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TS
}•
DIE
VEEARBEITUNG DEE METALLE
AUF
MECHANISCHEM WEGE.
Holzatiche
ans dem xylogxaphiflohon Atelier
von Friedrich Vieweg und Sohn
in Brannschweig.
Papier
aus der mechanischea Papier -Fabrik
der Gehrüder Vieweg zu Wendhausen
bei Brannsohweig.
DIE
VERAEBEITUNG DEß METALLE
AUF
v;>>^
MECHANISCHEM WEGE.
LEHRBUCH
DBB
MECHANISCH-METALLURGISCHEN
TECHNOLOGIE
VON
At'^LEDEBUp,
Professor an der Königlichen Bergakademie xn Freiberg in Sachsen.
MIT ZAHLBBICHBK IN DBK TEXT BINOBDBUGKTBN
HOLZSTIGHEN.
BRAÜNSCHWEIG,
DRÜCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN.
187 7-
Die Herausgabe einer Uebersetzung in franzosischer and englischer Sprache,
sowie in anderen modernen Sprachen wird vorbehalten.
I
«
4.
\
VORWORT.
Idäufig schreibt der Autor sein „Vorwort*', wenn er sein Manuscript
vollendet vor sich sieht, und nun noch einmal einen Blick zuriick-
I« wirft auf das Ergebniss seiner Mühe und Arbeit.
Wenn ich, abweichend hiervon, schon der ersten Lieferung des
von mir bearbeiteten Buches ein Vorwort beizufügen mir gestatte,
so geschieht es, weil ich auch in anderer Hinsicht von einem bisher
befolgten Gebrauche abgewichen bin und das Gefühl hege, dass ein
solches Vorgehen vielleicht einiger Rechtfertigung bedürfen könnte.
Zum ersten Male meines Wissens erscheint in den nachfolgen-
den Blättern ein Theil der gesammten mechanischen Technologie,
die mechanische Verarbeitung der Metalle, als selbstständiges Ganze
behandelt. Wenn auch die erste Anregung zu dem Entschlüsse,
eine derartige Bearbeitimg zu unternehmen, durch den Umstand
hervorgerufen wurde, dass von mir an hiesiger königlicher Berg-
akademie — wie es dem Zwecke einer solchen Anstalt entspricht —
nur der metallurgische Theil der mechanischen Technologie vor-
getragen wird, so kamen doch auch manche andere Erwägungen
hinzu, bis der erste Gedanke zur Ausführung reifen konnte.
Bei den verschiedenen Lebenszielen, welche den auf polytechni-
schen Hochschtden und Lehranstalten Studirenden vorgesteckt sind,
dürften in den meisten Fällen die Vorträge, über mechanische Tech-
nologie an diesen Lehranstalten vorzugsweise darauf berechnet sein,
in encyclopädischer Weise dem Hörer einen allgemeinen Ueberblick
VI Vorwort.
über das gesammte Gebiet der mechanischen Technologie zu geben ;
selten wird es möglich sein, zu Gunsten dieser oder jener Fach-
wissenschaft einen oder den andern Zweig der mechanischen Tech-
nologie besonders zu bevorzugen.
unter jenen Studirenden ist aber eine grosse Zahl, für welche
die Verarbeitung der Metalle später den eigentlichen Lebenslauf
bilden soll; die Maschinenbauingenieure, die Hüttenleute und alle
Diejenigen, welche wieder durch ihre Lebensverhältnisse auf die
dereinstige Leitung ganz bestimmter Zweige des metallurgischen
Gewerbes angewiesen sind. Allen diesen jungen Männern dürfte es
erwünscht sein, während ihrer Studien oder beim Eintritte in das
praktische Leben Gelegenheit zu einem tiefer eingehenden Studium
derjenigen Apparate, Processe und Verfahrungsweisen zu finden,
mit denen sie sich in ihrer einstigen Berufsthätigkeit vorzugsweise
zu beschäftigen haben werden; und vielleicht dürfte der Verfasser
durch eine fünfzehnjährige praktische Thätigkeit auf grösseren Wer-
ken Deutschlands befähigt worden sein, ab und an eine Erfahrung
mittheilen zu können , die sich eben nur im praktischen Leben er-
werben lässt.
Aber nicht allein jenen angehenden Praktikern, auch älteren
Fachgenossen wird hoflFentlich der vorliegende Versuch nicht unvoll-
kommen sein, die Vorgänge und Hülfsmittel bei der mechanischen
Verarbeitung der Metalle in einem wissenschaftlichen Gewände der
Beschreibung zu imterziehen. Weiss ich doch aus eigenster Erfah-
rung, welche Anregung man sowohl im praktischen Leben vrie im
Lehrfache in dem Verkehre mit Fachgenossen findet, selbst d^n,
oder vielleicht gerade dann, wenn hier und da Meinungsverschieden-
heiten auftreten sollten, sobald sie nur einer vnssenschaftlichen
oder doch auf Erfahrung beruhenden Unterlage nicht entbehren.
Dass solche Meinungsverschiedenheiten zwischen manchen von
mir ausgesprochenen Ansichten und denen anderer Berufsgenossen
nicht ausbleiben werden, ja dass selbst hier und da ein kleiner
Irrthum sich einschleichen dürfte, ist bei dem weiten Umfange des
behandelten Gebiets wohl unausbleiblich. Einer objectiven Dar-
legung von Meinungsverschiedenheiten werde ich daher überall
gern begegnen, und dankbar werde ich jede Berichtigung eines wirk-
lichen Irrthums entgegen nehmen.
Vorwort vii
Es sei nocli eine Bemerkung über die gewählte Anordnung des
Stoffes gestattet, welche mir lange Bedenken verursachte.
Niemand, der Interesse für die technologische Wissenschaft be-
sitzt, hat wohl in jüngster Zeit Exner's geistreiche Vorschläge für
ein System der vergleichenden mechanischen Technologie in Ding-
ler's polytechnischem Journal und in Hartig's Civilingenieur un-
beachtet gelassen. Dennoch sind, wiö jeder Lehrer der Technologie
bestätigen wird, der Schwierigkeiten nicht wenige, wenn es sich
darum handelt, in jener von Exner angestrebten ideellen Weise die
Verallgemeinerung des Stoffes durchzuführen, selbst wenn, wie in
dem vorliegenden Falle, nur die Besprechung der Verarbeitung einer
einzigen Gruppe von Bohstoffen vorliegt.
Anders erstrebt Hoyer in seinem noch im Erscheinen begriffe-
nen Lehrbuche der mechanischen Technologie die Verallgemeine-
rung der Darstellung, indem er die Eigenschaften der Stoffe allein
als Grundlage des Systems benutzt.
Ich glaubte, besonders in Bücksicht auf die Anschauungen des
Praktikers, weder dem einen noch dem andern dieser Systeme un-
bedingt beitreten zu sollen, sondern befugt zu sein, unbeschadet der
Deutlichkeit der Darstellung, dem üblichen Verlaufe der Arbeiten
in den metallurgischen Werkstätten wenigstens so weit Bechnung
zu tragen, dass ich nach Karmarsch's Vorgange die erste rohe
Formgebung von der weitern Verarbeitung schied, auch, wie es
früher allgemein üblich war, die Beschreibung des Arbeitsverfahrens
thunlichst mit der Beschreibung des betreffenden Apparats verband
— die Beschreibung des Cupolofenschmelzens mit der Beschreibung
des Ofens u. s. f. — ; strebte im Uebrigen aber danach, durch Gegen-
überstellung und Vergleichung der verschiedenen für gleichen Zweck
dienenden Mittel dem von Exner und Hoyer angestrebten Ziele
mich nach Möglichkeit zu nähern.
Wenn ich auch diejenigen Hülfsmittel mit in den Bereich der
Besprechung zog, welche in den metallurgischen Werkstätten zum
Heben und Transportiren, wie zur Erzeugung von Gebläsewind be-
nutzt werden, so hoffe ich, dadurch besonders Manchem meiner jün-
geren Leser einen Dienst erzeigt zu haben.
So sende ich denn die nachfolgenden Blätter mit dem Wunsche
in die Oeffentlichkeit: möchten sie sowohl bei den Freunden des
vni Vorwort.
Verfassers, die schon zum Theile ihn in gütigster Weise mit Ratb
und That unterstützten, als auch bei Femstehenden eine freundliche
und nachsichtige Beurtheilung finden; möchten sie aber auch
geeignet sein, sich und dem Verfasser recht viele neue Freunde
zu erwerben.
Freiberg, im Juli 1877.
A. Ledebur.
INHALTSVERZEIOHNISS.
Balte
Vorwort V
Binleitang • 1
Erster Theil.
Allgemeine oder vergleiohende Teohnologia
Erster Abschnitt.
Allgemeines.
X. Die Metalle; ihre Iieginingen und metaUiedhen Verbindtuigen 5
Erklärimg des Beg^riffs „Metall" nnd „Lef^^inmg' 5
Beispiele YonLeg^rangen: Tombak, Bothgoss, Messing 0; Bronze
11; Kensilber 12; Alnminiombronze , Hartblei, Weissmetall , Bri-
tanniametall 12.
Yereinigimg der Metalle mit Nichtmetallen • 13
Eisen mit Kohlenstoff, Silicimn, Mangan 18; Kupfer mit Sauer-
stoff 15; Phosphorbronze 15. Erkennongsmerkmale för bestimmte
fremde Körper 16. Zinnprobe 16; Spiel des Ghisseisens 17.
Gewerbseigenschaften der Metalle nnd Legirongen . • 19
Festigkeit 19. Widerstandsfähigkeit gegen mechanische Einflüsse
21. Specifischee Gewicht 24. Farbe 27. Widerstandsfähigkeit gegen
chemische Einflfisse 28. Preis 31. Literatur über Eigenschaften
der Metalle 32.
2. Die Qerftthe lur Beatimwinng und Itrkennimff der Vorm und
Abmeflsongen; sowie som Ameiohnen derselben 8S
Geräthe zum Messen 82
Maassstab 32. Zirkel 33. Lehren 35. Schubwinkel 36.
X InhaltsYenseichniss.
Bitte
Gerftthe smn Anzeichneii 86
Kömer, Beimnadel, Streichmaass 86. GentrirmMohine 86.
8. Die Gtoräthe nun Testhalten 89
Schranbenzwinge 39. Zangenschraabttook 40. ParaUebchraubttook 42.
Feilkloben 42. Zangen 48.
4. Gtoftthe som Heben und üTranaportiren der Kohmetalle^
ArbeitMtücke eto. 44
^Transportwagen • 44
Krahne und Brückenwinden 46
Qebftndekrahne 47. Freistebende Krabne 51. Bewegliche Krahne 58.
Brftckenwinden 55. Vergleichnng der Hebeyorrichtongen 60. An-
wendung von Elementarkraft oder menfchlicher Kraft 62. Krahn-
balanciere 64.
Au&üge 66
5. Die GeblAse der Werkrtfttten für Metailverarbeitun« .... 73
Cylihdergeblft8e73. Oentriftigalgeblftse 74. Booti*Bche KapeelgebUUe 77.
DampfstrahlgeblftM 82.
Zweiter Abiehnitt»
Die rohe Formgebung»
ErlSntermigen 87
L Die Formgebnng durch Bohmelflen und Giemen ^ Qieeserei 89
1. Die Arbeitseigensohaften derMetalle nndLegirnn-
gen hinsichtlich ihrer Verwendung zur Giesserei . 89
a. Schmelzbarkeit ' 89
b. BünnflüBsigkeit 92
o. Schwindong 93
Vermeidang von Spannungen 97, von Hohlräumen 99.
d. Entwickelung von Gasen aus den Hetallen 102
Ursachen 102, Yerbindenmg der Gtasentwickelung 107.
e. Die Eigenschaften der Metalle unter den Einflüssen des Er-
starrens und Abkühlens 106
2. Die Gussformen und ihre Herstellung 111
Begriff der Gussformen 111, der Kerne 111.
Gussformen und Kerne ans bildsamem Hateriale ... 112
A. Die Formmaterialien 112
Formsand 112. Masse 115. Lehm 117. Kohle 118.
Apparate zur Aufbereitung der Formmaterialien 120
Trommelapparate 121. Kollergftnge 124. Thonschneider 126.
Stroh zur Formerei 127
B. Die formgebenden Geräthe 129
Modelle 130. Theilen derselben 181. Kemkasten und Kern-
stücke 138. Schablonen 134.
0. Die Rüstungen der Gussformen und Kerne 136
Formkasten 136. Büstungen für Lehmgussformfin 142, für
Kerne 142. Kemspindeln 143. Kemeisen 145.
D. Die Werkzeuge der Formerei 146
B. Das Arbeitsverfahren der Formerei 147
Herdformerei 147
Inhaltsyerzeichnisa. xi
Seite
Kastenformerei 151
EingüsBa bei derselben 155. Stehender Gubs 156.
Freie Formerei (Lehmformerei) 157
Beispiele 159. Vergleich zwischen freier und Kastenforme-
rei 165. Lehmkeme 166.
Literatur über das Arbeitsverfahren der Formerei 169
1*. Bas Trocknen der Gussformen und Kerne 169
durch Körbe 169
durch Gase 170
in Trockenkanmiern 170
Thüren derselben 172. Feuerung 173. IMrecte Erwär-
mung 174. Grösse des Bostes 176. Beispiele ausgeführ-
ter Trockenkammern 177. Lidirecte Erwärmung 183.
Beispiele 183. Wirkungsgrad der Trockenkammern 188.
Trockenkammerwagen 190.
G. Die Anwendung der Maschinen zur Formerei 192
Formmaschinen zum Ausheben des Modells 192
„ . Einstampfen des Bandes 193
y, « Ersatz von Modellen 198
Scott' 8 Bäderformmaschine 193.
Literatur 198
Oussformen und Kerne aus starrem Materiale 198
Beispiele 201. Anwendung von Gussschalen zur Beeinflus-
sung der Eigenschaften der Metalle 202. Hartguss. Beispiele
dafür 203. Hartwalzenguss 205. Uchatius' Stahibronze 206.
Literatur 207
Die Fertigstellung der Gussformen für die Aufnahme
des geschmolzenen Metalls 207
Beschwerung 207. Bammgruben 208.
8. Bas Schmelzen der Metalle • • 211
Bie Schmelzapparate 212
Erste Gruppe : Kessel 213
Einrichtung derselben 214. Werkzeuge 216. Arbeitsver-
fithren 216. Wirkungsgrad 217.
Zweite Gruppe: Tiegelöfen • • • • 218
Allgemeine Einrichtung 218.
Tiegelschachtöfen für festes Brennmaterial 220
Tiegelschachtöfen for gasförmiges Brennmaterial 222
Tiegelherdöfen 228
mit directer Feuerung 224, mit Gasfeuerung 225.
Werkzeuge und Arbeitsyer&hren beim Tiegelschmeizon . • 228
Wirkungsgrad der Tiegelschmelzöfen 830
Dritte Gruppe: Herdflammöfen ohne Tiegel •••••••.. 233
Allgemeines 233. Construction 235.
Oefen mit directer Feuerung 235
Bost 236. Flammenloch 237. Herd 288. Oefen mit
gestrecktem Herde 238, mit vertieftem Herde 239; Ver-
gleich beider Systeme 240. Grösse des Herdes 242.
Höhe der Feuerbrücke 242. Fuchsquerschnitt 842.
Esse 243. Beispiele ausgeführter Flammöfian 243. Sin-
bau 247. Anwendung von ünterwind 254.
Xli InhaltSYerzeiclmiss.
8«ito
Oefen mit Gasfeaerang 254
OHm von Deyille fQr Flatinschmelzeii 255. Gewöhn-
liche Oasflammöfen 255. SiemenB'sohe Oefen 256.
Werkzeuge beiin FlAmmofenBchmelzen 260
ArbeitsTer&hren nnd WirknngsgTad 261
Vierte Gruppe: Schachtöfen oder Cnpolöfen 264
AUgemeiaeg 265. Gichtgaae 266. ConstmctionfiTegehi 268.
Aeltere Cnpolöfen 270. Befström' scher oder Schmahel'-
Bcher Ofen 272. Ireland's Ofen 264. Krigar's Ofen
276. Mac Kensie'fl Ofen 280.
Einban der Cnpolöfen 281
Sohomstein 286. Srhitste Gebl&selnft 287.
Werkzeuge 288
Arbeitsverfehien 288
Euenmischungen 290.
Wirkungsgrad 291
SohluBsbetrachtungen ...•• 292
Literatur 294
4. Das Giessen 295
Apparate • 295
Giesspfannen oder Kellen 295. Handpfennen 295. Gtebel-
pfennen 296. Erahnpfannen 297. Kipppfannen 302. Sümpfe
und GtMnen 303. Giesspumpe 304.
Arbeitsverfehren 304
Einflüsse der Temperatur des Metalls 305. Entweichende
Gase 306. Angiessen yon Henkeln, Walzenzapfen etc. 307.
Schwenk- oder Stürzguss 308. Zinnbrillanten oderFahluner
Diamanten 309. Centrifugalguss 309.
Literatur 309
5. Ueber die Anlage und Einrichtung der Giessereien . • 311
Formbänke 312. Fussboden 812. Anordnung der Trocken-
kammern oder Oefen 313. Tiegelgiessereien 313. Anord-
nung der maschinellen Apparate 316; der Krahne 317. Dach-
coustruction für Giessereien mit Laufbühnen 318. Damm*
gruben 320. Literatur 320.
IL Die Formgebung im imgeschmolBenen Zustande durch
Äussere Krftfte 321
1. Arbeitseigenschaften der Metalle und Legirungen . . 321
A. Dehnbarkeit imd Zähigkeit 321
Begriff; Abhängigkeit von der Elasticitätsgrenze und Festig-
keit 322. Einfluss der Temperatur 327. Einflüsse chemischer
Beimengungen 328; beim Eisen 329; beim Kupfer 330; bei
der Bronze 331; bei Messing und Tombak 331. Einfluss der
mechanischen Verarbeitung 332.
B. Härte 333
Begriff 333. Einfluss chemischer Beimengungen 334. Einfluss
der mechanischen Verarbeitung 335, beim Stahle 335. An-
wendung der Härtezunahme durch mechanische Verarbei-
tung bei Anfertigung von Bronzegeschützen 336. Einfluss
rascher Abkühlung 336. Härten und Anlassen des Stahls 338,
der Bronze 341.
Inhaltsyerzeichniss.
Bette
0. Schweißbarkeit und Adhänionsencheinangen 342
Bedingungen für das Schweissen 842. Erklänmgen des
Schweiflsens 345. Plattdren 346.
2. Die Erhitzung der Metalle .•.••••••• 848
Die Erhitzungsapparate.
Erste Gruppe: SchmiedefBuer 848
Allgemeine Einrichtung 349. Gekühlte Formen 850. Ein-
führung des Windes von unten 350. Eiserne Schmiede-
feuer 353. Gebläse und Windleitung 355. Winderwärmung
856. Feldschmieden 358.
ArbeitsTerfahren und Brennmaterial 859
Betriebsresultate und Wirkungsgrad 861
Zweite Gruppe: Herdflammöfen 868
Allgemeines; Unterschied zwischen Beb weiss- und Glühöfen
863. Herdflammöfen mit directer Feuerung 363. Oonstjruo-
tlonsregeln 364. Beispiele ausgeführter Oefen 367. Anwen-
dung von ünterwind 376. Benutzung der Abhitze 379.
Herdflammöfen mit Gasfeuerung 880
Bicheroux's Ofen 381. Ponsard's Ofen 383. Sie-
men's Ofen 385.
Betrieb und Arbeitsver&hren ••••. 385
Betriebsresultate und Wirkimgsgrad 886
Dritte Gruppe: Gefässöfen 887
Beispiele 388. ArbeitsverÜEthren und Wirkungsgrad 391«
Schlussbetrachtungen 898
Literatur 394
8. Die formgebenden Apparate und ihre Anwendung 895
A. Hammer und Ambos ••».... 895
Allgemeines 396.
a. Stielhämmer 897
Handhämmer 398. Verschiedene Arten 898. Ambose 399.
Tritthämmer 400.
Stimhämmer 401. Aufwerfhämmer 402. Schwanzhäm-
mer 405.
b. Bahmen- oder Parallelhämmer 407
Allgemeines 407.
Transmissionshämmer 408
Biemenhämmer 409. Daumenhämmer 412. Frictions-
hämmer 413. Federhämmer 414. Pneumatische Häm-
mer 418.
Dampfhämmer 418
Allgemeines 418. Steuerungen 419. (Gewicht, Hubhöhe
und Hubzahl für bestimmte Zwecke 420. Ohabotte und
Fundamentirung 421. Gerüst 421. Historisches 422.
Kasmyth'sche Dampfhämmer 428. Oondie'soher
Dampfhammer 484. Morrison's Dampfhammer 487.
Daelen's Dampfhanmier 489. Naylor's Dampf-
hammer 442. Brinkmann's Dampfhammer 444.
Farcot's Dampfhammer 446. Türck's Dampfham-
mer 446. Schnellhämmer 447. Keller und Banning's
Schnelihämmer 447. Seiler 's Dampfhammer 450. ^
XTV InhaltsverzeichnisB.
8eit§
Idteratar über sftimntliche Gattungen von H&nunern .... 454
Formgebende Ergftnzungistäcke zu den H&mmem 455
Seizhämmer 455. Gesenke 456. Schrotmeissel nnd Ab-
sohrot 457. Durchschlag und Lochring 458.
Schmiedemaschinen 458'
Bas ArbeitSTerfahren bei der Formveränderung dnrch H&mmem 461
Ausstrecken oder Zainen 462. Treiben oder Anftiefen 463.
Stauchen 463. Anziehen 464. Ansetzen 464. Biegen 465.
Ix>chen und Aufhauen 465. Schweissen 466.
Literatur über formgebende Werkzeuge und Arbeitsverfahren
beim Hämmern 467
B. Piessen 468
Allgemeines 468. Haswell*s Schmiedepresse 468.
Formgebende Ergänrnngsstücke und Arbeitsverüfthren .... 476
literatur über Pressen 470
a WahEwerke 480
Allgemeines 481.
Die Wabsen 482
Durchmesser, Länge und Geschwindigkeit 483. Kaliber
484. Gonstruction von Spitzbogenkahbem 488, Quadrat-
kalibem 489, BundkaUbem 489, Eisenbahnschienenkali-
bem 491, Wxnkeleisenkalibem 492, T- und Doppelt T-Eisen-
kalibem 492. Periodische Kaliber 493. Unterbrochene
Kaliber 494. Staffel- oder Stufenwalzen 495.
Abstreifvorrichtungen und Walzentisch 496
Ständer . . • 498
Kupplungen 503. Getriebe oder Kammwalzen 504. Schwung-
rad 505.
Dreiwalzensysteme (Triowalzwerke) 506
Kalibrirung denelben 506. Fritz 'sches und Holley'-
scfaes Walzwerk 508. Laut'sches Walzwerk 510.
Kehrwalzwerke 513
Universalwalzwerke 515
Walzwerke zur Herstellung ringförmiger Körper oder Kopf-
walzwerke (Reifen-, Tyres- oder Bandagenwalzwerke) . . . 520
Arbeitsverbrauch beim Walzen • . • 525
Arbeitsverfahren 526
Packetiren 526. Plattirte Bleche 527.
Literatur 528
D. Ziehbänke 529
Theorie des Ziehens 530. Schleppzangenziehbänke 531. Leier-
ziehbänke 534. Das Zieheisen 536. Arbeitsverfahren und
Arbeitsaufwand 536.
BückbUeke 540
4. Einiges über die Anlage der Werkstätten zum
Schmieden, Walzen, Pressen; Ziehen 541
Literatur 545.
Inhaltsyerzeichniss. XV
Seite
Dritter Abschnitt.
Die Vollendung der Form.
Allgemeines 547
I. TrennungBarbeiten 549
1. Die allgemeinen Vorgänge bei der Trennung nnd die
Arbeitseigensohaften der Metalle, hinsichtlich ihrer
Theilbarkeit • 549
Abscheeren und Schneiden 549. Vorgänge dabei 550. Span-
bildung 550. Form des Werkzeugs 551. Schaben 557. Ar-
beitseigenschaften 558.
Literatur 559
2. Die Bewegung der Werkzeuge und die Werkzeug-
maschinen im Allgemeinen 560
Stellung der Werkzeuge 561. Schroppen und Schlichten 561.
Haupt- und Schaltbewegung 562. Bewegungsübertragungen
bei Werkzeugmaschinen 562. Verschiedene Bewegungsge-
schwindigkeiten 563. Beschleunigter Bückgang 565. EUip-
senräder 565. Goulissenhebel 566. Ezcentrische Kurbel-
schleife 567.
Literatur über Werkzeugmaschinen und Werkzeuge 569
3. Die formgebenden Geräthe und das Arbeitsverfahren 570
A. Geräthe zum Abscheeren 570
a. Scheeren 570
Bogen und Hebelscheeren 570
Parallelscheeren 574
Kreis- oder Circularscheeren 579
Schneid- oder Eiaenspaltwerke 582.
b. Geräthe zum Lochen (Durchstossen) • 584
Durchschlag 584.
Lochmaschine oder Durchstoss 585
Anwendung der Schraube 586; des Hebels 587; der hy-
draulischen Presse 588; der Kurbel oder des Excen-
ters 590. Arbeitsverbrauch 592.
Literatur über Scheeren und Lochmaschinen 593
B. Geräthe zum Schneiden 594
a. Meissel und Grabstichel 594
Kreuzmeissel 595. Flachmeissel 59§. Grabstichel 595.
Kneif- oder Beisszangen 596.
b. Der Hobel und die Hobelmaschinen 596
Planhobelmaschinen 597
Feil- oder Shapingmaschinen 610
Nuthenstossmaschinen 620
Literatur • 625
c Die Säge . 625
Hand- oder Bogensägen 627. Kreissägen 628.
Literatur 630
d. Die FeUe 630
XVI InhaltsTerzeichniss.
Seit«
e* Geräthe zum Drehen 636
Drehstahl * 636
Drehbank 637
Prumadrehbänke 640. Spindelstock 641. Beitstock 642.
Support oder Werkzeughalter 643. Spitzendrehbank 643.
Flanscheibe 646. Universalplanscheibe 646. Plandreh-
bänke 647. Bäderdrehbänke 651. Ourvensupport 652.
Ovalwerk 653.
Universaldrehbank von Koch nnd MüUer 655
Mitnehmer, Herz, Futter 659. Lünetten 660. Dreh-
stahl 660. Arbeitsyerfahren 661.
Guiliochiren 662
Literatur 664
f. Fräse und Fräsmaschine 665
Form der Fräsen 666. Fräsmaschinen 667. Construc-
tionsregeln für Fräsen 672.
Literatur 673
g;. Qeräthe zum Ausbohren 673
Bohrwellen und Bohrkopf 674. Ausbohren mit dem
Wendeeisen 674.
Horizontalbohrmaschinen 675
Cylinderbohrmaschinen . . . . , 677
Literatur 681
h. Qeräthe zum Loohbohren . 682
Bohrwandbohrer 683
Bohrspitzen • • . 684
Spiralbohrer 686.
Bohrgeräthe -für zweischneidige Bohrer 686
Bollenbohrer 687. Drillbohrer 687.
Bohrgeräthe für einschneidige Bohrer . 688
Brustieier 688. Bohrkurbel 688. Druckbaum 688. • Bohr-
gestell 689. Bohrknarre 689.
Bohrmaschinen 690
Handbohrmaschinen 691
Freistehende Bohrmaschinen 693
Badial- oder Krahnbohrmaschinen 695
Wandbohrmaschinen 697
Duplexbohrmaschinen 698. Multiplexbohrmaschinen 698.
Literatur 699
i. Langlochbohrapparate 700
G. Geräthe zum Schaben 705
a. Schaber 705
b. Beibahle, Ausreiber 705
c. Geräthe zum Schleifen 707
Schleifstein 707. Poliren 709. Schleif- und Polirmate-
rialien 710.
Literatur 713
n. Biefirongs- und DehntuigsarbeiteJi 714
a. Das Biegen 714
Allgemeine Vorgänge beim Biegen 715. Anwendung des
InhaltsTerzeichnisB. XVII
Seite
Hammers imd des Amboses dazu 716; der Pressen 717;
der Walzwerke 721; der Ziehbänke 727.
Literatur 727
b. Das Treiben und Aufziehen, Stanzen, Drücken, Ciseliren,
Prägen 728
Allgemeines 728. Umkrämpen von Kesselblechen 728.
Punzen 729. Anwendu];^ von Maschinen 730.
Drücken auf der Drehbank 732
CiseUren 733
Prägen 734
Literatur • 734
m. Die ZusaixunenfCLgungsarbeiten 735
1. Adhäsionsverbindungen 735
a. Schweisaen 736
b. Löthen • . . 736
Eigenschaften der Lethe 737. SchnelUoth 738. Schlage-
loth 739. Arbeitsverfahren 739.
c. Kitten 742
Bostkitt 743. Mennigekitt 743. Siegellack 744. Käse-
kitt 744.
2. Verbindungen durch Beibung (Zwängverbindungen) . • 744
3. Falzen 746
4. Verbindungen durch Niete und Schrauben 747
Das Nieten 747
Nieten mit der Hand 748; mit Nietmaschinen 749.
Literatur 753
Vierter Abschnitt.
Die Arbeiten zur Verschönerung und Erhaltung.
1. Beizen und Färben 755
Beizen des Eisens 757
Beizen und Färben der Kupferlegirungen 758
9 n n » Silberlegirungen 760
9 n n n G^oldleglrungen 760
Aetzen 761
2. Poliren 762
3. Das Ueberziehen der Metalle 762
A. ueberziehen mit anderen Metallen 763
a. Das Ueberziehen auf directem Wege 764
Das Verzinnen des Eisens 765
Anfertigung des Weissbleohs 766.
Das Verzinnen des Kupfers und Messings 770
b. Das Ueberziehen auf nassem Wege 770
Durch Substitution 770; auf galvanischem Wege 771.
Beispiele. Verkupfern, Vermessingeu, Bronziren ... 773
Verzinnen 774
Vemickehi . . . . .^ 775
Versilbem .....' 775
Vergolden 776
ÄViu Inhaltsyerzeichniss.
Saite
c Dm Uebeniehen durch Anuügunfttion (Feaervergoldoiig
und Feaeryenflbenmg) 776
B. Das üeberziehen mit zosanunengesetzteii Körpern 777
a. Durch Oxydation 777
Beispiele: Eisen 778; Kupfer und Bronze 779; Patina 780;
Irisiren 780.
b. Durch Anstreichen, Firnissen, Lackiren, Bekleben, As-
phaltiren 781
c. Durch Emailliren 783
Zveiter Theil«
Beispiele aus der speoiellen Teohnologie.
Die Schrotgieeserei 795
Die Schriftgiesserei 797
Anfertigung der Bohren 804
Qusseiseme Bohren 805
Schmiedeeiserne Bohren 810
Fa^nstücke zu denselben 814.
Kupferröhren ^ 816
Blei- und Zinnröhren 818
Anflertigung der Schrauben und Schraubenmuttern 821
Blattgold und Blattsilber 839
Schneidwaaren 841
Nägel und Drahtstifte 845
Die Münzen 856
Anfertigung der StahlschreibfedeiTi 873
Anfertigung der Stecknadeln 875
Anfertigung der Nähnadeln 878
Die Schlösser und die Schlüssel 883
EINLEITUIfG.
Als die Eltern des MenscbengeschlechtB der biblischen Ueberliefe-
rung zufolge aus dem Paradiese vertrieben wurden, entstand in Folge
der Drohung: „im Schweisse des Angesichts sollst du dein Brot essen ^
der erste Anfang unseres Culturlebens. Die Nothwendigkeit , durch Ar-
beit das Leben zu fristen , durch Kampf dieses Leben gegen fremde An-
griffe zu yertheidigen ; endlich der jedem Menschen eingepflanzte Trieb,
durch Aeusserlichkeiten auch das Leben zu verschönern, Hessen den
Menschen nach Hilfsmitteln sich umschauen, jenen Erfordernissen zu
genügen; und er fand als eines der werthvollsten Hilfsmittel dafür das
MetalL
Dank dem Umstände, dass einzelne Metalle sich gediegen in der
Natur vorfinden, ist die Verarbeitung der Metalle zu Geräthen aller Art
alter als die Abscheidung derselben aus den Erzen.
So finden wir nicht nur in der Bibel, sondern in den Ueberliefe*
ru^gen der meisten Völker Spuren von ihrer Bekanntschaft mit den Me-
tallen bis in die älteste Sagenzeit hinaufreichend. Hesiod nennt das
älteste Zeitalter der Menschheit das goldene, zwar bildlich, immerhin
aber andeutend, dass er die Bekanntschaft der ersten Menschen mit dem
Golde voraussetze. Ebenso Ovid und Andere.
Viel später noch fand man Spuren, dass vor dem Zeitalter der Me-
talle noch ein älteres Zeitalter der Menschheit dagewesen sei und nannte
es die Steinperiode. Die Seltenheit gediegen vorkommender Metalle
zwangen zur Verarbeitung roherer Naturproducte für Gegenstände häus-
licher und kriegerischer Verwendung. Ueberlieferungen aus dieser Zeit
aber haben wir nicht.
Wir «finden, dass die Gultur der Völker und die Anwendung der
Metalle Hand in Hand ging. Beides blühte rasch empor, als man ge-
lernt hatte, aus Erzen Metalle abzuscheiden. Mehr und mehr wurden
Lcd«bnr, inec1iaiiltch-m«talliiTgUcho Technologie. \
2 Einleitung.
die Metalle unentbehrlich. Ihre Benutzung Hess hundert andere Zweige
der Gewerbthatigkeit emporblühen. Diese Benutzung bildet einen der
Haupttragpfeiler unserer jetzigen Gultur und die Verarbeitung der Me-
talle eine der wichtigsten Triebfedern im Gange des alltäglichen Lebens.
Die Lehre von der Verarbeitung der Rohmetalle auf mechani-
schem Wege zu fertigen Gegenständen des Gebrauchs bildet den Gegen-
stand des Yorliegenden Buches. Wir nennen diese Lehre mechanisch-
metallurgische Technologie. Sie umfasst einen wichtigen Theil der
gesammten mechanischen Technologie, welche neben der Verarbeitung
der Metalle auch die Darstellung von Gegenständen aus Holz und Stein,
Anfertigung von Geweben, von Papier u. s. w., überhaupt die mecha-
nische Verarbeitung sogenannter Rohstoffe zu Gegenständen des
menschlichen Gebrauchs beschreibt. Neben der mechanischen steht die
chemische Technologie, die gewerbsmässigen Darstellungsmethoden von
Gebrauchsgegenständen auf chemischem Wege umfassend.
Nur ein verschwindend kleiner Theil aller verarbeiteten Metalle
wird gediegen in der Natur gefunden. Der überwiegend grösste Theil
derselben geht als Rohproduct aus der Hand des Hüttenmannes hervor,
welcher sie durch eine Reihe mehr oder minder einfacher chemischer
Processe aus den Erzen abscheidet. Die Lehre von dieser Darstellung
der Rohmetalle aus den Erzen nennt man die Metallurgie, und wenn sie
neben den theoretischen Erörterungen auch den praktischen Vorkomm-
nissen gebührende Berücksichtigung schenkt, Hüttenkunde.
In gewissem Sinne bildet also die Hüttenkunde einen Theil der che-
mischen wie auch der mechanischen Technologie, wird jedoch ihrer Wich-
tigkeit und ihres Umfangs halber meistens als selbstständiges Ganze be-
handelt.
Die mechanisch -metallurgische Technologie im engem Sinne be-
ginnt da, wo die Hüttenkunde aufhört Aus der Hand des Hüttenmannes
geht das Metall als formloser Barren oder Block hervor ; es bildet so das
Material, den Rohstoff, für die Verarbeitung zu fertigen Gebrauchs-
gegenständen in einer Reihe von Verfahrungsweisen, deren Beschreibung
die mechanisch-metallurgische Technologie umfasst.
Nicht immer ist jedoch diese Grenze zwischen dem Gebiete der
Hüttenkunde und mechanisch -metallurgischen Technologie ganz scharf
gekennzeichnet. Das Metall, auch wenn es als solches fertig hergestellt
ist, durchläuft in vielen Fällen eine Anzahl von Zwischenstufen, die
chemisch und mechanisch seine Beschaffenheit und Form verändern,
trotzdem aber wiederum nur ein Material für fernere Verarbeitung lie-
fern. Wenn aus dem Roheisen durch einen hüttenmännischen Process
sdimiedbares Eisen in rohen Luppen oder Blöcken dargestellt worden
ist, pflegt sich an diese Herstellung in unmittelbarer Aufeinanderfolge
eine Verarbeitung des rohen Eisens zu Stäben oder Blechen von* bestimm-
ter Querschnittsform oder Stärke zu reihen, die meistentheils einer spätem,
mannigfachen, weitern Verarbeitung unterliegen, also das Material
Einleitung. 3
für diese Verarbeitung bilden. Es gehört dieser Process, der mit grogs-
artigen mechanischen Hilfsmitteln ausgeführt za werden pflegt, streng
genommen der mechanischen Technologie an und wird demgemäss in
Folgendem seine Erwähnung finden. Da aber aus naheliegenden Grün-
den der Eisenhüttenmann selbst die Verarbeitung seines dargesteUten
Eisens bis zu diesem Stadium in die Hand zu nehmen pflegt, und da
ausserdem auch eine Reinigung des Eisens von fremden Körpern dabei
stattfindet, also eine Raffinirung desselben, so ist man gewohnt, die Be-
schreibung dieser Vorgänge auch in die Eisenhüttenkunde mit aufzu-
nehmen.
Die Gruppirung bei der Beschreibung der sämmtlichen in das Ge-
biet der Metallverarbeitung und der mechanischen Technologie überhaupt
gehörenden Verfahrungs weisen und Apparate kann in zweierlei Weise
geschehen.
Man kann erstens die Gruppirung vornehmen nach der Art der
Urstoffe oder der fertigen Producte , ohne Rücksicht zu nehmen auf die
gegenseitigen Beziehungen, die etwa zwischen der Benutzung dieses oder
jenes Rohmaterials, zwischen dieser oder jener Anfertigungs weise eines
und desselben Endproductes bestehen. So z.B. kann man in gesonderten
Abschnitten die Verarbeitung des Eisens, des Kupfers, des Bleies, Zinns etc.
behandeln ; oder auch man kann, um von den Endprodücten auszugehen,
die Anfertigung von Schmiede- und Schlosserwaaren , von Gusswaaren
der verschiedensten Art, Münzen, Nadeln etc. etc. eine an die andere
reihen ohne bestimmtes Gesetz oder Aufeinanderfolge. Diese Methode,
welche die ältere ist, und auf welcher unser ganzes technologisches
Wissen ursprünglich sich aufbaute, nennt man specielle Techno-
logie.
Man kann aber auch zweitens im Wege des Vergleichs alle die-
jenigen Mittel einander gegenüber stellen, welche zur Erreichung eines
und desselben allgemeinen Zieles angewendet werden können, z. B. zur
Veränderung der Form der sämmtlichen Rohmetalle durch Schmelzen
undGiessen; oder, wie Exner sich ausdrückt, im Wege der Vergleichung
die Gesetze der mechanischen Umbildung derRohsto£fe in systematischer
Aufeinanderfolge ermitteln und darstellen^}. Man nennt dieses System
allgemeine oder vergleichende Technologie.
Für eine wissenschaftliche Behandlung des Lehrstoffes, für Ver-
leihung eines freien Ueberblicks über das gesammte besprochene Gebiet,
für Gewinnung eines sichern Urtheils über die Zweckmässigkeit der An-
wendung dieses oder jenes Mittels zur Erreichung desselben Zieles bietet
die vergleichende Technologie ausserordentliche Vorzüge gegenüber der
speciellen. Während die letztere nur die Bekanntschaft mit ganz be-
stimmten Zweigen der mechanisch - technischen Gewerbthätigkeit yer-
^) Ezner, Ein System der vergleichenden mechaDischen Technologie.
Dingler*B polyt Journal, Bd. 214, 8. 410 ff.
4 Einleitung.
mittelt, giebt uns die vergleichende Technologie die Befähigung, auch
in anbekannten Grebieten uns rasch zu Orientiren. Daher bildet aie den
Hanpttheil des vorliegenden Lehrbuches; und die am Schlosse desselben
aus der speciellen Technologie gegebenen Beispiele sollen eben nur
für einzelne, besonders wichtige oder durch ihre Anfertigung besonders
lehrreiche Gebrauchsgegenstände die nöthigen Ergänzungen liefern.
Erster Theil.
Allgemeine oder vergleicliexide Technologie.
Erster Abschnitt.
Allgemeines.
1. Die Metalle, ihre Legirungen und metalliBchen
Verbindungen.
Der Begriff des Ausdrucks „Metall** lässt sich in zweierlei Weise
erläutern. Vom Standpunkte des Chemikers bedeutet der Ausdruck
Metall einen einfachen Körper (Element), welcher in chemischer Vereini-
gung mit Sauerstoff vorzugsweise basische Yerbindungen bildet, zum
Unterschiede von Nichtmetallen oder Metalloiden, welche mit Sauerstoff
vorwiegend saure Verbindungen eingehen.
Für den Gewerbtreibenden treten gewöhnlich die physikalischen Eigen-
schaften der Metalle zur Erläuterung ihres Begriffes mehr in den Vorder-
grund. Es sind dieses der eigenthümliche Metallglanz, Undurchsichtig-
keit, starke Leitungsfahigkeit für Wärme und Elektricität. Während
man vom chemrischen Standpunkte unter „Eisen" den reinen Stoff be-
greift, steht der Ge werbtreibende nicht an, diese Benennung beizu-
behalten, auch wenn die Analyse 10 Proc. und mehr fremde Bestand-
tbeile nachweisen sollte , so lange jene physikalischen Eigenschaften des
„ Metalls ** gewahrt bleiben^).
>) Spiegeleuen z. B. enthält oft über 25 Proc. fremde, darunter 6 bis 7 Proc.
entscliieden nichtmetalllsclie Bestandtheile , gehört aber trotzdem im Handel
und Gewerbe unter die Classe der Metalle und unter die Benennung nEisen".
6 Metalle.
Alle Körper, welche die Chemie unter die Metalle zählt, liisst auch
die Technologie als solche gelten; Antimon und Arsen, welche ihrem che-
mischen Verhalten nach von manchen Chemikern zu den Metalloiden ge-
zählt werden, fügt man in der Technologie ihrem physikalischen Ver-
halten and ihrer Verarbeitungsfahigkeit entsprechend gleichfalla den
Metallen bei.
Der Metallarbeiter würde nicht wenig erstaunt sein zu hören, dass
Antimon kein Metall sei.
Unter den 49 Metallen, welche uns demnach unter Hinzurechnung
der beiden letztgenannten Körper die Chemie kennen lehrt, findet sich
jedoch nur eine beschränkte Anzahl solcher Metalle, welche sich für eine
gewerbsmässige mechanische Verarbeitung zu Gebrauchsgegenständen
eignen.
Auch diese 'Metalle lassen sich wieder in zwei Gruppen sondern:
1. solche Metalle, welche für sich allein, ohne Vereinigung mit einem
andern Metalle yerarbeitet werden können, nämlich:
Eisen,
Kupfer,
Zink,
Zinn,
Blei,
Silber,
Gold,
Aluminium,
Platin;
2. solche Metalle, die niemals oder doch nur höchst selten für sich
allein, wohl aber mit anderen Metallen der ersten Gruppe t er-
einigt verarbeitet werden.
Hierher gehören als häufig benutzte Metalle:
Antimon,
Wismuth,
Nickel;
als weniger häufig benutzte:
Kadmium,
Mangan,
Wolfram,
Chrom,
Arsen,
Iridium.
Eine solche Vereinigung zweier oder mehrerer Metalle, durch Zu-
sammenschmelzen dargestellt, nennt man eine Legirung.
Die Metalllegirungen bilden gewissermaassen eine Zwischenstufe
zwischen chemischer Verbindung und mechanischer Mischung und bie-
ten dadurch dem Chemiker besonderes Interesse. Während es einestheils
möglich ist, die meisten Metalle in allen möglichen Gewichtsverhältnissen
Legirungen. 7
zuaammeDznscliinelzen , za legiren, finden sich andererseits wieder Ver-
einigungen der Metalle nach ganz bestimmten Gewichtsverhältnissen,
krystallisationsfähig , und unter günstigen Umständen mit allen Kenn-
zeichen einer chemischen Verbindung aus einem grossem Metallgemische
sich aussondernd.
Wenn man z. B. silberhaltiges Blei schmilzt und langsam erkalten
lässt, so scheiden sich allmählig aus der geschmolzenen Masse octaedrische
Krystalle einer silberärmeren Legirung aus, die sich durch Ausschöpfen
entfernen lassen, und es hinterbleibt eine silberreichere Legirung «im
flüssigen Zustande (Pattinson'soher Entsilberungsprocess).
Wenn man gleiche Theile Blei und Zinn zusammenschmilzt und
langsam abkühlen lässi, so erstarrt eine bleireiohere Verbindung zuerst
und es hinterbleibt eine zinnreichere im flüssigen Zustande.
Wenn man Legirungen von Kupfer und Zinn derselben Behandlung
aussetzt, so erstarrt eine kupferreichere zuerst und eine zinnreiohere
bleibt flüssig.
Immerhin finden sich aber auch einige Legirungen nach ganz be-
stimmten Gewichtsverhältnissen, welche dieses Verhalten nicht zeigen;
z. B. unter den Kupferzinnlegirungen eine solche nach der Formel
SujCuij zusammengesetzt (Künzel); öder nach Riebe die Legirungen
SnCtt) und SnCoi. Man nennt derartige Legirungen constante«
Solche Vorkommnisse sind ungemein zahlreich und werden bisweilen
zur Ausscheidung bestimmter Legirungen benutzt. Man nennt ein sol-
ches Verfahren, eine schwerer schmelzbare Legirung von einer leichter
schmelzbaren zu trennen durch langsame Erkaltung oder auch durch
vorsichtiges Erwärmen der starren Legirung bis zu einem Punkte,* wo
nur die leichter schmelzbare sich verflüssigt, Saigern (Sickern, Sichern).
Je allmähliger hierbei die Erkaltung beziehentlich die Erwärmung
vor sich geht, desto abweichender pflegt die quantitative Zusammen-
setzung der neu entstandenen beiden Legirungen zu sein.
Künzel ist der Ansicht, dass zwei Metalle, welche entweder beide
leicht oder beide schwer krystaUisiren , constante, nicht saigemde Legi-
rungen geben, Metalle, von denen eines leicht, das andere schwer kry-
stallisii-t (Kupfer mit Zinn, Kupfer mit Blei) leicht saigemde Legirungen
geben ^), eine Theorie, webhe nicht immer Bestätigung finden dürfte.
Auf die Entstehung wirklicher chemischer Verbindungen beim Legi-
ren der Metalle deutet auch die mehrfach beobachtete Temperaturerhöhung
im Augenblicke der Vereinigung, die bis zum Erglühen sich steigern kann.
Eine Legirung im weitern Sinne lässt sich also bezeichnen als ein
Gemisch chemischer Vereinigungen von Metallen, meistens gelöst im
Ueberschusse eines der oonstituirenden Metalle. Dabei können eine oder .
mehrere Verbindungen gleichzeitig neben einander vorhanden sein; ebenso
kann die Anzahl der legirten Metalle unbegrenzt sein, indem entweder
^) Künzel, Ueber Bronzelegirangen, Dresden 1875, S. 18.
8 Leginmgen.
ein Metall ein anderes in seiner Verbindung sabstitnirt oder ancfa, indem
ea aelbstatändig eine zweite oder dritte Verbindung eingeht, die sich
neben der schon Torhandenen löst.
Etwas anders erkl&rt A. Matthiessen den Begriff einer Legimng ^).
Er nennt Legimng ^eine starr gewordene Lösung eines Metalls in einem
andern Metall/ Er theilt die Metalle in zwei Classen; die eine, mit A
bezeichnet, enth< Blei, Zinn, Zink, Kadmium, die zweite, B, enth&It alle
ftbrigen Metalle« Legirungen aus den Metallen A zeigen physikalische
Charaktere, welche das Mittel der beiden Bestandtheile sind; die Eigen-
schaften der Metalle B dagegen werden durch Zusatz selbst geringer
Mengen anderer Metalle so gänzlich verändert, dass die daraus resulti-
renden Legirungen nur als „starrgewordene Losungen allotropischer
Modificationen der Metalle in einander" betrachtet werden können.
Wir werden später sehen, dass Matt hiessen^s« Behauptung hin-
sichtlich der Metalle A auch nur hinsichtlich einiger physikalischen
Eigenschaften zutreffend sein kann; andere f&r die Verarbeitung der Le-
girungen sehr wichtige Eigenschaften, wie z. B. der Schmelzpunkt, ver-
halten sich Tollständig anders. Es liegt also durchaus kein Grund yor,
an Stelle der einfacheren Erklärung des Begriffs Legirung die ferner^
Hegende durch allotropische Modificationen zu setzen.
Für die Verarbeitung der Metalle besitzen die Metalllegirungen eine
ungemeine Wichtigkeit. Es zeigt sich nämlich bei der Legirung ver-
schiedener Metalle häufig das überraschende Ergebniss, dass die physi-
kalischen Eigenschaften der entstandenen Legirung — wie bereits an-
gedeutet wurde — erheblich yon den Eigenschaften der constituirenden
Bestandtheile abweichen. Aus zwei weicheren Metallen kann unter Um-
ständen eine viel härtere Legirung hervorgehen; aus zwei Metallen von
hohem Schmelzpunkte eine Legirung von niedrigerem Schmelzpunkte u. s. f.
In anderen Fällen wieder, besonders wenn Metalle von sehr abweichen-
den Eigenschaften vereinigt werden, findet eine Ausgleichung, Ab-
schwächnng der Extreme statt. Man ist im Stande , ein sprödes Metall
durch Zusatz eines andern in bestimmten Verhältnissen weicher, dehn-
barer, ein weiches Metall härter, widerstandsfähiger zu machen.
Es geht aus dieser Eigenthümlichkeit der Legirungen ohne Weite-
res hervor, welche wichtige Handhabe die Darstellung derselben für die
mechanische Verarbeitung der Metalle bietet. Man ist bei Herstellung
eines einzelnen Gegenstandes nicht mehr beschränkt auf die Anwendung
eines einzelnen Metalls mit ganz bestimmten Eigenschaften, die oft dem
vorliegenden Zwecke keineswegs ganz entsprechen, sondern man hat ein
Mittel in der Hand, durch Zusätze anderer Metalle Eigenschaften in der
entstandenen Legirung hervorzurufen, wie sie sich theils als f5rderlich für
1) Chemical News 1867, XV, p. 78; daraus in DingleHs polyt. Joum.
Bd. 184, 8. 241; Polytechnisches Centralhlatt Jahrgang 1867, S. 914; Wagner's
Jahresbericht Bd. 13 u. A.
Legirungen. 9
die Verarbeitung, thoils als sweckmässig für die Benntzang des fertigen
Gegenstandes heraosgestellt haben.
Daher kommt es, dass aach anter jenen in erster Gmppe aufgeführ-
ten Metallen mehrere seltener allein als mit anderen Metallen derselben
oder der später erw&hnten Gruppe legirt zur Verarbeitung gelangen,
z. B. das Zinn, Gold, Silber.
In Folge der grossen Wichtigkeit, welche die Legirungen demnach
für die Praxis besitzen, hat man bestimmten vielfach benutzten Legirun-
gen selbstständige Benennungen gegeben, welche die Bestandtheile der-
selben gar nicht mehr andeuten.
Tombak heisst eine vorzugsweise zu Schmucksachen benutzte Le-
girung von Kupfer und Zink mit einem Gehalte von höchstens 18 Proc.
Zink, öfter bedeutend weniger, daneben als mehr zufällige Beimengungen
bisweilen Blei oder Zinn enthaltend, z. B.
Kupfer Zink Zinn
Französischer Tombak zu Gewehrbeschlägen 80 17 3
Tombak von Oker 85 16 —
Wiener Tombak . , 92 8 —
Desgl. rother 97,8 2,2 —
Rothguss nennt man dieselbe Legirung, wenn sie — besonders im
Maschinenbau — zum Gusse benutzt wird, zu Zapfenlagern und ähn-
lichen Gegenständen, z. B. 87 Thle. Kupfer, 13 Thle. Zink. Der Unter-
schied zwischen Tombak und Rothguss beruht also vorwiegend in der
Art der Verwendung und man sucht durch bestimmte Gewichtsverhält-
nisse zwischen Kupfer und Zink eben solche Eigenschaften hervorzurufen,
welche der Art und Weise der Verarbeitung zu jener Verwendung ent-
sprechen ^).
Messing wird eine Legirung aus Kupfer und Zink genannt, wenn
deren Zinkgehalt grösser ist, als der des Tombaks. Die meisten Messing-
sorten enthalten 24 bis höchstens 37 Proc. Zink, häufig geringere Men-
gen von Zinn und Blei, z. B.
Kupfer Zink Blei Zinn
Gegossene Uhrräder .... 60,66 36,88 — 1,35
Gusswaaren aus Iserlohn . . . 63,70 33,50 0,30 2,50
Französisches Messingblech . . 64,60 33,70 1,40 0,20
Messingblech von Iserlohn . . 70,1 29,9 — —
Messingdraht aus Augsburg . 71,89 27,63 0,85 —
^) Der Ausdruck „Rothguss" pflegt überhaupt jede dunkel gefärbte, also
knpferreiche Ijegirung zu bezeichnen, sofern die daraus hergestellten Gegen-
stände — meistens Maschinentheile — durch Giessen hergestellt sind; häufig
enthält der Bothguss g;rössere Mengen von Zinn, gehört also der Classe der
liCgirungen an, welche wir Bronzen nennen (siehe unten).
10 Legirungen.'
Es yerdieut Erwftfanang, dass das MessiDg weit früher uIb das Zink
in metallischer Form bekannt war. Während letsteres erst im 15. Jahr-
hundert selbstständig aus seinen Erzen abgeschieden, im vorigen Jahr*
hundert aber zuerst gewerbsmässig dargestellt wurde, war das Messing —
das Aurichalcnm der Römer — schon zu Plinins* Zeiten bekannt und
wurde durch einen reducirenden Schmelzprooess Ton Kupfer mit Zink-
erzen gewonnen. Viele Münzen aus der Zeit der römischen Kaiser be-
stehen aus Messing; z. B.
Kupfer Zink Zinn Blei
Münze von Tiberius (noch Goebel) 72,2 27,7 — —
Münze von Nero (nach Klapproth) 80,1 19,9 1,1 —
Münze von Augustus (nach Klapp-
roth) 79,3 20,7 — —
Im Handel begegnet man nicht selten Benennungen von Metall-
waaren, die im Grunde nichts anderes sind, als schon unter anderen
Namen bekannte Legirungen , von den Fabrikanten aber mit neuen Be-
zeichnungen benannt werden, theils um ein gewisses Gewichts verhältniss
der Bestandtheile und dadurch die aus diesem Gewichtsverhältnisse ent-
springenden Eigenschaften der Legirung zu kennzeichnen, häufig aber
auch, um eine neue Waare mit dem Schleier des Absonderlichen,
noch nicht Dagewesenen zu umgeben und ihr dadurch bessern Absatz zu
verschaffen. Solche in die Gattung ,yMe88ing*' oder „Tombak^ gehören-
den Legirungen sind unter Anderen: Pinchbeak, aus 90 Thln. Kupfer,
10 Thln. Zink; Ghrysochalk, a^s 90,5 Thln. Kupfer, 7,9 Thln. Zink,
1,6 Thl. Blei; Chrysorin, aus 66Va Thln. Kupfer. 33Vs Thln. Zink;
Prinzmetall, aus 75,7 Thln. Kupfer, 24,3 Thln. Zink; Semilor oder
Mannheimer Gold, aus 83,7 Thln. Kupfer, 9,3 Thln. Zink, 7 Thln.
Zinn; Muntzmetall, in England für Schiffsbeschläge verwendet und
von dem Erfinder Muntz aus 60 Thln. Kupfer, 40 Thln. Zink zusammen-
gesetzt; Aiohmetall oder Sterrometall, von Aich erfunden und den
Analysen zufolge bestehend aus 60 bis 65 Thln. Kupfer, 40 bis 35 Thln.
Zink u. a. m.
Auch der bisweilen benutzte Name Composition pflegt irgend eine
Messinglegirung zu bezeichnen.
Karmarsch nennt alle Legirungen aus Kupfer und Zink „Gelb-
kupfer^ ; häufiger als diese sonst nicht übliche Benennung für das Metall
ist für den Yerfertiger gegossener Gegenstände aus Kupferzinklegirungen
die Bezeichnung „Gelbgiesser*' geworden.
Bronze bezeichnet Legirungen aus Kupfer und Zinn (reine Bronze)
oder auch aus Kupfer, Zinn und Zink (messingartige Bronze). Daneben
finden sich als nicht constituirende Bestandtheile — theils absichtlich
zugesetzt, theils unabsichtlich hinzugekommen — geringere oder grössere
Mengen von Blei, auch wohl Eisen oder Antimon. Der Zinngehalt steigt
selten über 27 Proc. und sinkt für gewisse Zwecke auf 1,5 Proc. Dieser
Legirungen. 11
absichtlich zageseizte Zinngehalt bedingt die Benennung „Bronze ". Aach
im Messing findet sich, wie oben mitgetheilt, nicht selten ein Zinngehalt
nnd es sind daher die üeberg&nge zwischen Messing nnd messingartiger
Bronze zahlreich. Besonders enthalten die zum Statnengosse verwende-
ten Legirungen nicht selten mehr Zink als Zinn, wie sich aus folgender
Zusammenstellang der Zusammensetzung älterer und neuerer Statuen
ergiebt :
Kupfer Zink Zinn Blei Eisen Nickel Antim.
Löwe auf dem Burgplatze
in Braunsohweig (12.
Jahrhundert) ... 81,0 10.0 6,5 2,5 — — —
Diana im Hofgarten zu
Manchen, 1600 ge-
gossen 77,03 19,12 0,91 2,29 0,12 0,43 —
Mars und Venus in Mün-
chen aus dem Jahre
1586 94,12 0,30 4,77 0,67 — 0,48 —
Grosser Kurfürst in Ber-
lin, 1703 .... 89,09 1,64 5,82 2,62 0,13 0,11 0,60
Bachus im sicilianischen
Garten in Sanssouci
bei Potsdam 1835 . 89,34 1,63 7,60 1,21 0,18 — —
Als „Normalbronze*' für Statuenguss, ausgezeichnet durch eine
Reihe vorzüglicher Eigenschaften zum Gusse, bezeichnet Elster eine
Legirung aus
86V3 Thln. Kupfer,
6Vs „ Zinn.
31/3 n Blei,
31/3 „ Zink.
Reiner ausgeprägt zeigt sich die Zusammensetzung der eigentlichen
Bronze im sogenannten Glocken metall, welches ann&hemd aus 75 Thln.
Kupfer, 25 Thln. Zinn, bis zu 80 Thln. Kupfer, 20 Thln. Zinn zu be-
stehen pflegt, bisweilen allerdings auch Zink und Blei enthaltend (das
Gonggong oder Tamtam der Chinesen besteht aus 80 Thln. Kupfer mit
20 Thln. Zinn)^); ferner im Geschützmetall oder Stückgut, durch-
schnittlich 10 Thle. Zinn auf 90 Thle. Kupfer enthaltend. Zahlreiche
Analysen solcher Bronzen sind in Mnspratt-Kerl's Chemie, Braun-
schweig 1868, in. Bd., S. 1123 u. 1134, mitgetheilt.
^) Ein Silbergehalt der Glocken, welchem Laien noch jetzt bisweilen Ein-
wirkung auf den Klang zuschreiben, ist. gänzlich ohne Einflnsi und die sehr
geringen Mengen von Silber, die überhaupt in älteren Glocken gefunden wer*
den, beweisen, dass auch die alten Giesser diesen Umstand wohl gekannt haben
und dass die vielfitch dargebrachten frommen Silberspenden wohl in die Tasche
derselben, nicht aber in den Sehmelzofen geflossen sind.
]2 Legirungen.
Unter die Grattnng „Bronze" gehört aach das sogenannte Spiegel-
metall, neben ca. 68 Thln. Knpfer hauptsächlich Zinn und häufig einige
Procente Arsen enthaltend (Analysen a. a. 0. S. 1135).
Der im Altertbnme häufig benutzte Ausdruck £rz, Eigenschafts-
wort ehern, bezeichnet nichts anderes als die heutige Bronze aus Kupfer
und Zinn. Antike Waffen enthalten 80 bis 88 Thle. Kupfer, daneben
Zinn und bisweilen Blei ; antike Statuen 76 bis 95 Thle. Kupfer mit Zinn
und Blei ; ebenso zusammengesetzt sind antike Bronzemünzen.
Neusilber nennt man Legirungen aus Kupfer, Nickel und Zink.
Bisweilen finden sich geringere Mengen von Eisen oder Kadmium. Andere
Benennungen des Neusilbers sind Argentan, Alfenide, Alpaka, Chri-
stoflemetall.
Das Mengenverhältniss der Metalle unter einander in diesen Legi-
rungen pflegt derartig zu sein, dass sich die Menge des Kupfers zum
Zink annähernd wie 8 : 3 verhält; die Menge des Kupfers plus Zink
zum Nickel wie 3 : 1 bis 8 : 1. Doch finden sich auch hiervon begreif-
licherweise zahlreiche Abweichungen, je nachdem der Fabrikant die eine
oder die andere Eigenschaft der Legirung mehr hervortreten lassen oder
mehr abschwächen will, z. B. ^):
Kupfer
Zink
Nickel
Eisen Kadmium
Englisches Neusilber zu
Tischgeräthen . . .
. 63,34
17,01
19,13
0,52 —
Wiener desgl
. 55,6
22,2
22,2
^a^m^ * ^^»^
Französisches desgl. . .
. 50,00
31,25
18,75
Desgl.
. 59,1
30,2
9.7
1,0 —
Desgl. zu Löffeln . .
. 69,9
5,6
19,8
4,7 -•
Aluminiumbronze nennt man eine zu Schmucksachen und tech-
nischen Zwecken verwendete Legirung von Alnminium und Kupfer,
gewöhnlich 90 bis 97 Thle. Kupfer, 10 bis 3 Thle. Aluminium ent-
haltend.
Hartblei sind Legirungen von Blei mit Antimon in verschiedenen
Verhältnissen mit einem Antimongehalte bis zu 20 Proc, bisweilen unter
Zusatz von Zinn, Wismuth, Zink oder Kupfer.
Weissmetall, zu Zapfenlagern benutzt, ist dem Hartblei ähnlich
und enthält Zinn und Antimon, oder Zinn, Blei, Antimon, oder Zinn,
Antimon, Kupfer. In allen Fällen wiegt das Zinn vor oder ist durch
Blei vertreten; der Antimongehalt beträgt höchstens 25 Proc., selten
mehr als 12 Proc.
Britanniametall, zu Haus- und Küchengeräthen benutzt, besteht
im Wesentlichen aus 85 bis 90 Thln. Zinn mit 15 bis 10 Thln. Antimon,
auch wohl geringere Mengen von Kupfer, Zink, Nickel oder Wismuth
enthaltend.
^) K arm a räch, Mechanische Technologie, 5. Ausgabe, Bd. I, S. bS.
Vereinigung der Metalle mit Nichtmetallen. 13
Obgleich die Einflüsse, welche die Legirang eines Metalls mit einem
andern anf die Eigenschaften beider hervorruft, bereits zahlrmchen Ver-
suchen unterworfen worden sind, so von Karsten, Hallet, Riebe und
Anderen, so sind diese Versuche bei weitem noch nicht ausreichend ge-
wesen, um ein wissenschafbliches System über diese gegenseitigen Einflüsse
darauf begründen zn können. Man hat sich bis jetzt im Allgemeinen
begnügen müssen , festzustellen , dass Legirungen in den und den Ge-
wichtsyerhältnissen die und die Eigenschaften besitzen; man hat auch
wohl in einzelnen Fällen ermittelt, wie das Hinzutreten eines dritten
Metalls zu einer bekannten Legirung deren Eigenschaften ändert. Erwägt
man aber, welche grosse Reihe von Combinationen in dieser Beziehung
möglich ist; erwägt man femer, dass die im Handel vorkommenden Me-
talle niemals ganz rein sind, so dass man mit scheinbar ganz gleich zn-
sammengesetzten Legirungen ganz abweichende Erfolge erzielen kann;
und endlich, dass auf die Eigenschaften der Legirung auch, wie wir
später sehen werden, das bei ihrer Herstellung und Prüfung beobachtete
Arbeitsverfahren von grossem Einflüsse ist, so lässt sich ermessen, wie
ungemein schwierig es ist, umfassende systematische Lehrsätze für das
gegenseitige Verhalten der Metalle in den Legirungen aufzustellen.
Man wird unter Beobachtung bestimmter Erfahrungsresultate, auf
die wir bei Besprechung der Eigenschaften der Metalle und Legirungen
vielfach zurückkommen werden, es den Versuchen des Praktikers über^
lassen müssen, Legirungen zu bilden, welche seinem jedesmaligen Zwedke,
seinem Arbeitsverfahren und der chemischen Beschaflenheit der ihm zu
Oebote stehenden Handelsmetalle entsprechen.
Vereinigung der Metalle mit Nichtmetallen.
In ähnlicher Weise, wie mehrere Metalle sich zu Legirungen -ver-
einigen, können auch in einzelnen Fällen Nichtmetalle von den Metallen
aufgenommen werden oder sich mit ihnen vereinigen, ohne dass deren
Eigenschaft als gewerbliches Metall ihnen dadurch genommen wird. Bis-
weilen kommen solche fremde Körper zufällig und in geringen Mengen
vor, bisweilen aber bilden sie absichtlich zugefügte Bestandtheile des
Metalls zu dem Zwecke, die Eigenschaften desselben zu beeinflussen.
In dieser Beziehung bietet das Eisen höchst interessante Erschei-
nungen. Während Legirungen desselben mit anderen Metallen nur sehr
ausnahmsweise Verwendung finden , bildet der Kohlenstoff einen steten
und für die Verarbeitungsfähigkeit höchst wichtigen Begleiter des Eisens.
Mit der Höhe des Kohlenstoffgehaltes im Eisen ändern sich aber die
physikalischen Eigenschaften desselben in auffallender Weise. Bei Be-
sprechung der Eigenschaften der Metalle bezüglich' ihrer Verarbeitung
werden wir vielfach Gelegenheit haben, auf diesen Umstand zurückzu-
kommen. In Folge dieser« durch verschiedenen- Kohlenstoffgehalt verf
14 Vereinigung der Metalle mit Nichtmetallen.
Bchiedenen Eigensohaften des Eiseus clasuficirt man dasselbe nnter drei
Benennongen:
Schmiedeeisen mit einem Kohlen stoffgehalte Ton 0,1 bis 0,5 Proc.
(durchschnittlich) ;
Stahl mit einem Kohlenstoffgehalte Yon 0,5 bis 1,5 Proc. (durch-
schnittlich);
Roheisen mit einem Kohlenstoffgehalte von 1,5 bis 6 Proc.
Eisensorten mit erheblich höherem Kohlenstoffgehalte als 6 Proc.
lassen sich technisch nicht darstellen.
Enthalt das Roheisen nur Eisen und Kohlenstoff, so besitzt es Eigen-
Schäften, die es flür die Verwendung zu Gebrauchsgegenständen im All-
gemeinen unfiähig machen. Es ist hart, spröde und wird mit seltenen
Ausnahmen nur zur weiteren hüttenmännischen Verarbeitung benutzt
Man nennt es seiner weissen Farbe wegen weisses Roheisen. Nimmt
nun aber das Roheisen neben Kohlenstoff noch gewisse Mengen von Sili-
cium auf, so tritt abermals eine höchst wichtige Aenderung in den Eigen-
schaften desselben ein. Es verliert einestheils die Fähigkeit, jenen Ma-
ximalgehalt an Kohlenstoff aufzunehmen und enthält selten mehr davon
als 4 Proc; der aufgenommene Kohlenstoff aber scheidet sich bei all-
mähliger Erkaltung des erstarrenden Eisens selbstständig aus, lagert sich
als Graphit zwischen die Krystallflächen desselben und giebt ihm eine
mehr oder weniger dunkele Färbung, in Folge deren man das Eisen
graues Roheisen, oder, wenn es zur Verarbeitung durch Giessen be-
stimmt ist, Gusseisen nennt. Dasselbe hat die Sprödigkeit und Härte
des weissen Eisens verloren und bildet ein vorzügliches Material für die
mechanische Verarbeitung durch Giessen. Diese Wirkung des Siliciums
auf die Eigenschaften des Roheisens kann, wenn das Eisen übrigens rein
ist und die Erkaltung langsam vor sich geht, schon durch einen Silicium-
gehalt von 0,2 Proc. hervorgerufen werden; sie steigert sich mit zuneh*
inendem Gehalte an Siücium , welches in viel weiteren Grenzen als Koh-
lenstoff vom Eisen aufgenommen werden kann, obschon die wenigsten
Roheisensorten Über 2,5 Proc. zu enthalten pflegen. Legirt man nun
aber das Roheisen mit Mangan, so wird jener Einfluss des Siliciumgehal-
tes^ wieder abgeschwächt und bei reichlichem Mangangehalte kann das
Roheisen selbst mit 1 Proc. Silicium noch den Charakter als weisses
Roheisen behalten.
Käufliches Kupfer enthält stets gewisse Mengen von Sauerstoff,
welche bei dem raffinirten sogenannten hammergaren Kupfer 0,04 bis
0,16 Proc. zu betragen pflegen. Dieser Sauerstoffgehalt tritt jedoch nicht
selbstständig als solcher auf, sondern theik mit Kupfer zu Kupferoxydu]
▼ereinigt, theils — nach Hampe — an fremde Metalle gebunden, welche,
als saure und basische Oxyde unter sich wieder zu Salzen vereinigt, als solche
in Kupfer gelöst sind. Solche Salze sind arsensaures und antimonsaures
Vereinigung der Metalle mit Nichtmetallen. 15
Wismntboxyd , Bleioxyd u. a. ^). Diese Met-allsalze beeinträchtigen die
Eigenschaften des Kapfera in geringerem Maasse, als wenn sie reduoirt
werden nnd als Metalle sich mit dem Knpfer legiren. Schon ein sehr ge-
ringer Gehalt derselben macht das Kupfer brüchig, untauglich fär die
mechanische Verarbeitung. Daher ist ein Sauersto£fgehalt des Handels-
kupfers wichtig, sobald es jene Bestandtheile enthält; unyermeidlich da-
bei ist die gleichzeitige Gegenwart von £upferoxydnl neben den oxydir-
ten fremden Metallen.
Eine weitreichende praktische Verwerthung fand die im letzten
Jahrzehnt gemachte Entdeckung von den Einflüssen eines geringen
Phosphorgehaltes auf die Eigenschafken der Bronze. Obschon die
Priorität der Ei*findung nicht ganz festgestellt ist, so gebührt doch un-
streitig den Herren Monte fiore-Leyi und Dr. Künzel in Val-Benoit
bei Lüttich') das Verdienst, durch eine grosse Anzahl von Versuchen
die eigenthümlichen Eigenschaften phosphorhaltiger Bronzen zuerst in
wissenschaftlicher Weise ermittelt und an die Oeffentlichkeit gebracht
zu haben.
Es sei beiläufig erwähnt, dass sich Phosphorkupfer mit 14 Proc.
Phosphor (welcher Gehalt aber beim Umschmelzen niohi constant bleibt)
durch Erhitzen im Tiegel von 4 Thln. saurem, phosphorsaurem Kalk,
2 Thln. granulirtem Kupfer, 1 Tbl. Kohle darstellen lässt; dass Phosphor-
zinn von oonstanter Zusammensetzung mit 5,6 Proc. Zinn (Sn9P) durch
Schmelzen von Zinn und Phosphor gewonnen werden kann. Der Phos-
phorgehalt der verarbeiteten „ Phosphorbronze ^ ist in allen Fällen ein
sehr unbedeutender; der Zinngehalt gewöhnlich 8 bis 9 Proc.; z. B.
Kupfer ....
Zinn
Phosphor. . . .
Dass ein so geringer Phosphorgehalt nicht im Stande sein kann,
direct so tiefgehende Einflüsse auf die Festigkeit und andere Eigen-
schaften der Bronze hervorzurufen, wie sie in der That nachgewiesen
worden sind, ist wohl selbstverständlich. Künzel schreibt wohl mit
Recht die Wirkung des Phosphorgehaltes dem Umstände zu, dass der
Phosphor reducirend auf vorhandene Oxyde wirke. Wie das Kupfer
Kupferoxydul enthält, so enthält die bei Luftzutritt geschmolzene Bronze
Kupferoxydnl und Zinnoxyd. Beide Oxyde lösen sich in dem Metallbade,
lagern sich beim Erstarren zwischen die Metallmolecüle und verringern
ganz bedeutend die Festigkeit nnd Zähigkeit der ans der Legirung her-
gestellten Gussstücke '). Durch Bühren des Metallbadee mit birkenen
90,34
90,86
94.70
8,90
8,56
4,38
0,76
0,196
0,55
1) Hampe, Beiträge zur Metftlloi'gie des Kupfers. Zeitschrift für Berg-,
Hütten- und Salinenwesen im preossischen Staate, Bd. 21, 8. 253.
') Letzterer verstarb kürzlich in Blasewitz bei Dresden.
S) Kanzel, Ueber Bronzelegirangen. Dresden 1875, 8. 20 u. 22.
16 Ziiinprobe.
Stangen (Polen) l&sst sich in Folge der reducirenden Wirkung der dabei
ans dem Holse sich entwickelnden Gase das Kupferoxydal zerstören, nicht
aber das Zinnozyd^). I^etzteres wird aber nebst allen übrigen vorhande-
nen Metalloxyden sofort rednoirt, sobald eine entsprechende Menge Phos-
phor in das Metallbad geführt wird. Es entsteht Phosphorsänre, welche
jedenfalls an die Oberflache des Metallbades emporsteigt und so entfernt
wird. Auch Antimon, Arsen, Wismuth, um derentwillen ein Sauerstoff-
gehalt im Kupfer nothwendig ist, werden unstreitig reducirt, wenn sie
überhaupt noch vorhanden sind. Ihr Einfluss auf die Eigenschaften der
Bronze ist aber ein weit unerheblicherer, weniger bemerkbarer als beim
reinen Kupfer.
Bei den tief eingreifenden Einflüssen, welche die Aufnahme fremder
metallischer oder nicht metallischer Körper auf die Eigenschaften der
Metalle ausübt, ist es nicht ohne Wichtigkeit, Merkmale zu besitzen,
nach welchen sich die Gegenwart solcher fremden Körper ohne Weiteres
erkennen und quantitativ benrtheilen lässt. Nicht immer ist dieses ohne
eine zeitraubende Untersuchung möglich. Viele Metalle zeigen jedoch,
besonders im geschmolzenen Zustande, gewisse Erscheinungen an der
Oberfl&che, die es dem geübten Auge möglich machen, schon ohne Weite-
res ein ziemlich sicheres Urtheil über ihre Beschaffenheit zu gewinnen.
Nicht bei allen Metallen sind diese Erscheinungen, die häufig aus
dem sich verschiedenartig äussernden Krystallisationsbestreben hervor-
gehen, mit dem ihnen gebührenden Interesse studirt worden. Es mögen
daher einige Beispiele genügen, darauf hinzuweisen, mit welcher Deut-
lichkeit sich ofb verhältnissmässig unbedeutende Abweichungen in der
Zusammensetzung der Handelsmetalle und Legirungen schon im flüssigen
Metalle erkennen lassen.
Schmilzt man reines Zinn und giesst es auf eine Flache aus , kurz
bevor es erstarrt, so gewahrt man eine weisse glänzende Oberfläche ohne
andere auffällige Erscheinungen als die häufig in der Mitte der liläcbe
sich zeigende Neigung, eine schwache Einsenkung mit Krystallauswüch-
sen zu bilden.
Legirt man das Zinn mit einem Viertel seines Gewichts Blei (so
dass die Legirung 80 Thle. Zinn, 20 Thle. Blei enthält) und verfährt wie
vorhin, so zeigen sich beim Erstarren auf der ganzen Oberfläche sehr
feine nadelförmige KrystaUbildungen , wodurch der Glanz des reinen
Zinns verschwindet, während die Oberfläche noch eben und glatt bleibt.
Erhöht sich der Bleigehalt der Legirung auf 33^3 Proc., so treten
weissliche, rundliche, von vertieften Linien eingefasste kleine Flecken
auf, knopfartig oder warzenartig die ganze Oberfläche bedeckend,
Fig. 1.
^) Künzel a. a. O., 8. 22 n. 57.
Spiel des Gusseisens. 17
Bei 50 Thln. Blei, 50 Thlji. Zinn werden diese Flecken grösser, die
einfassenden Linien tiefer, Fig. 2.
Bei 80 Thln. Blei, 20 Thln. Zinn sind die Flecke vollständig ver-
schwanden, die anfänglich glänzende Oberfläche überzieht sich plötzlich wie
p. . F' 2 ™^^ einem Hauche and wird glanzlos
gleich dem matten Silber.
Reines Blei endlich erstarrt mit
glänzender Fläche, auf welcher deut-
lich die krystallinische Textur des
Innern zu erkennen ist.
Bei dem Gusseisen, dem für die
Giesserei am häufigsten benutzten
Metalle, werden die Erscheinungen an der Oberfläche im flüssigen Zu-
stande schon durch sehr geringe Aendemngen in der chemischen Be-
schaffenheit verändert^). Im Voraus muss bemerkt werden, dass diese
Erscheinungen erst eintreten, wenn die Temperatur des geschmolzenen
Eisens sich dem Erstarrungspunkte nähert und die Oberfläche des Eisens
unbedeckt ist. Am besten sind sie erkennbar, wenn man eine Probe des
Eisens in Form eines flachen Kugelabschnittes in Sand giesst und nun
die Oberfläche betrachtet. Man nimmt dann Folgendes wahr.
Enthält das Eisen gleichzeitig viel Kohlenstoff und Silicium, wel-
ches letztere also die graphische Absondenmg des KohlehstofilB beim
Erstarren veranlasst (hochgares Roheisen oder Roheisen Nr. I), so bildet
sich durch Oxydation von viel Silicium und geringeren Mengen metalli-
scher Bestandtheile (Eisen, Mangan) an der Oberfläche des flüssigen Me-
talls eine matte, glanzlose, dicke Haut, und das Eisen erstarrt ruhig
unter derselben, mehr oder minder viel Graphit auch an den Aussen-
flächen absondernd.
Nimmt der Silioiumgehalt ab, so gewahrt man unter der sich bil-
denden Haut Bewegungen im flüssigen Eisen, in Folge deren die Haut
momentan zerrissen wird, so dass das Eij3en mit glänzender Farbe zwi-
schen dem Spalte sichtbar wird. Ist das Eisen noch ziemlich silicium-
und graphitreich, so sind die erwähnten Bewegungen träge, der matte
Ueberzug schHesst sich bald un^ das Eisen erstarrt mit schwach con-
vexer Oberfläche, bisweilen noch eine schwache Erhöhung an der Stelle
zeigend, wo der letzte Spalt sichtbar war (Fig. 3, 4, 5 a. f. S.) — gares
Roheisen oder Roheisen Nr. II.
Mit abnehmendem Siliciumgehalte aber wird das entstehende Haut*
chen immer dünner, die Bewegungen des Eisens immer lebhafter (hal-
birtes Roheisen oder Roheisen Nr. UI). Durch das stete Zerreissen und
Wiederentstehen des Häutchens bilden sich Figuren, durch die Spaltungs-
1) Beb Ott, Die' Kunstgieaserei in Eisen, Braunschweig 1873, B. 10. —
Ledebnr, Das Boheisen in Bezug auf seine Verwendung zur EiBengiesserei.
Leipcig 1872, B. 29.
Le d 0 b a r , mechaniicta-inetallarffiBCho Technologie. 2
18 Spiel des Gusseisens.
lioieD begrenzt, welche Tsnchwindeti nnd neu entstehen. Ea ist diese«
das gSpiel" des GasaeiseDB. Diese Figareo emi bei TerachiedeneD Gase-
Hg. 8.
Hg- 4.
Pig. s.
Flüssig.
Erk&ttet (Quenchnin).
eisensorten verschieden, kehren aber bei gleichen Sorten mit grosser
Regelm&Beigkeit in derselben Weise wieder. Bei reinem Holikohleneisen
zeigen sie sich gemeiniglich als gerade, sich rechtwinklich krenxende
Linien (Fig. 6), bei Kokeeeiaen, vennathlich ab Kennaeichen eioee
geringen Schwefel geholtes , als geeohlossene Dreiecke oder Sechsecke
(Fig. 7). Die Oberfläche ist nach dem Erstarren mit «iner Uenge klei-
ner Kügelchen bedeckt, inwendig hohl, aus oiydirton BeBtsndtheilen des
Gusaeisens bestehend (Fig. 8 nnd 9).
Nimmt auch der Kohlen atoffgehalt betrüchtlich ab (grelles Roheisen
oder Nr. IV), so wird das Spiel undeutlicher, das Eisen wirft ab und an
schwirrende Funken aus, erstarrt bald und bedeckt sich mit grossen
Narben, unter welchen tiefe Löcher be&BdIich sind, Fig. 10 nnd 11. Im
böehaten Stadium dieses kohleustofFarmen grellen Znstandea (hoohgrelles
Roheisen oder Nr. V) nehmen diese Erkennungszeichen des grellen Eisens
noch an Intensität zu nnd statt der tiefen Locher unter den Narben er-
scheinen flache muldenförmige Vertiefungen, wahrend die ganze Ober-
Fig. 10..
üewerbseigenschaften. Festigkeit. 1 9
fläche concave Form zeigt, Fig. 12. Im rothglahenden Zostande überzieht
sich das grelle Eisen plötzlich vom Rande her mit einer dunkeln Haut,
die nach dem Erkalten in grossen Stücken sich loslöst und unter welcher
jene flachen oder tiefen Löcher dann sichtbar werden.
Die Gewerbselgensohaften der Metalle und Le^rirungen.
Die sämmtlichen Eigenschaften der Metalle, sofern sie überhaupt
für die Verwendung derselben zu mechanischer Verarbeitung Beziehung
haben, lassen sich in zwei Gruppen sondern: erstens solche Eigenschaften,
welche auf die Verarbeitung selbst beeinflussend wirken und demgemäss
erst dann besprochen werden sollen, wenn von dieser Verarbeitung die
* Kede sein wird, z. B. Schmelzbarkeit, Dehnbarkeit u. s. w. Wir nennen
diese Eigenschaften Arbeitseigenschaften.' Zweitens solche Eigen-
schaften, welche zwar nicht zu der Verarbeitung der Rohmetalle, wohl
aber zu der Verwendung der fertigen Gebrauchsgegenstande in Beziehung
stehen und demnach deren Zweckmässigkeit und Werth beeinflussen;
wir nennen sie Gewerbseigenschaften.
Hierher gehört als erste Gewerbseigenschaft die Festigkeit der
Metalle, welche bekanntlich bei jedem Gegenstande, der überhaupt auf
Festigkeit in Anspruch genommen wird — z. B. Säulen, Träger, Draht-
seile, Ketten u. s. w. — , zur Ermittelung der Querschnitts Verhältnisse in
Rechnung gestellt werden muss. Diese Festigkeit eines und desselben
Metalls kann nun aber von mehreren Zufälligkeiten abhängig sein, und
aus diesem Gi*unde können eine grössere Anzahl Festigkeitsversuche oft
sehr verschiedene Ergebnisse liefern. Zu diesen Zufälligkeiten gehören
die unabsichtlich vorhandenen fremden Bestaudtheile der Metalle, die
Art und Weise der Behandlung des Metalls bei der vorausgegangenen
Verarbeitung, die Temperatur, bei welcher die Festigkeitsprobe vorge-
nommen wird u. s. w.
Man kann desshalb für die praktische Benutzung zu (Instructions -
zwecken nur Durchschnittsresultate aus einer grösseren Anzahl Versuchen
ermitteln, um auf einigermaassen richtige Angaben zu gelangen.
Solche Festigkeitstabellen finden sich in jedem Lehrbuche der Me*
chanik.
Für die absolute oder Zerreissungsfestigkeit der Metalle
und Legirungen, welche am häufigsten ermittelt worden ist, finden sich
zum Zwecke eines Vergleichs im Folgenden einige Angaben nach den
Mittheilungen von Karmarsch, Wertheim, Künzel u. A. zusammen-
gestellt. Es wird daraus zugleich hervorgehen, welche grossen Einflüsse
die Art der Verarbeitung auf die Festigkeit ausübt
2*
20
Festigkeit
Abflolate Festigkeit in Kilogrammen per Qnadratcentimeter
Querschnitt.
Name der Metalle
Gossstahl
GusseiBen
Bronze mit 10 Proc. Zinn
Phosphorbronze
mit 5 Prcc. Zinn
10 . .
n
Knpfer
Nickelbronze
ans 90 Kupfer
„ 5 Nickel
„ 5 Zinn
aufl 80 Knpfer
, 10 Nickel
„ 10 Zinn
ans 85 Kapfer
, M Nickel
, 5 Zinn
Neusilber ....
Zink
Zinn
Blei
HeMing mit 30 Proc
Aluminium .
SUber . . .
Gold ....
Platin . . .
Schmiedeeisen
Zink
Gegossen
3000 1)
1250
1500
2000
3000
2500
2000.
1300
Geschmiedet, gewalzt oder
gezogen
im gewöhnlichen
Zustande
in harten Drähten
2000
2000
2500
unbestimmt
200
400
100
1250
1100
750
750
4000
10 000
4000
2200
5000
8000
3500
7200
5000
1400
400
175
3300
1500
1900
1800
3000
4000
8000
4O0
230
5000
3500
2500
2800
9000
^) Nach einer Mittheilung des Bochumer Verein» für Bergbau nnd Qnss-
Stahlfabrikation in Bochum an den Verfasser beträgt die Zerreissungsfestigkeit
des rühmlichst bekannten Gussstahlfa^ougusses aus genannter Fabrik 3500 bis
4000 Kilogramm per Quadratcentimeter.
Widerstandsfähigkeit gegen mechanische Abnutzung. 21
Verwandt mit der Festigkeit ist die WiderBtandsf&higkeit gegdn
Abnutzung durch mechanische Einflüsse.
In Fallen, wo diese Einflüsse auf Zerbrechen des Gegenstandes hin-
wirken, ist die Widerstandsfähigkeit mit Festigkeit gleichbedeutend; es
treten jedoch bei der Benutzung noch andere, mannigfache, eine Ab-
nutzung bewirkende mechanische Einflüsse auf, und es ist desshalb jener
Begriff der Widerstandsfähigkeit immerhin relativ.
Der häufigste und wichtigste unter jenen Einflüssen ist die. Rei-
bung. Die Einwirkung derselben aber ist wieder verschieden, 'je nach-
dem gleitende Reibung, Zapfenreibung , rollende Reibung u. s. w. statt-
findet.
Am einfachsten ist der Fall, wenn es nur darauf ankommt, den einen
von zwei reibenden Gegenstanden zu schützen, und auf den andern keine
Rücksicht genommen zu werden braucht. So z. B. bei allen durch
menschliche Hände vielfach berührten Gegenständen, bei denen durch
die oft wiederholte schwache Reibung mit der Hand bald eine merkliche
Abnutzung sich zeigt; oder in umgekehrter Weise bei Geräthen, welche
unausgesetzt der reibenden Einwirkung sich stets erneuernder Massen
ausgesetzt sind : die Pflugschaar, welche den Erdboden aufwühlt, die arhei-
tendenTheile der Zerkleinerungsmaschinen (Walzwerke, Pochwerke, Stein-
brechmaschinen), Mischmaschinen, Hechelmaschinen und vieler anderen;
die Eisenbahnschiene, welche die rollende Reibung der stets sich erneuern-
den Eisenbahnzüge nusziihalten hat u. s. w. In dieser Hinsicht ist die
Widerstandsfähigkeit ein Product aus Festigkeit und Hafte.
Die einfachen für mechanische Verarbeitung benutzten Metalle las-
sen sich hinsichtlich ihrer Widerstandsfähigkeit gegen solche Einflüsse
folgendermaassen eintheilen :
Grosse Widerstandsfähigkeit besitzen:
Stahl, vorzugsweise Gussstahl,
Siliciumarmes Gusseisen bei rascher Abkühlung nach dem Gusse.
Mittlere Widerstandsfähigkeit:
Schmiedeeisen (die Widerstandsfflhigkeit mit dem Kohlenstoff-
gehälte steigend),
Gusseisen bei normaler Abkühlung (im umgekehrten Verhält-
nisse mit dem Kohlenstoffgehalte steigend und abnehmend),
Platin,
Silber,
Gold, •
Aluminium.
Geringe Widerstandsfähigkeit:
Zink,
Blei,
Zinn.
Durch Legirungen lässt sich die Widerstandsfähigkeit bedeutend
steigern. Man legirt zu diesem Zwecke Stahl mit geringen Mengen
22 Widerstandsfähigkeit gegen mechanische Abnutzung.
*
Wolfram, Chrom, Mangan; Kupfer mit Zinn; Gold und Silber mit Kupfer;
Blei mit Antimon.
Inwiefern allein durch mechanische Bearbeitung die Widerstands-
fähigkeit (Härte und Festigkeit) gesteigert werden kann, bleibt einer
sp&tern Erörterung yorbehalten.
Weit verwickelter wird aber der Fall, wenn beide reibenden Theile
der Abnutzung unterworfen sind und widerstandsfähig gegen dieselbe
gemacht werden sollen. Die Harte und Festigkeit des Metalls allein ist
dann nicht mehr maassgebend ; denn in Folge der gegenseitigen Einwir-
kung würde, die grössere Harte des einen Theiles eine schneUere Ab-
nutzung des andern zur Folge haben. Es liegt hier also zunfichst die
Aufgabe vor, solche Metalle zu wählen, deren gegenseitige Reibongscoef-
ficienten möglichst geringe sind, und dann erst durch passenden Härte-
grad die unTermeidliche Abnutzung auf ein kleinstes Maass zu rednciren.
Aus naheliegenden Gründen lässt man in den meisten FäUen zwei ver-
schiedene Metalle auf einander wirken, z. B. bei Zapfen und deren La-
gern, Gleitbacken u. s. w. Die Lösung der Aufgabe, passende MetaUe
für solche Zwecke zu wählen, wird dadurch noch verwickelter, dass
erstens gewöhnlich einer der beiden auf einander wirkenden Theile kost-
spieliger, schwerer ersetzbar ist als der andere, es also auch darauf an-
kommt, nicht allein die Abnutzung durch Reibung thunlichst zu verrin-
gern, sondern auch auf den leichter ersetzbaren Theil zu concentriren,
z. B. bei einem Zapfenlager auf die Pfanne des Lagers, welche leichter
auszuwechseln i^, als der Zapfen der Maschine; bei einem Dampfcylin-
der, in welchem der Kolben hin und her gleitet, auf die Dichtungsringe
des letztem, welche weit leichter sich ersetzen lassen als der Dam pfcy lin-
der, u. 8. f.; dass aber auch zweitens die Reibung durch sogenannte
Schmiermittel (Fett, Graphit) verringert zu werden pflegt, deren Be-
schaffenheit nicht ohne Einfluss auf die Widerstandsfähigkeit der reiben-
den Metalle bleibt.
Gewöhnlich ist das Material des einen Theiles durch constructive
Rücksichten geboten, und man hat der Beschaffenheit dieses Materials
entsprechend das Material des zweiten Theiles zu wählen.
Hierfür bieten wieder MetalUegirungen den weitesten Spielraum
und die beste Gelegenheit, für bestimmte Fälle das geeignetste Material
zu erlangen.
Man hat durch zahlreiche Versuche eine Anzahl geeigneter Legirnngen
für die verschiedenen in der Praxis vorkommenden Fälle .ermittelt, ohne
dass dieselben gerade immer eine wissenschaftliche Begründung besässen.
Beispiele.
Für Zapfen- und Axenlager.
a. Bei niedriger Temperatur schmelzbare Legirungen.
Dieselben können direct um die Zapfen herum gegossen werden and
erfordern keine weitere Bearbeitung, besitzen aber nur einen mittlem
Grad von Widerstandsfähigkeit.
Widerstandsfähigkeit gegen mechanische Abnutzung. 23
Sogenanntes Antifrictionsmetall : 80 Thle. Zink, 14Vi Thle. Zinn,
5Vj Thle. Kupfer.
Weissguss :
42 Thle. Zinn, 42. Thle. Blei, 16 Thle.. Antimon, — Thle. Kupfer, oder
®^T» n — n »11» » 6» 11 »
^0 » n 50 „ „ 10 „ „ - „
und andere ähnlich zusammengesetzte Legirungen.
b. Bei hoher Temperatur schmelzbare Legirungen.
Die Lager aus diesen müssen für sich gegossen, gebohrt und ein-
gepasst werden, sind daher in der Herstellung weit kostspieliger, besitzen
aber ungleich grössere Widerstandsföhigkeit
Bronze oder Rothguss:
90 Thle. Kupfer, 4 Thle. Zinn, 6 Thle. Zink, — Thle. Blei, oder
86
»
n
14
»
»
—
»
—
»
82
»
n
10
»
n
8
n
—
ff
84
»
n
8
n
n
4
»
4
»
80
n
n
8
n
»
4
» •
8
ff
75
n
n
9
»
»
9
»
7
ff
66
n
n
15
n
»
19
»
—
ff
Phosphorbronze, als vorzügliches Lagermetall gerühmt, mit 4 bis
5 Thin. Zinn.
Für Dichtungsringe der Dampfkolben:
Kupfer Zinn Zink Blei Antimon
88,Ö Thle. 2,5 Thle. 9 Thle. — Thle. — Thle., oder
80 „ 16 „ — „ 2 „ 2 „ „
84 ff 3 „ 8,5 „ 4,5 „ — ff ff
und ahnliche.
Zu Ventilkasten, Pumpenstiefeln etc.:
74 Thle. Kupfer 22 Thle. Zink 4 Thle. Zinn, oder
88« ff 2„„ 10 „ „•
und yiele andere.
Eine dritte Art der mechanischen Abnutzung ist die durch wieder-
kehrenden Druck oder Stoss, z. B. die Abnutzung des Prägstempels beim
Prägen der Münzen und in anderen Fällen.
Die Widerstandsfähigkeit ist hier gleichfalls durch Härte und Festig-
keit bedingt, und die oben gegebene Classification der Metalle kann auch
für diesen Fall im Allgemeinen als maassgebend betrachtet werden.
Das Bpeciflsohe Gewicht der Metalle unterliegt aus denselben
Gründen wie die Festigkeit erheblichen Schwankungen. Als Durch-
schnittswerthe der specifischen Gewichte der einfachen Metalle kann man
folgende annehmen:
24 Specifisches (Je wicht.
Antimon 6,72
Blei 11,40
Gold 19,26
GoBseisen ..... 7,25
Schmiedeeisen . . . 7,78
Stahl 7,50, gehämmert . 7,80
Knpfer 8,58 „ . 8,94
Platin 22,70
Süber 10,47 „ . 10,51
Wiwnuth 9,83
Zink 6,80, gewalat . . 7,00
Zinn 7,29
Nickel 8,80
Alominium .... 2,56
Kadmium .... 8,70
Wolfram 17,50
Chrom 6,8
Arsen 5,63
Das specifische Gewicht der Legirungen ist gewöhnlich annähernd,
selten genau gleich dem arithmetischen Mittel zwischen den specifischen
Gewichten der Beetandtheile. Häufig findet eine Verdichtung beim Le-
giren, selten eine Ausdehnung statt.
Biche stellte eine Beihe von Versuchen über die specifischen Ge-
wichte von Kupferzinn- und Kupferzinklegirungen an und verglich die-
selben mit den aus den Bestand theilen berechneten specifischen Gewich-
ten. Um die Einwirkung der beim Giessen zufallig entstehenden Un-
dichtigkeiten zu vermeiden, werden die Metalle im gepulverten Zustande
gewogen. Es ergab sich Folgendes ^) :
a. Kupferzinnlegirungen.
Dichtigkeit
Zusammensetzung ^ DifPerenz
gefunden berechnet
Cn : : 1.73) 7'28 7.43 - 0.15
a^ : : l%l] 7.31 7.46 - 0.15
Si' : : IUI] '''ö» ''^^ + 0'«^
^) Annales de Chimie et Physiqae, 4 s^rie, tome XXX, p. 351; daraus in
Dingler*8 polytechniscliem Journal Bd. 213, S. 156 ff.
ZiuammenBetKang
Specifisches Gewicht.
Dichtigkeit
25
Sn
Cu
CU3
Sn.
Sq.
CU3
Sn.
Sn
Sn
Cus
Sn
Cttj
Sn .
Sn.
Cuio
Sn .
Cnie
65
34
55
44
48
51
,011
,99)
,331
,67/
,161
.84|
J8,211
n,79|
,721
,28J
,091
,91/
,691
,81/
38
61
gefunden
7,90
8,06
8,15
8,91
berechnet
7,79
tHffi
erenz
31
68
27
72
33
76
20,98
79,02
18
81
,851
,15/
,071
,33/
11,001
89.00/
15
84
8,76
8,62
8,72
8,72
8,84
8,87
8,84
7,93
8,04
8,21
8,32
8,40
8;46
8,50
8,54
8,60
8,69
In Wirklichkeit werden die specifischen Gewichte
rangen wegen der unvermeidlichen Undichtigkeiten des
etwas niedriger ausfallen. Karmarsch fand für
Bronze mit 50 Proc. Kupfer
75
80
88
91
n
7»
9)
n
n
n
n
+ 0,11
+ 0,13
+ 0,11
+ 0,70
+ 0.43
+ 0,22
+ 0,26
+ 0,22
+ 0,30
+ 0,27
+ 0,15
gegossener Legi-
Geföges meistens
8,58
8,83
8,95
8,83
8,76
b. Kupferzinklegirungen (Biche).
. Dichtigkeit
Znsammensetzung
Zng
Oa.
Zn«
Cu.
Zn,
Cu
. 89,181
. 10,82/
. 80,481
. 19,52/
. 60,731
• 39,27/
gefunden berechnet
7,315 7,315
Differenz
7,863
8,171
7,478
8,039
-f 0,385
+ 0,132
'gjl 8,367 8,489 — 0,122
34} ®'^®^ ®'^^^ *~ ^'^^^
26 Specifisches Gewicht.
IHchtigkeit
ZMUBaensetzoDg ^ SUferais
gefunden berechnet
ä; ; ; SSI ®'^^* ®'^^^ + ^«^^^
ä; : : mS) «»^^g 8.412 - om
Zn. . . 20
Cu4 . . 79
Zn. . . 14
Co^ • . 85
ä;, : : Ä) «•««* »«^^^ + ».^^^
Dorch Hämmern, Walzen, Ziehen wächst meiatens das specifiache
Gewicht. Karmarsch fand für Tombakblech mit 15,75 Proc. Zink das
^ecifische Gewicht zu 8,788; für Tombakdraht mit 12Vs Proo. sn 9,00.
Für PhoBphorbronze ist das specifische Gewicht nach Kunze] :
mit- 10 Proc. 2^n 0,25 Phosphor (gegossen) 8,797
«5 „ „ 1,50 , „ 8.675 0
Fflr sonstige Legimngen findet man folgende Angaben der specific
sehen Gewichte:
Nensilber 8,4 bis 8,7
Britanniametall 7,35
Hartblei 9,33 , 10,44
Weiismetall 7,10 „ 7,28
Alnmininmbronze
mit 90 Proc. Knpfer 7,69
n 95 „ , 8,37
V 97 „ , 8.69
Wenn vorhin gesagt warde, dass dos specifische Gewicht eines und
desselben Metalls ebenso wie die Festigkeit desselben erheblichen Schwan-
kungen onterliege, abhängig yon der yoransgegangenen Behandlang
sowie Ton Terschiedenen Zufälligkeiten, so liegt der Schlnss nahe, dass
Festigkeit und Widerstandsfähigkeit mit dem specifischen Gewichte desselben
Metalls in gegenseitiger Beziehung stehen mflsBen. Denn beide Eigen-
schaften erfahren eine Abnahme durch dieselben Ursachen: durch poröse
oder blasige Beschaffenheit, durch eingelagerte fremde Körper (Kohlen-
oder Schlackenpartikelchen u. dergl.); sie nehmen zn, wenn eine dichte
Lagerung der Molecüle des Körpers stattgefunden hat. In gewisser
') Aoifahrlichere Mltthenuiigen über die npeciflichen Gewichte der Phoe-
pborbronzen: Künzel a. a. 0. 8. 52.
Farbe. 27
Hinsicht kann also das speGifische Gewicht eines Metalls ein Kiiterinm
für die Festigkeit desselben abgeben, selbstverständlich immer nur in
Beziehong auf andere specifische Gewichte desselben unter anderen Ver-
hältnissen verarbeiteten Metalls.
Die Farbe der Metalle spielt für ihre Verwendung zu Gebrauchs-
gegenständen eine nicht unwichtige Rolle. Besitzt doch ein jeder Mensch,
auch der ungebildetste, einen gewissen Grad des Wohlgefallens am Schö-
nen; wird doch ein Jeder unter zwei für denselben Zweck bestimmten
und mit gleicher Zweckmässigkeit hergestellten Gegenständen stets den-
jenigen wählen, dessen Aeusseres ihm am schönsten dünkt. Und wel-
chen Einfluss besitzt die Farbe eines Gegenstandes auf sein Aeusseres !
Die einfachen, für mechanische Verarbeitung geeigneten, Metalle
lassen sich ihrer Farbe ni^ch wie folgt classificiren :
Weiss: a. rein weiss: Silber, Zinn;
b. weissgrau: Gusseisen, Stahl, Schmiedeeisen, sämmtlich
im bearbeiteten Zustande; Platin;
c. bläulich weiss: Aluminium^^ink, Blei;
d. gelblich weiss: Nickel.
Grau: Unbearbeitetes Gusseisen.
Gelb: Gold.
Roth: Kupfer.
Die Farbe von Legirungen pflegt aus den Farben ihrer Bestandtheile
hervorgegangen zu sein; doch zeigt sich auch hier, dass die Abstufungen
der Färbung nicht immer den quantitativen Mischungsverhältnissen der
Bestandtheile proportional sind.
Nicht selten ist das Hervorrufen einer bestimmten Färbung ein
Hauptzweck bei Bildung einer Metalllegirung ; Berücksichtigung findet
die entstehende Farbe fast immer.
Meistens liegt das Bestreben vor, den Legirungen eine der Farbe
des Goldes ähnliche hochgelbe oder der Farbe des Silbers ähnliche weisse
Färbung zu erth eilen.
£rsterer Zweck wird durch Legirung von Kupfer mit weissen Me-
tallen — Zink, Zinn, Aluminium — erreicht; letzterer durch Zusatz von
Nickel zu Kupferzinklegirungen (Neusilber).
Unter den Kupferzinklegirungen ist eine solche mit 67 Thln. Kupfer,
33 Thln. Zink dem Golde ähnlich gefärbt; diese goldgelbe Färbung bleibt
bis zu einem Kupfergehalte von 52, Zinkgehalte von 48 Proc. Bei stei-
gendem Zinkgehalte geht die Farbe ins Röthlioh weisse, schliesslich ins
Gelblich weisse und Weissgraue über; bei steigendem Kupfergehalte tritt
bräunlich gelbe und schliesslich röthliche Färbung ein.
Am reinsten gelb sind die Legirungen mit 20 bis 30 Proc. Zink;
man nennt diese charakteristische gelbe Farbe bekanntlich messinggelb.
Bei den Bronzelegirungen wird die rothe Farbe des Kupfers schon
durch bedeutend geringere Mengen von Zinn als beim Messing durch
Zink abgeschwächt. Bei 5 Proc. Zinn tritt schon eine goldähnliche Fär-
28 Farbe.
bnng hervor; noch mehr, wenn daneben etwas Zink vorhanden ist, z. B.
90 Thle. Kupfer , 7 Thle. Zinn , 3 Thle. Zink. Im Allgemeinen ist der
Farbenton der aus drei Metallen (Kupfer, Zinn, Zink) bestehenden Legi-
rungen voller, wärmer, als der aus Kupfer mit Zinn oder Zink allein be-
stehenden. Ebenso zeichnet sich Phosphorbronze durch einen feuerigem
Farbenton vor der phosphorfreien Bronze aus.
Mit zunehmendem Zinngehalte geht die röthlich- oder goldgelbe
Farbe der Bronzen in Rdthlicfagrau, dann in Gelblichgrau und allmählig
in Weiss über. Schon bei 20 Proc. Zinn hat die goldähnliche Farbe voll-
ständig einer grauen Farbe Platz gemacht.
Ein geringer Eisengehalt der Bronze giebt derselben einen blassern
Ton; wie Plinius berichtet, setzten schon die Alten Eisen zur Bronze
der Statuen, wenn sie Todtenblässe andeuten wollten.
Es verdient Erwähnung, dass diese Farben der Kupferlegirungen
nur auf der Bruchfläche oder auf bearbeiteten Stellen deutlich hervor-
treten; unbearbeitete Messing- oder Bronzelegirungen pflegen braune
oder schwärzliche Färbung zu zeigen.
Die weisse Farbe der Neusilberlegirungen tritt im Allgemeinen um
so schärfer, silberähnlicher hervor, je mehr der Nickelgehalt derselben
steigt, während ein grösserer Kupfergehalt eine röthliche, ein gemein-
schaftlicher grösserer Gehalt an Kupfer und Zink eine gelbliche Färbung
hervorruft. Die färbende Wirkung des Nickels ist ebenso wi^ die des
Zinns sehr intensiv; eine Legirung von 76 Proc. Kupfer und 25 Proc.
Nickel (unsere deutschen Scheidemünzen) ist schon fast weiss. Die silber-
ähnlichste Farbe besitzen die Legirungen mit 50 bis 55 Proc. Kupfer,
25 bis 30 Proc. Zink, 18 bis 22 Proc. Nickel, z. B.
52 Thle. Kupfer, 30 Thle. Zink, 18 Thle. Nickel, oder
55 „ „ 24 „ „ 22 „ „ u. 8. f.
Auch ein geringer Eisenzusatz erhöht die Weisse der Legirung, hat
aber andere unbequeme Eigenschaften im Gefolge.
Widerstandsf&higkeit gegen chemische Einflüsse. Solche che-
mischen. Einwirkungen werden hervorgerufen durch die Atmosphärilien:
Sauerstoff, Kohlensäure und Wasserdampf der Luft, Regen und Schnee;
durch einen zufälligen Gehalt der Ijuft an fremden Gasen (Schwefel-
wasserstoff u. a.) ; durch Speisen und Getränke, welche in metallenen Ge-
fassen bereitet oder aufbewahrt werden- durch das Wasser bei Gegen-
ständen, welche ihrer Bestimmung nach mit demselben in Berührung
kommen: Schiffsbeschläge, Pumpwerke, Leitungsröhren u. v. a.; endlich
durch wirkliche Chemikalien in Laboratorien und Fabriken.
Die Einwirkung der Atmosphärilien ist natürlich eine bedeutend kräf-
tigere, wenn die Gegenstände im Freien, als wenn sie in geschützten
Räumen zur Anwendung gelangen und aufbewahrt werden. Am em-
pfindlichsten dagegen ist das Eisen; es überzieht sich rasch mit Rost.
Widerstandsfähigkeit gegen chemische Einflüsse^ 29
Je weniger Kohlenstoff das Eisen enthält, desto leichter wird es angegrif-
fen, daher Schmiedeeisen leichter als Stahl, dieser leichter als Gasseisen.
Graphitisch ausgeschiedener Kohlenstoff erhöht in geringerm, Maasse die
Widerstandsfähigkeit als gehnndener, daher macht rasche Ahkühlung
und geringer Siliciumgehalt das Gusseisen widerstandsfähiger.
Ehenso verhält sich Eisen gegen verdünnte Säuren; oonoentrirte
Säuren zeigen dagegen geringere Einwirkung, so dass man sogar guss-
eiseme Kessel und Pfannen dazu benutzt, andere Körper der Einwir-
kung dieser Säuren auszusetzen.
Reines Wasser greift Eisen nicht au» wohl aber, sobald dasselbe, wie
die meisten natürlich vorkommenden Wasser, Kohlensaure enthält. Ebenso
bewirkt Seewasser baldiges Rosten, wobei Eisen aufgelöst wird.
Kupfer und kupferreiche Legirungen werden unter Einwirkung der
Atmosphärilien bräunlich und überziehen sich nach längerer Zeit mit einer
grünen, aus kohlensaurem Kupfer bestehenden Kruste, Patina genannt.
Diese Patina hindert ein weiteres Eindringen der chemischen Einflüsse
und wird ihrer schönen Farbe und desUmstandes halber an Monumenten
und Statuen geschätzt, dass bei der Länge der Zeit, die arur Bildung der-
selben erforderlich ist-, sie im vorwiegenden Maasse. und besonderer
Schönheit an antiken Statuen gefunden wird. Man sucht sie desshalb
vielfach auf künstlichem Wege auf modernen Gegenständen zu erzeugen
oder nachzuahmen. Ein hoher Zinngehalt befördert nach Elster die
Patinabildung.
Säuren und auch viele Salze erzengen in Vereinigung mit atmosphä-
rischer Luft mehr oder minder lösliche Verbindungen, den sogenannten
Grünspan, dessen giftige Wirkungen bekannt sind» Daher die Regel,
kupferne Gefasse zur Aufbewahrung von Speisen und Getränken über-
haupt nicht zu benutzen, bei der Verwendung zu Kochgeschirren aber
das bereitete Nahrungsmittel sofort nach dem Aufhören des Siedens aus
dem Kupfergefasse zu entfernen, um den Zutritt atmosphärischer Luft
abzuhalten.
Dieselbe Eigenschaft zeigen kupferhaltige Legirungen, natürlich um
so schwächer, je geringer der Kupf ergeh alt ist.
Reines Wasser greift Kupfer nicht an; Seewasser bildet einen grün-
lichen Ueberzug (nach Percy Kupferoxychlorid), der allmählig vom Was-
ser abgewaschen ' oder gelöst wird und für Entstehung neuer Bildungen
Platz macht, so dass nach und nach das ganze Kupfer zerfressen
wird. Bronzen sollen dieser Einwirkung länger als reines Kupfer wider-
stehen.
Zink wird zwar von vollkommen trockner Lufb nicht angegriffen;
der Wasser- und Kohlensäuregehalt der atmosphärischen Luft genügt
jedoch zur raschen Bildung eines kohlensaure- und wasserhaltigen Oxyd-
überzuges, welcher, abweichend von dem Roste des Eisens (der bekannt-
lich immer tiefer und tiefer eindringt), einen ziemlich guten Schutz für
das darunter liegende Zink bildet, so lange er nicht durch Regen oder
30 Widerstandsfähigkeit gegen chemische Einflüsse.
sonstige Zufälligkeiten abgewaschen oder zerstört wird. Sftnren and
alkalische Flüssigkeiten lösen rasch das Zink anf.
Zifin wird von der Luft und vom Wasser bei gewöhnlicher Tempe-
ratur fast gar nicht oder nur sehr unbedeutend angegrififen ; erst beim
Schmelzen tritt unter Einwirkung des Sauerstoffs der Luft Oxydation ein.
Auch die Einwirkung saurer oder alkalischer Flüssigkeiten auf das
reine Zinn findet nur bei längerm Erhitzen statt, und man benutzt
desshalb vielfach das Zinn zu Ess- und Trinkgeschirren, Aufbewahrungs-
gefässen für Speisen u. dergl.
Blei wird von feuchter Luft rasch an der Oberfl&che oxydirt, und
es schützt die Oxydschicht wie beim Zink das darunter liegende Metall.
Sauerstoffhaltiges Wasser löst nachweisbare Mengen Blei auf; ein gerin-
ger Gehalt des Wassers an 6yps verhindert die Auflösung; Chloride und
besonders salpetersaure Salze im Wasser befördern dieselbe. Diese Um-
stände sind von Wichtigkeit für die Verwendung des Bleies zu Wasser-
leitungsröhren, da durch Zersetzung organischer, in die Erdschichten
eingedrungener Substanzen Salpeters&ure ein häufiger Begleiter des Was-
sers ist.
Essigsäure greift das Blei ziemlich rasch an und löst essigsaures
Salz auf. Bei der höchst giftigen Wirkung der Bleiverbindungen auf
den menschlichen Organismus wird durch diesen Umstand jegliche Ver-
wendung des Bleies zur Bereitung oder Aufbewahrung von Speisen und
Getränken ausgeschlossen.
Bleilegirungen verhalten sich ähnlich. Aus Bleizinnlegirungen lost
Essig beide Metalle. Desshalb ist im Allgemeinen jeder Bleizusatz zum
Zinn für Anfertigung derartiger Gerftthe gefährlich und in vielen Ländern
polizeilich verboten *).
Verdünnte Schwefelsäure in Berührung mit Blei erzeugt einen fest
haftenden, in Schwefelsäure unlöslichen Ueberzng von Bleisulfat, welcher
das Metall vor weiteren Angriffen schützt. Aus diesem Grunde findet
das Blei eine vielfache Anwendung zu Apparaten und Gelassen für die
Darstellung und Verarbeitung der Schwefelsäure.
Reines Silber wird weder durch feuchte Luft noch durch Wasser
angegriffen und widersteht selbst in der Schmelzhitze der Einwirkung
des Sauerstoffs der Luft. Höchst empfindlich ist dagegen das Silber
gegen die Einwirkung von Schwefelwasserstoff. Silberne oder versil-
berte Gegenstände überziehen sich in unseren Wohngebäuden allmählig
mit einem dünnen Iläutchen von Schwefelsilber (sie laufen an), welches,
wenn sie rein erhalten werden sollen, von Zeit zu Zeit durch Putzen ent-
fernt werden muss. Energischer ist noch die Einwirkung, wenn man sil-
^) Versuche über die Widerstandsfähigkeit der Bleizinnlegirungen gegen
Wasser, Essig und Kochsalzlösung in der Wärme und Kälte: Dingler's poly-
technisches Journal Bd. 220, S. 446; daraus Deutsche Industriezeitnng 1876,
S. 266.
Preis. 31
beme Geräthe mit schwefelhaltigen Substanzen in directe Berflhmng bringt,
z. B. bei dem Gebraache silberner Löffel zum Genosse yon Eiern u. dergl.
Oxydirtes Silber nennt man dasselbe, wenn es anter dem Einflüsse
der Luft im Lanfe vieler Jahre sich allmahlig mit einem bräunlichen
zum Theil aus Schwefel silber bestehenden Ueberznge bedeckt hat, den
man — ähnlich wie die Patina bei Bronzen — auch bei modernen Silber-
waaren vielfach nachzuahmen sucht.
Gold wird weder durch Luft, Wasser, noch durch gewöhnliche Säu-
ren oder Alkalien angegriffen und nimmt daher unter den sogenannten
edlen Metallen den ersten Rang ein, wohl aber durch Chlor und Königs-
wasser. In legirtem Golde verhalten sich die legirten Metalle (Silber,
Kupfer) entsprechend ihren specifischen Eigenschaften, welche jedoch
durch den Goldgehalt um so mehr verdeckt werden, je mehr derselbe
vorwiegt. Während aus goldhaltigem Silber das letztere durch Behand-
lung mit Schwefelsäure oder Salpetersäure vollständig gelöst wird, gelingt
die Trennung um so schwieriger oder gar nicht aus silberhaltigem Golde.
Platin zeigt ein ganz ähnliches Verhalten als das Gold. Daher die
Anwendung desselben zu chemischen Geräthschaften und zur Bereitung
coucentrirter Schwefelsäure.
Aluminium bleibt an der Luft unverändert, wird aber von Säuren
und Alkalien angegriffen und zersetzt in dünnen Blättchen das Wasser
schon bei 100^, während stärkere Aluminiumstucke erst bei Glühhitze
eine Wasserzersetzung bewirken.
Das Verhalten der übrigen nur in Legirungen vorkommenden Me-
talle gegenüber chemischen Einwirkungen wird mehr oder minder durch
die mit ihnen legirten Metalle verdeckt. Es verdient nur noch der Er-
wähnung, dass das Nickel in trockner und feuchter Luft unverändert
bleibt und aus diesem Grunde mehrfach zu Ueberzügen leichter rostender
Metalle verwendet wird, während Säuren dasselbe rasch angreifen.
Der Preis der Metalle ist der letzte, aber nicht der unwichtigste
Factor for die Verwendbarkeit derselben. In sehr vielen Fällen muss
der Preis den Ausschlag geben, wenn es darauf ankomnit, zu entscheiden,
welches Metall das geeignetere für diesen oder jenen Zweck sei. Viele
Metalle würden hinsichtlich ihrer übrigen Eigenschaften für manche
Zwecke weit nutzbarer als andere sein — so z. B. würden Gold, Platin,
Silber f&r viele Zwecke der Technik, der Haus- und Landwirthschaft
ausserordentlich geeignete Rohstoffe darbieten — , ihre Verwendung ist
aber ausgeschlossen, weil ihr Preis ein zu hoher ist.
Bekanntlich sind die Metallpreise steten Schwankungen unterworfen,
die von dem Verhältnisse zwischen Angebot und Nachfrage abhängen.
Ausserdem bewirken die Entfernung des Verbrauchsortes von dem Ge-
winnungsorte, sowie die grössere oder geringere Reinheit der käuflichen
Bohmelalle nicht unerhebliche Unterschiede. Ein annähernd richtiges
Bild von dem Verhältnisse der Metallpreise unter einander dürfte trotz-
dem folgende Zusammenstellung geben, in welchem der Preis besten
M Preis.
englisohent svr Oienerei bestimmten RoheiBeoB (welches in Deutschland
billiger za sein pflegt, als deatsches Giessereieisen) gleich 1 gesetzt ist:
(Hessereiroheisen 1
Rohstahl nnd rohes Schmiedeeisen . . 2
Zink 4V«
Blei 5Vj
Antimon . . . • 14
Kupfer 22
Zinn 22
Wismuth 130
Nickel 260
Süber 2 000
Platin 12000
Gold 34000
Literatur über die Eigenschaften der Metalle und Legirungen:
Karmarsch, Mechanische Technologie; S. Auflage, herausgegeben von
Hartig. Hannover 1876. I. Bd., 8. 3 bis 73.
Hojer, Mechanische Technologie. Wiesbaden 1874. S. 1 bis 32.
Bise hoff, Das Kupfer und seine Legirungen. Berlin 1865.
Musprat-Kerl, Chemie. Braunschweig 1868. Die betreffenden Artikel,
besonders Kupfer (111. Band).
Wagner, Die Metalle und ihre Verarbeitung. Leipzig 1866.
Künzel, Ueber Bronzelegirungen. Dresden 1876.
2. Die Geräthe zur Bestinimung und Erkennung der Form und
Abmessungen sowie zum Anzeichnen derselben.
Die wichtigste Aufgabe bei jeder mechanischen Verarbeitung eines
Metalls ist eine Form?eränderung desselben. Aus dem formlosen Metall-
blocke soll ein Gegenstand von bestimmt vorgesohriebener Form und be»
stimmten Abmessungen hervorgehen. Als Vorschrift fQr Form und Ab-
messungen dienen Zeichnungen, Modelle oder allgemein fassliche An*
gaben.
Es bedarf also einer Zahl von Geräthen,^theil8 um die Abmessungen
der Vorlage aufzunehmen , zu ermitteln , theils sie auf das zu verarbei-
tende Metallstück, welches man Arbeitst&ck nennt, zu übertragen und
auf demselben sichtbar zu machen.
Geräthe zum Messen. Um die Entfeiiiung zweier Punkte, sn
messen, die sich durch eine gerade Linie verbinden lassen, bedient man
sich des Maassstabes. Die Einrichtung desselben ist eine so allgemein
bekannte, dass sie keiner femern Erläuterung bedarf.
Zirkel.
33
Will man eine angegebene Abmessung direct anf das Arbeitsstück
übertragen, oder gestattet die Form des zu messenden Gegenstandes es
nicht, den stabformigen Maassstab anzulegen, so benutzt man den in sei-
ner allgemeinen Einrichtung gleichfalls bekannten Zirkel zum Messen,
Die Zirkel der Metallarbeiter sind aus Eisen oder Stahl gefertigt und mit
starker Stahlspitze versehen, um gegen Abnutzung möglichst geschützt
zu sein.
Die Figuren 13 bis 21 veranschaulichen die üblichsten. Sorten der
von Metallarbeitern benutzten Zirkel. Fig. 13 und 14 sind Scharnier-
zirkel. Bei Fig. 14 ist an dem einen Schenkel a der Bogen c befestigt,
Fig. 13. Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16.
um auf demselben den Schenkel h vermittelst der kleinen Druckschraube
d feststellen zu können und dadurch jede Verschiebung nach genomme-
ner Abmessung zu verhüten. Man nennt ihn deshalb Bogenzirkel.
Der Zirkel Fig. 1 5 trägt statt des Scharniers zum Oeffnen eine Feder
mit dem Bestreben, die Schenkel stets geöfiPnet zu erhalten; statt des
Bogens eine Schraube mit Flügelmutter, welche die Schenkel in bestimm-
ter Lage erhält. Hierdurch ist die grösste Sicherheit gegen eine selbst-
thätige Verschiebung der eingestellten Schenkel gegeben. Dieser Zirkel
heisst Federzirkel.
Es kann aber der Fall eintreten, dass ein Zirkel mit geraden Schen-
keln nlbht ausreicht, eine genaue Abmessung festzustellen, z. B. bei Er-
mittelung der Durchmesser oder Querschnitte von Körpern, deren Stirn-
flächen nicht zugänglich sind (Kugeln, Cylinder etc.). Hierzu dient der
Taster, Dickzirkel oder Greifzirkel, Fig. 16, der sich als Scharnier-
zirkel und als Federzirkel herstellen lässt, auch leicht mit Bogen und Stell-
schraube (wie der Zirkel in Fig. 14) zu versehen ist.
Handelt es sich darum, die Abmessungen dünnerer Querschnitte zu
ermitteln, die von stärkeren begrenzt sind, z. B. die Stärke a des Stegs
einer Eisenbahnschiene, Fig. 17 (a. f. S.), welcher oben vom Kopfe, unten
vom Fusse begrenzt ist, so reicht ein einfacher Taster nicht aus, weil er
sich nicht, ohne geöffnet zu werden, vom gemessenen Querschnitte ab-
licdebur, meoliftiilich-mtttalliirglsche Technologie. 3
34
Zirkel
nehmen l&sst, and man wendet den doppelten Taster, Fig. 18 nnd 19,
an, dessen Einrichtung darauf hegründet ist, -dass heide Schenkelpaare
stets genan gleiche Oefinang zeigen.
Die umgekehrte Form des einfachen und doppelten Tasters kommt
unter dem Namen Hohlzirkel in Anwendung, wenn die lichten Durch-
messer Yon Hohlkörpern gemessen werden sollen. Gewöhnlich benutzt
man die Taster als Hohlzirkel, indem man ihre Schenkel in verkehrter
Richtung über einander schiebt, Fig. 20 « wobei allerdings die Schenkel
sich nicht wie bei Schamierzirkeln in einer Ebene bewegen dürfen, son-
dern neben einander vorbeigehen müssen. Benutzt man bei dem Doppel-
Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19.
Fig. 20.
taster, Fig. 19, die Schenkel a zum Messen innerhalb der Höhlung, die
Schenkel b zum Ablesen, so kann auch dieser ohne Weiteres als Hohlzir-
kel dienen.
Wenn wegen der Grösse der Abmessung die Scham ierzirkel oder
Federzirkel nicht mehr zureichen, oder wenn es darauf ankommt, grösserer
Genauigkeit der Abmessung halber die Zirkelspitzen genau parallel zu
behalten, so benutzt man den Stangen zirkel , Fig. 21 a, b und c, dessen
Einrichtung ohne Weiteres aus der Zeichnung ersichtlich sein wird.
Fig. 21.
Lehren. 85
Wean auch die bisher beschriebenen Ger&the fär die meiBten Fälle
der Praxis anareichende Genaaigkeit des Messens ermfiglichen , so genü-
gen sie doch nicht f^r solche Fälle, wenn es, wie in den Werkstätten
der Mechaniker, Ubrmacher a. e. w., darauf ankommt, sehr kleine
AhmesBnngen festzastellen. Man gebraucht dann sogenaunt« Mikro-
meterzirkel, welche, bei sonst veracbiedener Einrichtang , darin über-
einstimmen, dasB das genommene Maass bedeutend vergrössert dargestellt
nnd dadnrch znm beqnemen Ablesen gebracht wird. Die einfachste Form
eine? solchen Inetrumentee ist die, wenn man bei einem Doppelzirkel
das eine Schenkelpaar am ein bestimmtes Vielfaches l&nger macht als
das andere. Es wird dann jede Oeffnung der kleineren Schenkel nm
eben so viel in den längeren Schenkeln vergrössert anftreten ; ist beispiels-
weise das Verhältniss wie 1 ; 50, so erscheint '/so ^"imet^r Oeffnung
der kleinen Schenkel in den grösseren als 1 Millimeter. Ein Gradbogen
verbindet die längeren Schenkel und erleichtert dtts genaue Ablesen.
In der Praxis kommt es häufig vor, dass Querschnitte der Arheits-
stQcke allmälig bis auf bestimmt vorgasoh riebe nes , häufig henutites
Maass verkleinert werden sollen und daher während der Arbeit von Zeit
zu Zeit geprQfl werden mOssen. So z. B. bei Anfertigung von Di-ähten
und Blechen. Statt des Zirkels benutzt man in solchen Fällen zweck-
mässiger Lehren, d. h. Blechtafeln , einige Gentimeter lang und breit,
mit Einschnitten am Rande, deren Breite der herzustellenden Abmessung
entspricht. Fig. 22 stellt eine derartige Lehre für Bleche, Fig. 23 fflr
Pig. 22. Fig. 23.
llllllf
Drähte dar. und es wird die Anwendung derselben ohne Weiteres ver-
ständlich sein.
Statt dieser unveränderlichen Lehrten hat man auch verschiebbare
sogenannte Schnblehren, nach Art der Stangenzirkel constrnirt, um
beliebige Maosse einstellen nnd messen zn können.
Neben dem Messen von Entremongen, wozu die bis jetzt beschriebe-
nen Geräthe benutzt worden, kommt in den WerkatKtten der Metall-
arbeiter nicht selten die Aufgabe vor, die Grösse von Winkeln zu messen
oder zn pröfen. Der häufigste Fall ist der , dass ein Winkel geprüft
werden soll, oh er gleich einem rechten sei; auch Winkel von 45 Grad
sind nicht s?lten. Man gebraucht dazu den Winkel oder das Winkel-
maass, ans zwei unter dem zn messenden Winkel (also gewöhnlich nnter
90 Grad) zusammenstOBSenden Linealen bestehend , aus Holz oder Einen
dargestellt.
36 Qeräthe zum Anzeichnen.
Gonsimirt man den Winkel wie eine ReiBsschiene, bei welcher der
kürzere, dickere Theil (der Anschlag) sich auf dem langem, schw&chem
Theile verschieben nnd durch eine Klemmschraube an beliebiger SteUe
einstellen lässt, so heisst das Werkzeug Schub winkel, Lochwinkel,
nnd dient bei Vertiefungen sowohl zur Prüfung des Winkels zwischen
Oberkante und Seite der Vertiefung, als zum Messen der Tiefe der
letztern.
Verbindet man die Schenkel eines Winkels dnrch ein Scharnier, so
dass sieb derselbe wie ein Zirkel öffnen lässt, um Winkel in jeder Grosse
damit messen zu können, so heisst derselbe Schrägmaass oder Schmiege.
Um eine Ebene auf ihre horizontale Lage zu prüfen , findet die be*
kannte Setzwage mit Senkblei oder auch die Wasserwage vielfache
Anwendung.
Gerät he zum Anzeichnen. Zum Anzeichnen eines Punktes auf
einem Arbeitsstücke, nachdem die Lage dieses Punktes mit Hülfe eines
der beschriebenen Instrumente ermittelt worden ist, dient der Körner,
ein Stahlstabchen mit konischer Spitze, mit welcher eine schwache Ver-
tiefung in das Metall eingeschlagen wird.
Um ganze Linien zu ziehen, wird statt des Kömers die Reissnadel
benutzt, ein spitziger Stahlstift, in ein hölzernes Heft gefasst. Soll die
Linie deutlicher hervortreten, so wird sie durch Punkte, die mit dem
Kömer eingeschlagen worden, bezeichnet
Soll eine Linie parallel einer vorhandenen Kante gezogen werden,
so dient dazu das Streichmaass, Streichnadel, Reissmaass, dessen
Einrichtung ans Fig. 24 hervorgeht. Die Flache a des Kopfes oder An-
schlags A gleitet an der gegebenen Kante hin, dabei zieht die Spitze
5, welche im Riegel B festsitzt, auf dem Arbeitsstücke die parallele Linie
Fig. 24.
in dem vorher richtig eingestellten Abstände. D^r Kopf A mit der
Klemmschraube pflegt aus Metall, der Riegel B aus Holz oder Metall zu
bestehen.
Lässt man zwei parallele Riegel durch einen gemeinschaftlichen
Kopf gehen, um zwei Linien zugleich anzeichnen zu können, so erhält
man das doppelte Streichmaass.
Wenn eine Kante, an welcher das Streichmaass geführt werden kann,
nicht vorhanden ist, die gerade Linie vielmehr parallel einer ausserhalb
des Arbeitsstückes vorhandenen ebenen horizontalen Fläche vorgezeicb-
net werden soll, so bedient man sich einer gusseisernen vollständig eben
gehobelten Richtplatte und des stehenden Streichmaasses, Fig. 25 a und b
welches mit dem metallenen Fusse a auf der Richtplatte steht und ver-
Stehendes Streichmaass.
37
_f— «f^ i^
schoben werden kann. Die Hülse b ist mit einer Klemmaohraube an der
senkrechten Stange C befestigt und trägt die horiEontala Reissnadel, die
in der Hälse verscbieb-
'^' barunddurcheinezweite
Klemmschraube gleich-
falls festzcstellen ist.
Das stehende Streich -
m&oss kann ebeuBOWobl
anm Anreissen gerader
Linien, als zum Anzeich-
nen von Punkten in be-
stimmtem Abstände Ton
der horizontalen Bicht-
platte gebrancht werden.
Wenn der Mittelpunkt
einer gegebenen Kreis-
fläche gesncht und an-
gezeichnet werden boU
— ein Fall, der sehr
häufig bei den Endflä-
chen cylindrischer Kör-
per vorkommt, welche
bearbeitet werden sol-
len — , SD kann man sich
^ "■" "'^ ~! dazu eines rechten 'Win-
kels bedienen , auf wel-
chem ein Lineal ao auf-
geschraubt ist, dass die eine Kante den Winkel halbirt, Fig. 26. Legt
man den Winkel so an das Arbeitastück, data das Lineal auf der Endfläche
aufliegt, die Schenkel des rechten Winkuls aber den Umfang an je einem
Punkte (also tangential)
'^' ' berübren, und zieht mit
der Reissnadel am Lineal
entlang eine Linie, so
bildet diese einen Dnrch-
meeaer; wiederholt man
dasselbe Verfahren in
einer andern Lage, bo
erhält man einen zwei-
ten Durchmesser und im
Durch Bchni ttspunkt e
beider Durchmesser den
MittelpUDkt des Kreises.
In Werkstätten, wo
diese Aufgabe häufiger
38 Centrirmascliine,
Torkommt, bedieot man sich zur BeBtimmnDg des Mittulponkta Ton Wel-
len, Acbsen und ähnlichen Körpern sogenannter Centrirmaechinen.
Eine von der Chemnitzer We rkzeugm aschine nfabrik , Tormals Joh.
Zimmermann in Chemnitz, gebaute Centrirmaschine zeigen uns die
Abbildungen Fig. 27 a and b. Auf dem einen Ende des gosseieeroeu
Bettes A ist das Dopellager (Spinde letcck) B befestigt, und in letzterm
ist die scbmiedeeieenie Spindel a derartig gelagert, dass sie sich hori-
zontal um ein gewisses Maass nach rechts verscbieben l&Bst. An dem
in Fig. 27 b rechte liegenden Ende trägt die Spindel eine kleine Bohr-
spitze b, links endigt sie in einem QnerstQcke c, in welchem sie sich frei
Fig. 27 a. Fig. 87 b.
drehen kann. Anf der Spindel und mit dieser verschiebbar befindet sich
eine Riemen rolle r, um sie von einer Transmissionswelle aus in Umdrehnng
versetzen zu können.
Rechts (Fig. 27 b) von dem Lager B ist ein Rahmen C befestigt, in
welchem sich zwei Gleitstücke h h befinden. Jedes dieser Gleitstücke
trägt ein Muttergewinde, in welchem eine horizontale Schranbe sich
dreht; die Schrauben sind mit ihrem glatten Ende im Rahmen C f est
gelagert, so dass durch Drehung der Schrauben eine Verschiebung der
Gleitstücke bewirkt wird, und zwar, da die Schrauben entgegengesetztes
Gewinde, aber vollständig gleiche Ganghöhe besitzen, nähern oder ent-
fernen sich die Gleitstücke vollständig symmetrisch, sobald die Schrauben
gleichmiaaig nach derselben Richtung gedreht werden. Diese Drehung
der Schranben wird von dem Doppelhebel t aus mit Hülfe der Räder-
Geräthe zum Festhalten. 39
paare de^fg bewirkt, von denen d nnd /auf einer gemeinschafllichen
Welle befindlich sind. Die Gleitstücke endigen an ihrer innern Seite in
zwei einander zugekehrte gleich grosse stumpfe Winkel \ y , welche
gefmeinschaftlich zum Festhalten des dazwischen geschobenen Arbeits-
stücks dienen. Die Scheitelpunkte dieser Winkel liegen in derselben
Horizontalebene mit der Bohrspitze h und besitzen iki jeder Stellung der
Gleitstücke gleichen Abstand von det durch die Bohrspitze in der Rich-
tung der Spindel gelegten Verticalebene. Es ist einleuchtend, dass,
wenn ein cylindrischer Körper zwischen die Gleitstücke gelegt und durch
Näherung derselben erfasst und in feste Lage gebracht wird, die Achse
desselben mit der yerlängerten Achse der Spindel a und mithin der Bohr-
spitze zusammenfallen muss. Um das hintere Ende des eingelegten Kör-
pers zu stützen dient das Terstellbare kleine Lager D,
Drückt man non, nachdem die Spindel a in Umdrehung versetzt
worden ist, nach dem Einlegen des zu centrirenden Körpers die Bohr-
spitze h gegen die Endfläche desselben, indem man den Hebel k und
somit durch Yermittelung des Kettchens l und des Querstücks c die Spin-
de) a nach rechts verschiebt, so wird die Bohrspitze genau in der Mitte
der Endfläche eine kleine kegelförmige Vertiefung bohren und dadurch
die Mitte bezeichnen. Lässt man den Hebel h los, so schiebt die Spiral-
feder den Apparat sofort in die frühere Stellung zurück.
Literatur über Geräthe zum Messen, Anzeichnen etc.:
Karmarsch, Mechanische Technologie, 5. Aufl., L Band, S. 231 if.
Hoyer, Mechanische Technologie, S. 58 ff.
Prechtl, Technologische Encydopädie. Stuttgart und Wien 1830 bis
1869, die betreffenden ArtikeL
Ueber Theilmaschinen, welche hier nicht beschrieben wurden,
siehe auch
Rühlmann, Maschinenlehre, I. Bd., 2. Aufl., Braunschweig 1875, S.248.
8. Qerftthe Bum Festhalten.
Bei jeder Gattung von Metallarbeiten tritt mehr oder minder häufig
die Nothwendigkeit ein, Gegenstände für kurze Zeit in unverrückbarer
Lage festzuhalten, sei es das Arbeitsstück selbst (z. B. beim Befeilen),
oder seien es andere zur Arbeit in Beziehung stehende Apparate.
Das einfachste Geräth hierzu ist die Schraubenzwinge, Fig. 28
(a. f. S.)* Dieselbe wird durch einen U-förmigen Bügel aus Holz oder
für Metallarbeiter häufiger aus Eisen gebildet. In dem Schenkel a ist
ein Loch mit Gewinde eingeschnitten, um eine Schraube h aufzunehmen,
welche bei ihrer Drehung das Arbeitsstück zwischen sich und dem andern
Schenkel erfasst.
40
Geräthe zum Festhalten.
Um an einer bestimmten Stelle, z. B. an dem Arbeiteiiscbe des Me-
tallarbeiters, Arbeitsstücke in bestimmter Lage einzuspannen, ist der
Fig. 28.
Schraubstock das am häufigsten be-
nutzte Geräth. Jeder Schraubstock be-
steht im Wesentlichen aus zwei Backen,
die sich mit Hülfe einer Schraube ö&en
und schliessen lassen und zwischen sich das
Arbeitsstück fassen. Geschieht das OefT-
nen durch Drehung, wie in Fig. 29 a und b,
so heisst der Schraubstock Zangen -
Schraubstock. Es ist hier Ä eine
bewegliche Backe, drehbar um den Bol-
zen a, B ist eine feste Backe. Beide
Backen zusammen bilden das Maul des
Schraubstockes. Die Backen sind aus
Schmiedeeisen gefertigt; die einander
zugekehrten Flächen des Mauls sind
Yerstahlt und feilenartig aufgehauen,
um die dazwischen geklemmten Gegen-
stände fester zu halten« Wenn der
Schraubstock ganz geschlossen ist, so divergiren diese Flächen etwas nach
unten; man bezweckt hierdurch eine mehr parallele Stellung der Flächen,
sobald der Schraubstock geöffnet wird, um einen Gegenstand zu erfassen.
Durch eine Oeffnung der Yordem Backe Ä geht die Schraube b hindurch,
deren Drehung mit Hülfe des Hebels oder Schlüssels c erfolgt. Das
andere Ende der Schraube dreht sich in der langen Hülse d, welche ent-
weder selbst mit Muttergewinde versehen ist oder in deren Oeffnung man
eine aus Rothguss gefertigte Schraubenmutter eingelöthet hat. An der
festen Backe ist schlieslich die Feder e» befestigt und drückt gegen die
vordere Backe. Wird nun die Schraube nach aussen gedreht, so folgt in
Folge des Druckes dieser Feder die Backe nach und das Maul öffnet sich ;
wird die Schraube einwärts gedreht, so wird die Feder zusammen-
gedrückt und das Maul schliesst sich. Als Verbindungstheile zwi-
schen beiden Backen dienen die starken Blechplatten C, welche an der
hintern Backe befestigt sind und in welchen der Bolzen a seine feste
Auflage hat.
Damit die Schraube beim Oeffnen der Backe A stets eine normale
Richtung gegen dieselbe behalte, ist einestheils die Durcbgangsöffnuug
für die Schraube in der Backe Ä länglich geformt, wie ans Fig. 29b er-
sichtlich ist, andemtheils sitzt die Hülse d nicht fest, sondern hat soviel
Spielraum in der Backe B, um ihre Richtung etwas ändern zu können,
und ist nur durch eine einspringende Nase oder Leiste vor dem Dreben
gesichert.
Zur Befestigung des Schraubstocks am Arbeitstische dient einestheils
die an der festen Backe befindliche Scheere /, ein flaches Eisenstück,
welcbea mit Sobrauben am Holae befestigt ist, tmdemtheita der in den
Fussboden tretende Fuss g. Bei kleineren Schraubstöcken fehlt letzterer
nnd wird dnroh eine Nmc an der Rüclueite der festen Backe ersetzt, die
in das Holz eingelasBen ivird; oder man versieht den Schranbatock mit
einer Ai-t Si:hraubenzwinge, die ihn am Tische festhält wie in Fig. 30.
Pj^ ^Q Die Grösse der Zangenschraubstdcke ist,
dem Zwecke, dem sie dienen sollen, entspre-
chend , eine sehr renichiedeDe. Die kleinsten
Schraub Btöcke der Goldarbeiter, Uhrmacher,
Mechaniker haben kanm 1 Kilo Gewicht; die
grÖBsten Schraabstdcke für sehr grobe Arbeiten
haben ein Gewicht bis zn 100 Kilo.
Die ZangenscbranbstiJoke haben denUebel-
stand, dasB die Fl&chen des Mauls nnr in einer
einzigen Stellung vollständig parallel stehen
nnd heim weitem Oefinen immer mehr diver-
giren, das Arbeitsstück also bei grosser Oeff-
nnng nnr noch mit den Kanten fassen. Dieser
42 Gerätfae zum Festhalten.
beBODders beim KinspsDnen groewr Arbeiintficke Ifcrtige ümatftnd wird
beim Parallelscbranbatocke vermieden, dessen beweglicbe Bftcke at*tt
der bogenfSrmigen Bewegung eine geradlinige besitzt. In Fig. 31 ftimd b,
welche die Conatruction eines aolclien ParBlIebchraabBtocIu dantellt , ist
Pig. 31.
A die feate, B die bewegliche Backe, c eine mit B in feet« Terbindting
gebrachte Schrauben Bpindel, d eine Schraubenmutter, auf der untem
Platte festgeschraubt. Es ist leicht einzusehen, wie durch Drehung der
Spindel c die Backe B von A entfernt oder gegen A geuKhert werden kum.
A und B sind aoa Guaseiaen mit eingesetzten Stahlbacken ee;
Schraubenapiudel und Schlflaael aua Schmiedeeisen. Abweichende Con-
atructionen Ton Farallelachraabstöcken sind zahlreich. Häufig ist die
Backe A beweglich tind B stabil. Man erreicht diesen Zweck ein^Mb
dadurch, daaa man statt der featatehenden Mutter d eine solche in der
Terachiebbaren Backe A anbringt, B aber sammt der Spindel vor Yer-
Bchiebung bewahrt Letztere Oonatmction dütfie ihrer etwas gröaseren Ein-
fachheit halber fast noeb häufiger vorkomroen, als die oben gezeichnete.
Für kleine ArbeiteatQcke , welche man einspannen will, um sie in
der Hand halten und beliebig wenden zu können, gebraucht man statt
dea Scbraubstocka den Peilkloben, Fig. 32. Derselbe hat Aebnlichkeit
mit einem Zangeneobranbatocke ; seine Länge beträgt 70 bis 150 Hilli-
meter. Man unterscheidet schmalm aulige und breitmäulige Feilkloben,
je nachdem die Backen achmal oder breit sind.
Sehr kleine Feilkloben Tersiebt man mit einem Stiele zum Anfassen
und nennt sie Stielkloben; sehr grosse befestigt man nach Art eines
kleinen Schraubstocks am Tiscbe und nennt sie Tischkloben.
Eine letzte Qattung tou Gerätben znmFesthalten bilden dieZangen.
Alle Zangen stimmen darin flberein , dass der festzuhaltende Gegen-
stand durch zwei Schenkel ergriffen wird, welche sich durch Drehung
um eine gemeinschaftliche Achse dffiaen und schliessen lassen. In Form
und Grösse aber zeigen sie erhebliche Abweichungen.
Zangen.
43
Die kleinste Art der Zangen, zum Ergreifen ganz zarter Gegenstande
bestimmt, wird durch die bekannten Pinzetten gebildet, nach dem
Principe des einarmigen Hebels constroirt. Der Druck des Fingers wirkt
in einem kürzern Abstände vom Drehungspunkte als der Gegendruck des
mit den Spitzen der Pinzette zu erfassenden Körpers, wird also nur in
dem Verhältnisse der Länge dieser Abstände übertragen.
Alle übrigen Zangen entsprechen dem zweiarmigen HebeL Der Druck
der Hand wirkt an den längeren Hebelsarmen, mit den zwei kürzeren
wird das Arbeitsstück erfasst. Man nennt die längeren Hebelsarme
Griffe oder Schenkel, die kürzeren Backen, und beide Backen zu-
sammen bilden das Maul.
Nach Form des Mauls unterscheidet man Beiss- oder Kneip Zan-
gen, Fig. 33 A, deren Backen halbkreisförmig gekrümmt sind und schnei-
denformig zusammengreifen; Flachzangen, Fig. 33 B, mit flachen
Fig. 32. Pig. 33. Fig.' 34. Fig. 35.
A
Backen; nach Form der Schenkel unterscheidet man geradschenklige,
wie die soeben erwähnten, und krummschenklige, wie in Fig. 34. Die
grösseren Zangen pflegen alle geradschenklig zu sein. Um bei diesen,
wenn sie das Arbeitsstück längere Zeit gefasst halten sollen, das er-
müdende Zusammendrücken der Schenkel mit der Hand zu ersparen,
schiebt man einen Ring oder eine Klammer aus Schmiedeeisen, Fig. 35,
über die Schenkel und drückt sie dadurch zusammen.
Auch bei Bearbeitung zarter Arbeitsstücke kommen kleine Zangen
mit übergeschobenem Ringe in Anwendung , deren Schenkel nach dem
Hinaufschieben des Ringes durch eine Feder geöffnet werden. Diese
Zangen, welche Schiebzangen genannt werden, dienen als Ersatz des
Feilklobens in Fällen, wo durch das Anziehen der Schraubenmutter des
letztern eine Beschädigung des schwachen Arbeitsstückes zu befürchten
sein würde. %
44 Geräthe zum Heben und Transportiren.
Noch Art d«r Tarweadung unterscheidet m«n TM-scbiedene Gattun-
gen von Zangen: SchmiedeaaiigeD, Walssaagen, Rohnangen, DrehtBaogen
and TeracHedene andere, deren wir Eom Theil bei Beaprechnng der betref-
fenden Arbeitoreriahren eingehender ra erv&hnen Gelegenheit finden werden.
läterstnr Aber Geräthe nun Festhalten:
Earmarsch, MechaniKbe Technologie. £ Aofi. I. Bd., S. 225 n. ff.
Hojer, Mechanische Technologie, S. 48 o. ff.
Prechtl, Tecbnologiache Encj'clopädie, die betreffenden ArtikeL
4. Q«Tfttlie xom Heben und TransportiTen der Bobmetalle,
Arbeitsstücke etc.
Da die Herstellong eines Gebraachsgegenstandee selten durch ein
einziges Arbeitsverfahren bewirkt wird, sondern meistens eine grössere
Anaahl verschiedener, in bestimmter Reihenfolge einander abwechselnder
Arbeiten dam erforderlich ist; da femer diese verschiedenen Arbeiten
oft in getrennten Localen vorgenommen werden mfiasen; und da endlich
anch bei der Arbeit selbst dch öfter sowohl ein Anheben, Umdrehen des
Arbeitsstücks, als ein Herbeischaffen von Materialien und schwerer Arbeits-
geräthe, sowie ein An&t«llen der letzteren erforderlich macht, so sind zur
Erleichtening dieser Arbeiten verschiedenartige Apparate in Gebraach.
Transportwagen. Zum unfachen Transportiren gebraucht man
Wagen oder Karren. In Fabriken, wo schwere Stücke gefertigt wer-
den, pflegt man mehrere starke Wagen, für bestimmte Belastung berech-
net, in Bereitschaft an haben. DieseU>en bestehen ans einen Rahmen
ans Eisen oder Holz auf starken schmiedeeisernen Achsen ruhend und
F^. M.
Tratisportwagen. 45
VOD niedrigeii Rädern getragen, nm daa An- nnd Abheben der zu trane-
portirenden Gegenstände nicht nnn&thiger Weise sn en>chweren. Damit
die Wagen «elbat nicht nnnöthiger Weise Banm beengen, giebt man
ihnen eine nicht gm grosie Oberfläche nnd legt znr Vergrösserung, wo
es nöthig ist, lieber Schienen oder hQlaeme Balken auf. Fig. 36 ver-
anschanlicbt einen solchen von der Actiengesellschaft Hamboldt in
Kalk bei Dente gebauten Wagen, der snm Transport grösserer Gnssstflcke
und dergleichen sehr geeignet ist. Der Rahmen ist ans festem Bolze
nnd mit Flacheisen besclilagen ; dieser Rahmen mht auf zwei starken
Doppelt- T-TrSgem nnd bewegt sich auf vier gosseisernen Rädern.
F^g. 37 stellt einen kleinen Wagen aus derselben Fabrik dar, wel-
cher zum Transport von Roheisen u. dergl. bestimmt ist.
Tig. 37.
Zum Transporte gewisser Matprialien, z. B. von Kokes, Kalk-
stein u, dergl, können sogenannte Kippwagen, wie sie durch Fig. 38 ver-
anschaulicht werden, recht zweckmässig sein.
Flg. 38.
46 Geräthe zum Hehen und Transportiren.
Wo man einen tind denaelbeii grossem Weg vielfach mit beUdenen
Wagen zorückznlegen hat, empfiehlt sich sehr die Anlage eines Schienen-
gleises, nnd es müssen dnnn dementsprechend die Räder der Wagen
profilirt sein. Man kann Aneachussschienen von den Walzwerken be-
nntzen; in Eisen giessereien gieest man auch wohl gasseiserne Schienen in
UerdgDBS, die wie in Fig. 39 profilirt sind nnd befeBtigt werden. Soge-
Fig. 39.
Pig, 40.
nannte Grubenschienen sind weniger empfehlenswerth , wo grössere Be*
lastnngen transportirt werden.
Um bei diesen einfachen Eisenbahnen an Wendestellen die immerhin
kostspieligen Drehscheiben zn sparen, kann man einfache gegosaene
Wendeplatten, wie in Fig. 40, einlegen, anf denen der Wagen ohne grosse
Anstrengang sieb drehen lässt.
Auf sehr grossen Werken kann es vortbeilhalt nein, statt der Men-
schen- oder Pferdekrftfte znm Transportiren der Lasten eine eigene
I.ocomotive einzustellen.
Scihxtverst&odlich müssen
in diesem Falle alle Schie-
ncngleise den Regeln des
Locomotivenbetriebea ent-
sprechend constrtiirt nnd
mit DrehscheilMn an den
entsprechenden Stellen ver-
KrahneundBrQcken-
winden. Wenn eine Last
gehoben and nar inner-
halb eines abgegrenzten
Raumes transportirt wer-
den soll, so bedient man
sich der Krahne nnd
Brücken winden.
Wir verstehen unter
Kraha jede maschinelle
Vorrichtung, geeignet, mit
geringenn Kraftaufwande eine grössere Lant zn beben nnd auf gewisse
Entfernungen zn transportiren , wobei die Last dnrcb einen schräg oder
horizontal gerichteten Ann, den Krahnnrm oder Aasleger, getragen
Krahne.
47
wird. Ist dieser Arm um seinen einen Endpunkt drehbar, so dase ds-
dnrch eine Fortbewegung der Last im Kreise ermöglicht wird — wie
es fast immer der Fall ist — , so heisst der Krahn Drehkrahn.
Brflckenwinde — auch wohl Laafkrahn, Brückenkrahn,
Rollkrahn — nennen wir eine auf fahrbarem Hochgerüste, der Lanf-
bübne, angebrachte Windevorrichtung, welche gewöhnlich auf dieser
Lanfbäbne in einer Bewegnngsricbtnng und mit der LaufbObne in
einer zweiten Bewegungarichtung
m und
la Fl»-
dieser
n allen
nur in
ich um
cb liebe
* Hmpf-
48 Geräthe zum Heben und Transportiren.
krahne) oder hydraulischer Druck (hydraulische Erahne). Handkrahne
sind die am häufigsten benutzten, hydraulische die seltensten.
Die eigentlichen Erahne mit Ausleger zerfallen in feststehende
und bewegliche Erahne.
Unter den feststehenden unterscheidet man Gebäudekrahne und
freistehende.
Der Typus eines Gebäudekrahns ist durch die Figuren 41 und 42
(a. V. S.) gegeben^).
Die Säule a (Erahnsäule, Mönch) ist mit Zapfen an beiden Enden
in Theilen des Gebäudes eingelassen und um diese Zapfen drehbar. An
derselben ist der wagerechte Ausleger h befestigt und durch die Streben
c und (2. gestützt. Um die am Ausleger hängende Last geradlinig in der
Richtung des Auslegers verschieben zu können, ist der zum Anheben
dienende Flaschenzug an einem kleinen yierr&drigen Wagen (Eatze) auf-
gehängt und mit diesem yerschiebbar.
Die Verschiebung kann in mehrfacher Weise bewirkt werden:
1) durch Verbindung des Wagens mit einer verschiebbaren Zahn-
stange, welche durch Drehung eines festliegenden Getriebes verschoben
wird. Die Drehung des Getriebes erfolgt von einer mit Eurbel versehe-
nen Welle tp aus (Fig. 42);
2) durch Verbindung der beiden Enden des Wagens mit einem
Seile oder einer Eette, welche durch irgend eine einfache Vorrichtung
hin- und herbewegt wird und den Wagen nach sich zieht, Fig. 43, 44
und 45;
-3) durch ein auf die Verlängerung einer Achse des Wagens ge-
stecktes Eettenrad oder Seilrad mit herabhängender Eette oder Seil ohne
Ende, durch dessen Bewegung der Wagen fortgerollt wird, Fig. 46 a und b
(a. S. 50). Es ist hier a das Eettenrad; auf der Achse desselben sitzen die
Getrieberäder hb, welche sich auf den festliegenden Zahnstangen cc dre-
hen und dadurch die Fortbewegung der Eatze bewirken, dd sind die
mit ihren Achsen in der Eatze gelagerten Rollen für das Seil oder die
Eette des Flaschen zugs.
Unter diesen drei Vorrichtungen, welche nur die üblicheren Systeme
darstellen, dürfte die in den Figuren 43 bis 45 gegebene die empfehlens-
wertheste sein.
Um das Aufhängen der Last in der Mittellinie des Auflegers zu
bewirken, ist dieser sowie die Streben getheilt und zwischen den beiden
Theilen hängt der Flaschenzug mit der Last, wie aus den Figuren 41
bis 45 ersichtlich. Seltener greift ein Bügel, an dem die Last hängt,
um den aus einem Stücke bestehenden Ausleger herum.
Zum Anheben dient eine Winde mit Eetten- oder Seiltrommel.
Als Material für diese Art Erahne dient Holz oder Eisen. Gusseisen
ist wegen der unvermeidlichen Erschütterungen weniger empfehlenswerth,
^) Nach den Zeichnungen der „Hütte*', Jahrgang 1874, Tafel 2 c.
Gebäudekrahne. 49
Mihnii«deeiaerne Krahne dagegen aehr brauchbar, jedoch theurer als
hdlzerse.
BeiAnwendnng von Datnpfkraft pflegt man den oder (bei Zwillings-
maBchineo) die Dampfcjliuder an der Krabosänle zu befestigen und durch
ein eatgprechend gebogenes DarapfleituugBrohr und Stopfbüchse mit dei
station&ren Dampfleitnog zu verbinden, wie ana Fig. 43 ersichtlich.
Ladabii, niHhurfHli-iutaUairlHlH Ttuhnolagt«. 4
50 Geräthe zum Heben und Transportiiren.
Statt die KrahnsÜale nm Zapfen drehbnr zu mnchen , kann man
auch eine feststehende Säule anwenden, nm welche der Krahnarra nehtt
Strebe allein sich drehen, wie bei dem Krahne in Fig. 46. Die Säule
pflegt aus Gnsseisen zn bestehen, ist an den Angrifl'sstellen für Ausleger
nnd Strebe abgedreht nnd wird von zwei gnsaeisemen , inwendig ana-
gedrebten Hülsen mit angegossenen Schuhen umschlossen, in welchen
FreiBtehende Krahne. 51
jene befestigt sind. Ausleger und Strebe eind aus Holz oder häufiger
KOS SchmiedeeiBen. Eine derartige Conatruction ist aehr leicht nnd in
allen Fällen empfehlenawerth , wo gnsaeiBeme Säulen als Bestan dt heile
des Gebäuden vorhanden aind, Aach die Belastung des Krahns nicht eefar
hoch iet, weil nnter Umstfinden durch einen Brach der Sänle das ganze
Gebende geiahrdet werden kann.
Solche Krahne für Belastungen bis 5000 Kitngramm haben sich in
grösseren Giemereien und Montir Werkstätten (Chemnitzer Werkzeug-
maschinen fabrik , Sächsische Maschinenfabrik in Chemnitz, Kölnische
Maschinenbaugesell Schaft in Bayenthal, Berliner Mascb inen bau actien-
gesellachaft und andere) als höchst zweckmässig erwiesen.
Unter allen Krahngattungen sind die Gebäudelcrahne für Metall-
verarbeitung die häufigsten und zweckdienlichsten. Sie bedürfen wenig
Fundamentirnng, beengen den Platz nicht erheblich und gewähren die
Möglichkeit, innerhalb der Kreisfläche, deren Halbmesser durch die
Länge des Auslegers gegeben ist, jeden Punkt zu erreichen. Nur allein
der kleine Kreis, soweit KrAhnsäule und Winde reichen T mues von der
Benutzung ausgesohlossen bleiben. Gruppirt man m ehrer« derartige
Krahne zu einem Systeme, indem man ihre Kreise sich berühren lAsst,
so kann mau Lasten auch auf verbältnissmÄssig weite Entfernungen
mit alleiniger Hülfe dieser Krahne transportiren , und bei Anordnung
mehrerer Krahne sollte dieser Umstand nie ausser Acht gelassen
werden.
Als Beispiel hierfür mag die Skizze Fig. 47 dienen, bei welcher drei
Krabne von gleicher Ausladung zusammenwirken und dadurch den Trans-
Fig- 47.
port eines GegeDstandee von einem PJude des Gebäudes bti a bis zum
anders bei b ermßglicben; und Fig. 48 (a. f. S.), bei welcher swei kleine
mit einera grössern Krahne in Zusammen Wirkung gebracht sind.
Die allgemeine Anordnung eines freistehenden Krnhns ist dnrcb
Fig. 49 (a. f. S.) gegeben.
Gegenüber den Gebaudekrabnen haben sie den Nachtheil, dass der
Abstand ihres AnfhängepnnkteB vom Drehpunkte gewöhnlich unveränder-
lich ist, mithinihreWirksamkeitsich auf eine einzige Kreislinie beschränkt.
Ein anderer Nacbth eil ist das kostspit^l ige Fundament, wodurch die ganze
52 Geräthe zam Heben und TransportireD.
Anlage erheblich vertheaert wird. Sie finden deshalb nur da Aowendnng,
wo die ÄnfatelloDg eines Gebäude kräh ns anmöglich ist, im Freien zam
Aaf- und Abladen n. dergl.
Fig, 48. Pig. 49.
Die beweglicheD Krahne sind in ihrer gewöhn lichBten nnsaem
Form den freistehendea Krahnen ähnlich, wie Fig. 60. Sie halien vor
diesea den Vortheil voraus, daas sie, auf einem viorrädertgen Wagen
rnhend, anf Schienen geradlinig fortbewegt werden and dadarcb eine
weit gröasere Fläche bedienen. Innerhalb der Gebäude wird man sie
nar in solchen Fällen anwenden, wenn ein feststehender GebAudckrahn
Bewegliche Krabue. 53
sich ftOB anderen GrÜDdea nicht aufstellen läset; wohl aber sind sie im
Freien geeignet, nm anf grösseren Lagerplätzen für schwere Geräthe
— E. B. für grusBe Formkasten bei Giessereien — diese, wenn sie !n
Benutzung genommen w^den sollen , anf Wagen zu laden , umgekehrt
wieder abzuladen, und für ähnliehe Zwecke.
Bei Anwendung von Dampfkraft zum Betriebe dieser freistehenden
Krahne stellt man , wenn der Krahu zur Arbeit im Freien bestimiut ist,
den Kessel anf den Wagen neben den Krahn und befestigt den Dampf-
cylinder an tetzterm, Fig. 51.
Fig. .^I.
Wird der Krahn dagegen innerhalb eines Gebäudes benutzt, wo eine
stationäreDarapfmaschinemitTransmissionTOrhanden ist, Fig. 52, so betreibt
Fig. &2.
öi Geräthe zum Heben und Transportiren.
man den Krahn lieber durch ein von der Tranamission am bewegtes Seil
ohn« Ende (wie in Fig. 53, wo a, b, c die betreffenden Seilioheib«D dea
Fig. 5S.
Er»hns bedeuten), oder auch durch eine Welle. Wir kommen später auf
diese Art der Bewegnngaübertragnng bei Besprechung der Brückenwin-
den eingehender zurück.
Es sei Doch erwähnt, dase die heideu Skizzen, Figuren 51 und 52,
einem Prospecte der IVIaBchinenfabrik von Ludw. Stuckenbols in Wetter
a. d. Ruhr entnommen sind. Beide Krsbne verdienen durch die eigen-
thümliche Form des Auslegers Beachtung, welche auch eine Horizontal-
bewegung der Katze gestattet.
Unter den BebevorrichtuDgen , welche auf erhöhter Laufbahn be-
weglich sind, ist wohl die einfachste die in Fig. 53 skizzirte. Auf einer
flg 53_ hochkantig stehenden EisenBcbiene läuft
die Rolle nnd trägt vermittelst eines Bü-
gels den aus einem Kieenetabe bestehenden
Hebel, an der einen Seite mit Zugstange,
'■ an der andern mit Kette versehen, welche
' zum Aufhängen der Last dient. Eine
Q Kraftersparang beim Heben findet natür-
I lieh, so lange der Hebel, wie in Fig. 53,
J^ i gleicharmig ist, nicht statt; trotzdem kann
diese einfache Vorrichtung sich in vielen
Fällen recht natzlicb erweisen, wenn glü-
hende Gegenstände rasch traneportirt werden sollen. Man erfaaet die-
selben mit einer Zange und hängt diese in die Kette ein, z. B. beim
Transporte der Tiegel in Gnasstahlgiessereien , grosser Eisenstaoke in
Walzverken u- dergl.
ÜL
--3,139«'=-
Brückeowinden.
Die einfachste Form einei: eigentlichen Brückenwinde ist dii
9 Winde bot in einer Richtung beweglich ist. Fig. 54 stellt e
Kg. 54.
artige kleine fahrbare Wiude fQr 1250 Kilo Belaetnng aas der Chem-
nitser 'Werkzeagmaschinenfabrik dar, deren Einrichtung ohne Weiteres
Teratändlich sein wird. Zwei schmiedeeiserne parallele Schienen tragen
die auf vier Rollen bewegliche Laufkatie.
Derartige kleine Bräckenwinden finden mannigfache and zweck-
mässige Verwendang in allen Werkstitten , wo h&afig kleine Lasten zu
hebt-D nnd auf geringe Entfernungen zu transportiren sind, in Schmie-
den, Schtosserwerkstätten, Drehereien nnd anderen.
Eine grössere Sorte derartiger, nnr in einer Richtung beweglicher
BrQcken winden mit Dampfbetrieb findet in vielen nenen Röhren-
giessereien Anwendung , am Modelle aoezobeben , Abgäase hoch zu
heben n. dergl.
Weit bSnfiger ist jedoch die Anwendung deijenigen Brückeowinden
oder Laofkrabne, bei denen die Laufkatze mit der Winde nach einer
Richtung und die ganze Lanfbüfane sammt der Winde nach einer zwei«
teo normal gegen die Richtong der Katze gerichteten Linie bewegt wer-
den kann. Während die soeben beschriebenen Winden nur eine einzige
gerade Linie zu bestreichen yermögen, ist in dem letztern Falle die
Möglichkeit gegeben, die ganze Räche eines Rechtecks zn bedienen,
dessen Breite gleich der Breite der Bühne und dessen Länge gleich
der Länge der Fahrbahn derselben ist. Letztere aber lässt sich be-
greiflicherweise soweit ausdehnen, als es die Baulichkeiten überhaupt
gestatten.
So einftkch dieses Princip im Allgemeinen ist, so verschiedenartig
sind die Ausführungen desselben in den Einzelnheiten.
Figuren 55 und 56 {a. f. 8.) stellen eine mit Dampf betriebene Brflcken-
winde in der Mootirwerkstatt der Chemnitzer Werkzeugmaschinenfabrilc
56 Geräthe zum Heben und Transportiren.
dar'). DieMlbe ist im Stande, Lasten in heben, za senken, io d«r Lftn-
genricbtung und in der Breitenrichtnng des Gebändei fortEobewegen.
Die ganze Masohiiie bewegt eicli auf den Eisenbaliaschienen //. Die auf
dem FabrgerüBte m befindliche Winde n mit Terscbiedenen Vorgelegen
und Vorrichtongen zum £iD- und Auarfloken iet in der Breitenriobtung
des Gebäudes beweglicb. Von einer stationären Dampfmaschine wird die
Pig. 55.
fang zanScbst aof eine Riemenscheibe s,, von hier ans durch einen
Riemen aufwärts nach der Scheibe Sj übertragen, deren Welle auf den
Böcken q gelagert ist. Anf derselben Welle mit der Riemenacheibe s^
sitzt die 1 Meter im DurchmeBser haltende Schnurscheibe p, über welche
') BUblmann, Maaoliinenlehre, Braoiucbweig 1875, IV, Bd., B. 480 ff.
irnemann'B CivUingeniaur, Bd. XVII (Jeep).
Brückenwinden. 67
du zum Betriebe deiKrtihns dienende Seil ohne Ende yy. gelegt ist, nad
mit welcher eine zweite eben so grosse Scheibe am andern Ende des
Gebfindes correspoodirt ; h ist eine Spannrorrichtang Eam Straff halten
des Seiles. Anf der Fahrbühne werden die Scheiben v nod w sur Füh-
mag des Treibseilea beoatzt, während die Scheibe u die Bewegung des
Krahiw vermittelt.
Fig. Sfi.
I)ie Bühnen der Laufkrahce sind ans Holz oder Schmiedeeisen, sel-
tener ans Gntseiaen gebaut. Schmiedeeisen dtkrfte in den meisten Fäl-
len daa geeignetste, wenn auch theuerste Material sein; Gusseisen macht
die Constroction schwerföllig, besondera wenn die Spannweiten bedeutend
sind; Hols ist der Abnutzung anagesetzt, verringert aber das Gewicht,
WAS bei kleinen, durch Manschenkraft bewegten Bühnen immerhin in
Betracht zu oiehen ist.
58 Geräthe zum Heben und Transportiren.
Der Mechanismns der Bewegungstheile ist ein verhältniaBmäwig ein-
facher für Handbetrieb, ein oft recht complicirter fär Dampfbetrieb.
Bei Betrieb durch Dampf kraft lässt sich die von einer stationären
Dampfmaschine ausgehende Arbeit ebensowohl durch ein Seil ohne Ende
(wie in dem gegebenen Beispiele Figuren 55 und 56), als durch eine lange,
in der Bewe^ungsrichtung der Bühne gelagerte, durch eine entsprechende
Anzahl schwingender Lager gestützte Welle auf den Lanf krahn übertragen.
Ein auf der Welle befindliches Getnebe, welches Yon einem an der Bühne
befindlichen Mitnehmer gezwungen wird, die Längsbewegung derselben
mitzumachen , mit einem Schlüssel (Nase , Feder) aber in eine auf die
ganze Länge der Welle eingearbeitete Längsnute derartig eingreift, dass
es auch während der Verschiebung die Drehungen der Welle mitmacht,
treibt die Hauptwelle des Krahns und von dieser aus die verschiedenen
Bewegungsmechanismen.
Drei Stück derartige Laufkrahne mit Wellenbetrieb, einer für
500 Ctr., zwei für je 300 Ctr. Belastung, von L. Stuckenholz in Wet-
ter a. d. Ruhr gebaut, befinden sich in der neuen Eisen giesserei der
Chemnitzer Werkzeugmaschinenfabrik zu Chemnitz.
Nach den Beobachtungen des Verfassers dürften Krahne mit Wellen-
betrieb denen mit Seilbetrieb im Allgemeinen vorzuziehen sein. Ab-
gesehen von dem grössern Arbeitsverbrauche, den der Leergang bei Sei-
len unzweifelhaft verursacht ^) , ist ein öfters Schadhaft werden der Seile
in Folge der raschen Bewegung derselben (2 bis 4 Meter per Secunde)
und dadurch eintretende Betriebsstörungen unausbleiblich. Auch wenn
man die Kosten für den Ersatz oder die Reparatur der Seile unbe-
rücksichtigt lässt, können solche Betriebsstörungen recht empfindliche
Folgen haben.
Weit seltener als die Uebertragung der Arbeitsleistung einer sta-
tionären Maschine durch Welle oder Seil auf den Lauf krahn und auch
jedenfalls weniger zweckmässig ist die Aufstellung einer eigenen Ma-
schine mit Kessel auf der Bühne selbst.
Um bei gleichem Arbeitsaufwande durch eine und dieselbe Hebe-
vorrichtung sowohl schwerere Lasten mit geringer Geschwindigkeit als
leichtere Lasten mit grösserer Geschwindigkeit heben und fortbewegen
zu können, ohne die normale Geschwindigkeit des Motors (Menschenkraft
oder Dampfmaschine) verändern zu müssen, versieht man jede dieser
Maschinen mit mindestens zwei verschiedenen, ausrückbaren Getriebe-
systemen. Bei Krahnen und Winden für Handbetrieb erreicht man die-
sen Zweck gewöhnlich auf die in Fig. 57 skizzirte Weise; steckt man
die Kurbel auf die Welle des Rades c , so findet einmalige Uebersetzung
^) Ueber den Arbeits verbrauch im Leergang bei Beilbetrieb siehe: H artig,
Versuche über Leistung und Arbeitsverbrauch von Werkzeugmaschinen, Leip*
zig 1873, S. 43 u. 226. Bei zwei Krahnen mit Seilbetrieb betrag der Arbeits-
verbrauch im Leergange 4,18 und 3,04 Pferdestärken.
Krahne und Brückenwinden. 69
statt, (gewdlmlich annihernd nach dem Verhftltniasa 1 : 6); at«ckt_mMi
sie sof die Welle toh a, ao findet sweim&liga Uebersetzung statt Im
Pig. 57,
erstem Falle wird a eiDhch durch seitliche Verschiebaog der ganten
Weite auegerückt.
Die Geschwindigkeit der horizontalen Bewegung wird bei Hand-
betrieb leicht durch die Hand selbst geregelt ; bei BrQcken winden mit
Dampfbetrieb und groBser Spannweite richtet man anch für die Hori-
zontal bewegnng der Katze bisweilen zwei Geschwindigkeiten ein , wäh-
rend die Bewegang der ganzen Bühne ohnehin nur eine ziemlich lang-
same sein darf.
AU zweckmässige Geschwindigkeiten der verschiedenen Bewegungen
wird man rechnen könneo :
Für den Hnb Hozi mal gesch windigkeit 3,6 m per Hinute
Hinimolgescb windigkeit 0,6 „ n •
Horiaontal-Querbewegung, maximAl 20 „ , „
minimal Sun n
Horizontal-Längebewegang S n « n
Häufig tritt aber der Fall ein , dass — besonders bei der Vertical-
bewegnng — eise momentane Veriangaamung der geringsten Normal-
gescbwiudigkeit nöthig wird- Wenn z. B. zwei Theile eines schweren
Arbeitsstücks in genau Torgeschrie bener Lage auf einander gesetist wer-
den sollen, wenn ein Modell aas derGussform gehoben werden soll, wenn
Kerne in dieselbe gelegt werden sollen, und in &bnlichen F&lleu wird
in dem Augenblicke, bevor die Berübnuig stattfindet, eine sehr lang-
same Bewegung nöthig, nm BeschSdigungen des Arbeitsstücks tu ver-
hüten.
Bei Handbetrieb ist eine solche Verlangsamung ohne Schwierigkeit
durch langsameres Kurbeln zn erreichen ; bei Dampfbetrieb mit stationä-
rer HMcbine mass eine geeignete Bremsvorriobtung vorhanden und die
Kupplnngsvorrichtungen derartig besobaffen sein, doss nur die Bewegung
60 Geräthe zum Heben und Transportiren.
der HebeTorrichtang gehemmt werden kann, ohne die Geschwindigkeit
des Motors zu beeinflussen.
Eine BremsYorrichtang darf übrigens auch bei Handkrahnen und
Winden niemals fehlen, um beim Niederlassen schwerer Lasten der Be-
schleunigung der Schwere entgegen zu wirken.
Für völligen Stillstand mit schwebender Last — ein Fall , . welcher
Öfter vorkommt — wird die Bremse zweckmässig durch eine Sperrvor-
richtung ergänzt, falls nicht die Construction der Winde an und für sich
ein selbstthätiges Abrollen der Last unmöglich macht (Betrieb durch
Schraube und Schneckenrad).
Hinsichtlich der Einzelheiten in der Construction der yerschiedenen
Bewegungsmaschinen der Brücken winden, welche eingehender zu erläu-
tern hier nicht der Ort sein kann, muss auf die unten angegebene Lite-
ratur verwiesen werden.
Wenn die Frage zu beantworten ist, ob Drehkrahn oder Brücken-
winde für einen vorliegenden Zweck, d. h. zur Unterstützung der Arbei-
ten innerhalb eines geschlossenen Raumes vortheilhafler sei (von den
freistehenden und beweglichen Krahneu , welche nur für besondere Fälle
geeignet sind, sehen wir von vornherein ab), so kommen dabei folgende
Umstände in Betracht.
Die Yortheile einer Brückenwinde gegenüber einem Drehkrahne sind:
die Möglichkeit, eine grössere Fläche zu bestreichen, wenn
die Laufbahn entsprechend weit ausgedehnt wird;
der Wegfall jeder Platzbeengung im Arbeitsraume , während
bei einem Drehkrahne eine Fläche von ungefähr IV3 Meter
Durchmesser, die von der Säule und Winde eingenommen wird,
für die Arbeit unbenutzt bleiben muss.
Diesen Lichtseiten der Brückenwinden stehen aber auch Schatten-
seiten gegenüber.
Je länger der Raum ist, welcher von der Brücken winde be-
dient werden soll, desto grösser ist der Arbeitsaufwand und
Zeitverlust, um sie von einem Ende dieses Raumes zum andern
zu transportiren. Je häufiger dieselbe daher benutzt werden
soll, auf einen desto kleinern Raum darf ihre Thätigkeit sich
erstrecken.
Die Heretellong der Laufbahn in ausreichender Höhe beein-
flusst gewöhnlich die Gebäudeconstruction in erheblicher Weise
und vertheuert die ganze Anlage nicht unerheblich.
Die Bedienung einer Brückenwinde pflegt umständlicher als
die eines Drelikrahns zu sein, selbst in solchen Fällen, wo die
Bewegung vom Boden des Arbeitslocals aus mit Hülfe von Ket-
tenrädern mit endlosen Ketten — also durch Menschenkraft —
erfolgen kann, was jedoch nur bei den kleinsten Brückenwinden
ausfiihrbar sein dürfte. Geschieht die Bedienung von oben, so
ist der totale Arbeitsaufwand und Zeitverlust schon in Folge des
Krahne und Brückenwinden. 61
nothwendigeA Hinauf- und Hinabsteigens der Arbeiter ein gpr^se-
rer. Je öfter dieses Auf- und Absteigen erfolgt» d. b. je öfter
der Krabn ausser Tbätigkeit kommt nnd die Eur Bedienung des-
selben erforderlicben Arbeiter sieb anderweitig bescbäftigen (was
bei Drebkrabnen sebr leicbt zu erreicben ist), desto grösser ist
der Zeitverlust.
