bestimmte einzelne Stilphase der Vergangenheit
als Ausgangspunkt einer neuen Tradition aufzustellen. Daß Fischer in seinen
ersten Arbeiten sich an das damals in Flor stehende ,, süddeutsche bürgerliche
Barock" hielt, darin liegt kein theoretisches Glaubensbekenntnis, kein Fak-
tum von programmatischer
Wichtigkeit; er marschierte
eben, ehe er den eigenen
Weg gefunden hatte, rüstig
und unbefangen in der
Schar der anderen mit. Es
ist nie die Art wirklich
schöpferischer Menschen
gewesen, das Drama ihrer
Entwicklung mit einem
Monolog zu eröffnen, in
dem sie erklären, sie seien
gewillt, Welterneuerer zu
werden.
Als Fischer seine Wirk-
samkeit in Stuttgart be-
gann, stand er längst in
voller Reife und Eigenart;
davon zeugt das lebendige
Fortwirken seiner Lehre
an der Hochschule und
die vorbildliche Kraft sei-
ner in diesen Jahren ent-
standenen Werke. Deren
Zahl ist in Schwaben frei-
lich nicht sehr groß; der
imposante Entwurf für ein
neues Waisenhaus, in ge-
wissem Sinn ein Gegenstück zu der damals entstandenen Universität Jena,
scheint für immer in jener Krypta der Architektur beigesetzt und verschollen
zu sein, von der im Anfang dieses Kapitels die Rede war. Im Auftrag der
Stadt Stuttgart, die er außerdem in Bebauungsfragen beraten hat, die Schule
an der Heusteigstraße; für Heilbronn ein Stadttheater; im Auftrag der Krone
242
Eitel & Steigleder, Schauspielhaus in Stuttgart
das Kunstgebäude am Schloßplatz; drei Kirchenbauten — damit ist im wesent-
lichen die Liste der öffentlichen Aufträge erschöpft. Doch gab es eine gute
Fügung, daß unter Fischers schwäbischen Bauten nahezu alle wichtigeren
typischen Bauaufgaben der Gegenwart vertreten sind: neben dem Theater die
Kirche, die große städtische (Heusteigschule) und die kleine ländliche Schule
(Binsdorf, Höfen);
Häuser, die der Pflege
der Kunst und der
Kulturerziehung des
Volkes dienen sollen
(Pfullinger Hallen;
Gustav- Siegle - Haus,
Kunstgebäude in
Stuttgart) ; Einzel-
wohnhäuser , Miet-
häuser und Villen
sowie eine ganze
dörfliche Ansiedlung
(die Arbeiterkolonie
Gmindersdorf bei
Reutlingen); ja auch
ein Lagerhaus (in
Ostheim) und ein
Zeitungskiosk (der
Wildtsche vor dem
Wilhelmsbau). — Das
Stadtwohnhaus des
Chirurgen Zeller in
Stuttgart ist die Fortbildung des altschwäbischen Giebelhauses ins Vornehme,
Zierliche ; der köstliche Erker und die Haustür mit plastischem und
schmiedeeisernem Schmuck erinnern an das Prinzip : Sammlung des Deko-
rativen auf wenige bedeutsame Punkte. Die Miethäuser mit Kleinwoh-
nungen an der Weberstraße, 1906 von dem Verein für das Wohl der arbei-
tenden Klassen errichtet, schlugen den Ton an, der dann in dem umfang-
reichen Werk der Altstadtsanierung kräftig weiterklang. Mit der Heusteigschule
hat Fischer die Reihe jener imposanten Schulhäuser, der Hauptwerke seiner
ersten Münchener Zeit, fortgesetzt und als erster in Stuttgart gezeigt, welche
Möglichkeiten monumentaler Baugestaltung den mächtigen Massen einer
großen modernen Schule zu entlocken sind. — Die drei Kirchen greifen, wie
schon die Schwabinger Erlöserkirche, nur in noch mehr vereinfachter und
geschlossener Form, das Problem des protestantischen Sakralbaues vom ent-
scheidenden Punkt aus an, der schon von den Architekten des 18. Jahrhunderts
gefunden, in der Zeit der historischen Bauweisen aber wieder vergessen worden
war: Fortlassen der Bauteile, die für den katholischen Kult nötig, für den
protestantischen überflüssig sind, konsequente Ausbildung des Kirchenraums
243
Bihl & Woltz, Rathaus in Schramberg
zum Predigt- und Betsaal. Damit fallen freilich viele äußeren Stützen für den
Architekten, und er ist ganz auf sein eigenes inneres Verhältnis zu den Fragen
des Innenlebens und zu den Kernfragen seiner Kunst angewiesen, wenn er
dem Gotteshaus Größe, Würde und Feierlichkeit geben will. Das künstlerisch
Entscheidende ist auch da wieder die Stärke des Raumgefühls, des raum-
schöpferischen Könnens, das unabhängig von den wirklichen Abmessungen
durch seine Gebilde die Empfindung des Weiten, Erhebenden, Kraftvollen und
Innigen hervorzurufen vermag. Die Gaggstadter Dorfkirche, die Erlöserkirche
in Stuttgart und die Ulmer Garnisonskirche bedeuten in dieser Hinsicht voll-
kom.mene Lösungen. Hell und doch voll Stimmung in der Lichtzuführung,
bescheiden im Maßstabe (wenigstens die beiden ersten), dabei aber von jener
Harmonie der Verhältnisse, die dem Auge wohltut und die Brust unwillkürlich
tiefer atmen läßt, sind
sie eben doch, wie um
eine von anderer Seite
gewählte antitheti-
scheFormulierung des
protestantischen und
des katholischen Kir-
chenbaus zu entkräf-
ten , nicht nur Ge-
meindesäle , sondern
Gotteshäuser. — Die
schlichte und doch in
kraftvoller Silhouette
das freundliche Dorf-
bild beherrschende
Kirche vonGaggstadt,
mit der gleichen An-
ordnung der Glocken-
stube über großem Entlastungsbogen zwischen den Türmen, wie sie dann ge-
steigert sich in Ulm wiederholt, die Erlöserkirche, die sich m.it ihrer geschlossenen
Massigkeit gegen den steilen Hang, an dem sie steht, zu stemmen scheint; endlich
die Garnisonskirche in Ulm, die mit so weisem Bedacht jeden Anklang an die
gewaltige Erscheinung des Münsters vermeidet und gerade dadurch neben diesem
aus eigener Kraft zu bestehen vermag; reich an originellen Lösungen und
Einzelzügen, das Innere mit der weiten Spannung der flachgewölbten Decke
ein mächtiger Eindruck, trotzdem hier einige rein dekorative Einzelheiten
im Maßstab vergriffen sind. — Handelte es sich bei diesen drei Werken
um Festlegung und Ausgestaltung eines bestimmten, durch praktisch-geistige
Zwecke geforderten Bautypus, so war in den weltlicher Erbauung und ge-
meinsamer Kulturpflege gewidmeten Bauten jedesmal eine durchaus eigene,
neue Lösung zu finden, dem künftigen Gebrauch und dem Stifterwillen ent-
sprechend. Die Pfullinger Hallen, eine großmütige Schenkung des kunst-
freundUchen Privatiers Louis Laiblin an seine Vaterstadt, vereinigen einen
214
Klatte & Weigle, Rathaus in Gönningen
M. Elsäßer, Neue Markthalle in Stuttgart
Musik- und einen Turnsaa! sowie einige kleinere Beratungsräume. Neben
den Künstlern, die den Musiksaal mit großen, an anderer Stelle dieses Bandes
besprochenen Wandmalereien schmückten, hat Eduard Pfennig Turnhalle
und Vorräume anmutig dekoriert. Der Musiksaal, zugleich für kleine Bühnen-
aufführungen verwendbar, ist ein schon durch seine Maße und das seitliche
Oberlicht feierlicher und festlicher Raum, dessen bauliche Harmonie auch
die unter sich so verschiedenen , zum Teil noch kühn experimentierenden
Wandbilder zu einem starken, reinen Akkord zusammenstimmt. Nicht
mindere Beachtung verdient es, wie das Äußere des Hauses mit dem lang-
gedehnten Hauptfirst und der Schrägung des Walmdachs sich den Bergen
des Hintergrundes anpaßt, wie es in seiner ganzen heiter-ernsten Ruhe aus
dem Wesen der lieblichen Alblandschaft heraus erwachsen scheint. In eine
ganz anders geartete Umgebung war das Gustav-Siegle-Haus, eine Stiftung
der Hinterbliebenen des bedeutenden Großindustriellen, einzufügen — hinter
der altehrwürdigen Leonhardskirche, in einer Gegend der Altstadt, wo gute
altbürgerliche und
völlig gleichgültige
neuere Bauweise in
den Straßen unver-
mittelt nebeneinander
stehen. Den Grund-
ton gab natürlich die
Kirche an; vortreff-
lich stimmt zu ihr
die schmale nördliche
Fassade mit der über-
dachten zweiarmigen
Freitreppe, die zu-
gleich an alte Rat-
häuser und an das
nur noch in wenigen
Resten zu den Augen
245
M. Elsäßer, Inneres der Markthalle in Stuttgart
Suter & Liedecke, Städtische Sparkasse in Stuttgart
der Stuttgarter sprechende Lust-
haus Georg Beers, eine der reich-
sten Schöpfungen der deutschen
Renaissance, erinnert: eine Re-
miniszenz, die praktisch vollauf
darin begründet ist, daß auch
das Siegle-Haus seinen eigent-
lichen Kern- und Hauptinhalt,
den großen Vortrags- und Musik-
saal, im Obergeschoß birgt, was
denn die Freitreppe sogleich
schon jedem sich Nahenden an-
kündigt. Aber neben dem großen
und kleinen Saal waren noch
mancherlei ganz disparate Dinge
im Haus unterzubringen : im
Erdgeschoß ein großes Postamt,
in den oberen Stockwerken, zum
Teil im Dachgeschoß, gegen
Süden und Westen zu, Vereins-
und Bureaulokalitäten , Haus-
meisterwohnung usw. Es wider-
strebt Fischers Art durchaus, diese verschiedenen Zweckbestimmungen durch
uniformierende Einzwängung in einen symmetrischen Baublock und hinter
gleichmäßig durchgeführten Fassaden zu verbergen. Mit voller Konsequenz
vom Innern heraus bauend, schuf er ein Werk von überraschender Mannig-
faltigkeit und sachlicher Größe. Am imposantesten wirken" ins Weite die
beiden durch eine kleine Terrasse und Balustrade verbundenen hohen Giebel
der Westseite, die über ein paar kleine alte Giebelhäuser in die Eberhardstraße
hineinblicken. Den
beiden Längsfassaden
geben hohe, schlanke
Fenster, die östlichen
den großen Saal di-
rekt , die westlichen
einen ihm seitlich vor-
gelagerten, gapz in
Weiß gehaltenen Vor-
raum und den kleinen
Saal erhellend, etwas
Repräsentatives, wäh-
rend andere, klein ge-
haltene Fenster, be-
sonders hoch oben an
der Südseite, die
246
Jos. Hennings, Schlachthofanlage in Oberndorf a. N.
Bihl & Woltz, Warenhaus Tietz in Stuttgart
Mauerflächen mächtig groß wirken lassen. Der große Saal betont mit den
Bogenstellungen und Fensterreihen der Längsseiten energisch die Richtung
nach dem großen Podium hin, das auch für eine kleine Bühne Platz bietet,
und wirkt sowohl durch diese stark ausgeprägte Richtungstendenz wie durch
die reiche Gliederung und ruhige Farbigkeit der ornamentalen Bemalung
(wieder von E. Pfennig ausgeführt).
Bleibt mit den Pfullinger Hallen der Name L. Laiblins ehrenvoll verknüpft,
ist das Gustav-Siegle-Haus ein würdiges Denkmal des Mannes, dessen Namen
es trägt, so bildet, zusammen mit dem gleichzeitig entstandenen Doppelbau
der Kgl. Hoftheater, der großzügigsten aller modernen Theateranlagen, das
Kunstgebäude am Schloßplatz ein architektonisch nicht minder wertvolles
Zeugnis edlen königlichen Mäzenatentums. Heute erfreut sich das Werk Max
Littmanns, imponierend schon als Gesamtanlage, in seiner Formensprache ohne
weiteres verständlich, gehoben durch die einzige Gunst der schönen Umgebung,
einer Popularität, wie sie in solchem Maße dem Kunstgebäude vielleicht nie
zuteil werden wird. Trotzdem und trotz einzelnen Mängeln, die ihm anhaften,
darf man die Prophezeiung wagen, daß auch dies viel — und oft unendlich
247
töricht — geschmähte Haus immer mehr anerkannt werden wird als die wohl-
durchdachte, an glücklichen Baugedanken reiche Schöpfung eines ernsten und
reifen Künstlers, der sich der Bedeutung wie der Schwierigkeiten seiner Aufgabe
bewußt war, als der richtige Abschluß der den Schloßplatz umgebenden Gebäude,
als würdiges Heim der bildenden Künste. — Es sei ohne weiteres zugegeben,
daß das Bauwerk nicht in allem vollkommen ist (welches Gebilde von Men-
schenhand wäre das?); das schräge Dach, aus dem der Kuppelbau sich erhebt,
bietet nicht von überall günstige Ansichten, die vielen kleinen Dachluken
machen die Front nach der Theaterstraße unruhig. Aber diese Mängel kom-
men nicht ernsthaft in Betracht gegenüber all dem Feindurchdachten und
Wohlgeglückten: die unübertreffliche Diskretion, mit der die Bogenhalle am
Schloßplatz in ihren Ausmaßen und Verhältnissen gegen Masse und Auf-
teilung des Residenzschlosses abgewogen ist ; die schwingende Leichtigkeit
der Säulen und Bogen dieser Halle, ihre edle Ruhe, die, auch wenn sie
erst, wie es dem Architekten vorschwebte, durch statuarischen, Relief-
und Bildschmuck belebt ist, doch immer in so feiner Unterordnung auf
das reiche, zierliche Wesen des Schlosses vorbereitet, wie die Säulenreihe
perspektivisch den Blick auf dieses als auf die architektonische Krönung
und Seele des ganzen Platzes hinführt und wieder einen ausgleichenden Über-
gang schafft zwischen dem Schloß und dem Olgabau, der, ursprünglich auf
das Hoftheater ausbalanciert, zu schwer wirken mußte, nachdem dieses nieder-
gebrannt war. Sowohl die Grundrißanlage wie die Rücksicht auf das Gleich-
gewicht der Baumassen brachte es mit sich, daß die Kuppel ein nicht unbeträcht-
liches Stück hinter die Front zurücktritt; in ihrem schlanken Aufwärtsstreben
bildet sie trotzdem die notwendige Ergänzung zu der breiten Lagerung der Halle
und schließt sich eben durch diesen Kontrast mit ihr zur optischen Einheit
zusammen. Die Abschlußmauer des großen Hofs nach den Anlagen zu wird
mit ihrer anmutigen Brunnenecke, den (noch nicht ausgeführten) kleinen
Reliefs und nicht zuletzt mit den zierlichen Proportionen, in denen die Flächen
gegliedert sind, die Augen wenigstens einer späteren Generation erfreuen,
die wieder empfänglich geworden sind für die Reize der Einfachheit. — Was
das Innere betrifft, so hat der große Kuppelsaal sich als Festraum schon glänzend
bewährt und wird sich, dank dem schönen, gleichmäßig milden Licht aus der
großen Laterne, die zugleich den Anlaß zu höchst origineller und kühner Aus-
bildung der Decke gab, nicht minder als Ausstellungsraum bewähren. In an-
genehmem Wechsel von Raumgestaltung und Farbe gruppieren sich um dies
Zentrum die übrigen für die Zwecke der Kunst bestimmten Säle und Kabinette.
Die Restaurationsräume, die Klubzimmer des Künstlerbundes, durchweg von
Stuttgarter Künstlern und Architekten (W. Weigel, Schmoll von Eisenwerth,
Paul Lang, Eduard Pfennig, Oskar Pfennig, Pellegrini u. a.) ausgestaltet und
geschmückt, sind ebenso vornehm wie intim; kleine Meisterschöpfungen des
Baumeisters selbst endlich noch die beiden Höfe, jeder für sich von besonderem
Stimmungsreiz und eigener Individualität.
248
Eitel & Steigleder, Haus der Württembergischen Metallwarenfabrik Geislingen
in Stuttgart
Stuttgarter Kunst 32
Ohne daß unser Urteil von der Selbstzufriedenheit des Lokalpatrioten
und Zeitgenossen bestochen wäre, dürfen wir sagen, daß Württemberg sich
heute einer wirklichen Blüte seiner heimatlichen Baukunst erfreut. Nicht allein
Werke einzelner Meister bezeichnen diese Blüte; das Niveau im ganzen hat sich
beträchtlich gehoben. Wir haben einmal wieder etwas wie eine allgemeine
architektonische Kultur in Schwaben; die Architektur ist Ausdruck und mit-
schaffender Faktor einer Zeitstimmung und einer Kulturtendenz geworden, die
dem Einfach-Gediegenen, dem unaufdringlich Vornehmen zustreben, die dem,
was Volkswohlstand und technische Ver-
vollkommnung bieten, solche Form geben
wollen , daß es mit den Anforderungen
gesunder Natürlichkeit und mit der Um-
welt der heimatlichen Landschaft und
Überlieferung ohne Zwang und ganz aus
sich heraus harmoniere. In der Haupt-
stadt selbst, aber nicht minder in den
anderen Städten und in den Dörfern des
Landes, überall sind neue Bauten ent-
standen oder im Entstehen, die nicht
sowohl bestimmte Stilarten mehr oder
minder treu und glücklich nachahmen,
als vielmehr selbst Stil haben, d. h. ein
gewisses, der ganzen Zeit gemeinsames
Empfinden in einer zweck- und kunst-
gemäßen, konkreten Art veranschauhchen.
Dieser Stil hat nichts mit jener Übeln
Heimatkunst zu tun, die etwa Bahnhöfe
als Rittersitze oder als strohgedeckte
Fischerhütten maskiert, wenn in der Nähe
einmal ein Raubritternest oder ein Fischer-
dorf gestanden hat; aber ebensowenig
mit jenem programmatischen ,,Jetztzeit"-
Dünkel, der meint, weil wir im Zeitalter
des alles verbindenden und nivellierenden
Verkehrs stehen, dürfe oder müsse ein
Bahnhof genau so aussehen wie der
andere. Was die Welt schön macht, ist das, wodurch sich ein Land, eine
Gegend von den anderen unterscheidet; und diese naturgeschaffene Schönheit
im Vielartigen soll die Architektur achten und bewahren, nicht verwischen
und zerstören. Der prächtige Sammelband von Gradmann und Schmohl,
,, Volkstümliche Kunst aus Schwaben", gibt an den verschiedensten Bei-
spielen aus fünf und mehr Jahrhunderten ein Gesamtbild schwäbischer Bau-
kunst — und dies Bild ist bei allem individuellen Reichtum von über-
raschender Einheitlichkeit in den Grundzügen. Die verschiedenen historischen
Stile liegen nur wie ein dünnes, einfaches, knapp geschnittenes Gewand auf
250
Schmohl & Staehelin
Geschäftshaus in der Königstraße in Stuttgar;
Schmohl & Staehelin, Fabrik Teufel in Stuttgart
dem Leib des Stiles schwäbischer Volks- und Landesart. Es ist dieser inner-
liche, bleibende Stil, den der von außerhalb der Landesgrenze kommende
Th. Fischer in seiner Einheit erfaßte, persönlich weiterbildete und als Vorbild
in das Bewußtsein seiner Fachgenossen zurückrief.
Hierfür war es eine günstige Konstellation, daß bei Fischers Eintritt in
Schwaben die ganze Entwicklung schon in neuen Fluß gekommen war. Der
wachsenden Großstadt stellte die Gegenwart neue Aufgaben auf gemeindlichem
wie auf privatem Gebiet, die neue Mittel forderten. Wir sehen, wie z. B. beim
Rathausneubau von Vollmer und Jassoy der künstlerische Bearbeiter,
Heinrich Jassoy, noch auf die Gotik, als den für Rathäuser nun einmal
sanktionierten Stil, zurückgreift, wie er aber, im Gegensatz etwa zu Hauber-
risser bei seinem Münchener Rathaus, den historischen Stil durchaus den
Gebrauchsbedürfnissen unterordnet und anpaßt und so einen Bau schafft, der
durch gute Haltung und Zweckmäßigkeit für das entschädigt, was er durch Zer-
reißung des herrlichen alten Stadtbildes am Markt den ästhetischen Werten Stutt-
garts rauben mußte. — Wie der aus Berlin berufene Jassoy gehört auch eine
Reihe einheimischer Architekten, die etwa um die Mitte der neunziger Jahre
selbständig hervortreten, zeitlich der gleichen Generation wie Fischer an : so
Bihl und Woltz, Böklen und Feil, Karl Hengerer. Bihl und Woltz haben
mit dem Friedrichsbau wohl zuerst jenen damals neuen Typus des ausschließ-
lich für öffentUche Lokalitäten, Kontors und Bureaus bestimmten Cityhauses
in Stuttgart erstellt, in den weit ausladenden, die Flächen auflockernden Formen
251
des süddeutschen Barock, massig und stattlich als Ganzes; einige Jahre
später für Tietz das erste große Warenhaus neuen Stils, mit dem die Um-
gestaltung der Königstraße in eine spezifisch moderne Geschäftsstraße be-
gonnen hat. Das reich gotisierende Marienhospital, das Haus der Württem-
berger Zeitung, das in freundlich ländlicher Art gehaltene Rathaus des aus
der Asche neuerstandenen Binsdorf und das in den strengen, einfachen Linien
des Klassizismus gehaltene Rathaus in Schramberg, das Kaufhaus Bletzinger
am Stuttgarter Marktplatz, dem altertümlichen Milieu sich anpassend, und
der Bahnhof Feuerbach — das sind einige Beispiele für die vielseitigen Lei-
stungen der Baufirma und zugleich für die Vielartigkeit der Aufträge, die
heute an einen und denselben Architekten herantreten. — Ein ebenso buntes
Bild zeigt etwa auch das Schaffen Albert Eitels, der zunächst (seit 1899)
hauptsächHch Villen in reicherer und einfacherer Haltung erbaute, von denen
manche zu den besten Leistungen des Stuttgarter Eigenhausbaues gehören und
vorbildHch gewirkt haben. In dem Wirtschaftsgebäude für den Kursaal Cann-
statt und der Villa des Freiherrn von Gemmingen knüpfte er mit feinem
Gefühl an den Klassizismus an, dort in der Form seines biedermeierischen
Ausklingens, hier in der Vornehmheit des Louis XVL Mit demselben sicheren
Geschmack trat er dann an das Problem des modernen Geschäfts- und Kauf-
hauses heran : der Bau für die Württembergische Metallwarenfabrik in der
Heim & Früh, Fabrikgebäude Bosch in Stuttgart
252
Königstraße, der stärker, als es der Tietzbau getan, die Vertikale betont und so,
zum Teil auch dank der echt materialgemäßen Behandlung des schönen Kalk-
steins der Fassade mit ihrem eng im Rahmen der Architektur sich haltenden
Statuenschmuck von Wrba, eine monumentale Wirkung erzielt; das noch
originellere Warenhaus Knopf in der Marienstraße mit der Kupferverkleidung
der unteren Stockwerke, der Verblendung der oberen mit dunkel glasierten
Backsteinen, das wieder mehr die Horizontale zur Geltung kommen läßt; end-
lich der Romingerbau, in hellem Haustein, dessen reichverzierte Fassade
gleichfalls, aber nicht ganz mit derselben glücklichen Wirkung, mit horizon-
taler Tendenz ausgebildet ist. Wie die beiden letztgenannten aus der Firma
Eitel & Steigleder hervorgingen, zu der sich Eitel mit Eugen Steigleder
zusammengeschlossen hatte, so auch der wohlgegliederte, mit seinen einfach
Hummel & Förstner, Heilanstalt Kennenburg, Männerpavillon
verzierten Verputzfassaden freundlich wirkende Neubau des Karl-Olga-Kranken-
hauses an der Hackstraße und — wieder eine ganz heterogene Aufgabe —
das Stuttgarter Schauspielhaus, das, im Gegensatz zu der imposanten Weit-
räumigkeit der neuen Hoftheater, einen Rekord an ökonomischer Ausnutzung
eines für den Zweck äußerst knapp bemessenen Raumes in meisterhafter
Grundrißlösung darstellt. Der eigentliche Theaterbau tritt an die Straße nur
mit dem Foyer hervor, dessen elliptisch geschwungene Fassade darum durch
reichen plastischen Schmuck (von Bredow) stark betont wurde. — Doch um die
einzelnen Architekten oder Baufirmen nach ihren Leistungen durchzugehen und
zu charakterisieren, dazu wäre ein breiterer Raum nötig, als hier zur Verfügung
steht. Seien hier einige genannt, deren Arbeiten, verschiedenen Gebieten ange-
hörig, wir dann bei einem mehr allgemein gehaltenen Überblick wieder begegnen
werden: so Cl. Hummel & E. Förstner, P. Schmohl & G. Staehelin,
Richard Dollinger, H. Schlösser & H. Weirether, F. E. Scholer,
P. Irion, H. Henes, E. Suter & E. Liedecke. Ihnen schließt sich zeitlich,
253
teils in gleichem Alter mit den letztgenannten,
teils einer um weniges jüngeren Generation zu-
gehörig, der Kreis der Fischerschüler an: Paul
Bonatz, Fischers Nachfolger an der Technischen
Hochschule, Hans Daiber, Martin Elsäßer,
W. Fuchs, W. Klatte & R. Weigle, Alfred
Fischer, jetzt Direktor der Kunstgewerbeschule
in Essen, der bei dem Wettbewerb um das
rheinische Bismarckdenkmal den zweiten Preis
davontrug, Oskar Pfennig, der schon als
künstlerischer Mitarbeiter Ludwig Eisenlohrs ge-
nannt wurde, und andere, die teilweise noch zu
nennen sind.