Der Vortbeil des gi'össern Wirkungsfeldes einer Brückenwinde
für das Fortscbafien von Lasten lässt sieb annäbernd, wie früber
gezeigt, aucb durcb ein System mebrerer Drebkrabne erreicben,
deren Anlagekosten in Summa oft diejenigen einer einzigen
Brückenwinde nicbt übersteigen dürften.
Wenn es sieb also darum bandelt, entweder eine oder die andere
Yorricbtung zu wäbleH, wird man sieb nur dann für eine Brücken winde
entscbeiden, wenn es die Hauptaufgabe ist, im Arbeitslocale einen durcb-«
aus unbeengten grossem Raum zu scbaffen, dessen gesammte Grund-
fläcbe von der Hebevorricbtnng bestrieben werden kann. Dieser Fall
kommt z. B. in Montirongsräumen vor, wo Drebkrabne im Wege steben
nnd das öfter vorkommende Fortscbaffen der Lasten auf längere Entfer-
nungen nur in umstftndlicberer Weise ausfübren würden.
Wo dagegen eine leicbte, durcb den Metallarbeiter selbst auszufüb-
rende Bedienung die Hauptsacbe ist, und wo der Kostenpunkt der An-
lage mitspricbt, z. B. in kleinen Giessereien, wird man meistens den
Drebkrabn vorzieben.
Recbt zweckmässig aber kann für grosse Fabriken, insbesondere
Giessereien, bei deren Anlage auf Vertbeuerung der baulieben Anlagen
weniger Rücksiebt genommen zu werden braucbt, die jetzt vielfacb an-
gewendete Einricbtung sein, bei welcber man die Arbeit kleinerer Dreb-
krabne durcb eine oder mebrere grosse Brückenwinden unterstützt und
ergänzt, derartig, dass erstere für die kleineren fortlaufenden Arbeiten
an bestimmten Plätzen} letztere zum Transportiren grosser Lasten auf
weitere Entfernungen benutzt werden.-. Die zum Tragen der Laufbabn
für die Brüokenwinde dienenden Säulen bilden in diesem Falle zugleicb
die Stützen der Drebkrabne.
Aus Fig. 58 (a. f. S.), welcbe den Querscbnitt der sebon erwäbnten
Giesserei der Cbemnitzer Werkzeugmascbinenfabrik in Vs60 der wirk-
lieben Grösse darstellt, ist eine solcbe Anordnung ersicbtlicb. Es ist
bier Ä der Lauf krabn mit Wellenbetrieb, BB die Drebkrabne.
Auch die Frage, ob Menscbenkraft oder Dampfkraft für die Anlage
eines oder mebrerer Krahne oder Brückenwinden in Betracht zu ziehen
sei, kann mannigfachen Erwägungen unterliegen.
Wenn es anerkannt ist, dass ein Betrieb mit Dampfkraft im Allge-
meinen gegenüber der Anwendung menschlicher Arbeit um so vortbeil-
bafter erscheint, je vollständiger die Ausnutzung der Dampfmaschinen-
anlage und je grösser die zu leistende Arbeit ist, so erscheint diese That-
63 ßeräthc zum Heben und Traneportiren.
■sehe in doppelt hellem Lichte, wenn Dampf Icraft fftr Knthn- nnd Winden-
betrieb angewendet werden solL ^
ninnius dpr Maschine wird coinplicjrter, die Bedienung
< Reparatnren häufiger, die Unterhaltungskosten hfiher.
le tritt am so greller hervor, je einfacher
Krahne und Brückenwinden. 63
die Gonstruction und Bedienung bei dem Handbetriebe sein würde. Ans
diesem Grande finden wir die an und für sich einfachen stabilen Dreh*
krahne für Handbetrieb, deren Bedienung durch den arbeitenden Hand-
werker selbst geschehen kann, nur selten durch Drehkrahne mit Dampf-
betrieb ersetzt. Nur in Fällen, wo die Anzahl der bei der Verarbeitung
des Metalls beschifkdgten Arbeiter zur Bedienung des Krahns nicht aus-
reicht, oder wo sich die erforderliche Leistung des Krahns auf solche
Zeitabschnitte concentrirt, in denen jene Arbeiter ihre Kräfte gerade der
eigentlichen Verarbeitung des Metalls zuwenden müssen, mithin die An-
stellung besonderer Krahnarbeiter erforderlich sein würde, kann die An-
wendung von Dampfkraft für feststehende Krahne erspriesslich sein. So
in grossen Schmiedewerkstätten, beispielsweise für Grussstahlblöcke, wo
der Krahn das schwere Arbeitsstück zu heben und zu wenden hat, wäh-
rend es bearbeitet wird, wo es dann rasch vom Hammer in den Ofen
und aus dem Ofen unter den Hammer geschafft werden muss, und in
ähnlichen Fällen.
Häufiger begegnen wir der Anwendung von Dampfkraft bei dem
Betriebe der Brückenwinden, deren Bedienung, wie erwähnt, auch bei
Handbetrieb schwieriger zu sein pflegt, als die der feststehenden Krahne.
Je unausgesetzter die Brückenwinde in Thätigkeit ist, je schwerer die
damit zu hebenden und transportirenden Lasten sind, als desto vortheil-
hafter wird sich ein Betrieb mit Dampfkrafb herausstellen. Denn auch
hierbei darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Anlagekosten
durch Einrichtung für den Betrieb mit Dampf erheblich wachsen; dass
zur Führung der Dampfwinde mindestens ein erfahrener Mann erforder-
lich ist, welcher seine ganze Zeit dieser Obliegenheit widmen muss, ab-
gesehen von den zur Bedienung des Kessels und der Betriebsdampf-
maschine erforderlichen Leuten; dass endlich die Gesammtkosten für
Schmiermaterial, Ersatzstücke an den Theilen der Maschine und Trans-
mission höher ausfallen, als bei dem einfachem Betriebe durch Men-
schenkraft.
Man kann daher als Endresultat dieser Erwägungen und der aus
der Wirklichkeit entnommenen Erfahrungen den Schluss ziehen:
dass für kleine Anlagen der Betrieb der Krahne und Winden
durch Meuschenkraft fast ohne Ausnahme den Vorzug verdient;
dass für Anlagen mittlerer Grösse auch in den meisten Fällen
sich Menschenkraft als die billigere herausstellen wird;
dass für grosse Anlagen Dampfkraft zur Förderung der Ar-
beit beitragen, dadurch indirect ersparend wirken und aus
diesem Grunde zweckmässig sein kann, eine directe Erspa-
rung aber kaum dadurch erreicht werden wird.
64
Balanciere
Wenn man lange Gegenstände in horisontaler Lage emporenEiehen,
niederzulassen nnd fortzubewegen hat — ein Fall, welcher besonders in
Giessereien häufig yorkommt — , so würde das Aufhängen dieser langen
Arbeitsstücke unmittelbar an dem Haken des Krahns oder der Winde
Unbequemlichkeiten yerursaohen und die horizontale Lage schwierig zu
erhalten sein. Man hängt in solchen Fällen zwischen Krahnhaken und
Arbeitsstück ein Zwischenstück ein, welches Balancier genannt wird
und besonders in Giessereien ein unentbehrliches Ergänznngsstück zu
den Krahnen und Winden bildet.
Die Figuren 59 und 60 yeranschaulichen die üblichste Form solcher
Balanciers; sie werden gewöhnlich aus Eisen gegossen, die Vorrichtung
zum Aufhängen natürlich geschmiedet; nur für sehr grosse Lasten fertigt
man die Balanciers aus Schmiedeeisen.
Fig. 59.
Bei dem stabilen Gleichgewichtszustände des Balanciers, insbeson-
dere des in Fig. 59 gezeichneten, erträgt derselbe ziemlich ungleich-
massige Belastungen, ohne aus der horizontalen Lage gebracht zu werden.
Die lüinschnitte an der Oberkante dienen zur Verhütung des Gleitens der
aufgehängten Last.
Für die Querschnittsberechnung gusseiserner Balanciers kann man
folgende Formel anwenden. Wenn
P die gesammte am Balancier hängende Last in Kilogrammen,
L der Abstand eines Angriffspunktes der Last von dem zunächst
gelegenen Aufhängepunkte des Balanciers in Metern, Fig. 61,
h die Breite und
/* die Höhe des rechtwinkligen Balancierquerschnittes in Centimetern
bedeutet, so nehme man für den gefährlichen Querschnitt
P= 1,6
L
oder 6Ä« =
P .L
1,6
Beispiel. Ein Balancier habe als grösste Last, der Tragfähigkeit
des Krahns entsprechend, 2000 Kilo zu tragen; er sei in der Mitte auf-
gehängt (Fig. 62) und seine ganze Länge (durch die Länge der zu heben-
den Arbeitsstücke gegeben) sei 3 m, also L = 1 ,5 m, so ist
Balanciers.
2000 . 1,5
Nimmt man nun 6 = 4 cm, bo erhält mnn
. 1875
A = 21 om.
Um UnglöokaftUe dnrch zu Bchwere Belastung von Balanciers zn
verhüten, deren jede Oiesserei eine gröeaere Anzahl verechiedener
GrÖBW in Bereitschaft bu halten pflegt, sollte man nie versäumen, die
znUesige Belaatnng eines jeden derselben mit grosBen Schriftzeichen anf
denselben aofEngiessen (siehe die Fignren 69 und 60).
Fig. 60.
Fig. 62.
Zum Anfhängen der Last am Balancier dienen sogenannte Krahn-
gehinge, knrze Seile ohne Ende ans Hanf oder Draht, oder anch ent-
sprechend gebogene Gehänge aas Schmiedeeisen, Fignren 63 nnd 64.
Ds die Balaneiers (tib anch manche andere Geräthe der Hetall-
verarbeitnng) nur einen einzigen Anfbangepnnkt zur Befestigung am
Flasohenznge des Krahns oder der Winde besitxen, so ist die Anwen^ang
von Doppelhaken, Fig. 64, die fQr andere Zwecke, x. B. für I^ekrahne,
recht zweckmässig sein können , für Gieseereikrahne und Winden durch-
aus nnzweckmissig, ein Umstand, der ron den Constmctenren dieser
Maschinen nicht selten unbeachtet gelassen wird.
Literatur über Erahne und Brflckenwiaden:
Weisbach, Lehrbuch der Ingenieur* uad Maschinen mechanik, Braun-
schweig 1860, Bd. lU.
Rahlmann, Uaschinenlehre, Brannsohweig 1875, Bd. IV.
l»d*bmT, DMbMinh-ncliUntilMlH Twbiiolo(l*. 5
66 Aufzüge.
Abbildungen ausgefübrter Anlagen:
Zeichnungen der Hütte, Jahrgang 1864, Tafel 16 (GieBsereikrahn von
200 Ctr. Tragkraft).
Jahrgang 1867, Taf. 3.
Jahrgang 1874, Taf. 2 g.
Jahrgang 1868, Taf. 1 d (Laufbühne der Kölnischen Maschinenbau-
gesellschaft).
Jahrgang 1860, Taf* 2 a b (Lanfkrahn für Handbetrieb von Wedding
in Berlin, höchst zweckmässig construirt).
Jahrgang 1868, Taf. 23 ab, Laufkrahn der Montirungswerkstait von
Hoppe in Berlin.
Wiebe, Skizzenbuch, Hefb 1, 2, 6, 9, 16.
Le Blanc, Recueil des machines, 4 Partie, Pag. 39 (beweglicher Erahn).
Engineer, Oct. 1867 und Juli 1870 (beweglicher Dampf krahn mit eige-
nem Kessel, auch in Rühlmann*s Maschinenlehre Bd. IV,
S. 472.
GiyiMngenieur Bd. 17 (Zimmermann'scher Lanfkrahn).
Aufzüge. Wenn Lasten auf einer und derselben Stelle auf grössere
und dabei stets gleiche Höhe gehoben werden sollen, bedient man sich
der Aufzüge.
In den Fabriken der Metallverarbeitung werden die Aufzüge ange-
wendet, theils um Geräthe und Materialien in hoch gelegene Aufbewah-
rungsr&ume zu schaffen (z. B. die Modelle der Giessereien) , theils um
schachtförmigen hohen Schmelzöfen (den Cupolöfen der Giessereien)
den Bedarf an Schmelzmaterialien zuzuführen. Da die hoch gelegene
£in8chüttöffnung dieser Oefen „ Gicht ^ genannt wird, so heissen die f£kr
diesen besonderen Fall bestimmten Aufzüge Gichtaufzüge.
Diese Gichtaufzüge, als die am meisten gebräuchlichste Gattung
der Aufzüge überhaupt, sollen in Folgendem vorzugsweise ins Auge
gefasst werden.
Die einfachste Form ist der Handhaspel mit zwei Kurbeln. Die
stündliche Leistung eines Arbeiters an einem zweckmassig angelegten
Handhaspel ist auf 22 950 Meterkilogramme berechnet.
Dürre weist nicht mit Unrecht darauf hin^), dass der Haspel gegen-
über dem einfachen Hochziehen am Seile nicht viel Nutzen bringe , weil
eine eigentliche Ersparung an Arbeit nicht stattfindet. Der einzige
Vortheil des Haspels liegt darin, dass man schwerere Lasten mit einem
Male, jedoch immerhin in dem bestimmten Verhältnisse langsamer, empor-
zuziehen im Stande ist. Dadurch verringert sich die Zahl der leeren
Niedergänge, also des unvermeidlichen Zeitverlustes.
Aus diesem Grunde findet man weit häufiger die Anwendung der
durch Elementarkraft — meistens Dampfkrafb — betriebenen Aufzüge.
^) Dürre, Handbuch des EisengiessereibetriebeB, Leipzig 1870, I.Bd., 8.648.
Gichtau&üge. 67
Mit . den grossen Aufsügen der Hochöfen haben die Gichtanßsüge
der Cupolöfen das gemein, dass eine Plattform — Förderschale ge*
nannt — zur Aninahme der Last dient und in geeigneter Weise empor-
gehoben wird; sie unterscheiden sich von jenen gemeiniglich dadurch,
dass sie in Anbetracht geringerer Habhöhe nur eine einzige Förderschale
za besitzen pflegen, während die Hochofenaufzüge meistens doppelt wir-
kend, d. h. mit zwei Förderschalen versehen sind, Yon denen die eine
aufsteigt, während die andere sinkt
Eine übliche Gonstruction der Gichtaufzüge entsteht, wenn die Förder-
schale an einem Seile oder einer Eetie emporgezogen wird, welches über eine
oben befindliche Trommel oder Scheibe geschlungen ist und durch deren
Drehung nach rechts oder links aufwärts oder abwärts bewegt wird. Um
das Gewicht der Förderschale auszugleichen, empfiehlt sich die Anwen-
dung einer Scheibe (statt der Trommel) und die Belastung des zweiten
Endes der Kette oder des Seiles mit einem Gegengewichte. Ist in dem
Arbeitslocale eine yon einer stationären Dampfmaschine (Wasserrad,
Turbine) betriebene Transmissionswelle vorhanden, so wird sich meistens
ohne Schwierigkeit ein Anschluss von dieser an die Welle der Seil- oder
Eettenscheibe erreichen lassen, so dass der Betrieb des Aufzuges von der
Transmission aus bewirkt wird. In den meisten Fällen wird sich eine
solche Einrichtung als recht zweckmässig erweisen. Einen derartigen
Aufzug stellen die Abbildungen Figuren 66 bis 68 (S. 68 bis 70) in Yeo der
wirklichen Grösse dar^). Die Förderschale Ä wird durch die zwei Ket-
ten XX getragen und zwischen den vier Führungen BB.. senkrecht auf
und nieder bewegt. Die Ketten gehen Über die Kettenräder CC und
tragen an ihrem andern Ende das Gegengewicht D. Yon der vorhande-
nen Transmission aus geht ein offener und ein gekreuzter Kiemen nach
den Riemenscheiben A;, Z, m, von denen h und I lose, m fest auf der hori-
zontalen Welle p angebracht sind. Zur Verschiebung der Riemen dienen
die Riemengabeln n und o. Je nachdem also der eine oder der andere
Riemen auf m geschoben wird, erfolgt Drehung nach einer oder der
andern Seite; Stillstand tritt ein, wenn, wie in Fig. 66, beide Riemen
auf den Losscheiben laufen. Auf der Yerlängemng der Welle p befindet
sich die Schnecke g und überträgt die Bewegung auf das Schneckenrad
Hj welches auf der Welle der Kettenscheibe befestigt ist, somit auch
diese in Umdrehung versetzt und dadurch die Förderschale hebt oder senkt.
Die Ein- und Ausräckung erfolgt in folgender Weise, lieber das
verzahnte Rädchen s ist eine kurze Kette gelagert, an deren Enden zwei
Stangen vvi herabhängen. Diese Stangen sind so lang wie das Aufzug-
haus hoch und sind auch unten durch eine Kette verbunden, welche um
ein gleiches Zahnrad als 8 herumgeführt ist. Wenn eine dieser Stangen
gehoben oder gesenkt wird, muss die andere sich natürlich in entgegen-
gesetzter Richtung bewegen, und es erfolgt eine entsprechende Drehung
1) Von der Chemnitzer Werkzeugmaschinen&brik in Chemnitz gebaut.
6S Gichtaufzüge.
des Rädchens S, Diese Drebung wird durch die zwei kleinen Rieinenacheiben
rr mit dem Riemen r, auf da« Teriahat« Rädchen a übertragen (Fig. 68)
a greift aber in entsprechende Zähne der Schien« h, bewirkt also eine
Fig. se. '
Verschiebnng derselben and somit der Riemengaheln n nnd o. Dia Ein-
räckuDg der Riemen fOr Aaf- and Niedergang der Förderschale wird also
in ein^bster Weiae durch die Hand des Arbeiters mit Hülfe der Stan-
gen V und Vi besorgt. Eine selbstthätige Ausrüokang dea Riemens mit
Beendigung des Hubes erfolgt mit Hälfe der Naae e an der Stange tj,
welche von der Förderschale ergriffen wird , kurz bevor dieselbe ihren
Gichtaufzüge. 69
hdohst«D Stftnd erreicht hat, wodurch eine Verechiebong der Stange be-
wirkt wird. Eine gleiche Vorrichtung am nntem Ende der Stange be-
wirkt AoBrQckang bei Beendigung des Niedergange.
Endlich sitzt noch auf der Riemenscheiben well e p eineBremsscheibe
/ mit d&raber liegendem Bremabande d. Das eine Ende dieses Brems-
jfj-_ fj^ bandes ist an dem Lagerstuhle der Welle,
das andere an der Schiene e befestigt
(Fig. 68, a. f. S.). Diese Schiene dreht sich
mit einem Ende in einem Scharnier, das
andere ruht anf der exaeDtrischen Scheibe
c, welche mit dem Rfidchen a anf der-
selben Welle sitzt. Die Stellung Ton c
ist eine solche, dass in dem Augeublicke,
wo die Riemen auf die I.oBscheibe ge-
schoben werden, die Maschine also lam
Stehen kommt, das Bremsband durch
Niederfallen der Schiene angezogen wird,
es sich aber hebt und die Bremsscheibe
freiläest, sobald Einrückung der Riemen
erfolgt.
Statt der bölzemen Förderschale und
FOhrnngsstangen wendet man zweck-
mässig eiserne Theile an, wenn der Auf-
zug znr Forderung von Roheisen, Koks
und dergleichen, also zur Bedienung von
Gnpolöfen bestimmt ist. _
Wenn eine Transmission nicht vor-
handen oder mit dem Aufzuge nicht
ohne Schwierigkeit in Verbindung eu
bringen ist, wohl aber ein im Betriebe
erhaltener Dampfkessel in der Nähe des
Aufzuges sich befindet und im Stande
ist, den erforderlichen Dampf für den
Betrieh des Aufzuges ahaugefaen, so kann
man, wie es bei Hochöfen üblich und
durch Fig. 69 (a. f. 3.) Teranschaulioht
ist, eine kleine zum Umsteuern einge-
richtete Dampfmagcliine ausschltesBlich
für den Betrieb der am Seile oder an
der Kette hängenden Förderschale auf-
stellen und durch Kurbel und Schub-
stange die Seilscheibe bewegen.
Bei der geringen Hubhöhe jedoch, welche die Aufzüge für Cnpol-
dfen und mechanische Werkstätten zu beaitien pflegen, dürfte eine der-
artige Errichtung weniger zweckmissig sein, als eine solche, bei welcher
Gichtaafzäge.
Fig. 08. mit Umgehung der'Seil-
oder Kettetucheibe, der
SchnbaUnge and Ear-
bel, die Bewegung direct
▼on der Kolbenstange
dea D»ropfcylindera ttaf
da« Seil oder die Kette
flbertrAgen wird. Die
Ein rieh ta Dg eines sol-
chen AufaugM für den
Betrieb der Cnpolöfen
in Usenbarg ') ist durch
di« Figuren 70 und 7 1
gegeben.
ng- <B- A ist ein einfach wir-
kender Dam pfcy linder,
welchem der Dampf
dnrch den Schieber-
kästen B zugeführt wird.
Die nach unten gerich-
tete Kolbenstange trägt
an ihrem Ende die
Flaschenzogrolle C, mit
zwei Klauen 'in senk-
rechte FOhrongen grei-
fend, um sie vor Schwan-
kuDgen 2U schütsen.
Um die Rolle C ist das
hei a befestigte Seil
(Kette) geschlungen,
welches von hier aus
über die feste Rolle E,
dann nach obea über
eine zweite feste Rolle
F läaft, nm mit dem
andern Ende d an der
Förderschale befestigt
xa werden. Es ist leicht
ersichtlich, dasa, sobald
Dampf unter den Dampf-
kolben tritt iind diesen
>) Ton der OrXfiioh
Stolberg'ichen Haschüien-
fabrik zu Ibenbnrg getraut.
Gicbtaulzüge. 71
hebt, aach die Förderscbale g«lioben werden mnss, aber in Folge der
Wirkung der RuUe C mit doppelter Geschwindigkeit nnd daher auch
den doppolten Weg lorücklegend ala der Dampfkolben. Ein Gegen-
Pig. 70.
gewicht H gleicht du Gewicht der FSrderscbale annähernd ans , so dasa
dieselbe, wenn man den Dampf anter dem Kolben entweichen lässt, lang-
sam sinkt. Dnrch Regalimng dea Dampfaugflnssee Uast sich abrigens
der Niedergang der Schale beliebig TerzQgern. Die Dampfeinströmong
72 Gichtaufzüge.
ist bei X, die Aautrftmang boi jr. Der Hebel q dient cnr Stenerong,
welche mit Hülfe eines gewShnliobeo MiucbelBckiebera bewirkt wird.
Sogenannt« WuaertonnenaufsQge ') kommen bei CapolAfen oder för
andere Zwecke der Uetallverarbeitnng sehr aelten vor, würden auch ans
jii__ 7i_ verechiedenen Gründen kei-
nesfalle empfehlenawerth da-
I für sein.
< Hftnfiger finden eich wirk-
liche hydranliache Au&ftge,
bei denen die Förderschale
an dem obem Ende «ines
hydranliflcken Kolben« be-
festigt ist, der durch Wasaer-
druck in einem Cylinder ge-
hoben wird. Der hydrau-
lische Cylinder steht also
»ertiefl und der Kolben hat
dieselbe Hnbhöhe wie die
Schale, wenn man nicht vor-
zieht, die Schale an ein Seil
zu hängen, und in ähnlicher
Weise wie bei dem beschrie-
benen Ilsenbnrger An&uge,
dnroh Einschaltung einer oder
mehrerer Flaschen Zugrollen
den Weg des Kolbens abzu-
kürzen. Denkt man sich an
Stelle des Dampfcylinders in
Fig- 70 einen bjdranlischen
Cylinder, so ergiebt sich von
selbst die Construction eiaee
solchen hydraulischen Auf-
zugs mit Seil.
Die hydraulischen AufzAge
ermöglichen einen sanften
Gang und besitzen den Vor-
theii, dass man mit Hülfe
eines Accumulatorg *) im
Stande ist, eine onnnter-
brochene sehr geringe Ar-
beitsleistung einer Pumpe für
die periodische grössere Lei-
') Fercy-Wedding, Eiaenhüttenkuude , Braunscliweig 1S68, iwaite Ab-
theUang, 8. 623. ') Ebendaselbst, B. 628.
Gebläse. 73
Btmig des Aufzugs zu benutzen, geben aber in unseren nordischen Kli-
mmten sehr leicht zu Betriebsstoekungen durch Einfrieren bei grosser
Kftlte Veranlassung, wenn sie nicht in einem Tor der ELälte gehörig ge-
schützten Baume aufgestellt werden können.
Es dihüe daher in den allermeisten Fällen den früher beschriebenen
und durch die Figuren 66 bis 71 erläuterten Aufzügen der Vorzug ein-
zuräumen sein.
Literatur über Aufzüge:
Weisbach, Ingenieur- und Maschinenmechanik, Bd. III, S. 452.
Haner, Hüttenwesensmaschinen, zweite Auflage, Leipzig 1876, S. 260.
Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, zweite Abtheilung, S. 612.
Rühlmann, Maschinenlehre, IV. Bd., S. 370, 417.
5. Die Gebläee der Werkstätten für Metallverarbeitung.
•
Gebläse werden bei der Verarbeitung der Metalle gebraucht:
zum Betriebe schachtförmiger Schmelzöfen (Cupolöfen),
zum Betriebe Yon Flammöfen und Gasgeneratoren für Erzeu-
gung Yon Ünterwind (also zum theil weisen Ersätze der Essen-
wirkung),
zum Betriebe you Schmiede- und Sohweissfeuem,
zur Ventilation (als Ezhaustoren).
In keinem dieser Fälle liegt die Aufgabe yor, eine starke Verdich-
tung der Gebläseluft henrorzubringen ; selbst beim Schmelzen der Metalle
in Schachtöfen übersteigt die Windpressung selten den Druck von 400
Millimeter Wassersäule = 30 Millimeter Quecksilbersäule = 40 Gramm
per Quadratcentimeter und bleibt in den meisten Fällen erheblich hinter
dieser Zahl zurück^).
Dieser Umstand schliesst von yornherein die Anwendung yon Cylin-
dergebläsen aus oder kennzeichnet dieselbe wenigstens als unzweck-
mäsfiig; denn die Zwekmässigkeit eines Apparats ist nicht allein yon dem
Wirkungsgrade desselben abhängig, sondern auch yon dem Verhältnisse
zwischen dem Betrage der Anlage- und Unterhaltungskosten zu dem Um-
fange seiner Totalleistung.
Ein Cylindergebläse aber besitzt allerdings bei den für Hochöfen
üblichen Windpressungen unter allen Gebläsen den günstigsten Wir-
kungsgrad bezüglich des Verhältnisses zwischen aufgewendeter und theo-
1) Zum Vergleiche möge die Notiz dienen, dass man bei grossen Hochöfen
mit durchschnittlich 200 Gramm, bei Bessemer- Apparaten mit 1500 Gramm
Windpressong per Quadratcentimeter arbeitet, bisweilen aber diese Pressung
noch erheblich steigert.
74 Gebläse.
retisch erforderlicher Betriebsarbeit; dieser Wirkungsgrad aber wird in
Folge der bedeutenden zu überwindenden Beibongswiderstande um so un-
günstiger ausfallen, je geringer die Verdichtung des angesaugten Windes,
je unbedeutender also die theoretisch erforderliche Arbeit des Gebläses
überhaupt ist. In den Anschaffungskosten wie in der Wartung ist aber
das Cylindergebl&se den einfacheren Gebläsen gegenüber ungemein kost-
spielig und beansprucht einen ungleich grossem Raum als diese.
Für kleine Werkstätten waren bis Yor Kurzem zum Betriebe von
Schmiedefeuern, selbst von kleinen Schmelzöfen die Balggebläse — Blase-
bälge — die üblichsten Gebläsemaschinen, welche meistens durch Men-
schenkraft bewegt werden. Erst seitdem die kleinen Werkstätten mehr
und mehr in den grossen Fabriken aufgegangen sind, seitdem man es in
Folge dieser Concentration der Arbeit vortheilhaft fand, die Menschen-
krafb zum Betriebe der Gebläse durch Elementarkraft zu ersetzen und
die Gesammtmenge des für zahlreiche Apparate (z. B. Schmiedefeuer) er-
forderlichen Windes durch eine einzige Gebläsemaschine zu ersetzen, tra-
ten die Balggebläse mehr und mehr vom Schauplatze ab und werden
heut zu Tage selbst in der Werkstatt des Kleinschmieds nicht selten
durch andere Apparate ersetzt^).
Unter den häufiger benutzten Geblasen der Neuzeit verdient das
Centrifugalgebläse — häufiger noch mit dem allgemeinen Ausdrucke
Ventilator bezeichnet — in erster Reihe Erwähnung.
Jedes Centrifugalgebläse besteht aus zwei Haupttheilen : dem Ge-
häuse aus Gusseisen oder Eisenblech und dem Flügelrade, welches sich
innerhalb des Gehäuses dreht und aus Eisenblech, Gusseisen oder Bronze
besteht.
Durch die rasche Drehung der Flügel wird die zwischen denselben
befindliche Lufb in Folge der Centrifnlgalkraft nach dem Umfange hin
verdichtet und gemäss dieser Verdichtung durch einen am Umfange be-
findlichen Auslass entfernt, während durch Oeffnungen um die Drehungs-
achse herum zur Ausgleichung der naturgemäss dort entstehenden Lufb-
verdünnung frische Luft nachströmt.
Die Constructionen von Centrifugalgebläseo sind zahlreich, die
Hauptunterschiede finden sich in der Form und Anordnung der Flügel.
Die geradfiächigen , mehr oder minder radial stehenden Flügel der älte-
ren Ventilatoren sind bei neueren Constructionen meistens durch gebogene
Flügel ersetzt, wodurch an Kraftaufwand erspart und das unangenehme
Heulen der älteren Ventilatoren zum grossen Theile vermieden worden ist.
Als Beispiel einer derartigen Construction möge die in Fig. 72 I. und IL
gegebene, aus Weisbach's Ingenieur- und Maschinenmechanik entnom-
mene Abbildung eines Lloyd' sehen Ventilators dienen. Der äussere
Mantel HR besteht aus Gusseisen und ist aus vier Theilen derartig
^) Beschreibung und Abbildung eines solchen Schmiedeblasbalges findet
sich unter Anderm in Bühlmann^s MaBchinenlehre, IV. Bd., S. 729.
Ventilatoren. 75
verschrMibt, dass di« beiden oberen Theile leicbt Ton den unteren abge-
nommen werden können.
Eine solche Thülnng des Gehänsee in eine obere lösbare und eine
untere festatehende Hftlfte (die Theilong in vier Segmente ist wohl nur
BOT Erleichterung des Gnases gewählt) ist in allen Fällen rathsam , um
bei vorkommenden Beschädigungen des Flügelrades ohne Schwierigkeit
zu demselben gelangen zu köunen. Die Flügelrad welle lagert in ange-
gossenen Bügeln L und Xi and tr> ausserhalb derselben die zum Be-
Y\a. 78. triebe dienende Riemen-
scheibe S. Auf der Welle
sitzen die sechs Stück ge-
krümmten gegossenen
Schienen E, gestützt durch
die Arme Q, und auf diesen
Schienen sind die Flügel Ä
festgenietet. Das ganze
in solcher Weise herge-
stellte Flügelrad ist in
einem linsenförmigen Ge-
hänse aus Eisenblech D Di
eingeschlossen , welches
sich mit demselben dreht,
um die Achse hemm die
zwei kreisförmigen Ein-
strömnngsSf&iangen , am
Rande aber die schlitzför^
mige, rings hemm lanfeude
AuBströmongsöffnung be-
sitzt. Ein- und Ansströ-
mungsöfihuugen dieses
innem Gehäuses sind gleich
gross, die Form des Qebäa-
ses überhaupt so gewählt,
dassdie nach dem Umfange
hin getriebene Luft an
jeder Stelle im Innern
desselben gleiche Quer-
schnitte zu passiren hat.
Die inneren Ränder EEi des Blechgebänses sind mit metallenen
Ringen bekleidet, die entgegenstehenden Ränder FFy des Gusseisen-
gehäuses mit abgedrehten Gusseisenringeu und die Abstände zwischen
den Ringen beider Gehäuse möglichst klein, um einen dichten Ahschlnss
henostellen.
Es ist leicht eimsoBehen, dass diese Umsobliessung der Flügel mit
einem GehJUue (Sofailde) in wohlthfttiger Weise anf Termindenmg des
76 Ventilatoren.
Krafkbedarfa und veranachten Ger&iuchB wirken muss. Denn w&hrend
ohne dasselbe eine stete gegenseitige Einwirkung der zwischen den Flü-
geln in Bewegung befindlichen Luft und der im Räume zwischen äusserm
Gehäuse und Flügeln vorhandenen Luft stattfinden muss, Reibung und
Wirbel verursacht, sind jetzt beide Luftschichten getrennt, und die Flü-
gel bewegen sich ohne jede Störung ^).
Die Leistung eines Ventilators ist im Allgemeinen um so günstiger,
je grösser die Windmenge ist, welche verlangt wird, oder mit anderen
Worten, je bedeutender die Umlaufsgeschwindigkeit der Flügel ist. Diese
Umlaufsgeschwindigkeit pflegt nicht unter 50 und nicht über 80 Meter
per Secunde zu betragen. Der durchschnittliche Wirkungsgrad des Gen-
trifugalgebl&ses ist immerhin gering und höchstens zu 0,30 anzunehmen,
d. h. die wirklich aufgewendete Arbeit des Motors verhält sich . zu der
theoretisch erforderlichen Arbeit, die gegebene Luftmenge zu verdichten,
wie 1 : 0,30.
Diese Leistung ist allerdings bedeutend ungünstiger als bei CyUnder-
geblasen, bei welchen ein Wirkungsgrad von mindestens 0,50 angenommen
zu werden pflegt. Man darf hierbei jedoch nicht ausser Acht lassen, dass, wie
schon erwähnt, jener Wirkungsgrad des Cylindergebläses bei höheren Wind-
pressungen sich herausstellt, als von einem Centrifugalgebläse überhaupt
erreichbar sind, und dass aus den schon angeführten Gründen jene Lei-
stung sich verringern muss, wenn die Windpressung abnimmt. Gerade
der umgekehrte Fall tritt bei Gentrifugalgebläsen ein, deren Wirkungs-
grad im Allgemeinen mit steigender Pressung abnimmt, und welche
überhaupt nicht Ülhig sind, hohe Windpressungen zu liefern; denn mit
abnehmendem Ausflussquerschnitte verringert sich mehr und mehr die
Windmenge, und die Windpressung ist fast allein von der Umlaufs-
geschwindigkeit der Flügel, nicht aber von dem Ausflussquerschnitte ab-
hängig.
Seit den dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts bis gegen das Ende
der sechsiger Jahre gewannen die Gentrifugalgeblase eine immer weitere
Ausbreitung, wurden in ihrer Gonstruction mehr und mehr verbessert
und verdrängten in Giessereien, Schmieden und anderen Werkstätten
zum grössten Theile die bis dahin üblichen älteren Gebläse.
Im Jahre 1866 erfanden F. M. Roots und P. H. Roots in Conners-
1) Biese Wirktmg der UmBchliesaung der Flügel wird durch Hartig*«
Versuche bestätigt (Hart ig, Versuche über Leistung imd Arbeitsverbrauch
von Werkzeugmaschinen, Leipzig 1873, 8. 230 bis 240). Bei unbedecktem
Blashalse des Ventilators betrug der Arbeitsverlust durch Luftrexbnng, Schall-
erzeugung und unregelmässige Bewegung der Luftschichten : a) bei drei Lloyd '•
sehen Ventilatoren, von der Chemnitzer Werkzeugmaschinenfabrik erbaut, das
0,98fache, l,15fache und l,38fache, durchschnittlich das l^lTfache von der
aufgewendeten Nutzarbeit zur Verdichtung des Windes; bei einem von Chr.
Schiele in Frankftirt a. M. gebauten Ventilator ohne Flügelbekleidung aber
das 12,7fache dieser Nutzarbeit.
Roets'sches Gebläse. 77
Title im Staate Indiana ein Gebl£ae, dessen allgemeine Einrichtnng aiu
den Figunm 73 nnd 74 herrorgett, nnd welchea unter dem Namen
Fig. 73.-
RootB'acher Venti1at«r, Roote'sches Kapaelg«bläse oder Roots' blower
aach bald in Europa Eingang fand. Es ergiebt eich ans der Zeichnnng,
daaa das Geblfise im Weaent-
lichen ans zwei Windflügeln B
nnd Bi besteht, «eiche sich
innerhalb eines gnsseisemen
Gehäases Ä nm horitontale
Achsen in entgegengesetzter
Ric;htnng drehen. Dabei greifen
die beiden nach Kreisbögen ab-
gerundeten Flügel ähnlich wie
Zahnräder in einander; es be-
rühren sich immer die convexen
Theile des einen Flügels mit
den coDcaren des andern. Die
Folge davon ist, dass zwischen
beiden Flügeln, stets ein annä-
hernd dichter LnftabschlDss anf-
recht erhalten wird, während
die swisohen je einem Flügel and der Gehäosewand eingeschlossene Lnft
(swischen AB in Fig. 74) nnnnterbrochen nach einer Richtung hinaus-
befördert und Ton der andern Seite frische Luft angesaugt wird. Zur
Entielung «nes dichtem AbschlusBes sowohl zwischen den Flügeln nnter
sich, als zwischen Oeh&asewand und Flügeln sind die letzteren mit einem
Ueberxnge aus Talg und Graphit versehen.
Bei den alteren Gebläsen dieser Art bestehen die Flügel aus einem
78 RootB'sches Gebläse.
gosseisemen Gerippe mit Holzbekleidoiig (wie in der Abbildnng); neaer-
diogB liefert die Chemnitzer WerkzeugmaschineDfabrilc Roota'sche Ge-
bläse mit ganz aas Eisen bestehenden Flügeln. Eine andere Terbesse-
mng ist hinsichtlich der Lagerung der Achsen getroffen, welche an bei-
den Enden feetgelagert (so dass der Antrieb zwischen Lager undGehänae
liegt) nnd dadurch vor dem Vibriren gescbfltzt sind; auBserdem hat man
die Windein Strömung in den Scheitel, die Aasströmung an den Boden
yerlegt nnd endlich das Gehänse so eingerichtet, dass bei vorkommenden
Reparaturen das Obertheil eich mit Leichtigkeit abnehmen lässt.
Ein Vergleich der in den Figuren 75 und 70 in '/jo der wirklichen
Grösse gegebenen Abbildung eines solchen verbesserten Gebläses mit
Fig. 75.
dem älteren Gebläse, Fig. 74,
wird sofort diese Verbeese-
mngen erkennen lassen. Die
Getriebe sind in Holzkäaten
eingeschlossen, um Unglücks-
falle za verhüten und Staub
abzuhalten.
Da die WirkungderRoo ts' -
sehen Gebläse nicht, wie bei
den CentrifagalgeblSsen, auf
der Centrifagalkraft beruht,
sondern vielmehr auf einem
Fortdrücken eingeschlossener
Luft (also ähnlich wie bei
Cflindergebläsen), so ist man
im Stande, bei viel geringe-
rer Drehnngszafal erheblich
BootB'sches Gebläse. 79
hShere WindpreBanngeu als mit dem CeDtrifugalgebläse herrorzu'
Kleineren Roots'scfaen Oebläaen pflegt man 300 bis 320, grÖsBeren
260 bis 300 Umdrehungen per Minute zu geben.
Von Hartig sind über die Leistung der Roots'schen Gebläse Er-
mittelnngen angestellt and in dem schon citirten Werke S. 241 veröffent-
licht worden.
Kr fand bei normaler Geecbwindigkeit nnd gänzlich geöffnetem
Blashalee, wobei sich eine PreBBung von nur 38 Uillimeter Waaseraänle
ergab, einen Wirkungsgrad von 0,405, welcher sich auf 0,143 verringerte,
als die Pressnug durch Verengung des Ausflussqnerschnitts anf 820 Milli-
meter gesteigert wurde. Eine ähnliche Abnahme des Wirkungsgrades
erfolgt anch bei Centrifngalgebl&sen mit steigender Pressung, aber, wie
Hartig bemerkt, bei letüteren ausschliesslich wegen Abnahme der ge-
forderten Windmenge, bei den Roots'schen Gebläsen zugleich wegen
unverhältnissmässiger Zunahme der Betriebsarbeit, borvorgernfen durch
das mit Zunahme der Pressung immer stärker auftretende Biemenmtschen.
Dieses abweiehende Verhalten beider Sorten Gebläse wird auch in
interessanter Weise gekennzeichnet, wenn man die Ausflussöffunngea
mehr und mehr scbliesst. Bei den Centrifugalgebläsen nimmt die er-
forderliche Arbeitsleistung des Motors mit dem Querschnitte dar Aus-
Pig 77.
80 Roots'sches Gebläse.
flassdffiliuigen ab, weil in gleicher Weise die gef5rderte Windmenge sich
yerringert, und beschränkt sich bei gänzlich geschlossenem Ausflüsse fast
anf Ueberwindong der Zapfenreibnng; bei den Roots'schen Gebläsen
steigt die erforderliche Arbeitsleistung mit Verengung des Ansflussquer-
schnitts, weil die Windpressung mehr und mehr wächst.
Auch Ton dem Maschineninspector Heim anf dem königlich würtem-
bergischen Eisenhüttenwerke Wasseralfingen wurden Versuche über die
Leistung eines von der Chemnitzer Werkzeugmaschinenfabrik in Chem-
nitz gelieferten Roots' sehen Gebläses angestellt, deren Mittheilnng Ver-
fasser der Güte der Direction genannter Werkzeugmaschinenfabrik ver-
dankt. Die Querschnitisverhältnisse des von Heim benutzten Gebläses
sind durch die Skizze, Fig. 77 (a. v. S.)* veranschaulicht; die Länge der
Windflügel betrug 1,250 M. Bei jeder Umdrehung beider Flügel wird also
theoretisch das Luftvolumen Ä einmal fortgeschafft. Während H artig
das factisch ausgeblasene Windquantum aus Pressung und Ausstromnngs-
querschnitt ermittelte, berechnet Heim dasselbe, indem er annimmt,
dass einestheils von dem Volumen A nur 0,96 A wirklich angesaugt
werde; dass andemtheils wegen undichten Anschlusses der Flügel an
den Stellen C, D und E Windverluste entstehen , welche er aus der
Windpressung und dem Querschnitte dieses Spielraumes berechnet und
von dem angesaugten Windquantum in Abzug bringt. Jenen Spielraum
nimmt er bei 2 Millimeter Abstand zwischen den Flächen zu 0,0075
Quadratmeter an. Es ergiebt sich demnach aus den Heimischen Ver-
suchen das Verhältniss der factischen Windmenge Wi zur theoretischen
W, d. h. zu dem vierfachen Volumen A:
beim Betriebe Umdrehungen Windpressung W^
von per Minute Wassersäule W
28 Schmiedefeuern ... 210 61 Mm 0,82
desgl. ... 374 172 „ 0,82
5 Schmiedefeuem ... 148 70 ,, 0,74
desgl. . . .360 360 „ 0,78
Alle Feuer geschlossen,
Sicherheitsventil geöfliiet,
dessen Querschnitt nicht
angegeben ist .... 174 ll>S „ 0,73
desgl. ... 322 357 „ 0,74
Dagegen fand Hartig aus Windpressung und Ausströmungsquerschnitt
-=^ bei geöffnetem Blashalse und 36 Mm Pressung = 0,79
^ bei 820 , „ = 0,12
schreibt jedoch die Schuld des so viel ungünstigem Ausfalls des letz-
tem Resultats wenigstens theilweise dem schon erwähnten Riemen-
rutsohen zu.
Roots'sches Gebläse. 81
J^ür mittlere Pressungen dörfte man als durchschnittliches Ergebniss
der Heim 'sehen und Hartig'schen Versuche immerhin ein Verhältniss
—-y = 0,75 annehmen können.
Die zum Betriebe aufgewendete Arbeitsleistung ermittelte Heim
ans der durch Rechnung gefundenen Leistung der Dampfmaschine, nach-
dem vermittelst des Indicators zuvor der für den Betrieb des Vorgeleges
erforderliche Kolbendruck (nach Ausruckung des Gebläses) gemessen und
von dem totalen Kolben drucke beim Betriebe des Gebläses in Abzug ge-
bracht wordeil war.
Heim fand den Wirkungsgrad — , d. h. das Verhältniss der tbeo-
retisch erforderlichen zn der aufgewendeten Leistung:
beim Betriebe Umdrehungen
Pressung
L
von per Minute
Wassersäule
In
28 Schmiedefeuem . . . 210
61 Mm
0,616
desgl. . . . 374
• 172 „
0,580
5 Schmiedefeuern . . 148
70 «
0,490
desgl. . . : 360
360 „
0,528
Alle Feuer geschlossen,
Sicherheitsventil offen . 174
118 „
•0,528
desgl. ... 322
357 „
0,513
während Hartig, wie oben bemerkt, mit Hülfe des Dynamometers einen
Wirkungsgrad von nur 0,405 beziehentlich 0,143 fand.
Als Durchschnitts werth zwischen den Ermittelungen von Hartig
und Heim wird man den Wirkungsgrad des Koots 'sehen Gebläses
= 0,45 setzen können.
Jedenfalls geht soviel aus den angestellten Versuchen hervor, dass
das Roots'sche Gebläse unter erheblich günstigeren Verhältnissen arbei-
tet, als das Centrifugalgebläse, dessen Wirkungsgrad die Zahl 0,30 höchst
selten übersteigt; dass femer das Roots'sche Gebläse im Stande ist,
noch ohne erheblichen Arbeitsverlust Windpressnngen zu liefern , für
welche das Centrifugalgebläse nicht mehr ausreicht; dass aber endlich
für hohe Pressungen (über 600 Mm. Wassersäule) sich bei dem Roots'-
schen Gebläse ein Arbeitsverlust herausstellt, welcher die Anwendung
desselben für mittlere und grosse Hochöfen kaum räthlich erscheinen
lassen wird , während für kleine Holzkohlen hochöfen , die oft mit einem
Winddrucke nicht über 400 Mm. Wassersäule (40 Grm. per Quadratcen-
timeter) arbeiten, die Anwendung des Roots' sehen Gebläses in Anbe-
tracht seiner viel biUigeren Anschaffnngskosten wohl eines Versuchs
werth sein dürfte, sobald in Rücksicht auf erforderlich werdende Repa-
raturen ein Reservegebläse in Bereitschaft steht. Zwei Roots'sche Ge-
bläse dürften zusammen kaum ein Drittel so viel kosten als ein Cylinder-
gebläse von entsprechender Grösse.
Ledebar, meohMiisch-inetelliirgisoha Teehaologl«. Q
82
Dampfstrahlgebläse.
Diese Eigenschaften des Roots^ sehen Gebläses lassen es aber voll-
ständig begründet erscheinen, dass, nachdem die ihm anfanglich anhaf-
tenden Mängel (häufige Reparaturen, nervenerschütterndes Geräusch)
durch die früher erwähnten Verbesserungen der Construction glücklich
beseitigt Bind, dasselbe gerade fär die MetaU Verarbeitung — Giessereien,
Schmiedewerkstätten u. s. w. — einen immer ausgedehntem Eingang
findet.
Als dritte Gattung von Gebläsen für Werkstätten der Metallver-
arbeitung, auf einem vollständig andern Principe als die beiden bisher
besprochenen beruhend, verdienen die Dampfstrahlgebläse Erwähnung.
Es ist ein bekanntes Gesetz, dass durch seitliche Oeffnungen eines
Rohres Gase, Flüssigkeiten, selbst feste Körper angesogen und ins Innere
geführt werden können , wenn in dem Innern sich ein Strahl eines mit
grosser Geschwindigkeit fortbewegten Körpers befindet. Auf dieser That-
Sache beruht die Construction der längst bekannten Wassertrommelgebläse,
der Blasrohre an Locomotiven zur Erzeugung von Luftzug, der Giffard-
Injectoren zur Speisung der Dampfkessel, und ebenfalls der erwähnten
Dampfstrahlgebläse.
Im Jahre 1870 nahm der durch so manche segensreiche Erfindun-
gen auf dem Gebiete der Pyrotechnik bekannte C. W. Siemens in Lon-
don ein Patent auf die Fortführung von Luft vermittelst Ansaugen s
durch einen Dampfstrahl (Engineering, Nov. 1871, S. 344). Das Sie-
mens^sche Gebläse scheint jedoch in seiner ersten Form wenig Erfolg
gehabt zu haben. Den Gebrüdern Koerting in Hannover gebührt das
Verdienst, dasselbe mit Verbesserungen versehen zu haben, die ihm eine
dauernde Stellung in der Technik verschaflBten. Nebenbei sei erwähnt,
dass die Gebrüder Koerting das dem Gebläse zu Grunde liegende Prin-
cip bald und mit Erfolg auch zum Heben und Fortführen von Wasser,
Kohlensäure, verbrauchtem Dampf aus Condensationsdampfmaschinen
Fig. 78.
Dampfstrahlgebläse.
8S
darcli Ansangen nnd Verdichten yermittelst eines Wasserstrahls, und zu
noch verschiedenen anderen Zwecken anwendeten.
Die Skizze, Fig. 78, stellt ein Eoerting'sches Dampfstrahlgebläse
in seiner einfachsten Form dar, wie es z. B. für Erzeugung von Unter-
wind bei Gasgeneratoren, Flammöfen, Dampf kesselfeuerun gen benutzt
werden kann. Ä ist ein Dampfleitungsrohr, durch den Hahn h verschliess-
bar, welches in einem engen konischen Mundstücke a endigt und beim
Oeffnen des Hahns Dampf durch dieses Mundstück ausbläst. Zum An-
saugen der Luft dienen die Saugdüsen h und c, zwei his drei an
ZaMy aus Bothguss gefertigt und innerhalb eines gusseisemen durch-
brochenen Gehäuses in der gezeichneten Stellung befestigt. Jede folgende
Saugdüse ist etwas weiter als die vorhergehende. Dampf und Luft
mischen sich, ein Theil des Dampfes wird condensirt und kann durch eine
Ablassvorrichtung an geeigneter Stelle entfernt werden; die Luft wird
Fig. 79.
I i
durch die freiwerdende Wärme erwärmt, der übrig
bleibende Dampf strömt mit fort.
Die aus dem Ende der Leitung austretende Luft
ist also ^tark mit Wasserdampf gesättigt.
Will man die Dampfausströmung in genauer
Weise reguliren, was durch alleinige Anwendung
des Hahns nicht gut möglich sein würde, so kann
dieser Zweck durch Anbringung eines Ventils mit
Schraubenspindel und Handrädchen in vollkommen-
ster Weise erreicht werden ; auch dürfte es in den
meisten Fällen bequemer sein, dem Gebläserohre eine
verticale statt einer horizontalen Stellung zu geben.
Fig. 79 veranschaulicht diese Anordnung und giebt
zugleich eine äussere Ansicht des Gebläses, a ist
hier das Dampfzuleitungsrohr, h ein Ablassrohr für
condensirtes Wasser, e die Regulirspindel, c Wasser-
sack, //.. die Saugdüsen.
Zur Verdeutlichung der ganzen Anordnung
diene Fig. 80 (a. f. S.), einen Flammofen mit dem
daneben stehenden Dampfstrahlgebläse zur Erzeu-
gung von Unterwind darstellend.
Um in solchen Fällen, wo der roitgefährte Was-
serdampf nachtheilig wirken würde, z. B. bei Schmiede-
feuem, einen trocknern Lufistrom hervorzubringen,
verbinden die Gebrüder Koerting mit dem Gebläse
den in Fig. 81 (a. f. S.) skizzirten Apparat. Es ist
'hier a das Dampfzuleitui\gsrohr, h das Gehäuse für
die Saugdüsen, c das Leitungsrohr für- die Luft und
den nicht condensirten Dampf. Beide treten ver-
einigt in den obern Theil des gusseisemen senk-
rechten Rohres d ein, welches einen länglich recht-
6*
DampfstrahlRebläse
Pig, 80.
Dampfstrahlgebläse. 85
eckigen Querschnitt besitzt und nach oben durch einen Deckel e luftdicht
verschlossen ist. Unmittelbar unter der Einmündung des Rohrs c in d
befindet sich eine siebartig durchlöcherte Platte zur möglichsten Verthei-
lung des hindurch eilenden feuchten Lufbstroms und unterhalb dieses
Siebes ist das ganze Bohr d durch eine grössere Anzahl senkrechter
Scheidewände in lauter einzelne schmale Rohre getheilt, um die in gleich-
massigster Weise vertheilte dampfhaltige Luft hindurch zu führen. Da
der gesammte Querschnitt dieses Rohrsystems ein verhältnissmässig
grosser, die Bewegung innerhalb desselben also eine langsame ist, so kann
beträchtliche Abkühlung stattfinden. Unterhalb des Rohrsystems befin-
det sich ein zweites Sieb g^ um das Mitreisen condensirter Wassertheil-
chen zu hindern; i ist eine Ablassschraube für das condensirte Wasser.
Die Luft steigt nun aufwärts im Rohre h und passirt bei h eine noch-
malige Saugdüse, durch welche noch mehr Luft angesogen werden soll,
und zwar wird hierzu diejenige Luft benutzt, welche an den Seitenwän-
den des Rohrs d dieses gekühlt und sich selbst dabei erwärmt hatte. Zu
diesem Zwecke ist das Rohr d mit einem Kasten umkleidet, welcher
ebenso wie das Rohr selbst dnrch Scheidewände in einzelne Abtheilungen
getheilt ist. Die fnsche Luft strömt bei l ein, steigt empor, gelangt in
das ringsum geschlossene Gehäuse m und aus diesem in das Blaserohr.
Es wird also eben so wohl der Luftwechsel an den Aussenwänden des
Condensators d befördert, als das eingeblasene Luftquantum vermehrt.
Ueber die Leistung der Dampfstrahlgebläse sind theoretische Be-
rechnungen durch V. Reichenbach angestellt worden^). Es ergiebt
sich hieraus, dass die Leistung eine um so günstigere ist, je grösser die
Dampfspannung und je geringer die Windpressung, ein Resultat, welches
auch die Praxis bestätigt. Den Effect der Gebläse, d. h. das Verhältniss
zwischen aufgewendeter und verbrauchter Arbeit berechnet v. Reichen-
bach zu 0,67 bis 0,97; praktische Ermittelungen zur Bestätigung dieser
Rechnung scheinen bislang nicht angestellt worden zu sein.
Die Dampfstrahlgebläse besitzen vor allen übrigen Gebläsen den
grossen Vortheil der Billigkeit, des äusserst geringen Raumes zur Auf-
stellung, der einfachen Bedienung, der directen Wirkung, wobei alleVor-
und Zwischengelege wegfallen, somit auch die zur Ueberwindung der
Reibungswiderstände derselben erforderliche Arbeit erspart wird, und
Schmiermittel überhaupt nicht gebraucht werden.
Ihre schwache Seite liegt in dem Umstände, dass sie nur fär sehr
geringe Pressungen guten Effect geben, und dass der erfolgende Wind
stets mit Wasserdampf gesättigt ist, von den mechanisch mitgerissenen
Nebel th eilchen ganz abgesehen. Auch der vorhin beschriebene sinnreiche
Apparat zur Entziehung des Wasserdampfs vermag naturgemäss immer
nur einen zwar abgekühlten Wind zu liefern , welcher aber seiner Tem-
1) Zur Theorie des Dampfslrahlgebläses von B. v. Beichenbach. Jahr-
buch der Bergakademien zu Leoben , Pf ibram und Schemnitz, Bd. 23, 8. 322 ff.
86 Gebläse.
perator entsprechend so lange mit Dampf geafittigt bleibt, bis durch die
Yermischung mit frischer Luft in dem Nachgebläse dieser vollständige
Sättigungsgrad etwas verringert wird. Feucht wird die Luft immer
bleiben.
Aus diesen Gründen sind die Dampfstrahlgebläse vorzügliche Appa-
rate in solchen Fällen, wo eine geringe Pressung verlangt wird und der
Dampfgehalt des Windes nicht schadet, insbesondere also für Erzeugung
von Unterwind bei Flammöfen, Gasgeneratoren, Kesselfeuerungen xl dgl.
Weniger vortheilhaft wirken sie, wo die Feuchtigkeit Nachtheile
bringt, z. B. bei Schmiedefeuem ; unvortheilhaft , wenn nicht unbrauch-
bar, würden sie nach des Yft-fassers Urtheil in allen Fällen sein, wo
höhere Pressung und Trockenheit der Luft gleichzeitig Bedingung sind,
also für Schmelzprocesse in Cupolöfen und für ähnliche Zwecke.
Literatur,
lieber Centrifugalgebläse :
Dürre, Handbuch des Eisengiessereibetriebes, I. Bd., Leipzig 1870,
S. 577 ff., enthält eine übersichtliche Zusammenstellung der wichtigeren
Theorien und Erfahrungsresultate über Centrifugalgebläse von Redten-
bacher, Wiebe, Rittinger, Tunner und Anderen.
von Hauer, Die Hüttenwesensmaschinen, 2. Auflage, S. 231 ff.
lieber Roots'sche Gebläse und Dampfstrahlgebläse ist bei der Neu-
heit des Gegenstandes die Literatur noch sehr spärlich. Ausser den
schon gegebenen Citaten und einigen unwichtigeren Notizen in perio-
dischen Zeitschriften finden sich die ausführlichsten Mittheilungen in
von Hauer op. cit. S. 208 und 226.
Zweiter Abschnitt.
Die rohe Formgebung.
Wenn aus einem rohen Metallblocke ein Gebrauchsgegenstand her-
gestellt werden soll, so bat derselbe gewöhnlich mehrere Stadien der
Formveränderung zu durchlaufen. In dem ersten Stadium ist die Haupt-
aufgabe die, einen Gegenstand von solchen Querschnitten .herzustellen,
welche den Querschnitten des fertigen Gegenstandes genau oder doch
möglichst annähernd entsprechen. Das £rg^bnis8 dieser ersten Form-
gebung, welche wir als „rohe Formgebung^ bezeichnen, ist also entweder
schon ein Körper, dessen sämmtliche äussere Formen annähernd genau
mit den Formen des vollendeten Gegenstandes übereinstimmen, oder es
ist ein Zwischenproduct für weitere Verarbeitung, bei welcher aber er-
hebliche Aenderungen in den Hauptabmessungen der Querschnitte
nicht mehr eintreten (Blech, Draht, stabförmige Körper etc.). Als solche
Hauptabmessungen gelten beim Bleche die Stärke (nicht die Breite), beim
Drahte der Durchmesser, bei stabförmigen Körpern sämmtliche Quer-
schnittsdimensionen (Quadrat-, Flach- und Bundstäbe, Winkeleisen, ein-
fach und doppelt T-Eisen, Eisenbahnschienen u. s. w.).
Jene rohe Formgebung kann in zweierlei Weise bewirkt werden.
Entweder das Rohmetall wird durch Erhitzung in den flüssigen Zu-
stand übergeführt (geschmolzen) und dann unter Einflüssen erstarren ge*
lassen, welche seine Neugestaltung bewirken und ihm dadurch eine blei-
bende Form geben. Man nennt diese Arbeit Giessen.
Oder man lässt mechanische Kräfte (Stoss, Druck, Zug) auf das nicht
geschmolzene, häufig aber durch Erhitzung in einen weichern, dehnbarem
Zustand versetzte Metall wirken, bis die Elasticitätsgrenze überschritten
ist, und ruft in solcher Weise eine Querschnittsveränderung hervor
(Hämmern, Walzen, Pressen, Ziehen).
Je nachdem die Metalle und Legirungen ihren Eigenschaften nach
sich mehr für die eine oder die andere dieser beiden Yerarbeitungs*
methoden eignen, sondern sie sich in mehrere Gruppen«
88 Rohe Formgebung.
Nur giessbar sind:
Gnsseisen,
Bronzen mit einem Zinngehalte von ungefähr 25 bitf^75Proc.,
Antimonblei mit reichlichem Antimongehalte.
Vorwiegend giessbar, aber auch zur Formveränderung durch mecha-
nische Kraft geeignet sind:
Zink,
Zinn,
Blei,
Messing,
Bronzen mit einem Zinngehalte unter 25 oder über 75 Proc.
Legirungen des Zinns mit Antimon und Blei.
Vorwiegend zur Form Veränderung durch mechanische Kraft geeig.
net, daneben aber noch giessbar sind:
Stahl (um so giessbarer, je reicher der Kohlenstoffgehalt),
Aluminium,
Kupfer,
Platin, ^
^,.„ ' I und deren Legirungen mit Kupfer,
Neusilber.
Nicht giessbar ist:
Schmiedeeisen.
Der Umstand, dass bei jeder Formveränderung durch mechanische
Kraft Arbeit aufgewendet wird, und dass jede mechanische Arbeit einer
bestimmten Wärmemenge äquivalent ist (1 Wärmeeinheit = 423,5 Kilo-
grammeter); der fernere Umstand, dass zum Schmelzen und Giessen
gleichfalls ganz bestimmte Wärmemengen erforderlich sind, lässt bei allen
Metallen, die durch beide Arbeitsmethoden verarbeitbar sind, einen Ver-
gleich zu, bei welcher der beiden Verfahmngsweisen der Aufwand an
Arbeit beziehentlich Wärme der grössere sei. Selbstverständlich muss die-
jenige Wärme, welche zum Erhitzen des Metalls bei der Verarbeitung durch
Einwirkung mechanischer Kräfte dazu verbraucht wird, das Metall durch
Erhitzung dehnbarer zu machen, gleichfalls in Rechnung gestellt werden.
Solche Ermittelungen, die — soweit des Verfassers Kenntniss reicht —
bislang noch nicht angestellt worden sind, durften recht interessante
Ergebnisse liefern , jedoch fast immer darauf hinauslaufen , dass der ge-
ringere Aufwand beim Giessen zu Tage tritt. Denn durch das Schmel-
zen und Giessen ist man im Stande, vielfach gegliederte Formen
durch eine einmalige Wärmeentwickelung hervorzubringen, während
die Verarbeitung im un geschmolzenen Zustande gewöhnlich eine grössere
Anzahl einzelner auf einander folgender Arbeitsleistungen erheischt.
Aus diesem Grunde zieht man in allen Fällen, wo durch Giessen
der Zweck zu erreichen ist und die Eigenschaften des gegossenen Metalls
den Anforderungen der Verwendung entsprechen, das Arbeitsverfahren
durch Giessen dem Arbeitsverfahren im ungeschmolzenen Zustande vor.
L Die Formgebung duroli Sohmel^en und OieBsen —
Glesserel.
1. Die Arbeitseigensohaften der Metalle und Legirungeo
hinsichtlich ihrer Verwendung Bur Giesserei.
a. Die Schmelzbarkeit.
Wir nennen einen Körper um so leichter schmelzbar, je weniger
Wärme er verbraucht, um aus dem festen Aggregatzustande und zwar
aus einer Temperatur von Nullgrad in den flüssigen Zustand überzugehen.
Daher ist die Schmelzbarkeit der Körper von drei Factoren abhängig:
erstens von der specifischen Wärme, welche angiebt, wie viel
Wärme der Körper bedarf, um auf eine bestimmte Anzahl Grade erwäi'mt
zu werden;
zweitens von dem Schmelzpunkte des Körpers, welcher angiebt,
um wie viele Temperatur grade die Erwärmung stattfinden muss, bis
Ueberg^ng in den flässigen Zustand stattfindet;
drittens von der Schmelzungswärme (latenten Wärme), welche
bei dem Uebergange in den flüssigen Zustand verbraucht wird.
Sind diese drei Werthe bekannt, so würde es nicht schwierig sein,
daraus die Schmelzbarkeit zu ermitteln. Ist z. B. die specifische Wärme
= s, der Schmelzpunkt = tj die Schmelzungswärme =2 , so ist die er-
forderliche Wärmemenge, um 1 Kilogramm des Metalls zu schmelzen,
W=8t + h
und da die Schmelzbarkeit sich umgekehrt wie die zum Schmelzen ver-
brauchte Wärmemenge verhält, so würde sich die Schmelzbarkeit durch
die Formel
S-i--— i—
W 8t + l
ausdrücken lassen.
In der That ist für mehrere Metalle die im flüssigen Zustande auf-
genommene Wärme in der soeben beschriebenen Weise berechnet worden.
Da jedoch die specifische Wärme der Körper sich mit der Tempera-
turzunahme ändert und ein Durchschnittswerth zwischen den Tempera-
90 Giesserei. Arbeitseigenschaiten.
tnren von Nullgrad bis zam Schmelzpunkte nicht immer bekannt ist,
ond da ebenfalls die Schmelzungswärme nur bei einzelnen Metallen er-
mittelt worden ist, so hat man in anderen Fällen durch ein einfaches
Verfahren ohne Weiteres die Gesammtmenge der vom schmelzbaren Me-
talle aufgenommenen Wärme ermittelt, indem man eine bestimmte Menge
des flüssigen Metalls in Wasser von ermittelter Menge und Temperatur
abkühlt und aus der Temperaturznnahme des Wassers die abgegebene
Wärmemenge des Metalls berechnet, welcher sich mit Hülfe der für nie-
drige Temperaturen bekannten specifischen Wärme der Metalle leicht
noch diejenige Wärmemenge hinzuaddiren lässt, die zur völligen Abküh-
lung des Metalls auf Nullgrad entzogen werden müsste.
Formel ;
worin s die specifische Wärme des Metalls in niedriger Temperatur, ^i die
Temperatur des Wassers nach dem Eingiessen, t^ die Temperatur vor
dem Eingiessen, V das Gewicht des Wassers in Kilogrammen, G das Ge-
wicht des Metalls in Kilogrammen bedeutet^).
Man hat theils durch diesen directen Versuch, theils durch Berech-
nung nach der frühern Formel folgende Werthe gefunden, denen wir die
Schmelzpunkte der Metalle gegenüber stellen wollen :
Wärmemenge. Schmelzpunkt.
Gussstahl 300 W. E. 13750 C«)
Graues Roheisen . . 245 „ „ 12750 „ «)
Weisses Roheisen . . 230 „ „ 1075« „ «)
Kupfer 165 „ „ 1200° „ »)
Silber • . 77 „ „ 1000^ „
Gold nicht ermittelt 1200» „
Zink 71W. E. 415« „
Zinn 27 „ „ 233«^
Wismuth 22 „ „ 267« „
Blei 16 „ „. 326« „
Ueber die zum Schmelzen der übrigen Metalle erforderliche Wärme-
menge fehlen noch ausreichende Ermittelungen.
1) Grüner benutzt zu solchen Ermittelungen bei schwer schmelzbaren
Körpern einen kupfernen Wasserbehälter von 20 Liter Inhalt, 300 Mm. im
Quadrat , 240 Mm hoch , umgeben von einer mit Flanell umgebenen Holzkiste,
um jeden Wärmeverlust zu vermeiden. In der Mitte dieses Behälters ruht ein
kleineres Gefäss aus Kupferblech auf Füssen und dient zur Aufnahme des
heissen MetaUs. Basselbe ist 200 Mm. im Quadrat, 60 Mm. hoch, die Füsse 50 Mm.
hoch. Ein kupferner Spatel mit Glasgri£f dient zum Umrühren des Wassers,
ein in V^q Grade getheiltes Thermometer zum Messen. Grüner, Analytische
Studien über den Hochofen, üebersetzt von Steffen, Wiesbaden 1875, 8. 106.
') Nach Grüner.
Schmelzbarkeit. 91
Häufig yerwecbMlt man den Begriff „Scbmelzbarkeit^ mit niedriger
Schmelztemperatur. Obschon die Schmelzbarkeit im Allgemeinen mit
der steigenden Schmelztemperatur eines Körpers abnimmt, lehrt uns doch
ein Blick auf obige Tabelle, dass diese Abnahme nicht etwa in einem
stetigen Verhältnisse stattfindet, sondern dass sogar einzelne Metalle mit
höherm Schmelzpunkte leichter schmelzbar sein können, als andere mit
niedrigerm Schmelzpunkte, weil ihre specifische und Schmelzungswärme
eben geringer sind. So ist z. B. das Blei leichter schmelzbar als Wis-
muth und Zinn, obgleich es eine höhere Temperatur zum Schmelzen als
diese Metalle erfordert ; Zink ist nur wenig leichter schmelzbar als Sil-,
ber, schmilzt aber bei einer um fast 600 Grad niedrigem Temperatur
als dieses, denn die specifische Wärme des Zinks ist 0,0927, diejenige
des Silbers nur 0,0557.
Die Gegenüberstellung der yom schmelzenden Metalle aufgenomme-
nen Wärme und des Schmelzpunkts desselben Metalls ist nicht ohne
Nutzen, und es ist zu bedauern, dass in dieser Beziehung nicht noch
umfassendere Versuche angestellt worden sind. Denn ein leicht schmelz-
bares Metall, dessen Schmelzpunkt aber hoch liegt, erfordert zum Schmel-
zen immerhin ein Brennmaterial, welches im Stande ist, bei der Ver-
brennung eine entsprechend höhere Temperatur, als der Schmelzpunkt
des Metalls ist, zu entwickeln, also eine relativ geringe Menge eines
Brennstoffs mit hohem Wärmeeffecte; im umgekehrten Falle aber kann
ein Brennmaterial von geringerm Wärmeeffecte, sobald es nur in ge-
nügender Menge verbrannt wird, die zum Schmelzen eines schwerer
schmelzbaren Metalls erforderliche Wärmemenge liefern, wenn der
Schmelzpunkt, also die zu entwickelnde Temperatur, nicht hoch liegt.
Ueber die von Legirungen aufgenommenen Wärmemengen liegen
keine, über die Schmelzpunkte derselben verhältnissmässig wenige Er-
mittelungen vor. Das Saigem der meisten Legirungen macht oft ge-
naue Ermittelungen unmöglich ; denn in allen Fällen, wo aus der flüssigen
Masse sich schon feste Legirungen ausscheiden, wird Wärme frei und es
ändert sich die Zusammensetzung der zurückbleibenden flüssigen Legi-
rung, so dass die aus den Versuchen hervorgehenden Ergebnisse ihre
Richtigkeit einbüssen.
Gewöhnlich, doch nicht immer, liegt der Schmelzpunkt der Legi-
rungen tiefer als der Schmelzpunkt der legiiien Metalle.
Beispiele.
1 Tbl. Blei, 1 Tbl. Zinn schmilzt bei 189^0.
l»i»3„„ „ „ 180® „
1 « « 6 , „ , „ 1900 „
3n»2„„ „ „ 211® „
6 « n 1 « n » n 270« „
8 „ » 3 „ n 8 Thle. Wismuth schmelzen bei 94V3®C.
16 , . 12 „ , 8 « . « « UO«C.
92 Giesserei. Arbeiiseigenschaften.
Für Bronzen yermittelte Künzel folgende Schmelzpunkte:
95 Thle. Kupfer, 5 Thle. Zinn schmelzen bei 1369<>C.
92
»
n
8
n
n
n
„ 1290« „
90
n
n
10
n
»
TJ
» 1250« „
89
n
»
11
n
n
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„ 1220« „
86
n
n
14
»
n
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„ "50« ,
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7i
T)
16
n
ff
»»
n noo" ,
80
»
»
20
n
n
n
„ 10200 „
Für Phosphorbronzen:
mit 9,97 Thln. Zinn, 1,17 Thln. Phosphor schmelzen bei 12420C.
„ 10,15 , „ 1,08 „ „ „ « 1233« „
Messing mit gleichviel Zink nnd Kupfer soll nach Daniell bei
912® C. schmelzen, mit zunehmendem Kupfergehalte steigt, mit zuneh-
mendem Zinkgehalte fällt der Schmelzpunkt.
Bei diesen Ermittelungen über die Schmelzpunkte der Legirungen
sind jedoch Zweifel an der absoluten Richtigkeit um so mehr gerecht-
fertigt, je höher der Schmelzpunkt liegt; theils, wiesoeben erwähnt, wegen
des Saigerns der Jjegirungen, theils wegen der Unzuverlässigkeit der vor-
handenen Pyrometer, und, wenn man den Schmelzpunkt durch Eingiessen
in Wasser ermittelt, wegen der schon erwähnten Veränderlichkeit der
specifischen Wärme der Metalle in höheren Temperaturen.
b. Die Dünnflüssigkeit.
Je mehr die Cohärenz der Molecüle eines Metalls oder einer Legi-
rung bei dem Uebergange in den flüssigen Zustand aufgehoben wird,
desto dünnflüssiger ist dasselbe. Als höchstes Stadium der Dünnflüssig-
keit kann man den gasförmigen Zustand des Metalls betrachten.
Je dünnflüssiger ein Metall ist, in desto schwächere Querschnitte
lässt sich dasselbe giessen. Daher befördert die Dünnflüssigkeit erheb-
lich die Verwendbarkeit des Metalls oder der Legirung zur Giesserei.
Im Allgemeinen steigt die Dünnflüssigkeit mit der Temperatur, auf
welche das Metall oberhalb seines Schmelzpunkts erhitzt wird. Deshalb
wird sich ein Maass zur sichern Vergleichung der Dünnflüssigkeit kaum
flnden lassen. Je geringer der Querschnitt ist, welchen das flüssige Me-
tall beim Giessen ausfüllen soll, desto stärker erhitzt muss es in dieGuss-
form gegossen werden.
In gewisser Hinsicht ist mithin die Dünnflüssigkeit, wenn wir die
Kleinheit des Gussquerschnitts als Maass für dieselbe annehmen, von
ihrer specifischen Wärme abhängig ; denn je grösser die letztere ist, desto
angsamer wird das eingegossene Metall abgekühlt und zum Erstarren
ebracht werden, desto leichter wird es den Querschnitt ausfüllen.
Dünnflüssigkeit. Schwindung. 93
Aach die Art nnd Weise des Flüssig^erdens spricht jedoch hierbei
mit. Manche Metalle durchlaufen einen breiartigen Zustand, andere
gehen gans plötzlich aus dem festen in den flüssigen Zustand über.
Letztere pflegen dünnflüssiger zn sein als entere. Oft beeinflussen ge-
ringe Beimengungen fremder Körper die Dünnflüssigkeit in erheblichem
Grade. Graues Roheisen, obschon schwerer schmelzbar als weisses, ist
dünnflüssiger als dieses. Ein Schwefelgehalt des Eisens verringert dio
Dilnnflüssigkeit betrachtlich, Phosphor erhöht sie. Legirungen des Kupfers
mit Zinn und Zink sind dünnflflssiger als reines Kupfer, insbesondere
wächst die PünnflüBsigkeit mit dem Zinkgehalte. Ebenso erhöht ein
Bleizusatz zur Bronze deren Dünnflüssigkeit (jedoch gleichfalls die Saige-
mngsfähigkeit). Auch bei den Nensilberlegirungen wächst die Dünn-
flüssigkeit mit dem Zinkgehalte. Zinn ist im reinen Zustande weniger
dünnflüssig, als mit Blei und Antimon legirt. Die Beeinflussung der
Dünnflüssigkeit durch solche Zusätze und Legirungen ist jedenfalls in
vielen Fällen eine Folge der Erniedrigung des Schmelzpunkts. Wird
das Metall auf gleiche Temperatur als vorher erhitzt, so fUllt es dünn-
flüssiger aus.
Der Begpriff der Dünnflüssigkeit bleibt deshalb immerhin ein nicht
ganz genau bestimmter, nicht messbarer, und' ein von der persönlichen
Beurtheilung abhängiger.
c. Die Seh Windung.
In Folge des bekannten Gesetzes von der Ausdehnung der Körper
durch die Wärme nehmen die Abmessungen derselben bei der Erwär-
mung bis zum Schmelzpunkte stetig zu. Die Ziffer, welche angiebt, um
wie viel seiner ursprünglichen Abmessungen ein Körper bei der Er-
hitzung um eine gewisse Anzahl Wärmegrade sich aasdehnt, nennt man
den Ausdehnungscoefficienten. Derselbe beträgt z. B. für eine Wärme-
zunahme von 0 bis 100 Grad Celsius fUr die linearen Abmessungen
der Metalle:
für Blei Vssi,
„ Gold 1/689,
„ GuBseisen 1/900»
„ Schmiedeeisen Vshi
„ Stahl, ungehärtet VsiTt
„ „ gehärtet Vso?»
„ Kupfer V5821
„ Messing Vssö»
„ Platin Vuoo,
„ Silber V524,
„ Zink Vs4o»
y, Zinn Vsie-
<g
94
GiessereL Arbeitseigenschaften.
Diese AuBdehnangscoefficienten ändern sieb aber in höherer Tempe-
ratur. Meistens wachsen sie, je näher dem Schmelzpunkte das Metall
erhitzt wird. Bei einzelnen Körpern tritt auch bei fortschreitender Er-
wärmung eine Unterbrechung der Ausdehnung durch plötzliche Verdich-
tung ein. So zeigt z. B. das sogenannte Rose^sche Metall aus 8 Thln.
Wismuth, 8 Thln. Blei, 3 Thln. Zinn das Maximum seiner Dichtigkeit
bei 69^ C, und es lässt sich die Zu- und Abnahme seiner Dichtigkeit
durch die Curve Fig. 82 veranschaulichen , welche uns zeigt , dass von
Fig. 82.
0 bis 44 Grad das Vo-
lumen stetig zunimmt,
dann plötzlich sich stark
verringert, von 69 Grad
an wieder zunimmt und
bei der Schmelzung
(94Vs Grad) dasselbe
Maass erreicht, als hätte
die Ausdehnung von
0^ an ununterbroche-
nen gleichmässigen Fort-
gang erfahren.
Wenn es schon ans diesem Grunde unmöglich ist, die totale Zunahme
der Abmessungen bis zum Schmelzpunkte mit Hülfe des Ausdehnungs-
coefficienten zu ermitteln, so kommt noch ein zweiter Umstand hinzu,
welcher die Benutzung jener Ausdehnungscoefficienten für Ermittelung
der Abmessungen des flüssigen Metalls verbietet. Es ist dieses die
Thatsache, dass einzelne Körper bei einer gewissen Temperatur des flüs-
sigen Zustandes dichter sind als unmittelbar bei und nach dem Erstar-
ren , sich also ausdehnen , wenn sie starr werden. Vom Wasser ist mit
Sicherheit festgestellt, dass es bei -f~ 4^C. seine gprösste Dichtigkeit be-
sitzt; es dehnt sich beim (jefri^ren aus, zersprengt seine G^fasse und
das Eis schwimmt auf dem Wasser. Aehnlich verhält sich nach Schott 's
Versuchen Gusseisen, höchstwahrscheinlich auch mehrere andere Metalle.
Es folgt aber hieraus, dass bei allen jenen Metallen, welche sich beim
Erstarren ausdehnen, die Abnahme des Volumens vom flüssigen Zustande
bis zum erkalteten um so geringer ausfallen muss, je grösser die Ausdeh-
nung beim Erstarren war. Wenn diese momentane Ausdehnung sehr
gross ist, kann möglicherweise die totale Abnahme der Abmessungen vom
flüssigen bis zum erkalteten Zustande Null werden, ein Fall, welcher
wenigstens annähernd bei einigen graphitreichen Gusseisensorten
zutrifft.
Es muss also ein neuer Coefflcient ermittelt werden, welcher an-
giebt, um wie viel der Körper im Ganzen seine Abmessungen beim Ueber-
gange aus dem flüssigen bis zum vollständig erkalteten Zustande ver-
kleinert, und diesen Coefßcienten nennen wir den Schwind ungscoef-
ficienten, den ganzen Inbegriff der Volumenverkleinerung oder die
Schwindung. 95
Differenz zwischen den Abmessnngen im flüssigen nocl erkalteten Zu-
Stande die Schwindnng.
Die Kenntniss des Schwindnngscoefticienten eines zu giessenden Me-
talls ist von Wichtigkeit, denn jener Coefficient giebt an, um wie viel
die Abmessungen des zur Aufnahme des geschmolzenen Metalls bestimm-
ten bohlen Raumes, der die Gestalt und Grösse des Abgusses bestimmt
UAd Gussform genannt wird, grösser sein muss, als die Abmessungen
des erkalteten Körpers.
Man unterscheidet einen linearen Schwindungscoefficienten, wel-
cher angiebt, um wie yiel die einzelnen Abmessungen eines Körpers
beim Schwinden kleiner werden und einen cubischen Schwindungscoef-
ficienten, welcher die Abnahme des Volumens angiebt. Der cubische
Schwindungscoeffioient ist fast genau gleich dem dreifachen linearen
Schwindungscoefficienten^). In der Praxis kommt fast nur der lineare
Schwindungscoefficient zur Anwendung.
Auch bei einem und demselben Metalle ist der Schwindungscoeffi-
cient nicht immer derselbe. Er ist abhängig yon den Erstarrungsver-
h<nissen, Ton zufälligen Beimengungen des Metalls. Um jedoch dem
Arbeiter, welcher die Gussform herstellt, ein wenigstens annähernd zn-
treffidndes Yerhältniss zu geben, um welches er die Abmessungen grösser
zu nehmen hat, wenn der Abguss richtig ausfallen soll, hat man mittlere
Durchschnittswerthe fär die Schwindungscoefficienten der einzelnen Me-
talle ermittelt, bei deren Benutzung man sicher sein kann, in den ge-
wöhnlichen Fällen wenigstens nicht . erheblich von der Wahrheit abzu-
1) Es sei
V der Ranminhalt des Körpers vor dem Schwinden,
«'i » i> » I» na<Jh y, r,
a eine Seite des Körpers vor dem Schwinden,
«1 *i » j» n nach „ „
*, r cnbTs^e 1 Schwindungscoefficient,
so ist
1) a, = a (1 — «).
2) die gesammte cubische Schwindung
8iV = V — «1, also
i> — f^i ^ «,
Da sich die Cubikinhalte ähnlicher Körper wie die Guben gleichhegender
Seiten verhalten, so ist
3)S=fi;=iiii^ii)ü=(i_,)8
8 4" 3«^ — *';
also nach Gleichung 2)
«1 = 1 — £l = 3s — 3ä« 4- «».
Bei der Kleinheit von 8 kann man den Werth — 33^4"^^ = ^^ setzen;
es ist dann
Sj = S8,
96 Giesserei. Arbeitseigenschaften.
weichen. Solche Darchschnittawerthe der linearen Schwindungs-
coefficienten sind folgende:
Ottsseisen V969
Gussstahl ^/7s,
Zink Vso,
Messing mit 30 Proc. Zink y^q,
Geschützbronze mit 10 Proc. Zinn Viso«
Glockenbronze mit 20 Proc. Zinn ^$5,
Statuenbronze mit 86 Proc. Kupfer, übrigens Zinn und Zink 1.^77,
Zinn Vi47i
Blei V9f.
Auf die Schwindung ist l>ei der Formgebung der Metalle durch
Giessen in vielfacher Beziehung Rücksicht zu nehmen, und manche auf
den ersten Blick yielleicht rftthselhafte Erscheinungen beim Giessen fin-
den eine natürliche Erklärung, wenn man sie auf die Folgen der Schwin-
dung zurückführt.
Giesst man einen Abgnss, welcher mehrere ungleich starke Quer-
schnitte in solcher Anordnung vereinigt, dass die einen nicht schwinden
können, ohne die anderen zu beeinflussen — z. B. ein Rad mit starkem
Kranze und schwachen Armen — , so erstarren und erkalten die schwäche-
ren Querschnitte rascher als die stärkeren. In dem hocherhitzten Zn-
stande des Metalls ordnen sich die Molecüle desselben diesen Verhält-
nissen entsprechend; aus den stärkeren Querschnitten, die zum Theil
noch flüssiges Metall enthalten, wird auch wohl Metall zur Ausgleichung
der Verkürzung der Theile mit schwächeren Querschnitten abgegeben.
Diese erkalten also unbehindert, und es würde vollständiges Gleichgewicht
im Abgüsse herrschen, wenn nunmehr die Schwindung unterbrochen
werden könnte. Nun aber beginnen erst die Theile mit stärkeren Quer-
schnitten zu schwinden, sich zu verkürzen, dadurch einen Zug oder Druck
auf die schon erkalteten Theile auszuüben. Das Gleichgewicht in dem
Zusammenhange der Molecüle wird gestört, es tritt Spannung ein ^). Ein
geringes äusserliches Ereigniss, ein Stoss, eine ungleichmässige Erwär-
mung genügt, eine Zerreissung herbeizuführen. Die Zerreissung erfolgt
^) AuR der Tinvenneidlichen Folgte dieses Yorg^ang^B, dass nämlich in einem
und demselben Abgüsse die Theile mit stärkeren Querschnitten nach dem Er-
kalten kürzere Abmessungen zeigen, als die früher erkalteten Theile mit schwäche-
ren Abmessnngen, sobald ihr Zusammenhang ein solcher ist, dass durch Schwin-
dung der einen ein Zug oder Dinick auf die anderen entsteht, hat man
vielfach, insbesondere für Gusseisen, den Schluss gezogen: rasch erkaltendes
Metall schwindet weniger als langsam erkaltendes, schwache Querschnitte we-
*niger als starke, eine Folgerung, die in dieser abstracten Form unrichtig int.
Man braucht nur zwei Stäbe von genau gleicher Lä^ge, aber sehr verschiede-
nen Querschnitten ohne Znsammenhang mit einander zu giessen, um
den Beweis zu erhalten. Ueber hierauf bezügliche, später mehrfach wieder-
holte Versuche des Verfassers siehe Berg- und Hüttenmännische Zeitung, Jahr-
gang 1869, 8. 50.
Schwindung. 97
um 8o rascher, je spröder das Metall an und für sich ist, je weniger es
den auf eine Verschiebung seiner Theile hinwirkenden Kräften nachzu-
geben vermag. Gusseisen, welches unter den znr Giesserei benutzten
Metallen das am wenigsten dehnbare ist, zeigt daher am meisten Neigung,
Spannnngpen zu erzeugen; nnd unter den Gusseisensorten zeichnen sich
die ans Rasenerzen, Minette und ähnlichen Erzvorkommnissen erblaseneu
phosphorreichen Sorten vorzugsweise durch die beim Schwinden ent-
stehende Spannung unvortheilhaft aus.
In gleicher Weise wie die durch verschiedene Querschnittsstärken
hervorgerufene ungleichmässige Abkühlung kann auch, wenn die Quer-
schnitte gleich sind, eine durch äussere Einflüsse bewirkte ungleichzeitige
Erkaltung des Gussstücks wirken. Ein Entblössen des Gussstücks an
einer Stelle von der schützenden Sanddecke, während die andere bedeckt
bleibt, Regentropfen, welche den heissen Abguss treffen, und andere Zu-
fälligkeiten können Spannung und späteres plötzliches Zerspringen des
GusBstücks herbeiführen, dessen Ursache dann häufig nicht mehr zu er-
forschen ist.
Man hat verschiedene Mittel, die Entstehung von Spannungen zu
vermeiden. Das einfachste Mittel ist die Anwendung gleich starker Quer-
schnitte in einem und demselben Abgüsse und gleichmässiges, durch Um-
geben des heissen Abgusses mit schlechten Wärmeleitern bewirktes Er-
kaltenlassen desselben. Die Anwendung gleichmässig starker Querschnitte
ist eine Regel, auf welche die Constructeure von Maschinentheilen, archi-
tektonischer Gegenstände u. s. w. nicht genug aufmerksam gemacht wer-
den können.
Die Bestimmung des Gussstücks gestattet jedoch nicht in allen Fäl-
len die Anwendung solcher ganz gleichmässiger Querschnitte. Das als-
dann zunächst liegende Mittel ist, durch längeres Bedeckthalten der
schwächeren Theile nach dem Abgiessen mit schlechten Wärmeleitern,
woza man gewöhnlich Saud benutzt, und durch beschleunigte Abkühlung
der stärkeren, indem man sie der Luft aussetzt oder bei sehr grossen
Querschnittsdifferenzen auch wohl mit Wasser besprengt, ein möglichst
gleichzeitiges Erkalten aller Theile des Abgusses zu bewirken. Eine
solche Beeinflussung der Abkühlung muss mit grosser Umsicht geschehen,
und k«nn dann einen gewünschten Erfolg liefern, ist jedoch um so
schwieriger durchzuführen, je grösser der Unterschied in den Querschnitts -
Verhältnissen ist.
Man sucht deshalb wohl von vornherein dem Abgüsse eine derartige
Form zu geben, welche ein leichtes Verziehen einzelner Theile ohne Gefahr
für das Zerspringen ermöglicht, und vermindert dann ausserdem ein zu
starkes Verziehen durch die soeben erwähnte Regelung der Abkühlung.
Ans diesem Bestreben ist die Form der Riemenscheiben und Räder
mit gebogenen Armen hervorgegangen. Es ist sehr leicht einleuchtend,
dass die gebogenen Arme der Riemenscheibe, Fig. 83 (a. f. S.), weit
leichter ein Zusammenziehen des Kranzes gestatten, als wenn sie radial
Ledebar, mcohanlich-meteUiiTgltcbe Technologie. 7
98 Schwindung.
gegen denselben gerichtet wären , und es bedarf keiner Erklärung dafür,
dass ibre Spannung um so geringer ausfallt, je kleiner ihr Krummungs-
balbmesser, je grosser ibre Krümmung ist.
Fig. 83.
Bei sebr grossen Querscbnittsdifferenzen in solcben gescblosseneu
Formen ist jedocb das wirksamste Mittel einer Dnrcbtbeilung des stärkern
Fig. 84.
Gliedes in zwei Theile,
welcbe später durch me-
chanische Bearbeitung
vereinigt werden. Wenn
man z. B. bei dem
Sohwungrade, Fig. 84,
den starken Kranz, wie
bei ah angedeutet ist,
durch ein in die Guss-
form eingesetztes , mit
Graphit bestrichenes
Blechstückcben tbeilt,
also dort einen durch-
gehenden Spalt eingiesst
(der sich später leicht
durch ein eingesetztes
Metallstückchen schlies-
sen lässt), so wird der
Kranz nicht mehr in ra-
dialer Richtung, sondern nach der Richtung der Pfeile sich zusammen-
ziehen; die Arme werden ein wenig, jedoch weit weniger dadurch ver-
bogen werden, als wenn die Schwindung nach dem Mittelpunkte zu statt-
Schwindimg. 99
fönde. Derselbe Fall zeigt sich bei dem Fenster, Fig. 85. Sind die
Unterschiede in den Querschnittsabmessangen massig, so genügt eine
Fig. 85.
einmalige Theilung des Fensterrabmens, bei grosseren Unterschieden
heilt man wie in der Figur zweimal, bei sebr grossen unterschieden
wohl an allen vier Ecken.
Bei grossen Abgüssen, welche eine Menge Metall an einer Stelle
vereinigen, entstehen in Folge der Schwindung im Innern hohle, mit kry-
stallinischen Bildungen erfüllte Räume von oft beträchtlicher Grösse.
Die Erstarrung der Metallmasse schreitet nämlich von aussen nach innen
fort. Der äussere Mantel ist schon zum Theil geschwunden, während
der Kern noch flüssig ist. Erstarrt und schwindet dieser, so muss schliess-
lich ein Yacuum zurückbleiben und zwar an derjenigen Stelle, wo das
letzte flüssige Metall sich befand« Solche Höhlungen können die Brauch-
barkeit eines Abgusses yollständig in Frage stellen. Sie entstehen um
so leichter, je stärker der Querschnitt und je grösser der Schwindungs-'
coefflcient des Metalls ist. Bei Messingguss treten sie wegen des grossen
Scbwindungscoefßcienten (Vea) niit Vorliebe auf und finden sich häufig
auch in weniger starken Querschnitten. Es ist daher zur Erzielung
dichten Gusses von Wichtigkeit, solche Legirungen zu wählen, deren
Schwindung möglichst wenig bedeutend ist, und zwar muss diese Rück-
sicht um so thehr befolgt werden, je grösser der Rauminhalt, je langsamer
also die Erstarrung des Gussstücks in seinen innersten Theilen ist. Der
Schwindungscoefficient dürfte sich verringern lassen durch möglichst ge-
ringen Zinkzusatz; soll eine zu kupferreiche Legirung vermieden werdeui
durch theilweisen Ersatz des Zinks durch geringere Mengen Zinn n|id
100 Scbwindung.
Blei, wodnrch die ZusAmmeDaetzung sich derjenigen der zinkhaUi^en
Stntnen bronzen (S. 11) nähert. Gründliche Ermittelungen hierüber wür-
den nicht ohne Nutzen för die Praxis aein. Bei sehr starken GnsBetOcken
vermeidet man diese Höhlungen oder „Änssangungen" durch Anbringen
einea sogenannten „verlorenen Kopfes". Der verlorene Kopf ist ein Auf-
aatzatück anf dem beim Giessen za oherst befindlichen Theile des Gnea-
etücks von eolcher Form nnd Grösse, daaa es später erstarrt als das eigent-
liche GnasatQck nnd dadurch gewiasermaassen ala ein Behälter fQr das
6flaaige Metall dient, aoa welchem die beim Schwinden des Abgnsaea
entstandenen Hohlränme aich wieder anfallen. Der Kopf enthält also
nach dem Erstarren den ' Hohlranm , welcher eben durch Anwendong dea
Kopfes im eigentlichen GnssstOcke vermieden iat. Fig. 86 veranschan-
licht einen hjdraalischen Presscylinder mit solchem verlorenen, vollen
Kopfe, Fig. 87 einen Dampfcylinder mit ringförmigem Kopfe. In beiden
Fig. 8S.
Figuren ist die Stelle angedeutet, wo sich die Hohlnng nach dem Erstar-
ren befindet.
Eb ist also die Aufgabe des Giessers, erstens dem Kopfe eine der
obigen Bestimmung entsprechende Form eu geben; zweitens auch durch
qtö^lichst langes Warmhalten eine frühzeitige Ergtaming des im Kopfe
Schwindaiig. 101
b«finiUicben flfLaaigen Metalls sa Termeiden. Man sacht diesen Zweck
dnrch Bedecktlutlten des Kopfes mit schlechten W&rmeleitern (Kohlen-
lösche, Asche) und fleissiges Nachgiessen frischen heissen Metalls zu er-
reichen- Sehr bald erkennt man au einer Senkung der Oberfläche, wie
das Metall aus dem Kopfe in den Abgnss „ nachgesogen " wird, die ent-
standenen Hohlräume des Abgusses aasfollend.
Die richtige Constraction eines verlorenen Kopfes ist nicht immer
leicht und erfordert manniohfache Erwägaag. Als Hauptsiel moss man
dabei stets im Auge bebalten, dass der Kopf später als das eigentliche
GoBsstflck erBtarren soll. Desbalb würde z. fi. ein verlorener Kopf aul'
einem Cf linder, wie in Fig. 88, gerade den entgegenge setzten Erfolg
fj-^ gg^ haben. Das Metall würde in dem schwa-
chen Querschnitte ab früher erstarren,
als in dem darunter liegenden starkem ;
in der Mitte des letztem, also gerade
da, wo der Kopf entfernt wird und der
Ouss dicht sein soll, würde eine Hühlnng
entstehen.
Da die Hohlräume um so leichter ge-
bildet werden und um so grösser ausfal-
len, je länger das Metall im Innurn flDs-
Big bleibt, so ist es Rege!, das Mebtll
um so weniger über seinen Schmelzpunkt
erhitzt in die Gnssfurm zu giessen, je
compacter das Gussstück ist.
Nach dem Erkalten des Abgusses
sammt Kopf wird letzterer von dem
erstem dnrch mechanische Bearbeitung
losgelöst und als Rohmaterial weiter ver-
wendet.
Eine andere Folge der Scbwindnng
bt das leichte Krummzieben quadratischer
oder kreisrunder Platten. Bei einem jeden plattenfbrmigen Körper be-
ginnt die Scbwindnng vom Rande und schreitet nach der Mitte hin fort,
Fig. 89. Je weiter der Mittelpunkt der Platte vom Rande entfernt liegt,
Fig. HB. Pig. 90.
102 Gasentwickelung aus den Metallen.
je weniger ungleich also die Achsen der Platte sind, desto langsamer
wird die Abkühlung bis zur Mitte vordringen, desto ungleichmässiger
wird die Sohwindnng sein. Die schwindenden Theile veranlassen ein
Ausweichen, Krummziehen der anderen. Die Platte wird ,| windschief^.
Man vermeidet deshalb nach Möglichkeit solche regul&ren Formen für
flache Körper und wählt lieber oblonge oder, wo es angeht, rahmen-
förmige (Fig. 90, a. v. S.).
Aehnliche Folgen der Schwindung sind zahllos und täglich in den
Giessereien zu beobachten. Auch dem erfahrensten Giesser kann es bis-
weilen geschehen , dass er diese Folgen nicht richtig voraus berechnet
hat und erst durch das Misslingen des Gussstücks seinen Irrthum erkennt.
d. Die Entwickelung von Gasen aus den Metallen.
Das vielfach zu beobachtende Aufsteigen von Gasblasen in den flüs-
sigen Metallen ist eine Erscheinung, welche trotz ihrer Wichtigkeit ftLr
die Technik erst in den letzten Jahren sich eine etwas eingehendere
Beachtung seitens der Metallurgen und Chemiker erringen konnte. Die
Schwierigkeit, Gase dem flüssigen Metalle zu entziehen und zu sammeln,
die Umständlichkeit der Gasuntersuchung nach den älteren Methoden,
endlich vielleicht auch der Umstand, dass man die Wichtigkeit solcher
Untersuchungen nicht gebührend schätzte, vereinigten sich, von er-
Bchöpifenden Versuchen in dieser Beziehung abzuhalten. Daher kommt
es, dass unser Wissen auf diesem Gebiete noch sehr klein im Verhältnisse
zu dem ist, was wir nicht wissen, und dass wohl in keinem andern Ga-
pitel der metallurgischen Chemie so viele ungelöste Fragen der Beant-
wortung harren, als gerade hier.
Man kann jenes Aufsteigen von Gasbläschen in irgend einem ge*
schmolzenen Metalle auf zwei Hauptnrsachen zurückführen :
1) auf einen chemischen Process, welcher innerhalb des flüssigen
Metalls vor sich geht und die Entstehung eines gasförmigen Körpers
veranlasst;
2) auf ein einfaches Entweichen von Gasen, die in dem flüssi-
gen Metalle eben so gelöst waren, wie sich Kohlensäure und Sauerstoff
im Wasser lösen und eben so aus den Metallen wie diese Gase aus dem
Wasser entweichen, wenn ein verringerter Druck, heftige Bewegung, Er-
starrungsverhältnisse oder sonstige ZufäUigkeiten dieses Entweichen ver-
ursachen. Besonders häufig wirkt der Uebergang aus dem flüssigen
in den festen Zustand auf das Entweichen gelöster Gase hin, obschon ein
Theil derselben fast immer auch im festen Zustande gelöst bleibt.
Findet die Gasentwickelung statt, während das Metall noch voll-
ständig flüssig war, und finden die Gasbläschen Zeit, an die Oberfläche
zu steigen und dort zu entweichen, so bleibt der ganze Vorgang ohne
besondere Folgen für die Eigenschaften des Arbeitsstücks; anders ist es
Gasentwickelung aus den Metallen. 103
aber, wenn das Metall, dem Erstarren nahe, bereits in einem so dick-*
flüssigen Znstande sich befand, dass die Gasblase in demselben suspendirt
blieb, oder wenn die ringsum geschlossene Gnssform das völlige Entwei-
chen hindert. Sie zeigt sich alsdann selbstverständlich auf der Bruch-
fl&che des erkalteten Metalls als ein Hohlraum, der sich durch seine glat-
ten Wände deutlich von den durch Schwindung entstandenen mit Kry-
stallanhäufungen angefOllten Höhlungen unterscheidet. Ben Eigenschaf-
ten des Metalls und den Entstehungsursachen entsprechend finden sich
solche hohlen Stellen theils in mikroskopischer Kleinheit zahUos auf der
ganzen Bruchfläche vertheilt (in den meisten Bronzen, im Kupfer u. a.),
theils in einzelnen grösseren Blasen bis zu Haselnussgrösse an dieser
oder jener Stelle des Arbeitsstücks. In beiden Fällen beeinträchtigen
sie das speciflsche Gewicht (die Dichtigkeit) und die Festigkeit des Arbeits-
stücks und wirken in dieser Beziehung um so gefahrlicher, da ihre An-
wesenheit oft gar nicht anders als nach erfolgtem Bruche bemerkt weiv
den kann; treten sie aber an der Oberfläche eines Arbeitsstücks auf, wel-
ches bearbeitet wird und vollständig glatt, eben sein muss — z. B. an
der Innenfläche eines Dampf- oder Gebläsecylinders, an der Aussenfläche
von Walzen für Metalle, Papier und andere Zwecke — ^ so können sie
ebenso wie die in Folge der Schwindung entstandenen Höhlungen die
Brauchbarkeit des ganzen Gussstücks unmöglich machen.
Da, wie erwähnt, die Eigenschaften der Metalle in dieser Beziehung
erst in sehr geringem Maasse der Forschung unterzogen worden sind,
lässt sich die Entstehungsursache solcher Gasblasen oft nur auf Muth-
maassungen zurückfuhren.
Wenn man schwefelhaltiges Kupfer (Schwarzkupfer) im geschmolze-
nen Zustande der Einwirkung von Sauerstoff der atmosphärischen Luft
aussetzt, so steigen nach einiger Zeit Blasen auf, die an der Oberfläche
zerplatzen, die ganze Oberfläche kommt in Wallung, es werden selbst
Kupfertheilchen umhergeworfen (Spratzen oder Sprühen des Kupfers).
Es entweicht schweflige Säure. Giesst man eine Probe des Kupfers aus,
so bläht sich dieselbe beim Erstarren auf, zeigt kraterartige Auswüchse
und eine blasige bis schwammformige Beschaffenheit. Das Entweichen
des Gases wird durch Rühren mit birkenen Stangen (Polen) befördert
und lässt nach Verlauf einiger Zeit nach. Das Kupfer, welches jetzt viel
Kupferoxydul enthält, fliesst ruhig, zeigt aber auf der erkalteten Bruch-
fläche immerhin eine grosse Anzahl, wenn auch oft sehr kleiner Bläschen,
die seine Dichtigkeit beeinflussen und höchst wahrscheiiilich noch von
schwefligsaurem Gas herrühren. Denn das Kupfer enthält immer noch
Spuren von Schwefelkupfer, und so lange gleichzeitig Kupferoxydul vor-
handen ist , findet eine stete Reaction beider Körper auf einander unter
Bildung von schwefliger Säure statt. In der hohen Schmelztemperatur
des Kupfers vergrössert sich aber das Yolnmen der entwickelten schwef-
ligen Säure auf mehr als das Fünffache, und es sind deshalb nur ver-
schwindend kleine Gewichtsmengen von Schwefelkupfer bei Gegenwart
104 Gasentwickelung aus den Metallen.
von Eüpferozydul nötbig, um schon ansehnliche Volumina schwefliger
Säure zu erzeugen.
Setzt maD nun zur Entziehung des für die Brauchbarkeit des Kupfers
allzu reichlich vorhandenen Kupferoxyduls das Schmelzen unter redaci-
renden Einflüssen, insbesondere unter stetem Polen fort (Zähpolen), so ent-
steht das hammergare Kupfer, welches zwar den erreichbar höchsten Grad von
Dichtigkeit zeigt, auf dessen Bruchfläche man jedoch mit dem Mikroskop
immerhin noch zahlreiche, von Gasbläschen herrührende sehr kleine Hohl-
räume entdeckt, welche nach Ansicht des Verfassers theils von noch ent-
wickelter schwefliger Säure, theils von gelösten und wieder entlassenen
Polgasen herrühren dürften. Auch durch Umschmelzen des Kupfers
unter den gewöhnlichen Einflüssen ist es nicht möglich, diese poröse Be-
schaffenheit des hammergaren Kupfers völlig zu beseitigen.
Setzt man nun das Polen noch weiter fort, so nimmt die blasige
Beschaffenheit des Kupfers wieder in auffallendem Maasse zu (überpoltes
Kupfer). Der Grund hierfür mag in dem Umstände liegen, dass mit dem
Verschwinden des Kupferoxyduls die Fähigkeit des Kupfers wächst, Pol-
gase, insbesondere Wasserstoffgas zu lösen, welche bei Gegenwart von
Kupferoxydul zu Kohlensäure und Wasser — beide unlöslich in Kupfer —
oxydirt sein würden, und dass diese gelösteirGase beim Erstarren wieder
gasförmige Gestalt annehmen^).
Zur Beurtheilung der Verwendbarkeit des Kupfers für die Giesserei
wird man deshalb die Thatsachen im Auge behalten müssen,
dass schwefelhaltiges Kupfer bei Gegenwart von Kupferoxydul
schwefligsaures Gas entwickelt;
dass vom reinen (kupferoxydulireien) Kupfer Wasserstoff in grosser
Menge, Kohlenoxyd in geringerer Menge gelöst ^) , ölbildendes Gas unter
Ausscheidung von Kohle und Lösung von Wasserstoff zersetzt werde ;
dass schweflige Säure sowohl von reinem als oxydulh altigem Kupfer
gelöst, und
dass endlich die gelösten Gase beim Erstarren des Kupfers wieder
zum grossen Theile entlassen werden.
Diese Umstände machen es äusserst schwierig, wenn nicht unmög-
lich, vollständig dichte Güsse aus Kupfer zu erzielen.
Aeltere Metallurgen, neuerdings auch Künzel in Bezug auf die
Bronze, nehmen an, dass neben Knpferoxydul freier Sauerstoff vom
Kupfer gelöst werde, ohne in chemische Verbindung zu treten, und beim
1) Ueber die Gase im Kupfer siehe: Hampe, Beiträge zur Metallurgie
des Kupfers. Zeitschrift für Berg-, Hütten- uud Salinenwesen 'im preussischen
Staate, Bd. 21 und 22.
^) Die Löslichkeit von Wasserstoff und Kohlenoxyd im Kupfer wurde ausser
von Hampe auch von Caron nachgewiesen, Dingler's polyt. Journal,
Bd. 183, S. 384.
Ga8ent?äckelimg aus den Metallen. 105
Erstarren gasförmig entweiche, dadaroh die poröse Beschaffenheit des
Kupfers yeranlassend. So leicht man mit Hülfe dieser Theorie im Stande
sein würde , das Blasigwerden des Kupfers zu erklären , so ist doch bis
jetzt durch Versuche ein Gehalt an freiem Sauerstoff im flüssigen Kupfer
oder dessen Legirungen nicht nachgewiesen worden, und es hat aus meh-
reren anderen Gründen jene Annahme durchaus keine Wahrscheinlichkeit
für sich.
Die Legirung des Kupfers mit geringen Mengen Zinn, Zink, Blei
verändert sein Verhalten gegen Gase in bemerkenswerther' Weise. Die
Gasentwickelung (beziehentlich Gasaufnahme) nimmt ab, die Legirung
wird dichter und zum Giessen geeigneter. Zum Theile Hegt die Ursache
dieser günstigen Einwirkung eines fremden Zusatzes wohl in dem Um-
stände, dass das Metall dadurch dünnflüssiger wird, in diesem dünnflüssi-
gem Zustande aber die Suspension yon aufsteigenden Gasbl&schen
weniger gestattet, als in dem dickflüssigem des reinen Kupfers. Aus dem-
selben Grunde verhalten sich frisch bereitete Legirungen in dieser Hin-
sicht im Allgemeinen günstiger als ältere, schon mehrfach umgeschmol-
zene, auf deren Bruchfläche oft massenhafte kleine Hohlräume auftreten,
welche das specifische Gewicht und die Festigkeit der liCgirung beein-
trächtigen. Durch die Lösung grösserer Mengen Metalloxyde, die beim
Schmelzen sich bilden, werden nämlich die Legirungen wieder dickflüssi-
ger, breiartiger, und befördern dadurch die Suspension der Gasbläschen,
also die Entstehung blasigen Gusses.
Silber nimmt im geschmolzenen Zustande Sauerstoff in Lösung und
entlässt denselben beim Erstarren mit grosser Lebhaftigkeit (Spratzen
des Silbers). Legiren des Silbers mit Kupfer verringert diese Eigen-
schaft, wohl in Folge der Bildung von Kupferoxydul, welches sich in der
Legirung löst.
Gnsseisen und Gussstahl besitzen ebensowohl die Eigenschaft,
in Berührung mit gewissen Körpern Gase zu bilden , als auch gewisse
Gase zu lösen und beim Erstarren theilweise zu entlassen. Auf die Gas-
erzeugung wirkt vorzugsweise der Kohlenstoffgehalt beider Eisensorten,
welcher zu Kohlenoxyd oxydirt wird, sobald er mit sauerstoffabgebenden
Körpern zusammenkommt Zu den letzteren zählt hauptsächlich das
Eisenoxyduloxyd, welches sich sofort bildet, sobald das glühende Eisen
der Einwirkung der Luft ausgesetzt ist Es entsteht nun eine wechsel-
seitige Einwirkung zwischen diesem und dem Kohlenstoff des Eisens;
Eisenoxydnloxyd wird reducirt, Kohlenoxyd entweicht Die Reactiou ist
um so starker, je silioiumärmer das Eisen ist, denn bei grossem Silicium-
gehalte entsteht statt des Eisenoxyduloxyds kieselsaures Eisenoxydul, dessen
Einwirkung auf den Kohlenstoff bedeutend geringer ist Jedoch kann
selbst freie Kieselsäure durch den Kohlenstoff des Eisens unter Kohlen-
oxydbildung reducirt werden, wie sich beim Schmelzen von Gussstahl in
quarzhaltigen Tiegeln gezeigt hat
106 GasentwickeloDg aus den Metallen.
So lange dieser abweohBelnde Oxydation»- nnd Redactionaproceu
nur an der Oberfläche des der Lnfl aiugeHetzteu flOsBigen Eiseas vor aich
geht, Beigen dch die Folgen desselben nar in jenen früher erwähnten
Bläschen ,and Blattern mit darunter liegenden Vertiefungen (8. 18);
wenn aber der oxjdirende Körper sieh in tieferen Schichten des Metalls
befindet, ao mnse das gebildete Gas in die H&he steigen und kann, wenn
es nicht mehr Zeit zum völligen Entweichen findet, znr Entstehung eines
Hohlraomes YeranlasBong geben. Dieser Fall tritt b. B. ein, wenn das
mit ozydirten Beetandtheilen bedeckte flüssige Metall beim Eingiessen
in die Gnssform Theilchen jener Bestandtheile mit hinabreiest. Ein«
sorgfältige Reinigung der Oberfläche des Metalls von allen jenen Terbin-
dangen im Augenblicke des Giesaens ist daher eine wichtige Bedingung
f&r die Erzielnng dichten Gnases.
Es kann aber auch in der Gnssform selbst in gewissen Fällen noch
Oxydation eintreten. Wenn e. B. im ersten Augenblicke des Giessetu
das Metall beim Niederfallen aus beträchtlicher Höhe spritzt, so bilden
sich KOgelchen, die sich rasch mit «nero H&utohen osydirter Bestand-
theile übersieheD. Sie werden nun vom nachströmenden Eisen empor-
gehoben, das Oxydhäntchen wird reducLrt nnd es entsteht ein Kohlen-
oxydbläschen. Gewöhnlich ist aber inzwischen die Temperatur so weit
gesunken , dsss dieses nicht mehr entweichen kann und , wie in Fig. 9 1
in natärliober Grösse dargestellt ist, oberhalb des KQgelchens suspendirt
bleibt.
Gase, welche vom flflssigen Eisen gelöst nnd kurz vor dem Erstar-
ren zum Theil wieder entlassen werden, sind nach den Ermittelnngen
Fig. Sl. ^"^^ Cailtetet, Troost nnd Hautefeuille Wasser-
stoff, Eohlenoxyd in reichlichen Mengen, weniger reich-
lich Stickstoff. Wasserstoff findet sich vorwiegend in
koblenstoE&eicben , Kohlenoxyd in kuhlenstofi'armen
Eisensorten. Das LSsnngsvermÖgen des Eisens für Gase
vermindert sich
mehr aber noch mit stei
vermag deshalb
Mengen Gase als Roht
«igendem Kohlenstoffgehalte, weit
eigendem Silicinmgehalte. Stahl
«igen Zustande erheblich grössere
eisen zu lösen, nnd unter den
Robeisensorten löst das silioinm- nnd kohlenstofireiche
graue Roheisen die geringste Menge, ist also in dieser
Hinsicht am leichtesten znr Darstellung dichten Gusses
zu verwenden.
Unter den Obrigen Metallen ist noch das Nit^el
als ein solches zu nennen, welches gern Gase in höherer Temperatur löst
nnd beim Erstarren entlässt Man findet das gegossene Nickel mit zahl-
reichen Blasenräumen durchsetzt. Anch die Nickelknpferlegirungen ver-
halten sich ebenso. Erhitzt man eine Legirung von 80 Thln. Nickel
und 20 Thln. Kupfer znr Weissglnth und läset die geschmolzene Masse
rasch abkühlen, so entsteht eine so heftige Gaaentwickelung , daas ein
Gasentwickelung aus den Metallen. 107
mit der Leginmg nur halb gefällter Tiegel übersteigt. Künzel nimmt
an, dass das gelöste Gas freier Sauerstofif sei, eine Ansicht , welche wenig
Wahrscheinlichkeit für sich hat^).
Die bei niedrigerer Temperatur schmelzbaren Metalle — Zink, Blei,
Zinn — scheinen die Eigenschaft, Gase zu lösen oder zu entwickeln,
wenig oder gar nicht zu besitzen und liefern blasenfreien Guss. Jeden-
falls spricht jedoch hierbei auch die schon oben erwähnte bedeutende
YolameuYergrössemng mit, welche alle Gase mit zunehmender Tempera-
tur erleiden, und die in der Schmelztemperatur des Gusseisens, Stahls,
Kupfers, der Bronze und anderen das Fünf- bis Sechsfache des Volumens
bei gewöhnlicher Temperatur beträgt. Jedes unbedeutende, in den bei
niedriger Temperatur schmelzenden Metallen vielleicht unbeachtet blei-
bende Gasbläschen zeigt sich also in den höheren Schmelztemperaturen
jener Metalle in beträchtlicher Yergrösserung , die Dichtigkeit merklich
beeinflussend.
Bei dem überaus nachtheiligen Einflüsse, welchen die Gasentbindung
aus dem flüssigen Metalle auf das Gelingen des Gusses ausübt, liegt dem
Giesser die wichtige Aufgabe ob, diese Gasentbindung nach Möglichkeit
zu verhindern oder einzuschränken.
War dieselbe Folge einer Gaserzeugung, also einer chemischen Action
innerhalb des Metallbades, so muss eben darauf hingewirkt werden, die-
jenigen Körper fem zu halten, welche diese Gaserzeugung bewirken.
Verarbeitet man Kupfer — sei es für sich oder in Legirungen — , so ist
offenbar dasjenige am geeignetsten zur Erzielung dichten Gusses, wel-
ches seines Schwefelgehalts am vollständigsten beraubt ist, ohne überpolt
zu sein. Giesst man Gusseisen oder Stahl, so hat man darauf zu halten,
dass im Augenblicke des Eingiessens alle gebildeten Oxyde von der Ober-
flache mit Sorgfalt entfernt werden.
Ist die Gasentwickelnng als Folge einer vorausgegangenen Lösung
zu betrachten, so muss die erste Sorge die sein, diese Lösung zu verhin-
dern, indem man die Berührung des schmelzenden oder geschmolzenen
Metalls mit dem löslichen Gase unmöglich macht; also indem entweder
das schmelzende Metall in eine schützende Hülle eingeschlossen wird
(z. B. beim Schmelzen in Tiegeln), oder indem man die Erzeugung lös-
licher Gase überhaupt ausschliesst (z. B. durch Wahl geeigneten Brenn-
materials: schweflige Säure, aus mineralischen Brennstoffen entwickelt,
lost sich im Kupfer und dessen Legirungen, daher die Anwendung von
Holz beim Schmelzen u. s. f.). Vollkommen wird jedoch auf solche Weise
der Zweck selten erreicht; es steht diesem Mittel dann das andere gegenüber,
das Löslichkeitsvermögen des Metalls durch geeignete Legirung zu ver-
ringern, gleichzeitig die Dünnflüssigkeit erhöhend und dadurch die Sus-
1) Der häufige Oebalt des Nickels an Kohlenstoff lässt eher auf Kohlen-
ozyd scfaliessen*, unter Einwirkung vorhandenen Kupferozydols oder Nickel-
Oxyduls entstanden.
108 Gasentwickelung aus den Metallen.
penaion von Gasbl&sohen erschwerend (Silber mit Kupfer, Kupfer mit
Zink oder Zinn, Nickel mit Kupfer und Zink u. 8. f.). Lässt sich auch
auf diese Weise eine Aufnahme gasförmiger Körper durch das flüssige
Metall nicht ganz verhindern , so ist ein höchst wichtiges und von allen
einsichtsvollen Giessern benutztes Mittel zur Erzielung dichten Gusses
das Befördern des Entweichens der Gase, bevor das Metall in die Guss-
form gelangt Zu diesem Zwecke dient ein fleissiges Durchrühren des
geschmolzenen Metalls mit hölzernen oder eisernen Stangen; ferner ein
langsames Erkaltenlassen desselben vor dem Eingiessen auf eine Tempe-
ratur, die nur eben noch für den erforderlichen Flüssigkeitsgrad ausreicht,
damit die Gase Zeit finden, zu entweichen. Giesst man stark überhitz-
tes Metall in die Gussform, so findet rasche Abkühlung, rasche und reich-
liche Gasentwicklung, aber auch rasche Erstarrung statt, in Folge deren
die gebildeten Gasblasen suspendirt bleiben.
Wenn eine dickflüssige Beschaffenheit des geschmolzenen Metalls das
Aufsteigen der bereits gebildeten Gasbläschen erschwert, so sind Mittel
anzuwenden, welche das Metall dünnflüssiger machen, also die schon er-
wähnte Legirung mit anderen Metallen, oder, wenn die Dickflüssigkeit
von gelösten Metalloxyden hervorgerufen ist, die Reduction derselben
vermittelst Polens oder Phosphorzusatz bei Bronzen.
Da alle innerhalb der Gussform noch ausgeschiedenen Gase selbst-
verständlich nach oben steigen, so kann in vielen Fällen die Anbringung
eines verlorenen Kopfes (S. 100) an geeigneter Stelle, welcher die Gas-
blasen (und auch ausgeschiedene oder mechanisch mit in die Gussform
gelangte feste Körper) aufnimmt, die Gefahr des Misslingens des Gusses
durch solche Körper beseitigen. Kommt es nur darauf an, dass vor-
zugsweise eine Seite des Gussstücks dicht werde, so wird man aus dem-
selben Grunde diese zu unterst giessen.
Ein letztes, aber am schwierigsten durchführbares Mittel, einen von
Gasblasen freien Guss zu erhalten, ist das Giessen und Erstarrenlassen
unter, starkem Drucke. Wie jede andere Flüssigkeit behalten auch die ge-
schmolzenen Metalle um so reichlichere Mengen Gas in Lösung, je stärker
der auf ihnen lastende Druck ist. Wenn aber die im Metalle gelösten (also
flüssig gewordenen) Gase verhindert sind, wieder Gasform anzunehmen,
bevor das Metall völlig starr geworden ist, so ist ihnen eben dadurch jede
Möglichkeit benommen, als Bläschen im Gussstücke suspendirt zu bleiben.
Am einfachsten sucht man diesen Zweck durch Anbringung eines
hohen verlorenen Kopfes zu erreichen, dessen Gewicht auf dem darunter
befindlichen flüssigen Metalle lastet. Man macht sich jedoch vielfach
übertriebene Vorstellungen von dieser Wirkung des Kopfes durch mecha-
nischen Druck. Um nur einen Ueberdruok gleich einer Atmosphäre aaf
das Metall hervorzubringen, würde bei Gusseisen und Gussstahl ein Kopf
von ca. 1,4 M. Höhe, bei Bronze und Messing von ca. 1,2 M. Höhe er-
forderlich sein. Dadurch würde eine Menge flüssiges Metall für den Kopf er-
forderlich werden, welches nach dem Erstarren schwierig zu zex^einem
Einflüsse der Erstarrung und Abkühlung. 109
und deshalb nur mit erheblichen Kosten wieder verwendbar zu machen
sein würde. Deshalb findet man selten so hohe verlorene Köpfe angewendet.
Mechanische Vorrichtungen, um einen Druck auf das in der Guss-
form befindliche Metall (insbesondere Gussstahl) hervorzubringen, sind
mehrfach angewendet worden und bestehen in den meisten Fällen in
einer hydraulischen Presse, deren Kolben auf das flüssige Metall drückt.
Es ist jedoch leicht einzusehen, dass jede Anwendung solcher Vorrich-
tungen mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen haben wird, und es be-
schränkt sich daher dieselbe fast gänzlich auf die Herstellung roher, für
weitere Verarbeitung bestimmter Blöcke. Näheres hierüber siehe Wed-
ding, Darstellung des schmiedbaren Eisens, Braunschweig 1876, S. 683.
e. Die Eigenschaften der Metalle unter den Einflüssen des
Erstarrens und Abkühlens.
Wenn ein Metall aus dem flüssigen Zustande in den festen übergeht
und ihm dabei mehr und mehr Wärme entzogen wird, so lagern sich die
kleinsten Theilchen des Metalls entsprechend den auf sie wirkenden Ein-
flüssen, und es entsteht auf diese Weise das Gefüge, die Textur des
Metalls. Da ein jedes Metall das vBestreben zu krystallisiren besitzt,
dieses Bestreben aber durch entgegen wirkende Einflüsse bei der Erstar-
rung und Abkühlung nur in mehr oder minder beschränktem Maasse zur
Ausführung gelangen kann, so kann das Gefüge des erstarrten Metalls
gewissermaassen als ein sichtbarer Ausdruck des Krystallisationsbestre-
bens sowohl, als der diesem Bestreben entgegen wirkenden Einflüsse be-
trachtet werden.
Je rascher die Wärmeentziehung vor sich geht, desto kleiner sind
im Allgemeinen die krystallinischen Flächen, desto „dichter" das Gefüge.
Von dem GefUge des Metalls ist aber zum grossen Theile das Maass sei-
ner Festigkeit, Härte, Widerstandsfähigkeit u. s. w. abhängig.
Am wenigsten erkennbar ist diese Beeinflussung des Gefüges durch
langsamere oder raschere Erkaltung bei den leichtschmelzigeren Metal-
len, am wichtigsten beim Gusseisen und der Bronze.
Lässt man geschmolzenes silicium- und kohlenstoffreiches Gusseisen
langsam abkühlen, so zeigt die Bruchfläche ein grossblättriges Gefüge
mit reichlicher Graphitbildung. Das Eisen ist weich , leicht bearbeitbar,
aber weniger fest.
Wird dasselbe Eisen rasch abgekühlt, so wird das Grefüge feinkör-
niger, Festigkeit und Härte sind beträchtlicher.
Ist das Eisen weniger reich an Silicium , so findet bei rascher Ab-
kühlung keine Graphitausscheidung mehr statt, die Bruchfläche ist weiss,
die Härte bedeutend. Das Eisen ist äusserst schwierig bearbeitbar,
spröde, aber ungemein widerstandsfähig gegen Einflüsse der Reibung.
Ein Mangangehalt des Eisens erhöht diese Einwirkung rascher Abkühlung.
Wird endlich demselben Eisen nur von einer Seite her rasch Wärme
110 Einflüsse der Erstarrang und Abkühlung.
entzogen, so zeigt es auf dieser Seite die zuletzt beschriebenen Eigen-
schaften, auf der langsamer erkaltenden Seite die Eigenschafben des nor-
malen grauen Ousseisens. Dem von Sir Robert Hallet zuerst auf-
gestellten Gesetze über die Molecularaggpregationen krystallisirbarer Kör-
per zufolge grnppiren sich an der rasch erkaltenden Seite die Atome zu
krystallinischen Bildungen, deren Hauptachsen rechtwinklig gegen die
Abkühlungsfl&che gerichtet sind, strahlenförmig von dieser ausgehend
und ganz allmiüig in das kömige OefOge des grauen Eisens übergehend.
Durch diese Eigenschafk des grauen siliciumärmem Gusseisens ist
die für die Praxis wichtige Möglichkeit gegeben, in einem und demselben
Arbeitsstücke an einzelnen Stellen die Härte und Widerstandsfähigkeit
des weissen Roheisens, an anderen die Bearbeitungsfahigkeit und gerin-
gere Sprodigkeit des grauen Gusseisens heryorzurufen.
Aehnlich dem Gusseisen verhält sich die gegossene Bronze. Auch
bei dieser ist das Gefüge im Allgemeinen feiner, dichter, die Festigkeit
und Widerstandsfähigkeit grösser bei rascher als bei langsamer Abkühlung.
Wird die flüssige Bronze aber einer plötzlichen sehr intensiven Wärme-
entziehung ausgesetzt, so grnppiren sich, wie beim Gusseisen, die Mole-
cüle zu grösseren Krystallrudimenten zusammen, deren Hauptachsen pa-
rallel der Richtung der Wärmebewegung, also rechtwinklig gegen die
abkühlende Fläche gerichtet sind, and es verringert sich durch diesen
Vorgang die absolute Festigkeit.
Fast wichtiger noch als diese directe Beeinflussung des Gefüges ist
für die Beschafienheit der Gussstücke aus Bronzen und Legirungen über-
haupt der Einfluss rascher oder langsamer Abkühlung auf die Saigerungs-
fahigkeit. Es wurde schon früher (S. 7) erwähnt, dass die Saigemng
durch langsame Abkühlung der geschmolzenen Legirung befördert werde;
wird dagegen die Legirung rasch bis unter denjenigen Temperaturgrad
abgekühlt, bei welchem die leichtschmelzigste der aussaigemden Verbin-
dungen erstarrt (bei Bronzen auf ÖOO^' G.), so kann keine Saigemng mehr
stattfinden und die Bruchfläche zeigt völlig gleichartiges Gefüge. Wie
sehr aber von dieser Gleichartigkeit des Gefüges die Festigkeit des Me-
talls abhängt, wird kaum eines Hinweises bedürfen.
Beiläufig sei erwähnt, dass man denselben Zweck grösserer Gleich-
mässigkeit und Dichtigkeit des Gefüges der Legimngen häufig auch durch
mehrmaliges Umschmelzen zu erreichen sucht. Man nimmt gewöhnlich
an , dass ein solches öfteres Umschmelzen die innigere „Mischung*' der
legirten Metalle befördere. Den Charakter einer Mischung können nnn
allerdings die Legirungen insofern besitzen, als in denselben mehrere
chemische Verbindungen der Metalle neben einander vorzukommen pfle-
gen; vielfach mag aber die Wirkung des öftem Umschmolzens auch in
dem Umstände zu suchen sein, dass durch die sich mehr und mehr bil
denden und im Metallbade lösenden Oxyde dieses eine breiartige Gonsi
stenz annimmt, durch welche die Saigemng erschwert wird.
2. Die Oussformen und ihre Herstellung.
Gassform im Allgemeinen nennen wir jeden Apparat, dasa bestimmt,
das fldssige Metall zum Zwecke seiner Formgebung aofzonehmen nnd
erstarren zu lassen. In allen Fällen besteht also die Gnssform ans einem
hohlen Räume von genau derselben Form als das herzustellende Arbeits-
stück, in allen Abmessungen aber um das Schwindmaass grösser als die-
ses; umgeben von einer Masse, welche geeignet sein muss, sowohl dem
mechanischen Drucke des Metalls als den Einflüssen der hohem Tempe-
ratur Widerstand zu leisten. Die Gussformen sind entweder an der nach
oben gekehrten Seite offen (offene Gussformen) oder ringsum geschlossen
und nur mit den erforderlichen Canälen zum Einströmen des Metalls
(Eingüsse), Entweichen der Luft (Windpfeifen) etc. yersehen (geschlossene
Giissformen). Im erstem Falle besteht die Gussform gewöhnlich aus
einem einzigen Ganzen, geschlossene müssen mindestens aus zwei H&lften,
häufig aus drei oder vier Theilen bestehen, damit man bei der Herstel-
lung zu dem Innern gelangen kann.
Wenn der Abguss an irgend einer Stelle eine Höhlung erhalten soll,
einen Raum also, der vom flüssigen Metall nicht ausgefüllt wird, so muss
selbstverständlich das Material der Gussform diesen Raum ausfüllen.
Sofern nun diese Ausfüllung des hohlen Raumes nicht mit der Gussform
aas einem Stücke besteht (was oft unausführbar sein würde), sondern als
besonderer Theil eingelegt wird, nennen wir dieselbe Kern.
Daher wird die Höhlung eines Rohrs, die Nabenöffnung eines Rades,
die Dampfcanä]^. der Dampfcylinder u. s. w. durch eingelegte Kerne
gebildet.
Die Gussformen (und Kerne) lassen sich hinsichtlich der zu ihrer
Anfertigung verwendeten Materialien in zwei grosse Gmppen sondern.
Die eine dieser Gruppen umfasst alle diejenigen Gussformen, welche
ans bOdsamem Materiale geformt sind. Obschon sie bis nach Beendi-
gung des Erstarrens des Metalls ihre Form beibehalten, sind sie doch
nioht dauerhaft genug, um für mehr als einen Guss zu dienen und müs-
sen deshalb jedesmal neu angefertigt werden. Man nennt sie wohl ver-
lorene Gnssformen, Gnssformen für einmalige Benutzung,
nnd das gesammte Arbeitsverfahren ihrer Herstellung die Formerei
112 Gussformen.
Die Gnssformen der zweiten Gruppe sind aas starrem Materiale
hergestellt (gegossen, grayirt, gepresst n. dergl.). Sie sind deshalb theu-
rer in ihrer Herstellang, können aber für eine grosse Anzahl von Güssen
dienen. Man nennt sie beständige Gassformen, Schalen, oder,
nnnöthigerweise mit einem Fremdworte, Coqaillen.
Oussformen und Kerne aus bildsamem Materiale.
A. Die Formmaterialien.
t
Jedes Formmaterial für einmalige Gassformen muss im Wesentlichen
vier Eigenschaften besitzen, am als solches gelten za können:
es mnss bildsam sein , d. h. es mass sich mit Leichtigkeit in be-
stimmte Formen drücken lassen;
es mnss trotzdem genag Zosammenhang — Cohärenz — besitzen,
am den mechanischen Einflüssen beim Giessen and Erstarren Widerstand
zu leisten, ohne dass Beschädigung der Gassform eintreten kann;
es muss in der Temperatur des eingegossenen Metalls unschmelzbar
sein und darf auch keine solchen chemischen oder physikalischen Aende-
rungen in jener Temperatur erleiden, welche den Zusammenhang der
Gussform stören würden; gegen das Metall selbst muss es sich chemisch
indifferent verhalten;
es muss porös genug sein, um den beim Giessen sich entwickelnden
Dämpfen und Gasen Abzug zu gestatten.
Ein Formmaterial, welches zum Ghisse eines schwerschmelzbaren
Metalls geeignet ist, eignet sich auch für alle leichter schmelzbaren;
nicht immer ist aber das für leichter schmelzbare Metalle geeignete Form*
material auch für schwerer schmelzbare geeignet.
Häufig werden die Eigenschaften der natürlich vorkommenden Form*
materialien durch entsprechende Znsätze jenen Erfordernissen entspre-
chend verändert.
In allen Fällen werden die Formmaterialien in einem mit Wasser
angefeuchteten Zustande zur Formerei verwendet. Das Wasser dient
dabei vermöge der Adhäsion als Bindemittel zwischen den einzelnen
Theilchen des Materials, macht dasselbe also bildsam und zusammenhän-
gend. Um die Wirkung der Feuchtigkeit zu verstehen, braucht man nur
trocknen, losen Sand mit Wasser zu befeuchten, um ihn bildsam zu
machen.
Formsand. Wenn man aUgemein unter dem Ausdrucke „Sand*' den
Inbegriff einer grossen Menge durch Zerfallen oder künstliche Zerkleinenmg
von Gesteinen entstandener kleiner quarzreicher Theilchen versteht, so sind
nur wenige Sande geeignet, als Formsande zu dienen. Denn wenn
auch vielen Sauden durch einen richtigen Feuchtigkeitsgrad die erfor*
Formsand. 113
derliche BildBamkeit gegeben werden kann, so fehlt ihnen doch häufig
die Porosität, um den sich beim Giessen bildenden Dämpfen ungehinder-
ten Abzug zu lassen; und diese Porosität ist um so nothwendiger , da
man das Aussige Metall in die noch feuchte Gussform zu giessen pflegt
(Guss in grünem Sande), sich also reichliche Wasserdämpfe aus derselben
entwickeln. Um mit den bezeichnenden Worten eines englischen Schrift-
stellers zu reden, müssen die Wände einer Gussform einem uuschmelz-
baren Siebe gleichen, welches die Fähigkeit besitzt-, Luft und Wasser-
dampf entweichen zu lassen, seien die Wände auch noch so dick, wel-
ches dagegen dem flüssigen Metalle den Zugang durch seine engen
Maschen verwehrt, unter welchem Drucke das Metall auch gegossen
werde.
*
Diese Porosität wird hauptsächlich durch Form und Grösse der
einzelnen SandkSrnchen bedingt Je sch&rfer gezackt dieselben sind,
desto mehr Zwischenräume bleiben zwischen zwei an einander gedrück-
ten Sandkömchen, und desto poröser ist also der Sand. Je feiner aber
die einzelnen Körnchen sind , desto dichter werden sie auf einander lie-
gen, desto weniger „durchlässig" wird der Sand sein. Da nun aber be-
greiflicherweise die Flächen der Gussform um so sauberer, glatter aus-
fallen werden , je feinkörniger der zu ihrer Herstellung benutzte Form-
sand war, so wird man um so mehr Bedacht nehmen müssen, einen
scharfkantigen , zackigen Formsand zu erhalten , je mehr Werth auf säu-
bern Guss und deshalb feines Korn des Sandes gelegt wird. Die meisten
Formsande besitzen eine Komgrösse yon 0,04 bis 0,1 Millimeter im
Durchmesser.
Ist die Komgrösse sehr ungleich, so lagern sich die feineren Körner
zwischen die Zacken und Kanten der gröberen und benachtheiligen da-
durch die Durchlässigkeit.
Die Bildsamkeit und Festigkeit des Sandes pflegt man zusammen
mit dem Namen „Bindekraft'' zu bezeichnen. Dieselbe ist sowohl von
der chemischen Znsammensetzung als der Form der Sandkörnchen ab-
hängig. Die Untersuchung der Formsande ergiebt als Grundbestandtheil
einen Kieselsäuregehalt von 86 bis 95 Proc. und einen Thonerdegehalt
von 4 bis 10 Proc. Thonerdereiche Sande nennt man fette Sande, kiesel-
säurereiche magere.
Die Bmdekraft wächst im Allgemeinen mit dem Thonerdegehalte,
die Durchlässigkeit aber nimmt mit steigendem Thonerdegehalte ab.
Unwichtigere Bestandtheile des Formsandes sind Eisenoxyd, Galcium-
nnd Magnesiumcarbonat, Hydratwasser. Eisenoxyd in geringeren Men-
gen ist unsohädlich, in grösseren Mengen befördert es die Schmelzbarkeit
des Sandes und wirkt dadurch nachtheilig. Hydratwasser und Kohlen-
säure bewirken durch ihr Entweichen in höherer Temperatur ein Zerfal-
len des Sandes und verändern dadurch seine Beschaffenheit. Bisweilen
kann durch ein solches Zerfallen die Bindekraft geschwächt werden,
Ledebur, meohmniscli-nietallargttcho Teebnologle. 3
114 Formsand.
bei fetten Sanden pflegt aber die Durchlässigkeit fflr Gase und Dämpfe da-
darch erhöht zu werden, nnd man unterwirft deshalb in einzelnen Fällen
den Formsand vor seiner Benutzung einer Erhitzung zu diesem Zwecke.
Zackige Sandkömchen werden, obschon sie mehr ZwiBchenräume
zwischen sich lassen, doch bei dem Aneinanderdrücken fester zusammen-
halten und dadurch dem Sande grössere Bindekraft yerleihen als rund-
liche Sandkömchen, welche wenig Berührungsfläche besitzen und gar
nicht zu gebrauchen sind. Splittrige, längliche Körnchen ohne Zacken
werden zwar Bindekrafb, aber keine Porosität besitzen.
Für die öftere Benutzung eines nnd desselben Formsandes ist es
von Wichtigkeit, dass die Sandkömchen frei sind von Spalten und Rissen,
welche ein Zerspringen derselben bei der Erhitzung herbeifilhren.
Durch solches Zerspringen wird die Korngrösse verändert, es entsteht
„Schlaff" oder ,,1^18^, der Sand wird undurchlässig. Aus diesem Grunde
sind Formsande von der Oberfläche der Erdschicht, welche der Verwitte-
rung lange Zeit ausgesetzt waren, häufig weniger brauchbar, als die tiefer
liegenden.
Dieses Zerspringen einzelner Sandkömchen in Vereinigung mit der
erwähnten Zersetzung chemischer Verbindungen (Hydrate und Carbonate)
durch die Erhitzung beim Giessen hat die Folge, dass ein anfanglich
brauchbarer Formsand durch öftere Benutzung stets an Brauchbarkeit
verliert, an Bindekraft und häufig an Durchlässigkeit einbüsst und daher
von Zeit zu Zeit durch Zusatz frischen Sandes aufgefrischt werden
muBs.
Da nach dem Vorausgegangenen die Brauchbarkeit eines Sandes als
Formsand weit weniger von seiner chemischen Beschaffenheit als von
seinen physikalischen Eigenschafben abhängt, so ist es ein völlig nutz-
loses Beginnen, durch Analysen auf die Güte des Formsandes Schlüsse
ziehen zu wollen. Das einzig sichere Mittel zur Beurtheilung der Eigen-
schaften des Formsandes ist die Anstellung eines Versuchs durch einen
einsichtsvollen Former, ihn zum Formen und Giessen zu benutzen. Der
Sand muss gut „stehen'', der Guss muss ruhig, ohne Kochen des Metalls
von Statten gehen, der Abguss' sauber und scharf ausfallen. Es giebt
jedoch eine Reihe Vorprüfungen, durch welche man vorläufig festzustel-
len pflegt, ob der Sand überhaupt auf den Namen Formsand Anspruch
zu machen berechtigt ist.
Wenn man den Sand zwischen den Fingern reibt, erhält man durch
das Gefühl ein Urtheil über die Grösse und Gleiohmässigkeit der Sand-
kömchen.
Wenn man den angefeuchteten Sand in der Hand zusammenbaUt
und den entstandenen Ballen aus einander bricht, so erhält man durch
den grossem oder geringern Zusammenhang desselben ein Maass für die
Bindekrafl des Sandes. Regel ist, dass der Ballen sich in zwei Hälften
theilen lassen muss, ohne zu zerfallen. Ein zu reichlicher Thonerdegehalt
des Sandes lässt sich hierbei mit einiger Uebung durch das fettige Gefühl
Formsand. 115
zwischen den Fingein und auch an der allza bedeutenden Festigkeit des
Sandballens erkennen.
Die Durchlässigkeit des Sandes prüft Schott, indem er von eiuem
Sande bekannter Beschaffenheit und yon dem zu prüfenden Sande Wür-
fel Yon gleicher Grösse formt und dieselben so lange mit Wasser befeuch-
tet, bis sie i^ichts mehr davon aufnehmen, ohne zu zerfliessen. Das Was-
ser lässt man aus einer graduirten Bürette zutropfen, um die Menge des-
selben ermitteln zu können ; oder man wägt vor und nach dem Annässen.
Die Menge des von jedem der beiden Würfel aufgenommenen Wassers
giebt ein Yerhältniss für die Durchlässigkeit der Sande ; denn in gleichem
Maasse, wie das Wasser sich in den Zwischenräumen zwischen den Sand-
kömchen vertheilt, werden auch die Gase und Dämpfe dort Auswege
finden.
Bisweilen kann man durch Vermischen zweier oder mehrerer Sande,
deren jeder für sich allein als Formsand unbrauchbar sein würde , einen
vortrefflichen Formsand herstellen. In diesem Vermischen von Sand-
arten verschiedener Beschaffenheit liegt eine höchst wichtige Handhabe
für den Former zur Herstellung brauchbarer Gussformen. So vermischt
man in vielen Berliner Giessereien die fetteren Sande mit scharfkantigem
sogenanntem Maurersande, um sie* durchlässiger zu machen; mageren
aber durchlässigen Sauden setzt man fettere zu, um ihre Bindekraft zu
erhöhen u. g. f. Uebrigens ist einer und derselbe Formsand auch nicht
für alle Verhältnisse geeignet, sondern es muss sich die Beschaffenheit
desselben nach der jedesmaligen Beschaffenheit — Grösse und Form —
des herzustellenden Gussstücks richten. Wenn z. B. eine grosse Menge
Sand in der Gussform von dem flüssigen MetaUe eingeschlossen wird und
nur ein verhältnissmässig geringer Querschnitt für das Entweichen der
Gase und Dämpfe übrig bleibt, so muss der Sand weit durchlässiger sein,
als wenn dieselben nach allen Richtungen entweichen können; wenn in
der Gussform schmale Rippen aus Sand vorstehen, z. B. Zähne fär die
Zahnlücken von Zahnrädern, welche durch die Bewegung des fliessenden
Metalls leicht fortgespült werden können , so bedarf man eines Sandes
von grösserer Festigkeit n. s. f.
Nur sehr wenige vorzügliche Formsande vereinigen die erforder-
lichen Eigenschaften des Formsandes in solchem Maasse, dass sie für fast
aUe Fälle der Formerei ausreichen.
Brauchbare Formsande finden sich in allen Erdschichten. Vorzüg-
liche Formsande, besonders für säubern Guss geeignet und sehr durch-
lässig, finden sich im Buntsandstein, z. B. der rothe auch in deutschen
Giessereien benutzte englische Formsand, der Formsand von Bsenburg
am Harze und andere mehr.
Masse. Wenn ein grösserer Thonerdegehalt des Formsandes- dessen
Bindekraft zwar erhöht, die Durchlässigkeit aber in solchem Maasse verrin-
gert, daes der Wassergehalt des Formmaterials beim Giessen nicht mehr
8*
116 Masse.
rasch genug entweichen würde and deshalb vor dem Gasse durch eine
künstliche Trocknung ganz oder theilweise entfernt werden muss, so
nennt man den Formsand Masse.
Die Masse ist demnach dem gewöhnlichen oder grünen Formsande
gegenüber gekennzeichnet durch grossere Bindekraft and geringere Dnrch-
lässigkeit.
Im allgemeinsten Sinne versteht man bekanntlich nnter dem Ans-
druck „Masse ** einen feuerfesten Thon, dem man durch Zusatz eines so-
genannten „Magerungsmittels" oder „Cements^ die Eigenschaft genom-
men hat, beim Trocknen und Brennen Risse zu bekommen. Als solche
Magerungsmittel dienen gröbere Körner von Quarz oder Ghamotte, also
Substanzen, welche sowohl für sich als mit dem Thone in gewöhnlichen
Feuernngsanlagen unschmelzbar sind ; ihre Wirkung ist eine rein mecha-
nische und beruht auf dem Umstände, dass eine jede solche Unterbrechnng
der dichten Thonsubstanz durch einen eingelagerten fremden Körper
auch die weitere Ausbreitung eines in Folge des Zusammenschwindens
entstehenden Risses verhindert. Sofern die Masse für die Griesserei be-
nutzt wird, bezwecken die Magerungsmittel zugleich eine Auflockerang
des gesammten Formmaterials zum bessern Entweichen von Gasen, also
die Erreichung grösserer Durchlässigkeit. Beide Aufgaben der Mage-
rungsmittel werden um so besser erreicht werden, je scharfkantiger,
zackiger die Körner sind. Je grösser der Gehalt der Masse an solchen
Quarzkömem (beziehentlich Chamottekömem) ist, d^sto durchlässiger
wird sie sein, desto weniger starke Trocknung der Gussform ist erforder-
lich, aber desto geringere Festigkeit wird sie auch besitzen und desto
leichter wird sie, besonders unter dem Einflüsse starker Erhitzung, sich
als unbeständig erweisen oder anch zusammensintern. Denn alle feuer-
festen Thone werden bekanntlich schmelzbar, sobald in dem Gemische
das Verhältniss der vorhandenen Kieselsäure zur Thonerde ein gewisses
Maass übersteigt.
Hieraus folgt aber, dass die Beschaffenheit der zur Formerei benatzten
„Masse** sich um so mehr derjenigen des eigentlichen Formsandes nähern
kann, und gleichzeitig die Trocknung derselben vor dem Gusse um so
unbedeutender sein darf, je weniger Wärme beim Gusse abgegeben wird,
je schwächer also die Abmessungen des Gussstücks und je leichtschmelssi-
ger das Metall ist; dass aber andemtheils die Beschaffenheit der Masse
sich um so mehr der für feuerfeste Waaren benutzten thonreichen Masse
nähern muss und um so stärkeres Trocknen beziehentlich Brennen ver-
langt, je stärker die Abmessungen des GnssstÜcks und je höher die
Schmelztemperatur des Metalls ist (z. B. beim Griessen von Gassstahl).
Reichlicher Zusatz von schon gebrauchter Masse zur frischen (aach
alter Ghamottesteine im zerkleinten Zustande, Tiegelsoherben o. s. w.)
erhöht wesentlich die Durchlässigkeit der Masse und verhindert die Ent-
stehung von Rissen, vermindert aber die Bindekraft. Für die meisten
Fälle dürfte letztere jedoch immerhin noch gross genug bleiben, wenn
Lehm. 117
man grössere Mengen gebrauchter Masse mit geringeren Mengen frischer
vermischt.
Die chemische wie physikalische Beschaffenheit der für die Formerei
benatzten Masse liegt also innerhalb noch weiterer Grenzen als die
des „grünen*', d. h. im angetrockneten Zustande benutzbaren Sandes.
Denn wenn die für hohe Wärmegrade und grosse Güsse taugliche
Masse im Allgemeinen zwar auch für leichter schmelzbare Metalle
und kleinere Güsse tauglich bleibt, so lange sie hinreichender Trock-
nung unterworfen wird, so wird man doch zur Umgehung eben dieser
starkem Trocknung nach Möglichkeit dahin streben, eine quarzreichere,
durchlässigere Masse anzuwenden, wo irgend die Umstände es ge-
statten.
Bisweilen findet sich eine für*die Formerei geeignete Masse in der
Natur, häufiger wird sie durch Vermischung geeigneter Substanzen be*
reitet. Man setzt zu diesem Zwecke zu einem grobkörnigen, für grünen
Guss geeigneten Formsande einen thonigern, fettem Sand, oder man
untermischt ein fettes^ thoniges Material mit groben Quarzkömem, Gha-
mottekömern, Kokes- oder Holzkohlenstückchen oder ähnlichen unschmelz-
baren Substanzen. Ein Zusatz von Eokesklein ist der porösen Beschaf-
fenheit dieses Materials halber besonders bei sehr dichter, undurchlässiger
Masse in vielen Fällen wohl zu empfehlen.
Iiehm. Man nennt im Allgemeinen jeden sandigen Thon Lehm,
sobald die Sandkörner desselben nicht die Grösse und sonstigen Eigen-
schaften besitzen, um die Aufgabe jener der Masse beigefügten Mage-
rongsmittel erfüllen zu können. Ohne Weiteres zu Bauzwecken oder zur
Formerei verwendet würde der Lehm also böim Trocknen Risse bekom-
men und unbrauchbar werden. Wollte man diese Eigensöhaft durch
fernem Zusatz von Quarz, Chamotte oder dergleichen aufheben, so würde
der Lehm bei seinem ohnehin grossen Sandgehalte an Bindekraft verlie-
ren. Man muss also Zusätze wählen, welche diese Bindekraft nicht be-
einträchtigen, sondern eher noch erhöhen, und als solche Zusätze dienen
in der Formerei vorzugsweise Pferdedünger; auch Kuhdünger (selten),
Kälberhaare, Torfgms, Spreu, Gerberlohe und ähnliche, in feinen läng-
lichen Stückchen vorkommende organische Substanzen. Alle diese Körper
schwinden beim Trocknen zusammen oder werden bei stärkerer Erhitzimg
unter Zersetzung verflüchtigt, hinterlassen also kleine Hohlräume, welche
wieder die Ausbreitung entstehender Risse im Lehme unterbrechen, ein
Zusammenziehen desselben gestatten und ihn durchlässiger für Gase und
Dämpfe machen. Pferdödünger hat vor den übrigen Zusätzen den Yor-
theil voraus, dass er neben der Erfüllung seiner eigentlichen soeben ge-
schilderten Aufgabe auch die Bindekraft des Lehms erhöht und dadurch
die Anwendung eines quarzreichem, durchlässigem Materials ermöglicht.
Er wird deshalb in den meisten grösseren Giessereien in beträchtlicher
Menge verbraucht und dem Lehm in Quantitäten von 60 bis 100 Volum-
1 18 Lehm. Kohle.
procenten zagesetzi. Nur für sehr feioe Güsse ersetzt man ihn durch
den kostspieligem Kuhdunger. Kälberhaare werden gleichfalb als Zusatz
für feinere Arbeiten gewählt, die Übrigen Substanzen nur für sehr grobe
ArtikeL
Der Lehm ist weniger feuerbeständig als die eigentliche feuerfeste
Masse, dagegen fester, widerstandsföhiger beim Gusse, als die quarz-
reicheren, in ihrer Beschaffenheit dem Formsaüde sich nähernden
Massen.
Während Formsand und Masse beim Gebrauche nur mit so viel
Wasser befeuchtet werden, dass sie Bindekrafb erlangen, aber nicht an
anderen Gegenständen (den Werkzeugen, Händen u. dgl.) kleben dürfen,
wird der Lehm aus Gründen , die in dem Arbeitsverfahren beruhen und
erst bei Beschreibung desselben verständlich werden können, mit so viel
Wasser angerührt, dass er die Form eines dicken Breies erhält and an
den Händen wie an den Werkzeugen klebt. Dieser reichliche Wasser-
gehalt, welcher dem Lehme grosse Bildsamkeit verleiht , und der Zusatz
organischer Substanzen als Magerungsmittel sind die kennzeichnenden
Eigenthümlichkeiten desselben gegenüber der Masse.
Gewöhnlich verarbeitet man den Lehm ohne Weiteres in jener breii-
gen Form , für gewisse Zwecke fertigt man jedoch durch Einschlagen in
hölzerne Kasten Lehmsteine in Form und Grösse von Ziegelsteinen dar-
aus, welche erst an der Luft, später in der Wärme getrocknet werden
und als Material für Herstellung von Gussformen dienen.
Es bedarf der Erwähnung, dass die Begriffe Formsand, Masse und
Lehm nicht immer so streng wie in Vorstehendem unterschieden werden.
In einzelnen Gegenden nennt man jede Masse „Formsand für getrocknete
Formen'' nnd ist durch den Umstand dazu berechtigt, dass in der That
die Beschaffenheit der benfutzten Masse wenig von der Beschaffenheit des
Formsandes fCb* grünen Guss abweicht ; in anderen Gegenden oder Giesse-
reien, wo die vorhandene Masse gleichzeitig als Grundbestandtheil für
die Lehmbereitung dient, nennt man diese rohe Masse wohl gleichfalls,
wenn auch unrichtiger Weise, Lehm.
Kohle. Man verwendet Steinkohle, Graphit, Koks, Holzkohle, zwar
niemals als selbstständige Formmaterialien, vielfach aber als Zusätze und
Ueberzüge. Sofern nicht in der früher beschriebenen Weise eine einfache
Auflockerung, Erhöhung der Durchlässigkeit durch den Kohlenzusatz be-
zweckt wird (wozu Koke und Holzkohle allein brauchbar sein würden),
erfüllt die Kohle als Zusatz wie als Ueberzug der Gussformwände den
Zweck, ein Zusammenfritten des Formmaterials unter sich, wie mit dem
Metalle in der hohen Giesstemperatur zu verhüten.
Mischt man Kohle in feinster Vertheilung dem Formmateriale bei,
so entwickeln sich in der hohen Giesstemperatur theils direct durch Zer-
setzung (bei der Steinkohle), theils indirect durch Einfluss von Sauerstoff
und Wasserdampf auf den Kohlenstoff Gase, umhüllen die einzelnen
Kohle in der Formerei. 119
Körnchen und schützen sie in dieser Weise gerade in dem Augenblicke,
wo die Gefahr des Znsammenfrittens am grössten ist, vor inniger Berührung
unter sich wie mit dem Metalle. Es folgt hieraus, dass für diesen Zweck
diejenige Kohle am geeignetsten sein wird, welche rasch und reichlich
Gase entwickelt, also Steinkohle, und unter den Steinkohlen am geeignet-
sten die gasreichste.
Zu gleichem Zwecke und gleichzeitig zur Erhöhung der Bindekraft
benutzt man bisweilen als Zusatz zur Masse Sjrup, Bier und ähnliche
organische Substanzen. Sehr dichte Masse und Lehm vertragen weniger
als durchlässiger Formsand gasreiche Zusätze, welche bei rascher Gas-
entwickelung ein Zerreissen der dichten Gussformwände zur Folge haben
könnten. Wenn daher bei diesen Materialien überhaupt ein solcher Zu-
satz erforderlich ist, beschränkt man sich auf weniger energisch wirkende:
Koks, Holzkohle. Für Lehm ist Graphit aus Gasretorten ein sehr brauch-
barer und wirksamer Zusatz.
Die Menge der dem Formsande zugesetzten Kohle muss sich nach
der Beschaffenheit des Sandes richten; einige Formsande und Massen
können ohne jeden Zusatz verarbeitet werden, bei anderen ist ein Zusatz
bis zu 30 Yolumprocenten zweckmässig.
Magere Sande vertragen, da sie leichter die Gase abziehen lassen,
grössere Zusatzmengen als fettere, daher ist vielfach die irrige Meinung
entstanden, dass der Steinkohlenzusatz eine Erhöbung der Bindekraft
magerer Formsande bezwecke. Ist der Zusatz zu reichlich, so entstehen
auch beim Gusse in grünem Sande Spalten und Risse in dem Materiale,
welche rechtwinklig gegen die Wandfläche gerichtet sind; das flüssige
Metall dringt hinein, erstarrt und lässt den zu reichlichen Kohlenzusatz
durch die dadurch auf der Oberfläche des Abgusses entstandenen Grate
erkennen.
Anders ist die Wirkung der Kohle, wenn sie nur als Ueberzug,
nicht als Beimengung benutzt wird. Sie dient hierbei als isolirende,
unschmelzbare Schicht zwischen Metall und Formmaterial, verhindert
also ein Zusammenschmelzen beider, welches immerhin, wenn nicht direct,
ao doch zwischen der Kieselsäure des Formmaterials und der an der
Aussenfiäche des glühenden Metalls sich bildenden Oxjdschicht leicht
stattfinden kann. Es wird leicht begreiflich sein, dass nur möglichst
reine Kohle (Holzkohle, Koks, Graphit) für diesen Zweck geeignet sein
kann, Steinkohle nur nachtheilig wirken würde.
Der Ueberzug wird entweder in feinem Pulver trocken aus Staub-
beuteln aufgepudert — beim grünen Gusse — , oder er wird bei zu
trocknenden Gussformen — Masse- und Lehmguss — mit Wasser zu
einem dünnen Brei angerührt, mit Pinseln aufgetragen, und heisst dann
„Schwärze".
Das geeignetste Material zum Aufstäuben ist Holzkohle, und zwar
wirkt die Laubholzkohle am kräftigsten; weit weniger geeignet ist Kokes«
120 Foimmaterialien. Aufbereitung.
staub , durch Zusatz von Thonmehl haftend gemacht ^) ; Graphit haftet
einestheils schlecht, legt sich anderntheils in die Poren des Formmaterials
und macht dieses undurchlässiger.
Zur Bereitung der Schwärze dient Holzkohle, Graphit oder beide
Substanzen vermischt. Der Graphit muss geschlämmt sein, und es zeigt
sich gewöhnlich beim Ankaufe desselben die oft gemachte Erfahrung,
dass das am theuersten bezahlte Material schliesslich die geringsten Aus-
gaben verursacht, indem man mit geringeren Mengen desselben den
Zweck vollkommener erreicht, als mit grösseren Mengen eines gering-
werthigem Materials.
Je höher und andauernder die Temperatur beim Giessen ist, also je
grösser die Querschnitte des Gussstücks und je schwerschmelzbarer das
Metall, desto reichlicher muss in der Mischung der schwer verbrennliche,
aber dichte und theurere Graphit gegenüber der leicht verbrennlichen,
aber porösen und billigen Holzkohle vertreten sein. Manche andere Zn-
sätze kommen bei der Bereitung der Schwärze in Anwendung. Um sie
consistenter, an der Gussform haftender zu machen, pflegt man das Was-
ser mit feinem Thonmehl anzurühren, wodurch das Ganze syrupartige
Consistenz erhält. Besser noch als Thon wirkt ein Zusatz von Boggen-
mehl, in das Wasser eingerührt und mit demselben nach Zusatz der
Kohle gekocht. Becht zweckmässig ist auch als Zusatz ein wässeriger
Auszug von Pferdedünger. Derselbe ist reich mit Ammoniaksalzen ge-
sättigt, welche beim starken Trocknen entweichen und die Schwärze in
einem porösen Zustande zurücklassen. Statt dessen benutzt man auch
wohl eine Lösung von Salmiak.
Die fertig gemischte Schwärze lässt man durch ein Sieb laufen, um
entstandene Klumpen und dergleichen zurückzuhalten, und bewahrt sie
zum Gebrauche auf.
Apparate zur Aufbereitung der Formmaterialien.
Da di^ Formmaterialien nur in einzelnen Fällen in einem solchen
Zustande in der Natur vorkommen, um ohne Weiteres verwendbar zu sein,
so erfordern sie in allen übrigen Fällen eine Aufbereitung, die in einer
Zerkleinerung, oder eiaer Mischung, oder in beiden Arbeiten zugleich
besteht. In kleinen Giessereien wird diese Aufbereitung durch Hand-
arbeit bewirkt; Zerkleinern durch Stossen im Mörser, Mischen durch
Umschaufeln, die Lehmbereitung durch Schlagen des auf einer Eisenplatte
ausgebreiteten groben Gemischs mit hölzernen breiten Stäben, Umschau-
feln, abermaliges Schlagen u. s. f.
In mittleren und grösseren Giessereien wird die Handarbeit zur
Aufbereitung zweckmässig durch Maschinenarbeit ersetzt.
^) Holzkohle nimmt rasch aas den Wänden der Oussform etwas Feuchtig-
keit auf und wird dadurch haftend ohne weitem Zusatz.
EohlenmühleD. 121
Znm erstell Zerkleinern groBSstückiger H«terialieii, z. B. der Sond-
steioe, alter ChamotteBteine n. B. £, ist ein Pochwerk, Walzwerk oder
Steinbrecher von bekannter Congtruction recht zweckmässig. Solche
grosBstflckigen Materialien kommen jedoch nur ausnahmsweise zur Ver-
wendong, meistens finden sie sich schon in einem feiner sertheilten Zu-
stande in der Natur.
Zdt weitem Zerkleinemug des Sandes, der Steinkohlen n. s. w. die-
nen die sogenannten Trommelapparate und die Eollermahlon.
Ein Trommelapparat besteht ans einem um seine Achse rotirenden
hohlen Körper ans Gasseiaen — die Trommel — , in welcher der xa zer-
kleinernde Stoff durch einen ü-ei laufenden Stein oder Gusseisenkörper
zermahlen wird. Die Trommel hat meistens Cylinderform und dreht
eich um eine horiEontale Achse ; die Stirnflächen sind durch aofgeschraubte
Deckel verschloasen; znm Mahlen dient ein kleinerer massiver gnsseiser-
ner Cylinder {oder zwei dergleichen), welcher bei dem Drehen der Trom-
mel Innerhalb derselben rollt. Znm Ein- und Ausbringen der Materia-
lien dient eine Oeffoung, welche durch einen mit Keilen angezogeneu
Deckel TerflchloBsen ist. Der Durchmesser der Trommel pflegt 600 bis
1000 Hm. zu betragen, die Länge '/i bis l'/t des Durchmesaers. Die
Anzahl der Umdrehungen per Minute 40 bis 60. Die Figuren 92 und
93 stellen einen solchen Trommelapparat (Kobleumflhle) der Chemnitzer
Werkiengmaschinenfabrik in '/jo der wirklichen Grösse dar. Es ist hier
A der VerschluBsdeckel , a der Kegel znm Festhalten desselben , welcher
seinerseitfl wieder in den Oefaren ii festgehalten wird.
Fig. 92.
^
Eine derartige Trommel genügt sura Mahleii der Steinkohle nnd dee
feinern Sftndes für eine tätliche Prodaction von ca. 3000 bis 40UO Kilo
GueewaarL-n und erfordert zum Betriebe einen Arbeitsaufwand von ca.
Vi Pfei-dekraft
Ein weniger einfacher Trommelapparat ist neuerdings von Uanctin
in St. Denis in die Praxis eingeführt worden und durch die Figuren 94
und 95 veranschaulicht '). ,
In der guBseiaernen , an beiden Enden durch Deckel verschlossenen
Trommel bewegt sich um eine Achse ein gusseiserner Cylinder. Der
letztere ist auf seinem Umfange mit einer Anzahl von Löchern besetzt,
in welchen massive Kugeln liegen. Die Wandung einer jeden OefTnong
entspricht, wie in Fig. 95 in grösserm Maassstabe dargestellt ist, einer
Kngelzone mit einem Radius, welcher den der Kugeln selbet etwas über-
trifft. Die Kugellager sind nach einer um den Umfang des innem Cf-
linders laufenden Schneckenlinie angeordnet. An den beiden Verschluss-
deckeiu der Trommel sind Kreuzkörper angegossen, durch deren Mittel-
stück die Achse des Innern Cylinders in mit Scbmiervorrichtuug versehe-
nen Lagern läuft, w&hrend die in den Deckeln für den Durchgang der
Achse vorhandene Bohrung mit Gummiringen staubdicht abgeschlossen
ist. Bei kleineren Apparaten fallen die Krenzkörper weg, und es ist die
Achse dircct in den Deckeln mit Stopfbüchse gelagert. Der auf der
') Deutsche Inäostriemitun^ 1876, 8. i
Hanctin's Kohlenmühle. 123
linken Seit« der Fig. 94 eraicbtliche Trichter dient znm Aufgeben des
Materials, die TIiQr im Boden an der rechten Seite zum Entleeren, und
es besitzt die Trommel eine schwache Neigung nach dieser Seite.
Der Abstand des innern von dem &usBem Cylinder ist so bemessen,
dasB die Kugeln den innern Cylinder nie ganz Terlasaen können, daher
die rotirende Bewegimg mitmachen müssen. Hierbei rollen sie in dem
untern Theile ihres Weges anf der Innenfläche der äussern Trommel,
werden vom innern Cylinder allmälig gehoben, fallen endlich in das zn
ihrer Aufnahme vorhandene Loch und verlassen dasselbe auf der andern
Seife wieder, am sich neoerdings rollend anf der Innenseite der Trom-
■nel weiter zn bewegen. Zwischen Cylinder und Trommel befindet sich
der za zerkleinernde Körper nnd wird durch die rollenden Kugeln im
nntem Theile des Apparats alluiälig zermahlen ; und da die Kugeln nach
Tig. 94. Fig. 95.
einer Schraubenlinie im Apparate angeordnet sind, so findet gleichzeitig,
nnterstlttzt durch die geneigte Lage der Trommel, eine allrnftlige Vor-
wärtsbewegung des Mehls gegen die rechts liegende Stirnseite hin statt.
Bei grösseren Apparaten dieser Art ist die Länge des innern Cylin-
ders 2 M. bei einem Durchmesser von 700 Mm. , die Anzahl der Kugeln
300 bei je 80 Mm. Durchmesser und 2 Kilo tiewicht, die Entfernung der
Seh necken gänge unter einander Bowie der Kugeln von Mitte zu Mitte
gemessen 100 Mm., die Anzahl der Umdrehungen 60 bis 65 per Minute.
Die erforderliche Betriebskraft f&r eiuen Apparat in dieser Grösse ist
4 bis 6 Pferdestärken, die Production pro Stunde 150 Kilo Holzkohlen-
staab. . FOr kleine Giessereien genügt ein Apparat von 650 Mm. L6nge,
400 Mm. Durchmesser mit 70 Kugeln von 40 Mm. Durchmesser, welcher
stfindliob 45 Kilo Kohlenstaub liefert.
Znm Mahlen von Formsand statt der KShle ist der Apparat aufrecht
124 Eollermühlen.
gestellt, die Zuffihroog erfolgt »m ganzen Umfange des Cyliadera and die
Btündliche Prodnction ist bei 4 Pferdekrftflen 2,5 Gnbikmeter FornuAnd.
Eine KollermAhle oder ein Kollergang für Gieasereien ist in
den Fignren 96, 97 und 98 in Vis ^^^ virktlchen Grüeee dargestellt. Es
sind hier AÄ Ewei gosseiserne Walzen (Läafer), welche aof der horison-
tolen Achse B in angleichen Ahständen von der Mittellinie des Appa-
rats befestigt sind. Die Achse B steckt in der HOlse G derartig, dass
sie sich innerhalb des Schlitzes C heben kann, sobald die Walzen über
harte Körper hinweggehen, während sie vor seitlicher Verschiebung durch
Pig.ee.
den hindorcb gesteckten Bolzen tl gesichert ist. Die Hülse C bildet
einen Theil der verticalen Spindel J), welche durch die Getrieb« EF
sowie die Kiemensoheibe Q ihren Antrieb erhält.
Als Unterlage dient die starke gosseiserne Platte S mit aufrecht
stehendem Borde. An derselben sind die zwei guBseiBeruen Btänder KK
angeacbranbt, welche den Balken L tragen, der zur Unterstützung der
Lager für die Spindel nud Getriebewelle dient Au der senkrechten
Spindel sind die Arme J und Ji befestigt, als Führung für die Schaufeln
S SiSi und T dienend, welche tbeila den Zweck haben, das vou den Wal-
zen znr Seite gedrückte Mai<erial wieder denselben zuzulilhreu, theils
such, eine innige HiBohang zn bewirken. Durch Hebel Z und Z\, welche
an det Conliaae F feetgestellt werden kSnnen, laseen aioh die Schaufeln
senken und heben, je nachdem eie in Tbfitigkeit kommen oder ansgerückt
werden sollen. Endlich befindet sich in der Grondplatte der Schieber Q,
12ß Kollergänge. Thonschneider,
durch dessen Aufziehen die Eotleernng des Apparats bewirkt' wird. Es
wird dann S am-, T eingeschaltet, wodurch das gesammte Material nach
dem Rande der Platte hingeschoben nnd BchliesBÜch dnrch die Schieber-
offnang entrernt wird.
Die Anzahl der Umdrehangen der Kollergänge beträgt 10 bis 20
per Minute, das Gewicht ihrer Läufer 500 bis 1000 Kilo per StQck. Da
Pjg_ 99_ ein Kollergang in deroben-
gezeichneten Form ebenso-
wohl geeignet ist, Sand
und KoUe zn mahlen nls
Lehm zn mahlen nnd mit
seinen Znsfitzen zn ver-
tniachen, so bildet derselbe
einen sehr geeigneten Ap-
parat fdr grössere Giesae-
reien. Es kommt hinzu,
daes die Leistung dessel-
ben eine recht beträcht-
liche and ein einziger Kol-
lergang im Stande ist,
Kohlenstaub and Sand für
eine tägliche Production
von durchschnittlich 1 5000
Kilo GusBwaaren zn liefern,
wenn nicht eben der rela-
tive Bedarf an jenen Ma-
terialien ein ansnahms-
weiae hoher ist Ein Nach-
theil desKolIerganges liegt
in dem hohen Arbeitsver-
brauche, der in Folge des
Gewichts der Läufer schon
im Leergange ein beträcht-
licher ist und während der
Arbeit nicht unter 4 bis
5 PferdekräRe betragen
darfte, wenn harte, grob-
körnige Materialien ver-
arbeitet werden, beim Mi-
schen von Lehm aber jedenfalls sich noch etwas höher beziffern wird.
Wenn es sich nur darum handelt, Lehm zu mischen , nicht zu mah-
len, finden sogenannte Thonschneider vielfache Anwendung.
Fig. 99 stellt die innere Einrichtung eines solchen Tbonschneiders
dar. Der Betrieb erfolgt durch ein am obem oder untern Ende der
verticalen Spindel aufgestecktes Getriebe von einer Transmission ans.
Stroh zur Formerei. 127
Auf der Spindel sind die Bchranbenartig gekrümmten Messer befestigt,
welche den yon oben eingeschütteten Lehm durcharbeiten und nach unten
drücken, so dass er in ununterbrochener Folge aus den am nntem Ende
des gusseisemen Gehäuses befindlichen Auslassöfinungen herausgequetscht
wird. Ist nach einmaligem Durchgange die Mischung noch nicht innig
genug, wird der Lehm zum zweiten Male eingeschaufelt.
Eine derartige Maschine^), oben 520 Mm., unten 260 Mm. weit,
1640 Mm. hoch, liefert in zehnstündiger Arbeitszeit ca. 10 Gubikmeter
Lehm bei einem Arbeitsaufwande von 3 bis 4 Pferdekräften und 60
Umgängen per Minute.
Stroh. Das Stroh bildet zwar kein eigentliches Formmaterial, wohl
aber findet es in Form von Strohseilen vielfache Anwendung bei Anferti-
gung von Kernen in der später zu erörternden Art und Weise. Aus
dieser Art der Verwendung folgt, dass nnr langhalmiges , biegsames
Stroh zu gebrauchen ist.
In den meisten Oiessereien geschieht das Spinnen des Strohs zu
Seilen noch durch die Hand mit Hülfe des sogenannten Schlüssels, an
welchem das eine Ende des Seils befestigt ist und welchen ein Arbeiter
dreht, während ein anderer das Stroh am entgegengesetzten Ende einflicht.
Wo man jedoch viele solche Strohseile gebraucht, empfiehlt sich
sehr die Anwendung einer Spinnmaschine, wie sie von der Königin-
Marien-Hütte bei Zwickau gebaut wird. Die Einrichtung derselben ist in
den Figuren 100 und 101 (a. f. S.) in Vso <ler wirklichen Grösse dargestellt.
Von einer Transmission aus wird zunächst die Riemenscheibe a in
Umdrehung versetzt und überträgt durch die Welle d ihre Bewegung
auf die Riemenscheiben b und c, welche wieder vermittelst der Riemen
g und A die Riemenscheiben e und /bewegen. Nebenjeder dieser Riemen-
scheiben ist eine Losscheibe befindlich, um durch Vesschiebung der Rie-
men in jedem Augenblicke den Gang der Maschine unterbrechen zu kön-
nen; zur Ausrückung dient die Stange f, mit entsprechenden Riemen-
gabeln versehen. Die Riemenscheibe / sitzt fest auf der Spindel hy deren
entgegengesetztes Ende bedeutend verstärkt und cylindrisch ausgebohrt,
zugleich mit einem der Achse parallelen Schlitze versehen ist. Auf dem
hohlen Theile der Spindel Je ist die rinnenformig ausgeböhlte Gabel L
venuittelst der Hülse m derartig befestigt, dass sie die Drehungen der
Spindel mitmachen muss, sich aber in der Achsenrichtung der Spindel
verscl^eben lässt; die Höhlung der Gabel findet ihre Fortsetzung in dem
erwähnten Schlitze der Spindel, so dass das Strohseil, wie in der Fig. 100
gezeichnet, sich durch Spindel und Gabel hindurchführen lässt und bei
jeder Drehung der Spindel eine einmalige Zusammendrehung erföhrt.
Die Riemenscheibe e sitzt auf einer zweiten hohlen Welle v, welche
auf h aufgeschoben ist und sich lose auf derselben dreht. Auf dieser
1) In ähnlicher Aasfährang vielfach von G. Schlickeisen in Berlin gefertigt.
128 StrohspinnmaschiDe.
Welle V ist die Spnle N befestigt. Da nan die Riemensobeibeii e und
/gleich groBB, e &ber etwu gröaaer im Darobniesser ist als b, ao dreht
sieb in dem gleicbpn VerhöltDisBe die Spule rascber ali die Spindel mit
der Gabel. Die Folge davon ist, daBs, sobald das Kade des Seils aof der
Formgebende Geräthe. 129
Spule befestigt und nun die Maschine in Umdrehung versetzt wird, das
Strohseil gleichzeitig zusammengedreht und auf die Spule mit einer Ge-
schwindigkeit aufgewickelt wird, welche der Differenz der Geschwindig-
keiten von Spule und Spindel gleich ist. Damit nun aber dieses Auf-
wickeln gleichmässig auf der ganzen Länge der Spule Tor sich gehe, be-
findet sich auf der Verlängerung der Arbeitswelle d die Schnecke o,
welche das Schneckenrad p dreht und von diesem aus vermittelst Schub-
stange q dem an der horizontalen Führungsstange x aufgehängten Arme
r eine langsame hin- und hergehende Bewegung ertheilt. r aber steht
durch den Bügel 8 mit der Gabel L in Verbindung und überträgt also
ohne Weiteres dieselbe Bewegung auf L.
Eine solche Maschine liefert bei 130 Umdrehungen der Antriebswelle
d per Minute 9 bis 10 Meter Strohseil von 15 Mm. Stärke.
B. Die formgebenden Geräthe.
.Um eine Crussform aus bildsamem Materiale herzustellen, bedarf
es eines Apparates, durch dessen Hülfe die inneren Begrenzungen der-
selben, also des formgebenden hohlen Baumes, genau festgelegt werden.
Dieser Apparat hat gewöhnlich schon im Grossen und Ganzen die Umrisse
and Grösse des herzustellenden Abgusses, so dass die Gussform gewisser-
maassen als ein Abdruck desselben im Formmateriale erscheint, und heisst
dann Modell. In Fällen, wo die Umrisse des Abgusses einen Rotations-
körper vorstellen, z. B. bei Cy lindem, Glocken n. dgl.,' oder in solchen
Fällen, wo sich der Körper durch Fortbewegung eines und desselben
Querschnitts nach einer geraden oder gekrümmten Leitlinie entstanden
denken lässt, kann das Modell durch eine Schablone aus Holz oder
Eisen ersetzt werden, welche das genaue Profil des herzustellenden Ab-
goBses enthält und durch deren Drehung um die Rotationsachse beziehent-
lich Fortbewegung nach der Leitlinie die Umrisse der Gussform gewisser-
maassen aus dem weichen Formmateriale heri^sgeschnitten werden.
Zur Herstellung der Gussformen in Sand und Masse kommen fast
nnr Modelle, zur Herstellung von Lehmgussformen grossentheils Scha-
blonen in Anwendung.
Es ist leicht einzusehen, dass, wenn man einen Kern fertigen will,
das formgebende Geräth ähnlich wie eine Gussform eingerichtet sein
niiisa, also hohl, im Innern entsprechend der Form des Kerns profilirt
und gewöhnlich aus mehreren Theilen bestehend, um das Herausnehmen
des Kerns zu ermöglichen. Ein derartiger Apparat heisst Kernkasten
oder Kerndrücker; ausserdem bedient man sich besonders fär L^hm-
kerne wie bei Anfertigung von Gussformen der Schablonen ^ um durch
Drehen oder Ziehen die Kerne herzustellen.
Da bei Anfertigung der Modelle, Schablonen und Kernkasten selbst-
verständlich die Schwindung zu den Abmessungen des herzustellenden
Lf Adebar, mechamitcb-neUlhirgiiche Technologie. 9
130 Modelle.
AbgQBBes. zugegeben werden mnsB, bedient man sich bei dieser Anferti-
gang solcher M&aBsstftbe, deren Länge nnd Theilung acbon nm das
MaosB dieser Scbwindnng grösser ist, ab bei NormalmaassBUben. Wenn
z. B. die Scbwindnng des Metalls gleicb Vm >Bt. wie für Gnseeisen, so ist
1 Meter de« SchwindmaaaastabeB gleich "/m = 1,0104 M. Nonnal-
maassstab.
Um daa genane Einlegen der Kerne in dieGnssform za ermöglichen,
nnd zugleich nm ihre Stellung dem Drucke des Metalla gegenüber zu
richem, macht man die Kerne an einem oder zwei Enden etwas länger
nnd läsat sie mit dieser Verlingemng wie mit Zapfen in entsprechende
Vertiefangen der Gnasform eintreten. So s. B. mbt der Nabenkem A
der in Fig. 102 skdzzirten GnEsform einer Riemenscheibe bei a nnd b in
Fig. 102. Fig. 103.
Vertiefungen der Gaseform. Das Modell oder die Schablone aber moss,
nm diese Vertiefungen hervorzubringen, mit entsprechenden Ansätzen
versehen sein, welche Kernmarken beissen nnd in Fig. 103, das Model]
zur Gnesfonn in Fig. 102 darstellend, gleichfalls mit a und b bezeicb-
net sind.
Die Modelle. Das zur Anfertigung der Modelle am bftnfigsten
benatzte Material ist das Holz, vorzugsweise Kiefern- and Tannenholz,
daneben Erlenholz, wenn die Modelle sehr sanber nnd glatt werden sol-
len ; Aepfel-, Birnbaum-, Eschenholz für omamentale Gegenstände n. s. w.
Die Anfertigong der Holümodelle geschieht tu der Modelltiecfalerei,
welche demnach einen nnentbehrlichen Begtandtheil jeder gröasern Giesse-
rei bildet.
Durch sorg^tiges Äastrocknen dea za benutzenden Hokes vor der
Verarbeitung, durch zweckmässige Anordnung der Famrrichtungen in
den Holzarbeiten, durch Znsammen leimen der Stücke aus kleinen Thei-
len, endlich durch Anbringung sogenannter Hirn- oder GraÜeisten bei
groaaen Flächen, deren Fasern rechtwinklig gegen die Faserrichtung der
Fläche laufen, sucht der Modelltischler das Modell vor dem Kmmmxiehen
(Werfen) zu schützen. Schliesslich wird das flolzmodell durch einen
Lacküberzag (gewöhnlich Schellack) vor dem Eindringen von Feuchtig-
keit nach Möglichkeit geschätzt').
') Ueber Anfbrtignng hölzerner Modelle Riebe Snrre, Ramlbnch dea Eiaen-
giemereibolriebe», Bd. II, B. 409.
Modelle. 131
Werden die Modelle vielfacher Benutzang nnterworfen, so ersetzt
man die Holzmodelle durch metallene, ans Gasseisen, Zink, Zinn, Bronze,
Messing gegossen, oder ans Eisenblech, Knpferblech, Zinkblech gefertigt.
Gasseiseme Modelle sind die dauerhaftesten and billigsten unter den
Metallmodellen,' gestatten aber bei omamentalen Gegenständen nar an-
bedeatende Nachhülfe, wenn der Gass nicht scharf genug ausgefallen sein
sollte; für solche Fälle zieht man deshalb die ciselirfahigere Bronze oder
Messing yor; Zink- und Zinnmodelle sind leichter als letztere herzustel-
len, aber weniger dauerhaft.
Seltener, und nur für omamentale Modelle, welche nicht mehr als
ein- oder zweimal benutzt werden soUen, wählt man Modellirwachs, Thon
oder Gyps als Material.
Um das Herausnehmen des Modells aus der Gussform zu ermöglichen,
genügt nicht immer das schon erwähnte Zerlegen der Gussform in meh-
re!^ Theile, sondern es muss in den meisten Fällen auch das Modell in
mehrere genau zusammen passende Theile zerlegt sein. Das richtige
„Theilen" des Modells erfordert viel Umsicht und genaue Eenntniss des
Formereiverfahrens.
Als Regel gilt, dass das Modell aus der Gussform, nicht aber die
GuBsform von dem liegen bleibenden Modelle abgehoben wird, weil in
letzterm Falle viel leichter eine Beschädigung der Gassform eintritt.
Damit die einzelnen Theile des Modells stets in genau richtiger
La^e auf und neben einander zu liegen kommeD, versieht man die Thei-
lungsfläche des einen Modelltheils mit kleinen Dübeln, die des andern
mit entsprechenden DübeUöchem, in welche jene Dübel hinpinpassen.
Beispiele. Das Modell Fig. 104 zu einem Scheibenrohre ist ver-
mittelst eines durch seine Achse gehenden Schnittes AB in zwei gleiche
Fig. 104.
Hälfien getheilt. Dieselbe Schnittebene theilt auch die Gussform, so dass
beim Auseinandernehmen der letztem in jeder Hälfte der Gussform eine
Hälfte des Modells liegen bleibt und mit Leichtigkeit herausgenommen
werden kann, aa sind Kemmarken.
Das Modell Fig. 105 (a. f. S.) zu einem Scheibenrohre mit zwei
rechtwinldig gegen einander gerichteten Stutzen ist durch zwei Schnitte
A B und CD in drei Theile getheUt. Eine gleiche Theilung erleidet die
GoÄsform. Zuerst wird der Theil E der Gussform mit dem Theile e des
Modells abgenommen und letzteres herausgezogen, dann nimmt man F
nnd ö i»it / und g auseinander und kann nun die Modelltheile ohne
Weiteres aus der Form ausheben.
Bei dem U-förmigen Träger Fig. 106 (a. f. S.) ist das Modell nach
9*
denliinieo ab und cd in eiDcn H&npttheil y nnd zwei Leisten XX getheilt.
Zuerst wird der llaapttheil y dee Modells bentuBgesommen , daan die
beiden Leisten in die entatandeoe Oefinnng hinein nnd nocb oben hiaans-
geiogen.
£b verdient Erwähnang, data jedes Modelltbeil, welches ans dem
Formmaterial e heransgezogen werden mnss, in Rücksicht auf die starke
Reibung zwischen Modell und Formmateriale eine schwache Conrergcnz
besitzen rnnss, am das Heransziehen za erleichtern nnd die Gnssform
nicht zu bescbÄdigen. Statt eines Cylinders, der nach der Richtung sei-
ner Achse heransgezogen werden mnss, erh< man streng genommen
einen abgestumpften Kegel, statt des PrismaB eine abgestumpfte Pyra-
mide. Die Convergenz ist so nnbedentend, daas sie dem Aage kaum
sichtbar wird; kommt es auf dnrcbans genaue cylindrische etc. For-
men an, so müssen diese eben darch spätere Bearbeitung hergestellt
werden.
Wenn die Form eines Modells genan gleich derjenigen des Abgusses
(also nicht durch Kemmarken verändert) and das Modell nicht etwa im
Innern hohl ist, so lässt sich im Voraus aus dem Gewichte des Modelb
und dem Yerhältnisse der specifischen Gewichte des Modell- und Gnss-
materialB das annähernde Gewicht des AbgaBses und somit des tu
schmelzenden Metalls berechnen. Man hat in diesen Fällen erfah-
mngsmässig das Gewicht des Modells mit folgenden Ziffern zu mntti- '
pliciren : I
Wenn das Modell besteht Wenn der Abgass besteht ans:
Zink Blei I
ans:
Gnsseisen
Bronze
oder
oder
Zinn
Messing
Kiefern- oder Tannenholz
. 13
16
Pichtenhola (Rothtanne) .
. 16
18,5
Kemkasten und Kernstücke.
nkasten and Kernetücke.
Für die Anfertigang der Kemkasten gelten dieselben Regeln wie
fOr Modelle. Gewöhnlich genügt eine Theilnng des Kemkaatens in swei
Hälften, un den Kern heransnehmen za können. Die Hälften sind wie
beim Modelle 4nrch IKlbel rerbanden.
Für figürliche Gegenstände, welche bohl gegossen werden sollen,
Tersdlafit man sich häufig einen Kemkasten in der Weise, dass man die
Wände der Gnsefonu mit gewalzten Platten feuchten Thons von solcher
Stärke anekleidet, als die Üetallstärke des Abgusses werden soll, trock-
net, den Kern in dieser verkleinerten Gossfonn fertigt und dann die Tbon-
platten herausnimmt, um die Gussform zum Gusse zu benatzen.
In manoken Fällen kann übrigens durch geschickte Tbeilung des
Modells und der Gussform die Anwendung eines Kernkostens vermieden
werden. Wenn z. B. eine Seilscheibe, Fig. 107, geformt werden soll, so
Fig. 107.
gestattet begreiflicherweise der Querschnitt des Kranzes wegen der ein-
springenden Winkel nicht das Herausnehmen des Modells aus dem Form-
materiale, wenn man dasselbe genau wie den Abguss einrichten wollte.
£a kann nnn allerdings diese Aufgabe gelöst werden, indem man das
Modell mit einer ringsherum laufenden Kernmarke a a (durch die pnnk-
tirten Linien angedeutet) versieht, nach der Linie AB schneidet, nach
derselben Linie die Gussform theilt, dieselbe auseinander nnd das Modell
faeraosnimmt (was nunmehr ohne Schwierigkeit möglich ist), und die in
einem Kemkasten geformten segmentförmigen Keme, welche das äussere
Profil begrenzen, einlegt.
Ohne Anwendung eigenttioher Keme gelangt man aber folgender-
maassen zum Zwecke- Das Modell, welches die genaue Form des Ab-
guBsee erhält, wird nach ab, Fig. 108, geschnitten, die Gnssform aber
Fig. 108.
nach den Linien cAahef aad ghabik getbeilt, so dass sie aosdenThei-
len A, B und dem ringförmigen Tbeile C C besteht Zuerst wird A ab-
134 Kernstücke.
genommen, die Uodellhllfle dabe berauagenommen nnd A ohne diese
Hil&e wieder aufgelegt. Dann dreht man die ganae Goaaform lun, bo
daas der sn oberst liegende Theil nnten m liegen kommt, nimmt B ab,
holt die Bweite Hodellhätfte kaib heran* nnd setzt B wieder aof.
Aehnlioh verfahrt man bei der Anfertigung der Gassform flir ao-
genannte Bingelwalzen , Fig. 109. Die Theilong der Gosafonn und des
Pj„ ]Qg_ Modells ist ans der Zeichnung ersicht-
liob. Der Theil Ä wird abgehoben, die
ModellhtUfte abcd heransgenonimen,
Ä wieder aufgesetzt, die Form gewen-
det und mit B and der Hälfte aefd
dasselbe Verfahren wiederholt.
Uan nennt solche Theile der GasB*
form (also in diesem Falle den Theil
CC in Fig. 108, den Theil B in Fig. 109), welche die Stelle eines Kerns
rertreten, Kernstücke. In sehr ansgebildeter Weise kommt die An-
wendong solcher Kernstücke beim Gnsse nnregelmSsaig gebildeter Kör-
per, z. B. beim OromnentgOBS and noch mehr heim Statnen- and Knnst-
gnss, vor. Denkt man sich z. B. eine menschliche Fignr, vielleicht mit
faltenreichem Gewände bekleidet, und das Modell hierEn vom Formmate-
riale eingeacblossen , so ist es begreiflich, dass eine Theilong der Guss-
form in swei, drei Theile nicht ausreichen würde, das Modell heraos zu
bekommen. Man umgiebt deshalb das ganze Modell mit einer ent-
sprechenden Ansahl einzeln geformter Stütze, die sich einzeln loslösen
lassen, nimmt das Modell heraus, wenn diese sämmtlichea Kernstücke
entfernt sind, und setzt dann die letzteren in der gehörigen Reihenfolge
wieder zusammen.
Je mehr Kernstücke aber eine Form besitzt, desto mühseliger wird
ihre Anfertigung, desto leichter misslingt der Qusa, desto höher werden
die Kosten desselben. Daher sucht man für die Gegenstände gewöhn-
licher Verwendung im Maachinenbaofache , der Architektur, Haus- und
Landwirthschaft etc. Formen sn wählen, die sich „ gussgerecht " durch
ein einfaches Verfahren formen lassen; uad es sollte jeder Constmcteur
solcher Gegenstände wenigstens soweit mit der Technik der Formerei
vertraut sein, dass er neb die Frage zu beantworten vermag, in welcher
Weise dieses oder jenes von ihm entworfene Gnssstück zn formen ist.
Schablonen. W&hrend dss Modell und die Kemkaeten Form und
Grösse der Gussform oder des Kerns nach jeder Richtung hin besitzen,
zeigt die Schablone nnr den Umriss, das Profil der herzustellenden Gass-
form oder des Kerns. Bei Schablonen zu Gnssformen, welche einen Ro-
tationskörper darstellen, also für Cylinder, Kessel u. dergl., genügt ea,
der Schablone das halbe Profil xa geben, da sie um die Achse der Guss-
form gedreht wird nnd auf diese Weise das volle Profil erzengt. So
vergegenwärtigt uns Fig. 110 die Schablone zum Aosdreben der Guss-
Schablonen. 1 35
form eines Cylinders mit Flantechen und Terlomem Kopfe. Häufiger
noch aU die SctiAblona aom Ausdrehen der GoBaform kommen die Scha-
blonen sum Drehen ron Kernen in Anwendon'g. Dabei steht entweder
der Kern fest nnd die Scbahlooe wird gedreht, oder der Kern liegt hori-
zontal (seltener vertical) mit Zapfen in Lagern nnd wird dabei gedreht)
während die Schablone roht. Letzter Fall ist der häufigere. Als Bei-
spiel kann die in Fig. 111 gezeichnete Sobablone fOr den Kern einer
Fig. 110. Fig. na.
Säule dienen. Der Kern wird am die Achse AB gedreht und erhält da-
durch sein Profil entsprechend der Kante bcdep der Schablone.
Die Schablonen sind gewShnlich aus einem trocknen Brette geschnit-
tea oder auch für öftem Gebrauch ans GoBseisen hergestellt. Die profi-
lirte Kante ist etwas zngeschärft, am mit gröeserer Leichtigkeit scharfe
Umrisse hervorzubringen.
Wird die Schablone gedreht, und die Gnssform oder der Kern steht
fest, so mnes sie au einer verticolen Spindel befestigt werden. Dieselbe
136 Schablonen.
besteht aas ScbmiedeeiBen oder GaBS^sen und geht entweder oben und
nnten mit Zapfen in Lagern , so dasa sie eelbet aioh mit der Scbftblone
dreht (Fig. 112, a. t. S>); oder sie ist mnd, steht fest nnd dient ala Achse
fOr die mit Ringen an ihr befestigte und nm sie drehbare Schablone wie
in Fig. 110. Im letztem Falle werden die Spindel und die InnenflSchen
der lÜnge gedreht, wenn es anf genaues Innehalten Torgeachriebener
Maasaen ankommt; man wendet daher dieses Verfahren gewöhnlich nur
bei freistehenden Spindeln an, bei welchen eine Befestigong an dem obem
Ende nicht mSglich bt.
Die Schablonen zum Ziehen statt znm Drehen werden auf einer
eisernän Platte gefUhrt, welche Ziehplatte genannt wird und als Unter-
lage für den herzustellenden Gegenstand dient, deshalb dem Grundrisse
desselben entsprechend gef&rmt ist. Dadurch wird es nothwendig, die
zu ziehenden Gegenstände aus zwei Hälften zusammenzusetzen, wenn sie
nicht eine ebene BegrenznngsflScbe besitzen, welche der Ebene der Leit-
Fig. 113. Fig. 114.
linie parallel ist, z. B. den Kern zu einem Krümmer ans zwei Theilen
Ton halbkreisförmigem Querschnitte, welche mit Hülfe der Schablone A,
Fig. 113, und der Ziehplatte B, Fig. 113 und 114, gezogen werden.
C. Die Rüstungen der Gussformen nnd Kerne.
Nnr in den wenigsten Fällen besitzt das Material der Gussformen
oder Kerne eine solche Festigkeit, nm ohne Weiteres ein Heben, Wenden,
FortschatTen der Gnasformen oder Kerne ohne Gefabr der Beschädigung
zu gestatten und .den mechanischen Einflüssen Widerstand zu leisten,
welche beim Eingiessen des Metalls auf Gussform und Kern wirken.
Zur Verleihung dieser grösHem Festigkeit nnd WiderstandsiUbigkeit
bedarf es der Rüstungen.
Formkuten. Für Gussformen besteht die gebräuchlichste ROstong
in den Formkasten nnd es kennzeichnet die Anwendung derselben eine
ganz bestimmte Gattung der Formerei, Eastenformerei ^nannt.
Unter Formkasten versteht man eine kastenlSrmige, ans Gasseisen,
Formkasten. 137
Schmiedeeisen oder Holz hergeBt«lIte Ensammenhängendu Umhüllung der
Gussform , welche dieselbe ringsherum , die oberen and unteren Flächen
ansgenommen, einachliesst , es gestattet, sie zn truisportiren und einen
Schutz bildet gegen äussere Einflüsse sowohl sla gegen die beim Gasse
von innen Üt&üg werdenden, aaf Ansein&ndertreiben gerichteten Er&fte.
Wie dieGiusform, um das Modell entfenien zu kftnnen, hftnfig in mehrere
Tbeile zerlegt werden muss, so pflegt anoh der Formkasten aas gleich
vielen Theilen wie die Gussfonn susammengesetzt zu sein. Ist der Form-
kasten zweitheilig, so nennt man die obere Hälfte Oberkasten, die untere
Unterkasten. Bei grossen Onssstücken, welche einen entsprechend grossen
nnd deshalb kostspieligen Formkasten erfordern, ersetzt man den Uater-
kasten, ftdla derselbe nicht tranaportirt oder nmgewendet zu werden
braucht, biBweilen durch die Wände des Erdreichs, indem man in der
H&ttensohle eine entsprechend grosse Oefi'nong ausschachtet und das Form-
material hineinbringt. Man gebraucht dann onr einen Oberkasten.
Die Gestalt der Formkasten ist gewöhnlich Tierseitig, seltener und
nur filr bestimmte Zwecke mnd oder polygonal. Sie stellen Rahmen
von grösserer oder geringerer Höhe vor, Figuren 115, 116 nnd 117, Die
Flächen, mit denen sich zwei Formkastenhälften berühren, müssen gat
auf einander schliessen nnd sind deshalb fllr genaue Arbeit gehobelt.
Fig. 115. w«. iie.
Um die Formkasteatheile zur Herausnahme des Uodells anaeinander
nehmen und dann in genaa derselben Weise wieder zusammensetzen zu
können, ist der eine Form kästen theil mit Dübeln ee, der andere mit
Dübellöchem versehen, in welche diese Dübel hineintreten. Bei grösse-
ren Formkasten werden die Dübel genau gedreht nnd die Löcher gebohrt,
auch pflegt man bei diesen grösseren Formkasten die Dübel mit Schlitzen
138 Formkasten.
zu Teraehen, dnrcli welche Splinte gesteckt werden können, am Ober-
kaeten nnd Unterkasten fest za Terbinden. Ist der Formkasten drei-
tbeilig, so werden alle drei Theile dnrcb Dübel verbunden, Fig. 118.
Um das Heraosfallen des Formmateriab beim Abheben des Ober-
kaateoB zn rerbäten, ist derselbe an dem Rande ringsberom mit einer
achmalen, nach innen vorspringenden Leiste, der Sandleiste, verseben.
Zum Tronsportiren des Formkasteiu dienen Handbaben gg, Fig. 115,
an zwei gegen ttberliegenden Seiten, die bei schweren Kasten darcb starke
Zapfen som Umscblageu von Seilen oder schmiedeeisernen Gebangen er-
setzt werden.
Gewöbnlicb bildet jeder Formkastentheil ein nntheilbares Ganze nnd
wird nur in senkrechter Riobtnng von seiner andern Hälfte entlernt.
Es kann aber ancb der Fall yorkommen, dass man einzelne Formkasten-
theile in seitlicher Richtnng auseinander nehmen mass, wenn sieb das
Modell in anderer Weise nicht entfernen lässt. Man wendet dann ge-
wöbalicb einen dreitbeiligen Formkasten an, dessen mittlerer Tbeil sieb
seitlich zerlegen lässt und durch Klammem zosammengebalten wird. Als
Beispiel hierfär kann der in Fig. 119 gezeichnete Formkasten zum Eio-
formen von Eisenbahn bnfferholsen dienen. Ein nnd derselbe Farmkasten
kann natQrlicb zar Anfertigung der verschiedenartigsten Gegenstände
Tis. 118. "'■ '"■
gebraucht werden. Werden jedoch nach einem Modelle sehr viele Ab-
güsse gefertigt, so pflegt man sich einen genau passenden Formkasten
eigens dazu herzustellen, um an Formmaterial zu sparen and die Arbeit
abzukürzen. So z. B. wird man, wenn viele cjlindrische Säulen nach
einem Modelle zu gieseen sind, dem Formkasten nicht einen vierseitigen,
sondern einen sechsseitigen Querschnitt geben, wie in Fig.- 120; Form-
kasten zu Grabkreazen wird man im Grandrisse gleichfalls kreozförmig
herstellen u. s. f. In der richtigen Constntction der Formkwten liegt
ein wichtiges Mittel, bei massenhafter Production die Selbstkosten eines
Fabrikats zu erniedrigen.
Fonukaaten. 13d
Das Haterial zu. den Formkaatea ist fast Bt«tH Gnaseiaen. Holz ist
dem Terbrenaen zu sehr aasgesetzt, rerzieht sich nnd besitzt za wenig
Steifigkeit. Nor in Aosnahmei^llen , wenn zu einem einzelnen AbgusBe
kein eiaemer Formkasten vorhanden ist, kann man der grÖBaem Billig-
keit halber Holz verwenden. Die Anwendung von Schmiedeeisen ist
mehrfach versnobt worden, um bei den Formkasten an Gewicht za spa-
ren. Uan nietete die Kasten anz Flacheisen oder Winkeleiaen znsam-
men. Zwei Eigenschaften des Schmiedeeisens machen es jedoch als Ma-
terial für Formkasten weniger als Guaseisen geeignet, n&mlich die gerin-
gere Steifigkeit, in Folge deren die Fonnkastenwände beim Drucke von innen
oder aussen nachgeben nnd die Gnssform Gefahr Iftnft, beeoh&digt zu
werden, und die geringere WideretandsfUiigkeit gegen Rostbildung. Beim
Giessen werden eine Menge Dämpfe entwickelt, welche sich auf den kal-
ten Formkastenwänden niederschlagen und Rost erzeugen ; wenn die
Formkasten aber ausser Gebranch sind, werden sie meistens im Freien,
den Witterungseinfittssen ausgesetzt, aufbewahrt Theils in Folge der
schon früher erw&hnten starkem Neigung des Schmiedeeisens, Rost an-
zusetzen, theib in Folge der geringeren Wandstärken, welche eben den
Hanptvorzug der schmiedeeisernen Kasten ausmachen sollen, tritt also
eine Zerstörung erheblich Bchneller ein, als bei den gusseisemen.
Die FormkaBtendabel, die Handhaben, Haken und Klammem werden
stets aus Schmiedeeisen hergestellt und heiasen zusammen der Beschlag
des Formkastens.
Wenn der Formkasten eine grosse Fläche bietet, so wOrde das Form-
material nicht genug Festigkeit besitzen, am nicht beim Abheben des
Oberkastena durch sein eigenes Gewicht heraasznfatlen oder beim Ab-
giessen durch den Druck des flOssigen Metalls gehoben za werden. Zur
Vermeidung dieser Uebebtände bringt man in dem Oberkasten durch-
laufende Scheidewände in Abständen von 100 bis 200 Hm. an, welche
den ganzen Kasten gitterfSrmig eiutheilen. Diese Zwischenwände sind
fast immer ans Guaseisen nnd bei Kasten mittlerer GrOsse gewöhnlich
. mit eingegossen, bei gräaseren entweder durch angegossene Flantsohen
angeschraubt, wie in Fig. 121, oder in verticale Nuten eingesetit, welche
an der Innenseite des Kastens angegossen sind, wie in Fig. 122 (a. f. S.).
Kg. lao. PiR. 121.
I 140 Formkasten.
Diese Zwiaohea wände dtkrfen nicht bis anmittelbar auf dos Modell her-
onterreiuben , sondern es mosa cwisohen ihnen nnd dem Modell ein
Pig. 122.
Zwischenranm von 20 bis 30 Mm. zur Ansfüllnng mit Formmuse blei-
ben. Wenn nun also ein Theil des Modells in den OberkaBt«n hinauf-
. ragt, BO müssen die ZwischenwAnde dementsprechend ansgeschnitten sein.
Uierdurch kann für gewisse Formen der Abgüsse die Notb wendigkeit
entstehen , jeder Zwischenwand ein anderes Profil geben xa müssen und
man wendet in solchen Fällen wohl hölzerne Zwischenwände an, die jedoch
selten mehr als einen bis swei Güsse aushalten.
Besitzt der Formkasten eine bedeutende Breite, so müssen die Zwi-
schen- oder Scheidewände auch unter sich noch eine Versteifung erhalten.
Man schiebt zn diesem Zwecke zwischen je awei Scheidewände QuerstQcke
ein , welche senkrecht auf der Richtung der Scheidewände stehen und
gewöhnlich nur durch Holskeile nnd den Druck, den sie, in gerader Linie ■
fortlaufend, eins auf das andere ausüben, festgehalten werden (Fig. 122).
Diese Querstücke werden gewöhnlich aus Holz, seltener aus Gusseisen
hergestellt , da sie nur aus kurzen Stücken bestehen, die eich aus Holz
ohne grosse Kosten beschaffen lassen.
Kleinere Formkastenhälften gieest man in einem Stücke, bei grösse-
ren vierseitigen Formkasten giesst man die Giebelstücke und die Seiten-
wände getrennt und schraubt sie zosammen wie in dem Formkasten Fig. 122.
Der Guss der Kasten nnd etwaige Reparaturen werden durch diese
Einrichtung erheblich erleichtert; fertigt man aber mehrere Kasten in
dieser Weise von gleichen Höhenabmessungen , so erhält man daneben
noch den Vortbeil, mit wenigen Formenkastentheilen durch Combination
derselben eine grössere Anzahl Kosten verschiedener Dimensionen her-
stellen SU können. Hat man z. B.
Formkasten. Unterlagen. 141
1 Paar Längstheile 3 M. lang, 1 Paar Giebelstücke 1 M. breit,
1 n ff 4 n « 1 n « IVjM. breit,
80 kann man ans diesen zwei Paar completten Formkasten theüea vier
verscbiedene Formkasten herstellen ; n&mlicb
1 Formkasten 3 M. X 1 M.,
1 „ 3 M. X IV« M.,
1 „ 4 M. X 1 M.,
1 „ 4 M. X IV« M.
Allgemein ans den completten Theilen zn a Formkasten, also a Paar
Giebeltheilen und a Paar Seitentheilen lassen sich a' verschiedene Form-
kastengrössen herstellen.
Endlich giebt man langen Formkasten, um ihre Seitenwände vor
dem Auseinanderbiegen zn bewahren, noch qnerhindnrchgehende Ver-
ankerungen ans Rnndeisen a, Fig. 122. Bei Formkasten, welche ein-
geschraubte oder eingegossene Zwischenwände besitzen, dienen diese,
wenn sie stark genug sind, meistens schon zur grossem Steifigkeit der
Seitenwände und machen die Anwendung besonderer Verankerungen ent-
behrlich.
Ein letztes Mittel, das Formmaterial vor dem Herausfallen aus dem
Oberkasten zu bewahren, sind die sogenannten Gehänge. Dieselben
bestehen aus gusseisernen oder schmiedeeisernen S-f5rmig gebogenen
Stäben, welche mit einem Ende auf den Zwischenwänden ruhen, mit dem
andern Ende bis kurz über das Modell herunterhängen. Sie werden
vorzugsweise dann angewendet, wenn ein Theil des Formmaterials, wel*
ches mit dem Oberkasten emporgehoben wird, weit unter der Kante des-
selben hervorragt, wenn also das Gussstück eine im Unterkasten befind-
liche Vertiefung erhält. Diese Gehänge erschweren allerdings das Her-
ausfallen des Formmaterials, machen dagegen ein Umwenden des Form-
kastens unmöglich , weil sie nur lose auf den Zwischenwänden aufliegen
und beim Wenden also herausfallen würden. Bei gutem Formmateriale
und zweckmässig construirten Zwischenwänden sind sie gewöhnlich ent-
behrlich und werden nur ausnahmsweise verwendet.
Ergänzungsstücke zu den Formkasten bilden die Formbretter,
Lehrbretter oder Unterlagen, einfache mit Querleisten an der untern
Seite versehene Bretter oder Tafeln aus trocknem Holze, welche sowohl
als Unterlage bei Herstellung der Gussform als beim Abgiessen derselben
Fig. 128.
142 Rüstongen der Lehmgussformen.
zu dienen pflegen. Dieselben eind besonders dann erforderlich, wenn
der untere Formkasten gewendet werden muss; man spannt denselben
in diesem Falle beim Wenden zwischen zwei Formkastenbretter a und b,
Fig. 123 (a. T. S.)* am das Herausfallen des Formmaterials zu verhüten,
und nennt das Brett &, auf welchem das Modell beim Einformen liegt,
Modellbrett, das andere a, auf welchem gegossen wird, Unterlage. Letz-
teres muss bei grösseren Formkasten mit zahlreichen kleinen Löchern
versehen sein, um das Entweichen der beim Giessen sich entwickelnden
Gase und Dämpfe zu ermöglichen. Beim Wenden des Oberkastens macht
die Anbringung der erwähnten Zwischenwände an und ftlr sich das Her-
ausfallen des Sandes unmöglich*
BüBtungen der Iiehmgussformen. Nur in seltenen Fällen be-
dient man sich fOr Herstellung der Lehmgussformen eines Formkastens.
Da, wie später eingeBender besprochen werden soll, die Lehmgussformen
ohne Formkasten vor dem Gusse in den Erdboden eingegraben werden,
um ein Auseinandertreiben durch den Druck des flüssigen Metalls zu
verhüten , so bedarf es nur solcher Rüstungen , welche ein Auseinander-
nehmen, Transportiren u. s. w. der Gussform, nachdem sie getrocknet
worden ist und dadurch Steifigkeit erlangt hat, ermöglichen. Vielfach
dienen hierzu eingelegte, entsprechend gebogene Flacheisenstäbe , welche
mit darüber gelegten Querstäben durch Draht zusammengebunden und
in dieser Weise zu einer Art Gerippe der ganzen Gussform vereinigt
werden. Um die dem Profile der Gnssform genau entsprechende Biegung
der Stäbe ohne grossen Zeitverlust bewirken zu können, benutzt man
Bleistäbe als Modell, welche sich mit Leichtigkeit zuvor biegen und an-
passen lassen.
In anderen Fällen mauert man die Umfassungen der Lehmgussfor-
men aus Lehmsteinen, Ziegelsteinen oder Ghamottesteinen in kunstgerech-
tem Verband auf, so dass diese gemauerte Umfassung als Rüstung dient,
und bekleidet sie nur an den Innenwänden mit Lehm. Wenn es aber
erforderlich wird, die Gussform in sehr viele einzelne Theile zu zerlegen,
z. B. beim Statueng^ss, so umkleidet man sie mit einem Gypsmantel von
200 bis 500 Mm. Stärke, der in eben so viele Theile als die Gussform
zerlegt ist und dessen einzelne Stücke sorgsam in einander gefugt und
mit je einem zugehörigen Theile der eigentlichen Gussform fest verbun-
den sind. Das Ganze wird schliesslich nach dem Zusammensetzen der
Gussform durch umgelegte schmiedeeiserne Anker fest verbunden.
Büstungen der Kerne. Bei allen Kernen, welche durch Drehen
mit der Schablone ihre Form erhalten, bildet die Eernspindel die starre
Achse, den innersten Theil des Kernes. Sie ragt an beiden Enden über
den eigentlichen Kern hinaus und endigt in Zapfen, mit denen sie beim Dre-
hen in Lagern ruht. Gewöhnlich endigt der eine Zapfen in einem Vierkant,
über welches eine Kurbel zum Drehen des Kerns geschoben werden kann.
Eerndpindeln.
143
Die Kemspindel hat Tomehmlich zwei Bedingungen zu erfüllen:
sie muBs dem Kerne Steifigkeit genug geben, um ihn vor beträcht-
licher Durchbiegung zu bewahren;
sie muss derartig con^truirt sein, dass sie das Entweichen der
beim GKessen aus dem Kerne entwickelten Gase und Dämpfe gestattet,
ohne dass dieselben in die Gussform treten.
Die erste Bedingung wird auch bei sorgfältigster Construction und
zweckmässigstem Materiale nicht immer in ausreichender Weise erfüllt,
und man ist dann genöthigt, bei der Verwendung des Kerns denselben
durch äussere Mittel zu stützen; die Erfüllung der zweiten Bedingung
ist aber unerlässlich, wenn nicht das Gelingen des Gusses gefährdet wer-
den soll.
Als Material zu den Kemspindeln dient Schmiedeeisen oder Guss-
eisen, Holz nur ausnahmsweise für ungewöhnliche Formen der Kerne.
Die Construction des Spindelsquerschnitts ist verschieden nach dem
Durchmesser desselben. Dünnere Kemspindeln bis zu 25 Mm. Durch-
messer stellt man häufig aus Rundeisen mit eingehobelten Längsnuten her,
welche als Abzugscanäle für die Gase dienen, Fig. 124; oder man benutzt
Fig. 124.
schmiedeeiserne gezogene Röhren, welche mit zahlreichen durchbohrten
Lochern versehen werden, um den Gasen den Zutritt in das Innere zu
gestatten, von wo sie ungehindert entweichen können, Fig. 125.
Fig. 125.
Bei etwas grösserem Durchmesser pflegt man Gusseisen als Material
zu benutzen und den Spindeln einen sternförmigen Querschnitt zu geben,
Fig. 126, wobei der Zwischenraum zwischen den Strahlen denselben -
Zweck erfüllt» wie die eingehobelten Nuten der schwächeren Kerne.
Fig. 126.
Noch stärkere Kemspindeln giesst man hohl aus Gusseisen und ver-
sieht sie wie die schwachen Schmiedeeisenröhren mit zahlreichen Oeff-
nungen zum Entweichen der Luft, Fig. 127.
Fig. 127.
141 Kenispindeln.
Für einzelne GnssBtQcke, wenn eine passende Spindel nicht vorräthig
ist, hilft man sich dnrch ein etarkei Qa^drateiseo, auf dessen vier Seiten
schwächere aufgelegt nnd durch Draht verbiinden werden, Fig. 128. Die
Enden des QnadrateiseiiB sind mnd geschmiedet, nni als Zapfen zn dienen.
Fig. I2S. Fig. 130.
Orosae Spindeln (über 500 Mm. im Dnrch messer) fertigt man wohl
des geringern Gewichts halber ane Eisenblech oder Flachstäben, welche
anf gnsseisenie Scheiben aafgescbrsnbt oder aufgenietet sind, Fig. 139.
Endlich wendet man bisweilen fSr sehr grosse Cylinder (über 1 H-
im Durchmesser) sogenannte Differenzialspindeln mit Teretellbarem
Kernspindeln. 145
Darcbmesser an, um der Schwindung nach dem Erstarren Rechnung zu
tragen. Eine solche Differenz] alspindel ist in den Figuren 130 und 131
abgebildet. Die eigentliche Spindel besteht aus vier gusseisernen Seg-
mentstücken aa^ deren Berührungsflächen auf einander gleiten, sobald
die Segmente in radialer Kichtung verschoben werden, so dass in solcher
Weise eine Vergrösserung und Verkleinerung des Durchmessers bewirkt
werden kann. Die Segmentstücke sind durch Schraubenbolzen 2)2) mit
zwei gusseisemen Ringen cc derartig verbunden und vor dem Ausein-
anderfallen gesichert, dass eine radiale Bewegung der Segmente in sol-
cbem Maasse erfolgen kann, als es einerseits der äussere Durchmesser
der Ringe cc, andererseits die Länge der Schraubenbolzen b gestattet.
Die durch die ganze Länge der Kernspindel hindurchgehende schmiede-
eiserne Achse d trägt die beiden Gusseisenkegel ee, welche mit Nuten
längs der an den Segmentstücken angegossenen Längsrippen // geführt
und dabei gegen die keilförmigen Nasen gg., der Segmentstücke gedrückt
werden. Es ist klar, dass bei Fortschiebung der Kegel e nach rechts
die Segmentstücke auseinander geschoben, der Durchmesser der Kern-
spindel also vergrossert wird, dass aber bei Fortschiebung nach links
eine Verkleinerung des Spindeldurchmessers eintreten muss, sobald ein
Druck auf die Segmentstücke von aussen stattfindet. Um diese Ver-
schiebung zu ermögliohem , sind die Kegel e auf der Achse d durch die
Splinte h und Bunde i festgehalten, während sich d frei drehen kann;
d aber ist mit Schraubengewinde h versehen und in der Schraubenmutter
l drehbar^ welche ihrerseits in der aus der Zeichnung ersichtlichen Art
und Weise mit den Segmentstücken verbunden ist. Durch Drehung der
Achse nach rechts oder links wird demnach diese selbst und mit ihr
die Stücke ee nach vorwärts bewegt, dadurch eine Vergrösserung oder
Verkleinerung des Spindeldurchmessers bewirkt.
Neben den Kemspindeln mögen sogleich als einfache aber unent-
behrliche Hülfsapparate bei Anfertigung gedrehter Kerne die Kerndreh-
bänke Erwähnung finden, welche den Zweck haben, eine Auflage für die
Kernspindel wie für die formgebende Schablone beim Drehen des Kerns
zu bilden. Meistens stellt man sie aus zwei hölzernen Böcken her, auf
welchen je zwei im Winkel eingeschlagene eiserne Stifte die Kernspindel
vor dem Verschieben sichern, während die übrige Fläche als Auflage für
die Schablone dient, Fig. 132 (a. f. S.). Seltener ist die Anwendung guss-
eisemer Kerndrehbänke, und nur in sehr vereinzelten Fällen hat man
die Kemdrehbänke ähnlich den Drehbänken zum Metalldrehen mit Spin-
delstock und Riemenscheiben versehen, um den Antrieb von einer Trans-
mission aus zu bewirken und die Arbeit des Kurbeins zu sparen.
Für alle nicht durch Rotation entstandenen Kerne dienen die Kern-
eisen als Ersatz der Kerpspindel. Diese Kerneisen sind Stäbe aus Guss-
oder Schmiedeeisen, in der ganzen Länge des Kerns eingelegt, jeder
Krümmung desselben folgend , häufig in grösserer Anisahl parallel neben
einander liegend und durch Querstäbe zu einem Systeme verbunden,
XAtdebiir, »«chanlMh-metaUorgisctae Technologie. JQ
146
Werkzeuge der Formerei.
Fig. 133, also den Eisen der Lehmgussformen entsprechend nnd ebenso
wie diese gemeinschaftlich ein Gerippe des Kerns bildend, welches dem-
Fig. 132.
■.\x Nv^ -^S5^v;.\>\VV^\^ \ \N^ nvXnsV^
Fig. 133.
selben Festigkeit giebt. Für die S-formigen Kerne zu den Dampfcanälen
der Dampfcylinder z. B. wird man eine Anzahl ebenfalls S-förmig ge-
bogener Kern eisen einlegen und dieselben durch einzelne Querstäbe ver-
binden, welche mit Draht an den ersteren befestigt werden.
D. Die Werkzeuge der FormereL
Hierher gehören:
Siebe zum Durchsieben der Formmaterialien, feinere mit Messing-
drahtböden, gröbere mit Eisendrahtböden, Maschen weite Vj bis 5 Mm.
Stampfer zum Feststampfen von Sand ui^d Masse. Die kleineren
sind aus Gusseisen mörserkeulenartig gefertigt, Fig. 134, die zugeschärfte
Kante am obem Ende dazu dienend, auch in schmalen Fugen das Form-
material feststampfen zu können. Die grösseren Stampfer haben einen
gusseisernen Fuss und hölzernen Stiel, dessen Länge der Tiefe der Guss-
form entspricht, Fig. 135.
Schaufeln zum Einschaufeln des Formmaterials.
Besen zum Zusammenkehren desselben.
Richtscheite von Holz und Eisen.
Schrauben verschiedener Grösse zum Herausheben der Modelle
(welche mit entsprechendem Muttergewinde versehen sein müssen); für
Holzmodelle Holzschrauben; zu einem Auge an dem einen Ende umge-
bogen, um einen Querstab hindurch stecken und dadurch das Heraus-
heben leichter bewirken zu können, Fig. 136.
Werkzeuge zum Glätten und Ausbessern der Gussform, ge-
wöhnlich bestehend in Streichblechen, Fig. 137, mit glatt polirter
Fläche, Putzhäkchen oder Spatel, winkelförmige, Fig. 138, und ge-
bogene, Fig. 139.
Ein Blechlöffel.
Pinsel verschiedener Grösse.
Arbeitsverfahren der Formerei.
147
Ein Blasebalg zum Entfernen kleiner hineingefallener Körper aus
der GuBsform.
Ein Wassergefäss.
Hammer ans Holz und Eisen.
Staubben tel in Sackform aas Leinwand oder Shirting zum Auf-
stäuben von Kohlenstaub, ca. 400 Mm. lang, 200 Mm. breit.
Flg. 134. Fig. 137.
Fig. 135.
Fig. 136.
L
Fig. 138.
Fig. 139,
Lange Nadeln (Luftspiesse) zum Luftstechen, d.h. zur Anbringung
von Canälen für die entweichenden Gase und Dämpfe innerhalb der Formmasse.
Gabeln, zweizinkig, von starkem Bleche zum Aufspiessen und Be-
wegen kleiner Kernstücke.
Schraubzwingen aus Holz und Eisen bis zu 600 Mm. Spannweite
für verschiedene Zwecke.
Zirkel.
•
E. Das Arbeitsverfahren der Formerei.
Die Herdformerei.
Herd nennt man, in der Giesserei eine natürliche oder künstlich
hergestellte Lage porösen Formsandes, deren Oberfläche im Niveau der
Hüttensohle zu liegen pflegt, und welche eine solche Stärke besitzt, dass
man im Stande ist, einfache, oben ganz oder theilweise offene Gussformen
durch Eindrücken eines Modells in derselben herzustellen. Das Metall
erstarrt in der oben offenen Gussform mit horizontaler Oberfläche, und
diese, nur in Folge der bei der Erstarrung eintretenden physikalischen
und chemischen Vorgänge etwas von einer genauen Ebene abweichende
Oberfläche kennzeichnet den offenen Herdguss.
Da beim Giessen im Herde die entwickelten Gase und Dämpfe in
senkrechter Richtung keinen Ausweg finden, so ist ein sehr durchlässiges
10*
148 Herdformerei
Material erforderlich, um dieses Entweichen der unterhalb des Metalls
entwickelten Dämpfe nacli allen Seiten hin zn gestatten. Bei dichtem,
thonigem Boden gräbt man denselben 1 bis IVi Meter tief ans, bringt
zu uaterst eine Lage Rohlenlösche, daranf einen sehr durchlässigen Sand.
Bei weniger dichtem Boden nnd gntem porSsem Sande Iftsst man
die RohlenlöBche weg nnd lässt den Herd nur aus Sand bestehen.
Besteht das Knlreich schon an nnd fär sich aus einem grobkörnigen,
scharfen Sande, so hat man nur nöthig, da wo die Gnssform hergestellt
werden soll, den eigentlichen Formaand darauf zu bringen.
Um eine Gnssform herzustellen, gräbt man den vorher benntzten
Herd anf, siebt den Sand durch nnd ebnet die Oberfläche genau nach
der Horizontalen, indem man zwei lange Holzleisten wagerecht und pa-
rallel einklopft, so dsss ihre Oberkante etwas tiefer als die Oberkante
des Herdes liegt, sie mit der Setzwage genau richtet nnd nun ein hoch-
kantig gehaltenes Richtscheit Dber beide hinwegfflhrt, allen über die Lei-
sten emporstehenden Sand abstreichend.
In dieses So geebnete Sandbett wird das Modell nnter steter Be-
nntznng der Setzwage mit einem Holzhammer eingeklopft, dann die Rän-
der desselben mit gntem Formsande nmstampft nnd abgestrichen nnd
endlich das Modell herausgezogen.
Zur Ableitung der Gase sticht man mit dem Lnftspiesse rings am
das Moilell nnd in schräger Richtnng möglichst weit anter dasselbe Lnfl-
canSle. Bei sehr grossen Gegenttänden legt man zur Bildung dieser
LuflcanSle dttnne Seile in den Herd ein, welche von den Seiten her bis
unter die Mitte des Modells reichen, mit dem andern Ende znTage mQn-
den, und zieht sie, nachdem das Modell eingeklopft ist, vorsichtig her-
aus; oder man benutzt locker geflochtene Strohseile zu demselben Zwecke,
welche poräs genug sind, am den Gasen in ihrem Innern Abzug zu ge-
währen, nnd deshalb liegen bleiben können.
Das Modell wird entweder nur so tief eingeklopft, als die Stärke
des Abgusses werden soll, oder man macht die Gnssform etwas tiefer, als
es die Stärke des Abgasses erfordert, nnd schneidet an den Rändern so-
Fig. 140.
genannte Niveaus aa, Fig. 140, ein, dnrch welche das überflOssig zuge-
gossene Mrtatl ablaufen kann.
Herdfonnerei. 149
Um einfache Sachen ein^oformeu bedarf es iiivht inmer eines voll-
stAndigeu Modells, soadera man hilft sich in billigerer Weise.
Um z. B. eine vierseitige Platte in giessen, bezeichnet man auf einem
glatt geh(ibell«n Brette die Grösse dieser Platte dorch aufgeheftete
Hchoiale Leistchen, legt nnn das Brett aof den vorher geeboeten Herd
mit den Leisten nach nnten, so dass sie sich im Sande abdrücken, und
stampft, nachdem das Brett entfernt Ist, rings um die in ihrer Grösse
auf solche Weise beieiohnete Fläube einen Rand auf, indem man dorch
Gegenhalten einer einfachen Leiste dem Rande beim Aufstampfen Gegeu-
drndt hält.
Oeffnnngen in einer Platte stellt man her, indem man da, wo die
Oefihung angebracht werden soll, einen kleinen Rahmen in die vurher
hergerichtet« Guseform einlegt und den Raum innerhalb des Rahmens
mit Sand volletampft, so dass nach dem Wegnehmen des Rahmens
dieser SondlcÖrper eine Erhöhung bildet, welche das Zutreten des
Metalls verhindert. Ist die OefTnung vierseitig, so kann man die Lage
derselben in gkicher Weise bezeichnen, wie die äussere Umgrenznug der
Platte nnd dann mit einer einzigen Leiste die vier Seiten nach einander
abgrensen.
Um einen grnssen Ring herzustellen, bedient man sich eines Seg-
meats, welches sich an einem hölzernen Arme um einen im Mittelpunkte
des Kingea auf einem Brett« eingeschlagenen Nagel dreht, Fig. 141.
P)g j^j. Nachdem beide Ränder des Segments
nmstampft sind, wird dasselbe wei-
ter bewegt, bis der Ring fertig ist.
Gitter* and Fenstermodelle rich-
tet man vollstftndig her, macht sie
aber der bessern Haltbarkeit wogen
gewöhnlich stärker, als der Abguss
werden soll, and klopft sie nur bis
zu der vorgeschriebenen Stärke in
den Sand ein, oder bezeichnet die
Stärke des Abgusses durch Nivunns.
Kleine Oeffnungen in den Ab-
gössen werden durch Masse- oder
Lehmkerne hergestellt, %ielche in
die Gnssform eingesetzt and durch darüber gelegte Leisten vor dem
Auftriebe dnreh das flüssige Metall geschützt werden, Fig. 142 (a. f. S.).
Die Stellung dieser Kerne wird durch auf dem Modelle befindliche Kem-
marken bezeichnet.
Sehr stark einspringende Kauten der Gnssform werden durch ein-
gedrückte Drahtstifte vor dem Foi-treiesen durch das Metall gesichert.
Durah gewisse Kunstgrifie ist mau im Stande, auch der Oberfläche
geringe Abweicbungen von einer horizontalen Fläche zu geben. Um
z. B. Platten mit Falz, Fig. 143 (a.f.S.), zu giessen, legt man an der Stelle,
150 Herdformerei.
wo die Tertiefuug angebracht werden hoU, eine eiserne mit Lehm be-
strichene Leiste a in die Gossforni, unter welcher dann das Metall -hiD-
laufen musa.
Das Einlaufen des flüssigen Metalls in die Gassform geschieht durch
den „EiDguss", eine schmale mnldenformige Rinne, welche an einer Seite
Pi n2 in die Gussform, an d«r
andern in eine etwas
höher gelegene Bnmpf-
artige Unlde mündet,
in welche das flOssige
Metall zuu&chet ausge-
gossen wird. Der Einguss
mass erheblich schwä-
cher in der Stärke als
der Abgase sein, um
nach dem Erkalten mit
* Leichtigkeit abgeschla-
gen werden zu können,
ohne eine Beschädigung
des GuBsatäckB fürchten
zu müssen.
Je grösser die Oberfläche des Abgusses im Verhältnisse zu seiner
Stärke ist, desto mehr EingUsse bringt man an, um ein rasches Anfüllen
pj^ J43 der Gnssform mit flüssigem Metalle
zu erreichen, bevor dasselbe erstarrt.
Als Beispiel hierfür möge Fig. 144
dienen.
Bei flachen Gegenständen lässt
man den Eingnsa stets an dem obem
Rande der Gussform münden und
das Metall von oben bineinfliessen,
wie in Fig. 144; bei hohen Körpern
lässt man das Metall bisweilen von
unten aufsteigen, indem man das-
selbe durch eine in dem Herdsande
angebrachte Rinne nach unten führt, Fig. 145. Man bezweckt dadurch
dieErzielung eines dichtem, von den Ansscheidungen des Metalls freiern
Gusses. Denn da der EinguHS stets voll flüssigen Metalls erhalten wird,
bleiben die spocifisch leichteren ausgeschiedenen Körper (Oxyde, Graphit)
an der Oberfläche desselben zurück, ohne in die Gussform zu gelangen.
Die Ilerdformerei ist für einfach gestaltete Gegenstände die ein-
fachste und deshalb billigste Herstellnngsmethode. Sie erfordert die ge-
ringsten Modellkosten, das geringste Inventar an Geräthen nnd, so lange
die Form des Abgusses der Eigenthümlicbkeit des Verfahrens entspricht,
die geringsten Löhne. Die Löhne wachsen aber, je mehr die Form des
Modells von j«aen Regeln t&r gewöbnlicben Herdgass sich eutfeint , Dnd
können bei schwierigen Aufgaben eine Grenze erreioben, wo es nicht
Fig. U4.
mehr räthlicb erscbemt, Ilerdgnss anzuwenden Oft giebt der Mangel
eines pasEenden Formkastens den Ausschlag für die V^ahl des Hei-dgusses
Y ^^^ EmNachtbeil desselben hegt in der
stets undichten Besi.baffenbeit des
Abgasses in den der Oberfläche
zonacbst liegenden Theilen, ein Um-
stand, hervorgerofen theile durch
das ohne jeden äussern Druck statt-
findende Erstarren, in Folge dessen
Oasblasen unterhalb der raaoh starr
werdenden oheisten Schicht zurQck-
gehalten werden , tbeils auch durch
die an jeder freien Oberfläche flusstgoQ Metalls entstehenden Aiuscbei-
duDgen und Ozydationsproducte Soll daher em Herdgussstück auch
an der Oberflache dicht werden, ao moss man bei Gnsseisen mindestens
5 Mm. der St&rke des Abgasses zugeben und dieses liebermaass, welches
den grössten Theil jener Gasblasen und Ausecheidnogen enthält, durch
spätere mechanische Dearbeitung entfei-nen.
Die Eastenformerei.
Kastenformerei nennt mau diejenige Art und Weise der Herstellung
voD Gussformen, bei welcher man sich der Formkasten bedient, um die
Guesformen heben , wenden nnd fortschaflen zu können. Das üblichste
Material für die Kastcnformerei bildet, wie schon früher erwähnt, der
Sand und die Masse, weit seiteuer Lehm.
152 KastenformereL
Der einfachste Fall bei der Kastenfonnerei ist der, wenn ein einfach
gegliedertes Modell ohne Kernstücke in einem zweitheiligen Kasten ein-
geformt wird. Das ModeU, oder, wenn es getheilt ist, die in den Unterkasten
kommende Hälfte des Modells, wird in umgekehrter Lage auf ein Lehr-
brett gelegt, der Unterkasten, gleichfalls in umgekehrter Lage, darüber
gestülpt, Sand aofgesiebt, gestampft, bis der Sand über den Rand des
Kastens heraosragt, mit dem Richtscheite glatt abgestrichen; dann wird
ein zweites Lehrbrett (Unterlagsbrett) darauf gelegt, um das Herausfallen
des Sandes beim Wenden des Kastens zu verhüten, der Kasten mit bei-
den Brettern gewendet , so dass die vorher untere Seite jetzt oben liegt,
das oben liegende Lehrbrett entfernt und der Oberkasten aufgesetzt.
Vorher bestreut man die Oberfläche des Sandes dünn mit Ziegelmehl oder
scharfkantigem, grobem, trocknem Saude, um das Zusammenkleben der
Sandfiächen des Ober- und Unterkastens zu verhindern. Besteht das
Modell aus zwei Hälften, so setzt man nun die obere auf die untere.
Bevor man den Oberkasten voll Sand stampft, setzt man das Modell zum
„Eingüsse*', d. h. zu dem Giessloche, durch welches das Metall in die
Form strömt, an seine Stelle, ein schwach konisches, gewöhnlich im Quer-
schnitte kreisrundes Holzmodell, mit dem stärkern Ende aussen mün-
dend. Der Einguss wird entweder unmittelbar auf das Modell gesetzt,
so dass das Metall unmittelbar durch den Einguss in die Gussform ein-
strömt, oder in einiger Entfernung davon , und wird dann mit der Form
durch einen nach dem Einstampfen des Oberkastens mit dem Löffel an-
geschnittenen „Einlauf*' verbunden.
Bei grossen Gussformen, welche eine Menge atmosphärischer Luft
eingeschlossen enthalten, bringt man dem Eingüsse gegenüber zum Ent-
weichen dieser Luft „Windpfeifen** an, welche aus leicht erklärlichen Ur*
Sachen auf dem höchsten Punkte der Gussform münden müssen. Wird
die Gussform mit verlorenem Kopfe versehen, so dient dieser gleichzeitig
als Windpfeife.
Der Oberkasten wird nun in gleicher Weise wie der Unterkasten
eingeformt, abgehoben, gewendet und neben dem Unterkasten aufgestellt.
Es folgt nun das Herausheben des Modells und Ausbessem der
GuBsform au den Stellen, wo sie etwa beschädigt worden ist. Bis hierher
unterscheidet sich das Verfahren bei Herstellung von Sand- und Masse-
gussformen nur durch die Art des Einstampfens. Sandformen werden
weniger fest gestampft, damit sie für die entweichenden Dämpfe durch-
lässig bleiben ; Masseformen werden fester gestampft, weil diese Rücksicht
wegfallt und die Gussform durch festeres Stampfen widerstandsfähiger
wird. Das Einstampfen des Formsandes erfordert um so mehr Umsicht
und Uebung, je höher die Temperatur des eingegossenen Metalls ist
— ein zu festes Einstampfen würde die Durchlässigkeit der Gussform
beeinträchtigen und ein Kochen des Metalls zur Folge haben; ein zu
loses Einstampfen würde ein „Treiben" des Gusses, d. h. eine Vergrösse-
Kastenformerei.
153
ning der AbniessuDgeD der Gassform durch den hydroBtatischen Druck
des Metalls ermöglichen.
Die Form im grünen Sande wird nun, wenn nöthig, mit Kohle aas-
gestäubt und ist dann zur Zusammensetzung fertig. Die Form in Masse
wird mit der früher beschriebenen Schwärze geschwärzt und kommt nun
erst zum Trocknen.
Bei grossen Gussformen erleidet dieses soeben beschriebene Verfah-
ren häufig insofern eine Abweichung, dass man den Unterkasten nicht
über das Modell einformt und dann wendet, sondern das Modell von oben
her in den vorher mit Sand oberflächlich gefüllten Unterkasten wie bei
der Herdformerei einklopft. Dadurch spart man allerdings ein Um-
wenden des schweren Kastens, es wird aber auf diese Weise weit schwie-
riger, den Sand um das Modell herum überall gleichmäsdg fest zu stam-
pfen, und die Folge jeder Ungleichmässigkeit ist ein Treiben an dieser
Stelle.
Man lässt auch häufig bei Anwendung dieses letztem Verfahrens
den Unterkasten ganz fort, formt die untere Hälfte des Modells in den
Herd ein, setzt den Oberkasten darauf und nennt diese Art der Forme-
rei wohl verdeckten Herdguss. Dieselbe bietet durch Ersparung des
Unterkastons grosse Vortheile für den Guss grosser Gegenstände und ist
deshalb besonders in Maschinenfabriken, welche grosse Stücke giesseui
viel im Gebrauch.
Aus jenem einfachen Verfahren beim £infonaen eines 'zweitheiligen
Kastens lassen sich alle zusammengesetzteren Methoden bei mehrtheiligen
Kasten ableiten.
Um z. B. den vierseitigen ornamentirten Kasten eines gusseisernen
Fig. 146.
Etagenofens zu formen, verfahrt man in folgen-
der Weise.
Das Modell ist in vier Theile, den vier
Seiten des Kastens entsprechend, durch senk-
rechte Fugen getheilt und durch Dübel lose
zusammen gehalten. Der Formkasten besteht
aus dem Unterkasten, dem Mitteltheile, welches
die Höhe des zu formenden Ofenkastens besitzt
und gleichfalls in vier Theile zerlegt werden
kann, und einem flachen Oberkasten.
Das Modell wird aufrecht auf einen Lehr-
klotz gestellt, welcher die Höhe des Unterkastens
besitzt und diesen voll ausfüllt, Fig. 146, dann
Unter- und Mittelkasten aufgesteUt und zunächst
der Raum a zwischen Modell und Kasten wän-
den, dann der Raum h innerhalb des Modells
voll Sand gestampft. Von den Ecken des Ka-
stens nach den Ecken des Modell legt man vor
dem Einstampfen ganz schwache Bleche cc ein,
154 Eastenformerei.
am eine Trennung des Sandes nach den vier Theilen des Kastens herbei-
zuführen. Nun wird der Kasten sammt dem Untertheile umgedreht, der
Lehrklotz l herausgenommen, trockner Sand oder Ziegelmehl auf die
Flächen xx der Seitentheile gestreut, um diese später abnehmen zu kön-
nen, und das Untertheil voll Sand gestampft. Dann abermaliges Wenden
beider Kasten theile, Anbringen des Eingusses, Aufstampfen des Obei*theils.
Hierauf wird das Obertheil abgehoben, die Einlaufe angeschnitten, dann
die vier Seitentheile, aus denen der Mittelkasten besteht, mit je dem zu-
gehörigen Theile des Modells behutsam abgelöst, während das Untertheil
mit dem Kerne stehen bleibt. Nun folgt Abheben der Modelltheile, Stäu-
ben und Zusammensetzen der Gussform.
Werden bei irgend einer Gussform Kerne gebraucht, so legt man
dieselben ein, nachdem alle Arbeiten vor dem letzten Zusammensetzen
der Form beendet sind. Die Kernmarken geben die genaue Lage des
Kerns an. Dennoch erfordert das Einlegen grosse Aufmerksamkeit, und
die richtige Lage muss mit Zirkel oder Schablone geprüft werden. Lange
dünne Kerne biegen sich durch den Auftrieb des Metalls wie auch durch
ihr eigenes Gewicht und müssen deshalb eine unverrückbare Unterstützung
erhalten. Diese Unterstützung wird durch sogenannte «Kernsteifen^
oder „Kemstützen'' bewirkt; man fertigt dieselben aus Blech, und zwar
Fig. 147. n^^oppelte", Fig. 147, welche zwischen zwei Kerne oder auch
zwischen Kern und Formwand sich einlagern und deren
Höhe also gleich der Wandstärke des Gussstücks ist; oder
„einfache*' mit langem Stifte, Fig. 148, dessen Ende in das
Formkastenbrett eingeschlagen wird oder sich auf einen
Tis. 148. ^^d^^Q festen Gegenstand stützt und, da es aus dem Ab-
güsse hervorragt, später abgefeilt wird. Auch starke Nägel
dienen zur Unterstützung kleinerer Kerne. Bei Eisenguss,
wo diese Kernsteifen am häufigsten gebraucht werden, ver-
zinnt man sie, um eine Gasentwickelnng zu vermeiden,
welche die Folge der Berührung des kohlenstoffhaltigen
Gusseisens mit dem Oxydhäutchen des Blechs ist; aber auch dieses Mittel
schützt nicht immer vor Entstehung von Blasenräumen in der Nähe der
Kernsteife.
Von Wichtigkeit für das Gelingen des Gussstücks ist meistens die
Wahl der Stelle, welche man dem Eingüsse giebt. Einestheils muss der
Einguss nach dem Gusse entfernt werden und pflegt an der Stelle, wo
er gesessen hat, eine Narbe zu hinterlassen; folgenreicher für das Gelin-
gen des Gusses ist noch der Umstand, dass da, wo der Einguss befind-
lich ist, das letzte flüssige Metall in die Form strömte und also dort auch
die Erstarrung ihr Ende fand. Hierdurch wird die Schwindung des
Metalls beeinflusst. In der Nähe des Eingusses pflegen sich Hohlräume
zu bilden, welche den Guss undicht machen. Man bringt ihn daher an
solchen Stellen an, wo solche Undichtigkeiten am wenigsten schaden.
Auch die Richtung des Strahls des einfliessenden Metalls gegen die
EastenformereL
155
Wände der Form ist ins Auge zu fassen. Meistens lässt man das Metall
Yon oben in die Gnssform hineinfallen, in einzelnen Fällen von unten
aufsteigen, wie es schon bei der Herdformerei erwähnt wurde. Bei
Walzen, welche eine reine, dichte Oberfläche erhalten sollen und in
stehender Lage gegossen werden , führt man häufig das Metall unten in
tangentialer Richtung in die Form Fig. 149. Man bezweckt dabei, durch
Fig. 149.
die Centrifngalkrafb des in wirbelnder Bewe-
gung aufsteigenden Metalls das specifisch schwe-
rere, reine Metall yon seinen leichteren Verun-
reinigungen (wozu auch Gasblasen gehören) zu
sondern, ersteres nach dem Umfange, letzteres
nach der Achse der Gussform hinzudrängen.
Auch die Stärke des Eingusses ist von
Wichtigkeit. Dieselbe muss derartig bemessen
sein, dass der Einguss im Stande ist, der Guss-
form in genügender Geschwindigkeit das Metall
zuzuführen, während er anderntheils nicht rascher
das fliessende Metall durchlassen darf, als das
Nachgiessen erfolgt, weil es besonders bei schwer-
schmelzigen Metallen eine Bedingung für das
Gelingen des Gusses ist, dass der Einguss bis
nach beendetem Gusse stets gefüllt bleibe. Man
hat Eingüsse von 5 bis 200 Millimeter im
Durchmesser. Der Flüssigkeitsg^d des Metalls
spricht bei Bemessung des Eingussdurchmessers
erheblich mit. Niemals aber darf man den Um-
stand aus den Augen verlieren, dass der Ein-
guss nach dem Erkalten von dem Abgüsse ohne
Schwierigkeit getrennt werden muss, ohne dass
letzterer beschädigt wird, und dass er also
immer schwächer sein muss als die Metallstärke
des Abgusses an der Berührungsstelle. Die
Höhe des Eingusses richtet sich meistens nach
der Höhe des Oberkastens, ist aber ebenfalls
nicht ohne Einfiuss auf das Gelingen des Gusses« Denn der Druck, wel-
cher auf dem in der Gussform befindlichen flüssigen Metalle lastet, und
welcher von diesem wiederum an die Wände der Gussform übertragen
wird, rührt von der Höhe des Eingusses her und wächst mit dieser. Bei
einer geschlossenen Form wirkt der Einguss wie das Pressrohr eines hy-
draulischen Presscylindera und pflanzt den Druck, welchen die flüssige
Metallsäule oberhalb der Form ausübt, auf die Wände der letztem fort.
Je höher also der Einguss ist, mit desto grösserm Drucke wird das flüs-
sige Metall in alle Theile der Gussform getrieben, desto schärfer fallt im
Allgemeinen der Abguss aus, desto mehr ist aber auch die Form dem
Treiben ausgesetzt« Mau pflegt deshalb den Einguss um so höher zu
156 KasteuformereL
machen, je mehr Werth auf Erzielung eines scharfen und dichten Gusses
gelegt wird; und wenn die Höhe des Oberkastens nicht aasreicht oder
der Abgass hoch in dem Oberkasten hinaufreicht, so erhöht man den
Eingoss auch wohl durch einen aufgesetzten kleinen Kasten (wie in
Fig. 149).
Häufig muss man f&r einen Abguss mehrere Eingüsse an verschiede-
nen Stellen anbringen, wenn die Oberfläche des Gassstücks so bedeatend
ist, dass ein einziger Einguss nicht ausreichend ist, die Gussform rasch
genug zu füllen.
Giesst man cylindrische oder prismatische Körper in horizontaler
Lage, so sammeln sich aUe beim Gusse entstehenden festen oder gafiför-
migen Ausscheidungen in der Nähe der Soheitellinie auf der ganzen
Länge des Abgusses und machen denselben dadurch völlig ungleichartig
in seiner Dichtigkeit. Hierher gehören Säulen, Walzen, Röhren. Soll
dieser Uebelstand vermieden werden, so muss der Körper, wie die Walze
in Fig. 149, mit stehender Achse gegossen werden, wodurch die An-
sammlung der fremden Körper auf einen kleinen Querschnitt concentrirt
wird und sich nöthigenfalls in den verlorenen Kopf verlegen lässt; oder
wenn dieser stehende Guss, wozu getrocknete Gussformen wegen des
hohen Drucks in dem untern Theile unerlässlich sind, wegen grosser Lange
der Abgüsse nicht gut ausführbar ist, so bringt man gern die Gussfor-
men wenigstens in schräge Lage, um das Aufsteigen jener Körper nach
einem einzigen Punkte zu erleichtern, und nennt diese Art des Gusses
„halbstehenden Guss^.
Nur selten wendet man bei der Kastenformerei statt des Modells
eine Schablone zur Herstellung der Gussform an. Dieser Fall kommt
z. B. vor bei Rotationskörpern, insbesondere grossen Walzen für Walz-
werke, für welche man die Kosten des Modells ersparen will, bisweilen
auch bei Röhren von grossem Durchmesser. Als Formmaterial dient
alsdann gewöhnlich Lehm. Die Schablone ist an einer Spindel befestigt,
welche in einfachen, an den Stirnseiten des Formkastens befestigten
Lagern ruht, so dass die Achse der Spindel genau mit der Achse des
Formkastens zusammenfallt. Jede der beiden Hälften der Gussform wird
für sich dargestellt, indem man das horizontal gelegte Formkastentheil
zunächst mit Lehmziegeln ausfütterti bis die rohen Umiisse der Gussform
hergestellt sind, alsdann den Formlehm darauf bringt und nun mit der
Schablone die genauen Umrisse ausdreht. Dann wird getrocknet, ent-
standene Risse ausgebessert, geschwärzt und abermals gelinde getrocknet.
Wenn Alles fertig ist, werden beide Formkastenhälften zusammengesetzt
und nach Erforderniss in senkrechte Stellung gebracht. Die in Fig. 149
auf Seite 155 gezeichnete Gussform einer Walze kann mau sich in dieser
Weise entstanden denken.
Mit der Kastenformerei ist die Anfertigung solcher Kerne verwandt,
zu deren Herstellung ein Kernkasten benutzt wird. Das Arbeitsverfah-
ren hierbei beruht im Wesentlichen auf einem Einstampfen des Form-
Freie Formerei. 157
materials in den Kernkasten, welcher während desselben durch Schrauben -
swingen Busamm engehalten wird; Heransnebmen , Verputzen, Schwärzen
und Trocknen.
Bei den Kernen pflegt grösste Durchlässigkeit des Materials unum-
gänglich zu sein ; man bereitet sich daher häufig eigens hierzu besondere
Mischungen, die sich ebensowohl durch Bindekrafb als Durchlässigkeit aus-
zeichnen, setzt auch in einzelnen Fällen zur Erhöhung dieser Eigenschaften
Pferdedünger zu. Ausserdem sucht man durch fleissigen Gebrauch des Luft-
spiesses beim Einstampfen für eine ausreichende Ableitung der Gase und
Dämpfe nach aussen zu sorgen. Nicht immer ist jedoch die Aufgabe,
das Eintreten der Gase in die Gussform zu verhindern, eine ganz leichte
nnd kann öfter nur durch besondere Kunstgriflfe erreicht werden. Wenn
z. B. die gebogene Form eines Kerns die Anwendung des Luftspiesses
unmöglich macht, stellt man Luftcanäle her, indem man dilnne Wachs-
lichte beim Einformen einlegt, deren Enden aus den Enden des Kerns
herausragen; beim Trocknen schmelzen dieselben und hinterlassen die
durchgehenden Canäle (z. B. bei den S-Kemen für die Dampfcanäle der
Dampfcylinder). In anderen Fällen genügt ein Einlegen von Strohseilen u. s. f.
Freie Formerei.
Wir begreifen unter diesem Ausdrucke alle diejenigen Formmetho-
den, welche die Anfertigung von Gussformen ohne Formkasten, wohl
aber mit Rüstungen aus Eisenstäben, Mauerwerk oder Gyps bezwecken.
Sofern das üblichste Material hierfür der Lehm ist, pflegt man diese
Art der Formerei in der Praxis mit dem Ausdrucke Lehm formerei zu
bezeichnen, obgleich einestheils Lehm auch zur Kastenformerei bisweilen
verwendet wird, wie wir gesehen haben, andemtheils statt des eigent-
lichen Lehms filr diese freie Formerei mitunter auch Masse benutzt wird.
Man formt entweder nach einem Modelle oder in viel zahlreicheren
Fällen nach Schablonen ohne Modell. Bei der Schablonenformerei ist
liohm das ausschliesslich benutzte Material.
Zu dieser Gattung der Formerei lässt sich auch die Anfertigung
aller deijenigen Kerne zählen, welche durch Drehen oder Ziehen mit
Schablonen ohne Hülfe eines Kemkastens hergestellt werden müssen.
Auch für diese ist der Lehm das einzige benutzt« Formmaterial.
Meistentheils sind diese freien Gussformen zerlegbar und bestehen,
sofern die Anfertigung eines Hohlkörpers (Cylinder, Glocke, Statuen und
verschiedene andere) der Zweck ist, aus einem innem Stücke» welches
Kern genannt wird, and einem äussern Stücke, welches Mantel heisst.
Nur bei dem Gusse grosser voller Körper, z. B. massiver Hammerchabot-
ten, besteht die Gussform lediglich ans dem Mantel.
Die Anfertigung der Gussformen mit Kern kann im Wesentlichen
in dreierlei Weise bewirkt werden.
Bei der ersten dieser drei Methoden fertigt mi^n zuerst den Kern,
158 Freie Formerei.
überzieht ihn mit einer trennenden Schicht aas dünner Schwärze,
Asche oder dergleichen, am das Ankleben der folgenden Lehmschicht zn
verhindern, and trägt zunächst auf demselben in Lehm eine Schicht von
deijenigen Stärke anf, welche der Abguss bekommen soll. Dieser Ueber-
zag, welcher also genau die Form und Stärke des herzustellenden Guss-
stücks besitzt, heisst Hemde, Modell, oder Metalldicke. Das Hemde
wird gleichfalls getrocknet und geschwärzt, über demselben der Mantel
in Lehm gefertigt und wiederum getrocknet. Hierauf wird letzterer ab-
gehoben, das Hemde zerschlagen. Kern und Mantel verputzt, zusammen-
gesetzt und zum Giessen fertig gemacht.
In ähnlicher Weise wurde in früheren Zeiten der Statuenguss aus-
geführt. Der Bildhauer modellirte, nachdem der Kern fertig gestellt war,
das Hemde aus Wachs über den Kern, so dass letzterer mit dem Wachs-
überzuge das eigentliche und einzige Modell bildete, formte nun Über
diesem Modelle den Mantel und entfernte dann, ohne die Form aus ein-
ander zu nehmen, das Wachshemde durch Erhitzen der ganzen Form,
wobei es wegschmolz und den Hohlraum zur Aufnahme des Metalls
zurückliess. Diese Anfertigungsmethode macht es erklärlich, dass in da-
maliger Zeit Bildhauer und Erzgiesser in einer Person vereinigt zu sein
pflegten. Sie hatte jedoch den Uebelstand, dass es schwer war, dem Ab-
güsse gleichmässige Wandstärken zu geben, unmöglich, Ausbesserungen
der unzerlegbaren Gussform vorzunehmen und vor allen Dingen, dass bei
einem Misslingen des Gusses auch die Arbeit des Bildhauers verloren
war. Deshalb ist heut zu Tage dieses Verfahren, soweit es für Statuen-
formerei angewendet wurde» überall durch die unten beschriebene neuere
Methode der Statuenformerei verdrängt worden.
Nach der zweiten der drei Methoden für freie Formerei stellt man
Kern und Mantel einen jeden selbstständig für sich dar, indem man sich
zu beiden besonderer Schablonen bedient, und setzt sie nach beendigter
Herstellung zusammen. Die Arbeit, welche die Anfertigung des Hemdes
verursacht, fallt hierbei weg; und die Anfertigung geht rascher von
Statten, da die beiden Theile der Gussform — Kern und Mantel — gleich-
zeitig fertiggestellt werden können. Diese Methode ist sehr zweckmässig,
wenn eine einfache Form des Abgusses die von einander unabhängige
Anfertigung von Kern und Mantel gestattet; sie würde unzweckmässig
für figürliche und ähnliche Gegenstände sein, zu deren Anfertigung die
Schablone nicht ausreicht, sondern Modelle benutzt werden müssen.
Die dritte Methode der freien Formerei erfordert die Anwendung
eines Modells und ist in jetziger Zeit die üblichste für den Guss grosser
Statuen. Üeber das vom Bildhauer gelieferte, gewöhnlich in Gyps gefer-
tigrte Modell, fertigt man zunächst den Mantel der Gussform. Derselbe
wird getrocknet, in geeigneten Stücken aus einander genommen, und das
Modell entfernt. Nun kleidet man die Mantelstücke aus mit schmieg*
Samen Thon platten von der Stärke, welche das Metall im Abgösse erhal-
ten soll, setzt den Mantel sammt diesen Thonplatten aus seinen einzelnen
Freie Formerei. Beispiele. 159
Stücken zoniDmen uod gieaet diese Gnsarorm mit KeromasBe aus, so Arne
m&n «nf solche Weiae etnea Tollständig genauen Kern erhält. Der Man-
tel wird wieder aiueinander genoramen, die Thonplatten entfernt, das
Ganze verputzt, ziuamnien gesetzt and zum Gusse fertig gemacht.
Einige Beispiele werden dieEinzetbeiten der drei VerfahmngsweiBen
näher erlfiutem.
Flg, 150, Ein einfaches Beispiel der
ersten Methode bietet die For-
merei eines gassei seroen
ScbarnsteinBDfsatses, Fig. 1 60
and 161.
Aaf einem goMeieemen
Ringe, der zur Erleichterung
dea Transports der GuBsform
mit angegossenen Ansfitien
hh Terseben ist, wird mit
Hülfe der Schablone, deren
Gestalt ane Fig. 112, S. 135,
ersichtlich ist, der Kern a
aus Lehmziegeln aafgefflhrt,
mit Lehm ttmtleidet, ge-
schlichtet und getrocknet. Die
Schabtone ist hierbei am
obem Ende in der „Scheere"
s befestigt und wird am untern
Ende auf dem vorher glatt
gedrehten Sockel b des Kerns
geführt. Der Kern «rhält
.... oben nnd nnten einen Anaatz,
welcher den richtigen An-
schlnss des Mantels beim Zu*
^' ' Bammensetzen bewirken soll,
also gewisaermaftssen die
Kern marke vertritt und
„Schloss" genannt wird. Der
getrocknete Kern wird, nach-
dem entstandene Risse mit
Lehm verstrichen worden
sind, mit dünner Schw&rze,
Asche oder dergl. überzogen,
die Schablone soviel ansge-
schnitten, als die Wandstärke
des Gossstflcks beträgt, nnd
das Hemde in Lehm anfge-
_ tragen. Es folgt ein aber-
160 Freie Formerei
maliges Trocknen , Ueberziehen des getrockneten Hemdes mit Asche etc.,
dann Auftragen einer dünnen Schicht magern, feinen Lehms mit star-
kem Zusatz Yon Pferdedünger. Die Schablone wird vorher abgenommen
und das Auftragen erfolgt aus freier Hand. Auf diese untere Schicht
Lehm kommt, nachdem sie oberflächlich getrocknet ist, eine obere
Lage aus fetterm Lehm. Zwischen beide Lagen werden die Anker oder
Eisen cc eingelegt, aus Yerticalstäben bestehend, welche der Form des
Schornsteins entsprechend gebogen sind, 100 bis 150 Mm. von einander
entfernt und durch horizontal liegende Ringe verbunden. Jeder dieser
horizontalen Ringe besteht aus zwei Hälften, deren Enden nach aussen
umgebogen sind (wie im Grundrisse ersichtlich) zu dem Zwecke, den
Mantel in zwei Hälften aus einander nehmen und später wieder durch
Draht zusammenheften zu können, welcher ufti die umgebogenen Enden
geschlungen wird. Um den Mantel heben und transportiren zu können,
werden auch einige der senkrechten Stäbe mit vorstehenden Oesen
versehen.
Die horizontalen Stäbe müssen so gelegt werden, dass die umgeboge-
nen Enden senkrecht über einander liegen und zwischen denselben eine
verticale Schnittfuge an jeder Seite angebracht werden kann. Man kratzt
nun, um das Zerlegen des Mantels in zwei Hälften zu erleichtern, vor
dem Trocknen den fetten Lehm zwischen den umgebogenen Enden her-
aus und verstreicht die dadurch entstehende senkrechte Fuge mit ganz
magerm, sandreichem Lehm.
Nun wird getrocknet und der Mantel getheilt, indem man vorsieh*
tig Holzkeile oder eine breite Messerklinge in die eben erwähnte Fuge
eintreibt. Der Mantel wird auseinander genommen, bei Seite gestellt
und zunächst das Hemde durch ein starkes Messer oder einen Meissel
und Klopfen mit dem Hammer entfernt. Grewöhnlich fallt dasselbe in
grossen Stücken ab, wenn erst einige Fugen entstanden sind. Es folgt
das Verputzen des Kerns wie des Mantels durch Abscheuem mit Sand-
stein oder Bimsstein und Nachreiben mit feinem Lehm, dann das Schwär-
zen beider Theile mit der früher beschriebenen Schwärze und ein aber-
maliges Trocknen. Alsdann wird die Form zusammengesetzt und durch
Draht zusammengebunden. Die Eingusstrichter e werden für sich ge-
fertigt und an geeigneten Stellen angebracht, nachdem der Mantel an
diesen Stellen mit einer entsprechend grossen Oeffnung versehen ist.
In ähnlicher Weise verfahrt man bei Anfertigung einer Glockenguss-
form. Der Mantel wird hierbei nicht getheilt, sondern kann ohne Wei-
teres vom Hemde abgehoben werden.
Dieselbe Methode lässt sich auch für solche Gussstücke anwenden,
deren Kern nicht gedreht werden kann, sondern gezogen werden muss.
Hierher gehören z. B. die La ming 'sehen Reinigungsgefässe der Gas-
anstalten, grosse viereckte Kasten mit angegossenem Boden und Wasser*
verschluss, deren Gussform in Fig. 152 abgebildet ist. Man mauert auf
der rechtwinkligen gusseisernen Grundplatte a einen niedrigen Sockel l#.
Freie Fonnerei. IGl
aaf demselben den inwendig hohlen Kern aas Lehm- oder Ziegelsteinen
auf, deckt ihn in entsprechender Höbe mit Eisenschienen d ah, welche
• die Decke des Eerne tra-
^' gen , Überzieht ihn mit
Lehm and ecblicbtet mit
der ringshemm gefAhrten
Schablone. Bei Kasten von
groBser Lunge giebt man
dem Kerne einige dnrcb-
Uafende Querwände, um
dem Drucke beim Giessen
Widerstand xa leisten.
Nach dem Trocknen setzt
man die für sieb gefertig-
ten Kerne ee für den Was<
serrerscbinsB ein, stellt,
wie vorbin beschrieben,
die Hetalldicke her, ebenso den Mantel/. Alle übrigea Arbeiten gehen
in der bereits bescbriehenen Art und Weise vor sich. Der Kern wird
vor dem Gasse mit Sand vollgestampft, zu welchem Zwecke man in der
Decke desselben einige OefTnnngen lässt, welche nach dem Anfüllen mit
Sand dnrcb Lehm geschlossen werden. Ohne diese Vorsichtsmaassregel
kann in dem hohlen Räume durch die Mischung der reichlichen Menge
vorhandener Lnft mit den zuströmenden brennbaren Gasen Knallgas ent-
stehen, durch dessen plötzliche Entzündung Beschädigungen der GnsB-
form hervorgerufen werden.
Verzierungen auf den Gnssstücken , Inschriften, Ansfitze u. s. w.,
welche mit Hülfe der Schablone sieb nicht herstellen lassen, werden bei
dieser Art der Formerei für sich in Wachs, Zinn, Holz modellirt und auf
das Hemde an den betreffenden Stellen aufgesetzt, bevor der Mantel aaf-
gntragen wird, so dass dieser auch die Abdrücke der anfgi^setzten Modelte
enthftlt. Wachs schmilzt schon beim Trocknen des Mantels weg, andere
Modelle werden nach dem Losnehmen des Mantels entfernt.
Als Beispiel für die zweite Methode der freien Formerei kann die
dorch die Fig. 153 (a. f. S.) veranschaulichte Anfertigung eines Gebläse-
oylindeTB dienen. Für den Kern wird eine Schablone benotzt, welche
auf der der Spindel zagekehrten Seite nach der Linie abcd profilirt ist;
die Schablone znm Mantel bat die Profilirung am äassem Rande wie in
Fig. 1 10 auf Seite 135. Der Kern wie der Mantel mhen jeder auf einer
besonders ringfarmigen Grundplatte, werden beide ans Mauerwerk anf-
gefahrt, mit Lehm geschlichtet, getrocknet, geschwärzt nnd in einander
gestellt. Zar Fährang dient das Schloss bc. Ansätze nnd Verzie-
roagen« die aich mit der Schablone nicht ausprägen lassen, werden
auch hier besonders modellirt und in den weichen Lehm eingedrückt,
nachdem die betreffende Stelle mit Hülfe von Maassstab oder Zirkel
Iicdebar. mKhMiliFh'iiiatallarBUche Teclmalogle. JJ
162 Freie Formerei.
ermittelt worden ist. Allea Uebrige dürfte ans der Figur selbst ersichtr
lieh sein.
Bei Gnasformen von ein&cher Oeatalt, die sich dnrch rotirende
Scliablonen herstellen lassen, und deren Kern, wie in obigem Beispiele,
Flg. 153.
sich in den Mantel einsetzen lässt, ohne das« dieser getheilt zu werden
braucht (was bei dem Schornsteinanfsatze , Fig. 150, nicht der Fall sein
würde), gewährt diese Formmethode den Tortheil vor der Euerst be-
schriebenen, dasB der Mantel stete genau kreisrund ausftUlt, während der
nur ans Lehm bestehende Mantel des erstbeschriebenen Verfahrens sich
häufig etwas verzieht, besonders wenn er aus zwei Theilen besteht; bei
cylindrischen Gegenständen, deren Mantel bei dem ersten Verfahren stets
getheilt werden muss, um ihn vom Hemde abzuziehen, entsteht in Folge
dieser Theilnng eine unschöne Gussnaht auf dem Abgüsse, welche bei
der zwejten Methode wegfallt. Ebenso kommt dieses Verfahren mit Recht
mehr und mehr in Aufnahme bei Herstellung von Kesseln , Pfannen und
ähnlich gestalteten Gossgegenständen. Da bei derartigen Apparaten der
Boden der Zerstörung am meisten ausgesetzt zu sein pflegt, so stellt man
die Gussformen gern in einer Weise her, dass derselbe zu unterst gegos-
sen wird, um ihm durch diesen Ennstgiiff die grösstmöglichste Dichtig-
keit und Widerstandsfähigkeit zu verleihen. Der Kern der Gnssform
moBS demnach von oben in den conoaven Mantel eingehängt werden.
Letzterer wird, wie aus Fig. 164 ersichtlich ist, ans Lehm, Ziegel- oder
Chamottesteinen gemauert, innen mit Lehm bekleidet und mit der Scha-
blone ausgedreht. Der Kern hängt an einem gnsseisemen Ringe, welcher
mit einer aus Eisenstäben bestehenden korbartigen Rüstung versehen ist,
die dem Kerne den nöthigen Halt giebt. Man ist dadnreh in Stand
Freie Formerei. 16S
geMtsi, den Kern in Btehender Lage aniziidreheii , was jedenfalls die An-
ferdgnng erleichtert, nnd braucht ihn errt nach dem Trocknen za wenden,
um ihn einzuhängen. Der Mantel bedarf nach dorn Oosse gewöhnlich
nar eines emenerten Lehmaberzagee, nm fQr einen zweiten Gnas branch-
bar zn sein; dadurch ist dieses Verfahren fOr eine gröesera Anzahl glei-
cher Abgüsse erheblich billiger ausführbar als das ältere, bei welchem
Kern, Hemde und Hantel flher einander hergestellt nnd der Boden dieser
Anfertigung entsprechend zn oberst gegossen wnrde.
Weniger zweckmässig wQrde diese Formmethode in allen denjenigen
Fällen sein, wo der Mantel ohnehin ans zwei TheUen ensamm enge setzt
werden mflsste, nm ihn über den Kern zn bringen, also bei allen Gegen-
ständen, welche an den Enden schwachem Durchmesser besitzen als in
der Mitte.
Für die dritte Formmethode giebt die Herstellung der Gnssform für
eine grosse Statne ein Beispiel.
Von dem Gypsmodelle der Statne trennt man zunächst einzelne
stark Torstehende Theile ab, z. B. den Schweif eines Pferdes, Beine, so-
fern sie nicht znm Tragen dienen, den Kopf n. a. m., formt dieselben für
sich nnd setzt sie später mit dem Rumpfe zusammen. Alsdann stellt man
den übrig gebliebenen Theil des Modells auf eine Kemunterlage , die
gewShnlich ans einem gemauerten Sockel besteht. Auf dem Modelle
zeichnet der Oiessermeister mit Kohle die Abmessongeu der einzelnen
Kernstücke vor, ans denen der Mantel bestehen mnss, nm ihn vom Mo-
deUe löseb to können, nnd die Arbeiter beginnen dann, von nnten anfan-
gend, die Arbeit des Ummantelns des Modells ans freier Hand. Die
Kernstücke werden ans feinstem magern Lehm oder Masse gebildet. Die
Seiten- nnd Rückflächen derselben werden mit feingesiebter Asche oder mit
Hexenmehl (Semen lycopodü) bestrent, damit sie unter einander nnd an
der später darüber gebrachten Schicht nicht haften. Das Formen dieser
Kernstücke kann von einer oder von mehreren Stellen aus gleichzeitig
geschehen, indem fortschreitend Stück an Stück angeformt wird. Die
Grösse der Stücke hängt von der Gestalt des Modells ab nnd ist durch-
164 Statuenformerei.
scbnitilicb 100 bis 200 Mm. lang und breit, 30 bis 40 Mm. stark. Sobald
ein Stück fertig ist» wird es, wenn man Lebm anwendete, durcb Anhalten
von Eoblenpfannen leicht getrocknet. Um das Abfallen der einzelnen
Stücke zn verhüten, befestigt man sie mit feinen Drahtstiften am Modelle.
Anf diese Kernstücke kommt nun eine zweite Lage ans fetterem Lehm
oder Masse, jedoch in so grossen Stücken, dass eine grössere Anzahl der
inneren Kernstücke zusammen durch ein einziges äusseres Stück gedeckt
wird, während die seitlichen Umrisse des äussern Stücks genau mit den
Begrenzungen des Complexes der gedeckten inneren Stücke zusammen-
fallen. Ein solches äusseres Stück pflegt durchschnittlich 700 Mm. bis
1000 Mm. lang und breit zu sein. Die Seitenflächen dieser grösseren
Stücke werden wieder gepudert, die nach aussen gerichteten Flächen
dagegen nicht und man bringt auf diese letzteren nun unmittelbar einen
Gypsmantel, 40Ö bis 700 Mm. stark, in Stücken von genau derselben
Grösse wie die Stücke der darunter liegenden zweiten X«ehm- oderMasse-
Bchicht. Der Gyps wird zu diesem Zwecke mit Wasser angerührt, in
Form eines dünnen Breies schichtenweise aufgetragen, und die seitlichen
Flächen während des Erstarrens glatt gestrichen. Erst wenn ein Stück
fest geworden ist, wird das daneben liegende geformt. Je zwei an ein-
ander liegende Stücke greifen mit Nuthen zusammen und werden mit
Nummern sorgfaltig gezeichnet. In den Gypsmantel werden nach aussen
stehende Eisen eingegossen, welche theils zum Abnehmen und Transpor-
tiren des Mantels, hauptsächlich aber für die spätere Verankerung dienen.
Die Theile des Gypsmautels bilden nun mit den darunter liegenden Thei-
len der zweiten Schicht zusammenhängende Stücke und werden, wenn
Alles soweit fertig und fest geworden ist, behutsam nach und nach mit
diesen zusammen von den auf dem Modelle liegen bleibenden Kernstücken
abgenommen und bei Seite gelegt. Erst dann schreitet man dazu, auch
diese eins nach dem andern mit Hülfe der Kerngabel abzunehmen. Jedes
Kernstück wird nach dem Losnehmen wieder auf die betreffende Stelle des
Mantelstücks gelegt; wenn alle zusammengehörigen Kernstücke eines
Mantelstücks beisammen sind, werden sie mit Drahstiften an dieses an-
geheftet und nun verputzt. Vorher schneidet man aber auf der Innen-
fläche der Mantelstücke (also zwischen den beiden Lehmschichten) die
aufsteigenden Canäle für das Entweichen der Luft und das Zuströmen des
Metalls an und versieht die Kernstücke mit den entsprechenden nach
innen laufenden Mündungen für die ausströmende Luft und das ein-
fliessende Metall. Die ganze Gussform wird auf diese Weise mit einem
vollständigen Systeme von Eingüssen und Luftcanälen umgeben.
Man troknet nun die Mantelstücke bei gelinder Wärme, entfernt in-
zwischen das Modell und stellt an Stelle desselben ein Kerngerippe aus
starken Eisenstäben auf. Nun legt man Platten aus feuchtem, bildsamem
Thone von der Stärke, die der Abguss erhalten soll, in die Kernstücke ein
und drückt sie mit der Hand oder mit starken Borstenpinseln in alle
vertieften Stellen der Form fest ein. Wenn dieses geschehen ist, setzt
Statuenformerei. 1 65
man den Mantel um das fertig aufgestellte Eisengerippe zusammen, sorg-
faltig prüfend, ob letzteres die richtigen Abmessungen erhalten hat.
Es folgt nun das Eingiessen der Kernmasse durch eine zu oberst
befindliche Oeffnung des Mantels, bei einer Reiterstatue z. B. durch den
Rompf des Reiters, von welchem der Kopf getrennt war. Die Kernmasse
besteht aus einem Gemenge von Gyps mit Ziegelmehl oder Formsand,
mit Pferdemist oder Kuhhaaren vermischt und mit Wasser zu einem laug-
sam fliessenden Breie angerührt. Diese Masse, welche rasch erstarrt,
wird bei grossen Statuen in einzelnen Portionen angefertigt und einge-
gossen.
Nach einigen Stunden kann man den Mantel abnehmen, die Thon-
platten loslösen und die schadhaften Stellen des Mantels ausbessern, wor-
auf derselbe nochmals getrocknet wird. Der Kern wird scharf getrocknet
und ausgebessert, dann der Mantel wieder um den Kern zusammen-
gestellt, verankert und die ganze Form zum Gusse fei*tig gemacht.
Das über die Grosse und Stellung der Eingüsse, über die Anwen-
dung eines verlornen Kopfes und der Windpfeifen bei Besprechung der
Kastenformerei Gesagte gilt in gleichem Maasse auch von der freien
Formerei. Windpfeifen sind bei jedem grössern Abgüsse um so noth-
wendiger, da der fast immer benutzte Lehm ein ziemlich undurchlässiges
Material bildet, ein Entweichen der eingeschlossenen Luft durch das
Formmaterial also nur in sehr geringem Maasse stattfindet.
Die freie Formerei ist der Kastenformerei gegenüber im Allgemeinen
kostspieliger, erfordert geübte, umsichtige Arbeiter und die dafür gezahl-
ten Löhne pflegen das Doppelte bis Dreifache der für Herstellung gleicher
Abgüfise durch Kastenformerei gezahlten Löhne zu betragen. Dennoch
giebt es zwei Gründe, welche die Anwendung dieser Formerei für viele
Fälle vortheilhaft, wenn nicht unerlässlich erscheinen lassen können und
derselben Eingang in allen grösseren Giessereien verschafft haben. Die-
ses sind
1) die in vielen Fällen gegebene Möglichkeit, ohne eigentliches
Modell, nur mit Hülfe der einfachsten formgebenden Apparate, die Guss-
form herzustellen. Je weniger Abgüsse von gleicher Form verlangt wer-
den, desto schwerer fallen die Kosten des Modells für den einzelnen Ab-
guss ins Gewicht, um so mehr Veranlassung ist also gegeben, ohne Modell
die Gussform herzustellen;
2) der oft vorliegende Mangel eines passenden Formkastens und die
höhereu Anfertigungskosten eines solchen gegenüber den Mehrkosten der
freien Formerei; bei grossen Gussstücken, z. B. Statuen, Gebläse- und
Dampfcylindem u. s. w. aber auch die mit dem Umfange der Gussform
wachsende Schwierigkeit, sie zu bewegen, aus einander zu nehmen und
wieder zusammen zu setzen, welche Arbeiten sich bei dem leichtern Ge-
wichte der frei gefertigten Gussformen und der grössern Zerlegbarkeit
derselben weit weniger umständlich ausführen lassen, als es bei Anwen-
dung ungeheurer Formkasten möglich sein würde.
166 Lehmkeme.
Einen yielfach geübten Zweig dieser Formerei bildet scbliesslich die
Anfertigung gedrehter oder gezogener Lehmkeme.
Diese Lehmkeme sind hohl, und man gebraucht sie überall da, wo
entweder ein im Kemkasten gefertigter massiver Kern zu schwer ausfal-
len würde, oder wo die Anfertigung des Eemkastens erspart werden soll,
oder endlich, wo der Kern eine solche Form besitzt, dass die Herstellung
in genau yorgeschriebenen Abmessungen durch Drehen leichter zu be-
werkstelligen ist, als durch Einstampfen in einen Kemkasten. Zu letz-
terer Gattung gehören alle grösseren Kerne mit kreisrunden Querschnit-
ten und gerader Achse.
Zum Drehen eines Kerns ist eine starre Kemspindel von der früher
beschriebenen Gonstruction erforderlich. Dieselbe ruht mit ihren Enden
in den Lagern der Kerndrehbank, yor der Spindel liegt in horizontaler
Lage die Schablone. Auf der Bank sind Marken angebracht — ein-
geschlagene Stifte oder dergleichen — , welche die Lage der Schablone
für einen bestimmten Durchmesser des Kerns angeben.
Zunächst wird die Kernspindel mit Strohseilen umwickelt. Je grosser
der Kern im Durchmesser ist, desto sorgfältiger muss diese Umwickelung
geschehen. Meistens genügt eine einmalige Umwickelung, und nur, wenn
der Durchmesser der Spindel etwas klein im Verhältnisse zu dem des Kerns
ist, giebt man eine doppelte oder dreifache Umwickelung. Dieses Um-
wickeln der Spindeln mit Stroh hat einen zweifachen Zweck. Erstens
würde der Lehm, unmittelbar auf die Spindel aufgetragen, schlecht haf-
ten und vor allen Dingen sämmtliche Abzugsöffiiungen und Canäle für
die Gase verschmieren; diese würden statt durch die Spindel durch den
Kern und die Gussform entweichen müssen, den Kern beschädigen und
das Gelingen des Gusses vereiteln. Ein anderer Zweck ist der, durch
das elastische und in der Wärme rasch schwindende und verkohlende
Material der Znsammenziehung des Abgusses beim Erkalten Rechnung
zu tragen. Ein Abguss Über einer durchaus unnachgiebigen Spindel
würde Gefahr laufen, beim Schwinden zu zerreissen; und wenn auch im
günstigsten Falle nicht gerade ein Zerreissen eintrete, so würde der Ab-
guss doch so fest sich um die Spindel zusammenziehen, dass eine Entfer-
nung derselben aus dem Abgüsse, ohne ihn zu zertrümmern, unmöglich
sein würde.
Das Umwickeln der Spindel geschieht,- indem ein Arbeiter mit der
über das eine Ende der Spindel gesteckten Kurbel dieselbe dreht, wäh-
rend ein anderer das Stroh seü, nachdem es mit einem Ende an der Spin-
del befestigt ist, sich auf dieselbe aufwickeln lässt. Bei kleinen Kernen
benutzt man statt der gesponnenen Strohseile lange Strohhalme oder auch
Heu, bei sehr kleinen Werg.
Die mit Stroh bekleidete Spindel pflegt man nun mit Thon- oder
Lehmwasser zu bestreichen und dann die erste Schicht Lehm mit der
Hand aufzutragen, während die Spindel langsam gedreht wird. Zu die-
ser untern Schicht benutzt man gewöhnlich der bessern Haltbarkeit
Lehmkeme.
167
wegen einen fettem Lehm, während die obere Schicht des Kerns aas
undreichenn , darohlassigerm Lehme gebildet werden mnas. Ist der
Dnrohmesaer der Kemepindel gross genug tind der Lehm hinreichend
feet, so genügt eine totale Lehmetärke von 15 bis 20 Mm. auch fDr
grössere Kerne, für kleine reicht oft schon 5 Um. St&rke ans, und man
tr> diese ganze Lehmschicht in einmaliger Arbeit unter stetem Drehen
der Spindel und Abschlichten mit der Schablone nach einander aof; ist
die Lehmetärke bedeutender, so trftgt man znn&chst eine untere Schicht
auf, trocknet und bringt dann erst eine zweite Schicht auf die erste,
wobei der Kern nun den erforderlichen Durchmesser erhält. Der ge-
trocknete Kern wird mit der Schablone nochmals geschlichtet, der Durch-
messer geprüft und ndthigenfalls berichtigt, entstandene Risse ausgebes-
sert, mit Sandstein und Wasser abgescheuert, dann gescbw&rzt und ooch-
mab getrocknet. Derselbe- ist nunmehr zum Einsetzen in di« Gosb-
fbnu fertig.
Soll der gedrehte Kern Längsfnrchen erhalten, um dem Abgüsse
Rippen zu geben , so lassen sich dieselben durch Einlegen entsprechend
geformter Holitmodelle in die Lehmbekleidungdes Kerns herstellen. Ebenso
lassen sich Knaggen, Wülste und andere Ansätze bilden.
Gezogene Kerne stellt man stets ans zwei Hälften dar, deren Schnitt-
flache dnroh die Achse des Kerns geht, und heftet diese Hälften mit
Draht oder dflnnem Bandeisen zosammen. Als Führung filr die Scha-
blone dient das „Ziehbrett", in Eisen auf dem Herde gegossen, und es
ist demnaoh ftkr jede Hälfte des Kerns ein besonderes Ziehbrett erforder-
lich. Die Schablone steht senkrecht gegen die Achsenrichtang (die Leit-
linie) des Ziehhrette und wird
längs dieser fortbewegt.
Da der Kern bohl werden
soll, bildet man auf dem ho-
rizontal liegenden Ziehbrotte
ans Sand mit freier Hand
zunächst rinen sogenannten
yerlomen Kern a, Fig. 155,
mnen Kern im Kerne. Auf
diesen tr> man eine Schicht
fetten Lehm auf, darüber eine
Schicht magern, feinen Lehm
und zieht mit der Schablone
den Kern glatt Zur Erhaltung
der nötbigen Steifigkeit des
Kerns legt man eiae Anzahl
entsprechend geformter Kem-
eisen in der Längenrichtnog
wie in der Qaerrichtnng ein.
Bei grossen Kernen trocknet
168 Lehmkeme.
man, nachdem die erste Lehm schiebt gegeben ist, und trägt dann erst
die zweite auf; kleine Kerne werden in einem Male getrocknet. Nach
dem Trocknen wird der Kern ausgebessert, wozu man sich einer Raspel
und des Messers bedient, vom Ziehbrette und dem Standkerne abgenom-
men, und die Abmessungen mit denjenigen des Modells verglichen, was
am zweckmässigsten durch Auflegen der Kernhälfte mit der inn^m Seite
auf die innere Seite der Modellhälfte geschieht. Hat man sich von dem
Passen des Kerns überzeugt, so legt man beide Hälften zusammen, prüft
mit dem Zirkel die Abmessungen des nun vollständigen Querschnitts,
heftet die Hälften mit Bindedraht an einander, verstreicht die Fugen mit
Lehm, schwärzt und trocknet nochmals gelinde.
Kommen in einem und demselben Kerne verschiedenartige Quer-
schnitte vor, wie z. B. in Fig. 155 der Querschnitt h für die Muffe des
Krümmers, so benutzt man für jeden dieser. Querschnitte eine besondere
Schablone und stellt die Uebergänge aus einem in den andern Querschnitt
aus freier Hand her.
Seitliche Ansätze an die Kerne, z. B. Stutzen bei Leitungsrohren,
werden füi' sich geformt und angesetzt. Ist der Stutzen kreisrund und
geradachsig, so kann man ihn auf einer Spindel drehen, dann von dieser
abziehen und die Durchdringungslinie mit dem Hauptkern durch Feilen
und Raspeln unter stetem Anpassen ausarbeiten. Die beiden sorgfältig
zusammengepassten Kerne werden erst in der Gussform zusammengesetzt
und mit kleinen Drahtstiften an einander verbunden.
Da sich im Innern hohler Kerne leicht explosive Gasgemische bilden,
so darf man die schon früher erwähnte Vorsichtsmaassregel niemals ausser
Acht lassen, die Kerne vor dem Gusse mit irgend einem porösen Mate-
riale anzuHillen, durch welches der grösste Theil der atmosphärischen
Luft aus dem Kerne verdrängt und eine Mischung der noch verbleiben-
den Luft mit dem eintretenden brennbaren Gase erschwert wird. Bei
stehenden Kernen, welche am untern Ende au£ruhen, ist das geeignetste
Material hierfür ein magerer, scharfkantiger Formsand; bei liegenden
Kernen von grossem Durchmesser, deren Gewicht nicht allzu sehr ver-
grössort werden daif, um nicht eine Durchbiegung herbeizuführen, kann
map Holzkohlen- ödes Kokeslösche, Asche oder dergleichen zum Füllen
des Kerns benutzen.
Kerne, welche auf einer gusseisernen Spindel befindlich sind, bedür-
fen dieser Vorsichtsmaassregel nicht oder nur, wenn ihr Durchmesser ein
sehr grosser ist, da die Gewalt der Explosion selten so gross ist, dass
die Spindel beschädigt werden könnte. Auch ist die Gefahr geringer bei
stehenden, unten offenen Kernen, z. B. bei Röhrenguss, in welchen in
Folge des Aufsteigens der erwärmten Luft bald ein lebhafter Luftwech-
sel stattfindet, als bei liegenden Kernen, in denen dieser Luftwechsel er-
schwert ist.
Trocknen der Gussformen. 169
Vorstehend gegebene Beispiele für die verschiedenen Arbeitsverfah-
ren der Formerei dürften in Vereinigung mit den über Einrichtung der
Modelle gegebenen Erläuterungen ausreichend sein, ein einigermaassen
anschauliches Bild von dem zur Herstellung von Gussformen aus bild-
samem Materiale im Allgemeinen benatzten Verfahren zu ^eben. Ab-
weichungen in den Einzelheiten, theils als unwesentlich dorch die Ge-
wohnheit gerechtfertigt, theils durch besondere Eigenthümlichkeiten der
Abgüsse nothwendig gemacht, sind zahlreich. Verfasser glaubte jedoch,
sich in der Beschreibung auf die einfacheren Fälle des Betriebes be-
schränken zu sollen; denn für den Laien dürfte eine noch so sorgfältige
Beschreibung eines verwickeiteren Falles nicht genügen, ihm ohne eigene
Anschauung ein vöUig klares Bild von den Vorgängen der Formerei zu
geben; für den Fachmann aber, dessen eigenem Nachdenken das Verfah-
ren in besonderen Fällen entspringen soll, oder der wenigstens Gelegen-
heit hat, durch eigene Beobachtung zu lernen, haben solche Beschreibun-
gen erst recht wenigen Werth. Formereimethoden aber, welche zu mas-
senhafter Darstellung einzelner Specialartikel, z. B. Muffenröhren, beson-
dere Ausbildung erfahren haben, werden im zweiten Theile dieses Buches,
der speciellen Technologie, einer Besprechung unterliegen. Es möge da-
her genügen, für jetzt noch auf die empfehlenswertheste Literatur über
diesen Gegenstand hinzuweisen.
Karsten, Eisenhüttenkunde, 3. Auflage, Berlin 1843, Bd. III, S. 398
bis 503.
Dürre, Handbuch des Eisengiessereibetriebes, Leipzig 1875, Bd. U,
S. 538 bis 611.
Abbas, Metallgiesserei, Weimar 1875, S. 26 u. ff.
Kar marsch, Mechanische Technologie, Hannover 1875, Bd. I, S. 74u. ff.
F. Das Trocknen der Gussformen und Kerne.
In dem Vorhergehenden wurde bereits mehrfach erwähnt, dass alle
Gussformen und Kerne, sofern sie nicht aus durchlässigem Formsande
hergestellt sind, vor dem Gusse einer Trocknung bedürfen, damit das
ihnen zur Verleihung der Bildsamkeit beigemengte Wasser ganz oder
theilweise verflüchtigt werde. Die Trocknung muss um so vollständiger
sein, je andurchlässiger das Material und je höher die Temperatur des
eingegossenen Metalls ist.
In solchen Fällen, wo ein Transport der Gussform oder des Kerns
nicht zulässig ist, dient meistens ein Feuer aus Holz, Holzkohlen oder
Koks zum Trocknen, welches in unmittelbarer Nähe der Gussform (des
170 Trocknen der Gussformen.
Kerns) unterhalten wird. Ist der Körper hohl mit grösserm Durchmes-
ser und von ohen her zugänglich , so bilden Körbe aus Flacheisenstaben
zusammengenietet, die mit glühenden Koks oder Holzkohlen gefüllt und
von oben eingehangen werden, einen geeigneten Apparat, um von innen
die Trocknung auszuführen. In manchen Fällen werden diese Körbe
besser durch transportable kleine Oefen ersetzt, welche oben offen, unten
mit Rost versehen sind und mit Koks oder unter Umständen auch mit
flammendem Brennmaterial geheizt werden.
In Königin - Marienhütte zu Gainsdorf bei Zwickau benutzt man
Gase zum Trocknen der Röhrengussformen, welche in Generatoren mit
Unterwind (Körting'sches Dampfstrahlgebläse) erzeugt, in Leitungen
bis in die Gussform geführt und dort verbrannt werden. Diese Methode
hat den Vortheil, dass auch geringwerthiges Brennmaterial (Abfalle von
Koks, Braunkohlen u. dergl.) Verwendung finden kann, sie hat den Nach-
theil, dass die Benutzung des Gases an eine bestimmte OerÜichkeit ge*
bunden und die Anlage kostspieliger ist, als die Anschaffung kleiner
Oefen.
In der grossen Röhrengiesserei zu Marquise bei Boulogne benutzt
man zu demselben Zwecke erhitzte Gebläseluft. Heisse trockne Luft
hat ein grösseres Sättigungsbestreben für Wasserdampf als die mit Was-
serdampf bereits mehr oder weniger gesättigten Verbrennungsproducte
der directen oder Gasfeuerung und wird deshalb den Trocknungsprocess
gewiss in kürzester Zeit ausführen ; die Erzeugung erhitzter Grebläseluft
ist aber sehr kostspielig und mit mancherlei Uebelständen verknüpft,
wenn man nicht, wie es in Marquise der Fall sein soll, dieselbe mit der
für die Hochöfen bestimmten heissen Gebläseluft darstellen und von die-
ser abzweigen kann. Denn ganz abgesehen von den directen Ausgaben
für den Betrieb des Gebläses, Erhitzung der Apparate u. s. f. giebt es
keinen Winderhitzungsapparat, welcher die periodenweise Erhitzung and
Abkühlung, wie sie für den Betrieb einer Giesserei unvermeidlich ist,
ertrüge, ohne fortwährender Reparaturen und Ergänzungen zu be-
dürfen.
Bei allen Gussformen und Kernen, welche sich ohne Schwierigkeit
transportiren lassen, bildet die Trockenkammer den zweckmässigsten
Apparat zur Durchführung der Trocknung.
Dieselbe besteht aus einem geschlossenen Räume aus Mauerwerk
aufgeführt, mit einer Thür zum Ein- und Ausbringen der zu trocknenden
Gegenstände und mit einer Feuerungsanlage zur Entwickelang der für
den Trocknungsprocess nöthigen Wärme.
Der Grundriss der Trockenkammern pflegt rechteckig oder quadraidach
zu sein, die Grösse dieser Grundfläche sowie die Höhe der Kammer abhän^g
von der Anzahl und der Grösse der zu trocknenden Gegenstände. Man hat
Trockenkammern von I bis 50 Quadratmeter Grundfläche. In sehr klei-
nen Trockenkammern sind die Wärmeverlaste durch Ausstrahlung u. s, w,
relativ höher; für sehr grosse liegt die Gefahr nahe, dass ihr räum-
Trockenkammern. 171
lieber Inhalt nicht imm^r voll aosgenntzt werden könne, während doch
die zu ihrer Erwärmung erforderliche grössere BrennstofPmenge auch bei
geringerer Ausnutzung des vorhandenen Raums annähernd dieselbe blei-
ben mus8. Deshalb pflegt man den meisten Trockenkammern der Giesse-
reien eine Grundfläche mittlerer Grösse (15 bis 30 Quadratmeter) zu geben
und nur für besondere Zwecke eine einzige grosse (für Lehmgussformen)
und häufig auch eine ganz kleine Trockenkammer (für kleine Kerne)
anzulegen. Die Höhe der Trockenkammern lässt man nicht gern unter
Mannshöhe betragen, um nicht das Ein- und Ausbringen zu er-
schweren.
Die Lage der Trockenkammer sei eine geschützte. Je grösser der
Unterschied in den Wärmegraden innerhalb und ausserhalb der Kammer
ist, desto grösser ist die Wärmetransmission, desto reichlicher sind die
Wärmeverluste. Deshalb ist es entschieden fehlerhaft, einzelne Wände
der Trockenkammer ins Freie zu legen und den Wärme entziehenden
Einflüssen der winterlichen Kälte, des Windes, Regen und Schnees preis-
zugeben.
Die Wände der Trockenkammer werden aus Ziegel- oder Bruchstein-
mauerwerk aufgeführt. Um allzu grosse Verluste durch Wärmetransmis-
sion zu vermeiden, dürfen dieselben nicht zu schwach, mindestens 250 Mm.
stark sein; liegen mehrere Trockenkammern in einer Reihe neben ein-
ander, 80 können die Scheidewände zwischen je zwei Kammern schwächer
gehalten werden. Nicht selten hat man mit gutem Erfolge auch doppelte
Wände mit einer Luftschicht dazwischen in Anwendung gebracht. Die
dicken Umfassungswände der Trockenkammern nehmen allerdings bei
ihrer verhältnissmässig grossen speciflschen Wärme beim Anheizen der
Kammer ein ziemliches Theil Wärme auf, dienen dann aber gleichsam
als Wärmespeicl^er und geben allmälig ihre aufgenommene Wärme
wieder an die Kammer ab, wenn die Feuerung unterbrochen wird, so dass
längere Zeit hindurch eine gleichmässige Temperatur in der geschlosse-
nen Kammer herrscht. Hieraus folgt aber die Regel, dass man, je dicker
die Wände der Kammer sind, zur Ersparung an Brennstoff erstens um
so früher, nachdem die erforderliche Temperatur erreicht ist, die Feue-
rung einstellen, und zweitens um so mehr Bedacht auf eine ununterbro-
chene Benutzung der Kammer nehmen soll; denn je länger sie leer und
ungeheizt steht, desto mehr der aufgenommenen Wärme, geht verloren
und desto mehr Brennstoff muss später verbraucht werden, um diese von
den dicken Wänden inzwischen abgegebene Wärme zu ersetzen.
Die Decke der Trockenkammer besteht meistens aus einem gemauer-
ten flachen Gewölbe, dessen Achse in der Längenrichtung der Kammer
liegt und dessen Widerlager demnach von den'Seitenwänden der Kammer
gebildet werden. Kammern von grosser Breite dagegen überspannt man
wohl, nm nicht zu schwerfällige und hohe Gewölbe zu bekommen, statt
dieses einzigen Gewölbes mit einer grossem Anzahl kleinerer quer-
laufender Bögen und benutzt eiserne Balken — gewöhnlich alte Eisen-
172 Trockenkammern.
bahnschienen — , deren Enden auf den Seitenwänden der Kammer ruhen,
zum Tragen dieser Gewölbe. Eine solide Verankerung der Kammern
durch schmiedeeiserne Anker ist in allen Fällen unerlässlich , um dem
Gewölbeschub und den Einflüssen der Ausdehnung beim Erwärmen
Rechnung zu tragen.
Weniger häufig benutzt man eiserne Platten zum Abdecken der
Kammern. Eine solche Einrichtung kann alsdann Begründung haben,
wenn die Platten zum Wegnehmen eingerichtet sind und man die Absicht
hat, mit Hülfe eines höher befindlichen Krahns — meistens Brücken-
krahns — von oben her Arbeiten in der Kammer selbst vornehmen zu
lassen, wie es bei Anfertigung grosser Lehmgussformen zweckmässig sein
kann. Während des Heizens sollten jedoch in solchen Fällen die eiser-
nen Platten stets mit einem schlechten Wärmeleiter bedeckt gehalten
werden, um die reichliche Wärmetransmission abzuschwächen.
Die Thür der Kammer besteht aus Gusseisen oder Eisenblech und
befindet sich meistens an der einen Stirnseite der Kammer, fast die ganze
Breite und Höhe derselben einnehmend, um das HineinschafTen grösserer
Gegenstände zu ermöglichen. Nur bei Kammern, welche ausschliesslich
zum Trocknen kleiner Kerne oder Gussformen bestimmt sind, macht man
die Thür schmaler und legt sie nach Maassgabe der Oertlichkeit in eine
der langen oder der breiten Seiten. Gewöhnlich sind die Thüren doppel-
flügelig, drehen sich in eisernen Angeln, welche an einem starken, guss-
eisernen, an der Trockenkammer durch Ankerschrauben befestigten Thür-
rahmen befindlich 8\nd, öffnen sich nach aussen und werden durch Riegel
und Klinke verschlossen. Will man das Beengen des Platzes vor der
Trockenkammer vermeiden, so wendet man Schiebethüren an, die sich
meistens senkrecht auf jund nieder bewegen lassen. Sie hängen an einer
starken, über eine feste Rolle geführten Kette, deren anderes Ende mit
einem Gegengewichte versehen ist, um das Gewicht der Thür auszuglei-
chen. Es ist beim Aufziehen alsdann nur die Reibung zu überwinden
und die Thür bleibt in jeder Stellung schwebend. Die Thüröffnung der
Kammern muss auch bei derartigen ThÜren durch einen eisernen Rah-
men mit Führungsleisten vor Beschädigungen des Mauerwerks geschützt
sein. Durch Vorreiber, die am Rahmen angebracht sind, kann man ein
dichtes Anlegen der Thür bewirken.
Bei der grossen Wärmeleitungsfahigkeit des Eisens und der gerin-
gen Wandstärke der verhältnissmässig grossen Thüren geht ein beträcht-
licher Theil Wärme durch Transmission verloren. Wie bei einem Stubenofen
findet in unmittelbarer Nähe der Thür ein ununterbrochener Luftwechsel
statt, indem die kälteren Luftschichten sich erwärmen, aufsteigen and
frischen Schichten Platz machen. Es ist leicht zu ermessen, welche er-
hebliche Menge Brennmaterial erforderlich sein wird, um diesen Wäi'me-
verlust zu decken. Recht zweckmässig ist daher die in einigen Giesse-
reien angewendete Construction der Thüren aus doppeltem, dünnem
Eisenbleche, an den Rändern durch zwischengelegtes, rings hemm lau-
Trockenkammern. 173
rendes Ü-Eieen oder doppelt T-Eisen Terbnnden nnd mit einer Lnftschiclit
Ewischen eich, wie ea Fig. 156 veranachaulicbt. Solche Thüren sind nicht
schwerer an Gewicht als die aus Gnsseisen oder stärkerm Eieenblech
gerertigten, ebenso haltbar ata diese, nnd die höheren Anfertigunf^e-
kosten werden jedenfalls bald dnroh ErBparniaa an Brennstoff gedeckt
werden.
Die Fenernng der TrookeBkammem besteht meistens aus einem
Roste mit nstQrlichem Luftzüge, welcher durch eine Eaae hervorgebracht
wird, Selt«ner iat man in der Lage, statt der Roatfeuemng die abzie-
hende Warme anderer Proceeae znni Erhitzen der Kammer benntzen zo
können. So kann man z. B. in Measinggiessereien nnd kleinen Eisen-
giesaereien die abziehenden Gaae des Tiegelachmelzofena in zweckmässi-
ger Weise dazu benutzen, die zwiachen Ofen und Schomatein angelegte
Trockenkammer za heizen und aof diese Weise bei jedem Schmelzen die
Fig. 156.
Oassforraen und Kerne für den folgenden Tag ohne beaondern DrennstofT-
aufwand za trocknen.
Beeflglich der Art nnd Webe, in welcher die entwickelte oder vorhan-
ilene Wärme an die Trockenkammer abgegeben wird, unterscheidet man
Trockenkammern mit directer Erwärmung, bei welchen die Fene-
mngBgase dnrch die Kammer selbst hindurchziehen und in Gemeinachaftmit
dem verdampften Waaser aus der Kammer darch einen Canal nach der Ease
entweichen; und Trockenkammern mit indirecter Erwärmung,
bei welchen die Gase durch ein System eiserner, in der Trockenkammer
befindlicher Röhren oderCnnäle hindurcbgeföhrt werden und ihre Wärme
in Folge der Transmiiiaion der Röhrenwände an die Kammer abgeben.
174 Trockenkammern mit directer Erwärmnng.
Die entwickelten WasBerd&mpfe mOssen also in die»em Fiüle dnrch eine
besondere Vorrichtung abgeleitet werden, wenn nicht der Trocknnngs-
procesa nnTerhältniB am aasig verlangsamt werden soll.
Die directe Erwärmnog ermöglicht die Erreichong hoher Wärme-
grade in der Trockenkammer, bewirkt eine rasche Ableitung des gebilde*
ten Wasserdampfs nnd igt daher die geeignetste Methode in denjenigen
Fällen, wo eine scharfe Trocknnng erforderlich ist, alao bei dichtem
Fonnmat«riale nnd grossen Gnsaformen, welche schwieriger ihren Feuch-
tigkeitsgehalt entlassen als kleinere. NatQrlich erweise kann aar ein sol-
ches Brennmaterial bei dieser Art der Fenerungseinrichtnngen eine gute
Leistung geben, welches nicht selbst beträchtliche Hengen-von Wasser-
dampf bei der Verbrennung entwickelt, also Torzugsweise yerkohlt«a
oder doch sehr trocknes Brennmaterial. Aas diesem Grunde sind Koks
das am-häufigsten benutzte und zweckmKssigste Brennmaterial in solchen
Trockenkammern; Qaskoks, wo solche zu Gebote stehen, empfehlen
sich durch Billigkeit und sind hinsichtlich ihrer Brennkraft völlig aua-
reiobend.
Die Abbildung, Fig. 167, giebt die Einrichtung einer derartigen
kleinen, durch die abziehenden heissen Gase eines Tiegelschacbtofens ge-
beizten Kammer, t ist hier die Trockenkammer, mit gitterartig eingeleg-
Fis. 157. ^° horizontalen Stäben zur Anihahme
der Formkasten versehen-; o der Schmelz-
ofen mit dem Verschlnssdechel d, 8 der
Schomatein.
Heizt man die Trockenkammer durch
eigene Roetfenerung, so ist bei Anlage
des Rostes zu beachten, dass in Folge
des Bestrebens der erwKrmten Luft-
schichten, nach oben zu steigen, die
Sohle der Trockenkammer und die der-
selben zonäohst liegenden Luftschichten
Gefahr laufen, kalt zu bleiben, wenn der Rost hoch liegt; dass Csmer
jede Einwirkung strahlender Wärme auf die Gnssformen und Kerne ge-
fUbrtich ist, weil durch die in Folge derselben bewirkte übermässige Er-
hitzung leicht Zersetzungen des Formmaterials hervorgerufen werden
können, wodurch dasselbe mürbe, zum Zerfallen geneigt wird; und dass
mithin der Rost eine solche Lage erhalten muss, welche diese Einwirkung
strahlender Wärme ansschliesst. Ans diesen Grflnden bringt man den
Rost am zweckmäsaigsten möglichst vertieft und zwar in einer Ecke oder
doch an einer der schmalen Seiten der Trockenkammer an. H&nfig nm-
giebt man ihn zum Schutne der Gnssformen gegen die strahlende Wärme
mit einer Umfassungsmauer aus feuerfesten Steinen, welche gitterartig
durchbrochen ist, um die Gase hindurchziehen zu lassen ; oder man über-
wölbt ihn, wie in Fig. 168, und lässt die Gase unter dem Gewölbe hin-
dnrch in die Kammer treten.
Trockenkammem mit directer Erwärmang. 175
Dft rieb kleinatückigeB 6reiinmat«rial weoiger als grobetSckigea zar
Benntanng filr diracte Erwirmnng eignet, ist ein Planrost der geeigDetet«.
Unterhalb desselben befindet rieb der nacb anssen mündende Ascbenfall,
oberbalb des Roetes gewöbnticb eine Tbür znr Bedienung desselben. Nur
in wenigen Fällen wendet man Rosten obne Feuertbür an, die alsdann
▼or dem Schliessen der Trockenkammer gefOIlt werden and so gross sein
mBssen, dass die einmalige Füllang fär den Trocknungsprocess ansreicht.
Je grösser die Rostfläcbe ist, desto rascher wird man im Stande sein,
eine höbe Temperatur in der Kammer zn entwickeln, aber desto mehr
Brennmaterial wird auch verbrancht werden, wenn nicht rinerseits sehr
Fig. 158.
starke W&nde vorbanden sind, den vorhandenen Ueberschnaa an Wärme
anfzanebmen , and andererseits die Feaening rechtzeitig unterbrochen
wird, um diesevon den Wänden aufgenommene Wärme auszunatsen. So
günstig auch im AUgemeinen eine solche rasche WBrmeentwickelung
wirken kann, wenn eben jene Bedingungen erflült werden, dürfte man
doch Bedacht nehmen müssen, ein Uebermaass zn vermeiden. Viele vor-
handene Trockenkammern würden mit kleineren Rosten sicherlich weni-
ger Brennmaterial verbranchen, als es in Wirklichkeit der Fall ist.
FOr je 100 Cubikmeter räumlichen Inhalt der Trockenkammer
176 Trockenkammern.
kann man Erfahrnngsresultaten znfolge bei Koksfeuerung und mittel-
starken Wänden an totaler Rostfläclie rechnen :
bei grossen Kammern von mehr als lOOGnbikmeter Inhalt 0,6 Qna-
dratmeter,
bei mittelgrossen Kammern von 25 bis 100 Cabikmeter Inhalt 0,6
bis 1 Quadratmeter,
bei kleinen Kammern mit weniger als 25 Cubikmeter Inhalt 1 bis
2 Quadratmeter.
Die Abzngsöfihong für die Gase und Dämpfe ans der Kammer pflegt
an der Sohle der letztern dem Roste diagonal gegenüber, also in den
meisten Fällen unmittelbar hinter der Thür in der einen Ecke der Kam-
mer zu liegen. Nicht selten wendet man zwei Abzngsöfihungen an, um
eine bessere Yertheilung des Gasstroms zu erzielen, welche alsdann an
beiden Seiten der Thür befindlich sind. Für das Yerhältniss des Quer-
schnitts dieser Abzug8ö£fnung zu der totalen Bostfiäche findet man bei
ausgeführten Anlagen Werthe von Vio his Vi* Sofern die Esse im Stande
ist, auch bei kleiner Abzugsöfifnung den erforderlichen Luftwechsel her-
vorzurufen und die Verbrennung auf dem Roste in ausreichender Weise
zu unterhalten, dürfte ein kleinerer Querschnitt einem grossem vorzu-
ziehen sein, weil man bei ersterem wenigstens nicht so leicht Gefahr
läuft, durch übermässig rasche Entziehung der Yerbrennungsgase nn-
nöthige Wärmeverluste hervorzurufen. Von dieser Abzugsöifnung aus
führt gewöhnlich ein horizontaler Ganal nach dem Schornsteine. Zweck-
mässig ist jedenfalls die in vielen Trockenkammern angewendete Ein-
richtung, den Canal dicht unter der Sohle der Kammer hin nach rück-
wärts zu führen und nur mit eisernen Platten abzudecken, so dass noch
Wärmetransmission von den abziehenden heisseren Gasen nach der Kam-
mer hin stattfinden kann. Zwischen Trockenkammer und Schornstein
muss der Canal mit einem Schieber versehen sein, um den Luftzug regn-
liren und nach Erforderniss ganz abstellen zu können. Durch richtige
Benutzung dieser einfachen Vorrichtung lässt sich viel Brennmaterial
ersparen. Denn sobald das Brennmaterial auf dem Roste verzehrt ist,
tritt kalte Luft durch den Rost in die Kammer, erwärmt sich durch einen
Theil der in den Wänden aufgespeicherten Wärme und entführt diese
aufgenommene Wärme nach dem Schornsteine, die Kammer mehr und
mehr abkühlend. . Sobald dieser Luftwechsel stärker ist, als zur Unter-
haltung des Verdunstungsprocesses nöthig ist, findet unnöthiger Wärme-
verlust statt; je weniger Wasser also überhaupt noch in der Kammer zu
verdunsten ist, desto mehr muss der Schieber geschlossen werden. Mei-
stens wird man den Schieber schon bald nach Beendigung des Verbren-
nungsprocesses auf dem Roste völlig schliessen können, da die in der
Kammer alsdann befindliche Luft in Folge ihres hohen Wärmegrades
ausreichend beföhigt zu sein pfiegt, den noch zu verflüchtigenden Wasser-
gehalt aufzunehmen.
Die Esse vereinigt meistens die Gase sämmtlicher vorhandenen
Trockenkammeni. 177
Trookenkttminem und mtiBa dieser Aufgabe entaprechead hoch and weit
Min. Ein Querschnitt gleich Va bis Ve der totalen Rostfläche sämmt-
liefaer Ksmmem bei einer Höhe von mindeBtens 15 Meter dürfte für alle
Fälle ansreiohen.
Beispiele ansgeftibrter Trockenkammern mit Rost feuemng nnd direc-
ter Erwärmung.
Die Figuren 159 bis 161 stellen eine kleine Trockenkammer
in der Gieasei-ei des Herrn R. Ph. Waagner in Meidling hei Wien
dar, welche hauptsächlich zum Trocknen kleiner Gassformen für die
Metall gieaserei bestimmt ist. Zur Aarstellnng der zu trocknenden
Gassformen dienen die schmiedeeisernen Queretangen a a . . , welche in
den gnsaeiBemen Lagern bb ruhen und sich, der Grösse der einzusetzen-
den GuBsformen entsprechend, leicht auBwechseln lassen. Um die Gnss-
formem vor der strahlenden Hitze zu schützen , ist der Rost mit der
Maaer C amgeben; die Gase ziehen über dieselbe hinweg, werden dann
dtu-cfa die Abzngsöfinungen dd . . . . , deren Querschnitt aus leicht
ersichÜicben Gründen mit ihrer Entfemnng vom Roste wächBt, nach
nnten gezogen nnd durch einen gemeinBohaftlichen Canal / nach der
Esse geführt.
In den Figuren 162 bis 165 sind swei grössere Trockenkammern
deraelben Giecserei abgebildet. Die äusseren Wände derselben sind doppelt
LidabBT, m*ehuilKh-iiwtalinrBiH>H TeehoologlB. jq
178 Trockenkammern.
md sehr stark '); die Decke besteht aas eiaielDen Qn^rbugeii, auf doppelt
'I Die Mittlieiliiug Jieiwr wia Jer in den l'igm'üii ljMbi»l«l t;egel>eneu Zaieh-
nungeu yerdankt d« VerfnsserderGütede» Herrn DirectorOüntherEaMeidlüig.
1 80 Trockenkammern.
T-Trügern mliend nud oben mit eino- Schicht Lehm überdeckt, nm die
Wärm everlaste möglichst einznBcbrinken. Die Gue entwfflchen dnrch zwei
Trockenkammern. 181
AbingsOSimsgen in jeder Kammer and vereinigen aicb dann in einem ge*
meiagamen SohoruBteine ; die sus Eisenblech gefertigten, zum Änfziehen
eingerichteten Thüren werden vermittelst der Winden u a geöffnet and
niedergelassen.
Die in den Figaren 166 bis 168 abgebildete Trockenkammer der
Chemnitser Werkzeagmaschinenfabrik bietet Tornehmlich durch die Art
ihrer Ueberdeckung Interesse. Dieselbe besteht aas eisernen Platten,
■of einer Balkenlage mhend aad mit einer dünnen Steinlage abgedockt,
la der Hitt« der Decke befindet sich die schlitzaitige Oeffnnog a, nur dorch
Platten, die sieb leicht entferaen lassen, geschlossen. Dnrch diese Oeffnang
Fig. isa.
hiDgt der Kloben des Brackeekrahns (Fig. 53 auf S. 62) in die Kammer
hinab, wenn schwere Gassformen hineia- oder hinaosgescbnfil werden
sollen. Die Decke der ganzen Kammer wird nan zum Trocknen des
Formmaterials benatzt. Dasselbe wird dorch einen mechanischen Aufzug
auf den obern Boden h geschafft, auf welchem sich die Zerkleinerungs-
maschinen befinde!); von hier aas durch die Latten ccc anf die Trocken-
kammerdecke gestürzt and aasgebreitet nnd nach dem Trocknen auf dem
Boden d vom Gebrauche aufbewahrt. Die senkrechten Lutten e dienen
■am Hiuabatürsen solchen Materials , welches einer Trocknung nicht be-
darf (Kohlenstaab), der Kasten / zur Aufnahme desselben.
162 Trockenkammeni.
Die TrockenkAmmer ist mit zwei diagonal gegenüberliegenden
Rosten gg versehen, welche, da sie eine Fenerthilr nicht beaitEen, in
Trockenkammern. 163
einem Male gefUllt werden nifiBsen. i ist ein eiserner Kasten oberhalb
dea Rostes mit Höndung nach aussen, um darin kleine Kerne und der-
gleichen trocknen zn können. Die Tbfir ist in horizontaler Uichtung
verschiebbar und zu dieaem Zwecke mit Rollen h (Fig- 167) versehen.
Die indirecte Heizung der Trockenkammern ist weniger geeig-
net, als die directe, sehr hohe Wärmegrade hervorzurnfen, gewährt aber
den Vortheil, dass man, da die Yerbrennuugsgaee nicht in die Kammer
selbst eintreten, jedes nnverkohlte Brennmaterial, selbst mit hohem Wasser-
gehalte (Braonkohlen etc.), zum Feuern verwunden kann, und dass die
schAdliche Einwirkung strahlender Hitze volbtftndig vermieden ist. In
Giessereien, wo solche gerin gwerthigeren Brennmaterialien zu einem re-
lativ hilligem Preise als Koks und ähnliche wei-thvollere BrennstofTe zu
haben sind, empfehlen sich deshalb derartige Feaeningsanlagen vorzugs-
weise S&r solche Trockenkammern, die zum Trocknen von Lehmkeruen
bestimmt sind, weniger für grössere fiuBsformen in Masse, welche zam
völligen ÄUBtrockoen eines höheren W&rmegrades zu bedürfen pflogen.
Die Einrichtung einer solchen indirecten Trockenkammerhetzung kann
durch die Figuren 169 bis 171 erläutert werden, welche die Trocken-
kanunem der neuerbanten Röhren giesaerei zu GrÖditz darsteUen.
Daa Brennmaterial — meistens böhmiBche Braunkohle oder auch Lig-
nit« ana der Niederlauaits — wird auf dem Treppenroste a verbrannt.
Die VerbrennongsgaBe dorchitreichen die Canäle t>, c, d und e in der
Riebtang der Pfeile und entweishen schliesslich aus e nach dem Schors-
Trockenkammern,
Trodcenkammem,
Pig. 171.
186 Trodtenkammem.
Bteioe. Der Theü b dieses Canalaystema ist gemauert nnd in RflckBicht
aof die hohe in der Nähe der Feuerung herrechende Temperatnr, welch«
GoBseisen bald zerstören würde, mit Platten aus feaerfeBtem Thone ab-
gedeckt, welche in eisernen R&hmen liegen und Blch leicht aoBwechaeln
lasBen ; die Theile c, d und e bestehen ans gusseisemen Röhren von 350 Hm.
Weite; nur die gekrümmten Verbindungsstücke zwischen den einselnen
geraden Bohrsträngen sind der leichtem Uerstellimg halber gemauert
and mit gusseisemen Platten abgedeckt (siehe /in Fig. 170). Die gnss-
eisernen Röhren liegen mit ihren Enden in eingemauerten schmalen Rin-
gen gg, F'ig. 17t, in denen sie eich bei der Erwärmung. ohne UiuderaiBS
ausdehnen können, übrigens aber Tollstäudig frei, um die Wärme an
ihrem ganzen Umfange an die Kanuner abgeben zu können. Zwischen
Trockenkammer und Schornstein (bei A in Fig. 171) ist die Rohrleituog
mit einem Schieber versehen, um den Zng regalireu und nach VerEehrong
de« Brennstofis ganz abstellen SU können. Die in der Trockenkammer
entwickelten Wasserdämpfe werden durch kleine Oeffnangen in der Lei-
Kg. 172.
HorizoDtstochDitt aacb AB.
TrockeDkammern. 187
ttuif^ in Folge dt» EBBenzogea Iwgierig »ngeeaagt ; zum Ersätze d«r ab-
ziehenden feuchten Lnft kann durch dos kleine Rohr i (Fig. t69) frische
trockne Luft zugeführt Verden , die sich beim Aufsteigen zwischen den
Pig. it:i.
Verticalachiiitt nach £F.
Heizrohren c und d erw&nnt. Wenn der Schieber geschlossen ist und
mitbin kein Luftzug mehr stattfindet, können die noch gebildeten Dämpfe
durch das Rohr h (Fig. 170) ins Freie entweichen.
Kg. 174
VerticHlsclinitt uacU CD.
188 TrockenkammerD.
Die Einrichtong tob Trockenkammern mit indirecter Erwär-
nmng, geheist durch die abgehenden Gase sweier Tiegelflamm*
Öfen, iflt endlich durch die Figuren 172 bii 175 veranschan-
j<j~ |75_ licht'). Die Gaee kommen bei aa von den
Flammöfen, streichen in den Can&len bb..
unter dem ana gasaeiBeraen Platten bestehen-
den Boden der Kammern bin und ziehen
dann nach dem gemeinechoftlicben Schorn-
steine. Die kleinen Schornsteine dienen
zur Entfemting des verdampften Wassers-
Die Heisfläcbe jeder Kammer beträgt 4,25
Quadratmeter, die BodenSäcbe 5 Quadrat-
meter, der ränmliche Inhalt 10,5 Cubik-
meter. Durch eingelegte Qneratäbe ist jede
Anrieht. Kammer in drei Stookwerke h 700 Mm. Höhe
getheilt. Die Wärmeabgabe ist eine HO bedetttende, dass die Temperatur in
den Kammern gegen Ende des Trocknens, welches acht Stunden währt,
auf 200'* C. steigt, nnd es läset sich hieraus ecblieesen, dass jene Heizfläche
auch für einen noch gröaeern Trockenraum ausgereicht haben würde.
Sie relative Leistung oder der Wirkungsgrad einer Trockenkam-
mer läset sieb ermitteln, wenn man die Menge des durch eine verbrauchte
Menge Brennmaterial yerdampften Wassers ermittelt und diese Wasser-
menge durch diejenige dividirt, welche das gleiche Quantum Brennmate-
rial bei vollständiger Ausnutzung seiner Brennkraft theoretiach hätte
W
verdampfen können. Es ist £ ^ ^, worin Ifdae wirklich verdampfte
Wasser, Wi diejenige Wassermenge bezeichnet, welche sich tbeoretisoh
hätte verdampfen lassen.
Dieser Wirkungsgrad ist abbäugig von der Construction und Lage
der Kammer, daneben aber auch von der Dichtigkeit des Formmaterials,
der Wandstärke der zu trocknenden Gegenstände, der mehr oder minder
umsichtigen Art und Weise der Gruppirung derselben in der Kammer
(je grftsser die frei liegende Oberfläche, desto günstiger die Verdampfung)
und von anderen Neben umständen. Um daher aus dem Wirkungsgrade
verschiedener Trockenkammern Schlüsse auf die Zweckmässigkeit der
Einrichtung ziehen zu können, muss man solche wählen, die unter äho-
lichen Verhältnissen arbeiten.
Leider liegen sehr wenige Resultate hierüber vor, und, wie Verfasser
mehrfach erfahren musste, findet sich nur in sehr wenigen Giessereien
') Pär eine Wiener Msisinggiesierei durch Herrn Iigeuieur C. A. Hei
1 Freiberg {Sachsen) erbaut.
Wirkungsgrad. 189
Ndgang, Yersnohe über diesen immerhin för sie selbst nicht unwichtigen
Gegenstand anzustellen^).
Erstes Beispiel. In der in den Figuren 162 bis 165 (S. 179 und
180) abgebildeten Trockenkammer zu Meidling wurden mit einem Brenn*
materialaufwande yon 136 Kilogramm Koks Lehmkeme getrocknet und
dabei innerhalb 3^] Stunden, während welcher Zeit sie yollstandig trocken
geworden waren, 95 Kilogramm Wasser verdampft.
Wenn die bei yollst&ndiger Verbrennung eines Brennstoffs für den
Yerdampfungsprocess the<»«tisch gewinnbare Wärmemenge = tv ist, und
wenn man annimmt, dass durchschnittlich 600 Wärmeeinheiten erforder-
lich sind, um 1 Kilogramm des in den Gussformen und Kernen enthalte-
nen Wassers zu erwärmen und zu yerdampfen ^ , so kann 1 Kilogramm
des Brennstoffs theoretisch -r— Kilogramm Wasser yerfl&chtigen. 1 Kilo-
gramm Koks mit 15 Proc. Asche und 5 Proc. hygroskopischem Wasser
yerdampfi hiemach, wenn man die geringe Wärmemenge unberücksich-
tigt lAsst, die zur Verdampfung des hygroskopischen Wassergehaltes und
zur Erwärmung der Asche des Brennstoffs yerbraucht wird:
0,8 X 8080 , ^ « rr., T^
— r = 10,7 Kilogramm Wasser.
Jene y erbrauchten 136 Kilogramm Koks hätten demnach bei yölli-
ger Ausnutzung 1455 Kilogramm Wasser yerflüchtigen müssen, während
nur 95 Kilogramm in Wirklichkeit yerdampft worden sind. Es ist dem-
nach der Wirkungsgrad der Kammer;
E = -^ = 0,065.
1455
Zweites Beispiel. In Eisenwerk Gröditz trocknet man in den
anf Seite 183 bis 185 in den Figuren 169 bis 171 abgebildeten Trocken-
kammern Lehmkeme für die Röhrengiesserei und benutzt als Brennmate-
rial böhmische Braunkohlen, bestehend aus:
Kohlenstoff 50 Proc.
Wasserstoff 4 „
Sauerstoff 14 „
Asche 3V3 »
Wasser 281/, „
^) An aUe Oiessereient welche sich für eine wisflenschaftliche Behandlung
dieser Frage interessiren, richtet YerfSuser hierdurch das Ersuchen, etwaige
Ermittelungen über die Leistungen ihrer Trockenkammern nebst Angaben über
die Constructionsverhältnisse etc. derselben ihm zu einer vergleichenden Zu-
sammenstellnng zugehen zu lassen. Nur in solcher Weise wird man zu greif-
baren Resultaten für die Oonstmction dieser wichtigen Apparate jeder Oiesse-
rei gelangen können.
^ Da die Wasserverdampfüng bei einer niedrigen Temperatur beginnt,
häufig aber erst bei einer Temperatur der Trockenkammer über lOO*' ihr Ende
erreicht, so Iftsst sich eben nur ein annfthernder Durchschnittswerth für die
nitgenommene Wärme der Berechnung zu Grunde legen.
190 Trockenkammern.
Die Kerne bleiben von Abends bis Morgens in der Kammer; zar
einmaligen Heizung einer Kammer werden darchscbnittlich 400 Kilo-
gramm Brannkohlen verbrancht und nach dem Verbrennen derselben der
Schieber geschlossen. Es wurde ermittelt, dass durchschnittlich 100
Kilogramm Braunkohlen erforderlich sind, um 91 Kilogramm Wasser
aus den Kernen zu verdampfen.
Die theoretische Yerdampfangsfahigkeit der böhmischen Braunkohle
ist obiger Zusammensetzung zufolge
0,50 X 8080 + (o,04 — ^\ 34 462
— r ~ = 7,99 Kilogramm Wasser.
Es würden demnach 100 Kilogramm Braunkohlen theoretisch 799
Kilogramm Wasser verdampfen können, und es ist
E = ^ = 0,114.
799
Vorstehende beiden Ermittelungen sind natürlich noch nicht aus-
reichend, ein endgültiges Urtheil über die Zweckmässigkeit des einen
oder andern Trockenkammersystems zu fällen. Das günstigere Resultat
der Gröditzer Trockenkammer rührt unstreitig zum Theile davon her,
dass dieselbe für eine einzige Specialität der Formerei, Röhrenkeme, von
vornherein eingerichtet und deshalb mit Einrichtungen versehen ist,
welche die günstigste Ausnutzung des vorhandenen Raumes gestatten.
Immerhin ist der auf diese Weise erlangte Vergleich zwischen den Lei-
stungen beider Trockenkammern in mancher Beziehung lehrreich und
beweist wenigstens, dass die bis jetzt seltener übliche indirecte Trocken-
kammerheizung recht günstige Ergebnisse zu liefern im Stande ist» Viel-
leicht sind die durch die Berechnung gewonnenen Resultate geeignet,
auch andere Giessereien zu Ermittelungen in dieser Richtung anzuregen.
Die in den Kammern zu trocknenden Gegenstände werden, wenn ihr
Umfang und Gewicht nicht zu bedeutend ist, auf Stäben, Consolea
und dergleichen, wie aus den Figuren 160, 161 und 174 ersichtlich
ist, in geeigneter Weise aufgestellt. Ist ihr Gewicht dagegen ein
solches, dass das HineinschafiPen und Aufstellen innerhalb der Kammer
unbequem sein würde, so benutzt man meistens einen eisernen Wagen,
welcher vor der Kammer mit sämmtlichen zu trocknenden Gegenständen
beladen und dann hineingerollt wird. Diese Trockenwagen bestehen ans
einem gusseisemen oder schmiedeeisernen Rahmen auf zwei Achsen mit
niedrigen Rädern, Fig. 176. Die Räder laufen meistens auf gusseisemen
oder schmiedeeisernen Schienen; die Länge der Wagen entspricht an*
Wagen. 191
nähernd der Läoge der Trookenkammer im Lichten, die Breite mnsa
mindeBtens einige Ceatimeter geringer aein als diqenige der Thüröffnnng
der Kammer.
In Folge der in den Trockenkammern herrBchenden Hitze nnd
Fenclttigkeit pfiegt die Zapfenreibnng bei diesen Trockenkainmerwagen
Pig. 176.
eine recht beträchtliche und die Fortbewegnng dadurch sehr erschwert
in »ein. Da nun aber der vom Wagen zurückzulegende Weg immer die-
*elbe Länge gleich der Länge der TrockcDkamnier za besitzen pflegt, so
kann man die Fortheiregung sehr erleichtern , wenn man durch die in
Fig. 177 dargestellte Construotion die Zapfenreibnng des Wagens in eine
Fig. 177.
rollende Reibung verwandelt. Die Laufbahn des Wagens ist hier durch
die angegossenen Knaggen a a begrenzt, welche sich einem weitem
Fortrollen entgegen stellen and dadurch ein Kippen des Wagens numdg-
lich machen, welches eintreten würde, sobald bei fortgesetzter Bewegung
der Schwerpunkt des Wagens ausserhalb der Achsen zn liegen käme.
Wenn
A die Lauge des vom Wagen zurückzulegenden Weges ist,
a der Abstand zwischen einem Paar Knaggen,
D der Durchmesser der Rftder,
d der Durchmesser der Zapfen,
to iat
a: A=:d: ß.
Ad
d. h. je grüsaer der Raddurchmeaaer im Verhältnisse zum Zapfendurch-
messer ist, desto kleiner kann fikr eine gegebene Laufbahn der Abstand
zwischen zwei Knaggen sein, desto weniger Gefahr für das Kippen des
Wagens ist vorhanden.
! Trockenkammern.
Mitnnt«r bring:! man auf dem Wagen noch besondere GerOste an,
die HU trocknenden Geganatände anfsunehmen nnd eine mSgUohBt
Fig. 178.
grosse Ansafal derselben unterzabringen. Als Beispiel möge die in den
Figuren 178 nnd 179 abgebildete Vorricbtung zur Anfiagemng von
Röhrenkemen dienen.
G. Die Anwendung von Hasobinen anr Formerei.
Das der gesammten modernen Fabrikation eigenthOmliche Bertreben,
dnrcb Massenanfertignng von Specialartikeln deren Selbstkosten nnd
Verkanfaprös berabmdracken, gab anoli YeranlaBsnug snr ConstmctioD
einer AnsabI verscbieden eingerichteter Haschinen in der Formerei,
grösstentheils dam bestimmt, bei der Anfertigung solcher Specialartikel
die Handarbeit des Formers theilweiee an ersetsen nnd dadurch die
Arbeit tu beochlennigen; bisweilen anch mit der Aufgabe, ein kostspieli-
ges, fllr die Handarbeit unentbehrliches Modell durch einen einCsche-
ren Apparat sn ersetien.
Es lassen sich demnach sämmtliche für die Formerei benntst« Ma-
schinen in folgende Gruppen theilen ;
1) Formmaschinen, welche das Modell aus der Gnssfbrm heben.
Wenn diese Arbeit durch eine Maschine rasch and sicher attsgef%hrt
wird, kann dadurch erhebliche Zeit gewonnen werden. Denn ea wird
Fonomaschmen.
193
nicht allein direct der grössere Zeitanfvrand beim Aasheben mit der
menschlichen Hand gespart, sondern bei der grossem Sicherheit und
Gleichmässigkeit der Maschinenarbeit fallen die, meistens noch beträcht-
licheren, ZeitYcrloste fast gans fort, welche durch das Ausbessern der
beim Heransnehmen mit der Hand entstandenen Beschädigungen der
Gosdbrm veranlasst werden. Die Zeiterspamiss wird um so grösser,
wenn in einem und demselben Formkasten mehrere Modelle eingeformt
sind, welche durch die Maschine mit einem Male herausgeholt werden,
während bei Handarbeit nur eins nach dem andern gelöst werden kann.
Der Vorgang bei den zahlreichen hierher gehörigen Gonstructionen
von Formmaschinen ist im Wesentlichen derselbe. Das Formkastentheil
c, Fig. 180, befindet sich in der zum Einstampfen richtigen Lage auf
einem gusseisernen gehobelten Tische d, der mit Oeffnungen versehen
ist, um die Modelle a hindurch zu führen. Diese Oe£Fnungen müssen
Fig. 180.
sehr genau gearbeitet sein, so dass weder ein Klemmen der Modelle ein-
treten kann, noch ein Zwischenraum bleibt, in welchen Sand hineinfallen
konnte. Die Modelle sind auf einer Platte h befestigt, welche mit Hülfe
der Schraubenspindel e, der Getriebe / und g (deren ersteres mit Mutter-
gewinde &kr die Spindel e versehen und durch ein über seine Verlange-
rang übergeschobenes Halslager s vor Verschiebung gesichert ist), und
der Handradspindel k in genau senkrechter Richtung auf- und abbewegt
werden kann. Die Fühningsstangen II dienen ausserdem zur Vermei-
dung von Schwankungen beim Auf- und Niedergehen. Durch Drehung
des Handradchens m nach dem Einformen des Kastens werden also
sämmtliche auf der Platte h befindliche Modelle rasch und sicher aus der
Gusaform herausbewegt. Ist das Modell getheilt, so dass ein Theil im
Oberkasten liegt, so bedarf man, wenn nicht beide Hälfben ganz gleich
sind, zweier Formmaschinen für Ober- und Unterkasten; ist dagegen,
wie in dem vorstehend gegebenen Falle (Schienenstuhlmodell), das Modell
liedebar, meoliAuisch-meteUiurgiMhe Teohnologi«. X3
194 Formmaschinen.
nur im Unterkasten befindlich und der Oberkasten ganz glatt, bo bedarf
es nar einer gehobelten Platte zum Einformen dee letztem.
Statt der Bewegung durch Schraubenspindel und drehbare Schrau-
benmutter kann man auch durch Zahnstange mit Getriebe, Kniehebel
oder andere Maschinenelemente die Bewegung des Modells bewirken.
In einzelnen Fällen kann auch eine solche Abänderung der Constmction
zweckmässig sein, bei welcher das Modell stehen bleibt, der Tisch mit
dem Formkasten aber gehoben wird.
Je zeitraubender die Arbeit des Heraushebens mit der Hand ist,
und je weniger bei dieser Manipulation Beschädigungen zu vermeiden
sind, desto hoher werden die Ersparnisse durch Anwendung solcher Form-
maschinen sein. Beim Einformen von Schienenstühlen, deren vier zu-
sammen in einen Formkasten eihgeformt wurden, hatte Verfasser vor
einigen Jahren Gelegenheit, eine totale Mehrprodnction von 30 Procent
gegenüber der alleinigen Handarbeit zu constatiren.
Ausserdem findet man solche Maschinen angewendet bei Herstellung
von kleinen Maschinentheilen fclr landwirthschafbliche und andere Ma-
schinen, Geschossen, Röhren.
2. Formmaschinen, welche das Einstampfen beziehentlich Fest-
drücken des Formmaterials besorgen, besonders für den Röhrenguss in
Anwendung.
In der Mitte des cylindrischen , senkrecht stehenden Formkastens
dreht sich bei der Röhrenform maschine , von einer Transmission atis be-
trieben, eine verticale Spindel, auf welcher das Modell und die Vorrich-
tung zum Einformen befindlich ist. Letztere besteht entweder aus einem
kurzen Cylinder von dem Durchmesser des Formkastens im Lichten mit
Rollen am untern Rande oder mit flachen Schraubengängen zum Fest-
drücken des von oben eingeschaufelten Sandes (Sheriff'sche und
Steward^ sehe Formmaschine), oder aus Stampfern, welche während des
Rotirens durch Excenter gehoben werden und durch ihr Gewicht nieder-
fallen , oder aus ähnlichen drückend oder stampfend wirkenden Werkzeu-
gen. In allen Fällen wird diese Vorrichtung von dem eingeschaufelten,
sich mehr und mehr häufenden Sande selbst allmälig gehoben und zieht
dabei auch das Modell nach sich.
3. Maschinen, welche ein grösseres, aus einer Anzahl gleicher
Theile bestehendes Modell durch ein einziges dieser Theile ersetzen. In
gewisser Hinsicht gehören auch die sub 2 erwähnten Röhrenform-
maschinen hierher, indem bei denselben nur ein kurzes Rohrende, welches
allmälig aufwärts bewegt wird, statt des Modells erforderlich ist Deut-
licher ist jedoch dieses System der Formmaschinen in der vielfach be-
nutzten Räderformmaschine für Zahnräder vertreten, deren erste Gob-
struction sich G. M. Scott im Jahre 1865 patentiren liess^.
1) In Deutschland werden Bäderformmaschinen verbesserter Constmction
durch die Chemnitzer Werkzeugmaschinen&brik in Chemnitz erbaut, welcher
Räderformmaschine. 1 9S
Auf dem ^aseiBernen, in den Erdboden eingegrabenen and unfeiner
Boüden Fnndamentplatt« angesoliraabten Fuaae a^ Fig. 181, welcher mit
einem (pnnktirt gezeichneten) heraasnehmbaren sapfen artigen Fortsätze
TereeheniBt, steckt der hohle gnsHeiseme Schaft b, durch die Schrauben cc
vor Drehung gesichert. Der obere, pnnktirt gezeichnete Theil dieses
Fig. lei.
Schaflis ist schwächer im Dnrcbmesser , ringsam gedreht, nnd trägt die
geschmiedete Oese d za demZwecke, den Schaft I> mit HUlfe einesKrahns
leicht Ton dem Fnsae abnehmen und wieder anfstecken zu können. Un-
Ver&Mer die gegebene Äbbildaug dieser Maschine verdankt. — £b Bei eine
Bcschreibang dieser Maschine — obschon streng genomniei] in das Qebiet der
■p«ciellen Technologie gehörend — schon hier gestattet, um ein BeiBpiel für
dtrartige Formmaschineu zu geben.
1 96 Räderformmaschine.
mittelbar unter d befindet sich das Schneckenrad e fest mit dem Schafte
h verbunden, also wie dieser nicht drehbar, lieber diesen obern schwa-
chem Theil des Schaftes h ist nun die Hülse / gesteckt, innen ausgedreht
und um h drehbar. An diese Hülse ist zunächst das consolformige La-
ger g angegossen, welches zum Tragen einer in das Rad e eingreifenden
Schneckenspindel i dient (in der Abbildung nur in der Stirnfläche sichtbar),
auf deren einem Ende das Getriebe h befestigt ist Wenn h und dadurch die
Spindel i gedreht wird, so muss, da das Rad e fest liegt, die Spindel sich
um e herumbewegen und dadurch auch die Hülse /in Drehung versetzen.
Etwas weiter unten befindet sich an/ angegossen das Führungsstück & für
den horizontalen rahmenformigen Arm Z, welcher zwischen diesem Füh-
rungsstücke nach beiden Seiten in horizontaler Richtung verschoben wer-
den kann. Zur Bewirkung dieser Verschiebung träg^ das Stück k die
Schraubenmutter i», durch welche die in dem Arme fest gelagerte und
an dem einen Ende mit dem Handrädchen n versehene Schraubenspin-
del 0 hindurchgeht. An der andern Seite des Arms, parallel mit o, liegt
die glatte Spindel p, auf der einen Seite die Kurbel g, auf der andern das
Getrieberad r tragend, r ist durch die Zwischenräder s und /, welche
beide in dem Bügel u befestigt sind, mit dem Stirnrade h in Verbindung
gesetzt, so dass durch Drehung der Kurbel q auch die Spindel i bewegt
und somit die ganze Hülse / sammt dem Arme l in Umdrehung um den
Schaft der Maschine versetzt wird. Es ist klar, dass man im Stande sein
wird, durch die Wahl bestimmter Grössenverhältnisse zwischen den Zahn-
rädern s und t jedes beliebige Maass für die Drehung des Arms 2 bei
einer ganzen, halben oder viertel Drehung der Kurbel g hervorzubrin-
gen; mit anderen Worten, wenn ein Rad mit N Zähnen geformt werden
soll, man solche Räder 8 und t einschalten kann, dass jede ganze, halbe
oder viertel Drehung von q den Arm l um — des ganzen Kreises dreht,
entsprechend der verlangten Zahntheilung — •
Zu diesem Zwecke wird der Maschine eine grössere Anzahl solcher
Getriebe von verschiedenen Durchmessern und gleicher Zahntheilung, zum
Auswechseln eingerichtet, beigegeben, und eine gleichfalls beigegebene
Tabelle erleichtert die Wahl der Räder für eine gegebene Anzahl Zähne
des zu formenden Rades. Damit aber das Einstellen der Kurbel q mit
Genauigkeit erfolgen kann, dreht sich dieselbe auf einer Scheibe r mit
Einschnitten am Rande für ganze, halbe und viertel Drehungen, und eine
kleine Feder x bewirkt ein sofortiges Einschnappen der Kurbel in einen
solchen Einschnitt, sobald der betrefiPende Stand erreicht ist, und die
Kurbel nicht mehr mit der Hand angezogen wird.
An dem einen Ende des Arms { befindet sich nun eine gnsseiBerne
Führung w, in welcher das gusseiserne Prisma y auf- und abwärts be-
wegt werden kann. Zur Hervorbringung dieser senkrechten Bewegnxiff
dient die Kette a, welche in das Prisma eingreift und um daa Ketten-
Räderformmaschine. 1 97
rftdchen « geschlungen ist; letzteres wird durch Vermittelang des auf
seiner Welle befindlichen Schneckenrädchens ß und der Schnecke y von
dem Handrade d ans bewegt. Zur Begrenzung des Hinabgehens dient
der verstellbare Anschlag 6, zum Feststellen des Prismas die Drock-
schranbe (.
Dieses Prisma trftgt nun an. seinem untern Theile den eigentlichen
formgebenden Apparat, das Modell 17 zu einem Zahne nebst zwei Zahn-
lücken, welches sich also mit Hülfe der beschriebenen Einrichtungen
in den vorgeschriebenen Abstand vom Drehungspunkte bringen;
im Kreise herumführen und derXheilung des anzufertigenden Rades
entsprechend für jeden zu formenden Zahn einstellen ;
über die Gussform erheben und in dieselbe einsenken lässt.
Die Arbeit beim Einformen beginnt damit, dass, nachdem der Schaft
h nebst der Hülse / von dem Fusse abgehoben worden sind, eine Hülse
mit Scheere wie für die Lehmformerei über den stehen bleibenden Zapfen
des Fusses geschoben und mit einer Schablone in dem Formsande das
Modell für die obere Begrenzungsflfiche des Rades gedreht wird ; bei cylin-
drischer Form des Rades wie in vorliegender Figur also eine horizontale
Ebene. Dann wird nach dem Bestreuen mit Ziegelmehl der Oberkasten
aufgesetzt, voll Sand gestampft, die Eingüsse an ihre Stelle gesetzt und
der Oberkasten, welcher nun fertig ist, abgehoben und vorläufig bei Seite
gestellt. Die genaue Stellung desselben auf der Gussform wird vorher
durch eingeschlagene Holzpflöcke markirt, auch die Fläche des Oberkastens
selbst wohl nach dem Abheben mit einer besondem Schablone und mit
Hilfe einer im Mittelpunkte eingeformten Hülse nochmals nachgedreht,
besonders wenn die Fläche nicht eben, sondern wie bei konischen Rädern,
winkelförmig profilirt ist.
Nun wird der Sand rings um den Zapfen aufgegraben und mit einer
zweiten Schablone das Profil des Untertheils der Gussform in der ganzen
Höhe eines Zahns ausgedreht, so dass der Durchmesser der Gussform
nunmehr gleich dem grössten Durchmesser des Zahnrades bis an die
Aussenkante der Zähne gemessen ist (wie bei ^i9 in Fig. 181), und die
Trennnungsfläche zwischen Ober- und Unterkasten mit dem obern Rande
der Zähne zusammenfUlt. Dann wird die Maschine auf den Fuss ge-
steckt, Durchmesser und Theilung richtig gestellt und nun Zahn an Zahn
angeformt 9 wie ans der Abbildung ersichtlich ist. Arme und Nabe des
Rades müssen durch später eingelegte Kerne, die im Kernkasten geformt
werden, gebildet werden. Endlich wird die Maschine wieder abgehoben,
auch der Zapfen aus dem Fusse gezogen, das dadurch entstehende Loch
der Gussform (bei ^) mit Sande zugeformt, die erwähnten Kerne einge-
legt und der Oberkasten aufgesetzt.
Eine eigentliche Ejrsparung an Arbeit in der Formerei wird durch
die Räderfbrmmaschinen nicht erreicht, wie aus vorstehender Beschreibung
des Arbeitsverfahrens sich ergeben dürfte, und wie es die Erfahrung be-
stätigt. Im Gegentheile pflegen die mit der Maschine geformten Räder
198 Starre Gussformen.
im Gusse — abgesehen von den Modellkosten — theurer auszufallen als
die nach einem vollständigen Modelle gefertig^n.
Diese Mehrkosten können aber gedeckt werden durch die grossere
Genauigkeit der mit der Maschine geformten Räder, welche ein Nach-
arbeiten der Zähne entbehrlich macht, und durch die Ersparung an
Modellkosten. Letztere stellen sich um so höher, je grösser das Etad ist
und je weniger Abgüsse davon verlangt werden. Mit der Grösse des
Rades wächst auch die Gefahr des Verziehens des Modells, wodurch
selbstverständlich der Abguss ungenau ausfallt. Diese Gründe lassen die
Anwendung von Räderformmaschinen für grosse Räder zweckmässiger als
für kleine erscheinen : Räder unter 500 Mm. Durchmesser, auf gewöhnliche
Weise geformt, werden sich auch unter Berücksichtigung der Modell-
kosten fast immer so erheblich billiger stellen, dass für diese die Anwen-
dung der Formmaschinen kaum noch als zweckmässig bezeichnet wer-
den kann.
Literatur über Formmaschinen:
Dürre, Handbuch des Eisengiessereibetriebes , IL Bd., Leipzig 1875,
S. 471 bis 514, 520 bis 538.
H. Stentz, Ueber die Anwendung von Maschinen in der Formerei. Zeit-
schrift für JBerg-, Hütten- und Salinenwesen im preussischen Staate.
Bd. XII (Jahrgang 1864), S. 324 u. ff.
aussformen und Kerne ans starrem Materiale.
Die Anwendung derselben ist eine weit beschränktere als diejenige
der Gussformen aus bildsamem Materiale. Denn einestheils pflegt die
Anfertigung solcher starren Gussformen (Schalen) erheblich kostspieliger
zu sein, als die Herstellung der Gussformen aus Sand, Masse oder Lehm
und kann fast immer nur für solche Fälle lohnend erscheinen, wo eine
grosse Anzahl gleicher Abgüsse in derselben Form gefertigt werden
soll; andemtheils werden die Eigenschaften mancher Metalle, z. B. des
Gusseisens, durch die raschere Abkühlung in den metallenen Gussformen,
welche für diese schwerschmelzigen Metalle allein benutzbar sein wür-
den, so erheblich verändert (Seite 109), dass die Abgüsse in vielen Fäl-
len ihre Benutzbarkeit einbüssen würden, obschon allerdings in einzel-
nen Fällen, welche unten Erwähnung finden werden, gerade diese Verän-
derung der Eigenschaften durch Anwendung metallener Gussformen be-
zweckt wird; endlich ist die Form des herzustellenden Abgusses nicht
immer eine solche, dass die unvermeidliche Schwindung nach dem Giessen
innerhalb der starren Gussform stattfinden kann, und in diesem Falle
Starre Gussformen« 199
tritt ein Z^rreisseu des Abgusses ein, wenn nicht das verwendete Metall
sehr dehnbar ist and einen geringen Schwindangscoef&cienten besitzt
(Zinn, Blei). So z. B. würde ein Rad mit Nabe und Armen, aus
Giuseisen, Messing, Bronze in einer durchaus metallenen Gussform
gegossen, im Kranze und den Armen reissen oder sich doch im gün-
stigsten Falle so fest um das zwischen den Armen befindliche Mate-
rial der Gussform zusammenpressen, dass es nicht möglich wäre, den
Abguss, ohne ihn zu zerbrechen, herauszunehmen; aus demselben Grunde
lassen sich Kerne aus starrem Materiale fast nur bei weichen , dehnbaren
Metallen anwenden. Das bildsame Material der einmaligen Gussformen
gestattet eben eine der Schwindung des Metalls entsprechende Zusam-
mendrückung, und in den wenigen Fällen, wo ein grösserer Widerstand des
Formsandes etc. ein Zerreissen des stark schwindenden Abgusses befürch-
ten lässt, kann man durch schleuniges Freimachen des letztern in der
zerstörbaren Gussform diese Gefahr beseitigen.
Das üblichste Material für die starren Gussformen ist das Gusseisen ;
anentbehrlich für die bei höherer Temperatur schmelzenden Metalle:
Gassstahl, Gusseisen, Bronze, Messing, sofern dieselben in Schalen ge-
gossen werden sollen; seiner Billigkeit und Dauerhaftigkeit halber auch
häufig für die in niedrigerer Temperatur schmelzbaren Metalle, Zinn, Zink
Blei u. a. benutzt. Wenn die Gussformen sorgfaltiger Bearbeitung durch
€iseliren zu ihrer Herstellung bedürfen, so wählt man wohl der leichtern
Anfertigung halber Bronze, Rothguss oder Messing als Material für die-
selben« Die leichtschmelzigeren Metalle giesst man bisweilen, obwohl
seltener, in Gussfomen aus demselben Metalle, als man zum Giessen be-
nutzt, natürlich niemals in einem bei niedrigerer Temperatur schmelzen-
den. Für Zinn- und Bleigüsse ist ein nicht selten benutztes Material der
Schiefer (z. B. för die bekannten Zinnsoldaten), welcher das Eingraviren
der Gussform leicht gestattet; für grosse plattenf5rmige Körper wird bis-
weilen Sandstein oder Granit benutzt; für die Stereotypplatten der Let-
temgiessereien dient gepresstes Papier als Material der Gassform.
Die Gussformen müssen natürlich so eingerichtet sein, dass ein Her-
aasnehmen des Abgusses ohne Schwierigkeit möglich ist. Hierdurch
wird bei weniger einfachen Formen der Abgüsse eine Zerlegung der
Gussformen in oft viele Theile erforderlich. Sämmtliche Theile müssen
dabei mit Vorrichtungen versehen sein, welche ein genaues Zusammen-
schliessen derselben bewirken.
Wenn die Gussform nicht etwa oben offen ist, ein Fall, der nur
beim Gusse der einfachsten Formen vorkommt, so muss sie mit einem
Eingüsse versehen sein, durch welchen das flüssige Metall in die Guss-
form gelangen kann und welcher später entfenit wird. Da das Material
der Gussform völlig undurchlässig für Gase ist, so muss bei allen ge-
schlossenen Gussformen dieser Art Sorge getragen werden, dass die inner-
halb derselben eingeschlossene Luft entweichen kann, ehe das Metall er-
starrt Man bringt zu diesen Zwecke feine Luftcanäle an, gewöhnlich
200 Starre Gassformen.
auf den Trennmigflächea der einzelnen GaBsfonntbeile, weldie das Innere
derselben mit der 'änssern freien Loft in Verbindung eetzen.
Der einfacIiBte Fall der Änwendong starrer Gnseformen iet der,
wenn stnbformige oder platt enförmige Körper gegossen werden sollen,
welche die erste Stufe für die weitere Verarbeitong bilden; so ans Gusb-
atahl, Knpfer, Messing, Brouse, Gold, Silber, Blei u. b, w. Diese Gnss-
formeu sind stete oben offen, und zwar entweder mit einer der breiten
Seiten oben (liegende oder offene Gnsaformen), oder hänfiger mit einer
der schmalen Seiten oben (stehende Gaesformen), je nachdem die sp&tere
Verweudang des Gossstflcks das eine oder andere Verfahren sweckmassi-
ger erscheinen lässt. Denn auch hier pflegt, zumal bei den schwerer
schmelzbaren UetaUea, die beim Gusse zu oberet liegende Seite undich-
ter zu sein als die untere. Hau nennt diese einfachen Gussformen, dazu
bestimmt, einem rohen Metalle eine erste Form zu gehen, bisweilen
schlechtweg Eingüsse (Ingots.) Ein vierkantiger Eieenstab, mit einem
Handgriffe und auf einer Fläche mit einer langen sobm&len Höhlung
versehen, wird zum Eingiessen von Gold und Silber gebraucht, welche
Metalle dann zu Dräihteu, Blechen etc. weiter verarbeitet werden, und
stellt wohl die einfachste Form solcher ofi'enen EingOsae dar. An diese
Bchliessen sich die sogenannten Rohreingasse, fOr den stehenden Guss
Yig. 182. bestimmt, schwach konische Kohre mit mn-
der oder viereckiger Oeffiinug, deren unteres
Ende während des Gieseens durch einen
Stöpsel verschlossen wird. Grössere der-
artige GaSBformen bestehen fast immer aus
zwei Tkeilen. Fig. 182 stellt eine solche
zweitheilige Gussform fOr StablgOBse dar,
welche während des Giessana durch aber-
gelegte SchmiedeeiseDrioge eosammengehal-
ten wird.
Für den Guss plattenformiger Körper
benutzt man bisweilen zwei aufrecht ge-
stellt« Gusseisenplatten, zwischen denen man
Leisten von der St&rke der herzustellenden Platte derartig einlegt, daas
sie drei Seiten der Gassform begrenzen , während die vierte obere Seite
offen bleibt.
Weniger einfach ist die Einrichtung der Gussformen, wenu die her-
zustellenden Abgüsse gegliederte Form besitzen, und besonders, wenn de
hohl sind. Wie bei Hohlkörpern, welche im bildsamen Materiale gegos-
een werden sollen, ist alsdann ein Kern und eine äossere Umhüllung
erforderlich, welche bei dieser Art von Gussformen, voreugsweise für die
Zinngieaserei verwendet, Hobel genannt wird.
Fig. 183 stellt eine Gnseform zum Goese cylindrischer Hohlgefiste
dar, wie sie zum Messen von Flüssigkeiten benutzt werden, a ist der
gUBseiserne cjUndrische Kern, b der gleichfalls gusseiseme Hobel, ans
Starre Gossfonneo. 201
zwei Theilen beatehend, um Um vom AbgoBse lösen m kOnnen , and mit
dem EingoMe c veraehen. Oben greift 4er an dem Kerne angegosaene
Deckel, ttntan der Untersatz d über den Rand der beiden Tbeile des
Hobela and hftlt ihn zusammen, während auf diese Weise lagleioh die
conoentrisohe Lage des Kerns gesicbert ist Mit einer Angel tritt der
Tbnl d in den Holzfnse e. Bei der Debnbarkeit des Zinns and dem ge-
ringen Durcbmesser des Geiaases ist ein Zerreissen desselben durch das
Schwinden nm den starren Kern a nicht zu fürchten, wohl aber preast
Fig. 1S3. Fig. 1B4.
sich in Folge der Schwindang der Abgofis so fe«t am den Kern, das»
letsterer sich dnroh einfaches Ziehen mit der Hand nicht mehr heraoe-
bringen lisst. Ans diesem Grunde ist der Kern mit dem Haken / ver-
■ehen, nm mit Bfllfe einer Winde, deren Kette oder Seil in / eingreift,
während der Abgnss in eine hölzerne festliegende Büchse eingespannt
ist, den Kern herauszuziehen.
Die OoBsform f&r eine gesobweifte Kanne mit angegossenem Fusse
202 Schalenguss.
(in Zinn oder Britanniametall) ist in Fig. 184 (a. t. S.) abgebildet^). Der
Hobel a besteht auch hier wieder ans zwei Theilen und lässt sich auf
diese Weise ohne Weiteres yom Abgüsse losen; oben wird derselbe
durch den über das „Schloss" greifenden Deckel c, unten durch den Fuss
d zusammengehalten. Weniger einfach ist der Kern construirt, welcher,
wenn er nur aus einem oder zwei Stücken bestände« nicht aus dem Ab-
güsse herauszubringen sein würde. Er ist deshalb durch Yerticalschnitte,
von denen die das Stück » begrenzenden etwas nach innen divergiren, in fünf
Theile zerlegt, welche oben in den Deckel, unten in das Stück y mit
Schloss eingreifen, y ist Yon beiden Seiten mit Muttergewinde yersehen,
so dass nun mit Hülfe der Schrauben 8 und i die ganze Form fest zu-
sammengeschlossen werden kann. Nach dem Abgüsse werden zunächst
die Schrauben gelöst, Boden, Deckel und Hobel entfernt, dann das Stück
X des Kerns nach innen herausgenommen, worauf die übrigen Theile yon
selbst losgehen. Ausguss und Henkel werden bei allen derartigen Ge-
issen in besonderer Form gegossen und entweder angelöthet oder auch
wohl angegossen, indem man die Gussform für diese Theile, welche an den
Berührungsstellen mit dem Gefösse oflfen sein muss, gegen die Wand des
Gefösses in richtiger Lage drückt und nun das flüssige Metall eingiesst,
welches dann mit dem Metalle des Gefasses zusammenschmilzt.
Anwendung von Gussschalen zur Beeinflussung der
Eigenschaften der Metalle.
Inwiefern die Eigenschaften der Metalle, insbesondere des Guss-
eisens und der Bronze, durch rasche Wärmeentziehung beeinflusst werden,
wurde auf Seite 109 erörtert. Da nun jene durch rasche Abkühlung her-
vorgerufenen Eigenschafben — grosse Härte des Gusseisens, Dichtigkeit
und Zähigkeit der Bronze — für viele Verwendungen sehr zweckmässig
sein können, so bewirkt man die für solche Fälle erforderliche rasche
Wärmeentziehung durch Anwendung von metallenen, gewöhnlich guss-
eisemen Gussschalen statt der Gussformen aus schlecht wärmeleitendem,
bildsamem Formmateriale. Gussstücke aus Gusseisen, welche durch Ein-
giessen in Schalen eine harte Oberfläche erhalten haben, nennt man
Schalenguss oder Hartguss.
Die Einwirkung der Gussschale auf die Eigenschafben des eingegos-
senen Metalls ist im Allgemeinen um so kräftiger, je grösser das Ver-
hältniss zwischen dem Gewichte der Schale und demjenigen des ein-
gegossenen Metalls, und je grösser der Temperaturunterschied beider in
dem Augenblicke ist, wo das eingegossene Metall anfangt, starr zu
werden ^).
1) Nach Abbaß, Handbuch der Metallgiesaerei. Weimar 1875, Taf. XIX,
Fig. 259 und 260.