Es ist diese jetzt in voller Schaffenskraft
stehende Generation , die in den künstlerisch
ernsten — oder, wie der heute vielgebrauchte
Ausdruck lautet : anständigen — Arbeiten der
unmittelbaren Gegenwart zu Worte kommt und
dieser die bezeichnende Marke aufdrückt. Man
könnte von ihnen wohl sagen: es sind vielerlei
Gaben, aber es ist ein Geist; und wenn dabei das
Vielerlei der Gaben auch stark zu betonen wäre,
eine gewisse Einheitlichkeit des Geistes ist nicht
minder sicher festzustellen. Wir finden ihn täglich
in den besseren Leistungen des städtischen
Miethausbaues, der den gewohnten Typus: im
Erdgeschoß Laden, Restaurant und dergleichen, in den oberen Stockwerken
Wohnungen, zu erstellen fortfährt ; und wir erkennen ihn hier schon aus der
geschmackvoll ruhigen Fassade, die entweder schöne Hausteinverkleidung mit
sparsam angebrachter, technisch vortrefflicher Schmuckplastik oder kräftig
behandeltem Verputz, breite, aber nicht plumpe Erker und Giebelaufbauten
trägt, während die ödfarbigen Verblendbacksteine, die protzig sinnlose Abwechs-
lung des Backsteins mit Werkstein, die rein dekorativ aufgepappten Kulissen-
erker und -giebel und anderer Stilfirlefanz immer seltener werden. Als Bei-
spiel dieses neuen, erfreulichen Typus mag das hier abgebildete Miethaus
von Friedrich Mößner dienen, der den gleichen guten Geschmack wie bei
derartigen Etagenhäusern, so auch bei vornehmen Einzelwohnhäusern betätigt.
Außerordentlich zugute kommt es dem Stadthausbau, daß die neue Bauord-
nung manche schädigende Bestimmung, wie den Bauwichzwang, aufgehoben
hat, so daß nun endlich wieder die Straßenwände als einheitliche, große
Flächen wirken können und besonders dann auch so ausgebildet werden,
wenn künstlerisch zugängliche Unternehmer ein größeres Terrain gleichzeitig
bebauen. — Der Fortschritt ist noch deutlicher sichtbar und kommt, in höchst
wohltuender Wirkung, noch stärker der anmutigen Umgebung Stuttgarts
zugute in der Architektur des Einzelwohnhauses, der einfacheren wie der luxu-
254
Gebhardt & Eberhard
Haus Walter. Heidenheim
riöseren Villa. Einige Leistungen dieser Art wie von Eisenlohr & Pfennig
(von letzterem allein rührt z. B. das Haus Abt in Schorndorf her), von Eitel
& Steigleder sind schon genannt worden. Eine naturgemäß nicht geringe
Anzahl Architekten wendet dieser dankbaren Spezialität ihre Haupttätigkeit zu :
Cl. Hummel & Ernst Förstner. die außerdem z. B. das große, gleichzeitig
Geschäfts-, Wohnungs- und Vereinszwecken dienende Haus der ,, Bauhütte"
und den geräumigen, freundlichen Bau der Heilanstalt Kennenburg geschaffen
haben, geben mit Vorliebe ihren Villenbauten etwas Ländlich-Behäbiges, der
umgebenden Natur sich Anschmiegendes, Schlösser & Weirether den ihren
eine straffe, zurückhaltende Eleganz, die teils an Messel erinnert (Villen Hatt,
G. von Müller) , teils an die fürstliche Architektur der Herzog- Karl-Zeit anknüpft,
so in dem Palais der Freifrau von Reitzenstein, das wuchtig von der Höhe der
Heinestraße ins Tal blickt. Wie dies Palais mit seinen kleineren Vor- und
Nebenbauten ganz an die Schloßanlagen des i8. Jahrhunderts erinnert, so
haben auch wieder umfangreiche Villen in besonderen Einzelheiten an jene
Tradition angeknüpft. An die Villa von Gemmingen haben Eitel & Steigleder
eine große Wandelhalle in Gestalt eines Säulenganges angeschlossen, im Gar-
ten der von Gnauth erbauten, für seine Art und Zeit besonders bezeichnenden
Villa Siegle ein im Grundriß höchst originelles Teehaus, das zugleich als
Gartenwohnhaus dienen kann, errichtet. In dem Park seiner Villa Weißen-
burg hat dann Geheimrat von Sieglin einen organisch verbundenen Komplex
von Gartenbaulichkeiten anlegen
lassen: ein elliptischer, kuppel-
gekrönter Pavillon mit Umgang
spiegelt sich in einem großen,
als Schwimmbassin benutzbaren
Wasserbecken, auf der anderen,
dem Tal zugewandten Seite ist
ihm eine Terrasse mit Tennis-
platz vorgelagert, unter der ein
großer kühler Gartensaal sich
öffnet. Freitreppen, Statuen,
Reliefe und eine große frei-
stehende Säule vervollständigen
die ganze Anlage, deren Schöpfer
Heinrich Henes damit auch
in Stuttgart, wo er als Professor
an der Baugewerkschule tätig
ist, als Architekt hervortritt,
während er auswärts, z. B. in
der pfälzischen Stadt Franken-
thal, schon größere Aufgaben
(Kreismuseum, Friedhofsbauten,
Rathaus) mit viel Glück gelöst
hat. Von der großen Zahl Villen,
255
F. Mößner, Miethaus in Stuttgart
die Schmohl & Stäche lin gebaut haben, seien nur das Haus Leins in Stutt-
gart und das burgartige, von hohem Aussichtsturm überragte Haus Junghans in
Schramberg genannt. Wie sich Eitel, Förstner, Hummel selbst ihre Häuser ge-
baut, so z. B. auch Fritz Hornberger das seine in Korntal, mit dem er durch
die echt baumeisterliche, dabei schlicht anheimelnde Art, wie das Eingeschossige
des Hauses betont und ausgebildet ist, sich als trefflicher Schüler Th. Fischers
ausweist; Paul Bon atz, der auch in seinem eigenen Heim das Streben nach
Großzügigkeit und Eleganz glücklich zum Ausdruck bringt; Martin Eisäße r,
der sich und dem Maler Weise ein unendlich anheimelndes, prächtig in der
Landschaft stehendes Haus gebaut hat. R. Gebhardt & K.Eberhard, Paul
Irion, Georg Martz, F. E. Scholer, Jos. Steiner & J. Beutinger,
Ernst Wagner, W. Weigel, Emil Weippert mögen noch hervorgehoben
Schmohl & Staehelin, Haus Leins, Stuttgart
sein. Sie alle (einige finden sich unter unseren Abbildungen vertreten) arbeiten
daran mit, dem modernen süddeutschen Einfamilienhaus und Villenbau eine
gewissermaßen typische Form zu schaffen: ruhige kubische Wirkung, die durch
Vorsprünge und Anbauten wohl belebt, aber nicht zerrissen wird; Erker, Balkone,
Loggien als praktische Bauglieder betont, Verzicht auf stark hervortretenden
Schmuck und laute Ornamentik. Wie diese neue Art der Villa, bei der außerdem
bequeme Grundfißlösung und praktischer Komfort als Unerläßlichkeiten an-
gesehen werden, im Vergleich zu der früheren Bauweise sich viel harmonischer
der Natur einfügt und zu ruhig wirkenden Baugruppen zusammenschließen
läßt, das drängt sich jedem empfänglichen Auge auf, das daraufhin die Villen-
gegenden Stuttgarts durchmustert.
Die Durchdringung unseres modernen Lebens mit einer möglichst ein-
heitlichen architektonischen Kultur wäre aber sehr unvollständig, wenn diese
sich darauf beschränken wollte, Heimstätten für Menschen zu schaffen und
256
Schlösser & Weirether, Salamanderliaus in Stuttgart
nicht auch Handel, Industrie und Technik sich eroberte, nicht auch ins ge-
meindliche und staatliche Bauwesen siegreich einzöge.
Wir haben schon gesehen, wie auch in Stuttgart das moderne Geschäfts-
und Kaufhaus erstand. Immer zahlreicher werden die Kauf- und Kontorhäuser:
nicht weit vom Hause der ,,W. M. F." erhebt sich das ,,Salamander"-Haus von
Schlösser & Weirether, um ein beträchtliches breiter, so daß auch die
Höhenentwicklung noch stärker betont und so ein sehr stattlicher Effekt er-
zielt werden konnte ; auf der anderen Seite der Königstraße z. B. ein Geschäfts-
haus, das Schmohl & Staehelin erbauten, in den oberen Stockwerken sehr
zierlich und reich belebt durch die erkerartige Ausbildung der Fenster. Andere
Beispiele: von K. und F. Scheu das Geschäftshaus Hanke & Kurtz, von Heim
& Früh der Schillerbau in der Eberhard-, von Storz & Lang der Hansabau in
der Paulinenstraße. — Das gute Vorbild, das L. Eisenlohr in Oberlenningen für
Eitel & Steigleder, Villa von Gemmingen
den Fabrikbau gegeben hatte, ist nicht unbeachtet geblieben; mitten in der Stadt
Stuttgart können wir uns an zwei Fabriken erfreuen, die bei aller Sachlichkeit
doch fast als Schmuckbauten wirken: die Teufeische Fabrik, von Schmohl &
Staehelin, in großen Massen gegliedert, in der ganzen Erscheinung ein wenig
an gute neue Schulhäuser erinnernd, und der mächtige Block der Fabrik von
R.Bosch, von Heim & Früh, die streng vertikal aufgeteilten Fassaden mit
dunkel irisierenden Glasurziegeln verblendet.
Aber auch die Stadt Stuttgart folgt dem hier von kunstfreundlichen Pri-
vaten gegebenen Beispiel: die große neue Schlachthof anläge in Gaisburg (von
Mayer) mit den hübschen, an alte Stadtbilder erinnernden Verwaltungs-
gebäuden (wie Schlachthofanlagen bei größter Einfachheit und Sachlichkeit
durch gute Gruppierung und gefällige Proportionen dem Orts- und Land-
schaftsbild glücklich eingegliedert werden können, hat an einer ganzen Reihe
solcher Baulichkeiten inner- und außerhalb Württembergs Jos. Hennings
Stuttgarter Kunst 33 257
gezeigt, von dem auch manche hübsche Schul- und Lehrerhäuser stammen) ;
die Neubauten der städtischen Gasfabrik (von Pantle), in streng sachlicher
Großzügigkeit; die Städtische Sparkasse von Suter & Liedecke, ein schwerer,
wuchtiger Bau, der im Äußern durch die einspringende, brunnengezierte
Ecke, im Innern besonders durch das freundliche Treppenhaus eine wärmere
Note erhält; die der Vollendung entgegengehende mächtige neue Markthalle,
die ihr Erbauer, Martin Elsäßer, in wohlüberlegter Abweichung von dem
schon traditionell gewordenen Glas -Eisen -Typus mit Fassaden aus festem
Mauerwerk umschloß, die sie der altertümlichen Umgebung aufs beste ein-
fügen — all das bezeugt, daß auch unsere Gemeinwesen es als ein nobile
Schlösser & Weirether, Haus Sigle, Feuerbach
officium anerkennen, ,, anständig" und vornehm zu bauen. Dies Streben be-
tätigt sich am sichtbarsten an den Schulhäusern; wie aus Fischers Heusteig-
schule spricht es aus der Lerchenrainschule im südHchen Stadtviertel, die, von
Bonatz erbaut, auf stattlichem Unterbau ihre langgestreckte Fassade dicht am
Waldrand erhebt," und in der prächtigen, aus drei Gebäuden, zwei parallel
stehenden Schulhäusern und der sie verbindenden Turnhalle, gebildeten Gruppe,
die Pantle an der Schickardstraße auf mächtigen Substruktionen errichtet
hat : ein wirklich imposantes architektonisches Gesamtbild, das sich stark
und klar aus großen Massen komponiert. — Der Ehrgeiz, stattliche Schul-
häuser zu besitzen, ist aber nicht allein der Hauptstadt eigen. Die jüngste,
aber nicht kleinste Stadt des Königreichs , Feuerbach , hat sich durch
Bonatz & Scholer ein großes Schulhaus und eine Turnhalle bauen lassen,
258
die zusammen eine prächtige, ungemein schmucke Platzanlage bilden, auf
deren nichts weniger als kleinstädtischen Eindruck das Eisenlohrsche Rat-
haus trefflich vorbereitet. Besonders die Turnhalle (deren Decke W. Weigel
mit schönen ornamentalen Malereien verziert hat) ist in ihren eleganten Ver-
hältnissen und lichten Farben ein sehr charakteristisches Beispiel für Bonatz'
künstlerisches Wollen, wie es sich mit mehr monumentalen Mitteln auch in
dem Neubau der Tübinger Universitätsbibliothek ausspricht, der trotz der ge-
ringen Höhe des nach der Straße liegenden Flügels ungemein groß und nobel
wirkt. In Tübingen ist ein anderer Fischerschüler, Elsaß er, mit dem Bau
der Oberrealschule vertreten,
einem seiner ersten Werke, das
sich noch eng, aber auch mit
feinem Verständnis an das Vor-
bild des Lehrers hält. Unterdes
ist Elsäßer weit selbständiger
geworden; trotzdem kann man
dieses Schulhaus und das Biblio-
thekgebäude von Bonatz als
gerade in ihrer Verschiedenheit
höchst charakteristische Beispiele
für die Art der beiden Archi-
tekten hervorheben. Etwa der
gleichen Entwicklungsstufe wie
Elsäßers Tübinger Schule ge-
hörten Bonatz' große Erweite-
rungsbauten des Martinsspitals
in Straßburg i. E. an; aber von
diesem Punkt aus hat Bonatz,
teilweise mitbestimmt durch die
Art seiner Aufgaben (z.B. Sekt-
kellereigebäude von Henkell bei
Wiesbaden, großes Geschäfts-
haus in Köln), sich imm.er mehr
zu einer weltmännisch ele-
ganten, anstatt der örtlichen Überlieferung das Modern-Großstädtische beto-
nenden Auffassung und Formsprache mit stark klassizistischem Einschlag und
dekorativen Tendenzen weitergebildet, während Elsäßer gerade im Anschluß
an die alte lokale Bauweise die Forderungen der Gegenwart, denen er gleich-
falls volles Verständnis entgegenbringt, in der Weise erfüllt, daß doch immer
ein Hauch des Genius loci, freundlich anheimelnde Stimmung weckend, darüber
schwebt. — Richard Dollinger, von dem in Stuttgart, gegenüber der Stöckach-
schule, das neue Reformrealgymnasium, ein streng symmetrischer, spätklassi-
zistischer Bau mit zwei giebelgekrönten Seitenflügeln in klaren und ruhigen,
fast nüchternen Verhältnissen, herrührt, hatte einige Jahre vorher in Schorndorf,
dem Gesamtcharakter der alten Stadt sich anpassend, eine Realschule in der
259
E. Weippert, Haus Geißelmann, Stuttgart
/►t-^^
jB i'^ntip^i
5
pllii!!iS'-..,,«lii
liiüiiiiiMniüiiiniiiiiiiiiiiii •"::::: —
1 1 ^
F. Hornberger, Haus Hornberger, Korntal
malerischen Gruppierung und
der formalen Stimmung deutscher
Renaissance errichtet. Im all-
gemeinen ist die lockere Kom-
positionsweise, wie dieser Bau sie
zeigt, jetzt aufgegeben zugunsten
der strafferen, die das Ganze zu
einem geschlossenen Komplex
zusammenfaßt, diesen aber durch
Risalite und Terrassen, durch
Giebelaufbauten und reiche
Durchbildung des Dachgeschosses
lebendig gestaltet und reißbrett-
mäßige Trockenheit fernhält;
dafür ist, neben den früher
genannten, Scholers Städtische Mädchenschule in Göppingen ein ganz vor-
treffliches Beispiel. — Aber auch die dörflichen Gemeinden wollen mit schmucken
stattlichen Schulhäusern, mit würdigen Rat- und Gemeindehäusern etwas vor-
stellen; nicht mehr durch Anleihen bei einer nüchternen Bureaukratenarchi-
tektur, von der sie sich in den Jahrzehnten des Tiefstandes die abscheulichen,
linealgemäß ordentlichen Backsteinkästen vor die Nase setzen ließen, sondern
mit Häusern, die dem ganzen Ort so gut anstehen, wie einem tüchtigen, gerade
gewachsenen Bauern seine schöne alte Volkstracht. Man merkt zunächst an
den Schulhäusern, daß hier ein einheitlicher Geist überall im Lande mit am
Werk ist: die Oberschulbehörden
Württembergs haben einen bautech-
nischen Berater beigezogen in der
Person des Baurats A. Knoblauch,
Professor an der Stuttgarter Bau-
gewerkschule, der selbst eine große
Reihe von Schulen teils entworfen,
teils in eigener Bauleitung ausgeführt
hat, in Material und Art sich jeweils
den örtlichen Bedingungen anschlie-
ßend, oft ganz einfach und anspruchs-
los, andere Male wieder (wie bei der
in Haustein gehaltenen Schule in
Auingen, OA. Münsingen) reicher und
stattlicher. Diese Vereinigung von
Stattlichkeit mit ruhiger Schlichtheit
ist ferner ein Merkmal für die aus
Fischers Schule hervorgegangenen
Architekten W. Klatte & R.Weigle:
die Schule in Bernhausen , bei der
Schulhaus und Lehrerhaus eine Einheit
G. Martz, Haus Supper, Korntal, Eingang
260
O Pfennig, Meierei Scherff
bilden durch den pergolaartigen
Umgang des zwischen ihnen
liegenden Spielplatzes, trägt dies
Merkmal ebenso wie die zum
Teil sehr stattlichen Rathäuser
(z. B. Gönningen) und die meist
in großer Einfachheit gehaltenen
Gemeindehäuser und andere
Baulichkeiten (Soldatenheim in
Ludwigsburg), die aus ihrer
gemeinsamen Tätigkeit hervor-
gegangen sind.
Markanter noch als die
Schulhäuser treten die Kirchen
im Ortsbild hervor; sie sind vielfach ausschlaggebend für ein ganzes Land-
schaftsbild, das sie oft von erhöhter Lage aus oder wenigstens mit dem die
Umgebung überragenden Turm beherrschen. Für die Architektur wie für die
landschaftliche und kulturelle Physiognomie des ganzen Landes ist es darum
recht wesentlich, daß der protestantische Kirchenbau, der nach der konfessio-
nellen Zusammensetzung der Bevölkerung der quantitativ weit stärkere ist, in
das erfreuliche und frucht-
bare Stadium der Selbst-
besinnung auf die ihm vom
Kultusgestellte Aufgabe ein-
getreten ist, das schon früher
gekennzeichnet wurde. Die
große Vereinfachung des
Grundrisses, die der prote-
stantische Gottesdienst ge-
stattet, ja eigentlich ver-
langt, kommt in ganz beson-
derem Maß dem ländlichen
Kirchenbau zugute, denn sie
bietet die Basis für schlichte
Gesamthaltung der kirch-
lichen Architektur und trägt
sodazubei, daß Gotteshäuser
entstehen, die wirklich aus
dem dörflichen Boden her-
vorgewachsen erscheinen,
während gar manche, die
sich in akademischer Strenge
an einen historischen Stil
halten, so wirken, als seien
sie gar nicht am Ort ent-
261
Böklen & Feil, Kirche in Conweiler
standen, sondern aus der Stadt geliehen. Daß die
Vergangenheit diesen pseudostädtischen Kirchen-
bau auf dem Lande nicht kannte, sondern neben
den , .großen" Stilen her einen eigenen, natürlich
sehr biegsamen Typus der Dorfkirche geschaffen
hatte, können wir noch heute überall sehen, wo
nicht gar zu vandalisch restauriert und renoviert
wurde, und in dem schon zitierten Werk , .Volks-
tümliche Kunst aus Schwaben" kann auch der,
dem die große amtliche Publikation über die
Kunst- und Altertumsdenkmäler Württembergs
nicht zugänglich ist, anziehende, liebenswerte
Beispiele alter Dorfkirchen in Fülle beisammen
finden. Eine ähnlich fruchtbare Wirksamkeit,
wie auf katholischer Seite U. Pohlhammer und
J. Cades, entfalten im protestantischen Kirchen-
bau des Landes die zu gemeinsamem Schaffen
verbundenen Architekten R. Böklen & C. Feil,
die im übrigen auch auf dem Gebiet des Profan-
baues vielseitig tätig sind. Eine ihrer ersten Kirchen
ist wohl die Lutherkirche in Cannstatt (1900);
K. Oelkrug, Kirchlein in Höfen
P. Irion, Kirche für Aich
die späteren Neubauten und eingrei-
fende Umbauten sind unstreitig viel
frischer und eigenartiger. Wir geben
eine Abbildung der Kirche in Conweiler
als ein Beispiel auch für das Bestreben
der Erbauer, ihr Werk aus der örtlichen
Situation heraus zu entwickeln. Die-
sen Vorzug teilt auch der demnächst
zur Ausführung gelangende Entwurf
für die Kirche in Aich von P. Irion,
deren ganzer Aufbau mit dem schlank
aufstrebenden Turm gut auf die er-
höhte Lage berechnet ist. — Felix
S ch u s te r , seit 1907 Teilhaber der Firma
Dolmetsch & Schuster, hat, neben
zahlreichen Wohnbauten verschieden-
ster Art, eine Reihe kirchlicher Bauten
ausgeführt, unter denen Umbau und
Erneuerung der schönen gotischen
Stadtkirche inSchorndorf hier angeführt
sei. Eine bei aller Einfachheit stim-
mungsvolle Arbeit ist die Friedhofan-
lage in Lorch, mit dem frühromanisch
anklingenden Gebäude. Endlich muß
262
auch in diesem Zusammenhang der ebenso vielseitige wie erfolgreiche M. E 1 s ä ß e r
genannt werden; aus der schon beträchtlichen Zahl seiner Kirchenbauten und
-umbauten, meist kleinen Umfangs, ragt nicht nur als umfangreichstes, sondern
auch als besonders schön gelungenes Werk die Gaisburger Kirche hervor. Auf
der Kuppe eines Hügelvorsprungs, der, seitlich über dem städtischen Schlacht-
hof gelegen, weit ins Neckarta) blickt, erhebt sich auf hohen Unterbauten leicht
und doch festgegründet und -umrissen die Kirche mit schönem Turm, in der Form-
sprache sich an protestantische Sakralbauten des i8. Jahrhunderts anschließend;
innen ist die eigenartig wirkende elliptische Anlage, die sich öfter im Spätbarock
M. Elsäßer, Gaisburger Kirche, Stuttgart
findet, bemerkenswert. — Sei neben diesem imposanten Haus als Gegenstück
noch das Kirchlein von Höfen (bei Winnenden) genannt, das ein anderer
Fischerschüler, K. Oelkrug, gebaut hat; es könnte nicht einfacher sein und
hat doch Stimmung und Würde. Auch in anderen Bauten, z. B. dem des Pfarr-
hauses in Waldsee, übt Oelkrug diese Tugend der Einfachheit in sehr sym-
pathischer Weise.
Auch der Staat, wo er als Bauherr auftritt, zeigt sich immer mehr bemüht,
seinen Bürgern mit gutem Beispiel voranzugehen. An staatlichen Bauten
wurden im Lauf dieser Schilderung z. B. die Erste Kammer in Stuttgart, die
263
Universitätsbibliothek in Tübingen genannt. Es seien hier aus dem reichen
Material nur noch einige Bahnhof bauten hervorgehoben; hat doch früher der
Bahnhof eine ähnliche verhängnisvolle Rolle im Landschaftsbild gespielt wie
einst das Schulhaus im Dorfbild, ein korrekter Backsteinkasten nach Schema F,
bei dem, lange ehe von Ruskin viel die Rede war in Deutschland, eines seiner
seltsamsten Postulate: Bahnhöfe müßten möglichst unscheinbar und häßlich
gebaut werden, da sich ja doch niemand lange in ihnen aufhalte, noch aufhalten
solle, oft aufs treulichste unbewußt erfüllt worden war; die Halle vorm Stutt-
garter Bahnhof war ein vielbewunderter Ausnahmefall. Jetzt verraten z. B.
die Bahnhofbauten in Plochingen, durchaus auf den Blick von der Landschaft,
nicht von den Gleisen her angelegt, Theodor Fischers Hand; einer seiner Schüler,
Willy Fuchs, hat das vortrefflich wirkende Empfangsgebäude des Bahnhofs
Balingen entworfen. Kleine Bahnhöfe, deren Verkehr durch die unmittel-
bare Nähe Stuttgarts in
den letzten Jahren rapid
gewachsen war , wurden
beträchtlich erweitert und
machen jetzt einen freien,
großzügigen Eindruck, so
der von Untertürkheim und
der, als von Bihl & Woltz
herrührend, schon genannte
von Feuerbach. Und nun
rückt auch der Neubau des
Stuttgarter Hauptbahnhofs
immer näher: der bei der
ausgeschriebenen Konkur-
renz siegreiche Entwurf
vonBonatz & Scholer ist
jetzt in endgültiger Fassung
angenommen, und das neue Empfangsgebäude wird mit seinen hohen, vor-
nehmen Hallen im Innern, der mächtigen Pfeilervorhalle und dem wuchtigen
Turm nach der Stadt zu dereinst den Ankömmlingen in imposanter Weise
die Honneurs der Residenz und des Königreichs machen.
Tiefeinschneidende Umwälzungen im Gesamtbild des Stadtteils nördlich
vom Schloßplatz sind mit dem Bahnhofumbau verbunden. Es erwachsen da
aufs neue städtebauliche Aufgaben großen Umfangs und von entscheidender
Wichtigkeit für das Äußere der Hauptstadt, und es muß sich zeigen, ob das
Großkapital, das das neugebildete Areal an der Königstraße zu bebauen über-
nommen hat, sich der ästhetischen und sittlichen Verpflichtungen, die hier den
Bauherrn treffen, bewußt ist und fähig, sie zu erfüllen. Bei der Bebauung des
gleichfalls von auswärtigem Großkapital übernommenen Areals der früheren
Legionskaserne ist nicht das Höchste, wirklich Mustergültige geleistet worden.
Besser hat sich in Stuttgart in anderen Fällen, wo es gleichfalls galt, große
Baublöcke in ganz neuer Gestalt erstehen zu lassen, der korporative Gemein-
264
Schuster & Dolmetsch, Friedhof in Lorch
a
V
sinn bewährt. Der „Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen" unter seinem
tatkräftigen Leiter E. von Pfeiffer, der schon seit Jahrzehnten sich durch die
Errichtung von Kleinwohnungskolonien an der Peripherie der Stadt (Ostheim,
Südheim, Westheim) verdient gemacht hatte, unternahm es, in das malerische,
aber sehr unhygienische Gassengewirr der Altstadt zwischen Rathaus und
Altstadt-Sanierung, Geisplatz
Leonhardstraße Licht und Luft zu bringen. In drei Jahren, von 1906 — 1909,
wurden 26 Häuser niedergerissen und unter Beibehaltung der alten, jetzt
wesentlich verbreiterten Straßen 18 neue gebaut. Die architektonische Ober-
leitung hatte Karl Hengerer, einer der meistbeschäftigten Privatarchitekten
Stuttgarts, der schon bei manchen Gelegenheiten, bei denen es darauf ankam,
Neues zu schaffen, ohne das Alte ganz zu zerstören, der Stadt durch prakti-
Stuttgarter Kunst 34 265
sehen Rat und rasches Handeln gute Dienste geleistet hatte und der in eigener
Unternehmung z. B. die hübsche Villenkolonie Birkenhöhe erstellt hat (ähnliche
Villenanlagen z. B. von A. Schiller am Hohengeren, von Klatte & Weigle
in Degerloch). Die künstlerische Bearbeitung der ,, Altstadtsanierung" hatte
Hengerer in die Hände von Heinrich Mehlin gelegt, mit dem technischen
Teil der Aufgabe K. Reißing betraut; außerdem rühren einzelne Häuser
noch von Eisenlohr & Weigle, Bonatz, Bihl & Woltz, R. Dollinger, G. Martz
her. Die sanierte Altstadt ist eine Sehenswürdigkeit von Stuttgart gewor-
den, ein in einheitlicher Konzeption geschaffenes und doch überaus ab-
wechslungsreiches, anheimelndes
Idyll, wie aus einer alten Reichs-
stadt heraufbeschworen mit den
hohen Giebeln, behäbigen Erkern,
dem umgitterten ,,Hans im
Glück" - Brunnen , plastischem
und malerischem Schmuck der
überwiegend verputzten Fassa-
den (von Joseph Zeitler, Robert
Haug u. a.). Verbindung und
Trennung zugleich zwischen der
Altstadt und der modernen Groß-
stadt bilden die nach der Eber-
hardstraße zu vorgelegten hohen,
massiven Häuser, die der mäch-
tige, dreigiebelige Eberhards-
bau mit charaktervoll kräftigem
Turm, ein modernes Geschäfts-
haus großen Stils, beherrscht.
Mag man im einzelnen manche
praktischen oder ästhetischen Be-
denken haben — z. B. ob das
Schmuckhafte, nicht an den ein-
zelnen, nie überladenen Fassaden,
aber in der Gesamtheit des so
eng zusammengedrängten Kom-
plexes, nicht doch ein wenig zu sehr hervortritt — ; ist vor allem auch
zu wünschen , daß der glückliche Einzelfall nicht Nachahmungen an un-
angebrachter SteHe hervorrufe — als Einzelfall, als einschneidende und
doch pietätvolle Umgestaltung eines alten Stadtbildes bleibt diese ,, Sanie-
rung" eine köstliche architektonische Leistung, ein neues, freundliches Wahr-
zeichen Stuttgarts. Daß der Verein selbst und die für ihn arbeitenden
Architekten nicht daran denken, sich auf diesen Typus festzulegen, zeigt
seine neueste große Schöpfung: die Ostenau, gegen Gaisburg zu gelegen,
ein von drei Straßen umgebenes, von einer geschwungenen, in der Mitte sich
zum Platz erweiternden Straße durchschnittenes Quartier dreistöckiger, einheit-
266
K. Hengerer, Aus der ViUenkolonie Birkenliohe, Stuttgart
lieh durchgeführter Häuser von durchaus großstädtisch-sachlichem, dabei doch
sehr anheimelndem Charakter. Die Anlage der in große, freie Komplexe zu-
sammengefaßten Höfe, die geschmackvolle Durchbildung der Hinterfassaden
(die im älteren Stuttgart eine partie honteuse des Architekturbildes sind),
der hübsche Platz, für dessen leider etwas konventionell geratenen gärtne-
rischen Schmuck der seitliche Blick auf die Gaisburger Kirche mit den Fell-
bacher Bergen entschädigt — das alles ist sehr erfreulich. Auch hier war
Hengerer der Bauleiter, Mehlin der künstlerische, Reißing der technische
Bearbeiter. — Der Zug nach solchen einheitlich angelegten Siedlungen ergibt
sich aus unseren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen und wächst darum
mit einer Art Naturnotwendigkeit. England ist mit den Arbeiterkolonien und
Gartenstädten vorangegangen; heute hat Deutschland schon manches auf-
zuweisen, was dem englischen Vorbild gleichwertig ist. So in unserem engeren
Vaterland die Arbeiterkolonie Gmindersdorf bei Reutlingen, von Theodor
Fischer für den Fabrikanten Gminder ausgeführt, ein wirkliches Dorf, scheinbar
nicht ,, gegründet", sondern , .gewachsen" und doch aufs feinste und liebevollste
in der Gesamtanlage, der Gruppierung und Ausführung des einzelnen durch-
gearbeitet. Eine gleichfalls nach künstlerisch praktischen Gesichtspunkten ein-
heitlich komponierte Gartenstadt erhält Württemberg jetzt bei ObereßHngen;
sie wird im Auftrag einer gemeinnützigen Baugenossenschaft vonJ.Goettel
erbaut. Goettel hat, wie z. B. auch Fischer es in München für die Terrain-
gesellschaft Neuwestend getan, die Kleinhäuser fast durchweg in geschlossenen
Reihen angeordnet, mit architektonisch betonten Eck- und Endbauten und
einem stattlichen Gemeindehaus als beherrschendem Akzent. Auch der Staat
hat, relativ schon recht früh , ähnliches in Angriff genommen , woran das
267
Stuttgarter „Postdörfle" erinnern mag; neuen Datums ist die Beamten- und
Arbeiterhäuserkolonie der Saline Wilhelmshall , deren außerordentlich an-
sprechende künstlerische Bearbeitung der Regierungsbaumeister Hans Daiber,
ein Schüler Fischers, ausgeführt hat, der auch als Beauftragter der Kgl. Hof-
kammer die Bauausführung des Kunstgebäudes in trefflicher Weise leitete.
Überhaupt aber beweist der Staat volles, tatkräftiges Verständnis für
die kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung der Architektur im gesamten
Leben der Gegenwart. Diesem Verständnis verdankt Württemberg als be-
sonders wichtige Institution die relativ früh (1905) ins Leben gerufene und
nach außerordentlich praktischen, gesunden Grundsätzen arbeitende Bau-
beratungsstelle, deren besondere und höchst segensreiche Eigenart darin besteht,
daß sie ihren Rat nicht privaten Baulustigen, sondern den Angehörigen des
Baugewerbes erteilt, diesen also keine Konkurrenz macht oder sich schul-
meisternd zwischen Publikum und Bauhandwerk drängt, sondern auf letzteres
erzieherisch und im Sinne einer einheitlich vorwärts strebenden Baukultur
einwirkt. An der Spitze steht ein praktischer Architekt, auf dessen private
Leistungen schon mehrfach auf diesen Seiten hingewiesen wurde: PauISchmohl,
ein Mann voll kräftiger Energie und klaren Zielbewußtseins. Er ist zugleich
Direktor der Kgl. Baugewerkschule, und diese Personalunion, die nicht organi-
scher Natur ist, bürgt, wie die Namen anderer neben ihm als Lehrer tätiger
Architekten, zugleich dafür, daß auch diese für das praktische Baugewerbe
so wichtige Lehranstalt heute in einem zugleich praktischen und künst-
lerischen, für die Forderungen der Gegenwart erschlossenen Geist wirkt. Der
gleiche Geist lebt auch an der Hochbauabteilung der Technischen Hochschule;
und so mag der ferneren Entwicklung der württembergischen Baukunst die
Wahrheit des oft zitierten Wortes zugute kommen: ,,Wer die Schule hat, hat
die Zukunft."
KEYSSNER
268
DAS KUNSTGEWERBE
269
DIE K. KUNSTGEWERBESCHULE UND DIE
LEHR. UND VERSUCHSWERKSTÄTTE
Das seit dem Regierungsantritt König Wilhelms II. mit besonderer Energie
einsetzende Bestreben, Stuttgart zu einer Kunststadt zu machen, mußte
von selber dazu führen, daß auch dem Kunstgewerbe und damit der Kunst-
gewerbeschule neue Aufmerksamkeit zugewendet wurde. Davon konnte man
gerade für Württemberg viel erhoffen. Nicht nur standen gewisse Zweige des
Kunstgewerbes, wie das Buchgewerbe, die Möbelindustrie, die Edelmetall-
industrie von alters her in Württemberg auf einer Höhe, die ihnen weithin
Beachtung und Absatz verschaffte: es hatte auch das Vorgehen Darmstadts
unter dem kunstverständigen Großherzog Ernst Ludwig gezeigt, daß es durch
die Pflege des Kunstgewerbes leichter als durch die der freien Kunst möglich
sei, einer Stadt von mittlerer Größe eine besondere Stellung in dem Kunst-
schaffen unseres Volkes zu geben.
Die Kunstgewerbeschule war unter der Leitung Kolbs eine unter ihren
Schwesteranstalten hervorragende Schule geworden, der es nie an Schülern
fehlte. Es lag aber in der Natur der ganzen Einrichtung dieser Kunstgewerbe-
schulen alten Schlags, daß sie wesentlich kunstgewerbliche Zeichner ausbildeten,
die, in den Fabriken sehr gesucht, schließlich doch in einer solchen Zahl vor-
handen waren, daß die Anstellungsbedingungen sich in kaum glaublicher Weise
herabdrückten. Die handwerklich praktische Ausbildung, wie sie z. B. die
Ziseleure erhielten, trat im ganzen gegen die allgemein künstlerische zurück,
und diese schöpfte im wesentlichen aus einer Wiederholung alter Stilformen.
Dagegen hatte nun schon längst eine ziemlich energische Kritik eingesetzt,
die sich noch steigerte, als auf einmal eine Reihe von Künstlern sich dem
Kunstgewerbe zuwandte. Diese empfanden den Zusammenhang der Kunst-
formen mit der Natur des Materials und mit der handwerklichen Technik wie
eine neue Offenbarung. Man strebte nach einer Wiedergeburt der Form aus
der Technik und dem Zwecke. Auf diese Weise suchte man aus der sklavischen
Abhängigkeit von den alten Stilen loszukommen und die Kunst aus dem Ein-
fachen und Konstruktiven neu zu erzeugen. Es lag in der Luft, hier etwas
Neues zu machen, und in München z. B. boten die sogenannten ,, Vereinigten
Werkstätten", zu denen sich Krüger, Pankok, Bruno Paul, Riemerschmid,
Haustein und Rochga zusammengetan hatten, den Typus einer neuen kunst-
gewerblichen Ausbildung dar, die den Forderungen der Zeit entgegenkam.
271
Als daher Graf Kalckreuth und Grethe bei der Jahrhundertausstellung
in Paris den von Pankok dorthin gelieferten, schönen Raum gesehen hatten,
richteten sie an den Künstler die Frage, ob er nicht bereit wäre, nach
Stuttgart überzusiedeln. Pankok, der damals das Haus Lange in Tübingen
baute, schlug vor, da ein einzelner doch zu isoliert stände, die Münchener
Vereinigten Werkstätten im ganzen nach Stuttgart zu überführen mit der
Verpflichtung, jährlich eine Anzahl Schüler auszubilden; und nach kurzen
Verhandlungen mit ihm und Krüger wurde dem Ministerium ein dahin gehender
Plan vorgelegt. Das Ministerium erkannte seine Wichtigkeit, formte ihn in
einer dem Schulzweck entsprechenden Weise um und legte ihn im Sommer
1901 der Kammer vor, die ihn genehmigte. Krüger und Pankok sollten
gemeinsam die Schule leiten, da Krüger die halbe Woche in München tätig
blieb; Bruno Paul, damals noch einer der eifrigsten Mitarbeiter des Simpli-
zissimus, wagte man nicht zu übernehmen; Riemerschmid aus andern Grün-
den schied aus. Aber die Möbelwerkstätte wurde Ende 1901 in den Räumen
des Zuchthauses, dessen vortreffliche Arbeitseinrichtungen der Anstalt zugute
kamen, fertiggestellt und der Betrieb der ,,Kgl. Lehr- und Versuchswerk-
stätte" Anfang 1902 aufgenommen. Das organische Statut gliederte sie als
eine selbständig gestellte Abteilung an die Kunstgewerbeschule an. Sie sollte
den Zweck haben, den Schülern, die eine künstlerische Allgemeinbildung schon
besaßen, eine spezielle technische Ausbildung im Entwerfen, in der Aus-
arbeitung, Preisberechnung kunstgewerblicher Entwürfe zu geben, sodann
sollte sie kunstgewerbliche Meisterkurse halten, endlich Kunstgewerbetreiben-
den künstlerische Entwürfe und Modelle gegen Entgelt liefern.
Die Doppelleitung an der Schule erwies sich bald als unhaltbar, und
Krüger entschied sich schließlich für München. Vom August des Jahres
1903 an ist dann Pankok Vorstand. Nun setzte zunächst eine durch Jahre
hindurch planmäßig fortgesetzte Tätigkeit zur weiteren Ausgestaltung der
Anstalt ein, um diese ihrer Aufgabe immer vollkommener anzupassen. Durch
den Hilfslehrer Berner, hatte man ganz in der Stille eine Metallwerkstätte
einrichten lassen. Im Jahre 1903 wurde Rochga als Hilfslehrer für Flächen-
kunst berufen. Als er bald darauf Rufe nach Magdeburg und Düsseldorf ab-
lehnte, bekam er dafür die Aussicht auf eine definitive Lehrstelle für Flächen-
kunst; und als Berner im Jahre 1905 aus Gesundheitsrücksichten sein Amt
niederlegte, wurde Haustein als Leiter der Metallwerkstätte aus Darmstadt
hierhergeholt. Das Ausscheiden von Groß an der Kunstgewerbeschule, der
dort Glasmalerei und Keramik vertreten hatte, benutzte Pankok, um eine
keramische Werkstätte einzurichten, deren Lehrstelle Hans von Heider über-
tragen wurde. Und endlich gab die Berufung von Joh. V. Cissarz und Lud-
wig Habich durch den Verein württembergischer Kunstfreunde Veranlassung,
diese mit einem Aufwand von je 1000 Mark als Hilfslehrer für Buchkunst
und Steinbildhauerei anzustellen. Von der Abteilung für Flächenkunst löste
sich mit der Berufung von Paul Lang an die Kunstgewerbeschule ein Fach-
kurs für Textilarbeiten ab; und in kurzem hofft man daraus eine besondere Ab-
teilung für Textilkunst zu schaffen. Endlich wurde mit der Einrichtung eines
272
s
'53
ig
I a
^
Unterrichts für naturwissenschaftliche Formenlehre begonnen, den zuerst der
Sekretär der Handwerkskammer, Dr. Schaible, unentgeltlich erteilte und
der nach dessen Tode von Professor Schuster übernommen und mehrfach
erweitert wurde (Materialienkunde usf.); ein von dem Verwalter Schmid
erteilter Unterricht in Preisberechnung, Buchführung, Wechsellehre, Gesetzes-
kunde für Gewerbewesen brachte vollends alles das in den Lehrplan herein,
was die Schüler in den Stand setzen konnte, die Meisterprüfung zu erstehen.
Den Unterricht in Kunstgeschichte erteilte am Anfang Dr. Franck-Oberaspach,
später Dr. Baum, schließlich Dr. Diez. Eines der am meisten charakteristischen
Organe der Lehr- und Versuchs-
werkstätte bilden die handwerk-
lichen Lehrmeister, welche die
Aufgabe haben, die Handge-
schicklichkeit der Schüler aus-
zubilden; in der Schreinerei
war von Anfang an Lehrmeister
Hupf er der eigentliche Hand-
werksmeister, in der Metall-
werkstätte ist Berg er, in der
Töpferei Kluge als Lehrmeister
tätig.
In der für die neuen Räume
in Aussicht genommenen Neu-
ordnung des ganzen Betriebs
der Kunstgewerbeschule ist die
volle Verschmelzung beider An-
stalten vorgesehen. Die Anstalt
wird dann in dieser Form einen
ganz neuen Typus kunstgewerb-
licher Schulung repräsentieren
und durch die enge Verbindung
mit der Akademie den so über-
aus wünschenswerten Austausch
der Talente zwischen den beiden Gebieten künstlerischer Betätigung, der freien
Kunst und der angewandten Kunst, ermöglichen. Man darf hoffen, daß dadurch
zweierlei erreicht wird: der Abfluß überschüssiger Talente aus der Malerei
und Plastik in das Kunstgewerbe und eine Befruchtung des Kunstgewerbes
durch die aus dem Betrieb der freien Kunst fließenden Anregungen.
J. V. Cissarz, Ehrenurkunde
Das Mißtrauen, mit dem man in den Kreisen der kunstgewerblichen Groß-
industrie der neuen Anstalt am Anfang begegnete, hatte, soweit das jetzt zu
übersehen ist, wesentlich zwei Gründe. Einmal fürchtete man sich vor der
künstlerischen Revolutionierung, die von einer die Tradition ablehnenden
Stuttgarter Kunst 35 273
Gruppe rein künstlerisch interessierter Leute ausgehen konnte; sodann glaubte
man auch eine Konkurrenz von der neuen Anstalt befürchten zu müssen, die
dem an sich schon mit Schwierigkeiten kämpfenden Kunstgewerbe schädlich
werden konnte.
Beide Befürchtungen haben sich als nicht gerechtfertigt erwiesen.
Schon der Charakter der Anstalt als einer Schule schränkte die Arbeits-
leistung der Lehr- und Versuchswerkstätte naturgemäß so weit ein, daß von
einer ernstlichen Konkurrenz mit den Gewerbe-
treibenden keine Rede sein konnte. Größere
künstlerische Aufträge, welche die Lehrer an
der Werkstätte selbst bekamen, gingen im
allgemeinen über die Leistungsfähigkeit der
Schule hinaus. Sie wurden in der Regel durch
hiesige Firmen ausgeführt , so das Pankok-
sche Musikzimmer, das sich nun im Landes-
gewerbemuseum befindet, durch die Hofmöbel-
fabrik von Georg Schöttle, der Hausteinsaal
in der Kgl. Gemäldegalerie durch die Firma
Brauer & Wirth, die auch die Entwürfe für
die beiden Bodenseedampfer ausführte. Kleinere
Aufträge, wie die von einzelnen Zimmern, wur-
den an kleinere Geschäfte hier oder auf dem
Lande vergeben, wobei die früheren Schüler der
Anstalt vielseitige Berücksichtigung fanden. So
zahlreich also verhältnismäßig auch die Aufträge
waren, die in den Lehr- und Versuchswerkstätten
erledigt wurden (in der Schreinerei seit Bestehen
der Anstalt etwa 6000, in der Metallwerkstätte
700, in der keramischen Werkstätte 900 Einzel-
arbeiten), so hat der Umsatz der Werkstätten
doch durchschnittlich nur etwa 16000 Mark im
Jahre betragen, die an Schüler bezahlten Löhne
etwa viereinhalbtausend Mark. Und wenn man
300 Arbeitstage für einen Vollarbeiter rechnet, so haben die Werkstätten durch-
schnittlich nur mit 3,1 Vollarbeitern gearbeitet.
So wenig nun also von einer ernsthaften Beeinträchtigung unserer großen
kunstgewerblichen Betriebe durch die Arbeitsleistung der Lehr- und Versuchs-
werkstätten die Rede sein kann, so mannigfaltig haben sich andererseits die
positiven Beziehungen gestaltet, welche die Anstalt mit dem gewerblichen
Leben verbinden. Von einzelnen großen Aufträgen, die hiesige Möbelfabriken
durch die Lehrer der Anstalt bekommen haben, ist schon die Rede gewesen.
Als wichtig verdient außer den Arbeiten der Möbelbranche noch die pracht-
volle Bowle hervorgehoben zu werden, die Haustein für Peter Bruckmann in
Heilbronn entworfen hat, ein wahres Meisterwerk fein empfundener Edel-
metallkunst. Eine besonders gemeinnützige Aufgabe anderer Art hat die
274
J. V. Cissarz, Tischständer
keramische Werk-
stätte geleistet. Sie
hat mit der Zeit fast
sämtliche Tone des
Landes durch Brenn-
proben und Schlemm-
proben auf ihre Ver-
wendbarkeit durch-
probiert und den
Töpfereien die nöti-
gen Angaben über
ihre sachgemäße Ver-
besserung und Be-
handlung gemacht.