^) Deshalb ist die Einwirkung starker, wenn das Metall wenig über seinen
Schalenguss. ' 203
Wenn man ein GuautQck tod einsr Seite her während des Erstar-
rens abkühlt, bo pflanzt sich diese AbkAblang Dicht rasch, eondera all-
milig durch das gMise Uetall fort. Die Folge davon ist, dase dasHaaeB
der Beeinflanimg der Eigenschaften durch jene WärmeeDtziebang um
so mehr abnimmt, je weiter die Theile des Abgusses von der Abkühlosga»
fliehe entfernt liegeo. Fflr die Anwendung von Gnaaeiaen als Gussmate-
rial für SohalengnsB ist dieser Umstand von hober Wichtigkeit; denn
das durch plötzliche Abkflhlang weiss gewordene Gnsseiaen besitzt aller-
dings eine aosserordentlicbe Härte und dadurch eine grössere Wider-
standeßUiigkeit gegen Einflösse der Reibung etc., ist aber in gleichem
Haasse spröder und weniger bearbeitungst^hig geworden, und letztere
Eigenscbaften würden ein Gassstück tüx die meisten Verwendungen nn-
bnuchbar maoheu, wenn es durch nnd durch jene Veränderung seiner
Beschaffenheit durch die rasche Wärmeentaiehnng erfahren h&tte. Man
beschrftnkt also beim sogenannten Hartgnsse die Anwendung der Gusa-
schalen auf dl^enigen Theile der Oberfl&che , bei welchen grössere Härte
kervorgerofen werden soll, und alle Übrigen, entfernter liegenden Theile
des Abgusses behalten ihre normale Beachaffeuheit.
Diesem Umstände zufolge bestehen die Ousafcrmeu für Hart- oder
Schalenguss fast immer ans mehreren Theileu, von denen eins oder einige
den einmaligen Gussformen zugehftreo und durch Formerei mit Hülfe
eines Hodelli hergestellt werden, während die für öftere Benutsung die-
nende GnssBohale als besonderer Tbeil mit jenen verbunden wird.
Beispiele. Bei einem guBaeisemen Laufrade für Eisenbahnwagen
(besonders für kleine Transportkarren, Hunde etc. benutzt) soll der Um-
fang des Radkranzes hart sein, während für alle Übrigen Theile dio nor-
male Beschaffenheit des Guaseisens nothwendig ist, um bearbeitnngsfahig
und den) Zerspringen weniger ausgesetzt zu sein. Die Gnssform eines
Yig, 185. solchen Rades hat also die in
Fig. 185 gezeichnete Einrich-
tung. Es tat hier a das Ober-
tbeil der Gossfonn mit dem
Eingüsse e, b das Untertbeil, c
die gusseiserne Schale , mit den
Formkastentheilen durch Diibel
verbunden, d ist der Kern für
die Nabenöffnung. Wenn die Wandstärke der Schale gleich der zwei-
bis sweiondeinhalh&chen Wandstärke des Radkranzes ist, so wird bei
richtig gewählter Beschaffenheit des Gusseisess ') der Abgoss an dem
Schmelcpnukt erhitit, ata wenn ei hoch erhitit in die Oiuafomt eingegossen
wird ; denn in lettterm Falle erwärmt e« auf Kosten eine« Tbeiles seiner eige-
nen Wäraie die Schale, bevor eine fieeindiiseung Miner Eigenscbaftan durch
die W&rmeentxiehung ttattfluden kann.
■) Ueberdi^enigenBeBtandUieiledBsOaweiseii«, welche diene Neigung, durch
raache Abkühlung weiss zuweiden, erhüben oder abiohwüchen, siehe B. 14 u. 109,
204 HartguBB.
Umfange weiss, strahlig, hart, ao der Innen eeite gran, kömig, weich
ADBfaUen.
Bei einem sogenannten HerzatQcke für KiBenbahukrenznngen
(Fig. 186) Bollen die Schienen an der Oberfläche Härtung erhalten, alles
jijl^ lgg Uebrige weich bleiben. £b
ist noch darauf Rückeicht
zu nehmen, daes bei der
langgestreckten Form des
AbguBses ein Em mm zie-
hen in Folge der raschem
Abkühlong der einen Seite
zu befdrobteu ist, und die-
BCB eich nur Yermeiden
läBst, wenn der Abgnse
Fig. IST. bis zum vöUigen Erkalten
durch festes Anspannen
in gerader Lage erhalten
wird. Die Figuren 187
und 188 stellen die Gusb-
form für ein solches Herz-
stück dar. a ist die Gubb-
schale, nngeiahr 100 Um.
stark, mit vielen kleinen
durcbgehendeaOe£hungen
versehen, um Gase and
Dämpfe, die sich aus dem Formsande entwickeln, nach unten entweichen
zu lassen. Ausserdem ist die obere Seite der Schale mit zahlreichen,
Fig. 188.
etwa 20 Mm. heransragenden Drahtstiften besetzt, welche einen Halt für
das auf derselben liegende Formmaterial bilden. An der unteren Seite
ruht die Gussscbate auf Torspringenden gehobelten Leisten des Form-
kastens, wie ans Fig. 167 ersichtlich ist. Um diese Lage zu aichem,
sind zwei Paar scbmiedeelBerne Bügel tow in die Schale eingegossen, um
starke gusseiseme Balken VC hindurchzustecken und durch Keile mit
Formkasten b nnd Gnasschale a in feste Verbindung zu bringen. Alles
Hartwalzenguss. 205
Uebrige dOi-fle einer Erläaterung nicbt bedürfen. Das erwähnte Gerade-
spannen des AbgosseB gescbieht, indem man sofort nach dem Gnase den
Obarkaaten abhebt, qner über das GasBstück swei gnsBeiaenie Balken
von gleicher Grösse ah v and parallel mit denselben legt und nun durch
ftbergeschobene starke schmiedeeiserne Bflgel und dazwischen geschlagene
Keile je einen oberen mit einem nuteren Salken fest verbindet, bis der
Abgnss erkaltet ist.
Bei Walzen znm Poliren von gewalzten Eisenstaben and zq aade-
ren Zwecken soll die Oberö&che des Mittelstacks (des Walzenkörpers)
hart werden, die Zapfen aber weich bleiben. Deshalb wird die Onsaform
zu einer solchen Hartwalze, wie aus Fig. 189 ersichtlich ist, hergestellt.
Pj- j gg Der tangential im unteren Zapfen
mündende EinguBs muss in die-
sem Falle für sich angefertigt
und mit der Oaesform in Ver-
bindung gebracht werden; häu-
fig nimmt man gusseiseme Rohr-
stücke dazu, welche inwendig
mit Masse bekleidet, getrocknet
and an den Formkasten ange-
schraubt werden.
Bei dem Terhältnissmässig
grossen Gewichte des Walzen-
körpers im Yerh<msse zu sei-
ner Oberfläche mttss die Guss-
schale eine beträchtliche Stftrke
besitzen, wenn die Härtnag tief
genug eindringen soll, nnd es
beträgt das Gewicht der Schale
aus diesem Grande nicht selten
das Drei- bis Vierfache des Ab-
gusses. Diese starke Guasschale
dehnt sich nun selbstreratänd-
lich ans, sobald sie Wärme von dem Abgüsse au&immt, nnd es bildet
sich zwischen diesem und der Schale ein Zwischenraom, welcher eines-
theils die fernere Abkühlung beeinträchtigt, zugleich aber zarEntstehnog
sogenannter Hartborsten (Hartrissen) Gelegenheit giebt, d. h. von
Rissen in dem Umfange , welche durch die nngleichartige and ungleich-
zeitige EiBtarraog der Rinde und des
nnem Kerns hervorgerufen «
den. Zur Vermeidong dieser Uebelstände wendet man neuerdings nach
einem dem Giessmeister Anton Tark i
ren Gnssschalen mit Wasserkühlung :
sind nur etwa 20 Mm. stark, dagegen .
100 Hm. mit einem Blechmantel umgeben, und zwischen diesem und
der Schale oircolirt nun das Kühlwasser, welches ununterbrochen eroeoert
in Doaavitz patentirten Verfah-
Walzen gusse an. Dieselben
einem Abstände von 80 bis
206 Geschützguss.
wird. Es findet begreiflicher Weise hierdurch eine kräftigere Abküh-
lung des eingegossenen Metalls statt, als durch noch so starke eiserne
Schalen ; die Gusssch^le dehnt sich nicht aus, und man vermeidet dadurch
nach Angabe des Erfinders die in Folge dieser Ausdehnung entstehenden
erwähnten Uebelstande, insbesondere die Entstehung der Hartborsten ^).
Jener bei Verarbeitung des Gnsseisens wohlthätige Umstand, dass
der Einfluss der raschen Wärmeentziehung durch die Gussschale mit der
Entfernung von der Abkühlungsfläche allm&lig sich verliert, wirkt bei
BronzegüBsen nachtheilig; denn bei den Bronzen stellen sich nicht wie
beim Gusseisen durch rasche Abkühlung neben den erstrebten Eigen-
schaften auch solche ein, welche die Verarbeitung und Verwendung be-
einträchtigen (Sprödigkeit des gehärteten Gusseisens u. s. w.), sondern
der Hauptvortheil der raschen Abkühlung liegt bei den Bronzen in der
Verhinderung des Saigems und in der durch diese Einwirkung erreich-
baren hohem Festigkeit und Widerstandsfähigkeit.
Giesst man z. B. ein Geschützrohr ohne Kern (also voll und für
späteres Ausbohren berechnet), so findet man, dass die Beschaflenheit der
Bronze um die Achse herum eine ganz andere ist, als am äussern Rande.
Es ist dieses offenbar ein Nachtheil, welcher sich bei der Verwendung
des Geschützes in empfindlicher Weise geltend macht. Nach mehrfachen
Versuchen hat Generalmajor von Üchatius, Director der k. k. Geschütz-
giesserei in Wien, eine gleichmässige Beschaffenheit der Gussbronze in
den Geschützrohren dadurch erreicht, dass in der Mitte der zum Gusse
dienenden Gussschale eine massive Eupferstange von 50 Mm. Durchmes-
ser als Kern eingesetzt und um diese herum das Metall gegossen wird«
Das Kupfer wirkt wärmeentziehend auf die Bronze und wird später
durch Ausbohren entfernt. Die in solcher Weise gegossenen Geschütz-
rohre bilden die erste Anfertigungsstufe für die in neuerer Zeit mehrfach
in politischen und wissenschaftlichen Blättern besprochenen Stahlbronze-
geschütze, von deren weiterer Anfertigung später (unter dem Abschnitte
„Form Veränderung durch mechanische Kraft") die Rede sein wird ^).
Die Gussschalen, sie mögen nun für sich allein die vollständige
Gussform (bei Zink, Zinn und Bleiguss) oder nur Theile der Gussform
bilden, erhalten gewöhnlich vor dem Gusse einen dünnen, isolirenden
Ueberzug, um ein Anschmelzen des eingegossenen Metalls zu verhüten.
Gusseiseme Schalen reibt man mit Oel, Talg, Wachs oder Graphit ein,
Messingformen für Zinkguss erhalten durch Bestreichen mit einer Lösung
von Silbernitrat in verdünnter Salpetersäure einen schwachen Silberüber-
zug, Zink-, Zinn- und Bleiformen werden mit Bolus oder Kienruss bestrichen
oder über einer qualmenden Oel- oder Kienflamme angeblakt u. s. f.
^) OeBterreichisclie Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, Jahrgang 1875,
8. 174.
^) Dingler's polytechnisches Jonmal, Bd. 217, S. 122.
Beschwerung der Gussformen. 207
Literatur über Gussformen aus starrem Materiale:
Abbas, Handbuch der Metallgiesserei , Weimar 1875, enthält auf Seite
100 u. ff., sowie Taf. XVIII und XIX Beschreibung und Abbil-
dung von Grussformen für Gold, Silber, Zink, Zinn und Blei.
Dürre, Handbuch des Eisengiessereibetriebes , 2. Bd. (Leipzig 1875),
S. 613 bis 627 (Mittheilungen und theoretische Betrachtungen
über Anwendung von Gussschalen bei Verarbeitung des Gusseisens).
Die FerÜKstellting der Oussformen für die Aufiiahme
des ^esclmiolzenen Metalls.
In dem Vorstehenden wurden die Gussformen und ihre Herstellung
bis zu dem Punkte einer Besprechung unterzogen, wo sie hinsichtlich
ihrer äussern Form eben geeignet sind, als formgebende Apparate zu
dienen. Bevor jedoch das flüssige Metall in die fertig zusammengestellte
Gussform eingegossen werden kann , sind noch gewisse Vorsichtsmaass-
regeln erforderlich, welche den Zweck haben, ein durch den hydrostatischen
Druck des flüssigen Metalls bewirktes Auseinandertreiben der Gussform
— besonders wenn sie aus mehreren Theilen zusammengesetzt ist —
und ein dadurch unfehlbar eintretendes Ausströmen des flüssigen Metalls
durch die entstandenen Fugen zu verhindern. Dieser Druck des flüssi-
gen Metalls kann bei hohen Eingüssen und grossem Querschnitte der Guss-
form ein recht beträchtlicher werden. Wenn h die Höhe der über einem
beliebigen Punkte der Gussform stehenden Metallsäule bezeichnet, g das
Gewicht des Metalls pro Volumeneinheit (z. B. Cubikmeter), so ist der
vom Metalle an jenem Punkte ausgeübte, auf Auseinandertreiben der
Gussform gerichtete Druck pro Flächeneinheit (Quadratmeter) I> = hg.
Bei Herdgussformen ist die Gussform durch ihre Lage in dem
Herde gegen diesen Druck hinreichend geschützt; bei Kastengussformen
wird der I>mck, sofern der Formkasten solide genug gearbeitet ist, in-
soweit von den Formkastenwänden aufgenommen, als seine Richtung nor-
mal gegen dieselben trifft; alle Druckkräfte aber, welche nicht normal
gegen diese Wände gerichtet sind, streben entweder, das Formmaterial aus
den offenen Stellen des Kastens herauszudrücken oder die ganzen Theile
der Gussform aus einander zu treiben. £s sei z. B. eine gusseiseme Platte
3 Meter lang, 2 Meter breit zu giessen und in einem zweitheiligen Form-
kasten in horizontaler Lage eingeformt. Die an verschiedenen Stellen
angebrachten Eingüsse seien 0,25 M. hoch von der Oberkante der Platte
aus gemessen. Ein Cubikmeter Grusseisen wiegt 7250 Kilogramm, dem-
nach ist der Druck gegen die Wände der Gussform pro Quadratmeter
^^=0,25 X 7250 = 1812,5 Kilogramm, und der totale Druck, welcher
gegen den Oberkasten der Gussform wirkt und diesen emporzuheben strebt:
3 X 2 X 1812,5 = 10 875 Kilogramm.
208 DammgmbeiL
Es leacbtet ein , dass bei solchem Dmcke weder das eigene Gewicht
der Gnssfonn sammt ihrer Röstimg, noch die bisher beschriebenen Yer-
bindnngsweisen der einssebien Gnssformtheile ansreichend sein werden,
ein Auseinandertreiben derselben zn yerhaten. Kleine Formkasten spannt
man in solchen Fällen zwischen Lehrbretter (Seite 141), die durch
Schraabenzwingen zusammengehalten werden; grössere belastet man mit
angelegten BeschwenmgBeisen, welche mit den Enden auf den Rändern
des Kastens anfliegen müssen. Gewöhnlich benutzt man dazu prisma-
tische Gusseisenstacke, auch Roheisenbarren eignen sich för diesen Zweck.
Grosse Formkastentheile werden ausserdem mit Hülfe von Splinten,
welche durch die Dübel gesteckt werden , mit einander fest verbunden.
Die Bemessung der richtigen Belastung eines Formkastens gegen das
Auseinandertreiben ist eine wichtige Bedingung für das Gängen des
Gusses.
Damm gruben. Bei aUen freien Gussformen ist natürlich ein ein-
seitiges Beschweren wie bei Eiastengussfonnen nicht ausreichend, dem
Drucke des Metalls hinreichenden Widerstand zn leisten , da die in seit-
licher Richtung th&tigen Kräfte hier nicht wie bei letzteren in dem Form-
kasten einen soliden Widerstand finden. Man richtet deshalb für solche
Gussformen eine vor Feuchtigkeit geschützte Vertiefung in dem Erd-
boden des Giesslocals her, in welcher dieselben völlig in porösen Sand ein-
gegraben und auf solche Weise gegen den Druck des Metalls geschützt
werden können. Diese Vertiefung heisst Damm grübe.
Dieselbe hat cylindrische, bisweilen auch prismatische Form und ist
durch einen wasserdichten Mantel aus Eisenblech, Gusseisen oder Maue-
rung gegen das Eindringen von Feuchtigkeit von aussen her geschützt.
Die cylindrische Form leistet dem Erddrucke den grössten Widerstand
und ist deshalb , wo nicht ganz besondere Gründe dagegen sprechen , die
geeignetste; je tiefer die Dammgrube, je grösser also der Elrddruck ist,
desto weniger geeignet ist eine prismatische Form.
Der Durchmesser und die Tiefe der Dammgruben sind, den verschie-
denen Bedfirfiiissen entsprechend, sehr verschieden; f^die meisten reicht
eine Tiefe von 4M. bei einem Durchmesser von 3 bis 4M. aus, und wo
nur kleine Abgüsse gefertigt werden, sind jene Abmessungen nicht selten
erheblich geringer.
Die Wahl des Materials zu den Dammgrabenmänteln ist von ver-
schiedenen Umständen abhängig. Schmiedeeiserne Mäntel sind am bil-
ligsten herzustellen, widerstehen aber am wenigsten den chemischen Ein-
flüssen der Feuchtigkeit. Enthält das Grundwasser freie Säuren oder
saure Salze, so ist nicht zur Anwendung von Schmiedeeisen zu rathen.
Gasseisen hat eine längere Dauer als Schmiedeeisen, eignet sich aber
weniger für cylindrische Form der Grube wegen der Schwierigkeit des
Gusses, erfordert eine umständlichere Verdichtung und ist aus diesen Grün-
den nur für flache Gbuben mit quadratischem oder rectangulärem Grundrisse
in Anwendung. Bei viel benutzten Grruben veranlasst die geringere Wider-
Dammgruben. 209
standsfihigkeit des GnaaeiBena gegen Zerspringen gerechte Bedenken
gegen dessen Verwendang, da bei w&sserhaltigem Boden ein einziger
Sprung die ganse Dammgnibe nnbraachbar machen kann.
Qemanerte Dammgraben gehen bei gnter AnsfOhrnng die bei Wei-
tem gr58ste Sicherheit gegen Beschädigimgen aller Art und warden nn-
bedingt allen übrigen vorzuziehen aeia, wenn nicht ihre höheren Her-
etellimgakoBten in der Regel erheblich hierbei in die Wagechale fielen.
Dennoch sollte bei viel benutzten Dammgmbea in wasaerreichem Erd-
reiche dieses Bedenken der Gefahr gegenüber anaaer Acht fallen, bei
Anvendnng Ton Schmiedeeisen oder GasaeiBen kostspielige Reparaturen
oder gar eine Emeuenuig der Dammgraben Tomehmen zn müsaen.
Die Anlage groaaer Dammgruben ist besonders bei wasserreichem
Boden eine nicht leichte Aufgabe und erfordert Ueberlegimg nnd Sorg-
falt H&nfig iat man genöthigt, nach dem Ansachacbten des BodeuB eine
Holzwand zn ziehen, nm das Nacbatürzen des Erdreichs zu verhüten,
bevor der Hantel eingebracht ist. Ist der Wasserandrang stark, so müs-
aen Pumpen aufgestellt and Tag and Nacht in Tbätigkeit erhalten wer-
den, um das Ersaafen der Grube zn verhüten.
Den Dammgmbenmantel lässt man entweder im Ganzen hinunter
oder maQ arbeitet ihn in der Grabe zusammen, nachdem die Stücke vor-
her zasamtnengepasst waren. Blechcjlinder von mittlerer GröBse läast
man gewöhnlich im Ganzen hinunter; bei sehr tiefen Graben kann man
vorher einzelne Ringe des Mantels zaaainmeiiarbeiten nnd sie in der
Grabe mit Schrauben oder Nieten an einander befestigen. Mäntel aus
gosseiaernen Platten schraubt man, um aie vor dem Zerbrechen zu be-
p^_ igQ wahren, am besten in der
Grabe seihst zusammen.
Man versieht aie za die-
sem Zwecke mit ansprin-
genden Flantachen, welche
durch Hanfeinlage mit
eingegossenem Blei oder
auch durch eingetriebene
HolzstOckchen gedichtet
werden.
Gemaaerte Dammgrn-
benm&ntel werden gleich-
falls am sichersten an Ort
nnd Stelle selbst anfge-
fahrt Alle Fugeu mOs-
' Ben auÜs Sorgfältigste mit
Cement gemauert werden,
um das Eindringen von
Feuchtigkeit za bindern. Der Boden der Grabe besteht, wenn der Man-
tel gemauert ist, gewöhnlich aus einer Betonschicht ; dieaelbe kann mit
LidtbBT, mrchknUch-inaUlliirRliebs TechnoJoglr. Jf
210 Dammgruben.
einer starken gosseisemen Platte abgedeckt werden, Über welche der
Rand der Mauemng übergreift, und darüber kommt eine starke Lage
von Cement (Fig. 190, a. v. S.).
Bei der Aofführong der Dammgmben darf man niemals vergessen,
dass, wenn das Gewicht des hohlen verdichteten Dammgrubenmantels
kleiner ist, als das Gewicht des verdrängten Grundwassers, der Mantel
von dem Wasser gehoben wird und schwimmt. Während des Aufbaues
muss derselbe deshalb entsprechend beschwert werden, wenn es nicht
möglich ist, das Wasser durch Pumpen zu entfernen; und wenn auch
nach der Vollendung sein eigenes Gewicht und die Reibung des Erdreichs
noch nicht ausreicht, ihn vor dem Auftriebe zu schützen, so muss er an
eingerammten Pfählen verankert oder in irgend einer Weise beschwert
werden.
8. Das Schmelzen der Metalle.
Wenn die Fertigstellang der Gnssformen yoUendet ist oder sich ihrem
Ende naht, beginnt das Schmelzen des för den Abgnss bestimmten Metalls.
Entweder wird nur ein einziges, in seinen Eigenschaften den ge-
stellten Erfordernissen schon entsprechendes Metall , eine bereits fertige
Legirung geschmolzen ; oder man benutzt den Schmelzprocess dazu, neue
Metallgemische oder Legirungen zu bilden, wie sie eben iiLr den vor-
liegenden Zweck geeignet sind. Bisweilen kann auch die Bildung sol-
cher Legirungen, welche fiir spätere Verwendung in Yorrath gehalten
werden sollen, der alleinige Zweck des Schmelzens sein.
Selten oder nie geht jedoch das Metall völlig unverändert aus dem
Schmelzprocesse hervor. Schon die Berührung des flüssigen Metalls mit
den Wänden des Schmelzapparats vermag in manchen Fällen chemische
Veränderungen, wenn auch unerhebliche, hervorzurufen. Kommt der
Brennstoff oder dessen Verbrennungsproducte mit dem Metalle zusammen,
so finden nicht selten recht wahrnehmbare chemische Einwirkungen statt.
Fast niemals ist auch ein Oxydationsprocess des Metalls oder dessen
fremder Bestandtheile völlig vermeidlich. Unter Umständen kann diese
Wirkung einem Raffinationsprocesse gleich sein, und das Metall geht
veredelter aus dem Schmelzprocesse hervor; in anderen Fällen zeigt sich
diese ozydirende Wirkung einfach als Verlust, indem die entstandenen
Oxyde verschlackt und entfernt werden; man nennt diese durch Oxyda-
tion beim Schmelzen entstandene Einbusse am Gewichte des ursprünglich
vorhandenen Metalls „Abgang*' oder „Abbrand^. Bei manchen Metallen
losen sich die entstandenen Oxyde im flüssigen Metalle und beeinflussen
dessen Eigenschaften (Eupferoxydul, Zinnoxyd). Endlich kann aber der
Oxydationsprocess auch solche Körper betreffen, deren Anwesenheit im
Metalle für die Verwendbarkeit desselben noth wendig war, und dadurch
die letztere beeinträchtigen. Wenn Gusseisen im flüssigen Zustande der
Einwirkung von freiem Sauerstoff ausgesetzt wird, so oxydirt sich zu-
nächst das Silicium desselben. Ein Uebermaass des Siliciumgehaltes
macht das Gusseisen allerdings grobblättrig, brüchig ; ein gewisses Maass
desselben ist aber erforderlich, ihm den Charakter als graues, bearbeitbares
Eisen za wahren. Entzieht man ihm diesen, so entsteht hartes, sprödes,
weisses Eisen. Je weniger siliciumreich das Gusseisen vor dem Schmelzen
war, desto nachtheiliger wirkt demnach jede Oxydation.
Kommt geschmolzenes Messing mit atmosphärischer Luft in Be-
rührung, so oxydirt sich zuerst das Zink und es hinterbleibt eine zink-
14*
212 Schmelzen der Metalle.
ärmere Legimng. Selbst die Eohlensäare der Yerbrennangsgase vermag
eine Oxydation des Zinks anter Bildnng von Kohlen ozyd hervorznmfen.
Aehnliche Fälle der veränderten Beschaffenheit von Legirangen and Me-
tallen dorch Oxydation sind zahlreich.
Aach darch einfache Yerflüchtigang einzelner Bestandtheile, insbe-
sondere von Zink, in hoher Schmelztemperatar der Legirangen kann
deren Zasammensetzang geändert werden.
Meistens nimmt die Dichtigkeit der Metalle darch das Umschmelzen zu.
Dieses Erfahnrngsresoltat gründet sich in einigen Fällen aaf den soeben
erwähnten Kaffinationsprocess, anderntheils aach aof die Yerflüchtigang
gelöster Gase darch öfteres Schmelzen and Erstarrenlassen, sofern nicht
der Schmelzprocess Gelegenheit za emeater Aa&iahme von Crasen giebt.
Man nimmt gewöhnlich an, dass Legirangen darch öfteres Umschmelzen
gleichmässiger werden. Wie schon früher erwähnt, ist es jedoch keines-
wegs erwiesen, ob diese grössere Gleichmässigkeit eine directe Folge des
Umschmelzens oder durch die Aainahme von Metalloxyden hervorgerafen
sei, deren Anwesenheit die Saigerang erschwert.
Die Schmelzapparate.
Zur Darchführang des Schmelzprocesses ist ein Apparat erforderlich,
in welchem Brennstoff verbrannt and die dabei entwickelte Wärme an
das Metall abgegeben wird. Die Leistung oder der Wirkungsgrad eines
Schmelzapparats lässt sich demnach ermitteln, indem man die vom ge-
schmolzenen und auf die zum Giessen erforderliche Temperatur erhitzten
Metalle wirklich aufgenommene Wärme dividirt durch diejenige Wärme-
menge, welche der verbrauchte Brennstoff bei vollständiger Yerbrennung
zu entwickeln föhig ist.
Eine Ermittelung, ob oder in welchem Grade jene Yollständigkeit
der Yerbrennung in dem Schmelzapparate erreicht wurde, ist hierbei
nicht erforderlich; denn der Wirkungsgrad des Apparats pflegt eben
wenigstens zum Theile auf der vollständigeren oder weniger vollständi-
gen Yerbrennung zu beruhen, welcher derselbe den ihm zugewiesenen
Brennstoff zu unterziehen fähig ist. Je unvollständiger die Yerbrennung
ausföllt, desto niedriger wird sich natürlich der Wirkungsgrad des Appa-
rats beziffern ; für den abstracten Yergleich verschiedener Apparate kann es
aber nicht berücksichtigt werden, ob die ungünstigere Leistung durch unvoll-
ständige Yerbrennung oder andere Ursachen hervorgerufen worden ist^).
^) Dem Verfasser scheint es, als sei in ähnlichen Ermittelungen der Unter-
schied nicht immer scharf genug henrorgehoben worden, ob es sich um
Brenn 8t Offausnutzung oder Wärmeausnutzung in einem pyrotechnischen
Apparate handelt. Den auf ersterer beruhenden Wirkungsgrad könnte man
vielleicht den absoluten, den auf letzterer beruhenden , dessen Berechnung
erst die Ermittelung vorausgehen muss, welche Wärmemenge der Brennstoff
thatsächlich entwickelt hat, den relativen Wirkungsgrad nennen. FürOegen-
überstellung von Vergleichsresultaten dürfte der erstere wichtiger als letzterer
Kessel 213
Nach der Art nnd Weise, in welcher jene für den Schmelzprocess er-
forderliche Wärme entwickelt und an das zu schmelzende Metall abgegeben
wird, lassen sich die Schmelzapparate in vier Hanptgrnppen eintheilen.
Erste Oruppe. Kessel.
Das zu schmelzende Metall befindet sich in einem oben o£fenen Geflü^se,
dessen Boden und Seiten erhitzt werden nnd durch Leitung (Transmission)
die Wärme an das Metall übertragen. Die obere, offene Seite des Ge-
fasses kann weder mit dem Brennmateriale noch mit den lYerbrennungs-
producten in Berührung kommen, so dass das Metall jeder Einwirkung
dieser Körper entzogen ist; wohl aber ist die Oberfläche desselben der
atmosphärischen Luft ausgesetzt, sofern sie nicht durch einen Deckel
oder eine Decke indifferenter Körper (Kohlenlösche) geschützt ist.
Daa Schmelzgefäss (der Kessel) ist fast immer mit der darunter be-
findlichen Feuerungsanlage durch Einmauerung fest verbunden und wird
nur behuf der Auswechselung beim Schadhaftwerden daraus entfernt. Die
Entleerung yon dem geschmolzenen Metalle erfolgt daher entweder durch
Ausschöpfen mit Kellen oder durch Oe&en einer während des Schmelzens
verschlossen gehaltenen Abfiussöfinung ajn Boden des Kessels.
Die Wärmeabgabe an das Metall geht um so günstiger vor sich , je
grösser die Wärmeleitungsfähigkeit des Kesselmaterials ist. Deshalb be-
nutzt man am üblichsten Ousseisen. Die Wärmeausstrahlung von der ver-
hältnissmässig grossen Oberfläche des Metallbades aus, gleichbedeutend mit
Wärmeverlnst, ist um so beträchtlicher, je höher das Metall erhitzt ist.
Aus diesen Eigenthümlichkeiten der Kessel folgt, dass sich nur
solche Metalle zum Schmelzen in Kesseln eignen, welche einestheils keine
hohe Schmelztemperatur besitzen und andemtheils mit dem Materiale
des Kessels nicht leicht Verbindungen eingehen. Man schmilzt in eiser-
nen Kesseln Zinn, Blei, auch vielfach Zink, obgleich dieses gern eine
EisenzinUegirung bildet, welche sich am Boden des Kessels als schwer-
flüssige, krystallinische Masse sammelt und von Zeit zu Zeit entfernt
werden moss; femer die Legirungen jener drei Metalle unter sich und
mit Antimon und Wismuth.
Die Form der Kessel ist meistens annähernd halbkugelförmig , weil
das GeÜJaa bei dieser Form weniger als bei grösserer Tiefe, welche aller-
dings eine günstigere Wärmeausnutzung gestatten würde, dem Zersprin-
gen ausgesetzt ist, während eine flachere Form ebensowohl die Wärme-
anfaahme beeinträchtigen, als den Wärmeverlust durch Ausstrahlung
begünstigen würde.
Da jede Einwirkung des Brennstoffs und der Verbrennungsproducte
auf das Metall ausgeschlossen ist, lässt sich zur Erhitzung der Kessel
sein. YergL n. A« Dürre, Stadien über die Ausnutztmg der Wärme in den
Oeüen der Hüttenwerke, Dingler's polyt. Joamal, Bd. 220, S. 247.
iU Kessel.
jedes beliebige Breniimaterial beoatzen, Bobold es die nöÜiige Wärme-
menge und deu ndthigen Wärmegrad zu entwickeln im Stande iat. Mei-
stens benutzt man flammende Brennmaterialien; Steinkohle, Braunkohle,
Torf, Holz; verkohlte nnr da, wo sie als Nebenproducte billig zn be-
schaffen sind (Gaskoks), gasfSrmige Brennmaterialien — Leuchtgas oder
Generatorgase — nur selten.
Die Figoren 191, 192 und 193 steUen sogenannte Pattineon-
Kessel zom Schmelzen silberhaltigen Bleies dar ^).
Fig. 191.
Fig. 191 ist der senkrechte Durcbachnitt durch einen Kessel und
die vordere Ansicht des Ofens für den daneben liegenden Kessel, Fig. 193
pjg ,g2. der senkrechte Schnitt nach der
b b Linie CD; Fig. 193 der Grnndriss
' einer Fenernng und eines Kessels.
Die Kessel sind mit angegossenem
Borde C versehen, wodurch die Feue-
rung in zwei Abtheilungen getheilt
wird; die Flamme erhitzt zuerst
den Boden, steigt dann bei O empor
in den Canal /, umstreicht den Kes-
sel in beiden Richtungen und ent-
weicht schliesslich durch g.
DieFignren 194,195,196 undl97
stellen einen Kessel mit EntleeningB-
vorrichtong undGussform zum Ein-
giessen des flüssigen Bleies dar^).
a ist der gosseiseme Kessel, im Boden 40 Mm., am Rande 20 Mm.
stark. Darunter befindet sich die Feuerung, und die Gase werden durch
') AuB Percy, Metallurgie Bd. m, bearbeitetvonKammeUberg, Braun-
scbweig IB73, S. 77. <) Ebenduielbst B. 340.
EeBBeL 215
den angegOBaenea Bord in ähnlicher Weise wie bei der vorhin beschriebe-
nen Anlage am den Keasel henirogeitkhrt. Der Ofen ist mit EisenpUtten
Fig. 163.
^~i^
and amgelegten KbrniedeeiBemeii Ankern armirt. 6 ist das AnsflasBrohr
von 75 Mm. DurcbraesBer, dnrch den achmiedeeisernen , in die Oeffiinng
genau passenden Stopfen c rerBchlosBea, dessen Stellung durch den Bflgel
d regulirt wird (g. Fig. 197). h ist eine Rinne aas 12 Mm. starkem
Eisenblech, vor der Uündnng des Ansflussrohrs beginnend tind dazn be>
stimmt, das fläasige Blei bis in die Mitte der Gussform zu führen; g ist
eine zweite lUnne, ebeofalla aus Eisenblech, zu dem Zwecke, das aas h
Hberfliesaende Blei aufennehmen. I (Fig. 195) ist eine Haube aus dün-
nem Eisenblech zum Schutze der Oberfläche gegen die Einwirkung der
atmosphärischen, ozydirend wirkenden Luft and gegen reichliche Wärme-
ausstrahlung, mit einem Abzugsrohre für entweichende Gase versehen, wel-
ches sich teleskopenartig in einem feststehenden Rohre verschiebt, and
mit Gegengewichten zor Ausgleicbong des eigenen Gewichts, m Ist eine
Scbutzwand ans Eisenblech zur Yermeidang von Bleiverlusten beim Ein-
werfen der Bleistücke. Die Qnsaform (das Gossbett) besteht ans der
Bodenplatte k, ein wenig concav geformt, 2,16 M. lang, 2,13 M. breit,
75 Mm. stark, und den vier Seitenplatten t, 180 Um. hoch, welche be-
weglich und an den Ecken durch Schraubenbolzen verbanden sind.
Die Werkzeuge und Ger&the beim Eeaaelschmelzen beachränken
sich auf die zur Wartung des Feuers und Aosschßpfen des Metalls ba-
D atzten.
Das ArbeitsverfUiren ist ein sehr einfaches and besteht in der
Unterhaltung des Feuers, Einsetzen des Metalls, Entleeren des Kessels.
In Giessereien, wo der Betrieb unanterbrochen fortgeht, pflegt man den
Inhalt dea Eesaels etwas reichlich zu nehmen und frisches Metall nach-
zusetzen, bevor daa geschmolzene völlig verbraucht ist, so dass ersteres
schon dnrch die überschüssige Wärme dea letztern zum Schmelzen kommt.
Schmilzt man mehrere Metalle zn Legimngen zusammen, ao setzt man
gewöhnlich diqenigen zuerst ein, welche die höhere Schmelztemperatur
Wirkungsgrad. 217
beaitsen, und erst, wenn diese in FIuss gekommen sind, setzt man die
bei niedrigerer Temperatur schmelzbaren Metalle hinzu.
Zur Berechnung des Wirkirngsgrades der Eesselöfen dienten dem
Verfasser folgende Ermittelungen.
1. Bei den königlich sächsischen Muldener Hütten bei Freiberg
wurden 14 650 Kilogramm Weichblei in Gestalt von Blöcken in den kal-
ten Kessel eingesetzt und geschmolzen und dazu 270 Kilogramm Braun-
kohlen, bestehend aus:
Kohlenstoff 49 Proc.
Wasserstoff 4 „
Sauerstoff 12 „
Wasser 30 „
Asche 5 „
und 81 Kilogramm Steinkohlen, bestehend aus:
Kohlenstoff 65 Proc.
Wasserstoff 3 „
Sauerstoff SVj „
Wasser öVj n
Asche 18 „
verbraucht.
Die theoretische Wärmeleistung der Brennmaterialien berechnet sich
dieser Zusammensetzung zufolge:
Yon 1 Kilogrami]| Braunkohlen
0,49 X 8080 4- ^0,04 — ^~\ 34 462 = 4820 Wärmeeinheiten,
Yt>n 1 Kilogramm Steinkohlen:
0,65 X 8080 + (ofid — 9:^\ 34 462 = 5940 Wärmeeinheiten.
1 Kilogramm Weichblei enthält im geschmolzenen Zustande bei der
in den Kesseln erreichten Temperatur nach den Versuchen des Verfassers
(dorch Eingiessen in Wasser) durchschnittlich 20 Wärmeeinheiten, dem-
nach ist der Wirkungsgrad des Schmelzapparates
14 650 X 20
JE = = 0.164.
270 X 4820 -I- 81 X 5940 '
2. Bei demselben Hüttenwerke wurden 14 000 Kilogramm Antimon-
blei, 16Vs Proc. Antimon enthaltend, geschmolzen und dazu 150 Kilo-
gramm Braunkohlen von der oben gegebenen Zusammensetzung, und
180 Kilogramm Steinkohlen, bestehend aus:
Kohlenstoff 69 Proc.
Wasserstoff 3 „
Sauerstoff 9»/« w
Wasser 2 „
Asche 16Vs „
yerbraucht.
218 Wirkungsgrad der Kessel.
Die theuretische Leistang der Braunkohlen beträgt nach Obigem per
1 Kilogramm 4820 Wärmeeinheiten, die theoretische Leistung der Stein-
kohlen berechnet sich per 1 Kilogramm:
(0 095\
0,03 ^j 34 462 = 6195 Wärmeeinheiten.
1 Kilogramm Antimonblei enthält im geschmolzenen Zustande bei
der dafür üblichen Temperatur nach den Ermittelungen des Verfassers
30 Wärmeeinheiten, demnach Wirkungsgrad des Apparats:
14 000 4- 30
150 X 4820 + 180 X 6195 ~ ^'^^®*
Der Wirkungsgrad der Kesselöfen wird ein geringerer, wenn das
Metall lange Zeit flüssig erhalten werden muss. Um auch einen in die-
ser Beziehung sehr ungünstigen Fall der Berechnung zu unterziehen,
wurde das Schmelzen der beim Pattinsoniren fallenden Bleikrystalle be-
nutzt, welche in den nächst niedrigen, vorher erhitzten Kessel über-
geschöpfb werden.
Man schmolz 95 475 Kilogramm Weichblei und gebrauchte dazu
2550 Kilogramm Braunkohlen und 990 Kilogramm Steinkohlen, beide
von derselben Zusammensetzung, wie bei dem unter 1 gegebenem Bei-
spiele. Es berechnet sich hiernach der Wirkungsgrad des Kesselofens:
E = 95 475 X 20 ^
2550 X 4820 + 990 X 5940 ' '
Als durchschnittliches Resultat aus allen drei Versuchen ergiebt sich
ein Wirkungsgrad E = 0,165.
Zweite Gruppe: Tiegelöfen.
Das Metall befindet sich in einem Gelasse, dem Tiegel, welches
rings von dem Brennmateriale oder den bereits entwickelten brennenden
Producten desselben (der Flamme) umgeben ist. Die Wärmeabgabe fin-
det auch hier grösstentheils durch die Wände des Tiegels hindurch statt,
die Wärmeverluste durch Ausstrahlung von der freien Oberfläche, wie
bei den in Kesseln geschmolzenen Metallen, fallen dagegen weg. Das
Metall ist während des Schmelzens der Einwirkung atmosphärischer
Luft gänzlich entzogen, das Brennmaterial aber kann auf die Oberfläche
des Metalls Einwirkungen ausüben, sofern der Tiegel nicht, wie es zur
Vermeidung dieses Einflusses häufig geschieht, durch einen Deckel ge-
schlossen ist. Der Tiegel und der zur Wärmeentwickelung dienende
Ofen bilden jeder für sich ein selbstständiges Ganze ohne feste Verbin-
dung, und der erstere wird zur Entleerung nach dem Schmelzen aus dem
Ofen herausgenommen. Diese Eigenthümlichkeit beschränkt die Grösse
und den Fassungsraum eines einzelnen Tiegels, weil die Beschwerlichkeit
Tiegelöfen.
219
des HersüshebenB und die Gefahr, den hoch erhitzten und mit Metall
belasteten Tiegel zn beschädigen, mit der Grösse desselben wächst. Der
Inhalt eines Tiegels ist daher selten grösser als 30 Kilogramm, doch
kommen Fälle vor, z. B. in Münz Werkstätten, wo ein einziger Tiegel
1100 bis 1200 Kilogramm fasst, weil bei einer Vertheilang des zn schmel-
zenden Metalls in mehrere Tiegel es schwieriger sein würde, die uner-
lässliche durchaus gleichartige Zusammensetzung und Beschaffenheit des
geschmolzenen Metalls zu erlangen.
Die Form der Tiegel ähnelt der eines Cylinders mit geschlossenem
Boden, gewöhnlich in der Mitte der Höhe mit mehr oder minder starker
Ausbauchung. Ganz kleine Tiegel besitzen bisweilen gleichseitig-drei-
eckige Grundform mit Erweiterung nach oben. Das Yerhältniss zwischen
innerem Durchmesser und Höhe pflegt Vs bis V2 zu betragen, ohne dass
hierfür eine bestimmte Regel gegeben wäre.
Sehr grosse Tiegel fertigt man bisweilen aus Guss- oder Schmiede-
eisen; bei der verhältnissmässig geringen Widerstandsfähigkeit des Eisens
gegen die Einflüsse des Brennmaterials und der Yerbrennungsproducte
in hoher Temperatur und bei der Neigung der geschmolzenen Metalle,
Eisenlegirungen zu bilden, ist ein weit häufiger verwendetes Material
der feuerfeste Thon. Man verarbeitet ihn entweder für sich (Thontiegel)
oAer unter Zusatz reichlicher, ^is 50 Proc. des Gemischs betragender
Mengen von Graphit (Graphittiegel).
6ewöhnlicl\. wird der Tiegel beim Schmelzen auf einen niedrigen
Untersatz, gleichfalls aus feuerfester Masse bestehend, gestellt, den man
Fig. 198.
Käse nennt (s. Fig. 198, einen Tiegel nebst
Käse zum Gussstahlschmelzen darstellend).
Die Tiegel eignen sich zum Schmelzen aller
nur bei hoher Temperatur schmelzbaren und
deshalb fär Kesselschmelzen nicht mehr geeig-
neten Metalle, welche vor den Einwirkungen
des Brennmaterials, der Yerbrennungsproducte
und der atmosphärischen Luft geschützt werden
müssen: Gussstahl, Kupfer, Tombak, Messing,
Silber, Nickel, Neusilber und andere; oder bei
denen wegen ihrer Kostbarkeit jeder mecha-
nische Verlust möglichst vermieden werden soll,
z. B. Gold; oder endlich solcher Metalle, die
zwar auch in Apparaten der dritten und vier-
ten Gruppe geschmolzen werden könnten, deren
Menge aber so unbedeutend ist, dass die An-
wendung eines grossem Schmelzapparats nicht
zweckdienlich erscheinen kann.; hierher gehören
kleine Mengen von Bronze, Gusseisen und andere.
Man verwendet zum Erhitzen der Tiegel festes verkohltes Brenn-
material (Koks oder Holzkohlen), flammendes Brennmaterial (Holz, Torf,
220 TiegelBchachtofen.
Braonkohlea, Steinkohlen), gasiSnoigea BreoDinaterial (Generstorgue
oder Leuchtgas). Hiernaoh lassen sich die Tiegelöfen falgendermaasBeo
eintheilen :
alsohachtdfen für festes BrennmateriaL
ihsm Loftzuge.
Der Tiegel steht innerhalb eines schachtfSrm igen Raumes auf einem
Plauiroste, welcher zur Zuf&hrong der Verbrennnngaloft dient, wfihrend
die Verbren nnngsgase im obere Theile des Schachts durch einen Fuchs
nach der Esse entweichen , welche znr Hervorbringotig des Lnftzngea
dient. Die Figuren 199 und 200 stellen einen solchen Tiegelschacht-
Fig. 199.
ofen dar. C ist der Rost, G die £in-
schüttSffnong fUr die Kohlen', durch
einen Deckel geschloasen, der ans einem
goBseisemen Rahmen mit Chamotte-
futter besteht, zum Aufklappen ein-
gerichtet und mit Gegengewichten
an einer Kette versehen ist. f ist
eineOeffnung zum£insetzen und Her-
ausnehmen kleiner Tiegel, während
grössere durch die obere Oeffnong
hinein- and hinausgebracht werden.
/ ist der Aschenfall, E die Esse. Dnrch
umgelegte Anker ist der Ofen vor dem
Aaseinandertreiben geschOtst.
Ein derartiger Ofen im Eisenhüt-
tenlaboratorinm der königlichen Berg-
akademie znFreiberg hat einen Schacht
mit quadratischem Querschnitte von
350 Mm.Seitenlänge, Höhe des Schachts
von Oberkante des Rosts bis Unter-
kante des Fuchses 350 Mm., bis nir
Mitte der Einschttttöffnung 665 Mm.,
Höhe des Fuchses 125 Mm., Breite
desselben 250 Mm., Weite der Esse
350 Mm. im Qradrate, Essenhöhe
Gnmdrias AB CD. ,a -u i? ■ / • t<- i •
19 U. Es wird ein Tiegel emge-
aotst, welcher ca. G Kilogramm Metall (Gosseisen , Gassstahl, Kupfer and
dergleichen) faset (Siebe auch Fig. 157 auf S. 174.)
Sollen zwei Tiegel in einen gemeinschaftliohea Ofen eingesetst «er-
den, so giebt man dem Schachte gern eine oblonge Form. Durch Einsetzen
mehrerer Tiegel in einen gemeinschaftlichen grossem Ofen l&Ut der rela-
Fig. 200.
Tiegelschachtöfen. 221
tive Brenn stoffreTbrandt im Allgemeinen geringer ane, als wenn fitr je
einen Tiegel ein besonderer Ofen angewendet wird; denn die Wärmever-
Inste Terringem eich, wenn du Verhältoiss zwischen der zu erhitzenden
Oberfl&che des Ofens nnd derjenigen der Tiegel kleiner wird. Man
wendet deshalb anch wohl Oefen ^ vier bis acht, selten aber für mehr
Tiegel an , denn je grösser der Durchmesser des Ofens ist, desto schwie-
riger wird die Bediennng, desto ongleiohmSsaiger die Erhitzung und
desto grösser die Abnntznng der Tiegel in Folge jener nngleicbm&ssigen
GrhitEung.
Bei allen Oefen moes die Unterkante des Fachses höher liegen als
die Oberkante des grössten einzusetzenden Tiegels nnd zwischen Tiegel-
wand nnd Innenseite des Schachts mindestens 50 Mm. Abstand bleiben,
damit dos Niedersinken des Brennmaterials nicht behindert werde.
Unter Umständen kann es Eweckmissig sein, den Tiegelofen so ver-
tieft einzubauen, dass die Fflllöfinung mit dem Boden der Oiesserei in
gleicher Horizontalebene oder nur wenig höher liegt, die FOllöffnnng
mnss in diesem Falle auch zum Einsetzen und Herausnehmen der Tiegel
benutzt werden, und es ist Sorge zu tragen, dass die Luft ungehinderten
Zutritt zum tiefiiegenden Roste erhält, nnd der Aschenfoll zugäng-
lich bleibt.
b. Mit Gebläseluft
Zur Ersparung der Esse wendet man bisweilen Oefen mitUnterwind
an, welche sich in ihrer Construction von den oben beschriebenen nur
dadurcb unterscheiden, dass der Ascheniall durch eine Thür möglichst
luftdicht geschlossen ist nnd unter den Rost Gebläsewind (von einem
Ventilator oder Dampfstrahlgebläse) gef^rt wird.
Bei den eigentlichen Gebläsetiegelöfen f&llt jedoch der Rost weg
nnd der Wind wird durch eine Anzahl Düsen in den Ofen geführt. Der
üblichst« dieser Oefen ist der Sef-
ström'sche GeblAseofen, welcher in
Fig. 201 abgebildet ist. Ein mif
feuerfestem Thone ausgekleideter
Eisenblechcylinder b, welcher den
eigentlichen Schacht bildet, ist con-
centrisch von einem zweiten Eisen-
bleohcylinder a umgeben, so dsss
zwischen beiden der von allen Sei-
ten Inftdicht abgeschlossene Wind-
behiÜter C bleibt. Der Wind strömt
durch / nach c, Tertheilt sich ringe
um den Gelinder b nnd gelangt
dann dnrch die 6 bis 8 Düsen nach
, ^ , ■ . ■ 1 »Ctm. f in ^en Sohmelsraum.
222 Tiegelschachtöfen.
Der HfttiptDacbtbeil der GebläeetiegelÖfeD liegt in der Mehrausgabe,
welche darch die BeBchafhog des Gebläsewindes allemal veranlaast wird;
dagegen ist die Esse entbehrlich oder nnr so weit erforderlich, als eie
einfach zar Ableitnng der Verbrenn nngaprodncte dient. Sie sind im
Allgemeinen weit weniger in Anwendung, als die Oefen mit natfirlichem
Loftznge.
TiegeUchachtÖfen für gfiaförmiges Brennmaterial
Man benutzt ausachliesalich Lenchtgas. Die Verbren nnngalnft wird
durch eine Esse angesaugt, seltener durch ein GeblSae zugeführt Der
üblichste Apparat dieser Art ist von Perrot in Genf erfänden und in
Fig. 202 abgebildet. Der Tiegel a steht auf einem Untersatze, der
Fig. 202.
auf einer senkrechten Stange befindlich und in seiner Höhe verstellbar
ist, um Tiegel verschiedener Höbe anwenden zu können. Das Gae kommt
durch das mit einem Hahn c and Manometer d zur Regnlirnng versebene
Znflussrohr l, tritt in den ringfärmigen Behälter und von diesem durch
die Bohre g und die Oeffnung b in den Ofen, nachdem an der AusSuss-
^ Tiegelherdöfen. 223
mündimg der Rohre die Entzündung stattgefdnden hat. Die Verbren-.
nongsloft tritt bei / zn nnd mischt sich innerhalb der Rohre g mit dem
6aae. Der eigenÜiche Ofen wird gebildet durch den innem Cylinder,
welcher oben durch eine kleine bewegliche Kuppel b abgedeckt wird,
und den äuBsem Mantel m. Oben ist der Ofen durch den Deckel n yer-
schloflsen, in dessen Mitte sich das durch einen Stopfen verschlossen ge-
haltene Schauloch e befindet, um das Schmelzen beobachten und nach
Bedürfniss Metall nachsetzen zu können. Die Gase, nachdem sie den
Tiegel umspfilt haben, ziehen in dem ringförmigen Räume zwischen
dem innem Ofen und dem Mantel m abwärts und entweichen schliess-
lich durch das Rohr p nach der Esse ^).
Die Tiegelschachtöfen für gasförmiges Brennmaterial haben den
Vorzug, dass ihre Bedienung einfach ist, die lästige Anhäufung von
Aschen und Schlacken gänzlich fortfallt, das Schmelzen sich leicht über-
wachen und mit dem Auge verfolgen lässt. Der ganze Betrieb zeichnet
sich durch Eleganz gegenüber dem Betriebe mit festem Brennmateriale
aus. Leuchtgas ist aber überall ein kostspieliges Brennmaterial und
nicht einmal in jeder Werkstatt zu haben. Für einen Betrieb aber von
solchem Umfange, dass die Anlage eines Gasgenerators zweckmässig er-
scheinen könnte, wird man kaum noch Tiegelschachtöfen benutzen, son-
dern die sogleich zu beschreibenden Herdöfen anwenden. Diese Umstände
lassen die Schachtgasöfen für Tiegelschmelzen nur in solchen Fällen
zweckmässig erscheinen, wo es darauf ankommt, rasch kleinere Mengen
Metall zu schmelzen, in Laboratorien, in den Werkstätten der Gold- und
Silberarbeiter, Juweliere u. s. w.
Tiegelherdöfen (Tiegelflammöfen).
Man vereinigt gewöhnlich vier bis acht Tiegel in einem gemein-
schaftlichen Ofen. Aus diesem Grunde eignen sich diese Oefen vorzugs-
weise f^ einen Betrieb in grösserm Umfange. Die Tiegel stehen auf
dem horizontalen, von einem Crewölbe überspannten Herde (Tische) und
werden von den brennenden Gasen umspült, welche auf der einen Seite
ded Herdes zuströmen, auf der andern Seite durch einen Fuchs abziehen.
Bestehen die Gase aus der Flamme des dicht neben dem Herde auf einem
Roste verbrennenden Brennmaterials, so nennt man die Feuerung direct;
werden sie in einem Generator entwickelt und in Leitungen dem Ver-
brennnngsherde zugeführt : G a s f e u e r u ng.
Der Hauptvortheil der Tiegelflammöfen liegt in der Benutzung unver-
kohHen, also billigem Brennmaterials als bei den Tiegelschachtöfen;
^)Ueber einen von Wieasnegg in Paris gebauten Gebläse-Gasofen zurEr-
zangmig sehr hoher Temperaturen siehe Dingler ^s Pol^^technisches Journal
Bd. 189, S. 376.
224 Tiegelherdöfen. ,
denn wenn anch der absolute W&rmeeffeot von 1 Eilogramm verkoUtem
Materiale grösser ist als von 1 Kilogramm nnverkoliltem , eo gebt dock
bei jedem Verkohlangeprooesse eine niclit unerhebliche Menge der brenn-
baren Beatandtheile des Brennstofie verloren; und natürlicbemeise kann
die ans einem gegebenen Quantum rohen BrennmaterialB dargestellte
Kohle (also z. B. 0,60 Kilogramm Koks, velche ans 1 Kilogramm
Steinkohle gewonnen waren) nicht mehr die gleiche W&rmemenge ent-
wickeln als jener rohe Brennstoff.
Die Skizze Fig. 203 wird aosreichend sein, die einfachste Constmc-
tion eines Tiegeläammofens mit directer Feoenmg zu Teranschaolichen.
Fig. 303.
Die Tiegel stehen in zwei oder drei Reihen neben einander; nicht selten
sind die Reihen dnrch Zwischenwände getrennt, am eine gleich massigere
Berührung der Tiegel durch die Flamme zn bewirken; auch leitet man,
besonders in Kessingschmelzereien, die Flamme wohl in Windnngen um
die Tiegel hemm, nm ihre Wärme desto besser aaszanutsen.
Die Vortheile der Anwendung von Gasfenernng statt der directen
sind hauptaächlich: die geringere Abkahlnng des Ofens beim Schüren
oder Nachschütten von Brennstoff; die grössere Leichtigkeit, durch Ver-
mindernng oder Vermehrung des Luftzutritts nach Erforderoiss redu-
cirende oder oxydirende Flamme hervorenbringen , ein umstand, welcher
beim Einschmelzen von sperrigen Abfällen (beim Messing, Neusilber),
die oft vor dem FlOssigwerden ungeschützt aus dem Tiegel beraosragen, nicht
ohne Wichtigkeit ist; die Thatsache, dasa man im Stande ist, Unterbrechun-
gen des Betriebes durch einfaches Absperren der Gasleitung ohne jene
Abkühlung des Ofens eintreten zu lassen, welche bei directer Feuerung
eine unabwendbare Folge des Eintretens kalter Luft durch den Rost
nach dem Einstellen des Feuers sein würde; endlich die Möglichkeit auch
solche Brennmaterialien, die in Folge ihres beträchtlichen Wassergehaltes
eine ungenügende Verbrenn ungstemperatur besitzen würden, zu einem
branchbaren Gase zn verarbeiten, wenn man durch eine Condensations-
Tiegelherdöfen« 225
▼onicbtang srwischen Generator und Yerbrennnngsraiun den gebildeten
Wasserdampf zmn grossen Tbefle entfernt; im Ganzen also eine Ersparung
▼on Brennstoff, obscbon nicbt zn verkennen ist, dass bei jeder Yergasnng
Wärme verbraucht wird, und jede absicbtlicbe oder unabsichtliche Ab-
kühlung der Gase auf ihrem Wege auch einen Wärmeverlust bedeutet.
Der hauptsächlichste Nachtheil der Gasfeuerung liegt in den höheren
Anlagekosten, welche die Anwendung derselben nur bei einem Betriebe
in grosserm Maassstabe zweckmässig erscheinen lassen können.
Die Gonstruction der Gasgeneratoren ist mannigfaltig, und es kann
hier nicht der Ort sein, dieselbe einer eingehenden Besprechung zu unter-
ziehen, sondern es muss vielmehr auf die betreffende Literatmr über die-
sen Gegenstand verwiesen werden^).
Da die Verbrennung des Gases um so schwieriger, unvollständiger
vor sich geht, je weniger erwärmt Gas und Luft sich mischen, so sucht
man wenigstens die Verbrennungsluft in allen Fällen auf eine höhere
Temperatur zu erwärmen, bevor sie in den Yerbrennungsraum gefuhrt
wird« Diese Erwärmung geschieht entweder, indem die atmosphärische
Luft durch Canäle innerhalb deijenigen Theile des Ofens hindurch-
geführt wird, welche vorzugsweise durch die Hitze zu leiden haben, und
dadurch gleichzeitig als Eühlungsmittel für diese Theile dient (Biche-
ronx's Ofen); oder, indem man die abziehende Wärme des Ofens zur
Yorwärmung der Luft (beziehentlich auch der Gase) benutzt, und dadurch
einen Theil derselben wieder in den Ofen zurückführt. Diese letztere
Aufgabe kann in zweierlei Weise gelöst werden« Entweder man erhitzt
durch die abziehenden heissen Gase in einem besondem Räume zwischen
Herd und Esse ein System von Bohren, durch welche die Yerbrennungsluft
hindarchgeführt wird (Oefen mit eisernen Winderhitzungsapparaten und
Geblfisewind, Ponsard's Ofen mit Ganälen in feuerfesten Steinen und
natürlichem Luftzuge); oder die abziehenden heissen Gase werden durch
zwei Kammern hindurchgeführt, welchen durch gitterartig aufgestellte
Steine eine sehr grosse Oberfläche und dadurch die Fähigkeit ertheilt
ist, reichliche Wärmemengen aufzunehmen, und wenn diese als Wärme-
speicher dienenden Kammern (Regeneratoren) hoch erhitzt sind, wird
der Gas- und Luftstrom umgeschaltet, die zu erhitzenden Körper (Gase
und Lnft) werden durch jene Wärmespeicher hindurchgefuhrt, dabei er-
hitzt und mischen sich nach dem Heraustreten unmittelbar vor demYer-
brennungsherde, dabei in Folge ihrer Erhitzung die grösstmöglichste
Wärmeentwickelung veranlassend und die dem Ofen verloren gegangene
Wärme diesem zum 'grossen Theile wieder zurückbringend. Die abzie-
henden Yerbrennungsproducte aber erhitzen inzwischen zwei andere
1) Siehe u. A. Stein mann, Compendinm der Gasfeuerung, 2. Auflage,
Freiberg 1876; Wedding, DarBtellung des sohmiedbaren Eisens, S. 159 ff.,
8. 6S0 und 715; Berg- und Hüttenmännische Zeitung von Kerl und Wimmer,
Jahrgang 1874, 8. 180.
JLedebar, aMduuüadi-mtttaUiirgiaoliB TMliaologie. 26
226 Tiegelherdöfen.
Regeneratoren, welche nach abermaligem Umschalten wieder zur Er-
hitzung von Gas nnd Loft dienen. Es ist dieses das Princip der Sie-
mens^schen Regenerativfeuerang, welche nnter allen bis jetzt be-
kannten Fenerungsanlagen am vollkommensten die Aufgabe lost, die vom
Ofen abziehende Wärme fftr denselben wieder nutzbar zu machen und
gleichzeitig dadurch eine yollkommenere Verbrennung zu erzielen , also
die Leistung des Brennmaterials in höchster Vollständigkeit auszunutzen.
Wie aber auf Erden nichts vollkommen ist, so hat auch die Sie-
mens'sche Regenerativfeuerung ihre schwachen Seiten, nnd dieselben be-
stehen einestheils in der erheblich grosseren Kostspieligkeit der Anlage,
obgleich dieselbe bei grossem Betriebe bald durch Ersparungen im
Brennstoffverbrauche ausgeglichen werden kann; andemtheils in dem
Umstände, dass die Regeneratoren sich sehr bald verstopfen oder doch
an Wirksamkeit verlieren, sobald mit dem hindurchziehenden ^trome
der Verbrennungsgase fortgerissene feste oder verflüchtigte und conden-
sirbare Theilchen mitgefährt werden und sich in den Regeneratoren ab-
setzen. Hierher gehören beim Metallschmelzen verflüchtigte Metalle
und Oxyde. Eine Reinigung der Regeneratoren ist aber ohne grossen
Zeitverlust und Kosten nicht möglich. Endlich ist die Thatsache nicht
zu unterschätzen, dass nach dem Beginne des Betriebes eines Ofens mit
Sie men Bischer Feuerung bei der grossen Wärmecapacität des Materials
zu den Regeneratoren naturgemäss erst längere Zeit — gewöhnlich 12
bis 24 Stunden — verstreichen muss, bevor dieselben hoch genug erhitzt
sind, uro ihre volle Wirkung zur Geltung bringen zu können.
Für alle Metalle, welche flüchtige Verbindungen entlassen (Messing,
Neusilber und andere) dürften daher Oefen mit gewöhnlicher Gasfeuerung
oder auch mit directer Feuerung vor dem Siemens'schen den Vorzug ver-
dienen; ebenso für jeden Betrieb in kleinerem Maassstabe, welcher nicht
ununterbrochen fortgeht; sehr gebräuchlich sind dagegen die Siemens-
Flammöfen für TiegelguBsstahlgiessereien von grösserem Umfange ge*
worden , wobei ausserdem die durch dieselben erreichbare hohe Tem-
peratur besonders günstig in die Wagschale f&llt.
Auch Gusseisen wird bisweilen in Tiegelflammöfen mit Siemen Bi-
scher Feuerung geschmolzen, wenn es darauf ankommt, die Eigenschaften
desselben in möglichst geringem Maasse beeinflussen zu lassen (z. 6. bei
der Darstellung sogenannten schmiedbaren Gusses).
Ein derartiger Ofen, ursprünglich für Gusseisenschmelzen bestimmt,
ebensowohl aber auch zum Schmelzen anderer Metalle brauchbar, ist in den
Figuren 204 und 205 in V^o der wirklichen Grösse abgebildet ^). Der Ofen
besteht aus drei Abtheilungen mit je 6 Tiegeln, fasst also im Ganzen
18 Tiegel. Die Einsatzöffnungen für die Tiegel befinden sich in der
Decke des Gewölbes und sind durch passende, mit Eisenrahmen ausg^e*
1) Ans Pract. Mechan. Jonmal 1868, S. 132; daraus in Wedding, Dar>
Btellung des schmiedbaren Eisens, S. 471.
Tiegelherdöfen. 227
röstete Chamotteplatteo abgedeckt. Der Herd, ans Qnarzeand beeteheod,
wird von einer eisernen Platte getragen, nnter ve Icher die atmoephärisohe
Fig. 20«.
228 Tiegelschmelzen.
Luft freien Zutritt hat, um sie zn kühlen. Wie ans der Zeichnung er-
sichtlich ist, sind die Regeneratoren für die Verhrennnngsluft etwas
grösser hemessen als für das Gas, entsprechend dem grossem Volnmen
der erforderlichen atmosphärischen Lnfb. Gas und Luft kommen durch
die beiden links gelegenen Regeneratoren, gelangen dann in die horizon-
talen Ganäle. oberhalb der Regeneratoren, deren Anordnung aus Fig. 204
ersichtlich ist, vereinigen sich unmittelbar vor dem Herde, und die Ver-
brennungsproducte entweichen nach dem Verlassen des Herdes durch die
rechts gelegenen Regeneratoren, diese erhitzend. Nach dem Umschalten
tritt entgegengesetzte Bewegnngsrichtung ein.
Der Mechanismus für das Umschalten ist ausführlich erläutert in
Steinmann, Compendium der Gasfeuerung, 2. Aufl., Freiberg 1876; fer-
ner in Wedding, Darstellung des schmiedbaren Eisens, S. 179 u. £F.;
Kerl, Grundriss der allgemeinen Hüttenkunde, Leipzig 1875, S. 130;
Er ans, Etudes sur les fours ä gaz, Bruxelles 1869, u. y. a. . Sehr schöne
Abbildungen von Siemens'schen Regenerati vöfen für Gussstahlschmel-
zen finden sich in Wedding's genanntem Werke S. 654, auch Jordan,
Cours de metallurgie, Paris 1874, Taf. 38.
Die Werkzeuge der Tiegelschmelzerei best-ehen ausser den zur Unter-
haltung des Feuers erforderlichen Geräthen hauptsächlich in Zangen
zum Herausheben der Tiegel und Abheben der Deckel.
Das Arbeitsverfialiren umfasst die Wartung des Feuers, das Be-
schicken der Tiegel, das Einsetzen und Herausheben derselben.
Von der richtigen Beschickung hängt zum grössten Theile die Be-
schaffenheit des erhaltenen Products ab. Zuerst ist eine richtige Zer-
kleinerung des Rohmetalls erforderlich, um die Tiegel in angemessener
Weise füllen zu können ; besonders dann, wenn der Tiegel von vornherein
bedeckt gehalten werden muss und ein Nachfüllen unthunlich ist, wie
beim Gussstahlschmelzen. Schmilzt man mehrere Metalle zu Legirungen
zusammen oder von einem im Allgemeinen gleichartigen Metalle mehrere
Sorten (z.B. weichen und harten Stahl, siliciumreiches Koksroheisen und
siliciumärmeres Holzkohlenroheisen u. dergl.), so ist die Gattirung dieser
verschiedenen Metalle nach entsprechenden Gewichtsverhältnissen eine
in hohem Grade wichtige Aufgabe. Denn nicht allein verändern die
Metalle ihre specifischen Eigenschafken durch die Legirung, wie früher
erörtert, sondern es ist auch Rücksicht darauf zu nehmen, dass von meh-
reren in einen und denselben Tiegel eingesetzten Metallen das eine häufig
durch den Schmelzprocess ganz anders beeinflusst wird als das andere.
So z. B. verflüchtigt sich, wenn man Kupfer und Zink zu Messing zu-
sammenschmilzt, von dem Zink ein Theil, es erfolgt eine zinkärmere Le-
girung als nach der durchschnittlichen Zusammensetzung des Einsatzes,
und es muss von vornherein eine so viel reichlichere Menge Zink (etwa
3 Proa) zugesetzt werden, dass dieser Gewichtsverlust ausgeglichen
wird. Ebenso verhält sich das Zink im Neusilber und anderen Legirun-
gen. Durch bestimmte Kunstgriffe ist man im Stande, einer allzu reich-
Tiegelschmelzen. 229
liehen Yerflüchtignng heziehentlioh Oxydation vorzubengen. So z. B.
hiin^^ man beim Einsetzen die verschiedenen Metalle in abwechselnden
Schichten über einander in den Tiegel, zu oberst eine Schicht des schwe-
rer oxydirbaren oder schwerer flüchtigen Metalls, so dass rasch Legimng
eintreten mnss; schliesslich bringt man wohl eine Decke von Holzkohlen-
stanb als Rednctionsmittel darauf und auf diese den Deckel; oder man
schmilzt erst das weniger leicht zu beeinflussende Metall, zumal wenn
dieses auch schwerer schmelzbar ist (Kupfer) und setzt erst dem geschmol-
zenen das andere (2^k, Zinn) hinzu. Bei letzterem Verfahren darf man
nicht ausser Acht lassen, dass durch das Einwerfen kalter Stücke ge-
wisser Metalle in ein flüssiges, hocherhitztes Metallbad gefahrliche Ex-
plosionen entstehen können (wahrscheinlich durch Entweichen von Oasen),
so beim Zink und Eisen. Deshalb ist ein vorheriges Erhitzen solcher
zuzusetzenden Metallstücke unerlässliche Regel.
Bisweilen verflJirt man noch umständlicher und gebraucht mehrere
Schmelzen, um die fertige Legirung zu bilden, besonders wenn mehr
als zwei Metalle legirt werden sollen. Man schmilzt dann nicht selten
in eiuem Tiegel die Hälfte eines Metalls mit dem zweiten Metalle, in einem
andern die zweite Hälfke des ersten Metalls mit dem dritten Metalle zu-
sammen und vereinigt nun erst beide Legirungen. So z. B. wird in ein-
zelnen Fabriken bei der Neusilberdarstellung in einem Tiegel die Hälfte
des Kupfers mit dem Zink, in einem zweiten die andere Hälfte des
Kupfers mit dem Nickel, dann die Kupferzinklegirung zur Kupfemickellegi-
rung gesetzt. Aehnliche Vorschriften für Darstellung von Neusilber und
anderen Legirungen sind nicht selten, werden auch bisweilen als Fabrik-
geheimniss betrachtet und mögen wohl ihre Berechtigung durch die Be-
einflussung des Schmelzpunkts beim Legiren in dieser oder jener Weise
finden. Es wird jedenfalls geringerer Metallverlust stattfinden, wenn
man im Stande ist, die leicht flüchtigen Metalle durch geeignetes allmä-
liges Vermischen mit anderen indifferenteren Metallen in niedrigerer Tem-
peratur zu legiren und dann erst als Legirung der höhern Schmelztemperatur
des Endproducts auszusetzen, als weun von vorn herein dieser hohe Wärme-
grad auf jene verdampfungs- und oxydationsfähigen Metalle einwirkt.
Das Einbringen der Metalle in den Tiegel geschieht meistens, wäh-
rend dieser kalt ist, und man pflegt dann erst den gefüllten Tiegel in
den Ofen zu stellen, bevor dieser geheizt ist; in Oussstahlgiessereien, wo
man die Tiegel selbst fertigt, bringt man auch wohl die aus dem Olühofen
kommenden heissen Tiegel unmittelbar in den vorher angewärmten
Schmelzofen und schüttet dann erst das Metall mit Hülfe eines Blech-
trichters hinein.
Wenn eine ganz bestimmte Beschaffenheit und Zusammensetzung
der geschmolzenen Legirung oder des Metalls von Wichtigkeit ist, so
nimmt man, bevor der Tiegel mit seinem Inhalte aus dem Ofen genom-
men wird, eine Probe durch Schöpfen mit einem löffelartigen, langstieli-
gen Werkzeage oder auch nur durch Eintauchen einer eisernen Stange, an
230 Tiegelschmelzöfen.
welcher dann Eügelchen des Metalls haften bleiben, und prüft dieselbe
anf ihre Beschaffenheit; so bei den Legirungen für die MünzdarBteSang,
beim Gussstahl n. a. Die Prüfang kann geschehen durch einfache Be-
nrtheilung nach äusseren Kennzeichen (Bruchfläche, Erscheinungen an
der Oberfläche beim Erstarren); durch gewisse mechanische Untersuchun-
gen (Breitschlagen der Metallkügelchen auf einem Ambos zur Beur-
theilnng der Härte beim Stahle u. dergL); oder durch ein chemisches,
rasch ausführbares Probirverfahren (bei den Münzlegirungen). Durch
geeignete Zusätze dieses oder jenes Metalls lassen sich in den meisten
Fällen erkannte Mängel beseitigen.
Wirkungsgrad der Tiegelschmelzöfen.
Zur Berechnung desselben können folgende Ermittelungen dienen :
a. Tiegelschachtöfen.
1. Auf dem königlich sächsischen Hüttenwerke zu Halsbrücke bei
Freiberg wurden 742,467 Kilogramm Silber bei 7 Grad Wärme in einen
bereits zu mehreren Schmelzungen benutzten Tiegel eingesetzt und zum
Schmelzen 201 Kilogramm Koks mit 6,6 Proc hygroskopischer Feuch-
tigkeit und 13,5 Proc. Asche, also 79,9 Proc. Kohlenstoff yerbraucht.
Die theoretische Leistung der Koks beträgt bei vollständiger Verbren*
nung per 1 Kilogramm Koks
0,799 X 8080 = 6455 Wärmeeinheiten,
und jene wirklich verbrauchten 201 Kilogramm Koks würden demnach
bei völliger Verbrennung
201 X 6455 = 1 297 455 Wärmeeinheiten
zu entwickeln im Stande gewesen sein.
Zur Bestimmung der vom flüssigen Silber aufgenommenen Wärme
wurden 338,900 Kilogramm desselben in 914,9 Kilogramm Wasser von
8,9® C. eingegossen, wobei die Temperatur des Wassers auf 37,0® C,
also um 28,1® C. stieg.
Es wurden also vom Silber für diese Erwärmung abgegeben
914,9 X 28,1 = 25 708 Wärmeeinheiten
Bei der Temperatur von 37,0® C. besass
das Silber noch Überschüssige Wärme über
seine ursprüngliche Temperatur von 7®, wenn
man die specifische Wärme desselben = 0,057
setzt :
338,90 X 30 X 0,057 = 680 „
Es enthielten 338,90 Kilogramm Silber 26 288 Wärmeeinheiten,
mithin die geschmolzenen 742,467 Kilogramm Silber 57 592 Wärmeein-
heiten ^), und es ist der Wirkungsgrad des Schmelzofens
i) 1 Kilogramm Silber demnach 78 Wärmeeinheiten.
Wirkungsgrad. 231
^ 67 692
Ä» ■ = 0 044.
^ - 1 297 455 "•*'**•
2. Der Wirkungsgrad der Tiegelschmelsdien fiUlt günstiger aus,
wenn statt des schon gebrauchten Tiegels ein neuer mm Schmelzen be-
nutzt wird. Bei demselben Hüttenwerke, wie in dem vorigen Beispiele,
schmolz man im neuen Tiegel unter sonst ganz gleichen Yerhältnissen
als bei dem ersten Versuche 1190,740 Eologramm Silber und gebrauchte
dazu 285 Kilogramm Koks. Demnach ist der Wirkungsgrad des
Schmelzofens
_ 1190,740 X 78 ^ ^^^
E = • = 0.060.
286 X 6465 *
3. Beim Gusseisenschmelzen in Tiegelsohachtöfen rechnet man
gewöhnlich auf 100 Kilogramm Gusseisen einen Kokayerbrauch
in eintiegeligen Oefen bis zu 200 Kilogramm,
in mehrtiegeligen Oefen mindestens 80 Kilogramm,
also durchschnittlich 140 Kilogramm Koks.
Nimmt man die Zusammensetzung derselben gleich der bei den yor-
hin beschriebenen Versuchen benutzten Koks an, so entwickeln sie Wärme
. 140 X 6455 = 903 700 Wärmeeinheiten.
Gnsseisen, auf eine zum (Hessen geeignete Temperatur erhitzt, be-
sitzt nach Gruner's Ermittelungen durchschnittlich 250 Wärmeeinhei-
ten ^), 100 Kilo also 25 000 Wärmeeinheiten, und es ergiebt sich die
Leistung der Oefen
X. 25 000
E = ^^o »^^ = 0,027.
903 700
Nimmt man dagegen den günstigsten Koksrerbrauch von 80 Kilo-
gramm Koks per 100 Kilogramm Gusseisen an, so berechnet sich der
Wirkungsgrad
25 000
^ = 8Ö^r6465 = *>•«*«•
4. Um 100 Kilogramm Gussstahl in Tiegelschachtöfen zu schmel-
zen und auf die zum Vergiessen geeignete Temperatur zu erhitzen , ge-
braucht man 200 bis 400 Kilogramm, durchschnittlich 300 Kilogramm
Koks^). Dieselben entwickeln bei gleicher Zusammensetzung wie bei
den bisher besprochenen Versuchen: 300 X 6455 = 1 936 500 Wärme-
einheiten; 1 Kilogramm des flüssigen Metalls besitzt nach Grüner 350
WärmeeinheiteUi es ist also der Wirkungsgrad des Ofens
_, 350X100 ^^,^
1 936 500 ' '
1) Annales des mines, Serie VII, Tome YIII, p. 168 et 169.
^ YergL Q runer, De ratilisation de la chaleur dans les foomeaaz des
usinet m^taUargiqaes. Annales des mines Serie VII, Tome YSl, p. 175; auch
Wedding, DarsteUnng des schmiedbaren Eisens, S. 646.
232 Tiegelschmelzöfen«
im günstigsten Falle bei dem BrennstoffVerbranohe von 200 Kilogramm
200 X 6455
Ziehen wir aas den gegebenen Berechnungen ein Durchschnittsresul-
tat fitr den Wirkungsgrad der Tiegelschachtöfen mit Eoksfenerong , so
ergiebt sich als mittlerer Werth die Ziffer
E = 0,086.
Die Leistung wird im Allgemeinen günstiger bei mehrtiegeligen als
bei eintiegeUgen, bei grossen Eins&tzen als bei kleinen, bei neuen Tiegeln
als bei alten Tiegeln sein.
Bei Anwendung yon Holzkohlen ergiebt sich ein ungleich ungünsti-
geres Resultat in Folge der durch die grössere Porosität des Brennmate-
rials beförderten Bildung von Eohlenoxyd, also der unvollständigen Ver-
brennung. Man gebraucht das doppelte bis vierfache Gewicht Holzkoh-
len als Koks und der durchschnittliche Wirkungsgrad des Ofens ist höch-
stens auf 0,01 zu berechnen. Daher ist die Anwendung von Holzkohlen
zum Tiegelschmelzen sehr selten und nur gebräuchUch , wo man eine
Einwirkung der von den Koks entwickelten schwefligen Säure auf das
Metall fürchtet.
b. Tiegelherdöfen.
5. Zur Berechnung des Wirkungsgrads von Tiegelherdöfen mit
directer Feuerung fEÜirt Grüner an, dass in den Stahlwerken von Assailly
bei Rivede Gier beim Flammofenschmelzen zu 100 Kilogramm Gussstahl 270
Kilogramm gewöhnliche Steinkohle mit einem Aschengehalte von 15 Proc.
gebraucht werde ^). Der Wärmeeffect dieser Kohlen wird sich demnach
auf ca. 6300 Wärmeeinheiten beziffern'). Es beträgt demnach der Wir-
kungsgrad des Ofens
350 X 100 ^^„^
^ = i:;^ :r^:7:;: = 0,020.
270 X 6300 •
6. Beim Schmelzen von Tiegelgussstahl in Regeneravtiflammöfen
beträgt nach Grüner der Brennstoffverbrauch 180 Kilogramm gewöhn-
liche Steinkohle, nach Wedding 155 Kilogramm gute aschenarme Gas-
kohle per 100 Kilogramm GussstahL Setzt man die Wärmeleistung der
erstem wieder = 6300 Wärmeeinheiten per Kilogramm, diejenige der
Gaskohle = 7000, so ergiebt sich im erstem Falle ein totaler Wärme-
aufvfand = 1 134 000, im letztem = 1085000, durchschnittlich circa
= 1 100 000 Wärmeeinheiten. Der Wirkungsgrad der Oefsn beträgt
demnach
350 X 100 ^
1100 000
1) Log. cit. 8. 176.
>) Siehe die Berechnungen des Wärmeeffects von Steinkohlen auf S. 217.
Herdilammöfen. 233
Dritte Oriippe. Herdflammöfen ohne Tiegel.
Das Metall befindet flach unmittelbar auf dem mit einem Gewölbe
überspannten Herde des Ofens, wird bier von der vorüber ziehenden
Flamme an seiner Oberflache bestrichen und verflüssigt. Es sammelt
sich an dem tiefsten Punkte des Herdes und wird von dort durch eine
wfthrend des Schmelzens mit einem Thonpfropfen verschlossen gehaltene
Oeffnung, das Stichloch, abgelassen. Das Metall ist daher den etwai-
gen chemischen Einwirkungen der Verbrennungsgase ohne Schutz preis-
gegeben. Diese Gase bestehen vorwiegend aus Eohlens&ure, Wasser,
Stickstoff und Sauerstoff bei vollständiger Verbrennung; aus Kohlen -
Store, Eohlenoxyd, Kohlenwasserstoffen, Wasser und Stickstoff bei un-
vollständiger Verbrennung. Je weniger vollständig die Verbrennung, je
reducirender also die Flamme ist, desto weniger hoch ist die erreichbare
Temperatur; eine annähernd vollständige Verbrennung lässt sich kaum
ohne einen üeberschuss an freiem Sauerstoff erreichen, dessen Menge
von der Construetion der Feuerungsanlage und der Beschaffenheit des
Brennstoffs abhängig bleibt. Ausserdem wird aber freier Sauerstoff
durch die unvermeidlichen Fugen an den Arbeitsthüren etc. angesogen.
Hierans folgt, dass bei denjenigen Metallen, welche eine hohe Temperatur
zu ihrer Schmelzung verlangen, die Erzeugung einer mehr oder minder
oxydirenden Flamme kaum vermeidlich ist. Enthält das Brennmaterial
Schwefelkies (Stein- und Braunkohlen), so findet sich in dem Gasgemische
auch schweflige Säure.
Als Brennstoffe können sämmtliche flammenden Brennstoffe dienen,
sobald die bei ihrer Verbrennung entwickelte Temperatur zum Schmel-
zen des Metalls hoch genug ist.
In Folge jener directen Einwirkung der Flamme und Verbrennungs-
gase auf das Metall sind alle diejenigen von dem Schmelzen in Flamm-
ofen ausgeschlossen, welche eine wesentliche Beeinflussung ihrer Eigen-
schaften durch diese Einwirkung erfahren; auch solche Legirungeu,
welche zwar nur in geringerm Maasse beeinflusst werden, bei denen aber
eine durchaus unveränderte Zusammensetzung Bedingung ist (z. B. die
Legirungen der MünzwerkstättenX schmilzt man nicht ohne TiegeL um-
gekehrt sucht man beim Schmelzen von Metallen, welche von bestimmten
Gasen leicht beeinflusst werden (Kupfer von schwefliger Säure , Zink von
freiem Sauerstoff u. s. f.), den Verbrennungsprocess derartig zu leiten
oder ein derartiges Brennmaterial zu wählen, dass eben jene Gase in dem
Gasgemische in möglichst geringer Menge auftreten.
Die vorzugsweise in Herdflammöfen geschmolzenen Metalle, sofern
wir von den für rein hüttenmännische Zwecke vorgenommenen Schmel-
zungen absehen, sind Gusseisen und Bronze. Gusseisen erfordert eine
hohe Schmelztemperatur, und es ist deshalb eine gewisse Oxydation
234 Herdflammöfen.
anvermeidlich, durch welche hauptsächlich SQiciom entfernt wird. Ist
das Gnsseisen reich an diesem Körper, so beeinträchtigt der Ozydations-
process die Güte desselben nicht, soBdem erhöht sie sogar in vielen Fäl-
len, wenn ein dichtes, festes, von allzu reichlicher Grraphitausscheidung
freies Product erzielt werden soll. Gegen die übrigen Gase des Yer*
brennungsprocesses, insbesondere gegen schweflige Säure, verhält sich
das Gusseisen ziemlich indiflereut, und daher ist die Steinkohle das
üblichste Material zum Gusseisenschmelzen in Flammöfen.
Bronze unterliegt leicht dem Ozydationsprocesse, es entsteht Kupfer-
oxydul und Zinnoxyd, welche sich im Metalle lösen und dessen Eigen-
schaften beeinflussen. Durch Polen kann eine theilweise Reduction des
Kupferoxyduls, durch Zusatz von Phosphor (Phosphorzinn, Phosphorkupfer)
eine Reduction beider Metalloxyde bewirkt werden (S. 15). Die Ein-
wirkung freien Sauerstoflis ist um so bedeutender, die Schmelztemperatur
der Legirung um so weniger hoch, je zinnreicher die Bronze ist. Des-
halb wird die Flamme um so reducirender gehalten, je stärker der Zinn-
gehalt vertreten ist (Glockenbronze). Als Brennmaterial zum Bronze-
schmelzen benutzt man fast ausschliesslich Holz in der Annahme, dass die
schweflige Säure der verbrennenden mineralischen Kohlen nachtheilig auf
den Kupfergehalt der Legirung wirke.
Stärker als Bronze wird Messing durch das Flammofenschmelzen
auf freiem Herde beeinflusst. Bei der grossen Oberfläche des Metall-
bades wird ein Theil des leicht flüchtigen Zinks in der Schmelztemperatur
des Messings entweder direct als Dampf fortgeführt und als solcher gröss-
tentheils oxydirt; oder es findet auch Oxydation im Bade selbst statt.
Schon die Kohlensäure des Gasgemisches kann oxydirend auf das Zink
wirken. Deshalb erfordert das Messingschmelzen auf freiem Herde
grösste Vorsicht und ist wenig üblich.
Beim Neusilber würden die nachtheiligen Einflüsse des Flammofen -
schmelzens auf freiem Herde sich in noch höherm Grade geltend machen
können als beim Messing, und es ist deshalb für dieses nur allein das
Tiegelschmelzen in Gebrauch.
Die in niedriger Temperatur schmelzbaren Matalle — Zink, Zinn,
Blei — werden bisweilen in solchen Fällen im Flammofen geschmolzen,
wenn bedeutende Mengen derselben im Flusse erhalten werden sollen;
z. B. für den Guss der als erste Verarbeitungsstufe der Darstellung von
Blechen dienenden Platten in grossen Walzwerken ^). Da eine hohe
Temperatur nicht eiforderlich ist, kann man auf reducirende Flamme
halten, um den reichlichen Abgang durch Oxydation zu verhüten.
^) Ueber das Schmelzen des für Bleche bestimmten Zinks in Flammöfen
siehe Berg- xmd Hüttenmännische Zeitmig, redigirt von Kerl and Wimmer,
Jahrgang 1873, S. 290.
Herdflammöfen. 235
Gonstraction der Herdflammöfen.
Man unterscheidet auoli hier Oefen mit directer and mit Gasfeue-
nmg. Es kann im Voraus bemerkt werden, dass erstere Feuerung weit
häufiger in Anwendung ist als letztere. Ein Hauptgrund hierfür liegt
in dem schon beim Tiegelschmelzen im Gasflammofen erwähnten Um-
stände, dass die Yortheile der Gasfeuerung sich hauptsächlich bei einem
grossem Betriebe geltend machen, welcher eine ununterbrochene oder
doch tägliche Benutzung des Schmelzapparats erheischt. Insbesondere
ist dieses bei den Oefen mit Sie mens 'sehen Regeneratoren der Fall, welche
letztere in den ersten Stunden des Betriebes allerdings eine Menge
Wärme aufnehmen, so lange aber verhältnissmässig wenig derselben
abgeben, bis sie selbst auf eine, hohe Temperatur gelangt sind. Nur
wenige Giessereien sind aber in der Lage, ihre Herdflammöfen unausgesetzt
zu benutzen; gewöhnlich liegen mindestens einige Tage zwischen zwei
auf einander folgenden Schmelzen, während welcher der Ofen sich völlig
abkühlt. Die höheren Kosten der Anlage für Gasfeuerung, zumal für
Siemens'sche Feuerung, würden also nicht im Verhältnisse zu den zu
erwartenden Vortheüen stehen. Bei Legirungen, aus denen in der
Temperatur des Schmelzherdes sich einzelne Körper verflüchtigen, welche
in niedrigerer Temperatur wieder fest werden, z. B. Messing, Bronze,
würden die Siemens 'sehen Feuerungsanlagen auch aus dem Grunde
nicht gut anwendbar sein, weü man eine baldige Verstopfung der Rege-
neratoren durch jene mitgerissenen oder verflüchtigten Körper zu befürch-
ten hätte. Deshalb beschränkt sich die Anwendung der Gasfeuerung
zum Herdschmelzen fast allein auf solche Fälle, wo Metalle mit sehr
hoher Schmelztemperatur geschmolzen werden sollen, zu deren Erzeu-
gung gewöhnliche Feuerung nicht ausreicht.
Da die Oefen mit Gasfeuerung in ihrer innem Einrichtung bisweilen
erhebliche Abweichungen von den für directe Feuerung eingerichteten
Oefen aeigen, so wird es sich empfehlen, in Folgendem die Besprechung
beider zu trennen.
Herdflammöfen mit directer Feuerung.
Dieselben enthalten als HauptbestandtheUe: den Feuerungsraum
mit Rost; den Herd, von der Feuerung durch die Feuerbrücke ge-
trennt; den Fuchs (Abzugscanal für die verbrauchten Gase); und die
Esse.
Die Feuerung unterscheidet sich, sofern Steinkohlen als Brenn-
material dienen, nicht erheblich von den Feuerungen der für andere
metallnrgisehe Zwecke benutzten Flammöfeu , wie aus den weiter unten
gegebenen Abbildungen solcher Oefen hervorgehen wird. Ein Rost, mei-
stens Planrost, dient zur Unterhaltung des Verbrennungsprocesses» Je
236 Herdflammöfen mit directer Feuerung.
freier derselbe liegt, d« h. je weniger der Zufluss der ftossem Luft unter
den Rost gehindert ist, desto günstiger ist seine Wirkung. Wo es mög-
lich ist, lässt man deshalb den Aschenfall ausserhalb des Grebäudes mün-
den, nur vor Wind und Regen geschütast. Oberhalb des Rostes befindet
sich an der einen langen Seite des Ofens die Schüröffhung (Feuerthür),
durch einen gusseisemen trichterartigen Rahmen vor Beschädigungen
geschützt (siehe unten Fig. 209). Dieselbe wird während des Schmel-
zens mit Steinkohlen verschlossen gehalten und dadurch das Eindringen
frischer Luft verhindert.
Da bei Holzfeuerung, wozu man längere Scheite benutzt, ein solcher
Verschluss nicht erreichbar und auch die Bedienung des Rostes durch
eine seitliche Oefifhung nicht gut ausführbar sein würde, versieht man
derartige, meistens für Bronzeschmelzen bestimmte, Oefen statt jener
Thüröffhung häufig mit senkrechtem, durch die Decke gehendem Füll-
schachte, wie z. B. in Fig. 206 (Seite 2^38), welcher durch einen Schie-
ber oder eine sonstige geeignete Vorrichtung verschlossen gehalten wer^
den kann.
Je mehr man auf eine reducirende Flamme zu halten gezwungen
ist, desto tiefer muss der Rost unter der Oberkante der Feuerung liegen,
damit eine hohe Brennmaterialschicht das Durchdringen freien Sauer-
stoffs verhüte. Wii* finden diese Abmessung bei Oefen f&r Holzfeuerung
= 0,6 bis 1,0 m, bei Oefen far Steinkohlen = 0,3 bis 0,6 m.
Die Grösse der Rostfläche ist insofern eine der wichtigsten Abmes-
sungen des Ofens, als von derselben zum grossen Theile der Brennstoff-
verbrauch und die Zeitdauer des Schmelzens abhängig ist.
Am besten macht man die Rostfiäche von den in bestimmten 2ieit-
räumen zu schmelzenden Metallmengen abhängig. Wiebe giebt, auf
praktische Erfahrungen sich stützend, die Regel, dass pro 100 Kilogramm
stündlich zu schmelzendes Metall bei Steinkohlenfeuerung eine freie Rost-
fläche von 0,127, eine totale von 0,21 Quadratmeter erforderlich sei^),
und man findet seitdem diese Angabe in zahlreichen Hand-, Lehr- und
Taschenbüchern wiederholt. Bei vielen ausgeführten Oefen mit guten
Betriebsresultaten, von denen unten einige Beispiele gegeben werden sol-
len, finden wir die totale Rostfiäche allerdings diesem Verhältnisse an-
nähernd entsprechend, das Verhältniss der freien zur totalen aber minde-
stens wie 1 : 2, nicht selten wie 1 : 3, also die freie Rostfiäche erheblich
kleiner als nach Wiebe's Vorschrift In der Wirklichkeit lässt sich übri-
gens, wenn nur die totale Rostfläche dem Bedürfiusse entspricht, durch
Einlegen anderer Roststäbe oder durch Vergrösserung oder Verkleine-
rung der Anzahl derselben sehr leicht das Verhältniss der totalen zur
^) Wiebe, Die Maschinenbamnaterialien , B. 510. Unter fireier Rostfiäche
versteht man bekanntlich den Zwischenraum zwischen den Boststäben, soweit
die Luft bindurchtreten kann.
Herdflammöfen mit directer Feuerung. 237
freien RoBtfläche &ndem, wenn sich eine Bolche Aenderong als zweck-
mässig herausstellen sollte.
Nimmt man als Zeitdauer des Schmelzens eines einmaligen Einsatzes
5 bis 6 Stunden an und bezieht die Grösse der Rostfl&che nicht auf das
stündlich zu schmelzende Metall, sondern auf die Grösse des ganzen Ein-
satzes, so findet man bei den besseren Oefen fürje 100 Kilogramm
des überhaupt zu schmelzenden Metalls die Grösse der Rostflache
zwischen folgenden Werthen:
Freie
Rostfläche
in Quadratmeter
per 100 Kilogramm Metall
A. Einschmelzen mit Steinkohlen.
Oefen mit mehr als 5000 Kilogramm Einsatz
, mit 2000 — 5000 , „
B. Bronzeschmelzen mit Holz.
Oefen mit mehr als 5000 Kilogramm Einsatz
Oefen mit 2000 — 5000
0,015 — 0,03
0,03 —0,04
0,010 — 0,015
0,015 — 0,020
0,0075 — 0,015
0,015 — 0,02>)
0,002 —0,003
0,003 —0,004
Der Gmndriss des Rostes pflegt der bequemem Bedienung halber
annähernd quadratisch zu sein, oder es verhält sich die Länge (von
Rückwand bis Feuerbrücke) zur Breite (von einer Langseite des Ofens
zur andern gemessen) wie 4 : 5.
DieOefifoung oberhalb der Feuerbrücke, durch welche die Flamme in
den Herd gelangt, heisst das Flammenloch. Die Breite desselben (gleich
der Länge der Feuerbrücke) ist gleich der Breite des Rostes; das Yer-
hältniss des totalen Querschnitts dieser Oeffiiung zur totalen Rostfläche
findet man bei ausgeführten Oefen zwischen den Werthen von 0,3 bis
1,0, meistens 0,5 bis 0,7. Hieraus ergiebt sich alsdann die Höhe des
Gewölbes über der Feuerbrücke, welche bei kleinen Oefen ca. 400 mm,
bei mittleren und grossen 600 bis 700 mm, selten darüber zu betragen
pflegt. Im Allgemeinen wird bei Oefen mit niedrigem Gewölbe die
Wärme bessere Ausnutzung finden als bei hohen; nicht selten sprechen
aber Nebennmstände bei Bemessung der Gewölbhöhe mit, insbesondere
die Gröese der zu schmelzenden Einsatzstücke und die dadurch bedingte
Höhe der Einsatzthür an der Seite des Herdes.
1) Dürre ermittelt anf theoretischem Wege far einen Ofen mit 3750 bis
6000 Kilogramm Einsatz die zweckmässige Areie Bostfläche = 1,01 , die totale
^: 2,02 Quadratmeter (Dürre, Handbach des Eisengiessereibetriebes , n. Bd.,
8. 358).
238 Deutsche Flammöfen.
Der Herd pflegt to ringericbtet m Min, dan du tmgeBchiDolxeiie
Het«U anf einer hocfagelegeaen Stelle von den Guen snm Schmetsen erhitzt
wird, das geachmolsene aber «ich an einer tiefer gel^^nen, vorher freien
nnd Ton den TOr&ber nehenden Gasen erhitzten Stelle sammelt, stets
aber an seiner Oberfläche der Einwirkung der Wftnne Misgeaetat Ueibt
Diese Einrichtung ist nothweodig, um eine frOhseitige Abkühhing des
geschmolzenen Metalls während der Schmelsdaoer m TeriiSten, welche
mindestens einige Stunden zn beanspruchen pflegt. Je nachdem jene
höchste St«lle des Herdes, anf der das nngeschmolsene Metall sieh befin-
det, der Fenernng näher oder derselben entfernter als der Sammelranm
des flässigen Metalls liegt, onterscheidet man zwei verschiedene Ofensysteme :
1. Dentsche Flammöfen, Flammöfen mit gestrecktem
Herde, Figuren 206 nnd 207 (Flammöfen zum Schmelzen von ca. 11 200
Kilogranun Bronze in der königlichen Oeschützgieaserei zu Spsndftn ')).
'} Terf^Mer verdankt die Hittheilung dieaer Zeiclumngeii der Gate der
königlictien Direction genannter Anetalt Aeltere AbbUduDgen derselben Oefen
Sampröfen. 239
Dos ongescbmolsene ItCetall befindet sich onmittelbar hinter der
FenerbrBoke, flieset beim Schmelzen in der Richtung des Gasstromea den
Fig. 207.
etwu geneigten Herd hinab nnd gammelt aicb an dem der FenerbrQcke
«ntgegengesetsten Ende des Ofens (diso in der N&he des Fnchses), tod wo es
dnmb ein, gewöhnlich an der Stirnseite des Ofens befindliches, Stichloch
e abgelassen wird. Das Gewölbe überspannt den Herd von einer Längs-
sate des Ofens zar andern mit annäbernd gerader Achse , beaitzt aber
«twM stärkere NeigQDg als dieser, so dsas beide nm so mehr convergiren,
je mebr sie sich dem Endpunkte des Herdes (dem Fnchse) näbern.
3. Staffordsbire-Oefen, FranzöBiscbe Oefen, Oefen mit
Tertieftem Herde, Snmpföfen. Die Figuren 208 nnd 209 (a. f. S.) stellen
einen Flammofen der KönigsbOtte in Schlesien ans dem Jahre 1868, zum
Sohmelsen von 5000 Kilo Robeisen bestimmt, in i/|g der wirklichen
GrOne dar').
findea sieb in Wiebe'x Skiztenbnch, Heft X, nnd in Dürre'* Handbach der
Eimigien«rei, Bd. I. Bei rollern Einsätze oben augenUirtaii Quantum« werden
die Feaerbrncke und iftmmtliohe ThärCffkmn^n um eine Bache Btainschicht
erhöbt.
') PrennUche ZeilJ«brift für Berg-, Hütten- und 8alinenwe«en , Bd. XVI,
Tat X, Fig. 8 nnd 9.
240 Herdflammofen.
Unmiitolbar hinter der Fenerbrflcke Üegt der vertiefte Sammeb-anm
(SnmpO fOr das geachmolzene Metall mit. dem Stichloche an einer der
Fie- 208.
beiden Langseiten ; von da ab steigt die Herdeoble stetig bis zun Fnchse
empor and das nngescbmolzene Hetall wird in der Nähe des letztem
eingesetzt. Das Gewölbe bat gebrochene Gestalt, zieht sich zneret tief
über den Snmpf hinab, stAtzt sich dort senkrecht oberhalb des Sticblochs
anf einen qnerlanfenden Gnrtbogen und schwingt sich von da ab, der
Steigung der Herdeoble entsprechend, in einem zweiten Bogen bis sam
Fachse empor.
Wie man sieht, ist bei beiden Ofensystemen das Bestreben vorlian»
den, dorcb geeignete Form des Gewölbes einestheile die Flamnie auf das
Metall niederzassiehen , anderntbeils aber auch die vom Gewölbe aoT-
genommene Warme anf das darunter befindliche Metall zurückstrahlen
za lassen. Ton letzterem Gesichtspankte ans nennen die Franzosen die
Flammöfen foars h r^verbSre, die Engländer reverberatory-fnmaces —
Rückstrahlun gsöfen.
Der Unterschied in der Wirkung jener beiden Ofensysteme ist fol-
gender. Bei den dentechen Flammöfen befindet sich das eingesetzte
Metall hinter der Feuerbrücke, dnrch diese um so mehr geschätzt, je
höher dieselbe ist, aber in gleichem Maasse auob der Einwirkung der
Wärme entzogen. Die Folge davon ist, dass das Hetall verfaältnissmissig
langsam einschmilzt, sobald es aber einmal geschmolzen ist, sich leicht
in ausreichend hoher Temperatur erhalten lässt, während zugleich die
grosse Oberfläche des Metallbades etwaigen chemischen Einwirkungen
Herdflammöfen. , 241
des Gassiromes die beste Oelegenheit bietet. Es kommt hinzu, dass das
geschmolsene Metall erst Yon der Spitze der Flamme., also von dem
heissesten, aber auch am kr&ftigsten oxydirend wirkenden Theile dersel-
ben erreicht wird, nachdem die durch Thürspalten etc. angesogene atmo*
spänsche Lull sich bereits mit derselben vermischt hat. Ist das Metall
also zur Oxydation geneigt, so kann nur durch eine stark reducirende
Flamme eine reichliche Sauersto£faufnahme beziehentlich Yerschlackung
vermieden werden, während anderntheils für ein raffinirendes Schmelzen,
z. B. Gewinnung eines silicium&rmem Gusseisens aus siliciumreicherm
Materiale,- gerade diese Ofenconstruction vortheilhaft erscheinen muss.
Bei den Staffordshire-Oefen ist das ungeschmolzene Metall der Ein-
Wirkung der Flamme in der heissesten Zone des Ofens ungeschützt preis-
gegeben und das geschmolzene sammelt sich in einem Baume, welcher
in gewissem Maasse durch die davor liegende Feuerbrücke einen gewis-
sen Schutz gegen die directe Einwirkung der Flamme erh<, eine ver-
hältnissmissig geringe Oberfläche besitzt und sich in einer Gegend des
Ofens befindet, wo die oxydirende Wirkung der Flamme überhaupt ^e
geringere ist, als in der Spitze derselben. In Folge dieser Umstände
ist der Staffordshire-Ofen durch rasches Einschmelzeü und verh<niss-
mässig geringe Oxydation gekennzeichnet. Die tief niedergezogene Form
des Gewölbes ermöglicht eine ausreichende Yorwärmung der Herdober-
flache in dem Sumpfe vor dem Schmelzen und befördert die spätere
Einwirkung der Wärme auf das geschmolzene Metall in genügendem
Maasse, um eine vorzeitige Erkaltung des Metallbades zu verhüten.
Werfen wir die Yortheile und Nachtheile beider Ofensysteme ein-
ander gegenüber in die Wagschale, so düiite das Zünglein wohl in den
meisten Fällen zu Gunsten der Staffordshireöfen, dem neueren Systeme, hin-
überschlagen. In der That verdrängt dieses System in den meisten Giesse-
reien mehr und mehr das andere und selbst da, wo man, an alten
Yomriheilen klebend, die C!on8truction für diese oder jene Legirung nicht
geeignet hält (z. B. in Glockengiessereien) düiile das Yorurtheil schwin-
den, wenn man erst einmal den Yersuch gewagt hat.
Werfen wir einen Blick auch auf denGrundriss des Herdes, so finden
wir in den beiden oben gegebenen Beispielen (Fig. 207 und 209), dass
derselbe «n der Feuerbrücke so breit ist als diese lang (also die gleiche
Breite des Rostes besitzt) und sich nach dem Fuchse hin zusammenzieht
in Folge des Umstandes, dass der Querschnitt des Fuchses ein erheblich
kleinerer sein muss als. der Querschnitt des Flammenlochs. Die Zusam-
menziehong findet entweder vollständig gleichmässig in der ganzen Lauge
des Herdes statt wie in dem Ofen Fig. 207 oder erst in dem letzem Theile
desselben , während der vordere Theil durch annähernd parallele Wände
begrenzt ist. Eine stärkere Ausbauchung des Herdes nach der Mitte
zu, wie man es hier und da findet, und wie es für andere metallurgische
Processe zweckmässig sein kann, ist völlig zwecklos und beeinträchtigt
nur die Wirkung der Flamme.
L«d«bar, mechanisch'meUJlargisclie Technologie. 16
242 Herdflammöfen.
An der einen Seite des Herdes befinden sich die Tbüröffniingen
(Fenster), gewöhnlich zwei, eine zum Einsetzen des Metalls, die andere
über dem Sammelraome fftr das fifissige Metall, un zu diesem gelangen
zu können, wenn es nöthig werden sollte, erstarrte Ansätze loszubrechen,
zu polen (S. 16), Leginingen durchzurühren und dergleichen. Die Thär-
ö&ungen sind mit starken gusseisemen Thürzargen ausgerüstet und
werden durch gusseiseme Thüren (die gewöhnlich zum Aufziehen ver-
mittelst Kette und Hebel eingerichtet sind) verschlossen gehalten. Die
Einsatzöfihungen werden bei Bronzeschmelzöfen, wenn der Einsatz beendet
ist, vermauert Bei dem in den Fig. 206 und 207 auf S. 238 abgebil-
deten Ofen befindet sich ausser der kleinem Einsatzöfi&iung a noch eine
grosse dergleichen b jenseits des Rostes, welche zum Einbringen grosser
bronzener Geschützrohre dient; femer findet sich ausser der Arbeitethür
c eine zweite d auf der Stirnseite, welche gleichfalls zum Rühren, Polen,
Aufbrechen etc. benutzt wird.
Die grösste Breite des Herdes befindet sich nach Obigem unmittel-
bar hinter der Feuerbrücke; die totale Fläche des Herdes muss in einem
gewissen Verhältnisse zu der Rostfläche stehen. Ist die Herdfläche zu
gross, so wird zur Erwärmung derselben in überschüssiger Weise Wärme
verbraucht; ist sie zu klein, so ist das Metall in hoher Schicht auf einem
engen Räume zusammengedrängt und wird schwieriger erwärmt. Nach
Wiebe's Erüahrungsresultaten soll bei Steinkohlenfeuerung das Yerhält-
niss der Grösse der Herdsohle zur freien Rostfläche = 6,66 : 1, zur
totalen = 4:1 sein. Prüfen wir jedoch dieses Yerhältniss bei den aus-
geführten besseren Oefen, so finden wir nur bei den kleinsten derselben
das Verhältnis der totalen Rostfläche zur Herdfläche wie 1:4, bei den
mittleren Oefen fast immer wie 1 : 3, bei sehr grossen wohl nur wie
1 : 2. Die weiter unten gegebenen Beispiele ausgeführter Oefen werden
ein deutlicheres Bild hiervon geben. Da eine wissenschaftlich begrün-
dete Regel fehlt, muss man sich eben auf Erfahrungsresultate stützen.
Man darf nicht ausser Acht lassen, dass bei gegebener Breite und be-
rechnetem Querschnitte des Herdes die Länge desselben zum Theile aus
diesen Factoren hervorgeht; dass aber diese Länge zweckmässigerweise
auch von der Beschaffenheit des Brennmaterials abhängig bleibt. Kurz-
flammiges Brennmaterial erfordert einen kurzem Herd, langflammi^es
einen langem. Diese Länge beträgt meistens 3 bis 4 Meter, nur bei
ganz kleinen Oefen mit Holzfeuerung finden sich kürzere Herde, während
längere als 4 Meter äusserst selten und gewiss nicht zu empfehlen sind.
Durch trapezförmige Gestalt des Grundrisses lässt sich die Länge Ter-
grössem, wenn dieselbe für die berechnete Fläche nicht ausreichend er-
scheinen sollte.
Die Höhe der Feuerbrücke über dem höchsten Punkte des Herdes,
also deijenigen Stffle, auf welcher das ungeschmolzene Metall sich befin-
det, wird um so reichlicher bemessen, je mehr das Metall vor den chemi-
schen Einwirkungen der Flamme geschützt werden soll. Besonders ist
Beispiele. 243
dieses bei Oefen mit gestrecktem Herde der Fall, wo jene Stelle unmittel-
bar hinter der Feuerbrücke liegt, während bei Snmpfofen die Gonstrution
des Gewölbes und höhere oder tiefere Lage des Fuchses mehr als die
Höhe der Feuerbrücke die Wirkung der Flamme beeinflusst. Je mehr
aber das Metall den chemischen Einflüssen der Flamme durch eine hohe
Feuerbrücke entzogen wird, desto mehr wird auch die Wärmeabgabe
an dasselbe erschwert, desto mehr Brennsto£f muss also aufgewendet
werden, um die gleiche Menge Metall zu schmelzen. Aus diesem Grunde
legt man die Oberkante der Feuerbrücke bei Bronzeöfen gewöhnlich
nicht höher als 200 bis 250 Mm. bei Eisenschmelzöfen 100 bis 200 Mm.
über die höchste Stelle des Herdes.
Der Neigungswinkel des Herdes, beziehentlich die Tiefe des Sumpfs
muss bei gegebener Herdfläche von der anzusammelnden Menge flüssigen
Metalls abhängig sein.
Der Fuchs (g in Fig. 206) muss, wie aus praktischen Erfahrungen
hervorgeht und sich theoretisch nachweisen lässt, bei jedem Flammofen
einen bedeutend verengten Querschnitt besitzen, wenn die Wärme der
durch den Ofen hindurchziehenden brennenden Gase in gehöriger Webe
ausgenutzt werden soll. Wie jede unter Einwirkung eines gleichmässigen
Luftzages brennende Flamme in eine Spitze endigt, so müssen auch die
Abmessungen des Ofens in ganz gleicher Weise nach dem Fuchse zu
mehr und mehr verengt werden und die Verbrennungsgase müssen
schliesslich durch den Fuchs mit grosser Geschwindigkeit entweichen.
Nach einer empirischen Regel giebt man dem Fuchsquerschnitte Vio der
totalen Bostfläche und findet bei den meisten Oefen wenigstens an-
nähernd dieses Yerhältniss innegehalten.
Die erforderliche Geschwindigkeit der Gase bei ihrem Hindurch-
gehen durch den Fuchs wird durch die Esse hervorgerufen. Daher
mosii dieselbe hoch genug sein, und ihr Querschnitt muss in einem be-
stimmten Verhältnisse zur Rostfläche stehen, wenn die Verbrennung auf
dem Roste richtig von Statten gehen und die erforderliche Wärmemenge
entwickelt werden soll. Nach Wiebe soll der Querschnitt der oberen
Essenmündnng gleich 0,45 der freien Rostfläche sein. Auf die totale
Rostfläche bezogen würde man demnach den Essenquerschnitt annähernd
gleich 0,20 derselben zu construiren haben, eine' Regel, welche bei aus-
geführten Anlagen Bestätigung findet. Die Höhe der Esse sei nicht zu
gering bemessen; nach Wiebe findet man eine zweckmässige Höhe der-
selben durch die Formel
25
jff = 19 -I =—- Meter,
^ 15 d — 0,30 '
worin d die lichte Essenweite in Metern bedeutet ^).
«
1) Die von Wiebe für rheinländinche Fiuse aufgestellte, vom Ver&sser
fnr Metermaass umgerechnete Formel lautet:
80
if = 60 4- T-^ 7 rhnl. Fusse.
' o (k — 1
16*
244
Herdflammöfen.
Als Belege für die vorstehend gegebenen Erörternngen über die
innere Constraction der Herdflammöfen mögen ausser den bereits ge-
gebenen Abbildnngon einige weitere Beispiele ausgeführter Anlagen,
durch Skizzen yeranschaulicht, dienen.
Sämmtliche eingeschriebenen Maassen bedeuten Millimeter.
Fig. 210. Flammofen zum Roheisenschmelzen in der Kanonen-
giesberei der Vereinigten Staaten zu Westpoint ^). Der Ofen schmilzt
Fig. 210.
-609 ->**-609 -**♦ 009->t*-fl09— -_,
« S 8
08»--
^-^*'"
in ÖYs Stunden 5000 Kilogrampi Gusseisen, welche nach dem
Schmelzen noch weitere 2^2 Stunden der Einwirkung der Hitze aus-
gesetzt werden. Charakteristisch ist die schwache Gonvergenz des
Gewölbes gegen den Herd, herrorgernfen durch geringe Höhe des
Flammenlochs, und das Fehlen der Feuerbrücke. Es wird dadurch
ein Einsetzen sehr starker Roheisenstücke (Ausschussstücke) unmöglich
gemacht, und es werden nur Roheisenbarren und schwache Stücke Ter-
schmolzen.
Fig. 211, Flammofen zu Mariazell in Steyermark zum Gusseisen-
schmelzen mit Holz '). Die Bedienung des Rostes geschieht durch zwei
Füllschächte von oben; hinter dem Roste befindet sich in der Rückseite
des Ofens, wie bei den Spandauer Flammöfen, eine Oeffnung zum Ein-
bringen grosser Eisenstüoke, welche ihrer Grösse halber durch die ge-
wöhnliche Einsatzthür nicht einzubringen sein würden. Der Grundriss
1) Nach Barre, Handbuch Taf. Xm, Fig. 8 und 9; uraprangUch aas:
Beports of experiments on the properties of Metals for Gannon etc. by T. J.
Bodman. Boston 1861, Taf. I.
«) Dürre, op. cit. Taf. XIV, Fig. 1.
Beispiele. 245
des Herdes ist trapezförmig, an der Feuerbrücke 1160 Mm^, am Fuchse
945 Mm. breit. Auffallend ist die beträchtliche Höhe des Flammenlochs,
Fig. 211.
*"- 9iO
DCaOQDC
welche schwerlich durch die Anwendung von Holz genügende Begrün-
dung finden dürfte und nicht zu billigen ist.
Fig. 212. Flammofen in Königin -Marienhütte bei Cainsdorf in Sach-
sen zum Gusseisenschmelzen mit Steinkohlen. Der Ofen schmilzt in fünf
Fig. 212.
Stunden 5000 Kilogramm Gusseisen, welche in Blöcken von circa 350
Kilogramm Gewicht eingesetzt werden. Das Einbringen dieser grossen
Stücke erheischt die Anwendung einer grossen Einsetzthür (830 Mm.
hochf 660 Mm. breit), und hierdurch stellt sich wieder die Nothwendig-
keit heraus, das Gewölbe an dieser Stelle entsprechend hoch zu legen,
wie aus der Skizze ersichtlich ist, ein Umstand, der zwar unvermeid-
lich ist , obschon er nicht gerade günstig auf Ausnutzung der Wärme
wirken dürfte.
246
Herdflammöfen.
Fig. 213. Kleiner Bronzescbmelzofen mit Holzfenemng för einen
Einsatz ron 2500 Kilogramm Metall in der Statnengiesserei von C. Alb.
Bierling in Dresden. Es ist dieses ein Staffordshireofen der kleinsten
Art nnd beweist dnrcb die mit demselben erlangten günstigen Resultate,
Fig. 213.
»140 4
I
«t» *n4o»
.ft«».
»et
»e»
dass dieses Ofensystem auch für kleinere Oefen und für andere Metalle
als Gnsseisen sehr geeignet sei.
Da auch solche Constructionen unter Umstanden Interesse verdienen
und lehrreich wirken können, welche als verfehlt bezeichnet werden
müssen, so möge als solches Beispiel die in Fig. 214 gegebene Skizze
des Flammofens einer norddeutschen, dem Verfasser befreundeten Eisen-
giesserei dienen, deren Firma hier unerwähnt bleiben kann. Eine Be-
leuchtung der Gonstructionsverhältnisse dieses Ofens besitzt um so mehr
Berechtigung, als derselbe offenbar genau nach einer im Jahrgange' 1868
der Zeichnungen des Vereins „Hütte'' auf Blatt 1 b befindlichen Abbildung
gebaut ist, welche die Flammöfen der Kölnischen Maschinenbau- Actien*
gesellschafb zu Bayenthal bei Köln darstellt, und Mancher, in der Vor-
aussetzung, dass in solcher Sammlung nur bewährte Constructionen auf-
genommen würden, in Versuchung gerathen könnte, den Ofen abermals
nachzubilden.
Der Ofen ist für einen Einsatz von ca. 5000 Kilogramm Boheisen
bestimmt. Die Grösse der totalen Rostfläche ist 1,33 Quadratmeter, ent-
spricht also ungefähr den oben aufgestellten Regeln. Der Querschnitt
des Flammenlochs = 0,562 Quadratmeter, obschon im Allgemeinen etwas
Beispiele. 247
klein, würde trotzdem noch als znlässig gelten können, wenn nunmehr
die daraus sich ergebende Höhe des Gewölbes über der Herdsohle sich
annähernd gleich bliebe. Während aber letztere sofort einen tiefen
Sumpf bildet, läuft das Gewölbe in fast horizontaler Richtung weiter, so
Kg. 214.
e
«
m
A
n
g
dasB sich die Höhe desselben über der tiefsten Stelle des Ofens auf
863 Mm. und der Querschnitt des letztem auf 1,35 Quadratmeter erwei-
tert, und es wird in Folge eines spätem Ansteigens des Gewölbes dieser
QnerBcbnitt bis gegen das Ende des Herdes beibehalten , wo dann eine
albnälige Verengung stattfindet. Eine derartige Gewölbeconstruction
mnas eine ungenügende Yorwärmung des Sumpfbodens, eine schwache
Wärmeabgabe an das sich sammelnde flüssige Metall zur Folge haben
und als fehlerhaft bezeichnet werden. Die totale Herdfläche ist 7,2 Qua-
dratmeter gross, die Länge des Herdes 4,5 M., also beides nicht im Ein-
klänge mit den gleichen bei anderen Oefen als zweckmässig befundenen
Abmessnngsyerhältnissen , sondern zu gross. Grossem Tadel aber ver-
dient die Gonstruction des Fuchses und der Esse. Ersterer besitzt einen
Quersclmitt von 0,37 Quadratmeter, also circa Y« der totalen Rostfläche und
somit Tiel zu gross; der Essenquerschnitt aber ist 0,27 Quadratmeter,
also kleiner als der Querschnitt des Fuchses, während er in Bezug auf
die Grösse der Bostfläche ausreichend gross gewesen sein würde.
Die Folgen dieser fehlerhaften Abmessungen des Ofens zeigen sich
bei dem Betriebe. Das Schmelzen geht matt und langsam yon Statten
und beansprucht 7 bis 8 Stunden; das erfolgende Eisen ist wenig hitzig
und der BrennstofiPverbrauch um circa 50 Proc höher als bei zweckmässi-
ger constroirten Oefen.
Einbau der HerdflsmmÖfeD.
Für die Beschreibnng desselben mögen wieder die SpandanerFt&miD-
5fen benntzt werden, deren frflher gegebene Abbildnngen in den Figuren
215 und 216 wiederholt sind, und weiter unten in den Figuren 217,
218 und 219 durch Ansichten der äusseren Tbeile weitere Terrollst&ndi-
gang finden werden.
Wie bei Jedem andern Bauwerke bildet das unter der Hüttensoble
aus Bruch- oder Ziegelsteinen aufgeführte, den EigenthSmlicbkeiten des
Erdreichs entsprechend mehr oder minder starke Fundament die Grund-
lage des Ofens. Auf demeelben baut sich rahmenartig der Fnss des Ofens
auf, an der Rückseite mit der Aussparung für den Aschenfall versehen
Fig. 215.
Einbau. 249
und mebtena ans Ziegelstemmaaerwerk errichtet. In Fig. 216 ist der-
selbe mit k bezeicluiBt. Er beginnt am so viel unterhalb der Sohle der
Giesaerei, als der Aschenrall vertieft liegt, und ragt bis zur Hohe des
Herdes anB dem Boden heraus. Dieser Fobs trägt sowohl daa ans ge-
wöfanlichem Mauerwerk bestehende äussere Rauhgemäner des Ofeus
ii, Fig. 216, ab das ans feuerfestem Materiale hergestellte Futter kb,
und es niiiss deshalb die Stärke des Fusaes mindest«nB gleich der Stärke
dieser beiden Ofentheile zusammen genommen sein. Das Folter macht
man 126 bis 250 Mm. stark; den äusseren Begrenzungen des Rauh-
Fig. 216.
gemauert giebt man einen rechteckiges Grundriss, so dosa, wenn nicht
du Ofeninnere gleichfalU rechteckige Verticalprojection zeigt, sich «n
Terscfaiedenen Stellen verschiedene Wandstärken des Raubgemäuers er-
geben; an den schwächeren Stelleo pflegt dasselbe 120 bis 125 Mm.
(eine Steinbreite) stark zu sein, doch kommt es bei stark heraustretenden
Theileo des Ofens auch wohl vor, dass das feuerfeste Futter dort die
alleinige Umgrenzung bildet und das Rauhgemäner an diesen Stellen
ganz verschwindet (z.B. an derStim- und Rückseite des Ofens, Fig. 215).
Das Futter wird erst eingesetzt, wenn das Ranhmauerwerk fertig ist.
250 HerdöammÖfeD.
Zwischen beiden wird ein ZwiBcheDraam von 5 bis 10 Millimeter gelas-
sen, damit das sE&rker erhitzte Fntter sich frei aasdehDen kann. Da
das Futter von den sämmtlichen in dem Ofen th&tigen Einflüssen zuerst
nnd am stärksten in Anspruch genommen wird, erfordert die Heratellnng
desselben besondere Sorgfalt. Das äblicbste Material dafür sind Cha-
mottesteine, seltener natürlich Torkommende feuerfeste Steine. Die
Steine werden genau zusammen gepasst (am besten zusammen geschlif-
fen) nnd mit möglichst wenig Bindemittel vermauert, welches zweck-
mSssig aus gemahlenen Abföllen der Steine mit etwas feuerfestem Thone
vermischt besteht. Je schwächer die Fugen ausfallen , desto besser hält
das Mauerwerk, denn da das benutzte Bindemittel im Allgemeinen weni-
Fig. SI7.
ger wideratandsföhig gegen die Hitze ist, als die Steine selbst, so pflegt
an den Fugen das Wegschmelzen bu beginnen; nnd wenn dieselben so
dick mit dem Bindemittel verstrichen sind, dass eine wirkliche LOcke
entsteht, so wird nicht allein der Znsammenhang des Manerwerks ge-
lockert, sondern auch die Fläche fOr den Angriff des Schmelzens erheb-
lich vergrSssert. Es würde deshalb durchaus onzulfissig sein, wenn der
Maurer den Stein, wie es bei gewöhnlichem Manerwerke üblich ist, in
eine dicke Schicht des Bindemittels einbetten wollte; man taucht densel-
ben vielmehr nur in die dünne breiartige Masse ein, reibt ihn auf seiner
Unterlage fest nnd passt in gleicher Weise einen Stein neben den
andern.
Da jede ^forderlich werdende nene Ausföttemng des Ofena erbeh-
Uche ArbeitalöhDe and UaterialanfirMid erheischt , so pflegt das beste
feuerfeste Material anch das relativ hilligste ztt sein. "Eb sei jedoch hier-
bei die Bemerknng gestattet, dass aach die Güte der feaerfcBten Steine
insofern dn relativer Begriff ist, als dieselbe zam grossen Theile von der
Art der Verwendung abhängt. Ein Material, welches in Schachtöfen
252 HenJflammöfen.
sieb als ausgezeichnet bew&hrt, kann nnter Umstinden im Flammofen in
Folge der ToUstäadig verachiedenen EinflOsae eich nor als mittelrnftamg
erweisen und umgekehrt. Deshalb ist eine Prüfung der Steine mit
besonderer Rücksicht auf die jedesmalige Verwendung erforderlich, beror
ein Urtheil über ihre Beechaffenheit möglich ist.
Weder eine sehr geringe, noch eine übermässige Stärke des Futtars
ist von Vortheil. Fratere macht ein Öfteres Auswechseln erforderlich,
womit jedesmal ein Verlust an Material verbunden ist, da natürlicher-
weise die Steine niemals völlig weggesohmolzen werden dürfen; letztere
hat bei längerer Benutzung eine mehr und mehr fortschreitende Aende-
mng der Ofenabmessungen durch Wegschmelzen zur Folge, die eine
Fig. 219.
Grenze erreichen kann, wo eine neue Ansfuttemng erforderlich wird,
ohne dass die Steine bereits an und für sich unbrauchbar geworden wären.
Der etwa erhoffte Vortheil aber, durch dickeres Futter nnd dickere
Ausseuwäude die Wärmeausstrahlung zu mindern, wird immerhin durch
den Umstand zum Theil ausgeglichen werden, dass die dickeren Steine
bei ihrer verhältnissmätaig grossen Wärmecapacität auch eine beträcht-
lich grössere Wärmemenge verschlncken, bevor der Ofen die zum Schmel-
zen erforderliche Temperatur erlangt, und dass diese Wärme völlig ver-
loren ist, sobald der Ofen kalt gelegt wird, wie es besonders bei den
Oiessereiflammöfen meistens nach einmaligem Schmelzen zu geschehen
pflegt. Deshalb dürften die oben gegebenen Ziffern für die Stärke des
Futters als Grenzwerthe zu betrachten sein.
Einbau, 253
In dem Futter und Rauhgemäuer werden die durchgebenden Oeff-
nungen zum Einbringen, Schüren, Abstechen etc. ausgespart.
Ton den Seitenwänden des Futters wird die gewölbte Decke des
Ofens, gleichfalls aus feuerfesten Steinen hergestellt, getragen. Die Her-
stellung derselben ist bei den Oefen mit gestrecktem Herde einfacher als
bei den Sumpfafen, wo sie aus zwei im Winkel zusammenstossenden Bogen
besteht und an der Durchschnittslinie derselben, der tiefsten Stelle des
Gewölbes oberhalb des Sumpfs, in hohem Maasse der Einwirkung der
niedergedrückten Flamme ausgesetzt ist. Es dürfte deshalb die in
Fig. 208 auf S. 240 gezeichnete Einrichtung nicht unzweckmässig sein,
bei welcher die beiden Bogen sich an dieser Stelle auf einen querlaufen-
den Gurtbogen stützen, der aus Steinen mit hindurchgehendem Luffc-
canale gebildet ist, um durch hindurchstreichende Luft (die vermittelst
einer Esse angesaugt werden kann) eine Kühlung dieser am meisten dem
Wegschmelzen ausgesetzten Stelle zu bewirken.
Die Wände des Rauhgemäuers pflegt man bis mindestens zur Höhe
des Gewölbescheitels, häuflg noch etwas darüber hinaus, aufzuführen und
den dadurch gebildeten Raum oberhalb des Gewölbes mit Sand, Asche
oder sonstigen schlechten Wärmeleitern auszufüllen.
Futter und Gewölbe setzen sich bis zum Ende des eigentlichen Ofens
fort und gehen dann gewöhnlich in einen aufsteigenden Canal über;
welcher frei in die Jßsse hineinragt (s. Fig. 215) und als feuerfestes Fut-
ter des untern Theils der Esse betrachtet werden kann. Von dem eigent-
lichen Essengemäuer muss dieser Canal in Rücksicht auf seine Ausdeh-
nung durch die Wärme ebenso unabhängig bleiben, wie das Futter des
Ofens vom Rauhgemäuer desselben.
Die Esse wird deshalb gewöhnlich von einem gusseisernen Rahmen
getragen, welcher auf gemauerten oder gusseisernen Pfeilern ruht, und
bleibt somit ohne jede feste Verbindung mit dem eigentlichen Ofen , wie
aus Fig. 215 ersichtlich ist.
Der Herd des Ofens lässt sich auf mehrfache Weise herstellen. Man
kann den Raum zwischen den ümfassungswänden , welche den Fuss des
Ofens bilden, mit einem porösen Materiale (Sand, Brocken von Ziegel-
steinen oder Chamottesteinen oder dergleichen) ausfeilen, nachdem zuvor
gegen den Aschenfall hin eine abgrenzende Querwand gezögen worden ist,
und auf diese Unterlage den eigentlichen Herd aus einer mindestens
150 Mm. starken Lage von Masse (feuerfestem Thone mit Quarz- oder
Ghamottekömen vermengt) aufstampfen; auch statt der Masseschicbt
wohl nur eine Schicht Quarzsand benutzen. Um ein Durchfressen des
flüssigen Metalls durch den Herd zu verhüten, bringt man auch wohl
unter die obere Schicht eine Lage Chamottesteine auf die vorher ein-
gebrachte Unterlage von Sand oder Brocken.
Bei den Bpandauer Oefen, Fig. 215 und 216, dient ein Gewölbe
zwischen den Fussmauern zum Tragen des Herdes. Der letztere .besteht
254 Herdflammöfen mit Unterwind.
auB Chamottesteinen. Statt des Gewölbes dienen bisweilen starke gnss-
eiseme Platten als Unterlage för den Herd, welche von querlaofenden,
auf den Fasswänden nutenden Trägem gestützt werden« Auf den Plat-
ten wird der Herd ans Masse, Sand oder feuerfesten Steinen hergestellt,
so dass die Constmction der in den Figuren 204 und 205 (S. 227) far
einen Tiegelflammofen gegebenen Herdconstmction dadurch ähnlich wird.
Um das Mauerwerk gegen das Reissen in Folge der Erhitzung zu
schützen und dem Gewölbeschub Widerstand zu leisten, fasst man den
Ofen gewöhnlich durch starke guaseiseme Platten ein, welche durch quer-
laufende Anker Ih Fig. 215, oben und gewöhnlich auch unten zusammen-
gehalten werden, wenn man es nicht vorzieht, sie unten einzumauern.
Die Figuren 217, 218 und 219 geben die äussere Ansicht der Spandauer
Oefen mit der gusseisemen Umfassung. Um nicht zu grosse Platten zu
erhalten, welche sich schwieriger giessen lassen und leichter zerspringen
als kleine, lässt man gewöhnlich, wie es auch bei Flammöfen far andere
metallurgisc}ie Zwecke üblich ist, die Einfassung an den langen Seiten
aus drei bis fünf Paar einzelner Platten bestehen, welche mit ihren senk-
rechten Kanten stampf gegen einander stossen oder auch einigen Zwischen-
raum zwischen sich lassen können. Eine Verbindung der Platten unter
sich durch angegossene, nach aussen gerichtete Ränder mit hindurch-
gesteckten Schraubenbolzen , wie man es hier und da findet, ist nicht
allein überflüssig, sondern giebt bisweilen bei der Ausdehnung des Ofens
sogar zu Brüchen Veranlassung. Zweckmässiger ist es, die Fuge zwischen
je zwei Platten durch eine darüber gelegte Eisenschiene zu decken,
welche als Ankei-platte dient, so dass die Gusseisenplatten nur durch diese
letztere zusammengehalten sind, sich frei ausdehnen und zusammen-
ziehen können.
Eine Abart von den bisher besprochenen Flammöfen mit directer
Feuerung entsteht, wenn man, statt den Luftzug durch Ansaugen Ter-
mittelst der Esse herrorzubringen. Unterwind anwendet, d. h. einen ge-
pressten Luftstrom unter den Rost führt, während der Aschenfall luft-
dicht abgeschlossen ist.
Es ist zu verwundern , dass über (jiessereiflammöfen mit Unterwind
bislang wenige oder gar keine Resultate in die OeffenÜichkeit gelangt
sind , und es ist anzunehmen , dass man beti*effende Versuche noch sehr
wenig angestellt hat. Nach des Verfassers Ansicht dürfte die Anwen-
dung von Unterwind, welche bei Flammöfen für andere Processe (Schweiss-
öfen, Glühöfen und anderen) bereits günstige Ergebnisse geliefert hat,
bei Giessereiflammöfen schon deshalb vortheilhaft wirken, weil das An-
saugen unverbrannter Luft durch die Fugen der ArbeitsthÜren, also auch
die Oxydation des Metalls, yerhütet oder verringert werden muss, sobald
Gasfeuerung. 255
die Easrawirkiuig dnroh Anwendung des Cntfirwinds abgeaebwAoht werden
kann; eine Eraparwig an Brauustoff ist auMerdem den bei anderen Flamm-
öfen mit Unterwind erlangten Reanltaten infolge nicbt nn wahrscheinlich.
Biaher scheute man sich jedenfalla vor den Kosten mnes Gebläses mit
Windleitung; die Anwendung eines Körting'schen Damp&trahlgeblisesi
allen Erfahrungen Bufolge fOr Erseugung von Unterwind Torzüglich ge-
eignet, wttrde die Anlage- und Betriebshosten auf ein sehr geringes Ilaass
r«duciren, sobald in der Giesserei in der Nähe der Flammofen ein im
Betriebe befindlicher Damptkeasel vorhanden ist.
Ein Versuch, Qieesereiflammöfen mit Unterwind sn betreiben, dürfte
deshalb im Interesse aller deigenigen (jiessereien liegen, deren Flamm-
öfen öfter bcnutat werden und deren innere Einrichtung die Aufstellung
eines Damp&trahlgabläBes ermCglicht.
Herdflammöfen mit Gasfenernng.
Die kleinste Art dieser Oefen wird angewendet, um Platin und
dessen Legimngen zu schmelien. Ab Brennmaterial dient Wasserstoff-
gas oder Leuchtgas; nur Verbrennung Sauerstaffgas, wenn es sich um
Erreichung der höchsten Temperatur handelt.
Fig. 220 stellt einen derartigen kleinen, von Deville und Debray
constmirten Ofen fOr kleine Mengen (unter 4 Kilogramm) Platin dar. Als
pig. 220. Material dient Kalkstein, welcher auf der
Drehbank ausgedreht wird. Der Ofen
besteht ans dem Untertheile B, dem eigent-
lichen Herde, und dem Deckel Ä. An
der Seite befindet sich der Ausguag D
zum Entleeren des Ofens und zum Ent-
weichen des verbrannten Gases. In dem
Deckel ist dsj9 in einem Platinansatze
E' E' endigende Kupferrobr ££ be-
festigt, durch welches nach dem Oefihen
des Hahns JI das Gas anströmt; in dem
Bohre EE liegt ein sweites Kupferrohr
C, TOni in einem Platinknopfe von 2
j. bis 3 Mm. Durchmesser im Lichten endi-
gend tud mit dem Hahne 0 versehen,
welches zur Zuführung des Sauerstoffs
dient. Die Schraube P dient zur Befesti-
gung Ton C in £ und zur Verstellung
der Höhe.
Zorn Schmelzen grösserer Mengen' Platin als 4 Kilogramm gebraucht
mau den in Fig. 221 (a. f. S.) abgebildeten Ofen. Die Einrichtung des-
selban im WeaenUlohen ist die nämliche, wie die des kleinen Ofens; nur
256 HerdÜammöfen.
ist der gröBBere Ofen mit einem Blechmantel und einer Torrichtong
zDm Kippen yersehen , nm dits AaagiesHen des Hetallfl ohne Gefahr und
ohne Schwierigkeit ausführen zn können.
Es sei nebenbei bemerkt, dass man im Stande ist, in letzterem
Ofen in 42 Minuten 11,5 Kilogramm Platin mit einem Verbrauche Ton
1200 Liter Sauerstoffgas zu schmolzen.
Grössere Herdflammöfen mit Gasfeuerung znm Schmelzen von Stahl,
Gusseisen, Bronze und dergleichen werden stets mit Generatorgasen
geheizt. Bei gewöhnlichen Oefen dieser Art w&rde die innere Ein-
richtung sich nur hinsichtlich der Feuerung von der Einrichtung der
Oefen mit Rost zu onterscheiden brauchen, indem statt des letzteren
Fig. 221,
eine Kammer vorhanden sein mnss, in welcher das Gas mit der Ver-
hrennungsluft gemischt wird. Verfasser bekennt, dass ihm Notizen
über ausgeführte Anlagen dieser Art nur in sehr geringem Umfange
bekannt geworden sind. Hierher gehört ein zu KönigsbtUte in Schle-
sien zum raffinirenden Schmelzen von Gusseisen im Jahre 1843 im Be-
triebe gewesener Ofen (Eck'acher Feinofen), welcher in Karsten's
Archiv fiir Mineralogie etc., Bd. XVH, S. 795, sowie in Wedding's
Darstellnng schmiedbaren Eisens, S. 36, abgebildet und ausfOhrlich er-
läutert worden ist. Da die ConBtruction jenes Ofens für jetzige Verhält-
nisse kaum irgend einen andern als historischen Wertb besitzen kann,
sehen wir von einer Wiedergabe jener Abbildungen und Erläntentngen
Siemens'sche Herdflammöfen. 257
ab. Aasserdem ist ein mit Holzgasen betriebener Sampfofen zu Perm
za nennen, für den Guss eiserner Kanonen bestimmt nnd von Tann er
in seinem Werke: Rasslands Montanindastrie, Leipzig 1871, S. 125,
beschrieben.
Wendet man statt der gewöhnlichen Gasfeaerang Siemens^ sehe
Regenerativfenerang an, so mOBs sich die Form des Ofens dem Umstände
entsprechend ändern, dass der Gasstrom den Herd in abwechselnd am-
gekebrter Richtang bestreicht. Der Grundriss und das Yerticalproül er-
halten dadarch eine mehr symmetrische Gestalt: in der Mitte liegt der
Sumpf für das geschmolzene Metall, zu beiden Seiten die Canäle, welche
sowohl zur Einströmung von Gas und Luft, als zur Ausströmung der
Yerbrennungsproducte dienen. In einer Berliner Sisengiesserei soll ein
derartiger Ofen zum Grusseisenschmelzen eingerichtet worden sein. Nähe-
res ist darüber nicht bekannt geworden, yermuthlich weniger aus Furcht
vor Concurrenz, als wegen der damit erlangten negativen Resultate. Die
Gründe für diese Ansicht wurden theilweise schon früher dargeleg^t.
Auch für den beständigen Betrieb einer Eisengiesserei ist ein Flamm-
ofen mit Siemens 'scher Feuerungsanlage ein weniger geeigneter Appa-
rat und in seinen Leistungen weniger vollkommen als der die unten zu
besprechende vierte Gruppe' der Schmelzapparate repräsentirende Cupol-
ofen; in solchen Fällen aber, wo der Ofen nach dem Ealtliegen zu einem
einzigen Gusse in Betrieb gesetzt wird, leistet ein gewöhnlicher, in sei-
ner Anlage billigerer und in seiner Bedienung einfacherer Flammofen
mit direeter Feuerung annähernd dasselbe als ein Siemens' scher Ofen,
dessen Brennstofferspamiss aus nahe liegenden, schon früher berührten
Gründen erst dann zu Tage tritt, wenn in anderen Oefen das Schmelzen
bereits sein Ende erreicht hat.
Vereinzelte Anwendung Siemens' scher Flammöfen zum Roheisen-
schmelzen findet sich wohl in Verbindung mit Bessern er -Werken, wo
also das geschmolzene Eisen nicht zum Giessen, sondern für die Stahl-
darstellung verwendet wird. So, nach Grüner, in Terre-Noire. Die
Anwendung der Siemens' sehen Feuerung hat hier wenigstens insofern
ihre Berechtigung, als das Schmelzen ununterbrochen fortgeht; immerhin
zieht man in den überwiegend meisten Fällen auch für den genannten
Zweck das Schmelzen im Cupolofen dem Flammofenschmelzen wegen des
günstigem Wirkungsgrades des erstem vor.
Weit wichtiger ist aber die Anwendung von Flammschmelzöfen nach
Siemens' System in neuerer Zeit für solche Werke geworden, auf denen
man in nnonterbrochenem oder doch mehrtägigem Betriebe Abfalle der
Stahlverarbeitnng einschmilzt, um daraus Gegenstände zu fertigen, bei
denen die durchaus gleichartige Zusammensetzung, wie sie nur der in
Tiegeln geschmolzene Gussstahl besitzen kann, weniger schwer in- die
Wagschale Wlt Die in einem Flammofen mit direeter Feuerung erreich-
bare Temperatur genügt nur unvollkommen zur Durchführung eines sol-
chen Gusastahlschmelzens , während die Siemens'sche Gasfeuerung in
I«f4tbar, iD«cbmuiBob-metaIIai|{iBche Technologie. \y
258 SiemenB-Martin-Oefen.
Folge des UmstandeB, daBs dem Ofen ein groBser Thail W&rme durch
die Erhitzung von Gm and Luft ohne Vermehrung dee GasqnantmnB
zageführt wird, die Möglichkeit gieht, weit höhere Wärmegrade als in
jenem herrorzarafen ').
Man nentit diese OefenSiemens-Hartin-Oefen nach den Erfindern
der FeaernngBsnlage and des Verfahrens. Da die nämlichen Oefen nicht
Fig. 222.
allein znm Einschmelzen von Stahl, eondem vorzugsweise auch cnm Zo-
samraenschmelzen von Stahl- nnd Schmiedeeisenbrocken mit Roheisen zn
Fig. 223.
dem Zwecke der Stahldar stell ttng benutzt werden, so gehören sie von
diesem Gesichtspunkte aus eher der Eisenhütteakonde als der Technolo-
1) Bekanntlich ist der tbeorstiscbe Wünnegrad bei irgend einer Terbr«n-
nnng gleich dem Qaotienten aas der erzeugten WäiTnejnenge dividirt darob dii>
Uenge der Verbrenn ungsprodncte mal ihrer specifischen Wärme. Je weniger
Verbrenn ungsproducte bei gleicher erzeugter Wärmemenge also erfolgen, desto
höher mnas der Wärmegrad sein.
SiemenB-Martin-Oefen, 259
gie an, nnd wir begnügen nns in den Figuren 222 bis 226 Abbildoogen
eines derartigen Ofens mit wenigen Erläuterungen zn geben ').
Ea befindet sich in der Mitte des Ofens der Herd, aas Sand herge-
stellt nnd von gnsseisemen Platten getragen, an deren unteren Seite
die Lnft snr KOblung freien Zutritt hat. Durch senkrechte Canale treten
Luft nnd Gas, ans einem Regeneratorpaar aufsteigend, in die Mischungs-
Fig. 224.
kammer, streichen brennend Qber den Herd hinweg nnd ziehen schliess-
lich am entgegengesetzten Ende des Herdes durch gleiche Canäle nach
dem zweiten Regeneratnrpaare ab. An den Langseiten des Ofens befinden
sieb ThOren zum Einsetzen des rohen Metalls sowie das Stiohloch, entweder
Fig. 225.
sänuntlicb anfeiner einzigen Seite oder, wie in den gegebenen Abbildungen,
das Stichloch der Einsatzthür gegenüber. Der Herd ist nach der Seite
des StiohlochB hin geneigt, um das Ansäiessen des Metalls za erleich-
I) Wedding, Darstellung des gchmiedbaren EIhus Fig. Ibl bis 155; Beyne
nniTCmlle t. 2B, p. ISi, PI. IX.
260 FlammofenschmelzeD, Arbeitsverfabren.
torn. Vor dem Stichloclie ist eine eiserne mit Sfasse ansgeacliliigene
Ausflasarinne b angebraclit, durch welche daa Uetoll in die bereit gehal-
tenen GaBsformen nbl&nft (Fig. 232 and 223).
Die Aoordnang der Citn&le für Gas nsd Luft sowie der Wechsel-
veutile dQrfte ans den Figuren 224, 225 and 226 TerstSodlich sein.
Der mittlere der unter jedem Ventile befindlichen drei;CanSle dient in
allen Fällen zur Fortf^hmog der verbrauchten Gase nach dem Schom-
steine, welche bei der in Fig. 225 gezeichneten Stellung der Ventile
dnrcb die beiden äusserstAn rechts und links gelegenen Can&le Ton den
Begeneratoren herzuströroen ; wird nmgeschaltet, d. h. die Ventilklappen
um 90 Grad gedreht, so dienen jene Canäle zur Zuleitung von Gas nnd
Luft nach den Regeneratoren, während die verbrauchten Gase durch die
beiden innersten Canäle davon gefithrt werden.
Werkzeuge beim Flammschmelzofen.
Dieselben bestehen vornehmlich ans breiten Schanfeln zum Einsetzen
der Metallatücke; aus schmiedeeisernen Stangen (Spiessen oder Spetten)
von verschiedener Länge, an dem vorderen Ende verstahlt, theils meissel-
artig zugeBchärft (BrechBtangen , Ueisselspiesse) znm Losbrechen und
Wenden der am Boden festschmelzenden Metallstücke, tbeils mit Spitze
znm Oeffnen des Stichs; aas starken hölzernen Stangen bei Legirnngen
znm Umrühren nnd Polen.
Das Arbeitsverfahren heim FlammofenBchmelzen
beruht auf dem Einsetzen, dem Schmelzen und dem Abstechen. Das Ein-
setzen geschieht entweder, bevor der Ofen angefeaert worden ist, nnd
Wirkungsgrad der Herdflammöfen. 261
zwar befolgt man diese Methode als die bequemere stets dann, wenn eine
Oxydation weniger zu befürchten ist; oder man setzt erst ein, wenn der
Ofen zar Schmelztemperatur erhitzt worden ist. Schmilzt man mehrere
Metalle zu Legirungen zusammen, so pflegt man auch hier wie beim
Tiegelschmelzen das bei höherer Temperatur schmelzende Metall zuerst
einzuschmelzen und dann dem Metallbade das vorher angewärmte leichter
schmelzbare (und leichter flüchtige) Metall (Zinn, Zink, Blei) zuzusetzen.
Während des Schmelzens wird die Sohle des Herdes mit der Brechstange
untersucht, ob nicht Stücke Metalls festgeschmolzen sind, und es werden
dieselben in diesem Falle sofort losgebrochen und umgewendet.
Ist das sämmtliche Metall in Fluss gekommen, und hat man sich
durch eine genommene Probe von der richtigen Beschaffenheit überzeugt,
so schliesst man, bevor zum Abstiche geschritten wird, sämmtliche Thüren
und giebt kurze Zeit recht intensive Hitze, um das Metall in die zum
Giessen erforderliche Temperatur zu versetzen. Das Oeffnen des Stichs
geht meistens ohne Schwierigkeit durch Fintreiben der spitzen Eisen-
stange in das mit einem Thonpfropfen verschlossene Stichloch vor sich;
nur wenn bei kaltem Gange des Ofens sich metallische Ansätze gebildet
haben, wird ein Losmeissein derselben durch Ansetzen der geschliffenen
Meiaaelspiesse und kräftige Hammerschläge auf den Kopf derselben er-
forderlich.
Wirkungsgrad der Herdflammöfen.
1. In Eönigin-Marienhütte gebraucht man in dem in Fig. 212 auf
S. 245 akizzirten Ofen zum Einschmelzen von 5000 Kilogramm Roheisen,
welches in grossen Blöcken (Ausschuss- und Bruchstücken) eingesetzt
wird, 800 Kilogramm böhmische Braunkohle von der auf S. 217 gegebe-
nen Zusammensetzung nebst 1700 Kilogramm Zwickauer Steinkohle mit
4 Proc. Asche, 4 Y^ Proc. Wasser und einer Wärmeleistung von 7300 Wärme-
einheiten.
800 Klgr. Braunkohlen geben Wärme 800 X 4820 = 3 856 000 W.-E.
1700 Klgr. Steinkohlen geben Wärme 1700 X 7300 = 12 410 000 W.-E.
Summa 16 266 000 W.-E.
5000 Kilogramm Boheisen enthalten im geschmolzenen Zustande
5000 X 250 = 1 250 000 Wärmeeinheiten, also Wirkungsgrad
._ J^50000 _
16 266 000
Obiger in Königin-Marienhütte stattfindende Brennstoffverbrauch
würde noch etwas günstiger ausfallen, wenn das Roheisen in kleineren
Stücken zum Schmelzen gebracht werden könnte. Er entspricht trotz-
dem dem durchschnittlichen Brennstoffverbrauche der meisten gut con-
stmirten Flammöfen mit directer Feuerung zum Roheisenschmelzen.
Erheblich günstigere Resultate dürften kaum irgendwo nachgewiesen
262 Herdflammöfen.
worden sein. Unter ungünstigen Yerbältnissen , woza besonders eine
nnzweckmässige Ofenconstruction und kleines Gewicht des Einsatzes im
Yerbältniss zur Grösse des Ofens zu rechnen ist, steigt dagegen der
BrennstofiVerbraucb auf 75, mitunter sogar bis auf 100 Kilogramm Stein-
kohlen per 100 Kilogramm zu schmelzenden Eisens, und es yerringert sich
demnach der Wirkungsgrad des betreffenden Ofens; doch das sind Fälle,
die nicht als Regel, sondern als Ausnahme gelten sollten.
2« Zur Berechnung des Wirkungsgrades der Spandauer Bronze-
Schmelzöfen wurden auf Ersuchen des Verfassers durch die königliche
Direction der Geschützgiesserei folgende Ermittelungen veranlasst.
Erster Versuch. Es wurden 10 600 Kilogramm Bronze mit
10 Proc. Zinngehalt zu einem Geschützgusse eingesetzt und geschmolzen.
Von der geschmolzenen Bronze, welche zwei angestellten Messungen zu-
folge eine durchschnittliche Temperatur von 1530^ C. besass, wurde eine
Schöpfprobe im Gewichte von 2,48 Kilogramm in 40 Kilogramm Wasser ge-
gossen und erhöhte die Temperatur desselben von 7,5<^R. auf 14,55^ R., also
um 7,05<* R. = 8,80 c.; demnach aufgenommene Wärme des Wassers
40 X 8,8 = 352 Wärmeeinheiten. Hierzu die Wärmemenge, um 2,48
Kilogramm Bronze von Nullgrad auf 18^ C. (14,55<^ R.)^ zu erwärmen,
welche bei der specifischen Wärme der Bronze = 0,0913 vier Wärme-
einheiten beträgt, giebt als Totalmenge der von 2,48 Kilogramm flüssiger
Bronze aufgenommener Wärme 356 Wärmeeinheiten; also von 10 600 Kilo-
gramm 1 621 612 Wärmeeinheiten ^).
Verbraucht wurden lufttrockenes Kiefernholz 12 Kubikmeter ä 304
Kilogramm = 3648 Kilogramm, 1 Kilogramm Holz besitzt bei 1 Proc.
Asche und 18 Proc. Wasser eine Wärmeleistung von circa 3500 Wärme-
einheiten, demnach Wirkungsgrad des Ofens
„ 1621612 ^- ,^
^==3648 X 3500 = ^>^^^
Zweiter Versuch. 9600 Kilogramm Bronze inSpähnen wurden ge-
schmolzen, davon 1,633 Kilogramm in 40 Kilogramm Wasser gegossen, dessen
Temperatur dabei von 6,50R. auf 11,7»R., also um 5,2» R gleich 6,5» C.
stieg, während zwei Temperaturmessungen des Metallbades eine durch-
schnittliche Temperatur desselben von 1623^0. ergaben. Hieraus ergiebt
sich die Totalmenge der von 9600 Kilogramm Bronze aufgenommenen Wärme
r6,5 X 40 , ^^ ^ 1
I ^ g33 + 0,0913 X 14,6 9600 = 1540 800 Wärmeeinheiten»).
1) 1 Kilogramm Bronze enthielt also 143,5 Wärmeeinheiten. Bei der Be-
rechnung ist angenommen, dass die Bronze mit einer Temperatur von NuUgrad
eingesetzt worden sei; da das Schmelzen im Winter geschah, dürfte diese An-
nahme nicht erhehlich von der Wahrheit abweichen.
2) 1 Kilogramm flüssige Bronze enthielt 160,5 Wänneeinheiten,Durch8clmitts-
resultat beider Versuche für die bei der Giesstemperatur der 10 Proc. Zinn
haltenden Bronze von derselben aufgenommenen Wärme 157 Wärmeeinheiten.
Wirkungsgrad. 263
Verbraucht wurden 15 Gnbikmeter = 4560 Kilogramm Holz, also Wir-
kungsgrad des Ofens
1 540 800
^ = 4560 X 3500 = ^'^^^-
Aehnliche Resultate liefert der in Fig. 213 skizzirte Bronzeschmelzofen
des Herrn F. A. Bierling. Man gebraucht, um 2500 Kilogramm Bronze
zu schmelzen, 3 Cubikmeter Holz, also pro 100 Kilogramm Bronze
0,12 Cubikmeter, was dem Spandauer Holzyerbrauche zum Geschützgusse
gleich kommt.
Die in Spandau angestellten Temperaturmessungen geben uns einen
Fingerzeig für die Ursachen der ungünstigeren Resultate des dortigen
zweiten Schmelzens. Je höher ein Metall erhitzt wird, je mehr sich seine
Temperatur also derjenigen der wärmeabgebenden Factoren nähert^ desto
langsamer findet Wärmeaustausch statt, desto mehr Wärme entweicht
ungenutzt und desto ungünstiger wird sich der Wirkungsgrad des Ofens
beziffern. Bei dem ersten Schmelzen war das Metall auf 1530^ bei dem
zweiten auf 1623^, also fast 100^ höher, erhitzt. Hierbei waren aber,
was ausdrücklich henrorgehoben zu werden yerdient, dem ersten Metallbade
bereits 2080 Kilogramm, dem zweiten Metallbade 3600 Kilogramm kalter
Metallspähne zur Abkühlung der überhitzten Bronze zugesetzt worden
(welche in dem angegebenen Einsätze inbegriffen sind); bei dem relativ
grossem Zusätze, welchen das zweite Metallbad erhielt, ehe es auf 1623^
abgekühlt worden war, lässt sich mit Sicherheit schliessen, dass die Tem-
peratnrdifferenz vor dem Zusätze eine noch beträchtlichere als 100^ ge-
wesen sein muss.
Unter demselben Umstände leidet jedenfalls auch der Wirkungsgrad
der Eisenschmelzöfen (vergL Ermittelung 1), welche gewungen sind, ihr
Metall auf noch höhere Temperaturen als jene Bronzeschmelzöfen zu
erhitzen.
Als Durchschnittsresultat der Ermittelungen sub. 1 und 2 ergiebt
sich ein Wirkungsgrad der Herdflammöfen mit directer Feuerung:
E = 0,097.
3. Grüner giebt an, dass bei dem schon erwähnten Siemens'schen
Flammofen zu Terre-Noire während eines ununterbrochenen Betriebes
zum Schmelzen von 100 Kilogramm Roheisen 20 Kilogramm Steinkohlen,
bei einem Gasofen mit Ponsard' scher Feuerung^) die gleiche Menge
Steinkohlen mit einem Aschen- und Wassergehalte yon in Summa
10 Proc. Terbraucht werde. Die nutzbare Leistung jener Kohlen wird
^) Ueber Poniard'Bohe Feuerungsanlagen siehe: Dingler's polytechni-
flcbes Journal Bd. 219, S.125; Wedding, DarsteUnng des schmiedbaren Eisens
8. 716; Kerl, Grandriss der Eigenhüttenkunde , Leipzig 1875, S. 805. Wir
werden bei Besprechmig des Schweissens tmd Glühens der dehnbaren Metalle
eingehender anf diese Feaenmgen zurückkommen.
264 Cupolöfen.
sich auf annähernd 7000 Wänneeinheiten bezi£fern; demnach Wirkungs-
grad der Oefen
100 . 260 ^
20 X 7000
Dieser erheblich günstigere Wirkungsgrad jener Gusöfen mit Sie-
mens'scher oder Ponsard* scher Feuerung im Vergleiche zu dem Wir-
kungsgrade der Oefen mit directer Feuerung rührt aus zwei Ursachen
her; erstens aus der den beiden ersteren Feuerungssystemen eigenthüm-
lichen Ausnutzung beziehentlich Zurückführung der abziehenden Wärme,
die aber erst nach Ifingerm Betriebe zur Geltung kommt, zweitens aus
dem Fortfallen derjenigen Brennstoffmenge während des ununterbroche-
nen Betriebes, welche bei einmaligem Schmelzen zum Anheizen des Ofens
bis zur Schmelztemperatur des Metalls verbraucht wird und nach ange-
stellten Ermittelungen 26 bis 33 Procent der für ein einmaliges Schmel-
zen erforderlichen totalen Brennstoffmenge zu betragen pflegt.
Vierte Gruppe. Schaclitöfen im engem Sinne
oder Cupolöfen.
Wie der Name andeutet, besteht der Schmelzraum des Ofens ans
einem Schachte mit senkrechter Achse. Oben ist der Schacht offen, und
diese Oeffnung heisst die Glicht. Das zu schmelzende Metall wird in
abwechselnden Schichten mit dem Brennmateriale in die Gicht eingeftült;
Verbrennung und Schmelzung finden im untern Theile des Schachtes
statt, die Yerbrennungsgase steigen aufwärts, um aus der Gicht zu entwei-
chen, die Schmelz- und Brennmaterialien sinken in Folge der unten
thätigcn Vorgänge allmälig abwärts und werden so lange durch frisch
aufgeschüttete ersetzt, als das Schmelzen dauern soll. Diese entgegen-
gesetzte Bewegungsrichtung der Schmelzmaterialien — also der wärme-
aufnehmenden Körper — und der Verbrennungsgase -^ also der wärme-
abgebenden Körper — ist von grosser Wichtigkeit für den Wirkungs-
grad des Ofens. Sie ermöglicht es, einen grossen Theil der aus dem
eigentlichen Schmelzraume im untern Theile des Ofens abziehenden
Wärme durch die niedersinkenden Schmelzmaterialien wieder zurück-
führen zu lassen, und hat also eine ganz ähnliche Wirkung wie die Sie-
mens^ sehen Regeneratoren; aber erreicht dieses Ziel in viel einfacherer
Weise.
Das geschmolzene Metall sammelt sich entweder in dem untern
Theile des Schachtes, den man in diesem Falle den Herd nennt, und
welcher natürlich unterhalb der Einströmungsöffnungen für die Ver-
brennungsluft liegen muss; oder in einem besondem, durch einen Ganal
mit dem Schachte verbundenen Sammelraume, welcher alsdann Vorherd
genannt wird. Durch das am tiefsten Punkte des Herdes beziehentlich
Allgemeines. 265
Vorherdes aagebrachte Stichloch wird schliesslich das Metall abge-
lassen.
Als Brennmaterialien dienen wie bei allen Schachtöfen vorwiegend
verkohlte Brennstoffe: Holzkohlen oder häufiger Koks. Rohe Brenn-
materialien würden die Gefahr nahelegen ^ dnrch starke Gasentwickelung
eine übermässige Spannung, auch wohl Explosionen im Schachte hervor-
zurufen und dadurch den Betrieb zu stören, magere Steinkohlen würden
leicht zerdrückt werden, fette zusammenbacken und zu Versetzungen im
Schachte Veranlassung geben. Der grössere Schwefelgehalt aber der
rohen Steinkohlen im Vergleiche mit dem Schwefelgehalte der aus ihnen
dargestellten Koks würde leicht nachtheilig auf die Beschaffenheit des
Metalls wirken. Deshalb ist die Verwendung roher Brennstoffe beim
Gupolofenbetriebe äusserst selten und beschränkt sich höchstens auf einen
Zusatz derselben zu den verkohlten.
Aus dem oben allgemein geschilderten Vorgange beim Schmelzen in
Schachtöfen folgt, dass das Metall ununterbrochen bis nach beendigter
Schmelzung in innigster Berührung mit dem Brennstoffe bleibt. Diese
Berührung und deren Einfluss auf das Metall ist um so wirkungsreicher,
weil das letztere gezwungen ist, bei dem Schmelzen Tropfenform anzu-
nehmen und so, also mit ausgedehntester Oberfläche, über die weiss«
glühenden Kohlenstücke hinabzusickem. Da ferner die Schmelzung na-
tnrgemäss in einiger Entfernung oberhalb der Lufteinströmungsöffnun-
gen stattfindet, so bleibt das niederträufelnde Metall auch in gewissem
Maasse der Einwirkung der noch unverzehrten Verbrennungsluft, in allen
Fällen der Verbrennungsgase — Kohlensäure, Eohlenoxyd, Stickstoff —
ausgesetzt, sofern es nicht durch den Brennstoff vor dieser Einwirkung
geschützt wird. Diese Thatsachen beschränken in grossem Umfange die
Zahl der im Cupolofen schmelzbaren Metalle. Alle leicht ozydirbaren
und leicht flüchtigen Metalle, alle diejenigen, welche leicht Gase lösen
(wozu sich bei der Vertheilung des Metalls in Tropfenform die reich-
lichste Gelegenheit bietet), oder solche, welche durch die Berührung mit
glühendem Kohlenstoff beeinfiusst werden können, dürfen nicht im Cupol-
ofen geschmolzen werden. Demnach ist das Kupfer und dessen Legirun-
gen, das Zink, Zinn, Blei, Nickel, Silber, der Stahl vom Schmelzen im
Cupolofen ausgeschlossen; sehr werthvoUe Metalle, wie z. B. Gold, schmilzt
man aber schon deswegen nicht im Cupolofen, weil die Eigenthümlich-
keiten dieses Schmelzapparats immer schon die Verarbeitung grösserer
Mengen, als sie von jenen Metallen überhaupt verwendet werden, erfor-
dern, und weil geringe mechanische Verluste an Metall beim Cupolofen-
schmelzen kaum vermieden werden können. Als einziges im Cupolofen
mit gutem Erfolge schmelzbares Metall bleibt demnach das Gusseisen
übrig, dessen physikalische Eigenschaften weniger durch die Berührung
mit dem Brennstoffe, den Verbrennungsproducten und der atmosphärischen
Luft beeinfiusst werden, auch wenn geringe chemische Aenderungen
nachweisbar sind, und bei dem man von vornherein durch Auswahl ge-
266 Cupolöfen.
eigneter Sorten auf die Wirkung jener Einflüsse Rücksicht nehmen kann.
Weiss man z. B. aus Erfahrung, dass ein Theil des Siliciumgehalts des
Gusseisens heim Cupolofenschmelzen verschlackt wird, so ist nichts
leichter, als durch Wahl eines entsprechend siliciumreicheren Roheisens
zum Schmelzen das richtige Product zu erzielen.
Da aher unter den giessharen Metallen das Gusseisen in weit grösse-
rem Umfange benutzt und geschmolzen wird, als sämmtliche übrigen Me-
talle und Legirungen zusammengenommen, so bildet der Cupolöfen, ob-
schon nur für dieses einzelne Metall verwendbar, doch unter sämmtlichen
Schmelzapparaten den am häufigsten benutzten.
Die Yerbrennungsluft wird dem Ofen durch Gebläse zugeführt.
Ein vor mehreren Jahren in England durch die Gebrüder Woodward in
Manchester bei mehreren ausgeführten Anlagen angewendetes System,
durch Einblasen eines Dampfstrahles in den verengten Schornstein des
Ofens Luft durch den letztem hindurchzusaugen , so dass derselbe ge-
wissermaassen ein Dampfstrahlgebläse in grossem Maassstabe dar^ellt,
verdankte den im Anfange theilweise gefundenen Anklang wohl mehr
der Originalität des Gedankens als wirklicher Zweckmässigkeit.
Als Gebläse dienen Centrifugalgebläse (Ventilatoren) oder noch
besser gut construirte Eapselgebläse (Roots'sche Ventilatoren). Wenn
man hier und da Cylindergebläse angewendet oder als zweckmässigste
Gebläse für Cupolöfen empfohlen findet, so ist das wohl aus früher er-
örterten Gründen eine Verkennung der Wirkung eines solchen Gebläses
bei niedrigen Windpressungen und der Ansprüche, welche ein Cupolöfen
an die Leistung des Gebläses stellt.
Da der einzige Zweck des Cupolofens eine Erhitzung des Metalls
auf die Giesstemperatur ist, so kommt es beim Cupolofenschmelzen dar-
auf an , das vorhandene Brennmaterial in solcher Weise zu verbrennen,
dass die grösstmöglichste Wärmeentwickelung innerhalb des Schmelz-
raums erreicht wird; oder mit anderen Worten, dass eine völlige Ver-
brennung durch atmosphärischen SauerstofiP innerhalb des Ofens bewirkt
wird. Hierdurch unterscheidet sich der Cupolöfen zum Roheisenschmel-
zen wesentlich von dem Hochofen zur Roheisen dar Stellung; in letzte-
rem dienen die Brennmaterialen als Reductionsmittel und eine vollstän-
dige Verbrennung derselben durch atmosphärischen Sauerstoff würde den
Hochofenprocess unmöglich machen.
Da bei vollständiger Verbrennung von Kohlenstoff Kohlensäure, bei
unvollständiger Kohlenoxyd gebildet wird, und beide Gase mit dem
Stickstoff der Luft aus der Gicht entweichen, so giebt das Verbältniss
zwischen der in den Crichtgasen vorhandenen Kohlensäure zum Kohlen-
oxyd einen Maassstab zur Beurtheilung der Ausnutzung des Brennstoffs.
Wenn bei voUem Betriebe des Ofens (also mindestens 20 Minuten nach
dem Anblasen) Kohlenoxyd in so reichlicher Menge vorhanden ist, dass
das Gasgemenge lebhaft brennt, so kann man mit Sicherheit den SohluBs
ziehen, dass entweder eine falsche Ofenconstruction , eine unrichtige
Brennmaterialien. 267
Betriebsfühning oder die Benutznng nn geeigneter Brennmaterialien
Torliegt.
Ans diesem Grunde sind alle Notizen über Verwendung der Cupol-
ofengichtgase zu FeuerungBzwecken , wie man sie selbst noch in ganz
modernen Lehrbüchern findet, yöllig gegenstandslos. Vorschläge zur
Benutzung der Brennkrafb der Cupolofengichtgase sind ein eben solches
Unding als es etwa ein Vorschlag sein würde, .wie man den aus undichten
Stellen eines Dampfcylinders entweichenden Dampf nutzbar machen könnte.
Die Erfahrung lehrt nun , dass jene Verbrennung des Kohlenstoffs
zu Kohlensäure, welche das Hauptziel bei jedem Gupolofenbetriebe sein
muss, um so vollständiger erreicht wird, je grosser das Verhältniss der
Oberfläche der eingeblasenen Verbrennungsluft zu der Oberfläche des
Brennstoffs ist; also
je dichter, weniger porös der letztere ist;
je weniger gepresst und je mehr yertheilt die Lufb mit den Kohlen
in Berührung gelangt.
Hieraus folgt zunächst, dass dichte, feste Koks das geeignetste Brenn-
material für Cupolöfen sind. Mit Holzkohlen ist es wegen ihrer porösen
Beschaffenheit äusserst schwierig, wenn nicht unmöglich, eine ToUstän-
dige Verbrennung zu erreichen, da die anfänglich gebildete Kohlensäure
rasch wieder reducirt wird. Cupolöfen, mit Holzkohlen gespeist, geben
deshalb, wie wir es auch schon bei den Tiegelschachtöfen gesehen
haben, eine weit ungünstigere Leistung als mit Koksbetrieb. Die früher
vielfach gehegte Ansicht, dass die Anwendung von Koks zum Schmelzen
nachtheilig auf die Beschaffenheit des Eisens wirke, kann zwar insofern
Begründung haben, als einestheils das kohlensäurereichere Gasgemisch
der Koksschmelzöfen leichter oxydirend wirkt als die kohlenoxydreicheren
Gase der Holzkohlencupolöfen; sodass also, wenn man ein reines, silicium-
armes, bei Holzkohlen erblasenes Boheisen einschmilzt, durch Oxydation
des geringem Siliciumgehalts ein nachtheiliger Einfluss auf die Eigen-
schaften, insbesondere den Graphitgehalt und die davon abhängige Be-
arbeitnngsföhigkeit des erfolgenden Gusseisens geübt wird; und als andern-
theils eine Aufnahme von Schwefel aus dem Brennmateriale wenigstens
möglich ist. Diese TJebelstände lassen sich aber ohne Schwierigkeit ver-
meiden, indem man bei der Wahl der einzuschmelzenden Eisensorten
von vornherein auf jene stärker oxydirenden Einflüsse der Kokscupol-
öfen Bedacbt nimmt, die Anwendung schwefelreicher Koks ausschliesst
und den Uebergang von Schwefel an das Gusseisen durch geeignete Zu-
schläge (insbesondere Kalk) verhindert, welche eine basische Schlacke
mit der Asclie der Koks bilden können.
Ans diesen Gründen würde die Anwendung von Holzkohlen zum Gu-
polofenbetriebe nur in solchen gewiss äusserst seltenen Fällen zu recht-
fertigen sein , wo ihr Preis sich im Vergleiche mit dem der Koks so viel
niedriger stellt, dass die Kosten des unvermeidlichen Mehrverbrauchs
dadurch gedeckt würden.
268 Gupolöfen.
Construction der Capolöfen.
Da die Form der Capolöfen eine weit einfachere als die der Herd-
flammdfen ist, lassen sich die Regeln für die Constructionsverhältniase
derselben auch leichter als bei jenen begründen.
Der Schacht bildet den hauptsächlichsten Theil des Ofens. Der
Horizoutalschnitt durch den Schacht zeigt fast immer kreisförmigen
Querschnitt aus mehreren Gründen. Die Kreisform besitzt anter allen
geometrischen Figuren den geringsten Umfang bei gleichen Flächeninhal-
ten; deshalb geben Oefen mit kreisförmigen Querschnitten die geringste
Veranlassung zu Wärmeyerlusten durch Erhitzung der Umfassungswände
und Transmission durch dieselben. £in kreisförmiger Querschnitt ge-
währt aber auch den Yortheil, dass das Aufsteigen der wärmeführenden
Gase, welche aus nahe liegenden Gründen stets an dem Umfange zu
entweichen streben, an keiner Stelle desselben mehr als an der andern
begünstigt wird. Finden sich £cken in dem Querschnitte, so werden die-
selben Yon den Schmelzmaterialien unyoUkommen ausgefüllt, die Gase
finden dort einen geringem Widerstand, entweichen demnach reichlicher
an diesen Stellen and geben weniger Wärme ab.
Ein oblonger Querschnitt kann trotzdem in solchen Fällen zweck-
mässig sein, wenn bei sehr grossen Oefen zu beförchten ist, dass es der
Yerbrennungsluft bei kreisfömigem Querschnitte anmöglich sein würde,
bis in den Mittelpunkt vorzudringen. Man legt dann die Windein-
strömungen an die langen Seiten des Ofens und verkürzt dadarch dem
Winde den Weg.
Der Yerticalschnitt durch den Ofen zeigt vielfache Abweichungen
in der Form des Schachtprofils. Wir werden einzelne derselben sogleich
bei Besprechung der verschiedenen „Gupolofensjsteme^ zu erwähnen Ge-
legenheit haben. Besonders hat man mehrfach durch Verengung des
Schachts im Schmelzraame geglaubt, eine günstigere Wärmeausnatzung
herbeizuführen. Diese Wirkung kann wohl nur insofern erzielt werden,
als durch jene Verengung ein Vordringen der Verbrennungsluft bis zum
Mittelpunkte des Ofens erleichtert wird. Nach den Erfahrungen des
Verfassers ist auch bei den Schachtprofilen der Gupolöfen die einfachste
Form die zweckmässigste; also eine cylindrische ohne jede Verengung
oder eine schwach conische mit dem engsten Durchmesser an der Gicht,
wodurch das Aufhängen der Schmelzmaterialien an den Seitenwänden
erschwert wird.
Der Durchmesser des Ofenschachts mass in einem gewissen Verhält*
nisse zu der Menge des in bestimmten Zeiträumen durchzusetzenden
Eisens stehen. Ist der Durchmesser zu gross, so wächst mit demselben
der Umfang des Ofens and mit diesem die Wärmeverluste durch Erwär-
mung der Wände und Transmission; ist derselbe zu klein, so steigt die
Spannung der Gase im Innern des Ofens, das Gebläse muss zur Ueber-
Construction. 269
windmig derselben übermässig in Anspruch genommen werden, die Gase
verlassen den Ofen in bocherhitztem Zustande nnd Entführen eine ent-
sprechend grössere Menge ungenutzter Wärme.
Man kann rechnen, dass bei Koksbetrieb und richtiger Windf&hrung
för jedes Kilogramm stündlich zu schmelzenden Metalls ein Schachtquer-
schnitt an der engsten SteUe yon 1 bis IV4 Quadratcentimeter erforder-
lich ist. Poröse Koks erfordern grössere Schachtquerschnitte als dichte;
überhaupt , je weniger geeignet das Brennmaterial zum Cupolofenschmel-
zen ist und je weniger zweckmässig die Ofenconstruction im Uebrigen,
desto grösser muss der Schachtquerschnitt sein.
Kleinere Durchmesser als 0,50 m erschweren jedoch die nach jedem
Schmelzen vorkommenden Reparaturen des Schachts und das Nieder-
gehen der Schmelzsäule in solchem Maasse, dass man jenen Durchmesser
als kleinstes zulässiges Maass zu betrachten pflegt.
Je höher der Schacht des Gupolofens ist, desto mehr Gelegenheit
finden die aufsteigenden Gase, ihre Wärme an die ihnen entgegen kom-
menden Bestandtheile der Schmelzsäule abzugeben. Auch hierbei tritt
jedoch eine Grenze ein, über welche hinaus eine Erhöhung des Ofen-
schaohts nicht mehr geeignet erscheint; denn einestheils geht der Wärme-
ausgleich immer langsamer vor sich, je näher die Wärmegrade der
wärmeabgebenden und wärmeaufnehmenden Körper bei einander liegen,
je abgekühlter die Gase also bereits sind; andemtheils wächst mit der
Höhe des Ofens die Gasspannung im Innern desselben und somit die er-
forderliche Leistung des Gebläses; und endlich steigert sich in gleichem
Maasse die Schwierigkeit, den Ofen zu bedienen. Eine Höhe des Ofen-
schaohtes von mindestens 2,5 m, höchstens 3,5 m oberhalb der Windein-
strömungen dürfte als Ghrenze bezeichnet werden können. Bei übrigens
richtigen Abmessungs- und Betriebsverhältnissen besitzen die entweichen-
den Gase in dieser Höhe des Ofens keine höhere Temperatur als 50
bis 60 Grad Celsius.
unstreitig eine der wichtigsten Aufgaben bei der Construction eines
Gupolofens ist die Anordnung der Windeinströmungen. Erwägt man,
dass bei der Verbrennung von Kohle zu Kohlensäure 8080 Wärmeein-
heiten, bei der Verbrennung zu Kohlenoxyd aber nur 2473 Wärmeeinhei-
ten, also nicht einmal der dritte Theil jener Wärmemenge, entwickelt
werden, erwägt man ferner, dass bei gleichen Brennstoflen das Ergeh-
niss der Verbrennung fast nur von der Art der Windzuführung abhän-
gig ist, wie oben bereits erläutert wurde, so wird ohne Weiteres die
Wichtigkett einer richtigen Construction derselben erklärlich.
Hieraus ergiebt sich auch, weshalb man im Stande war, mit der
Hälfte bis einem Drittel der früher benutzten Brennstoffmenge Eisen zu
Bchmelsen , nachdem man auf Grund des oben aufgestellten Lehrsatzes,
dass eine grosse Oberfläche des eingeblasenen Windvolumens die voll-
ständige Verbrennung befordert, angefangen hatte, den Wind in mög-
lichster Vertheilung und mit schwacher Pressung, jedoch in ausreichen-
270 Cupolöfen.
der Menge zur Unterhaltung einer Terhältnissmässig raschen Verbren-
nung in den Ofen zu führen. Diese letztere Bedingung erfüllt man
durch einen grossen Querschnitt der EinstrÖmungsöfifnungen. Letzterer
muBS so beträchtlich sein, dass die durch das Manometer erkennbare
Spannung in der Windleitung nicht durch den Ausstromungsquerschnitt,
sondern lediglich durch den Widerstand hervorgerufen wird, welchen die
Schmelzsäule den im Ofen aufsteigenden Gasen entgegensetzt.