Wenn von Entwürfen
für größere Geschäfte,
die ihre eigenen Zeich-
ner haben, kaum die
Rede ist, so ist da-
gegen in vielen Fäl-
len der kleinere Ge-
schäftsmann für sol-
che dankbar. Frühere
Schüler der Anstalt,
die sich selbständig
gemacht haben, blei-
ben in dauernder
Verbindung mit ihr,
holen sich in den
Werkstätten neue An-
regungen und Entwürfe und benützen gegen Entgelt zeitweise ihre Maschinen,
an denen übrigens auch Arbeiter aus großen Fabriken je und je eingelernt
werden. Diese Beziehungen zu dem kleineren Gewerbe können gar nicht hoch
genug angeschlagen werden. Aber auch manche größeren Firmen bleiben
dauernd in Beziehungen zu der Anstalt durch wiederholte Schulwettbewerbe,
mit denen sie sich neue Muster verschaffen.
In diesen Wettbewerben liegt ein besonders sicherer Maßstab für die in
der Anstalt geleistete Arbeit. Mit der höchsten Regsamkeit und mit zahlreichen
Erfolgen haben sich die Schüler von Anfang an an solchen Wettbewerben
beteiligt. Um nur einige der wichtigsten anzuführen, so wurden Preise davon-
getragen z. B. bei Entwürfen von Metallintarsien der Firma Erhard Söhne in
Gmünd (erster und zweiter Preis), bei einem Preisausschreiben des Landes-
gewerbemuseums für Studentenkunst (4 Preise), für Entwürfe von Grab-
steinen und Aschenurnen (Preisausschreiben des Kunstgewerbevereins Berlin)
5 Belobungen, für Schmuckgegenstände (Preisausschreiben der Goldschmiede-
275
P. Lang, Saal im Stuttgarter Kunstgebäude
Zeitung) der erste Preis, für Büderrahmen (Preisausschreiben des Kunst-
gewerbevereins Karlsruhe im Auftrag der Firma Maurer & Braun in Lahr)
2 Preise, für Abendmahls- und Taufgefäße (Verein für christliche Kunst in
Stuttgart) erster Preis. Erste Preise erhielten Schüler der Anstalt ferner für
die Mitgliedskarte des Württembergischen Schwarzwaldvereins, die zwei ersten
Preise für die des Vereins Hütte, die drei ersten für das Diplom des Turnkreises
Schwaben, den ersten Preis ferner für ein Speiseservice (Ausschreiben des
Schlesischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer). Im ganzen notiert
die Anstalt, soweit der Nachweis möglich ist, 38 erfolgreiche BeteiHgungen
ihrer Schüler an öffentlichen Wettbewerben. Dazu kommen noch 14 von
Privaten veranstaltete Schulwettbewerbe: Fahnen, Plakate, Verpackungen,
Briefköpfe, Wandplatten (Wettbewerb für Georg Bankel in Lauf bei Nürn-
berg), Türdrücker, Jacquard und Matratzendrell (Tangerding & Cie. in Bocholt,
Westfalen), Sparbücher für die Stadt Stuttgart usw.
Wichtiger ist freiUch zu wissen, was die Anstalt aus ihren Schülern ge-
macht hat, um daraus über die Ausrüstung zu urteilen, die sie ihnen mitzu-
geben in der Lage war. Hier ist nun zunächst anzuführen, daß sich seit Beginn
der Anstalt von 463 Schülern 73 während ihrer Schulzeit der Meisterprüfung
bei der Handwerkskammer Stuttgart unterzogen haben (45 Möbelschreiner,
23 Dekorationsmaler, i Gold- und Silberschmied, 2 Ziseleure, i Stahlgraveur und
I Hafner). Die praktisch
tätigen Handwerker, die
die Schule besuchen, blei-
ben in fast allen Fällen
ihrem Handwerk als aus-
übende Kräfte erhalten,
sie werden nicht Möbel-
zeichner, wie es in der
Kunstgewerbeschule die
Regel ist. Aus der Schrei-
nerei sind, soweit es sich
feststellen läßt, 53 Schü-
ler als selbständige Mei-
ster hervorgegangen, 25
als Werkführer tätig, 12
als Lehrer, 15 als Archi-
tekten (über 64 fehlt nä-
here Kunde); in der Ab-
teilung für Flächenkunst
finden wir neben 12 selb-
ständigen Meistern 45 in
(zum Teil leitender) Stel-
lung, 21 als Lehrer tätig.
Diese trockenen Zahlen
geben ein recht anschau-
Th. Schnell, Entwurf für den Chor der Kirche in Obersaxen (Graubünden)
276
P. Lang, Bucheinband
liches Bild von der Befruchtung, die das
Kunstgewerbe durch die Tätigkeit der Lehr-
und Versuchswerkstätten erhalten hat. Daß
namentlich der selbständige Kleinmeister
seine Bildung so vielfach in der Lehr- und
Versuchswerkstätte holt, darf als besonders
erfreulicher Umstand bezeichnet werden.
Auch die Furcht, daß sich die Lehrer
der Anstalt durch extravagante, den prak-
tischen Bedürfnissen fremde Leistungen im
Kunstgewerbe die Beziehungen zu der In-
dustrie verderben werden, eine Furcht, die
den sich neuorientierenden künstlerischen
Bestrebungen gegenüber nicht unberechtigt
war , hat sich , soweit wir sehen können,
kaum als berechtigt erwiesen. Haustein, von Heider, Rochga haben kaum
jemals etwas geschaffen, was man seiner Form nach als extravagant bezeichnen
könnte; bei Haustein gehört eine feinempfundene sach- und materialgemäße
Art von schlichter Natürlichkeit von Anfang an sogar zu seinen eigensten
Vorzügen; Hans von Heider geht sachte von der Bemalung überHeferter kera-
mischer Formen zu einer plastischen Neubildung derselben vor, die als durch-
aus materialgemäß in Anspruch genommen werden darf; so hat auch Rochga,
früher mehr zum Grauen neigend, jetzt wohl eine Neigung zur Starkfarbigkeit,
zu komplementären Gegensätzen in der Farbe, die
über das Übliche hinausgeht; er trifft aber dabei mit
dem allgemeinen Zug der Zeit nach Steigerung der
Farbe zusammen. Man hat vielfach die Säle, welche
Pankok, Haustein und Rochga in der Gemäldegalerie
eingerichtet haben, als Beweis für extravaganten Ge-
schmack angeführt. Allein hier handelte es sich um
etwas anderes. Nicht die Form an sich gab den An-
stoß, sondern die Verwendung der Säle für einen
Zweck, für den sie, wenn man es genau nimmt, ur-
sprünglich nicht bestimmt waren. Zwei der Säle sind
ursprünglich selbst Ausstellungsobjekte gewesen und
haben so der einfacheren Form entbehrt, die man für
eine Bildersammlung wohl allerdings als wünschens-
wert bezeichnen muß; die letzten beiden Säle sind bei
aller festlichen Vornehmheit, die sie wohl haben dürfen,
doch so weit vereinfacht, daß sie ernsterem Wider-
spruch nicht mehr begegnen können. Bei alledem
soll nicht geleugnet werden, daß der Leiter der Schule,
277
J. Ballmann, Ciborium
Pankok, in seinen Anfängen auch berechtigten Widerspruch herausgefordert
hat und daß er eine Zeitlang brauchte, um auf den Weg zu kommen, der ihn
zur vollen Entfaltung seines eigentümlichen Talents führte.
Bernhard Pankok. Daß Pankok ein ganz hervorragendes künstlerisches
Talent besitzt, wird jetzt von niemand mehr geleugnet. Seine Malereien, die,
wie wir sahen, schon in seiner Jugend eine eigentümliche Frische und seltenen
Geschmack zeigen, haben in der letzten Zeit so allgemeinen Beifall bei der
Künstlerschaft gefunden, daß die Künstler sich zu wundern pflegen, warum
er sich überhaupt mit dem Kunstgewerbe abgibt.
Dies muß bei dem natürlichen Zusammenhang
aller künstlerischen Betätigungen ohne Zweifel
zu der Ansicht führen, daß er auch in seinen
kunstgewerblichen Leistungen nichts Talentloses
machen kann; nur müssen in der Tat beim
Kunstgewerbe auch außerkünstlerische Vorzüge
vorhanden sein, wenn eine lückenlose Befrie-
digung entstehen soll. Pankok hat in der Tat
in allem rein Künstlerischen da, wo sich sein
hoch entwickelter dekorativer Sinn, seine lebhafte
Formphantasie frei entfalten konnten , nie Ge-
ringes, nie Bedeutungsloses geschaffen. Aber
da, wo es galt, das Einfache interessant zu ge-
stalten, hat er in dem Bestreben, Neues zu geben,
zuweilen das praktische Bedürfnis, das einfache
Bedürfnis des Hauses vernachlässigt und auch je
und je einmal unschöne Formen gewählt. Indes
scheinen mir solche Entgleisungen mit einem
Bestreben zusammenzuhängen, das gerade für
den Leiter einer solchen Schule wesentlich ist.
Pankok hat ein tiefes Gefühl dafür, daß diese
neue Zeit mit ihren Eisenbahnen, Autodroschken
usw. eine neue, ihr charakteristische Form ver-
langt, so wie sie etwa der Messelstil für die
Warenhäuser geschaffen hat; sodann sucht er
diese Formen aus der Maschine selbst und ihrer
eigentümlichen Funktion zu erzeugen — zweifellos berechtigte und zweifellos
schwer zu erfüllende Aufgaben. Wenn es nicht überall gelungen ist, sie zu
erfüllen, so darf mar^ doch nur an die vielbegehrten Bilderrahmen der Lehr-
und Versuchswerkstätten, das eigenste Werk Pankoks, erinnern, um zu er-
kennen, welche wertvollen Anfänge hier gemacht sind.
Pankok ist das Glück zuteil geworden, in dem Haus Rosenfeld am Herd-
weg das Innere und Äußere eines schon bestehenden Gebäudes — von dem
freilich wenig übriggeblieben ist — nach seinem durch keine Geldschranken
eingeengten künstlerischen Geschmack umzugestalten. In einwandfreier Größe
und Vornehmheit baut sich die Hauptfront des Hauses (gegen den Garten und
278
N. Brühlmann, Halsschmuck
M. Lang-Kurz, Kissen
die Stadt) auf, und im Innern folgt von dem originellen, frischgefärbten En-
tree mit seinen reizenden Farbenimprovisationen ein glänzend und reich
gestalteter Raum auf den anderen : die Halle mit ihrem prachtvollen, wie aus
der Idee des Lichtes geborenen Kronleuchter, der Gesellschaftsraum mit der sel-
tenen Poesie seiner Farbenstimmung, eingeleitet durch einen Türsturz, der ein
wahres Juwel eingelegter Arbeit
ist, zuletzt die Schlaf- und Bade-
zimmer, ebenso ausgezeichnet
durch die praktische wie die
dem einfachen Zweck entspre-
chende künstlerische Gestal-
tung usw. Hier ist zweifellos
ein Juwel künstlerischer Innen-
architektur geschaffen, das zu
den ersten Sehenswürdigkeiten
unserer Residenz gehört. Ich
habe früher gesagt, daß Pankok
als Kunstgewerbler ein Poet ist.
Er schafft Träume. Seine Stärke
liegt da, wo er die Phantasie
frei walten lassen kann. Und
keine Frage kann mehr darüber bestehen, daß er, wo er sich ungehemmt ent-
falten kann, auch im Kunstgewerbe ein schöpferischer Genius, ein Künstler
in des Wortes verwegenster Bedeutung ist.
Paul Haustein. Pankok ist, abgesehen davon, daß er aus einer Hand-
werkerfamilie stammt, wie er selbst erzählt, als Maler auf das Kunstgewerbe
gewiesen worden dadurch, daß er
ein starkes Gefühl davon hatte,
wie wenig doch eigentlich ein
Renaissance- oder Barockrahmen
zu einem modern empfundenen
Bild paßt; die Malerei selbst also
hat ihn gewissermaßen zu dem
Kunstgewerbe geführt. Bei Hau-
stein weist schon die Vielseitig-
keit seiner kunstgewerblichen Be-
tätigung darauf hin, daß wir es
mit einem Mann zu tun haben,
der für dieses Zwischengebiet zwi-
schen der reinen Kunst und dem
Handwerk im eigentlichen Sinn geboren ist. Haustein ist jetzt der Vorstand
der Metallwerkstätte an seiner Schule und arbeitet auf diesem Gebiet mit einer
Vollendung, die es als sein eigenstes erscheinen läßt. Allein ebenso gute Sachen
hat er auf dem Gebiet der Innenarchitektur, der Möbel, der Verglasung, der
Keramik, der Stuckdekoration gemacht, selbst auf dem der Buchkunst; überall
279
M. Schweizer, Kissen
paßt er sich den verschiedenen Aufgaben, die die Natur des Materials mit sich
bringt, mit einer Leichtigkeit und Beweglichkeit an, die bewunderungswürdig ist.
Eine solche gleichmäßige Befähigung für die verschiedensten Seiten des Kunst-
gewerbes setzt ein Gleichgewicht praktischer und künstlerischer Interessen
voraus, einen Handwerker sozusagen, der zugleich Künstler, oder einen Künstler,
der zugleich Handwerker ist, es setzt neben dem Pathos für die künstlerische
Form einen Sinn für die besonderen Reize der verschiedenen Materialien vor-
aus — und aus diesem Gleichgewicht der konkurrierenden Interessen ent-
springt dann wohl die schöne Sachlichkeit und Materialgemäßheit, die schlichte
Natürlichkeit , die de-
zente Form, die so ziem-
lich alles auszeichnet,
was Haustein geschaffen
hat. Ich habe früher
darauf hingewiesen, daß
Haustein gewisserma-
ßen auf dem Gegenpol
zu Pankok steht ; daß
das Moment der Gesetz-
mäßigkeit in seiner
Formgebung ebenso
entwickelt ist wie bei
Pankok die Phantasie;
Beweis : die Neigung
Hausteins, miteinfachen
Mitteln, mit dem Reiz
des Parallelen, geome-
trischer Urgebilde, ge-
rader oder eindeutig ge-
krümmter Linien zu ar-
beiten. Das soll nicht
heißen, daß Haustein
irgendwo nüchtern oder
trocken sei; das ist er
vielmehr nirgends; wohl aber soll damit gesagt sein, daß er eine der glücklichen
Künstlernaturen ist, in denen eine gewisse Harmonie von Gesetzmäßigkeit und
Freiheit, von Vernunft und Phantasie von Anfang an das Schaffen bestimmt.
Zu seiner Lehrtätigkeit sei die bedeutungsvolle Tatsache notiert, daß er 1907
und 1908 zum Leiter der Meisterkurse des Bayrischen Landesgewerbemuseums
in Nürnberg berufen und sich dort das Zeugnis verdiente, ,,daß schwerlich
eine glücklichere Wahl hätte getroffen werden können".
Rudolf Rochga. Rochga ist als produzierender Künstler auch vielseitig
genug gewesen. Er hat für Bruckmann-Heilbronn Entwürfe für Edelmetall-
arbeiten mit der Absicht geliefert, der Maschinenarbeit entgegenzukommen; er
hat Heizkörpergitter geschaffen und Zimmereinrichtungen, wie die beiden nach
280
0. Gußmann, Decke
Erhard & Söhne, Uhr. Entwurf von F. Böres
ihm benannten Säle der Gemäldegalerie in
Stuttgart. Aber sein Gebiet liegt sowohl in
der Schule als in seiner eigenen Produktion
wohl am meisten in dem Gebiet der soge-
nannten Flächenkunst, die weniger geeignet
ist, ein Ganzes für sich zu schaffen. So ist
er als Künstler weniger hervorgetreten, hat
aber um so mehr als Lehrer gewirkt. Seine
Meisterkurse für Dekorationsmaler, wie
überhaupt der ganze Unterricht, den er in
der Flächenkunst an der Anstalt erteilt,
dürfen wohl als Muster eines klug und sorg-
fältig ausgedachten Betriebs gelten. Man
kann darüber manches aus den Veröffent-
lichungen entnehmen, die er teils selb-
ständig erscheinen ließ (,,Form und Farbe
im Flächenschmuck", Stuttgart, Julius '
Hoffmann), teils von Zeit zu Zeit in den
Fachzeitschriften (,,Der Maler", ,,Die
Mappe", ,, Leipziger Malerzeitung") bringt. Wie die Art des Pinsels, mit dem
man arbeitet, des breiten und des spitzigen, sich in Form und Bewegung des
Ornaments auswirkt, wie diese Formen gestaltet werden, um eine rasche, spielende
Bewegung des Pinsels, deren Produkt mit der Tapete konkurrieren kann, zu er-
zielen, wie verschiedene Pinsel zugleich den Kammzug ausführen; wie Formen
entstehen, indem der Pinsel auf der Fläche gedreht wird; wie die Modellierung der
verschiedensten Pflanzenvorbilder aus zwei Farbentöpfen, einem helleren und
einem dunkleren, erzielt wird; wie die Gestalt farbiger Vögel aus unschattierten
einfachen Farbflächen zusammengesetzt, wie die Form der Natur stilisiert wird,
dies ist alles überaus interessant zu sehen und illustriert so recht, wie nützlich
und wichtig eine solche Verbindung von Kunst und Technik werden muß, wie sie
in den Lehr- und Versuchswerkstätten gepflegt wird. Rochga hat mit seinen
Schülern eine Reihe von Arbeiten in hiesigen Wohnhäusern ausgeführt; er ver-
anstaltet immer von Zeit zu Zeit Ausstellungen von Arbeiten und Entwürfen
seiner Schüler im Landesgewerbemuseum und entfaltet so eine fruchtbare und
weithin reichende Tätigkeit. Daß er auch (mit Pankok zusammen) den Aktunter-
richt an der Schule leitet, darf zum Schluß noch besonders hervorgehoben werden.
Hans von Heider hat man in der letzten Zeit vielfach auch als Maler
(der er ursprünglich war) hervortreten sehen, und es ist schon hervorgehoben
worden, daß seine Landschaften, die er in seinen Anfängen naiv studierte und
mit schlichten Lufttönen wiedergab, allmählich einen in das Große gehenden
dekorativen Zug angenommen haben. Zur Keramik kam er infolge eines Zufalls
durch einen seiner jungen Kollegen in München. Er widmete sich ihr mit
Feuereifer und ruhte nicht, bis er in alle Einzelheiten der Technik bis zum
Brennen eingedrungen war — mit ihm sein Vater und zwei Brüder. Dann
verließ er die Keramik und kehrte zur freien Kunst zurück. Aber dieses Bilden
Stuttgarter Kunst 36 281
aus dem wertlosen Material, dieses Schaffen von Werten aus dem Nichts, diese
ganze reiche und komplizierte Technik hatten es ihm angetan, und so wandte
er sich schließlich definitiv der Keramik zu. An der Kunstgewerbeschule in
Magdeburg übte er (1901 — 1905) sie zuerst als Lehrer; dort traf ihn der Ruf
hierher; und hier hat er nun in den Lehr- und Versuchswerkstätten eine Muster-
werkstatt eingerichtet, die mehrfach auch große Aufträge, wie die Brunnenhalle
in Wildbad, den prächtigen Brunnen im Wintergarten des Hauses Kommereil
in Höfen u. a., zu erledigen imstande war. In der Gemäldegalerie sind die
einfach-schönen Verdampfungsschalen jedermann vor Augen. Von den Unter-
suchungen des Töpfertons, die in der Werkstatt gemacht wurden, ist schon
die Rede gewesen; aber auch ganze Töpfereieinrichtungen werden außerhalb
Stuttgarts unter der Leitung Hans von Heiders gemacht und überhaupt der
Töpferei im Lande jede Aufmerksamkeit erwiesen. Ein gewisser Ernst zeichnet
alles aus, was von Heider macht. So sind auch seine Farben in der Keramik
im ganzen ernst und kühl und passen vortrefflich zu dem Material , seine
Formen schlicht und sachgemäß, ganz aus den Handgriffen der Technik heraus
geboren. Im Unterricht läßt er zunächst einen einfachen Gegenstand ganz
durcharbeiten, drehen, formen, glasieren, brennen und wieder brennen, ehe
er die Schüler entwerfen läßt, damit sie die Bedingungen, unter denen das kera-
mische Werk vollendet wird, vollständig kennen lernen. Dann wird die Deko-
ration entworfen, aber nicht auf dem Papier, sondern auf dem Gegenstand
selbst, damit kein ,, Buchschmuck" entstehe und die Wölbung des Materials
von Anfang an mit-
spreche. Haider läßt
mit den einfachsten
Schmucktechniken
der Urzeit, mit Ein-
kratzen in das halb-
trockene Material,
beginnen und dann
allmählich zu den
kompHzierteren Bil-
dungen übergehen.
Unter den Wer-
ken des Künstlers
verdient der Kirchhof
in Holzheim beson-
ders hervorgehoben
Erhard & Stihne, Schmuckkassette ZU Werden, ein Auf-
trag, der aus dem
einer Familiengrabstätte hervorwuchs. Mauer und Tor, Leichenhalle und An-
lage der Gräber, Verteilung des Grüns und der Wege: das alles scheint hier
in mustergültiger Weise gelöst zu sein.
Obwohl es noch nicht gelungen ist, eine eigentliche Textilwerkstätte an
der Anstalt einzurichten (was erst von dem Neubau zu erwarten ist), muß der
282
Ä
G. Schöttle, Innenraum. Entwurf von 0. Pfennig
künftige Vorstand derselben, Paul Lang, in der Reihe der Künstler der
Lehr- und Versuchswerkstätten jetzt schon genannt werden. Denn wie die
anderen Lehrer an der Schule ist er ein vielseitiger Kunstgewerbler von einer
eigenen Art; ja auch als Maler hat er in der letzten Zeit mehrfach (z. B. durch
die Blumenstilleben im neuen Hoftheater) die Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Seine Möbelformen haben etwas Schlichtes und Anheimelndes; er gibt ihnen
gerade so viel Bewegung, als sie brauchen, um nicht langweilig zu werden;
Schnitzereien und Einlagen beleben anmutig die Flächen. Von seinen übrigen
kunstgewerblichen Arbeiten erinnere ich mich einer Ledermappe, auf der in
einem zierlichen Rankenhag zwei stilisierte Vögel kauern, einer reizenden Er-
findung. In besonderem Maße vertritt er unter seinen vorher genannten Kol-
legen den Charakter des Bürgerlich-Gediegenen.
Von J. V. Cissarz, dem neuernannten Vorstand der buchkünstlerischen
Abteilung in den Lehr- und Versuchswerkstätten, möge es genügen, ein paar
Worte zu sagen, da er neuerdings mehr nach der freien Kunst gravitiert und
in ihrem Rahmen behandelt worden ist. Cissarz war ursprünglich in der Buch-
kunst ein Freund des Zierlich-Feinen. Mit der Zeit ist er zu kräftigeren Formen
übergegangen, zugleich zur Einfachheit, und hat seine Wirkung in größeren
zusammengehaltenen Massen gesucht; zugleich sind seine Farben kontrast-
283
reicher geworden, wie sich auch sonst in seiner Tätigkeit allmählich ein großer
dekorativer Stil entwickelt hat, in dem sein schon auf der Schule hervor-
getretenes vorzügliches Zeichentalent sich ausleben kann. Im Buchgewerbe
ist sein Name durch ganz Deutschland berühmt und seine Bedeutung für die
Entwicklung des edleren Buchschmucks allgemein anerkannt. Daß die Schule
an ihm einen vortrefflichen Lehrer hat, liegt nicht nur in der starken künst-
lerischen Begabung des Meisters, sondern auch in seiner expansiven und
suggestiven Natur und seiner außerordentlichen Mitteilungsfähigkeit be-
gründet, -x *
*
Blicken wir zurück auf die Energie, mit der die Anstalt von Stufe zu Stufe
entwickelt worden ist, die rege und vielseitige Tätigkeit ihrer Schüler, die Aus-
breitung dieser Schüler in den Kreisen des Kunstgewerbes in selbständigen
Stellungen und ihre fortdauernde Verbindung mit der Schule, die ihnen ihre
künstlerische Bildung gegeben hat, auf das rege und vielseitige künstlerische
Schaffen ihrer Lehrerschaft, so können wir mit Sicherheit sagen, daß auch
die Gründung der Lehr- und Versuchswerkstätten zu den Ruhmestiteln der
Epoche gehört, die wir zu schildern haben, wenn sie auch gemäß den
Schranken, die menschlichen Dingen gesetzt sind, etwa nicht alles erfüllen
konnten, was ihre Begründer — mit mehr oder weniger Recht — von ihnen
erwarteten. niFZ
Brauer & Wirth, Innenraum
284
Neben der Kg!. Kunstgewerbeschule in Stuttgart erfreuen sich auch die
übrigen Kunstgewerbe-, Fach- und Frauenarbeitsschulen des Landes einer
hohen Blüte. Fast an allen sind Lehrkräfte im Besitze tüchtiger künstlerischer
Qualitäten tätig. Dies gilt besonders für die neuerrichtete und organisierte
Kgl. Fachschule für Edelmetallindustrie in Gmünd, der als Direktor
Walter Klein, geb. 1877 i" Stuttgart, ein vortrefflicher Metallkünstler,
vorsteht; unter ihren übrigen Lehrkräften sei der Maler Karl Purrmann
erwähnt. Die Kunstgewerbeschule für Frauen, die der Stuttgarter
E. Behr, Innenraura. , Entwurf von E. Bercher
Städtischen Gewerbeschule angegliedert ist, leitet Magdalena Schweizer,
eine vielseitige Künstlerin, von deren Können das auf S. 279 abgebildete
Kissen eine gute Vorstellung gewährt. Zu ihren Schülerinnen, zu denen fast
alle früher genannten jüngeren Malerinnen zu rechnen sind, gehört auch
Elisabeth Reischle, eine talentvolle Textilkünstlerin in Tübingen. Sie hat
zumal auf dem Gebiete der Paramentik Gutes geleistet.
Über die zahlreichen selbständig und unabhängig auf dem Gebiete des
Kunstgewerbes tätigen Künstler, deren Arbeit zum Teil einen solchen Um-
fang angenommen hat, daß man in Einzelfällen im Zweifel sein kann, ob man
sie nicht den Kunstindustriellen zuzählen muß, können hier nur einige An-
285
deutungen folgen. Auf dem Gebiete der Innenarchitektur sind außer den früher
genannten Künstlern noch Adolf Fauser, Alfred Koch und Wilhelm
Waigel tätig. Unter den zahlreichen Dekorationsmalern des Landes muß
Christian Kämmerer an der ersten Stelle genannt werden. Die Aus-
schmückung katholischer Kirchen lassen sich der Architekt August Koch
in Stuttgart und der Bildhauer Theodor Schnell in Ravensburg (vgl. den
Abschnitt Bildnerei) angelegen sein. Die katholisch-kirchliche Goldschmiede-
kunst wird von Josef Ballmann in Stuttgart, geb. 1849 in Regensburg,
gepflegt. Als Entwerferin von Silberschmucksachen ist Nina Brühlmann
erfolgreich hervorgetreten. Die Teppichwebkunst betreibt Hermine Winkler,
deren Hauptwerk, einen großen Wandteppich, man in den Pfullinger Hallen
sieht; auch in der Stuttgarter Erlöserkirche finden sich vortreffliche Arbeiten
von ihr. Alle Zweige weiblicher Handarbeit pflegt ebenso geschmackvoll wie
erfolgreich Minna Lang-Kurz.
Daß auch auf dem Gebiete des Kunstgewerbes Schwaben eine Reihe seiner
besten Künstler nach auswärts abgegeben hat, geht aus der Tatsache hervor,
daß Friedrich Adler, an der Hamburger Kunstgewerbeschule als Lehrer
für Innenarchitektur tätig, der vortreffliche Berliner Plakatzeichner Lucian
Bernhard, der junge Metallkünstler Oskar Elsaß er in Pforzheim, Oskar
Gußmann (vgl. Malerei) und der Architekt Emil Högg in Dresden und
der vielseitige Hans Dietrich Leipheimer in Darmstadt gebürtige Würt-
temberger sind.
BAUM
286
DIE WÜRTTEMBERGISCHE KUNST.
INDUSTRIE
Eine entschieden zur Industrie neigende Bevölkerung einerseits, der
Mangel an fast allen wichtigen Rohstoffen andererseits, diese beiden Tat-
sachen haben mit Notwendigkeit zur Ausbildung der Feinindustrie in Würt-
temberg geführt. Dem Vorhandensein geeigneter Rohstoffe verdanken nur die
Sägewerke, die Ton- und Zementindustrie ihr Dasein. In höchster Blüte stehen
außerdem der Ma-
schinenbau, die Her-
stellung chirurgischer
Instrumente, die Fein-
mechanik, Waffen-
industrie, Uhrenfabri-
kation, der Musik-
instrumenten- und
Orgelbau, die Baum-
woU- und Leinen-,
die Leder- und Pa-
pier-, ferner die Nah-
rungsmittel- und che-
mische Industrie.
Nicht den geringsten
Teil der württember-
gischen Feinindustrie
bildet die Kunstindustrie. Sie hat sich seit dem Beginn des neunzehnten
Jahrhunderts zum Teil aus dem Kleinbetrieb einzelner Kunsthandwerker, in
der Hauptsache aber durch die gemeinsame Arbeit von Industriellen und
Künstlern bzw. durch Zuziehung von Künstlern zu vorher rein industriellen
Betrieben zu ihrer gegenwärtigen Höhe entwickelt. Es sind vier große Ge-
biete, welche sich der künstlerischen Arbeit bemächtigt haben: die Metall-
industrie, die Möbelfabrikation, die Textilindustrie und das Buchgewerbe.
Allerdings dürfen nun nicht etwa alle Erzeugnisse dieser Industrien als Kunst-
werke angesprochen werden. Es gibt Verlage, es gibt Metallwaren- und Leinen-
fabriken, die durchaus auf künstlerische Durchbildung oder Ausgestaltung
ihrer Erzeugnisse verzichten. Umgekehrt lassen sich, zumal im kunsthand-
werklichen Kleinbetrieb, die Anfänge der Beschränkung auf rein künstlerische
287
G. Schöttle, Möbel. Entwurf von Pullich
Arbeit nachweisen. Für größere streng künstlerische Unternehmungen im Stile
der Deutschen Werkstätten scheint das Publikum der bedeutenden württem-
bergischen Kunstindustrien noch nicht reif. Alljährlich werden von ihnen
vortreffliche Stücke nach den Entwürfen unserer besten Künstler hergestellt — ,
der Zwischenhandel vertreibt sie ungern, der weitaus größte Teil der Käufer
bleibt den konventionellen und zum Teil geschmacklosen Mustern treu, deren
Massenherstellung allein den Fabrikanten jenen Gewinn abwirft, mit dessen
Hilfe sie sich mit bewundernswertem Idealismus immer wieder von neuem
an die Herstellung wirklicher Kunstwerke wagen.
Welche Bedeutung die Kunstindustrie im württembergischen Kunstleben
einnimmt, geht am besten aus einer Aufzählung der leistungsfähigsten Fabriken
hervor.
In der Metallindustrie nimmt an künstlerischer Bedeutung die Silber-
warenfabrik P. Bruckmann & Söhne in Heilbronn, gegründet 1805, die
erste Stelle ein. Ein besonderer Vorzug ihrer Inhaber war es, daß sie sich allzeit
selbst praktisch auf dem Gebiete des Kunsthandwerks betätigten; trefflichen
Mitarbeitern — der
erste war Konrad
Weitbrecht, unter den
heutigen seien Am-
berg, Stock und Zeller,
genannt — werden
ausgezeichnete Lei-
stungen verdankt.
Auch von auswär-
tigen Künstlern, so
Böres, Haustein,
Rieth, Rochga, sind
zahlreiche Entwürfe
ausgeführt worden
(vgl. die Farbtafel).
Unter den zahlreichen
Metallwarenfabriken
Gmünds sei hier zu-
nächst der fast alle
Metalltechniken pfle-
genden Firma Er-
hard & Söhne, ge-
gründet 1844, gedacht,
die sich in den letzten
J ahren zumal auf dem
Gebiete der Metall-
intarsiakunst ausge-
zeichnethat. Auch sie
arbeitet häufig nach
Schildknecht & Co., Innenraum. Entwurf von P. Lang
288
Entwürfen auswärtiger Künstler, besonders von Böres. Neben Erhard verdient
unter den Gmünder Metallwarenfabriken an erster Stelle die Silberwarenfabrik
Wilh. Binder, gegründet 1868, genannt zu werden, die gleichfalls nach künstle-
rischen Entwürfen arbeitet. F. W. Quist in Eßlingen fertigt künstlerisches Tafel-
gerät. Gebr. Märklin & Co. in Göppingen liefern metallene Spielwaren. Kurtz
& Co. in Stuttgart, gegründet 1760, pflegen den feinen Zinnguß; ein besonderes
Verdienst haben sie sich um die Herstellung mustergültiger kirchlicher Geräte,
früher nach Entwürfen von Beisbarth, Leins imd Dolmetsch, neuerdings nach
Zeichnungen von Martin Elsäßer, sowie Böklen und Feil, erworben. Mayer
& Wilhelm in Stuttgart pflegen besonders die Herstellung von Medaillen und
Plaketten; unter den Künstlern, die für sie Entwürfe lieferten, seien von Hugo,
Stocker und Pauschinger genannt. In hoher Blüte steht der Erzguß. Unter
den zahlreichen württembergischen Glockengießern muß heute wohl Kurtz in
Stuttgart zuerst genannt werden. Den Guß feiner Bronzen, besonders bronzener
Beleuchtungsgegenstände, pflegen Stotz & Schlee, den Erzguß im großen
Hugo Pelargus in Stuttgart; dieser ist neuerdings mit schönen Bronzeurnen
nach Entwürfen von Hahn, Körner und Bühler hervorgetreten. Der bei weitem
größte Betrieb für die Herstellung kunstgewerblicher Arbeiten in Metall ist die
Württembergische Metallwarenfabrik in Geislingen, gegründet 1880.
Ihr angegliedert ist seit 1894 eine galvanoplastische Abteilung, die nach Über-
windung großer Schwierigkeiten die galvanoplastische Technik und speziell die
Hohlgalvanoplastik zu hoher Vollendung gebracht hat. Sie befaßt sich in erster
Linie mit der Wiedergabe neuer plastischer Schöpfungen nach Modellen der
Künstler sowie mit der Nachbildung älterer Kunstwerke. Zu ihren besten
Arbeiten auf letzterem Gebiete gehören die Nachbildungen der mykenischen
und kretischen Funde, des Hildesheimer Silberfundes, der aretinischen Gefäße
und der frühgermanischen Schmuckstücke der Kgl. Altertümersammlung in
Stuttgart, ferner die Reproduktionen des Colleoni für das Stettiner Museum,
des Großen Kurfürsten von Schlüter für das Berliner Kaiser-Friedrich-Museum
und der Paradiesespforte Ghibertis. Von modernen Kunstwerken, welche die
Firma in Hohlgalvano hergestellt hat, sind zu erwähnen: einige Figuren Sascha
Schneiders, Habichs Hirsch auf dem Stuttgarter Kunstgebäude und Daniel
Stockers Figur der ,, Erweckung zum Leben" im Krematorium zu Göppingen
(vgl. die Heliogravüre).
Auch die Kunstverglasung beginnt neuerdings sich durch tüchtige
Leistungen auszuzeichnen. Sehr schöne Arbeiten haben vor allem V. S a i 1 e
und S. G lasche geliefert, die beide nach künstlerischen Entwürfen arbeiten.
Eines alten und wohlbegründeten Ruhmes erfreut sich die Stuttgarter Möbel-
industrie. Sie hat, zumal in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts,
einen großen Teil Deutschlands und weite Gebiete des Auslandes mit Möbeln
versorgt und zeigt heute wieder einen neuen starken Aufschwung. Vier große
Firmen, abgesehen von zahlreichen kleineren, wetteifern gegenwärtig um die
besten Leistungen. Die Firma Georg Schöttle, als Baugeschäft 1859 ge-
gründet, 1871 in eine Möbelfabrik umgewandelt, ließ sich seit ihrem Bestehen
die gemeinsame Arbeit mit Künstlern angelegen sein. Zu ihren künstlerischen
Stuttgarter Kunst 37 289
Beiräten gehörten in den siebziger und achtziger Jahren Künstler wie Bäumer
in Stuttgart, Ziegler in Karlsruhe, Lindemann in Frankfurt. Infolge eines Preis-
ausschreibens trat sie seit 1899 mit Berlepsch, Albin Müller und Patriz Huber
in Beziehung. 1904 führte sie Pankoks Musiksalon (jetzt im Landesgewerbe-
museum) für die Ausstellung in St. Louis aus. Damals war sie eine der eifrigsten
Vertreterinnen des ornamentalen Stiles. Die Umkehr zu ruhigeren Formen
wurde veranlaßt durch die für die Firma entwerfenden Architekten Mac Lachlan
und Pullich. denen sich als gelegentlicher Mitarbeiter für die Ausstellungen in
Turin und Brüssel Peter Birkenholz gesellte. Auch Brauer & Wir th, ge-
gründet 1833, bzw. 1826, seit 1908 vereinigt, haben neuerdings Vortreffliches
auf dem Gebiete der Möbelkunst geleistet, so im Zusammenarbeiten mit Wilhelm
Weigel und den Lehr- und Versuchswerkstätten, nach deren Entwürfen sie
zwei Bodenseedampfer und das Zeppelinluftschiff Deutschland ausstatteten.
Eine ihrer Glanzleistungen ist der vertäferte Zuschauerraum im Kleinen Hof-
theater in Stuttgart. Lebhafte Verbindung mit dem Auslande unterhält die Fabrik
Schildknecht & Co., die 191 2 aus der 1828 gegründeten Firma Epple & Ege er-
wuchs. Unter den für sie tätigen Künstlern sei Paul Lang genannt. Auch die junge
Fabrik Erwin Behr ist mit trefflichen Arbeiten nach Entwürfen von Bercher
an die Öffentlichkeit getreten. Unter den Spezialisten dieser Gruppe seien
G. Wölfel, der sich der Pflege der Holzintarsia widmet, Alfred Bühler, ein
Fabrikant ausgezeichneter Ledermöbel, und A. Feucht Nach f., eine noch mehr
persönlich als fabrikmäßig geleitete Werkstatt für feine Lederarbeiten, hervor-
gehoben. Auch die in Württemberg in hoher Blüte stehende Musikinstrumenten-
industrie arbeitet gelegentlich nach künstlerischen Entwürfen.
Auf dem Gebiete der Textilindustrie hat als erste wohl die Firma Karl
Faber, gegründet 1837, nach künstlerischen Prinzipien gearbeitet. Bereits
im Jahre 1900 brachte sie Wandbespannstoffe auf den Markt, die damals be-
rechtigtes Aufsehen erregten. Neuerdings betreibt sie besonders die Herstellung
kurbelgestickter Vorhänge und Decken. Hinter ihr bleiben die Leinenmanu-
faktur Blaubeuren sowie die Firma Eckstein & Kahn, gegründet
1864, und Hermann Pichler, gegründet 1876, nicht zurück.
Eine ganz hervorragende Bedeutung nimmt in Stuttgart die Buch-
industrie mit den ihr verwandten Betrieben ein. An Umfang steht sie neben
jener von Leipzig und Berlin noch immer an erster Stelle. Was den künst-
lerischen Charakter ihrer Leistungen betrifft, so ist nicht zu leugnen, daß in dieser
Hinsicht Stuttgart in den letzten Jahren von Berlin und München überflügelt zu
werden drohte. Heute ist die Stockung überwunden; die in Stuttgart tätigen
Buchkünstler Cissarz und Lang, denen sich früher noch Gradl gesellte, haben
alle Hände voll zu tun, den an sie gestellten Ansprüchen zu entsprechen. Einen
nicht zu unterschätzenden Anteil an den künstlerischen Fortschritten in der
Buchausstattung haben auch die Stuttgarter chemigraphischen Kunstanstalten,
die neuerdings alle in hohem Aufschwünge begriffen sind. Ein Zeichen der
technischen Leistungsfähigkeit und der künstlerischen Bestrebungen des
heutigen Stuttgarter Buchgewerbes sei dieses Werk.
BAUM
290
KÜNSTLERVERZEICHNIS
UND REGISTER
291
KÜNSTLERVERZEICHNIS
ADLER, Friedrich, Kunst gewerbler —Ham-
burg, Oberlehrer an der Kunstgewerbeschule
— * Laupheim 29. April 1878. Kunstgewerbe-
schule München 1896 — 99 u. Lehr- u. Ver-
suchsatelier V. Debschitz 1902— 03.
AECKERLIN, Christian, Bildhauer — Stutt-
gart— •■'Darmstadt 15. Sept. 1884. Kunstakad.
Düsseid. u. Stuttg., Lehrer: Bosselt, Habich.
ALDER, Hans, M a 1 e r — Stuttgart.
ALDINGER, August, Maler — Stuttgart —
■^- Burgholzhof 22. Sept. 1871. Kunstakad.
Stuttg. 1904 — IG, Lehrer: Poetzelberger, Lan-
denberger, Haug.
ANKELEN, Eugen, Maler — München —
'■■ Laupheim 2. März 1858. Kunstakad.
Stuttg. u. München, Lehrer: Otto Seitz.
AUBERLEN, Wilhelm, Maler — München
— ■•• Stuttgart 8. Juli 1860. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Grünenwald, Liezenmeyer;
Kunstakad. München, Lehrer: Gysis, Löfftz.
BACH, Max, Maler - Stuttgart — '^'Stutt-
gart 17. Okt. 1841. Kunstakad. u. Poly-
techn. Stuttg.
BALLMANN, Josef, Kunstgewerb 1er - -
Stuttgart '■' Regensburg 13. Nov. 1849.
BARTH, Theodor, B i Idhauer — Stuttgart-
BAUER, Karl, Maler — München — * Stutt-
gart 7. Juli 1868. Kunstakad. Stuttg., Lehrer:
Grünenwald, Keller, Igler; Kunstakad. Mün-
chen, Lehrer: Lindenschmit; Akad. Julian
Paris, Lehrer: Ferrier.
BAUER, Leo, Maler — Stuttgart — '''Mün-
stertal (Baden) 21. Sept. 1872. Kunstakad.
Karlsr., Lehrer: Schurth; Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer : Grünenwald, Igler, Schraudolph, Haug.
BAUERLE, Karl, Maler - ''' 5. Juni 1831,
t 26. Aug. 1912.
BAUERLE, Karl Theodor, Maler - Stutt-
gart — '■' Stuttgart I. Mai 1865. Kunstakad.
Stuttg. 1882 — 84, Lehrer: Grünenwald.
BAUMEISTER, Willi, M a 1 e r — Stuttgart.
BAUMULLE R, August, M a 1 e r — Stuttgart.
BAUSCH, Theodor, Bildhauer — Stuttgart
— '■' Stuttgart 19. Dez. 1849. Kunstakad.
Stuttg. u. Dresd., Lehrer: Schilling.
BENZINGER, Emil.Bildh au er — Stuttgart.
BERCHER, Emil, Architekt — Stuttgart.
B E R G E R, Albert, M a 1 e r — Stuttgart - ''= Stutt-
gart 16. März 1883. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer: Poetzelberger, Landenberger, Haug.
BERNHARD, Lucian, Maler u. Archi-
tekt - Berlin — '''Stuttgart 15. März 1880.
BEUTINGER, Emil, Architekt — Stutt-
gart — '■' Heilbronn 9. Aug. 1875. Bau-
gewerk- und Kunstgewerbeschule Stuttgart;
Kunstgewerbeschule Berlin, Lehrer: Rieth;
Techn. Hochsch. Darmst.
BLOCH, Oskar, Architekt - Stuttgart —
'^' Stuttgart. Techn. Hochsch. Stuttg.
BLÜMHUBER, Georg, Bildhauer - Stutt-
gart — '■' Feldkirchen i. B. 13. April 1882.
Kunstakad. München, Lehrer: Priv. Bleeker,
Janssen.
BODEN-HEIM, Hermann, Maler - Blau-
beuren — '^ Dresden 16. Juli 1876. Kunstakad-
Dresd., Lehrer: Pohle, Bantzer; Kunstakad.
München, Lehrer: Höcker, Zügel; Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Kalckreuth.
BÖHRINGER, Karl, Architekt — Stuttgart
- - '■' Stuttgart 14. Juni 1881. Techn. Hochsch.
Stuttg. u. Charlottenburg, Lehrer: Fischer,
Bonatz, Hehl, Jassoy, Adler.
BÖKLEN, Richard, Architekt — Sttittgart —
''' Sulz a. N. 31. Jan. 1861. Techn. Hochsch.
Stuttg. 1873—81.
BÖRES, Franz, Bildhauer u. Kunstge-
werb 1er — Stuttgart — '•' Seligenstadt i. H.
4. Sept. 1872. Akad. Hanau.
BOHNENBERGER, Theodor, Maler -
München — '■' Stuttgart 25. Juli 1868. Kunst-
akad. Stuttg. 1885 — 86, Lehrer: Grünenwald,
Häberlin; Kunstakad. München, Lehrer:
Herterich.
BOLLMANN, Paul, Maler — Stuttgart —
* Hannover 4. Mai 1885. Kunstakad. Stuttg.
BONATZ, Paul, Architekt - Stuttgart, Prof.
an der Techn. Hochsch. — * Solgue (Loth-
^ ringen) 6. Dez. 1877. Techn. Hochsch. Mün-
chen 1896 — igoo.
BOSSERT, Sophie, Malerin — Stuttgart —
'■' Ellwangen 19. Juni 1864. Privatschulen
Stuttg. u. München.
293
BRACKENHAMMER, Rudolf, Maler —
Stuttgart — === Nürtingen 3. März 1876.
Kunstgewerbeschule Stuttg. u. Straßburg;
Kunstakad. München, Lehrer: Stuck, Halm.
BRAITH, Anton, M a 1 e r - München — * Bi-
berach 2. Sept. 1836, t Biberach 3. Jan. 1905.
BREDOW, Gustav Adolf, Bildhauer
Stuttgart — * Krefeld 22. Aug. 1875. Kunst-
gewerbeschule u. Kunstakad. Düsseid.
BREDT, Ferdinand Max, Maler — München
— * Leipzig 7. Juni 1860. Kunstakad. Stuttg.
1877 — 80, Lehrer: Neher, Grünenwald,
Häberlin; Kunstakad. 1880 — 82, Lehrer:
Lindenschmit.
BREYER, Robert, Maler - Berlin - * Stutt-
gart IQ. Juni 1866.
BROUGIER, Adolf Wilhelm, Maler - Lon-
don — "=" Stuttgart 23. Sept. 1870. Kunst-
akad. München, Lehrer: Papperitz; Akad.
Julian Paris.
BRUCKMANN, Peter, Bildhauer — Fiesole
— '■■ Heilbronn 13. Aug. 1850. Kunstakad.
München 1871. Seit 1881 in Italien.
BRUCKMANN, Peter, Kunstgewerbler —
Heilbronn — * Heilbronn 13. Jan. 1865.
Kunstgewerbeschule München 1883 — 86.
BRÜHLMANN, Hans, M a 1 e r — '^^ Amrisweil
(Schweiz) 25. Febr. 1878, f 29. Sept. 191 1.
BRÜHLMANN.Nina.Kunstgewerblerin-
Stuttgart -Mllnau, Kt. Zürich, 8. Jan.
1877.
BRÜLLMANN, Jakob, Bildhauer — Stutt-
gart - '^' Weinfelden (Schweiz) g. Dez. 1872.
Kunstgewerbeschule u. Kunstakad. München,
Lehrer: Heß, Ruemann.
BUCHNER, Hans, Maler München —
■* Stuttgart 28. Dez. 1856. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer: Grünenwald, Häberlin; Kunstakad.
München, Lehrer: Wagner.
BÜCHELER, Charlotte, Malerin —Reichen-
bach a. Füs.
BUTTERSACK, Bernhard, Maler — Heim-
hausen i. B. - '^' Liebenzeil 16. März 1858.
Kunstakad. Stuttg. 1877—81, Lehrer: Grü-
nenwald, Ludwig; Kunstakad. Karlsr. 1882
bis 1884, Lehrer: Baisch.
CAPITAIN, Edmund, Architekt — Stutt-
gart — * Miltenberg a. M. 22>. Sept. 1876.
Univ. Straßb., Berl., München 1893 bis 1903;
Techn. Hochsch. München.