Man findet bei zweckmässig ausgefiUirten Oefen jenen totalen Quer-
schnitt der WindeinstrÖmungsö£fnungen mindestens gleich Vs d^s engsten
Schachtquerschnitts, gewöhnlich noch reichlicher, nicht selten bis Vs ^^^
Schachtquerschnitts und darüber steigend. Wird diese Bedingung eines
grossen Einströmungsquerschnitts erfüllt, und trägt man Sorge, dass
der Wind Gelegenheit findet, sich möglichst gleichmässig im Ofen zu
▼ertheilen, so kommt im Grunde wenig darauf an, wie die Einströmungs-
öffnungen angeordnet sind. Wir werden unten Gelegenheit finden, eine
Anzahl Ofenconstructionen zu beschreiben, bei denen diese Yertheilung
in abweichendster Weise bewirkt ist, und welche dennoch gleich befrie-
digende Resultate liefern.
Unmittelbar unter den Windöffnungen beginnt ^er Herd des Ofens,
unten durch die HerdBohle abgeschlossen. Je höher daher jene Oeffnun-
gen über der Sohle liegen , desto mehr Metall kann im Herde gesammelt
werden, desto schwieriger ist es aber auch, bei der grossem Entfernung
der heissesten Ofenzone yon der Sohle das angesammelte Metall in der
erforderlichen hohem Temperatur zu erhalten, und desto grösser sind
die Unregelmässigkeiten, welche durch die Abweichungen in dem Höhen-
stande des flüssigen Metalls hervorgerufen werden. Zur Vermeidung
besonders des letztem Uebelstandes legt man vielfach die Sohle unmittel-
bar, d. h. 100 bis 150 Mm., unter die Windeinströmungen und lässt die
geschmolzenen Massen sofort in den schon erwähnten Vor her d ablaufen,
einen ringsum geschlossenen, tiefer liegenden Behälter, dessen übliche
Construction sogleich besprochen werden wird.
Aus dem Bestreben, die günstigste Ausnutzung des Brennmaterials
im Cupolöfen hervorzurufen, sind nun eine Anzahl verschiedenartiger
Ofenconstructionen oder „Ofensysteme" hervorgegangen, deren bessere
sämmtlich in verschiedenartiger Ausführung das Ziel verfolgen, die Zu-
führung reichlicher Windmengen in grosser Vertheilung zu ermöglichen.
Die haupsächlichsten dieser Ofensysteme sollen in Folgendem ihren Ei-
genthümlichkeiten entsprechend charakterisirt werden.
1. Aeltere Cupolöfen, Fig. 227i).
Der Schacht hat cylindrisches, conisches oder auch den Eisenhochöfen
ähnliches Profil mit Rast und engem untern Theile. Der Wind wird
*) Unter dem Ausdruck „Aeltere Cupolöfen" sind solche ConstmctioneQ
verstanden, welche, bis vor etwa 10 Jahren noch vielfach üblich, jetzt in Folge
Aeltere GonstractioBen. 271
durch eine oder häufiger zvei mehr oder minder enge OeCTnongen ein-
geblsaen. Zn diesem Zwecke ist die Windleitong mit ooniachen, seltener
Pig. 227.
cylindriechen Ansatzstücken a a — Düsen — versehen, die sich leicht
loenebmen lassen, und in die entsprechenden, mit gusseisemen, schmiede-
eiaemen oder kapfernen Hülsen — den Formen, Windforroen —
Tersehenen Oeffanngen in der Ofenwand hineinragen. Die Düse ist mei-
etena an einem Düsenständer b befestigt, welcher ein teleskopenartiges
ihree hohem BremHtoffverbranchB selten geworden sind. Ton einer Beicbrei-
bnng noch ftlterar Formen sehen wir zur Vermeidung nnnäthiger Weitschwei-
figkeit ab, welche nur wenigen unserer Leser willkonunen sein dSrfte. Biehe
hierüber Dürre, Handbuch dea Eisengiessereibetriebes , Bd. I, S. 310; auch
Kerl, Grondriu der Eisenhüttenkunde 8. 323.
272 Cupolöfen.
Zarückziehen derselben gestattet, wenn Reinigungen der Form etc. vor-
genommen werden sollen; ansserdem befindet sich an der Bückseite des
Ddsenständers in der yerl&ngerten Achse der Düse gewöhnlich ein mit
Glas- oder Glimmerplatte versehenes Yisir c c ^) , durch welches das
Schmelzen beobachtet, auch nach dem Oeffnen desselben eine Reinigung
der Form vorgenommen werden kann, ohne dass man die Düse zurück-
zuziehen braucht. Bisweilen — und jedenfalls mit gutem Erfolge —
sind die Oefen mit zwei oder drei Formen übereinander ausgerüstet (wie
in der gegebenen Abbildung), um den Veränderungen beim Ansammeln
grösserer Eisenmengen Rechnung zu tragen und nicht von vornherein
durch zu hoch gelegene und dadurch eine ausreichende Erwärmung des
Herdes unmöglich machende Formen blasen zu müssen. Für diese Fälle
muss der Düsenständer auch eine Verschiebung in senkrechter Richtung
ermöglichen. Man bläst zuerst durch die untersten Formen, während
die oberen durch einen Thonp&opfen verschlossen gehalten werden; wenn
das Eisen steigt, schliesst man die unteren Formen und legt die Düsen in
die zunächst folgenden.
Diese Oefen erfordern im Allgemeinen einen um so hohem Eohlen-
verbrauch, je enger die Formen sind. Benutzt man, wie üblich, ein Cen-
trifugalgebläse, so nimmt die Menge des gelieferten Windquantums auch
bei gleicher Tourenzahl des Gebläses proportional der Grösse des Aus-
flussquerschnitts ab, das Schmelzen geht langsam von Statten und, ab-
gesehen von der geringem Wärmeentwickelung in Folge reichlicher
Eohlenoxydgasbildung sind die Wärmeverluste, durch Transmission auf
die gleiche Menge durchgesetzten Eisens bezogen, grösser als bei
rascherem Schmelen.
2. Sefström^scher oder S chm ah eT scher Cupolöfen, Fig. 228 (auf
den ehemals königlich preussischen Eisengiessereien zu Berlin, Sayn , Glei-
witz zuerst in Anwendung). Der Schacht hat gewöhnlich conische Form.
Statt der zwei Düsen der älteren Oefen sind 8 bis 16 Windeinströmungen
von ä 60 bis 80 Mm. Durchmesser vorhanden. Da die Anbringung von
eigentlichen Düsen in dieser grossen Anzahl zu Unbequemlichkeiten
führen würde, ist um den Ofen herum ein gusseiserner oder ans Eisen-
blech gefertigter, ringförmiger Canal a gelegt, in welchem die durch das
Windrohr h kommende Gebläseluft circulirt, um durch die einzelnen OefF-
nungen c c in den Ofen zu gelangen; damit nicht diese Oeffnungen zu
nahe bei einander zu liegen kommen, hat man sie in zwei Reihen in
einem Verticalabstande von etwa 80 Mm. vertheilt, die entweder, wie in
der Abbildung, horizontale Richtung haben oder auch beide zusammen
in Form einer Schraubenlinie mit zweimaligem Umgange angeordnet
sind. Hinter jeder Windöflnung befindet sich in der Aussenwand des
') Glimmerplatten für solche Visire bei älteren und neueren Cupolöfen,
jedenfalls ungleich geeigneter als Glasplatten, werden in jeder Grösse und zu
billigen Preisen von Max Baphael in Breslau geliefert.
SchmaheTB Ofen. 273
Windcankk ein sm 9&iendes Yisir zur BeobachtuDg nnd ReiniguDg der-
Belben.
Man sieht, dass durch diesen schon Tor mehreren Jahrzehuten angewen-
deten Ofen Enerst die Aufgabe gelöst Turde, welche allen modernen Con-
atmctionen zn Grande liegt, reichliche Windmengen in grosser Verthei-
long dem Ofen zuzuführen. Der Erfolg dieser Construction würde ein
viel durchschlagenderer gewesen sein, wenn man die errnngenen Yor-
Fig. 22g.
tbeilfl anszunstzea verstanden h&tte. Bei gleichem OnrohmesBer des
Schacht« als bei den älteren Oefen erhielt man aber in Folge der günsti-
gem und raBcbem Yerbrennung die doppelte bis dreifache Uenge £isen
in gleichen Zeiträomen, mit der man nichts anzuiangen wnaste, weil
die in den meisten modernen Eisengiessereien getroEFenen Einrich-
tungen, rasch grosse Mengen Eisen za vergiessen, nicht vorbanden
Iicdibar, mtchuiiHh-raeUUDrgiKtu Tsclmologie. lg
274 Cupolöfen.
waren '). Snchte man durch verringerte TonrenEafal der GeblAsemuchiae
oder dnrcb Verklemenmg der Wind&flhongen , deren DnrchmeaBer bis
auf 25 Mm. rerriagert wsrde — in beiden Fällen also durch Scbm&lemiig
der Windmenge — den Scbmelzgang zu rerzOgem, so entsprach eben
die Windmenge nicht mehr dem Darchmesaer des Ofens und die erlang-
ten Yortheile gingen wieder verloren. Auf den allein richtigen Ge-
danken, durch Verkleinerung dea SohachtdurchmcBsen das Schmelzqnan-
tum zu Terringem, scheint man nicht gekommen zn sein. So fanden
diese Oefen wenig Eingang und sind in der nreprüngliohen Form erst
in neserer Zeit hier und da wieder aufgenommen.
Die Fühmng des Winden durch einen ringförmigen Canal um den
Ofen an 'der heisseaten Zone deaaelben hat bei diesen wie bei allen' fol-
Fig. 220. genden Ofensyatemen neben der Ver-
theilnng des Windes noch den Er-
folg, daas der Ofen an dieser Stelle
gekühlt , vor rascher Abnntziuig
durch Wegschmelzen geschOtet und
die dorchgelaagene Wärme von dem
Winde anfgenommen und in den
Ofen wieder zurückgeführt wird.
Die Winderwftrmnng betrSgt nach
Beobachtungen des Terfaaseri 60
bia 80" C, nachdem der Ofen längere
Zeit (1 bia 2 Stunden) im Betriebe
gewesen iat. Die Wirkung iat keine
bedeutende, immerhin aber erwäh-
nen awerth.
3. Ireland-CDpoIofen,Fig.229,
im Anfang der aechziger Jahre die-
se« Jahrhunderts dem EngUnder
Ireland patentirt and bis jetzt
noch in zahlreichen Eiaengiesaereien
in Anwendung.
Der Wind tritt durch Bwei ho-
rizontale Reihen von Oeffnungen
(Formen) in den Ofen, welche 450
bie 750 Um. senkrechten Abatand
von einander besitzen, also beträcht-
lich mehr ala die Formenreihen des
Schmahel'achen Ofena. Der totale
Querschnitt derWindformenist gleich
■) Zur Erläuterung hierfür möge die Notiz dienen, daeB man in den m
jetiigen Oieaseraien erst dann in Bchmelzen und zu gieesen pflegt, veiin si
liehe an einem Tage abzugiessende QuMformen fertig hergestellt aind.
Ireland's Ofen. 275
V4 bis Vs des engsten Schachtquerschnitts, der Querschnitt der sämmtlichen
unteren Windformen ist annäbemd doppelt so gross als der der sämmt-
lichen oberen; die Anzahl der unteren (3 bis 4) aber halb so gross als die
der oberen (6 bis 8). Hieraus folgt, dass der Durchmesser der obern
Formen beträchtlich kleiner als der der unteren ausfallen muss. 0£fenbar
liegt dieser Anordnung der Windzulässe die Absicht zu Crrunde, Eohlen-
ozyd, welches sich Tor den unteren Formen bilden könnte, durch Zufüh-
rung einer fernem, stark vertheilten Luftmenge in der höher gelegenen
Ofenzone Yollständig zu Kohlensäure zu verbrennen.
Der Schacht ist zwischen den beiden Formenreihen cylindrisch, er-
weitert sich unterhalb derselben zu einem geräumigen Sammelherde für
die flüssigen Massen, oberhalb derselben durch ein conisches Uebergangs-
glied (Rast) zu einem cylindrischen oder nach oben sich wieder verengen-
den obern Theile von grösserm Durchmessen Andere Schriftsteller
drücken sich bei der Beschreibung des Schachtsprofils umgekehrt aus,
indem sie anführen, der Schacht sei zwischen den Formen zusammen-
geschnürt Diese Ausdrucksweise ist kaum ganz logisch; denn die Menge
des vom Ofen in bestimmten Zeiträumen geschmolzenen Eisens hängt
nicht von dem obern oder untern Durchmesser, sondern von dem
Durchmesser zwischen den Formen ab, so dass dieser als der normale
Schachtdnrchmesser bezeichnet werden muss. Man hat vielfach diese
sogenannte Einschnürung des Ofenschachts als ein Mittel bezeichnet, die
Temperatur zu steigern tind die Leistung des Ofens zu erhöhen, und hat
gerade diese Eigenthümlichkeit des Ireland-Ofens als besonders maass-
gebend für die 'unleugbar günstigen Resultate desselben bezeichnet.
Diese Behauptung ist nur in sehr beschränktem Sinne richtig. Sofern
der Querschnitt der Windeinströmungen und die Menge des zugefuhrten
Windes dem normalen Durchmesser des Ofens entspricht, als welchen wir
den Durchmesser innerhalb jener Verengung bezeichnet haben, entsteht
eine hohe, dem Schmelzgange günstige Temperatur; dieselbe würde aller-
dings sinken, wenn man den Ofen erweitem wollte, ohne auch die Wind-
menge zu vermehren; der grössere Durchmesser des obern und untern
Theüa des Schachts, welcher erst jenen mittlem Theil als „Einschnü-
rung" hervortreten lässt, hat aber begreiflicherweise keine Mitwirkung
bei der Erzeugung der Temperatur innerhalb der letztem. Man würde
durch einen völlig cylindrischen Schacht mit dem kleinern Durchmesser
dieaelben Resultate erlangen können, wenn man nur Sorge trägt, durch
diefiem Falle also nur vortheilhafb ist, rasch das erforderliche Eisen zu be-
s<-haffeD ; in älteren und auch noch in einigen unter besonderen Verhältnissen
arbeitenden modernen Eisengiessereien goss man dagegen jede Gussförm ab,
unmittelbar nachdem sie hergestellt war, konnte also nur jedesmal so viel Guss*
eisen verwerthen als der betreffende Guss erforderte. Man sparte dadurch
an Formkasten und an Platz, schmolz aber unter entschieden ungünstigeren
Verhältnissen. '
18 ♦
276 Cupolöfen.
entsprechend grössere Höhe einer Verringerung des Schachtvolamens
Torznbengen.
Die eigenthümliche Schachtform giebt nun Gelegenheit zur Anbrin-
gung des ringförmigen Windcanals in der aus der Abbildung ersichtlichen
Art und Weise. Dadurch wird der Schacht gekühlt und der Wind vor-
gewärmt. Der Ganal ist durch eine horizontale Scheidewand in eine
obere und untere Hälfte getheilt, der Gebläsewind gelangt durch das
Rohr c zuerst in die untere Hälfte und aus dieser durch Oefinungen in
der Scheidewand, die durch Schieber g g yerschliessbar sind, in die obere.
Man ist dadurch in Stand gesetzt, nur durch die unteren Oeffianngen
allein zu blasen, was im Anfange des Betriebes zur bessern Anwärmung
des Sammelherdes zweckmässig sein kann, oder durch beide Reihen zu-
gleich, aa sind Visire mit Vorrichtung zum Oefinen, wie früher be-
schrieben.
Der Irel and -Cupolöfen liefert, wie erwähnt, in Folge der zweck-
mässigen Anordnung der Windzuf&hrung recht günstige Erfolge hinsicht-
lich des relativen Brennstoffverbrauchs, unter allen bis zu seiner Erfin-
dung bekannten Ofenconstructionen unleugbar die günstigsten. Die Er-
weiterung des Schachts unterhalb der Formen giebt die Möglichkeit,
dass man grössere Mengen geschmolzenen Gusseisens ansammeln kann, die
obere Erweiterung hat als einzigen Vortheil eine verringerte Gasspannung
bei gleichem Ofenvolumen und gleicher Windmenge und deshalb gerin-
gere Leistung der Gebläsemaschine.
Die dadurch entstehende Schachtform erschwert aber einestheils
durch Aufsetzen auf der Rast das Niedersinken der Schmelzsäule und
giebt zu Stockungen Veranlassung; anderntheils sind Beschädigungen des
verengten Theils durch Wegschmelzen und mechanische Einflüsse häufi-
ger und schwerer zu repariren. Deshalb hat man mehrfach die Ire-
1 and' sehe Windzuführung mit der einfachem cylindrischen oder schwach
conischen Schachtform (wie bei dem oben abgebildeten Schmäh ersehen
Ofen) combinirt und recht gute Resultate damit erzielt.
4. Krigar-Cupolofen, Fig. 230 und 231, durch H. Krigar (Firma
Erigar und Ihssen) in Hannover in den sechziger Jahren eHunden und
seitdem durch unausgesetzte Verbesserungen vervollkommnet. Der Wind
circuUrt in dem Canale d rings um den Ofenschacht und gelangt durch
zwei einander gegenüberliegende senkrechte Ganäle ff in die grossen
überwölbten Oeffnungen ii und durch diese in den Ofen. Die Breite
jedes dieser beiden Gewölbe nimmt ungefähr Vs bis Ve <^^b ganzen üm-
fanges des Ofenschachts im Lichten ein, die Höhe der Gewölbe schwankt
zwischen 400 bis 700 Millimeter, je nachdem man das flüssige Eisen im
Ofen selbst sammelt oder in einen Vorherd ablaufen lässt. Der Quer-
schnitt der beiden Ganäle // zusammengenommen beträgt Vs ^is Va des
horizontalen Schachtquerschnitts. Durch diese eigenthümliche Construc-
tion wird eine sofortige Vertheilung des einströmenden Windes auf eine
grosse Fläche bewirkt, und es entsteht eine sehr intensive Verbrennung,
Krigar's Ofen. 277
ftlso reichliche Wärmeentwickelang. Wenn von anderer Seite die gün-
stigen Reraltate dea Erigar-Ofens, insbesondere die Thatsache, dass das
niederschmelzende Eisen sehr wenig dnrch Oxydation zn leiden hat, dem
Umstände zugeschrieben wird, dasB die weiasgl übenden Koks in die
grOBsen Windznlässe hinein vorzarollen pflegen and dort bereits den
freien Saneratoff rerbranchen, so bemht eine solche Anschauung doch
wohl anf einer Verkennnng des Terbrennnngs- .und Schmelzprooessea,
Fig. 230. Fig. 231.
Wie aich an länger beuntzteo Krigar'sohen Cupolöfen an den am mei-
sten weggeschmolseneD Stellen zeigt, liegt die Zone der grössten Wärme-
entwickelnng — also der Verbrennung — nicht innerhalb, sondern einige
Centimeter oberhalb der Gewölbe.
Der Schacht desKrigar'achen Gapolofens ist mCglichBt einfach pro-
Blirt. Die Verengung in dem nntem Schachte des^abgebildeten Ofens
rührt nicht etwa ans der Absicht her, dadurch eine besondere Einvir-
278 Copolöfen.
knng auf den SdimelzproceBs berrorziirnfen, Bondem luit allein den
Zweck, demjenigen Tbeile des Ofens, welcher dem Wegaclimelsen am
meisten aoegesetzt ist, dorch eine grössere Wandstärke längere Dauer
zn geben. Haa findet ancb bei anderen Ofensystemen dasselbe Schacbt-
profil angewendet, ohne irgend einen andern Gmnd als den genannten.
Eine gleichfalls durch Erigar getroffene VerbeBsemng iet die Ein-
richtung des Yorherdea (g in Fig. 230). Eisen und Schlacke fliesaen in
denselben dnrcb den in der Äbbitdang ersichtlichen Canal ab, und die
Scbmelzsfiule im Ofen bleibt durch den höhern oder tiefem Stand des
Fig. 232.
SIetallbades nnbeeinflusst. t nnd S sind Äblassöffnangen fär die auf dem
Eisen sich sammelnde Schlacke, p die Aosflnesrinne für das Eisen, r r
Visir- nnd ReinigangsöS'nnngen. Krigar giebt seinen Vorherden recht-
eckigen Grnndrisa nnd nmgiebt dieselben mit starken gnsseisernen Platten
als Rüstung. Zweckmässiger igt Jedenfalls die Kreiaform , welche eines-
theils die geringste Anssenfläche besitzt nnd deshalb die geringsten
Wärmeverlnste durch Transmission verursacht , andemtheils aber dorch
ein umgelegtes schwaches Eesselblech sich in billigerer nnd sicherer
Weise zusammenhalten lässt als der viereckte Vorherd durch die sohwe-
Krigar'e Ofen. 279
Platten. Einen Bolchen Capolofen nach Krigar'a
Sjriam, aber mit nmdem Vorherde, fOr ein stttndliclieB Schmelzen von
3000 bis 4000 Kilogramm GnsBeiaen geeignet, zeigen die Figuren 232
bis 23& in '/so der wirklichen Grösse >).
Als leiste and in vielen Fftllen recht zweckmässige Eigentbümlich-
keit der Krigar'schen Capolofen moas noch die in dem freigelegten Boden
dea Ofens angehrachte Klappe it (Fig. 230 und 232) Erw&hnaag finden,
Fig. 234.
welche während deaBetriabes durch einen Voireiber geachloBsen gehalten
wird, nach beendigtem Schmelzen aber eine leichte Entleerung des Ofens
Ton zorOckgebliebenen Koks und Schlacken ermöglicht.
Der Krigar'ache Capolofen gehört unatreitig. Dank dem unermüd-
lichen Bestrebeo seines Erfindere, neue Verbeaserungen anznbringen, zu
*) In Bbenwerk Oroeditz im Betrieb«.
280 Mac Kensie's Capolofen.
den TollkommeiiBtflD Schmelupparaten der Jetztzeit. Er vereinigt mit
dem Vortheile einei geringen Telstiren Brennstoffrerbranoha eine rer-
hältnissmätsig grosse Daaerhafligkeit, erfordert wenig Bedienung nnd giebt,
wie erw&hnt, nur wenig Gelegenheit zn einer OxTdation dee Bchmelzen-
den GoBseiBenB, dnrch welcbe dessen Eigenschaften geändert Verden
konnten.
5. Uac-Kensie-Ofen, durch die Skizse in Fig. 236 erlfintert.
Der ganze untere Theil des Schachts schwebt, von einem nngfönuigen
Winkeleisen b getragen, frei über dem Herde nnd giebt dadurch Ranm
fOr den ringshemmlanf enden Windeinatrömnngecsnal b. Der Boden liegt,
wie bei dem Krigar-Ofen, frei und igt durch eine Klappe geschlossen,
Pig. 236.
deren Scharniere in dd angedentet sind. Dem der Krigar'schen Con-
stmction zn Grunde liegenden Bestreben, dem Windstrome eine mög-
lichste Vertheilnng zu geben, wird hei diesem Ofen, wie man siebt, in
noch ausgiebigerer Weise genügt. Ein Uebelstand ist die jeden&Us
geringe Danerfaaftigkeit des schwebenden Theils des Schachts als Folge
der auf den untern Eisenring wirkenden EinflSsse. Ahgeschwäcbt
werden diese Einflüsse, wenn der untere Theil des Ofenschachts nicht als
Sammelraum für doa geschmolzene Metall benutzt wird, sondern mit
einem Krigar'schen Vorherde verbunden ist.
Der Mac-Kensie-Ofen ist besonders aufElaen werken der Vereinigten
Staaten Nordamerikas (in dem Vaterlande des Erfinders) vielfach in An-
wendong, in Dentschland scheint er bislang keine Verbreitung gefunden
EU haben ')■
AoBser diesen genannten Capolofensystemen giebt es eine Anzahl
Constructionen , die sich nur in unwesentlichen Dingen von diesem oder
I) Den neuesten Hittheilungsn znfolge igt der Mac-Keusie-Ofen in jeaer
ursprünglichen Form aach in Nordamerika nicht mehr üblich, was die oben
Einbau der Gupolöfen. 281
jenem äJet beschriebenen Oefen nnterscbeiden , gleichwohl aber unter be-
sonderen Benennungen in di« Oeffentlichkeit eingeführt worden sind, sei
es AUS ünkenntniss der früheren Constructionen, oder um Capital daraus
SU schlagen. ' Hierher gehört z. B. der vor einiger Zeit in mehreren
Zeitschriften besprochene Yoi sin 'sehe Cupolofen ^), welcher nichts Ande-
res ist als die schon erwähnte Combination d^r Ireland'schen Windzu-
f&hmng mit einem einfacher profilirten Schachte, also eine Construction,
welche iii Deutschland schon seit langer Zeit ohne besonderes Aufhebens
ui Gebranch gewesen ist, und verschiedene andere.
In mannigfaltiger Weise aber lassen sich bei neuen Constructionen
die Vorzüge! des einen Ofensystems mit denen eines andern vereinigen,
wie es soeben bereits angedeutet wurde. So z. B. kann man selbst-
verständlich den Kr igar 'scheu Vorherd nebst Bodenklappe anch bei
jedem andern Ofensysteme anwenden, und fälschlicherweise nennt man
aach wohl solche andere Oefen mit Krigar'schem Yorherde Erigar-
Oefen.
So zeigen uns die Abbildungen Fig. 237, 238 und 239 (a. f. S.) in
Vso der wirklichen Grösse einen in Eisenwerk Groeditz erbauten, zum stünd-
lichen Schmelzen von ca. 4000 Kilogramm Gusseisen geeigneten Cupolofen.
Die Windzuftkhrung entspricht dem Ireland-Ofen mit der Abänderung,
dass der Windcanal wie beim Schmäh einsehen Ofen ausserhalb befind-
lich ist, einfach profilirter Schacht und Krigar'scher Vorherd nebst
Bodenklappe. Das in Fig. 238 und 239 sichtbare, an dem Windcanale
angebrachte Rohrstück mit Drosselklappe dient zur Verbindung des
untern Canals mit dem obem statt der in der frühem Abbildung eines
Ireland-Ofens (Fig. 230 und 231) angegebenen Schieber, welche schwer
dicht zu erhalten sind.
■
Einbau der Cupolofen.
Bei den folgenden Erörterungen mögen die bereits gegebenen Ab-
bildungen von Cupolofen als Anhalt dienen.
Das Fundament der Cupolofen wird ohne besondere Abweichungen
von den allgemein gültigen Regeln für die Fundamentirung von Bau-
werken — gewöhnlich ca. 1 M. tief — in den Erdboden eingebaut. Bei
auflgesprochene Ansicht des Verfassers über die geringe Dauerhaftigkeit dessel-
ben zu bestätigen scheint. Man hat den ringförmigen Schlitz durch sechs
elliptische Einströmungsöfßiungen ersetzt, wodurch der Ofen aber sein Haupt-
merkmal verliert und sich langst benutzten Constructionen nähert. Vergleiche
Wedding, Das Eisenhüttenwesen der Vereinigten Staaten von Nordamerika,
Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen im Preussischen Staate Bd. 24
(Jahrgang 1877), 8. 58 (nebst Abbildung des neuern Ofens).
^) Armengaud, Publication industrielle, Vol. 22, pag. 185; daraus in ver*
schiedenen deutschen Zeitschriften.
282 Capolöfen.
GapolSfen oboe Vorberd wird auf diesem Fandamente der Sockel s (Fig.
227, 228 and 229) in einer Hebe von 750 bis 900 Um. ron der Ober
kante des Erdbodens an gerecbnet ans guten daaerbaften Brocbsteinen
Pj^ J3J aafgefübrt. ImGmndrisse
bat der Sockel qoadra-
tiaohe, Mcbs- oder acbt-
eckige, seltener kretsrnnde
Form. Zweckm&ssig ist es,
denselben nicbt als mas-
airen Maaerkörper, son-
dern ringförmig anfzolikb-
ren, wie in Fig. 227 nnd
228 angedentet ist, and
den im Innern bleibenden
boblen Raum mit Sand
oder Koblenlöicbe ansza-
iiUlen. Man vermeidet
dadorcb weit leicbter die
Entstehung von Rissen.
Zum Scbntze gegen Äussere
Beschädigungen nmgiebt
man den Sockel gewöbn-
licb mit gnsseisemen Plat<
ten, die am geeignetsten
ebne sonstige Terbindang
nnter einander nur dnrcb
zwei nmgelegt« schmiede-
eiserne Bänder sosammen
gebalten werden , damit
sie bei der Erwärmung
sieb frei aasdebnen kännen
nnd bei Bescbädignngen
leicbt answecbseln lassen.
Anf den Sockel legt
man gewöhnliob eine
starke gusseiseme Platte
als Unterlage fQr den
Schacht
Giebt man den Oefen
einen Vorberd, so baut
man zuniobst diesen auf
einem Sockel auf, wie ans
den Abbildungen ersichtlich ist, nmgiebt ihn mit einer UmbüUang ans
gaBseisemen Platten oder bei runder Grundform aas zusammengenietete m
Kesselbtecb nnd legt die erwähnte gnsseiserne Platt« anm Tragen des
Einbaa. 283
Ofenschachts mit der einen Seite anf die Küokeowand des Vorherds, mit
der andern anf ein Paar gnsseiseme Sänlen m, Fig. 230 etc.
Der Schacht wird durch die ans fenerfoBtem Matariale — meistens
Fig. 338. Fig. 239.
Chamottesteinen, seltener natürlich vorkommeoden fenerfeaten Steinen —
hergestellte Schachtmanerang gebildet, welche in fost allen Fällen durch
einen Hantel ans Eisenblech von cylindrischer Form, weniger hinfig nnd
284 Cupolöfen.
weniger zweckmässig ans gusseisemen Platten in prismatischer Form
eingeschlossen ist Zur hessem Befestigung des Mantels pflegt man die
gosseiseme Bodenplatte mit einem angegossenen aufwärts gerichteten
Borde zu versehen, an welchem der Mantel durch ein paar Schrauben be-
festigt wird. Bei Eisenblechmänteln genügt eine Blechstärke ron 8 bis
10 Mm., nicht selten benutzt man alte Dampfkessel, um aus ihnen einen
Cupolofenmantel herzustellen.
Die Wandstärke der Schachtmauerung beträgt nicht unter 150 Mm.
und nicht über 300 Mm., wenigstens würde ein Ueberschreiten dieser
Grenzen nicht empfehlenswerth sein. Eine zu geringe Wandstärke macht
ein öfteres mit Kosten verknüpftes Auswechseln erforderlich, eine zu be-
trächtliche Wandstärke gestattet aus dem Grunde keine volle Ausnutzung,
weil mit dem fortschreitenden Wegschmelzen der Steine der Durchmesser
und somit auch die Betriebsverhältnisse des Ofens mehr und mehr sich
von den normalen, beabsichtigten Beziehungen entfernen. Nicht unge-
eignet ist dagegen die bei den in Fig. 230, 232 und 238 abgebildeten
Oefen getroffene und bereits erwähnte Einrichtung, die Abmessungen der
Steine in dem untern Theile des Ofens, wo sie dem Wegschmelzen am
meisten ausgesetzt sind, etwas reichlicher, in dem obem kaltem Theile
des Ofens schwächer zu nehmen. Dadurch entsteht das im untern Theile
verengte Schacbtproiil jener Oefen , welches aber bei längerem Betriebe
mehr und mehr in die cjlindrische Form übergeht.
Die in früherer Zeit vielfach gehegte, auf theoretischen Erwägungen
fussende Annahme, dass dicke Schachtwände durch verhinderte Wärme-
transmission im Stande seien, erheblich brennstoffersparend zu wirken,
ist nicht im Stande gewesen, vor den Erfahrungen der Praxis Stand zu
halten. Man ist thatsächlich nicht im Stande, hinsichtlich des Brenn-
stoffverbrauchs irgend einen zu Gunsten dickerer Schachtwände sprechen-
den Unterschied zu bemerken. Deshalb ist es auch überflüssig, wie es
ab und an wohl noch geschieht, mehrere concentrische Schächte zur
bessern Zusammenhaltung der Wärme anzuwenden, eine Einrichtung,
welche, ursprünglich der Construction der Eisenhochöfen entnommen,
auch bei diesen mehr und mehr ausser Gebrauch kommt.
Zwischen Mantel und Schachtgemäuer muss ein Zwischenraum von
einigen Millimetern Stärke bleiben, damit letzteres sich frei innerhalb
des erstem in der Höhenrichtung ausdehnen kann. Dieser Zwischenraum
kann mit Sand ausgefüllt werden.
Da der obere Theil des Schachts auch bei geringerer Wandstärke
der Steine eiiler seltenem Auswechselung bedarf als der untere, so ist
die bei den Oefen Fig. 232 und 238 getroffene Einrichtung recht zweck-
mässig, welche eine Auswechselung des untern Theils gestattet, ohne dass
der obere mit herausgeschlagen zu werden braucht. Letzterer wird hier
von einem aus Winkeleisen gefertigten Ringe getragen, welcher am besten
nur lose in den Mantel eingelegt und beim Herausnehmen des untern
Einbau. 285
Schaohta darch ontergeatelltfl Streben gestütst wird, bis der neae Schacht
eingeaetst ist.
Bei Auünaaening des Schachts sind dieselbeii Torsich temaassregeln
zu beachten, welche bei dem Einbau des feuerfesten Futters für Flamm-
öfen Erwähnang fanden.
Um den Schacht gegen BeschfidiguDgen darch das Einwerfen der
Schmelzniat«rialien ed schätzen, declct man denselben schliesslich oben
dnrch eine starke ringförmige Platte ab,
^' welche mit einem Borde über den Mantel
Übergreift.
Um in den Ofen zur Auafühmng von
Reparaturen gelangen zu können, und
zur Entleerung desselben von zurückblei-
benden Eoks and sonstigen erstarrten
Massen muss der Schacht wie auch der
Vorherd, falls ein solcher vorhauden ist,
mit einer Thüröffnung versehen sein,
welche wfthrend des Schmelzens durch
eingesetzte Chamottesteine nnd eine davor
befestigte Thür aas Eisenblech verschlDs-
Ben gehalten wird. Die Befestigong der
Thür kann in einfacher Weise durah
Riegel, Vorreiber oder dergleichen wie
in den Figuren 235 und 239 bewirkt
werden. Damit ein erwacheener Mann
im Stande ist, durch die Thüröffnung
einzOBteigen , mnss dieselbe mindestens
360 Mm. breit, 500 bis 600 Mm. hoch sein.
In der Tbflr pflegt sich das 60 bis
80 Mm. weite Stichloch und vor demsel-
ben die gewöhnlich aus Blech gefertigte
und mit feuerfester Masse ausgekleidete
Gussrinne zu befinden, in welcher das
flüssige Eisen beziehentlich die Schlacke
abfliesst. Meistens nietet oder sohraabt
man die Rinne an der eisernen Thür fett,
BD dasB sie mit dieser vom Ofen entfernt
wird.
Bevor der Ofen in Betrieb kommen
kann, mnss noch die aus feuerfestem Ma-
terials bestehende Sohle desselben, der Herd, hergestellt werden. Ge-
wöhnlich besteht derselbe aas einer festgestampften , mindeBtens 70 Mm. '
starken Lage aus feuerfester Masse oder Sand mit thonigem Bindemittel,
aoch wohl ans Chamottesteinen , mit einer Neigung gegen das Stichloch
so, am das Ansfliessen der flüssigen Schlacke zu erleichtem.
OupolofeneBse,
Bei Oefen mit Torherd erhUt die-
ser wie jener eine in solcher Weise her-
gestellte Uerdsohle, welche nach jedem
Schmelzen reparirt oder erneuert werden
Zn jedem Cnpolofen gehört schliess-
lich noch eis Schornstein, nicht sowohl znr
Erzeagang von Lnftzng, sondern allein
ZOT Abführung der Verbrennongsgase ans
dem Gebände. Deshalb ist die Höhe
desselben ganz allein von der Höhe des
letztem nnd etwaigen polizeilichen Vor-
schriften abhängig.
Die Constmction des Schornsteins
l&sst sich in Eweierlei Weise ansfOhren.
Man kann ihn erstens wie in der Skizze
Fig. 240(a.T.S.) unmittelbar auf den Ofen
stellen, ihn von diesem tragen lassen, so
dass das ganze Gewicht des Schornsteins
auf dem Ofen raht. Ist der Ofen mit Blech-
mantel Tersehen, so büUt man am besten
anch den Schornstein in einen Blechman-
tel, welcher eine unmittelbare Fortset-
zung des Ofenmantels bildet, und giebt
ihm eine kegelförmige Gestalt In dem
Fnsse des Schornsteins befindet sich ober-
halb des Ofenschachts eine Oeffnnng a
zum Einfüllen der Schmelzmaterialien.
Diese Constmction, so einfach sie an nnd
iur sich ist, hat den Nachtheil, dass der
Schornstein jede Bewegung des Ofens
bei der Ansdehnnng und Zusamm zieh ung
mitmacht, dass femer die bei Beendigung
des Schmelzens sich stets entwickelnde
starke nnd heisse Flamme, indem sie in
dem engen Schornsteine emporbläst, die-
sen stark erhitzt und die Anwendung
feuerfester Steine für denselben erforder-
lich macht.
Bei der zweiten Constmction, durch
die Skizze Fig. 241 veranschaulicht, stellt
man den Schometein völlig unabhängig
vom Cnpolofen auf einen geeigneten
Cnterbao. Meist«ns ISsst sich die £in-
richtnng recht bequem in der Art and
Winderhitzung. 287
Weise bewerkstelligen, wie sie die Abbildung darstellt. Es ist hier a
eine Geb&adewand, hinter welcher die Cnpolöfen aufgestellt sind, h ist
ein gusseisemer Rahmen, mit zwei Enden in der Wand a ruhend, wäh-
rend die beiden entgegengesetzten Enden durch Säulen getragen werden,
an deren Stelle in manchen Fällen eine zweite Gebäudewand dienen
kann. Auf dem Rahmep ist der Schornstein aufgeführt. Da zwischen
Ofen und Schornstein die frische Luft stets Zutritt hat und sogar an-
gesaugt wird, bleibt der Schornstein kalt und kann ganz leicht aus
dünnem Ziegelmauerwerk (ca. 120 Mm. stark) aufgeführt und durch einige
umgelegte schmiedeeiserne Anker gesichert werden. Die Säulen, welche
den Schornstein tragen, können, wie in der Abbildung; gleichzeitig
zur Unterstützung der Gichtbühnen benutzt werden. Die (Jnterkante
des Schornsteins legt man so hoch über die Oberkante des Ofens, dass das
Aufschütten der Schmelzmaterialien bequem von Statten geht, also etwa
1 bis iVa Meter.
Um die umliegenden Theile des Gebäudes vor der strahlenden Hitze
zu schützen, welche von der beim Niedergehen der letzten Gichten
wachsenden Flamme ausgeht, versieht man den Ofen wohl mit einem Auf-
sätze e aus dünnem Bleche mit Futter aus feuerfesten Steinen bis in den
Schornstein hineinragend und mit einer Thüröfifnung zur Bedienung
des Ofens.
Es sei schliesslich an dieser Stelle noch eine Bemerkung über die.
Anwendung erhitzter Gebläseluft für die Gupolöfen gestattet. Als man
bei Eisenhochöfen durch Erhitzung des Windes überraschend günstige
Resultate hinsichtlich des Brennstoffverbrauchs erhalten hatte, lag der
Gedanke nahe, dieses wirksame Mittel auch fär Cupolöfen in Anwendung
zu bringen. Da man in damaliger Zeit — gegen die Mitte dieses
Jahrhunderts — nur einen solchen Gupolofenbetrieb zu führen yer-
stand, bei welchem eine Menge brennbaren Eohlenoxyds der Gicht
entströmte, so war nichts einfacher, als einen eisernen Röhrenapparat
für den Wind über die Gicht zu legen und durch die Gichtflamme
erwärmen zu lassen. Es ist nicht zweifelhaft, dass sich gewisse Men-
gen von Brennstoff dadurch sparen Hessen, wenn auch nicht in dem
Maasae wie beim Hochofenbetriebe, wo der erhitzte Wind in ganz
anderer Weise wirksam ist. Es stellte sich aber der Uebelstand heraus,
dass die Apparate in Folge des häufigen Temperaturwechsels sehr bald
undicht wurden, und ausserdem will man eine Verschlechterung der
Gusaeisenqualität durch Anwendung erhitzten Windes constatirt haben.
Verfasser ist nun zwar der Ueberzeugung , dass letzter Umstand, falls er
nicht etwa auf Vorurtheilen beruhte, sich durch einfache Mittel hätte
beseitigen lassen; da jedoch richtig gebaute und geführte Gupolöfen über-
haupt keine brennbaren Gase mehr entlassen , und da man mit Sicher-
heit berechnen kann, dass die Heizung eines Winderhitzungsapparats mit
fremdem Brennmateriale beim Gupolöfen nicht lohnend sein würde,
80 sieht man bei jetzigen Anlagen mit Recht von jeder andern Wind-
288 CupolöfeiL
erwärmung ab, als sie in bereits erwähnter Weise durch einzelne Oefen
selbst bewirkt wird (Schmahel-Ofen, Ireland-Ofen, Erigar-Ofen).
Di'e Werkzeuge
beim Cupolofenschmelzen sind fast die nämlichen süß beim Flammofenbetriebe.
Spiesse mit yerstahlten Spitzen, Brechstangen, eiserne Krücken mit lan-
gem Stiele zum Entleeren des geblasenen Ofens; auf der Gicht darf eine
Wage — ' am besten Decimalwage — nicht fehlen, um die Eisengichten
abzuwägen, während die Brennmaterialgichten meistens gemessen werden.
Das Arbeitsverfahren.
Wenn der Cupolofen in Betrieb gesetzt werden soll, beginnt man
einige Stunden bevor das eigentliche Schmelzen seinen Anfang nehmen
soll, mit dem Anwärmen, indem man auf dem Herde ein Feuer aus Holz,
Torf q^er dergleichen entzündet. Die Thüren sind währenddem geöffnet
oder nur durch eingesetzte grössere Eoksstücke verschlossen, welche der
Luft Durchzug gestatten. Nach und nach schüttet man Koks nach und
füllt damit den Ofen bis zu etwa einem Drittel, bei niedrigen Oefen bis
zur Hälfte seiner Höhe. Vorher schliesst man die Thüren und lässt nur
noch durch das Stichloch Luft zutreten. Wenn die Gluth soweit durch-
gedrungen ist, dass vor den Windeinströmungsöfi&iungen glühende
Koks sichtbar sind, und das Schmelzen beginnen soll, schüttet man nun-
mehr abwechselnd Koks und Eisengichten nach, bis der Ofen bis zum
Rande gefüllt ist, und kann nun das Gebläse anlassen. Das Stichloch
bleibt geöffnet, bis das erste Eisen im Herde erscheint. Man veranlasst
dadurch einen Theil der Yerbrennungsgase , durch das Stichlooh zu ent-
weichen, wodurch der Herd beträchtlich vorgewärmt und eine schädliche
Abkühlung des geschmolzenen Eisens verhütet wird.
Man pflegt mit einer Windpressung von 200 bis 350 Mm. Wasser-
säule zu blasen, je nachdem die Leistung des Gebläses eine höhere Pres-
sung gestattet und der Schmelzgang mehr oder weniger beschleunigt
werden soll. Im Allgemeinen ist aus naheliegenden Gründen der Ofen-
gang um so heisser, also die Brennstoffausnutzung um so günstiger, je
rascher die Yerbrennung vor sich geht, je mehr Wind der Ofen also er-
hält. Zur Ueberwachung der Windznführung dient das Manometer
Fig. 242, welches bei keinem Oapolofen fehlen sollte und welches man
auf der Windleitung unmittelbar vor dem Ofen anbringt. Auch die Aufstel*
lung eines zweiten Manometers in der Gebläsestube ist recht zweckmässig.
Während des Schmelzens schüttet man nun stets frische Mengen
von Koks und Eisen nach, sobald die Oberfläche der Schmelzsäule ent-
sprechend gesunken ist, zu unterst die Koks, zu oberst das Eisen. Die
Grösse dieser jedesmaligen „Gichten^ ist nicht ohne Wichtigkeit Je
grösser dieselben bemessen werden, desto tiefer muss die Schmelzsäule
Arbeitsverfahren.
289
Fig. 242.
Binken, bevor Mach aufgegeben werden kann, desto grösser ist auch die
Abküblong beim Anfgeben und desto weniger vorgewärmt gelangen
die Materialien in den untern Raum. Man erhält
ein zweckmässiges Yerhältniss, wenn man pro
1 Quadratmeter Fläche der Gichtdffnung circa
80 Kilogramm Koks auf eine Gicht rechnet und
die Eisenmenge der Leistung des Ofens und der
Koks entsprechend bemisst. Bei gut construirten
Oefen und dichten Koks mit höchstens 12 Proc
Asche kann man durchschnittlich auf 1 Gewichts-
theü Koks 15 bis l'6 Gewichtstheile Roheisen
setzen.
Beispiel Für einen Ofen mit einer Gicht^
öffiiung von 600 Mm. Durchmesser, also 0,28
Quadratmeter Gichtfläche, würde man die Grösse
der Gichten bemessen können:
Koksgichten 0,28 x 80 = 22,4, abgerundet 25 Kilogramm,
Eisengichten 16 X 25 400 „ i).
Jeder Gicht setzt man eine gewisse Menge Kalkstein zu — ungefähr
15 bis 20 Proc. vom Gewichte der Koks — , um mit der Asche derselben
und dem den Roheisenstücken anhaftenden Sande eine leichtflüssige
Schlacke zu bilden.
SoU das Schmelzen beendet werden, so hört man mit Aufgeben auf,
stellt das Gebläse ab, sobald sich kein Eisen mehr vor den Windformen
zeigt, sticht das letzte geschmolzene Eisen ab, öfiFnet die Thür des Ofens
oder Yorherds und entleert denselben von den zurückgebliebenen Koks
und Schlacken. Dann wird der Ofen bei geöfineten Thüren der Abküh*
lung überlassen.
Wie nun das Schmelzen der Metalle in den früher beschriebenen
Apparaten Gelegenheit giebt, durch Legirung verschiedener Metalle
die Eigenschaften derselben zu Terändem, so ist auch das Schmelzen im
Gupolofen ein bequemes Mittel, durch Vermischung verschiedener Roh-
eisensorten eine neue Eisensorte darzustellen, deren Eigenschaften den
jedesmaligen Erfordernissen entspricht, wie sie aus den Eigenthümliah-
keiten jedes Gussstücks entspringen.
Die in der Eisengiesserei zum Schmelzen vorzugsweise benutzten
Eisensorten haben folgende allgemeine Benennungen:
^) Es würde yollständig falsch and einer nutsslosen BrennstoITvergeadung
gleichbedeutend sein, wenn man, wie es in älterer Zeit geschah, mit einem
kleinen Boheisensatze auf die gleiche Menge Brennstoff heginnen und denselben
erst nach und nach steigern wollte. Gerade im An&nge des Sohmelzens ver-
trägt der Cupolofen den höchsten Eisensatz.
Ledebnr, meebanitch-meUllargiioh« Technologie. |9
290 Gupolöfen.
Koksrobeiseii Nr. I. Grrobkörnig mit reicher Graphitanssclieidazig.
EoksroheiBeii Nr. III ^). Feinkörniger, graphitärmer. Umgeschmol-
zen nnd in dünnere Stücke ansgegossen wird dasselbe hart, in grösseren
Stücken bei sehr allmäliger Abkühlung behält es seine graae Bmch-
fläche und bleibt bearbeitbar.
Koksroheisen Nr. IV (selten yerwendet). Dasselbe zeigt auf dem
Brache eine weisse Grundfläche mit dünneren Graphitausscheidungen.
Ist für sich verarbeitet hart, spröde.
Vorstehend genannte Boheisensorten werden zum grossen Theile
Ton englischen und schottischen Eisenwerken auch nach dem Continente
geliefert und nach dem betrefPenden Eisenwerke benannt; z. B. schot-
tisches: Coltness, Langloane; englisches: Newport, Claylane, Clarence
und andere. Die besseren schottischen Boheisensorten („Marken^)
zeichnen sich durch grössere Festigkeit, aber auch hohem Preis vor den
genannten englischen Sorten aus.
Holzkohlenroheiden , feinkörnig grau. Besitzt, sofern es nicht aus
phosphorreichen Erzen dargestellt war, bedeutende Festigkeit, aber auch
grössere Härte als das weniger reine Eoksroheisen (steyrisches , schwe-
disches, Harzer Holzkohlenroheisen).
Brucheisen. Man begreift unter dieser Benennung Gusseisenstücke,
welche bereits einmal umgeschmolzen worden waren; also zerbrochene
Maschinentheile und Geräthe aUer Art, Ausschussstücke, Eingüsse etc.
Da das Brucheisen meistens in kleinen Stücken vorkommt , so schmilzt
es leicht ein , nimmt reichlich Wärme auf und erhöht dadurch die Tem-
peratur des Eisengemisches; auch schreibt man ihm vielfach die Eigen-
schaft zu, in Folge des schon durchlaufenen einmaligen Schmelzprocea-
ses blasenfreiern , dichtem Guss zu liefern. Beim Ankaufe solchen
Brucheisens muss man sich hüten, sogenanntes Brandeisen mit in den
Kauf zu bekommen, Gussstücke, welche längere Zeit der Einwirkung der
Luft in Glühhitze ausgesetzt worden waren und dadurch chemisch ver-
andei*t sind: Boststäbe, Glühcylinder u. v. a. Durch ihre rothe Farbe
und ihre eigenthümliche Bruchfläche zeichnen sich derartige Theile sofort
von dem normalen Brucheisen aus. Solches Brandeisen kann einen förmlichen
Entkohlungsprocess des übrigen Eisens bewirken und darf deshalb, wo sein
Zusatz unvermeidlich ist, nur in den kleinsten Mengen zugesetzt werden.
Aus vorstehend charakterisirten Boheisensorten lassen sich für die
meisten Fälle geeignete Eisengemische zusammenstellen. Die gewöhn-
lichste Aufgabe ist die, ein leicht bearbeitbares, dichtes Gusseisen dar-
zustellen. Es genügt dazu eine Mischung von Eoksroheisen Nr. I mit
Nr. III oder Brucheisen , in welchem die eine oder andere Art um so
mehr vorwaltet, je nachdem das Gussstück stärker oder schwächer in
seinen Abmessungen ist, also langsamer oder rascher erkaltet. Für sehr
^) Koksroheiaen Nr. II kommt als solches nicht oder nur äusserst selten
in den Handel.
Arbeitsyerfahren. Wirkungsgrad. 291
grosse Stftcke reicht auch wohl Nr. HI allein oder mit Nr. lY vermischt
aus. Kommt es auf grossere Festigkeit an , so setzt man Holzkohlenroh-
eisen zn; o. s. f.
Um Hartgüsse darzostellen ist gewöhnlich der Zusatz eines
weissen Roheisens zn den genannten Sorten erforderlich. Am besten
geeignet ist sogenanntes weissstrahliges Boheisen mit reichlichem Man-
gan- und Kohlenstoffgehalte, aber frei von Phosphor. Der Zusatz kann
bis zu 50 Proc. des ganzen Gemisches betragen, je nachdem das graue
Roheisen reicher oder ärmer an Silicium ist und die Härtung tiefer oder
weniger tief ausfiallen soll.
Wirkungsgrad der Cupolöfen.
Bei Anwendung mittelguter Koks, z. B. schlesischer Schmelzkoks,
mit einem Aschengehalte yon llVs Proc, Wassergehalte von 1 Proc,
ist man im Stande, bei richtiger Ofenconstruction und Betriebsführung
auf 100 Kilogramm Kokitf mindestens 1500 Kilogramm Roheisen zu
setzen und dieses Verhältniss während des Schmelzens beizubehalten.
Hiensa kommen noch die zum Anheizen und Füllen des Ofens benutzten
Koks. Bei mittelgrossen Oefen pflegt man dazu fär ein einmaliges
Schmelzen höchstens 450 Kilogramm Koks zu yerwenden: rechnet man,
daas durchnittlioh in einem solchen Ofen 10 000 Kilogramm Roheisen
in eineni Schmelzen durchgesetzt werden und hieraus bei 5 Proc. Ab-
brand 9500 Kilogramm Gusseisen erfolgen, so erhält man als totalen
Koksrerbrauch, um 100 Kilogramm Gusseisen zu schmelzen:
/lOO , 450\ 100
Vir + TOOJ ■9r= ^^ Kilogramm,
ein Resultat, welches dem wirklichen durchschnittlichen Verbrauche der
beaaeren Oefen mit raschem Schmelzen thatsächlich entspricht. Nicht
selten sind die Resultate noch etwas günstiger.
1 Kilogramm Koks mit llVs Proc. Asche und 1 Proc. Wasser be-
ntast eine theoretische Wärmeleistung ^ 0,875 X 8080 Wärmeeinheiten.
1 Kilogramm geschmolzenes Roheisen besitzt nach Früherem 250 Wärme-
einheiten, mithin der Wirkungsgrad des Cupolofens
^ 100 X 250 ^no. ,v
^=12 X 0,875 X 8080 = ^''^''>'
1) Will man den Wirkungsgrad noch genauer ermitteln, so kann man eines-
theÜi dem Ofen auch diejenige Wärmemenge gut schreiben, welche von den
Schlacken aufgenommen worden ist, und ihm andererseits die Wärme zurechnen,
welche bei der Verbrennung yon Eisen und Süicinm entwickelt wird. Auf je
100 Kilogninun Boheisen kommt eine Schlackenmenge yon ca. 6 Kilogramm,
entstehend aus der Asche der Koks, dem zugeschlagenen Kalksteine, dem an
den Boheieenstücken haftenden Sande, den weggeschmolzenen Theüen des Ofens
und den oxydirten und yerschlackten Bestandtheilen des Boheisens. Die Wärme,
19*
292 Schmelzöfen.
SoMiissbetrachtimgen.
Stellen wir die in Früherm ermittelten Wirkungsgrade der einzel-
nen Schmelzapparate zur hessem Uehersicht einander gegenüber, so
ergiebt sich Folgendes:
Wirkungsgrad der Kessel 0,165
„ „ Tiegelschachtöfen mit Koksfeuerong 0,035
„ ^ Tiegelherdöfen mit directer Feuerung 0,020
„ „ Tiegelherdöfen mit Regenerativfeue-
rung 0,032
„ „ Herdflammöfen mit directer Feue-
rung 0,104
„ „ Herdflammöfen mit Regenerativieue-
rung 0,170
„ „ Schacht- oder Cupolöfen .... 0,294
Die durchschnittlichen Wirkungsgrade der einzelnen Schmelzofen*
gmppen liegen demnach im Allgemeinen so weit aus einander, dass schon
sehr erhebliche Abweichungen Ton den zu Grunde gelegten Betriebs-
resultaten der Schmelzöfen erforderlich sind, um den Wirkungsgrad
einer Gruppe demjenigen einer andern nahe zu bringen. Am nächsten
stehen sich die Wirkungsgrade der Kessel und Herdflammöfen ohne
Tiegel; doch sind erstere immer noch erheblich günstiger als letztere,
wenn nicht bei diesen Regenerativfeuerung angewendet werden kann.
Sehr ungünstig ist die Wärmeausnutzung beim Tiegelschmelzen, die bei
Weitem am günstigste Ausnutzung findet im Cupolöfen statt.
Die Ursachen dieser Erscheinungen dürften nicht schwer zu er-
kennen sein. Bei dem Tiegelschmelzen ist das gesammte zu schmelzende
Metall auf einen yerhältnissmässig kleinen Raum des ganzen Apparats
zusammengedrängt. Die Oberfläche des Metalls ist gering im Yergleiche zu
der gleichfalls zu erhitzenden Oberfläche des Schmelzofens. Die Wärme-
abgabe an das Metall findet nicht direct statt, sondern durch Yermittelung
der Tiegel wände und wird dadurch erheblich erschwert. Die Gase des Yer-
brennungsprocesses werden, sobald sie durch Abgabe eines Theils ihrer
menge, welche die flüssige Schlacke enthält, beträgt pro Kilogramm nach
Minary und B^sal 336 Wärmeeinheiten. Bei Verbrennung von Siliciom zu
Kieselsäure findet eine Wärmeentwickelung von 7830 Wärmeeinheiten, bei der
Verbrennung von Eisen zu Eisenozydul eine Wärmeentwiokelung von 1200
Wärmeeinheiten pro 1 Kilogramm des verbrennenden Körpers statt. Grüner
nimmt an, dass 4 Proc. Eisen und ^/^ Proc. Silicium ozydirt werde, eine Ziffer,
die in den meisten Fällen zu hoch gegiiffen ist, wenn man erwägt, dass der
durchschnittlich sich ergebende Abgang von 5 Proc zum grossen Theile durch
mechanische Verluste, durch den mitgenommenen Sand und dergleichen herbei-
geführt ist. Das totale Resultat der Berechnung des Wirkungsgrades wird
immerhin durch Berücksichtigung dieser Werthe nicht erheblich verändert
Schlttssbetrachtungen. 293
Wärme an die Tiegel auf eine Temperatur abgekühlt sind, welche immer
Doch höher als die Schmelztemperatur des Metalls sein mnss, unbrauchbar
für den Schmelzprocess nnd müssen rasch mit noch dem grössten Theile
ihrer ursprünglichen Wftrme ungenutzt abgeführt werden. Es ist klar,
dass unter solchen Verhältnissen die Wärmeansnutzung nur eine sehr
geringe sein kann.
Auch bei den Flammofen mit gewöhnlicher directer Feuerung leidet
der Wirkungsgrad unter dem Umstände, dass die Verbrennungsgase
iDuerhalb des Schmelzraums nur so viel Wärme abgeben dürfen, um nicht
unterhalb des Schmelzpunkts abgekühlt zu werden. Dadurch geht der
grösste *Theil der entwickelten Wärme ungenutzt verloren und lässt sich
bei den Oefen mit Siemens'scher Regen eratiyfeuerung nur theilweise
dem Ofen wieder zuführen. Die durch diesen Umstand hervorgerufenen
Wärmeverluste sind begreiflicherweise bei den Tiegelschmelzöfen wie bei
den Flammöfen um so höher, eine je höhere Temperatur das Metall zum
Schmelzen verlangt; wir finden deshalb, in beiden Apparaten im All-
gemeinen eine um so günstigere Wärmeausnutzung, je weniger hoch die
Schmelztemperatur des MetaUs ist. Die wärmeabsorbirende Oberfläche
des Schmelzapparats ist dagegen bei den Herdflammöfen relativ kleiner
als bei sämmtlichen Tiegelöfen, und das Hinderniss, welches die Tiegel-
wände der Wärmeabgabe entgegen setzen, fällt bei ersteren vollständig
weg; daher ist ihr Wirkungsgrad drei- bis fünffach so günstig als bei
letzteren.
Der Yortheil, welchen eine niedrige Schmelztemperatur des Metalls
für die Ausnutzung der Wärme bietet, zeigt sich in recht deutlicher
Weise bei den Kesseln. Da die in denselben schmelzbaren Metalle bei
einer bedeutend niedrigem Temperatur flüssig werden als die Yerbren-
nungstemperatur auch eines gering werthigem Brennstoffs beträgt, so ist
es möglich, die Wärme der Verbrennungsgase durch grössere Abkühlung
reichlicher auszunutzen, und vorzugsweise hierdurch erklärt sich die
Thatsache, dass die Kesselöfen, obschon in der Art der Wärmeüber-
tragung den Tiegelöfen ähnlich, eine günstigere Leistung als selbst die
Herdfiammöfen mit directer Feuerung gewähren.
Der Schachtofen ist endlich der einzige Apparat, in welchem auch
die abziehende Wärme in Folge der entgegengesetzten Bewegungsrich-
tung Ton Gasen und Schmelzmaterialien in regelmässiger Weise für den
Schmelzprocess nutzbar gemacht werden kann, indem sie in stetem
Kreisläufe von der Schmelzsäule selbst in den Schmelzraum zurück-
geführt wird. Diesem Umstände und der verhältnissmässig geringen
Aussen fläche des Ofens verdanken wir den so viel günstigem Wirkungs-
grad dieser Apparate.
Mit dem Wirkungsgrade eines Schmelzapparats stehen die Kosten
des Schmelzens in annähernd gleichem Verhältnisse. Die Ursachen, wes-
halb trotzdem auch die am ungünstigsten arbeitenden Schmelzapparate
vielfache Verwendung finden und weshalb der die günstigsten Erfolge
294 Schmelzöfen. Literatar.
liefernde Schachtofen nur allein für OuBseisen benatzt zu werden pflegt,
sind grösstentheils in den Eigenschaften der einzehien Metalle begründet
und bereits früher besprochen worden. Auch die Menge and die Grösse
der za schmelzenden Metallstücke spricht jedoch hierbei mit. Trotz der
günstigeren Ergebnisse des Oapolofenschmelzens kann ein Flammofen-
schmelzen für Gasseisen dann yortheilhafb erscheinen, wenn grosse
Stücke eingeschmolzen werden sollen, deren Zerkleinenmg mühselig sein
würde, and die im anzerkleinerten Zustande im Gnpolofen zu langsam
schmelzen würden, um nicht durch vorzeitiges Niederrücken eine Ab-
kühlang des Schmelzraams unter die Schmelztemperatur und dadurch
einen Tölligen Stillstand des Betriebes befürchten zu lassen; selbst ein
Tiegelschmelzen kann für Gusseisen als das geeignetste erscheinen, wenn
es sich darum handelt, nur wenige Kilogramm des Metalls zu yerflüssigen«
Literatur über Schmelzen und Schmelzapparate.
Karsten, Metallurgie, Berlin 1831, Bd. III, S. 287 ff.
Karsten, Eisenhüttenkunde, Berlin 1841, Bd. III, S. 295 ff.
Wiebe, Die Maschinenbaumaterialien, Stuttgart 1858, S. 485 ff.
Kerl, Metallurgische Hüttenkunde , Freiberg 1861, Bd. I, S. 349 ff.;
Bd. III, S. 345 ff.
Guettier, Traite de la fonderie, Paris 1858, S. 113 ff.
Dürre, Handbuch des Eiseugiessereibetriebes, Leipzig 1875, Bd. I,
S. 299 ff., Bd n, S. 5 bis 152, S. 277 bis 370.
Wedding, Darstellung des schmiedbaren Eisens, Braunschweig 1876,
S. 606 ff. (Gussstahlerzeugung).
Wagner, lieber den Bau von Gussflammofen und deren Betrieb,
Oesterreichische Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, Jahrgang
1857, S. 115. •
R. Mallet, One some points of Practice in iron founding, Pratical
Mechanics Journal, 3. Serie, Yol. I, p. 354 ff.; Vol. II, p. 229 ff.
4. Das Glessen.
Apparate.
Nachdem das Metall im Schmelzapparate in den flüssigen Zustand
übergeführt worden ist, kann das Eingiessen desselben in die vorgerich-
tete Gnssform vor sich gehen, wodurch nunmehr in Folge des Erstarrens
des eingegossenen Metalls der Process der eigentlichen Formgebung sein
Ende erreicht. Nun sind aber die Schmelzöfen, in welchen das Metall
verflüssigt wird, stabile Apparate, häufig weit entfernt von dem Platze,
wo das flüssige Metall seine Verwendung finden soll, und nur in sehr
wenigen Ausnahmefällen ist es möglich, bei dem Entleeren des Ofens
das Metall direct in die zu seiner Aufnahme bestimmte Gussform ein-
treten zu lassen.
Es bedarf also eines Apparats zur Au&ahme des Metalls , nachdem
dasselbe den Schmelzofen verlassen hat, um es entweder sammt diesem
Apparate durch fremde Arbeit an seinen Bestimmungsort zu transpor-
tiren und dort auszugiessen — Pfannen oder Kellen — , oder innerhalb
des Apparats durch sein eigenes Gewicht in geregelter Weise und be-
grenzter Laufbahn dorthin abfliessen zu lassen — Sümpfe und Gossen.
Bei den Tiegelöfen ist, wie wir gesehen haben, der Tiegel selbst
beweglich und macht dadurch die Anwendung eines besondern Apparats
zum Fortschaffen und Ausgieesen des Metalls entbehrlich.
Die Giesspfannen oder Kellen.
Die Giesspfannen sind hohle, aus Schmiede- oder Gusseisen her-
gestellte Gefllsse von verschiedener Grösse und einer Form , dass sie sich
bequem transportiren und durch Kippen entleeren lassen. Nach der
Grösse der Pfannen unterscheidet man:
1. Handpfannen, welche sammt ihrem Inhalte durch eine Person
getragen und entleert werden können. Die kleinsten Geräthe dieser
Art nennt man richtiger Kellen. Sie sind einer gewöhnlichen Suppen-
kelle ähnlich geformt (Fig. 243 a. f. S.), fassen Vs ^^^ ^ Kilogramm
Metall und dienen zum Ausschöpfen der in Kesseln geschmolzenen Me-
talle, nicht selten auch zum Schmelzen kleiner Metallmengen über einer
Gas- oder Spiritusfiamme.
Grössere H&ndpfaniiea werden vorwiegend znm Transportiren toh
Gnsseieen in Qewichtsmengen tob 10 bis 15 Eilogramm benutzt, wel-
cbes mftn aus dem Stichtocbe des Ofens in die antergehaltene Pfanne
einlftnfen lässt. Dieselben beHtahen ans dem schmiedeeiBemen Stiele nnd
der gewAhnlicb halbkagelßnnigen, meistens gescbmiedeten, Kelle, Fig. 244.
Sie werden mit beiden Händen erfust und getragen, indem die linke,
dnrcb einen Handachah oder ein umgewickeltes Tuch gescb&tzte Hand
am Bosgestreckten Arme das nntere Ende, die rechte Hand am eingebo-
genen Arme das obere Ende des Stiels erfasst.
2. Gabetpfannen. Sie baben ihren Namen von dem znm Tragen
and Kippen dienenden Instnunente, welches Gabel genannt wird. Klei-
nere Gahelpiannen pflegt man ans Gasseisen, grössere aus Eisenblech zu
fertigen, um an Gewicht zu sparen. 'Der Inhalt derselben ist für 20 bis
höchstens 100 Eilogramm berechnet.
Die Form der Gabelpfanne ist gewöhnlich der eines Eimers ähnlich,
Fig. 245, seltener halbkugel förmig , an dem obem Rande sind sie mit
einer oder auch zwei gegenüberliegenden Tüllen versehen, am das Aus-
giessen za erleichtem. Diese Tflllen müssen, wenn sie ihren Zweck er-
Fig. 245, Fig. 248.
fOllen sollen, tief genug eingebogen and nicht zu schmal sein, auch darf
die Spitze der Tülle nicht niedriger liegen als der Rand der Pfanne,
weil sonst die Pfanne selbst dadurch an nutzbarem Inhalte verliert.
Die zum Tragen dienende Gabel, auch wohl Bügel genannt, ist aas
Schmiedeeisen, wie in Fig. 246 oder 247 abgebildet, hergestellt. Der
GiesBpfannen. 297
innere Ring, welcher nch nm den Banoh der Pfanne legt, i>t ans Bterkem
Flacheisen gebogen und hat einen solclien DnrchmeBser, dass die hinein-
gehängte Pfanne bis etwas Über die Mitte einsinkt, so dass sie beqnem
darin getragen and durch Hippen entleert werden kann, ohne dass ein
Heraasfallen za befürchten w&re. Die Gabelpfannen werden dnrcb min-
destens zwei, hei gr&aseren Gewi chtsmen gen des Metalle dnrch vier bis
■ecba Arbeiter getragen;
3. Erahnpfannen. Dieeelben dienen snm Tnutsportirea nnd
Ansgieeaen grftsserer Mengen Metall als 100 Kilogramm mit Hülfe des
Krahns. Ihre Fenn ist meistens cylindrisch, häufig mit ansgebanchtem
Boden nnd stets mit Tüllen znm Ansgiessen. An den Seiten sind sie
mit EWei gegenüberstehenden Zapfen versehen , mit denen sie in einen
Tom Krahne getragenen Bügel geh&ngt werden (Fig. 248). Die Zapfen
ng. 248.
1
haben an den Enden nerkantig gMchmiedete Ana&ize, über deren jeden
eine Hülse sich schieben ISsst, welche wiederum mit einer gabelförmigen
Handhabe znm Kippen der Pfanne versehen ist (Fig. 249).
Denkt man sich dnreh die Mitte der beiden Zapfen der Pfanne
eine gerade Linie gelegt, so bildet diese die Drehnngsaxe beim Kippen
der Pbnne. Das Kippen lässt sich am leichtesten bewirken, wenn die
Drehnngsaxe dnrcb den Sohwerpnnkt der Pfanne sammt ihrem Inhalte
geht Di« Lage dieses Schwerpunkts verändert eich aber mit der Menge
des flüBsigeD Metalls in der Pfanne; nnd da eine und dieselbe Pfanne nicht
immer mit der gleichen Menge Metall geftllU ist, sondern die letzt«re
sieh nach der GrOsse des Gnssstücks richten mnss, auch beim Äusgiessen
•etbst der Schwerpunkt sich verändert, so legt man die Drehungszapfen
gern etwaa tiefer, als die Lage des Schwerpunkts bei rdllig gefüllter
Pfanne sein würde. Liegt nSmlich die Drehnngsaxe über der Schwer-
298 Das Giessen.
pnnktsaxe, bo moss beim Kippen begreiflicherweise das Gewicht cier
Pfanne gehoben werden, liegt sie unter der Schwerpnnktsaze, so befindet
sich die Pfanne im labilen Oleichgewichte, so lange beide Linien in einer
und derselben Verticalebene liegen, die Pfanne also senkrecht steht; so-
bald das Kippen beginnt, hört das Gleichgewicht auf und die Pfanne
würde von selbst umschlagen, wenn sie nicht mit Hülfe der angesteckten
Gabeln davor bewahrt würde. In beiden Fällen wirkt beim Kippen das
Gewicht der Pfanne an einem Hebelarme, Welcher gleich dem Abstände h
Fig. 250. (F^fiT* ^^0) Yom Drehungspunkte bis zu der
, durch den Schwerpunkt gelegten Yertical-
y(\i^ ebene ist, und es ist das statische Moment,
N. welches man in dem einen Falle überwinden
^v^^ muss, um die Pfanne zu kippen, und wel-
U^ chem man in dem andern Falle entgegen
/ wirken muss, um ein Umschlagen der
/ Pfanne zu verhüten:
/ M =:^ a sin a . &y
worin a den Abstand des Schwerpunkts
von der Drehungsaxe, a den Drehungswin-
kel,& das Gewicht der Pfanne nebst ihrem
Inhalte bezeichnet.
Werden also a, a und Cr sehr gross, so kann es in dem zweiten
Falle geschehen, dass die vorhandene Krafb nicht mehr ausreicht, die
Pfanne vor dem Umschlagen zu sichern, das Metall also in Folge davon mit
einem Male ausgeschüttet wird, wodurch nicht allein das Gelingen des
Gusses unmöglich gemacht, sondern durch das heftige Umherspritzen
auch Gestindheit und Leben der Arbeiter gefährdet werden können, wenn
die Metallmenge bedeutend war.
Um nun aus zwei Pfannen von gleichem Inhalte, aber verschiedenem
Durchmesser, die gleiche Menge flüssigen Metalls auszugiessen, braucht
diejenige die geringste Neigung zu erhalten, welche den grossem
Durchmesser und die geringere Höhe besitzt, denn die Menge des bei
bestimmter Neigung der Pfanne ausfliessenden Metalls ist ann&hemd
proportional ihrem Durchmesser. Der Winkel a wächst also mit der
Höhe der Pfanne, wenn gleiche Metallmengen ausgegossen werden sollen.
Ausserdem aber wird der Werth a, der Abstand des Schwerpunkts von
der Drehungsaxe, immerhin um so geringer ausfallen, je geringer die
Höhe der ganzen Pfanne ist, bei flachen Pfannen also kleiner als bei
hohen. Hieraus folgt nun, dass man zweckmässigerweise, um das Kippen
der Pfanne zu erleichtem und die Gefahr für selbstthätiges Umschlagen
zu vermindern, die Pfanne um so flacher construiren wird, je grossem
Inhalt dieselbe besitzt, obschon die Abkühlung durch die grössere der
Luft ausgesetzte Oberfläche mit dem Durchmesser der Pfanne wächst.
Für Pfannen von 5000 Kilogramm Inhalt und darüber ist ein
m Verhältniss zwischen Durohmesser und Höhe = 4:3
Gieaspfiuineii. 299
oder 6 : 4} Ar veniger gnwse Pfannen nimmt man DurchmeBser and
Hdbe gleich; nnd bei den kleinsten Eralinp&nnen kann man obne Ge-
fahr die Höhe gtiaaer ab den OarchmeBBer annehmen, wodurch die Con-
atmctäoB erleichtert nnd die AoBstrahlnng verringert wird.
Die Krabnpfannen werden fast obne Atunahme nnd jedenfalls am
Bweokm&ssigBten aus KesBelblech zusammengenietet. Für kleinere Pfan-
nen genügt Blech von 4 bis 5 Mm. Stärke; für grössere nimmt man
7 bis 8 Hm. starke Bleche. Die Zapfen der Pfanne sind geschmiedet
nnd entweder mit Laschen an die Pfanne angenietet, oder b% grösseren
Pfannen wie in Fig. 248 an einem hob zwei Theilen bestehenden Ringe
angeacbmiedet, welcher am die Pfanne gelegt und zusammeDgeBchraobt
wird. Dadurch erb< gleichzeitig die Pfanne eine grössera Steifigkeit
gegen das Ansbanchen. Der Ring wird mit einigen Nieten an die Pfanne
befestigt, grosse Pfannen sichert man ausserdem durch zwei krenzfSrmig
über den Boden der Pfanne gelegte nnd mit überstehenden Nasen ver-
sehen« Bänder vor dem Hinuntermtschen (siehe unten Fig. 252).
Ein gewölbter Bodeu erhöht die Festigkeit, hat aber die Unannehm-
lichkeit, dass die Pfanne weniger sicher auf ebenem Boden steht nnd in
Sand eingegraben werden mnss.
Dm die beim Transporte firei an dem Erahnbügel hängende Pfanne
vor dem Umschlagen zu sicbem, ist die einfachste Torrichtung, die An-
bringung zweier kleiner, in Sohamieren beweglicher, gabeliormiger
Ueberwürfe, Fig. 251, welche sich Über denBQgel legen und dadurch die
Pfanne in senkrechter Lage erhalten.
Der Krahnbügel besteht bei kleineren und mittleren Pfannen am
Fig. 351. Fig. 252.
i
300 DoB GiesseD.
einfachBten aaa einem U-fdnnig gebogenen Stücke Btorlran Rundeisens
(Fig. 248), an den Enden der Schenkel aafv&rts gebogen, nm die Zapfen
der Pbnne xa erfassen.
FOr schwere Pfannen Bchmiedet man den Bügel ans Btarkem Flach-
eiaen unter Berfldisichtigang seiner Belastung nnd giebt ihm wohl statt
der anfgebogenen Enden ein Schloas mit EeilverBchlaM Fig. 252, am die
Pfanne ror dem Heranafallen au sichern, obachon das eigene Gewicht
der Pianne anch bei den einfacher gestalteten Bügeln dieses Herausfallen
nn mdglicb^acht.
ZorVerhütnog des Unglücks, welches durch ooTOrhergesebeneB Um-
schlagen einer sehr grossen, mit flüsBigem Metalle gefüllten, Pfanne
entstehen kann, sowie sur sicherem Uandiiabnng des allmftligen Eippena
and Ansgiesaens giebt es verschiedene VorsichtBrnaassregeln.
Pig. SS3.
Das einfachste Mittel dieser Art ist ein langer Hebelarm, dessen
eines Ende mit der Pfanne in Verbindong gesetzt wird, während das
andere mit Hülfe einer Zugstange dnrch eine Anzahl Arbeiter gehand-
habt wird, Fig. 253. Die Befestigung geschieht durch einen an der
Pfanne befindlichen Zapfen, welcher an dem Ringe, der die Drehunga-
zapfen tr>, angeschweiast sein kann, and einer an dem Hebel be-
findlichen ttber den Zapfen geschobenen nnd featgekeilteu Hülse, wie bei
den Gabeln an den Drehungszapfen.
Bequemer, wenn anch etwas kostspieliger, iat die Bewegung durch
Schnecke und Schneckenrad, wie in Fig. 254 und 255. An dem einen
verlängerten Zapfen der Pfanne sitzt das Schneckenrad a , an dem mit
Schloas über die Zapfen greifenden BOgel ist das Lager c befestigt,
in welchem die Schnecke d gelagert ist. An dem verlftngerten Zapfen
der Schnecke greift mit einer Obergeachobenen nnd dnrch KeilTorschlass
Giesepfannen. 301
befestigten Hülse das Erenz e an, durch dessen Drähong du Kippen
erfolgt.
Die zum Änigiessen Ton Bessemer-Hetall benntxten Giessphnnen
DDterscheiden eich von den bisher beschriebenen Erahnpraonen dadurch,
dass eie am Boden eine Oeffnnng haben, welche durch einen eogeoannten
302 Das Gieseen.
Stopfen mit langem Stiele ventilartig TerschloBsen gehalten wird, sie
also nicht gekippt zu werden brauchen, tun entleert zd werden. Eioe
Bolche Einrichtung ist jedoch nur da anwendbar, wo das Hetall, wie es
beim BesBemer-Proceaee der Fall ist, hoch über Beinen Schmelspnnkt
erhitzt ansgegoBsen wird. In gewöhnliehen GieBsereien, wo das Hetall
niemala in «inem eo hoch erhitzten Znatande ansgegoBaen werden darf,
würde der Sl«pfea eich leicht in der AnaflaBSöffniing feetaetzen oder letz-
tere vom erstarrenden Metalle verstopft werden, eine Regnlimng dea ana-
flieasenden UetallstromB daher nnmöglich sein.
4. Kipppfannen. Dieselben bilden den Uebergang von den bis-
her boBprochenen transportabeln Pfannen zu den feBtatehenden Sfimpfen
nnd sind in Fig. 256 abgebildet. Sie werden in Giessereien becntEt,
Fig. 356.
welche mit maschinellen Torrichtangen zum Heben nnd Tranaportiren
grosser Lasten nur in nnznreicbender Weiae Tersehen sind, wenn ein
grösseres Gnssstück an einer Ton den Scbmelsöfen entfernten Stelle inm
Abgnase gebracht werden soU. Kipppfannen dienen dann zur Anlnahtne
und znm Ansammeln des fiüsaigen Metalls, welches ihnen in Gabelpf&n-
nen allnjftlig zugetragen wird; und de mOssen eine solche Form haben,
dass sie sich ohne Krahn und ohne Gefahr für plötzliches Umschlagen
allmälig entleeren laaaen.
Zu diesem Zwecke sind sie halbkugel- oder oalottenfltrmig gestaltet,
an der dem Ausguase gegenüberliegenden Seite mit einem langen Stiele
versehen, durch desaen Hebung das Anagiessen erfolgt, w&farend die
Pfanne mit dem Boden auf einer Sandnnterlage ruht.
Man fertigt die Eipppfannen gewöhnlich ana Gneaeiaen und armirt
sie zur Beseitigung jeder Gefahr beim etwaigen Zerspringen des Guas-
eisena mit umgelegten Bchmiedeeiaemen Bändern. Man hat Kipppfannen
von ISOO bis 5000 Kilogramm Inhalt.
S&mmtliche beschriebenen Giesapfannen mOssen, bevor sie benutzt
werden, einen gegen die Einwirkung des heisBen Metalls schfltzen-
den Uebersug erhalten. Je mehr Metall de aufnehmen und je höher
erhitzt dasselbe ist, desto sorgfaltiger mnss der Ueberzng hergestellt
werden.
Kleine HandpÜanuen brauchen nur durch Lehmwasser gesogen and
getrocknet zu werden; grossere Pfannen tZe Gnsseisen werden an ihrer
Innenseite 20 bis 30 Mm. stark mit Lehm ausgekleidet, flSr sehr grosse
Sümpfe und Gossen. 303
Pfannen nnd insbesondere fOr solche zu Stahlgüssen benatzt man statt
des Lehms fenerfeste Masse. Stets mnss der Ueberzug sorgf<ig ge*
trocknet werden, ehe die Pfannen benutzbar sind. Bleibt etwas Fench*
tigkeit zurück, so geräth das Metall in der Pfanne in wallende Bewegung,
wird auch wohl herausgeworfen und rasch abgekühlt. Man gebraucht
deshalb bei grossen Pfannen die Vorsicht, einige Locher durch den Mantel
zu bohren, durch welche der etwa noch sich entwickelnde Wasserdampf
Abzug finden kann. Das Trocknen wird über einem Rostfeuer oder
durch ein in der Pfaüne selbst unterhaltenes Feuer aus leicht brenn-
barem Materiale bewirkt.
Die Sümpfe und Gossen.
Sumpf oder Teich nennt man einen auf der Hüttensohle aufgemauerten
oder durch Aufschichtung von Roheisenbarren hergestellten und mit Sand
ausgeschlagenen schalenförmigen Behälter für das flüssige Metall zu dem
Zwecke, dasselbe anzusammeln und dann durch eine in ähnlicher Weise
hergestellte Gosse oder Rinne in einem genau regulirbaren Strome der
Ckissform zuzufiOiren. Besonders wichtig sind also diese Sümpfe, wenn
es darauf ankommt, das in mehreren Schmelzöfen gleichzeitig geschmol-
zene Metall zunächst zu yereinigen.
Zu diesem Zwecke muss also der tiefste Punkt des Sumpfs höher
liegen als der höchste Punkt der Gussform , aber auch das Niveau des
flüssigen Metalls im Sumpfe niedriger als das Stichloch der Schmelzöfen,
damit das Metall von selbst in den Sampf und aus diesem in die Guss-
form laufen kann. Man legt also bei Benutzung eines Sumpfs die Guss-
form so tief, dass ihre Oberfläche im Niveau der Hüttensohle zu liegen
kommt. Es muss femer eine Vorrichtung vorhanden sein, um den Aus-
fluss des Metalls ganz abzusperren, oder in beliebiger Menge stattfinden
zu lassen.
Der Sumpf, Fig. 257, ist oben offen und hat runden oder länglichen
Grundriss. Die Seitenwände müssen stark genug sein, um dem Yer-
Pig. 257.
schieben durch den Druck des Metalls genügend zu widerstehen. An
der der Gussform zugekehrten Seite befindet sich eine schmale Anslass-
öflnung, welche duroh eine Schutzvorrichtung geschlossen ist nnd geöffnet
werden kann« Der Schütz ist aus Gusseisen, mit Lehm sorgfältig be-
304 Das Giessen.
kleidet und an einer horizontülen Stange befestigt, dorch deren Heben
oder Senken also der Aasflnas des Metalls aus dem Sompfe regnlirt wird.
Durch diese Oeffnnng gelangt das Metall in die schwach geneigte Gosse,
welche es der Gtissform znf&hrt.
In ToUständig abweichender Weise als durch die beschriebenen
Apparate geschieht der Transport des. flüssigen Metalls durch die beim
Lettern gusse benutzte Giesspumpe. Eine kleine Druckpumpe steht
innerhalb des mit dem Metalle gefüllten Kessels und drückt bei jedem
Niedergange des durch die Hand mit Hülfe eines Hebels bewegten Kol-
bens eine entsprechende Menge Metall durch ein kurzes Rohr mit Mund-
stück in die vorgehaltene Gussform. Hienron eingehender im speciellen
Theile.
ArbeitBverfi&lireiL Das Giessen erfolgt in der schon angedeuteten
Weise durch Kippen der Giesspfanne (des Tiegels) oder durch Oeffnen
des Schützes. Diese Arbeit muss in solcher Weise ausgeführt werden,
dass das Metall in ununterbrochenem Strahle in die Gussform ein-
tritt, und dass bei geschlossenen Gussf^rmen der Einguss mit flüssigem
Metalle angefüllt bleibt. Die Erfüllung dieser Bedingungen ist um so
wichtiger, je höher die Schmelztemperatur des Metalls und je leichter
oxydationsföhig dasselbe ist. Vernachlässigt man dieselben, so tritt bei
einer Unterbrechung des Metallstrahls eine Oxydation oder Erstarrung
an der Oberfläche ein, und es entstehen unganze Stellen, sogenannnter
Kaltguss, an welchen das nachfliessende Metall nur über das vorher aus-
gegossene hinweg geflossen ist, ohne sich mit demselben zu vereinigen«
Daher ist die Ausführung dee Giessens um so leichter, je weniger Ge-
lasse in eine gemeinschaftliche Gussform entleert werden sollen; sie ist
schwierig, wenn, wie in Gussstahlgiessereien , das Metall aus einer An-
zahl kleinerer Gefasse (Tiegel) in einer grössern Gussform vereinigt
werden soll. Die Tiegel müssen in solchen Fällen in genau vorgezeich-
neter Ordnung und Beihenfolge einer nach dem andern in eine nach der
Gussform führende Rinne ausgegossen und das Ausgiessen des folgenden
Tiegels stets in dem Augenblicke begonnen werden, wo der vorausgehende
fast entleert ist. Zur Ausführung grosser Güsse in solcher Weise, wel-
cher die Krupp 'sehe Gussstahlfabrik in Essen zum Theil ihre ausser-
ordentlichen Erfolge verdankt, ist ein streng geschultes Arbeiterpersonal
unentbehrlich, unter welchem jeder Einzelne mit grösster Pünktlichkeit
den richtigen Zeitpunkt zu treffen und jeden Wink des leitenden Mei-
sters zu befolgen weiss. /
Eine andere Bedingung für das Gelingen des Gusses ist die Rein-
heit der Oberfläche des einzugiessenden Metalls. Fast immer schwimmen
Arbeitsyerfahren. 305
auf derselben, bo lange das Metall sich im Sammeigefasse befindet, ein-
zelne fremde Körper, seien es Schlacken vom Scbmelzprocesse , Reste
Ton Brennstoffen, Aasscheidungen und Oxydationsprodncte des Metalls
selbst. Gerathen diese Körper in die Gussform, so stören sie natürlich
die Gleichmässigkeit und Dichtigkeit des Gefüges, wenn sie nicht, was
nur ausnahmsweise der Fall ist, Gelegenheit finden, in einem vorhandenen
verlorenen Kopfe emporzusteigen. Deshalb wird die Oberfläche des in
der Pfanne, dem Tiegel etc. befindlichen Metalls, bevor das Ausgiessen
beginnt, sorgfältig von allen jenen fremden Körpern gereinigt, und die
sich inzwischen etwa wieder bildenden Ozydationsproducte und Aus-
scheidungen werden beim Ausgiessen durch einen Arbeiter zurückgehal-
ten. Man bedient sich dazu des „Krampstockes^ , in einzelnen Fällen
aus einer hölzernen Latte bestehend i in anderen aus einem Eisenstabe
gebildet, welcher an seinem Ende schaufelartig ausgesohmiedet und mit
Lehi|} überzogen ist, um jene fremden Körper vor dem Giessen damit
über den Band des Gefässes durch Abwerfen zu entfernen und beim
Giessen von dem Eintritt in die Gussform zurückzuhalten.
Die schon mehrfach hervorgehobenen Einflüsse der Temperatur des
flüssigen Metalls auf das Gelingen des Gussstücks sind wohl zu beachten.
Diese Temperatur muss zwar so hoch sein, dass das Metall auch unter
den abkühlenden Einflüssen der Gussform lange genug flüssig bleibt, um
alle Theile der letztem voll und scharf auszufüllen. Je schwächer also
die Abmessungen des Gussstücks sind, desto höher erhitzt muss das Me-
tall eingegossen werden; jedes Uebersteigen dieses Maasses der Temjpera-
tur befördert aber die Entstehung von Hohlräumen durch Schwindung
(S. 93), von Blasenräumen durch Gasentwickelung (S. 102), eines un-
gleichartigen Gefüges durch Saigerung bei Legirungen (S. 7 und 110). Ist
daher das Metall hoch über seinen Schmelzpunkt erhitzt — und eine
solche Ueberhitznng wirkt im Allgemeinen günstig für die Eigenschaften
des Metalls — , so ist vor dem Gusse grosser Stücke eine entsprechende
Abkühlung durch längeres Stehenlassen im Sammelbehälter nöthig, be^
▼or der Gnss beginnen kann. Man unterstützt zweckmässigerweise die
Abkühlung durch öfteres Bühren mit Holz- oder Eisenstangen, wodurch
zugleich das Entweichen gelöster Gase befordert und der Neigung ge-
wisser Legirungen entgegen gearbeitet vdrd, bei ruhigem Stehen zu
Unterst specifisch schwerere, zu oberst specifisch leichtere, abweichend
xiuammengesetzte Legirungen abzusetzen. Die Farbe des flüssigen Me-
talls mnss dem erfahrenen Giesser einen Maassstab geben, wann der für
den jedesmaligen Guss geeignete Wärmegrad eingetreten ist.
Je geringere specifische Wärme ein Metall besitzt, je rascher also
durch Wärmeentziehung seine Temperatur sinkt, in einem desto höher über
seinen Schmelzpunkt erhitzten Zustande kann es begreiflicherweise in die
Gassform gegossen werden ohne Gefahr für das Gelingen des Gusses.
Zinn besitzt eine ziemlich geringe specifische Wärme (0,05), und lässt
sich durch Wärmeentziehung rasch zum Erstarren bringen; hierauf
Z««d6bnr, meohuiisdi-metalliirgische Technologie. 20
306 Das Giessen.
benilien bei Anwendung metallener Gnssformen zwei abweichende Giess-
methoden in der Zinngiesserei , welche man Heissguss nnd Kaltgnss
nennt. Bei dem enteren ist die Onssform durch Eintauchen in das
flüssige Metall Torgewärmt und dasMetaU bedeutend über seinen Schmelz-
punkt erhitzt. Sobald aber das Eingiessen beendet ist oder noch während
desselben wird die Gussform durch umgelegte nasse Lappen gekühlt.
Dadurch bringt man das Metall rings an den Wänden zum Erstarren,
während der Einguss noch flüssig bleibt, dem dort befindlichen Metalle
also Gelegenheit gegeben ist, die beim Erstarren und Schwinden des
Abgusses entstehenden Hohlräume durch Nachfiiessen auszufüllen. Dieses
Verfahren wird Yorzugsweise für die Herstellung scharfer und dichter
Abgüsse benutzt (Schrauben mit scharfkantigem Gewinde und dergleichen) ;
es erhöht durch die rasche Wärmeentziehung zugleich die Härte und
Steifheit des Metalls.
Beim Kaltgiessen wird das Metall nur so stark erhitzt, dass es auf
der Oberfläche noch keine Anlauflarben zeigt, und in diesem Zustande
in die yorher angewärmte Gussform gegossen.
Bei GuBsformen aus bildsamem Materiale und Metallen, die in hoher
Temperatur schmelzen (Gusseisen, Gussstahl, Bronze), entweichen aus den
Luftcanälen und Windpfeifen beim Gusse brennbare Gase (Kohlenoxyd,
Kohlenwasserstoffe, Wasserstoff), welche beim Heraustreten durch einen
vorgehaltenen brennenden Spahn entzündet werden , um Explosionen zu
verhüten, welche durch Ansammeln und plötzliche Entzündung derselben
entstehen könnten.
Ist der Abguss mit verlorenem Kopfe versehen (S. 100), so ist fleissi-
ges Nachgiessen frischen, heiss^n Metalls in den Kopf durchaus erforder-
lich, so lange es noch möglich ist, die zuerst starr werdende obere Kruste
mit einem Spiesse zu durchstossen und dadurch Oefinung für das Ein-
giessen herzustellen.
Hinsichtlich der Wichtigkeit, welche bei spröden Metallen (z. B.
Gusseisen) die Regelung der Abkühlung eines Gussstücks nach dem
Gusse zur Vermeidung von Spannungen besitzt, kann auf das früher
hierüber Gesagte (S. 97) verwiesen werden.
Je kleiner das Gussstück ist, desto einfacher gestaltet sich im Gan-
zen die Ausführung des Giessens und der damit zusammenhängenden
Arbeiten; während ein einziger Arbeiter im Stande ist, ohne fremde
Hülfe eine grosse Anzahl kleinerer Gnssformen nach einander abzugiessen,
müssen zu dem Gusse eines grossen Gussstücks nicht selten zwanzig
und mehr Arbeiter angestellt werden, um das Kippen der Giesspfannen,
das Abstreichen der Metalloberfläcfae, das Entzünden der entweichenden
Gase u. s. w. auszuführen.
Kimstgrifife. 307
Durch gewisse Kunstgriffe beim Giessen lassen sich in einzelnen
Fällen £rfolge erreichen, welche auf anderm Wege eine erheblich grössere
Menge Arbeit erfordert haben würden.
Giesst man anf eine Stelle eines Metallstücks mit metallisch reiner
Oberfläche so lange einen Strahl flüssigen Metalls gleicher Beschaffenheit,
bis jene Stelle znm beginnenden Schmelzen erhitzt ist, und lässt dann
das znletzt aufgegossene Metall erstarren, so vereinigt sich dasselbe mit
dem Torhandenen Metallstücke zu einem Ganzen in derselben Weise als
seien beide Theile schon ursprünglich in einem einzigen Stücke gegossen.
Es ist dieses der nämliche Vorgang, welcher sich täglich auch bei anderen
Körpern beobachten lässt; wenn man Wasser auf Eis giesst , und es mit
demselben zusammenfriert; wenn an unseren Kerzen geschmolzenes Stea-
rin etc. herabläuft und an dem untern Theile grosse Ansätze bildet u. s. f.
In der Metallgiesserei findet dieser Vorgang mehrfache Anwendung. In
den Werkstätten der Zinngiesser werden sehr häufig auf diese Weise an
Gefasse Henkel angegossen, wenn die Form des Gefässes die Herstellung
desselben sammt Henkel in einem einzigen Gusse nicht gestattet, lieber
die Einrichtung der hierfür benutzten metallenen Gussformen wurde
schon firüher (S. 202) Näheres mitgetheilt. Bei dem Zinn wird ein sol-
ches Angiessen einzelner Theile an Torhandene Abgüsse erheblich durch
die Leichtschmelzbarkeit und geringe Oxydationsfahigkeit desselben er-
leichtert. Weit schwieriger wird das Gelingen, wenn das Metall schwer-
schmelzbar und zur Oxydation geneigt ist. Beide Eigenschaften besitzt
das Gusseisen, trotzdem gelingt es unter Anwendung besonderer Vor-
sichtsmaassregeln, auch an Gusseisenstüoke Theile anzugiessen, wenn sie
entweder beim Gusse mangelhaft ausgefallen oder bei der Verwendung
beschädigt worden waren und die Anfertigung eines neuen Abgusses er-
hebliche Mehrkosten yemrsachen würde. Man nennt in der Eisengiesse-
rei dieses Angiessen neuer Theile an bereits vorhandene mit einem nicht
gerade gut gewählten Ausdrucke ,Anschweissen".
Den in dieser Beziehung vollkommensten Erfolg zeigt das nicht
selten vorkommende Anschweissen eines neuen Zapfens an Stelle eines
abgebrochenen an eine grosse Walze für Metallwalzwerke; und es möge
deshalb die Beschreibung des Verfahrens hierbei als Beispiel fOr das Ar-
beitsverfahren im AUgemeinen dienen.
Ist der Bruch der Walze erfolgt, so ist es zunächst erforderlich, die-
selbe bis zur Vornahme der Arbeit an einem trocknen Orte, also nicht etwa
im Freien, aufzubewahren, um die Bruchfläche vor Kost zu schützen.
Hat sich trotzdem ein Rostüberzug gebildet, so wird er mit Meissel und
Feile sorgfältig entfernt. Die Walze wird nun in senkrechter Lage, die
Bruchfläche nach oben, in die Dammgrube eingegraben, so dass die
Bruchfläche annähernd horizontale Lage Erhält. Vorher ist bereits eine
Gussform aus Lehm oder Masse für den anzugiessenden Zapfen nebst ver-
lornem Kopfe gefertigt und sorgfaltig getrocknet worden. Für das Gelingen
des Ang^essens ist es nothwendig, dass der Durchmesser dieser Gussform
20*
308 Das Giessen.
mindestens 30 Mm. grösser sei als der Darcbmesser des fertig bearbeite-
ten Zapfens, dass also die Gassform ringsherum über die Brachfiäcbe
vorsteht, weil die Erfahrung lehrt, dass erst in einigem Abstände vom
Rande des angegossenen Theils völlige ,ySchweissung'^ stattfindet. Am
untern Rande der Gnssform befindet sich eine Oefinung zum Einfliessen
und einige Oe&ungen zum Abfliessen des zuerst eingegossenen Metalls,
derartig vertheilt und von solcher Grösse, dass beim Griessen das flüssige
Metall von der Seite des Eingusses her sich über die Bruchfläche hin
vertheilt, diese völlig bespült, aber zugleich rasch auf der andern Seite
abfliessen kann, ohne dass an irgend einer Stelle Ansammlungen erkal-
tenden Metalls stattfinden können. Die in solcher Weise hergerichtete
Gussform wird also an ihre Stelle gebracht, mit Sand umstampfb, und in
diesem die Can&le fOr Ein- und Ausfliessen des Metalls angebracht.
Selbstverständlich muss in dem Dammgrubensande an geeigneter SteUe
ein tiefer gelegener Sumpf zur Aufnahme des abfliessenden Metalls an-
gelegt werden.
Man beginnt nun mit dem Erhitzen der Bruchfläche durch ein über der*
selben angebrachtes und mehrere Stunden unterhaltenes Holzkohlenfeuer
bis zur Rothgluth, dann entfernt man Holzkohlen, Asche u. s. w. und
giesst nun in ununterbrochenem Strahle möglichst stark erhitztes Metall
in der vorhin beschriebenen Weise über die Bruchfläche hinweg, so lange
bis diese an der Oberfläche zu erweichen beginnt. Gewöhnlich ist die
drei- bis vierfache Menge Metall von dem Gewichte des anzugiessenden
Zapfens erforderlich. Ist dieser Zeitpunkt eingetreten, so verstopft man,
ohne das Giessen zu unterbrechen, die Abflussöffnungen, wodurch nun-
mehr das Metall gezwungen wird, in der Gussform aufzusteigen und
diese anzufüllen. Man bedeckt dann den Kopf mit Kohlenlösche, giesst
von Zeit ssu Zeit frisches Metall durch den Kopf nach und lässt langsam
erkalten. Der Zapfen wird später auf seinen normalen Durchmesser ab-
gedreht. Ist das Angiessen gelungen, so pflegt die Festigkeit an der
Verbindungsstelle grösser sls vorher zu sein, so dass ein neuer Bruch an
derselben Stelle kaum zu befürchten ist.
Ein Giessverfahren , zur Ersparung von Kernen fär Hohlkörper an-
gewendet, ist der sogenannte Schwenk- oderStürzguss. Man giesst die
Gussform zunächst, ohne einen Kern einzulegen, mit Metall voll aus, wendet
sie nach einigen Augenblicken, wenn man annehmen kann, dass sich
rings an den Wänden eine hinlänglich starke Kruste erstarrten Metalls
angesetzt hat, der Kern aber noch flüssig ist, derartig um, dass die Mün-
dung des zu bildenden Hohlraums nach unten steht, und lässt nun das
noch flüssige Metall auslaufen, indem man, wenn es nöthig ist, die vor-
handene Kruste an dieser Stelle mit einem spitzigen Werkzeuge durch-
stösst.
Dieser Sturzguss findet in der Zinngiesserei bei Anfertigung von
Statuetten, ornamentalen und überhaupt solchen Gegenständen öftere An-
wendung, für welche ein genau passender Kemkasten schwierig herzu-
Stürzguss. Zinnbrülanten. 309
stellen sein würde, also aaoh bei dem Gosse hohler Knöpfe, £inderservice,
Hedkel and dergleichen mehr, wenn es nicht darauf ankommt, dass die Innen-
fläche YoUständig glatt und eben sei. Seltener, aber doch in einzelnen
Fällen, macht man auch in der Zink-, Bronze- und Eisengiesserei von
dieser Griessmethode Gebrauch. So giesst man z. B. in der durch ihre
Leistungen auf dem Gebiete des Kunstgusses berühmten Eisengiesserei
zu Ilsenbnrg am Harze auf diese Weise Hirschgeweihe , welche statt der
natürlichen Geweihe zur Decoration von Jagdhäusern u. s. w. gebraucht
werden und, voll gegossen, zu schwer ausfallen würden; das flüssige Me-
tall lässt man an der Wurzel des Geweihes auslaufen.
Mit dem Stürzgusse verwandt ist die Anfertigung der sogenannten
Zinnbrillanten oder Fahluner Diamanten, ein Arbeitsverfahren,
welches schon hier Erwähnung finden möge, obschon, streng genommen,
die Beschreibung desselben in das Gebiet der speciellen Technologie ge-
hört. Diese zu Theater- und Maskenschmuck benutzten Zinnbrillanten
bestehen aus dünnen Metallblättchen in grösseren oder kleineren Flächen,
unter verschiedenen Winkeln zusammenstossend und mit ausserordentlich
starkem Glänze. Die Legirung zu ihrer Anfertigung besteht aus 3 Thln.
Zinn und 2 Thln. Blei. Man benutzt, gewissermaassen als Modell, Glas-
körper, facettirt, geschliffen und polirt, welche in die geschmolzene Legi-
rung eingetaucht werden. Die Erwärmung der letztern darf nur wenig
den Schmelzpunkt übersteigen, so dass beim Eintauchen des kalten Glas-
körpers sich an demselben sofort eine erstarrte dünne Kruste bildet,
welche mit demselben herausgezogen wird, nach dem Erkalten von selbst
abfallt, äusserlich rauh, glanzlos ist, an der Innenfläche aber jenen spie-
gelnden Glanz besitzt, welcher ihr die Wirkung eines im Relief geschliffe-
nen Körpers verleiht. Ein Giessen im engem Sinne findet also hierbei
gar nicht statt.
Die durch Anwendung des Stürzgusses erzielte Ersparung eines
Kerns bei dem Gusse von Hohlkörpern hat man in anderer Weise bei
Gussstücken mit kreisförmigen Querschnitten — Röhren, Gefössen etc. —
durch den Gentrifugalguss zu erreichen gesucht, jedoch, wie im Vor-
aus bemerkt wird, mit weniger genügendem Erfolge. Die Gussform
wird mit einem Apparate in Verbindung gebracht, durch welchen sie in
rasche drehende Bewegung um ihre Achse versetzt werden kann. Man
giesst so viel Metall ein, als zur Erzielung der vorgeschriebenen Wand-
stärke erforderlich ist, und setzt den Apparat in Bewegung. Das Metall
vertheilt sich vermöge der Centrifugalkraft an den Wänden der Gussform
und kommt dort zum Erstarren.
Literatur.
Ueber Geräthe zum Giessen:
Dürre, Handbuch des Eisengiessereibetriebes, Bd. I, S. 746 ff.
Guettier, Traite de la fonderie, p. 253.
310 Das Giessen. Literatur.
lieber geeignete GieBBtemperatur der Metalle.
Künzel, Ueber BroBzeleginmgen, S. 93.
lieber Stürzgnss und Centrifugalguss:
Dürre, Handbuch des EiesengiesBereibetriebes , Bd. II, S. 489 und 500.
Karmarscb-Hartig, Mechanische Tecbnologie, 5.Afl.,BdI, S. 97u. 132.
Dingler, Polytechnisches Journal, Bd. 114, S. 326; Bd. 141, S. 100.
lieber Zinnbrillanten:
Kar marsch -Hartig, Mechanische Technologie, Bd. I, S. 41.
6. üeber die Anlage und Elnriohtnng der Oiegserelen.
Für die Anlage einer jeden Giesserei — sie möge sich anf das
Giessen Ton Metallen beschränken, die nur einen Kessel fOr den Schmelz-
process erfordern, oder aach in höherer Temperatur schmelzbare Metalle
in ihr Bereich ziehen — liegt die Aufgabe yor, einen yor den Unbilden
der Witterung geschützten Raum herzustellen, in welchem die Arbeiten
der Giesserei, beziehentlich auch der Formerei, in geordneter Reihenfolge
yorgenommen werden können.
Der Raum muss also ringsum geschlossen und überdacht sein, um
Regen, Schnee und Winden den Eingang zu yerwehren, er muss yon
unten her trocken sein; er muss hell sein, um die oft feinen Arbeiten
genau erkennen zu können, er muss dagegen — wenn es möglich ist —
yor den directen Sonnenstrahlen geschützt sein, welche durch Blendung
der Augen die Arbeit erschweren und im Sommer oft durch übermässige
Wfirme die Arbeiter belästigen.
Die Losung der Aufgabe ist um so leichter, je kleiner der Umfang
der Giesserei werden soll, je weniger Arbeit die Herstellung der Guss-
formen yerursacht, und je einfacher der Schmelzprocess des zu yergiessen-
den Metalls yor sich geht*
Kleine Giessereien für Metalle mit niedrigem Schmelzpunkte be*
schränk^i sich auf die Benutzung eines Raums im Wohnhause, in wel-
chem ein oder mehrere Kessel zum Schmelzen des Metalls eingemauert
sind, während der Arbeiter die yorhandenen constanten Gussformen nur
zusammenzusetzen und neben dem Schmelzkessel aufzustellen braucht, um
den Guss yomehmen zu können. An den Wänden des Raums pflegen
sich Holzgerüste — Repoeitorien — zu befinden, welche zur Aufbewah-
rung der nicht in Gebrauch befindlichen Gnssformen dienen. In sol-
cher Weise sind die kleinen Giessereien für Zinn- und Bleiwaaren ein-
gerichtet.
Die Anlage wird umfangreicher, sobald die Anfertigung yon Gnss-
formen auB bildsamem Materiale erforderlich wird, mit der Giesserei also
die Formerei yerbunden ist. Kommt die Nothwendigkeit hinzu, die
Guasformen yor dem Gusse zu trocknen, so tritt durch die Anlage der
Trockenkammern eine fernere Erweiterung des Giessereiraums hinzu.
Kleinere Gegenstände pflegt man auf gusseisemen Formbänken ein-
zuformen, welche dicht unter den Fenstern des zur Formerei benutzten
312 Giessereien.
Raums befindlich sind, am den heÜBten Platz zn der Arbeit des Einfor-
mens zu benutzen. Die Formbänke bestehen aus gusseisemen Herdguss-
platten, welche in der Höhe von 65 Centimeter auf gusseisemen Böcken
aufruhen und festgeschraubt sind. Die Bank ist etwa 2 Meter lang und
1 Meter breit. An den Seiten ist sie durch 'emporstehende GiebelsttLcke
aus Gusseisen begrenzt. In den beiden Ecken nach der Wand zu hat
der Former seinen Formsand liegen, und zwar in der einen Ecke gesieb-
ten, in der andern ungesiebten.
Sind mehrere Formbänke vorhanden, so bilden sie an der Wand
des Gebäudes fortlaufend eine zusammenhängende Reihe.
Grössere Gegenstände formt man auf dem Erdboden des Formerei-
raums ein. Derselbe muss daher vor allen Dingen eben und trocken
sein. Will man für sehr grosse Gegenstände den Unterkasten sparen
und direct in den Erdboden einformen, so hebt man wohl auf 1 bis
2 Meter Tiefe den ganzen Erdboden heraus und füllt die Vertiefung mit
porösem Formsande aus.
Eisengiessereien , welche sich ihr Roheisen in eigenen Hochöfen er-
zeugen, sind bisweilen mit gusseisemen Platten als Fussboden ausgelegt.
Man erhält dadurch eine ebene Fläche und den Yortheil, dass von dem
beim Giessen vorbeigegossenen flüssigen Metalle nichts verloren gehen
kann. Solche Platten pflegt man direct aus dem Hochofen zu giessen
und als Roheisen zu betrachten; in Giessereien, welche ihr Roheisen
kaufen müssen, ist die Anwendung solcher Platten weniger üblich.
Die Arbeiten des Formens, Trocknens und Giessens kann man ent-
weder in einem einzigen Räume vereinigen oder in mehreren Räumen '
getrennt vornehmen. Gussformen in grünem Sande pflegt man in einem
und demsellen Räume einzuformen und abzugiessen, um unnöthigen
Transport derselben zu ersparen, bei Gussformen in Masse und Lehm
aber, welche ohnehin in die Trockenkammern geschaflt werden müssen,
ist die Arbeit gleich grross, ob man sie zum Abgüsse in das Formerei-
local zurück oder in einen andern nur zum Giessen bestimmten Raum
schaflt; und es ist dann diese letztere Einrichtung in manchen Fällen
vorzuziehen, weil dadurch die Arbeiten des Einformens und Giessens
weniger einander gegenseitig behindern. Man findet sie daher in vielen
grösseren Messing- und Bronzegiessereien , welche nur in getrockneten
Formen giessen; und in Eisengiessereien legt man bisweilen die Masse-
und Lehmformerei in ein Local, die Sandformerei und Giesserei in ein
zweites, obschon allerdings für eine solche Trennung weniger Veran-
lassung vorliegt.
Die Trockenkammern liegen in solchen Fällen zwischen demFoime-
reilocale und dem Giessraume, gewöhnlich wie in Fig. 258 angeordnet
In Giessereien, welche grösstentheils in grünem Sande formen, dabei
aber viele getrocknete Kerne gebrauchen, trennt man häufig die Kern-
macherei von der Formerei, legt die Kernmacherei neben die Trocken-
kammern, die Formerei neben die Schmelzapparate und lässt die Trocken-
Anlage imd Einrichtung. 313
kammerD mit beiden Localen -in Verbindung. Wenn man sich in
Fig. 258 im Ranme a die Formerei und Giesserei yereinigt, den Baum e
Fig. 258.
c
1
aber für Anfertigung von Eemen benutzt denkt, so erhält man ein Bild
dieser Einrichtung.
Bie Schmelzapparate legt man so, dass sie yon keinem Punkte des
Giessraumes unverhältnissmässig weit entfernt bleiben. Am einfachsten
würde nun zwar diese Aufgabe gelöst werden, wenn man die Schmelz*
apparate in die Mitte der Giesserei verlegte, zugleich wurde aber viel
Platz dadurch in Anspruch genommen und das Begichten der Oefen un-
gemein erschwert werden. Man legt delshalb die Oefen lieber an die
ümfassungswände und zwar gewöhnlich in die Mitte einer der längeren
Seiten des Gebäudes.
In grösseren Tiegelgiessereien empfiehlt es sich, die Tiegelschmelz-
öfen vertieft anzulegen, oder, wo dieses nicht angeht, den Fussboden des
Giesslocals so viel über die Sohle des Erdbodens zu erhöhen, dass der-
selbe mit der Oberkante der Schmelzöfen in einer Horizontalebene liegt.
Dadurch wird das Herausnehmen der Tiegel wesentlich erleichtert. Um
nun aber die Wartung der tiefer liegenden Boste, das Herausschaffen
der Aschen und Schlacken u. s. w. durch diese Einrichtung nicht zu er-
schweren, verbindet man die Aschenfälle sämmtlicher Oefen mit über-
wölbten Bäumen von solcher Höhe, dass ein Arbeiter sich bequem darin
bewegen und von hier jeden einzelnen Best überwachen kann. Die Ab-
bildungen Fig. 259, 260 und 261 (a. f. S.), eine engliche Gussstahlgiesse-
rei mit Schachttiegelöfen darstellend ^), können zur Erläuterung hierfür
dienen, aa sind die Schmelzöfen, in zwei Beihen angeordnet. Jeder
derselben hat seine eigene Esse, und die sämmtlichen Essen einer Ofen-
reihe sind, wie aus Fig. 261 ersichtlich ist, durch ein gemeinschaftliches
Bauhgemäuer umgeben. Zwei Hauptgewölbe laufen unterhalb der.
Hfittensohle in der Bichtung der Ofenreihen und von diesen aus führt
je ein kleines Seitengewölbe nach jedem Aschenfalle.
Einfacher kann bei Tiegelflammöfen die Einrichtung sein, weil für
die gleiche Anzahl Tiegel hier weniger Besten zu bedienen sind; und
^) TergL Peroy, MetaUurgy: Iron and Steel, London 1864,
/ Tiegelloch
/ □
Anlage und Einrichtung. 315
wenn man Gasfenerang für dieselben verwendet, so leg^t man gern
die Gasgeneratoren noch etwas tiefer bIb die Oefen, um das Zuströmen
der Gase nacli den Oefen zu erleiohtem.
Bei Auistellung von HerdflammSfen (zum Schmelzen ohne Tiegel)
tnuBB das Schürloch und die Einsetzthür, bei Cupolöfen die Gichtbühne
von aussen her leicht zugänglich und zu bedienen sein, um nicht daa
Herbeischaffen der Materialien durch das Arbeitslooal hindurch bewir-
ken zu müssen.
Es ist deshalb zweckmissig, wenn man diese letztgenannten Oefen
ausserhalb des eigentlichen Giesslocals aufstellt und nur diejenige Seite
derselben, au welcher der Abstich befindlich ist, durch eine Überwölbte
Oefinung der Umfassungsmauer des Gebftudes mit dem Innern desselben
in directs Yerbindnng setzt, wie es in Fig. 262 (a. f. S.) für eine Flanun-
ofenankge (Stsffordshireofen) und in Fig. 263 und 261 für eine Cnpol-
ofenanlage slcizzirt ist.
Um die beim Aufgeben der Schmelzmaterialien beschäßigteu Arbei-
ter — besonders bei CupolÖfen, wo sie viele Stunden die Gichtbühne
>} TJeber eine derartige Anlage mit BegeneraÜTfbuemng siehe Wedding,
Santellimg des schmiedbaren Eisens 8. 649 ff.
316
Giessereien.
Fig. 263.
nicht Tsrlassen dOrfen — vor Regen nnd Wind zn BchQtaen, nmgiebt
man gewöhnlich den oder die Cnpolöfen mit einem beBonderen GebSnde,
welches sich an das Hauptgebäude ansohliesit und in welchem dann die
Gichtbahne nebat Gichtanfzug
^'^- ^"*- befindlich Bind (Fig. 264).
In den meisten grösseren
Giessereien macht sich die Auf-
atelluDg verschiedener Maschi-
nen erforderlich. Hierher zählen
die Zerkleinerungamaachinen
flir die Formmat«nalien , Ge-
bläBomascbitten für die Cnpol-
Öfen, nnd als Motor ffkr diesel-
ben gewöhnlich eine Dampiina-
Bchine nebst Kessel, welche zu-
*~ gleich zum Betriebe des Gicht-
aufzuges, vorhandener Dampf-
krabneu u. s, w. benutzt zu
werden pflegt. Für die Aof-
stellung dieser Maschinen em-
pfiehlt sich die Anlage beson-
derer Räumlichkeiten, von den
Arbeitslocalen der Giesserei und
Formerei getrennt.
Vor Allem darf die Betriebs-
dampfmaschine niemals in der
Giesserei (beziehentlich Forme-
rei) selbst anfgestellt werden, wo
sie durch den in diesem Räume
stets herrschenden Staub sehr
bald empfindlich leiden würde.
In Rücksicht auf die nachtheiligs
Wirkung dieses Stanbes auf die
Betriebs maschi ne unterlässt man
es auch besser, eine Verbindong
zwischen Giesserei und Maschi-
nenraum durch eine Thür faer-
zastellen, sondern verlegt den
Eingang zn letzterm lediglich
nach anssen. Die OeblSaema-
Bcbine dagegen kann in dem
Dampfmaschinenraum e ihren
Platz erhalten, und es ist diese Einrichtung der leichtem Ueber-
waobong halber sogar sweckm&asig; alle übrigen maschinellen Yorrich-
tongen aber, insbesondere die zum Zerkleineren der Materialien be-
Vig. 284.
Anlage und Einrichtung. 817
stimmten, müssen ausserhalb der Maschinenstnbe aufgestellt und durch
eine Transmission von der Dampfmaschine aus betrieben werden.
Ist die Giesserei zum Ousse von so grossen Gegenständen bestimmt,
dass die Aufstellung eines oder mehrerer Erahne erforderlich wird, so
übt dieser Umstand einen erheblichen Einfluss auf die Construction des
Gebäudes aus.
Die Seitenmauem desselben, die Balkenlagen, müssen stark genug sein,
den Druck aufzunehmen, den der Krahn auf die einen oder anderen ausübt.
Ueber die Vortheile und Nachtheile der stabilen Drehkrahne im
Vergleiche mit denen der Laufkrahne (Brückenwinden) wurde schon
früher (S. 60) das Erforderliche mitgetheilt.
Bei Anwendung einer Brückenwinde kann entweder die Aufgabe yor*
liegen, den ganzen Raum der Giesserei oder nur einen Theil derselben von
der Winde bedienen zu lassen. Im erstem Falle verstärkt man die
Seitenwände des Gebäudes bis zu der Höhe der Laufebene und lässt das
Fahrgerüst des Erahns auf den durch diese Verstärkung gebildeten und
mit eisernen Laufschienen belegten Vorsprüngen laufen. Um hierbei
einen möglichst grossen Flächenraum durch den Erahn bedienen zu
lassen, ohne die Spannweite des Fahrgerüstes allzu sehr erhöhen zu müssen
— wodurch seine Anlagekosten sich beträchtlich vertheuem würden — ,
giebt man dem Grundrisse des Gebäudes gewöhnlich eine langgestreckte
Gestalt.
Soll nur ein Theil der Giesserei durch den Lauf krahn bedient wer-
den, so pflegt man das Gebäude zu verbreitem, das Fahrgerüst mit einer
oder auch mit beiden Seiten auf schmiedeeiserne Träger zu stellen, welche
von Säulen gestützt werden, und auf solche Weise das Gebäude durch
jene Säulenreihen in zwei oder drei Längsschiffe zu zerlegen, von denen
eins (bei drei Schiffen das mittlere) von der Brückenwinde bedient wird
(siehe Fig. 265 a. f. S.).
Bei einer solchen Theilung des Arbeitsraumes in mehrere Schiffe er-
hält derselbe gewöhnlich eine beträchtliche Breite, und es entsteht die
Aufgabe, dem mittlem, von den Fenstern in den Umfassungswänden
ziemlich weit entfernten Theile das nöthige Licht zu verschaffen. Man
erreicht diesen Zweck entweder durch die Anbringung von Dachfenstern
oder durch eine mit Seitenfenstem versehene Erhöhung des mittleren
Theils des Dachs, eine sogenannte Laterne.
Dachfenster besitzen eine Reihe von Uebelständen, welche ihre An-
wendung nicht gerade räthlich erscheinen lassen. Hierher gehört die
Schwierigkeit, eine vollständig dichte Verbindung zwischen dem Dache
und den Fenstern sowie zwischen den einzelnen Scheiben der letzteren
herzustellen; die häufige Zertrümmerung der Scheiben bei Sturm durch
umhergeschleuderte losgerissene Theile der Dachbekleidung, die Noth-
wendigkeit, bei Schneefall die Dachfenster von dem darauf liegenden
Schnee zu befreien, wenn sie ihre Bestimmung erfüllen sollen. Man
zieht daher die Anbringung einer Laterne mit senkrechten Fenstern im
318 GieBsereien.
AUgemeiaen vor. Die Dacboonatmction kann in diesem Falle eine sehr
mannigfaldge sein. Ale Beiepiel hierfür kAon die achon früher mit-
getheilte und in Fig. 265 wiederholte DarchscbnitiBzeichuang der Eisen-
giesserei der Chemnitzer Werkzeagmaechinenfabrik dienen. Das Dach
des Mittelechifia wird hier von zwei Sftulenreihen getragen, au welche
die Poltdäcber der beiden SeitenBchiffe gelehnt sind. Die Zwiacbenräome
Anlage nnd Einrichtong. 319
swiBchen den eimselnen S&nlen oberhalb jener SeiteDdächer sind dnrcb
Fenster geechloBMn, darch welche das Licht in das MittelscbifF ßÜlt.
Macht man diese Fenster am senkrechte Aehseu drehbar und Ton einer
Bühne aiu engängUch, so ist dadurch eine vortreffliche Gelegenheit enr
Ventilation des gansen Ranms gegeben, welche in Rflcksicht auf die beim
Gieseeu sich entwickelnden Gase und DSmpfe oft dringend nöthig ist.
Zur weitem Grlänt«rung der gegebenen Abbildung m6gen folgende
Notizen dienen. Die L&nge der Formerei nnd Oiesshalle ist im Lichten
150 Meter, die Breite des Mittelschias ist 16,50 Meter, jedes Seitenschifb
5,75 Meter, also totale Breite des Gebäudes im Lichten 28 Meter. Jede
SAnlenreihe enthilt Ifi Skulen. C sind die Cnpolftfen, von denen vier neben
«inander in der Mitte der L&nge des Gebäudes aufgestellt sind. DJ) sind
Trockenkamniem, deren Special zeichanng schon früher (Fig. 166 bis 168 auf
S. 181 und 182) gegeben wurde. E ist die BetriebsdampfmKSchine nebst
Roots'schem Geblftse, F der Dampfkessel. Die Zerkleinerungsmaschinen
fikr Sand und Kohlen befinden eich auf der Buhne oWbalb des rechten Sei-
tenschiffs, welche von den unteren S&ulen und der Umfassungswaad ge-
tragen wird, und von der eiuTheil zugleich als OichtbDhne fürdieCupol-
6fen dient; die Hinauf befSrdernng geschieht dnrch einen mechanischen
Aufang, die zerkleinerten Materialien werden, wie schon früher beschrie-
ben wurde, durch Lutten cum Trocknen auf die Decke der Trockenkam-
mern oder direct in den Giessereiraum befSrdert.
Da bei Giessereien, welche mitErahnen (oder Brücken winden) arbei-
ten, sich die AnUgekosteu dee Gebäudes durch die grössere HShe und
weniger einfache Dacbconstructioti erheblich steigern, so ist es im All-
gemeinen Regel, in diesem Falle alle sonstigen ftir die Giesserei erforder-
lichen Apparate, Maschinen nnd dergleichen iu besondere Baulichkeiten
zu verlegen, welche einfacher oonstruirt und deshalb billiger anfgeflÜirt
werden kSnnen als die eigentliche Formerei nnd Giesshalle.
So s. B. lassen sicü Trockenkammern in der Weise anlegen, dasfl
Pig. 266.
320 Einrichtung der Giessereien.
ihre ThÜr nach der Formerei zn mündet, die Kammer selbst aber ausser-
halb derselben liegt und durch einen besondern leichten Ueberbau vor
der Abkühlung yon aussen geschützt ist (Fig. 266).
Gebraucht man Dammgruben, so legt man dieselben gern in der
Nähe der Schmelzöfen an, um das flüssige Metall unmittelbar aus die-
sen nach der in der Dammgrube eingegrabenen Gnssform hinleiten zu
können.
Giessereien, welche besonderen Specialitäten gewidmet sind, können
dementsprechend mit besonderen eigentbümlichen Einrichtungen ver-
sehen sein. So z. B. die modernen Giessereien für RöhrengusSy von wel-
chen unten in dem speciellen Theile die Rede sein wird.
Literatur (beziehentlich Abbildungen ausgeführter Anlagen).
Wiebe, Maschinenbaumaterialien, S. 525.
Dürre, Handbuch, Bd. II, S. 861.
Fank, die Georgs-Marienhütfce bei Osnabrück. Zeitschrift des Architek-
ten- und Ingenieurrereins in HannoTer, Bd.yil, S. 321, Abbildungen
der Giesserei, Taf. 506 und 508.
Ledebur, Skizzen fEbr die Anlage und Einrichtung von Eisengiessereien.
Berg- und Hüttenmännische Zeitung, Jahrgang 1871, S. 197 ff.
Wiebe, Skizzenbnch etc., Berlin 159. Heft IX (königl. Geschützgiesserei
in Spandau).
Zeichnungen der Hütte, Jahrgang 1868, Taf. 1 a und b; Jahrgang 1874,
Taf. 2 a und b.
n. Die Formgebung im ungesohmolzenen Zustande
duroli äussere Kräfte.
1« Arbeitseigensohaften der Metalle und Itegirungen hinsicht-
lich ihrer Formveränderung durch äussere Kräfte.
A. Dehnbarkeit und Zähigkeit.
unter der Einwirkung einer äuBseru Kraft anf einen festen Körper
wird stets eine momentane, wenn auch oft unmerkliche', Formyerän-
derung desselben heryorgerufen. Dieser Vorgang lässt sich nach den
Theorien der Physik folgendermaassen erklären.
Jeder Körper besteht aus einer Anzahl kleinster Theilchen — Atome —
welche sich bei festen Körpern in bestimmter gegenseitiger Lage zu ein-
ander befinden. Diese Atome sind in ihren Eigenschaften nnd ihrer
Form unyeränderlich. Dieselben ber&hren sich aber nicht gegenseitig,
sondern ein jedes derselben ist von einer Hülle eines unwägbaren Stoffs
umgeben, welchen man Aether nennt. Zwischen den einzelnen Atomen
ist eine gegenseitige Anziehungskraft wirksam, welche Cohäsionskraft
genannt wird und den Zusammenhang des Körpers bedingt; sie hört auf,
wenn zwei Atome über eine bestimmte Grenze hinaus von einander entfernt
werden; es tntt dann Bruch oder Zerreissung ein. Zwischen den ein-'
zelnen AetherhüUen findet dagegen das Bestreben gegenseitiger Ab-
stossung statt, durch welches erst ein Gleichgewichtszustand in dem Kör-
per hergestellt nnd es verhindert wird, dass durch die ununterbrochen
tbätige Cohäsionskraft eine fortschreitende Verdichtung des Körpers ein-
trete. Diese gegenseitig wirkenden anziehenden und abstossenden Kräfte
nennt man Molecularkräfte, und das Atom sammt seiner AetherhüUe
MolecüL Wenn nun auf den durch diese gegenseitige Ausgleichung
der Molecularkräfte im Gleichgewichtszustande befindlichen Körper eine
dritte äussere Kraft wirkt, so wird jenes Gleichgewicht gestört; es tritt
Ledebar, meohiuiladi-neteUaTgische Technologie. 21
322 Formgebung durch äussere Kraft.
eine Nähernng oder EntferauDg einzelner Atome nnd dadurch eine Ver-
änderung der Form des Körpers ein. Der Widerstand gegen diese Form-
veränderung wächst mit dem Fortschreiten derselben, so dass auch unter
der Einwirkung jener Kraft sich bald ein Gleichgewichtszustand her-
stellt, so lange dieselbe ein gewisses Maass nicht überschreitet. Diesen
Gleichgewichtszustand sehen wir z. B. bei allen Belastungen entstehen,
welche der Tragkraft des belasteten Körpers entsprechen; es tritt eine
Zusammendrückung, Durchbiegung oder Verlängerung des letztem ein,
welche so lange fortschreitet, bis der wachsende Widerstand gleich dem
ausgeübten Drucke oder Zuge ist Wenn also die thätige Kraft jenes
erwähnte Maass nicht überschreitet, so nimmt der Körper seine ursprüng-
liche Form wieder an, sobald die Kraft aufhört, thätig feu sein. Diese
Eigenschaft der Körper nennen wir bekanntlich Elasticität. Ist aber
die Kraft grösser als jenes Maass, so tritt eine bleibende Aenderung in
der Lage der Molecüle gegen einander, also gewissermaassen eine Ver-
schiebung derselben ein, welche beim Aufhören der Krafb nicht wieder
verschwindet; es entsteht eine bleibende Form Veränderung. Das
Maass der Kraft, über welches hinaus dieser Vorgang sich zeigt, ist die
Elasticitätsgrenze.
Steigert die Kraft sich noch mehr, so wird schliesslich die Cohä-
sionskraft überwunden, der Zusammenhang des Körpers hört auf, es
tritt Bruch oder Zerreissung ein. Der Festigkeitsmodul des Körpers
giebt uns das Maass der Kraft für diesen letztern Vorgang. Derselbe
wird auch ohne Steigerung der Kraftintensität fast immer eintreten,
wenn eine und dieselbe Kraft, welche ausreichend ist eine bleibende
Formveränderung hervorzurufen, anhaltend auf den Körper wirkt.
Deun da der Widerstand des Körpers gegen diese bleibende Form-
veränderung nicht in einem dem Fortschreiten derselben entsprechenden
Maasse zunimmt, und da mit jeder solchen Formveränderung unter Ein-
wirkung einer äussern Kraft nothwendigerweise auch eine Verdünnung
wenigstens eines Querschnitts des Körpers verbunden ist, so muss mit
zunehmender Querschnittsverkleinerung und gleichbleibender Kraft die
Trennung erfolgen. Daher die wichtige Regel, bei Constructionstheilen
niemals einen Körper auf seine Widerstandsfähigkeit über die Elasticitäts-
grrenze hinaus in Anspruch zu nehmen.
Jene Eigenschaft der Körper, unter Einwirkung einer Krafb von
bestimmter Intensität eine bleibende Form Veränderung anzunehmen,
ist die Dehnbarkeit. Da, wie soeben schon hervorgehoben wurde, bei
jeder solcher Formveränderung eine Querschnitts Verdünnung stattfindet,
so giebt die Abmessung des geringsten Querschnitts, auf welchen sich
ein Körper verdünnen lässt, ohne seinen Zusammenhang zu verlieren,
gewissermaassen einen Maassstab für die Dehnbarkeit desselben.
Verwandt mit der Dehnbarkeit ist die Zähigkeit. Wir verstehen
unter diesem Ausdrucke das Maass des Widerstandes, welchen ein Kör-
per, nachdem die Elasticitätsgrenze überschritten ist, der
Dehnbarkeit und Zähigkeit 323
Trennung entgegensetzt. Der Gegensatz der Zähigkeit ist die Sprö-
digkeit. Man misst die Zähigkeit gewöhnlich durch Hin- und Her-
biegen eines an einem Ende eingespannten Stabes von bestimmtem Quer-
schnitte; je mehr Biegungen derselbe erträgt, ohne zu zerbrechen, desto
grösser ist seine Zähigkeit.
Die Einwirkung der erwähnten formverändernden Kräfte auf einen
Körper kann in mehrfacher Weise erfolgen. Denkt man sich von zwei
neben einander befindlichen Molecülen des Körpers das eine festliegend,
während auf das andere eine Kraft in der Richtung der durch die Schwer-
punkte beider Molecüle gelegten geraden Linie in solcher Weise wirkt,
dass eine Entfernung beziehentlich Trennung der Molecüle in der an-
gegebenen Richtung ei*folgen muss, so entsteht Zug, und der Körper setzt
der Trennung der Molecüle seine Zugfestigkeit, Zerrreissungs-
festigkeit oder absolute Festigkeit entgegen^).
Wirkt die Kraft in derselben Linie, aber umgekehrter Richtung,
also dem ersten Molecüle zustrebend, so wird eine Näherung der Mole-
cüle bewirkt, es entsteht Druck und der Körper setzt einer Trennung
(welche übrigens in diesem Falle niemals direct, sondern nur in Folge
einer seitlichen Verschiebung der gedrückten Molecüle erfolgen kann)
seine Druck- oder rückwirkende Festigkeit entgegen').
Wirkt eine Kraft auf das eine Molecül in tangentialer Richtung
gegen die durch die Schwerpunkte gelegte, als Halbmesser gedachte, Linie,
während das andere Molecül als festliegend gedacht wird, so erfolgt Yer*
Schiebung ohne Entfernung der Molecüle: Biegung. Bei der Ein*-
Wirkung einer solchen Kraft auf ein Aggregat von Molecülen, als wel-
ches wir uns jeden festen Körper denken müssen, werden jedoch nur die
in der sogenannten neutralen Faser befindlichen Molecüle in dieser
Weise in Anspruch genommen, während zu beiden Seiten dieser neu-
tralen Faser die Kraft sich zerlegt, auf der einen Seite zerreissend, auf
der andern drückend wirkt. Die Festigkeit, mit welcher ein Körper der
Trennung durch Biegung widersteht, heisst Biegungs- oder relative
Festigkeit
Wirkt diflse Kraft nicht tangential, sondern normal gegen die Schwer-
punktslinie, ändert sie also nicht ihre Richtung bei eintretender Verschie-
bung der Molecüle, so erfolgt eine Entfernung der letzteren, beziehentlich
Trennung, durch Abscheerung (Abscheerungsfestigkeit).
Wirkt endlich die Kraft in solcher Weise, dass sie das eine Molecül
um eine Linie zu drehen sich bestrebt, welche den Schwerpunkt des fest-
liegenden Molecüls schneidet, das bewegliche tangirt, so tritt Ver-
drehung oder Torsion ein (Torsionsfestigkeit).
*) Statt eines festliegenden Molecüls und einer auf ein zweites Molecül wir-
kenden Kraft kann man auch zwei in gleicher Linie aber entgegengeseta^er
Biehtung thätige Kräfte annehmen, von denen ajif jedes Molecül eine wirkt.
a) Wie ad 1.
21*
324 Formgebung durch äussere Kraft
Bei der roben Formgebung kommen vorwiegend die beiden ersAeren
Fälle, bei der Vollendung der Form die drei letzteren in Betraobt.
Aufl der eben gegebenen Frklämng des Begriffs ,,Debnbarkeit** und
Zabigkeit'' folgt, dass beide Eigenschaften in dem Augenblicke beginnen,
wo unter Einwirkung einer Kraft die Elasticjtätsgrenze überschritten
wird; dass ihre Wirkung erschöpft ist, wenn Trennung erfolgt, dass also,
wenn man bei einem Körper für beide Vorgänge Zahlenwertbe kennt, die
Differenz derselben ein Maass für die Zähigkeit und auch wenigstens einen
wichtigen Factor für die Dehnbarkeit abgiebt. Denn je grösser jene Diffe-
renz ist, desto weniger Gefahr ist vorhanden, dass bei der Formverände-
rnng eine Trennung eintrete, und mit desto grösserer Beschleunigung
kann dieselbe vorgenommen werden. Die Dehnbarkeit ist hier gewisser-
roaassen die Folge der Zähigkeit. Für die erstere muss aber noch die
Fähigkeit des Körpers hinzutreten, eine möglichst grosse bleibende Ver-
dünnung der Querschnitte unter entsprechender Ausdehnung der Länge
— Strecken genannt — zu ertragen. Diese Fähigkeit wird durch meh-
rere Umstände beeinflusst. Hierher gehört zunächst die Beschaffenheit
des Gefüges. Ein Metall mit grob krystallinischem Gefüge wird im All-
gemeinen weniger geeignet sein, starke Verdünnungen zu ertragen, als
ein fein krystallinisches; ein sehniges Metall, z.B. sehniges Schmiedeeisen,
weniger als kömiges (Feinkomeisen , Stahl). Aber auch die Reinheit
des Gefüges von mechanisch eingelagerten fremden Körpern ist von
hoher Wichtigkeit für die Dehnbarkeit. Denn da der Querschnitt jener
fremden Körper bei der fortschreitenden Verkleinerung des Metallstück-
Querschnitts unverändert bleibt, so wächst mit dieser Verkleinerung die
Benachtheiligung der Festigkeit; und als extremsten Fall kaun man
sieh die Verkleinerung soweit fortgeschritten denken, dass der unver-
ändert gebliebene Querschnitt des fremden Körpers gleich dem verdünnten
Querschnitte des Metallstücks ist, er also den Zusammenhang völlig un-
möglich macht Jedenfalls wird schon weit früher in Folge der ver-
ringerten Festigkeit Trennung erfolgen. Solche fremde Körper sind
Schlackenpartikelchen, Oxydationsproducte, Kohlenstückehen und derglei-
chen. Aber auch Hohlräume — entstanden durch Gasblaseik oder in Folge
der Schwindung — können ähnlich wirken. Denn wenn auch der Quer-
schnitt dieser Hohlräume sich mit der fortschreitenden Querschnitts-
verdünnung des Metallatücks gleichfalls verkleinert, so beeinträchtigen
sie die Festigkeit in dem Verhältnisse ihres eigenen Querschnitts zu dem
totalen ; und ein völliges Verschwinden tritt nicht immer ein.
Hieraus folgt, dass die Art der Metalldarstellung und die etwa schon
vorausgegangene Verarbeitung durch Giessen von nicht geringem Ein-
flüsse auf die Dehnbarkeit ist. Je mehr das Arlieitsverfahren bei diesen
vorausgegangenen Arbeiten die Abscheidung fremder Stoffe gestattet,
und je freier von Hohlräumen das Metall aus dem meistens stattgehabten
Giessprocesse hervorging, desto grösser ist im Allgemeinen seine Dehn-
barkeit. Daher finden wir, dass durch jeden Process, welcher eine solche
Dehnbarkeit und Zähigkeit 325
Abscheidang fremder Körper mit sich bringt, die Dehnbarkeit gesteigert
wird; und dass nnr solche Met^Ue den höchsten Grad der Dehnbarkeit
besitzen, deren Preis ihre Darstellung in grösster Reinheit gestattet
(Gold, Silber) ; dass aber anch bei dem Yorausgehenden Gtiessen die Dehn-
barkeit dnrch solche Kunstgriffe erhöht werden kann, welche die Bildung
von Hohlräumen verhüten (Anwendung eines verlorenen Kopfes; Giessen
unter Druck, beim Neusilber Giessen in grossen Blöcken, die man in
kleinere zertheilt, weil grössere erstarrende Metallmassen aus nahe-
liegenden Gründen relativ weniger Gasblasen suspendirt behalten als
kleinere, u. s. f.).
Da für die Elasticität und Festigkeit der Körper ganz verschiedene
Werthe entfallen, je nachdem dieselben durch Zug oder Druck in An-
spruch genommen werden, so ist auch die Zähigkeit und Dehnbarkeit
f&r beide Fälle eine verschiedene. Im Allgemeinen ist die Dehnbarkeit
der Metalle grösser bei Druck als bei Zug, und es liegt diese Thatsache
zum Theil darin begründet, weil anch die Dimckfestigkeit eine grössere
als die Zerreissungsfestigkeit ist.
So einfach es nun auch auf den ersten Blick erscheinen mag, durch
Gegenüberstellung der Zahlenwerthe für Elasticitätsgrenze und Festigkeits-
modul der Metalle Resultate für die Zähigkeit derselben aufzustellen, so
erhebliche Schwiengkeiten stellen sich doch einer solchen genauen Be-
rechnung entgegen. Denn, wie schon im ersten Abschnitte erwähnt
wurde, liegt die Festigkeit eines und desselben Metalls oft zwischen sehr
weiten Grenzen und ist nicht allein von chemischen und mechanischen
Beimengungen, sondern auch von der vorausgegangenen Bearbeitung ab-
hängig. Noch grösser zeigt sich der Einfluss dieser letzteren auf die
Elasticitätsgrenze der Metalle ; wie unten ausführlieher erwähnt werden
soll, steigt die Elasticitätsgrenze fast immer mit fortschreitender Form-
Veränderung durch äussere Kraft und föllt wieder, wenn der bearbeitete
Körper einer Erhitzung ausgesetzt wird.
Wertheim hat über die Elasticitätsgrenze und Zerreissungsfestig-
keit einzelner Metalle Versuche mit Drähten von 1 Millimeter Duroh-
messer angestellt, deren Ergebnisse in der folgenden Tabelle angegeben
sind und denen wir die Differenzwerthe gegenübergesteUt haben. Die
Versuche wurden sowohl mit frisch gezogenen als mit solchen Drähten
angesteUt, welche nach der Verarbeitung zuvor erhitzt (angelassen)
worden waren.
326 Formgebung durch äussere Kraft.
Ela8ticität.8- Gewicht
grenze beim Zerreissen
Kilogramm Kilogramm
TO.; /gezogen 0^5 2,07
^^^^ \ angelassen 0,20 1,80
„, j gezogen 0,45 2,45
^*°^ [ angelassen 0,20 . 1.70
Gold (gezogen 13,50 27,00
^^^^ \ angelassen 3,00 10,08
ffilW I gezogen 11,25 29,00
"^'^^^"^ \ angelassen 2,75 16,02
Zink ««^T^ ^/^i ^2'^^
[ angelassen 1,00 —
KuDfer (gezogen 12,00 40,30
^ \ angelassen 3,00 30,54
Platin ««^«f " ?KS im
\ angelassen 14,60 23,60
Sofamiedeeisen «^'T" l^'^n ?Ao
l angelassen 5,00 46,88
Gnssstahl ... ««^T'' ^H f ^'^n
\ angelassen 5,0 65,75
Stahldraht . . «^"T'' ^^'^^ ^^'^^
\ angelassen 15,00 40,00
Differenz
Kilogramm
1,82
1,60
2,00
1,50
13,50
7,08
17,75
13,27
12,05
28,30
27,54
8,10
9,00
28,60
41,88
24,40
60,75
27,50
25,00
Hiemach besitzen angelassene Drähte aus Gussstahl und Schmiede-
eisen die bedeutendste Zähigkeit bei der Wirkung durch Zug, ein Ergeb-
niss, welches den Erfahrungen der Praxis entspricht, während manche
andere der gefundenen Verhältnisszahlen kaum durchaus stichhaltig sein
dürften. Man darf jedoch nicht vergessen, dass diese Werthe nur für
Inanspruchnahme durch Zugkraft Geltung haben können, und dass bei
der oben erwähnten Prüfung der Zähigkeit durch Biegen vollständig
andere Werthe in Rechnung treten müssen.
Für die Zerreissungsfestigkeit von 1 Millimeter starken Drähten
giebt auch Earmarsch Werthe i), welche jedoch von den oben mit-
getheilten erheblich abweichen, ein Beweis, wie schwierig es ist, zu nur
annähernd übereinstimmenden Resultaten zu gelangen.
Künzel misst die Zähigkeit der Metalle (insbesondere der Bronze)
durch die Grösse der bleibenden Ausdehnung, welche das Metall erträgt,
ohne zu zerreissen '). Auch auf diesem Wege lassen sich aber nur solche
Metalle vergleichen, deren vorausgegangene Bearbeitung eine ganz
1) Karmarsch, Mechanische Technologie, 5. Auflage, 8. 196.
*) Künzel, üeber Bronzelegirungen, B. 28.
Dehnbarkeit und Zähigkeit. 327
gleiche war, und der Auffindung zuverlässiger Durchschnittswerihe für
alle Metalle stellen sich hier die nämlichen Schwierigkeiten entgegen
als der Berechnung aus Elasticitätsgrenze und Festigkeit.
Noch weniger lässt sich durch Rechnung oder einzelne Versuche die
Dehnbarkeit ermitteln, bei welcher noch die oben erwähnten Neben-
umstände mitwirken. Nur eine grosse Anzahl von Beobachtungen wird
im Stande sein, die Aufstellung einer annähernd richtigen Stufenleiter
der Dehnbarkeit der Metalle zu ermöglichen.
Unter Benutzung einer solchen vonPercy gegebenen Stufenleiter i)
sind in folgender Tabelle die wichtigeren Metalle und Legirungen ihrer
abnehmenden Dehnbarkeit entsprechend geordnet:
Dehnbar durchStossundDruck -«x t i i ^ r,
/TT» Ti xxr ^ \ Dehnbar durch Zug:
(Hämmern, Pressen, Walzen): ^
Gold, Gold,
Silber, Silber,
Kupfer, Platin,
Aluminium, Aluminium,
Phosphorbronze (?), Phosphorbronze,
Messing und Tomback, mit einem Feinkorn eisen und Stahl,
Zinkgehalte bis etwa 30 Proc. Messing und Tomback, mit einem
Neusilber, Zinkgehalte bis 30 Proc.
Zinn, Neusilber,
Platin, Kupfer,
Blei, Nickel (?),
Feinkorneisen und Stahl, Sehniges Schmiedeeisen,
Zink, Gewöhnliche Bronze, mit höchstens
Gewöhnliche Bronze, mit einem 6 Proc. Zinn,
Zinngehalte bis 6 Proc. Zink,
Sehniges Schmiedeeisen, Zinn,
Nickel. Blei.
Einfluss der Temperatur auf die Dehnbarkeit.
Wenn ein Metall erwärmt wird, so verändert sich dadurch seine
Elasticität und seine Festigkeit, und zwar findet fast immer eine Ver-
ringerung des Maasses beider Eigenschaften statt. Gewöhnlich wird
aber die eine derselben in stärkerm Maasse als die andere durch die
Erhitzung beeinflusst, und demzufolge ändert sich alsdann auch die
Dehnbarkeit. Wenn die Elasticität in stärkerm Maasse geschwächt wird
als die Festigkeit, so wird die Dehnbarkeit gesteigert; im umgekehrten
Falle nimmt die Dehnbarkeit ab. Wenn schliesslich die Erhitzung bis
zu einem solchen Grade gesteigert wird, dass Schmelzung eintritt, so
verschwinden beide Eigenschaften ganz.
1) Percy-Knapp, MetaUurgie, Band I, Seite 8.
328 Formgebung durch äussere Kraft.
Viele Metalle nehmen bei der Erhitzung an Dehnbarkeit zu. Hier-
her gehören im Allgemeinen Schmiedeeisen und Stahl, Kupfer, Messing
mit 35 bis 40 Proc. Zink, Bronzen u. a. Beim Zink nimmt die Dehn-
barkeit beim Erwärmen bis auf 150^0. zu, dann aber ra^ch ab und ist
bei 200® soweit verschwunden, dass es sich durch Stossen in Polver yer-
wandeln lässt. Man nennt solche Metalle, welche in der K<e spröde, in
der Wärme dehnbar sind, kaltbrüchig und die betreffende Eigen-
schaft Kaltbruch; solche Metalle dagegen, deren Dehnbarkeit bei der
Erwärmung, insbesondere bei Rothgluht, verschwindet, rothbrüchig und
die betreffende Eigenschaft Rothbruch.
Bisweilen übt eine rasche Abkühlung des auf eine bestimmte Tem-
peratur erhitzten Metalls (z. B. durch Eintauchen in kaltes Wasser) be-
merkenswerthe Einflüsse auf die Dehnbarkeit aus. Sfcahl verliert da-
durch an Dehnbarkeit, Bronze nimmt an Dehnbarkeit zu. Bei dem
erstem liegt der Grund für die Abnahme der Dehnbarkeit höchstwahr-
scheinlich in dem Umstände, dass Kohlenstoff bei plötzlicher Abkühlung
chemisch gebunden bleibt, wie wir es früher auch bei plötzlicher Abküh-
lung flüssigen GusBeisens gesehen haben, das Kohlenstoffeisen aber spröde,
undehnbar ist; bei der Bronze beruht die Zunahme der Dehnbarkeit
durch plötzliche Abkühlong auf der verhinderten Saigerung, durch
welche zinnreichere spröde Legirungen sich selbstständig auscheiden und
dadurch die Gleichmässigkeit der Zusammensetzung und somit auch die
Dehnbarkeit des Ganzen beeinträchtigen.
Aehnlich wie die Bronze, doch in schwächerm Maasse soll sich auch
Kupfer verhalten, wohl in Folge des Umstandes, dass das Gefüge bei
rascher Abkühlong ein feinkörnigeres wird.
Einflüsse chemischer Beimengungen auf die Dehnbarkeit.
Diese Einflüsse sind ungemein zahlreich und nur bei wenigen Me-
tallen in annähernd vollständiger Weise erforscht worden. Oft genügen
sehr geringe Beimengungen eines fremden Körpers, erhebliche Aende-
rungen hervorzurufen; und nicht selten ist der Fall, dass diese Einflüsse
wieder vollständig geändert, auch wohl ganz aufgehoben werden, wenn
ein zweiter fremder Körper zu dem ersten hinzutritt.
Welche Einflüsse beim Eisen durch den Kohlenstoffgehalt hervor-
gerufen werden, ergiebt sich schon aus der früher gegebenen Nomencla-
tur als Gusseisen, Stahl und Schmiedeeisen, unterschieden
durch das Maass des Kohlenstoffgehalts, und ans den über die Dehnbar-
keit dieser Körper gegebenen Mittheilungen. Während das kohlenstoff-
reiche Boheisen gar nicht dehnbar ist, wächst im Aligemeinen die Yer-
arbeitungsfähigkeit durch Zug- und Druckkräfte mit abnehmendem
Kohlenstoffgehalte; d. h. während eine Veränderung der Form und eine
Verdünnung der Querschnitte, so lange die letztere nicht ein gewisses
Maass übersteigt, am leichtesten bei den kohlenstofißlrmsten Eisensorten
Dehnbarkeit und Zähigkeit. 329
in höherer Temperatur ausführbar ist, gelingt die Verdünnung auf die
kleinsten Querschnitte nur bei den Eisensorten mit mittlerm Kohlen-
stoffgehalte (Stahl und Feinkorneisen) in weniger hoher Temperatur,
weshalb wir diese in der obigen Stufenleiter der Dehnbarkeit auch dem
kohlen stoffarmern Eisen (sehniges Schmiedeeisen) vorangestellt haben.
Ein Phosphorgehalt macht das Eisen kaltbrüchig, d. h. verringert
die Festigkeit in der Kälte. Nach Styffe steigert sich durch den Phos-
phorgehalt die Elasticitätsgrenze; die Folge beider Einwirkungen ist die
Abnahme der Zähigkeit und Dehnbarkeit, welche durch praktische Er-
e
fahrungen vielfach bestätigt wird. Nach Akerman liegen bei phos-
phorreichem Eisen Elasticitätsgrenze und Festigkeit oft so nahe bei ein-
ander, dass das Eisen schon in dem Augenblicke bricht, wo die Elasti-
citätsgrenze überschritten ist. '
In massiger Glühhitze verliert sich dagegen diese Einwirkung des
Phosphorgehalts und die Dehnbarkeit nimmt durch einen massigen Phos-
phorgehalt eher zu als ab.
Der erwähnte £^nfluss des Phosphors wächst mit steigendem Eohlen-
stoffgehalte, so dass ein weniger hoch gekohltes Eisen mit demselben
Phosphorgehalte noch völlig brauchbar sein kann, welcher es bei höherm
Kohlenstoffgehalte völlig unbenutzbar macht ^). Ein geringer Mangan-
gehalt scheint den Einfluss des Phosphors abzuschwächen.
Ein Schwefelgehalt macht das Eisen rothbrüchig, verringert aber
die Festigkeit in der Kälte weniger. Der Einfluss ist am stärksten in
dunkler Bothgluth, weniger stark in höherer wie in niedrigerer Tempe-
ratur. Schon ein Gehalt von 0,01 Proc. Schwefel übt einen merkbaren
Einfluss in dieser Hinsicht und ein Eisen mit 0,05 Proc. ist in den mei-
sten Fällen kaum noch verarbeitbar, wenn die Verarbeitung bis zur
dunkeln Rothgluht fortgesetzt wird, wohl aber in heller Bothgluht, wo
nach Akerman ein Schwefelgehalt von selbst 0,1 Proc. noch unschäd-
lich wirken kann.
Silicium verringert die Festigkeit, dadurch auch die Dehnbarkeit in
der Kälte und in höherm Maasse in der Wärme. Nach Mräzek wirkt
ein Mangangehalt des Eisens diesen nachtheiligen Einflüssen des Silioiums
entgegen, so dass ein Eisen selbst mit mehr als 1 Proc. Silicium noch
bearbeitbar sein kann, wenn es daneben noch entsprechende Mengen
von Mangan enthält.
Nach Gautier hat ein Mangangehalt von 1 bis 1,4 Proc. ausser
den soeben erwähnten, die nachtheiligen Einflüsse von Phosphor und
Silicium, vielleicht auch des Schwefels, abschwächenden Einwirkungen
bei kohlenstoffarmen Eisensorten eine Erhöhung der Elasticität und Festig-
keit zur Folge, ohne die Dehnbarkeit zu benachtheiligen, giebt also dem
^) Ein kohlenstofifarmeres Eisen erträgt bisweilen einen Phosphorgebalt bis
zn 0,75 Proc, während ein kohlenstoinreicheres schon durch einen Phospbor-
gehalt von 0,06 Proc. unbenutzbar werden kann.
V
,*
330 Formgebung durch äussere Kraft.
kofalensioficirmeni Eisen ähnliche Eigenschaften als in gewöhnlichen
Fällen ein gesteigerter Eohlenstoffgehalt ^).
üeber die Einflüsse, welche fremde Körper auf die Dehnbarkeit des
Kupfers ansahen, sind yon Hampe eingehende und lehrreiche Unter»
suchnngen angestellt worden ^).
Hiemach verringert ein Gehalt von Kupferoxydul von 0,45 Proc.
(entsprechend 0,05 Proc. Saaersto£f) die Zähigkeit des reinen Kapfers
merklich, nicht aber die Dehnbarkeit (?). Bei 0,90 Proc. Kupferoxydul
(0,10 Proc. Sauerstoff) wird die Dehnbarkeit in der Kälte verringert,
weniger in der Rothgluth. Bei 2,25 Proc. Kupferoxydul (0,25 Proc
Sauerstofif) im reinen Kapfer ist die Dehnbarkeit in der Kälte merklich
verringert; und erst bei 6,70 Proc. Kupferoxydul zeigte sich entschiede-
ner Rothbruch.
Während man früher annahm (Karsten, Percy u. A.), dass metal-
lisches Arsen schon bei einem Gehalte von 0,15 Proc. die Dehnbarkeit
des Kupfers in der Kälte und noch mehr in der Wärme benachtheilige,
erhöht nach Hampe ein Arsengehalt von 0,55 Proc. sogar die Zähig-
keit und Dehnbarkeit in der Kälte, sobald es im metallischen Zu-
stande vorhanden ist, und erst bei einem Gehalte von 1 Proc. zeigt
sich Rothbruch und Abnahme der Dehnbarkeit in der Kälte. Im oxydir-
ten Zustande dagegen macht das Arsen als arsensaures Kupferoxydul
schon bei 0,55 Proc. Arsen (entsprechend 2 Proc. arsensaurem Kupfer-
oxydul) das Kupfer znr Verarbeitung in der Kälte unbrauchbar, in der
Rothgluth schwer bearbeitbar.
Ein Gehalt von Antimon übt ähnliche Einflüsse als Arsen; d. h.
metallisches Antimon erhöht in geringen Mengen die Dehnbarkeit, wäh-
rend antimonsaures Kapferoxydul sie benachtheiligt, jedoch in geringerm
Maasse als die arsensaure Verbindung.
Blei übt auf die Dehnbarkeit des Kupfers höchst nachtheilige Ein-
flüsse und beeinträchtigt dieselbe in höherer Temperatur mehr noch als
in niedriger« Ein Gehalt von 0,4 Proc. Blei macht schon das Kupfer
bei allen Temperataren schwer verarbeitbar, während nach Hampe die-
selbe Menge Blei im oxydirten Zustande weit weniger nachtheilig wirkt.
Ein Gehalt an Wismuth im metallischen Zustande beeinträchtigt
in den kleinsten Mengen die Dehnbarkeit des Kupfers in nachtheüigster
Weise, mehr in der Wärme als in der Kälte. Schon bei 0,05 Proc. Wis-
muth zeigt sich deutlicher Rothbruch, bei 0,1 Proc. ist das Kupfer in
der Hitze unbearbeitbar , in der Kälte nur noch wenig dehnbar. Weni-
ger schädlich wirkt das oxydirte Wismuth, und eine gleichzeitige An-
wesenheit von Antimon schwächt gleichfalls, so lange beide Metalle im
^) Oesterreicbische Zeitschrift für Berg- and Hüttenwesen, Jahrgang 1876,
Seite 380.
^ Zeitschrift für Berg-, Hütten- and Salinenwesen im preossischen Staate,
Band 22, Seite 94 ff.
Dehnbarkeit und Zähigkeit 331
metaUischen Zustande yorfaanden sind, die nachtheiligen Einflüsse des
Wismuths merklich ab, viel betrachtlicber aber, wenn eine Verbindung
als antimonsaures Wismuthoxyd entstanden ist, wobei selbst Mengen
Ton 0,2 Proc. dieses Salaes (enthaltend 0,06 Proc. Wismuth) kaum ver-
ändernd auf die Eigenschaften des Kupfers einwirken.
Zinn unter 1 Proc beeinflusst die Dehnbarkeit des Kupfers nicht
merklich, wohl aber bei steigendem Grehalte, weshalb die Bronzen weni*
ger dehnbar als Kupfer sind. Ein Zinngehalt, welcher 6 Proc. über-
steigt, benimmt der Bronze in Folge der Steigerung der Elasticität die
Dehnbarkeit in der Kälte fast vollständig, in der Rothgluth bleibt sie
verarbeitbar bis zu einem Zinngehalte von 15 Proc. Erst wenn der
Zinngehalt bis über 50 Proc. steigt, zeigt sich wieder etwas Dehnbarkeit,
jedoch, da bei diesem hohem Zinngehalte nunmehr mit der Elasticität
auch die Festigkeit abnimmt, in geringerm Grade als bei den zinnärmeren
Bronzen.
Kupferoxydul und Zinnoxjd beeinträchtigen die Zähigkeit der
Bronze , Phosphor . erhöht sie in beträchtlichem Maasse in Folge dei* Re-
duction der genannten Oxyde. Zufolge der durch Künzel mitgetheilten,
in der Yersuchsanstalt von D. Kirkaldy in London angestellten Zer-
reissungsversuche wurde bei Anwendung alter oxydreicher Bronze,
welche einem Schmelzprocesse unterworfen wurde, die Zähigheit dersel-
ben durch Polen um 40 Proc., durch Phosphorzusatz um 240 Proc.
erhöht ^).
Blei verringert die Zähigkeit und Dehnbarkeit der Kupferzinnlegi-
rungen in ähnlicher Weise wie die des reinen Kupfers; Arsen und Anti-
mon sollen nach Künzel schon in Mengen unter 0,19 Proc. den glei-
chen Erfolg haben, wahrscheinlich ist es nachHampe's oben mitgetheil-
ten Ermittelungen über die Einwirkungen dieser Metalle auf das reine
Kupfer, dass auch hier ihre Oxyde nachtheiliger wirken als die metal-
lischen Körper. Dadurch wäre gleichzeitig ein neuer Grund für die
wohlthätige Wirkung des reducirenden Phosphorzusatzes gefunden.
Zink bis zu 20 Proc dem Kupfer zugesetzt (Tomback) benachtheiligt
die Dehnbarkeit desselben in der Kälte weniger als das Zinn, wohl aber
in der Wärme. Bei mehr als 20 Proc. Zink nimmt die Dehnbarkeit in
der Kälte ab, bei 35 bis 40 Proc. Zink verringert sich dagegen nach
Kar marsch der Rothbruch, und das Metall ist in der Kälte wie in der
Wärme verarbeitbar (schmiedbares Messing); bei mehr als 25 Proc. Zink
verliert sich die Dehnbarkeit in allen Temperaturen, und erst bei einem
Zinkgehalte von mehr als 90 Proc. nähert sich das Verhalten der Legi-
rung mehr und mehr dengenigeu des reinen Zinks.
Kupferoxydul, Blei, Zinn, Arsen, Wismuth, Antimon wirken den
allgemeinen darüber gemachten Erfahrungen zufolge ähnlich auf die
Kupferzinklegirungen als auf reines Kupfer , eingehende Untersuchungen
^) Künzel, op. cit. p. 30.
332 Formgebung durch äussere Kraft«
darüber wurden bislang nicht angestellt. Ein Zusatz von Zink zur
Bronze erhöht nach Künzel Festigkeit und Elasticität derselben, so
lange derselbe weniger als 2 Proc. beträgt; in grösseren Mengen aber
verringert derselbe die Zähigkeit in beträchtlichem Maasse.
Nickel, zum Kupfer oder zu den Kupferzinklegirungen gesetzt,
scheint in ähnlicher Weise wie das Zink allein die Dehnbarkeit des
Kupfers zu beeinflussen, bei gleichen Gewichtsmengen aber in geringerm
Maasse. Ausreichende Ermittelungen liegen auch hierüber nicht vor.
Die Zähigkeit und Dehnbarkeit des Goldes und Silbers wird durch
Legirung mit anderen Metallen, inbesondere mit Kupfer, im Allgemeinen
verringert, und dieser Zusatz wird nur angewendet, um die (Hessbarkeit
und die Wideratandsfähigkeit zu erhöhen, häufig auch zur Yerriogerung
des Preises.
Ein Zusatz von Eisen benachtheiligt die Dehnbarkeit der meisten
Metalle und Legirungeh.
EinflusB der mechanischen Verarbeitung auf die Zähigkeit
und Dehnbarkeit.
Bei vielen Metallen steigert sich, wenn durch Zug- oder Druckkräfte
eine Veränderung ihrer Form, insbesondere eine Verdünnung der Quer-
schnitte hervorgerufen wird, die Elasticität und die Festigkeit, die erstere
aber in höherm Grade und rascher als die letztere. Die Folge davon ist,
dass die Zähigkeit und Dehnbarkeit mit fortschreitender Formverände-
rung abnimmt, und dass schliesslich ein Punkt eintritt, wo Elasticitäts-
grenze und Festigkeitsmodul annähernd gleich sind, die Dehnbarkeit
also verschwunden ist. Je niedriger die Temperatur des Metalls bei der
Verarbeitung ist, desto rascher geht diese Abnahme der Dehnbarkeit vor sich.
Das Metall würde demnach in diesem Zustande ohne Weiteres un-
verarbeitbar sein, wenn uns nicht glücklicherweise die Erfahrung ein
Mittel an die Hand gegeben hätte, ihm die frühere Dehnbarkeit — häufig
sogar eine grössere — zurückzugeben. Erhitzt man nämlich das durch
die Verarbeitung spröde gewordene Metall, so wird dadurch die Elastici-
tät auf ihr ursprüngliches Maass zurückgeführt; die Festigkeit wird
gleichfalls verringert, bleibt aber meistens höher als sie vor der Form-
veränderung war, mithin ist durch diese Erhitzung die ursprüngliche
Zähigkeit entweder wieder hergestellt oder noch gesteigert worden.
Interessant ist die Beobachtung, dass oft schon ein längeres ruhiges
Liegen des bearbeiteten Metalls ohne Erhitzung ausreicht, ihm einen
Theil seiner Sprödigkeit zu nehmen. Wenn Eisendraht gezogen ist, so
besitzt er unmittelbar darauf bisweilen eine solche Sprödigkeit , dass er
schon bricht, wenn man ihn mit freien Händen unter einem stumpfen
Winkel biegt. Derselbe Draht nach mehrwöchentlichem ruhigen Liegen
lässt sich oft ganz zusammenbiegen ohne zu brechen. Die beim Ziehen
des Drahts durch eine enge Oeffnung zusammengepressten Elisentheilchen
Härte. 333
neliinen offenbar bei längerm Liegen mehr und mehr ibre normale Lag^
wieder an, and damit verliert sich mehr und mehr die sogenannte Spanu-
sprödigkeit ').
Jene Eigenschaft, durch fortgesetzte Verarbeitnng an Dehnbarkeit
zu verlieren, kommt fast allen Metallen zu. Vorwiegend ist dieselbe er-
kennbar beim Stahl und Schmiedeeisen, beim Kupfer, bei der Bronze,
beim Tomback und Messing, beim Neusilber, beim Golde und Silber, und,
zwar nm so mehr, je reichlicher die letzteren mit Kupfer legirt sind.
Bei dem Zink steigt die Festigkeit bei der Verarbeitung annähernd
gleichmässig mit der Elasticität nnd macht dadurch ein Erhitzen (Aus-
glühen) während der Verarbeitung unnöthig, dagegen findet dasselbe
nach der Verarbeitung statt, wodurch die Elasticität mehr als die Festig-
keit verringert, die Zähigkeit also gesteigert wird.
Beim Zinn und Blei findet eine Abnahme der Dehnbarkeit durch
die Verarbeitung nicht in solchem Grade statt, dass eine Erhitzung
nöthig würde.
B. Härte.
unter diesem Ausdrucke verstehen wir im Allgemeinen das Maass des
Widerstandes, welchen ein Körper einer bleibenden Aenderung in der
Lagerung seiner Molecüle entgegensetzt. Daher nennt man Härte eben-
sowohl den Widerstand, welchen ein Körper dem Eindringen eines andern
entgegensetzt — so beim Schneiden, Sägen, Bohren, Feilen — , als auch
den Widerstand gegen eine bleibende Formveränderung durch Drnck-
oder Zugkräfte.
Wirken zwei Körper von verschiedenem Härtegrade auf einander,
so wird am meisten der weniger harte Körper in seiner Form geändert.
Die Aenderung ist um so beträchtlicher, je grösser der Unterschied in
dem Härtegrade beider Körper und je grösser die einwirkende Kraft ist.
Die Härte ist häufig der Elasticitätsgrenze der Körper proportional,
so dass Körper, deren Elasticitätsgrenze hoch liegt, auch bedeutende
Härte zeigen. Liegen in diesem Falle auch die Elasticitätsgrenze und
Festigkeit nahe bei einander, so ist der Körper hart und spröde, z. B.
weisses Roheisen, liegt dagegen, wie z. B. beim geglühten Stahle,
zwischen Elasticitätsgrenze nnd Festigkeit noch ein grosser Zwischen-
raum, so ist der Körper hart und z&h.
Aus dieser Erklärung des Begriffs „ Härte ** folgt, dass die Kraft-
wirkung, welche zur Hervorbringung einer bleibenden Formveränderung
aufgewendet werden mnss, in gleichem Verhältnisse zu der Härte des
Körpers steht. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet ist die Härte
eines Körpers fGkr die Verarbeitung desselben durch Druck oder Stoss
^) Jahrbach der Bergakademien seu Leoben, Pvibram und Schemnitz,
Band XXII, Seite 179 (Tanner).
334 Formgebung durch äussere Kraft.
von nicht geringer Wichtigkeit. Eine Platte Blei auf die Hälfte ihrer
Stärke zusammenzudrücken und dadurch in ihrer Flächenausdehnung
entsprechend zu vergrössem, erfordert einen geringern Kraftaufwand als
derselbe Vorgang mit einer Platte Kupfer; denn das Blei ist weniger
hart als Kupfer, es setzt der Formveränderung einen geringem Wider-
stand entgegen.
Die Härte des Metalls ändert sich mit der Temperatur. Alle Me-
talle, deren Uebergang in den flüssigen Zustand nicht plötzlich, sondern
allmälig stattfindet, z. B. Schmiedeeisen und Stahl, verlieren in steigen-
der Temperatur mehr und mehr ihre Härte, werden völlig weich und
beginnen endlich zu fliessen. Es geht hier die Härteabnahme mit der
Verringerung der Elasticität Hand in Hand. Im flüssigen Zustande ist
die Härte gleich Null. Auch bei manchen Metallen, welche plötzlich
schmelzen, nimmt die Härte mit der steigenden Temperatur ab, jedoch
pflegt in diesen Fällen die Härteabnahme weit weniger allmälig und
bis gegen den Schmelzpunkt gering zu sein, wo dann eine plötzliche
A ender ung in dem Härtegrade eintritt.
Je allmäliger demnach der Uebergang aus dem festen in den flüssi-
gen Zustand der Metalle stattfindet, in einen desto weichern, bildsamem
Zustand lässt sich das Metall versetzen« Beim Eisen sinkt der Schmelz-
punkt und der Uebergang tritt um so plötzlicher ein, je mehr der
Kohlenstoffgehalt zunimmt, daher lässt sich kohlenstoflarmes Schmiede-
eisen in einen weichern Zustand versetzen und erfordert in diesem Zu-
stande einen geringern Kraftaufwand zur Verarbeitung als der kohlen-
stoflreichere Stahl.
Einfluss chemischer Beimengungen auf die Härte.
Wie die Dehnbarkeit, so wird auch die Härte durch einen Gehalt
an fremden Körpern erheblich beeinflusst. Während aber die Dehnbar-
keit unter dem Einflüsse dieser fremden Körper häufiger geschwächt als
vergrössert wird, nimmt umgekehrt die Härte durch fremde Bestand-
theile häufiger zu, als ab; und nicht selten ist der Fall, dass man ab-
sichtlich zur Erhöhung der Härte und dadurch der Widerstandsfähig-
keit Metalle mit anderen legirt, wenn auch auf Kosten ihrer Dehnbarkeit.
Bei dem schmiedbaren Eisen steigt, wie erwähnt, die Härte mit
dem Kohlenstoflgehalte , deshalb ist Stahl härter als Schmiedeeisen.
Auch ein Siliciumgehalt macht das Eisen härter. Zur Hervorbringung
von ausnahmsweise grossen Härtegraden legirt man den Gnssstahl in
neuerer Zeit mit geringeren Mengen Chrom oder Wolfram (Chrom bis
2 Proc, Wolfram bis 8 Proc), z. B. wenn es sich darum handelt, Werk-
zeugstahl zur Bearbeitung sehr harter Körper hervorzubringen.
Auf dem Umstände, dass beim schmiedbaren Eisen die Härte mit
dem Kohlenstoflgehalte steigt, beruht das Verfahren der Oberflächen-
härtung oder Einsat zhärtung. Gegenstände, z. B. Werkzeuge,
Härte. 335
welche nnr an der Oberfläche Hartwerden sollen, werden mit Holzkohle oder
noch besser mit Körpern, welche neben Kohle auch Stickstoff enthalten
— thierische Kohle, Homspähne, auch Blntlangensalz als Zusatz — , in
Blechkästen eingesetzt, Theile der Oberfläche, welche nicht gehärtet
werden sollen, zuvor mit Thon überstrichen, und das Ganze nunmehr in
einem Holzkohlen- oder Koksfeuer zur hellen Rothgluth erhitzt. Es tritt
ein Cementationsprocess ein, in Folge dessen das geglühte Eisenstück an
der Oberfläche kohlenstoffreicher und dadurch härter wird. Es wird
dann glühend herausgenommen und in Wasser abgelöscht.
Solche Einsatzhärtung kann aus mancherlei Ursachen zweckmässig
sein. Kohlenstoffarmes Eisen ist nicht allein billiger, sondern auch leich-
ter verarbeitbar als kohlenstoffreicher Stahl, daher kann unter Umständen
die Anfertigung in der beschriebenen Weise bequemer von Statten gehen
als wenn der betreffende Gegenstand von vornherein aus härterm Stahle
gefertigt würde. Vielfach liegt aber auch der Zweck vor, bei einem
Gegenstande die geringere Sprödigkeit des kohlen stoffärmem Eisens mit
der grössern Härte des kohlenstoffreichem zu vereinigen, welche letztere
für viele Verwendungen nur an der Oberfläche vorhanden zu sein braucht,
z. B. bei manchen Werkzeugen u. dergl.
Beim Kupfer steigert besonders ein Zusatz von Zinn die Härte in
bedeutendem Grade.
Dem Golde und Silber giebt man durch Legirung mit Kupfer
eine grössere Härte, dem Blei durch Zusatz von Antimon, dem Zinn
durch Zusatz von Blei, Antimon oder Kupfer.
Geringe Mengen von Eisen erhöhen die Härte fast aller Metalle und
Legirungen.
Einfluss der mechanischen Verarbeitung auf die Härte.
In den meisten Fällen, wo durch die Verarbeitung die Elasticität
eines Metalls gesteigert wird, wächst auch seine Härte, bei dem einen
Metalle in stärkerm, bei dem andern in weniger merkbarem Grade.
Durch Erhitzung geht auch diese Steigerung des Härtegrades wieder
verloren; es folgt aber hieraus, dass bei der Bearbeitung durch Druck,
Stoss oder Zug die Härte sich um so racher steigern wird, in je kälterm
Zustande des Metalls die Bearbeitung stattfand.
Vorzugsweise wichtig und für die praktische Verwendung von Be-
lang ist diese Härtesteigerung beim Stahle. Je kohlenstoffreicher der-
selbe ist, desto rascher nimmt die Härte mit der Elasticität bei der Ver-
arbeitung zu. Selbst wenn die stattfindende Formveränderung eine kaum
noch merkliche ist, lässt sich durch fortgesetzte Bearbeitung — ins-
besondere durch Hämmern — des Stahls im kalten Zustande eine be-
deutende Steigerung jener genannten Eigenschaften hervorrufen. Bei
Anfertigung von Stahlwaaren, welche neben grosser Härte auch grosse
Elasticität besitzen sollen, findet daher dieses Mittel, den in seiner rohen
336 Formgebong durch äussere Kraft.
Form fertigen Gegenstand einer fortgeaetxten Bearbeitung durch Häm-
mern im kalten Zustande zu unterwerfen, yielfache Anwendung, so bei
der Darstellung yon Federn, Sensen, Säbelklingen u. dergL
Bei der Bronxe wirkt der höhere Zinngehalt in ähnlicher Weise auf
die Steigerung der Härte durch Verarbeitung im kalten Znstande wie
beim Stahle der Kohlenstoff. Je höher der Zinngehalt ist, desto rasdier
nimmt die Härte der Bronze mit der Verarbeitung zu, und Bronzen mit
mehr als 6 Proc. Zinn erlangen durch Hämmern sehr bald die Härte des
Stahls. Bei diesen zinnreicheren Bronzen steigert sich aber durch die
Verarbeitung die Festigkeit in weit schwächerm Maaase als die ElastiGi-
tat und die Härte, und die Legirung wird um so schneller ^röde, je
grösser ihr Zinngehalt ist
Eine praktische Verwendung findet die Härtezunahme der «Bronze
durch mechanische Formveranderung bei der Anfertigung der neueren
Brona^^eschütze. In der Geschütsgiesserei zu Luttich werden die ans
Phosphorhronze mit 5 Proc. Zinn gegossenen G^sch&tae durch Schmieden
im kalten Zustande gehärtet, dann durch umgelegte glühende Eiaenringe
an der Aussenflache auf 300 bis 360® erwärmt. Dadurch wird dem
Metalle an dem umfange seine Härte genommen und die gegen dma Zer-
reissen schützende Zähigkeit wieder ertheilt, während in der weniger
erwärmten Creschntzseele die künstlich erzeugte grössere Härte als Sdiutz
gegen Abnutzung zurückbleibt^). Bei d«* Anfertigung der sogmannten
Stahlbronzegeschütze des General t. Uchatius in \¥ien wird das aus
gewöhnlicher Bronze mit B Proc Zinn in der auf S. 206 beechnebe-
nen Weise g^oesene und auf einen geringem als den eigentlichen Durch-
messer ausgebohrte Geschütz durch auf einander folgendes Eintreiben
von sechs Stahlkolben, deren Durchmesser jedesmal etwas grösser als bei
dem Toransgegangenen Kolben genommen wird, allmälig bis auf den
normalen Durchmesser erweitert. Das Durchpressen dieser Kolben ge»
schiebt mit einer starken hydraulisch^i Presse. Durch dieses Pressen
wird die Härte der Bronze innerhalb der Goschützseele beträchtlich ge-
steigert, während das Metall an dem Um&nge in weit unerheblicherm
Grade beeinflusst wird und s^e ursprüngliche Zahigkot behält ').
Einfluss racher Abkühlung auf die Härte.
Schon bei der Besprechung der Formgebung durch Giessen wurde
mehrfach des Einflusses gedacht, welchen eine rasche Wärmeentziehung
auf die Härte der gegossenen Metalle übt. Bei ^nigen steigert sich die
Härte durch rasdie Abkühlung in erheblichem Maasse — Gusseisea — ,
bei andern Terringert sie sich.
1) Kaherea hierübo*: Kanzel, op. cit., Seite 114 ff.
') Vergleich« Dingler's polytechnisches Jontnal, Band 217, Sttte 122;
auch KöDzel, op. <ät^ Seite 117.
Härte. Härten des Stahls. . 337
Aehnliche Einflüsse seigen sich hei den schmiedharen Metallen, und
anter diesen igt wieder der Stahl durch eine ausserordentlich grosse
Empfindlichkeit gegen die Einflüsse der Ahkühlung charakterisirt. Durch
rasche Ahkühlung des auf eine Temperatur yon ca. 500^ C. erwärmten
Stahls wird die Härte desselhen gesteigert und zwar in um so höherm
Grade, je reicher er an Eohlensto£F ist; durch Erwärmung des in solcher
Weise gehärteten Stahls und langsame Ahkühlung wird diese Härte
wieder auf ihr früheres Maass zurückgeführt. Man nennt den in solcher
Weise gehärteten Stahl glashart.
Diese Eigenschaft der Härtharkeit hildet das hauptsächlichste Untere
Scheidungsmerkmal des Stahls von dem Schmiedeeisen, welches letzteres
dieselhe nicht besitzt.
Während durch fortgesetzte Bearbeitung des Stahls im kalten Zu-
stande neben der Härte auch Elasticität und Festigkeit in beträchtlichem
Grade gesteigert werden, wächst durch rasche Abkühlung des heissen
Stahls nur die Härte; die Festigkeit verringert sich, und nähert sich der
Elasticitätsgrenze, der Elasticitätscoefflcient — die erforderliche Kraft
zur Hervorrufung einer vorüber gehenden Formverändernng — wächst,
der Stahl wird äusserst spröde.
Diese durch das Härten erzeugte Sprödigkeit des Stahls ist jeden-
falls zum Theile die Folge einer Spannung, d. h. unnatürlichen Lagerung
der Molecüle, hervorgerufen durch die rasche Abkühlung und Zusammen-
ziehung einzelner Theile, während andere, z. B. die inneren Theile
eines Stahlkörpers, auf welche die Abkühlung erst allmälig wirken kann,
langsamer erkalten.
Eine andere bisweilen eintretende Folge dieser ungleichmässigen
Zusammenziehung beim Härten ist die Entstehung sogenannter Hart-
risse oder Hartborsten an der Oberfläche, welche sogar mit der völli-
gen Abtrennung einzelner Stückchen verbunden sein kann. Sehr häufig
tritt auch ein Krummziehen, Werfen, als Folge ungleichmässiger Ab-
kühlung ein, Vorgänge, die wir auch früher schon bei der Abkühlung
der Metalle nach dem Giessen kennen gelernt haben.
Durch vorsichtiges Erwärmen — Anlassen — des gehärteten, glas-
harten Stahls lässt sich ihm jene übermässige Sprödigkeit, die ihn inr
die Verwendung unbrauchbar machen würde, nehmen, zugleich ver-
schwindet aber auch ein Theil seiner Härte, und bei der Erwärmung bis
zum Glühen und langsamer Abkühlung würden Härte und Sprödigkeit
wieder verschwunden sein. Beschränkt man das Anlassen jedoch auf ein
geringeres Maass, so hat man dadurch ein vortreffliches Mittel in der
Hand, einen Stahl zu erlangen, der bei nicht zu grosser Sprödigkeit
einen bestimmten Härtegrad — abhängig von der Temperatur beim An-
lassen — besitzt. Für die Benrtheilung dieser Temperatur geben uns
nun die an der Oberfläche des Stahls sich beim Anlassen bildenden An-
lauffarben — durch eine geringe fortschreitende Oxydation der Ober-
fläche entstanden — ein bequemes ^Mittel an die Hand, obschon die
üedebnr, mechaiÜBch-inetalliiTgiBohe Technologie. 22
338 FormgebuDg durch äussere Kraft.
Temperatur, bei welcher jene Anlauffarben erscheinen, nicht bei allen
Stahlsorten ganz genau übereinstimmt und man deshalb den Stahl erst
in dieser Beziehung erproben muss. Zuerst erscheint die blassgelbe
Farbe, wird dann dunkler, geht in Rothgelb und dann in Purpurroth über,
dann folgt Violett, Hellblau, Dankelblau, zuletzt Schwarzblau. Sodann
wild der Stahl wieder hellgrau, kurz darauftreten die ersten Anlauffar-
ben noch einmal in der nämlichen Reihenfolge , jedoch nur sehr yorüber-
gehend auf, endlich beginnt das Glühen und der Stahl wird ganz weich.
Nur die erste Reihenfolge der Anlauffarben wird jedoch zum Anlassen
benutzt.
Folgende Tabelle giebt eine ungefähre Üebersicht über die für ver-
schiedene Verwendungen des Stahls benutzten Temperaturen beim An-
lassen und dabei sich zeigenden Anlauffarben:
220^ Celsius blassgelb chirurgische Instrumente,
230^ „ strohgelb Rasirmesser, Federmesser, Grab-
stichel,
2550 „ braungelb
(morgenroth) . . . Scheeren und harte Meissel,
265** „ braun mit Purpur-
flecken Aexte, Hobeleisen, Messer,
277^ „ purpurfarbig . . . Tischmesser,
2880 „ hellblau Säbelklingen, Uhrfedern,
293<^ „ kornblumenblau . feine Sägen, Rapiere, Bohrer, Dolche,
316^ „ schwarzblau .... Hand- und Stichsagen.
Das Härten wie das Anlassen ei-fordem zur Erzielung eines guten
Erfolgs Umsicht und mancherlei Kunstgriffe. Denn da Härtung über-
haupt nur eintritt, wenn der Stahl über eine gewisse Temperatur erhitzt
war (450 bis 500^0.) und rasch unter diese Temperatur abgekühlt wird;
da aber die Härte zum grossen Theile Ton der Schnelligkeit der Ab-
kühlung und diese wieder von verschiedenen Nebenumstauden — Grösse
des Stahlstücks, Wärmeleitungsfahigkeit und Temperatur der Abkühlungs-
flüssigkeit etc. etc. — abhängig ist, so folgt, dass ein zu hoch erhitzter
Stahl sich schwierig, ein zu gering erhitzter Stahl sich gar nicht härten
lassen wird, und dass das Maass der erfolgenden Härte ein sehr ver-
schiedenes sein kann. Die geeignetste Temperatur, auf welche der zu
härtende Stahl erhitzt worden muss, ist Kirschrothgluth , braunrothe
Glühhitze erzeugt oft gar keine Härtung mehr, und eine Erhitzung auf
eine noch geringere Temperatur hat oft den entgegengesetzten Erfolg
als beabsichtigt war; der Stahl wird durch Anlassen weich.
Das gewöhnlichste Mittel zur Wärmeentziehung ist das Wasser, für
geringere Härtegrade benutzt man Fette, Seife, Wachs oder dergleichen;
für stärkere Härtungen Lösungen von Kochsalz, Salmiak und anderen Sal-
zen in Wasser, durch welche man offenbar die Wärmeleitungsfahigkeit
der Härtungsflüssigkeit erhohen will.
Härten des Stahls. 339
Nach Jarolimek^) sind es ausser Temperatur und Wärmelei tnngs-
föhigkeit auch die Wärmecapacität, Hohe des Siedepunkts und die latente
Wärme der Abkühlungsflüssigkeit, welche den Grad der Härtung des Stahls
beeinflussen. Benutzt man nun Wasser als Härtungsmittel und taucht den
selbst nur auf ÖOO^' erhitzten Stahl hinein, so wird in unmittelbarer
Nähe desselben in Folge der Wärmeeausstrahlung sofort eine ununter^
brocbene Dampfbildung eintreten, welche eine directe Berührung zwischen
Stahl und flüssigem Wasser unmöglich macht, so dass eine Wärmeabgabe
durch Leitung nicht, sondern nur durch Strahlung stattfinden kann.
Hieraus folgt, dass die Härtung befördert wird, wenn die gebildeten
Wasserdämpfe rasch abziehen können, um Gelegenheit zu neuer Dampf-
bildung zu geben, also durch rasches Fortbewegen des Stahls im Wasser
und langsames Eintauchen, so dass nur die Oberfläche des Wassers in
Berührung mit dem noch heissen Stahle gelangt.
Ein anderes Mittel ist die Anwendung eines Wasserstrahls, welcher
durch ein Rohr mit Mundstück auf den darunter befindlichen Stahl ge-
richtet wird (Strahlhärtung), und wobei die sich bildenden Dämpfe
durch den vordringenden Wasserstrahl mitgerissen werden.
Wendet man statt eines einzelnen stärkern Wasserstrahls eine An-
zahl feiner aus einer Brause kommenden Strahlen an, so heisst die Me-
thode Spritzhärtung. Hierbei bleibt der ganze Raum zwischen den
Wasserföden zum Entweichen des Dampfs offen. Da dieser Abflussraum
um 80 grösser wird, je geringem Raum das zuströmende Wasser be-
ansprucht, so folgt, dass zur Erzielung der grössten Härte die geringst
zulässige Menge und awar heisses Wasser anzuwenden ist, da kaltes
langsamer verdampft, dadurch in der Nähe der heissen Fläche sich staut
und die Wirkung abschwächt, dass aber auch zweitens ein hoher Druck
des ausfliessenden Wassers Bedingung ist, damit die entstehenden etwas
gepressten Dämpfe überwunden werden.
Ausser diesen von Jarolimek angeführten Gründen für die Wir-
kung der Strablhärtung und Spritzhärtung dürfte nach Ueberzeu-
gung des Verfassers auch der von Karmarsch angeführte, von Jaro-
limek bestrittene Umstand für jenen Erfolg von Bedeutung sein, dass
bei beiden Härtungsmethoden eine augenblickliche directe Berührung der
unter Druck zuströmenden frischen Wassermassen mit dem Stahle stattfindet.
Bei der Schwierigkeit, bei der Spritzhärtung dünne Strahlen mit
hohem Drucke zu erzengen, empfiehlt schliesslich Jarolimek Härten
mit Wasserstaub durch einen der gebräuchlichen Zerstäubnngsapparate,
wodurch rasche Verdampfung und rasches Hinwegreissen der entstehen-
den Dämpfe bewirkt wird, so dass dadurch die Möglichkeit einer ausser-
ordentlichen und — was jedenfalls noch wichtiger ist — einer sehr
gleichmässigen Härte gegeben ist.
1) Oesterreichische Zeitscfarift far Berg- mid Hütten wesen, Jahrgang 1876,
S. 69 ff. (Ueber das Härten des Stahls.)
22*
340 Formgebung durch äussere Kraft.
Wenn es beim Anlassen darauf ankommt, eine recht gleichmässige
Erwärmung des Stahls hervorzurufen, so taucht man ihn wohl, statt ihn,
wie gewöhnlich, im Kohlen feuer zu erhitzen, in ein Bad schmelzenden
Metalls von bestimmtem Schmelzpunkte. Für die Temperatur von 220^
(blassgelbe Anlaufifarbe) benutzt man eine Legirung aus 7 Thln. Blei,
4 Thln. Zinn; für 230<> (strohgelb) aus 8 Thln. Blei, 4 Thln. Zinn; für
2550 (braungelb) aus 14 Thln. Blei, 4 Thln. Zinn; für 265» (braun mit
Purpurflecken) aus 19 Thln. Blei, 4 Thln. Zinn; für 277° (purpurfarbig)
aus 84 Thln. Blei, 4 Thln. Zinn; für 288» (hellblau) aus 48 TUn. Blei,
4 Thln. Zinn; für 293» (kornblumenblau) aus 50 Thhi. Blei, 2 Thln.
Zinn; für 316^ (schwirzblau) aus Blei ohne Zusatz.
Um yiele kleine Gegenstände, z. B. Stahlschreibfedem , mit einem
Male anzulassen, erhitzt man sie auf einem Eisenbleche oder in einer um
ihre Achse gedrehten Eisentrommel, bis sie die gewünschte Anlauffarbe
erhalten haben.
Hat der Stahl eine bestimmte Wärme angenommen, so ist es un-
erlässlich, ihn sofort abzukühlen, damit nicht der Process des Anlassens
weiter als beabsichtigt war fortschreitet; denn auch wenn der Stahl sofort
von der Wärmequelle entfernt wird, verursacht doch die ihm noch inne-
wohnende Wärme das Erscheinen der nächstfolgenden Anlauffarben, und
der Stahl verliert mehr an Härte als beabsichtigt war. Er wird also
abermals in Wasser abgekühlt. Eine nochmalige Härtung kann dadurch
nicht eintreten, weil der Stahl in keinem Falle so hoch erhitzt war als
erforderlich ist, um durch Wärmeentziehung Härtung hervorzurufen.
Jarolimek schlägt vor, zur Umgehung des Anlassens dem Stahle
von vornherein eine geringere Härte zu geben,
erstens, indem er überhaupt langsam abgekühlt wird, oder
zweitens , indem er anfanglich bis auf 400^ rasch , dann langsam
gekühlt wird.
Diese letztere Wirkung soll man erhalten, wenn man den glühenden
Stahl in ein Metallbad mit einem Schmelzpunkte unter 400^ (z. B. Blei)
eintaucht. Bei der grossen Wärmeleitungsfahigkeit des Metalls wird dem
Stahle rasch so viel Wärme entzogen, dass er unter jene Grenztemperatur
abgekühlt wird, mithin Härtung erfolgt, andererseits verhindert aber die
hohe Temperatur des Härtungsmittels die Erhärtung bis zur Glashärte
und bewirkt also gewissermaassen ein gleichzeitiges Anlassen.
In der Praxis haben jedoch diese Mittel, das Anlassen entbehrlich
zu machen, sich bis jetzt kaum als durchaus zuverlässig bewährt, und
wenn es auch in einem Experimente gelingt, in solcher Weise einen
Stahl von gewünschten Eigenschaften zu erhalten, so dürfte doch in den
meisten Fällen der Praxis der nur wenig umständlichere und immerhin
zuverlässigere Weg des Anlassens vorzuziehen sein.
Es verdient noch Erwähnung, dass durch das Härten des Stahls das
specifische Gewicht desselben verringert, das Volumen also vergrössert
wird. Bei Gegenständen, die nach dem Härten genau vorgeschriebene
( o
Härten und Anlassen. 341
Abmessungen besitzen sollen, ist dieser Umstand beachtnngswortb , denn
man muss sie von vornberein um so viel kleiner machen, als die Zn-
nabme des Volumens beim Härten beträgt. Diese Zunahme ist, wie
auch die Härtung, nicht bei allen Stahlsorten die nämliche. Caron ver-
minderte durch dreissig auf einander folgende Härtungen das specifische
Grewicht von 7,817 auf 7,743, was einer Zunahme des Volumens von
0,95 Froc. entspricht; nach Riebe' s Versuchen verminderte sich das spe-
cifische Gewicht durchschnittlich von 7,841 auf 7,740 , wobei also das
Volumen um 1,30 Proc. sich vergrösserte ^). Nach Earmarsch beträgt
die Volumenvergrösserung 0,3 bis 4,16 Proc, nach den meisten Beobach-
tungen durchschnittlich 1,5 Proc, was den Ermittelungen von Riebe
annähernd entspricht. Die einzelnen Abmessungen des Arbeitsstücks
würde man demnach bei der Anfertigung um durchschnittlich 0,5 Proc.
oder Y200 kleiner zu nehmen haben als sie nach dem Härten werden sollen ^).
Durch das Anlassen des gehärteten Stahls wird das specifische Ge-
wicht wieder auf annähernd das ursprüngliche Maass zurückgeführt.
Das specifische Gewicht der von Riebe benutzten Stahlstäbe betrug nach
dem Anlassen durchschnittlich 7,831.
Wie eine rasche Wärmeentziehung im glühenden Zustande bei der
Bronze hinsichtlich der Dehnbarkeit den umgekehrten Erfolg hervorruft
als beim Stahle , so auch hinsichtlich . der Härte. Glühende Bronze im
Wasser abgelöscht wird weicher. Man nennt daher in Rücksicht auf
diese übereinstimmende Wirkung entgegengesetzter Verfahrungsweisen
das Ablöschen der Bronze Anlassen. Das specifische Gewicht der Bronze
vergrössert sich demgemäss bei rascher Abkühlung, und zwar bei den
zinnreichen Bronzen stärker als bei den zinnärmeren Geschützbronzen, wo
diese Wirkung des Ablöschens nur unerheblich ist.
G. Schweissbarkeit und Adhäsionserscheinungen.
Sofern die Schweissbarkeit der Metalle ein Mittel ist, zwei oder
mehrere in ihrer rohen Form bereits fertige Theile mit einander zu
einem Ganzen zu verbinden, bildet sie eine Arbeitseigenschaft für die
Vollendungsarbeiten, welche den Gegenstand des dritten Abschnitts die-
ses Buches bilden werden. Da aber auch bei der rohen Formgebung
durch Druckkräfte nicht selten der Fall vorkommt, dass formlose Metall-
stücke — Abfalle bei anderen Arbeiten, Ausschussstücke und dergleichen —
während der Formgebung selbst vermöge ihrer Schweissbarkeit zu einem
Ganzen vereinigt werden, und da ferner bei der rohen Formgebung so-
gar Fälle vorkommen, wo Metalle verschiedener Art durch die Wirkung
der Schweissbarkeit — es sei dieser Ausdruck auch für diesen Vorgang
1) Annales de Chimie et Physique, 4 s^rie, t. XXX, p. 351; Dingler 's
Polytechnisches Journal, Band 213, Seite 348.
^ Vergleiche die Beziehungen zwischen linearen und cuhischen Schwin-
gungsooef&cienten Seite 95.
342 Formgebung durch äussere Kraft.
gestattet, da leider eine genauere Bezeichnung der betreffenden Eigen-
schaft fehlt — zu einem Ganzen vereinigt werden, so ist es unerlässlich«
die Besprechung dieser wichtigen Eigenschaft schon hier einzureihen.
Wie schon früher erwähnt, besteht zwischen den Atomen eines
festen Körpers eine Anziehungskraft, welche den Zusammenhang des
Körpers sichert und Cohäsionskraft genannt wird. Diese Cohäsionskraft
verliert ihre Wirkung, wenn durch irgend eine äussere Ursache eine
Entfernung der Atome von einander über ein gewisses Maass hinaus her-
vorgerufen wird, es tritt alsdann Bruch oder Zerreissung an der Stelle
ein, wo diese Entfernung oder Trennung stattfand. Bei vielen — viel-
leicht bei allen Körpern — tritt aber die Cohäsionskraft wieder in Wir-
kung, wenn es möglich ist, zwischen den getrennten Atomen wieder eine
Annäherung in gleichem Maasse herbeizuführen, als sie während des un-
getheilten Zustandes bestand.
Es darf sich jedoch diese Annäherung nicht auf einzelne wenige
Atome der getrennten Körper beschränken, sondern muss begreiflicher-
weise zwischen den sämmtlichen Atomen zweier sich berührenden Flächen
eintreten , wenn die dadurch hervorgerufene Cohäsion wahrnehmbar
und insbesondere, wenn sie deijenigen Cohäsion gleich werden soll,
welche zwischen den Atomen des ungetheilten Körpers besteht.
Der Aufgabe, eine Annäherung in dem soeben beschriebenen Grade
herbeizuführen , stellen sich jedoch mancherlei Schwierigkeiten entgegen,
die in vielen Fällen unüberwindlich sind. Denn erstens ist dazu er-
forderlich, dass die zu vereinigenden Flächen mathematisch genau auf
einander schliessen. Selbst wenn aber die zu vereinigenden Körper vor-
her aus einem Ganzen bestanden, welches durch äussere Kräfte getrennt
wurde, findet ein solches genaues Aufeinanderschliessen nicht mehr statt;
durch die trennende Kraft treten gleichzeitig Formveränderungen beider
Theile ein, in den meisten FäUen sogar Entfernung kleiner Theilchen
an der Trennungsfläche als Splitter oder Späne, und durch diese Vor-
gänge nehmen die Berührungflächen Gestaltungen an, welche nicht mehr
genau einander entsprechen, wenn auch das Auge oft nicht im Stande
ist, die Unterschiede wahrzunehmen.
Ein zweites Hinderniss für die erforderliche Annäherung der Atome
sind die chemischen Aenderungen, die unter dem Einflüsse der atmo-
sphärischen Luft vielfach an der Aussenfläche der Körper sich vollziehen.
Vorzugsweise häufig werden unter allen Körpern die Metalle von dieser
Einwirkung betroffen, und, wie auch früher besprochen wurde, sind es
sehr wenige derselben, welche nicht von irgend einem constituirenden
oder zufalligen Bestandtheile der atmosphärischen Luft chemisch be-
einflusst werden. Sobald aber die Atome der Oberfläche eines Körpers
in solcher Weise neue Gruppirung annehmen, müssen auch ihre Bezie-
hungen zu den unverändert gebliebenen andere werden, und in allen
Fällen bilden sie in ihrer neuen Grnppirung eine fremde Schicht, welche
die Annäherung der zu vereinigenden Atome hindert.
Schweissbarkeit nnd Adhäsionserscheinungen. 343
Drittens ist es in einem hohen Grade wahrscheinlich, dass auch die
GashüJle, mit welcher jeder feste Körper sich nmgieht, von welcher er
an seiner Oberfläche gewisse Mengen verdichtet, erschwerend für die
Annäherung der Atome wirkt. Eine solche Gashülle, besonders im ver-
dichteten Zustande, muss genau so wirken und die Annäherung ver-
hindern wie ein fremder anderer Körper, und nicht immer dürfte es mög-
lich sein, diese Gashülle zu entfernen.
Das erstgenannte Hinderniss der Vereinigung würde in Wegfall
kommen, wenn man im Stande wäre, zwei genau auf einander passende
Flächen herzustellen. Am leichtesten würde dieses durch zwei vollstän-
dig ebene Flächen zu erreichen sein , aber selbst die mit dem höchsten
Grade der Vollendung geschliffene Fläche irgend eines Körpers ist nie-
mals mathematisch eben, 43ondern besitzt Erhöhungen und Vertiefungen,
die sich mit unseren mechanischen Hülfsmitteln nicht mehr beseitigen
lassen. Trotzdem tritt bei der Berührung sehr glatter Flächen gleich-
artiger Körper bisweilen schon wahrnehmbare Cohäsion ein. Legt man
zwei Spiegelscheiben auf einander, so verbinden sie sich oft so fest, dass
eine Trennung ohne Zerbrechen kaum möglich ist.
Ist der betreffende Körper jedoch durch Druck dehnbar genug
— bildsam — , so hat man dadurch ein leichteres Mittel zur Herstellung
zweier genau auf einander schliessender Flächen, indem man nämlich
die beiden Hälften so fest auf einander drückt, dass die Berührungsstellen
genau correspondirende Form annehmen. Zwei Stückchen Wachs oder Pech
werden in dieser Weise mit einander verbunden. Zwei Stücke Blei, mit
metallisch reiner Oberfläche auf einander gelegt und gehämmert, lassen sich
gleichfalls verbinden. Die Verbindung wird natürlich unmöglich, wenn
der betreffende Körper eher zerdrückt wird, als er eine entsprechende
Formveränderung annimmt. Bei einigen Körpern ist es deshalb nöthig, sie
durch Erhitzung zuvor in einen dehnbarem, bildsamem Zustand zu
versetzen ^). Hierher gehört Glas , welches sich bekanntlich in dem wei-
chen Zustande, welchen eine starke Erhitzung hervorruft, sehr leicht ver-
binden lässt, unter den Metallen vorzugsweise das schmiedbare Eisen, auch
Kupfer, Platin, Gold und andere. Je kohlenstoffarmer das Eisen ist, eine
desto höhere Erhitzung erträgt es, in einen desto bildsamem Zustand
lässt es sich versetzen, bevor Schmelzung eintritt. Deshalb ist kohlen-
stoffarmes Schmiedeeisen im Allgemeinen leichter schweissbar als kohlen-
stoffreicher Stahl. Ersteres wird am besten in heller Weissgluth ge-
schweisst, letzterer in Rothgluth, welche um so dunkler ist, je höher der
Kohlenstoffgehalt. Der kohlenstoffreichste Stahl — mit ca. 2 Proc. Kohlen-
stoff und darüber — ist nicht mehr oder doch nur noch mit grösster
^) Es darf wohl die Vermuthung ausgesprochen werden, dass diese Er-
hitzung neben der Veränderung des Aggregatztistandes auch auf die einschliea-
sende verdichtete Gashülle des Körpers einwirkt, dieselbe verflüchtigt oder
mindestens verdünnt und auch dadurch das Gelingen des Schweissens befördert.
344 Formgebung durch äussere Kraft.
Vorsicbt ecbweissbar. Den Wärmegrad, bei welcbem Scbweissung des
Eisens möglich ist, nennt manSchweiBsbitze. Platin erfordert stärkste
Weissglatb um gescbweisst zu werden, Kupfer, dessen Scbweissung bis-
her der Schwierigkeit der Darchfübrung halber verbaltnissmässig wenig
Anwendung gefunden hat^ jedenfalls helle Rotbglutb.
Das zweite Hinderniss der Verbindung durch Schweissen — die
Entstehung chemischer Verbindungen, meistens Oxydationsproducte an
der Oberfläche — lässt sich bisweilen durch mechanische Reinigung der
letzteren vermittelst Schabens, Feilens und dergleichen beseitigen. Schwie-
riger ist die Beseitigung, wenn die Metallstücke zu dem Zwecke der Ver-
einigung erhitzt werden müssen und diese Erhitzung einen neuen Oxyda-
tionsprocess hervorruft. Eisen, im erwärmten Zustande der atmosphäri-
schen Luft ausgesetzt, überzieht sich augenblicklich mit einer Decke von
Oxyduloxyd, Hammerschlag genannt, welche die Vereinigung hindert.
Eine mechanische Reinigung der Oberfläche würde keinen Erfolg haben,
weil der üeberzug sich schon wieder gebildet haben würde, bevor die Ver-
einigung bewirkt werden kann. Die enstandenen Oxyde müssen deshalb
aus der Fuge zwischen beiden Stücken herausgequetscht werden, wäh-
rend man die Stücke behuf ihrer Vereinigung an einander presst, so dass
derselbe Druck, welcher die Verbindung bezweckt, auch die Entfernung
jener Oxyde bewirkt, und der Zutritt atmosphärischer Luft zu der Ver-
bindungsfuge völlig abgehalten ist. Damit jenes Herausquetschen mög-
lich werde, müssen die gebildeten fremden Körper sich begreiflicher Weise
in einem dünnflüssigen Zustande befinden, und von diesem Herausdrücken
der eingelagerten Oxyde in Tropfenform rührt jedenfalls der Ausdruck
Schweissen her. Eisenoxyduloxyd aber ist an und für sich schwer
schmelzbar und dickflüssig. Man muss also vor der Vereinigung durch
Bestreuen der Oberfläche mit einem geeigneten fremden Körper das
Oxyduloxyd in eine Verbindung überführen, welche jene Eigenschaft der
Leichtflüssigkeit besitzt. Diese zum Bestreuen der Oberfläche für den
genannten Zweck benutzten Körper sind die sogenannten Scbweisspul-
ver. Das üblichste derselben ist feiner Quarzsand (Kieselsäure), mit
den Eisenoxyden zu einem Silicate, einer wirklichen Schlacke, zusammen-
schmelzend. Statt der Kieselsäure wird auch Borsäui'e benutzt. Da die
Schlackenaberum so leichter schmelzbar zu sein pflegen, eine je grössere
Anzahl basischer Bestandtheile in ihnen neben einander vertreten sind,
so fügt man ausser den genannten Säuren nicht selten dem Eisenoxydul-
oxyd noch eine zweite und dritte Base hinzu und benutzt hierzu Glas,
Potasche, Kochsalz, Schwerspath, Flossspath, Braunstein, Borax und
andere. Solche Zusätze sind besonders beim Schweissen des Stahls üblich
in Rücksicht auf die niedrigere Schweisstemperatur desselben. Auch
setzt man beim Schweissen des Stahls bisweilen Körper zu, welche offen-
bar den Zweck haben, einer Entkohlung desselben vorzubeugen, also koh-
lenstoffhaltige Verbindungen. So empfiehlt Karmarsch zum Schweissen
von Stahl auf Eisen eine Mischung von
Schweissbarkeit und Adhäsionserscheinimgen. 345
Borsäure 36,6 Theile,
Kochsalz 30,1 „
Blutlaugensalz 26,7 „
Colophoniam 7,6 ,
oder zum Seh weissen von Stahl aaf Stahl:
Borsäure 41,5 Theile
Kochsalz 35 „
Blutlaugensalz 15,5 „
Calcinirtes kohlensaures Natron. .8 , u. a. m.
Wie das Eisen, so überzieht sich auch das Kupfer in Glühhitze an
der Luft rasch mit einer Hülle yon oxydirtem Metalle. Eine Yer-
Bchlacknng durch Kieselsäure würde hier unzureichende Resultate geben,
wohl aber gelingt die Entfernung durch Lösung in einem leichtflüssigen
Salze. Rust empfiehlt als vorzüglich geeignetes Schweisspulver zum
Schweissen des Kupfers phosphprsaures Natron- Ammoniak (das Phosphor»
salz bei Lothrohranalysen), oder eine Mischung von 35,8 Thln. phosphor-
saurem Natron mit 12,4 Thln. Borax ^).
Das erwähnte dritte Hindemiss für die Schweissung, die den Körper
umgebende und theilweise verdichtete Gashülle, wird der schon oben aus*
gesprochenen Yermuthung zufolge höchstwahrscheinlich durch Erhitzung
entfernt oder verringert. Die Ermittelungen über das Vorhandensein
dieser GashüUe, über das Maass ihres Auftretens, über die Umstände,
welche ihre Gegenwart begünstigen oder erschweren, sind jedoch noch
so unvollkommener Natur, dass es unmöglich ist, bestimmte Schlüsse
für die Einwirkung derselben auf das Gelingen des Schweissens zu ziehen.
Statt den Vorgang beim Schweissen einfach auf die Wirkung der
Cohäsionskraft zurückzuführen, hat man vielfach höchst künstliche Er-
klärungen dafür gesucht, indem man allein die Schweissbarkeit des
Eisens ins Auge fasste und ausser Acht liess, dass dieselbe Eigenschaft
in oft noch höherm Grade zahlreichen anderen metallischen und nicht-
metallischen Köi-pem zukommt, von welchen wir bereits oben einige er-
wähnten. So glaubt Scheerer das Schweissen einer Reduction des ge-
bildeten Eisenoxyduloxyds durch den Kohlenstoff des Eisens zuschreiben
zu sollen, wobei das entstehende kohlenstofffreie Eisen ein Bindemittel
zwischen den Berührungsflächen bilde; Jordan hält das Schweissen für
eine dem Frieren des Wassers ähnliche Erscheinung und vergisst, dass
bei dem Schweissen ein Uebergang aus dem flüssigen in den festen Zu-
stand gar nicht stattfindet'); Williams räumt der durch die Reibung
^) Bayerischea KnD8i> und Gewerbeblatt, Jahrgang 1868; Seite 527.
*) Bas von Jordan als Analogon für das Schweissen angefahrte Formen
von Schneebällen bei eintretendem Thauwetter beruht auf der Yermischang
fester Körper, der Eiskrystalle , mit einer Flüssigkeit, ähnlich wie Formsand
durch Befeuchten mit Wasser, Kitt durch Befeuchten mit Glycerin bildsam
wird, hat also mit dem Schweissen keine Aehnlichkeit.
346 Formgebung durch äussere Kraft
nnd den Druck an den Berührungsflächen erzeugten Wärme, wodurch
eine augenblickliche Flüssigmachung hervorgerufen wurde, einen Einfluss
ein und Wedding scheint sich dieser Ansicht anzuschliessen ^). Auch
diese Ansicht ist jedoch viel zu gekünstelt, um wahrscheinlich zu sein,
abgesehen davon, dass der zur Hervorrufung des Schweissens beim
Eisen und anderen Körpern factisch erforderliche Druck viel geringer
zu sein pflegt, als dass er eine solche Wärmeerzeugung zur Folge haben
könnte, und Williams selbst findet, dass die einfachere Erklärung die
bessere sei.
Wenn bisher nur derjenige Fall ins Auge gefasst wurde, wo zwei
Stücke eines und desselben Metalls zu verbinden waren, so ver-
dient es nicht minder Erwähnung, dass in ganz ähnlicher Weise
und auf ähnlichen Ursachen beruhend auch verschiedenartige Körper
eine Verbindung mit einander gestatten. Der Physiker nennt in diesem
Falle die thätig werdende Anziehungskraft nicht mehr Cohäsion, sondern
Adhäsion. Gewöhnliche Beispiele von nichtmetallischen Körpern für diese
Adhäsion geben Wachs, Pech, Siegellack und andere, welche an gewissen
anderen Körpern so fest adhäriren können, dass sie eher eine Trennung
ihrer eigenen Moleküle gestatten als an der Verbindungsstelle. Eine
ähnliche Fähigkeit zeigen gewisse Metalle unter einander, und man be-
nutzt diese Eigenschaft derselben zu dem sogenannten Plattiren,
einem Ueberziehen eines weniger werthvoUen Metalls, meistens Kupfer,
mit einem Edelmetalle (Gold, Silber, Platin) durch einfache Adhäsion,
wobei eine ebenso feste Verbindung beider Metalle entsteht, als bestän-
den sie aus einem einzigen Stücke desselben Metalls.
Die Hindemisse für die Entstehung einer solchen mechanischen Ver-
bindung zweier Metalle und die Bedingungen, welche demgemäss zur
Hervorbringung einer solchen Verbindung erfüllt werden müssen, sind
im Wesentlichen die nämlichen wie bei der Verbindung gleichartiger
Metallstücke durch Schweissen. Als Hauptbedingungen gelten auch hier
ausreichende Dehnbarkeit zur Ermöglichung eines dichten Zusammen-
pressens, und metallisch reine Oberfläche. Erstere wird durch mög-
lichste Reinheit der zu verbindenden Metalle von fremden, ihre Dehnbar-
keit beeinträchtigenden, Körpern und durch Erhitzung wie beim
Schweissen befördert, die Reinheit der Oberfläche durch mechanische
und chemische Hülfsmittel hervorgerufen. Die Vereinigung wird beför-
dert, wenn man die Berührungsfläche des leichter oxjdirbaren Metalls
vor der Erhitzung auf chemischem Wege mit einer dünnen Schicht des-
jenigen Metalls überzieht, mit welchem die Vereinigung bewirkt werden
soll. So giebt man dem Kupfer durch Bestreichen mit einer Lösung von
salpetersaurem Silber einen schwachen Silberüberzug, von Goldchlorid
einen Goldüberzug, von Platinchlorid einen Platinüberzug, und entfernt
dann die Lösung durch Abwaschen und Trocknen. Zur Vermeidung
') Weddiog, DarsteUung des schmiedbaran Eisens Seite 699.
Plattiren. 347
der Oxydation werden die zn verbindenden Flächen yor der Erhitzung
dicht auf einander gelegt und später durch Druck wie beim Schweissen
▼ereinigt.
Ausser den genannten Metallen werden auch Zinn und Blei mit ein-
ander auf solche Weise, jedoch ohne Erhitzung, vereinigt. Die vereinig-
ten Metalle werden in allen Fällen einer gemeinschaftlichen Querschnitts-
verdünnung (Verarbeitung zu Blechen und Drähten) unterworfen und
dienen dann erst als Zwischenproducte für die Anfertigung von Ge-
brauchsgegenstän den.
Literatur über die Arbeitseigenschaften der Metalle hinsicht-
lich ihrer Verarbeitung durch mechanische Kräfte.
Ausser den schon gegebenen Citaten:
Karmarsch-Hartig, Mechanische Technologie, 1 Bd., S. 7, 9 bis 14,
35, 47, 52, 60, 66, 71, 140, 158, 186, 194 bis 199.
Hoyer, Mechanische Technologie, S. 127 ff. (Theorie der Dehnbarkeit).
Mnspratt-Kerl, Chemie, Bd. lU, Artikel Kupfer und Legirungen (Dehn-
barkeit und Harte).
Wagner, Die Metalle und ihre Verarbeitung.
Wedding, Darstellung des schmiedbaren Eisens, S. 696 (Schweissen).
Percy, Metallurgie, I Bd., deut43ch von Knapp, S. 6 bis 10.
Kerl, Metallurgie, Bd. Ul, 8. 583, 749.
Kerl, Grundriss der Eisenhüttenkunde, 8. 448 (Härt^ und Anlassen
des Stahls).
Kerpely, Fortschritte des Eisenhüttengewerbes, Bd. VllI bis X, 8. 587
(Härten).
2. Die ErMtziing der Metalle.
Aus der Besprechang der Arbeitseigenschaften der Metalle geht her-
vor, dasB die Erhitzung derselben einen doppelten Zweck verfolgen kann:
entweder soll das Metall für die Arbeit der Formverändemng selbst
erhitzt und dadurch in einen weichem und dehnbarem Zustand ver-
setzt werden;
oder es soll demselben die bei der bereits vorgenommenen Form-
veränderung entstandene Härte und Sprödigkeit durch das Erhitzen
wieder genommen und es dadurch zu weiterer Verarbeitung tauglich
gemacht werden.
Ist die Querschnittsverdünnung eine bedeutende und das Metall
geneigt, seine Dehnbarkeit zu verlieren, so ist nicht selten eine zwei-,
drei- und mehrmalige Unterbrechung der Arbeit zum Zwecke der Er-
hitzung erforderlich.
Jenachdem die Metalle eine directe Berührung mit dem Brenn-
stoffe vertragen «oder von jeder Berührung desselben ausgeschlossen wer-
den müssen, sowie nach Form und Grösse der zu erhitzenden Metall-
stücke unterscheidet man eine Anzahl verschiedener Constructionen der
Erhitzungsapparate, die sich im Wesentlichen in drei Hauptgruppen
sondern lassen.
Erste Gruppe. Schmiedefeuer.
Als Erhitzungsapparat dient ein kästen- oder rinnenförmiger Be-
hälter mit dem stückförmigen Brenn materiale gefüllt, welches das
Arbeitsstück umgiebt. Die Verbrennung erfolgt durch Gebläsewind,
welcher durch eine Oeffnung (Windform) am Boden oder an einer Seite
zugeführt wird. Zur Bequemlichkeit des Arbeiters ist die Oberkante
des Feuers 750 bis 900 Mm. über den Erdboden erhöht und das ganze
Feuer demnach in einen gemauerten oder gusseisernen Herd eingebaut
Die kleineren Schmiedeherde erhalten nur ein Feuer, grössere zwei bis
vier, deren Verbrennungsproducte gewöhnlich durch eine gemeinschaft-
liche darüber angebrachte Schmiedeesse entweichen.
Es folgt aus dieser allgemeinen Einrichtung der Schmiedefeuer von
selbst, dass sie einestheils nur zum Erhitzen von Metallstücken sich eig-
nen, deren Querschnitt und Länge nicht allzu beträchtlich sind, weil mit
Schmiedefeuer. ' 349
der Grösse derselben die Schwierigkeit wftchst, eine gleichm&ssige Er-
hitzung hervorzubringen, und dass andemtheils nur solche Metalle zum
Erhitzen in Schmiedefeuem geeignet sind, welche durch die Berührung
mit dem Brennmateriale keine chemische Veränderung erleiden. In der
That bedient man sich der Schmiedefeuer fast nur zum Erhitzen von
Schmiedeeisen und Stahl und benutzt als Brennmaterial für ersteres
Steinkohlen, für letzteren Holzkohlen.
Fig. 267 stellt ein gewöhnliches Schmiedefeuer mit gemauertem
Herde dar^). Es ist hier Ä ein hohler
Raum unterhalb des Feuers, zur Erspa-
rung von Baumaterial angelegt und sehr
zweckmässig zur Aufbewahrung von
Kohlen benutzt. F ist die Feuergrube
von feuerfesten Steinen eingefasst, ge*
wohnlich 200 bis 400 Mm. lang und
breit, 100 bis 150 Mm. tief, B eine
Brandmauer, d ist die Windform, auch
Esseisen genannt, d. h. die gusseiseme
Hülse, in welcher das conische Endstück
der Windleitung mündet und durch
welche der Gebläsewind in das Feuer
geführt wird, g ist ein aus Eisenblech
gefertigter Rauchfang zum Auffangen der Yerbrennungsproducte, welche
von hieraus nach der Esse e entweichen. L ist der bei keinem Feuer
fehlende Lösch trog, ein eiserner mit Wasser gefüllter Behälter, auf
einem Vorsprunge der Herdmauerung ruhend, zum Ablöschen der ge-
schmiedeten Gegenstände und zu anderen Zwecken dienend, m ist ein Raum
unterhalb des Löschtrogs für die aus dem Feuer gezogenen Schlacken,
welche über den Herd hin weggezogen und durch den senkrechten Canal
nach unten geworfen werden. Die obere Fläche des Herdes wird zum
Schutze gegen Beschädigungen des Mauerwerks zweckmässig mit guss-
eisernen Platten abgedeckt.
Enthält der Schmiedeherd mehr als ein Feuer, so vereinigt man
dieselben unter einem gemeinschaftlichen Rauchfange, zwei Feuer ord-
net man gewöhnlich in solcher Weise neben einander an, dass die Rich-
tungen der einströmenden Gebläseluft parallel laufen, mehr als zwei
Feuer legt man nicht selten kreisförmig um die in der Mitte stehende
Esse.
Die Form (Windform) hat meistens eine kreisrunde, seltener eine
halbkreisförmige Oeffnung zum Ausströmen des Windes, welche sich nach
hinten conisch erweitert. Zum Schutze gegen die Hitze versieht man
die Schmiedeform nicht selten mit einer Wasserkühlung. Zu diesem
Zwecke ist sie hohl gegossen und man lässt den Wasserstrom ähnlich
') Nach Hoyer, Mechanische Technologie, Seite 136.
350 Schmiedefeuer.
wie bei Bocbofenformen in der Höhlung circnliren , darcb einen Rohr-
Btntzen ein-, ilaroli einen zweiten ausströmen, oder man wählt eine Ein-
richtung wie in Fig. 268 skizzirt iat, wo das Wasser den Ranm zwischen
Fig. 268. Form und BQse ansfilllt, auf diese Weise auch die letz-
tere kohlend i).
Der vordere DurchmesBer der Form im I.iohten
pflegt bei den kleineten Feuern 10 bis 15 Um. zn sein
nnd bei den grössten höchstens 30 Mm. zu betragen.
Fflr langgestreckte Fener aum Erhitzen langer
Stangen bringt man bisweilen mehrere Formen neben
einander an, seltener ist die Anwendung zweier gegen-
aberliegend er Formen, nm auf starke Stücke von beiden
Seiten Hitze zn geben, denn die Hinübertegung des Windrohrs ist immer-
hin nicht gut ohne Beengung des Raums auf dem Herde zn bewerkstelligen.
Um die Form festzulegen, dnrchhricht man die Brandmauer an
der Seite, wo die Form liegt, mit einer Oeffnung, welche dnrch eine
starke gnsseiserne Platte, Fig. 269, geschlossen wird. Diese Platte hat
Fig. 269. an den viel' Seiten Ausschnitte, durch deren untern
die Form hindnrchreicht; ist die Platte an dieser
Stelle ausgebrannt, so drtht man sie so, dass ein
anderer Ausschnitt nach unten kommt, nnd so fort.
Die Achse der Form liegt eotweder horizontal
oder sie hat eine geringe Neigung gegen die Sohle
der Feuergrnbe (Stechen der Form), um die Hitze
mehr in dem untern Theile des EohlenhaafenB 2a
concentriren.
Die seitliche Zuführang des Gebläsewindes hat mancherlei Nach-
theile. Der hauptsächlichste Uebelstand liegt in dem Umstände, daaa
eine eioeeitige Erhitzung des Metallstücks stattfindet, was besonders bei
der Erhitzung grosser StQcke ins Gewicht fallt, verlangsamend auf die
Arbeit and ungünstig safdenKoblenverbranch wirkt. Ausserdem kommt
hierbei in Betracht, dass die nach der Brandmauer zugekehrte Seite des
Feuers, von welcher der Wind eingeführt wird, völlig unzugänglich für den
Arbeiter bleibt. Es verdient deshalb die mehr und mehr Anklang fin-
dende Einrichtnng der Schmiedefeuer volle Beachtung, bei welcher der
Gebläsewind in senkrechter Richtung von unten her in das Fener ge-
führt wird. In richtiger Erkenntniss der Vortheile, welche eine solche
Einrichtung gewährt, sind schon seit einer Reihe von Jahren vereohie-
denc Constmcttonen in Ausfühning gebracht worden, um die senkrechte
Windfilhrnng in möglichst zweckmässiger Weise anzuordnen ohne eine
Verstopfung derEinströmangBöfi^nungen durch Schlacke, Kohlen oder der-
gleichen hefQrchten zu mOssen. Alle diese Einrichtungen laufen darauf
hinaus, dass ein gnsseiserner Wiiidkasten mit ebener oder kuppeiförmiger
') MechanicsMaeaiin lBr.5,Nr, leST; Diogler, Polyt. Journ.M. 137,S. 417.
Windfonnen. 351
Decke unter der Sohle des Feuers angebracht wird und der Wind durch
runde oder schlitzförmige Oeffunngen in dem höchsten Th eile desDeokela
in das Feuer atrCmt. Bei solcher Einrichtang wird es nan allerdings
unYerm eidlich sein, dass ab nnd an Theilchen der am Boden sich sam-
melnden und erstarrenden Schlacke, KohlenstQckchen etc., in die Wind-
Öffnungen gerathen und sich am Buden des Windkastens anhänfen; des-
halb muBS dort ein leicht zu öffnender Versohlnss angebracht sein, nm
diese fremden Körper zu entfernen. Gl flcklicber weise ist die erkaltete
Schlacke änsseret spröde and läset sieb, auch wenn sie die Windöfiiina-
gen verstopß haben sollte, leicht mit Hülfe einer eisernen Stange los-
brechen. Damit das Windzuleitungarobr nicht von eintretender Schlacke
verstopft werde, mnse dasselbe in einer Seitenwand des Kastens in eini-
ger Höhe über dem Boden desselben angebracht werden. Um nicht den
g.tnzen Windkaston herausnehmen zu müssen, wenn die WindeinstrÖ-
ninngsöffnungen durch Ausbrennen sich erweitert haben and einer Reparatur
bedürfen, hat man die letzteren in zweckmässiger Weise auch wohl mit
leicht auszuwechselnden knrzenDOsen versehen (vergleiche unten Fig. 272).
Mehrfach hat man mit dieser Windzuleitung von unten eine mehr
dler minder einfache Vorrichtung zur Regulirung des eintretenden Wind-
Btromes in Verbindung gebracht. Bei den Schmie deformen von Scheller
Fig. 270.
dient hierzu eine an einer verticaler
Sohraubenspindel befindliche Ventil-
scheibe mit kleinen Oeffnnngen, welche
bei Drehnng der Spindel die grossere
Oeffnung an der oberen Seite des
Windkastens allmälig scbliesBt, so dass
der Wind nur noch durch die kleinen
Oeffnnngen des Ventils ins Feuer ge-
langen knnn')i zweckmässiger dient
bei denSchmiodeformen von Webers
zu demselben Zwecke eine horizontale
Spindel mit kreuzförmig aufgegosse-
nen Rippen, welche bei ihrer Drehnng
vermittelst dieser Rippen die schlitz-
förmige Oeffnnng des Windkastens
nnch Belieben geöffnet Iftsst, ganz oder
theilweise scbliosBt*). In recht ein-
facher und jedenfalls zweckraäEsiger Weise erfüllt als eine der neaesten
Constmctionen dieser Art die in Fig. 270 nnd 271 abgebildete patentirte
Schmtedeforra von Dr. Ebbinghaus den munlicben Zweck. Das Gehäuse
derselben ist ans Gasseisen in zwei Theilen als Unterthcil und Deckel
gegossen und durch Schrauben zusammengehalten. An der einen Seite
I, Jabrg. 1834, B. 449.
352 Schmiedefener.
befindet sich der s,a dem Obertheile angegOBsene Rohretatzen a, an wel-
clieo die Windleitong uiBchlieBet ; »n dem Boden des GehÄuseB dient der
mit einem Schieber verechloBsene BhIb b zam Entleeren desBelben von
Schlacke. Der Deckel ist noch oben glockenförmig gewölbt nnd an dem
hochBten Punkte mit einem länglichen Schlitze versehen, durch welchen
der Wind in das Feaer gelangt. Eine keillormige eieerne Zange c,
welche in senkrechter Richtnng bewegt werden kann , vermag den er-
wähnten Schlitz ganz oder theilweiae za BchliesBen und ragt bei völligem
Verscblasse noch nm 1 bis 2 Centimeter aus demselben hervor; man ist
dnrcb diese Einrichtung im Stande, etwaige Schlacken an aätze oberhalb
der Oefinnng vermittelst Hebens der Zunge ohne Weiteres loszustoBBen.
Das entgegen gesetzte Ende der Zange geht dnrch eine OeETnang im
Boden des Gehäuses hindurch und ist mit einem Schlitze versehen, in
welchen der von der Spindel d mit Hülfe der Kurbel e bewegliche Hebel
/ eingreift und so ein Heben oder Senken der Zunge veranlasst ').
Derartige Constrnctionen der Windformen gestatten nun, den Herd
des Feuers ohne Brandmauer lingsam freizulegen und das Feaer in
Fig. 271.
') Aabnliehe Constrnctionen nind in neuerer Zeit m^lirfach entstanden.
Sieli« nnter Auderen Morgan'« Sdimieilefeiier in Eoglneering, Bd. 20, S. 47.'),
auch Dingler'd polj-t. JntirnftI , Bd. 221, 8. 81; Steinecker'» Scbmiedefener,
Deutsche Industriezeitnng, Jahrg. 1H76, 8. 242; Dingler's poly t. Joura., Bd, 22i.
Windzufiihrung.
353
der lütte des Herdes einsabauen, wodurch dem Arbeiter manche Bequem-
lichkeit erwächst. Fig. 271 stellt ein solches frei stehendes Schmiede-
fener mit £ bbingh au s^ scher Windform dar. a sind zwei parallele in
das Mauerwerk eingelassene Flacheisenschienen, auf welchen der am Ge-
häuse der Form angebrachte Hantsch ruht, so dass dadurch eine sichere
Unterstützung der ganzen Windform gegeben ist; h ist die an Ketten
aufgehängte Esse mit Rauchfang. Zur Stellung der Kurbel wird eine
Schiene mit einigen Löchern am Herde angebracht, um mittelst eines in
die Locher passenden Vorsteckers die Zunge in jeder beliebigen Stellung
festhalten zu können. Für gewöhnliche Zwecke wird die Kurbel in der
in Fig. 270 ersichtlichen Stellung festgehalten, wobei ihre Oberkante mit
der Oberkante des Schlitzes gleich hoch steht und ein hinreichend weiter
Zwischenraum zwischen beiden zum Austreten des Windes bleibt. Die
gewölbte Form des Gehäusedeckels bewirkt, dass die sich bildende Schlacke
stets nach der am Bande befindlichen concentrischen Vertiefung abläuft,
von wo sie yon Zeit zu Zeit entfernt wird. Der Deckel selbst wird durch
die von unten zuströmende Gebläseluft gekühlt und dadurch vor Beschädi-
gung durch die Hitze des Feuers geschützt.
Statt der schwerfälligen gemauerten Schmiedeherde wendet man in
neuerer Zeit mehrfach gusseiseme an , welche vor jenen den Vortheil
voraus haben, leicht transportirt und an einem beliebigen Orte aufgestellt
werden zu können , und ein gefälligeres Aeussere besitzen. Sie haben
die Form eines Tisches mit Füssen und eingehängtem gusseisemem
Feaerkasten. Die Abbildungen, Figuren 272 und 273, stellen ein sol-
ches gusseisemes freistehendes Schmiedefeuer (Construction Botter)
Fig. 272.
10
■---lTi.. I il. -1
■ *73
Ledebnr, in<ch>iiitch-mctiütttrgiiche Technologie.
23
354
SchnuedefeueT.
dar^). Der Fenerkasten hat eine pyramidal tierseitige Gestalt und er-
hält seinen Wind von unten durch die leicht auszuwechselnde Düse c
Fig. 273.
(System Rathgeb) mit schlitzförmiger Ausströmungöffnung, dd sind
Kohlenkasten zur Aufnahme von Yorräthen, e der Löschtrog. Der Feuer-
kasten ruht in Torspringenden Leisten des gusseisemen Rahmens h^ wel-
cher letzterer von sechs gusseisemen Füssen getragen wird. Bei / ist
in der Windleitung ein Schieber zur Regulirung des Windes angebracht.
Rauchfang und Esse werden in ähnlicher Weise wie bei dem in Fig. 271
abgebildeten Schmiedefeuer angebracht.
Wenn es bei der Erhitzung grösserer Stahlstücke mit Holzkohlen darauf
ankommt, die Lufi; abzuhalten — z. B. beim Ausschmieden des in Frischfeuern
gewonnenen Rohstahls — , so wendet man statt der oben offenen Feuer
überwölbte Feuer von beträchtlicher Tiefe an, bei denen eine einzige
Oefinung an der Vorderseite zum Einbringen des Stahls und zum Ent-
weichen der Verbrennungsgase dient. Die Figuren 274 und 275 stellen
einen solchen Schmiedeherd mit zwei Feuern zum Erhitzen yon Stahl-
staben dar'), a ist das Feuer, rings yon feuerfesten Steinen eingefasst,
und nur mit der in dem links gezeichneten Feuer ersichtlichen Oeffnang
1) Amtlicher Bericht über die Wiener Aasstellung im Jahre 1873, Gruppe
13, S. 68 (Berichterstatter Hart ig).
2) Kerl, Metallurgie, Bd. IH, Tafel 7.
zum Einbringen Teraehen. d ist die WinddQae, c ein Schlackenabflnas,
b eine Arbeitaplatte, von wo ans der Stahl in die Oeffnong geschoben wird.
Fig. 274. Fig. 275.
Für gewisse Zwecke erhalten die Schmiedefener «ine ton der bii-
her beBchriebenen mehr oder minder abweichende Form. Ein Beispiel
hierfiir geben die Feuer zam Erhitzen tod Radreifen , welche der Form
des Reifens entsprechend ringförmig eingebaut und mit mehreren Wind-
formen versehen sind (Circularfeuer) '), und andere mehr.
Als Gebisse für die Schmiedefener benutzt man CentrÜngalgebl&se,
Roots'sche Ventilatoren oder DampfstrahlgeblSse. Seltener sind, wie
schon froher erwähnt, jetzt die Balggebl&ee geworden. Von den beiden
erst genannten Gehläsen reicht ein einziges zum Betriebe einer gressem
Anzahl Ton Schmiedefenem aus, von den letzteren erhält jedes Feuer
sein eigenes Gebläse. Hat man mehrere Feuer mit einem einsigen Ge-
bläse EO betreiben, so kommt dabei der Umstand in Betracht, dass der
Betrieb jedes einzelnen Feuers ein intermittirender ist; denn während
das Eisen ans dem Feuer genommen wird, nm bearbeitet zu werden,
würde es eine durchaus sträfliche Eohlenvergendung sein, wenn der Af
heiter nicht sofort den Windstront abstellen wollte. Fördert das Oebl&se
also ununterbrochen dieselbe Windmenge , so wird die Windpressnng in
der Leitung und bei den im Betriebe befindlichen Fenem sofort steigvn,
wenn ein oder einige Feuer zum Stillstande kommen. Zur Vermeidung
einer abennäsgigen Windpressnng in solchen Fällen bringt man deshalb
auf den Leitungen Sicherheitsventils an (nach Art der Sicherheitsven-
tile bei Bampfkesseln constniirt), welche sich selbatthätig dfi^neu und
I) Zeichunngen der „Hätte', Jahrgang 1SS5, Blatt S.
356 Schmiedefeuer.
den überschüssigen Wind entweichen lassen, sobald im Innern der Leitnng
die normale Spannnug überschritten wird. Trotz der bei derartiger
Einrichtung unvermeidlichen Yergendang derAi*beit der Betriebsmaschine
pflegt bei dem Betriebe mehrerer Feuer doch eine solche Centralisation
der Winderzeugung in einer einzigen Maschine yortheilhafter und zweck-
mässiger zu sein, als wenn man jedem Feuer ein eigenes Gebläse geben
wollte, welches mit dem Feuer in und ausser Betrieb gestellt werden kann.
In allen Fällen, auch wenn ein einzelner Blasbalg den Wind liefert,
ist unmittelbar hinter der Düse eine Absperrungsvorrichtung — Schie-
ber, Hahn oder Drosselklappe — anzubringen, um sowohl in jedem
Augenblicke den Wind abstellen zu können, als auch das Zurücktreten
brennbarer Gase in die Leitung zu yerhöten.
Die von einem Feuer beanspruchte Windmenge richtet sich begreif-
licher Weise nach der Menge des verbrauchten Brennmaterials, und dieses
nach der Art der Arbeit und Grösse des Arbeitsstücks. Die kleinsten
Feuer gebrauchen circa 0,3 Cubikmeter, die grössten 2,6 Oubikmeter
Wind per Minute. Die Windpressung , mit welcher der Wind in das
Feuer geführt wird, pflegt 150 bis 200 Mm. Wassersäule zu betragen.
Bei Feuern mittlerer Grösse rechnet man für den Betrieb des Gebläses
einen Arbeitsaufwand von 1 bis 1 V4 Pferdekraft pro 10 Feuer jncl. der
Arbeitsverluste durch Reibung etc.
Häufig hat man versucht, bei dem Betriebe der Schmiedefeuer er-
hitzte Gebläseluft zur Erspamng von Brennmaterial anzuwenden; und
zwar gelangte die Erhitzung des Windes bei Schmiedefeuern fr&her zur
praktischen Anwendung, als bei den Eisenhochöfen, wo sie später so
durchschlagende Erfolge erzielte. Vielfach benutzte man das Gusseisen-
stück in der Brandmauer, welches zur Befestigung der Form dient,
als Winderhitzungsapparat, indem man es hohl goss, den Wind in dem-
selben circuliren Hess, und auf solche Weise gleichzeitig eine Kühlung
des Gussstückes, wie eine Erhitzung des Windes hervorrief. Bei anderen
Schmiedefeuern legte man ein System von Röhren, durch welches der
Wind hindurchgeführt wurde, in die Esse, und Hess es von den abzie-
henden Gasen des Schmiedefeuers erwärmen.
Wenn es unleugbar ist, dass die Erwärmung der Gebläseluft in ge-
wissem Grade brennmaterialersparend wirkt, so ist doch bei den in älte-
ren Zeitschriften und Lehrbüchern gegebenen Angaben über die günsti-
gen Erfolge der Winderhitzung bei Schmiedefeuem, wonach ausser einer
„reinem Hitze** (d. h. grösserer Dünnflüssigkeit der Schlacke) und ver-
ringerter Zeitdauer der Erhitzung auch eine Kohlenerspamiss von 30 (!)
Procent und eine Verminderung des Verlustes durch Abbrand erzielt
werde, die günstig gef&rbte Beleuchtung unverkennbar, unter welcher
die meisten Menschen unbewusst ihre eigenen Einrichtungen und Erfin-
dungen zu betrachten pflegen. Mindestens hätten diesen Vortheilen der
Winderhitzung auch die grossen Nachtheile derselben gegenüber gestellt
werden sollen, welche den früher geschilderten Uebelständen der Wind-
Winderwsrmuog. 357
erhitenng bei Cnpoldfen (S. 267) ganz Sholicli sind; wir neBnen nur die
häufig erforderliob werdenden Reparaturen der Erhitcongsapparate,
durch die abwechselnde Eriütsniig nnd Erkaltung hervorgemfen, ein
Uehelfltand, welcher sich bei Anwendung erhitzten Windes fflr alle Bolohe
Erhitzung«- und Schroelzapparate herausstellen wird, welche nicht, wie
U[>chöfeD, auaiit«rbrochen im Betriebe sind. Wiebe sagt mit Recht in
seinein schon im Jahre 1858 erschienenen Werke: „Die Maschinenban-
materialien" (S. 353):
Alle diese Vortheile, welche man durch die Windbeizimgs-
apparate zn erzielen geglaubt bat, sind mehr oder weniger
problematisob. Versuche, die man angestellt bat, haben nicht
immer zu Gunsten der erhitzten Luft entsobieden, und mau fin-
det gegenwärtig, seihst in sehr grossen und mit Intelligenz ge-
leiteten Werkstätten die Winderhitzungsapparate fast gar nicht
in Anwendung, und wo man sie eingefllbrt hatte, sind sie zum
grossen Tbeile wieder aufgegeben.
Fig. 276.
356 Schmiedefener.
Als (jrändfl hierfUr neant Aach Wiebe noter Andenn die häufigen
Rep*r«turei) and den UmEtond, dssB aaa eiaem gut coastrnirten aod
gut geleit«ieD Schmiedefeaer überhaupt keine flberfl&Bsige Wärme zur
Erbitzang der Luft abgegeben wird, weil die B&tnmtliche Wärme voll-
Btändig im Innern des Fenera concentrirt nud verbraucht wird.
Rg. 277.
Bei MoDtirtiDgBarbeiten aller Art, anf Bauplätzen, beim Legen von
Röhren u. b. w. tritt häufig die Notbwendigkeit ein, EiseuBtücka sn er-
hitzen, ohne dasB ein stabilea Schmiedefeuer der bisher beachriebeDen
Conatmction in der N&he ist Für solche Zwecke werden vielfach
transportabele Schmiedefener oder Feldschmieden benutst.
SelbatTersi&ndlicb muss bei denselben das Gebläee mit dem Schmiede-
fener fest verbunden und trauBportabel sein. Man bat kleinere tragbare
Betrieb und Arbeitsverfahren. 359
und grössere fahrbare Schmiedefeaer. Beide Sorten sind aas Gnsseiseu
erbaat und das Gebl&se ist unterhalb des Tisches augebracht, um den
Platz möglichst wenig sbu beengen. Im Uebrigen zeigen die hierher ge-
hörigen Gonstructionen yielfache Abweichungen. Fig. 276 (a. S. 357)
stellt ein solches kleines tragbares Schmiedefeuer, von der Mannheimer
Maschinenfabrik Schenck, Mohr und Elsässer in Mannheim gefertigt,
dar. a ist ein Boots' sches Gebläse, durch Drehung einer an dem Bade
b befestigten Kurbe] in Bewegung gesetzt, c ist das FeuerbeckeD, 520 Mm.
lang, 370 Mm. breit, durch den Schirm ä, welcher zugleich zum Tragen
des Ltagerarms fflr das Bad h dient, gegen den • herrschenden Wind
geschützt Der Gebläsewind steigt durch das Bohr e empor und tritt
von unten in das Feuer, während der kleine Hals / zum Entleeren von
den in die Form gefallenen Schlacken dient. Das Gewicht des Feuers
beträgt 80 Kilogramm.
In Fig. 277 ist ein fahrbares Schmiedefeuer grösster Sorte
(Montirungsschmiede) aus derselben Fabrik abgebildet, a ist hier das
Boots' sehe Gebläse, mit Hülfe des Trittsbretts b, der Schubstange c
und des Bades d durch Biemenübertragung betrieben. Der Wind tritt
durch das Bohr e in das Feuer. Die Entfernung von Schlacken, welche
in die Form fallen könnten^ erfolgt bei /. g ist der Bauchfang, h ist
ein verschliessbares Schränkeben mit Thüren auf der dem Beschauer ab-
gewendeten Seite zur 'Auf be Wahrung von Werkzeugen. Jenseits des
Gebläses befindet sich ein Löschtrog, i ist ein Tisch zur Aufstellung
eines Ambosses. Zur Ausführung kleinerer Schlosserarbeiten ist bei k
ein Schraubstock und bei I eine Vorrichtung • zum Bohren angebracht.
Die Schmiede ist 1140 Mm. lang, 700 Mm. breit, 900 Mm. hoch und
wiegt mit Schraubstock und Bohrvorrichtung 390 Kilogramm.
Betrieb und Arbeitsverfahren.
Zum Erhitzen des Eisens sind, wie erwähnt, Steinkohlen das geeig-
netste Brennmaterial, und unter diesen die backenden Kohlen von Erbsen-
bis Nnssgrösse, welche bei der Aufbereitung der Steinkohlen unter dem
Namen „ Schmiedekohlen ** sortirt werden. Je weniger Asche sie geben
und insbesondere je weniger reich sie an schwefelhaltigen Mineralien
sind« desto besser. Bei grossem Schwefelgehalte — meistens von Schwe-
felkies herrührend — wird das zu erwärmende Eisen angegriffen und
erhält eine löcherige, rauhe Oberfläche. Gute Kohlen dürfen kaum mehr
als 10 Proo. Asche enthalten. Die Asche verschlackt sich mit dem Glüh-
span des Eisens, wird oft recht zähflüssig, überzieht das Eisen, beein-
tarächtigt dadurch die Erhitzung desselben und verzögert die Arbeit.
Diese Nachtheile fallen allerdings bei Anwendung von Holzkohlen
weg ; letztere aber sind wegen ihrer porösen Beschaffenheit weit geneig-
ter, Kohlenoxydgas zu bilden , wie bei Besprechung der Sohmelzapparate
ausführlicher erörtert wurde, und geben in Folge dieser weniger voll-
360 Schmiedefeuer.
ständigen Verbrennang eine nngüuBÜgere relative Wärmeleistang sowohl
hinsichtlich der erzeugten Wärmemenge ab des Wärmegrades; sie sind
bedeutend specifisch leichter als Steinkohlen, nehmen also einen relativ
grossem Raum als diese ein und sind dadurch weniger geeignet, grössere
Wärmemengen in einem kleinem Räume zu concentriren, was für die
günstige Leistung eines Schmiedefeuers immerhin Bedingung ist. Am
meisten für ihre geringere Verwendung entscheidend ist jedoch ihr hoher
Preis.
Wo es aber weniger darauf ankommt, starke Hitzen als gleich-
massige Hitzen hervorzurufen; wo die reichliche Schlackenbüdung nach
Möglichkeit vermieden werden muss — also beim Schmieden, Härten
und Anlassen des Stahls, bei der seltener vorkommenden Erhitzung von
Kupfer im Schmiedefeuer und in ähnlichen Fällen — , sind die Holz-
kohlen entschieden das geeignetste und oft unentbehrliche Material.
Die backende Eigenschaft der Schmiedesteinkohle gewährt einen
eigenthümlichen Vortheil. Da nämlich das zu erhitzende Eisen in dem
o£fenen Schmiedefeuer mit einer dicken Schicht Kohlen bedeckt gehalten
werden muss, damit die Wärme zusammengehalten und Oxydation ver-
hindert werde, so backen nun alsbald die über dem Eisen befindlichen
Kohlen zu einer gewölbeartigen Decke zusammen, welche das Feuer ab-
schliesst und fest genug ist, dass das Eisen herausgenommen und hinein-
gelegt werden kann, ohne dass ein Einstürzen zu bef^chten wäre. Da-
durch wird es möglich, die entwickelte Wärme aufs Günstigste auszu-
nutzen. Denn die nicht zum Erhitzen des Eisens verbrauchte Wärme
wird von der Decke aufgenommen und kommt so dem Feuer wieder zu
gut. Müssen frische Kohlen aufgeschüttet werden, so schlägt man die
Decke des Gewölbes ein, so dass die bereits vorgewärmten Kohlen des-
selben zunächst ins Feuer kommen, und bringt die frischen zu oberst,
ein neues Gewölbe aus denselben bildend.
Es geht hieraus hervor, dass der Schmied durch eine mehr oder
minder umsichtige Wartung des Feuers und insbesondere durch Erhal-
tung jener Kohlendecke im Stande ist, den Kohlenverbrauch in nicht un-
erheblicher Weise zu beeinflussen.
Zum Schutze der Kohlendecke gegen vorzeitiges Verbrennen benutzt
er den Löschwedel, ein Reisigbündel an einem eisernen Stiele, welches
in das Wasser im Löschtroge getaucht wird und mit dem die Kohlen bei
eintretender Erhitzung besprengt werden. Ein richtiger Gebrauch die-
ses einfachen Geräths ist nicht ohne Wichtigkeit» Werden die Kohlen
übermässig befeuchtet, so entzieht man dem Feuer unnöthig Wärme;
wird gar durch Unvorsichtigkeit mit den Kohlen auch das Eisen be*
sprengt, so vnrd dieses abgekühlt, die Arbeit verzögert und der Kohlen-
verbrauch erhöbt.
Um die Vortheile dieser natürlichen Decke auch bei Anwendung
von Holzkohlen benutzen zu können, verf&hrt man bisweilen in solcher
Weise, dass man zunächst ein Steinkohlenfeuer anfacht, um die Decke
ArbeitSTerfahren. Wirkungsgrad. 361
zu bilden, diese dann darcbstdsst, um Holzkoblen hineinzuschütten, nnd
nun wieder mit frischen Steinkohlen schliesst. Jedenfalls wird auf solche
Weise die vollständige Verbrennung der Holzkohlen erleichtert und die
Wärme besser zusammmigehalten, als im Feuer aus Holzkohlen allein.
Wenn die Erhitzung Yor sich gehen soll, wird das Eisen ins Feuer
geschoben und das Gebläse angelassen. Kleine Arbeitsstücke werden
mit einer Zange erfasst, deren Schenkel durch einen übergeschobenen
Ring geschlossen gehalten werden (Fig. 35 auf S. 43) und mit derselben
ins Feuer gelegt, selbstverständlich so, dass die Schenkel frei heraus-
ragen und nur das Eisenstück die grösste Hitze erhält. Zu jedem Feuer
gehören eine Anzahl Schmiedezangen von verschiedener Grösse und ver-
schieden geformtem Maule ; die Schenkel sind immer geradlinig gestaltet.
Abbildungen der gebräuchlichsten Formen fiSac Schmiedezangen finden
sich in Wiebe's citirtem Werke Taf. IX, Fig. 17 bis 25.
Längere Stücke legt man ohne Zange ins Feuer und lässt das eine
Ende, welches nicht erhitzt wird und später dem Schmiede statt der
Zange zum Festhalten dient, aus dem Feuer herausragen. Von kleineren
und mittelgrossen Stücken legt man, wo es angeht, mehrere zugleich •
in das Feuer, welche der Reihe nach herausgenommen und verarbeitet
werden, so dass immer ein Stück den richtigen Hitzgrad erhält, während
das vorige herausgenommen ist. An der Farbe des herausgenommenen
Arbeitsstücks erkennt der Schmied , ob der richtige Temperaturgrad er-
reicht ist.
Eine richtige Lage des Eisenstücks im Feuer, so dass es der Er-
hitzung am besten ausgesetzt ist, ohne vom Windstrahle direct getroffen
zu werden, eine geeignete Regnlirung der Windmenge, so dass weder
durch za reichlichen Wind übermässiger Kohlenverbrauch entsteht, noch
durch zu schwachen Wind die Erhitzung verlangsamt wird; endlich das
Abpassen des geeignetsten Zeitpunkts zum Herausnehmen des Eisens,
sind neben der oben erwähnten Regulirung des Feuers mit Hülfe des
Loschwedels die Hauptpunkte , auf welche der Schmied während der Er-
hitzung sein Augenmerk zu richten hat.
Betriebsresultate und Wirkungsgrad.
Bei den Apparaten zum Erhitzen der dehnbaren Metalle ist es weit
schwieriger, als bei den Schmelzapparaten für giessbare Metalle, einen
durchschnittlichen relativen BrennstoffviBrbrauch zu ermitteln. Denn der-
selbe ist, abgesehen von der Zweckmässigkeit des Apparates und der
Umsicht des Arbeiters, hier nicht allein von der Grösse der zu erhitzen-
den Gegenstände abhängiger, sondern auch von der grossem oder gerin-
gem Schwierigkeit der Formgebung etc.; manche Stücke erhalten in
einer einzigen Hitze ihre Formgebung, bei anderen sind eine grössere
Anzahl Erhitzungen des während der Formgebung sich abkühlenden
Arbeitsstücks erforderlich; femer auch von dem Grade der Erhitzung;
362 Schmiedefeuer. Resultate.
in manchen Ffillen genügt eine ganz schwache, nicht einmal bis sar
Rothglath sich steigernde Erhitzung; filr andere Zwecke ist helle Weiss-
glnth erforderlich.
Nach Prechtl^) betragt der stündliche Yerbranch
bei Schmiedefenem der kleinsten Art 1 bis 1^/4 Kilogr. Steinkohlen
oder 1 11 IV4 fi Holzkohlen,
bei gewöhnlichen kleinen Schlosser-
fenern, in welchen Eisen Yon IV2
bis 3 Qoadratcentimeter Querschnitt
verarbeitet wird 2 „3 „ Steinkohlen
oder 1^4 n 2Vs „ Holzkohlen,
bei Schmiedefeuern für Stäbe ton 6 bis
12 Quadratcentimeter Querschnitt. SVi n ^Va n Steinkohlen
oder 2V4 n 4 n Holzkohlen,
bei grossen Feuern für Stäbe bis zu
30 Quadratcentimeter Querschnitt 7 „ 9 „ Steinkohlen
oder 6 n '^Vs n Holzkohlen.
* Auf das Gewicht des zu Terschmiedenden Eisens bezogen beträgt
die Menge des erforderlichen Brennmaterials nach Angaben von Wiebe«
Prechtl, Kar marsch pro 100 Kilogramm Eisen: bei kleineren Stäben,
welche nur einer Hitze bedürfen, 60 bis 80 Kilogramm Steinkohlen oder 50 bis
70 Kilogramm Holzkohlen ; bei grösseren Stäben, welche nur einer Hitze
bedürfen, kann sich dieser Verbrauch auf 30 Kilogramm ven'ingern, und
in anderen Fällen, wenn mehrere Erhitzungen nöthig werden, bis auf
150 Kilogramm Steinkohle steigern.
Dieselben Gründe, welche die Ermittelung eines normalen Brenn-
stoffTerbrauchs bei Schmiedefenem unmöglich machen, erschweren auch
die Berechnung eines Wirkungsgrades, wie wir ihn für die Schmelzappa-
rate als Quotient aus der Yom Metall aufgenommenen Wärme dividirt
durch die vom Brennstoffe entwickelbare Wärmemenge gefunden hatten.
Nimmt man einen durchschnittlichen Brennstoffverbrauch pro 100
Kilogramm Eisen von 100 Kilogramm Steinkohlen mit einem Wärme-
effecte = 7000 Wärmeeinheiten an; nimmt man ferner an, dass das
Eisen bei seinem Herauskommen aus dem Feuer bei einer Erhitzung auf
1100 Grad durchschnittlich 210 Wärmeeinheiten aufgenommen habe,
was immerhin annähernd der Wirklichkeit entsprechen wird, so ergiebt
sich ein Wirkungsgrad des Ofens
E = rT^T -— :;r = 0,03.
100 X 7000 '
Mit der Höhe des relativen Kohlenverbrauchs ändert sich auch bei
den Schmiedefeuern der Metallverlust durch Abbrand. Je mehr Hitzen
das Eisenstück auszuhalten hat und je grösser das Yerhältniss einer er-
hitzten Oberfläche zu seinem Gewichte ist, desto beträchtlicher wird der
1) Prechtl, Technologische Encydopädie Bd. 13, 8. 22.
Herdflammöfen. 363
procentale Abbrand sein. Man rechnet fEir gewöhnliche Fälle 6 bis
10 Proc Abbrand vom Gewichte des erhitzten Eisens; unter Umstanden
kann derselbe jedoch mehr als die doppelte Höhe erreichen.
Zweite Gruppe. Herdflammöfen.
Das za erhitzende Metall befindet sich anf dem überwölbten Herde
des Ofens und wird durch die darüber hinstreichende Flamme erhitzt.
Die Erzeugung der Flamme geschieht entweder durch directe Feuerung
oder durch Verbrennung von Gasen. Die Einrichtung im Allgemeinen ist also
die nämliche wie bei den Herdflammöfen zum Metallschmelzen, und wir
haben hier dieselben Hauptconstructionstheile wie dort zu unterscheiden.
Das Metall ist vor directer Berührung mit festem Brennmateriale
geschützt, dagegen etwaigen Einwirkungen der verbrennenden und ver-
brannten Gase, sowie der durch die Thürspalten etc. angesaugten atmo-
spärischen Luft ungeschützt preisgegeben. Da aber die Metalle in den
Oefen stets im festen Zustande verharren, so zeigen sich diese Einwir-
kungen weniger intensiv als bei dem Schmelzen und können höchstens
an der Oberfläche der Metallstücke sich geltend machen. Daher werden
diese Herdflammöfen zum Erhitzen fast sämmtlicher Metalle imd Legi-
rungen vor oder nach der Verarbeitung benutzt, sobald sie in grösseren
Stücken erhitzt werden: Eisen und Stahl, Kupfer, Messing, Bronze, Neu-
silber und anderer.
Dem Temperaturgrade zufolge, welcher in den Oefen erreicht wer-
den soll, unterscheidet man Schweissöfen (nur für die Erhitzung des
Eisens zur Schweisshitze vor der Verarbeitung bestimmt) und Glüh-
öfen« Der Hauptunterschied beider liegt in der Anordnung der Feue-
rung; während dieselbe bei den Schweissöfen ausreichend sein miiss, helle
Weissglnt^ im Ofen hervorzurufen und diese hohe Temperatur nur mit
oxydirender Flamme zu erreichen ist, genügt für die Glühöfen Rothgluth,
und man hält auf schmauchende Flamme, um unnöthigen Abbrand zu
vermeiden.
Herdflammöfen mit directer Feuerung.
Die Anordnung im Allgemeinen ist die nämliche wie bei den früher
beschriebenen Herdflammöfen zum Schmelzen der Metalle (S. 235 ff.).
Auf der einen Seite des Ofens liegt der Rost, davor der Herd, durch
den Fuchs mit der Esse verbunden. Als Brennmaterialien dienen für
Schweissöfen vorwiegend Steinkohlen; für Glühöfen auch Braunkohlen
und Torf, seltener Holz, welches höher im Preise zu stehen pflegt Diesen
verschiedenen Brennstoffen entsprechend ist auch die Rostconstruction
eine verschiedene; während fär Schweissöfen Planroste die üblichsten
364 Herdflammöfen.
sind, benutzt man bei Glühöfen nicht selten Treppenroste, um gering-
werthigere kleinstückige Brennstoffe benutzen zu können.
Die Grösse der Rostfläche moss — abgesehen von der Beschaffenheit
des Brennmaterials — von der Grösse des Herdes und yon der auf dem
Herde hervorzubringenden Temperatur abhängig sein. Je höher die letz-
tere, desto grösser im Allgemeinen d^r Rost. Bei einer grössern Anzahl
erprobter Schweissöfen für Steinkohlenfeuerung findet man ein Verhält-
niss der totalen Rostfläche zur Herdfläche wie 1 : 2 bis 1 : 3, abwei-
chend nach Beschaffenheit der Steinkohlen und dem Yerhältnisse zwischen
totaler und freier Rostfläche. Für Steinkohlen mittlerer Qualität wird
man als geeignete Yerhältnisse annehmen können:
Totale Rostfläche: Herdfläche = 1 : 2,5,
Freie Rostfläche: Totale Rostfläche = 1 : 2,5 bis 1 : 3.
Bei Glühöfen dagegen, in denen höchstens helle Roth gluth erzeugt
werden soll, ist das Yerhältniss des Rostes zur Herdfläche bedeutend ge-
ringer und beträgt V4 bis Vs» ^^ fertige Producte, welche nur noch
ausgeglüht werden, um ihre Zähigkeit wieder zu erhalten, welche schwache
Querschnitte und grosse Oberfläche bieten , ist jenes Yerhältniss kleiner,
als für rohe Blöcke und halbfertige Producte.
Im Uebrigen gelten für die Construction des Rostes die für Giesserei-
flammöfen gegebenen Regeln.
Der Herd ist zum Schutze des Metalls gegen die directe Einwirkung
der Flamme meistens durch eine Feuerbrücke von der Feuerung getrennt.
Die Tiefe des Rostes unterhalb der Oberkante der Feuerbrücke beträgt
bei Schweissöfen 0,3 bis 0,8 Meter, bei Glühöfen bis zu 1 Meter. Je
grössere Oberfläche die zu erhitzenden Metallstücke darbieten, je leich-
ter sie also der Oxydation ausgesetzt sind , und je leichter sie überhaupt
oxydirbar sind, desto tiefer legt man im Allgemeinen den Rost; daher
findet man bei Schweissöfen für dicke, massive Stücke (Brammen und
Packete für Eisenbahnschienen! starke Bleche u. s. w.) die geringste
Tiefe des Rostes, für dünnere Querschnitte (Packete für Feineisen und
Walzdraht) eine grössere, für bereits fertige Gegenstände, welche aus-
geglüht werden sollen (z. B. Bleche), die grösste.
Die Feuerbrücke wird aus feuerfestem Materiale erbaut; bei Schweiss-
öfen nicht selten durch einen eingemauerten, quer durchlaufenden und an
beiden Seiten des Ofens mündenden, gusseisernen Canal, durch welchen
atmosphärische Luft hindurchstreichen kann, gekühlt und vor raschem
Wegschmelzen bewahrt.
Die Grösse des Flammenlochs — des Ofenquerschnitts über der
Feuerbrücke — beträgt circa 0,4 der totalen Rostfläohe, woraus sich die
Höhe des Gewölbes über der Feuerbrückenoberkante ergiebt, welche sel-
ten unter 300 Mm., selten über 450 Mm. beträgt.
Je mehr das Metall vor den Einwirkungen der Gase geschützt wer-
den soll, desto tiefer legt man die Herdoberfläche unter die Feuerbrüoken-
oberkante, desto schwieriger findet aber begreiflicher Weise die Wärme-
Constnictionsregeln. 365
abgäbe an das Metall statt. Bei Schweissöfen sind die üblichsten Ab<*
messnngen hierfür 100 bis 150 Mm^ bei Glühöfen 300 bis 500 Mm.
Die -Ermittelang einer geeigneten Grösse der Herdfläche ist insofern
eine der wichtigsten Aufgaben bei der Constmction eines Herdflamm-
ofens, als von dieser nicht allein die quantitative Leistung des Ofens,
sondern auch die Grösse des Rostes und somit aller übrigen Hanptcon-
stmctionstheile abhängt. Diese Grösse richtet sich nnn nicht allein nach
dem Gewichte der einzusetzenden Metallstücke, sondern auch nach dem
Platze, welchen dieselben in Anspruch nehmen, also nach Form und Quer-
schnitt derselben. ' Die relativ geringste Herdfläche werden daher jene
Metallblöcke beanspruchen, welche Yor der Verarbeitung eingesetzt wer-
den; Bleche und andere in ihren Querschnittsabmessungen bereits fertige
Gegenstände, welche ausgeglüht werden sollen, erheischen die relativ
grösste Fläche. Bei Schweissöfen giebt man für je 1000 Kilogramm
Einsatz in 12 Stunden eine Herdfläche von 0,8 bis 0,45' Quadratmeter,
woraus sich also die Grösse des Herdes für eine tägliche Production er-
giebt, auf den einmaligen Einsatz bezogen kann man pro 1000 Kilo-
gramm 1,5 bis 3 Quadratmeter Herdfläche rechnen, wobei 5 bis 8 Ein-
sätze in 12 Stunden gemacht zu werden pflegen, die bei sehr schwachen
Abmessungen auf 10 steigen können. Der einmalige Einsatz pro Ofen
beträgt kaum jemals weniger als 250 Kilo und selten mehr als 1500
Kilo; die Grösse der Packete und der ins Auge gefassten totalen Pro-
duction ist hierfür entscheidend. Bei den Glühöfen muss sich die Herd-
grösse fast immer nach Länge und Breite der zu glühenden Metallstücke
richten, und es ist deshalb nicht möglich, aus dem Gewichte derselben
eine Beziehung für die geeignete Herdfläche ausfindig zu machen.
Yon ähnlichen Umständen wie die Grösse des Herdes hängt auch
die Gestaltung seiner Grundfläche ab. Bei Schweissöfen giebt man zur
bessern Wärmeausnutzung dem Herde gern eine gestreckte Form, setzt
die kalten Eisenstücke in der Nähe des Fuchses ein und rückt sie all-
mälig der heissesten Stelle näher, sobald die doift befindlichen Stücke
aus dem Ofen entfernt sind; doch giebt man dem Herde selten eine
grössere Länge als 3 Meter im Lichten von Feuerbrücke bis FuchsöfiPnung
gemessen, während beiOefen mittlerer Grösse 2,5 Meter als durchschnitt-
liche Abmessung angenommen werden kann.
Bei Glühöfen aber,'' in welchen Metalle von langgestreckter Form ver-
arbeitet werden sollen, z. B. Bleche, ist ein solches Vorrücken derselben
nicht thunÜch, sondern es bleibt die Rücksicht maassgebend fOr die Form
des Herdes, dass an allen Stellen desselben eine möglichst gleich -
massige Erwärmung stattzufinden hat. Von diesem Gesichtspunkte aus
giebt man dem Herde sogar bisweilen eine grössere Breite als Länge und
lässt so die Flamme quer über das zu erhitzende Metallstück hinwegziehen.
Der Form der Flamme und dem Umstände entsprechend , dass nach
dem Fuchse hin eine fortschreitende Verengung des Ofenquerschnitts
stattzufinden hat, pflegt bei Schweissöfen der Grundriss des Herdes sich
366 Herdflammöfen.
— wie es auch bei GiesBereiflammöfen der Fall ist — nach dem Fachse
hia Biisammenziiziehen, so dass eine annähernd trapezförmige Gestalt ent-
steht; bei Glfthöfen znm Glühen rechtwinkliger Tafeln ist eine solche
Verengung nnthnnlich und der Herd bekommt rechteckige Grandform.
Die Oberfläche des Herdes ist eben; bei Schweissöfen mit einer Nei-
gung nach der Rückseite des Ofens und dem Fuchse zu, um das Abfliessen
der aus dem oxydirten Eisen mit dem Herdmateriale und Sohweisspulyer
entstandenen Schlacke zu befördern, welche sich an dem tiefsten Punkte
sammelt und dort durch ein Schlackenloch austritt; bei Glühofen gewöhn-
lich vollständig horizontal. Als Material für den Herd dient bei Schweiss-
öfen kieselsäurereicher feiner Sand von gleichmässigem Korne, frei von
Alkalien, Schwefelkies und organischen Bestandtheilen , in einer Stärke
Yon circa 200' Mm. entweder auf querlaufenden, freiliegenden, gusseiser-
nen Platten aufgeschüttet, welche von unten her durch das Zutreten fri-
scher Luft kühl erhalten werden; oder, wo man die dadurch entstehen-
den Wärmeverluste vermeiden will, auf eine zwischen den Fussmauern
des Ofens festgestampfte oder gemauerte Lage von Steinen oder der-
gleichen aufgebracht, wie es auch bei den GiessereiflammÖfen beschrieben
wurde. Bei Glühöfen dagegen mauert man den Herd meistens aus feuer-
festen Steinen und versieht ihn mit hochstehenden Längsrippen aus dem-
selben Materiale (s. unten Fig. 289), um die zu glühenden Theile hoKL zu
legen und dadurch die gleichmässige Erwärmung derselben zu befördern.
Dieser einfachen Herdform entspricht eine eben so einfache Form
des Gewölbes, welches sich mit ganz oder fast geradliniger Achse Über
den Herd hinzieht und sich von der Feuerung bis zum Fuchse hin der
Herdoberkante mehr und mehr nähert. Das Längenprofil der Schweiss-
und Glühöfen wird dadurch demjenigen der GiessereiflammÖfen mit ge-
strecktem Herde ähnlich.
An der Seite des Herdes befinden sich die Arbeitsthüren. Bei
Schweissöfen pflegt man eine oder zwei Tfaüren neben einander von aus-
reichender Grösse an der langen Seite des Ofens anzubringen; bei Glüh-
öfen für Bleche verlegt man meistens die Thür an die Stirnseite, dem
Roste gegenüber, und giebt ihr die ganze Breite des Ofens, um das
Hinein- und Hinausschaffen der Blechtafeln, welche die Breite des Ofens
einnehmen, ohoe Schwierigkeit bewirken zu können. In beiden Fällen
sind natürlich die Oefen so gestellt, dass die Thürseite dem Arbeitsraume
zugekehrt ist. Die Schwelle der Arbeitsthür liegt in gleicher Höhe mit
der Herdsohle.
Das Yerhältniss zwischen Fuchsquerschnitt und totaler Rostfläche
beträgt bei den meisten Schweiss- und Glühöfen 1 : 7,5 bis 1 : 9 ; doch
finden sich auch Oefen, bei denen der Fuchs erheblich weiter ist und
jenes Yerhältniss bis auf 1 : 4 steigt; obgleich, nach Ansicht des Verfas-
sers, nicht ohne Benachtheiligung der Wärmeausnutzung, vorausgesetzt,
dass die Esse ihre Schuldigkeit thut. Der Fuchs liegt bei Schweissöfen
meistens in der verlängerten Herdachse, so dass er die Fortsetzung des
Constmctionsregeln. 367
Herdes bildet; bei Glühöfen dient bisweilen eine Oeffnung im Gewölbe
als Fachs, und die Gase entweichen durch diese nach oben, wenn man
durch das Niederziehen derselben eine zu intensive Einwirkung auf das
zu glühende Metall fürchtet (yergl. unten Fig. 290); häufiger wird jedoch
bei Glühöfen, wo jene Einwirkung weniger nachtheilig ist, z. B. beim
Glühen Ton Eisenblechen, der Fuchs durch eine oder zwei Oeffnungen
an der Herdsohle gebildet, wodurch die Gase auf den Herd niedergezogen
werden, und oft führt man in diesem Falle die letzteren durch einen
überwölbten Canal unter der Herdsohle hin nach dem Schornsteine*
(s. unten Fig. 286). Man bezweckt dadurch eine Tollständige Wärme-
ausnutzung und gleichmässigere Erwärmung des Herdes. Für die höhere
Temperatur der Schweissöfen würde eine solche Erwärmung des Herdes
Yon unten kaum ohne Benachtheiligung der DauerhaftigkiBit desselben
durchzufahren sein; in der niedrigem Temperatur der Glühöfen hat sie
sich recht gut bewährt. Zwei nach utiten führende Fuchsöffnungen statt
einer bringt man bei sehr breiten Herden der Glühöfen an und verlegt
sie in die beiden Ecken des Herdes; bei weniger breiten Herden giebt
man der Fuchsöfinung die Form eines langen schmalen Spalts, dessen
Länge gleich der Herdbreite ist.
Zwischen Fuchs und Esse ist bei allen Oefen ein Sphieber (Register)
zur Regulirung des Zuges einzuschalten, wenn man nicht vorzieht, die
Elsse mit einer RegulirungsUappe auf der Ausmüudung zu versehen.
Hinsichtlich des Aufbaues und der Rüstung der Herdflammöfen zum
Schweissen und Glühen gelten die für die Giessereiflammöfen gegebenen
Regeln.
Die Figuren 278 bis 285 stellen die Einrichtung eines engli-
schen Schweissofens dar^). Links befindet sich der Planrost mit dem
darüber liegenden Schürloch a an der einen Langseite des Ofens
(Fig. 283 Yerticalschnitt durch das Schürloch). Die Feuerbrücke ist
massiv aus feuerfesten Ziegeln ohne Kühlung erbaut. An derselben Seite
mit dem Schürloche sind die zur Bedienung des Herdes bestimmten zwei
Arbeitsthüren hV angebracht; der Herd c' ruht auf einer Aufschüttung
von feuerfesten Ziegeln d (Figuren 282 und 284). Die Verbreiterung
des Herdes nach den Arbeitsthüren zu, wodurch von diesen aus Abschrä-
gungen nach der Feuerbrücke und dem Fuchse hin entstehen, hat ihre
Berechtigung durch den Umstand, dass es erforderlich ist, von der Arbeits-
thür aus mit den Werkzeugen (Zangen und Brechstangen) jeden Punkt
des Herdes leicht erreichen zu können. Es würde dieses unmöglich sein,
wenn die vordere Seite des Herdes sich in gerader Linie von der Feuer-
brücke bis zum Fuchse erstreckte.
Die Schlacke fliesst den geneigten Herd abwärts bis zur Oe&ung e,
durch welche sie aus dem Ofen austritt und sich in dem vor demselben
1) Ans Percy, Metallurf^y, Iren and Steel', p. 713; Wedding, Dantel-
Inng des schmiedbaren Eisens, B. 708.
368 HerdäammöfeD.
Angebrachten Sampfe sammelt (vergl. Fig. 278, 279, 280,. 231). Der
VerticalBcbnitt , Fig. 284, zeigt die erwähnte Neigang das Herdes nach
der Rückseite (am zn Terhftten, dass die Schlacke nach der ArbeitathQr
fliesst) nnd eine Arbeitithflr im DnrchBchnitte. Die Bezeichnung / — h
in sämmtlichen Abbildangen ist der eugUscfaen Originalbe Zeichnung ent-
nommen and bedeatet firebrickB — feaerfest« Steine. Wie aas den Fign-
ren 278, 279 nnd 282 hervorgeht, wird dos Ranhgemäaer der Esse von
guBBeisernen Säalen getragen, and das feuerfeste Fatter, welches die
Beispiele. 369
FortsetBUBg des Fuchses biiaet, lAgt frei in dasselbe hinein, eine Con-
Btmctionsregel , welche wir anoh für die ÜiessereiflammofeD als uquid'
gänglich hingestellt hatten.
DieFigaren 28Ö bis 289 (a. S. 271 ff.) stellen in Vi« der wirklichen
Grösse einen GlQhofen des Eisenwerks zu Riesa zum Glaheu von Bisen-
blechen in einer Grösse bis sn 1,5 Meter Breite and 3,2 Meter LBnge
dar, und xwar Fig. 286 einen Längsschnitt durch die Mitte des Herdes,
Fig. 287 GrandrisB (zur Hälfte Ansicht von oben, zur Hälfte Horizontal-
schnitt oberhalb der Uerdsohle), Fig. 283 auf der linken Hälfte einen
34
370 HerdHamniöfen.
vertioalen Qaerschnitt durch den Herd nach d^r I>mie AB in Fig. 286.
aaf der rechtsD Seite einen Verticnlschnitt in drr Richtung des Faehsea;
Fig. 289 eine Ansicht äps Otena vnn der Stirnseite mit der Arbeitsthür.
a ist ein Treppeuroat fikr BraunkoblenfeuerDug, b die Ftuerhrücke, c dtr
homontnle Herd mit den Längerippen dd zur Anfl&gening der lilfvhp
versehen. Die Gnse fallen dnrch den Fuchn e, welcher die ganRO Breite
defl Hordea einnimmt, in den untnr dem Herde hinatreicb enden Canal /,
nnd ziehen von hier nna sclilieasüch durch den mit einem Schieber A
vergeh liessbaren Canal (f noch dem Schürnsteine. Der Schieber i^t ans
ChMnotte hergestutll und mit ein- and umgelegten Schmiedeeisen»! Qcken
?t72 Herdflainmöfen.
armirt. Der in Fig. 286 ersichtliche Canal x steht ohne Beziehnng za
dem Ofen nnd ist nur in Rücksicht auf anderweitige bauliche Verhält-
nisse unter demselben durchgeführt. Der Herd wird dnrch die an der
Beispiele. 373
ganzen Stinreeit« dnrchlanfeDde Thür i TerscbloBsen, welche kaBteDformig
ana GuBseiaen gebildet und nach der lonenseite mit Chamotte gefüttert
ist, theils um der Abnutzung, tbeiU um der Wärmetran am iseioii TOrzn-
beugen. Zwei Ketten kk, welche an einem He bei werke l hängen, dienen
zum Aufziehen nnd Niederlaaaen der Thür. Vor der Thür ist die hori-
zontale Rolle m angebracht, am das Hinein schieben and Herausholen der
Blechtafelo zu erleichtern. Die mit einem Chamotte et eine /ngesetEt«
Oeffnnng n dient zam Reinigen des Canals / von Flagasche. Der Ofen
Fig. S8g.
ist aas Ziegelsteinen mit eingesetztem feuerfestem Futter erbaut und mit
Eisenplntten und alten Eieenbahnschienen gerflatet, welche durch
schmiedeeiBorne Queranker zusammengehalten werden.
In den Figuren 290 bis 296 ist ein Glühofen zum Glühen von
Neneilberblechen , welche durch die Verarbeitung hart geworden sind,
in der Fabrik Ton Jürst in Berlin dargestellt'), nnd zwar in Fig. 290
') AiiB Wiebe'a Skizzeiibuch Tür i]en Ingenieur uud MsRcbinenbauer.
BerliD, Jnbrgung 18S7, Heft I, Blatt 4.
371 HerdäammÖfen.
ein Mnkrecfater LäDgaschnitt dnrch den Ofen in der Richtung der Berd-
acbae, in Fig. 291 ein senkrechter Qoeractinitt dorch den Rost, io
Fig. 292 Henkrechter Querschnitt durch den Fachs, in Fig. 293 Stim-
ansicht des Ofens, in Fig. 2Ü4 und 295 Ansicht der Tronsportwagea
in grösserra Mnassstabe. Nachdem die Gase den Herd bestrichen
haben, entweichen sie durch den iu der Decke des Ofens angebracht
t«s Fuchs, welcher sieb über die ganze Breite des Ofens hinzieht. Eigen-
thOnlich und der Beachtung werth int die Vurrichtung zum Hioein-
und HinaasschafTen der Bleche. Auf der Sohle des horizuntalen Herdes
befinden sich Schienen , auf welchen zwei eiserne Wagen mit durch-
brocheneD Böden laufen, die nur Aufnahme der Bleche dienen. Diese
n Ei u schiebe wagen" werden, sobald sie deu Ofen Terlaasea, von einen
grossem T ran spoii wagen aufgenoinmen, gleichfalls anf Schienen laufend,
welcher das Walzwerk mit dem Glühofen verbindet. Indem man auf
diese Weise die vorher beladenea Wagen in deu Ofen einschiebt, ver-
meidet man eioestheils den WärmeverluBt bei dem längeren Oeffnen des
Ofens, Buseerdem aber, wob der Hauptzweck sein wird, die Entstehung
Beispiele. 375
jeoer kleiaen Kritzeln und Riefea auf der blftüben Oberfläche darch das
Scheuem nnf der Uerdsohle, welche bei dem Hineiu schieben und UerauB-
ziehen der Bleche ohne Wagen anvermeidlicb sein würde. Die ThQr
befindet sich wie gewöhnlich anf der Stiruseite des Ofana und wird ver-
376 Herdflaminöfen.
mittelst einer Kette bewegt, welche über zwei aa der Stirnplatte auf
einem gemeinschaftlichen goBseisernen Träger (vergl. Fig. 293) gelagerte
Rollen geführt ist und an dem andern Ende ein Gegengewicht znr Ans-
gleichnng des Thürgewichts trägt.
Fig. 291.
Als zweckmässig darf bei Schweiss- und Glöhöfen die Anwendung
von Unterwind bezeichnet werden, wenn die Erzeugung desselben io
billiger Weise zn bewirken ist. Man bezeichnet mit dem Ausdrucke
„Unterwind", wie schon früher erwähnt, einen Windstrom, welcher
anter den Rost in den in diesem Falle luftdicht verschlossenen Aschen-
fall geleitet wird. Nach den in die Ocffentlichkeit gelangten Resultaten
über den Erfolg dieser Einrichtnng htit sich die Prudnction der Oefen
vergrössert, nnd es darf nogenommen werden, dass aach eine Ersparung
an Brennmaterial , anf die Gewichtseinheit dee erhitzten Eisens bezogen,
damit erzielt worden sei; ans den früher hervorgehobenen Ursachen
(vergl. S. 254) dürfte auch , besonders bei Schweissöfen , eine Verringe-
rung des ÄbbrandeB zu erwarten sein. Wie auch Wedding hervor-
Herdflammöfen.
Fig. SM.
Anwendung von Unterwind. 379
hebt^), ist man bei Anwendung von ünterwind im Stande, stärkere
Brenn materialschichten auf dem Roste za erhalten, also den Rost tiefer
zu legen und eine reducirende Flamme zu erzengen, ein Umstand, welcher
besonders bei Glühöfen für die Anwendung von Unterwind sprechen dürfte.
Die einfachste und billigste Erzeugung von Unterwind wird nun
dui'ch ein DampfstrahlgeBläse bewirkt, welches unmittelbar neben dem
Ofen aufgestellt ist (vergl. Fig. 80 auf S. 84) ; und da die erforderliche
Windpressung kaum jemals höher als 60 Mm. Wassersäule steigen wird,
meistens sich zwischen 30 bis &0 Mm. Wassersäule bewegt (man stingert
so lange die Pressung, als die Arbeiter nicht von den aus den Arbeits-
thüren tretenden Gasen belästigt werden), so entspricht eine solche Ver-
wendung des Dampfstrahlgebläses gerade der früher erörterten Eigen-
thümlichkeit desselben, einen um so günstigem Effect zu liefern, je nie-
driger die hervorzubringende Windpressung ist. Nun beftndet sich aber
in der Nähe jedes Schweiss- oder Glühofens irgend eine grössere maschi-
nelle Vorrichtung für die Ai'beit der Formveränderung des Metalls, zu
deren Betriebe Dampf kraft benutzt zu werden pflegt, so dass auch ge-
heizte Dampfkessel in der Nähe sind; und hierdurch fallt von selbst die
Schwierigkeit hinweg, welche sich der Anwendung von Unterwind, ins-
besondere auch eines Dampfstrahlgebläses, bei Giessereiflammöfen bis-
weilen entgegenstellt.
Aus der Art und Weise der Wirkung der Ilerdflammöfen folgt —
und es wurde dieser Umstand bei Besprechung der Giessereiflammöfen
mehrfach hervorgehoben — , dass die Verbrennungsgase den Ofen mit
einer hohen Temperatur verlassen müssen und demgemäss beträchtliche
Wärmemengen ungenutzt mit fortführen. Bei den Giessereiflammöfen
erschwert der Umstand, dass die meisten derselben nur sehr unterbrochen
im Betriebe zu sein pflegen, eine weitere Ausnutzung dieser entweichen-
den Wärme; bei den Schweiss- und Glühöfen, welche ununterbrochen
während der sechs Wochentage im Betriebe zu sein pflegen , fällt jenes
Bedenken fort, und vom ökonomischeu Standpunkte ans ist deshalb eine
möglichst vernunftgemässe Ausnutzung jener Wärme dringend geboten.
Ueberall, wo Dampf kraft zum Betriebe der zu den Oefeu gehörenden
formgebeuden Maschinen benuzt wird, ist die Heizung der dafür erfor-
derlichen Dampfkessel die einfachste und deshalb auch zweckmässigste
Lösung der Aufgabe, die abziehende Wärme (Abhitze) der Oefen zu be-
nutzen, vorausgesetzt, dass dieselbe nicht, wie bei einigen sogleich zu
besprechenden Oefen mit Gasfeuerung, durch Erhitzung der frisch zuströ-
menden Brennstoffe (Gase und Luft) wieder in den Ofen zurückgeführt
und somit zur Erhöhung der Temperatur in demselben benutzt wird.
Ueber die Anordnung der Kessel und Oefen gegen einander in sol-
chen Fällen werden unten bei Besprechung der Anlagen der Werkstätten
einige Mittheilungen gegeben werden.
1) Darstellung des schmiedbaren Eisens, S. 173,
380 Herdflammöfen.
HerdflammöfeD mit Gasfeuerung.
Wie bereits mehrfach hervorgehoben wm-de, treten die Vorzüge der
Gasfeuerungen bei technischen Anlagen den Schwächen und Nachtheilen
derselben gegenüber in ein um so günstigeres Licht, je ununterbrochener
der Betrieb des zu heizenden Apparats vorwärts geht;, sie verschwinden
zum grossen Theile, wenn, wie bei den meisten Giessereiflamniöfen , ein
nur periodischer und kurze Zeit andauernder Betrieb erforderlich «rird.
Bei den meisten Schweiss- und Glühöfen aber pflegt der Betrieb un-
unterbrochen während mindestens sechs Tagen und Nächten anzudauern,
und aus diesem Grunde bat sich die Anwendung der Gasfeuerungen
gerade bei diesen Apparaten meistens in glänzender Weise bewährt.
Die hierher gehörigen Einrichtungen sind zahlreich. Bei den älte-
ren derselben wurden die Gase vom Generator in mehr oder minder lan-
gen Leitungen nach dem Ofen geführt und hier gewöhnlich durch einen
gepressten, von oben zugeführten Luftstrom verbrannt, welcher hänfig
in einem eisernen Winderhitzungsapparate durch die abziehenden Gase
erhitzt wurde und dadurch einen Theil der entweichenden Wärme wieder
in den Ofen zurückführte. Dieses System hatte zwei grosse Uebelstände.
Erstens fand in Folge der Zuführung der Verbrennungsluft oberhalb der
Feuerbrücke die grösste Wärmeentwickelung erst ungeiahr in der Mitte
des Herdes oder noch darüber hinaus statt, und somit blieb die Aus-
nutzung der Wärme eine ungünstige, zweitens bedurften die eisernen
Winderhitzer sehr häufiger Reparaturen.
Unter den Feuerungssystemen, welche eine Beseitigung dieser Nacb-
theile anstrebten, mögen nur die in jetziger Zeit für Schweiss- und Glüh-
öfen üblichsten Erwähnung finden.
Am einfachsten unter diesen ist die Construction des Bicheroux-
Ofens, dessen Generator und Gasleitung nebst dem hintern Theile des
Schweissofens in der ursprünglichen Anordnung in Fig. 296 und 297
abgebildet ist^« Es ist hier Ä der geräumige Generator (2,5 Meter
breit, 2 Meter lang) mit geneigtem Planroste, B ein langer sich allmälig
verengender Canal zur Fortleitung der Gase, C ein verticaler Canal, in
welchem die Gase mit atmosphärischer, durch die Esse angesaugter Luft
gemischt werden, um dann brennend über die Feuerbrücke hinweg nach
dem Herde des Ofens zu ziehen. Die Verbrennungsluft wird — wie
auch in Fig. 296 angedeutet ist — , bevor sie in den Raum C gelangt,
durch ein System von Canälen innerhalb des Ofenmauerwerks hindurch-
geführt, in welchem sie vorgewärmt wird.
Die B icher oux-Oefen unterscheiden sich demnach von den älteren
Gasöfen vornehmlich durch die Form und insbesondere den grossen Fas-
^) Berg- und Hüttenmännische Zeitung 1874, S. 434; Wedding, Barstel-
lung des schmiedbaren Eisens, S. 715.
Gaafeaeruni;. 381
sungBraom des Oeueratora, wodurch ein gleioli massiger BetrieB erzielt
wird, femer durch die jedenfalU zweckinässige Mischaag der Gue mit
VerbreDDangaloft, bevor sie dea Herd eireiohen, so daaa die nach der
Mischung eintretende Wärmeentwickelung dem letztem zu gnte kommt.
Nach dem Verlaasen des Ofens werden die Gase zar Eesselfeuerang benutzt.
In neuerer Zeit hat man, wie dem Verfasser von befreundeter Seite
mitgetheilt wurde, mehrere bemerkenswerthe Verbesserungen jener altem
Fig. 2iP6.
oben abgebildeten Cunatruction angebracht, oder richtiger ansgedrOckt,
man bat die nrsprungliche Conetruction der jedesmaligen Beschaffenheit
der zar Verwendung kommenden Koblen (Stein- and Braankohlen) ent-
sprechend vnnirf. Besonders scheint man auf Eisenhüttenwerken Oester-
reiobs und Ungarns, für welche Länder das Patent durch A. Pro-
cbaska n. Co. in Wien erworben wnrde, eifrig in dieser Richtung vor-
gegangen zn sein (Johann -AI dolfbütte in Steyermark, Alt«ohl beiSchem-
nitz in Ungarn, Grazer Eisenwaarenfabrik, Grazer Südbahu walz werk and
verschiedene andere).
382 Herdflammöfen.
Diese Veränderangeo beziehentlich VerbeBsernngen des nreprüng-
lichen Ofens besteben:
1) in der Anbringung- eines Treppen rootes von 45 Grad Neigung in
der Rilckwand den Ofens, besonders für ßrnunkohlenfeuerung geeignet;
2), und diese Aendemng verdient vorzugsweise Reftchtting, in der
Weglassnng des langen Canals C, welcher wärmeentziebend wirkt, nnd
unmittelbarer Verbindung des Generators mit dem ScIiweiRsoren. Zn
diesem Zwecke wird der Generator vertieft unter die Hilttensohle gelegt,
und man Inast aus demsellien da, wo in Fig. 39G der Cnnnl Ti beginnt,
die Gase unmittelbar durch den senkrechten Cnnal C nach dem darüber
liegenden Scbweissofeii emporsteigen (vergl, Fig. 298). Erwilgt mflo,
dnSB die Bildung gewisser Procente Kohleiisfiure im Generator unvermeid-
lich ist, dass dadurch Wärme erzeugt wird, welche in der langen Leitung
zum grossen Tbeile verloren geht, bei unmittelbarer Verbindung des Ofens
mit dem Generator aber ansgenutzt werden kann, so dürfte das Zweck-
mässige dieser Einrichtung für alle solche Falle einleuchten, wo nicht etwa
■ eine Condensation reicbllcb entwickelter Wasserdämpfe beabsichtigt wird ')■
Fig. 298.
') Dnitli rliene AenJerniiK wird der Bicliermix-Ofen dem sclion fVüher
bekannten «ml auch jetzt noch mehrfach angewendeten Buetjun-Ofen sehr
ähnlich; vnrgl. Kerl, QmndriHB der EiseubütteDkunde , B. 301; Berg- und
Hättenniännische Zeitnng ISSe, S. 4^2,
Gasfenemng. 383
Die Fig. 298 kann znr Verftoschsalichang eines eolcfaen (ilr Brann-
kohlenfeaemng beBtimmten Bicfaeroaz -Ofens zu Johann - Adolfhülle
dienen. Der Generator ist 2050 Mm. breit, während ilie Breite des Ca-
nftls C 1420 Mm, Beträgt. XX sind CanÄle für die Verbrennnn'gxInfL
Eine ansseixleni mit gntem Erfolge dnrchgeföhrte Neaemng ist die
Zaieitnng tob Unterwind nnter den Rost bei geschlossenem Aschenfsll,
besonders dann empfehlenswerth, wenn man Klarkohle 2a verarbeiten hat.
Der HauptTortheil der Bicfaeronx-Oefen liegt in einer Verringe-
rnng des Brenn stoflyerbraachB im Vergleiche zn den Oefen mit directer
Feaernng, hauptsächlich als Folge einer Tollständigern Verbrennung
des Materials. Denn einestheils werden durcb Anwendung des ge-
räamigen Gasgenerators jene Abkäblnngen beim Schären anf ein ge-
ringstes Maass redocirt, welche bei directer Feaernng sich jedesmal
darch die Entwicketaug eines dicken Qualms aus dem Schornsteine be-
merkbar machen; and andemtbeils wirkt unstreitig die Zuführung er-
wärmter Luft za dem bereite vergaatcn Brennstoffe nngemein günstig
anf die Verbrennung, welche an der för die Wärmeausnutzang geeignet-
sten Stelle vor eich geht.
Fig. 29».
Weniger einfach ist die Ponsard'sche Feuerung, dnreh die Figu-
ren 299 nnd 300, einen mit dieser Feuerung versehenen Schweissofen
darstellend, erläutert').
384 Herdflammüfen.
Die ans dem Generator kommenden Gaee werden, bevor sie über die
FeuerbrOcke gelangen, mit Lnft gemiacht, streicben demgemäas brennend
aber den Herd hinweg nnd treten nun in einen Raum ein, welcher zur
Erwärmung der Verbrenn an gBlaft dient. Ponaard nennt diesen Luft-
erbitsEnngaapparat einen beständig wirkenden Regenerator, obschoD die
Art der Wirkung eine völlig andere ist, als bei den Kegeneratoren
der SiemenB-Pcuerungen '). Derselbe, ana feuerfeBteiQ Materials erbant,
enthält nämlich eine grosse Anzahl Canäle BB, welche von der atmo-
sphärischen Lnft durchstrichen werden, während die beiBsen Verbren-
nungsgase durch die Canäio A abwärts ziehen nnd dabei jene von anssen
erhitzen. Die Erhitzung der Luft findet also durch Wärmetransmission
statt und ist in Folge der reichlichen Oberfläche der Luftcanäle eine
Fiff. :ioo. nicht uol)eträchtliche. Die erhitzte
Luft streicht dann in der Richtung
des Pfeils in Fig. 299 weiter und
trifft nun, wie oben beschrieben, die
unmittelbar aus dem Generator kom-
menden, also noch ziemlich beissen
Gase. In Folge dieser vorausgehen-
den Erhitzung der Luft ist nicht
nnr die Verbrennung eine sehr voll-
ständige, sondern es wird anch jener
Theil Wärme, welchen die Lnft in
dem Erliitznngsapparate aufnimmt,
dem Ofen wieder zurückgebracht
und dadurch nicht allein die gleiche
Menge Wärme erspart, sondern anch
die Temperatur höher gesteigert,
als wenn diese Wärme durch eine
äquivalente Menge Brennstoff er-
zeugt worden wäre, so dass, wenn
jene Temperatursteigemng nicht
beabsichtigt war, thatsächlich mehr Brennstoff erspart werden kann, als
2Dr Entwickelung der in den Ofen zurückgeführten Wärme erforderlich
gewesen sein würde*). In dieser Hinsicht geben also die Ponsard'schen
Feuerungen eine ähnliche Wirkung als die früher erfundenen Siemens'-
scben, deren allgemeine Einrichtnng schon hei den GiessereiflammöfeD
beschrieben wnrde, sind aber in ihrer Anlage wie in der Wartung ein-
facher, da statt der vier Siemens'schen Regeneratoren nur ein einziger
vorhanden ist nnd das Umschalten des Gas- uad Luftstromes vollsttndig
wegtSilt. Diese Vortbeile haben den Ponsard'schen Feuerungen für
Schweisa- and Glühöfen in Belgien, Frankreich und im westlichen Dentsch-
') Besser dürfte der neuerilings augenomnieoe Name ,Recuperator* fQr
diesen Apparat sein. ') Vergl. B. ibH.
Gasfeuerung. 385
'O
land manche Freande und eine nicht unerhehliche Verhreitung verschatft.
Als Hanptnachtheil derselben gilt der Umstand, dass es schwierig ist,
die Lnftcanäle unter den Einwirkungen der Erhitzung so dicht zu er-
halten, dass nicht aus denselben Luft direct in die Feuercanäle übertritt,
also nicht allein ungenutzt entweicht, sondern obenein Warme entführt
und den Apparat abkühlt. Dieser Uebelstand und die damit verknüpf-
ten Reparaturen können allerdings nach Ueberzeugung des Verfassers
schwer genug wiegen, um gerechtfertigte Bedenken gegen die Einführung
des Ponsar duschen Feuerungssystems wach zu rufen.
Eine dritte Gattung der Oasfeuerungen für Schweiss- und Glühöfen
wird durch die bereits vielfach erwähnten Siemens'schen Regenerativ-
öfen gebildet, unter den drei genannten die ältesten, in den Anlagekosten
theuersten, in der Construction und Wartung schwierigsten, in der Lei-
stung aber auch wohl unerreichten Feuerungsanlagen darstellend. Denn
da hier sowohl Gas als Verbrennungsluft in den Regeneratoren auf eine
hohe Temperatur erwärmt werden, bevor sie sich zum Zwecke der Ver-
brennung mischen, so kann jene bei den Ponsard-Oefen besprochene
Temperatursteigerung beziehentlich Brennstoffersparung in erhöhtem
Maasse stattfinden; eben diese Erhitzung des Gases gleicht aber auch
die Vortheile aus, welche bei den Ponsard- und neueren Bicheroux-
Oefen die Benutzung der aus dem Generator mitgenommenen Wärme
bietet, und lässt es in vielfachen Verhältnissen zweckmässig erscheinen,
auch ein geringwerthigeres , wasserreicheres Brennmaterial durch Ein-
schaltung eines Gondensationsapparates in die Gasleitung zu einem Gase
von ausreichend hohem Brennwerthe zu verarbeiten. Diese Anwendung
einer längern Gasleitung macht es aber andererseits möglich, in grösse-
ren Anlagen den einzelnen Ofen unabhängig von einem bestimmten Gas-
generator zu machen und die gesammte Gaserzeugung gewissermaassen
zu centralisiren, indem man die Gase sämmtlicher vorhandenen Gasgene-
ratoren in ein gemeinschaftliches Sammelrohr und aus diesen den einzel-
nen Oefen zuführt.
Die allgemeine Einrichtung eines Sie mens' sehen Schweiss- oder
Glühofens wird sich ohne Weiteres aus den früher gegebenen Abbildun-
gen (Figuren 222 bis 226 auf S. 258 ff.) herleiten lassen, wenn man sich
anstatt des vertieften Herdes dieses letztem einen flachen nach der Rück-
seite des Ofens geneigten und an der tiefsten Stelle mit Schlackenabfluss
versehenen Sandherd vergegenwärtigt. Im Uebrigen verweisen wir auf
die unten gegebene Literatur und Nachweisung von Abbildungen.
Betrieb und Arbeitsverfahren.
Bei Schweiss- und Glühöfen für rohe Blöcke bedient man sich ge-
wöhnlich einer breiten Schaufel, um die zu schweissenden Metallstücke
in den Ofen zu schieben. Man legt das Metall auf die Schaufel, während
diese auf der Thürschwelle ruht, dann wird die Thür aufgezogen, der
Ledebur, mechanisch •motallurgischc Technologie. 25
386 Herdflammöfen. Wirkungsgrad.
Block (Bramme) oder die za einem „Packeie" zusammengelegten Metall -
stücke in den Ofen gestossen, die Schaufel rasch zurückgezogen und die
Thür geschlossen.
Zur günstigem Warmeausnntzung bringt man, wie schon erwähnt,
auf manchen Werken die letzten Stücke an die weniger erhitztei) Stellen
des Ofens und schiebt sie allmälig nach den heisseren Stellen vor, wenn
die dort befindlichen früher eingesetzten Stücke herausgenommen sind.
Dadurch wird allerdings ein öfteres und längeres Oeffnen der Thüren er-
forderlich, welches unter Umständen erhöhten Abbrand und Abkühlung
des Ofens zur Folge haben kann. Wenn der Arbeiter erkennt, dass die
richtige Erhitzung erreicht ist, werden bei Schweissöfen die Stücke mit
Hülfe einer breiten Brechstange gewendet , so dass die bis dahin auf der
Sohle des Herdes befindlichen und weniger stark erhitzten Theile gleich-
falls der starkem Erhitzung ausgesetzt werden. Beim Glühen von halb-
fertigen oder fertigen Gegenständen ist ein solches Wenden unthunlich.
Schliesslich wird nach dem Oeffnen der Thür das Metallstück mit einem
Haken auf die Thürschwelle gezogen, dort mit einer entsprechend grossen
Zange erfasst und mit Hülfe eines zweirädrigen eisernen Wagens nach sei-
nem Bestimmungsorte geschaffb. Bei Oefen mit stark saugender Esse, ins-
besondere also bei allen Schweissöfen ohne Unterwind, belegt man die
Thürschwelle und Fugen, so lange die Thür geschlossen ist, mit Stein-
kohlen, um das Eindringen unverzehrten Sauerstoffs zu hindern.
Betriebsresultate und Wirkungsgrad.
Der Abbrand ist wie bei den Schmiedefeuern ein sehr verschiedener,
je nachdem grössere oder kleinere Metallstücke erhitzt werden, höhere
oder weniger hohe Temperatur gegeben wird. Bei Schweissöfen rechnet
man etwa 8 bis 20 Proc. Abbrand; beim Glühen von Kupfertafeln 1 bis3Proc.;
beim Messing, welches erst nach der Verarbeitung geglüht wird, ^/j Proc.
Der Brennstoffaufwand in Schweissöfen, um 100 Kilogramm Eisen
zu erhitzen, schwankt nach Art des Fabrikats bei directer Feuerung von
40 bis 100 Kilogramm Steinkohle, im Gasschweissofen erheblich weniger.
Im Bicheroux-Ofen wird der Brennstoffaufwand ein höherer sein als
in den Ponsard- und Siemens- Oefen, doch giebt ersterer bei Anwen-
dung von Dampf kraft den nicht zu unterschätzenden Vortheil, dass die
abziehenden Gase zur Kesselfeuerung benutzbar bleiben, ein Umstand,
der in vielen Fällen den höhern Brennstoffaufwand beim Schweissen und
Glühen ausgleichen dürfte.
Nach Grüner gebraucht man, um im Ilerdflammofen mit directer
Feuerung Eisenstäbe auf helle Rothgluth (1100 Grad Celsius) zu er-
hitzen, 40 bis 50 Kilogramm Steinkohlen, in den günstigsten Fällen 30
Kilogramm, während die aufgenommene Wärme 200 bis 210 Wärmeein-
heiten beträgt. Bei einer Wärmeleistung der Kohlen von 7000 Wärme-
einheiten würde demnach der Wirkungsgrad des Ofens, einen durch*
Gefässöfen. 387
schnitt liehen Kohlenverbraach von 40 Kilogramm angenommen, sich
beziffern auf
210 X 100 ^
40 X 7000 •
In den Siemens-Oefen zu Bbchnm gebraucht man zum Wärmen
des Stahls 17 Kilogramm Steinkohlen, während dieser 180 bis 200 Wärme-
einheiten aufnimmt; demnach Wirkungsgrad bei Siemens-Oefen:
17 X 7000 •
In Seraing gebraucht man im Ponsard-Ofen zum Erhitzen des
Stahls 18 bis 20 Kilogramm Steinkohlen; demnach Wirk^ngsgrad des
Ponsard-Ofens:
_ 190 X 100 ^,^
E = = 0,14.
19 X 7000 *
Dritte Gruppe. Gefössöfen.
Das Metall befindet sich in einem geschlossenen Behälter, welcher
Ton aussen erhitzt wird. Daher ist die Einwirkung des Brennmaterials
und der aus demselben entwickelten Gase völlig ausgeschlossen; die Ein-
wirkung der atmosphärischen Luft wenigstens auf diejenige Menge der-
selben beschränkt, welche mit dem Metalle in dem Gefässe eingeschlossen
ist. Die Wärmeabgabe an das Metall geschieht in Folge einer Trans-
mission durch die Gefasswände," geht also langsamer und unvollkommener
vor sich, als in den zuerst beschriebenen beiden Gruppen von Erhitzungs-
apparaten. Man benutzt deshalb diese Gefässöfen nur zum Glühen in
Rothgluth oder geringerer Temperatur; entweder f&r solche halbfertige
Gegenstände, bei denen durch die Entstehung chemischer Bildungen an
der Oberfläche unter Einfluss der Flamme und atmosphärischen Luft,
insbesondere aber durch die Ablagerung staubförmiger, mechanisch nieder-
fallender Körper (Asche, Kohlenpartikdchen), welche sich festsetzen und
bei der nachfolgenden Einwirkung von Stoss- oder Druckkräften in die
Oberfläche eingedrückt werden können, eine Beeinträchtigung der Be-
schaffenheit des Fabrikats zu befürchten ist (Bleche aus Zink, Neusilber
und anderen Metallen, welche mit möglichst glatter Oberfläche aus dem
forrogebenden Processe hervorgehen sollen), oder für fertige Gegenstände
mit so geringen Querschnitten, dass die Anwendung eines Herdflamm-
ofens für diesen Zweck nicht ausreichende Begründung findet (Drähte).
Die benutzten Gefasse und Feuemngseinrichtungen sind den ver-
schiedenen Zwecken entsprechend sehr mannigfacher Art. Für die klein-
sten Gegenstände dienen cylindrische Kessel aus Gnsseisen oder Eisen-
blech mit senkrechter Achse, welche zur Rothgluth durch ein unter den-
selben angebrachtes Feuer erhitzt werden; statt der Kessel benutzt man
26*
ä88 GefässÖfen.
auch, beBondera für einen nnnnterbrochenen Betrieb, horizontale Bebalter
von verhältnisamiisaig geringem Querschnitt nnd grosser Länge, vorn
durch einen Deckel geschlosson, aOs GuBaeisen oder Cbamottemasse her-
gestellt und den Retorten der Gasanstalten in Form und Einmanernng
ganz ähnlich; für grossere Gegenstände dienen Muffelöfen oder kasten-
förmige Behälter, welche von der Flamme umspült werden.
Die Figuren 301 bis 304 stellen einen Muffelofen zum Glühen von
Neuailberblechen in der Fabrik von Jürst in Berlin dar'). Die Muffel
Fig. 301.
Lj
J^
besteht aus Guaseisen, ruht auf einer feuerfesten Wölbung oberhalb des
Fenorraums und wird von allen Seiten von den Feueruugsgasen umspült.
Dieselben steigen durch die in dem Gewölbe angebrachten Can&le aa
aufwärts, dringen durch die kleineren Oefibungen tib in den Raum, wel-
cher die eigentliche Muffel eiüBchUesst, nnd ziehen längs dieser nach dem
Schornsteine. Wie die verschiedene Schraffirong andentet, beat«ht das
ganz» Fntter des Ofens, soweit es von dem Feuer berührt wird, ans
■) Wiebe, Hki/zenliur,]!, Jahrgang 1687. Heft, 1, Blatt 5.
Beispiele. 389
feuerfesten Steinen. Der VerBchlosa der Mnflel geschieht auf der Torder-
aeite durch eine Tbür, welche in Fflhrongea auf- nnd abgleitet nnd mit
Hülfe einer Kette hoch geiogen wird; aof der Rückseite dnrch eine der
Thür ähnliche Scbiel>erplatte, welche noch durch Schraabenholzen ange-
drückt werden kann. Unterhalb der Beschicknngsthür befindet sich die .
Heizthür and die ThOr für den Äschenfall. Die Canäle d (Figuren 302
Fig. 302.
und 303) haben den Zweck, dnrch Zuführnog erwärmter atmosphärischer
Luft über den Rost die Vollständigkeit der Verbrennung zu befördern,
cc In Fig. 302 sind gemauerte Consolen zur Unterstützung des Ge-
wölbes.
Ein Ofen zum Wärmen Ton Zinkblechen in einem englischen Zink-
390 Gefässöfen,
blechwalzwerke lat in den Figuren 305 bis 309 (S. 393 ff.) abgebUdet »)-
Der zur Änfnahme der Zinkbleche dienende Behälter ist hier Bcbrank-
Fig. 303.
artig eingerichtet und ans Gusaeieea platten zusiiininungtiiii'tzt. Senkrechte
Scheidewände thi'ilen den ganzen Behälter iu drei Huuptabtheilungen,
deren jede durch eine besondere Thür vorHchloaaeu uud durch ein~
gescliobone, horizontale, durchbrochene Flutten t welche zur Auibahmo
der Dleche dienen (Figuren 305 und 306), noch ntiseerdcm in drei klei-
nere Fächer getbeilt wird. Die auf dem Beate cntwiekelte Flamme
') Berg- uud HütteniiiänniBchc Zeitung, Jalirgiiiig 1B73, Trtf. 8.
Arbeitsverfahren, Wirkungsgrad. 391
streicht üun&chet unter dem Kasten hin , welcher lum Schutze gegen die
Stichflamme anf einem Gewölbe ruht, steigt dann an der Stirnseite empor,
Fig. 304.
nnd aiebt oberhalb des Kastens rückwärts nach dem Scbornateine. Die
darcb Thüren Terschtoasene Seite des Kastens liegt frei und vor dersel-
ben befindet sich eine Plattform zur Erl eichte mng des Ein- und Aus-
bringens, die entgegengesetzte Seite ist durch Mauerung vor Abkühlung
geschützt. Die in Fig. 305 auf der linken Seite des Ofens ersichtlichen
Oeffnungen in der Umfassnngsmaner dienen zum Reinigen der Canäle
und werden durch gewöhnliche eiserne Schieber verschlossen gehalten.
Arbeitsverfahren und Wirkungsgrad.
Ersteres bedarf kaum einer Beschreibung, da es eich im Wesent-
lichen neben der Wartung des Feuers auf das Einbringen der kalten
und Ausbringen der erwärmten Metalle beschränkt.
Gefässöfen.
Die Ermittelnng eines
dnrchschDittlichen Wir-
kungsgrades dieser Oefen
ist fast noch schwieriger
und OD zuverlässiger, als
bei den frOher beschrie*
benen, weil die mannig-
üsldge CoDstmctioD, das
Terscbiedene Material zu
dem GlQhgefasse, die ab-
weichende Temperatar,
auf welche die verschie-
denen Metalle erhitzt
werden müssen, die Er-
zielung sehr abweichen-
der Reaaltate zulassen.
Wiebe giebt an, dasa
der in den Figuren 301
bis 304 abgebildete Ofen
in 24 Stunden mit 160
Centner Steinkohlen 60Ö
Cüatner glühendes Neu-
silber liefere, wobei die
abziehenden Gase noch
den Betrieb eines Kes-
sels von 44 Quadrat-
meter feuerbewährt«r
Fläche bei einer Span-
nung Ton 4 Atmosphä-
ren gestatte. Um 100
Kilogramm Neusilber zu
glühen, würden also 27
Kilogramm Steinkohlen
Wirkangsgrad, 393
erforderlich Bein. Leider iat die von glühendem NeasUber aufgenom-
iDBDe Wärme nicht bekannt. Setzt man die apecifisohe Wärme desselben
Fig. 308. Fig. 309.
^= 0,96 , nnd nimmt man an , dass eine Erwärmung aaf 600 Grad statt-
finde, Bo beträgt die aufgenommene Wärme 58 Wärmeeinheiten, and der
Wirkungsgrad des Ofens
58 X 100 „„„
E ^ = 0.03,
27 X 7000 ' '
ein Reenltat, dessen annähernde Richtigkeit durch den Umstand wahr-
scheinlich gemacht wird, dass die Wärmeabgabe immerhin schwieriger
alsbeiOefen mit freiem Herde von Statten geht, und daher der Wirknogs-
grad ein nngüDstigerer sein mnes, als bei diesen-
SchluBsbetracbtiingeu.
W&hrend bei den Schmelzöfen die Gegenflberstellnng der berechne-
ten Wirkungsgrade eine scharfe Charakteristik jener Oefen bildete, sehen
wir bei den Oefen ssam Glühen der Metalle, daes jene Wirkungsgrade
sehr relativ sind nn^ ans den angeführten Gründen sich innerhalb sehr
weiter Grenzen bewegen.
Während wir für die Schmiedefeuer einen ei-hebÜcfa nngünstigern
Wirkungsgrad ermittelten , als für die Herdflaramöfen — auch für die-
jeuigen mit directer Feuerung — , lehrt der Augenschein , dass bei den
erstercD durch die abziehenden Gase verhält nisBinäsaig weniger Wärme
entführt wird, als bei den letiteren. Die Ursachen dieser ungünstigem
Brennatoffausnutznng liegen hanptBächHch in der geringem Orösse der
Schmiedefeaer , weil mit der zunehmenden Grösse eines Erhitzungsappa-
rata sich bei ansreichender Aasnntznng desselben die relativen Wärme-
verlnste verringern, sowie in den öfteren Stillständen der Schmiedefeaer
394 Literatur über Schweissen und Glühen.
während des Schmiedens, wobei Abkühlung eintritt und Wärme verloren
geht. Trotz des berechneten ungünstigen Wirkungsgrades werden die
Schmiedefbuer unentbehrliche Apparate bleiben, wo einzelne und kleine
Metallstücke erhitzt werden sollen.
Aehnlich verhalten sich die Geiassöfen zu den Herdflammöfen. Wäh-
rend ihr Wirkungsgrad im Allgemeinen ein ungünstigerer sein muss, ist
ihre Anwendung doch häufig, und die Gründe, welche fiir dieselbe spre-
chen, wurden bereits hervorgehoben.
Literatur über Schweissen und Glühen der Metalle.
lieber Schmiede feuer und deren Betrieb:
Wiebe, Maschinenbaumaterialicn (1. Band des Handbuchs der Maschi-
nenkunde), Stuttgart 1858, S. 342 fi".; Atlas Tafel 111, IV, VI, VII.
Karmarsch-Hartig, Mechanische Technologie, Bd. I, S. 175.
Petzhold, Fabrikation von Eisenbahnmaterial. Wiesbaden 1872, S. 142,
Taf. XX, Fig. 5 und 6 (Schweissfeuer für Eisenbahn räder).
Wedding, Darstellung des schmiedbaren Eisens, S. 700 ff.
Wiebe, Skizzenbuch Jahrgang 1869, Heft 3, Blatt 3; Jahrgang 1872,
Heft 7, Blatt 1 und 2.
Ueber Herdflammöfen:
Wiebe, Maschineubaumaterialien, S. 36G, Atlas Taf. V.
Petzhold, op. cit.S.34, 37, 50, 54, 81, 202, 213; Abbildungen Taf. XII,
Fig. 4 und 5, Taf. XIV, Fig. 1 bis 11, Taf. XX, Fig. 1 bis 4, Taf.
XXI, Fig. 10 bis 12, Taf. XXVI, Fig. 1 und 2.
Wedding, op. cit. S. 707 ff.
Kerl, Grundriss der Eisenhüttenkunde, S. 414.
Jordan, Album du conrs de Metallurgie, Taf. 78 bis 83 (Abbildungen
von Schweissöfen mit directer und Siemens' scher Feuerung), Taf.
111 und 112 (Blechglühöfen).
Wiebe, Skizzenbuch, Jahrgang 1875, Heft 5, Blatt 6 (Messingglühöfen
mit Siemens'scher Feuerung).
Ueber Gefässöfen:
Zeitschrift deutscher Ingenieure, Band 11, Taf. 18, Fig. 1 und 2 (Glüh-
öfen für Draht).
Dingler's poljrtechnisches Journal, Band 202, S. 190 (desgl.).
Kerl, op. cit., S. 440 (desgl.).
Jordan, op. cit, Taf. 113 (Blechglühöfcn).
i
I
8. Die formgebenden Apparate und ihre Anwendung.
A. Hammer und Ambos.
Hammer wird ein jedes Werkzeug genannt, welches geeignet ist,
durch ansgeühte Schläge auf einen andern festen Körper eine Formver-
änderung desselben zu bewirken, ohne dass jedoch diese Formverände-
rung stets der Zweck der vollführten Schläge zu sein brauchf. Die Ar-
beit heisst Hämmern, und wenn der gehämmerte Gegenstand aus einem
Metallstucke besteht, welches zur Verleihung einer grössern Dehnbarkeit
für die beabsichtigte Form Veränderung erhitzt worden ist (Eisen, Stahl,
Kupfer und andere), so nennt man diese Art der Formgebung insbeson-
dere Schmieden.
Bei jedem. Hämmern, welches eine Form Veränderung durch Quer-
schnittsverdünnung zum Zwecke hat, muss der wirksame 'Theil des
Hammers härter als der gehämmerte Gegenstand sein^). Der letztere
muss aber auch eine feste Unterlage erhalten, theils um ein Ausweichen
desselben zu verhindern, theils um di^'enige lebendige Kraft des Ham-
mers aufzunehmen, welche nicht zur Formveränderung verwendet wird;
diese Unterlage nennen wir Ambos. Auch der Ambos muss härter als
der zu bearbeitende Gegenstand sein, um nicht selbst Eindrücke beim
Hämmern zu erhalten. Derselbe wird in einer stabilen Unterlage be-
festigt, welche bei kleinen Hämmern aus einem schweren, in die Erde
eingerammten Holzklotze besteht und Hammerstock genannt wird, bei
schweren Hämmern aber aus einem Gusseisenkörper — der Chabotte —
gebildet wird, welcher gewöhnlich auf einem elastischen Holzfunda-
mente ruht.
1) Wenn im Oegentheile die Qaerschnittsverdnnnung vermieden werden
soll, also z. B. bei der Anwendung der Hämmer znm Biegen, wovon in dem
folgenden Abschnitte die Bede sein wird, sind häufig die Hämmer aus weicberm
Materiale als das zu biegende Metall gefertigt.
396 Hammer und Ambos.
Meistens erfolgen die Schläge von oben nach unten in einer Verti-
calebene. Es ergiebt sich bei dieser Art der Bewegungsrichtnng der
Yortheil , dass die Schwerkraft als beschleunigende Kraft auf den Ham-
mer wirkt und dadurch die Wirkung des Schlages erhöht; ja, in vielen
Fällen ist es die Schwerkraft allein, durch welche die Bewegung des
Hammers hervorgerufen wird.
Die Wirkung eines Schlages, d. h. das in dem Augenblicke des Auf-
schlagens in dem Hammer angehäufte und auf den gehämmerten Gegen-
stand übertragene Arbeitsquantum ist theoretisch —^ , worm M die so-
genannte Masse des Körpers, v die Endgeschwindigkeit bezeichnet. Dem-
nach ist man im Stande, mit einer kleinen Masse, welche mit grosser
Geschwindigkeit bewegt wird, theoretisch dieselbe Wirkung hervorzu-
bringen, als mit einer grössern Masse, die eine geringere Geschwindigkeit
besitzt. Diese Thatsache ist insofern von Wichtigkeit, als es in Wirk-
lichkeit weniger umfangreiche mechanische Hülfsmittel erfordert, einer
geringen Masse grosse Geschwindigkeit zu verleihen, als umgekehrt.
Nun lehrt uns aber die Erfahrung, dass die physikalischen
Wirkungen des Hämmems auf das Metall sich doch erheblich abweichend
gest-alten, ob man ein grosses Hammergewicht mit geringerer — nur dem
freien Falle^ entsprechender — Geschwindigkeit oder ein geringeres Ge-
wicht mit grösserer Geschwindigkeit wirken lässt. In ersterm Falle er-
streckt sich die Wirkung sowohl auf die äusseren als auch die inneren
Theile des Metallstückes ; schmiedet man einen erhitzten Metallblock mit
verticalen Seitenflächen (also von prismatischer Form), so nehmen beim
Schmieden jene verticalen Seitenflächen convexe Form an, ein Beweis,
dass die inneren, heisseren und deshalb dehnbareren .Theile stärkere
Querschnittsverdünnung und dadurch Streckung erfahren, als die äusseren
kälteren; in dem zweiten Falle werden vorzugsweise die äusseren Theile
beeinflusst, gestreckt, und die verticalen Seitenflächen erhalten in Folge
dessen concave Form.
Wenn es also nur darauf ankommt, die äusseren Begrenzungen
eines Metallstücks in andere Form zu bringen — wie es freilich bei der
Metallverarbeitung meistens der Fall ist — , so wird ein weniger
schwerer Hammer mit grosser Geschwindigkeit den Zweck eben so gut
und in kürzerer Zeit erfüllen, als ein schwererer Hammer mit geringerer
Geschwindigkeit; wenn aber neben der Formgebung gewisse, das ganze
Metallstück durchdringende physikalische Aenderungen hervorgerufen
werden sollen, deren Totalwirkung man mit dem Ausdrucke „Verdich-
tung" zu bezeichnen pflegt, so ist es unerlässlich , dass das Fallgewicht
des Hammers der Stärke des zu bearbeitenden Metallstücks angemes-
sen sei.
Die verschiedenen Arten der für die Metallverarbeitung benutzten
Hämmer lassen sich entweder gemäss der für den Betrieb verwend>eten
Betriebskraft als Ilandhämmer (Fusstritthämmer) und Maschinen-
Stielhämmer. 397
hämmer (Dampfhämmer, Wasserhämmer etc.) eintheilen, oder gemäss
ihrer Constraction als Stielhämmer und Rahmen- oder Parallel-
hämmer. Wir werden für die folgenden Besprechungen die letztere
Eintheilung als Grandlage nehmen.
a. Stielhänimer.
Dieselben bestehen ans zwei Ilanpttheilen : dem Stiele oder Helme,
welcher meistens ans zähem Holze gefertigt ist, nnd dem Hammer-
kopfe, gewöhnlich aas Schmiedeeisen mit verstahlter Arbeitsfläche her-
gestellt, in welchem das Hauptgewicht des Hammers concentrirt ist. Nur
solche Hämmer, welche weniger zum Strecken als zum Biegen benutzt
werden soUen, haben einen Kopf aus Holz oder für zarte Gegenstände
aas Hörn.
Der Stiel hat oblongen Querschnitt, dessen grossere Abmessung in
der Beweguugsricbtnng des Hammers, also senkrecht, gerichtet ist. Er
wird durch eine entsprechend geformte Oeffnung des Hammerkopfs hin-
durchgesteckt, welche das Auge desselben genannt wird, und mit Keilen
befestigt.
Die arbeitende Fläche des Hammers nennt man , wenn ihre Länge
und Breite nicht sehr abweichend sind, Bahn, Hammerbahn; wenn
sie dagegen im Verhältnisse zu ihrer Länge sehr schmal ist, also die
Form eines abgestumpften Rückens oder Keils besitzt, Finne.«
Bei den Handhämmem wird der Stiel sammt Kopf erhoben und aus
der Höbe niedergeschwungen; bei den durch Elementarkraft bewegten
Stielhämraern ist der Stiel in einem bestimmten Punkte seiner Länge
an einer horizontalen Achse befestigt und drehbar, so dass der Hammer-
kopf bei dem Anhubo und Niederfallen sich innerhalb einer Kreislinie
bewegt. Der Anhub erfolgt in letzterm Falle durch Hebedaumen, welche
auf einer in Umdrehung versetzten Daumentrommel angebracht sind und
den Hammerstiel erfassen; geschieht der Angriff am Kopfe des Hammers,
so heisst derselbe Stirnhammer; geschieht er zwischen Kopf und
Drehpunkt: Aufwerfhammer; geschieht er jenseits des Drehpunkts,
so dass dieser zwischen Kopf und Angriffspunkt liegt: Schwanzham-
mer. Selbstverständlich muss in letzterm Falle, um ein Heben des
Kopfes zu bewirken, die Bewegungsrichtung der Daumen abwärts gerich-
tet sein.
Die lebendige Kraft beim Niederfallen eines solchen Stielhammers
mit festliegender Drehungsachse lägst sich durch die Formel
L= GH^
r
ausdrAcken, worin G das Gesammtge wicht des Hammers, H die Hubhöhe
des Kopfes, S die Entfernung des Schwerpunktes und r die des Kopfes
von der Drehungsachse bezeichnet. Hieraus folgt, dass die Wirkung
398 tiammer und Ambos.
eine am so grössere ist, je näher der Schwerpnnkt des ganzen Hammers
mit dem des Kopfes znsammenföllt, je mehr sich abo das Verhaltniss
g
— der Zahl 1 nähert.
r
Handhämmer.
Die Grösse derselben ist durch das Gewicht begrenzt, welches ein
Arbeiter mit beiden Händen zu schwingen vermag and welches höchstens
10 Kilogramm beträgt. Diese grössten Handhämmer haben einen Stiel
von 500 bis 600 Mm. Länge and heissen Zuschlagehämmer, weil
sie beim Schmieden des Eisens durch den Gehülfen des Schmieds gefuhrt
werden, welcher Znschläger genannt wird; die znm Schmieden be-
nutzten kleinsten Hämmer heissen Schmiedehämmer und haben ein
Gewicht von 1 bis 2 Klgr. bei einer Länge des Stiels von etwa 400 Mm.
Da der Kopf des Hammers annähernd prismatische Form besitzt,
so lassen sich beide Endflächen desselben zum Hämmern benutzen, je
nachdem man die eine oder andere derselben nach unten kehrt. Man
kann deshalb dem Hammer entweder eine Bahn und eine Finne oder
auch zwei Bahnen oder zwei Finnen geben. Der. erstere Fall ist der
gebräuchlichere. Gewöhnlich läuft hierbei die Längenrichtung der Finne
rechtwinklig gegen die Richtung des Stiels wie bei dem Hammer
Piff. 310. * Fig. 310, und zwar liegt sie in die-
sem Falle entweder wie in der Ab-
BJ^ bildung über der Mitte der Bahn
I^B^BHBHHHHHHB oder mit der äusseren Stirnfläche
^H des Hammers büudig.
Bei einzelnen schweren Häm-
mern liegt die Richtung der Finne
mit der Richtung des Stiels parallel, Fig. 311, und man nennt diese Art
Hämmer Kreuzschläge.
Nach der Form der Bahn und Finne unterscheidet man eine grosse
Anzahl verschiedener Benennungen des Hammers. Der gewöhnliche
•pig, 311. Schmiedehammer (wenn
er für Schlosserarbeiten
benutzt wird, Bank-
hammer genannt) hat
eine Finne und eine
flache oder ganz schwach
convexe Bahn ; mit zwei
Bahnen von quadratischer, runder oder rechteckiger Form heisst er
Abschlichthammer; mit zwei Finnen, quer gegen den Stiel gerich-
tet, Abspinnhammer, Abbindhammer, Schweifhammer;
mit stark gewölbter Bahn Schlichthammer oder Ansschlicht-
hammer. Die meisten dieser Hämmer dienen weniger zum eigentlichen
Schmieden, als für die spätere Vollendung der Form.
Handhämmer. 399
Der Ambos für Handhämmer wird gewohnlich aus Schmiedeeisen
mit verstahlter oberer l'läche dargestellt, selteDer ans Gasseisen mit
gehärteter Fläche oder aua Gaasstahl. Diese obere Fläche, aaf welcher
das Arbeitsstück robt nnd welche deshalb geBchliifen sein muss (damit
nicht vorhiindene Unebenheiten sich im ArbeitsHtQcke abdrücken), heisst
die Bahn des Ambos.
Die Form der Ambose iet mannigfaltig, thcila von der Beschaffen-
heit der zu schmiedenden Gegenstände, theiU aber AQch von Herkommen
nnd Gebräachen abhängig.
Der sogenannte Amhos ohne Hörn, Fig. 312, bat eine rechtwink-
lige Bahn von 400 bis 450 Mm. Länge, 100 bis 120 Mm. Breite. Die
OefTnnng a dient znm Einstecken besonderer Schmiedeunterlagen ver-
mittelat eines an denselben befindlichen Zapfens, wenn es sich um Her-
stellnng bestimmter Formen handelt, die eich anf der glatten Amboababn
nicht wurden erzengen lassen. An der nntern Seite des Ambos befindet
sich, wenn nicht das Gewicht desselben ein grosses ist, ein pyramidaler
Zapfen (Angel) znm Einstecken in den Ambosstock; grosse Ambose ver-
Pig. 312. Fig. 313.
sieht man mit einer Oeffnnng an der nntern Seite, in welche ein in den
Ambosstock eingeschlagener Zapfen hineinpassL
FQr gewisse Zwecke kann es dienlich sein, den Ambos mit einem
kegelförmig zulaufenden Ansätze zu versehen; es entsteht dann die Form
des Ambos mit einem Hörn, Fig. 313.
Bringt man dem kegelförmigen Hörne gegenüber ein zweites Hom
an, welches jedoch alsdann nicht abgerundeten, sondern vierseitigen
Querschnitt und keilförmige Gestalt besitet, so dass die obere Fläche
eine ebene Bahn bildet, so entsteht der Ambos mit zwei Hörnern,
Fig. 314 (a. f. S.).
Ausser diesen scharf gekennzeichneten Gattnngen der Ambose unter-
scheidet man nach der Form des Fusses und dar sonstigen für die Ver-
wendung weniger wichtigen Ei genthümlichkeiten deutsche, englische,
fransösische, schweizer, luxemburger nnd andere Ambose. Dar
in Fig. 312 abgebildete ist ein deutscher, in Fig. 313 ein englischer,
in Fig. 314 ein französischer Ambos.
Bilden die beiden Homer den Hauptbnstandtheil des Ambos der-
400 Hammer und Ambo3.
artig, daas der mittlere Tbeil auf eine quadratische Griuldform zurück-
geführt wird, so eutsteht das Sperrhorn, Fig. 315.
Fift- 31*. Kg- 315.
Daa Gewicht des Ambos mnsB von der Wucht der geführten Schläge
□nd mithin hauptsächlich von dem Gewichte des benutzten Hammers
abbfingig sein. Bei den für die rohe Formgebung benutzten Amboaen
betrügt daa Gewicht der Grösse der za schniiedenden Stücke entsprechend
20 bis 300 Kilogramm; für andere Zwecke, z. B. in den Werkstätten der
Uhrmacher, Mechaniker u. s. w-, werden jedoch auch Arabose benutzt,
welche nicht schwerer als '/g Kilogramm sind.
Für die Darstellung der feinsten Bleche aus Gold, Silber, Tombak,
Neusilber, des sogenannten echten und unechten ßintigoldes und Blatt-
silbers werden statt eiserner Ambose geschliffene Blöcke aus Granit oder
Marmor mit ebener Bahn benutzt.
Als eine besondere Gattung der durch menschliche Kraft bewegten
Stielbämmer verdienen die in kleinen Werkstätten bisweilen benutzten
Tritthämmer oder Fnsshämmer Erwähnung. Der Hammerstiel
hat bei diesen einen festliegenden Drehungspnnkt ; eine Feder, welche
mit dem Hammer in Verbindung gebracht ist, giebt demselben daa Be-
streben, sich zu heben, so dass der Kopf in der Buhe den höchsten Stand
einnimmt; ein Hebel, der durch Fusstritt und Schubstange bewegt wird
nnd mit der Drehungsachse des Hammers verbunden ist, schnellt ihn
bei jedem Drucke des Fusses auf den Ambos nieder. Eine Eniparung
an Arbeit ßndet natürlich hierbei nicht statt, sondern es wird sogar
durch Ueberwindnng des Fedardracks die erforderliche Arbeitsleistung
erhöht; dennoch kann in solchen Fällen, wo beim Schmieden kleiner
Stücke ein einziger Arbeiter sowohl die Schläge auszuführen, als das
Arbeitsstück zu halten nnd zu wenden hat, der Tritthammer recht zweck-
massig sein, weil ein sonst ruhender Theil des Körpers, der Fnss, für die
Bewegung benutzt wird und der Schmied nnn beide Hftnde für die Hand-
habung des Arbeitsstücks benutzen kann.
Stirnhäramer.
Die Fignren 316 and 317 atellcn einen gewähnlioben Stimhammer
dar uod zwar Fig. 316 im Anfrisse, Fig. 317 im Grundrieae ^). Stiel
und Kopf sind in einem Stücke ans Gaeseisen gefertigt. An ersteren igt
die DrehnngaachBe C 0 angegossen, deren Enden in den Lagern L mben.
Fig. 316.
An der Stirn ist die znm Auswechseln eiogerichtete Streichplatte A ein-
gesetzt, welche von den Hebedaaraen £ ergi-iffen wird. Die Hammer-
Pig. 317.
bahn ist gleichfalls für sich gegossen and steckt mit einem couischen
Zapfen in dem Kopfe, wo sie darch einen Keil oder dnrch Schranben
festgehalten wird. In ähnlicher Weise ist der Ambos in der gnsseisemen'
Chabotto befestigt, welche durch starke Schrauben auf der durch ein
hölzernes Schwellwerk gebildeten Unterlage des ganzen Haromerwerkfl
1) Am Weisbach, Lalirbuch der Mechanik, HI. Tbeil, B. 1307.
Lsdabur, nitchaiilKli.iMUllurgluhii T<ichnnlu(lB. 26
402 Hammer und Ambos.
festgehalteil wird. Die Bahn des Hammers und Ambos hat kreuzförmigen
Grandriss.
Das Gewicht solcher Stirnhämmer ist 2500 bis 8000 Kilogramm,
die Hubhöhe des Hammerkopfes 0,3 bis 0,6 Meter, die Zahl der Schlage
50 bis 100 per Minute.
Da jedoch ein grosser Theil jenes totalen Hammergewichts in dem Stiele
vertheilt ist, uud der Schwerpunkt des Ganzen mithin ziemlich weit nach
der Drehungsachse zu liegt, so ist die Wirkung des Hammers im Ver-
hältnisse zu seinem Gewichte und seinen Anlagekosten eine geringe, und
es ist diese Art Hämmer nur zur ersten Formgebung und Verdichtung
roher Puddelluppen in solchen Hüttenwerken in Gebrauch, wo eine reich-
liche Wasserkraft zu Gebote steht.
Eine Uebergangsform der Stirnhämmer zu den Aufwerfhämmern
bilden die Brusthämmer, bei denen eine ähnliche Daumentrommel wie
beim Stirnhammer hinter der Hammerbahn liegt und von unten her
den Hammer vermittelst einer an diesen angegossenen und nach unten
gerichteten Nase mit Streichbahn hebt. Dadurch wird der Platz vor dem
Hammer frei.
Aufwerfhämmer.
Ein solcher ist in Fig. 818 abgebildet. Das HammergerQst besteht
hier aus Gusseisen, der Stiel A ans Holz, der Kopf B aus Schmiedeeisen
mit verstahlter Bahn. Der Hammerstiel ist mit einer umgelegten schmiede-
eisernen Streichbahn versehen; die Hebedaumen EE sind mit dem auf
der Wasserradwelle befestigten Daumenringe aus einem Stücke gegossen
und mit aufgelegten und durch einen schmiedeeisernen Ring festgehalte-
nen Holzstücken (sogenannten Fröschen) versehen, um den Holm gegen
zu rasche Abnutzung zu schützen. Der Angriff erfolgt ungefähr in ein
Drittel der Länge des Hammerhelms, vom Kopfe an gemessen.
Bei raschem Gange des Hammers würde die ihm durch die rasche
Bewegung der Hebedaumen ertheilte lebendige Kraft ein Aufsteigen zu
einer solchen Höhe bewirken, dass, bevor das Niederfallen und Aufschla-
gen erfolgt, schon der folgende Hebedanmen wieder in die Angriffsstel-
lung vorgerückt ist, der Hammer also gefangen würde, ohne aufzu-
schlagen. Um diesen Uebelstand zu vermeiden und eine grosse Anzahl
Schläge in der Zeiteinheit zu ermöglichen, bringt man eine Prellvor-
richtung an, gegen welche der Hammer, unmittelbar nachdem der
Hebedaumen den Helm verlassen hat, anschlägt, und von dem er mit an-
nähernd gleicher Geschwindigkeit zurückgeworfen wird, welche er er-
langt haben würde, wenn er zu voller Hubhöhe emporgeworfen worden
wäre. Je elastischer die Prellvorrichtung ist, je weniger Effectverlust
also durch den Stoss stattfindet, desto vollständiger ist ihre Wirkung
hinsichtlich der Ertheilung eines beschleunigten Niederfallens ; anderer-
seits, je grosser die Geschwindigkeit der Hebedanmen ist, je rascher also
die Welle umläuft, desto höher würde der Hammer ohne Prellvorrich-
Aufwerfhämmer. 403
toDg emporgeworfen sein, desto grösser ist also aach die Geschwindigkeit
beim Niederfallen und desto grösser die Wirkung des ScLlsges; oder
Pig. 318.
wenn man letztere als gegeben ansieht, desto kleiner braucht das Gewicht
des Hammers zn sein.
Als solche Prellvorrichtung dient bei dem vorliegenden Hammer
der horizontale Baum H, Eeitel genannt, welcher oberhalb desHammer-
tielms in der ans der Abhildung ersichtlichen Art nnd Weise fest ge-
_,. lagert und mit Keilen befestigt ist.
Das hintere Ende des Hammer-
helms steckt in einer gnaseisernen
„Hülse" D mit einem langem Zapfen
^ Ci und einem kurzem C (Fig. 319),
welche zusammen die Drehungsachse
bilden. Diese Zapfen mhen in „BDch-
sen" ans Guseeisen oder RothgosB,
welche in den gnsseisernen Säulen
2" r festgekeilt sind. Letztere beiden
SKnlen, welche BOchsensänlen ge-
nannt werden, stecken mit ibren
404
Hammer und Ambos.
unteren Enden in Schnhen t auf der Sohlplatte, oben in einer gemein-
schaftlichen Kopfplatte SS, welche an die dahinter stehende sogenannte
Reitelsänle ^7 angegossen ist. Die zu hiuterst stehende. Säule F heisst
Drahmsäule. Reitel- und Drahmsäule sind in den auf der Grundplatte
des eisernen Fundamentkastens angegossenen Schuhen M und i^ fest-
gekeilt.
Der Ambos ruht in einem gusseisemen Rahmen und mit diesem auf
dem eisernen Hammerstocke X,
Die Hubhöhe der Aufwerf hämmer beträgt 500 bis 700 Mm., die
Anzahl der Hübe pro Minute 80 bis 100, das Gewicht des Hammerkopfs
150 bis 280 Kilogramm und die Betriebskraft 7 bis 12 Pferdekräite.
Man benutzt sie bei dem Vorhandensein einer ausreichenden Wasser-
kraft zum Schmieden von Eisen , Kupfer, Messing etc. Die Form der
Fiisr. 320:
Hammerbahn ist dem verschiedenen
Zwecke entsprechend eine sehr ab-
weichende ; zum Schmieden von stab-
förroigen Körpern ist sie rechteckig
und schwach convex, um so schmaler
und der Form der Finne ähnlicher,
je rascher gestreckt werden soll
und je schmaler die zu schmieden-
den Stabe sind; für Bleche ist sie
breit ; für die Herstellung von Hohl-
gefassen (z. B. kupfernen Kesseln
in den „Kupferhämmern '') ist sie
> kreisförmig 60 bis 80 Mm. im Doroh-
messer, flach oder cpnvex, und da der Hamraerkopf sich ganz allmälig
zu dem kleinsten Durchmesser der Bahn verjüngt, so erhält dadurch der
untere Theil desselben ein rüsselförmiges Aenssere (Fig. 320).
Schwanzhämmer.
Ein solcher ist in Fig. 321 abgebildet Es ist hier AB der Hani-
merhelm, C der Ambos, D der Hammerstock, ^R die eine von den guss-
eisemen Büchsensäulcu , welche durch ein eisernes Querhaupt JK, einen
Querbalken F und eine schmiedeeiserne Gabel G H, deren Zinken die
Enden des Balkens T erfassen , mit einander verbunden sind. Auf dem
Balken ruhen die Brückenhölzer KK und zugleich dienen die Spreizen
JJ zur Erhöhung der Stabilität der Büchsensäulen. In LL sieht man
die Enden der Büchsen, in welchen die Zapfen der Hammerhülse lagern.
An dem Ende des Hammerhelms sitzt der sogenannte Schwanzring iJ,
welcher von den Daumen NN niedergedrückt wird. Als Prellvorrich-
tung dient hier die eiserne Platte P (Reitelplatte) in dem hölzernen
Reitelstocke S. Zum Betriebe ist das Wasserrad T mit den gekröpften
eisernen Schaufeln V bestimmt.
Scfawanzhämmer. 40 &
Die Schw&nzhSmmer baben im AllgemeiaeD die nämliclie Verwen-
dung ala die Anfwerfhämmer, and es besitzen deshalb die Hammer- und
Ambosbahaen eben so abweicbeude Formen als bei jenen. Dagegen ge-
sUttet die Eigeatbümlichkeit der Construction leichter als bei den Auf-
werf b&mmem eine Vermebruag der Hubzahl, indem man den Daumen-
kreiadnrcbmesser klein, dieUmgangszablderDanmenwelle groaa annimmt
nnd die Drehungsachse des Helme (die HOlse) entsprechend nahe an das
Scbvsnzende verlegt, am trotz der geringen Hubhöhe des Scbwaiizringes
eioe Bosreioliende Hubhöbe des Kopfes za erhalten. Bei der groBsen Ge-
schwindigkeit solcher Schwanzhämmer mit grosser Hubzahl braocht des-
halb das Gewicht desselben ein verbältnissmfisaig geringes xa sein, um
Fig. 321.
einen bestimmten theoretischen Efieet hervorzubringen ; nnd den frQher
gegebenen Erläuterungen über die verechiedeno physikalische Wirkung
schwererer und leichterer Hämmer zufolge eignen sich deshalb solche
leichte Schwanzbammer mit grosser Hubzahl vorzugsweise für solche
Zwecke, wo es nicht auf eine Verdichtung, sondern lediglich auf Form-
gebung ankommt. Je nachdem der eine oder andere Zweck vorwiegend
in'a Auge gefasst ist , besitzen die Schwanzhgmmer ein Gewicht von 60
bis 350 Kilogramm, eratore mit einer Anzahl Habe, welche bis auf 300
per Minute gesteigert werden kann, jedoch einer Hubhöhe oft nicht über
150 Mm.; letztere mit 120 Hüben per Minute und einer Hubhöhe bis
za 480 Mm.
406 ' Hammer und Ambos.
Vor den Aafwerf hämmern haben die Scbwanashämmer noch den Vor-
theil voraus, dass der Raum um den Kopf herum nicht durch die Daumen -
welle beengt und daher an drei Seiten frei ist; ferner dass ihre Fundamen-
tirung im Allgemeinen einfacher und leichter als bei jenen ist. Für
grössere Anlagen fclllt auch der Umstand ins Gewicht, dass man bei An-
wendung von Schwanzhämmern von einer und derselben Welle aus eine
grössere Anzahl derselben betreiben kann, welche mit parallelen Helmen
in einer Reihe neben einander liegen. Dadurch wird die ganze Anlage
einfach und für die Benutzung bequem, während für den Betrieb von
Aufwerf hämmern jeder derselben seine eigene Betriebswelle und meistens
auch seine eigene Betriebsmaschine erhält.
Der Wirkungsgrad der Schwanzhämmer, d. h. das Verhältniss der
geleisteten Arbeit zur aufgewendeten, ist dagegen nach Hauer etwas
ungünstiger als derjenige der Aufwei*fhämmer, und verhält sich zu letz-
teren wie 0,75 : 0,80. Der Unterschied ist zu unerheblich, als dass er
gegenüber den erwähnten Vorzügen der Schwanzhämmer einen Ausschlag
zu Gunsten der Aufwerfhämmer zu geben vermöchte.
Die üblichste Betriebskraft für die Schwanzhämmer ist das WasseV.
Die Yortheile dieses Hammersystems, wozu ausser den schon geschilder-
ten auch die verhältnissmässige Billigkeit der Anlage und Einfachheit
der Bedienung gehören , haben jedoch mehrfach auch in solchen Fällen
Veranlassung zur Anwendung desselben gegeben, wo Wasserkraft nicht
zu Gebote steht und Dampfkraft benutzt werden musste. Dient dieselbe
Dampfmaschine auch zum Betriebe anderer Maschinen, so ist es leicht,
von einer gemeinschaftlichen Transmissionswelle aus durch eine Riemen-
übertragung die Daumenwelle des Dampfhammers in Bewegung zu setzen,
wobei jedoch die Einschaltung eines Schwungsrades unerlässlich ist, um
die Rückwirkung der vom Anschlagen der Hebedaumen herrührenden
StÖBse auf die Transmissionswelle abzuschwächen.
Bisweilen verbindet man auch eine eigene Dampfmaschine mit dem
Schwanzhammer und wählt dazu meistens eine Maschine mit oscilliren-
dem Cylinder. Für grössere Leistungen eines Hammers würde allerdings
einer solchen Anordnung, falls man überhaupt Dampf kraft anwenden
will, ein direct wirkender Dampfhammer vorzuziehen sein, welcher eine
Menge Vorzüge vereinigt und von welchem unten die Rede sein wird;
wo jedoch nur kleine Leistungen verlangt werden, entscheidet die grössere
Billigkeit und einfachere Bedienung nicht selten für den Schwanz-
hammer.
Da ein solcher kleiner Schwanzhammer mit Dampf maschinenbetrieb
und grosser Hubzahl die Aufgabe erfüllt, die Handarbeit des Zuschlägers
beim Schmieden entbehrlich zu machen, nennt man die hierher gehöri-
gen Constructionen Dampfzuschläger (Steamstriker). Erwähnens-
werth ist ein solcher Dampfzuschläger von I). Davies iuNewport, welcher
nicht allein Schläge von verschiedener Hubhöhe, sondern auch von ver-
RahmeBbämmer. 407
schiedener St&rke and Richtung (vertical, schräg und horizontal) ge-
stattet und durch Drehung des Hammers nm eine Achse es auch ermög-
licht, mehrere in einem Kreise angeordnete Ambose nach einander zu be-
dienen ^).
b. Bahmen- oder Farallelhämmer,
Der bewegliche Theil des Hammers, welcher hier Hamm erblock
oder Bär genannt zu werden pflegt, gleitet geradlinig entweder zwi-
schen Führungen, welche den Kahmen des Hammers bilden, oder auch
nur mittelst einer mit demselben verbundenen Stange in Stopfbüchsen.
Die Bewegungsi'ichtung ist fast immer eine senkrechte, und in diesem
Falle erfolgt der Schlag bei dem Niedergange des Bars. Unter der An-
nahme, dass der Fall nur durch die Schwerkraft bewirkt wird, lusst sich
die lebendige Kraft des Hammers durch die Formel ausdrücken
L= GH,
worin G das Gewicht des Bars, H die Hubhöhe des Hammers bezeichnet.
Vergleicht man hiermit die für die lebendige Kraft der Stielhämmer ge-
gebene Formel (S. 397), so ergiebt sich, dass bei gleichem Hammer-
gewichte die Leistung des Rahmenhammers eine grössere sein muss, weil
der Werth — in der Formel für Stielhämmer stets kleiner als 1 ist. Sie
r
haben femer vor den letzteren den Yortheil voraus, dass die Hammer-
und Ambosbahu in jeder Stellung parallel bleiben , während sie bei den
Stielhämmern um so mehr divergiren, je dicker das zu schmiedende Stück
ist; und endlich ist es bei den meisten dieser Hämmer möglich, die totale
Hubhöhe der verschiedenen Stärke der zu schmiedenden Stücke ent-
sprechend zu verändern, während die Stielhämmer bei unveränderlicher
totaler Hubhöhe eine um so geringere Fallhöhe besitzen, je dicker das
zwischen Ambos und Hammerkopf befindliche Arbeitsstück ist.
Bei fast allen diesen Hämmern besteht der Bär aus Gusseisen und
trägt an seinem uniern Ende die gewöhnlich gleichfalls aus Gusseisen
gefertigte, mittelst eines prismatischen Zapfens und durchgesteckten
Keils oder mit Schwalbenschwanz in dem Bär befindliche Hammerbahn.
Der Ambos aus Gusseisen oder Gnssstahl ruht in der gusseisemen Gha-
botte. Im Grundrisse zeigen die Hammer- und Ambosbahn, wenn nicht
besondere Zwecke vorliegen, gewöhnlich eine T-förmige Gestalt, wodurch
die Möglichkeit gegeben ist, sie ebensowohl als Finne wie als Bahn zu
benutzen, je nachdem das Arbeitsstück quer über einen der schmalen,
mit der Arbeitsseite parallel laufenden Schenkel oder der Länge nach
auf den mittlem breitern Theil gelegt wird, welcher von der Arbeitsseite
nach der Rückseite des Hammers gerichtet ist.
1) Bingler'B polytechnisches Journal Bd. 206, 8.251; Bd. 210, B. 6.
£. A. V. Hesse, Die Werkzengmaschinen. Leipzig 1874, 8. 31.
408 Hammer und Ambos.
Nach der Art des Bewegangsmechanismas für diese Hämmer unter-
scheidet man eine grössere Anzahl verschiedener Arten derselben, die
sich jedoch in zwei Hanptgruppen eintheilen lassen, je nachdem die
zum Betriebe dienende Kraft durch eine Transmission oder direct auf
den Hammer übertragen wird. Im erstem Falle nennt man die Hämmer
allgemein Transmissionshämmer, und es kann selbstverständlich jede
Elementarkraft, selbst menschliche Arbeit für den Betrieb verwendet
werden. Diese Transmissionshämmer eignen sich also für solche Fälle,
wo entweder Dampf kraft überhaupt nicht vorhanden ist, oder wo die
Arbeit einer schon vorhandenen Dampfmaschine mit Kesselanlage und
Transmission benutzt werden soll, und die Anlage einer Dampfleitung
nach dem Standorte des Hammers vielleicht mit Schwierigkeiten ver-
knüpft sein würde; und eine solche Benutzung einer schon vorhande-
nen Transmission wird um so zweckdienlicher erscheinen, je geringer die
auszuübende Wirkung des Hammers sein soll, je schwerer die höheren
Anlagekosten eines direct wirkenden Hammers also in die Wagschale
fallen.
Für die zweite Gattung, die direct wirkenden Hämmer, dient allein
Dampf als Betriebskraft und bewirkt ohne weitere Zwischenmaschinen
die Bewegung des Hammerbärs. Daher nennt man diese Gattung ins-
besondere Dampfhämmer. Jeder derselhen muss dem soeben ange-
gebenen Principe entsprechend seinen eigenen Dampfcylinder nebst
Steuerung und Zubehör erhalten, wird dadurch kostspieliger in seiner
Anlage und schwieriger in seiner Wartung, als ein Transmissionshämmer;
dagegen fallen alle bei Hämmern der ersten Gattung unvermeidlichen
Arbeits Verluste zur Ueberwindung der Reibung in der Transmission fort;
Hubhöhe und Intensität des Schlages sind leicht regulirbar, und die
Totalleistung des Hammers lässt sich sowohl durch Erhöhung des Ge-
wichts als durch Beschleunigung des Niederfallens auf ein Maass steigern,
welches durch andere Hammerconstrnctionen unerreichbar ist. Diese
Vorzüge haben den Dampfhämmern unter allen Hammersystemen den
ersten Rang und die weiteste Verbreitung verschafil und haben sie un-
entbehrlich gemacht, wo es sich um grosse Leistungen handelt.
Transmissionshämmer.
Dieselben zerfallen wieder in eine grössere Anzahl verschiedener
Systeme.
Fallwerke. Ein prismatischer Bär aus Gusseisen, welcher bis zu
100 Kilogramm Gewicht besitzt, bewegt sich zwischen zwei senkrechten
Gleitstangen und wird entweder durch ein Seil oder einen Riemen,
welche über eine feste Rolle gehen, 500 Mm. bis 2 Meter hoch gehoben
und dann frei fallen gelassen. Das Anheben geschieht entweder durch
einen Arbeiter, welcher das andere Ende des Seils erfasst oder mit Hülfe
eines Trittbretts niederdrückt, in welchem Falle der Hammer allerdings
Riemenhämmer. 409
nicht die Benennung ak TransmisBionshammer verdient; oder von einer
Transmission ans , welche die Riemenwelle , anf welcher in diesem Falle
das Ende des Riemens befestigt ist, in Umdrehung setst. Solche durch
Elementarkraft betriebenen Fallwerke mit Riemen heissen insbesondere
Riemenhämmer. Nach dem Niederfallen hat der Hammer in Folge
der Elasticität der Ambosunterlage das Bestreben, emporzuschnellen und
sofort einen zweiten schwächern Schlag auszuführen. Wo dieses verhütet
werden soll, kann man einen am Bär befindlichen Sperrkegel in eine an
der Führungsstau ge befestigte Zahnstange einschnappen lassen und da-
durch das Zurückspringen des Bars unmöglich machen.
Einen von einer Transmission aus betriebenen Fallhammer mit sinn-
reichen Einrichtungen zur Regulirung des Hiibes und der Schlagstärke,
von der Stiles and Parker Press Company in Middletown (Connecticut)
gebaut, zeigen die Figuren 322 (a. f. S.) in perspectivischer Ansicht und
323 bis 325 in den Einzelheiten ^).
Der Hammerbär wird hier durch den Riemen A gehoben, der mit
seinem obern Ende an einer ringförmigen Spule 0 befestigt ist. Letztere
spielt lose auf der Hauptwelle, so lange als sie nicht in Eingiiff mit einer
der beiden Kupplungsklauen Bi und B^ (Fig. 323) gebracht ist. Dieser
Eingriff erfolgt mit Hülfe der kleinen, an beiden Seiten der Spule hex
findlichen Zapfen, sobald eine geringe Verschiebung nach rechts oder
links bewirkt wird. Mit den Kupplungsklauen stehen die beiden Riemen-
scheiben (Fig. 322) in fester Verbindung, welche sich — und somit auch
die Klauen — in entgegengesetzter Richtung drehen.
An dem Gerüste des Hammers ist vermittelst des Bolzens G*der
Klinkhebel F — um G drehbar — befestigt und an seinem andern Ende
mit der Stange G durch die Schraube H verbunden. Dieser Klinkhebel
trägt an der nach innen genchteten Seite eine Zunge I (Fig. 323 und
325), welche beim Heben und Senken des Hebels die Verschiebung der
Spule nach rechts oder links bewirkt. Zu diesem Zwecke ist nämlich die
Spule mit einer herumlaufenden Rinne versehen, in welche die metalle-
nen Backen NN (Fig. 325) derartig eingreifen, dass die Spule sich frei
drehen kann, aberjede seitliche Verschiebung der Backen mitmachen muss.
Diese Backen sind in einem eisernen Ringe L eingelassen, dessen Durch-
messer gross genug ist, dass er eine entsprechende Drehung um den Befesti-
gungspankt M verträgt und bei dieser Drehung also die Backen und somit
auch die Spule 0 seitlich verschiebt. Um diese Drehung des Ringes aus«
zuführen, greift die Zunge I in eine curvedförmige Nuth an der Aussen-
Seite desselben, welche in solcher Weise gestaltet ist, dass, wenn der
Klinkhebel gehoben wird, die Spule abwechselnd nach rechts und links
verschoben und in Eingriff gebracht wird, so dass nach jedem Auf- und
1) Scientific American, Mai 1872, 8. 287; Polytechnisches Centralblatt 1872,
S. 772; Bin gier' 8 polytechnisches Jouraal Bd. 205, 8. 23.
410 Hammer und Ambos.
Niedergange der StAoge C eioe entgegengesetzte Bewegung der Spule
als vorher eintritt.
Pim, 322.
Damit der Klinkhebel F nicht zu weit ausschlage, greift derselbe
mit einem klauenartigen Ansätze S an dem linken Ende Aber einen am
Gerüste angegosaenen Knaggen K, welchor den Hub begrenzt. Una den
Riemenbämmer. 411
Hab des Klinkhebela F autsnAhren , befindet sich an der StaDge C eio
RingZ), durch eine KlemmBchraube veratellbar, uod an dem Bär ein gleich-
fallg über die Stange geschobener and loae auf derselben gleitender Ring
E. Es ist leicbt ersichtlich, das« beim Aurgteigeu des I&ra der Ring E
den Ring D treffen und dadurch die Stange anheben, somit auch den
Klinkhebel empordrücken and dadurch ADsrückung der Spnle bewirken
tnass; es ist femer ersichtlich, dass durch Höher- oder Niedrigerstellen
des Ringes D dieses Äusrfloken beschleanigt oder verzögert und dadurch
der Hnb des Hammers verkleinert oder vergrössert werden kann; und
endlich, dass bei dem Niederfallen des Hammers aaoh die Stange nebst
Klinkhebel vermöge ihres eigenen Gewichte wieder sinken and dass in
Pig. 32S. Pig. 324.
dieser Weise eine Einrückung der Spule an der entgegengesetzten Seite
als vorher bewiikt werden mnss.
SchlieBBÜch dient zum Festhalten der Spule tiei- durch den Bi-eras-
hebel P bewegte und mit diesem verschraabte Bremsbacken R (Fig-
324) i in der geseichneten Stelluug hält der Klinkbebel F, welcher sich
zwischen den Bremshebel und dib guBBoiserne Kippe T des Hammer-
gerüsts legt, die Bremse geöffnet; sobald dieser sich bebt, wird der Hebel
P frei und drückt vermöge des grossem Gewichts aeiues horizontalen
Arms die Backe R fest gegen 0; die Spule wird jedoch frei , sobald der
Tritthebel T niedergedrückt, dadurch die mit demselben verbnadene
Stange iS gehoben and somit auch der Horizontalarm des Bremshebela
emporgedrückt wird.
Uer Gaag der Maschine wird nun ohne Weiteres verständlich sein.