CASPAR, Karl, Maler — München —
"^^ Friedrichshafen 13. März 1879. Kunstakad.
Stuttg. 1896 — 98, Lehrer: Herterich; Kunst-
akad. München, Lehrer: Herterich; Kunst-
akad. Stuttg. 1903 — 05, Lehrer: Haug.
CASPAR-FILSER, Maria, Malerin — Mün-
chen ■•■ Riedlingen 7. Aug. 1878. Kunst-
akad. Stuttg. 1896- 1903, Lehrer: Keller, Igler.
CISSARZ, Joh. Vincenz, Maler u. Kunst-
gewerbler— Stuttgart, Prof. an der Lehr-
und Versuchswerkstätte — * Danzig 22. Jan.
1873-
CONZ, Walter, Maler — Karlsruhe, Prof. an
der Kunstakad. — * Stuttgart 27. Juli 1872.
Kunstakad. Stuttg., Lehrer: Grünenwald;
Kunstakad. München, Lehrer: Schönleber,
Kaickreuth.
DAIBER, Hans, Architekt - Stuttgart —
* Stuttgart I. .Aug. 1880. Techn. Hochsch.
Stuttg.
DAIMLER, Elise, Malerin - Stuttgart.
DEIBELE, Karl, Bildhauer — Gmünd —
■■' Schw. -Gmünd 26. Aug. 1869. Kunstge-
werbeschule München, Kunstakad. München,
Lehrer: Heß, Ruemann.
DIEM, Karl, Maler — Stuttgart.
DIETELBACH, Rudolf, Bildhauer — Stutt-
gart ■■' Stuttgart 22. Dez. 1847. Kunstakad.
Stuttg. 1870 — 73, Lehrer: Wagner.
DIETERLE, Carl, Kunstgewerbler- Stutt-
gart — •■■ Stuttgart 29. Okt. 1848.
DIEZ, Hugo, Maler — Stuttgart '^^ Roßfeld,
OA. Crailsheim, 3. Jan. 1863. Kunstakad. Stutt-
gart, Lehrer: Grünenwald, Schraudolph, Igler.
DOLLINGER.Conrad von, Architekt — Stutt-
gart, Prof. a. D. der Techn. Hochschule —
* Biberach 22. Juni 1840. Techn. Hochsch.
Stuttg. 1855 60.
DOLLINGER, Richard, Architekt Stutt-
gart — '-'Stuttgart II. Juli 1871. Techn.
Hochsch. Stuttg., Lehrer: Dollinger, Messel,
Hart, Halmhuber.
DOLMETSCH, Heinrich, Architekt - Stutt-
gart '■■■ Stuttgart 24. Jan. 1846. f. Techn.
Hochsch. Stuttg., Lehrer: Leins.
DONNDORF, Adolf von. Bildhauer Stutt-
gart, Prof. a. D. der Kunstakademie •■'Wei-
mar 16. Febr. 1835. Kunstakad. Dresd. 1853
bis 1860, Lehrer: Rietschel.
DONNDORF, Karl, Bildhauer Stuttgart
- '^' Dresden 17. Juli 1870.
DRÜCK, Elise, Malerin — Neckartail-
fingen — * Ulm 14. Jan. I862. Lehrer: Marc,
München; Keller, Stuttgart.
DRÜCK, Hermann, Maler — Neckartail-
fingen '-'Vaihingen a. E. 21. Mai 1856.
Kunstakad. Stuttg., Lehrer: Ludwig, Käppis.
EBERHARD, Heinrich, Maler — Stuttgart
— '^ Ellwangen 24. Febr. 1884. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Poetzelberger, Landenberger,
Hölzel.
294
EBERHARD!, Hugo, Architekt — Stutt-
gart — * Furtwangen 2. Mai 1874. Techn.
Hochsch. Stuttg. 1893 98-
EBERZ, Josef, Maler — Stuttgart — * Lim-
burg a. d. Lahn 3. Juni 1880. Kunstakad.
München, Karlsr.; seit 1905 Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Landenberger, Hölzel.
EC KENER, Alex., Maler - Stuttgart, Prof.
an der Kunstakademie — * Flensburg 2 1 . Aug.
1870. Kunstakad. München 1889 93,
Lehrer: Herterich, Wagner, Raab; Kunstakad.
Stuttg. 1900 05, Lehrer; Kalckreuth.
ECKENFELDER, Friedrich, Maler Mün-
chen — * Bern 1861. Kunstakad. München,
Lehrer: Löfftz; Priv. Zügel.
EGE, Eberhard, Maler Vicovaro
* Stuttgart 17. August 1868. Kunstakad.
Stuttg. 1885; Polytechn. Stuttg. 1886-88;
London 1889 — 92; Paris 1892 —98.
EHINGER, Robert, Maler — Stuttgart —
'-'■'■ Altshausen 19. Sept. 1882. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Poetzelberger, Landenberger,
Keller.
EISENLOHR, Ludwig, Architekt - Stutt-
gart — * Nürtingen 17. März 1851. Techn.
Hochsch. Stuttg. u. Bauakad. Berlin.
EITEL, Albert, Architekt — Stuttgart —
* Stuttgart 29. Jan. 1866. Techn. Hochsch.
Stuttg.
ELSÄSSER, Martin, Architekt -Stuttgart
— * Tübingen 28. Mai 1884. Techn. Hochsch.
Stuttg. u. München, Lehrer: Hocheder,
Thiersch, Fischer.
ELSÄSSER, Oskar, Kunstgewerb 1er — Leh-
rer an der Goldschmiedschule Pforzheim —
* Wangen i.A. 11. Sept. 1885. Kunstge-
werbeschule u. Lehr- u. Versuchswerkstärte
Stuttg.
EPPLE, Emil, Bildhauer -- München -
=■= Stuttgart 6. März 1877. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer: Donndorf; Kunstakad. München,
Lehrer: Ruemann.
ESSIG, Gustav, Maler — München -
•■' Truchtelfingen, OA. Balingen, 18. Nov.
1880. Techn. Hochsch. Stuttg., 1899 bis
1903; Kunstakad. München 1904 — 09, Lehrer:
Halm, Stuck.
ETTLE, Wilhelm, Maler — Eliwangen -
* Tettnang 24. Jan. 1879. Kunstgewerbe-
schule Stuttg.
EYB, Gustav, Maler — Stuttgart - •■'Stutt-
gart-Wangen 13. Okt. 1863. Kunstakad.
Stuttg. 1893—94.
FABER, Karl, Maler — München ■■'Gmünd
28. April 1885. Kunstgewerbeschule Stuttg.
1904 — 08, Lehrer: Lang.
FAURE, Amandus, Maler -- Stuttgart —
'■■'■ Hamburg 30. Jan. 1874. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer: Herterich, Grethe, Kalckreuth.
FAUSER, Adolf, Kunstgewerbler Stutt-
gart '■• Ludwigsburg 8. Jan. 1880.
FEDERLIN, Karl, Bildhauer Ulm.
FEHRLE, Wilhelm, Bildhauer Paris —
'■■ Schw.-Gmünd 27. Nov. 1884. Kunstakad.
Berlin u. München, Lehrer: Meyerheim,
Schmidt.
FEIL, Carl, Architekt Stuttgart -^'Stutt-
gart 4. Juni 1860. Techn. Hochsch. Stuttg.
1880 84.
FELGER, Friedrich, Maler — Berlin —
•■' Waiblingen 1882.
FEUERLE, Alfons, Bildhauer — Schw.-
Gmünd - * Schw.-Gmünd 15. Aug. 1885.
FINKBEINER, Hugo, Maler Stuttgart -
'•' Friedrichstal b. Freudenstadt i. Juni 1879.
Kunstgewerbeschule Stuttg. 1899 1902.
Kunstakad. Stuttg. 1902- 10, Lehrer: Poetzel-
berger, Grethe, Haug.
FISCHER, Alfred, Architekt -Essen, Direk-
tor der Handwerks- und Kunstgewerbeschule
— * Stuttgart 29. Aug. 1881. Techn. Hochsch.
Stuttg., Lehrer: Fischer.
FISCHER, Theodor, Architekt - München,
Prof. an der Techn. Hochsch. — * Schwein-
furt 28. Mai 1862. Techn. Hochsch. München
1880-85.
FÖRSTNER, Ernst, Architekt — Stuttgart
- - * Übrighausen, OA. Hall, 20. Nov. 1871.
Techn. Hochsch. Stuttg. 1890—95.
FORSCHNER, Heinrich, Maler - Biberach
- * Bernhausen b. Stuttgart 30. Okt. 1853.
Autodidakt.
FREMD, Adolf, Bildhauer - Stuttgart —
•■' 'Vaihingen a. F. 18. Mai 1853. Kunstakad.
Stuttg. 1869 70, Lehrer: Neher, Wagner;
Kunstakad. Dresd., Lehrer: Haenel.
FRICK, Julius, Bildhauer - Stuttgart —
•■■ Stuttgart 28. Dez. 1884. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer: Donndorf, Habich.
FRIEDRICHSON, Gustav Adolf, Maler —
Dachau '■' Hamburg 1 1. März 1882. Kunst-
gewerbeschule Berlin, Lehrer: Koch; Kunst-
akad. Stuttg., Lehrer: Poetzelberger, Grethe,
Haug.
FRITZ, Heinz, Bildhauer — Stuttgart —
■■•■Köln 12. Juni 1873. Kunstgewerbeschule u.
Kunstakad. Düsseid., Lehrer: Buscher, Janssen.
FUCHS, Karl, Maler - Eßlingen.
FUCHS, Willy Paul, Architekt - Stuttgart
— •■■ Calw 29. Juni 1878. Techn. Hochsch.
Stuttg. und Charlottenb. Lehrer: Fischer.
29s
FUGEL, Gebhard, Maler — Solln b. München
— *■ Oberklöcken, OA. Ravensburg, 14. Aug.
1863. Kunstakad. Stuttg.
GACKLE, Albert, Bildhauer — Stuttgart —
* Stuttgart 25. Aug. 1853. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer: Wagner, Donndorf.
GÄRTNER, Alfred, Maler — Stuttgart —
'■■'■ Stuttgart 4. März 1868. Kunstakad. Stuttg.
1891 — 96, Lehrer: Grünenwald, Igler, Haug;
Akad. Julian Paris.
GAUKEL, Hans, Maler — Stuttgart.
GAUPP, Gustav, Maler — München —
'■'' Markgröningen 19. Sept. 1844. Kunstakad.
München, Lehrer: Raab, Wagner, Piloty.
GEBHARDT, Richard, Architekt — Stutt-
gart - •■• Stuttgart 6. April 1884. Bau-
gewerkschule und Techn. Hochsch. Stuttg.,
Lehrer: Fischer, Halmhuber, Schmohl.
GEORGII, Theodor, Bildhauer München
^■^ Shdani (Rußl.) 30. April 1883. Kunst-
akad. Stuttg. 1902- 03, Lehrer: Poetzel-
berger; Kunstakad. Brüssel 1904.
GIMML Karl, Bildhauer — Stuttgart —
* Heilbronn 13. Okt. 1870. Kunstakad.
Berlin, Lehrer: Lessing; London, NewYork.
GLÄSER, Karl, Bildhauer — Stuttgart -
'^' Budapest i. Juni 1874. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer: Donndorf, Poetzelberger, Habich.
GÖTTEL, Jakob, Architekt — Stuttgart —
■■•Neuss a. Rh. 14. April 1886. Techn. Hochsch.
Stuttg. u. München.
GOLL, Karl, Maler — Stuttgart — * Stutt-
gart 23. April 1870. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer: Schraudolph, Igler.
GRAESER, Ernst, Maler Stuttgart —
* Kronstadt 8. Mai 1884. Kunstakad. Mün-
chen, Lehrer: Herterich, Löfttz; Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Landenberger, Hölzel.
GRAF, Gottfried, Maler - Mengen —
'■■' Mengen 17. Jan. 1881. Kunstgewerbeschule
Stuttg. 1904 08; Kunstakademie Stuttgart,
Lehrer: Landenberger.
GREF, Franz Heinrich, Maler — Stuttgart —
'''■ Stühlingen i. B. 14. Dez. 1872. Priv. Mün-
chen: Weinhold, Landenberger; Kunstakad.
Karlsr., Lehrer: Schmidt-RÖutte, Weishaupt;
Kunstakad. Stuttg.
GRETHE, Carlos, Maler - Stuttgart, Prof.
an der Kunstakad. — '■'■'■ Montevideo 25. Sept.
1864. Kunstakad. Karlsr. 1880—82 u. 1885
bis 1888; Akad. Julian Paris 1883—84.
GRÜNENWALD, Agnes, Malerin — Stutt-
gart •■■ München 1861. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer: Grünenwald, Käppis.
296
GRUENEWALDT, Nikolai von, Maler —
Stuttgart — * Rittergut Rameishof in Livland
7. Mai 1853.
GUSSMANN, Otto, Maler — Dresden, Prof.
an der Kunstakad. — '■= Wachbach, OA.
Mergentheim 22. Mai 1869. Kunstgewerbe-
schule Stuttg.; Kunstakad. Berlin.
HAAG, Robert, Maler - Stuttgart — * Stutt-
gart 14. Febr. 18S6. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer: Poetzelberger, Speyer, Grethe, Haug.
HABICH, Ludwig, Bildhauer — Stuttgart,
Prof. an der Kunstakad. — * Darmstadt
2. April 1872. Frankf. a. M., Städelsches
Inst.; Kunstakad. Karlsr. u. München, Leh-
rer: Ruemann.
HÄUSSER, August, Bildhauer — Stuttgart
— * Heilbronn i. Dez. 1885. Kunstakad.
Berlin u. Stuttg., Lehrer: Habich.
HAFNER, Fritz, Maler - Wickersdorf —
— =■= Stuttgart.
HARNACK-REICHAU, Clara, Malerin —
Stuttgart — '■''■ Fulda 22. März 1877. Berlin,
Florenz, Jena, Kunstakad. Stuttg., Lehrer:
Hölzel, Pankok.
HARTMANN, Karl, Maler — München —
''' Heilbronn 15. Juli 1861. Kunstakad. Stuttg.
1881 — 87, Lehrer: Grünenwald, Liezenmeyer,
Keller, Schraudolph.
HARTMANN, Richard, Maler — Wertheim
a. M. — '■■ Heilbronn 30. Sept. 1868. Privat-
schule HoUosy München 1889 — 90; Kunst-
akad. München 1890 — 92, Lehrer: Gysis,
Höcker, Müller.
HAUEISEN, Albert, Maler — Jockgrim
(Rheinpfalz) — ^'^ Stuttgart 7. Juli 1872.
Kunstakad. München u. Karlsr.
HAUG, Robert von, Maler — Stuttgart, Prof.
an d. Kunstakad. - '■■ Stuttgart 27. Mai 1857.
Kunstakad. Stuttg., Lehrer: Neher, Häberle,
Seitz.
HAUSTEIN, Paul, Kunstgewer bler —
Prof. an d. Lehr- u. Versuchswerkstätte Stutt-
gart — '^'Chemnitz 17. Mai 1880.
HEIDER, Hans von, Maler u. Kunst-
gewer bler - Stuttgart, Prof. an d. Lehr- u.
Versuchswerkstätte '-'München 7. Jan. 1867.
HENES, Heinrich, Ar chitekt—Stuttgart,Prof.
a. d. Baugewerkschule -- "•■ Santiago 22. Okt.
1876. Techn. Hochsch. Stuttgart u. Berlin.
HENGERER, Karl, Architekt — Stuttgart
* Hessigheim b. Besigheim 4. April 1863.
Techn. Hochsch. Stuttg., Lehrer: Leins.
HENKE, Anna, Malerin — Frankfurt a. M.
'•' Prag II. Juli 1872. Privatlehrer: Gaupp,
Stuttg.; Smith, Weimar; Dürr, München.
HENNINGS, Joseph, Architekt — Stuttgart
— ••' Berlin 3. Dez. 1875. Kunstgewerbe-
schule Berlin.
HERDTLE, Gustav, Maler — Stuttgart-
Cannstatt ■•■ Stuttg. 20. Sept. 1835. Kunst-
akad. Stuttg., Lehrer: Neher.
HERDTLE, Richard, Maler — Stuttgart —
■=■ Stuttgart 10. Mai 1866. Kunstakad. Stuttg.
1882 — 88, Lehrer: Grünenwald, Schraudolph.
HERTERICH, Ludwig, Maler —München,
Prof. an d. Kunstakad. — '•• Ansbach 13. Ok-
tober 1856.
HERWIG, Ferdinand, Maler — Stuttgart —
'■■ Homburg v. d. H. 26. Aug. 1884. Kunst-
akad. Stuttg. 1901 — II, Lehrer: Landen-
berger, Grethe, Haug.
HESS, Julius, Maler — München — =■■ Stutt-
gart 16. April 1878. Kunstakad. München,
Lehrer: Weinhold, Herterich.
HILDENBRANDT, Wilhelm Alfred, Maler
— Brannenburg b. München — * Stuttgart
IG. April 1874.
HIRSCHING, August, Maler — Stuttgart.
HÖGG, Emil, Architekt u. Kunstge-
werbler — Dresden — '^' Heilbronn 5. Juli
1867.
HOLZ EL, Adolf, Maler — Stuttgart, Prof.
an der Kunstakad. — '•■ Olmütz 13. Mai
1853. Kunstakad. Wien 1875; München
1875—82, Lehrer: Barth, Diez.
HOERING, Franz, Bildhauer — Stuttgart.
HOFFMANN, Robert, Maler — Zehlendorf
— * Stuttgart IG. Febr. 1868. Kunstakad.
Karlsr.; Akad. Julian Paris.
HOLBEIN, Albert, Kunstgewerbler —
Schw.-Gmünd — '■' Schw.-Gmünd 3 1 . Juli 1 869.
Kunstgewerbeschule Frankf. a. M.; Kunst-
akad. München, Lehrer: Gysis.
HOLLENBERG, Felix, Maler — Stuttgart
— * Sterkrade, Kr. Ruhrort, 15. Dez. 1868.
Kunstakad. Düsseid. u. Stuttg.
HORNBERGER, Fritz, Architekt — Stutt-
gart — * Eßlingen 4. August 1877. Bauge-
werkschule u. Techn. Hochsch. Stuttg.,
Lehrer: Fischer.
HUBER, Paul, Maler — Stuttgart — =■■ Stutt-
gart 25. Febr. 1871. Kunstakad. Stuttg. 1891
bis 1896; Kunstakad. München 1896 — 98;
Akad. Julian Paris 1898 — 99.
HUGO, Melchior von, Maler u. Bildhauer
— Stuttgart — '•■ Usingen (Hessen-Nassau)
23. März 1872. Akad. Julian u. Carriere
Paris 1898 — 1900; Kunstakad. München 1900
bis 1902, Lehrer: Herterich; Kunstakad.
Stuttg. 1902 — 07, Lehrer: Kalckreuth, Hölzel.
Stuttgarter Kunst 38
HUMMEL, Clemens, Architekt — Stuttgart
■■■ Donzdorf, CA. Geislingen, 12. Okt. 1869.
Techn. Hochsch. Stuttg. 1891 — 94.
HUMMEL, Fritz, Maler — Reutlingen.
JASSOY, Heinrich, Architekt — Stuttgart,
Prof. an der Techn. Hochsch. — * Hanau
15. Aug. 1863. Techn. Hochsch. Berlin.
JAUSS, Georg, Maler - München - '■■ Hat-
tenhofen i. W. 15. März 1867. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Grünenwald, Keller.
IGLER, Gustav, Maler — Stuttgart, Prof.
a. D. der Kunstakad. — *Ödenburg 15. Mai
1842. Kunstakad. Wien u. München, Lehrer:
Waldmüller, Ramberg.
IRION, Paul, Architekt — Stuttgart —
■^ Stuttgart IG. Okt. 1874. Techn. Hochsch.
Stuttg. 1895 — 97 u. 1904 — 05.
JUNG, Hermann, Bildhauer Stuttgart —
'•' Osnabrück 26. Sept. 1876. Kunstakad.
München, Lehrer: Eberle.
JUNG, Otto, Maler — Stuttgart — * Ostdorf,
OA. Balingen, 28. März 1867. Kunstakad.
Stuttg. 1881 — 91, Lehrer: Grünenwald, Igler;
Kunstakad. Karlsr. 1891 — 95, Lehrer: Ritter,
Claus Meyer.
KALCKREUTH, Leopold Graf von, Maler
— Eddelsee bei Hittfeld — * Düsseldorf
15. Mai 1855. Kunstakad. Weimar U.München.
KÄPPIS, Albert, Maler — Stuttgart, Prof.
a. D. der Kunstakad. — * Wildberg 20. Aug.
1836. Kunstakad. u. Techn. Hochsch. Stuttg.,
Lehrer: Neher.
KASTEN, Hertha, B i 1 dh au e r i n —Stuttgart.
KELLER, Friedrich von, Maler — Stutt-
gart, Prof. an der Kunstakad. — •■' Neckarwei-
hingen 18. Febr. 1840. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer: Neher, Rüstige; Kunstakad. München,
Lehrer: Lindenschmit.
KELLER, Maximilian, Maler — Paris —
•■• Tübingen 25. Aug. 1880. Kunstakad. Mün-
chen 1907- II, Lehrer: Knirr,Stuck;Paris 1912.
KELLER- REUTLINGEN, Paul Wilhelm,
Maler - Brück bei München •■• Reut-
lingen 2. Febr. 1854. Kunstakad. Stuttg. u.
München.
KEPPLER, Richard Ernst, Maler — Stutt-
gart — •■= Stuttgart 27. März 1851. Polytechn.
u. Kunstakad. Stuttg., Lehrer: Neher, Rüstige,
Häberlin.
KERKOVIUS, Ida, Malerin — Stuttgart —
* Riga 1879. Kunstakad. Stuttg., Lehrer:
Hölzel.
KERSCHENSTEINER, Josef, Maler —
Stuttgart — * Augsburg 1864. Kunstakad.
München, Lehrer: Hack!, Raab; Kunstakad.
Karlsr., Lehrer: Baisch, Zügel, Weishaupt.
297
KIEMLEN, Emil, Bildhauer — Stuttgart —
* Cannstatt 15. Jan. 1869. Kunstakad. Stuttg.
1894 — 94. Lehrer: Donndorf.
KIENZLE, Emil, Maler Stuttgart —
* Sulzbach a. M. 26. Nov. 1868. Kunstakad.
Stuttg. 1901 — 04, Lehrer: Poetzelberger, Igler.
KLATTE, Werner, Architekt — Stuttgart —
* Artern: Prov. Sachsen, 13. Mai 1879. Techn.
Hochsch. Stuttg. 1901—04, Lehrer: Fischer,
Jassoy, Halmhuber.
KLEIN, Walter, Kunstgewerb 1er — Schw.-
Gmünd, Direktor der K. Fachschule für Edel-
metallindustrie — * Stuttgart 29. Juni 1877.
Kunstgewerbeschule Stuttg. u. Berlin 1894
bis 1899; Akad. Colaroni Paris 1901 — 02.
KLEMM, Gottlob Gottfried, Maler - Mün-
chen — '■'■ Stuttgart 1872. Kunstakad. Dresd.,
Lehrer: Hammann; Kunstakad. München,
Lehrer: Stuck.
KLEMM, Walter, Maler —Weimar, Prof. an
d. Kunstakad. - * Karlsbad 18. Juni 1883.
KLEMM-JÄGER, Hedwig, Malerin
Stuttgart — * Stuttgart 4. Mai 1862. Kunst-
akad. Stuttg. u. Berlin, Lehrer: Bracht.
KLINCKERFUSS, Bernhard, Maler - Mün-
chen — * Stuttgart 23. Mai 1881. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Landenberger; München u.
Paris.
KNOBLAUCH, August, Architekt - - Stutt-
gart — * Stuttgart 23. Juli 1848. Techn.
Hochsch. Stuttg.
KNORR, Robert, Kunstgewerb 1er — Stutt-
gart, Lehrer an der Kunstgewerbeschule —
* Ulm 12. Mai 1865. Kunstgewerbeschule
Stuttg. u. Kunstakad. München.
KOB, Helene, Malerin — Stuttgart.
KOCH, Alfred, Kunstgewerb 1er — Stuttgart
— ••= Schakuhnen i. Ostpr. 13. Jan. 1877.
Kunstgewerbeschule Königsberg u. Berlin.