Wenn die Spule mit einer der Kupptangsklauen in EingrifT gebracht
worden ist, wird sie von dieser in Drehung versetzt, wickelt dabei den
412 Hammer und Ambos.
Riemen auf, und der Hammer steigt. Sobald der Ring E des Hammers
den Ring D der Stange trifft, wird diese und der Klinkhebel F gehoben,
es erfolgt Ansrücknng, und der Hammer würde ohne Weiteres nieder-
fallen, wenn nicht in demselben Augenblicke auch der Bremshebel P
durch das Anheben von F frei würde und nun durch Andrücken der
Backe B an die Spule diese fest und somit den Hammer schwebend er-
hält. Der Schlag erfolgt, sobald durch Niederdrücken des Trittes T die
Spule frei gemacht wird. Der Riemen wickelt sich von der Spule ab
und versetzt diese in rasche, der vorausgegangenen Bewegungsrichtung
entgegengesetzte Drehung. Der Hammer prallt nach erfolgtem Schlage
zurück und die Spule dreht sich vorläufig vermöge ihrer lebendigen
Kraft in gleicher Richtung als beim Abrollen weiter.
Inzwischen ist aber auch die Stange C, nachdem sie von dem Bär
frei geworden war, wieder niedergegangen, hat den Klinkhebel F nach-
gezogen und bringt die Spule mit der zweiten Klaue, welche sich in der-
selben Richtung als diese dreht, in Eingriff, während die Bewegung der
Spule sich schon verlangsamt, aber bevor ein zweites Zurückfallen erfolgt.
Durch diese einfache Einrichtung, dass die abwechselnd zum Eingriff ge-
langenden Kupplungen stets dieselbe Drehungsrichtung besitzen als die
! beim Niederfallen desHaniröers umlaufende Spule, wird sowohl ein zwei-
I ter Schlag des Hammers als auch jeder Stoss und jedes Zerren des Rie-
I mens verhütet, welches eine Beschädigung desselben zur Folge haben
{ könnte.
I Hält man den Tritt niedergedrückt, so folgt Schlag auf Schlag,
dessen Hubhöhe von der Stellung des Ringes D abhängig ist; ebenso ist
ein ganz allmäliges Niederlassen des Fallbärs durch Benutzung der
Bremse ermöglicht.
Endlich giebt der Haupthebel U, welcher unter die Stange C greift,
die Möglichkeit, die selbstthätige Steuerung in eine Steuerung von Hand
umzuwandeln , den Hub in jedem Augenblicke zu unterbrechen und da-
durch die Wirkung jedes einzelnen Schlages schwächer oder stärker aus-
fallen zu lassen.
Bei einer Hubhöhe von 300 Mm. macht der Hammer 100 Schläge
per Minute.
Daumenhämmer. Der Anhub erfolgt durch einen auf einer Welle
befindlichen Daumen. Um eine vermehrte Hubzahl mit grösserer Inten-
sität jedes Schlages hervorzubringen, ist die Bewegung des Daumens
rasch, und eine Prellvorrichtung, bestehend aus einer Feder, aus Buffern
mit Kautschukeinlagen oder aus comprimirter Luft, dient zur Begrenzung
der Hubhöhe und zum Zurückwerfen des Fallblocks mit beschleuuigt^r
Geschwindigkeit.
In den Figuren 326 und 327 ist ein solcher Daumenhämmer älterer
Construction mit Lüftbuffer abgebildet 0- G Q- ist das gnsseiseme
1) Weisbach, Mechanik, III. Theil, B. 1229.
Daumentiänuiier. 413
Hammergerüat, CD die Umtriebswelle mit dem Schwnngrade B nnd der
festen nnd Iobcd Riemeascheibe S und S|, sowie dem Danmen H. A ist
der gnsaeiserue Hammerbär, B die Hammerbahn, E der Ambos nnd F
die Chabotte. Der Hammerstiel K ist geschlitzt nnd tn demselben die
Fig. 827. Fig. 336.
Frictionsrolle L angebracht, welche vom Danmen ergriffen wird. Auf
dem Hammergerüste beGndet sich der Cylinder M, in welchem sich der
anf dem obem Ende des HsrnmerBtiela befestigte Kolben N bewegt, so
dsss bei dem Aufsteigen des Hammers die in dem Cylinder befindliche
414 Hammer und A.mbos.
Lnft compiimirt wirJ. Um die Federkraft der im Cylinderranm NO
abgeBchloBsenen Loft regoliren zu können, ist noch ein zweiter Kolben
0 angebracht, welcher mit Schraube und Handrad veratellbar gemacht
ist; za demselben Zwecke dienen die Hähne V nod W, welche sich mit-
telst der Stange Z öffnen und schliessen lassen, und endlich ist der Stell'
kotben 0 mit dem sich nach nnten äfTnenden Ventile Q veraehen.
Hinsichtlich anderer Constructionen solcher Daumenh&mmer miiea
auf die unten gegebene Literatur verwiesen werden ; es sei nnr noch er-
wähnt, dass die bewährteste derselben Ton Jean Schmerber herrührt
und man deshalb diese Art Hämmer auch wohl Schmerber'sche Stem-
pelhümmer nennt. Die Prellung wird bei den letzteren durch Kantaclmk-
platten hervorgerufeu. •■
Frictionehämmer. Der Nachtlieil der Daumenbämmer, dass ihre
Habhöhe nur eine sehr beschränkte ist, führte zu der Constmction der
Frictionshämmer. Zwei Frictionsrollen , von denen die eine durch die
Umtriebskraft in Drehung rersetzt, die andere durch die Hand des Ar-
Fig. aau. beiters, durch eine Feder oder
durch ein Gewicht gegen den
Stiel gedrückt wird, heben den-
selben vermittelst der erzengten
Reibung empor; sobald die be-
wegliche Rolle zurückgezogen
wird, erfolgt das Niederfallen.
Die Figuren 328 und 329 stel-
len den obern Theil eines aol-
chen Hammers dar'). AA ht
der Kopf dea Hammergerüste,
B C das obere Ende des Ham-
merstiels, E die Frictionsrolle
mit beweglicher Achse. Die
Zapfenlager LL der letztem
Fig. 321) ruhen vermittelst der TrSger
FG in den testen Lagern G
und lassen sich mit Hülfe dea
Kniehebels KHG undderSchuh-
stange S nm F drehen. Da mit
einer solchen Drehung anch
eine Verschiebung in horizonta-
ler Richtung verbonden ist, so
wird die Frictionsrolle E an
den Stiel des Hammers ange-
drückt und letzterer gehoben, sobald sich D in entsprechender Rich-
tung dreht
') Weisb'acli, op. cit. S. 12*4 ff.
Frictionshämmer. Federhämmer, 415
Bei den FrictioDshämmern läast sich die Habhöhe beliebig steigern
nnd dadarch eine Prell varrichtang oder ein groaeea Hamm ergewicht er-
setzen, velches beträcbtliche Keibong zwischen Frictionsrntlen und Ham-
meratange erfordern würde. Dnrch die grössere Hubhöhe wird aber die
Hubzahl natürlich entsprechend vermindert. In Folge der Reibang zwi-
schen FrlctionsroUe und Hammerstiel ist der letztere einer raschen Ab-
nutznDg unterworfen.
FederhSmmer. Die Bewegung erfolgt durch Kurbel nnd Schub-
stange. Zwischen der letztern nnd dem Hammerbär ist eine Feder ein-
geschaltet, welche die dnrch einfache Kurbelbewegung erzeugte, gegen das
' Ende des Auf- niid Nie-
'^' " * dergangs sich dem Kur-
beige setze entsprechend
verlangsamende Bewe-
gung des Hammers iu
eine Schlagwirkung um-
wandelt, gleichzeitig den
Stoss beim Anhübe und
die Rückwirkung der
Schläge nuf den Bewe-
gangsmecbanismus, wie
sie bei den übrigen
TraDsroissionshämniern
unTermeidlich ist, auf-
hebt oder abschwächt.
Diese Vortheile haben in
neuerer Zeit den Feder-
hämmern in solchen
Schm iede Werkstätten
u. s. w. eine ziemlich häu-
fige Verwendung ver-
BchaFFt, wo man nicht
in der Lage war, einen
eigentlichen Dampfham-
mer zu benutzen. Eine
der besten hierher ge-
hörigen Constructionen
ist der Federhammer
Ton Shaw and Ju-
stice in Philadelphia,
der mit einigen Vec-
beseemngen auch von
L. A. Riedinger in
Augsburg gebaut wird.
Die Figuren 330 und
416 Hammer und Ambos.
331 zeigen einen Bolchen Riedinger'schen Federhammer in Vis der
wirklichen Grösse*).
Es ist hier/ die halbkreisförmige, aus Stahl gebildete Feder, durch
zwei radiale Stahlschienen rr zuHnnimengehalteD, welche im Mittelpunkte
des Hnlbkreises durch ein charnierartiges Gelenk nnter sich und mit
Fig. 331.
dem Ilnmmei-bär t verbnnden sind, so das» letzterer, der übrigens in
senkrechten Führnngcn des Ilammerständers gleitet, während der Rahe
in der ans Fig. 330 ersichlJichen Stcllnng an der Feder hangt. Die Feder
Federhämmer. 417
ist in der ans den Abbildungen ersicbtlichen Art and Weise mit der
Schubstange s verbunden; damit aber die Feder, entsprechend der ver-
schiedenen Starke der Schmiedestücke, höher und niedriger gestellt wer-
den kann, besteht die Schubstange ans zwei Theilen, deren oberer ge-
schlitzt ist, durch einen Schraubenbolzen zusammengedrückt wird und
den untern Theil hülsen artig umschliesst. Mit dem obem Ende ist die
Schubstange an den Kurbelzapfen angeschlossen, welcher in der guss-
eisemen Schwungscheibe S befestigt ist und sich mit dieser dreht.
Wird nun durch Umdrehung der Kurbel die Feder rasch angehoben,
so vermag der Fallblock vermöge seiner Trägheit dieser Bewegung nicht
so rasch zu folgen, die beiden Schienen rr bilden einen stumpfen Winkel
gegen einander und die Enden der Feder werden zusammengebogen.
Hierdurch vergrössert sich die Federspannung; es tritt in Folge davon
nunmehr eine beschleunigte Bewegung des Hammers ein, und die Schie-
nen gelangen wieder in geradlinige Lage. Gleichzeitig ist aber die Kur-
bel auf dem höchsten Punkte angelangt und beginnt ihren Lauf abwftrts.
Der Hammer steigt indessen vermöge seiner lebendigen Kraft noch auf-
wärts, die Schienen bilden einen stumpfen Winkel nach oben, die Feder
wird abermals gespannt.
Sobald aber jene lebendige Kraft überwunden ist, wirken auf den
Fallblock vereint sein eigenes Gewicht , der Druck der Schubstange und
die hervorgerufene Federspannung; es tritt also ein lebhaft beschleunig-
ter Niedergang ein , und der Hammer schlägt mit dieser beschleunigten
Geschwindigkeit auf. Dadurch gehen die Schienen wieder durch die
geradlinige in die umgekehrte Lage über, die Feder wird abermals ge-
bogen, und ein neuer Hub beginnt unter den für, die Wirkung günstig-
sten Verhältnissen.
Zur Erzeugung der Kurbelbewegung ist die Scheibe S auf einer
borizoutalen Welle befestigt, auf welcher sich gleichzeitig der Frictions-
conus c und die zugleich als Frictionsscheibe dienende Riemenrolle d
befinden, d dreht sich lose auf der Welle, c ist durch Nuth und Feder
mit derselben verbunden und versetzt sie also in Umdrehung, sobald
der Conus mit Hülfe des Winkelhebels g mit d in Eingriff gebracht
wird. Zur Bewegung des Hebels g dient die senkrechte Zugstange,
welche sowohl von dem Tritthebel t als dem Handhebel i aus gehoben
und gesenkt werden kann. Schliesslich dient eine Bremsvorrichtung zur
Regulirung des Ganges und zum raschen Innehalten der Bewegung. Die-
selbe wird gebildet durch den Bremsklotz h, welcher durch den Brems-
bügel a gegen die Scheibe S gedrückt wird. Der Bügel a dreht sich an
dem einen Ende um einen an dem Gerüstatänder befindlichen Bolzen,
das andere Ende ist durch eine schmiedeeiserne Zugstange mit dem ver-
längerten Arme des Hebels g verbunden, so dass, wenn man die Zugstange
abwärts bewegt und dadurch den Frictionsconus c gegen die Scheibe
d drückt, gleichzeitig die Bremse gelöst wird, umgekehrt aber die Bremse
LedebuT, maohBuisoh-metttUiugiMhe Technologio. 27
418 Hammer und Ambos.
in demselben Augenblicke angezogen wird, wo man durch Empordrücken
der Stange die Frictionskupplung löst.
Der Ständer des Hammers ist als Hohlguss gefertigt.
Solche Hämmer werden in Grössen von 7,5 Kilo bis 400 Kilo Bär-
gewicht ausgeführt, die Hubhöhe der ersteren beträgt 150 Mm. bei 450
Hüben per Minute, die Hubhöhe der letzteren 775 Mm. bei 100 Hüben
per Minute. Die erforderliche Betriebskraft ist nach Angabe des Fabri-
kanten bei der kleinsten Sorte V4 Pferdekrafb, bei der grössten 8 Pferde-
kräfte.
Pneumatische Hämmer. Statt einer Transmissionswelle dient
Luft, welche in einer Röhrenleitung eingeschlossen ist, zur Transmission
der Arbeit der Betriebsmaschine auf den Hammer. Zu diesem Zwecke
endigt der Hammerstiel in einem geliderten Kolben, welcher in einem
gusseisernen Cylinder sich bewegt Entweder wird durch eine Compres-
sionspumpe die Luft unterhalb des Kolbens verdichtet, dadurch der Ham-
mer gehoben und durch Oefifnung eines Ventils, welches die eingeschlos-
sene Luft entweichen lässt, zum Niederfallen gebracht; oder es wird
durch eine Luftpumpe die Luft oberhalb des Kolbens verdünnt und da-
durch ein Steigen desselben bewirkt.
Die Anwendung pneumatischer Hämmer ist selten; denn während
bei den übrigen Transmissionshämmern die grössere Einfachheit und
Billigkeit der Anlage und Wartung gegenüber den direct wirkenden
Dampfhämmern für ihre Wahl mitsprechen kann, dürften bei einem
pneumatischen Hammer diese Vorzüge nur dann sich darthun lassen,
wenn nicht gerade Dampf, sondern die billigere Wasserkraft als Betriebs-
kraft gebraucht wird und eine Transmission, von welcher aus ein Ham-
mer betrieben werden könnte, nicht zu Gebote steht. Wir glauben daher,
uns auf vorstehende Angaben beschränken und hinsichtlich des Weitem
auf die unten gegebene Literatur verweisen zu dürfen.
Dampfhämmer. Der Hammerbär ist mit der Kolbenstange eines
Dampfcylinders fest verbunden und wird also von dem Kolben aus direct
bewegt. Bei einer einzigen Construction (Gondie's Dampfhammer) fin-
det hiervon insofern eine Ausnahme statt, als der Cylinder beweglich
ist und den Bär trägt, während der Kolben feststeht. Die Bewegung
erfolgt fast immer in senkrechter Richtung; die Geschwindigkeit beim
Niederfallen wird entweder durch den "freien Fall aUein hervorgerufen
(einfach wirkende Dampfhämmer), wobei die Hubzahl durch Anwendung
einer Prellvorrichtung vergrössert werden kann, als welche meistens
Dampf oder atmosphärische Luft dient, welche von dem aufsteigenden
Kolben eingeschlossen und zusammengedrückt wird, oder die Fall-
geschwindigkeit wird durch Dampf beschleunigt, welcher über den Kol-
ben geleitet wird, sobald derselbe seinen höchsten Stand erreicht hat
(doppelt wirkende oder Hämmer mit Oberdampf). Giebt man nun bei
den letzten Hämmern dem Kolben einen verhältnissmässig grossen Quer-
schnitt im Vergleiche zu dem Gewichte des Hammers, steigert also hier-
Dampfhämmer. 419
durch die Geschwindigkeit; gieht man ferner dem Hammer eine geringe
Hubhöhe und verleiht ihm durch diese beiden Mittel die Möglichkeit,
eine grosse Anzahl Schläge in gewisser Zeit auszuführen, deren Wirkung •
hei geringem Gewichte des Hammers vorztrgsweise auf der grossen End-
geschwindigkeit beruht, so nennt man solche kleinen Hämmer mit grosser
Hubzahl (bis zu 400 Schlägen per Minute), welche sich nach Früherm
durch Beschleunigung der Arbeit vorzugsweise zur formgebenden Ver-
arbeitung, nicht aber zur Verdichtung der Metalle eignen, Schnell-
hämmer.
Zur Regulirung des Dampf- Zuflusses und -Abflusses muss jeder
Dampfhammercy linder mit einer Steuerung versehen sein, welche ebenso
wie bei anderen Dampfmaschinen aus Schieber, Ventilen, Hähnen oder',
Kolben bestehen kann und nach denselben Regeln wie bei jenen con-
strnirt wird. Hier wie dort besitzt ein jeder dieser Steuerungsmecha-
nismen seine Vor- und Nachtheile.
Die gewöhnlichen Muschelschieber sind, zumal wenn die Bewegung
von der Hand des Maschinenwärters zu geschehen hat, schwer beweglich,
um so schwerer, je grösser die Dimensionen und also auch der auf dem
Schieber lastende Dampfdruck ist. Schon bei Hämmern von 2500 Kilo-
gramm Fallgewicht macht sich dieser Uebelst^nd fühlbar. Man kann
denselben verringern, indem man die Muschelschieber durch getrennte
Plattenschieber für Ein- und Ausgang ersetzt, dadurch also die dem
Dampfdrucke ausgesetzte Schieberfläche verringert; oder indem man so-
genannte entlastete Schieber anwendet, obgleich diese sich am wenigsten
bewährt haben dürften; oder indem man statt der Muschelschieber Röh-
renschieber (N a p i e r ' sehe) anbringt ^).
Ventile, als Doppelsitz ventile construirt, unt«r denen sich die Glocken -
Ventile durch Zweckmässigkeit auszeichnen, sind leichter beweglich als
Schieber, werden aber bei raschem Gange des Hammers bald undicht
und sind aus diesem Grunde bei Schnellhämmem weniger verwendbar
als letztere, zumal da die Nachtheile der Schieber gerade bei den kleinen
Sohnellhämmern am wenigsten bemerkbar auftreten. Dagegen sind die
Ventile bei grossen Hämmern vielfach mit bestem Erfolge in Anwendung.
Unter den Hähnen für Dampfsteuerung wird der Wilson 'sehe
Hahn für Dampfhämmer mittlerer und kleiner Grösse häufig benutzt und
besitzt den gewöhnlidhen Hahnsteuerungen gegenüber den Vortheil leich-
^) Die allgemeine Einrichtung der Steaerungsmechanismen für Dampf-
Tnascbinen wird als bekannt vorausgesetzt. Belehrung" darüber giebt jedes Lehr-
bucli der Maschinenlehre, unter anderen auch Weisbach's Mechanik, Bd. 2;
Zeuner, Die Schiebersteaerungen, 4. Aufl., Leipzig 1874; Bernoulli, Dampf-
maschinenlehre, bearbeitet von Böttcher, Stuttgart 1865, 8. 268 bis 316;
31 ii Her-Melchior, Die Dampfinaschinensteuerungen auf der Wiener Welt-
auHstellnng, Separatabdruck aus Dingler's polytechnischem Journal, Bd. 212
bis 214; Geschichtlicher üeberblick über die Steuerungen der Dampfmaschinen,
U lil and 's Maschinenconstructeur, Jahrgang 1874, S. 89.
27*
420 Hammer and Ambos.
terer Beweglichkeit, zugleich aber den allen Hähnen gemeinsamen Nach-
theil, dafis bei verschiedener Ausdehnung des Gehänses nnd Hahns eine
Klemmnng oder eine Undichtigkeit einb^en mnss.
Eolbensteaemng ist heiklen Dampfhämmern im Allgemeinen wegen
rascher Abnutzung nnd mangelhaften Dichtens wenig in Gebranch.
Diese sogenannte innere Steuerung wird durch die äussere
Steuerung bewegt, welche aus einem Systeme von Hebeln, Zugstan-
gen u. s. £ zu bestehen pflegt und entweder von Hand oder selbstthätig
Tom Fallblocke aus bewegt wird, sobald derselbe das Ende seiner Bahn
erreicht hat. Selbstthätig pfl^t die Steuerung bei allen Hämmern nach
Beendigung des Au£steigens auf die grösste zulässige Hubhöhe zu sein, um
Beschädigungen durch versäumtes Umsteuern zu vermeiden ; eine Verkür-
zung des Hubes lässt sich in den meisten Fällen durch früheres Umsteuern
von Hand oder durch eine Veränderung des Steuerungsmechanismus (wo-
durch frühere selbstthätige Umsteuerung erfolgt) erreichen; bei kleinen
Hämmern ist dagegen auch eine selbstthätige Umsteuerung nach beendigtem
Niederfallen gebräuchlich. Bei fast allen Dampf hämmern ist es ausser-
dem möglich, durch Zuleitung von Dampf unter den Kolben während
des Niederfallens die Wirkung des Schlages abzuschwächen oder ganz
zu unterbrechen; es ist ein bekanntes Kunststückchen der Maschinen-
wärter, durch Knacken einer Nuss unter einem schweren Dampfhammer,
ohne sie zu zerquetschen, zu zeigen, wie genau die Stärke jedes Schlages
sich regeln lässt.
Das Fallgewicht beträgt bei den kleinsten Dampfhämmern 50 Kilo-
gramm nnd steigt bei einem in der Gussstahlfabrik zu Perm angelegten
Dampfhammer, dessen Wirkung noch durch Oberdampf verstärkt wird,
auf 50 000 Kilogramm; die Hubhöhe bei kleinen Schnellhämmem 150
bis 200 Mm., bei schweren Hämmern (Krupp in Essen, Arsenal in
Woolwich nnd andere) 3,2 Meter.
Hauer giebt für Ermittelung einer zweckmässigen Hubhöhe die
empirische Formel:
H = 0,026 \~G,
worin // die Hubhöhe in Metern, G das Fallgewicht in Kilogramm be-
deutet, und fugt hinzu, dass die dadurch erhaltenen Resultate besonders
bei kleinen Hämmern ziemlich genau mit der Wirklichkeit übereinstim-
men , es jedoch durchaus nicht geboten sei , sich streng an obige Formel
zu halten.
Folgende Tabelle kann eine ungefähre Uebersicht der Fallgewichte,
Hubhöhen nnd Anzahl der Höbe von Dampfhämmern für die verschiede-
nen Verwendungen derselben geben:
Dampfhämmer.
421
■
Anzahl
Fallgewicht
Kilogramm
Hubhöhe
Millimeter
der Hube
per
Minute
In Sohmiedewerkstätten
für kleine Gegenstände
50— 500
150— 600
200 — 400
„ grössere Gegenstände ....
500— 1000
600 — 1000
100 — 200
In Puddelwerken
zum Verdichten der Luppen . . .
1500— 2 500
1000 — 1500
80—100
In Eiaenwalzwerken
zum Schweiasen und Verdichten
*
für Gegenstände mittlerer Grösse
„ gi*öbere Gegenstände (Bram-
meuhämmer)
2 500— 5000
5000 — 10000
1250—1800
1500 — 2400
80 - 100
60— 80
Tn Bessemerwerken* und Guss-
atahlfabriken
für Gegenstände mittlerer Grösse
10000 — 20000
2000 — 3000
60— 80
In Gussstahlfabriken
für grössere Blöcke
20000 — 50000
3000 — 3200
60
Für die Form des Amboses gelten die oben für die Ambose der
Rahmenhammer im Allgemeinen gegebenen Regeln. Die Cliabotte be-
steht aus Gusseisen und erhält in Anbetracht der bedeutenden Wirkung
des Hammers ein oft ungeheures Gewicht. Haußr giebt für die Be-
rechnung des Cbabottengewichts die Regel, dass bei Hämmern ohne Ober-
dampf dasselbe gleich 4: G H his 6 G H zu nehmen sei , worin G das
Fallgewicht und H die Hubhöhe in Metern bedeutet; bei doppelt wir-
kenden Hämmern würde man das Gewicht um so viel grösser zu nehmen
haben, als die Wirkung des Schlages durch die Anwendung des Ober-
dampfs yerstärkt wird; und beim Schmieden von Stahl soll die Chabotte
um die Hälfte schwerer gemacht werden, als beim Schmieden von Eisen.
Im Allgemeinen findet man das relative Chabottengewicht um so kleiner,
je grösser der Hammer ist. Wo es irgend angeht, giesst man die Cha-
botte in einem Stücke, und ist bei grossen Hämmern oft zur Herrichtung
besonderer Schmelzvorrichtungen dafür genöthigt^).
Diese Chabotte wird nun* bei den grösseren Hämmern auf ein höl-
zernes, am zweckmässigsten aus verticalen, durch eiserne Ringe zu einem
Ganzen verbundenen Balken bestehendes Fundament gestellt, welches
mehrere Meter tief zu sein pflegt und auf einem soliden Baugrunde ruht;
und um die Fortpflanzung der Erschütterungen auf das umliegende £rd-
*) Heber den Guss einer 685 000 Kilogramm schweren Hammerchabotte zu
Penn siehe Berg- und Hüttenmännische Zeitung 1874, 8. 1.
422 Hammer und Ambos.
reich abzaschwächen , wird dieses Holzfundameni mit eifern gemanerien
Schachte amgeben, weit genug, däss zwischen Mauer und Holz ein ziem-
lich grosser Zwischenraum bleibt, der mit Eies oder ähnlichem Materiale
ausgefüllt wird.
Das Hammergerüst wird bei allen grösseren Dampfhämmern neue-
rer Construction unabhängig von der Chabotte fundamentirt, um es mög-
lichst gegen die von den Hammerschlägen ausgeübten Erschütterungen
zu sichern; nur bei Schnellhämmern stellt map Chabotte und Hammer-
ständer auf ein gemeinschaftliches Fundament und auch wohl eine ge-
meinschaftliche Grundplatte.
Dieses Hammergerüst, welches den Dampfcylinder und die Steue-
rungstheile trägt, besteht gewöhnlich aus zwei gusseisernen Ständern,
bei kleinen Hämmern auch häufig nur aus einem einzigen Stander, wo-
durch der Ambos von drei Seiten zugänglich wird (yergleiche die unten
gegebenen Abbildungen von Dampfhämmern). Bei sehr grossen Häm-
mern construirt man die Ständer aus Eisenblech.
Unter allen für die Verarbeitung der Metalle dienenden Maschinen
tritt kaum eine andere in so mannigfachen und so erheblich unter
sich abweichenden Constructionen auf als der Dampfhammer. Die Haupt-
unterschiede dieser Constructionen wurden bereits in Vorstehendem her-
vorgehoben j sie beruhen in der Art und Weise, wie der Dampf zur Wir-
kung gelangt, wie die Steuerung bewirkt wird u. s. f. Aus diesen
Unterschieden gingen nun jene Dampf hammersysteme hervor, aus
denen wir im Folgenden diejenigen hervorheben und charakterisiren wol-
len, welche als Typen einer grössern Gruppe oder durch besondere Con-
structionsverhältnisse hervorragendes Interesse verdienen.
Die erste Idee der Construction eines Dampfhammers inihrt von
James Watt her, welcher im Jahre 1784 ein Patent auf einen Hammer
nahm, dessen Bär mit der Kolbenstange eines darüber stehenden Dampf-
cylinders in Verbindung stand, durch Dampfdruck gehoben wurde und
durch sein eigenes Gewicht wieder niederfiel. Watt erlebte jedoch nicht
die Ausführung seiner Erfindung. Das Bedürfniss für Anwendung von
Dampf kraft zur Form Veränderung der Metalle lag noch nicht vor, da die
letztere in ihrem Umfange wie ihrer Totalleistung bei Weitem nicht dem
jetzigen Stande nahe stand, und die damals in Anwendung befindlichen,
jedenfalls billigeren, Stielhämmer allen Ansprüchen genügten.
Auch eine dem Ingenieur W. Deverell in London 1806 patentirte
Dampf hammerconstruction, bei welcher eingeschlossene Luft als Prellung
diente, blieb vorläufig unausgeführt.
Erst in den dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts wurde auf Grund-
lage der Ideen Watt's und DeverelTs der erste durchaus brauchbare
Dampfhammer durch den Ingenieur Nasray th inPatricoft bei Manchester
construirt und im Jahre 1842 durch die Gebrüder Schneider in Creu-
zot erbaut, während fast zu gleicher Zeit ein ähnlicher Dampfhammer
Dampfhämmer von Cave und Nasmyth. 423
auf der Eonigin-Marienhütte bei Zwickau nach einer Zeichnung des dor-
tigen Directors Dorning ins Leben trat.
Diese ersten Dampfhämmer hatten einen oben offenen Cylinder,
Schiebersteuerung von Hand, einen langgestreckten Bär mit kreuzförmi-
gem Grundrisse, welcher zwischen vier unter sich verbundenen Ständern
geführt wurde.
Gaye schloss den obem Theil desCylinders durch einen mit Sicher-
heitsventil versehenen Hut, stellte die Ständer auf einen schweren guss-
eisemen Fundamentblock, welcher auch Ambos und Chabotte trug, und
fnndamentirte das Ganze durch ein Bostwerk hölzerner Balken, welche
auf einem darunter befindlichen starken Mauerkörper gelagert waren ^).
Auch der Cave'sche Hammer, welcher seiner Zeit sich vielfacher
Anwendung erfreute, wurde jedoch durch neuere Constructionen überholt.
Es war wieder Nasmyth, welcher nicht allein die erste Selbststeuerung
an den Dampfhämmern anbrachte, sondern sie auch in anderer Weise
mit Verbesserungen versah, welche den Nasmyth 'sehen Dampfhammer
in seinen Hauptzügen bis heute als Typus einer in zahlreichen Nachbil-
dungen vertretenen Gruppe erscheinen lassen.
Nasmyth'sche Dampfhämmer neuerer Construction.
Der Hammerbär ist durch eine dünne Kolbenstange mit dem Dampfkol-
ben verbunden, und es concentrirt sich daher das Gewicht sämmtlicher
gehobener Theile im Bär. Der Anhub erfolgt, indem Dampf unter den
Kolben tritt, der Fall durch die Wirkung der Schwere, häufig verstärkt
durch eine Prellvorrichtung, als welche comprimirter Dampf oder Luft
in dem obem Theile des Cylinders benutzt wird. Bei Anwendung von
Dampf als PreUkissen erhöht man nicht selten die Wirkung desselben,
indem man durch den im höchsten Stande angelangten Kolben ein Ven-
til öfinen lässt, durch welches Oberdampf einströmt; es erfolgt aber
Dampfabsperrung und Entweichen des eingeschlossenen Dampfes, sobald
der Kolben seinen Rückgang antritt, und hierdurch unterscheiden sich
diese Hämmer von den eigentlichen doppeltwirkenden Dampfhämmern.
Das Hammergerüst besteht aus zwei Ständern, zwischen denen der Bär
in allen Stellungen geführt ist. Als Steuerung dienten ursprünglich Schie-
ber, in neuerer Zeit vielfach Ventile. Die äussere Steuerung ist bei den
modernen Hämmern selten ganz selbstthätig, wie es von Nasmyth zuerst
eingeführt, bei öfterer Anwendung jedoch für diese grösseren Hämmer,
bei denen eine häufige Regulirung der Schlagstärke erforderlich ist, als
nicht zweckmässig befunden wurde; häufiger ist die selbstthätige Steue-
rung auf die Begrenzung des Hubes und Bewirkung einer Dampfexpansion
beschränkt.
Es folgt aus dieser Charakteristik der Nasmyth -Hämmer, dass die-
selben eine um so stärkere Wirkung liefern und um so geringere Hub-
zahl besitzen werden, je grösser ihre Hubhöhe und ihr Gewicht ist; sie
1) Vgl. Weisbach, Mechanik, lU. TR, S. 1256.
424 Hammer und Ambos.
sich deshalb rorzagsweise zam Schmieden Bolcber Gegeastäade eignen,
bei denea neben einer FormTeräodening auch eine Verdichtang beab-
sichtigt wird.
In den Figuren 332 und 333 ist ein Nasmyth'scher Dampfhammer
mit selbattbätiger Schieberetenerung beim Anf- und Niedergänge und mit
Hubbegrenzung darch Oberdampf abgebildet. Ubschon die von Nasmjth
erfanden« Constmction dieses Hammers nnd seiner Stenemng in der-
selben Form bei neueren Hämmern vielfach abgeändert worden ist, iet
dieselbe doch wohl geeignet, die Vorgänge bei dem Gange eines Dampf-
Nasmyth' scher Dampfhammer. 425
bammers im Allgemeinen sa TeranHchanlichen , and wurde deslmlb als
Gnindlage fttr die apäteren Beaprechangeii gewShlt.
Es sind hier AÄ ^q goBseiBerneD , mit Rippen Tersehenen GertUrt-
ständer, mit Fflhrangen ffg an der nach innen gerichteten Seite, welche
in entsprechende Nuthen des Hammerb&ra B eingreifen. Oben werden
die Ständer durch den jiolm H zusammengehalten, welcher den Boden
des Dampfcylindeni C nebst Stopfbüchse fOr die Kolbenstange enthält
(Fig. 333) nnd somit den Dampfcjlinder trägt. An letzterem ist der
ScbieberkaMen T mit dem Schieber S und dem Znleitongsrohr ^befestigt,
während der verbrancbte Dampf durch den ringförmigen Canal d und
das Ansblaserohr e entweicht In Fig. 332 befindet sieb der Steuerunga-
scbieber in seiner tiefsten, in Fig.' 333 in seiner höchsten Stellung. Die
entgegengesetzten Stellungen sind in beiden Figuren durch pouktirte
Fig. 33.'). Linien angedeutet. Steht der Schieber
nnten, wie in Fig. 333 pnnktirt, so tritt
Dampf unter den Kolben and der Hub
beginnt. Die Ober dem Kolben befind-
liche Iiuft entweicht durch die Oeffuun-
gen r in den ringlBrmigen Canal q und
von hier durch den senkrechten Canal
p nach dem Ausblaserohre e (Fig. 333).
Die Scbioberatange ist durch ein Ge-
lenk mit dem Hebel k und dieser durch
eine Zugstange t mit dem Winkelbebel
K verbunden (Fig. 332), welcher bei W
seinen festen Drehpunkt hat und an dem
andern Ende dos Röllchen r trägt. An
- dem Bär ist ein an der linken Seite cur-
venf3ruiig begrenzter Anschlag u fest-
geacbranbt. Wenn nun der Bär steigt,
trifft dieser Anschlag die Rolle, drückt
den betreffenden Arm des Winkelbebels
empor, wodurch in Folge des Zusammenwirkens von w, t und h auch der
Stenerungssehieber aufsteigt and den Canal b verschliesst. Der Dampf'
wird abgesperrt und der im Cylinder eingeschlossene Dampf arbeitet
durch Expansion. Der Bär steigt weiter, das Röllchen wird allmälig
von der äuasersten Kante des Anschlags u erfaast, dadarch in die höchste
Stellung gebracht, der Schieber rückt in Folge dessen gleichfalls in sei-
nen hSchsten Stand nnd der dampferfüllte Raum anter dem Kolben coro-
monicirt nun mit dem Canale d nnd dem Ausblaserobre. Inzwischen
ist aber der Dampf kolben K soweit gestiegen, dass er die Oeffnungen rr
verachliesst, ea kann alao oberhalb deaaelben keine Luft mehr entweichen
and 'OB entsteht durch Znsamme ndrQcknng der im obern Tbeile ein-
geschlossenen Lnft (beziehentlich Dampfes) ein elaatiscbes Prellkissen.
In seinem höchsten Stande stösst endlich der Kolben das im Qflinder-
426 Hammer und Ambos.
decke! befindliche Ventil v auf, darch welches ans der Dampfleitang a
frischer Dampf Aber den Kolben tritt, eine Zertrummening des Cylinder-
deckels durch Ueberschreitang des normalen Habes verhütend. Nun
beginnt der Bückgang unter dem Einflüsse des eigenen Gewichts, der
Prellung und des momentanen Dampfdrucks mit beschleunigter Geschwin-
digkeit. Das Ventil v schliesst sich, die Oeffnungen rr werden frei und
durch dieselben strömt aus dem Ausblaserohre p verbrauchter Dampf zu,
den entstehenden luftverdünnten Raum föllend.
Die Schieberstange besitzt oberhalb des Angriflbpunktes des Hebels
h eine Verlängerung, welche mit einem Kolben h innerhalb eines kleinen
Cylinders c endigt. Der Raum oberhalb dieses Kolbens lasst sich durch
Oeffnung des Ventils Vy mit der Dampfleitung in Verbindung setzen,
und diese Oefihung erfolgt selbstthätig durch den Kolben X;, sobald der
Schieber seinen höchsten Stand erreicht. Aus Fig. 333 ist ausserdem
ersichtlich, wie der Raum unterhalb des kleinen Kolbens mit dem Canale
pqm Verbindung steht, um beider Bewegung des Kolbens eine Luit-
verdünnung und Zusammendrückung zu vermeiden.
Damit nun nicht der durch das geöffnete Ventil V\ eintretende
Dampf den Schieber sofort in seinen tiefsten Stand zurückführt, wodurch
ersichtlicher Weise frischer Dampf unter den Kolben geleitet und das
Niederfallen verhindert werden würde, schnappt der Winkelhebel to in
dem Augenblicke, wo der Schieber seinen höchsten Stand erreicht, unter
die Klinke des Hebels i, dessen oberer Arm durch eine Feder nach rechts
gedrückt wird, wodurch ein Zurückgehen des Schiebers unmöglich ge-
macht wird. Hält man den Hebel i geöffnet, so spielt der Hammer auf
und nieder, ohne niederzufallen; öffnet man ihn, ehe der Schlag erfolgt
ist, so tritt vorzeitig Dampf unter den Kolben und die Wirkung des
Schlages wird abgeschwächt.
Eine selbstthätige Auslösung des Hebels w aus der ihn festhaltenden
Klinke des Hebels % erfolgt durch Vermittelung der Schiene z^ welche
durch den Hebel v und die Zugstange o mit i verbunden ist, und des
am Hammerbär befindlichen Prellhebels y. Das beschwerte Ende des-
selben wird durch eine Feder nach oben gedrückt; im Augenblicke des
Aufschiagens aber dreht sich dieses Ende, dem Beharrungsvermögen fol-
gend, abwärts, und das Ende desselben drückt in Folge dessen die
Schiene Z nach links. Es ist leicht einzusehen, wie diese Bewegung der
Schiene sich auf die Klinke des Hebels % überträgt und somit w frei wird.
Der Steuerungsschieber wird nach unten gedrückt und ein neuer Hub
beginnt, z muss deshalb so lang sein, dass der Hebel y bei jeder
Stärke des zu bearbeitenden Stücks sie erreichen kann.
Die Hubhöhe ist bei dieser selbstthätigen Steuerung stets gleich;
bringt man jedoch an der Drehungsachse des Winkelhebels w einen Hand-
hebel an, dessen Bewegung durch die Drehungsachse sich auf ao überträgt,
so ist man im Stande , in jedem Augenblicke Umsteueiung von Hand zu
bewirken und dadurch die Hubhöhe beliebig abzukürzen.
Naemytb'scher Dampfhammer. 427
Die Pigaran 334 bis 342 atellen einea Nasmyth' sehen Dampf-
hammer des k. k. Eisenwerks in Neaberg mit eiaem Hamm ergewichte
Fig. 334.
428 Hammer und Ambos.
TOD 17 500 Kilograinm , Hubhfihe 2,68 Meter asd Yentilsteaeriuig von
Hand dar'). Fig. 334 ist links Ansicht des Hammers von vorn, rechts
ein Verticalechuitt durch die Ständer nach der in Fig. 335 angedeuteten
gebrochenen Linie Z y bis TZ; Fig. 335 ist Ansicht von oben (Gn
Fig. 336.
B8)i Fig. 336 VerticalBchnitt durch dos
EinströmungsTentilgehauBB und dmi
Dam pfcf linder nach der gehrocbenon
Linie CD bis DE (Fig. 335); Fig. 337
dient zur Erläuterung des StenernngE-
raechanismue; Fig. 338 ist ein senkrech-
ter Querschnitt durch beide Ventile nach
der Linie MN (Fig. 335 und 339); Fig.
339 eine Ansicht der Ventile von oben
und ein Horizontal schnitt durch die Stän-
der nach Linie KL (Fig. 334 und 340)
mit Ansicht des Hammerbärs von oben;
Fig. 340 ist ein senkrechter Querschnitt
durch den Cylinder und das Gerüst;
Fig. 341 ein Querschnitt durch das Fun-
dament und die Chahotte und Fig. 342
ein GrnndrisB dieser Xheile.
Die Figuren 334 bis 336, sowie Fig.
340 sind in '/*o der wirklichen Grösse,
Fig. 337, 338 und 339 in V« der wirk-
Nasmytli'Bcher Dampfhammer. 429
lieben Grösae, Fig. 341 nnd 342 in '/so ^^' wirklichen Grösse ge-
zeichnet.
Der Dampf gelangt durch das Rohr a, Fig. 334, in den Ventilkaaten
des Dampfe jlindorB, nachdem der Uaschinenführer durch Empordrücken
Fiir. 336. ^^^ Hebels m den Znlasa-
schieber («i geöffnet hat
(vergl. Fig. 334 und
335). Je nachdem dieee
Oeffnang Tollat&ndig
oder nur theilweise etatt-
findet, tritt mehr oder
weniger Dampf zd, und
die Bewegung de« Ham-
mers ist eine raacbore
oder weniger rasche,
nachdem die Ventile in
Tbütigkeit gesetzt sind.
Die Einriebtang dieser
Ventile ergiebt sich nnn
ans Fig. 338. Rechts
ist das Einlass-, links
das Attslassventil. Beidea
sindsogenannteGIocken-
ventile aus Rothgaaa,
ringiurmig , darch vier
Rippen mit einer Nabe
verbunden, durch welche
die dnrch einen Keil befestigte Ventilstange hindurchgeht- Letztere ist
an ihrem obem Ende in einer Stopfbüchse geführt and mit einer Spiral-
Fig. .S3fl,
fcdcr versehen, welche gegen einen auf dem Gebänse befestigten Bügel
drückt nnd dadurch das Ventil schliesst, so lange nicht Gegendruck statt-
430 Hammer und Ambos.
findet. Die gleichfalla ringförmigen Ventilsitze raben mit Flantecben
&nf der Wand des GehäaBee; vier Rippen verbinden den Ring mit der
Fig. 340.
Nasmyth'scher Dampfhammer. 4SI
tnlpenfSnaigen Nabe, deren oberer Theil als FQhrnng ßtr die Ventil-
Btange dient, während die nntere Hälfte einen hindnrchgesteckten Schran-
benbolzen nmacblieBBt, welcher die feste Stellnng des Ventilsitzee im Ge-
hänae sichert. Damit beim Heben und Senken des Ventils die in der
Nabonuffnung unterhulb der Ventitstange eiiigeschloSBene Luft weder yer-
dünnt noch zaanrainengepreSBt werde, steht dieser Raum durch eine»
Canal mit dem Ilnume oberhalb des Ventilsitzee in Verbindung.
In enteprechende Schlitse der Ventilstangen greifen die beiden an
einer boriEontalen Welle ^ befindlichen Hebelarme 'i ein. In der ge-
432 Hammer und Arobos.
zeichneten mittlem Stellimg sind beide Ventile gescbloasaD; QDterbalb
der Hebel muas in dem Schlitze hinreichender Spielraam vorhanden sein,
dasB, während der eine Arm emporgeht und daa Ventil hebt, der »ndere
eich frei nach nnten bewegen kann, ohne durch die Stange behindert zn
werden. Befindet sich in der Ventilatange eines der Ventile aach ober-
halb des Hebele ein Spielranm, eo wird das Einlassrentil geschlosson,
bevor dns AnsUssventil geöffnet wird, und der Dampf wirkt inzwischen
dnrcb Expansion.
In den Ranm oberhalb des Einlassventils mKndet das Dampfznlei-
tnngsrobr, der Raum unterhalb desselben commtinicirt durch den Ganal 0
Nasmyth'scher Dampfhammer. 433
mit dem Dampfcylinder (vergl. Fig. 336), der Ranm anterhalb des Aub-
strömangBventilB steht durch einen in dem Holme des Gerüsts befind-
lichen Canal P (Fig. 336 and 338) mit dem Ansblaserohre e in Yer*
bindong.
An der Welle, welche die beiden Hebelarme li li trägt, befindet sich
der senkrechte Hebel h welcher durch ein Grelenk mit der horizontalen
Zugstange X yerbunden ist. Ueber die letztere ist eine Spiralfeder /^
geschoben, deren stärkeres Ende an einer feststehenden Platte pi befestigt
ist (Fig. 334, 338, 339), während das schwächere Ende gegen einen ring-
förmigen Ansatz der Zugstange x drückt. Dadurch erhält diese das Be-
streben, das Einlassyentil zu öffnen, das Auslassyentil zu schliessen , also
den Hammer zum Steigen zu bringenj wenn nicht diesem Bestreben ent-
gegen gewirkt wird. Die Zugstange x ist nun an ihrem zweiten Ende
mit dem einarmigen Hebel h verbunden, der auf dem obern Ende der
langen senkrechten, am linken Hammerständer befestigften Welle b durch
Nuth und Feder festgehalten wird (vergl. Fig. 334, 335 und 339) und
mithin seine Drehung auf diese überträgt. An dem untern Theile der-
selben Welle ist der einarmige Hebel p befestigt (Fig. 834, 335 und 337).
In der Stellung wie in Fig. 337 ist derselbe durch den Hebel g, dessen
Drehungspunkt am Hammergerüste befestigt ist, eingeklinkt, in seiner
Stellung festgehalten, und verhindert somit auch die Drehung der senk-
rechten Welle b, des obern Hebels h und dadurch das Oeffnen des Ein-
lassventils. Schiebt man nun aber den Elinkhebel g nach rechts, wozu
die Zugstange n mit dem Hebel ni benutzt wird (vergl. Fig. 334 und
335), so wird der Hebel p frei und gelangt in die Stellung wie in Figur
335, die Welle dreht sich, das Einlassventil wird geöfifhet, der Hub be-
ginnt. Zur selbstthätigen Beendigung des Hubes befindet sich an dem
Hammerbär B, welcher in den Führungen gg gleitet (Fig. 334 und 339),
eine Nase u angegossen; an der mehrfach erwähnten senkrechten Welle
b ist, ungefähr in Ys ihrer Höhe, der Hebelarm c mit dem BöUchen r
am Ende befestigt, welches von der aufsteigenden Nase des Bars ver-
schoben wird. Es erfolgt eine Drehung der Welle von rechts nach links;
der Hebel p wird wieder in - seine frühere Stellung zurückgeführt und
kann durch Anziehen der Stange n in g eingeklinkt werden; das Einlass-
ventil ist wieder geschlossen, die Hebelarme li li (Fig. 338) gehen durch
die mittlere Stellung in die entgegengesetzte über, das Auslassventil
öffnet sich. Je weiter der Dampfschieber mi geöfihet war, je mehr
Dampf also in der Zeiteinheit unter den Kolben gelangte, und je rascher
der letztere demnach stieg, desto grösser ist die in ihm angehäufte leben-
dige Kraft und desto höher wird er mithin noch steigen , nachdem Um-
steuerung stattgefunden hat, desto grösser wird also auch die Wirkung
des Schlages sein.
Der Raum oberhalb des Kolbens steht durch den Rohrstutzen w
mit dem Ausblaserohre in Verbindung. Zur Verhütung von Unglücks-
fallen, wenn der Kolben zu hoch emporsteigen sollte, ist der Cjlinder
liedebur, mechanisch'metallnTgiaohe Technologie. 28
434 Hammer und Ambos
am obern Ende statt durch einen gewöhnlicben Deckel durch eine Haabe
aus Eisenblech geschlossen, deren Durchmesser im Lichten etwas grösser
ist, als der Durchmesser des Dampfcylinders. Steigt der Kolben also bis
in diese Haube empor, so findet sofort Ausgleichung des Dampfdracks
unter und über dem Kolben statt.
Hält man nun, nachdem das Einlassyentil geschlossen, das Auslass-
yentil geöffnet ist, die Steuerungshebel in der Stellung Fig. 337 fest, so
erfolgen Schläge mit Toller Wucht, und der B&r verharrt so lange in
seiner tiefsten Stellung, bis Ausklinkung des Hebels p erfolgt; bewirkt
man die Ausklinkung früher als der Schlag beendet ist, so schliesst sich
das Auslassyentil , es tritt frischer Dampf unter den l^olben, der Schlag
wird verhindert oder abgeschwächt, je nachdem der Zulassschieber Mi
mehr oder minder weit geöffnet war und die Ausklinkung früher oder
später bewirkt wurde. Gewöhnlich versieht man die Zugstange n mit
einer Feder, welche sie nach links oder rechts zu verschieben strebt,
ihr also entweder das Bestreben giebt. Einklinkung (für starke Schläge)
oder Ausklinkung (für schwache Schläge) hei-vorzubringen , und der Ma-
schinenwärter hat dann nur nöthig, die entgegengesetzte Bewegung aus-
zuführen.
Eine Kegulirung der Hubhöhe lasst sich bewirken, indem man den
Arm C höher oder niedriger stellt. Zu diesem Ende ist derselbe mit sei-
ner Hülse nur durch eine Schraube an der Welle h befestigt, ausserdem
aber mit einer Kette ohne Ende K verbunden, durch deren Bewegung
die Verstellung stattfindet. Ein durch einen Plebel d bewegtes Ketten-
rädchen, mit Sperrklinke versehen, dient zur Bewegung der Kette.
Die gegebenen Abbildungen können zugleich als ein Beispiel für
die Construction eines grossen Hammergerüstes aus Schmiedeeisen dienen.
Die oberen hohlen Ständer NNj an denen die Führungen für den Bär
befindlich sind, werden durch das breite, aus genieteten Doppel-T-Trägern
gebildete Längsstück M (Fig. 340) getragen , in dessen Mitte die Oeff-
nung zum Hindurchlassen des Bars ausgespart ist. Diese Längsbalken
ruhen auf zwei Querstücken LL, welche wieder von den vier hohlen
Ständern AÄ getragen werden. Die von einer Blechwand umschlossene
Plattform Q dient für den Aufenthalt des Maschinenwärters und ist durch
eine eiserne Treppe von unten her zugänglich.
Die Figuren 341 und 342 werden nach dem schon über die Funda-
mentirung von Dampfhämmern im Allgemeinen Gesagten kaum einer
Erläuterung bedürfen. Es sei nur erwähnt, dass je zwei schmiedeeiserne
Säulen des Gerüsts auf einer gemeinschaftlichen Sohlplatte befestigt sind,
und dass die 170 000 Kilogramm schwere Schabotte aus vier Stücken
gegossen und in der aus Fig. 341 ersichtlichen Art und Weise zusammen-
gesetzt ist.
Condie^s Dampfhammer. Derselbe wurde im Jahre 1846 dem
Mechaniker Co n die in Glasgow patentirt. Die Kolbenstange dieses
Hammers ist unbeweglich und hohl; der Kolben sitzt fest auf der Kolben-
Condie's Dampfhammer. 435
Stange; der Cylinder ist beweglich und dient als Hammerbär, indem
durch das Steigen und Fallen desselben die Schläge erfolgen; der Hub
des Cylinders wird bewirkt, indem Dampf durch die hohle Kolbenstange
über den Kolben zugeleitet wird, das Niederfallen erfolgt durch Unter-
brechung der Dampfzuleitung und durch Ausströmen des zwischen Kolben
und Cylinderdeckel befindlichen Dampfes.
Die Figuren 343 I, II und III stellen einen solchen Condie'schen
Dampfhammer mit Ventilsteuerung von Hand beim Beginne desSteigens
und selbstthätig zur Begrenzung des Hubes dar. C ist der Dampfcjlin-
der, zwischen den Führungen FF gleitend und an der untern Seite die
Hammerbahn B tragend; M ist die hohle Kolbenstange, oben mit dem
gnsseisemen Gerüste auf die in Fig. 343 I und II ersichtliche Art und
Weise, unten mit dem Kolben KK (Fig. 343 I) durch Schraube und
Mutter Terbunden. Der Form des Kolbens entsprechend hat der Cylin-
derboden bei D eine kesselartige Vertiefung, in welche beim Aufsteigen
des Cylinders der Kolben hinein passt. Unmittelbar über den Kolben ist
die Kolbenstange mehrfach geschlitzt, um den Dampf in den geschlosse-
nen Raum einzuführen, wodurch der Cylinder gehoben wird. Der Raum
unterhalb des Kolbens steht mit der äussern Luft durch OefiPnungen
in Verbindung, welche in der Abbildung nicht ersichtlich sind. Die
Steuerung ist derjenigen des oben beschriebenen Nasmyth -Hammers
ganz ähnlich. Der Hebel N dient zunächst zum Oeffnen eines Schiebers
oder Hahns in der Dampfleitung vom Kessel nach dem Hammer. H
und J sind die Stangen der Glocken ventile für Ein- und Auslass des
Dampfe?, durch zwei an der horizontalen Welle 0 befindliche Hebelarme
in entgegengesetztem Sinne bewegt. Die Drehung der Welle 0 erfolgt
durch einen dritten (punktirt gezeichneten) Hebelarm R, dessen Ende
mit der Zugstange / und durch diese mit . dem Hebel P (vergl. Figur
343 III) an dem obern Ende der senkrechten Steuerungs welle PQ ver-
bunden ist. Eine über / übergeschobene Spiralfeder giebt diesem Me-
chanismus das Bestreben einer Bewegung nach links, wodurch dlis Ein-
lassventil H geöffnet , das Auslassventil J geschlossen wird. Zur selbst-
thätigen Umsteuerung befindet sich am Cylinder die Nase ü, an der
Steuerungs weUe der verstellbare Arm F, welcher beim Aufsteigen des
Cylinders von ersterer ergriffen wird und dabei die Welle in solcher
Richtung dreht , dass das Ventil H geschlossen, / geöffnet wird. Damit
nicht durch die Feder / vorzeitige abermalige Umsteuerung bewirkt und
dadurch das Niederfallen verhindert werde, ist an dem untern Theile der
Welle PQ eine Einklinkung angebracht, welche in Fig. 343 III im
Grundrisse abgebildet ist. T ist hier ein Sperrhaken an einer stehenden
Welle X, welcher hinter die Sperrklinke W fasst und das Zurückgehen
derselben und somit auch des ganzen Steuepungsmechanismus so lange
hindert» bis er vermittelst der Zugstange Z ausgelöst wird. Wird diese
AoslÖBung bewirkt, bevor der Cylinder niedergefallen ist, so erfolgt ein
schwacher Schlag oder eine völlige Unterbrechung des Schlages ; geschieht
28*
436 Hammer und Ambos.
Bie erst nach beendigtem Niederfallen, bo bleibt während desselben das
Auslassventil ge&ffnet, das EinlaBsreutil geflchlosaen, and ea erfolgt ein
Fig. 343.
I
Htarkor Sohlag. Stellt man endlich den Arm F höher, so wird die Hub-
höhe grösser, stellt man ihn niedriger, so wird sie geringer.
XHe Con die -Hämmer verdankten dem Bestreben ihr Entstehen, die
Morrison^s Dampfhammer. 437
unvermeidlichen Stösse, welche bei den N asm yth -Hämmern auf Kolben
und Kolbenstange ausgeübt werden und diese verhältnissmässig schwa-
chen Theile der Gefahr der Beschädigung aussetzen , durch Festlegung
derselben unwirksam zu machen. Sie gewähren ausserdem den geringen
Yortheil, dass von der Totalhöhe der Maschine die Höhe des Dampf-
cylinders erspart wird. Statt der verminderten Gefahr des Bruches der
Kolbenstange »tritt aber die Gefahr für den Bruch des Cylinders auf,
welcher einen kostspieligeren und schwerer zu ersetzenden Theil der Con-
strnction als jene bildet, und man hat demnach ein geringeres Uebel
durch ein grösseres verdrängt. In diesem Umstände ist wohl haupt-
sächlich die Thatsache begründet, dass das Con die 'sehe Hammersystem,
welches anfänglich mit einem lebhaften Beifalle begrüsst wurde, den es
zum Theile jedenfalls der Originalität des Gedankens, zum andern Theile
auch der damals geringern Anzahl guter Hammerconstructionen ver-
dankte, mehr und mehr vom Schauplatze abtritt und bei neuen Anlagen
schwerlich noch Benutzung finden dürfte.
Morrison's Dampfhammer. Derselbe stammt aus dem Jahre
1854. £r ist charakterisirt durch eine dicke Kolbenstange, welche
oberhalb des Kolbens fortgesetzt ist und im Boden wie im Deckel des
Dampfcylinders in Stopfbüchsen gefuhrt wird. Das Totalgewicht des
beweglichen Theils vertheilt sich also zum grossen Theile auf die Kolben-
stange. Die obere Kolbenstange ist bei älteren Hämmern dieser Art
mit einem Gleitstücke versehen, welches in senkrechten oberhalb des
Cylinders befindlichen Schienen geführt ist; bei neueren Morrison -
Hämmern lässt man diese Führung weg und die Kolbenstange wird nur
in den zwei Stopfbüchsen geführt.
Diese Anordnung macht eine Führung des eigentlichen in Rücksicht
auf die schwere Kolbenstange ohnehin leichteren Hammerbärs entbehr-
lich; der Gylinder kann deshalb mit angegossenen Platten zwischen
den beiden Ständern statt auf denselben befestigt werden , wodurch das
Gerüst einfacher, niedriger und sehr solide wird; der Raum um den
Ambos herum wird aber, da die Führungen wegfallen und man den
Ständern in Folge dessen eine grössere Ausladung geben kann, freier,
was jedenfalls von Yortheil ist. Die äussere Steuerung ist bei älteren
Hämmern selbstthätig, bei neueren vielfach von Hand. Als Prellung dient,
wie bei ien Nasmyth -Hämmern, gewöhnlich Luft oder Dampf, welcher
aus dem Ausblaserohre über den Kolben tritt, sobald dieser niedergeht.
Als charakteristisches Merkmal aller Morrison -Hämmer ist dem-
nach die dicke, an beiden Seiten des Kolbens befindliche und an zwei
£nden in Stopfbüchsen gefühi*te Kolbenstange zu betrachten.
In den Figuren 344 I, H und UI ist ein älterer Morrison'scher
Dampfhammer mit selbstthätiger Steuerung abgebildet. Die Theile der
innern Steuerung liegen in dem Gehäuse h (Fig. 344 IH), die Ventil-
oder Schieberstange steht in Verbindung mit der Stange OF, welcher
durch eine Feder das Bestreben ertheilt ist, sich zu heben, dabei den
438 Hammer und Ambos.
Dampfeiolasa za ölfuea und den Auslass zu echlieBBen. Die Stange wird
niedergedrückt und die DampfzuströmuDg abgesperrt, wenn der Arm S
Fig. 344.
I n
D U
von dem Querhaupte M Buch links hinüliergedrückt wird, dadurch die
horizontale Welle W W (Fig. 344 II) dreht und den auf derselben
Welle befiudlichen Hebel P, welcher in einen Schlitz der Stange greift.
' Daelen^s Dampfhammer. 439
bewegt. £ine EinkÜDkung, deren Einrichtong ans der Abbildung nicht
deutlich erkennbar ist, hält die Steuerung in dieser Stellung fest, bei
welcher der Auslass geöffnet ist, bis der Schlag erfolgt ist. In diesem
Augenblicke wirkt ein Prellhebel an dem Querhaupte M in ähnlicher
Weise, wie es oben bei dem Nasmyth 'sehen Hammer mit selbstthätiger
Steuerung (Fig. 332 auf Seite 424) beschrieben wurde, auf die in Figur
344 I punktirt gezeichnete Schiene ü ü, welche ihrerseits durch die Hebel
XX die erhaltene Bewegung auf die Stange XH überträgt., dadurch
Auslösung der Klinke und Umsteuerung bewirkend.
Das Rädchen B dient vermittelst eines in der Abbildung nicht an-
gegebenen Mechanismus zum Höher- und Niedrigerstellen der Welle W
und gleichzeitiger Verlängerung oder Verkürzung der aus zwei Theilen
bestehenden Stange FO, wodurch der Hub also vergrössert oder verklei-
nert werden kann ^).
Die bisher besprochenen Dampfhämmer waren einfach wirkend, d. h.
ihre Hauptwirkung wurde durch den freien Fall hervorgerufen und
Oberdampf, wenn überhaupt solcher zur Anwendung gelangte, diente
nur zur Verstärkung der Prellung. In Folgendem sollen einige Hammer*
Systeme mit Oberdampf zur Verstärkung des Schlages besprochen werden.
Daelen's Dampfhammer. Derselbe wurde im Jahre 1852 durch
den Ingenieur Da eleu in Horde construirt und fand seitdem unter Bei-
behaltung des ursprünglichen Princips, aber mannigfachen Abweichungen
in den Einzelheiten, ziemlich vielseitige Nachahmung.
Die nur am untern Theile des Kolbens befindliche Kolbenstange ist
sehr dick und häufig mit Kolben und Bär in einem Stücke gefertigt.
Der Querschnitt der Kolbenstange nimmt des grossen Durchmessers hal-
ber einen verhältnissmässig grossen Theil des gesammten Cylinderquer-
schnitts ein und um eben so viel ist deshalb der freie Cylinderquer-
schnitt oberhalb des Kolbens, wo die Kolbenstange fehlt, grösser als
der freie Querschnitt unterhalb desselben. Der Anhub erfolgt, indem
frischer Dampf unter den Kolben tritt und der oberhalb des Kolbens be-
findliche verbrauchte Dampf ins Freie entweicht. Bei einer gewissen
Höhe des Kolbens hört die Aus- und Einströmung auf, und der mit
gepresstem Dampfe erfüllte Raum unterhalb des Kolbens tritt
durch einen Canal mit dem Räume oberhalb desselben in Ver-
bindung. Der Dampf ist demnach bis zur Beendigung des Fallens im
Cylinder eingeschlossen, während die beiden Hälften des Cylinders in
^) Schöne Abbildungen Morrison* scher Dampfhämmer neuerer Con-
struction finden sich in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Jahr-
gang 1865, Taf. XXI, Text 8. 622; ein von der Sächsischen Maschinenfabrik
in Chemnitz (vormals Hartmann) gebauter Dampfhammer mit Morrison'-
scher Kolbenstange, von dem eigentlichen Morrison-Hammer aber durch die
Anwendung von Oberdampf abweichend, ist abgebildet und beschrieben in
Uhland's praktischem Maschineuconstinicteur, Jahrgang 1872, Taf. 29 und 30,
Text S. 113.
440 Hammer und Ambos.
VerbinduDg stehen. Ble DampfspaDiinag gleicht eich also ans, w&cfast
aber noch, bo lange der Kolben steigt, in Folge der Verengung de« Vo-
Fig. 345.
Inmena durch die eintretende Kolbenstange, der Totaldruck anf den Kol-
ben von oben verhält sich aber zu dem Totaldmcke von nntea wie die
Daelen'B Dampfhammer. 441
freien Cylinderquerachnitte oben nnd nuten. Ea erfolgt mitluD in Folge
dieses grossem Dmcks von oben inVereinigDDgmitdemHammergewichte
Hobbegrenzangnnd beschleanigter Niedergang. Während des Niedergangs
Fig. 348. Pig, 347. Pig. 348.
äesert sich in Folge
tens der Kolben-
freie C^plinderrola-
r Dampf expaud irt.
.e eigenthüm liehe
lieilnng der Dae-
Hämmer eignet
^weiseHahn- oder
luerung.
:nren 345 bis 348
/jo der wirklichen
:.347u.348in'/)!.)
len'pchen Dampf-
n 1350 Kilogramm
»50 Mm. Unb mit
hem entlasteten
dandateuerung bei
iger Hubbegren- .
Ganal b des Hahn-
Figuren 346, 347
verbindet die hei-
Q desselben und
. mit dem innem
des Hahns in Ver-
Ho dass letzterer
espaantem Dampfe
lieser innere Ranm
DU i.utuii •»aen hohlen qiier-
dnrchlaofenden Steg, welcher
die beiden änsBeren Räume ee des Gehäuses in Verbindung setrt, so
daas zwischen denselben stets Ansgleicbnog des Dampfes stattfindet and
ein einseitiger Druck vermieden wird.
442 Hammer und Ambos.
In der Stellung des Hahns, Fig. 346, gelangt der durch das Zulei-
tungsrohr a kommende Dampf, nachdem er durch den Canai h in das
Innere d des Hahns getreten ist, unter den Kolben, der über dem Kolben
befindliche Dampf kann entweichen, der Kolben steigt. Beim Aufsteigen
trifft die am Bär befestigte Rolle / den Arm des Hebels g, drückt diesen
empor und bewirkt durch Yermittelung der Stange i, des Hebels h und
der Zagstange k Drehung des Hahns. Zuerst gelangt derselbe in die
Stellung Fig. 347; Ein- und Ausgang sind abgesperrt, der Hammer
steigt noch vermöge seiner lebendigen Kraft und der Expansion des Unter-
dampfes und comprimirt dabei den oberhalb des Kolbens eingeschlosse-
nen Dampf. Beim weitern Aufsteigen gelangt der Hahn in die Stellang
Fig. 348; beide Hälften des Dampfcylinders sind nun verbunden, wäh-
rend Ein- und Ausgang noch abgesperrt ist ; der ' Unterdampf strömt
nach oben und bewirkt dort in der oben geschilderten Weise Hubbegren-
zung und beschleunigten Niedergang. Indem der Maschinen wäHer den
Handhebel h nach unten drückt, erfolgt erneueter Hub, und durch vor-
zeitiges Umsteuern von Hand wird die Stärke der Schläge geschwächt.
Die Stange i besteht aus zwei Theilen, welche durch eine Doppel-
mutter mit Rechts- und Linksgewinde verbunden sind, so dass durcb
Drehung der letztern eine Verkürzung und Verlängerung der Stange
und dadurch Regulirung der Hubhöhe bewirkt werden kann.
Ans Fig. 346 ist zugleich die Verbindung der Kolbenstange mit
dem Bär und der Ständer mit der Fundamentplatte ersichtlich.
Die Hämmer nach Daelen's System haben den Vortheil, dass auch
bei Handsteuerung der ganze aufgewendete Dampf mit Expansion wirkt,
wodurch der Dampf verbrauch sich verringert, und dass die einzelnen
Gonstructionstheile , insbesondere auch die Kolbenstange, recht stabil
sind; ein Nachtheil liegt nach Hauer in der Schwierigkeit, die Stopf-
büchse der dicken Kolbenstange dicht zu erhalten, was übrigens bei anderen
Hämmern mit dicker Kolbenstange in gleichem Maasse der Fall sein wird
Naylor^s Dampfhammer, vom Ingenieur Naylor in Norwich
im Jahre 1857 construirt. Der Hub erfolgt wie beim Nasmyth-Ham-
mer durch frisch zuströmenden Unterdampf; nach beendigtem Hube ent-
weicht derselbe und der Niedergang wird beschleunigt, die Schlagwirkung
verstärkt, indem frischer Oberdampf eintritt und während der ganzen
Periode des Niederfallen s thätig bleibt.
Dieses Pnncip, die Wirkung frisch zugeleiteten Oberdampfs mit der
Wirkung des frei fallenden Ilammergewichts zu vereinigen, findet sich
seit der Erfindung des Naylor -Hammers bei zahlreichen Ilaramercon-
structionen vertreten; da indessen Naylor zuerst mit der Anwendung
desselben hervortrat, so erscheint es berechtigt, wenn man alle jene
Hammerconstructionen , deren Wirkung in gleicher Weise hervorgerufen
wird, diesem Systeme einreiht, wenn auch in den Einzelheiten der Aus-
führung, insbesondere auch in der Art und Weise der Steuerung keine
Uebcreinstimmung mit dem ursprünglichen Naylo r- Hammer stattfindet.
Naylor^s Dampfhammer. 443
Der von Naylor erbaute Hammer besass eine eigenthümliche Selbst-
stenemng und eine massig dicke Kolbenstange ^). Wie schon oben er-
wähnt wurde, ist man in der Neuzeit von der Anwendung der Selbst-
steuerung bei grossen Hämmern mehr und mehr abgegangen und hat
dieselbe auf selbstthätige Hubbegrenzung beschränkt, während bei klei-
neren Hämmern mit Oberdampf die mannigfachsten anderen Selbststeue-
rungen ins Leben getreten sind, so dass die Naylor 'sehe Steuerung
in ihrer ursprünglichen Form nicht gerade häufig mehr in Anwen-
dung ist.
*In Folge der Anwendung frischen Oberdampfs fällt bei diesen Häm-
mern für eine gegebene Schlagwirkung die Hubhöhe geringer und die
Anzahl der Schläge in gleichen Zeiträumen grösser aus, als bei den
einfach wirkenden Uämmern. Hierin liegt wohl der Hauptyortheil dieses
Systems, welcher demselben eine grosse Verbreitung yerschaffb hat; denn
die grössere Hubzahl befördert nicht allein direct die Arbeit der Form-
veränderuDg, sondern begünstigt auch, sofern das Metall im erhitzten
Zustande verarbeitet werden muss, in Folge jenes raschern Vorschreitens
der Arbeit die Ausnutzung des zur Erhitzung verbrauchten Brennstoffs
und verringert mit der Anzahl der erforderlichen Erhitzungen den dabei
unvermeidlichen Abbrand. Hieraus folgt, dass die doppelt wirkenden
Naylor'schen und ähnlichen Hämmer für die Formveränderung der Me-
talle im Allgemeinen geeigneter sind, als die einfach wirkenden Nasmyth -
Hämmer; es wurde aber schon früher erwähnt, dass, sofern es sich um
Verdichtung schwerer Metallkörper handelt, die durch Oberdampf und
leichteres Fallgewicht erzielte Wirkung nicht im Stande sei, ein schweres
Fallgewicht zu ersetzen, und für letztere Fälle bleiben deshalb die
Nasmyth-Hämmer oder doch solche doppeltwirkenden Hämmer unent-
behrlich, bei denen der Oberdampf höchstens zur Verstärkung der durch
ein grosses Fallgewicht hervorgebrachten Leistung benutzt wird.
Der Totaleffect der Hämmer mit frischem Ober- und Unterdampf
wird sich um so mehr auf die Wirkung des Oberdampfs concentriren , je
dicker die Kolbenstange, je grösser also das Verhältniss der obern freien
Kolbenfläche zur untern ist. Für eine gegebene theoretische Leistung
wird also mit Zunahme des Kolbenstangendurchmessers Gewicht und
Hubhöhe immer mehr sich verringern, die Hubzahl sich vermehren
können, und es werden dann jene Hammer in solcher Weise zu eigent-
lichen Schnellhämmern, von denen unten noch eingehender die Rede
sein wird.
Man findet für die innere Steuerung der modernen Hämmer nach
diesem Systeme sämmtliche Steuerungsarten vertreten ;* für Hämmer mit
^) Eine Abbiklung des Hammers findet sich in den Proceediugs of the Bir-
mingham Institution of Meclianical EDgineers Jahrgang 1R57, 8. 233; eine
recht gute Skizze in den Mittheilangen des Hannoverschen Gewerbevereins
Jahrgang 1863, 8. 238. Hämmer nach Naylor^s Patent liefert jetzt noch
die Firma Kirkstall Forge Co. in Leeds (Yorkshire).
444 Hammer und Ambos.
schwerem Fallgewichte vorwiegend Ventile; fär kleinere Schieber und
Hähne. Bei schweren Hämmern ist mehrfach die Einrichtung vorhan-
den, dass man nach Belieben mit und ohne Oberdampf arbeiten kann,
indem man für den letztern Fall den Fintrittscanal filr den Oberdampf
abgesperrt, den Austrittscanal geö&et erhält. Sie wirken dann gerade
so wie Nasmyth -Hämmer.
Einen Hammer der letztern Art von 5000 Kilogramm Fallgewicht,
1800 Mm. Habhöhe mit abstellbarem Oberdampfe und Ventilsteuerung
von Hand, aber selbstthätiger Begrenzung des grössten zulässigen Hubes,
aus der Fabrik von G. Brinkmann u. Co. in Witten a. d. Ruhr, zeigen
die Figuren 349 und 350.
Die Ständer dieses Hammers sind aus Gusseisen, ruhen auf guss-
eisernen Fussplatten und sind zwischen den Knaggen derselben — wie
aus Fig. 349 zu ersehen — festgekeilt. Jeder Ständer ist durch vier
starke Fundameutanker gg^ welche durch die Fussplatten hindurchgehen,
und jede Fussplatte ausserdem noch durch zwei dergleichen Anker ^i^
befestigt; die Fussplatten sind ausserdem unter einander durch horizontale,
unterhalb der Flurlinie liegende, schwere schmiedeeiserne Anker derartig
mit einander verbunden, dass sie sich weder einander nähern, noch von
einander entfernen können. Endlich wird eine wichtige Verankerung
der Ständer durch zwei schmiedeeiserne Schienen a gebildet, welche, ab-
sichtlich so lang als möglich gemacht, an beiden Seiten des Gerastes von
einem Ständer zum andern hinübergehen und mittelst schmiedeeiserner
gedrehter Scheiben, die halb in die Ständer, halb in die Schienen ein-
gefräst sind, die seitlichen Prellschläge des Bars auf beide Ständermassen
übertragen. Als Führungen für den Bär dienen zwei gusseiserne Schie-
nen mit T-förmigem Querschnitte, welche auf die gehobelten Flächen der
Ständer aufgepasst und an jeder Seite mittelst vier auf seitlich angegos-
sene Knaggen der Ständer und Führungen warm aufgezogener schmiede-
eiserner Ringe {cc in Fig. 349) befestigt sind. Etwas oberhalb der
Führungen gewahrt man über jeder derselben ein am Ständer be-
festigtes Ilolzstück b, welches den Zweck hat, bei einem durch un-
aufmerksame Steuerung veranlassten zu hohen Aufsteigen den Bär abzu-
fangen.
Oben sind die Ständer durch das gusseiserne Kronstück (Holm) ver-
bunden, welche^ die Canäle für Ein- und Ausströmung enthält, sämmt-
liche Steuerungsmechanismen trägt und durch starke Schrauben wie
durch zwei Stück an jeder Seite warm aufgezogener Ringe äd (Fig. 349)
auf den Ständern befestigt ist.
e ist das Gehäuse des Zulassventils für den frischen Dampf, welches,
wie aus beiden Abbildungen erkennbar ist, von dem Stande des Maschi-
nenwärters aus mit Hülfe eines Handrädchens geöffnet und geschlossen
^wird, und dessen Einströmung in die beiden Dampfeinlassventile für
Unter- und Oberdampf führt.
Brinkmann's Dampfhammer. 445
Von den vier in Fig. 349 ersichtlichen Steuernngsventilen ist
das mit Ä 0 bezeichnete Anslassyentil für den Oberdampf,
jy ^ EO „ Einlassventil n n n
„ n EU „ „ „„ Unterdampf,
ff „ ÄU „ Aaslassventil „ „ „
Es wird femer ohne Weiteres verständlich sein, wie die Ventile
durch die in Fig. 349 erkennbare horizontale Zugstange und durch
Hebel mit einander verbunden sind, so dass das Einlassventil für den
Unterdampf E U und das Auslassventil für den Oberdampf Ä 0 gleich-
zeitig geöfihet werden, und sobald diese Oefinung durch Empordrücken
des am Rande des Hammerführers angebrachten Steuerungshebels / be-
wirkt wird, steigt der Hammer.
Nun ist dem Hebelarme, welcher dasVentil E 0 ö&et, in der Yentil-
stange ein solcher Spielraum gegeben, dass dieses Ventil, dessen Oeffnung
durch dieselbe Bewegung der Zugstange erfolgt, welche A ü öffnet, noch
in Ruhe verharrt, während A ü schon gehoben wird und der Unterdampf
entweicht. Wird also die Bewegung der Steuerung in diesem Stande
unterbrochen, so bleibt das Oberdampfventil geschlossen, und der Ham-
mer fäUt nur durch sein eigenes Gewicht. Wie leicht erkenntlich ist,
geschieht das Oeffnen des Unterdampfauslassventils beziehentlich Ober-
dampfeinlassventils durch Niederdrücken des schon erwähnten Handhebels
/; beim Niederdrücken bis zu einem gewissen Stande wird nur das erstere
geöffnet , beim tiefern Stande des Hebels erhält auch der Oberdampf Zu-
tritt. Zur Regelung dieser verschiedenen Steuerung befindet sich unter-
halb des Handhebels, an dem Ständer befestigt, eine excentrische Scheibe
c, durch eine Klinke Je drehbar, auf deren Rand der Steuerungshebel beim
Niederdrücken aufschlägt. Steht die Scheibe so, dass der grösste Ab-
stand ihres Randes vom Drehungspunkte nach oben gerichtet ist, so
schlägt der Steuerungshebel auf^ bevor das Oberdampfventil geöffnet ist
und der Hammer arbeitet nur mit Unterdampf; dreht man die Scheibe
so, dass ihr Rand tiefer liegt und drückt den Hebel nieder, so wird auch
das Oberdampfventil geöffnet.
Bei regelrechter Steuerung soll der Hammerführer die Steuerung
für Auf- und Niedergang von Hand bewirken; um jedoch Unglücksfalle
durch versäumte Umsteuerung beim Aufsteigen zu vermeiden, trägt der
Bär ein Röllchen r, welches gegen eine Verlängerung des Steuerungs-
hebels/trifft und dadurch im höchsten Stande selbstthätige Umsteuerung
bewirkt.
Die auf den Abbildungen ersichtlichen Röhren min, welche, aus dem
Kronstücke kommend, auf der rechten Seite des Hammers sich in einem
g^sseren Rohre n vereinigen, dienen zum Ablassen des condensirten
Wassers.
Von anderen Dampfhämmern, welche mit frischem Unter- und Ober-
dampfe arbeiten, hinsichtlich der Steuerung und sonstigen Einzelheiten
aber charakteristische Unterschiede zeigen, nennen 'wir unter anderen
446 Hammer und Ambos.
Schwartzkopff's Hammer (abgebildet und beschrieben in Wiebe's
Skizzenbucb, Jahrgang 1870, Heft 4, Blatt 1; auch sehr gut abgebildet
in den Zeichnungen der Hütte, Jahrgang 1869, Blatt 26); die Hämmer
von Massey, Varrall, £llwe'll u. Paulot, Seilers, Banning, deren
wir zum Theil noch unter der üeberschrift „Schnellhämmer" erwähnen
werden ^).
Farcot's Hammer. In den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts
durch den Ingenieur Farcot in Paris erfunden. Die Stander sind hohl
und dienen als Dampf behälter für den Unterdampf, welcher von bier
freien Zutritt unter den Kolben bat. Der Znfluss des Dampfes in die
Stander erfolgt durch einen selbstthätig wirkenden Röhrenschieber, wel-
cher nur so viel Dampf zuströmen lässt, als zur Aufrechterhaltung einer
Dampfspannung erforderlich ist, wie sie eben zum Heben des Kolbens
ausreicht (1 Atmosphäre Ueberdruck); welcher sich selbstthätig schliesst,
sobald diese Dampfspannung unter dieses Maass sinkt. Da jener Raum
innerhalb der Ständer in ununterbrochener Verbindung mit dem Räume
unterhalb des Kolbens steht, so verharrt letzterer so lange in seinem
höchsten Stande, bis ein stärkerer Gegendruck geübt wird- Dieses ge-
schieht, und das Niederwerfen des Hammers erfolgt, indem der Abzugs-
canal für den verbrauchten Dampf im obern Räume geschlossen und
stark gepresster Oberdampf zugeleitet wird; der Schlag ist eine Folge der
verschiedenen Pressung unterhalb und oberhalb des Kolbens. Die Kol-
benstange ist dünn und verringert den totalen Querschnitt nur unbedeu-
tend; da aber der Druck per Flächeneinheit zum Heben des Dampf kol-
bens gering ist, fällt die Kolbenfläche selbst verhältnissmässig gross aus,
und die Schläge erhalten durch den Oberdampf eine bedeutende Stärke.
Die Steuerung erfolgt von Hand und ist meistens Schiebersteuerung ^).
Der zum Anheben des Kolbens benutzte Dampf der Farcot- Häm-
mer wird beim Niedergange in die Ständer zurückgedrückt und bleibt
somit für die weitere Benutzung unverloren ; . dagegen wird bei der
grossen Oberfläche der dampferfüllten Ständer, obschon dieselben mit
schlechten Wärmeleitern eingehüllt sind, jedenfalls viel Dampf condensirt,
und die Wärme der Ständer dürfte für den Maschinenwärter nicht selten
Belästigungen herbeiführen.
In Deutschland sind die Farcot- Hämmer selten zur Anwendung
gekommen, häufiger in Frankreich, obschoü auch dort in neuerer Zeit die
Anzahl derselben eher im Abnehmen als im Zunehmen begriflen sein dürfte.
Türck's Dampfhammer, vom Ingenieur Türck inChartres 1855
construirt. Die Kolbenstange ist dick und bewirkt dadurch einen erheb-
^) Vergi. A. V. Hesse: Die Werkzeugmaschinen nach den Ergebnissen der
Wiener Weltausstellung, Leipzig 1874. — Die Steaemngsmechanismen der mei-
sten oben genannten Hammerconstructionen sind eingehend beschrieben in
V. Hauer, Hütten wesensmaschinen, 2. Aufl. (vergl. Literatur über Hämmer).
2) Abbildung eines Farcot -Hammer sielie Dingler's polyt. Journal, Band
152, 8. 403; ferner Mallet, Becord of the Great Exhibition 1862, S. 313.
Schnellhämmer. 447
liehen Unterschied in dem freien Gylinderqaerschuitte anter und über
dem Kolben. Der Hub erfolgt, indem frischer Dampf vom Kessel her
anter den Kolben tritt and der Dampf oberhalb des Kolbens entweicht;
der Niedergang, indem nach Abschlass des Abzagscanals oberhalb des
Kolbens frischer Oberdampf zugeleitet wird , ohne dass der Unterdampf
ins Freie entlassen wird. Mit dem Far cot- Hammer stimmt derT&rck'-
sche Hammer darin überein, dass der zum Abheben benutzte Dampf
nicht yerloren geht, sondern bei ersterem in die Ständer, bei letzterem
nach dem Kessel zurückgedrückt wird, and der Kolben sofort wieder
steigt, wenn der Oberdampf entweichen kann; der wesentliche Unter-
schied beider Systeme liegt darin, dass das Niederwerfen bei dem Far-
cot -Hammer durch die verschiedene Dampfspannung, bei dem Türck-
Hammer durch die verschiedene Grösse der freien Kolbenfläche oben
und unten bewirkt wird.
Die Steuerung ist selbstthätig mit entlastetem Schieber und bewirkt
Expansion des Oberdampfs ^).
Die Türck' sehen Hämmer sind, obschon sie die Nachtheile der
Far cot' sehen theilweise vermeiden, in ihrer ursprünglichen Form selten
in Anwendung; doch finden sich hier und da Ck>mbinationen der Eigen-
thümlichkeiten des Systems mit anderen Systemen.
Schnellhämmer. Die allgemeinen Grundzüge der Schnellham-
mersysteme wurden bereits oben gegeben. Ihrer Aufgabe gemäss, eine
grosse Anzahl Schläge in gegebener Zeit auszuführen, werden sie nie-
mals in grossen Abmessungen ausgeführt und bilden daher diesen Eigen-
thümlichkeiten zufolge in Schmiede Werkstätten zur Formgebung für
mittelgrosse Gegenstände einen höchst wirksamen und nützlichen Ersatz
des Handhammers.
Sofern es sich nur um die Art der Dampfwirkung und Vertheilung
handelt, bilden die Schnellhämmer kein selbstständiges Hammersystem,
sondern lassen sich den früher beschriebenen Systemen einreihen; die
meisten erhalten frischen Unter- und Oberdampf und würden demnach
denjenigen Hämmern beizugesellen sein, welche wir unter der Ueber-
Schrift: Naylor^s Hammer besprochen haben, auch Daelen's System
ist mehrfach vertreten und Combinationen des Systems Daelen-Morri-
son und Daelen-Türck^). Sie bilden kleinere Formen jener Hämmer
mit besonderen Steuerungsvorrichtungen.
Die Steuerung ist fast immer selbstthätig, was schon wegen der
grossen Hubzahl unerlässlich ist; die Umsteuerung geht nicht momentan,
sondern während eines gewissen Theils des Kolbenlaufs von Statten.
^) AbbilduDg des Türck 'sehen Hammers, Annales des mines^ 5. Serie,
8. Band, Seite 533, Tafel IX.
^) Letztere Combination bei Schwartzkopf.f*8 Schnellbammer; siebe
Wiebe's Skizzenbuch, Jahrgang 1870, Heft 4, Blatt 2.
448 Hammer und Ambos.
Zur inneren Steuerung dienen vorwiegend Schieber. Die Scblagstarke läast
sich durch Begolimng des Dampfzuflusses und Verstellung des selbstthäti-
gen Steuerungsmechanismus innerhalb gewisser Grenzen beliebig ändern.
Das Hammergerüst ist bei der geringen Grosse einstandrig (yorhängendes
Gerüst); die Chabotte meistens mit dem Gerüste fest yerbunden und
gemeinschaftlich mit demselben fundamentirt.
Der Hauptimterschied der yerschiedenen Schnellhammersysteme
liegt also in der Anordnung und Wirkung der Steuerung, und da die
grosse Anzahl Schläge leicht aufBeschadigangen dieser Steuerung hinwir-
ken kann, und andererseits die Wirkung des Hammers eben zum grossen
Theile yon der richtigen Thätigkeit dieser Steuerung abhängig ist, so
läset sich leicht folgern, welche grosse Wichtigkeit gerade eine zweck-
mässige Steuerungsconstruction für die Zweckmässigkeit eines Schnell-
hammers besitzt.
Unter den zahlreichen hierher gehörigen Constructionen können
nur wenige als Beispiele heryorgehoben werden.
Schnellhammer yon Keller und Banning^). Fig. 351 zeigt
eine perspectiyische Ansicht des Hammers. Der Ständer ist hohl und
auf dem Untersatze aufgeschraubt, die innere Steuerung besteht aus
einem Mnschelschieber, welcher in seinem höchsten Stande den Einstro-
mungscanal für den Unterdampf geöffnet halt, den Raum über dem Kol-
ben aber mit dem Ausblaserohre yerbindet. Der Schieberkasten ist dem
Beschauer zugewandt. Die Zuleitung des Dampfes in den Kasten erfolgt
yon oben durch den aufwärts gerichteten Rohrstutzen und wird yer-
mittelst eines durch Drehung der dem Beschauer zugewendeten Hand-
kurbel bewegten Schiebers regulirt, beziehentlich ganz abgesperrt. Das
Ausblaserohr befindet sich an der entgegengesetzten Seite, durch einen
ringförmigen Canal mit dem Schieberkasten yerbunden, und ist deshalb
in der Abbildung nicht zu sehen. Die nach abwärts gerichtete Schiebor-
stange endigt in einem klauenartigen, nach rechts offenen Schlitze,
dessen innere Flächen mit Stahlplatten armirt sind, und in welchen ein
an der dahinter liegenden horizontalen Welle befindlicher Daumen (Hebel-
arm) eingreift (letzterer ist in der Abbildung nicht deutlich ersichtlich).
An dem rechten Ende dieser Welle befindet sich ein zweiter längerer
Hebelarm, welcher mithin mit jenem kurzen zusammen einen Winkel-
hebel bildet. Das Ende des langem Armes steckt yerschiebbar in einer
Hülse, welche um einen an dem Hammerbär befestigten eisernen Bolzen
drehbar ist. Es ist einleuchtend, dass, sobald der Bär steigt, die Hülse
sich drehen, der Arm in derselben sich yerschieben, dabei ebenfalls eine
entsprechende Drehung erlangen und diese durch die Welle auf den
kurzen Hebelarm übertragen wird. Wie erwähnt befindet sich der
Steuerungsschieber bis dahin in seiner höchsten Stellung. Da der
^) Alis der Maschinenfabrik von J. Banning, früher Keller nnd Ban-
ning zu Hamm in Westphalen.
Keller's und Banning's Dampfhammer. 449
Schlitz am untern Ende der Schiebe rstange breiter ist, als der in densel-
ben eingreifende Daumen, bo hat dieser im Beginne des Hnbes Spielraum
für die Drehung und der Schieber bleibt während dieses sogenannten
„todten Gangs" oder „Leergangs" unbewegt. Sobald aber bei vorgeschritte'
nem Hube der Hebel die untere Fläche des Schlitzes erreicht, wird die
Fig. 3r.l.
Scbieberstange abwärts bewegt und zuerst yermittelst des uutem Schie-
berlappens die Einströmung abgesperrt; die Expansion beginnt. Dann
wird auch der Ansstrdmungscanal durch den oberen Schieberlappeu ge-
schlossen, und der über dem Kolben befindliche Dampf eingeschlossen
und zusammengedrückt; endlich tritt bei weiterm Aufsteigen des Kol-
450 Hammer und Ambos.
benB nnd bei weiierm Hinabrücken des Scbiebers der antere Dampf-
canal mit dem inneren Räume des Schiebers und dem Ausblaserohre, der
obere Dampfcanal dagegen mit dem dampferfüllten Räume des Schieber*
kastens in Verbindung; es tritt Oberdampf ein und wirft den Kolben
abwärts. Es folgt nun das umgekehrte Spiel der Steuerung als beim
Aufsteigen; zuerst Leergang, dann Expansion u. s. w., schliesslich wie-
der Umsteuerung.
Da beim Aufsteigen des Bars sich die Länge des in der Hülse ver-
schiebbaren Hebelarms mehr und mehr verkürzt, so bewirken in dem
oberen Theile des Hubes gleiche Kolbenwege grössere Schieberwege als
in dem untern. Daher wird beim Steigen des Hammers der Eintritt des
Gegendampfs rascher, beim Fallen langsamer geöffnet, und die Wirkung
des Schlages durch letztem Vorgang weniger benachtheiligt.
Ausser durch Regulirnng des Dampf Zuflusses vermittelst der er-
wähnten Handkurbel lässt sich der Hub und die Schlagstärke auch in
folgender Weise verändern. Die horizontale Drehungsachse der beiden
Hebelarme ist excentrisch mit einer andern Welle verbunden, welche in
einer an den Ständer angegossenen Hülse gelagert und durch einen an
einem Gradbogen stellbaren Handhebel drehbar ist (vergl. Abbildung).
Diese Einrichtung ermöglicht eine höhere und tiefere Stellung der Dre-
hungsachse. Stellt man sie tiefer, so wird auch der Steuerungsschieber
eine tiefere Stellung erhalten, die Umsteuerung findet beim Aufsteigen
des Hammers früher statt, der Hub wird verkürzt, beim Fallen tritt
früher Gegendampf ein und die Schlagstärke wird geschwächt.
Kolben und Kolbenstange sind bei den Banning'schen Schnellhäm-
mem aus einem Gussstahlstücke geschmiedet; das Bärgewicht beträgt
75 bis 750 Kilogramm bei einer Hubhöhe von 200 bis 870 Mm. und einer
grössten Hubzahl von 500 Hüben per Minute bei den kleinsten, 150 Hü-
ben bei den grössten Hämmern.
Sellers'scher Dampfhammer. Bei demselben ist die Steuerung an
einer oberhalb des Dampf kolbens befindlichen Verlängerung der Kolben-
stange angebracht, welche in Stopfbüchsen geführt ist und eine Führung
des Bars entbehrlich macht. Diese dem Morrison-Hammer entlehnte
Einrichtung vermeidet die Beengung des Raums durch die Führungen
um den Ambos herum und verringert die Gefahr für Beschädigung des
Steuerungsmechanismus. Der Querschnitt der obern Kolbenstange ist
schwächer als der der untern, dem Oberdampfe also eine grössere Fläche
gegeben als dem Unterdampfe, wie es der Wirkung der Schnellhämmer
entspricht.
Die Bewegung der Steuerung erfolgt durch eine Gleitbacke, welche
in einer schräg ansteigenden Nuth der Kolbenstange gleitet und bei dem
Aufsteigen der letztern in horizontaler Richtung verschoben wird. Zum
Schutze gegen Staub und sonstige äussere Einflüsse ist die obere Kolben-
stange sammt der erwähnten Gleitbacke durch einen gusseisemen Hut
abgedeckt.
Seilers'« Dampfhammer. iTA
In Fig. 352 bis 35& ist ein derartiger Dam pfh (immer abgebildet,
TOB der Chemnitzer Werkzengmaschinenfabrik in Chemnitz gebaut, in
dem Hanptprincipe mit dem nrBprOnglichen SellerB'achen Dampfhammer
452 Hammer und Ambos.
übereiDBtiramend^), in deo Einzelheiten aber mehrfach abgeändert nnd
verbessert. Fig. 352 ist äoBsere Ansicht and Schnitt dtirch den Hut
Pig. 3S3. s'"' BloBslegnng der
Stenernng; Fig. 353 ist
ein Bcnkrechter Schnitt
dürchCylindernndSehie-
berkastenmitte \ Figar
354eiaHoHzontal3chnitt
dnrch die obere Kolben-
stange nach der Linie I,
II inFig 352; Fig. 355
endlich ein Horizontat-
Bchnitt durch Cylinder
nnd Schieberkastfin nach
der Linie III, IV.
Ans Fig. 352 nnd
354 ergiebt Bich die
Einrichtung des für die
Steuerung dienenden
metallenen Gleitstücks
Ä. Dasselbe greift an
zwei gegenüberliegen-
den Seiten in die schrä-
gen Nathen der Kolben-
stange (wodurch die
letztere zugleich vor
Drehung geschützt
wird) und an der
Aassenseite mit an*
gegossenen Zapfen in
entsprechende Führan-
gen des Gehäuses , so
dasB beim Ansteigen
nnd Fallen des Kolbens
nur eine seitliche Vor-
Bchiebung des Gleit-
• Stücks eintreten kann.
Es ist ans Fig. 352 er-
sichtlich, dass beim
des Hammers
') Abbildung Bftd Be-
■cbreibnng den uraprüng-
liehen Hammers. Foljl.
Cantralbtatc lü7*, 6. *-2e.
Sellerä' Dampfhammer. 453
das Gleitstück nach links, beim Fallen nach rechts gleiten rnnss. Diese
Bewegung wird durch die kleine in einer Stopfbüchse geführte Schub-
stange /, den Winkelhebel g, Schubstange h und Hebel i auf die
Stange k des entlasteten SteuerungsschieberB (vergl. Fig. 353) übertra-
gen, derartig, dass der Schieber die entgegengesetzte Bewegangerichtnng
aU der Kolben annimmt. Der Gang des Hammers findet nun folgender-
maassen statt. Das Dampfeinlassventil Z wird geöffnet, der Dampf tritt
in den Schieherkasten. In der gezeichneten Stellung des Schiebers
(Fig. 353) ist der EiolasBcanal für den Unterdampf noch geschlosseD,
der Hammer verharrt noch in Ruhe. Dreht man nun aber den Winkel-
hebel ffi vermittelst des an seinem Ende befindlichen Handgriffs nach
der PfeilricbtuDg in die durch eine pnnktirte Linie angedeutete Stellnngj
so wird die Zugstange { und somit aacb der an dem Ende derselben be-
findliche ÄngriSsponkt deg Hebeb i abwärts bewegt, die Schieberstsnge
gebt aufwärts, der Eintritt für den Unterdampf wird geöffnet, der obere
Canal communicirt mit dem Aasblaserohre , der Hanimer steigt. Es ist
hierbei zu beachten, dass der Hebel t, je nachdem die Hebel m oder g
Fig. 354. Fig. 355.
bewegt werden, ab doppelarmiger oder als einarmiger Hebel thätig wird;
in dem ersten Falle fallt der Drehongspunkt mit dem Angriffspunkte
der Stange h, in dem andern mit dem Angriffspunkte der Stange l zu-
sammen, m und somit auch die Stange l wird, nm jede selbstthätige
Verschiebung während des Ganges zu vermeiden , durch die Sperrfeder
X in dun Gradbogen y eingeklinkt.
Während nun der Hammer steigt, geht der Schieber abwärts. Zu-
nächst wird der untere Canal geschlossen, der Dampf ezpandirt. Dann
wird auch der obere Canal geschlossen, der eingeschlossene Dampf ober-
halb des Kolbens wird zusammengedrückt; nun tritt der untere Canal
mit dem Aasblaserohre, Bchliesslich der obere mit dein dampferfflllten
äussern Räume im Schieberkasten iu Verbindung, es tritt Oberdampf
ein, während der Unterdampf entweicht und der Hammer fällt. Es be-
ginnt dann die Umsteuerung in gleicher Reihenfolge. Der Oberdampf
wird abgesperrt und expandirt; dann wird der untere Canal abgesperrt,
schliessfioh der Eintritt für den Unterdampf geöfiiiet. Durch Bewegung
des Hebels m liegt es in der Hand des Maschinenwärters, die Schläge
454 Hammer und Ambos.
zn reguliren. Je weniger weit nach rechts der Handgriff desselben ver-
schoben wird, desto weniger hoch rückt der Schieber hinauf , desto frü-
her erfolgt Umsteuerung, desto weniger hoch ist der Hub; dreht man
den Hebel nach links, während der Hammer in der Höhe ist, so bleibt
der Oberdampfcanal geöi&iet, und es erfolgen starke Schläge; dreht man
ihn nach rechts, so wird der Oberdampf vorzeitig abgesperrt, der £in-
lasscanal für Unterdampf geö&et, es erfolgen schwache Schläge oder der
Schlag wird ganz unterbrochen.
Der Hebel C dient zur Regulirung des Ausflusses für den Unter-
dampf. Je nachdem die Ausflussoffnung durch Drehung des Hebels ver-
engt oder erweitert wird, fallt der Schlag schwächer oder stärker aus.
Die pnnktirten Linien in Fig. 352 geben die äussersten Grenzen für
die Bewegungen der Steuerungstheile an. Als besonderer Vorzug dieser
Hammerconstruction verdient der Umstand Erwähnung, dass diese Be-
wegungen, wie aus der Abbildung hervorgeht, und somit auch die aus
den Bewegungen entspringende Abnutzung der Steuerungstheile auch
bei vollem Hube des Hammers nur äusserst geringe sind.
Kolben und Kolbenstange sind in einem Stücke aus Gussstahl ge-
fertigt. Der Bär aus Schmiedeeisen ist durch eine gespaltene conische
Stahlbüchse (r in Fig. 352) mit der Kolbenstange verbunden; man um-
geht hierdurch die unangenehme Nothwendigkeit , den Cylinderboden
und die Stopfbüchse aus zwei Theilen fertigen zu müssen, was wegen
des Einbringens des Kolbens unerlässlich ist, wenn derselbe mit Stange
und Bär in einem Stücke gefertigt ist ').
Literatur über sämmtliche Gattungen von Hämmern.
J. V. Hauer: Die Hüttenwesensmaschinen, 2. Aufl., Leipzig 1876, ent-
hält von S. 290 bis 468 Beschreibung und Constructionsregeln für
die üblichsten Hammersysteme in klarer, fasslicher Darstellungsweise.
Ueber Stielhämmer:
Tunner: Die Stabeisen- und Stahlbereitung in Frischherden.
Karsten: Eisenhüttenkunde, 4. Thl., S. 9, 327.
Ueber Schwanzhämmer und Zuschlaghämmer:
Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd. 10, S. 251; Dingler^s
polytechnisches Journal, Bd. 206, S. 251, Bd. 210, S. 6, Bd, 220,
S. 404; Polytechnisches Centralblatt, Jahrgang 1872, S. 1334.
Ueber Transmissions- und Dampfhämmer:
Fallhämmer: Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Jahrgang
1870, S. 751; Dingler's polytechnisches Journal, Bd. 144, S. 7,
Bd. 147, S. 255, Bd. 160, S. 5.
1) Beschreibung und Abbildung dieser Befestigung siehe Dingler's polytech-
nisches Journal, Bd. 215, B. 101.
Setzhämmen 455
Feder hämmer: Dingler's polytechnisches Journal, Bd. 213, S. 194,
Bd. 214, S. 429; Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd. 13,
S. 242; Polytechnisches Gentralblatt, Jahrgang 1873, S. 1445, Jahr-
gang 1875, S. 93.
Friotionshämmer: Dingler^s polytechnisches Journal, Bd. 123, S. 329;
Polytechnisches Gentralblatt, Jahrgang 1874, S. 1007.
Pneumatische Hämmer: Dingler^s polytechnisches Journal, Bd. 215,
S. 397, Bd. 176, S. 176; Preussische Zeitschrift für Berg-, Hütten-
und Salinenwesen, Bd. 15, S. 220.
Dampfhämmer: Dingler's polytechnisches Journal, Bd. 189, S. 93;
Bd. 213, S. 286 (Massey's Dampfhammer); Mittheilungen des 6e-
werbeyereins für Hannover, Jahrgang 1863, S. 236 (kurze Beschrei-
bung und Kritik der üblichsten Hammersysteme, von Rühlmann);
Zeichnungen der Hütte, Jahrgang 1873, Taf. 6 (Keller und Ban-
nin g's Hammer); Jordan, Album du cours de Metallurgie, Taf.
78, 79, 82; Wieb e, Skizzenbuch, Jahrgang 1865, Heil 2, Jahrgang
1872, Heft 2; Zeitschrift des bergmännischen Vereins für Kärnthen,
Jahrgang 1874, S. 338, 361.
Formgebende Ergänzungsstücke zu den Hämmern.
Von der Form der Hammer- und Ambosbahn ist die Gestaltung der
Begrenzungsflächen eines geschmiedeten Arbeitsstücks abhängig. Zwar
lässt sich durch geeignetes Drehen und Wenden des Arbeitsstücks zwi-
schen den einzelnen Schlägen die Formgebung in mannigfachster Weise
Tariiren; immerhin wird eine breite, flache Bahn immer nur eine eben
solche Fläche, eine gekrümmte Bahn eine im entgegengesetzten Sinne
gekrümmte Flache des Arbeitsstücks hervorbringen können.
Um trotzdem mit einem und demselben Hammer und Ambos auch
mannigfacher gegliederte Formen hervorbringen zu können, bedient man
sich besonderer Geräthe, welche in jenen besonderen Fällen zwischen
Hammer und Ambos eingeschaltet werden und die Schlagwirkung des
Hammers erst auf das Arbeitsstück übertragen.
Setzhämmer.
Wie der Name andeutet, versteht man unter diesem Ausdrucke ham-
merartige Werkzeuge, welche auf das zu bearbeitende Schmiedestück
gesetzt werden und den Schlag des Hammers auf dieses fortpflanzen.
Sie werden ebensowohl angewendet, wenn es bei genauer Arbeit darauf
ankommt, Schläge auf eine ganz bestimmte Stelle zu führen, als wenn
man durch eine besondere Profilirung des Setzhammers Eindrücke her-
456 Hammer und Ambos.
Turbriogcn will, die »icb durch den Hammer nicht geben lassen. Dem-
uach hat ein Setzhamnter entweder eine Finne oder eine Bahn, und die
entgegen stehe od 1! Fläche wird Ton dem Hammer getroffen. Wie die
Handbämmer werden sie mit Hülfe eines hölzernen Stiels gehalten; nicht
selten benutzt man auch statt des letztem eine um den Setzbammer ge-
schlungene Haseln nssgerte, wodurch das unangenehme Prellen der Ham-
merschläge anf die Hand des den Stiel haltenden Arbeiters vermie-
den wird.
Fig. 356 zeigt einen solchen Setzbammer mit langer, schmaler
Finne, Fig. 357 einen solchen mit halbrunder Bahn, um Hohlkehlen und
dergleichen anzuschmieden.
Als Unterlage beim Scbmiedeu mit dem Setzhammer dient in man-
chen Fällen das Stöckchen, ein paralleleptpedisch geformtes StQck
Fig. a56. Fig. a57.
Ifr
Gusseiaon oder Stahl mit flacher oder profilirter Oberfläche, welches
mit einem vierkantigen Zapfen in dem Ambos befestigt wird. Schmiedet
man z. B. mit dem Setzbammer, Fig. 357, auf einem Stöckcheu, wel-
ches eine eben solche convexe Oberfläche bat, so entstehen zwei Hohl-
kehlen einander gegenüber.
Gesenke.
Dieselben sind wie die metallenen Goesformen des Giessers hohle,
aus Gassstahl , Gnsseisen , seltener Schmiedeeisen hergestellte Formen,
deren Innenfläche genan der Ansseufläche des herzustellenden Schmiede-
stücks entspricht. Wie man beim Giessen offene und gesoblossene Gnss-
formeu unterscheidet, so bat man beim Schmieden einfache Gesenke,
bei walchen die offene Fluche darch die Bahn des Hammers geschloBseo
wird, and doppelte Gesenke, ans Ober- und Untergesenk bestehend.
Das Untergesenk erhält einen vierkantigen Zapfen und wird mit
demselben in ein Loch der Ambosbabn gesteckt; das Obergesenk wird
entweder an einem Stiele befestigt und mit demselben ähnlich wie ein Setz-
hammer gebandhabt; oder bei grossen Schmiedestücken nnd Anwendung
von Mascbiaenhämmern statt derHnmmerbabn in dem Kopfe oder Bär des
Hammers befestigt. Fig. 356 stellt Ober- und Untergesenk zum Schmieden
von cjliudriscben Stäben mit Banden dar und wird einer Erläuterung
nicht bedürfen. Damit das Obergesenk beim Schmieden in genau rich-
tiger Lage auf das Untergesenk eu stehen kommt und eine Verschiebung
Gesenke. Schrotmeissel. 457
beider Theib vennieden wird, versieht asa letzteres bisweilen mit einem
hemmlaufenden Kande, in welchen das Obertheit sieb hineinlegt.
Die in den Sobmiedewerkstätten üblichsten Formen der einfachen
Gesenke vereinigt DWn bisweilen — jetzt seltener als früher — in einem
sogenannten Gesenkstocke, Fig. 359, einem gasseisernen oder gass-
atählerneu Blocke von der Grandform eines halben Würfels, an dem
Umfange mit Einacbnitten der verscbiedensten Querschnittsformen und
auf den breiten Flächen mit durchgehenden quadratischen und kreis-
runden OefTunngen versehen, welche gleichfalls verschiedene Durchmesser
besitzen. Der Block rnbt ia einem gnsseisernea Untersatze und wird,
Fig. 358. Pig. 359,
je nachdem der Gebrauch es erfordert, entweder hochkantig gestellt,
wenn die eine der SeitenflAchen beuntzt werden soll, oder flach, wenn
man die durchgehenden Oeffnungen benutzen will.
Schrotmeissel und Äbschrot.
Der Schrotmeissel hat die Form eines Setzhainniers mit verstAhlter
and meisselartig geschürfter unterer Kante, welche zum Abtrennen
einzelner Theite des Schmiedestücks benutzt wird, indem man den
Scbrotmeissel aufsetzt und mit dem Bammer einen Schlag auf den Kopf
Fig. 360. Fig. 361.
f ^^
458 Hammer und Ambos.
desselben fuhrt. Kleinere Schrotmeissel sind ohne Stiel, wie ein gewöhn-
licher Meissel geformt, und werden mit der Zange festgehalten.
Der Abschrot dient als Unterlage für den Schrotmeissel, hat dem-
nach eine nach oben gekehrte Schneide und wird wie ein Gesenkunter-
theil mit einem vierkantigen Zapfen im Ambos befestigt. Die Abbildung
Fig. 360 (a.y.S.) stellt einen derartigen Schrotmeissel, Fig. 361 (a.Y.S.)
den zugehörigen Abschrot dar.
Durchschlag und Lochring.
Dieselben dienen zum Hervorbringen von durchgehenden Löchern
im Schmiedestücke durch Abscheeren, also durch Herausschlagen eines
so grossen Stückes („Putzen^ genannt) aus dem vollen Metalle , als die
betreffende Oeffnung werden soll. Demnach besteht der Durchschlag
aus einem Stahlstempel, dessen untere geschliffene Fläche gleich dem
Lochquerschnitte ist, und der Lochring aus einem Ringe, in welchen der
Stempel hineinpasst. Der Durchschlag ist entweder wie ein Setzhammer
mit einem Stiele versehen oder wird mit der Zange gehalten. Zur Er-
leichterung des Herausziehens ist derselbe gewöhnlich nach oben conisch
erweitert.
Statt des Lochrings kann auch bisweilen der Gesenkstock benutzt
werden.
Schmiedemaschinen.
Wenn man eine Ad zahl Gesenke oder sonstiger formgebender Werk-
zeuge beim Schmieden, durch deren aufeinander folgende Benutzung ohne
Weiteres eine bestimmte Formgebung erfolgt, mit eben so vielen in
einem gemeinschaftlichen Gerüste gelagerten und durch eine gemein-
schaftliche Elementarkraft betriebenen Hämmern verbindet, so entsteht
eine Sohmiedemaschine. Meistens benutzt man allerdings statt der
eigentlichen Hämmer Stempel, welche von einer gemeinschaftlichen Welle
aus durch Excentriks ihre auf- und niedergehende Bewegung erhalten,
so dass die Wirkung jedes derselben bei langsamem Gange der Maschine
eher ein Pressen als ein Schlag zu nennen sein würde, bei der raschen
Bewegung aber, welche diese Maschinen besitzen (200 bis 400 Hübe per
Minute) der Wirkung des Hammers sehr ähnlich wird.
In den Figuren 362 bis 364 ist eine Schmiedemaschine einfacher
Construction aus der Chemnitzer Werkzeugmaschinenfabrik in Chemnitz
abgebildet. Dieselbe enthält vier Ober- und vier Unterstempel, deren
jeder mit einem formgebenden Werkzeuge (Gesenk, Meissel und Ab-
schrot etc.) versehen wird. Letzteres wird in eine Oeffnung des Stem-
pels eingesetzt, mit einer Schraube befestigt, und kann demnach mit
Leichtigkeit ausgewechselt werden. Die Oberstempel hängen an einer
gemeinschaftlichen Welle, welche excentrisch mit der Antriebswelle ver-
Schmiedemaschinen. 459
banden iat, so daas bei der Drehung der letztem die Achse der eratern
Enrbelbewegung beschreibt Damit nnn diese Kurbelbe wegnng der Welle
eine senkrecht auf- und niedergebende Bewegung der Stempel bewirke,
sind diese, wie aus den Figuren 363 and 361 (a. f. S.) hervorgeht, einestheils
in dem gusseisernen Gerüste der Maschine in solider Weise geführt, mit
det excentrischen Welle aber durch ein metallenes Gleitstück verbanden,
welches in dem Kupfe der Stempel aasreichenden Spielraum besitzt, um
Fig. 362,
die resaltirende Horizontalbe wegnng allein auszafDbren und nur die
Verticalbewegung auf die Stempel zn übertragen.
Die Unterstempel sind gleichialls in dem GerflBte geführt und stecken
mit einer metallenen Hälse auf dem obern glatten £nde je einer schmiede-
eiaernen Schranbenspindel, welche sich in dieser Hülse frei drehen kann.
Die Schraubenspindel geht durch eine im Gerüste fest gelagerte metallene
Schranbenmatter hindurch, so daes hei einer Drehung der Schraube diese
und somit auch der Stempel auf- oder abwSrts bewegt wird , letzterer
460 Hammer und Ambos.
ohne sich zu drehen, da Beine achteckige Form diese Drehung verhin-
dert. Die Bewegung der Spindel geEchiebt vermittelst des au ihrem
Pj ggg untern Ende bt;festigteu Stirn*
i'adeB von solcher Breite, um
auch bei senkrechter Bewegung
der Spindel im Eingriffe ^it
dem davor liegenden Getriebe
zu bleiben. Aus Fig. 362 ist
ersichtlich, wie dieses vordere,
an einer senkrechten Achse
befindliche Getriebe durch
Fig. 364. Vermittlung eines Paares co-
nischer lUder von einer hori-
zontalen WeUe aus von Hand
bewegt wird, bo dasa durch
Drehung des an der Maschine
befindlichen linken Handrades
die beiden linken Stempel,
durch Drehung des rechten
die beiden rechten Stempel
immer gleichzeitig gehoben
und gesenkt werden.
Vor den Stempeln befindet
sich ein eiserner Tisch am
Gerüste befestigt als Unter-
lage und Führung für die ein-
zubringenden Schmiedestücke.
Auf der Autriebwelle ist neben
der festen Riemenscheibe eine
LoBscheibe angebracht , uin
die Maschine rasch ein- und
ausrücken zu können; zwei
' Schwungräder an den beideu
Seiten der Maschiae sicbera
die Gleichförmigkeit der Be-
wegung und schützen die
Transmission und Betriebs-
maschinevorderRackwirkuDg
der von der Maschine aus-
geübten Stöase. Die Welle
der Maschine macht per Mi-
nute 350 Drehnngeu und somit jeder Stempel die gleiche Anzahl
Hübe.
In dem Principe stimmen die sämmtlicben bekannten und ange-
wendeten ScbmtedemBEcbinen mit der beschriebenen überein und zeigen
Schmiedem^chinen. 46 1
nur Abweichungen in der Aasfübrnng der einzelnen Theile. Solche
Schmiedemascbinen sind u. A. die von Ryder, im Jahre 1851 auf der
LfOndoner Industrieausstellung ausgestellt und noch jetzt vielfach in An-
wendung (vergl. Wiebe, Maschinenbaumaterialien, S. 406, Taf. VIII,
Fig. 2; Uoyer, Mechanische Technologie, S. 160; Dingler's polytechni-
sches Journal, Bd. 123, S. 351); femer die Schmiedemaschine von
Johnson (DingWs polytechnisches Journal, Bd. 129, S. 426); von Hat-
tersley (Dingler^s polytechnisches Journal, Bd. 135, S. 171); von Wal-
ker (Dingler's polytechnisches Journal, Bd. 194, S. 390); von Wright
(Dingler's polytechnisches Journal, Bd. 181, S. 345; von Reed and
Bowen (Dingler's polytechnisches Journal, Bd. 197, S. 319).
Die Schmiedemaschinen sind sehr geeignete Apparate, wenn die
Aufgabe vorliegt, eine grosse Anzahl gleicher und einfach gestalteter
Körperformen durch Schmieden herzustellen , denen mit Hülfe einer ge-
ringen Anzahl formgebender Werkzeuge ihre Form sich ertheilen lasst.
Der rasche Gang der Maschine und die durch Anwendung von Gesenken
erzielte Verringerung menschlicher Arbeitsleistung beschleunigen dabei
gemeinschaftlich die Vollendung jedes einzelnen Stücks; und da unter
den verschiedenen Stempeln der Maschine stets mehrere Arbeitsstücke
gleichzeitig bearbeitet werden können, so dass ein ununterbrochener
Verlauf der Arbeit stattfindet, so ist die Stückzahl der in bestimmten
Zeitabschnitten fertig werdenden Fabrikate eine verhältnissmässig grosse.
Eine solche Gattung von Gegenstanden, für deren Anfertigung sich
die Schmiede maschinen eignen, sind z. B. Schienennagel, aus Quadrat-
stäben geschmiedet und gewöhnlich in Anzahl von vielen Tausenden
gefertigt.
Das Arbeitsverfahren bei der Formveränderung durch
Hämmern.
In den meisten Fällen wird dem Hämmern eine Erhitzung des Me-
talls in einem der früher beschriebenen Apparate vorausgehen. Wenn
es den gehörigen Hitzegrad erreicht hat, nimmt der Schmied es aus dem
Feuer, bringt es nach dem Ambos, entfernt den Glühspan durch Reiben
an der Amboskante oder durch Abfegen mit einem Besen bei weniger
erhitzten Metallen, und nun beginnt das Schmieden.
Gegenstände der kleinsten Art können von einem einzigen Arbeiter
gefertigt werden, welcher mit der linken Hand das Metallstück hält,
während die rechte den Hammer fuhrt.
Bei den meisten Gegenständen, welche mit Handhämmern geschmiedet
werden, ist ausser dem eigentlichen Schmiede noch mindestens ein Zuschläger
erforderlich, für grössere Gegenstände oft zwei bis drei, welche die schweren
Zuschlaghämmer schwingen, während der Schmied mit der linken Hand das
Eisen hält, dieses so wendet und dreht, dass die Schläge auf die richtige Stelle
fallen, mit der rechten Hand aber einen kleinen Hammer führt, theils zu dem
462 Hammer und Ambos.
Zwecke, hier and da beim Schmieden luchziihelfea, haoptsichlich aber, um
den Ziucblägem die Stelle anzudenten, auf welche sie achlagen sollen, and
ihnen, je nachdern er Finne oder Bahn des Hsrnmen gegen das Arbeits-
stOck wendet, dadurch anzngeben, ob sie mit dieser oder jener za schmie-
den haben. Schliesslich Issst der Schmied seinen Hammer klingend auf
den Ambos fallen nnd giebt dadurch das Zeichen zom Anfhören.
Bei Anwendnog Ton Haeefainenhämmem sind die eigentlichen Za-
■cbUger entbehrlich nnd statt ihrer hat der Maschinenwärter die Zeichen
dee Schmieds zn beachten, darnach die Stärke der Schläge zn regeln ete.
Nnr bei den kleinsten Mascbinenhäinniem wird der Schmied selbst den
Gang der Uaschine zn führen im Stande sein. Bei allen grösseren
Gegenständen aber, welche der Schmied alleio zn regieren nicht im
Stande ist, sind ein oder mehrere Geh&lfen erforderlich, welche ihn mit
Zangen nnd eisernen Haken unterstützen.
So mannigfach nnn anch die Formen der Gegenstände sein können,
welche sich durch diese TerhältniBsmässig einfache Arbeit nnd mit Hülfe
der beschriebenen Geräthe herstellen lassen, so kann man doch eine An-
zahl bestimmter Terfabnugsweisen kennzeichnen, ans deren Anwendung
im Einzelnen oder in geeigneter Reihenfolge jene Formen hervorzugehen
pflegen.
Die hauptsächlichsten dieser VerfahrDUgsweisen sind folgende:
Das Ausstrecken oder Zainen, in einer Verdflnuang des Quer-
schnitte und dadurch bewirkten Ausdehnung der Länge bestehend. Je-
der Schlag des Hammers, auf das dehnbare Metall geführt, ruft in ge-
wissem Maasae eine solche Änadehnang hervor; da aber bei gleicher
Wocht der Schläge derjenige der wirksamste sein nnd die stärkste Ver-
dünnung hervorbringen wird, bei welchem diese Schlagwirknng auf die
kleinste Fläche concentrirt wird, so geschieht das Ausstrecken am
fiirderlichsten mit der Finne des Hammers, indem man Schlag neben
Schlag mit derselben anf die Oberfläche des Metallstücks ^hrt. Je
_, schmaler die Finne ist, desto rascher
wird die Arbeit vor eich gehen. Durch
ein solches Arbeitsverfahren wird
aber nicht eine glatte Oberfläche er-
zengt werden können, sondern es
wird eine Vertiefung neben der an-
dern entstehen, zwischen welchen er-
habene Stellen stehen bleiben (Tergl.
Fig. 365). Zar Ausgleichang dieser
Unebenheiten wird dann die ge-
streckte Fläche mit der Bahn des
Hammers nachgeschmiedet , welche
Arbeit Schlichten genannt wird.
Bei Anwendung von Masohinen-
hämmem, welche nur eine einzige
Arbeitsverfahren. 463
schmale Bahn besitzen, wie es z. 6. bei vielen Aufwerf- und Schwanz-
hämmern der Fall ist, streckt man, indem man das schmalere Arbeits-
stück quer über den Ambos legt, und schlichtet dann durch Drehung in
der Horizontalebene um 90 Grad, so dass nunmehr die Bahn mit ihrer
ganzen Länge auf das Schmiedestück fallt.
Das Treiben oder Auftiefen, eine dem Strecken verwandte Ar-
beit, welche vorzugsweise zur Anfertigung von Hohlgefässen aus Eisen,
Kupfer, Messing benutzt wird. Das durch Treiben in einen Hohlköi'per zu
verwandelnde Metallstück wird zunächst durch Strecken (welches ebensowohl
unter Hämmern als unter Walzen geschehen kann) in eine plattenartige Form
gebracht. Wird nun auf eine solche Metallplatte an irgend einer Stelle
ein Hammerschlag ausgeführt, so entsteht an dieser Stelle eine Quer-
schnittsverdünnung und ein Strecken des Metalls; da aber die umgeben-
den, vom Hammer nicht getroffenen Metalltheile nicht ausweichen können,
so muss sich eine Beule, d. i. Vertiefung, bilden* Denkt man sich nun statt
des einen Hammerschlags eine grosse Menge Schläge in regelmässiger
Reihenfolge auf den mittlem Theil einer Metallplatte geführt, während
der Rand unberührt bleibt, so muss durch diese Querschnittsverdünnung
der ganze mittlere Theil ausgebaucht werden, und die Gestalt einer
Schale oder eines Kessels annehmen. Je nachdem man die Hammer-
schläge mehr oder weniger stark und mehr oder weniger häufig auf be-
stimmte Stellen fallen lässt, kann man in solcher Weise verschieden-
artig geformte Hohlkörper erzeugen.
Wie das Strecken am 'raschesten mit der schmälsten Finne vor sich
geht, so wird das Auftiefen durch einen kleinen Durchmesser der calot-
tenförmigen Hammerbahn befordert und es erklärt sich hieraus die
Form des auf Seite 404 , Fig. 320 , abgebildeten Hammers zur Herstel-
lung von HohlgefUssen.
Bei der fabrikmässigen Anfertigung von Kesseln, Schalen u. s. f.
aus den eben genannten Metallen legt man eine grössere Anzahl Metall-
Bcheiben (4 bis 18) auf einander, biegt den Rand der untersten, grössten
Scheibe durch Hämmern um, so dass sämmtliche Scheiben durch densel-
ben zusammengehalten werden, und unterwirft nun sämmtliche Scheiben
zusammen, deren Inbegriff ein Gespann genannt wird, der Bearbei-
tung, indem man die Schläge in spiralförmiger Linie vom Mittelpunkte
nach dem Umkreise hin und in gleicher Linie zurück ausführt, und zwar
wird das Gespann zu diesem Zwecke mit einer entsprechend geformten
Zange erfasst und unter dem Hammer langsam gedreht. Nach beendigter
Formgebung wird das Gespann durch Aufbiegen des Randes wieder gelöst
und zur Vollendung der Form jedes einzelnen Stückes (welche in der
Werkstatt des Kupferschmieds etc. bewirkt wird) aus einander genommen.
Das Stauchen. Man versteht hierunter eine derartige Bearbei-
tung, durch welche das Metall in seiner Längenrichtung zusammenge-
drückt, verkürzt, in seiner Stärkeabmessung verdickt wird. Das Stau-
chen ist also die entgegengesetzte Arbeit des Streckens. Zweck des
464 Hammer und Ambos.
Stauchens ist die [leryorbringnng von Verdickungen in aer Mitte oder
am Ende von Metallstücken. Kleine Stucke werden gestaacht, indem
man sie senkrecht auf den Ambos stellt und mit dem Hammer dar-
auf schlägt, nachdem die zu stauchende Stelle erwärmt ist; grosse
Stücke staucht man, indem man sie heftig gegen den Ambos oder einen
grossen Stein in der Sohle der Schmiedewerkstatt stösst. < In manchen
Schmiedewerkstätten benutzt man einen schweren Gusseisenklotz zum
Stauchen, welcher an einer Kette von der Decke der Werkstatt herab-
hängt. An einer zweiten Kette hängt das zU stauchende Metallstück,
so dass es mit dem Gusseisenblocke in gleicher Höhe sich befindet. Man
schwingt sowohl den Gusseisenblock als das Metallstück pendelartig aus
einander und lässt sie dann heftig zusammenschlagen.
Stets muss der gestauchte Theil später überschmiedet werden, um
die Gestalt gehörig auszubilden, verzogene Theile zu richten und fehler-
hafte Stellen zu verbessern.
Eine besondere Art des Stauchens zu dem Zwecke, den Durchmesser
ringförmiger Arbeitsstücke, z. B. Spurkranzreifeu , zu verkleinem, er-
wähnt Karmarsch. Der Reifen wird in einem Glühofen rothwarm ge-
macht, dann rasch zur Hälfte seiner Breite in kaltes Wasser getaucht
bis er erkaltet ist. Da der eingetauchte Theil sich hierbei zusammen-
zieht, muss der noch heisse dehnbare Theil dieser Zusammenziehung fol-
gen und wird gestaucht; nun wird das Verfahren wiederholt und der
vorher gestauchte Theil in das Wasser getaucht, wodurch auch die an-
dere Hälfte des Ringes eine Stauchung erfährt.
Wenn man eine flache Scheibe rings mit dem Hammer derartig
bearbeitet, dass eine' Auf biegung des Randes erfolgt, so entsteht offenbar
ein Hohlkörper, dessen Durchmesser kleiner ist als derjenige der ursprüng-
lichen Platte. Diese Verkleinerung des Durchmessers äussert sich bei
fehlerhafter Arbeit durch eine Faltenbildung, bei normalem Verlaufe durch
eine Zunahme der Querschnittsstärke als Folge der Zusammendrückung,
welche einem wirklichen Stauchen gleichkommt. Diese, dem Treiben ent-
gegengesetzte Methode, hohle Formen zu bilden, nennt man Aufziehen.
Das Ansetzen Man versteht unter diesem Ausdrucke die Bil-
dung eines Ansatzes, d. h. eines vorspringenden durch eine plötzliche
Verminderung des Querschnitts entstandenen Theils des Schmiedestücks.
Fig. 366. Fig. 367.
Arbeitsverfahren. 465
Für diese Arbeit sind vorzugsweise die Setzhämmer geeignet. Die
Figuren 366 und 367 werden ohne Weiteres die Bildung eines einfachen
und doppelten Ansatzes erläutern können. Für den erstem Zweck
ragt der Setzhammer etwas über die Amboskante hinaus, für den dop-
pelten Ansatz schneidet die äussere Kante des Setzhammers genau mit
der Amboskante ab. Die Form des Ansatzes kann sehr mannigfaltig
sein, und wird durch die Form des Setzhammers wie der Unterlage (als
welche fiir besondere Formen das Stöckchen benutzt wird) bedingt.
Das Biegen. Man gebraucht zu runden Biegungen das Hom des
Amboses oder Sperrhoms, indem man das Schmiedestück quer darüber
legt und auf die nicht unterstützte Stelle hämmert. Statt des Horns
dient häufig ein Dorn, d. h. ein Eisen- oder Stahktab, um welchen das
Metall herumgeklopft wird. Scharfe Winkelbiegungen werden durch
Umklopfen über die Kante des Amboses oder eines Stöckchens hervorge-
bracht. Yon dem Biegen grösserer Gegenstände in besonderen Appara-
ten ( Biegemaschinen ) wird unten bei den YoUendungsarbeiten die
Rede sein.
Das Lochen. Die Anwendung des oben beschriebenen Durch-
schlags nebet Lochrings zur Hervorbringung von durchgehenden Oeff-
nnngen ist zwar eine sehr einfache, bedarf jedoch , um genaue Arbeit zu
geben, mancherlei Kunstgriffe. Wenn, wie es häufig der Fall ist, das
Loch auf einer ganz bestimmten Stelle des Arbeitsstücks angebracht
werden soll, so bezeichnet man diese zuvor mit dem Körner (vergleiche
S. 36) und setzt nun den Durchschlag auf die angezeichnete Stelle. Beim
Durchtreiben des Durchschlags durch dicke Metallstücke entsteht statt
eines cylindrischen Lochs ein conisches, in Folge der etwas conischen
Form des Werkzeugs. Man locht also von einer Seite bis zur Hälfte und
treibt dann von der andern Seite den Putzen heraus. Das Loch ist nun-
mehr in der Mitte am engsten. Man treibt deshalb nunmehr einen prisma-
tischen Stahlstab von entsprechender Dicke und Querschnittsform in das
entstandene Loch und hilft dadurch diesem Uebelstande ab. Der Stahlstab
heisst Dorn und die beschriebene Arbeit Ausdornen. Dieselbe wird
auch angewendet, wenn ein genau passender Durchschlag nicht vorhan-
den ist. So z. B. kann man, um Löcher von dreiseitiger, quadratischer,
sechseckiger u. s. w. Form anzubringen, zunächst ein rundes, entsprechend
kleineres. Loch mit dem Durchschlage einschlagen und es dann durch
Eintreiben eines entsprechend geformten Doms auf seine richtige Form
aufweiten.
In manchen Fällen dient zur Hervorbringung von Löchern statt
des Durchschlags der Schrotmeissel , mit dem man in das Metallstüok
einen Schlitz haut, welcher dann mit Hülfe eines Doms aufgeweitet wird.
Diese Arbeit nennt man Aufhauen, zum Unterschiede vom Lochen mit
dem Durchschlage. Sie wird angewendet, wenn es darauf ankommt,
die durch das Herausschlagen des Putzens hervorgerufene Schwächung
Iiedabur, maohanisch-inetaUuigiflclie Teohnologie. qq
466 Hammer und Ambos.
des Materials zu vermeiden, es findet hierbei eine Stauchung des Metalls
rings um das Loch statt.
Das Schweissen. Der Zweck des Schweissens und die Bedingun-
gen, welche zum Gelingen der Schweissung erfüllt werden müssen, fan-
den bereits oben (S. 342 ff.) Erwähnung. £s geht aus jenen Bespre-
chungen hervor, dass die Ausfuhrung des Schweissens um so leichter sein
wird, je grösser die zu schweissenden Flächen sind. Man sucht deshalb
die zu schweissenden Stücke von vornherein so zu gestalten, dass die Be-
rührungsflächen möglichst gross ausfallen, und wendet dazu verschiedene
Kunstgriffe an. Wenn z. B. zwei stabförmige Körper oder zwei Enden
eines zu einem Ringe zusammengebogenen Stabes zusammengeschweisst
werden sollen, so wird man sie in der Regel nicht stumpf zusammenstossen
Fig. 368. lassen, sondern mit schräger
Fuge verbinden (Fig. 368); oder
man spaltet, besonders wenn
^Stahl und Eisen zusammenge-
' schweisst werden sollen , das
eine Stück auf und steckt das
^'^' ^^^' andere Stück mit einem keü-
formigen Zapfen in den Spalt
(Fig. 369). Wo es angeht,
bringt man die zu schweissen-
den Stücke schon in der für die
Schweissung erforderlichen Lage zusammen in das Feuer und erhitzt sie
gemeinschaftlich, nur beim Zusammenschweissen von Stahl und Eisen
erhitzt man beide Metalle getrennt in Rücksicht auf die verschiedene Tem-
peratur, welche sie zur Schweissung bedürfen. Anfanglich giebt man einige
rasche, aber weniger kräftige Hammerschläge, indem man an der von
dem Ausgange der Fuge entferntesten Stelle beginnt und rasch gegen den
Ausgang fortschreitet, um die eingeschlossene, flüssige Schweissschlacke
mehr und mehr aus dem Innern nach dem Ausgange hin zu treiben;
hat die Schweissung begonnen und das Metall in Folge der Abkühlung
einen etwas weniger weichen Zustand angenommen, so führt man kräf-
tigere Schläge.
Müssen die Enden der zu schweissenden Stücke stumpf vor einan-
der gestossen werden, so geschieht die Verbindung durch Schläge in der
Längenrichtung wie beim Stauchen. Um die Schweissschlacke bei die-
sem letztern Verfahren besser zu entfernen, giebt man den Enden gern
schwach convexe Form, so dass rings herum eine anfänglich offene Fuge
bleibt, die erst beim Zusammenstauchen sich schliesst. Wenn die
Schweissung beendet ist, wird das Arbeitsstück durch fortgesetztes
Schmieden in die richtige Form gebracht.
Wenn die Schweissung den Zw^ck hat, aus einer Anzahl formloser
Körper ein einziges Stück als Material für die weitere Formgebung her-
zustellen, so legt man jene Körper (Rohschienen, Abfalle, Alteisen) zu so-
Arbeitsverfahren.
467
genannten Packeten zusammen und bringt sie als solches in den
Schweissofen. Diese Packete haben parallelepipedische Form von qua-
dratischem oder rechteckigem Querschnitte; die einzelnen Stücke, welche
das Packet bilden, sind in demselben derartig zusammengelegt, dass ihre
Flächen sich möglichst innig berühren. Durch umgelegten Draht pflegt
man das ganze Packet zusammenzuhalten. Fig. 370 stellt den Quer-
Fig. 370.
wrwmn
SV ^^^^^S^^
< nii<i
.^^^
schnitt eines solchen Packets, aus einzelnen
Eisenschienen gebildet und für die Darstellung
von Eisenblechen bestimmt, dar, in welchem die
Stäbe kreuzweis über einander gelegt sind. Wenn
das Packet schweisswarm geworden ist, wird es
zum Hammer gefahren, der für diesen Zweck ein
bedeutendes Gewicht besitzt, durch einige schwache
Schläge zunächst vorsichtig zusammengeschweisst*
dann durch kräftigere Schläge weiter verdichtet
und ausgereckt.
Es verdient jedoch Erwähnung, dass nur solche Packete unter
Hämmern (zu sogenannten „Brammen '^) geschweisst und ausgeschmiedet
werden, bei denen eine grosse Dichtigkeit Erforderniss ist, z. B. für
Bleche; ein grösserer Theil wird zwischen Walzen geschweisst, wie unten
besprochen werden wird.
Bei der Eaffination und Verarbeitung des Stahls nennt man die zu
schweissenden , aus Stahlstäben gebildeten Bündel „Garben", und das
Verfahren des Zusammenschweissens und Ausreckens „Gärben".
Literatur über formgebende Werkzeuge und Arbeitsverfah-
ren beim Schmieden.
Prechtl-Karmarsch, Technologische Encyclopädie , Bd. IX, S. 550,
Bd. IV, S. 478, Bd. XII, S. 568.
Karmars€h-Hartig, Mechanische Technologie, Bd. I, S. 180 £f.
Wiebe, Maschinenbaumaterialien, S. 370, 376, 405 ff.
Karsten, Eisenhüttenkunde, Th. IV, S. 327 ff.
Petzhol dt, Fabrikation von Eisenbahnmaterial, Taf. V, Fig. 8 bis 11,
Text S. 37 (Schienennägel); S. 130 ff., (Anfertigung schmiedeeiser-
ner Räder); S. 153 ff. (Anfertigung schmiedeeiserner Dampfcylin-
derkolben und Achsbüchsen); S. 191 ff. (Anfei*tigung der Achsen);
S. 207 ff. (Kuppelstangen).
30*
468 Pressen.
B. F r e 8 B e n.
Die FormgebuDg durch Pressen erfolgt durch einen ruhigen, aber
mit der vorschreitendenFormyeränderung, dem wachsenden Widerstände
des Arbeitsstücks gegen die Formyeräuderung entsprechend wachsenden
Druck. Gewöhnlich wird die Formgebung durch einen einzigen Druck
ausgeführt; in allen Fällen wird dieselbe Arbeit, welche nur zahlreiche
Hammerschläge nach und nach bewirken können, hier mit einem Male
durch den Druck verrichtet, und es muss deshalb die Grösse des Druckes
eine in gleichem Verhältnisse beträchtlichere sein.
Da ein Drehen und Wenden des Arbeitsstücks während der Arbeit,
wenn sie durch einen einzigen Druck verrichtet wird, nicht möglich ist,
so hat man für jede herzustellende Form ein formgebendes Ergän-
zungsstück nöthig — Gesenk oder Matrize — , welches, wie eine
Gussform beim Giessen, die Umrisse des Arbeitsstücks bestimmt.
Zur Hervorbringung des erforderlichen hohen Drucks dient der
Hebel oder die Schraube in solchen Fällen, wo es sich vorzugsweise um
Erzielung einer Formveränderung der Oberfläche bei einem in seinen
allgemeinen Umrissen bereits fertigen Gegenstande handelt, also bei der
unten zu besprechenden Vollendung der Form; Dampfdruck auf einen
Kolben mit grosser Oberfläche wirkend; hydraulischer Druck.
Für eine durchgreifende Form Veränderung der Metalle, also für
die erste rohe Formgebung, ist die hydraulische Presse wegen der mit
derselben erreichbaren Totalleistung jedenfalls der wirksamste und
zweckentsprechendste Apparat, und wenn man den Betrieb der Druck-
pumpen für die Presse durch eine kräftige Dampfmaschine geschehen
lässt, so kann man Leistungen hervorrufen, wie sie kein anderer Appa-
rat zu liefern im Stande ist.
Eine hervorragende Wichtigkeit haben die Pressen erlangt, indem
man sie benutzte, Stahl und Schmiedeeisen in Formen zu pressen, welche
durch Schmiedearbeit gar nicht oder doch nur mit bedeutend grösserem
Aufwand von Zeit und Arbeit sich würden herstellen lassen. Hierher
gehören z. B. Maschinentheile von complicirter Form: Ereuzköpfe, Achs-
lager, Dampfcylinderkolben u. dergl., insbesondere für denLocomotivbau;
Radnaben nebst Speichen, u. v. a.
Unter den mehrfachen hierher gehörigen Constructionen von hy-
draulischen Pressen möge als Beispiel diejenige einer eingehendem Be-
schreibung unterzogen werden , welche hinsichtlich der Vollkommenheit
und Grossartigkeit ihrer Leistung wohl allen anderen voranzustehen be-
rufen ist. Es ist dieses die nach ihrem Erfinder benannte HaswelT-
sche Schmiedepresse, auch wohl Presshammer genannt, von John
Haswell in Wien im Jahre 1861 construirt.
Die Abbildungen Fig. 371 bis 375 mögen hierbei zur nähern Er-
läuterung dienen.
Haswell's Schmiedepresse. 469
Der horizont^e Dam pfcjli oder a mit einem DnrcbmeSBer von 1,3 1/1.
und oft dflrüber ruht in der Mitte etnea Boliden gnsseisemen Rahmens,
Ant deaaen beidea Enden zwei direct wirkende Sang- and Dmckpnni'
pen pp derartig angebracht sind, dua beide Pampen mit dem Dampf-
Haswell's Schmiedeprease. 471
eylinder eine gemeinachaftliche Mittellinie besitzen. Die Kolbenstange C
ist in beiden Stopfbacbsen des DEnnpfcylindera gefillirt nnd nnmittelbar
Fig. 373.
mit dem Hönchekolben der Pampen verbandeD. Znr festem Terbindang
dea Dampfcjlindera mit den Pnmpencjlindem dienen aniBer dem Fnnda'
HasweH's Schmiedepresse. 473
m entrahmen je zwei Bchniiedeeiaeme Schienen , welche zogleich Gleit-
Bchienen fUr die an den Verbindangsatellen zwischen den Kolbenstangen
eingesohalteten Qaeretnoke bilden, nnd somit die horizontale Bewe^fang
der Kolbenstangen Bichern. 1 1 sind die Saagröbren, fi f i die Dmckröhren
der Pumpen ans Schmiedeeisen, deren Ventile in dem Darchschnitte dea lin-
ken Pampen cylinders in Fig. 372 zu erkennen sind. Jede Pumpe ist ansser-
dem mit einem Windkessel r r in Verbindung gesetzt, um die nachtheiJigen
Einwirkungen des Stosses der Pumpen auf die Maacbioe abzuschwächen.
Der Dampfoylinder hat Schieb ersteuerun g ; da jedoch die Umstenemng
bei der Grösse des auf dem Schieber lastenden Dampfdrucks aus
freier Hand nicht gnt erfolgen kann , so wird die Schieberstange von
einem kleinen Dampfcylinder K aus bewegt, welcher leicht Ton Hand
gesteuert werden kann, wenn die Maschine in Betrieb kommen soll,
während des Ganges aber selbsttbätig vermittelBt das an der rechten
Kolbenstange C befestigten Horizontalarms gesteuert wird, welcher hei
Beendigung des Hubes mit Hülfe eines Hebelwerks den kleinen Steue-
nmgsBchieher rerscbiebt und da-
^' ■ durch auch Umsteuerung des groeeen
Cylinders bewirkt (vergl. Fig. 372).
Die Dampfznströmnng erfolgt von
oben durch das auf dem Schieber-
kasten angebrachte Dampfrohr (Fi-
gur 371) aud wird durch ein Ventil
I regulirt; der verbrauchte Dampf ent-
«.^ weicht durch das unterhalb des
Schiebe rkastens ersichtliche Rohr.
Zum Schatze gegen Abkühlung
ist der Dampfcyliuder mit einem
Dampfinantel und ausserdem einer Holzbekleidung umgeben. In Fig. 373
und 374 ist Q der Kolben des hydraulischen Cylinders P, welcher letz-
terer durch vier starke schmiedeeiserne S&olen mit dem Untersatze Q —
ähnlich der Cbabotte bei Hämmern — verbunden ist. Die Oberkante von
Q liegt im Niveau der Hüttensohle. An dem untern Ende ist der Kolben
mit einer Bahn oder einem Obergesenke ausgerüstet, der Form der zu pres-
senden Gegenstände entsprechend. Es ist leicht ersichtlich, wie durch
Zuleitung von Druckwasser über den Kolbeo derselbe gesenkt wird.
Um aber nach Tollbraohtem Drucke den Kolben wieder emporziehen zu
können , befindet sich dem Presscylinder entgegengesetzt und mit dem-
selben in einem Stücke gegossen ein zweiter Cylinder mit einem Gegeo-
kolben C, welcher an seinem obem Ende ein starkes Querbanpt trägt
und von diesem aus durch zwei Zugstangen//mitdem Kolben 0 verbunden
ist, so dase ein Kolben nicht ohne den andern bewegt wird. Der Durch-
messer des Gegenkolbens ist eben so gross, dass, wenn der Druck auf Q
unterbrochen und dem Wasser oberhalb desselben Abfluss verschafft,
unter den Kolben C aber Wasser geleitet wird, letzterer sammt dem
474 Pressen.
Presskolbcn emporsteigt. Der Einfachheit der Construction halber lässt
man w&hrend des Ganges den Wasserdruck ununterbrochen auf den
Kolben C wirken , und macht den Kolben & so viel grösser im Durch-
messer, als dem Querschnitte des erstem entspricht, so dass aus der
Differenz beider Kolbenquerschnitte der nutzbare Querschnitt für einen
zu erzielenden Druck hervorgeht. Man wird also den Durchmesser von
C nicht grösser nehmen als zum Anheben der Gewichte von G und Q
und zur Ueberwindung der Reibung bei einem gegebenen Wasser-
drucke erforderlich ist.
Die Steuerung für die Bewegung der beiden Kolben erfolgt nun in
folgender Weise.
Das durch die beiden Druckröhren ^i fi abwechselnd zuströmende
Wasser gelangt durch den concentrischen Ganal Z, Fig. 375 (a.v.S.), nach
dem gemeinschaftlichen Druckventile s, und von hier aus sowohl ununter-
brochen unter den Kolben C als auch, sobald s geöffnet ist, durch den
Ganal d über den Kolben Q. Der Canal di steht durch das Ventil $i
(Fig. 374 und 375) mit dem Ausflussrohre v in Verbindung. Wenn
also das Ventil $i geschlossen, s geöffnet ist, und die Pumpen in Bewe-
gung gesetzt werden, so strömt Druckwasser über den Kolben und der-
selbe fällt; wenn Si geöffnet, s geschlossen ist, und die Pumpen arbeiten,
so strömt Druckwasser unter den Gegenkolben C, während das über G
beündliche Wasser abfliessen kann und der Kolben steigt^).
Die Bewegung der beiden Steuerungsventile s und Si iut aber des
hohen Wasserdrucks halber aus freier Hand nicht möglich, sie sind des-
halb durch starke Hebel i und h und zwei senkrechte Zugstangen (vergl.
Fig. 371) mit den Kolbenstangen zweier Hilfsdampfmaschinen h und hi
verbunden, deren Bewegung die Bewegung der beiden Stangenventile s
und S| bewirkt. Beide Hilfsdampfmaschinen stehen auf dem Hauptdampf-
cy linder, damit sie aus freier Hand von dem Maschinenführer gesteuert
werden können. Zur selbstthätigen Hubbegrenzung beim Niedergange
des Kolbens befindet sich jedoch an der Zugstange / ein verstellbarer
KnAggen, welcher im beabsichtigten niedrigsten Stande des Kolbens Um-
steuerung bewirkt.
Da bei dem grossen Durchmesser des Dampf cjlinders jeder Hub des
Dampfkolbens eine grosse Menge Dampf verbraucht, so ist noch eine
Vorrichtung angebracht, um ein Niedergehen des hoch stehenden Press-
kolbens ohne Mitwirkung des Dampfcylinders zu bewirken, so lange
nicht Druck ausgeübt werden soll, also bis zu dem Augenblicke, wo die
Bahn des Presskolbens die Oberfläche des Arbeitsstücks berührt. Zu
diesem Zwecke enthält der Cjlinder 7, welcher das aus dem Presscylinder
abfliessende Wasser aufnimmt, ein Ausflussventil, welches in solcher
Weise belastet wird, dass aus dem Cylinder das Wasser in den Press-
1) Es ist zu beachten, dass die Abbildung Fig. 374 einen Schnitt durch
beide Ventile, aUo nach einer gebrochenen Linie darstellt.
Haswell's Schmiedepresse. 475
cylinder zurücksteigt , wenn in dem letztern der Gegendruck aufgehoben
wird. Oeffnet man also beide Ventile des Presscylinders , während die
Pumpen in Ruhe verharren, so wird der Druck unter C, welcher die
Kolben in der Höhe erhielt, aufgehoben, das Wasser unter C kann in
den untern Presscylinder gelangen, die Kolben sinken vermöge ihres
eigenen Gewichts und durch v strömt Wasser über den Kolben G nach.
Hat nunmehr der Presskolben das Arbeitssttick erreicht, so wird Si
geschlossen und die Pumpen in Thatigkeit versetzt, das in l überschüs-
sig angesammelte Wasser fliesst durch das erwähnte Ventil in den da-
neben stehenden Behälter fn ab, aus welchem die Druckpumpen wieder
ihr Speisewassef entnehmen.
Wenn die auf den Kolben des Dampfcylinders wirksame Dampf-
spannung und die Durchmesser der einzelnen Cylinder bekannt sind,
lässt sich leicht der ausgeübte Totaldruck der Presse ermitteln.
Bei einer in den Schmiedewerkstätten der k. k. Staatsbahn zu Wien
befindlichen Presse beträgt z. B.
der Durchmesser des Dampfkolbens 126,4 Cm, also Querschnitt dessel-
ben 12 560 Quadratcentimeter;
der Durchmesser der Pumpenkolben 10,5 Cm, also Querschnitt dersel-
ben 86,6 Quadratcentimeter;
der Durchmesser des Presskolbens 52,5 Cm, also Querschnitt dessel-
ben 2165 Quadratcentimeter;
der Durchmesser des Gegenkolbens 15,7 Cm, also Querschnitt dessel-
ben 194 Quadratcentimeter;
daher nutzbarer Querschnitt des Presskolbens 2165 — 194 = 1971
Quadratcentimeter.
Der Dampfdruck im Dampfcylinder beträgt 3 Kilogramm per Qua-
dratcentimeter, mithin der Druck, welcher vom Dampf kolben auf jeden
der beiden Pumpenkolben übertragen wird: 12 560 X 3 = 37 680 Kilo-
gramm. Dieser Druck pflanzt sich von den Pumpenkolben auf den
Presskolben fort in dem Verhältnisse der Querschnitte, und es beträgt
demnach der von letzterem ausgeübte Druck theoretisch —
oo,6
= 857 580 Kilogramm.
Nimmt man einen Nutzeffect der Maschine von 0,85 an, so beträgt
der effective Druck ppr. 700 000 Kilogramm.
Solche Pressen für Herstellung von Maschinentheilen , theils mit
ähnlichen , theils mit noch grösseren Abmessungen , durch welche
man den Druck bis auf 3 000 000 Kilogramm gesteigert hat, sind
auf verschiedenen österreichischen Eisenwerken , in zwei Berliner Fa-
briken, bei Fr. Krupp in Essen und in mehreren anderen Werkstätten
in Thatigkeit.
Formgebende Ergänznngsatücke nnd Arbeitaverfahreti.
Es wnrde schoD darauf hingewiesen , daas zar Heratellnng bestimmt
abgegrenzter Formen mit der SchmiedepreBse Gesenke erforderlich sind,
ähnlich wie beim Schmieden mit dem Hammer , aber weniger einfach ab
diese. Man nennt sie anch Matrizen oder Modelle. Dieaelben werden ans
Gasseisen oder gegoBsenem Stahle hergestellt, hinreichend stark con-
stmirt, damit rie dem ungeheuren Drucke der Presse Widerstand zn
leisten vermögen, und zu demselben Zwecke niit umgelegten Schmiedeeisen-
ringea aasgerüstet. Um das Herausnehmen des gepressten Arbeitsstücks
möglich zu machen, bestehen diese Gesenke nicht allein ans Ober- und
Untertheil, sondern das letztere ist wieder in eine grössere Anr^hl ein-
zelner T heile zerlegbar.
Fig. 376.
Gesenke. 477
Die* iD den obigen Abbildungen Fig. 373 nnd 374 gezeicbneten
Einsatzstficke für FreBskolben nnd Ämbos sind nar zum Zusammenpres-
_. „ aen (Verdichten) roher Lnppen oder
Packet« zu pitrallelepipedischen
Eiaenblöcken geeignet. Als Beispiel
für die Heratellung weniger einfacher
nnd Bcbärfer begrenzter Formen möge
die in Fig. 376 und 377 gegebene
Abbildung der Vorrichtung zum
Pressen von schmiedeeisernen Krenz-
kSpfen für Locomotiven dienen. A
ist der Kolben des hydrauUaoben
Cylinders, B der nntere Theil .des
Presscjlinders, et die Zugatougen
zum Anheben des Kolbens nach be-
endigtem Dmcke, ss die schmiede-
eiaemen Säulen zum Tragen des Presscy linders. Der Oberstempel G
besteht in seiner obem Hälfte aus Gusseiaen, in dem nntem Theile aus
Gnssstah]. Das Untergesenk besteht aus dem obem Theile a, auf dem
untern Theile b ruhend, dnrcb zwei Dübel mit demselben Tcrbunden
nnd vor Verschiebung gesichert, a enthält das Profil des obern Kreuz*
kopftbeils, h nmacblieaat zunächst den Fuss d des Gesenks, in welchem
wieder die zwei Backen c nnd Ci eingesetzt werden , welche später mit
dem Kreuzkopfe ans dem üntergesenke herausgezogen und dann seitlich
entfernt werden. Die Scheibe / bedingt endlich die Höhe des cylindri-
Bchea Ansatzes für die Befestigung der Kolbenstange nnd kann nach
BedürfnisB höher oder niedriger genommen werden, g q sind zwei
Unterlagen, welche den Niedergang des Presskolbeos begrenzen und so-
mit die Höhe des Krenzkopfea beatimmen.
Der Stempel 0 passt genau in den obern Theil von a, und bildet
demnach mit dem Untergesenke zusammen ein sogenanntes geschlosse-
nes Kaliber, zum Entweichen der eingeschlossenen Luft befinden sich je-
doch an den Seitenflächen des Stempels vier (in Fig. 376 punktirt ge-
zeichnete) Canäle als Fortsetzungen der vier Fühmngleisten des Kreaz-
kopfs. rrr sind starke ach mied eeiseme Ringe, welche das ganze Ge-
senk einfassen nnd vor Zertrümmerung schützen. Die Theile des Unter-
gesenks bestehen aus Guaaeiaen.
Dae Gesenk wird auf einem Untergeatelle 0 zusammengesetzt, wel-
ches auf einem Schlitten P (oder auch einem Wagen) befestigt ist, und
wird mit diesem zwischen den Säulen der Presse hindurch an seine Stelle
gebracht.' Dann stellt man die Spreizen xx auf, welche den Zweck
haben, das Gesenk während des Fressens und Herausziehens des Kotbens
in seiner Lage festzuhalten, streicht die Innenflächen mit Graphit aus,
nnd nun kann daa Pressen beginnen.
Als Rohmaterial ittr die Verarbeitung dient ein Eisenstück von etwa
478 Pressen.
360 Mm Länge, 230 Mm Breite, 180 Mm Stärke, seinem Gewichte nach
dem Gewichte des Kreazkopfe entsprechend. Znr Heratelliiii^ deaeelben
wird ein Packet unter dem Hammer zu einer „Bramme" von gleicher
Breite und Stärke aber gröBserer Länge anageachmiedet als das erforder-
liche Arbeitsstück, und die Eieenstücke in der richtigen Länge davon ab-
gehauen. Dann werden sie im Schweissofen znr Weissgluth erhitzt, mit
der Zange in das Gesenk eingesetzt, nnd- ntm mit einem einsigen
Drucke in die Form des Kreuzkopfa gepresst.
Um nun den fertigen Kreuzkopf ans dem Gesenke heranazunehmen,
befeatigt mau vermittelst der Haken h h das Tbeil a des Untergesenka
mit zwei Ketten an dem Presakolben, entfernt die -Spreizen XX. und
hebt somit, indem man den Kolben emporgehen lässt, das Tbeil a
sammt dem Krenzkopfe nnd den beiden Backen C von dem liegen blei-
benden Theile b und d ab. Die Backen werden dnrch schwache Ham-
merachläge seitlich entfernt, b und d mit dem Schlitten fortgezogen.
Der Kolben wird nun, nachdem die Ketten entfernt sind, aus dem Kreuz-
kopfe und Gesenktheile a herausgezogen, dann, nachdem das Theil a
unterstützt iat, der Kreuzkopf mit Hülfe von zwischen gelegten Schienen
durch einen schwachen Druck dea Kolbens nach unten beransgedrückt.
Man stellt in zehn Stnnden 25 bia 30 Stück solcher Kreuzköpfe dar
und gebraucht dazu zwei Schweissofen, den einen für die Packete, den
andern für doa eigentliche Materialeiaen.
Wie man mit der Haswell'schen Sobmiedepresae durch einen
einzigen , kräftigen Druck das durch starke Erhitzung völlig plastisch
gewordene Metall in eine völlig neue Form überführt, ao iat auch der
Fall nicht selten, daas plattenförmige Metallstücke im kalten oder we-
niger hoch erhitzten Zustande mit Hülfe ähnlicher Pressen in Hohl<
körper umgewandelt werden, wobei die Vorgänge, welche die Form -
Veränderung begleiten, ganz ähnliche sind ala beim Treihen und Auf-
tiefen. Wenn z. B. die kreisrnnde Platte Fig. 378 durch Preseen mit
entsprechend geformtem Stempel und Matrize in den Hohlkörper Fig. 379
umgewandelt werden soll, ao muss der Rand beim Aufbiegen eine
Stauchung erfahren, dicker werden. Ea muss deshalb das Maoss der
Fig. 378. Fig. 379.
Arbeitsverfahren.
479
jedesmaligen Formveränderung abhangig sein von der Dehnbarkeit
des verarbeiteten Metalls, and wenn die Formveränderung eine be-
trächtliche, also der Durchmesser des Hohlkörpers gering im Verhält-
nisse zu dem Durchmesser der ursprünglichen Platte sein soll, so sind
oft vier bis sechs auf einander folgende Pressungen mit immer kleiner
im Durchmesser werdenden Gesenken erforderlich, um die endliche
Form zu erlangen, ohne eine Faltenbildung im Bande eintreten zu
lassen. Das Untergesenk (die Matrize) ist für solche Zwecke nicht
voll, sondern ringförmig gestaltet, wie es die Skizze Fig. 380 veran-
schaulicht, und das Arbeitsstück wird völlig durch dasselbe hindurch-
gedrückt.
Anders ist der Vorgang, wenn der äusserste Rand des Arbeitsstücks
auf dem obern Rande der Matrize durch einen aufgeschraubten Stahl-
Fig. 380. ring festgespannt wird und der dünnere
Kolben nun in der Art, wie man ein über
einen Ring gespanntes weiches Leder in
denselben hineindrücken könnte, das Metall
auf eine gewisse Länge in die Matrize
hineintreibt. Eine Verringerung des Durch-
messers kann dann nicht eintreten, und
statt der Stauchung des Randes findet eine
nach dem Boden des entstehenden Gefas-
ses fortschreitende Querschnittsverdünnung
statt.
Beide Verfahrungsweisen finden nicht
seltene Anwendung zur fabrikmässigen An-
fertigung von Hohlgefössen in Eisen, Kupfer,
Messing, Neusilber und anderen Metallen;
von kupfernen Röhren ohne Löthnaht (welche nach dem Pressen auf dem
Ziehwerke gestreckt werden), Flaschenkapseln aus Zinn, Zündhütchen und
manchen anderen Gegenständen, und werden bei Besprechung derjenigen
Arbeiten, welche zur Vollendung der Form dienen, wie in der speciellen
Technologie noch öftere Erwähnung finden.
Literatur über Pressen.
Fr. KupelwkBser, Die Pressen in ihrer Anwendung bei Verarbeitung
des Eisens, Jahrbuch der k. k. Bergakademien zu Leoben, Schem-
nitz und Pribram, Bd. 15, S. 166 ff.; enthält eine Beschreibung der
wichtigsten Systeme grösserer, durch Elementarkraft betriebener
Pressen.
Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Jahrgang 1863, S« 287
(Beschreibung der HaswelT sehen Schmiedepresse).
480 Walzwerke.
R. L. Haswell, Fabrikation von LocomotiTbestandtheilen dnrch Pressen,
System Haswell. Zeitsclirift des österreichischen Ingenieur- nnd
Architektenvereins, Jahrgang 1872, S.329 (auch als Separatabdruck
erschienen). Diese Abhandlung enthält eine durch Abbildungen er-
läuterte Beschreibung der Gesenke und Stempel, des Arbeitsverfah-
rens, und Angabe der Selbstkosten für zahlreiche beim Locomotiv-
bau gebrauchte, durch Pressen darstellbare Maschinentheile.
Dingler's polytechnisches Journal Bd. 178, S. 430: Wilson's hydrau-
lische Presshämmer.
C. Walswerke.
Man nennt Walzwerk im Allgemeinen jeden Apparat, bei wel-
chem das Arbeitsstück zwischen zwei parallelen, sich in entgegengesetzter
Richtung drehenden Walzen hindurchgeführt und dabei in Folge des
Umstandes, dass die Entfernung zwischen beiden Walzen kleiner ist als
die betreffende Querschnittsabmessung des Arbeitsstücks, entsprechend
yerdünnt und in seiner Länge ausgedehnt — gestreckt — wird.
Das Hindurchgehen des Arbeitsstücks zwischen den Walzen erfolgt
in Folge der Reibung zwischen den sich berührenden Oberflächen beider
Theile, die Querschnittsyerdünnung theils in Folge des Drucks der Wal-
zen, theils in Folge des Zuges, mit welchem die sich fortbewegenden
Walzenflächen den zwischen ihnen beflndlichen zusammengepressten
Theil des Arbeitsstücks von dem dickern, noch vor den Walzen befind-
lichen Theile zu trennen bestrebt sind.
In Folge dieses letztern auf das Metall ausgeübten Zuges wird die
bedeutendste Streckung stets nach der Bewegungsrichtung der Walzen
und des Arbeitsstücks hin stattfinden, auch wenn eine hinreichende Ge-
legenheit zur seitlichen Ausbreitung (in der Richtung der Walzenachse)
gegeben ist. Erfahrungsgemäss ist die Ausbreitung bei harten Metallen
grösser (und die Streckung in die Länge geringer) als bei weichen; bei
Stahl ist die Ausbreitung grösser als bei Schmiedeeisen; bei schwach er-
hitztem Eisen grösser als bei stark erhitztem. Dagegen ist die Streckung
grösser und die Ausbreitung geringer bei Walzen mit kleinerm als mit
grösserm Durchmesser, wenn ihre Umfangsgeschwindigkeit gleich ist.
lieber die Vorgänge beim Walzen sind eine Anzahl Theorien auf-
gestellt worden, ohne dass der Gegenstand bis jetzt völlig erschöpfend
behandelt worden wäre. Insbesondere scheint der Umstand bisher we-
nig Beachtung gefunden zu haben, dass beim Walzen hoch erhitzter
Metalle eine rasche Abkühlung an den von den Walzen berührten Anssen-
flächen stattfindet, während die inneren Theile noch heiss bleiben. Die-
Allgemeines. 481
aer umstand dürfte aber zamTheOe die an nnd fO^sich anfRÜIige That-
saohe erklilreii, dasa die Kandflficben heiss gewalzter Metalle, des EiBens,
Kupfers o. a^ conveze Form, die Kandflächen kalt gewalzter, dea Bleies,
Zinns n. a., concave Form zeigen. Ebenso wenig ist meines Wissens die
soeben erwähnte Thatsauhe der grossem Ausbreitung härterer Metalle
bislang einer genOgendea Erklärung unterzogen worden.
Von der allgemeinen Einrichtung eines W&lzwesks kann zunächst
die Abbildung Fig. 381 einen Begriff geben, d ist hier die Antriebs*
welle mit dem Scbwongrade; ce ist eine Klaaenknppelnng zum Ein-
nnd Ansracken, FF sind zwei Ge-
triebe oder Ramm walzen (Kräuseln),
mit Zapfen in den Getriebeständem
ffg gelagert, deren unteree durch eine
Kupplungsmuffe mit der Welle d ver*
banden ist, und die Bewegung dnroh
das obere Getriebe auch auf die obere
WalzFerkswelle fiberträgt. Diese
Uebertragnng erfolgt durch die zwei
Spindeln r/, welche durch die Über-
gescbobeuen Kupplungsm offen t» m
mit den Zapfen der Getriebe einer-
seits und den Zapfen der Walzen
B B' andererseits verbanden sind, a a
sind die Walzenständer, in welchen
die Zapfen der Walzen gelagert sind;
zwei zusammengehörige Walzenstän-
m der sind durch horizontale Schrauben-
bB bolzen mit einander verbunden und
^ bilden gemeinschaftlich ein Walzge-
rfist. In derselben Weise, wie die
Bewegung von den Getrieben nach
dem ersten WalzgerÜste fortgepflanzt
wird, lässt sich dieselbe von diesem
auch nach einem zweiten und dritten
Walzgerüste übertragen, seltener ist
die in der Abbildung gezeichnete
Einrichtung, bei welcher zunächst
nur die Bewegung der untern Walze
durch die Spindel d" mit der Muffe p
und q auf die Walze A und erst jen-
seits durch ein zweites Paar Getriebe
C und C* auf die Oberwalae fortge-
pflanzt wird.
1 ist eine Wasserrinne und t sind
Wasserrohre zur Zuleitung von Kühl-
482 Walzwerke.
vasser auf die anil«ufenden Walzen. Dae ganze Walzwerk steht auf
gOBseisemen Sohlplatten, welche darch starke Ankerschrauben aof einem
Fundamente aus Holz oder Stein festgehalten werden.
Nach der Art des Fabrikats unterscheidet man eine Anzahl ver-
Bchiedener Gattungen von Walzwerken. Znnächst trennt man Blech-
walzwerke (fOr Eieen and Stahl, Kupfer, Meseing, Neusilber, Gold, Sil-
ber, Ziuk, Zinn, Blei) von den Walzwerken für stabförmige Körper mit
beetimmtem Qnerachnittepvofile. Letztere Walzwerke dienen vorzugs-
weise zar Verarbeitung des Eisens und Stahls, und sondern sich nach
der Grösse der herzustellenden Querschnitte in Grobeisen- and Pein-
eisenwalzwerke mit einer Zwischenstafe , welche man Mittel-
Btrccken nennt'), ferner hat man für ganz bestimmte Zwecke: Schie-
nenwalzwerke, Fa^joneisen walz werke u. s. f. In den einzelnen Con-
structionsth eilen zeigen die Walzwerke diesen verschiedenen Zwecken
entepreohend mehrfache Ahweicbnngen.
Es sollen demnach in Folgendem zunäuhat diese einzelnen Theile
des Walzwerks in ihren abweichenden Formen besprochen und daran
eine Beschreibung solcher Walzwerkaconstructionen gereiht werden,
welche auch in ihrer ganzen Einrichtung bemerken swerthe Abweichun-
gen von der oben (Fig. 381) abgebildeten einfachsten Construction eines
Walzwerke zeigen.
Die Walzen. Dieselben sind aus Gusseisen, für sehr genaue Ar-
beit aus Gussstahl gefertigt (z, B. bei den Walzwerken der Münzwerk-
stätten zum Auswalzen der Metall platten). Den mittlem Haupttheil der
Walze nennt man Walzenbnnd, an diesen scbliessen sich an jeder
Seite die schwachem, cylindrisch gedrehten Laufzapfen, welche in den
Lagern der Walzenständer sich drehen; und diese finden ihre Fort-
setzung in denKupplnngszapfen, welche mit den Kiipplungsspindeln
durch die MufTe verbunden werden (vergl. u, a. unten Fig. 394). Damit
nicht die Kupplungszapfen in den Muffen
Fig. saa. sich drehen können , muss der Quer-
schnitt beider entsprechend profilirt sein;
gewöhnlich wählt man die in Fig. 382
skizzirte F'orm, wobei a den Kupplnngs-
zapfen, (t die Muife vorstellt.
Der Durchmesser der Walze (des
Buuiles) muss von der Stärke des swi-
schen beiden Walzen hindurch/.ufah-
rcnden Arbeitsstücks abhängig sein.
Ist der Dnrchmcsser zu klein, so gleitet
die Walze, ohne das Arbeitsstück zu er-
') Die Grenzen für diene BeneiimnigBn giuil nicht immenlieselben; aUilurcli-
schnitUichen kleiusten Qiierscliiiitl der in OiuliMtrecken gsferligten Stäbe kann
man 7 Qnadratcentimeter recliuen.
Die Walzen.
483
fassen. Es lässt sich dieser Vorgang durch die Skizze Fig. 383 yeran-
Bchanlichen. Das Arbeitsstück Ä mnss, um zwischen den beiden Walzen
p- 3g2 B xmd C hindnrchzugehen,
auf den Abstand zwischen
den beiden Walzenflächen zu-
sammengedrückt werden, zu
welchem Zwecke diese letz-
teren mit einer entsprechend
grossen Kraft gegen einan-
der gepresst werden müsseu.
In dem Berührungspunkte c
des noch nicht erfassten Ar-
beitsstücks mit der Walze B
zerlegt sich nun die radiale
Druckkraft R in die Kräfte
N = R tos q) und
M = R sin 9?.
Wenn / der Reibungs-
coefßcient ist, muss, damit
kein Zurückstossen des Ar-
beitsstücks oder Gleiten der
Walzen stattfindet,
Nf > M, also
f R cos q> > R sin q>
f>t9 9
sein; oder mit anderen Worten, es muss der Centriwinkel 9 kleiner als der
Reibangswinkel sein. q> wächst aber mit abnehmendem Durchmesser
der Walzen, so lange das Arbeitsstück gleiche Stärke behält, und es wird
demnach ein Punkt eintreten, wo es nicht mehr möglich ist, das Arbelts-
stück A zwischen den Walzen hindurchzubringeu ^).
Erfahrungsgemäss darf beim Walzen von Eisen der Querschnitt des
Arbeitsstücks höchstens auf die Hälfle vermindert werden, und seine
Uöhenabmessnng vor dem Durchgange nicht mehr als Y101 nach dem
Durchgange nicht mehr als ^/jo des Walzen durchmessen^ betragen. Dem
grrössem Walzendurchmesser pflegt auch eine grössere Länge des Wal-
eenbundes zu entsprechen, weil mit dem zunehmenden Durchmesser die
Gefahr für den Bruch sich verringert.
Demnach finden wir bei den kleinsten Walzwerken, wie sie die
Goldarbeiter zum Walzen ihrer feinen Bleche gebrauchen, Walzendurch-
messer von 40 bis 50 Mm. bei einer Länge von etwa 75 Mm., bei den
Feineisen walz werken Durchmesser von 150 bis 270 Mm. bei Längen von
^) ^cfgl* Hoyer, Mechanisclie Technologie, S. 174.
31*
484 Walzwerke.
300 bis 800 Mm.; bei Grobeisen- und gewöhnlichen Blechwalzwerken
steigt der Durchmesser bis zu 500 Mm. und die Bandlange bis 1 Meter,
bei den grössten Blechwalzwerken für Panzerplatten hat man endlich
Walzen mit 800 Mm. Durchmesser und bis zu 3 Meter Bundlange.
Die Anzahl der Umdrehungen per Minute beträgt bei den kleinsten
Feinwalzen (Schnellwalzen) bis zu 500, bei Grobeisenwalzen bis 80, bei
schweren Blechwalzen 30 bis 60, woraus eine Umfangsgeschwindigkeit
von 1,5 bis 4 Meter per Seounde sich ergiebt.
Wenn zwischen den Walzen stabförmige Körper mit bestimmt be-
grenzten Querschnitten hergestellt werden sollen, so muss die Oberfläche
der Walzen diesen Querschnitten entsprechend mit herumlaufenden Pro-
filbegrenzungen versehen sein, welche man als Gesenke ohne Ende be-
trachten kann und Kaliber nennt (vergl. Fig. 388). Es folgt hieraus
von selbst, dass nur die Ober- und Unterwalze zusammen das volle Ka-
liber bilden können, wie beim Schmieden und Pressen die Form durch
Ober- und Untergesenk hergestellt wird.
Nur solche Erzeugnisse der Walzarbeit gestatten die Anwendung
von Walzen ohne Kaliber , bei welchen es allein auf genaue Innehaltung
einer einzigen Querschnittsmessung ankommt — also die Bleche — , oder
solche Arbeitsstücke, welche schon vorher in Kaliberwa}zen ihre Gestal-
tung erhalten hatten, und nur noch eine letzte Vollendung der Ober-
fläche durch das Hindurchgehen durch ein Paar harte, glatte Walzen
(Hart- oder Polirwalzen) empfangen sollen (sogenanntes Bandeisen).
In Rücksicht auf die Durchbiegung langer Blechwalzen bei dem
auf das hindurchgehende Arbeitsstück ausgeübten Drucke fertigt man
dieselben jedoch nicht genau cylindrisch, sondern verstärkt sie ein wenig
nach der Mitte zu.
Je zwei Kaliber sind durch einen dazwischen liegenden „Ring^
oder „Rand" getrennt. Man macht die Ringe gewöhnlich 10 bis 25 Mm.
breit. Je schmaler sie sind, desto leichter brechen sie an den Kanten
aus, eine übermässige Breite nimmt dagegen einen unnöthigen Raum
weg und verringert die Anzahl der Kaliber auf einer vorhandenen Länge
der Walze.
Wenn nun jede der beiden Walzen die Hälfte des Kalibers als
furchen artigen Einschnitt enthält und die dazwischen liegenden Ringe
auf einander laufen, so nennt man die Kaliber offene (wie bei den Wal-
zen AA* in Fig. 381); wenn dagegen das Kaliber vorwiegend in einer
Walze angebracht ist und die zweite (gewöhnlich die Oberwalze) mit
einem entsprechend profilirten Rande in das Kaliber eingreift, um es
zu schliessen, so nennt man solche Kaliber geschlossene (vergl. die
Walzen BJ? in Fig. 381). In diesem Falle laufen die Ringe der Unter-
walze in Furchen der Oberwalze.
Um in Kaliberwalzen aus einem Rohproducte ein fertiges, bestimmt
profilirtes Fabrikat herzustellen, muss dasselbe mehrere verschiedene
Kaliber in bestimmter Reihenfolge passiren, welche lauter allmälige
Kaliber. 485
UebergaDgsformen von dem ersten rohen bis z.a dem yoUendeten Qaer-
scbnitte darstellen nnd demgemäss eine stete Querschnittsverringernng
aufweisen. Die Differenz zwischen der Grösse zweier auf einander fol-
gender Kaliberquerschnitte nennt man Abnahme oder Druck des
Kalibers.
Nor in einzelnen Fällen and bei Anwendung geschlossener Kaliber
ist es möglich, durch allmälige Näherung der beiden Walzen eine Quer-
schnittsverkleinerung bei einem und demselben Kaliber herbeizuführen,
also mit weniger Kalibern die fertige Form herzustellen.
Eine jede kalibrirte Walze enthält demnach eine grössere Anzahl
Terschiedener Kaliber; da jedoch die ersten Stadien der Umformung
eines rohen Metallstücks auch für verschiedene Querschnittsformen des
Endproducts häufig in ganz gleichen Kalibern erfolgen können, so unter-
scheidet man Vor walzen, welche jene ersten für verschiedene Endfor-
men dienende Kaliber enthalten, und Fertigwalzen, deren Kaliber
nur für einen einzigen ganz bestimmten Querschnitt dienen können.
Die Construction der Walzenkaliber ist eine um so wichtigere
Aufgabe und bedarf um so mehr Uebnng und Erfahrung, als dabei
nicht allein die Form des Fertigprofils zu berücksichtigen ist, sondern
auch die specifischen Eigenschaften der zu verarbeitenden Eisen- und
Metallsorten (insbesondere Dehnbarkeit und Härte). Dieses abweichende
Verhalten beim Walzen lässt für gleiche Endformen, aber verschiedene
Eisensorten, oft die Anwendung erheblich abweichender Vor- und
Zwischenkaliber zweckmässig erscheinen, denn wenn es einestheils wün-
Bchenswerth ist, in möglichst wenigen Kalibern den Walzprocess durch-
zuführen, den Druck also möglichst gross zu nehmen, so muss doch diese
Abnahme stets in directem Verhältnisse zur Dehnbarkeit und in indirec-
tem Verhältnisse zur Härte stehen. So z. B. wird man bei Anfertigung
von Eisenbahnschienen eine abweichende Kalibrirung der Walzen an-
wenden müssen, je nachdem die Schienen aus Stahl, aus Feinkorneisen
oder aus zwei zusammengeschweissten Eisensorten (sehniger Fuss und
Feinkorn- oder Stahlkopf) dargestellt werden sollen.
Theoretische Berechnungen helfen hierbei weniger als praktische
Erfahrung. Von vornherein muss bei der Construction der Kaliber
darauf Bedacht genommen werden, dass eine Verkleinerung der Quer-
schnittsabmessungen nur durch den von den Walzen gegen das Arbeits-
stück ausgeübten Druck, also bei Walzwerken mit horizontalen Walzen
nur in senkrechter Linie bewirkt werden kann, während die wage-
rechte Abmessung gleichbleibt oder meistens eine geringe Ausbreitung
erfährt, um das Einstecken zu erleichtern. Es darf also das einzufüh-
rende Arbeitsstück in seiner Breitenabmessung niemals grösser sein als
das Kaliber selbst, es würde unmöglich sein, dasselbe in das Kaliber
zu bringen. Die Kaliber und demnach auch das Arbeitsstück würden
demnach immer breiter und breiter werden müssen, wenn letzteres stets
in derselben Lage die Kaliber paasirt. Wenn demnaeh symmetrische
486 Walzwerke.
Qaerschnitte mit gleichen L&ngen- nnd Breitenabmessongen auf geome-
trisch ähnliche kleinere Querschnitte verdünnt werden sollen, so kann
dieses nur geschehen, indem man oblonge Kaliber anwendet, jedem fol-
genden Kaliber die Höhe des vorausgegangenen zur Breite giebt, die
Höhenabmessung aber verringert und den Stab nach jedem Durchlange
um 90 Grad dreht; bei weniger regelmässigen Querschnittsformen aber,
welche diese stete Drehung nicht gestatten, schaltet man ab und an
zwischen jenen eine Verbreiterung bewirkenden Streckkalibern soge-
nannte Stauchkaliber ein, in denen nach der einmaligen Drehung
um 90 Grad nun eine Verringerung der übermässig ausgedehnten Breite
stattfindet.