KOCH, August, Architekt u.Kunstgewer b-
1er — Stuttgart — '-'Magdeburg 2. Jan.
1873. Kunstgewerbeschule Magdeb. u. Berlin,
Lehrer: Messel, Schütz.
KOCH, Johanna, Malerin — Stuttgart-Cann-
statt — •■•Cannstatt 11. Nov. 1866. Kunst-
akad. Stuttg., Lehrer: Keller.
KÖHLER, August, Maler ^— Stuttgart —
•■■ Stuttgart 25. Aug. 1881. Kunstakad. Stuttg.
Lehrer: Poetzelberger, Landenberger, Haug.
KOLB, Hans, Kunstgewerbler — Stuttgart,
Direktor a. D. der Kunstgewerbeschule —
■•■ Ehingen 28. Juli 1845. Kunstakad. Stuttg.
u. Nürnberg.
KORNBECK, Julius, Maler — Oberensingen
b. Nürtingen — ■■■ Winnenden 20. Juli 1839.
298
KRAUSS, Eugen, Maler — Stuttgart —
••■ Göppingen 23. Juli 1881. München 1903
bis 1905, Lehrer: Wodge, Dasio; Kunst-
akad. Stuttg. 1906 — 08, Lehrer: Landen-
berger, Hölzel.
KURZ, Erwin, Bildhauer — München, Prof.
an der Kunstakad. — '-'Stuttgart 13. Aprili857.
Kunstakad. München; Hildebrand, Florenz.
KURZ, Julius, Maler — Stuttgart.
LAAGE, Wilhelm, Maler — Betzingen b.
Reutlingen — '■' Stellingen b. Hamburg
16. Mai 1868. Kunstakad. Karlsr. u. Stuttg.,
Lehrer: Poetzelberger, Grethe, Kalckreuth.
LAIBLIN, Erwin, Maler - Stuttgart —
'''Stuttgart 31. Aug. 1878. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Herterich, Haug.
LAMBERT, Andre, Architekt — Stuttgart
— '■' Genf 12. Mai 1851. Techn. Hochsch.
Stuttg., Lehrer: Leins; Ecole des Beaux-Arts,
Paris, Lehrer: Coquart, Violet le Duc.
LAMBERT, Andre, Maler - München —
'•' Stuttgart 17. März 1884. Techn. Hochsch.
Stuttg. u. München 1903- 05; Kunstakad.
München 1903 bis 1908, Lehrer: Habermann;
Paris 1908 bis 1912.
LANDENBERGER, Christian, Maler —
Stuttgart, Prof. an der Kunstakad. — '-'Ehingen
7. April 1862. Kunstakad. Stuttg., Lehrer:
Grünenwald, Häberlin, Liezenmeyer, Keller.
LANG, Fritz, Maler — Stuttgart — ':' Stutt-
gart 15. März 1877. Kunstakad. Stuttg.
1894 — 96, Lehrer: Grünenwald, Käppis,
Igler, Kräutle; Kunstakad. Karlsr., Lehrer:
Weishaupt.
LANG, Hermann, Bildhauer — München —
=■' Heidenheim a. Br. 13. Aug. 1856. Kunst-
gewerbeschule u. Kunstakad. Stuttg., Lehrer:
Donndorf; Priv. Hildebrand.
LANG, Paul, Maler u. Kunstgewerbler —
Stuttgart, Prof. an der Kunstgewerbeschule —
='' Heimtal (Rußl.) 28. Juli 1877. Kunstge-
werbeschule Stuttg., Kunstakad. Dresd. u.
München.
LANG-HEILBRONN, Richard, Maler —
München — * Heilbronn 20. Juli 1861.
Kunstakad. München 1878—83, Lehrer:
Strähhuber, Seitz.
LANG-KURZ, Minna, Kunstgewerbl erin
— Stuttgart — '•' Bern.
LAUPHEIMER, Anton, Maler — Stuttgart
— * Erbach i. W. 23. Juni 1846. Kunstakad.
Stuttg. 1864— 69, Lehrer: Neher, Rüstige, Funk.
LAUR, Wilhelm Friedrich, Architekt —
Hechingen — '•' Lennep (Rheinl.) 31. März
1858. Techn. Hochsch. Stuttg. 1876-78;
Wien 1879 — 80; Kunstakad. Wien 1880—83.
LAUSER, Paul, Architekt — Stuttgart -
'■'Ulm 14. Sept. 1850. Techn. Hochsch. Stuttg.
LAUTENSCHLAGER, Marie, Malerin ^
Stuttgart — * Ravensburg 14. Febr. 1859.
Kunstakad. Stuttg. 1878 — 86, Lehrer: Grü-
nenwald, Liezenmeyer, Keller.
LAUXMANN, Theodor, Maler - Stuttgart —
■■• Adolzfurt, OA. Öhringen, 4. Juni 1865.
Kunstakad. Stuttg. 1882 — 90, Lehrer: Grü-
nenwald, Keller.
LEBRECHT, Georg. Maler Stuttgart —
'■■■ Schweidnitz i. Schi. 7. März 1875. Kunst-
akad. Stuttg.
LEIPHEIMER, Hans Dietrich, Kunstge-
wer b 1er — Darmstadt— '•'Ulm 11. Juni 1870.
LIEDECKE, Ernst, Architekt Stuttgart
— * Stuttgart 1878. Techn. Hochsch. Stuttg.
LÖRCHER, Alfred, Bildhauer — Berlin —
■■' Stuttgart 30. Juli 1875. Kunstgewerbe-
schule Stuttg. u. Karlsr.; Kunstakad. Mün-
chen, Lehrer: Ruemann.
LOTTER, Heinrich, Maler — Karlsruhe —
••• Stuttgart 14. Okt. 1875. Kunstakad. Karlsr.
1909 — 10, Lehrer: Bergmann.
LUTZ, Frida, Malerin — Stettin — * Stutt-
gart 20. Jan. 1885.
MAHN, Richard, Maler — Stuttgart —
* Leipzig 16. Dez. 1866. Kunstakad. Mün-
chen 1888 — 95, Lehrer: Herterich, Loefftz.
MAIHÖFER, Johannes, Bildhauer — Stutt-
gart — ■■■Mutlangen, OA. Schw.- Gmünd
24. Jan. 1875. Kunstgewerbeschule Karlsr.;
Akad. Julian Paris.
MARTZ, Georg, Architekt — Stuttgart —
'■•Stuttgart 31. Okt. 1874. Techn. Hochsch.
Stuttg. 1893- 94; Karlsr. 1895-799.
MAY, Bruno, Maler - Stuttgart — '-'Berlin
3. Sept. 1880. Kunstakad. München, Lehrer:
Diez, Stuck; Kunstakad. Stuttg., Lehrer: Hölzel.
MAY-HÜLSMANN, Valerie, Malerin —
Stuttgart -- ='' Rogätz a. E. 7. Mai 1883.
Kunstakad. Berlin; Künstlerinnenverein
München, Lehrer Knirr, Groeber, Weinhold;
Dresd. u. Stuttg., Lehrer: Hölzel.
MAYER, Emil, Bildhauer — Stuttgart —
'■' Cannstatt 10. Febr. 1880. Kunstgewerbe-
schule München; Kunstakad. Stuttg u. Mün-
chen: Lehrer: Donndorf, Ruemann.
MEHLIN, Heinrich, Architekt — Stuttgart
— ''' Weil i. B. 12. Okt. 1873. Kunstschule
Basel; Techn. Hochsch. Stuttg., Lehrer: Fi-
scher; München, Lehrer: Dülfer.
MERZ, Karl, Bildhauer — Tübingen —
'•' Reutlingen 26. Febr. 1869. Kunstgewerbe-
schule Stuttg.; Kunstakad. München, Lehrer:
Ruemann. |
MOHR, Claus, Bildhauer — Stuttgart —
'■' Lutzhorn (Holst.) 9. Febr. 1868. Kunst-
gewerbeschule Hamb. 1890 — 93; Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Grünenwald, Herterich, Donn-
dorf.
MÖSSNER, Friedrich, Architekt Stutt-
gart — '•' Stuttgart IG. Juli 1876. Techn.
Hochsch. Karlsr., Lehrer: Schäfer, u. Stuttg.,
Lehrer: Neckelmann.
MOLFENTER, Hans, Maler — Stuttgart.
MULLER, Ernstimmanuel, Maler — München
— ■* Stuttgart 21. Febr. 1844. Kunstakad.
Stuttg. 1867 — 73, Lehrer: Häberlin; Kunst-
akad. München 1874 — 79, Lehrer: Loefftz,
Lindenschmit.
MUTZENBECHER, Franz, Maler - Berlin
— ''' Hamburg 27. Aug. 1880. Kunstakad.
Karlsr. 1898 — 1900; Kunstakad. Stuttg. 1900
bis 1909, Lehrer: Kalckreuth, Hölzel.
NACHTIGAL, Emma, Malerin — Stuttgart
— '•' Stuttgart 20. Jan. 1875. Lehrer: Keller.
NÄGELE, Reinhold, Maler — Stuttgart —
'•' Murrhardt 17. Aug. 1884. Autodidakt.
NANZ, Eugen, Maler Stuttgart '''Stutt-
gart 30. Juni 1887. Kunstgewerbeschule u.
Lehr- u. Versuchswerkstätte Stuttg.; Kunst-
akad. Wien u. Stuttg., Lehrer: Landenberger.
NATTER, Max, Bildhauer — Stuttgart.
NAUMANN, Hugo, Maler — Stuttgart —
'■' Straßburg i. E. l. März 1882. Kunstakad.
Stuttg. 1900 03, Lehrer: Poetzelberger;
Kunstakad. München 1904 — 08, Lehrer:
Zügel.
NETZER, Hubert, Bildhauer - Düsseldorf,
Prof. an der Kunstakad. — '•' Isny 5. Okt. 1865.
Kunstakad. München 1891 — 94, Lehrer:
Ruemann.
NEUMEISTER, Ernst, Bildhauer — Stutt-
gart.
NICOLAUS, Martin, Maler — Stuttgart —
''' Neumarkt i. Schi. 9. Juni 1870. Kunstakad.
Stuttg. 1905 — 12, Lehrer: Landenberger,
Hölzel.
NIDA-RÜMELIN, Wilhelm, Bildhauer u.
Maler- München— '''Linza.D. 27. Nov. 1876.
NIEDERBÜHL, Hans, Maler — Sttittgart
''' Stuttgart.
NIEDERBÜHL, Heinz, Maler - Stuttgart
— '-'Stuttgart.
NILL, Martha, Malerin Stuttgart '-'Stutt-
gart 3. Aug. 1859. Kunstakad. Stuttg., Lehrer:
Igler; Priv. Kerschensteiner.
NITSCHKE, Ulrich, Maler - Blankenese
b. Hamburg.
299
OBIER, Oskar, Maler — Stuttgart — * Mi-
litsch i. Schi. 23. Aug. 1876. Kunstakad.
Breslau i8g6 — 1900, Lehrer; Kaempfer;
Kunstakad. München 1900 — 03, Lehrer:
Herterich; Kunstakad. Stuttg. 1904 — 08,
Lehrer: Haug.
OELKRUG, Karl, Architekt — Stuttgart --
'■■' Stuttgart 29. Juni 1880. Techn. Hochsch.
Stuttg., Lehrer: Fischer.
ONNEN, Gerrit, Maler — Stuttgart — * Leer
(Ostfriesl.) 10. April 1873. Kunstakad.
Stuttg. 1901 — 10, Lehrer: Poetzelberger,
Igler, Keller.
OSSWALD, Eugen, Maler ^ München —
•■• Stuttgart 22. Jan. 1879. Kunstakad. Mün-
chen, Lehrer: Zügel.
OSTERMAYER, Ernst L., Maler — Mün-
chen — ■■■ Weilheim a.T. 3. Dez. 1868. Kunst-
gewerbeschule Stuttg. u. Karlsr.; Kunstakad.
Karlsr.; Kunstschule Nürnberg.
OSTHOFF-HARTMUTH, Maria —Malerin
— Stuttgart.
OTTERSTEDT, Alexander Freiherr von,
Maler. ~ •^- St. Petersburg 20. April 1848
t Stuttgart 26. Okt. 1909.
PANKOK, Bernhard, Maler u. Kunstge-
werbler -- Stuttgart, Prof. u. Vorstand der
Lehr- u. Versuchswerkstätte — * Münster
i. W. 16. Mai 1872.
PAUSCHINGER, Rudolf, Bildhauer —
Stuttgart •■■ Schw.-Gmünd 22. Dez. 1882.
Lehrer: Bosselt.
PELARGUS, Hugo, Kunstgewerbler —
Stuttgart '■■■ Stuttgart 5. Febr. 1861. Kunst-
gewerbeschule u. Kunstakad. Stuttg.
PELLEGRINI, Alfred Heinrich, Maler -
Stuttgart ^^= Basel 10. Jan. 1881. Kunst-
akad. München 1899 — 1901, Lehrer: Hackl;
Kunstakad. Stuttg. 1908 — 13, Lehrer: Hölzel.
PETERS, Anna, Malerin — Stuttgart —
=■■ Mannheim 28. Febr. 1 843. Lehrer : P. F. Peters.
PFENNIG, Eduard, Maler — Stuttgart —
* Hamburg 14. April 1878. Paris 1897—99;
Kunstakad. Stuttg. 1900- 07, Lehrer: Poetzel-
berger, Grethe, Igler, Kalckreuth, Hölzel.
PFENNIG, Oskar, Architekt - Stuttgart —
••• Hamburg 22. Aug. 1880. Techn. Hochsch.
Stuttg., Lehrer: Fischer.
PIEPHO, Carl, Maler - - München - '■■'■ Frank-
furt a. M. 25. März 1869. Kunstakad. Stuttg.
1888/89; Kunstakad. Karlsr. 1890—92;
Paris Akad. Julian 1894.
PLANCK, Willy, Maler — Stuttgart — "'Stutt-
gart 12. Dez. 1870. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer: Grünenwald, Igler; Kunstakad. Karlsr.,
Lehrer: Ritter, Claus Meyer, Kalckreuth.
PLAPPERT, Wilhelm, Maler — Stuttgart.
PLEUER, Hermann, Maler — Stuttgart —
■■■ Stuttgart 5. April 1863. f 6. Jan. 191 1.
PLINATUS, Eugen, Architekt — Stuttgart
— ''■'■ St. Petersburg 10. Sept. 1875. Techn.
Hochsch. Dresd. 1899 — 1903, Lehrer: Wallot,
Schumacher.
PLOCK, Hermann, Maler — Wasseralfingen
— * Essingen, OA. Aalen, 21. Jan. 1858.
Kunstakad. Stuttg., Lehrer: Grünenwald,
Häberlin, Keller, Schraudolph.
POETZELBERGER, Robert, Maler U.Bild-
hauer — Stuttgart, Prof. an der Kunstakad.
— * Wien 9. Juni 1856. Kunstakad. Wien
1874- 78.
POHLHAMMER, Ulrich, Architekt —
Stuttgart — -^-Neu-Ulm 26. Febr. 1852. Techn.
Hochsch. Stuttg., Lehrer: Leins, Reinhardt.
PURRMANN, Karl, Maler — Stuttgart —
'■■'■ Speier 16. Mai 1877.
RATH, Ernst Erwin, Maler — Stuttgart —
* Stuttgart 17. Aug. 1880. Kunstakad. Stuttg.
1896 -1900, Lehrer: Herterich; Kunstakad.
München 1900 — 02, Lehrer: Diez.
RATH, Heine, Maler — Berlin — =■■ Berlin
17. Aug. 1873. Kunstakad. Berlin; Kunst-
akad. Stuttg. 1899 — 1903, Lehrer: Grethe.
RAU-MOHN, Hedwig, Malerin -München -
'■■Stuttgart 13. März 1870. Lehrer: Buttersack.
RAUTH, Otto, Maler — Hannover — * Heil-
bronn 17. Mai 1862. Kunstakad. Stuttg. 1879
bis 1882, Lehrer: Grünenwald, Liezenmeyer;
Kunstakad. München 1883, Lehrer: Seitz.
REILE, Adolf, Maler — Stuttgart -- '■■ Wies-
baden 31. Mai 1872.
REINHARDT, Robert von, Architekt —
Stuttgart, Prof. a. D. d. Techn. Hochschule.
REINIGER, Otto, Maler, '•' Stuttgart 27. Febr.
1863, t 24. Juli 1909. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer: Käppis, Münch, Wenglein.
REISCHLE, Elisabeth, Kunstgewe rbler in
— Tübingen.
REISS, Hans, Maler — Stuttgart.
RENZ, Alfred, Maler — Stuttgart — * Saul-
gau 16. Juli 1877. Kunstgewerbeschule u.
Kunstakad. Stuttg.
RENZ, Anna Maria, Malerin — München -
'■'' Ludwigsburg 13. Sept. 1866. Lehrer: Her-
terich.
RETTICH, Clara, Malerin — Stuttgart —
'^- New York 19. Okt. 1860. Lehrer: Haug.
RHEINECK, Georg, Bildhauer — Stuttgart
— * Neckarsulm 24. Mai 1848. Kunstakad.
Stuttg. 1873 75; Kunstakad. Dresd. 1875
bis 1879, Lehrer: Hänel.
300
RIEDISSER, Wilhelm, Bildhauer — Florenz
- ^^^Kisslegg.
ROCHGA, Rudolf, Maler u. Kunstgewerb-
1er — Stuttgart, Prof. an der Lehr- u. Ver-
suchswerkstätte - '■' Teterow i. M. 22. Nov.
1875-
RUPPRECHT, Wilhelm Hugo, Maler —
Neuffen '■'■ Stuttgart 3. Jan. 1881. Kunst-
akad. Stuttg. 1905 — 09, Lehrer: Landenberger,
Haug.
SANDEN, Brunovon, Bildhauer— Stuttgart.
SCHALLER-HAERLIN, Käthe, Malerin
— Stuttgart — '■' Mangalon (Westindien).
19. Okt. 1877. Lehrer: A. Jank.
SCHICKHARDT, Karl, Maler — Stuttgart
— '■''■ Eßlingen 7. Juli 1866. Kunstakad.
Stuttg. 1884 — 87, Lehrer: Grünenwald, Käp-
pis; Kunstakad. München 1887 — 92, Lehrer:
Wenglein.
SCHIRMER, August, Maler — Stuttgart,
Prof. an der K. Baugewerkschule — ''■ Schlatt-
stall, OA. Kirchheim 26. Juli 1860. Kunst-
akad. Stuttg. 1889 — 92.
SCHLEMMER, Oskar, Maler — Stuttgart.
SCHLIPF, Ernst, Maler — Stuttgart —
'■''■ Weiler z. Stein 3. Dez. 1883. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Poetzelberger, Grethe, Kalck-
reuth, Hölzel.
SCHLIPF, Eugen, Bildhauer — Stuttgart —
••■ Buchau 10. April 1869. Kunstakad. Stuttg.
1891 — 93, Lehrer: Donndorf; Kunstakad.
München 1893 — 95, Lehrer: Ruemann.
SCHLÖSSER, Hugo, Architekt — Stuttgart
— '■' Ratingen, Rgbez. Düsseldorf 30. Mai 1874.
Techn. Hochsch. Stuttg.
SCHMAUK, Carl, Maler —Stuttgart-Unter-
türkheim — * Stuttg.-Untertürkheim 12. Jan.
1868. Kunstakad. Stuttg., Lehrer: Grünen-
wald, Schraudolph.
SCHMID-CURTIUS, Carl, Architekt —
Stuttgart — * Wien 2. März 1884. Techn.
Hochsch. Stuttg.
SCHMIDT, Alfred, Maler — Stuttgart —
'■'■ Dresden 1867. Kunstakad. Karlsr.
SCHMIDT, Reinhold, Maler— Stuttgart —
••• Flein, OA. Heilbronn 14. Juli 1861. Kunst-
akad. Stuttgart.
SCHMIDT, Theodor, Maler — München —
'■' Stuttgart 22. Jan. 1855. Kunstakad. Stuttg.
1871—75, Lehrer: Häberlin; Kunstakad.
München, Lehrer: Lindenschmit.
SCHMITT, August Ludwig, Maler — Stuttg.
SCHMOHL, Paul, Architekt — Stuttgart,
Direktor der Baugewerkschule — *Cann-
statt 29. Juli 1870. Techn. Hochsch. 1890
bis 1894 u. Kunstakad. Stuttg. 1898.
SCHMOLL VON EISENWERTH. Karl,
Maler — Stuttgart, Prof. an der Techn.
Hochsch. — * Wien 18. Mai 1879. Kunst-
akad. München, Lehrer: Höcker, Herterich.
SCHNELL, Theodor, Bildhauer Ravens-
burg — * 18. Mai 1870.
SCHNITZER, Theodor, Maler Stuttgart —
'■'■■ Stuttgart 5. Dez. 1866. Kunstakad. Stuttg.
1884 — 92, Lehrer: Grünenwald, Keller.
SCHÖLLKOPF, Heimo, Maler - Stuttg.
SCHÖLLKOPF, Walter, Maler - Stuttg.
SCHÖNLEBER, Gustav, Maler — Karls-
ruhe, Prof. an der Kunstakad. '■'■ Bietig-
heim 3. Dez. 1851. Kunstakad. München 1870
187s, Lehrer: Lier.
SCHOLER, Friedrich, Architekt Stutt-
gart — * Sydney 10. April 1874. Techn.
Hochsch. München.
SCHOLL, Adelheid, Malerin — Stuttgart —
■'■■ Göppingen 9. März 1865. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Grünenwald, Keller, Käppis;
München Priv. Azbe.
SCHOLTER, Wilhelm, Architekt — Stutt-
gart — ''' Bern 12. Jan. 1859. Techn. Hochsch.
Stuttg. 1878 — 82, Lehrer: Leins, Tritschler.
SCHULE, Robert, Maler — Stuttgart —
•■■ Freudenstadt i. Febr. 1884. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Poetzelberger, Speyer,
Käppis.
SCHUSTER, Felix, Architekt — Stuttgart,
Prof. an der Baugewerkschule — * Nagold
22. Mai 1876. Universität Tüb. 1894 — 96;
Techn. Hochsch. Stuttg. 1896 — 191 1.
SCHWEITZER, Erwin, Maler -- Stuttgart
— * Stuttgart 30. April 1887. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Speyer, Landenberger; Kunst-
akad. München, Lehrer: Jank.
SCHWEIZER, Magdalene, Kunstgewerb-
lerin — Stuttgart — ••• Feldstetten, OA. Mün-
singen 22. Jan. 1858. Kunstgewerbeschule
München, Priv. Lehrer: Haug.
SEEMANN, Richard, Maler — Stuttgart —
*. Stuttgart 15. Febr. 1857. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Herterich, Igler, Haug.
SEIZ, Karl, Maler — Stuttgart ■ ■'' Stuttgart
März 1851. Priv. Lehrer: Alfr. Schmidt,
Stuttg. 1904 — IG.
SENGLAUB, Adolf, Maler — Stuttgart —
* Stuttgart II. März 1873. Kunstakad.
Stuttg. 1891- -1902.
SEUFFERHELD, Heinrich, Maler — Tü-
bingen — * Weinsberg 27. Jan. 1866. Kunst-
akad. München, Lehrer: Hackl, Löfftz;
Kunstakad. Berlin, Lehrer: Friedrich; Kunst-
akad. Stuttg. 1890 — 1900, Lehrer: Keller,
Kräutle.
301
SIGMUND, Heinrich, Bildhauer - Stutt-
gart.
SPECHT, August, Maler — Stuttgart —
* Lauffen a. N. i. Aug. 1849. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Käppis.
SPEYER, Christian, Maler —Stuttgart, Prof.
an der Kunstakad. — * Vorbachzimmern
i. Württ. 21. Febr. 1855. Kunstakad. Stuttg.
1873 — 80, Lehrer: Neher, Häberlin.
STAEHELIN, Georg, Architekt — Stutt-
gart — ''' Singapore 14. April 1872. Techn.
Hochsch. Stuttg., Lehrer: Neckelmann.
STAMMBACH, Eugen, Maler — Stuttgart -
* Stuttgart 14. Febr. 1876. Kunstakad. Stuttg.
STARKER, Erwin, Maler — Stuttgart —
* Stuttgart 8. Febr. 1872. Kunstakad. Stuttg.,
Karlsr. u. München, Lehrer: Käppis, Schoen-
leber.
STATTMANN, Adolf, Maler — Stuttgart —
* Stuttgart 14. Sept. 1867. Kunstakad.
Stuttg. u. München, Lehrer: Marr.
STECHER, Emil, Maler Stuttgart.
STEIGLEDER, Eugen, Architekt — Stutt-
gart — "'Stuttgart 26. Juli 1876. Bauge-
werbeschule Stuttg.
STEINER, Joseph, Architekt — Stuttgart —
'■' Schwyz 9. Nov. 1882. Techn. Hochsch.
Zürich 1904 — 07, Lehrer: Bluntschli.
STEINER, Julie, Malerin — Stuttgart —
'■'■ Stuttgart I. Sept. 1878. Lehr- u. Versuchs-
werkstätte u. Kunstakad. Stuttg.; Malerinnen-
verein München; Priv. Kalckreuth.
STEUER, Anna, Kunstgewerbler i n —
Stuttgart — •■= Breslau 17. Okt. 1871. Kunst-
akad. Breslau 1899, Lehrer: Kämpffer; Mün-
chen Priv. Marg. v. Brauchitsch 1900 — 01;
Lehr- u. Versuchswerkstätte Stuttg. 1902 — 06.
STILLHAMMER, Hans Wilhelm, Maler -
Stuttgart — '■'■ Stuttgart 5. Mai 1881. Kunst-
akad. Stuttg., Lehrer: Poetzelberger, Speyer.
STOCKER, Daniel, Bildhauer - Stuttgart
— * Stuttgart 1865. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer : Donndorf.
STOCKER, Rudolf, Bildhauer — Stuttgart
— * Stuttgart 8. Juni 1879. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Donndorf. ^
STRICH-CHAPELL, Walter, Maler —
Sersheim — * Stuttgart 28. Juli 1877. Kunst-
gewerbeschule Stuttg. 1895; Kunstakad.
Karlsr. 1897 u. Kunstakad. Stuttg. 1900,
Lehrer: Poetzelberger; Kunstakad. Karlsr.
1900 — 04, Lehrer: Schönleber.
SUTER, Ernst, Architekt -- Stuttgart —
* Basel 1879. Techn. Hochsch. Stuttg.
TEXTOR, Julie, Malerin — Stuttgart —
■■' Ellwangen. Kunstakad. Stuttg., Lehrer:
Grünenwald, Käppis; München 1890 bis 1895,
Lehrer: Fink, Buttersack, Hagele.
THOST, Rudolf, Maler — Stuttgart —
* Zwickau 7. Nov. 1868. Kunstakad. Dresd.;
Kunstakad. Karlsr., Lehrer: Keller; Kunst-
akad. Stuttg., Lehrer: Haug
THUMA, Friedrich, Bildhauer — Stuttgart
— •■• Biberach 6. Nov. 1873. Kunstakad.
München u. Stuttg., Lehrer: Schmitt, Donn-
dorf, Habich.
TREIDLER, Adolf, Maler, Prof. an der
Techn. Hochsch. Stuttgart — ••• Berlin 8. April
1846, y 13. Dez. 1905. Kunstakad. Berlin
1864 — 72, Lehrer: Schrader.
ULMSCHNEIDER, Edmund, Maler —Stutt-
gart — '■■'■ Heilbronn l. Aug. 1881. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Poetzelberger, Igler, Keller.
UNKAUF, Karl, Maler — Stuttgart.
VOIGT, Meta, Malerin - Leipzig -- -Ro-
stock. Kunstakad. Stuttg. 1903 — 04, Lehrer:
Kalckreuth.
WAECHTER, Paula Freiin von, Malerin —
Stuttgart— --Ulm 7. Dez. 1860. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Keller; Akad. Julian Paris.
WAGNER, Ernst, Architekt — Stuttgart,
Prof. an der Baugewerkschule — '-'Stuttgart
30. Juni 1878. Techn. Hochsch. Stuttg. u.
Berlin.
WAHLER, Karl, Maler — Stuttgart — ''' Eß-
lingen 23. April 1863. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer: Keller.
WEBER, Max, Maler — Stuttgart — * Stutt-
gart 21. Mai 1847. Priv. Stuttg. u. Brüssel.
WEIGEL, Wilhelm, Architekt — Stuttgart
— '''■ Nürnberg 17. März 1875. Techn.
Hochsch. München u. Charlottenb.
WEIGLE, Carl, Architekt — Stuttgart —
* Hoheneck b. Ludwigsburg 21. Dez. 1849.
Techn. Hochsch. Stuttg. 1867 — 69, 1871—74,
Lehrer: Leins, Gnauth, Reinhardt.
WEIGLE, Richard, Architekt — Stuttgart —
* Stuttgart 25. Aug. 1884. Techn. Hochsch.
Stuttg., Lehrer: Fischer, Halmhuber.
WEING AND, Hermann, Kunstgewerbler —
Schw.-Gmünd, Lehrer an der Fachschule für
Edelmetallindustrie — * Heilbronn 22. Juni
1874. Kunstgewerbeschule Stuttg.
WEINLAND, Maria, Malerin — Frankfurt
a. M. — '■'■ Fausershöhe i. W. 3. Juni 1867.
Privatschule Karlsr. Schmidt-Reutte 1895 bis
1896, Fehr 1896 — 99; München Gröber 1899
bis 1901.
302
WEIPPERT, Emil, Architekt — Stuttgart
— •■'Stuttgart II. Oktober 1878. Kunst-
gewerbeschule u. Techn. Hochsch. Stuttg.
WEIRETHER, Hans, Architekt — Stutt-
gart — ■■•Stuttgart 6. April 1876. Techn.
Hochsch. Stuttg.
WEISE, Robert, Maler — Stuttgart — * Stutt-
gart 2. April 1870. Kunstakad. Düsseid.
1889 — 91; Akad. Julian Paris.
WEISSER, Wilhelm, Maler - Ulm - - Mar-
bach a. N. 7. Sept. 1864. Autodidakt.
WEISSHAAR, Hans, Maler — Stuttgart-
Cannstatt * Durlach i. B. 6. März 1873.
Kunstakad. Stuttg. 1888 — 96, Lehrer: Grünen-
wald, Igler, Keller.
WEITBRECHT, Walter, Bildhauer —
Stuttgart — •■• Schwaigern, OA. Brackenheim
6. März 1879. Techn. Hochsch. u. Kunst-
akad. Stuttg.; Kunstakad. Berlin.
WENZ-EYTH, Emilie, Malerin — Stuttgart
- '^'Stuttgart 2. Febr. 1863.
WERNER, Theodor, Maler — Stuttgart —
* Jettenburg b. Tübingen 14. Febr. 1886.
Kunstakad. Stuttg., Lehrer: Poetzelberger;
Paris, Lehrer: Guerin, Van Dongen.
WETZEL, Heinz, Architekt — Stuttgart —
'■■'■ Tübingen 19. Okt. 1882. Techn. Hochsch.
Stuttg. u. München.
WICKENBURG, Alfred Graf von, Maler —
Stuttgart.
WICKY, Franz Albert, Maler — Stuttgart —
'■''■ Mülhausen i. E. 28. Sept. 1874. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Grünenwald, Igler, Keller.
WIELANDT, Manuel, Maler — München --
* Gut Kreuzfeld 20. Dez. 1863. Kunstakad.
u. Techn. Hochsch. Stuttg. u.Karlsr. 1886 — 92,
Lehrer: Schönleber.
WIEST, Sally, Malerin —Stuttgart — '■■' Trier
12. Juli 1866. Kunstakad. Stuttg., Lehrer:
Käppis; Künstlerinnenverein München; Priv.
P. P. Müller u. Haug.
WIMMER, Fritz, Maler — München —
'■'' Rochlitz i. Sa. 27. Jan. 1879. Kunstakad.
München; Kunstakad. Stuttg., Lehrer: Hölzel.
WINKLER, Hermine, Kunstgewerblerin
— Stuttgart.
WINTERNITZ, Richard, Maler — München
— ■•'Stuttgart 20. Mai 1861. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Keller, Grünenwald, Liezen-
nieyer.
WIRSUM, Ernst, Maler — Stuttgart —
'■'■ Stuttgart 21. Mai 1872. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer: Grünenwald, Igler, Schraudolph,
Haug.
WIRTH, Albertus, Maler - Berlin, Prof. an
der Kunstakad. — * Biberach a. R. 8. Jan.
1848.
WULFF, Eugen, Maler — München — * Fils-
eck, OA. Göppingen, 22. Aug. 1873. Kunst-
akad. Stuttg., Lehrer: Grünenwald, Käppis;
Kunstakad. Karlsr., Lehrer: Bokelmann,
Zügel; Kunstakad. München, Zügel 1894 bis
1897.
WOLTZ, Alfred, Architekt — Stuttgart —
•■'Stuttgart 7. April 1861. Techn. Hochsch.
Stuttg., Lehrer: Leins.
WUNDT, Elisabeth, Malerin — Stuttgart —
* Ludwigsburg 16. Aug. 1856. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Grünenwald, Liezenmeyer,
Keller; Kunstakad. Karlsr., Lehrer: Ritter.
VELIN, Rudolf, Maler — Stuttgart — * Reut-
lingen 14. Aug. 1864. Kunstakad. München
u. Stuttg.
ZACH-DORN, Camilla, Malerin — Stuttgart
— * Braunschweig. Kunstakad. Stuttg.,
Lehrer: Häberlin, Schraudolph.
ZEITLER, Joseph, Bildhauer — Stuttgart
— '•'■ Fürth 24. Sept. 1871.
ZERWECK, Hermann Karl, Maler — Stutt-
gart — '•' Stuttgart 28. April 1862. Kunst-
akad. Stuttg. 1883 — 88, Lehrer: Grünenwald,
Käppis, Keller.
ZIX, Ferdinand, Maler — Stuttgart —
'■' Saarbrücken 23. März 1864. Kunstakad.
Stuttg., Lehrer: Grünenwald, Igler, Keller.
ZÜGEL, Heinrich von, Maler — München,
Prof. an der Kunstakad. — * Murrhardt
22. Okt. 1850. Kunstakad. Stuttg.
ZUNDEL, Fritz, Maler — Wilhelmshöhe b.
Stuttgart — '■' Wiernheim i. W. 13. Okt. 1875.
Kunstgewerbeschule Karlsr. 1892 — 93; Kunst-
akad. Stuttg. 1894-96.
303
REGISTER
(Die Seitenzahlen bezeichnen die Stellen, an denen die hauptsächliche Aufführung erfolgt)
Seite
Adler, Friedrich 286
Aeckerlin, Christian 210
Alder, Hans 293
Aldinger, August 127
Ankelen, Eugen 293
Auberlen, Wilhelm 173
Bach, Max 105
Baisch, Hermann 105
Baisch, Otto 105
Ballmann, Josef 286
Barth, Theodor 293
Bauer, Karl 174
Bauer, Leo 57
Bauerle, Karl 293
Bauerle, Karl Theodor .... 82
Bauernfeind, Gustav 105
Baumeister, Willi 154
Baumüller, August ...... 293
Bausch, Theodor 190
Behr, Erwin 290
Behrens, Peter 195
Benzinger, Emil 293
Berger, Albert 128
Bernhard, Lucian 286
Beutinger, Emil 293
Bihl & Woltz 251
Binder, Wilhelm 289
Bloch, Oskar 293
Blümhuber, Georg 210
Boden-Heim, Hermann .... 293
Böhringer, Karl 293
Böklen & Feil 262
Böres, Franz 207
Bohnenberger, Theodor . . . .174
Stuttgarter Kunst 39
Seite
Bollmann, Paul 153
Bonatz, Paul 254
Bonatz & Scholer 258. 264
Bosselt, Rudolf 196
Bessert, Sophie 293
Brackenhammer, Rudolf .... 294
Braith, Anton 174
Bredow, Gustav Adolf 210
Brauer & Wirth 274
Braungart, 0 105
Bredt, Ferdinand Max .... 294
Breyer, Robert 181
Brougier, Adolf Wilhelm . . . 294
Bruckmann, Peter 211
Bruckmann & Söhne 288
Brühlmann, Hans 152
Brühlmann, Nina 152. 286
Brüllmann, Jakob 209
Buchner, Hans 294
Bücheier, Charlotte 128
Bühler, Alfred 290
Bürck, Paul 196
Buttersack, Bernhard 178
Cades, Josef 235
Capitain, Edmund 235
Caspar, Karl 179
Caspar-Filser, Maria 180
Cissarz, Johann Vincenz . . 167. 283
Cloß, Gustav 108
Conz, Gustav 105
Conz, Walter 184
Daiber, Hans 268
Daimler, Elise 294
30s
Seite
Deibele, Karl 193
Diem, Karl 154
Dietelbach, Rudolf 190
Dieterle, Karl 294
Diez, Hugo 98
Dörr, Friedrich 105
Dollinger, Conrad von 230
Dollinger, Richard 259
Dolmetsch, Heinrich 231
Dolmetsch & Schuster 262
Donndorf, Adolf von 187
Donndorf, Karl 192
Drück, Elise 128
Drück, Hermann 120
Eberhard, Heinrich 154
Ebert, Karl 105
Eberz, Josef 154
Ebner, Robert 105
Eckener, Alexander 91
Eckenfelder, Friedrich 178
Eckstein & Kahn 290
Ege, Eberhard 184
Ehinger, Robert 92
Eichfeld, Hermann iii
Eisenlohr, Ludwig 226. 231
Eisenlohr & Pfennig 255
Eitel, Albert 252
Eitel & Steigleder 255
Elsäßer, Martin 258. 263
Elsäßer, Oskar 286
Emminger, Eberhard 105
Epple, Emil 214
Erhard & Söhne 288
Essig, Gustav ........ 180
Ettle, Wilhelm 295
Eyb, Gustav 295
Faber, Karl ! . . 290
Faure, Amandus 88
Fauser, Adolf 286
Federlin, Karl 194
Fehrle, Wilhelm 194
Felger, Friedrich 295
Feucht Nachf., A 290
306
Seite
Feuerle, Alfons ........ 194
Finkbeiner, Hugo 61
Fischer, Alfred 254
Fischer, Theodor 236
Förstner, Ernst 255
Forschner, Heinrich 295
Fremd, Adolf 189
Frick, Julius 210
Friedrichson, Gustav Adolf . . 63
Fritz, Heinz 209
Fuchs, Karl 128
Fuchs, Willy 264
Fugel, Gebhard 179
Funk, Heinrich 106
Gackle, Albert 190
Gärtner, Alfred 64
Gauermann, Jakob 104
Gaukel, Hans 58
Gaupp, Gustav 78
Gebhardt & Eberhardt 256
Genter, Hermann 105
Georgii, Theodor 213
Gimmi, Karl 192
Gläsche, S 289
Gläser, Karl 296
Goettel, Jakob 267
Goldschmidt, Bruno 152
Goll, Karl 123
Graeser, Ernst 296
Graf, Gottfried 99. 129
Gref, Franz Heinrich 171
Grethe, Carlos 138
Grünenwald, Agnes 296
Gruenewaldt, Nikolai von . . . 296
Grünenwald, Jakob 106
Gußmann, Otto 181. 286
Haag, Robert 99. 127
Habich, Ludwig 195
HäberHn, Karl 105
Häußer, August 210
Hafner, Fritz 128
Harnack-Reichau, Clara .... 296
Harper, Adolf Friedrich .... 105
Seite
Hartmann, Karl 173
Hartmann, Richard 173
Haueisen, Albert 184
Haug, Robert von 51
Haustein, Paul 279
Heideloff, Viktor 105
Heider, Hans von 167. 281
Heim & Früh 257
Heinzmann, Karl 105
Henes, Heinrich 255
Hengerer, Karl 265
Henke, Anna 296
Hennings, Josef 257
Herdtle, Gustav 105
Herdtle, Richard 123
Herterich, Ludwig 52
Herwig, Ferdinand 99
Heß, Julius 180
Hildenbrandt, Wilhelm Alfred . 297
Hirsching, August 297
Högg, Emil 286
Hölzel, Adolf 140
Hoering, Franz 297
Hofer, Karl 150
Hoffmann, Robert 181
Holbein, Albert 297
Hollenberg, Felix 122
Hornberger, Fritz 256
Huber, Patriz . .195
Huber, Paul 92
Hugo, Melchior, von . . . 152. 208
Hummel, Fritz 123
Hummel & Förstner 253
Janssen, Ulfert 201
Jassoy, Heinrich 251
Jauß, Georg 174
Igler, Gustav 131
Irion, Paul 253
Jung, Hermann 210
Jung, Otto 90
Kämmerer, Christian ..... 286
Kalckreuth, Leopold, Graf von . . 132
Käppis, Albert 108
Seite
Kasten, Hertha 297
Keller, Friedrich von 40
Keller, Maximilian 184
Keller-Reutlingen, Wilhelm Paul 174
Keppler, Richard Ernst .... 79
Kerkovius, Ida 154
Kerschensteiner, Josef 168
Kiemlen, Emil 191
Kienzle, Emil 298
Klatte & Weigle 260
Klein, Walter 285
Klemm, Walter 181
Klemm-Jäger, Hedwig .... 298
Klinkerfuss, Bernhard 128
Knoblauch, August 260
Knorr, Robert 298
Kob, Helene 156
Koch, Alfred 286
Koch, August 236. 286
Koch, J. A 105
Koch, Johanna 102. 128
Köhler, August 128
Kolb, Hans 271
Kolb, Klara 128
Kornbeck, Julius iio
Krauß, Eugen 126
Kurtz & Co 289
Kurtz, Heinrich 289
Kurz, Erwin 212
Kurz, Julius 62
Laage, Wilhelm 150
Laiblin, Erwin 61
Lambert, Andre 184
Lambert & Stahl 234
Landenberger, Christian .... 69
Lang, Fritz 95
Lang, Hermann 211
Lang, Paul 283
Lang-Heilbronn, Richard . . . 298
Lang-Kurz, Minna 286
Laupheimer, Anton 173
Laur, Wilhelm 298
Lauser, Paul 230
Lautenschlager, Marie 102
307
Seite
Lauxmann, Theodor 46
Lebrecht, Georg 64
Leinenmanufaktur Blaubeuren . 290
Leipheimer, Hans Dietrich . . . 286
Lörcher, Alfred 216
Letter, Heinrich 299
Ludwig, Karl 106
Lutz, Frida 156
Märklin & Co 289
Mahn, Richard 299
Maihöfer, Johannes 194
Mali, Christian 107
Mali, Johann 105
Martz, Georg 256
Maurer & Braun 276
May, Bruno 154
May-Hülsmann, Valerie .... 156
Mayer, Emil 193
Mayer, Emil 257
Mayer, Louis 105
Mayer & Wilhelm 289
Mehlin, Heinrich 266
Merz, Karl 194
Mößner, Friedrich 254
Mohr, Claus 191
Moilliet, Louis 152
Molfenter, Hans 89
Müller, Ernst Immanuel .... 299
Müller, Leopold 136
Müller von Riga, Johann Jakob 105
Mutzenbecher, Franz 153
Nachtigal, Emma 299
Nägele, Reinhold 95
Nanz, Eugen 299
Natter, Max 99
Naumann, Hugo 299
Nestel, Hermann . . . . ^ . . iii
Netzer, Hubert 216
Neumeister, Ernst 299
Nicolaus, Martin 128
Nida-Rümelin, Wilhelm .... 210
Niederbühl, Hans 128
Niederbühl, Heinz 128
308
Seite
Nill, Martha 103
Nitschke, Ulrich 152
Obach, K ' . . 105
Obier, Oskar 59
Oelkrug, Karl 263
Olbrich, Joseph M 195
Onnen, Gerrit 50
Osswald, Eugen 300
Ostermayer, Erns'; L 300
Osthoff-Hartmuth, Maria ... 128
Otterstedt, Karl Alexander Frei-
herr von 164
Pankok, Bernhard .... 164. 278
Pantle, Albert 258
Pauschinger, Rudolf 194
Pelargus, Hugo 289
Pellegrini, Alfred H 154
Peters, Anna lOi
Peters, Pieter Francis loi
Pfennig, Eduard 152
Pfennig, Oskar 254
Pichler, Hermann 290
Piepho, Karl 179
Planck, Willy 300
Plappert, Wilhelm 300
Pleuer, Hermann 82
Plinatus, Eugen 300
Plock, Hermann 79
Poetzelberger, Robert . . . 136. 207
Pohlhammer, Ulrich 235
Purrmann, Karl 285
Quist, F. W 289
Rath, Ernst Erwin 300
Rath, Heine 181
Rau-Mohn, Hedwig 128
Rauth, Otto 300
Reichert, Hermann 128
Reile, Adolf 172
Reinhardt, Robert von 230
Reiniger, Ernst 108
Reiniger, Otto 115
Seite
Reischle, Elisabeth 285
Reiß, Hans 300
Renz, Alfred 300
Renz, Anna Maria 300
Rettich, Clara 103
Rheineck, Georg 190
Riedisser, Wilhelm 211
Riedmüller, Fr. X 105
Rist, Christoph 105
Rochga, Rudolf 280
Rupprecht, Wilhelm Hugo ... 63
Saile, V 289
Salzer, Friedrich 105
Sanden, Bruno von 301
Schäfer, Lydia 156
Schaller-Haerlin, Käthe . . . .156
Scheu, K. und F 257
Schickhardt, Karl 121
Schildknecht & Co 290
Schiller, Albert 266
Schirmer, August 128
Schlemmer, Oskar 301
Schlipf, Ernst 154
Schlipf, Eugen 301
Schlösser & Weirether . . . 255. 257
Schmauk, Carl 97
Schmid-Curtius, Carl 301
Schmidt, Alfred 91
Schmidt, Reinhold 96
Schmidt, Theodor 301
Schmitt, August Ludwig .... 301
Schmohl, Paul 268
Schmohl & Staehelin 253
Schmoll von Eisenwerth, Karl . 157
Schnell, Theodor 194. 286
Schnitzer, Theodor 49
Schöllkopf, Heimo 301
Schöllkopf, Walter 301
Schönleber, Gustav 182
Schöttle, Georg 274
Scholer, Friedrich E 260
Scholl, Adelheid 102
Scholter, Wilhelm 234
Schule, Robert 301
Seite
Schüz, Theodor 107
Schuster, Felix 262
Schweitzer, Erwin 99
Schweizer, Magdalene 285
Seemann, Richard 60
Seiz, Karl 301
Senglaub, Adolf 50
Seubert, Friedrich Karl . . . .105
Seufferheld, Heinrich 49
Seyffer, Friedrich August . . . 105
Sigmund, Heinrich 302
Specht, August 79
Speyer, Christian 64
Stammbach, Eugen 126
Starker, Erwin 123
Stattmann, Adolf 123
Stecher, Emil 99
Steigleder, Eugen 253
Steiner & Beutinger 256
Steiner, Julie 151
Steinkopf, Gottlob Friedrich . . 105
Steuer, Anna 302
Stillhammer, Hans Wilhelm . . 302
Stocker, Daniel 192
Stocker, Rudolf 192
Storz & Lang 257
Stotz & Schlee 289
Strich-Chapell, Walther . . . .124
Suter & Liedecke 258
Textor, Julie 128
Thost, Rudolf 58
Thuma, Friedrich 192
Treidler, Adolf 105
Ulmschneider, Edmund .... 302
Unkauf, Karl 302
Voigt, Meta 150
Waechter, Paula von 102
Wagner, Ernst 256
Wahler, Karl 47
Weber, Max 302
309
Seite
Weigel, Wilhelm 256. 286
Weigle, Carl 231
Weingand, Hermann 302
Weinland, Maria 302
Weippert, Emil 256
Weise, Robert 92
Weiß, E. R 150
Weisser, Wilhelm 303
Weisshaar, Hans 303
Weitbrecht, Walter 193
Wenz-Eyth, Emilie 303
Werner, Theodor 99
Wetzel, Heinz 303
Wickenburg, Alfred, Graf von . 303
Wicky, Franz Albert 47
Wielandt, Manuel 173
Wiest, Sally 128
Wimmer, Fritz 154
Seite
Winkler, Hermine 286
Winternitz, Richard 178
Wirsum, Ernst 125
Wirth, Albertus 303
Wölfel, G 290
Wolff, Eugen 177
Württembergische Metallwaren-
fabrik 289
Wundt, Elisabeth 303
Yelin, Rudolf . 80
Zach-Dorn, Camilla loi
Zeitler, Joseph 207
Zerweck, Hermann 181
Zix, Ferdinand 48
Zügel, Heinrich von 175
Zundel, Fritz 59
310