Je weniger Gelegenheit nun dem Walzstücke zur Ausbreitung ge-
geben ist, während durch den senkrechten Walzendruck seine Höben-
abmessung verkleinert wird , je . enger mit anderen Worten das Kabliber
ist, desto grösser fallt der Seitendruck aus, welcher zwischen den
Seitenwänden des Kalibers und dem Arbeitsstücke in Folge der verhin-
derten Ausbreitung erzeugt wird , desto schärfer wird zwar das ^rofil
des Arbeitsstücks an den Seitenflächen ausgebildet werden, desto mehr
wird aber auch das Walzen erschwert werden, und desto leichter wer-
den sich an den Theilungsstellen zwischen Ober- und ünterwalze« die
niemals vollkommen auf einander schliessen dürfen, sogenannte Barte,
Nähte oder Grate durch das Herausdrücken des weichen Metalls
bilden, welche sich oft nur schwierig und unvollkommen entfernen
lassen.
Es folgt hieraus zugleich, dass wenn der Durchmesser und die Um-
fangsgeschwindigkeit der Walzen gegeben ist, das durch den Höhendruck
bewirkte Strecken um so mehr beschleunigt werden kann, je weniger
das Kaliber zur Entstehung von Seitendruck Veranlassung giebt. Auf
dieser Thatsache beruht die Einschaltung von sogenannten Ovalkali-
bern O mit starkem Höhendrucke und fast unbegrenzter Ausbreitung
für solche Zwecke, wo eine rasche Streckung Haupterforderniss ist,
also bei Vorwalzen und insbesondere bei Herstellung sehr dünner Eisen-
stäbe, welche rasch abkühlen.
Eine horizontale Linie, durch die Mitte der Kaliber gelegt, nennt
man die Walzlinie. Wollte man diese Walzlinie genau in die Mitte
zwischen die Achsen der Ober- und Unterwalze legen, so würden beide
Walzen gleiche Durchmesser erhalten und der Kaliberquerschnitt gleich-
massig auf Ober- und Unterwalze vertheilt werden. Es würde aber
auch das Arbeitsstück bei dem Austreten aus dem Kaliber eine gleich
grosse Neigung besitzen, sich um die Ober- wie Unterwalze herumzulegen,
und dieser Neigung ohne Regel Folge geben, je nachdem die eine oder die
andere der Walzen die grösssere Veranlassung durch Reibung etc. dazu giebt;
man müsste dieses Umbiegen, beziehentlich Umwickeln des Walzstücks, wel-
ches nicht allein dasselbe verderben, sondern auch zu Walzenbrüchen leicbt
Veranlassung geben würde, durch geeignete Vorrichtungen an beiden
Kaliber. 487
Walzen verhindern. Zar Beschränkung dieser Vorkehrungen (von
denen unten die Rede sein wird) auf die Unterwalze, wo sie am wenig-
sten im Wege sind, legt man die Walzlinie etwas tiefer, als die Mittel-
linie der beiden Walzen; dadurcb wird der Durchmesser der den Höhen-
druck ausübenden Kaliberfläche der Oberwalze etwas grösser als der der
Uuterwalze, die Umfangsgeschwindigkeit und demnach auch die Streckung
in der obern Kaliberhälfte etwas beträchtlicher als in der untern, und in
Folge hiervon auch das Bestreben des austretenden Walzstücks grosser,
sich nach unten als nach oben zu biegen. Man nennt diese stärkere
Streckung durch die Kaliberfläche der Oberwalze „Oberdruck^.
Aus demselben Grunde giebt man gewöhnlich bei glatten Walzen
(Blechwalzen} der Oberwalze einen etwas grössern Durchmesser als der
Unterwalze. Die Differenz der Walzendurchmesser bei die86n wie bei
Kaliberwalzen mit getheilten offenen Kalibern beträgt IV2 bis 3 Mm.
bei flachen geschlossenen Kalibern pflegt der Durchmesser der wirksa-
men Kaliberflächen um 2 bis 8 Mm. abzuweichen, bei weniger einfachen
Formen erscheint oft mehr als ^/s der Kaliberhöhe unter der Mittellinie
und bei grossen Stauchkalibern steigt die Differenz der Kaliberflächen-
durchmesser bis auf 25 Mm. und darüber.
Für die ersten Kaliber der Yorwalzen wendet man naturgemäss
möglichst einfache Querschnitte an und entwickelt aus diesen allmälig
die verlangten Formen. Wenn mit der ersten Formgebung in diesen
Kalibern zugleich eine Schweissung von Packeten verbunden ist, wählt
man gern, wo es die spätere Form des Arbeitsstücks zulässt, diagonal
stehende Kaliber, von flachen Kreisbogen begrenzt, und nennt dieselben
Spitzbogenkaliber; für die Fertigwalzen hat man dem Querschnitte
des Fabrikats entsprechend Flacheisenkaliber (mit rechteckigem
Querschnitte), Quadrateisenkaliber, Polygonkaliber, Rundeisen-
kaliber und Fagoneisenkaliber der mannigfachsten Art.
Bei Construction des Fertigkalibers muss den Abmessungen des
Querschnitts so viel zugegeben werden, als die Zusammenziehung des
hciss gewalzten Eisens, Stahls oder Metalls überhaupt beträgt. Diese
Differenz nennt man das Schwind- oder Schrumpfmaass. Dasselbe
ist nicht nur von den Eigenthüralichkeiten des verarbeiteten Metalls,
sondern auch von der Temperatur abhängig, mit welcher dasselbe die
Walzen verlässt, und beträgt beim Eisen gewöhnlich Vso bis 7^4 der
linearen Abmessungen.
Hinsichtlich des Abnahmeverhältnisses der Kaliber ist durch Erfah-
rung festgestellt, dass
kaltbrüchiges (phosphorhaltiges) Eisen die stärkste Abnahme ver-
trägt;
gutes sehniges oder körniges Eisen, auch weicher Stahl, ein mittle-
res Abnahmeverhältniss verlangen;
rothbrüchiges (schwefelhaltiges) Eisen sich , sobald es bis zur Roth-
488
Walzwerke.
glath abgekühlt ist, nar in Kalibern mit geringem Abnahmeverbältnisee
aas walzen läset; und
harter Stahl die geringste Abnahme verträgt.
Bei den Yorwalzen mit Spitzbogenkalibern pflegt die Abnahme der
linearen Höhenabmessung Vs ^^^ Vis ^^ betragen, wobei in Folge des er-
wähnten Umstandes, dass eine Drehung des Arbeitsstücks um 90 Grad
nach jedem Durchgange stattfindet, die thatsächliche Verkleinerung der
betreffenden Abmessung des Arbeitsstücks das Doppelte beträgt; bei
flachen Kalibern, bei deren Anwendung jene Drehung nicht stattfindet,
wohl aber eine jedesmalige Ausbreitung, beträgt die Abnahme V4 ^^^ Vs-
In Bücksicht auf die Abkühlung des Arbeitsstücks bei fortgesetztem
Walzen muss die Abnahme um so geringer worden, je weiter die
Vollendung Torrückt.
Zur Construction eines Spitzbogenkalibers kann man z. B. nach
Da eleu in folgender Weise verfahren. Es sei in Fig. 384 AB oder CD
Fig. 384. ^^ Diagonale des zu
. I walzenden, vierkantigen,
K*— -.. rohen Metallblocks (be-
ziehentlich Packets); 1/3
das Abnahmeverhältniss ;
man mache also EF =
Vs ÄEy beschreibe mit
dem Radius FJ = V4
Ä B , die Kreisbogen
- ÄF, FB, BH, AH
und runde beiJ. und B
die scharfen Ecken mit
einer schwachen Erwei-
terung ab, um eine
geringe Ausbreitung zu
ermöglichen und die
Walzen vor Rissen zu
schützen. Die Erweite-
rung beträgt Vs bis Vio des Halbmessers. Für das zweite Kaliber
nimmt man EK = EF, EL= '^/^ ÜK und verfährt wie bei dem
ersten u. s. w.
Um die aus den Spitzbogenkalibern hervorgehenden Stäbe in ge-
schlossenen Kalibern zu Flachstäben auszuwalzen, kann die Kalibrirung,
wie in Fig. 385 veranschaulicht, ausgeführt werden. JPQB8 ist das
letzte Spitzbogenkaliber, e d der Durchmesser des in dasselbe ein-
geschriebenen Kreises. Man macht CD = cd = -AC; E F = (p A C;
GH=ilfEF, worin 9 = % bis Vi, * = V* bis Ve; jedes folgende
Kaliber um ca. 2 Mm. breiter als das vorausgegangene. Unter Umständen
kann auch das grosse Kaliber AB CD ganz wegfallen und man aus
dem Spitzbogenkaliber sofort in das Kaliber EF übergehen.
■^- — CL.— --
Kaliber.
489
Qaadratst&be kann man diagonal stehend in offenen Kalibern wal-
zen, und zwar zunächst in Spitzbogenkalibern und erst zur Vollendung
in 2 bis 4 Qnadratkalibern. Da die Kanten des Stabes rascher erkalten
*
Fig. 385.
IL
"Gi
Fig. 386.
als die Seitenflächen und demnach weniger schwinden, würde ein Stab
in einem vollständig quadratischen Fertigkaliber ausgewalzt nach dem
Erkalten eine Querschnittsform, wie in Fig. 386 zeigen. Erfahrungsge-
mäss läsat sich nun dieser Uebelstand vermeiden, wenn man auch in dem
Vollendkaliber den Querschnitt schwach rhombisch
construirt, den obem und untern Winkel etwas
grösser, die beiden Seitenwinkel etwas kleiner, als
90 Grad nimmt. Die Grösse des obem und untern
Winkels pflegt demnach 92 bis 92 V^ Grad zu be-
tragen, woraus sich die Grösse der Seitenwinkel von
selbst ergiebt. Der Stab muss in diesem Falle das
letzte Kaliber zwei Mal passiren und wird dabei um
90 Grad gedreht. Oder man vermeidet das Zusammenziehen der flachen
Seiten, indem man im letztern Kaliber die vier Eokwinkel zwar gleich
90 Grad macht, den Seitenlinien des Quadrats aber eine geringe Aus*
bauchung giebt, welche beim Schwinden in die gerade Linie übergeht.
Rundstabe erhalten gewöhnlich in Spitzbogen- oder Ovalkalibem
der Vorwalzen ihre Streckung und erst ihre Vollendung in einem oder
einigen Bundkalibem der Fertigwalzen« Diese Rundkaliber sind offene
Kaliber, niemals vollständig kreisrund, sondern in Rücksicht auf die
Ausbreitung etwas breiter als hoch. Sind hierbei die Kaliberhälften gar
zu flach und nähern sich der elliptischen Form, so entsteht statt eines
Rundstabes ein Polygon mit abgerundeten Ecken; sind sie annähernd
halbkreisförmig, so entsteht ein zu grosser Seitendruck und es bilden
sich Nähte, die in dem folgenden Kaliber nach dem Drehen des Stabes
um 90 Grade leicht zur Entstehung von Längsrissen Veranlassung
geben. Folgende (üonstruction von Rundkalibem wird als zweckmässig
empfohlen (Fig. 387 a. f. S.):
490
Walzwerke.
CD und NO sind YiertelkreisbogeD, deren Darchniesser CO gleich
dem Durcbmesser des herzastellenden Rundeisens plas dem Schwind-
maasae ist. Mit der Seite CD des eingeschriebenen Quadrats beschreibt
man you den Ecken C, D, Ny O aas Bogen , und in den Durchschnitts-
pnnkten L etc. derselben mit den Durchmessern C 0 und D N liegen nun
Fig. 387. die Mittelpunkte för die
Kreisbogen CI.DK, IN
und KOy welche die Ver-
breiterung der Kaliber
bilden* Die Ecken der
halben Kaliber werden
abgerundet, und das fol-
gende Kaliber in ganz
pK... gleicher Weise' construirt.
Durch das Schlusskaliber
wird der Rundstab meh-
rere Male unter steter
<0 Drehung um 90 Grad
hindurchgeführt.
Kaliber fftr sogenann-
tes Fagoneisen , unter
welchem Ausdrucke wir
alle solche Eisensorten verstehen, deren Querschnitte weder ein Recht-
eck oder Quadrat, noch ein Polygon oder einen Kreis yorslellen, sind
um so schwieriger herzustellen, je weniger einfach der Querschnitt des
Fertigfabrikats ist. In fast allen Fällen müssen die Kaliber der Vor wal-
zen zu den verschiedenen Fagoneisensorten von einem annähernd qua-
dratischen Querschnitte ausgehen, der also während des Walzens um so
grössere Veränderungen erfahren mnss, je weiter sich die Form des fer-
tigen Querschnitts von der quadratischen Form entfernt. Wenn es für
einzelne Querschnitte erforderlich ist, tief eingeschnittene Kaliber an-
zuwenden, so erhöht sich die Schwierigkeit der Anfertigung in Folge
des Umstandes, dass die Umfaugsgesch windigkeit an den verschieden
tief eingeschnittenen Stellen des Kalibers verschieden gfross ist , also eine
ungleiche Streckung an den verschiedenen Stellen erfolgt und dadurch
Spannung in dem fertigen Eisenstabe hervorgerufen wird. Da femer
die Querschnittstheile eines Eisenstabes um so rascher abkühlen, je
schwächer sie sind, und da sie um so weniger gestreckt werden, je wei-
ter die Abkühlung vorschreitet, so würde bei Profilen, welche an ver-
schiedenen Stellen erhebliche Abweichungen in den Querschnittsverhält-
nissen zeigen, leicht eine ungleiche Streckung oder gar ein Zerreissen
des früher erkaltenden Theils herbeigeführt werden können. Zur Ver-
meidung dieses üebelstandes befolgt man die Regel, die stärkeren Theile
des Querschnitts zuerst, die schwächeren zuletzt auszubilden. Je
schwächer ein Theil des Profils im Verhältnisse zu den übrigen Xheilen
Kaliber.
491
ist, desto grösser mnss aus diesem Grande das Abnahme verhältniss für
diesen Theil sein, um durch rasche Querschnittsverdünnung einer yor-
zeitigen Erkaltung vorzabeugen.
Bei Aufzeichnung der Kaliber fangt man. mit dem Fertigkaliber an,
indem man dem Querschnitte des Fabrikats das Schwindmaass zugiebt.
Fig. 388.
Die Abbildungen Fig. 388 • und 389 können beispielsweise zur Ver-
anschaulichung der allgemeinen Einrichtung von Eisenbahnschienenwal-
zen dienen. Fig. 388 sind die Vorwalzen, welche nach den drei yoraus-
gegangenen sogenannten Schweisskalibem schon zwei Entwickelungs-
Fig. 389.
kaliber enthalten; Fig. 389 stellt die Vollendwalzen dar. Auch bei der
Schienenfabrikation sucht man den Kalibern der Vorwalzen eine solche
Form zu geben, dass sie für mehrere Schienenprofile benutzbar sind.
492
Walzwerke.
Fig. 390.
Zwischen je sswei Schweisskalibem wird das Packet oder Eisenetück am
90 Grad, zwischen je zwei Entwickelangskalibem um 180 Grad gedreht,
um beiden Seiten abwechselnd Oberdmck zu geben. Wie man sieht,
sind die Kaliber der Vorwalzen offen, jedoch mit ziemlich bedeutendem
Oberdmck, and zur Verhinderung eines seitlichen Yerschiebens der
Walzen gpreifen die meisten ihrer Ringe conisch in einander. Die Kali-
ber der Fertigwalzen sind dajgegen sämmtlich geschlossen, nur die bei-
den letzten in ihrer Form übereinstimmenden Kaliber (von denen selbst-
yerständlich nur ein einziges jedesmal benutzt wird und das zweite als
Reserve dient) sind an dem Kopfe der Schiene getheilt, wodurch eine
bessere Abrundung desselben erzielt wird. Aus den Abmessungen des
letzten Yorwalzenkalibers und des ersten Streckkalibers der Fertigwalze
ergiebt sich, dass in Folge der stattgehabten Ausbreitung der Stab sich
nicht ohne Weiteres in letzteres einführen lassen würde. Deshalb ist
zwischen beiden ein Stauchkaliber eingeschaltet. Diese Stauchkaliber
haben vornehmlich den Zweck, den Fuss der Schiene auszubilden, welche
Aufgabe in den liegenden Kalibern um so
unvollkommener erreicht werden würde,
je breiter der Fuss ist. Mit zunehmen-
der Fussbreite muss daher auch die An-
zahl der erforderlichen Stauchkaliber sich
vergrö8sem> Ausserdem wird aber in den
Stauchkalibem (in welchen natnrgemäss
in der umgekehrten Lage der Schiene der
Oberdmck auf den Fuss wirkt) bei Anwen-
dung von Schmiedeeisen die Entstehung
einer sehnigen Textur befördert, was dem
Zwecke der Schiene entspricht. Die Ab-
nahme aus dem vorletzten in das letzte
Kaliber macht man gewöhnlich etwas
schwächer, als bei den vorhergehenden,
um nicht durch zu starken Druck eine
Naht auf dem Scheitel des getheilten
Schienenkopfs entstehen zu lassen.
Winkeleisen wird gewöhnlich mit
dem Winkel nach unten und gleichmässi-
gem Drucke auf beide Schenkel darge-
stellt und aus einer quadratischen oder
rechteckigen Form entwickelt. Die Kali-
ber der Fertigwalze sind natürlich
s&mmtlich geschlossen und der eingi*ei-
fende Rand der Ober walze bildet die
innere Fläche des Winkels aus. Fig. 390
veranschaulicht die Entwickelang der
Kaliber einer Fertigwalze, nachdem
in der Vorwalze die Auabildnng dar rechteckigen Form stttttgefau-
deo hat.
T-förmiges Eisen wird in ähnlich cooBtrairteDK&Iibern alfiEiaeii-
bahüBchienen gewalzt; znr Darstellung von doppelt TEieen benutzt man
Packete , welche schon einen ähnlich profilirten Querschnitt besitzen
(siehe nnten Fig. 415), und walzt ans diesen das fertige Eisen mit jedes-
maliger geringer Ansbreitung nnd ohne Anwendung von Stancbkali-
bern ans.
Wenn man auf der Oberfläche der Walze oder innerhalb eines ge-
wöhnlichen, ringrörmigen Kalibers einzelne bestimmt profilirte Vertie-
fungen beziehentlich Erhabenheiten anbringt, so wird ein dnrch die
Walzen hindurchgehender Stab eine Reihe Vorsprünge beziehentlich Ein-
drücke erhalten , deren Abstände Ton einander durch die Abstände jener
Vertiefangen oder Erhabenheiten bestimmt sind. Man nennt solche Rä-
uber periodische. Sie werden u. a. angewendet zor Anfertigung von
Nageleisen zn Schienennägeln, welches einen langen Eisenstab Ton dem
Querschnitte der Nägel, nnd in den Abständen der Nagellänge mit aus-
geprägten Köpfen vorstellt, so dass man die Nägel nur abznhanen, den
Kopf etwas nacbznschmieden und die Spitze auszubilden braucht.
Fig. 391 veranschaulicht die Form einer solchen Nageleisenwalze in '
der Ansicht und im Querschnitte, Fig. 392 A (a. f. S.) die Form des abgehaue-
nen, Fig. 392 B des fertig geschmiedeten Nagels. Die Kaliber aa der
494 Walzwerke.
Walze sind sämmtlich gleich, und es wird immer nur eines derselben
gebraucht, während die übrigen als Reserve dienen; das breite Kaliber h
Fig. 392 A. Fig. 392 B.
A B
hat den Zweck, das fertig gewalzte Nageleisen nach einer Drehung von
90 Grad hindnrchzuführen , um die entstandenen Barte einzuwalzen.
Wie aus dem Querschnitte in Fig. 391 hervorgeht, hat der auB den Yor-
walzen kommende Stab den Querschnitt der Nagelköpfe, und wird dem-
nach innerhalb des Nagelkalibers auf den Querschnitt des Nagelschafts
gestreckt, wobei nur der Kopfquerschnitt unverändert bleibt.
In ähnlicher Weise walzt man Eisenstäbe für Hufeisen mit den er-
forderlichen Buckeln etc. und andere Formen. Selbst solche Gegenstände
hat man durch periodische sich ergänzende Kaliber in Ober- und Unter-
walze aus vollen Stäben oder Blechen ihren Umrissen und ihren Stärkeab-
messungen nach hergestellt, welche mit ihrem ganzen Umfange aas der
ursprünglichen Stabform heraustreten, z. B. Löffel und Gabeln aus Neu-
silber. Man benutzt dazu Bleche von derjenigen Stärke, welche der
fertige Löffel oder die Gabel an der stärksten Stelle, also an dem An-
satzpunkte des Stiels, erhalten soU. Diese Blechstreifen werden in so-
genannten Yordruckwalzen durch periodische Einwirkungen derartig
umgeformt — gestreckt — , dass sie im Längsschnitte mit dem Längen-
durchschnitte einer Anzahl an einander gereihter Löffel oder Gabeln über*
einstimmen; in einem folgenden Walzenpaare erhalten sie nunmehr auf
der Oberfläche die Ornamentirungen , Inschriften u. s. w. des fertigen
Fabrikats. Auch aus diesen Walzen geht das Arbeitsstück als ebener
Streifen hervor, der aber den vollständigen Umriss nnd die Oberfläche
einer Reihe von Löffeln oder Gabeln zeigt.
Durch eine YoUendungsarbeit wird aus dem inzwischen hart
gewordenen Blechstreifen das Arbeitsstück ausgelöst, getieft u. s. w. ^).
Nahe verwandt mit diesen periodischen Kalibern sind die sogenann-
ten unterbrochenen Kaliber, in welchen nur auf eine bestimmte Stelle
des eingesteckten Arbeitsstucks eine Wirkung ausgeübt wird, indem
man an der übrigen Länge des Umfangs einen Ausschnitt anbringt,
welcher das Einstecken gestattet, ohne dass eine Berührung mit den
Walzenflachen stattfindet. Wenn z. B. die in Fig. 393 im Durchschnitte
gezeichneten Walzen sich in der Richtung der Pfeile drehen , so lasst
sich der Stab a von der rechten Seite her in dem Augenblicke zwischen
dieselben einstecken, wo der Ausschnitt der obern Walze unten steht.
^) Näheres über die Anfertigung neusilberner Löffel durch Walzen nebst
Abbildung der Walzwerke siehe Wiebe, Skizzeubuch, Jahrgang 1867, Heft 2.
Kaliber. 495
Bei fortgesetzter Drehung der Walzen wird nnn aber alsbald der Stab
ergrifien und wieder nach rechts heraosge walzt, dabei aber eugleich
Pj jgg in Folge der ezcentriachen
Purm dei obera Ealibera
nach dem Ende zn mehr und
mehr zDsammengedrQckt
werden, wie es die pnnktir-
ten Linien andeuten. Solche
Walzen werden n. a. benutzt,
um Drahtenden anznapitzeu
I (für die Drahtzieherei), Feder-
schienen auBsnkeilen d. b. f.
Bei den beschriebenen
Kaliber walzen nehmen die
Ringe oder Ränder zwischen
den einzelnen Kalibern einen
nicht unbeträchtlichen Tbeil
der Gesammtlänge einer
Walze in Ansprach. Für
Anfertigung solcher Eisensorten mit rechteckigem Querschnitte (Flach-
eisen), welche keine scharf ansgehildeten Kanten zu besitzen brauchen,
bei denen also starker Seitendruck nicht erforderlich ist, wendet man
deshalb wohl zur Umgehung dieBcs fflr die AnsnutzoDg der Walzenlänge
offenbaren Nachtheils Walzen an , bei denen eine Reihe immer engerer
Kaliber ohne dazwischen liegende Ringe auf einander folgen, and nennt
diese Walzen ihrer Form halber Staffel- oder Stufenwalzen. Die
Abbildung Fig. 39i stellt ein Paar solcher Staffelwalzen dar.
Fig. 384.
Es wurde bereits oben erwähnt, dass die Unterwalze mit einer Vorrich-
tung versehen sein müsse, um das Umwickeln des ans den Walzen kommen-
den Stabes um die Walze unmöglich zu machen. Als solche Vorrichtung
dient eine horizontale Abstreifplatte aus Blech oder Gasseisen, welche hin-
ter den Walzvn mit dem einen Kode auf einer zwischen den Ständern be-
496 Walzwerke.
festigten Querstange, mit dem andern Ende auf der Anssenfläcbe der
Walze aufruht, der Ealiberform entsprechend aasgeschnitten und vom
zngeschärfb ist, so dass ihre Oberfläche eine Tangentialebene gegen die
Walze bildet. Statt der ganzen Platte erfüllen auch einzelne Stäbe, so-
genannte Abstreifm eissei, den Zweck, welche die Breite der Kaliber be-
sitzen, an die Innenfläche derselben genau anschliessen und ebenso wie
die Platte auf einem Querstabe ruhen. Bei Kalibern, deren Form die
Gefahr für das Festklemmen der Stabe besonders gross erscheinen lässt,
bringt man unter den Abstreifmeissein noch besondere Abstreifeisen an,
die mit ihrem untern Ende schamierartig an der Sohlplatte des Walz-
werks befestigt sind, sich schräg gegen die Walze neigen, und mit dem
obern entsprechend geformten Ende in das Kaliber eingreifen.
Zur Erleichterung des Einlassens der Arbeitsstücke befinden sich
an der vordem Seite der Walzen der horizontale Walzentisch oder
Walztisch aus Gnss- oder Schmiedeeisen, ebenfalls auf einem Querstabe
zwischen den Ständern befestigt und mit dem andern Ende auf dem Um-
fange der Unterwalze ruhend. Vielfach bringt man, um die richtige Ein-
führung zu erleichtern , senkrechte Wände auf dem Walztische an, sol-
cherart Rinnen bildend, welche in die einzelnen Kaliber führen und nach
der dem Arbeiter zugekehrten Seite sich erweitem.
Wenn das Walzstück die Walzen verlassen hat, so muss es, sofern
es in seiner Form noch nicht vollendet ist, wieder an die entgegen-
gesetzte Seite des Walzwerks geschafft werden, um von Neuem durch die-
Walzen hindurchzugehen. Dieses Hinüberschaffen wird durch ein An-
heben bis zur Oberkante der Oberwalze bewirkt, und es veranlasst als-
dann die Reibung der sich in der -entsprechenden Richtung drehenden
Oberwalze das Hinübergleiten. Kleine Stücke werden ohne Weiteres
mit der Hand emporgehoben, mittelgrosse werden mit Hülfe eines Appa-
rats gehoben, welcher aus einer Stange oder Gabel besteht, hebelartig
mit ihrem Drehungspunkte an einer herabhängenden Kette befestigt,
deren oberes Ende an einer Laufrolle auf einer am Dachgerüste an-
gebrachten Schiene befestigt ist, mit deren Hülfe sie in der ganzen
Längenansdehnung des Walzwerks bewegt werden kann.
Für schwere oder sehr breite Walzstücke (z. B. Bleche) reicht je-
doch diese einfache Vorrichtung zum Ueberheben nicht ans, man bedient
sich eines beweglichen Tisches, welcher das herauskommende Walzstück
aufiiimmt und alsdann mit diesem auf die erforderliche Höhe gehoben
wird. Gewöhnlich ist die den Walzen abgewendete Seite des Tischs mit
Drehungszapfen befestigt und nur die den Walzen zugekehrte Seite wird
gehoben, wobei der Tisch entsprechend lang sein muss, um nicht beim
Anheben einen allzu steilen Neigungswinkel zu erhalten. Das Anheben
erfolgt bei kleineren Walzwerken mit Hülfe eines Hebels durch Men-
Bchenkraft (vergl. unten Fig. 407), bei grosseren durch eine kleine,
neben den Walzen aufgestellte Dampfmaschine, durch hydraalischen
Vorrichtungen zum Ueberheben. 497
Druck, durch eine Frictionsvorrichtung , welche mit dem Walzwerke
selbst in Verbindung steht ^) oder dergleichen.
Um den Stoss zu vermeiden, welchen das überhobene und von der
Walzenoberkante auf den Walzentisch niedergleitendcT Walzstück auf
letztem ausüben würde, macht man bei Walzwerken für schwere Bleche
und dergleichen auch den vor den Walzen befindlichen Tisch beweglich und
lässt beide Tische von einem gemeinschaftlichen Bewegungsmechanismus
aus sich gleichzeitig heben und senken.
Zur Verminderung der Reibung, welche die Arbeitsstücke beim Vor-
schieben auf den Walztischen hervorrufen, und durch welche ihre Bewe-
gung beträchtlich erschwert werden würde, versieht man die Walztische
mit einer Anzahl Rollen, deren Achsen parallel der Walzwerksachse lau-
fen, und deren Oberkante ein wenig über die Oberkante des Tischs her-
vorragt (vergl. unten Figur 407 und 408). Letzterer wird aus Winkel-
oder Flacheisenstaben gitterartig zusammengesetzt, und in den Zwischen-
räumen zwischen den Gitterstäben sind die Rollen gelagert. Das Arbeits-
stück ruht nunmehr lediglich auf den neben einander befindlichen Rollen
und die beträchtliche gleitende Reibung beim Vorschieben verwandelt sich
dadurch in die weit unerheblichere rollende.
Sinnreiche Constructionen beweglicher Walztische sind auf nord-
amerikanischen Eisenwalzwerken in Anwendung unter der Bezeichnung
„Fritz 'scher Walztisch", von G. Fritz erfunden, von J. Fritz und
A. Holley verbessert. Dieser Walztisch, aus zwei an beiden Seiten des
Walzwerks befindlichen selbständigen Hälften bestehend, wird mit Hülfe
eines Hebelwerks gehoben und gesenkt, welches von einem hydraulischen
Gy linder aus bewegt wird, und verrichtet somit das Anheben des Walzstücks ;
er ist in beiden Hälften mit Rollen versehen, ähnlich den oben erwähnten,
welche aber unter sich durch Zahnräder verbunden und von einem Motor
aus in beiden Richtungen drehbar sind, so dass durch diese Drehung
der Rollen eine Zuführung des auf ihnen ruhenden Walzstücks gegen
die Walzen bewirkt wird; er besitzt endlich eine Vorrichtung, welche
eine Drehung des Walzstücks um 90 Grad und eine seitliche Verschie-
bung nach dem folgenden Kaliber ermöglicht. Diese letztere Aufgabe
erfüllt ein Wagen unterhalb des Tischs auf Schienen , parallel der Walz-
werksachse laufend , und von einem dritten Motor (hydraulischem Cylin-
der) aus bewegt. Auf dem Wagen sind vier aufrecht stehende Arme
befestigt , deren obere freie Enden zwischen den Rollen des Walztischs
vorstehen, wenn dieser in seiner tiefsten Lage sich befindet, in solcher
Lage also das Walzstück ergreifen und seitlich verschieben können; die
aber, in geeigneter Stellung unter das Walzstück geschoben, wenn der.
Tisch hoch steht, beim Niederlassen des letztern ein Wenden des Walz-
stücks bewirken müssen. Zur Steuerung dieser verschiedenen Be-
wegungsmechanismen sind zwei bis drei Arbeiter erforderlich. Die
*) Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben etc., Bd. IX., S. 188(Tunner).
li edebar, meohauisoh - metaUaigische Technologie. 32
498 Walzwerke.
hauptsächlichste — wie es scheiat bis jetzt aasacblieBaliche — Anwen-
dung findet der Fritz'sche Walztisch beim Vorwalzen aod Verdichten
schwerer Bessemerblöcke in Bogenannten Blooming mills, grossen Walz-
werken mit drei über einander liegenden Walzen (vergl. anten: Drei-
walzen Systeme). Abbildungen und BeBchreibungen deeselben finden sieb
in: Wedding, Das Eisenhüttenwessen der Vereinigten Staaten von Nord-
amerika (Zeitscbriil fQr Berg-, Uütten- nnd Salinenwesen im preussi-
acbea Staate, Bd. 24), S. 70; Tnnner, Das Eisen hätten wesen der Ver-
einigten Staaten von Nordamerika, Wien 1377, S. 95 nnd 159.
Die St&uder. Dieselben baben die Form eines aofrecht atehen-
den, starken gosseisemen Rahmens, welcher die Lager der Walaeo ent-
hält. Die Unterwalze bedarf nnr eines Unterlagers da der Tom Walz-
stücke ausgeübte Drnck jedes Heben derselben verhindert; sie rabt mit
ihrem Lager in dem Fasse des Ständers nnd kann also ihre Lage wäh-
rend der Arbeit nicht verändern. Auf die Oberwalze dagegen wirken
zwei entgegengesetzte Kräfte; ihr eigenes Gewicht zieht sie während der
Ruhe nach nnten, der Dmck des durchgehenden Walzstücks hebt sie
empor. Sie moss also mit Ober- nnd Unterlager versehen sein; und
das erstere mnss in seiner Höhenlage stellbar gemacht sein, am den
Fig. ae.i. Fig. 396.
Ständer. 499
Abstand zwischen beiden Walzen regnliren zn können. Als Bolche Vor-
riehtnng dient eine senkrechte Druck- oder Stellachranbe , welche von
oben anf das Lager drückt and somit daa Anheben der Walze aaf ein
grösseres Haass verhindert. So lange die Oberwalze sich selbst über-
lassen ist, mlit sie dagegen im Unterlager oder aof der Unterwalze; sie
wird während des Durchgangs des Walzstücks gehoben und fSllt, sobald
dasselbe die Walzen verlasBen bat, wieder Enrück. Die dnrch dieses
Empordrücken nud Niederfallen verursachten Stösse werden nm so em-
pfindlicher sein, je schwerer die Walze and je beträchtlicher die jedes-
malige Querschnitts Verkleinerung des Arbeitsstücks ist. Zar Vermei-
dung der dnrch diese Stösse erzeugten Gefahr f^r Beschädigongeu des
Walzwerks hat man deshalb bei schweren Walzwerken, insbesondere
auch bei vielen Blechwalzwerken, das Gewicht der Ober walze dnrch Gegen-
gewichte ausgeglichen oder auf ein sehr geringes Maass redncirt, und
unterscheidet demnach Walzenständer mit und ohne Gewichtsansgleichnng
der Oberwalze.
Die Figuren 395 bis 398 veranschaulichen in 7s4 <'^'' wirk-
lichen Grösse die übliche
'*■ ■ Construction eines Walzen -
Ständers ohne Gewichtsans-
gleichnng. a ist der in
einem Stücke gegossene Rah-
men, unten zur bessern Auf-
lage mit angegossenen Lap-
pen versehen , welche mit
sogenannten Arbeitsleisten,
d. h. gehobelten vorstehenden
^'« ■''** Flachen, auf der Fundament-
platte ruhen und zwischen
Nasen derselben festgekeilt
werden, m ist das Lager
der Unterwalze , mit der
Innern Rahmenfiäche zu-
sammengepasst und durch
Keile ein wenig in seiner
Höhenlage verstellbar, d ist das Uaterlager und c das Oberlager der
Oberwalze. Sämmtliche Lager sind mit Lagerschalen aus Rolhguas
oder Hartblei versehen, und um eine seitliche Verschiebung zu vermei-
den, greifen sie an der den Walzen zugekehrten Seite mit einem Vor-
sprunge in den Falz t derselben , während die Walzen selbst eine Ver-
schiebung nach dieser Seite hin unmöglich machen. Das Lager d ist
durch die beiden Schraubenbolzen h h getragen, welche durch Bohrungen
des Lagerdeckels c hindurch gehen; dieStellnng des Lagers ist gewöhnlich
eine solche, das« während des Stillstandes and Leerganga die Oberwalze
aof der Unterwatze ruht. Die Druckschraube e, welche durch eine in
dem obem TeratSrkten Theile des Stinders befestigte metallene Schran-
benmntter hiodarchgelit, bestimmt die Höhe, auf welche sieb beim Durcb-
gange des Walzstttcks die Oberwalze za heben vermag, und somit die
GröBse des Kalibeiqaerschnitts ; es iat einleucbtead , dass man dnrch
Höher- nnd Niedrigerstelle n der Schraube denselbeii iDnerhalb gewisser
Grenzen verändern kann. Um nun aber Mr den Fall , daaa der durch
die Schraube ausgeübte Druck zu beträchtlich im VerhältniBse zur Dehn-
barkeit und Härte des Metalls sein sollte, «in Zerbrechen koatspielig-erer
Ständer. 501
Theile, insbesoDdere derW&lxen, m verhilten, ütswischen Drnckschranbe
nnd OberUger die Brecbkftpsel > eiDffescIudtet, ein Giuseisenstdck,
welches sertrütnmert wird, sobald ein anberechneter Widerstand eintritt
Bei neueren Walswerken bat man mehrfach das Oberlager c an
die Schrauben h gehängt nod das I>ager d dnrcb ein Paar besonderer
Schrauben mit C verbanden. Man beabsichtigt damit, die Verstärkung
der Zapfenreibnng sn vermeiden , welche durch festes Ansiehen der
Stellachranhe in der obem Lagerschale herrorgernfen wird; denn da in
der geänderten ConstroctioD die Entferaung der Lagerecbalen von ein-
ander durch die Drnokschranbe nnbeeinflnsst ist, so bleibt auch die
ZaprenreibuDg die gleiche, ob die Scbranbo fest oder weniger fest ao-
Pig. 400.
gezogen ist Je it&rker der Dmok der Schraube e aber ist, desto ge-
nauer werden die Kaliber auf einander schliessen, desto weniger wird
eine Erweitenmg des Kalibers eintreten kSnnen ').
Die Nuthen bb dienen znr Anbringung der Qnerstäbe f&r die Unter-
statzung der Einläse- und AnalaasTorricbtungen ; nn sind vier Scbranben-
Idcber fOr die vier AnkerschraubeD, welche je ein Paar zusammengehöri-
ger Walsenständer verbinden.
Das GerOst eines Blech waltwerks mit Gewicbtansgleicbnng der Ober-
walzo ist in den Figuren 399 bis 402 abgebildet Der Ständer an nnd filr
>) Zeitschrift dentsohet Ingenienre, Jahrgang IBT8, 8. 661.
Walzwerke.
Fig. 401,
Ständer. 503
sich ist im Wesentlichen ebenso geformt, als der vorhin beschriebene.
Die Unterwalze ruht hier, was auch bei jenem zulässig gewesen sein
wurde, ohne Weiteres in dem Ständer, nur muss in diesem Falle, damit
man die Höhenlage der Walze regeln könne, die Lagerschale yerstell-
bar sein. Das Unterlager der Oberwalze wird in jedem Ständer von
zwei starken, senkrechten, schmiedeeisernen Stangen a a getragen,
welche durch entsprechende Oeffnungen desselben hindurchgehen und
unterhalb der Fundamentplatte sich auf die kürzeren gabelförmigen Arme
hhi und cci zweier ungleicharmigen Hebel stützen, deren längere Arme
mit Gewichten derartig beschwert sind, dass das Gewicht der Lager mit
der Walze eben ausgeglichen wird. Man versieht entweder jeden der
beiden Hebelarme mit einem besondern Gewichte, oder man beschwert
sie wie in der vorliegenden Abbildung (Fig. 402) gemeinschaftlich; auch
der Fall ist nicht sel-
Fig. 402. . - . j j
* ten, dass jeder der vier
schmiedeeisernen Tragbol-
zen einen besondern Hebel
mit Gegengewicht erhält.
Um die Gewichtsausglei-
chung reguliren zu kön-
nen, bestehen die Gewichte
aus einzelnen gusseisemen
kreisrunden Scheiben mit einem bis zur Mitte reichenden Schlitze ver-
sehen, die sich leicht abnehmen und auflegen lassen. Die Druckschrauben
und Brechkapseln haben die gleiche Einrichtung als bei dem oben be-
schriebenen Walzenständer ohne Gewichtsausgleichung. In Rücksicht auf
den Umstand jedoch , dass bei Blechwalzen nach jedem Durchgange des
Walzstücks eine Näherung der Walzen bewirkt werden muss, um zwi-
schen denselben Walzen eine Querschnittsverkleinemng zu bewirken;
und dass diese durch Anziehen der Druckschrauben bewirkte Näherung
durchaus gleichmässig an beiden Ständern geschehen muss, sind die
Druckschrauben an ihren Köpfen mit zw«i gleich grossen Zahnrädern
gg versehen, welche von einer über den Ständern gelagerten horizon-
talen Welle aus gleichzeitig in Drehung versetzt werden können und
diese Drehung den Schrauben mittheilen. Für die Uebertragung der
Drehung aaf die Zahnräder benutzt man wie im vorliegenden Falle
Schnecken, häufiger noch Winkelräder. Die Drehung der horizontalen
Antriebswelle erfolgt durch das Rad h und die Kurbel i.
In Fig. 401 sieht man den Walzentisch l und die Abstreifvorrich-
tung m.
Kupplungen. In Rücksicht auf das unvermeidliche Heben und
die bei Blechwalzwerken sogar erforderliche Veränderlichkeit der Höhen-
lage der Oberwalze ist eine Vorkehrung nöthig, um den Einfluss dieser
Vorgänge auf die Getriebe sowohl als die benachbarten Walzenpaare
mögliebst abzuschwächen und dadurch die Gefahr eines Bruchs zu ver-
504 Walzwerke.
meiden. Als solche Vorkehrung dient die Einschaltung einer Kupp-
lung zwischen je zwei Walzenpaaren oder einem Walzenpaare und den
Getrieben, bestehend aus einer Spindel, deren beide Enden durch über-
geschobene Muffen mit den Walzen- beziehentlich Getriebezapfen verbunden
sind und innerhalb der Muffen einen hinreichenden Spielraum finden, um
ein einseitiges Anheben aus der Horizontalen zu gestatten. Je langer die
Spindeln sind, desto kleiner wird der Neigungswinkel der Spindel beim
Heben der Walze ausfallen und desto weniger Spielraum innerhalb der
Muffen ist demnach erforderlich; desto besser schliessen die letzteren mit
den Spindeln zusammen.
Die Kupplungsspindeln erhalten natürlich an den Enden den näm-
lichen Querschnitt wie die Kupplungszapfen der Walzen und Getriebe,
den man nach der Mitte zu nicht selten noch schwächt (vergl. unten
Fig. 406), so dass bei ungewöhnlichem Widerstände gegen die Drehung
eher die Kupplungsspindeln als die kostspieligeren Walzen zerbrechen.
Von diesem Gesichtspunkte aus nennt man sie auch Brechspindeln.
Ihre Länge ist mindestens doppelt so gross als die der Muffen, um die
Einschaltung zwischen die festliegenden Zapfen möglich zu machen, und
beträgt gewöhnlich das 15- bis 20 fache der Höhe, auf welche die Ober-
walze gehoben wird. Der Querschnitt der Kupplungsmuffen ist gleich-
falls so bemessen, dass sie leichter als die Walzenzapfen zertrümmert
werden. Um eine selbstthätige Verschiebung der übergeschobenen Muffen
zu verhüten, legt man zwischen dieselben an den Umfang der Spindeln
Holzstücke von der Länge des Abstandes der Muffen von einander und
bindet diese durch Riemen fest (vergl. Fig. 381).
Die Getriebe oder Kamm walzen. In Rücksicht auf die Stösse,
welche vom Walzwerke ausgeübt und auf die Zähne übertragen werden,
müssen dieselben äusserst stark construirt sein. Sie sind wie die Wal-
zen mit Lauf- und Kupplungszapfen versehen. Bei den bis jetzt be-
schriebenen Walzgerüsten mit zwei Walzen wird stets das untere
Getriebe mit der Antriebswelle verbunden. Die Einrichtung eines
Getriebeständers wird durch die Figuren 403 und 404 erläutert. Der
Hauptunterschied gegenüber dem Walzenständer liegt in dem Weg-
fallen der Druckschraube und in der zur Erleichterung des Einlegens
dienenden Theilung des Ständers in Untertheil und aufgeschraubten
Deckel. Die beiden Getriebe laufen gewöhnlich mit abgedrehten, an-
gegossenen Ringen rr^ Fig. 405, welche genau den Durchmesser des
Theilkreises besitzen, auf einander, so dass das untere Getriebe durch
das obere in seiner Lage festgehalten wird und ein Lagerdeckel für
ersteres entbehrlich wird.
Es sei bei dieser Gelegenheit erwähnt, dass bei einzelnen Walzwer-
ken, besonders bei Blechwalzwerken, bisweilen die Getriebe weggelassen
und die Oberwalze nur durch die vom hindurchgehenden Bleche her-
vorgerufene Reibung gedreht wird. Man nennt diese Walzen Schlepp-
walzen.
Getriebe. Schwungrad. 505
Schwungrad. Dasselbe bat nicht allein den Zweck zu erfüllen,
die UngleichmäsBigkeiten im Gonge der Dampfmosuhine wie jedes andere
. Schwungrad auBzngl ei-
chen, sondern es soll die
Rückwirkung der hefti-
gen Stösse aof die Be-
triebanuMchine abschwä-
chen, welche beim Ein-
bringen des Walz Stücks
QQTermeiillich sind, nnd
es soll aiich Tomehmlich
den Ueberschuss an Ar-
beit aufnehmen, welchen
die Betriebsmaecbine wäh-
rend des LeergangB lei-
stet, und an das Wnlz-
Btflck abgeben, sobald die-
ses von den Walzen er-
fasst ist.
_. Da also die für die
Form Veränderung des
Walzstücks aufgewendete
Arbeit ans der direc-
ten Leistnng der Dampf-
maschine und der im
Schwnngrade aufgesam-
melten Arbeit sich zu-
sammensetzt , so folgt,
dosB bei Anwendung
eines genügend grossen
Schwungrades die Lei-
stung des Motors um so
geringer sein kann, je
länger die Perioden des
Leergangs zwischen den
Durchgängen des Metalls sind; und daes umgekehrt ein um so
schwereres Schwungrad erforderlich ist, je geringer die Leistung des
Motors ist.
Andererseits geht um so mehr Arbeit durch Reibung in den Schwung-
rad-Wellen lagern verloren, je gröeser das Schwungrad ist, und ebenso
verlängert sich die Zeitdauer für In- und Auaaergangsetznng der Ma-
schine mit zunehmendem S oh wungradge wicht«. Daher giebt es auch
hier eine Grenze der Zweckmässigkeit.
Ab geringstes Seh wnngradge wicht bei kleinen Walzwerken kann
man 10 000 Kilogramm annehmen; hei den Walzwerken mittlerer Grösse
506 Walzwerke.
ist das üblichste Gewicht 15 000 bis 20 000 Kilogramm; bei Blechwalz-
werken und Grobeisenwalz werken bis 30 000 Kilogramm.
Bei einer besondern Gattung von Walzwerken, welche unten ein-
gehender erwähnt werden wird, arbeitet man ohne Schwungrad, um die
Bewegungsrichtung der Walzen rasch umkehren zu können, und wendet
bei Anwendung von Dampfkraft Zwillingsmaschinen an, deren Kurbeln
um 90 Grad gegen einander gestellt sind, um die Unregelmässigkeiten
des Ganges auszugleichen.
Drei Walzensysteme (Trio Walzwerke).
Die Zeit, welche bei den bisher besprochenen Walzwerken mit zwei
Walzen darauf verwendet wird, das Walzstück über die Oberwalze zu-
rückzureichen, lässt sich für die Walzarbeit nutzbar machen, wenn man
statt zweier Walzen deren drei über einander anlegt und das zwischen
Unter- und Mittelwalze hervorkommende Walzstück zwischen Mittel-
und Oberwalze zurückgehen lässt. Es wird dabei nicht allein direct
Zeit gewonnen, sondern es wird in Folge der raschern Arbeit auch die
Wärme des Metalls besser ausgenutzt. Letzterer Umstand war es
hauptsächlich, der den Triowalzwerken, wie man dieses Walzwerk-
system zum Unterschiede von den Duowalzwerken mit zwei Walzen
benennt, schon in älterer Zeit für kleinere und mittlere Eisensorten,
welche rasch abkühlen, ausgebreitete Anwendung verschaffte, während
sie in neuerer Zeit auch für die schwersten Gegenstände vielfach mit Vor-
thoil benutzt werden. Für das Anheben der letzteren auf die Höhe der
Mittel Walzenoberkante benutzt man alsdann die schon früher beschriebe-
nen Ueberhebvorrichtungen (bewegliche Walztische).
Da das Kaliber der Mittelwalze ebensowohl dem Kaliber der Unter-
walze als auch dem Kaliber der Oberwalze zu entsprechen, mit diesen
zusammen erst die vollen Kaliber zu bilden hat, so ist die Kalibrirung
weniger einfach als bei den Zweiwalzensystemen. Oft hat man sich, ins-
besondere bei symmetrischen Formen, die Lösung der Aufgabe dadurch
sehr leicht gemacht, dass man das obere Kaliber gerade so formte als
das untere, mithin zwei gleiche Kaliber oben und unten erhielt; so z. B.
bei Rund- und Quadrateisenkalibem ; oder auch, indem man bei un-
symmetrischen Querschnitten abwechselnd oben und unten nur je ein
benutztes Kaliber anbrachte, über das untere benutzte Kaliber und unter
das obere benutzte Kaliber dagegen sogenannte blinde Kaliber verlegte.
Dadurch wird aber für die gleiche Zahl verschiedener Kaliber das
anderthalbfache Inventar an Walzen für das Triowalzwerk gegenüber
dem Zweiwalzensysteme erforderlich.
Am wenigsten schwierig gestaltet sich die I^ösung der Aufgabe,
fortschreitend streckende Kaliber in den Triowalzen anzubringen, wenn
das Arbeitsstück nach jedem Durchgange um 90 Grad gedreht wird,
Dreiwalzensysteme. 507
and es, wie bei Spitzbogenkalibem , nicht daranf ankommt, dass der
Querschnitt durchaus symmetrisch sei. Bei diesen letztgenannten muss
die obere Hälfte des untern Kalibers und die untere Hälfte des obern
Kalibers in die Mittelwalze fallen, also einander gleich sein; wenn man
demnach die dazu gehörige zweite Kaliberhälfte der Unterwalze ent-
sprechend höher macht als die zweite Kaliberhälfte der Oberwalze, so
wird bei gleichbleibender Breite des untern und obern Kalibers auch
die totale Höhe des Kalibers in dem obern sich ebenso verringern als
die Höhe zweier neben einander liegender Kaliber des Zweiwalzensystems,
demnach, wenn der Stab gedreht wird, sowohl Streckung als seitliche
Ausbreitung stattfinden, vorausgesetzt, dass die Breite beider Kaliber
betrachtlicher ist als die Höhe des untern.
Weniger einfach lässt sich die Kalibrirung des Dreiwalzensystems
für Anfertigung von Fa^onstücken , z. B. Eisenbahnschienen, doppelt
T-Trägern und dergleichen, ausführen, weil hier eine seitliche Ausbrei-
tung innerhalb des zweiten der zusammengehörigen Kaliber nicht mög-
lich ist, und in' Folge des Umstandes, dass die obere durch die Mittel-
walze gegebene Profilirung des untern Kalibers der durch dieselbe
Walze gegebenen untern Profilirung des obeni Kalibers gleich sein muss,
auch nur eine einseitige Ausbildung des Querschnitts bei dem Durch-
gange durch das zweite der in gleicher Yerticalebene liegenden Kaliber
möglich ist. Wir verweisen hinsichtlich der Art und Weise, wie man
eine solche Kalibrirung für drei Walzen zweckmässig ausführt, auf die
unter „Literatur" angeführte, vom Vereine zur Beförderung des Gewerb-
fleisses in Preussen preisgekrönte Abhandlung: R. Daelen, Die Kalibri-
rung der Walzen, S. 11 ^).
Die drei Walzen des Trio Walzwerks erhalten ihre Bewegung durch
drei Getriebe, deren mittleres mit der Antriebswelle des Motors ge-
kuppelt ist.
Bei Schnellwalzwerken für Darstellung der feinsten Eisensorten,
welche rasch strecken müssen, pflegt man das vordere Ende des zwi-
schen den Walzen hervorkommenden dünnen und langen Stabes umzu-
biegen und schon durch ein folgendes Walzenpaar zurückgehen zu las-
sen, während er noch in dem vorausgegangenen gestreckt wird, so dass
derselbe Stab gleichzeitig in drei bis fQnf Kalibern bearbeitet wird. In
Rücksicht auf den für das Umbiegen nöthigen Raum benuzt man hier-
bei zum Zurückgeben stets die Walzen des folgenden (beziehentlich voraus-
gegangenen) Walzgerüsts, lässt demnach in dem Triowalzwerke abwech-
selnd Ober- und Unterwalze fort und ersetzt dieselbe durch eine Kupp-
lungsspindel , welche die Bewegung auf das folgende Walzgerüst fort-
pflanzt. Nur bei den Vorwalzen sind alle drei in einem Gerüste vereinigt
und der noch kurze Stab wird erst wie bei gewöhnlichen Triowalzwer-
^) Bdilage zu den Verhandlungen des genannten Vereins Jahrgang 1869;
auch als Separatabdruck erschienen.
508 Walzwerke.
ken durch ein neues Kaliber zurückgegeben, wenn er das vorhergehende
verlassen hat. Für das Fertigwalzen pflegen zwei bis vier Gerüste in
der geschilderten Anordnung vorhanden zu sein, bei neuen nordameri-
kanißchen Walzwerken (System Johnson) zur Darstellung von so-
genanntem Walzdrahte, dessen Durchmesser ca. 4 Mm. beträgt, sind mit
Finrechnung der Yorwalzen sogar 16 Walzenpaare von ca. 200 Mm.
Durchmesser, abwechselnd mit horizontalen und verticalen Achsen, in
gleichzeitiger Wirksamkeit, deren erstes 16, deren letztes 450 Umdre-
hungen per Minute macht, und welche binnen neun Stunden 15 300 Ki-
logramm Stäbe von 30 Mm. Durchmesser auf jene erwähnte kleine Ab-
messung auswalzen ^).
Die Ständer der mittelgrossen und kleinen Triowalzwerke, wie sie
zur Darstellung des Feineisens seit langer Zeit in Anwendung waren,
unterscheiden sich von den Ständern des Zweiwalzensystems ohne ent-
lastete Oberwalze vornehmlich durch die erforderlichen drei Lager,
welche meistens durch Stellschrauben auch in horizontaler Richtung —
parallel der Walzwerksachse — sich vei^stellen lassen, um eine ganz ge-
naue Lage der Walzen zu ermöglichen. Auf dem Oberlager der Unter-
walze ruht das Lager der Mittelwalze und auf diesem gewöhnlich das
Lager der Oberwalze, ohne ^n Scb raubenbolzen aufgehangen zu sein,
wie das Oberwalzenl^ger der Duowalzwerke ohne Gewichtsausgleichung.
Damit der zwischen zwei Walzen beim Durchgehen des Walzstücks er-
zeugte Druck nicht auf den Zapfen der dritten Walze übertragen werde
und dadurch einen vergrösserten Reibungs widerstand hervorrufe, sind
zwischen die Lagerhälften aller drei Walzen Holzstücke eingeschoben,
welche deren Näherung verhindern und den entstehenden Druck, er
möge zwischen Ober- und Mittelwalze oder zwischen Mittel- und Unter-
walze hervorgerufen sein , durch die Lager nach der Druckschraube
und dem Ständerfusse hin fortpflanzen, ohne den dritten Zapfen zu
beeinflussen.
Bei Triowalzwerken für schwere Gegenstände, deren Anwendung
erst in der neuern Zeit sich mehr und mehr Bahn gebrochen hat, macht
man vielfach die Entfernung der Walzen unter einander verstellbar, wie
es bei den Duo walz werken für Bleche bereits beschrieben wurde. Jus-
besondere sind derartige Walzwerke auf nordaroerikanischen Eisenwerk
ken für die erste Formveränderung und Verdichtung der für Anfertigung
von Eisenbahnschienen bestimmten Bessemerblöcke (Ingots) als die schon
erwähnten Blooming-mills (Luppenwalzwerke, vergl. S. 497) in Gebrauch
und man unterscheidet dabei zwei Systeme:
Die mittlere Walze liegt fest, die obere und untere sind verstell-
bar — System Fritz;
die obere und untere Walze liegen fest, die mittlere wird ver-
stellt — System Ho Hey.
') Vergl. Tunner: Das Eisenhüttenwesen der Veremigten Staaten, S. 134.
Fritz'sches und Holley's Walzwerk. 509
Letzteres System ist einfacher and deshalb das häufiger angewen-
dete ^). Das Fritz^sche Walzwerk hat diesem gegenüber den Vortheil,
dass in Folge des Festliegens der Mittelwalze die mit dieser verkuppelte
Antriebswelle durch die Verstellung der Walzen gänzlich unbeeinflusst
bleibt; der dadurch vermiedene Uebelstand des Holley' sehen Walzwerks
dürfte jedoch nicht schwer genug sich geltend machen , um den Yoi^theil
grösserer Einfachheit auszugleichen.
Das Heben und Senken der Walzen erfolgt bei beiden Walzwerks-
systemen durch starke Schraubenspindeln. Bei dem Fritz 'sehen Walz-
werke sind die Gewichte der Ober- und Unterwalze durch Gegen-
gewichte in der früher beschriebenen Anordnung für Duowalzwerke
ausgeglichen; die metallene Schraubenmutter für die Schraube der Ober-
walze befindet sich wie gewöhnlich im Kopfe des Ständers, die für die
Stellung der Unterwalze bestimmte Schraube ist aber nach unten ge-
richtet und ihre Schraubenmutter befindet sich in dem entsprechend
construirten Ständerfusse. Durch zwei Stirnräder an einer senkrechten,
am Ständer befestigten Welle erhalten die auf den Enden der Schrauben -
spindein befindlichen Getriebe eine gleichzeitige Drehung, so dass Ober-
und Unterwalzenlager gemeinschaftlich der Mittel walze genähert oder da-
von entfernt werden ; die Bewegung jener senkrechten Welle kann sowohl
von Hand als durch Frictionskupplungen von der Welle der Betriebs-
maschine aus in beiden Richtungen bewirkt werden. Von dem einen
Stander aus wird die Bewegung der Schrauben durch eine horizontale
Welle mit Winkelrädem in der früher geschilderten Weise auf den
zweiten Ständer des Walzgerüsts übertragen^).
Bei dem Holley 'sehen Walzwerke wird das zweitheilige Lager
der Mittelwalze durch zwei Schraubenspindeln mit rechtem und linkem
Gewinde bewegt, welche durch Bohrungen des Oberwalzenlagers hin-
durchgehen, in dem Ständerkopfe wie in dem festliegenden Unterwalzen-
lager drehbar und ohne Gewinde befestigt sind, so dass sie sich zwar
drehen, aber nicht in ihrer Achsenrichtung verschieben lassen, innerhalb
der beiden Lagerhälften der Mittelwalze aber von Muttergewinden der-
artig umschlossen sind, dass bei Drehung der Schraubenspindeln das
Mittelwalzenlager in der Achsenrichtnng der Schrauben bewegt werden
musB. Zur Bewirkung dieser Drehung (welche beide in einem Ständer
befindliche Schrauben in entgegengesetzter Richtung auszuführen haben,
weil sie entgegengesetzte Gewinde besitzen) sind ihre Enden oberhalb
der Ständer wieder mit Stirnrädern versehen; zwei parallele, mit ein-
ander verbundene horizontale Zahnstangen werden in der Richtung der
Walzwerksachse zwischen den Schraubenspindeln durch einen hydrau-
lischen Cylinder bewegt, während jede derselben die zwei einander ent-
1) Tunner: Das Einenhüttenwesen der Vereinigten Staaten, 8. 94.
3) Abbildung des Fritz* sehen Walzwerkes, siehe Journal of the Iron and
Steel Institute, Jahrgang 1874, Kr. IL
510 Walzwerke,
sprechenden Spindeln zweier zoeammengehöriger WAlzwerkaständer
vermitUlst Eingriff in die aofgekeilten Stirnräder erfasst nnd dreht.
Das Gewicht der Oberwalze ist in gewöhnlicher Weise ausgeglichen ').
Unter dar BeaenDOngLanth'sches Walzwerk istseit einigen Jahren
zum Walzen von Blechen ein Triowalzwerk in Anwendnng, bei welcher die
Fig. 406.
MittelwalzG nar ungefähr den halben Üarchmeeser der Ober- und Unter-
walze besitzt. Die Mittelwalze ist Scbleppnalze nnd wird durch die
Reibung der andern mitgenommen; um der Ober- nnd Unterwalze die
gleiche Bewegnngsrichtung zu geben, muss das Walzwerk wie jedes
andere Tripwalzwerk drei Kammwalzen besitzen, Ton denen die obere
nnd untere mit Ober- and Unterwalze gekuppelt sind, während die
Lauth'sches Walzwerk.
511
mittlere nar als Zwisolienrad dient, oder man koppelt auch nar eine der
Walzen, und zwar die untere, ohne EinecIialtDng von Getrieben an die
Betriebswelle nnd läset die beiden anderen darch die Reibang mitneh-
men. Barch eine aolche Anordnung einer kleinern Mittelwalze wird
die Constroction des Ganzen vereinfacht und die Höhe für das Anheben
Fig. 407.
dea Waizatficka beim Znraokgeben verringert. Das Gewicht der Ober-
walze ist wie gewöhnlich ansgeglicben , die Mittelwalze kann entweder
durch einen beaondem Bewegungamechaniamna gehoben werden, wenn
das Blech nnterhalb desselben durchgeht, und ea hat aich die Anwen-
dung von Seit Verbindungen für dieeea Heben der Mittelwalze recht gnt
512 Walzwerke.
bewührt, oder sie mht mit ihrem Tollen Gewichte auf der Dnterwalze,
and wird allein doroh das bindarchgehende Blech gehoben, was bei
Fein blech Walzwerken mit Walzen von geringerm Gewichte immerhin die
zweckmäßigste Einrichtnng sein dürfte. Beim Anheben drückt die
Mitt«Iwalze gegen die Oberwalze, und die DmckBchraabe der letztem
regalirt somit anch den erreichbaren Abstand zwischen Uittel- und
Unter walze.
Ein Walzwerk der letztem Art in der Blech walzhütte de« Eisenwerks
in Riesa, von der Märkischen Maschinenbananstalt in Wett«r a. d. Rabr
gebaut, ist in den Figuren 406 bis 408 in '/e4 der wirklichen Grösse ab-
Fig. 408.
gebildet. Die Unterwatze ist gekuppelt, Mittel- und Oberwalze werden
geschleppt. Die Mittelwalze bewegt sich mit ihren Lagern frei in
einem Rahmen; wird das Blech zniscben Unter- und Mittelwalze ein-
gest«ckt, so hebt sich die letztere und legt sieb gegen die Oberwalze,
deren Gewicht durch die in den Figuren 406 und 407 ereichtlicheu Gegen-
gewichte theilweiee ausgeglichen ist; geschieht das Einstecken zwischen
Mittel- und Oberwalze , so wird die erstere nach unten gedrückt nnd
durch die Reibung der Unterwalze geschleppt ').
1} AbbildQDg einea Laatli'acben Walzwerke« mit Anhab der Hittalwalxe
durdi Seilnufzug : Revue anivernelle, Tome 37, PI. 28; daraus Oeiterreiubiwbe
Zeitxchrin fär Berg- und HüttenweKen, Jahrgang IST 5, Nr. 44.
Kehrwalzwerke. 513
Für ganz feine Bleche unter Vj Mm. Stärke hat man aachLauth'-
sche Walzwerke mit vier Walzen in Anwendung gebracht, deren beide
mittlere schwächer im Durchmesser sind und von Ober^ und Unterwalze
geschleppt werden.
Die Lauth'schen Walzwerke haben sich als recht zweckmässig
zum Walzen feinerer Bleche erwiesen ; f&r stärkere Blechsorten (Eessel-
bleche) dagegen scheinen sie sich besonders in Rücksicht auf die raschere
Abnutzung der schwachem Mittelwalze weniger bewährt zu haben.
Kehrwalzwerke.
Wenn man dem Walzenpaare eines Duowalzwerks eine entgegen-
gesetzte Bewegungsrichtung ertheilt, nachdem das Walzstück- die Walzen
verlassen hat, so ist man im Stande, das letztere abermals, ohne es
überheben zu müssen, zwischen den Walzen hindurchzuführen. Solche
Walzwerke mit abwechselnder Bewegungsrichtung zu dem Zwecke, vor-
wärts und rückwärts zu walzen, nennt man Kehrwalzwerke, Rever-
sirwalzwerke, Walzwerke mit Wechseldrehung. Vor den Trio-
walzwerken haben sie den Yortheil voraus, dass die Zeit und Arbeit für
das Anheben des Walzstücks sowie der bei schweren Stücken für dieses
Anheben erforderliche Apparat erspart wird; femer, dass die Erhitzung und
Abnutzung der Walzen eine gleichmässige ist, während bei den Trio-
walzwerken die Mittelwalze, welche doppelt so oft als die beiden anderen
mit dem Walzstücke in Berührung kommt, stärker als diese erhitzt
und rascher abgenutzt wird. Sie würden jedenfalls wegen dieser un-
leugbaren Yortheile eine viel ausgedehntere Anwendung gefunden haben
und der Ausbreitung der Triowalzwerke viel hinderlicher gewesen sein,
wenn nicht eben die rasche Ausführung jener Umkehr mit mancherlei
Schwierigkeiten verknüpft wäre, wie sich leicht bei Betrachtung des Gan-
ges eines Walzwerks von selbst ergeben wird. Denn in den sich
drehenden Theilen des Walzwerks ist eine beträchtliche lebendige Kraft
enthalten, welche bei dem plötzlichen Stillstände vernichtet und bei dem
Beginne der entgegengesetzten Drehung von Neuem erzeugt werden
muss. Insbesondere ist es vor Allem unmöglich, auch dem Schwnngrade
entsprechend rasch .die Wechseldrehung mitzutheilen , und man steht
daher bei Anwendung solcher Kehrwalzwerke vor der Wahl, entweder
ohne Schwungrad zu arbeiten oder zwiBchen Schwungrad und Walzwerk
eine derartig construirte doppelte Kupplung einzuschalten, welche die
Umkehr der Walzwerksbewegung gestattet, ohne dass die Bewegung des
Schwungrads geändert zu werden braucht.
In dem erstem Falle mnss die Betriebsmaschine selbst umgesteuert
werden t wodurch für die Construction derselben besondere Erfordemisie
sich geltend machen. Wegen des fehlenden Schwungrads benutzt man
eine Zwillingsmaschine mit zweiDampfcyUndem, deren Kurbeln in einen
rechten Winkel gegen einander gestellt sind* Die Steuerung muss ver-
liedebiir, numhantirJi-iBetaUnigüwhe Teohnologle. 33
514 Walzwerke
stellbar aein, so dasa eine beiden Drebnogsricbtongen entsprechende Dampf-
Tertbeilnog hervorgernfen Verden kann; da bei der Grösse des auf dem
SteuemngBschieber lastenden Dampfdrucks ein Umstenern von Hand hd-
mCglioh sein würde, mnss der Steuemngsbebel dnrcb eine besondere
kleine Damp&nasebine bewegt werden , welche nnn ihrerseits Ton Hand
gesteuert wird. Die Leistung der Betriebsmasohine mnsa in Rflcksicbt
darauf, dass dieselbe die voüe Arbeit wahrend des Durchganges des
WaliBtCtaks durch die Walzen sn leisten hat, und die wohlthätige Wir-
Fig. 4og.
kung des Schwungrads als Arbeitnammler fehlt, gegen dreimal so be-
trächtlich sein, als bei Walswerken mit Schwungrad. Hieriu liegt die
sofawilchste Seite dieser Art Walzwerke, denn mit der Grösse der Dampf-
maschine wachsen die Anlage- nnd Betriebskosten in hetr&chtlicfaer
Weise. Endlich wächst der Dampfverbrauch noch durch den Dmatand,
daSB man Expansion des Dampfs nur in beschränktem Uaasse anwenden
kann, um nicht hei Umsteuening an bestimmte Kurbelstellungen gebun-
den zu sein.
Die Art und Weise, in welcher in dem zweiten Folie — bei An-
' ine mit Schwungrad — die Umkehr der Wala-
Kehrwalzwerke. 515
Werksbewegung erfolgt, wird darch die Abbildung Fig. 409 erläutert.
Auf der rechts ersichtlichen Schwungradwelle sitzt das Getriebe B mit
15 Zähnen. Dieses greift in ein Zahnrad C mit 60 Zähnen, welches
auf einer Yorgelegewelle D befestigt ist, und in ein drittes Bad E von
gleicher Grösse eingreift, welches lose auf seiner Welle jP sitzt. Letz-
tere ist zugleich die Triebwelle des Walzwerks. Auf der Vorlegewelle
J> ist femer ein zweites Kad Q mit 30 Zähnen befestigt, welches in ein
Kad H von derselben Grösse eingreift; dasselbe sitzt auf einer beson-
dern Welle und dient zur Üebertragnng der Bewegung auf ein drittes
Zahnrad J von derselben Grösse, welches ebenso wie E lose auf der
Welle F sich dreht.
An den Naben der Räder E und J sind Klauen K angegossen.
Zwischen denselben sitzt auf der Welle jP ein verschiebbarer Klauen-
mufF 2/, welcher wie gewöhnlich durch Nuth und Feder mit der Welle
verbunden ist, diese also beim Umdrehen )nitnimmt, und mit Hülfe
eines Hebels M seitwärts verschoben, werden kann. Je nachdem der
Muff L mit dem Rade E oder cT* verbunden ist, muss daher die Welle
F der Bewegung des einen Rades in einer Richtung oder derjenigen des
andern, welches durch Allwendung des Zwischenrads H sich in entgegen-
gesetzter Richtung dreht, folgen.
Die ümkehrung der Walzwerksdrehung in der zuletzt geschilder-
ten Weise besitzt den Yortheil der Einfachheit in der Anlage und Hand-
habung, und dem gewöhnlich geringern Dampfverbrauche gegenüber
der Anwendung von Zwillingsmaschinen ohne Schwungrad. Sie ist des-
halb die für Kehrwalzwerke gebräuchlichere. Ihre schwache Seite liegt
in den unvermeidlichen heftigen StÖssen, welche bei dem Umsteuern
vermittelst der Klauenkupplung erzeugt werden und nicht selten Brüche
in den Kupplungs- oder anderen Theilen der Maschine zur Folge haben.
Die Stösse werden um so heftiger, die Gefahr für den Bruch um so
grösser werden , je rascher die Drehung und je grösser das Gewicht der
in Umtrieb befindlichen Theile ist. Man hat in Rücksicht hierauf statt
der Klauenkuppelungen verschiedene andere Kuppelungsvorrichtungen
vorgeschlagen, meistens Frictionskuppelnngen, ohne dass jedoch, wie es
scheint, bis jetzt eine allseitig befriedigende Lösung der Aufgabe gefun-
den wäre, eine rasche und sichere Umsteuerung ohne Stösse zu bewirken.
Universal Walzwerke.
Die unangenehme Nothwendigkeit, für Anfertigung von Eisensorten
mit abweichenden Querschnitten eine grosse Anzahl entsprechend kali-
brirter Walzen inVorrath halten zu müssen, gab dem Ingenieur Daelen
in Hoerde Veranlassung zur Erfindung eines Walzwerks, dazu bestimmt,
Eisensorten mit rechteckigem, aber beliebig grossem, Qaerschnitte ohne
besondere Kaliber fertig zu walzen. Dasselbe enthält wie ein gewöhn-
33 ♦
516 Walzwerke.
liches Blechwalzwerk zwei horizontale glatte Walzen, dereo obere ver-
stellbar ist, und welche die horizontalen Begrenzungsfläohon des Walz-
stQcka anszabilden haben; namittelbar vor oder hinter denselben ImSd-
den sich zwei reridcale, ebenfalls glatte nnd Teratellbare Walzea sor
Ausbildung der senkrechten Begrenzangsfl&chen. Es ist einleuchtend.
UniverBalwalzwerk. 517
dua man mit Hülfe dieser vier Walzen jeden Qaergchnitt darstellen
kann, desBen UmrisBe parallel den Walzenachsen , dessen Form also
Fig. «1.
qoadratiscli oder rechteckig ist; ja man ist im Stande, selbst fagonnirte
Eisensorten darzusteUen, wenn man die eine oder andere der Walzen
mit einer entsprechenden Kalifarimng versieht
Die Abbildongen Fig. 410 bis 412 steUen ein solches Walzwerk in
Vj] der wirklichen Qrösae dar. AA. sind die horizontalen, BB die Ter-
tioalen Walzen. Die Bewegung der ersteren erfolgt durch die beiden
Getriebe C C. Das obere derselben greift in ein drittes grösseres Zahn-
rad B und dieses wieder in ein viertes, E, dessen Achse in der Vertioal-
518 Walzwerke.
ebene mit den Achnen der beiden Walzen BB in einem seitlich angegosse-
nen Anaatza des GetriebeatänderB gelagert ist. Von £ aas erfolgt durch
die in Fig 410 eraichtliche horizontale Welle Termittelat der Winkel-
räder n and m die Uebertragang der Bewegung anf die Benkrechten
Walzen. Letztere sind ana Guasatabl gefertigt and sof den aenkrecfaten
Wellen in der aas der Abbildang ersichtlichen Weise befeatigt. Die
horizontalen Schrauben apindelo // sind darch Bügel and Keile mit den
Lagern aa verbnndeu, welche jene Wellen atQtzen, und stecken in me-
tallenen Hülsen mit Uattergewinde, welche in den Walzenai^deiii be-
festigt sind. Durch Drehnng der Schrauben erfolgt mithin Terstellong
der Walzen. Dieselbe wird durch die gekröpften Spindeln c c bewirkt,
welche rermittelat zweier Schnecken dd die auf den Enden der Schrau-
ben befindlichen SchneckenrSdchen ee und somit die Schrauben selbst in
Drehung versetzen. Damit bei der horizontalen Fortbewegung der
Schraube die Schnecken nicht ausser Eingriff kommen, sind die Luger
Fig. 412.
der Spindeln CC mit einer Hfllae über die Enden der Schranbenspindeln
geschoben und machen die üorizontalbewegung derselben mit (vergl.
Fig. 412). Die Winkelräder nn sind durch Nath und Feder mit der
horizontalen Welle verbunden und werden auf derselben durch die Ach-
sen der Walzen verschoben, sobald eine Verstellung der letzteren eintritt.
Die Verstellung der horizontalen Walzen erfolgt in gevöbnlicher und
aus den Abbildungen ersichtlicher Weise.
Bei anderen Universalwalzwerken bat man die Trans missions welle
für die Bewegung der senkrechten Walzen an den Fuss des St&ndera
Universalwalzwerk. 519
verlegt nnd den Antrieb derselben unmittelbar von einem auf dem
Zapfen der Unterwalze befestigten Stimrade aus bewirkt ^).
Ob die senkrechten Walzen vor oder hinter den wagerechten an-
gebracht sind, darüber ist keine feststehende Regel vorhanden, Stehen
sie vor denselben, so mnss ihre Umfangsgeschwindigkeit sich zu deijeni-
gen der wagerechten Walzen annähernd verhalten, wie die kürzere
Lftnge des eintretenden Stabes zu der grossem des austretenden; stehen
sie hinter denselben, so müssen sie ein wenig rascher umlaufen als die
horizontalen Walzen, weil das austretende Ende des Stabes der Walze
um ein Geringes vorauseilt. Bei zu rascher Bewegung im erstem, bei
zu langsamer im zweiten Falle würde demnach ein Stauchen oder Bie-
gen des Stabes eintreten. Zur Regelung dieser Bewegungsverhältnisse,
welche bei verschiedenen Querschnitten erheblich abweichen können, ist
das Getriebe E mit seiner Welle nicht fest, sondern nur durch zwei
seitliche Frictionsscheiben verbunden (vergl. Fig. 410), welche eine Ver-
langsamung der Bewegung eintreten lassen, sobald der Widerstand
zwischen den Walzen wächst. Im Allgemeinen zieht man die Anord-
nung der senkrechten Walzen vor den horizontalen vor, weil in diesem
Falle die durch den Druck der ersteren Walzen etwa enstandenen Wulste
an den langen Kanten des Walzstücks in den horizontalen Walzen wie-
der ausgeglichen werden.
Das Universalwalzwerk dient vornehmlich zur Anfertigung der
gröbsten Sorten Flacheisen bis zu solcher Breite, dass sie schon den
Uebergang zu den Blechen bilden, oder auch als solche gezählt werden. Es
erfordert geschicktere Handhabung als ein gewöhnliches Ealiberwalz-
werk, ist aber besonders da vielfach in Anwendung, wo sehr verschie-
dene Abmessungen von groben Flacheisen hergestellt werden müssen.
Bei den breiteren Sorten desselben, welche man sonst in Blechwalzwer-
ken fertigt, spricht der Umstand fCür das Universalwalzwerk, dass die
Bleche oder Stäbe bei der ersterwähnten Anfertigung unregelmässig ge-
formte Ränder besitzen, welche durch Abschneiden entfernt werden
müssen, auf dem Universalwalzwerke aber regelmässig ausgebildet wer-
den können.
Für Anfertigung kleinerer Sorten Flacheisen zieht man durchweg
Staffelwalzen oder Kaliberwalzen vor.
Jedes Universalwalzwerk dient nur zum Fertigwalzen nnd muss
demnach durch ein Walzgerüst mit einem Paar gewöhnlicher Yorwalzen
ergänzt werden.
^) Abbildung emes BOlchen UniversalwalzwerkB siehe Petzholdt, Eisen-
bahnmaterial, Taf. Xn, Fig. 1 bis 3.
520 Walzwerke.
Walzwerke zur Herstellung ringförmiger Körper oder
Eopfwalzwerke.
Um einen gezchloseenen ringi5rmigen Körper auf dem Walzwerke
zu strecken, seinen Querschnitt zu yerringem, seinen Durohmesser zu
yergrössem , muss offenbar die Bearbeitung in solcher Weise stattfinden,
dasB der Körper über die eine von zwei Walzen übergeschoben , Ton die-
ser an der Innenseite, yon der andern an der Aussenseite bearbeitet
wird. Dieses Ueberschieben wurde nun nicht möglich sein, wenn die
Walzen, wie die bisher beschriebenen, mit beiden Enden in Gerüststän-
dem auflagern , und das Walzwerk muss schon in Rücksicht hierauf eine
Yon den bisher besprochenen Walzwerken erheblich abweichende Ein-
richtung erhalten.
Nun wird man zwar im Allgemeinen, wo es irgend angeht, ring-
förmige Körper in solcher Weise herzustellen suchen, dass ein zu dem
Querschnitte des fertigen Gegenstands ausgewalzter Stab zu einem
Ringe zusammengebogen und die beiden Enden durch Schweissen, Lothen
oder dergleichen vereinigt werden; es kommt aber auch vor, dass ent-
weder der geschweisste Ring doch noch einem Yollendungprocesae zwi-
schen Walzen unterworfen werden muss, oder auch, dass man in Rück-
sicht auf die Verwendung des Gegenstandes jene Vereinigung durch
Schweissen u. s. w. überhaupt zu vermeiden sucht, es vielmehr vorzieht,
diesen aus einem Metallstüdce herzustellen, welches entweder ringförmig
gegossen oder -durch Lochen (Aufhauen), Weiten und Schmieden über
den Dom vermittelst des Dampfhammers in Ringform gestreckt worden
war. Diese Fälle sind vorzugsweise häufig bei Anfertigung der eiser-
nen oder stählernen Radreifen für Eisenbahnfahrzeuge, und man nennt
deshalb derartige Walzwerke dieser speciellen Bestimmung zufolge Rei-
fenwalzwerke, leider und unnöthigerweise noch häufiger mit einem
Fremdworte Tyres- oder Bandagenwalzwerke.
Die eine der beiden Walzen eines solchen Walzwerks ist verstell-
bar, um durch allmälige Näherung die Querschnittsverkleinerung und
Streckung ausssuführen; diese Näherung wird durch hydraulischen Druck
bewirkt.
Meistens sind zwei Walzgerüste vorhanden, von denen das eine
zum Vorwalzen, das andere zum Fertigwalzen dient, sofern nicht der
Reifen durch den Dampfhammer mit entsprechend profilirter Bahn auf
einem geeignet geformten Amboshome vorgeschmiedet wird.
Bei den Vollendwalzen pflegt nur die eine Walze mit der Betriebs-
welle gekuppelt, die andere Schleppwalze zu sein, da es hier von Wich-
tigkeit ist, dass die Umfangsgeschwindigkeiten jeder der beiden Walzen
den (etwas verschiedenen) Umfangsgeschwindigkeiten der Innen- und
Aussenseite des Reifens gleich seien; die Vorwalzen dagegen, sind ge-
wöhnlich beide gekuppelt, da der rohe Reifen nicht in die Kaliber passt.
Eopfwalzwerke. 521
unrund und ongleicli dick ist, und deshalb von einer einzigen Walze
nicht gern mitgenommen wird.
Man unterscheidet horizontale und yerticale Reifenwalzwerke. Bei
den horizontalen dienen zwei Gerüstständer zur Unterstützung der
Walzen; in Folge des schon erwähnten ümstandes aber, dass der Reifen
nicht über die Walzen geschoben werden könnte, wenn dieselben, wie
bei gewöhnlichen Walzwerken, zwischen den Ständern befindlich wären,
befinden sich die ohnehin kurzen Walzen kopfartig an den frei aus den
Ständern herausragenden Enden der Wellen, und man nennt in Folge
dieser Anordnung solche horizontale Reifen Walzwerke Torzugsweise Eopf-
walzwerke.
Aus dieser Einrichtung folgt aber, dass nicht, wie bei anderen Walz-
werken, mehrere Walzgerüste mit einander gekuppelt werden können,
sondern ein jedes derselben durch eine besondere Wellenleitung mit der
Betriebsmaschine verbunden werden muss.
Häufiger als die horizontalen Reifenwalzwerke sind im Ganzen die
Torticalen, und man findet mehrfache Gonstructionen derselben. Ent-
weder man hat, wie bei dem oben abgebildeten Horizontalwalzwerke,
zwei getrennte Gerüste, von denen das eine zum Yorwalzen, das andere
zum Fertigwalzen dient; oder man versieht die Walze, welche zur Aus-
bildung der Aussenfläche des Reifens dient, mit mehreren Kalibern über
einander zum Vor- und Fertigwalzen (während die zweite Walze glatt
ist) ; der Reifen liegt auf einem durch hydraulischen Druck in der Höhen-
richtung verstellbaren Tische und wird mit diesem in die verschiedenen
Kaliber gehoben; oder endlich, man hat neben einer flachen Walze
mehrere Kaliberwalzen , welche der Reihe nach mit jener in Zusammen-
wirkung gebracht werden können.
Ein Walzwerk der zweiten Art, von Tarrot, Walker u. Co. in
Leeds im Jahre 1872 für die Eisenhütte Phoenix zu Laar bei Ruhrort
gebaut, zeigen die Abbildungen Fig. 413 und 414 ^).
a und b in Fig. 413 sind die beiden Walzen, von denen die erstere
ihren Antrieb durch ein Paar Winkelräder von der unten befindlichen
horizontalen Welle aus erhält, während h Schleppwalze ist Das auf
der horizontalen Welle sitzende Winkelrad ist durch lange Nuth und
Feder mit dieser verbunden, so dass es sich auf der Welle verschieben
lässt, ohne in der Drehung beeinflusst zu werden. Die Walzen haben
zwei Kaliber; das untere dient zum Yorwalzen, das obere zum Fertig-
walzen. Die Walze a ist nun in einem gusseisemen Schlitten c gela-
gert , welcher mit Führungsleisten in dem Gehäuse d in wagerechter
Richtung verschiebbar ist und dessen Bewegung durch den Kolben des
hydraulischen Gylinders e erfolgt Es kann somit die Walze a gegen h
genähert und von derselben entfernt werden. Bei der Verschiebung des
^) Nach einer von derDirection genannter Eisenhütte dem Verfasser gütigst
überlassenen Zeichnung.
522 Walzwerke.
Sohlittens nimmt derselbe , wie aoa der Abbildung ersichtlich ist, das
auf der Betriebswelle befindliche Winkelrad mit. Der obere Zapfen der
Walae b dagegen ist drehbar in einem gosseisemen Lager befestigt,
welches mit einem darüber befindlichen Qaentflcke / in einem Stücke
gegossen ist nnd mit demselben in senkrechten Fahrongen auf nnd
nieder bewegt werden kann, welobe an der Stirn des Gehänses d an-
Fig. 413.
gegossen sind (vergl. Yig. 414). Der ontere Zapfen von b rnht in einem
feststehenden mit d verbundenen Lager derartig, dass die Walze sieb
ohne Schwierigkeit ans dem Lager emporheben and wieder einsetzen
läset. Das senkrechte Anheben der Walze iat erforderlich, um den
Reifen ein- nnd ausbringen zu kSuuen. Die Bewegung wird durch den
Kolben des hydraulischen Cylinders g bewirkt, der mit angegoBsenea
Leisten auf zwei schmiedeeisernen [S&ulchen ruht nnd mit denselben rom
Reifenwalzwerk. 523
Guflsatacke d getragen wird. In dem Aufriese Fig. 413 iat daa eine
dieser Saalchen durch die Kolbenstange des hydraulischen Cylinders
Terdeclct; im Grundrisse Fig. 414 erscheinen sie durchschnitten als zwei
kleine Kreise.
Vor den Walzen befindet sieb nun der gueseiseme Tisch h, getragen
TOD dem Kolben eines dritten hydraolischen Cylinders und mit demsel-
Fig. tu.
ben in senkrechter Richtung beweglich, um den Reifen aus dem Vor- in
das Fertigkaliber beben zu können, nachdem die Walze a znrack-
gezogen worden ist Znr Nonnirong der richtigen Stellang des Tischs
für das Fertigkaliher befindet sich an dem hydraulischen Kolben eine
drehbare Stütze t, welche mit Uiklfe einer horizontalen Zugstange nnd
einOB an dem Ende derselben befindlichen in Fig. 413 pouktirt gezeich-
net«n Handhebels in senkrechte Stellung gebracht wird, sobald der Kol-
ben seines höchsten Stand erreicht, und sich hierbei anf einen am
bydranliscben Cylinder angegossenen Bord aufstellt, somit das Zurück-
sinken des Kolbens verhindemd nnd die genaue Höhenlage des Tischs
bestimmend. Zur Verhindernng einer seitlichen Drehung des Tischs
wird derselbe an zwei senkrechten in dem Gussatücke d befestigten
gnsseisemen Stangen kk (Fig. 414) geführt. Auf der Tischplatte sind
zwei Leisten aufgegossen, auf welchen der Reifen vorgeschoben und
524 Walzwerke.
zorückgefOhrt wird, tun die Berähnrngsflache mit dem Tische und somit
die Reibung zu yerringem; während dee Walzens ruht derselbe auf
zwei horizontalen, neben den Leisten gelagerten, radial gerichteten Wal-
zen (yergL Fig. 414), deren Oberkante ein wenig höher liegt ab die
Oberkante der Leisten, so dass bei der kreisförmigen Bewegung des
Reifens die gleitende Reibung in rollende yerwandelt wird. Zur Verhin-
derung einer Hebung des Reifens während des Walzens dient endlich
der horizontale Hebel 2, welcher über denselben geschoben wird, sobald
er seine richtige Lage erhalten hat, an dem einen Ende sich um einen
senkrechten Bolzen dreht und bei m (Fig. 414) durch eine Flügelmutter
auf einem zweiten Bolzen festgeklemmt wird. Um die horizontale Be-
wegung dieses Hebels zu sichern, ruht das äusserste Ende desselben mit
einem Bügel auf der Achse eines Laufrads n.
Die oben erwähnten, eine Drehung des Tischs verhindernden
senkrechten Stangen kk dienen ausserdem als Drehungsachsen für die
gusseisemen Lagerböcke oo der zwei Centrirrollen jp|> (Fig. 414). Die
Centrirrollen haben 300 Mm. im Durchmesser. Jeder Lagerbock enthält,
wie in der Abbildung zu ersehen ist, zwei Lager, um nach Maass-
gabe des Durchmessers des auszuwalzenden Reifens die Rolle in das eine
oder andere derselben einsetzen zu können. Das andere Ende der
Lagerböcke o o trägt eine Schraubenmutter, welche die auf beiden Enden
des Tischs gelagerte, in der Abbildung ersichtliche Schraubenspindel mit
rechtem und linkem Gewinde umschliesst. Durch Drehung der Schrau-
benspindel, welche mit Hülfe der auf ihrem einen Ende befestigten
Arme bewirkt wird, erfolgt also Näherung oder Entfernung der Cen-
trirrollen von einander. Da aber die Drehung der Lagerbocke um die
festen Achsen kk nicht möglich ist, ohne eine geringe Verschiebung der
Schraubenspindel normal gegen ihre Achsenrichtung zu be¥rirken, so ist
der Fuss jedes der beiden Spindellager in einem Schlitze der Tischplatte
in der angegebenen Richtung verschiebbar. Aus einem ähnlichen, leicht
erkennbaren Grunde sind die fär die Bewegung der Lagerböcke dienen-
den Schraubenmattem mit Drehungszapfen in denselben befestigt. Es
ist selbstverständlich, dass sowohl die Centrirrollen als die Schrauben-
spindel mit dem Tische gehoben und gesenkt, und deshalb ebensowohl
für die Arbeit im untern als obem Kaliber benutzt werden.
Die Walzen dieses Walzwerks machen 50 Umdrehungen per Minute.
In einer 1 2 stündigen* Schicht walzt man mit Benutzung eines Sie-
mens'schen Gasofens 55 Stück, mit Benutzung zweier Oefen 70 bis 80
Stück Reifen (Normalbandagen) aus. Das Walzen eines Reifens ind. der
Pause zum Anheben aus dem untern in das obere Kaliber dauert sy^
Minuten. Die hydraulischen Cylinder werden mit Wasser von 45
Atmosphären Druck betrieben.
Als Betriebsmaschinen für die Reifenwalzwerke pflegt man in Bück-
sicht auf den Umstand, dass das Auswalzen eines eingebrachten Reifens
Arbeitsverbrauch. 525
zwisoben zwei Walzen ohne Untärbrechnng fortgeht, das Schwungrad
also sehr bald seine Leistung erschöpft haben würde und demnach seine
eigentliche Bestimmung nicht erfüllen kann, Zwillingsmaschinen ohne
Schwungrad zu benutzen. Das in den Figuren 413 und 414 abgebildete
Walzwerk der Eisenhütte Phoenix besitzt eine Zwillingsmaschine mit einem
horizontalen und einem yerticalen Dampfcylinder von 658 Mm. Durch-
messer, 324 Mm. Hub, deren Schubstangen auf einen gemeinsamen Eur-
belzapfen arbeiten. Die Normaldampfspannung beträgt ca. drei Atmo-
sphären.
Arbeitsyerbrauch beim Walzen.
Derselbe und somit die von der Betriebsmaschine zu leistende
Arbeit ist nach Vorausgehendem yon sehr vielen Umständen abhängig.
Für den Arbeitsverbrauch entscheiden zunächst die Härte des Metalls
auf der einen und das Maass der Querschnittsverkleinerung beim ein-
maligen Durchgange zwischen den Walzen auf der andern Seite ; für die
Arbeitsleistung der Betriebsmaschine sprechen ausserdem noch mit: die
Grösse der Pausen zwischen den einzelnen Durchgängen, die Anzahl der
Walzgerüste, welche zu einem gemeinschaftlichen Walzwerke gehören,
da' mit der Anzahl derselben die Widerstände durch Reibung wachsen,
die Anzahl der Durchgänge, welche gleichzeitig in mehreren Walz-
gerüsten stattfinden, die Grösse des Schwungrads ü. a.
Es würde ein nutzloses Beginnen sein, durch theoretische Berech-
nungen aus allen diesen Factoren die erforderliche Arbeitsleistung der
Betriebsmaschine ermitteln zu wollen. Man kann lediglich auf prak-
tischen Erfahrungsresultaten fassen.
Man rechnet an erforderlicher Betriebskraft ^Pfö^to!'
fiir Grobeisen- und Mittelstrecken mit drei Walzgerüsten und
75 Umgängen per Minute 75
n Feineisenwalzwerke mit drei bis fOnf Walzgerüsten und
200 Umgängen per Minute 50
„ Schnellwalzwerke mit fünf bis sieben Walzgerüsten und
400 Umgängen per Minute 130
n Schienenwalzwerke mit 100 Umgängen 250
„ kleine Blechwalzwerke zu Schwarzblech bis zu 5 Mm. Stärke
mit 40 Umgängen per Minute 20
jf Kesselblechwalzwerke mit 30 Umgängen per Minute . • 70
9 Walzwerke zu Panzerplatten, 30 Mm. stark, 2,5 M. breit,
mit 30 Umgängen per Minute 250
jf £upferblechwalzwerke mit Walzen von 450 Mm. Durch-
messer 2 M. lg., 40 Umgänge per Minute 20
n Messingwalzwerke mit Walzen von 400 Mm. Durohmesser,
IM. Länge 30
Dnrchsch.
Pfditkn.
für Kehrwalzwerke mit ZwiUingsmaschiDe zum Urastencm
und ohne Schwnngi-ad 600
„ Reifenwalzwerke mit Zwillingsm aachin e ohne Sohwnngrad 350
Das Arbeitsverfahren.
Da die Formgeljnng beim Walzen lediglich Ton der Form der Wal-
zen nnd Kaliber abhangig igt, so ist der manuellen GeBchicklichkeit des
Arbeiters in dieser Beziehung ein geringerer Spielraum gegeben als bei
der Formgebung durch Hämmern. Die Arbeiten bestehen im Wesent-
lichen ans der Vorbereitung des Materials (Sortiren, Packetiren, Erhitzen),
dem Einbringen in die Walzen, wobei eine der Bescbaffeuheit des Mat«-
rials entsprechende Wahl in der Aufeinanderfolge der Kaliber erheblich
zur Beschleunigung des Processes beizutragen vermag, dem Ergreifen
nnd Zurflckgeben des herauskommenden Walzstücks, Drehen desselben
nnd Wieder einbringen.
Bei dem Waisen von Schmiedeeisen verbindet man einen Schweiss-
und Verdichtungsproceas mit der Formgebung, indem man aus schon
roh bearbeiteten Stäben (Rohichienen) , Ab^en und Alteisen Packete
in der schon beim H&mmem beschriebenen Art nnd Weise zusamoien-
legt, diese zanScbst in Vorkalibem (Scbweisskalibem) zusammenschweisst
und dann weiter aosrecki Meistens ist der Querschnitt des Packets
quadratisch, nnd zum Zusammenschweissen dienen Spitzbogenkaliber; bis-
weilen giebt man auch dem Packete schon einen dem fertigen Gegen*
stände ähnlichen Querschnitt und erleichtert dadurch die Kalibrirung
der Walzen. Ein Beispiel hierfür kann die Abbildung Fig. 415 geben,
Fig. 415. welches die Packetirung fftr grosses Doppelt-
T-Eisen in zweierlei Weise ausgeführt zeigt.
Ebenso giebt Fig. 416 ein Beispiel, wie man
AbfSlle von fagonnirtem Eisen mit anderen zu-
sammenlegen und wieder verarbeiten kann.
Wie schon früher erwähnt, wird io sol-
chen Fällen, wo es auf grosse Dichtigkeit an-
kommt, das Schweissen unter Hämmern und
erst die eigentliche Formgebnng unter Walzen
ausgeführt, z. B. bei Anfertigung von Eisen-
blechen.
Ebenso wird Stahl unter Hämmern geschweisst. Auch gegoesener
Stahl (Tiegelgassstohl, Bessemer- und Martinstahl) erhält auf deutschen
Eisenwerken meistens erst einen Verdichtungsprocess nuter H&mmem,
ehe er den Walzen flbergeben wird; anf nordamerikanischen Eisenwer-
ken werden dagegen die gegossenen Stahlblöcke fllr die Schienenfabrika-
Arbeitsverfahren. 527
tion ohne Weiteres in den beschriebenen grossen Yorwalzwerken (Bloo-
ming-mills) ausgewalzt.
Andere Metalle als Eisen nnd Stahl pflegt man nnr höchst selten
in kalibrirten Walzen zu verarbeiten, sondern beschränkt sich auf die
Fig. 416. Herstellung von Blechen ans diesen Metallen, welche nach
Erforderniss durch Zerschneiden in Stabform gebracht wer-
den können. Alle diese Metalle werden aus gegossenen
Platten in den Walzwerken weiter verarbeitet, entweder
ohne sonstige Zwischenarbeit, oder, wie es z. B. bei Her-
stellung von Kupfer-, Messing-, Neusilberblech biswei-
len geschieht, nach vorausgegangener Verdichtung unter
dem Hammer.
Kupfer und Bronze werden in dunkler Bothgluth, Gold, Silber,
Messing, Neusilber, Blei, Zinn, Zink kalt gewalzt^). Bei den kalt ge-
walzten Metallen ist zwischen den einzelnen Durchgängen ein um so
öfteres Ausglühen erforderlich, je rascher sie ihre Dehnbarkeit verlieren.
Messing und Neusilber müssen anfänglich nach jedem Durchgange ge-
glüht werden; Gold und Silber um so öfter, je stärker sie legirt sind;
Zink wird nach beendigtem Walzen auf 150 Grrad erwärmt. Blei und
Zinn bedürfen keines Ausglühens.
Bei sämmtlichen Metallen , welche zu Blechen verarbeitet werden,
pflegt man, wenn die Verdünnung einen gewissen Grad erreicht hat, zur
Beschleunigung der Arbeit zwei oder auch mehrere Tafeln auf einander
zu legen oder eine lange Tafel in der Mitte zusammenzubiegen und so
gedoppelt zwischen den Walzen hindurchgehen zu lassen.
Zur Ausführung der Arbeiten pflegen mindestens fünf Arbeiter er-
forderlich zu sein , welche das Einstecken , Zurückreichen und die Ver-
stellung der Walzen besorgen.
Wie schon bei den Arbeitseigenschaften der Metalle hervorgehoben
wurde, lassen sich verschiedenartige Metalle mit einander vereinigen,
wenn sie mit metallisch reiner Oberfläche auf einander gepresst werden.
Diese Eigenschaft findet Anwendung bei der Anfertigung plattirter
Bleche.
Der am häufigsten in dieser Beziehung vorkommende Fall ist die
Herstellung von Kupferblechen, welche mit Gold oder Silber plattirt
sind. Eine auf eine Stärke von 12 bis 20 Mm. ausgewalzte Platte aus
dem reinsten Kupfer wird durch Schaben an der Oberfläche vollständig
gereinigt und mit einer ebenfalls vollständig reinen Gold- oder Silber-
platte aus möglichst' feinem Metalle belegt, deren Ränder um die Ränder
^) Zink wird nicht selten schwach angewärmt; da die Temperatur beim
Walzen sich gteigert, würde man bei zn starker vorausgegangener Erwärmung
Gefahr laufen, dass eine Erhitzung über jene Grenze eintritt, wo das Zink
seine Dehnbarkeit verliert.
528 Walzwerke.
der Knpferplatte umgeklopft werden. Die mechanische Reinigung an den
Berührungsflächen muss, wenn Vereinigung stattfinden soll, mit äusserster
Sorgfalt bewirkt, jede Berührung mit den Fingern vermieden worden sein.
Zur Erleichterung der Vereinigung giebt man der Eupferoberfläche vor dem
Auflegen der Gold- und Silberplatte einen dünnen Gold- oder Silberüberzug
durch Bestreichen mit einer concentrirten Lösung von Goldchlorid, be-
ziehentlich Silbemitrat. Die beiden aufeinander gelegten Metallplatten
werden vorsichtig zur Rothgluth erwärmt und dann die Oberfläche an-
haltend mit einer eisernen Krücke gerieben, um ein dichtes Aneinander-
legen zu bewirken. Wenn man sich durch Anschlagen mit einem Ham-
mer an die herausgenommene Platte überzeugt hat, dass in solcher
Weise alle hohlen Stellen beseitigt sind, lässt man sie rasch mehrere
Male durch das Walzwerk unter jedesmaliger Näherung der Walzen
hindurchgehen, wodurch eine vollständig feste Verbindung erreicht wird,
und walzt sie später kalt zu der verlangten Stärke aus.
Ebenso kann man Blei mit Zinn plattiren, indem man zwei gans
reine Platten dieser Metalle auf einander legt und zusammen in dem
Walzwerke ausstreckt.
Literatur.
lieber sämmtliche Arten von Walzwerken :
J. V. Hauer, Die Hüttenwesensmaschinen, 2. Auflage, enthält von S. 478
bis 572 für die verschiedenen Arten und einzelnen Theile der Walz-
werke in klarer DarsteUungsweise Beschreibungen und Gonstruc-
tionsregeln, welche in Vorstehendem mehrfach benutzt wurden.
Abbildungen ausgeführter Walzwerke:
Jordan, Album du cours de m6tallurgie, Taf. 89 bis 103; Blechwalz-
werke, Taf. 114 bis 117, 119, 120.
Zeichnungen der „Hütte', Jahrgang, 1861, Blatt 18 a bis x, 1863,
Blatt 4 a bis d, 1864, Blatt 3, 1865, Blatt 2.
Wiebe, Skizzenbuch, Jahrgang 1867, Heft 2 (Neusilberwalzwerk), Jahr-
gang 1868, Heft 1 (Messingwalzwerk), Jahrgang 1875, Heft 5
(Messingwalzwerk).
Ueber Walzenkalibrirung :
Tunner, Ueber die Walzenkalibrirung fGbr die Eisenfabrikation, Leipzig
1867 (nebst Atlas von 10 Tafeln).
Daelen, Hollenberg und Diekmann, Die Ealibrirung der Eisenwal-
zen. Drei von dem Vereine zur Beförderung des G^werbfleisses in
Preussen gekrönte Preisschriften; abgedruckt in den Verhandlungen
des genannten Vereins, Jahrgang 1869, und im Separatabdrucke
bei Nicolai in Berlin in mehreren Auflagen erschienen.
Literatur. 529
Abbildungen ansgefilhrter Kalibrirnngen auBserdem in den Zeichnungen
der „Hütte^, Jahrgang 1864, Blatt 37; Jahrgang 1862, Blatt 8,
a bis c; in Petzoldt, Eisenbahnmaterial, Taf. 6, 7, 8, 9, 10,
11, 23, 24.
. üeber Vor- und Rüokwärtswalzen:
Oesterreichische Zeitschrift fOr Berg- und Hüttenwesen, Jahrgang 1872,
S. 49 (Tanner); Zeitschrift deutscher Ingenieure, Jahrgang 1875,
Seite 98.
üeber Radreifenwalzwerke und deren Anwendung:
Y. Rittinger, Erfahrungen im berg- und hüttenmännischen Maschinen-
wesen, Jahrgang 1867, S. 28 (Schmidthammer); Jahrgang
1869, S. 15 (derselbe).
y. Eerpelj, Fortschritte der Eisenhüttentechnik, Jahrgang 1870,
S. 359 bis 364.
Ueber das Arbeitsverfahren beim Walzen geben die Lehrbücher der
Eisenhüttenkunde von Karsten, Flachat, Valerius u. A. meistens
ausführliche Beschreibungen; ebenso Ansiaux und Masion, Handbuch
über die Fabrikation des Puddeleisens und Puddelstahls , deutsch von
Hartmann. Verfasser hält es jedoch für geboten, auch hier wieder
seine Ansicht dahin auszusprechen, dass das eigentliche Arbeitsverfah-
ren sich niemals aus Lehrbüchern, sondern nur durch eigene praktische
Thätigkeit erlernen lassen wird, und ho£Pt daher, dass die oben gegebene
allgemeine Darstellung desselben für das erste Yerständniss der vor-
kommenden Arbeiten genügen dürfte.
D. Ziehbänke*
Die formver&adernde Arbeit, welche man mit dem Namen Ziehen
bezeichnet, entsteht, wenn ein stabf5rmig6r Körper mit seinem einen etwas
zugespitzten Ende durch eine engere Oeffnnng als sein eigener Querschnitt
ist, hindurchgesteckt und nun durch eine an dem durchgesteckten Ende
angreifende Zugkraft in seiner ganzen Länge durch jene Oeffnung hindurch-
gezogen wird, wie es Fig. 417 a. f. S. darstellt. Es findet also auch
hier eine Querschnittsverdünnung und eine entsprechende Längenaus-
dehnung statt; die Molecüle verschieben sich in solcher Weise, dass die
nach dem Mittelpunkte zunächst liegenden Theile den übrigen voran-
eilen, welche zurückgedrängt werden, und der Körper setzt einer Tren-
nung seiner Theilchen in dem durchgezogenen Ende seine Zerreissungs-
festigkeit entgegen. Aber auch ein Zusammendrücken innerhalb der
verengten Oefinung ist unvermeidlich, und vermöge der ElasticHät des
Iiedebar, neofaanlaoh-mttallargtMlM Ttohnologl«. 34
530 Ziehbänke.
gezogenen Körpers ist der Qnerscbnitt deaaelben, nachdem er die Zieh*
Öffhnng passirt hat, stets ein wenig gröseer als diese.
I>ie Kraft, welche erforderlich ist, jene QaerschnitteverdQnnnng beim
Ziehen herrorzabringen , wächst mit
^' der Differenz der Qaerscbidtte Tor
and noch dem Ziehen; sie ist abhän-
gig Ton der Härte des zu ziehenden
^ Körpers (welche mit der Formver&nde-
rung Eonimmt), toh der GMchwindig-
keit der Bewegung, von der Form
and Beschaffenheit des Ziehlochs.
Ein schlank konisches, trichterförmi-
ges Looh wii^ das Hindnrcbziehen leichter machen , als ein solches , bei
welchem die QnerschnittsTerengnng in plötzlichem Uebergange stattfin-
det; ein Loch, dessen Innenfläche glatt aasgearbeitet and mit Fett Aber-
zogen ist, wird dem Hindarchziehen einen geringem Reibnngswiderstand
entgegensetzen als eins mit ranhen Flächen.
Wenn jene Kraft zam Hindarchziehen grösser als die Zerreissongs-
festigkeit des Stabes in dem hindurchgezogenen Theile ist, so tritt Zer-
reissnng ein. Hieraus folgt, daas die Qaerschnittsabnahme in einer
Ziehöffnnng in erster Reihe von der Zerreissangsfestigkeit des Metalls,
in zweiter von der verfügbaren Zagkraft abhängig sein mnss, dass also
fOr erheblichere Qner Schnitts verkleinemngen viele Ziehlöcher nach ein-
ander angewendet werden mOsaen, wie man bei der Formveräoderang
durch Walzen das Arbeitsstück durch eine grSssere Anzahl Kaliber hin-
dnrchgehen lassen musste. Das lineare Abnahmeverbältniss der Zieh-
löcher (der Terdünnongsfactor) beträgt durchschnittlich
bei Schmiedeeisen 0,90
„ Stahl 0,95
, Messing und Kupfer 0,925
„ Silber 0,85
d, h. der Durchmesser jeder folgenden Oefinnng verkleinert sich um so
viel ab die obige Zahl angiebt, wobei angenommen ist, dass das Zie-
hen — wie es meistens der Fall ist — in der Kälte geschiebt.
Ein Ziehen des erhitzten Metalls findet nur in besonderen Fällen
statt (sobmiedeeiseme Röhren, welche beim Ziehen geschweisst werden),
weil durch die Erhitsang die Zerreissungsfeatigkeit in beträcbtlicherm
Maasse abzanehmen pfiegt, als der Widerstand, den das Metall dem
Ziehen entgegensetzt.
Wenn — wie es annähernd stets tlblich ist — das obige Abnahme-
Terbältniss in den Ziehöf&iimgen auch bei fortschreitender YerdCümung
das nämliche bleibt, so folgt; dass die aufzuwendende Kraft, sofern alle
fibrigen Terhältniaae die nämlichen bleiben, immer gannger wird. Denn
wenn i. B. jenes AbnahmererhältnisB 0,9 ist, und der Dorchmesser eines
Theorie des Ziehens. 531
krdismnden Stabes von 6 Mm. sich demnach auf 0,9 X 6 = 5,4 Mm
verringert, so findet eine Qnerschnitts^erdünnnng von 6* 5,4^ — = 5,37
4 4
Qoadratmillimeter statt; verringert sich aber der Durchmesser eines
kreisrunden Stabes von nur 2 Mm. Durchmesser auf 0,9 X 2 = 1,8
Millimeter, so ist die Querschnittsverdünnung nur 2' -- — 1,8* — = 0,6
4 4
Quadratmillimeter, und die erforderlichen Zugkräfte würden sich dem-
nach annähernd wie 5,37 : 0,6 verhalten können. -
Da nun aber die aufgewendete Zugkraft bei einem und demselben
Ziehwerke unveränderlich, ein wachsendes Abnahmeverhältniss der Zieh-
löcher ebenfalls nicht thunlich ist, so wächst dementsprechend die
Schnelligkeit des Hindurchziehens mit abnehmendem Durchmesser und
schwankt nach dem Querschnitte des Arbeitsstücks von 0,2 bis 2 M.
per Secunde.
Man zieht entweder volle Stäbe, meistens mit kreisrundem Quer-
schnitte und nennt das Endproduct Draht; oder man zieht hohle, mei-
stens cylinderformige Körper — Röhren.
Aus dem Vorausgegangenen folgt, dass der zum Ziehen der Metalle
dienende Apparat als wichtigsten Theil eine aus genügend hartem Mate-
riale gefertigte Platte mit den Oefinungen zum Ziehen — Ziehlöchem —
enthalten muss; diese Platte wird das Zieheisen genannt; dass ferner
eine — meistens durch Elementarkraft betriebene — Vorrichtung vor-
handen sein muss, um den Metallstab durch die Oe&ung hindurch-
zufnhren. Das Ziehen wird stets in horizontaler Bichtung bewirkt und
muss genau in der Achsenrichtung des Ziehloches erfolgen, wenn nicht
Gefahr für das Abreissen entstehen und ein einseitiges Ausschleifen des
Loches die Folge sein soll. Das Zieheisen wie die erwähnte Vorrich-
tung für die Arbeit des Ziehens sind gemeiniglich auf einer hölzernen
oder eisernen Bank angebracht, und den InbegrifiP des Ganzen nennt
man Ziehbank.
Nach der Art und Weise, wie der Zug auf das Metall ausgeübt
wird, unterscheidet man Schleppzangen -Ziehbänke und Scheiben-
oder Leier-Ziehbänke.
Schlepp Zangen -Ziehbänke.
In den Figuren 418 und 419 (a.f.S.) ist eine Schleppzangen-Ziehbank
zum Ziehen von Kupfer und Messingröhren in der Fabrik der Herren
Florian Liebelt u. Comp, in Chemnitz abgebildet.
Die endlose ISIette aa ist auf der einen Seite über das verzahnte
Bad h geführt, welches durch die Getriebe c und d in Umdrehung ver-
setzt wird, und somit auch der Kette ihre Bewegung ertheilt; auf der
andern Seite ist die Kette einfach über das Bad ohne Zähne e geführt
Die Lagerböcke fär die Wellen der beiden genannten Bäder dienen
34*
Scbleppzangenziehbänke. 533
zugleich zur Unterstützung zweier horizontaler hölzerner Balken //,
welche die eigentliche Bank bilden. Dieselben sind jenseits der Lager
des Rades e fortgesetzt und endigen in einem dritten Paar Lager auf
der rechten Seite. An der obem Seite sind sie mit Flacheisenschienen
beschlagen und auf den letzteren läuft ein kleiner gusseisemer, yier-
rädriger Wagen g. Durch einen Bolzen und Splint ist der Wagen mit
der Zange i verbunden, deren Maul sich schliesst, sobald der Wagen
nach links bewegt wird, und dadurch einen Zug auf die Schenkel der
Zange ausübt. Auf der andern Seite des Wagens befindet sich, durch
ein Gelenk mit demselben verbunden , der gekrümmte Finger A;, welcher
die Verbindung des Wagens mit der umlaufenden Kette bewirkt, sobald
er über eins der mittleren Kettenglieder übergeworfen wird. Wenn
aber das Kettenglied, auf dem Rade h angelangt, abwärts gehende Be-
wegungsrichtung annimmt, löst sich der Finger in Folge dieser ver-
änderten Lage aus der Verbindung, das Gegengewicht { wirft ihn sofort
empor und macht dadurch den Wagen völlig von der Kette frei, ein
Hinabziehen desselben verhütend. Letztere Gefahr wird ausserdem da-
durch vermieden, dass der Wagen im letzten Stande an eine Platte der
gusseisemen Schuhe stösst, in welchen die Balken // lagern. Der
Wagen sammt der Zange kann nun leicht von Hand zurückgeführt und
am Anfange der Bahn aufs Neue in die umlaufende Kette eingeklinkt
werden.
Unmittelbar hinter dem äussersten Angriffspunkte der Zange befindet
sich das Zieheisen nt, mit breiter gusseiserner Platte auf den Holzbalken
festgeschraubt, und in dasselbe hinein ragt der an einer schmiede-
eisernen Stange befindliche „Dom*' n zur Begrenzung der lichten Weite
der zu ziehenden Röhren. Es ist aus den Abbildungen ersichtlich,
wie die Stange des Doms mit dem andern Ende in einem Schlitze des
Lagers o aufruht, so dass sie sich, um das zu ziehende Rohr einzubrin-
gen, nach rechts zurückziehen lasst. Dieser ganze rechts befindliche
Theil der Bank ist natürlich entbehrlich und kann wegfallen, wenn die
Anwendung des Doms beim Ziehen nicht erforderlich ist, also auch bei
allen Drähten und auch bei solchen Röhren, die ohne Dorn gezogen wer-
den (z. B. eiserne Röhren).
Bei den Schleppzangen-Ziehbänken ist die Länge jedes Zuges durch
die Länge der Bank bestimmt; sollen längere Gegenstände gezogen
werden, so muss, nachdem das entsprechende Stück durchgezogen wor-
den ist, die Zange zurückgeführt, und aufs Neue an dem aus dem Zieh-
loche hervorragenden Ende angesetzt werden. Dadurch entsteht ein
Zeitverlust und auf den^ gezogenen Arbeitsstücke zeigen sich, in den
bestimmten Abständen wiederkehrend, deutlich sichtbar die Spuren der
Zangenbisse.
Beide Umstände vereinigen sich, die Schleppzangen-Ziehbank zu
einem ungeeigneten Geräthe zum Ziehen dünnerer Drähte zu machen,
zum Drahtziehen ist sie nur dann in Anwendung, wenn ein sehr be-
534 Ziehbänke.
tr&ohtlicher DnraluneBser des Arbeitsat&cka die Anwendung der BOgleicb
zn beschreibenden Scheiben ziehbaok nicht gestattet, bei welcher ein Bie-
gen detselben in Ringfonn Erforderniss ist. Drftbte mit solchen grossen
Durchmessern werden Jedoch überhaupt nnr ansDahmsweise dorch Ziehen
dargestellt werden. Ans demselben Grunde ist aber die Scbleppzangen-
Ziehbank unentbehrlich zum Ziehen von RShreD, deren L&nge ohnehin
eine sehr beschränkte ist, so dass hier die Länge der Bank ohne Schwie-
rigkeit dem BedOrMsse angepasst werden kann.
Scheiben- oder LeiereiehbSnke.
Eine solche ist in perspectirischer Ansicht in Fig. 420 abgebildet.
Auf der hölzernen Bank G befindet sich an der einen Seite der Haspel
Fig. 420.
oder Hut F, welcher den Ring des zn ziehenden Drahts trägt, und um
eine senkrechte, in der Bank befestigte eiserne Achse sich dreht Auf
der andern Seite der Bank ist die Leier, Trommel oder Rolle C au
Gnsseuen befindlich, gleichfalls drehbar und Ton der unterhalb der
Bank gelagerten Betriebswelle a aas Termittelst der Winkelräder p und
q bewegt, deren letzteres auf der Achse der Leier C befestigt ist. Ud>
geftbr in der Uitte zwischen Haspel und Leier steht der Ständer D mit
dem Zieheisen B, welches innerhalb desselben verschiebbar ist, nm
noch Erforderniss die BenntzDSg verschiedener Löcher möglich aa
SelhstversUlndlich wird, wenn das eine Ende des Drahts angespitit,
dorch das Zieheisen hindorchgeBteckt und an C befestigt wird, der
ganze Draht sich allmälig von F ah und auf G aufwickeln, und dabei
eine entsprechende Streckung und Qaersohnitteverdünnung erfahren,
sobald 0 in Bewegung versetzt wird.
Die Trommel C pflegt mit einer Vorrichtung versehen zu sein , um
sie leicht nusBcr nnd in Bewegung setzen zn können, ohne dasB die Dre-
hung der Welle a, welche gewöhnlich eine grössere Anzahl Trommeln
j>ig, 421. ^^ treiben hat, dadurch
beeiaflusst wird. Die
Einrichtung ist eine solche,
dass nach beendigtem
DnrchgaDge des Drahts
durch das Ziehloch aelbst-
th&tige Ausrücknng er-
iblgt
Die Figuren 421, 422
und 423 zeigen eine der
für diesen Zweck tlblichen
Constmctionen ia '/ii <l^r
wirklichen Grösse. Die
gOBseiseme Trommel dreht
sich lose auf der senk-
rechten Welle, 0. Un-'
mittelbar unter der Trom-
mel ist die Scheibe p auf
der Welle befestigt, deren
Form im Grundrisse sich ans Fig. 423 ergiebt. Die Trommel tr> den
Stift n mit einer Spiralfeder versehen, welche ihm das Bestreben ertheilt,
den höchsten Stand wie in Fig. 422 einzunehmen. In dieser Stellung
Fig. 422. dreht sich nur die WeUe 0
mit der Scheibe p und die
Trommel steht still. Drückt
man aber den erwähnten
Fig. *23.
Stift mit Hilfa des an seinem
obern Ende befindlichen
Enopfo nach unten, so wird
das andere Ende desselbeo
alsbald von einer der beiden auf p anfgegossenen Bippen erfasst und
die ganze Trommel eomit in Umlauf veraetit werden. Die Spannung,
536 Ziehbänke.
welche der durch das Ziehloch hindnrohgehende Dtraht gegen die Trom-
mel ansübii ruft dabei eine so beträchtliche Reibung zwischen dem Stifte
und der Rippe p herror, dass ersterer in seiner Stellang yerharrt, auch
nachdem die Hand den Knopf losgelassen hat; sobald aber das Ende des
Drahts das Ziehloch verlassen hat, hört die Spannung anf, der Sfcifl
schnellt empor und die Trommel steht still.
Zur Befestigung des Drahts an der Trommel dient gewöhnlich eine
kleine Zange oberhalb des untern Randes derselben, welche in ganz
ähnlicher Weise wie die Zange der oben beschriebenen Schleppsangen-
Ziehbank das Drahtende erfasst und hinter dch drein zieht, so lange
durch Drehung der Trommel die zum Schliessen der Zange erforderliche
Spannung erzeugt wird (vergl. Fig. 421).
Das Zieheisen.
«
Dasselbe pflegt für das Ziehen von Dr&hten aus einer Gnssstahl-
platte zu bestehen, in welcher die Ziehlöcher von yerschiedener Grösse
.eingearbeitet sind. £s wurde schon erwähnt, dass diese Ziehlöcher genau
gearbeitet und innen glatt sein müssen, damit die Arbeit erleichtert
werde und ein fehlerfreies Product entstehen könne. Nach hinten erwei-
tem sie sich in schlank konischer Form, in der Mitte befindet sich ein
kurzes cylindrisches Stück, dessen Durchmessei^ die erfolgende Verdün-
nung bewirkt, nach vom findet wieder eine kürzere Erweiterung statt,
um das Austreten zu erleichtern (vergl. Fig. 417). Die vordere Oeffiiung
heisst das Auge des Zieheisens. Die Stärke des Zieheisens betragt
nach dem Durchmesser der Drahtsorten 4 bis 25 Mm.; ein einziges
Zieheisen enthält oft bis 100 Löcher.
Für sehr feine Drähte aus (xold und Silber benutzt man bisweilen
statt des Zieheisens eine Messingplatte, in welche ein entsprechend durch-
lochter Rubin oder Saphir eingelassen ist, und nennt diese Vorrichtung
Steinloch. Solche Steinlöcher sind dauerhafter als die aus Gueastahl
gefertigten Zieheisen.
Beim Ziehen von Röhren auf der Schleppzangen-Ziehbank, insbeson-
dere, wenn mit dem Ziehen ein Schweissen verbunden ist, es also darauf
ankommt, rasch die Löcher zu wechseln, benutzt man statt des Zieh-
eisens mit vielen Löchern ein solches mit nur einem Loche, welches mit
einem konischen, leicht auszuwechselnden Einsatzstücke versehen ist, so
dass nach jedem Durchgänge rasch ein anderes Einsatzstück ein-
gesteckt werden kann. Diese Einsatzstücke sind aus Gusseisen oder
Stahl gefertigt und werden Ziehtuten (Ziehdüten) genannt.
Arbeitsverfahren und Arbeitsaufwand.
Für das Ziehen von Drähten benutzt man Stäbe, welche durch
einen vorbereitenden Process schon zu einem möglichst geringen Quer-
Arbeitsrerfahren. 537
Bchnitte aiugearbeitet worden sind. Das Material för Eisen- und Stahl-
draht ist der sogenannte Walsdraht, d. h. Rondeisen von 4 bis 10 Mm.
Durchmesser, welches im Schnellwalzwerke — seiner Bestimmung nach
auch wohl Drahtwakwerk genannt — gefertigt wird.
Ffkr Drtiite ans allen übrigen Metallen werden ans Blechen Strei*
fen geschnitten, deren ursprünglich quadratischer Querschnitt im Zieh-
eisen in den runden umgewandelt wird; seltener schmiedet man unter
dem Hammer Kundstäbe (beim Kupfer), oder walzt sie in Rundkalibem
(beim Golde und Silber), in welchen Fällen das Metall ursprünglich
schon in cylindrische Form gegossen wurde. Die gegossenen Rundstäbe
ohne Weiteres auszuziehen ist eine Methode, welche nur für die aller-
dicksten Drahtsorten geeignet sein dürfte.
Je rascher die Metalle durch das Ziehen an Härte zunehmen, desto
öfter müssen sie geglüht werden, wozu man Gefässöfen zu be-
nutzen pflegt.
Nach dem Glühen ist eine Reinigung von Glühspan erforderlich,
bevor das Ziehen wieder beginnen kann; Eisen und Stahl reinigt man
durch Beizen mit verdünnter Schwefelsäure, darauf folgendes Scheuem
unter Wasserzufluss auf dem sogenannten Polterwerke, welches aus
einem ähnlich wie ein Schwanzhammer wirkenden, doppelarmigen, stoss-
weise bewegten Hebel besteht, an dessen längerm Arme die Drahtringe
aufgehängt sind , um durch die Erschütterung beim Aufschlagen auf eine
feste Unterlage ihren durch das Beizen schon gelockerten Glühspan
fahren zu lassen. Dann kommen die Drähte in eine verdünnte saure Lo-
sung von Kupfervitriol, in welcher sie einen schwachen Kupfeniberzug
annehmen, aus dieser in Kalkwaiser zur Entfernung der Säure, und sind
nun, nachdem sie getrocknet sind, zum weitem Ziehen bereit.
Kupfer bedarf gewöhnlich keines Glühens während des Ziehens;
Messing wird nach dem Ziehen geglüht, und entweder als weicher
„schwarzer Draht" in den Handel gebracht, oder mit Schwefelsäure ab-
gebeizt, dann mit einer Auflösung von Weinstein gekocht, und noch-
mals durch ein Zieheisen gezogen, um Glanz zu erhalten.
Gold- und Silberdräthe bedürfen um so weniger des Glühens, je
reiner das Metall von fremden Metallen und Beimengungen ist.
Aehnlich wie man plattirte Bleche anfertigt, stellt man auch
Kupferdrähte, welche mit Gold oder Silber plattirt sind, dar, indem man
die sorgfältig gereinigte Kupferstange mit dünn geschlagenen Gold- oder
Silberblättem belegt, diese durch Umwickeln mit schmalem Bande be-
festigt, erwärmt (wobei das Band wegbrennt), mit einem Blutsteine an-
reibt und dann nach dem Erkalten zusammen auszieht.
Der Arbeitsverbrauch beim Ziehen von Drähten wird im Allgemei-
nen um so geringer ausfallen, je geringer der Durchmesser des Drahts
ist. Es folgt dieses aus dem schon früher mitgetheilten Umstände, dass
das Abnahmeverhältniss der Durchmesser der Ziehlöcher annähernd
gleich bleibt, demnach die Abnahme des totalen Querschnitts um so un-
538 Ziehbänke.
bedeutender ansfillli, je kleiner der Durohmesser wird. Es kommt hinzu,
dass mit Yerringerang des Durchmessers auch die Beibung im Ziehloche
abnimmt, und die mit abnehmender Stärke des Drahts zunehmende Ge-
schwindigkeit beim Ziehen reicht nicht immer aus, diesen überschüssig
werdenden Arbeitsverbrauch zu decken.
Karmarsch giebt an, dass, um per Secunde 1,5 M. Eisendraht Yon
1 Mm. Durchmesser zu ziehen, iVe Pferdestarken, um dagegen in der-
selben Zeit 0,2 M. Draht von 8 Mm. Durchmesser zu ziehen , 7 Pferde-
stärken erforderlich seien, und dass der Arbeitsverbrauch zum Ziehen yon
Eupferdraht etwa das Vs fftche , zum Ziehen von Messingdraht das Vs"
fache des zum Ziehen von Eisendraht unter sonst gleichen Verhältnissen
erforderlichen Arbeitsverbrauchs betrüge.
Es würde demnach, um in derselben Zeit die gleiche Menge Draht
von 8 Mm. wie von 1 Mm. Durchmesser zu ziehen, ungefähr der 50-
fache Arbeitsaufwand für erstem als fOr letztern erforderlich sein, und
es entspricht dieses Verhältniss annähernd dem Unterschiede in dem
Maasse der stattfindenden Querschnittsverdünnung bei beiden Draht-
Borten.
Zum Ziehen von Hohlkörpern (Bohren) benutzt man dicke, hohle
Cylinder des betreffenden Metalls, welche entweder durch Griessen (beim
Kupfer, Blei, Zinn, Messing) oder durch Zusammenbiegen eines flachen
Streifens und Verbinden der Fuge durch Schweissen (beim Eisen) oder
Löthen (beim Kupfer und Messing) hergestellt worden waren, oder man
fertigt den rohen Cylinder durch Pressen einer cylindrisohen Scheibe in
einer Beihe von Gesenken, welche deren Band allmälig aufbiegen und
sie in Bührenform verwandeln (beim Kupfer, vergl. Seite 479).
Bei dem Ziehen der Bohren wird ebensowohl die Wandstärke als
der innere Durchmesser verringert. Wird eine Verkleinerung des Durch-
messers nicht beabsichtigt, so steckt man in die Oefihung einen eisernen
glatt abgedrehten Stab (Ziehen über den Dorn). Näheres hierüber siehe
im letzten Abschnitte unter Anfertigung der Bohren.
Literatur über Ziehen der Metalle.
Karmarsch-'Hartig, Mechanische Technologie, 5. Auflage, S. 191
bis 220.
Hoyer, Mechanische Technologie, S. 167 £P.
Karsten, Eisenhü^nkunde, Bd. IV, S. 360.
Polytechnisches Centralblatt, Jahrgang 1874, S. 1047 (Anfertigung von
fagonnirtem Drahte).
539
Büokblioke.
In YorBtehendem wurde gezeigt, wie man mit verscliiedenartigen
Hilfsmitteln einem dehnbaren Metalle eine bestimmte Form ertheilen
kann; und zwar lässt sich frir denselben Zweck nicht selten jeder der
besprochenen formgebenden Apparate mit gleich gutem Erfolge verwen-
den, sofern man die verschiedenen Kosten der Herstellung ausser Acht
lässt. Letztere aber bilden den empfindlichsten Prüfstein für die Zweck-
mässigkeit eines Arbeitsverfahrens, und werden daher meistens ent-
scheiden müssen, welche der beschriebenen Methoden die geeigne-
tere seL
Zieht man zuvörderst den erforderlichen Arbeitsaufwand bei den
vier besprochenen Gattungen formgebender Apparate in Betracht, welche
Bämmtlich die Aufgabe erfüllen, Querschnittsveränderungen ungeschmol-
zener Metalle hervorzurufen, so dürfte die . nämliche Form Veränderung
den grössten Arbeitsaufwand durch Ziehen verursachen, theils wegen der
Beibung im Ziehloche, theils wegen des Umstandes, dass das Ziehen fast
immer kalt geschehen muss, um nicht die Zerreissungsfestigkeit des
Metalls zu schwächen; hieran reiht sich das Hämmern, dann das Wal-
zen, den geringsten relativen Arbeitsaufwand wird das Pressen er-
fordern ^).
Wenn es sich um Herstellung einfacher gestreckter Formen von
unbegrenzter Länge und gleichbleibendem Querschnitte (Stäbe und
Bleche) handelt, liefert das Walzwerk in der Zeiteinheit die grösste
Production, eine geringere der Hammer, die unbedeutendste das Zieh-
werk. Ist die Form ringsum abgeschlossen, insbesondere also die Länge
begrenzt und der Breite und Stärke gegenüber nicht sehr beträchtlich,
so verliert die Anwendung des Walzwerks an Zweckmässigkeit, das
Ziehwerk wird überhaupt unbenutzbar, sobald der Querschnitt des Fa-
brikats an verschiedenen Stellen ein verschiedener sein soll; für ein-
fachere Formen tritt der Hammer, für weniger einfache die Presse in
den Vordergrund. Zieht man endlich die Kosten der Anschaffung, den
erforderlichen Platz für die Aufstellung und Bedienung der vier Appa-
rate in Betracht, so zeichnet sich vor allen der Handhammer und Am-
bos durch Einfachheit aus und eignet sich trotz dieser Einfachheit zur
Anfertigung mannigfach gegliederter, in ihrer Grösse aber immerhin
durch das Maass der aufzuwendenden menschlichen Kraft beschränkter
Formen; hieran reihen sich die verschiedenen Maschinenhämmer bis zu
den grossen Dampfhämmern, deren Anlagekosten durch die nothwendig
werdende kostspielige Chabotte und Fundamentirung für grössere Lei-
stungen sich in zunehmendem Maasse steigern; Pressen erfordern, um
i)yergL Fr. Kick, Ueber die Beziehungen von Stoss und Druck, Dingler
Journal, Band 216, Seite 378.
540 Rückblicke.
bestimmte Formen heryorsabringeo, starke Gesenke, welche bei Hämmern
wenigstens nicht in der gleichen Zahl nnd Stärke vorhanden zn sein
brauchen; nnd Walzwerke beanspruchen einestheüs in ihrer Längen-
ausdehnung den grossten Raum, und andemtheils ein erhebliches Inven-
tar kostspieliger Walzen, wenn es sich um Herstellung verschiedener
Formen handelt.
Aus diesen Erwägungen folgt aber, dass man Ziehwerke, welche
hinsichtlich ihrer Leistung in fast jeder Beziehung den übrigen Appa-
raten nachstehen, nur da anwenden wird, wo die Eigenthümlichkeiten
der letzteren ihre Benutzung ausschliessen, also bei Anfertigung von Kör-
pern mit gleichbleibenden dünnen Querschnitten, die in der erforder-
lichen Gleichmässigkeit und Vollendung, wie sie das Ziehwerk liefert,
nur in dieser Weise herzustellen sind — Drähte und Röhren;
dass man Hämmer überall da am zweckmässigsten anwenden wird,
wo täglich verschiedenartige Gegenstände in einfachen und weniger
einfachen Formen hergestellt werden sollen; in der Werkstatt des Elein-
schmieds, in Maschinenfabriken, in Eisenwerken, in Kupferschmie-
den u. s. £;
dass Pressen vorzugsweise da am Platze sein werden, wo grössere
Mengen gleicher Gegenstände von gegliedeter Form gefertigt werden
sollen, welche sich unter dem Hammer nur durch eine längere fort-
gesetzte Bearbeitung hervorrufen lässt;
dass endlich Walzwerke wegen ihrer raschem Production trotz
ihrer hohen Anlagekosten in allen dei^'enigen Fällen die am billigsten
und am genauesten arbeitenden Apparate sein Werden, wo es sich darum
handelt, grosse Mengen Metall zu stabformigen Körpern von bestimmter
Querschnittsform oder zu Blechen zu verarbeiten, und dass sie selbst f&r
Anfertigung weniger einfacher, flacher Gegenstände (keilartige, periodische
und unterbrochene Formen, vergl. S. 494) sehr geeignet sind, wenn nur
die Bedingung einer grossen Production erfCQlt wird.
4. Einiges über die Anlage der Werkstätten zum
Schmieden, Walzen, Pressen, Ziehen.
Bei den erheblichen Yerachiedenheiien , welche die Apparate und
Yerfahmngsweisen der in der Uebenchrift genannten Arbeiten dar-
bieten, lassen sich nur wenige allgemeine Regeln für die Anlage der
Werkstätten daftUr anfistellen.
Wo ffir die Arbeit der Formgebung mehrere Apparate gemein-
schaftlich in Anwendung kommen müssen, z. B. Oefen zum Vorwärmen
oder Ansglühen neben dem eigentlichen ibrmgebenden Apparate, wird
man Sorge tragen, dieselben so zu vertheilen, dass der Transport von
dem einen zum andern nicht nnnöthig erschwert wird.
Für die Anordnung einer grossem Anzahl Schmiedefeuer in einer
Werkstatt giebt es zwei Systeme. Bei dem einen legt man die Schmiede-
feuer entweder einzeln, oder häufiger je zwei und zwei unter einer
Esse und in einem Herde vereinigt, an die Wände des Gebäudes. Hat
dasselbe einen oblongen Grundriss, so pflegen die Feuer an der einen
langen Wand, dem Haupteingange gegenüber, zu liegen; bei quadra-
tischer Form des Gebäudes sind auch wohl an drei Seiten Feuer an-
geordnet, während die vierte gewöhnlich frei bleibt, und zur Aufstellung
von Geräthen etc. benutzt wird. In sehr grossen und weiten Schmiede-
werkstätten legt man die Feuer auch wohl an beide Langseiten und
lässt die Giebelseiten frei.
Zwischen je zwei Herden muss ein Zwischenraum von 2,5 bis 3 M«
frei bleiben , um dem Schmiede Raum zur Bewegung zu lassen ; in den
nach aussen gerichteten Wänden des Gebäudes bringt man zweckmässig
in diesen Zwischenräumen je ein Fenster an, um das erforderliche Licht
herein zu lassen.
Bei dem zweiten Systeme der Anordnung stellt man die Schmiede-
feuer in der Mitte des Gebäudes auf, entweder zu zwei und zwei mit
gemeinschaftlicher Esse und sämmtliche Herde in eben solchen Abstän-
den von einander, wie bei der erstbeschriebenen Yertheilung, in einer
geraden Linie angeordnet, welche das Gebäude in zwei HiÜften theilt
und wobei dieses oblonge Grundform erhält, oder auch wohl eine
grössere Anzahl Feuer (4 bis 6) um eine gemeinschaftliche Esse grup-
542 Anlage der Werkstätten.
pirt. Durch letztere Einrichtimg spart man an Essen, die Feuer sind aber
weniger zugänglich und aus diesem Grunde ist eine solche Anordnung
nur da anwendbar, wo lediglich kleine Gegenstände zur Verarbeitung
gelangen.
Bei der Verlegung der Schmiedefeuer in die Mitte des Gebäudes
bleiben die Wände frei, und können zur Aufteilung anderer Apparate
und Geräthe benutzt werden. Dieser umstand kann in solchen Fällen den
Ausschlag für dieses System geben, wo die Wände zur Anbringung von
Aufbewahrungsbehältem für Materialeisen oder zur Befestigung von
Wellenlagem einer Transmission dienen sollen, Ton welcher auB Häm-
mer oder Maschinen zum Zertheilen (Scheeren, Durchstossmascbinen
u. a.) betrieben werden sollen; doch wird immerhin die freie Bewegung
innerhalb der Schmiede durch letzteres System erschwert, und es dürfte
auch in dem letzterwähnten Faüe meistens vorzuziehen sein, die Feuer
an eine lange Wand und die Transmission an die gegenüberliegende
zu verlegen.
Beim Schmieden mit Handhämmem erhält jedes Feuer seinen eige-
nen Ambos, welcher in unmittelbarer Nähe desselben aufgestellt wird.
Auch dann, wenn Maschinenhämmer zur Verwendung stehen, ist ein
Schmiedeambos f&r jedes oder für je zwei Feuer nicht wohl entbehrlich,
um kleine Arbeiten darauf auszufOhren , für welche der Maschinenham-
mer weniger geeignet ist.
Ein einziger Maschinenhammer pflegt für drei bis sechs Schmiede-
feuer auszureichen. Die Anordnung der Transmissionshämmer ist häufig
durch die erforderliche schon erwähnte Anbringung der Transmissions-
weUe an einer der Seitenwände bedingt, wodurch eine derartige (xruppi-
rung entsteht, dass die Hämmer auf der einen Seite des Gebäudes, die
Feuer an der gegenüberliegenden aufgestellt sind; bei Dampf hänunem
lässt sich die Dampfleitung eher als eine Transmissionswelle der geeignet-
sten Stellung des Hammers anbequemen, und es ist deshalb Kegel, die
Dampfhämmer frei und von allen Seiten zugänglich in der liGttellinie
des Gebäudes, und, falls mehrere vorhanden sind, sie parallel den Lang-
seiten des Gebäudes aufzustellen. Die Schmiedefeuer werden alsdann an
den Wänden nach dem erstbeschriebenen Systeme gruppirt.
Der freibleibende Raum zwischen dem Schmiedeherde und dem
Hammer beziehentlich dem zunächst gelegenen Apparate oder der
gegenüberliegenden Wand muss mindestens 4 M. betragen; an totaler
Grundfläche der Schmiede rechnet pro Feuer man bei alleiniger Anwen-
dung von Handhämmem oder kleinen Maschinenhämmern 15 bis 25 Qua-
dratmeter (verschieden nach der Länge der zu schmiedenden Gegenstände),
bei Anwendung von Dampfhämmern 25 bis 30 Quadratmeter ^).
Bei der Anordnung von Schweissöfen (beziehentUcK Glühöfen) in den
Gebäude sind ganz ähnliche Rücksichten als für Schmiedefeuer maassgebend.
^) Yergl. Wiebe, Maschinenbaamaterialien, S. 413.
Walzhütten. 543
Da ein Schweissofen stets grössere maschinelle Apparate — Dampfhämmer,
Pressen oder Walzwerke — zu bedienen hat, so empfiehlt sich die Ver-
legung der Oefen in die Mitte des Gebäudes noch weniger als bei
Schmiedefeuem und ist nur dann zu rechtfertigen, wenn die durch eine
solche Anordnung enstehenden zwei H&lften des Gebäudes vollständig
unabhängig von einander und eine jede mit ihren eigenen formgebenden
Maschinen versehen ist In weniger grossen Baulichkeiten wird man die
Oefen an die eine Seite des Gebäudes verlegen und den übrigen Raum für
die Aufstellung der Maschinen benutzen. Dadurch wird ebensowohl die Zu-
gänglichkeit und Bedienung der letzteren als die Zufuhr des Brennmaterials
von aussen her nach den Oefen erleichtert, bei Gasfeuerungen die Länge
der Gascanäle verkürzt, die Reparaturen und das Reinigen derselben
erleichtert. Bei einer solchen Anordnung lassen sich die Oefen ent-
weder mit gemeinschaftlicher Achsenrichtung in gerader Linie parallel
der Gebäudewand aufstellen, so dass ihre Arbeitsseiten dem Innern des
Gebäudes zugewendet sind, oder man kann je zwei und zwei mit dem
Rücken aneinander und mit ihrer Achsenrichtung normal gegen die
Richtung des Gebäudes gekehrt aufstellen. In diesem Falle werden also
bei Anlage von mehr als einem Paar Oefen je zwei und zwei derselben
ihre Arbeitsseiten einander zukehren, und es muss zwischen ihnen ein
entsprechend grosser Zwischenraum bleiben (4 bis 5 M.), um eine gegen-
seitige Behinderung der an den Oefen beschäftigten Arbeiter zu ver-
meiden. Die Form der Grundfläche des Gebäudes wird meistens ent-
scheiden, welche Anordnung vorzuziehen sei.
Die Maschinen für die Formgebung stellt man nun, wo es angeht,
in eine gerade Linie parallel der Reihe der Schweissofen auf, wobei ein
Abstand von mindestens 5 M. zwischen Oefen und Maschinen bleiben muss.
Walz- und Hammerwerke, welche zum Schweissen von Packeten benutzt
werden, erfordern in Rücksicht auf das dabei stattfindende Ümherschleu-
dem glühender Schlackentheilchen einen grossem Abstand, als Pressen;
Walzwerke für lange, dünne Gegenstände einen grossem, als solche für
kürzere Stücke (Bleche).
Legt man mehr als eine Walzstrecke an, so reicht gewöhnlich die Länge
des Gebäudes nicht aus, sie in einer gemeinschaftlichen geraden Linie
aufzustellen, und man ordnet sie in entsprechenden Abständen hinter
einander meistens derartig an, dass ihre Achsen rechtwinklig gegen die
Linie der Schweissofen gerichtet sind und somit ein jedes Walzwerk
gleich weit von den Oefen entfernt bleibt.
Ein Walzwerk mit 3 bis 4 Walzgerüsten pflegt zur Verarbeitung
der Lieferung von 2 bis 3 Schweissofen auszureichen, denen als Reserve
ein dritter oder vierter beigegeben zu werden pflegt; Walzwerke für
dünnere Eisensorten (Feineisen- und Sohnellwalzwerke) besitzen eine ge-
ringere Production und es genügt für ein Walzwerk mit 5 bis 7 Walz-
gerüsten die Anlage von zwei Schweissofen.
544 Anlage der Werkstatten.
Für Blechwalzwerke pflegt man höchstenB swei Schweissöfen (Glfih-
öfen för Kupfer etc.) pro Walzwerk anzulegen, zu denen bei Walz-
werken lEUr feine Eisenbleche noch ein Glühofen zum Ausglühen hin-
zutritt ^).
Eine wichtige Frage bei Anwendung von Schweiss- und Glühofen
bleibt die Ausnutzung der abziehenden Wärme, und in allen Fällen, wo
dieselbe bei directer Feuerung der Oefen nicht wie bei modernen Gas-
feuerungen wieder zurfickgefUirt werden kann (vergLS. 380), wird man
sie, vorausgesetzt, dass Dampf als Betriebskraft für die formgebenden
Maschinen dient, zur Heizung der Dampfkessel benutzen, indem man sie
zunächst unter dieselben und erst dann nach der £2sse führt.
Unzweckmässig ist es, wie man es in älteren Werken bisweilen findet,
die Kessel auf die Oefen zu legen, wodurch die Reparaturen häufiger und
schwieriger ausführbar werden. l)agegen pflegt man die Gase von zwei,
bisweilen auch von drei oder vier Oefen einem gemeinschaftlichen Keeael
zuzuführen. Hierbei erweist sich jene oben beschriebene Anordnung
der Oefen mit parallelen, normal gegen die Gebäudewand gerichteten
Achsen als zweckmässig, bei welcher es leicht ist, die Gase der neben
einander liegenden Oefen in einem gemeinschaftlichen Ganale zu ver*
einigen und dem ausserhalb des Gebäudes in einem beeondem
Kesselhause befindlichen Kessel zuzuführen. Liegen die Oefen dagegen
in einer geraden Linie paraUel der Gebäudewand, so pflegt man den
Kessel zwischen je zwei Oefen innerhalb des Gebäudes anzulegen.
In allen Fällen reicht eine einzige grosse Esse für die Gase einer
grossem Anzahl Oefen aus, die ihr Ton den Dampfkesseln aus durch
Gan&le zugeführt werden.
Man benutzt stehende (senkrechte) und liegende Dampfkessel.
Erstere haben den Yortheil der geringsten Platzbeengung, besitzen eine
günstige Leistung hinsichtlich der Yerdampfungsfähigkeit, lassen sich
aber schwieriger als die liegenden bedienen, und erfordern meistens
die Anlage einer hochgelegenen Bühne für den Aufenthalt des Kessel-
wärters.
Nach Kupelwieser^s Ermittelungen beträgt die Heizfläche der durch
die abziehenden Gase geheizten Dampfkessel durchschnittlich:
bei
liegenden stehenden
Kesseln.
pro Quadratmeter Rostfläche 16 Qm. 19,8 Qm.
„ geleisteter Pferdekraft der Dampfimaschine . 1,86 „ 1,66 „
Je mehr Wärme und Rauch durch Yorhandene Oefen in dem Ar-
beitslocale entwickelt wird, desto grösser muss die Höhe des Gebäudes
bemessen sein, und desto mehr Sorgfalt muss auf ausreichende Yenti-
lation verwendet werden. Für Walzwerksgebäude mit Schweissöfen
^) Ueber die quantitative Leistung der Schweissöfen vergl. 8. 365.
Drahtziehereien. 545
rechnet man als zweckmässige Höhe der Umfassüngswände 6 M. (ohne
das Dach); um den Gasen und Dämpfen Abzug zu schaffen, giebt man
dem Dache eine Laterne (Reiter). Die Umfassungsmauer lässt man
zweckmässiger Weise mindestens an einer Seite aus einer Reihe von
Mauerpfeilem in Abständen von 2,5 bis 3 Metern bestehen, welche durch
Bögen verbunden sind; die dadurch entstehenden Zwischenräume bleiben
im Sommer offen, um der freien Luft möglichsten Durchzug zu ge-
statten, und lassen sich während der rauhen Jahreszeit durch ein-
gesetzte Bretterwände leicht schliessen.
In den Röhrenziehereien pflegt man die Glüh- beziehentlich Schweiss-
öfen in die Nähe der Ziehbänke zu legen, welche parallel neben einander
aufgestellt werden, um von einer gemeinschaftlichen Welle aus betrie-
ben werden zu können.
Die Leierwerke der Drahtziehereien dagegen befinden sich in einer
oder mehreren Reihen auf entsprechend vielen und langen Tafeln an-
geordnet, unterhalb welcher die Transmissionswellen gelagert sind; und
zwar pflegt man in Rücksicht auf die erheblich abweichende Geschwin-
digkeit, mit welcher grobe und feine Drähte gezogen werden, mindestens
zwei Reihen Ziehbänke anzuordnen, deren Betriebswellen von der ge-
meinschaftlichen Betriebsmaschine aus mit entsprechend verschiedenen
Umlaufsgeschwindigkeiten bewegt werden. Da die Uebertragung der
Bewegung von der Betriebswelle auf die Spindeln der einzelnen Leiern
durch Winkelräder zu geschehen pflegt (vergl. Fig. 420), so ist man in
der Lage, durch ein verschiedenes Umsetzungsverhältniss bei diesen
Winkelrädem auch einzelne Leiern rascher, andere langsamer umlaufen
zu lassen, begnügt sich jedoch meistens, in dem Grobzuge und Fein-
zuge je zwei bis drei verschiedene Geschwindigkeiten anzuordnen.
Wo es angeht, benutzt man gern in Rücksicht auf die geringe Arbeit,
welche das Transportiren der leicht wiegenden Drahtringe erheischt,
getrennte Locale für die Anlage der Ziehbänke, der Glühöfen und der
Apparat« zum Reinigen des Drahts, um nicht gegenseitige Belästigungen
der Arbeiter durch diese verschiedenen Arbeiten herbeizuführen.
Um an Grundfläche zu sparen baut man die Drahtziehereien nicht
selten zweistöckig, legt in den untern Stock die Rärumlichkeiten zum
Glühen, Reinigen und die Ziehbänke für die gröberen Drahtsorten; in
den obem Stock die Feinzüge,
Literatur und Abbildungen ausgeführter Anlagen.
Ueber Schmiedewerkstätten:
Wiebe, Mascbinenbaumaterialien, S. 413, Atlas Taf, III. VI, VIL
Dingler's polytechnisches Journal, Bd. 211, S. 419«
Ledftbnr, mechuiiMfa - meUlluigiBcbe T«chtologie. 85
546 Literatur und Abbildungen ausgeführter Anlagen.
Ueber Walzwerksanlagen :
Tann er, Ueber Hüttenanlagen, insbesondere von Paddel- nnd Walzwer-
ken; Jahrbach der Bergakademien zu Leoben etc., 15. Bd., Jahr-
gang 1866.
Wiebe, Skizzenbach, Jahrgang 1868, Heft 1 (Messingwalzwerk).
Dasselbe, Jahrgang 1875, Heft 5 (Messingwalzwerk, Drahtzieherei and
Kupferschmiede).
Zeichnungen der Hütte, Jahrgang 1861, Blatt 18 a und b (Walzwerks-
gebäude zu Neustadt a. Rübenberge).
Ueber Drahtziehereien:
Zeichnongen der Hütte, Jahrgang 1862, Tafel 17 a und b.
Dritter Abschnitt.
Die Yollendnng der Form.
Nur in seltenen Fällen ist nach der ersten rohen Formgebung durch
Giessen oder durch äussere Kräfte im ungeschmolzenen Zustande die
Form des hergestellten Gegenstandes, wenn auch die Querschnitte dessel-
ben in ihren Hauptabmessungen richtig sind, schon eine solche, welche
ihn ohne Weiteres zur Benutzung befähigt. Gussstücke aller Art z. B.
sind, wenn sie aus der Gussform hervorgehen, noch mit den Eingüssen
und verlorenen Köpfen versehen, welche entfernt werden müssen; an den
Stellen, wo die Gruasform zusammengesetzt war, zeigen sie sogenannten
Grat, welcher gleichfalls entfernt werden muss; kleine Fehlstellen, durch
Beschädigung der Gussform oder aus anderen Ursachen entstanden, müs-
sen nachgearbeitet werden; häufig müssen Löcher durch besondere
Arbeit hergestellt werden, welche beim Giessen sich nur mit grösserer
Schwierigkeit hätten anbringen lassen; ganze Flächen, für welche der
höchste Grad von Genauigkeit Erfordemiss ist, ebene und gekrümmte,
müssen nachgearbeitet werden, so z. B. bei Maschinentheilen, welche auf
einander gleiten oder überhaupt genau auf einander passen sollen, bei
Kunstgegenständen , welche durch glattes, regelmässiges Aeussere dem
Auge gefällig werden sollen, u. s. f. Nicht selten ist auch der Fall, dass
die Anfertigung eines Gegenstandes aus einem einzigen Stücke grössere
Schwierigkeiten verursacht, als wenn dasselbe ursprünglich in zwei oder
mehreren Stücken hergestellt wird, welche dann durch ein geeignetes Ver-
fahren (Schrauben, Nieten, Löthen, Kitten) zu einem Ganzen verbunden
werden, und dass man deshalb dieses letztere Verfahren vorzieht.
Aehnlich verhält es sich mit den aus der Hand des Schmieds her-
vorgegangenen Gegenständen.
Die durch Walzen oder Ziehen hervorgebrachten Erzeugnisse endlich
bilden an und für sich nur höchst selten (regenstände für sofortige Be-
nutzung, sondern sie dienen als Zwischenerzeugnisse für die weitere
35*
548 Die Vollendung der Form.
Verarbeitung, deren HaaptquerschnittBabmesBang im Wesentlichen zwar
unverändert bleibt, deren Form aber durch Zerschneiden, Lochen, Biegen,
Vereinigen mit anderen Theilen noch vielfach sich ändert; so das Blech,
der Draht, die Rohren.
Jene aus der ersten Formgebung hervorgegangenen und für wei-
tere Verarbeitung bestimmten Roherzeugnisse nennt man Werkstücke
oder Arbeitsstücke.
Die Lehre von der Verarbeitung der Werkstücke in die endgiltigen
Formen der herzustellenden Fabrikate bildet den Gegenstand dieses
Abschnitts.
Bei dieser Vollendung der Form ergänzen sich häufig mehrere ver-
schiedene Arbeiten. Die erste besteht fast immer in einer mechanischen
Trennung einzelner Theile oder Theilchen des Werkstücks vom Ganzen,
theils zu dem Zwecke, glattere, genauere Flächen oder Kanten durch
die Bearbeitung zu erzielen, als sie die rohe Formgebung zu erzeugen
vermochte, z. B. bei 'dem Beschneiden der Enden an Stäben und Blechen,
bei der Bearbeitung der niemals genauen Oberfläche roher gegossener
oder geschmiedeter Stücke; theils ^um wirkliche Vertiefungen und Löcher
hervorzubringen, welche sich bei der ersten Formgebung nicht geben
liessen; theils auch, um ein aus dem Grunde der billigem Herstellung
in einem einzigen langen Stücke angefertigtes Werkstück in mehrere
kürzere zu zerlegen (Bleche, Stäbe, Röhren).
Eine zweite Arbeit besteht in der Veränderung der Oberfläche oder
der Achsenrichtung des Körpers durch Druck- oder Zugkräfte ohne er-
hebliche Veränderung der Stärkeabmessungen; also einestheils Prägen
u. dergl., andemtheils Biegen.
Eine dritte Gattung von Arbeiten umfasst das Zusammenfügen sol-
cher Theile, die, obwohl sie zu einem Ganzen gehören, bei der ersten
Formgebung getrennt angefertigt werden raussten.
1. Die Trennungsarbeiten.
1. Die allgemeinen Vorgänge hA der Trennung und die Arbeits-
eigensohaften der Metalle^ hinsichtlich ihrer Theilbarkeit«
Wenn ein Metalktück in mehrere Theile zerlegt, oder auch, wenn von
der Oberflftche desselben zu ihrer yeryoUkommnuDg kleine Theilchen ent-
fernt werden sollen, so ist es zur Erlangung einer vollendeten Form erfor-
derlich, dass ein fremder Körper — das Werkzeug — durch Eindnngen big
zu eiqem durch die Grösse der Trennungsfläche vorgeschriebenen Grade in
das Werkstück die Cohäsion seiner Molecüle an der vorgeschriebenen Stelle
und somit den Zusammenhang aufhebe. Eine solche Trennung kann in
verschiedener Weise erfolgen. Geschieht das Eindringen des Werkzeugs
und somit die Trennung in Folge einer durch das Werkzeug bewirkten
Verschiebung zweier Molecüle normal gegen die durch ihre Schwer-
punkte fallende Linie, wobei also das abgetrennte Stück vor dem
Werkzeuge hergeschoben wird, so wird die Trennung durch Abschee-
ren bewirkt, und es setzt sich derselben die Abscheerungfestigkeit des
Materials entgegen; wird aber ein zwischen die Molecüle des Werkstücks
eingedrungenes Werkzeug innerhalb desselben nach einer bestimmten
Linie weitergeführt, dabei also das losgetrennte Theil abhebend, so fin-
det ein Vorgang statt, welchen man Schneiden nennt und bei welchem
ebensowohl die Abscheerungs- als rückwirkende Festigkeit des Materials
in Frage kommen. Um dieses Schneiden, d. h. das Einschieben des
Werkzeugs zwischen die Molecüle, möglich zu machen, muss das schnei-
dende Werkzeug an der Angnffsstelle keilartiges Profil besitzen, und
man nennt den Winkel, unter welchem die Flächen des Keils zusammen-
stossen, Zaschärfungswinkel (a in Fig. 424 und 425); diejenige
gerade, gebrochene oder gekrümmte Linie aber, welche durch das Zu-
sammenstossen der Keilflächen gebildet wird, die Schneidkante oder
Schneide.
Die eine Fläche des schneidenden Keils kann , wie in Fig. 424 , auf
der Oberfläche des Arbeitsstücks gleiten; häufiger lässt man dieselbe aber
aus sogleich zu erörternden Gründen mit der Oberfläche einen kleinen
Winkel ß, Fig. 425, einschliessen , welchen man Anstellungswinkel
oder Ansatzwinkel nennt; die beiden Winkel a plus ß zusammen
bilden endlich einen Winkel, welcher Schneidwinkel genannt wird,
550 Trennungsarbeiten.
und von dessen Grösse sehr wesentlich der Verlauf der Arbeit ab-
hängt.
Zur Veranschaulichung des Vorgangs beim Schneiden und Abscbee-
ren und der aus demselben hervorgehenden Folgerungen für die Con-
Fi^. 424.
Fig. 425.
struction des Werkzeugs ist in Folgendem grösstentheils die von Hoyer
in seinem Lehrbuche der mechanischen Technologie gegebene übersicht-
liche Erläuterung dieses Vorgangs benutzt.
Wenn das keilförmige Ende eines Werkzeugs in das Metall, also
zwischen zwei Reihen von Molecülen eindringt, so werden die letzteren
längs der Schneidkante von einander gerissen. Es entsteht also ein
losgetrenntes Stück , welches . beim Vorwärtsbewegen des Keils , wie in
Fig. 424, an der divergirenden Fläche desselben ausweicht und durch
dieselbe mehr und mehr von der ursprünglichen Stelle entfernt wird.
Dieses losgetrennte Stück heisst Span. Denkt man sich die Kraft,
welche den Keil vorwärts schiebt, in zwei gegen die Keilflächen normal
gerichtete Kräfte zerlegt, so wird dieses Ausweichen des Spans unmittel-
bar an der Schneide des Keils durch einen Theil der gegen die obere
Keilfläche gerichteten Normalkraft hervorgebracht; in weiterer Entfer-
nung von der Schneide durch ein Biegmoment, welches das abgetrennte
Stück an der schrägen Keilfläche emporbiegt.
Ist deshalb, wie bei dem Werkzeuge in Fig. 425 die eigentliche
Keilfläche kürzer als die Länge des losgetrennten Spans, und endigt in
einer normalen gegen die Bewegungsrichtung stehenden Fläche des
Werkzeugs (wie es bei den Werkzeugstählen der Werkzeugmaschinen
vielfach vorkommt), so wird das Abfliessen des Spans durch diese
senkrechte Fläche erschwert, lässt sich aber erleichtem, wenn man, wie
in der Abbildung, einen curvenförmigen Uebergang (Schwanenhals) aus
der schrägen Keilfläche in die senkrechte Fläche anbringt.
Neben dem Abscheeren des Spans durch die Schneide des Werk-
zeugs findet in demselben Augenblicke durch einen andern Theil der
zum Vorwärtsbewegen des Werkzeugs benutzten Kraft auch ein Stau-
chen des Spans in seiner Längenrichtung statt. Seine Länge verkleinert
sich entsprechend dem Materiale und dem Materialquerschnitte um 10
Spanbildung. 661
bis 30 Proc; seine Dicke, d. b. der Abstand zwischen TrennungaflScbe
und OberflScbe, nimmt in gleichem Maasse zd, während die Breite die-
selbe bleibt.
Hieraus erklart es sieb, dass ein Span, von einem Arbeitsstücke mit
kreisrunder Oefiaung abgenommen, diese Oe&iinDg als Ellipse seigt,
deren kleinerer Durchmesser in der Bewegnngsrichtnng des Werkzeugs
liegt. Auch die eigenth um liehe Form der Metallspäne (Fig. i'2G) findet
hierdurch eine aasreiehende Erklärung. Die Trennungafläche zwischen
fig. *26. Span Qud Arbeiteetilek
ist glatt nnd eine ge*
naue Nachbildung der
wirksamen Fläche des
Werkzeugs ; die ent-
gegengesetzte Fläche
ist nach der Mittellinie
zu, wo die staachende
Wirkung des Werkzeugs
allein thätig war, ge-
baucht nud mit zahlreichen Qnerrissen bedeckt, welche um so zahlreicher
und feiner sind, je dünner der Span ist, und. der Fläche feiner Spfine
ein sammetartiges Aeossere verleihen. Diese Querrisse entstehen offenbar
dnrob das ungleichmäsaige Aueweichen des Materials bei der gleich-
zeitigen, aber an verschiedenen Stellen des Spanquerschnitts verschieden
auftretenden Wirkung des Abscheereus an der Schneidkante nnd des
Staacbens an der Oberfiäche. Endlich ist der Span spiralförmig ge-
krümmt in Folge des Anfsteigens an der Fläche des Werkzeuge.
Der Widerstand des Spans gegen dieses ztUetzt erwähnte Aufbiegen
ruft einen Druck des Werkzeugs gegen das Arbeitsstück und dadurch
hei der Bewegung des Werkzeugs eine Reibung hervor, zu deren Ueber-
windang Arbeit erforderlich ist, Demnach setzt sieb die gesammte
mechanische Arbeit bei der Erzeugung eines Metallspans zusammen aus
der Arbeit zum Eindringen des Werkzeugs (Abscheeren und Stauchen),
zum Aufbiegen , und zur Ueberwindung jener Reibung. Hieraue laseen
eich Regeln flir die zweck massigste Form des Werkzeugs ableiten,
bei welcher die geringste Arbeit zur Abnahme des Spans erforder-
lich wird.
Zunächst ist ohne Weiteres ersichtlich, dose die Grösse des erforder-
lichen Kraftaufwandes, sowohl zum Eindringen des Werkzeugs in das
^letall als zum Aufbiegen des Spans, mit der Grösse des Zuschärfnnge-
winkele a (Fig. 424 and 423) steigt nnd fällt. Je kleiner dieser Winkel
ist, desto vortheilhafter im Allgemeinen ist demnach die Wirkung des
Werkzeugs; die Beschaffenheit des Werkzeugmaterials wie des zu
schneidenden Metalls setzen jedoch bald der Verkleinerung dieses Win-
kels eine Grenze, deren Ueberschreitnng nnzw eck massig sein würde. Da
nämlich die Widerstandsfähigkeit des Werkzeugs gegen Zerdrücken,
552 Trennungsarbeiten.
Abbrechen and Beschädigungen überhaupt durch den Yom Arbeitastücke
ausgeübten Gegendruck begreiflicherweise mit der Grösse des Zaschär-
fungswinkels wächst und abnimmt, so muss diese immerhin zu der Be-
schaffenheit des Materials in einem bestimmten Verhältnisse stehen , and
muss um so beträchtlicher sein^ je grösser der vom Metalle ausgeübte
Widerstand, je härter mit anderen Worten das letztere ist. Andererseits
wird, wie sich aus der Theorie des Keils leicht ableiten lässt, derjenige
Druck, welcher bei dem Aufbiegen des Spans Reibung zwischen Werk-
zeug und Oberfläche des Arbeitsstücks hervorruft , wachsen , wenn die
Grösse des Schneidwinkels (a in Fig. 424, a -|- /} in Fig. 425) ab-
nimmt; umgeicehrt gleich Null werden, wenn jener Schneidwinkel
== 90 Grad ist ; und es steht demnach die Grösse der erforderlichen Arbeit
zur Ueberwindung jener Reibung im annähernd umgekehrten Verhält-
nisse zur Summe der Arbeit für das Lostrennen und Aufbiegen des
Spans.
Aus diesen Betrachtungen lässt sich zunächst folgern, dass die-
jenige Grösse des Schneidwinkels, bei welcher die Gesammtarbeit am
kleinsten ausfällt, zwischen den Werthen von Null und 90 Graden lie-
gen muss.
Es folgt ferner daraus, dass die Reibung zwischen Werkzeug und
Arbeitsstück eine ungleich grössere ist, wenn, wie in Fig. 424, die ganze
untere Fläche des Werkzeugs auf der Oberfläche des Arbeitsstücks glei-
tet als wenn, wie in Fig. 425, nur die Schneidkante allein das Arbeitsstück
berührt, was durch Anstellung des Werkzeugs unter dem Anstellungs-
winkel ß erreicht wird. Da nun aber für einen gegebenen Schneid-
winkel a -{- ß das Werkzeug um so mehr geschwächt werden muss, je
grösser ß ist, so nimmt man diesen letztern Winkel zweckmässiger
Weise nicht grösser als 3 bis 4 Grade.
Aus einer grossen Reihe von Versuchen über diesen Gegenstand
ergeben sich als Erfahrungsresultate für die zweckmässigste Grosse der
Winkel « und ß folgende Werthe:
a
für Bearbeitung von Schmiedeeisen . . . 51^
„ „ „ „ Gusseisen . . . . 51 o
n n V n Bronze 66<^
Bringt man die Schneidkante eines Werkzeugs Fig. 427 in eine
gegen die Bewegungsrichtung schräg gestellte Lage, so ändert sich, wie
leicht nachzuweisen ist, dadurch die Grösse des wirksamen Schneidwin-
kels. Ist a der Schneidy^inkel bei normaler Stellung der Schneide, ß
die Abweichung der Schneidkante von der normalen Richtung, so
ergiebt sich zur Berechnung des wirksamen Schneidwinkels ct| in der
Ebene xx der Kraftrichtung gemessen die Beziehung
tgUi = fgacosß,
ß
a + ß
30
540
4«
550
30
69»
Construction der Werkzeuge. 553
Dieser Umstand gewährt also den Vortlieil, dass, indem durcb die ver-
änderte Stellang des Werkzeugs der wirksame Schneidwinkel verklei-
nert wird, auch der Arbeitsaufwand beim Schneiden sich verringert,
ohne dass der Zuschärfungswinkel und somit die Widerstandsfähigkeit
des Werkzeugs verringert zu werden braucht; es gleitet aber auch bei
einer solchen schräg gestellten Schneide der Span seitlich, mithin leich-
ter ab als bei einer geraden , und statt der in Fig. 426 abgebildeten
Spanform entsteht eine schraubenartig gewundene Form der Späne wie
Fig. 427. • Fig. 428.
::^
..-'-'/'!
in Fig. 428. Ein dritter Yortheil der schräg gestellten Schneide ist die
Verringerung des Stosses beim Angriffe, weil hier die ganze Schneide
nicht mit einem Male, sondern ganz allmälig zur Wirkung gelangt
Diese Gründe lassen die Anwendung schräg gestellter Schneiden für
sehr viele Zwecke geeignet erscheinen.
Aus den Formeln der Mechanik für das Widerstandsmoment bei
der Biegung prismatischer Körper folgt, dass der Widerstand des Spans
gegen das Aufbiegen mit seiner Breite im einfachen Verhältnisse, mit
seiner Dicke im Verhältnisse des Quadrats wächst. Hierbei ergiebt sich,
dass es im Allgemeinen vorth eilhafter ist, breite als dicke Spälie ab-
zunehmen, und bei der Metallbearbeitung pflegt deshalb die Dicke eines
Spans höchstens 2 Mm. zu betragen. Sollen demnach dickere Schichten
als diese grösste zulässige Spanstärke entfernt werden, so sind mehrere
auf einander folgende Schnitte dazu erforderlich.
Wenn ein Werkzeug, wie z. B. das in Fig. 425 abgebildete, die
Breite der ganzen Metalloberfläche besitzt , so findet ein Lostrennen des
Spans vom Arbeitsstücke nur in einer einzigen Fläche und zwar in
seinef Breitenabmessung statt. Dieser Fall ist jedoch der seltenere. Wie
unten ausführlicher besprochen werden wird, ist das Werkzeug gewöhn-
lich schmaler als die Fläche des Arbeitsstücks, auf welcher das Werkzeug
zum Angriffe kommt; und der Span muss ausser an der eigentlichen
Schneidfläche auch mindestens an einer Seite — an zwei Seiten, wenn
der Schnitt aus dem Vollen genommen wird — in der Abmessung seiner
n
[2i
554 Trennungsarbeiten.
Dicke vom Metalle getrennt werden. Diese Trennung wärde ancfa hier
dnrch Schneiden et&ttfinden, wenn das Werkzeng eine entsprechende Zn-
schärfung erhielte. Dadurch würde, wie man sich leicht vergegenwärti-
gen kann, das Werkzeug eine rinneaartige Form annehmen, nud der
Span würde jetzt auch nicht allein in seiner Lftngenrichtong , sondero
auch in der Breitenrichtung gestancht nnd das AbfliesBen erschwert
werden. Deshalb läset man, wenn nicht das bearbeitete Material ein
sehr weiches, nachgiebiges ist (Holz, Blei), den Span in seiner Dioken-
abmesBung dnrch einfaches Äbscheeren mit stumpfer Kante des Werk-
zeugs lostrennen. Um jedoch die Reibung des Werkzeugs anch an
Pig. 428. Yig. *30. dieser Schnittfläche des Arheits-
stäcks auf ein geringstes Uaass
zurückzuführen, giebt man dem-
selben statt eines rechteckigen
Quersohnitti einen trapezförmi-
gen wie in Fig. 429, so dass nur
die Kante desselben an der
Schnittfläche gleitet. Derselbe
Zweck wird durch einen dreiseiti-
gen Querschnitt des Werkzeugs
erreicht; bildet man nun die Zn-
scharfang eines solchen dreisei-
tigen Stahls wie ans Fig. 430 ersichtlich ist, aus, so erhält man
einen sogenannten Spitzstahl mit zwei Schneiden, dessen Schneidwin-
kel zwar nicht günstig ist, der aber an jeder Berühmngsstelle schnei-
dend wirkt und ein leichtes Äosweichen des Spans gestattet. Die
Wirkung dieser Schneidkanten des Spitzstahla wird sogleich ersichtlich,
wenn man sich jede Kante bestehend denkt aus unendlich vielen kleinen
trapezförmig über einander liegenden horizontalen Kanten, deren jede
schneidend wirkt, während in den nnendlich kleinen Abständen swiecheo
je zwei Horizontalschneiden daa Material dnrch Abscheernng entfernt
wird. Die schräge Richtung der Schneidkanten aber erleichtert das
Abfliessen des Spans nnd dadurch die Arbeit selbst.
Zwischen der geradlinigen Schneide, Fig. 429, und derSchneide des
Spitzstahls, Fig. 430, steht die gekrümmte Schneide, Fig. 431, entweder
gebildet durch Ansach mieden nnd Anschleifen eines trapezförmigen
Stabes oder in ähnlicher Form, nur mit couvexer Vorderfläche, durch
schräges Abschneiden und Umbiegen eines cylinderförmigen Stabes
(Rundstahl). Es ist leicht einzusehen, dass der Schneidwinkel desselben
am günstigten an der tiefsten Stelle der Schneidkante ist nnd däas, je
weiter nach oben, um so mehr die Wirkung des Schneidens in ein Äb-
scheeren übergeht.
Wenn der Znschärfnngswinkel eines Werkzeugs 90 Grad ist nnd
die vordere Werkzengfläche normal zur Kraftrichtnng K steht (Fig. 432),
so kann ein Abheben, ein Aufbiegen des Spans nach oben nicht mehr
Conatnzction der Werkzeuge. 555
atattfinden , und die ganze Kraft K wirkt nanmehr abacheerend auf das
«ich ihr entgegenstellende MetallstQck S. Denkt man sich dieses Metall-
Rg. «l. Kg. 432.
'wi'
etaok nun ala einen vollständig etarren Körper, so würde der ausgeübte
Drack sich sofort von Motecül zu Motecül fortpflanzen und das Abschee-
ren mit einem Male in der ganzen Länge erfolgen. Sobald aber das
Uetall eine gewisse Dehnbarkeit besitzt (welche, wenn auch oft in gerin-
gem Uaasae, ateta vorhanden ist), wird der Torgang ein anderer. Die
vorderen Molecflle werden zunächst zusammengedrückt und leisten dem
Vordringen des Werkzeugs einen mehr und mehr wachsenden Wider-
stand, so dasB vorläufig nur auf detjenigen Länge des Arbeitsstücks
Abscheerung erfolgt, auf welcher Zusammendrückung stattfindet. Es
musB nun aber ein Zeitpunkt eintreten , wo in Folge des wachsenden
Widerstandes gegen ein ferneres Zusammendrücken die Festigkeit des
Afaterials kleiner als jener Widerstand wird, und in diesem Augenblicke
musa plötzlich das Abscheeren in der ganzen noch übrigen Länge erfol-
gen, vorausgesetzt, dass nicht vorher schon ein Zerdrücken des Arbeits-
stücks stattfand. Mau wird also auf einer solchen dnrch Abscheeren
entstandenen Fläche einen vordem glattem Theil, entstanden bei dem
Zusammendrücken des Materials, und einen hintern ranhem Tbeil, ent-
standen dnrch das stossartige Lostrennen, deutlich unterscheiden können.
Ob Zerdrücken oder Abscheeren eintritt, ist von dem Verhältnisse zwi-
schen rückwirkender und Abscheerungsfestigkeit wie von den Abmes-
sungen des Arbeitest ücks abhängig. Wenn:
B die Widerstandsfähigkeit gegen Zerdrücken (rückwirkende
Festigkeit),
A die Widerstandsfähigkeit gegen Abscheerung,
d die Söhe (Dicke) des Arbeitsstücks,
l seine Länge in der Bewegunggrichtnng des Werkzeugs,
b seine Breite
bezeichnet, so ist im Gleichgewichtszustände
Rdb = Abi,
556 Treunmigsarbeiten.
worsnB sich für den Fall, dsBs AbBcheerong ohne Zerdrücken erfolgen
Boll, bei gegebener Dicke die Länge
und bei gegebener Länge die Dicke
theore tisch berech neu läBat.
Eine Znsuitiinendrückaug eiuea MetalhtUckB (oder Eörpere über-
haupt) lässt sich nan aber , wie achon bei Besprechung der Dehnbarkeit
der Metalle im vorigen Abschnitte erwäbnt Vnrde, niemalB ausführen
ohne eise seitliche Verschiebung einzelner Molecüle, dnrch welche ein
Druck nach dieser Seite hin ausgeübt wird. In dem vorliegenden Falle
entsteht ako dnrch diesen Vorgang ein Druck senkrecht gegen die Ab-
■cheerungs fläche und wachsend mit der fortschreitenden Zusammen-
drflckuog, in Fig. 432 dargestellt durch die Linien nKittjnj, und dieser
Druck ruft wieder einen Reibuugswiderstaud hervor, den man, wenn der
Reibnngscoefficieut tp ist, mit q> E (») bezeichnen kann.
Die abscheerende Kraft hat demnach ueben dem Abscheerungs-
widerstände Ä b t auch diesen Reibungswiderstsnd ip £ (rt) zu über-
winden; dieser letztere aber lässt sich verringern, wenn man, wie z. B.
in Fig. 433 die Drnckfläche unter einem etwas kleineru Winkel gegen
Fig. 433. ^'S Kraftrichtung als 90 Grad an-
greifen lässt, dadurch die Richtung
der stauchenden Kraft ablenkt und
durch diese Ablenkung die Grösse
der Kräfte n »i k^ verringert; denn
in dem vorliegenden Falle wird
nunmehr die Ausweichung des Ma-
terials beim Zusammendrücken vor-
wiegend nach der Richtung F
erfolgen und dadurch der Druck
auf die Abscheemngsfiäche kleiner
werden. Allerdings wird nunmehr bei einem kleinern Zuschärfungs-
winkel als 90 Grad der Begriff des Äbscheerens dem oben erläuterten
Begriffe des Schneidens sehr ähnlich, und der Sprachgebrauch, welcher
häufig den letztern Ausdruck an Stelle des erstem setzt, ist deshalb
nicht ganz anrichtig.
Unter allen Umständen ist jenes Aueweichen des losgetrennten
Stückes nach der der Abscheerungsfläche entgegengesetzten Seite mög-
lich, wenn, wie z. B, beim Abtrennen von Blechstücken , die Trenoungs-
linie das losgetrennte Stück nur an einer Seite begrenzt und die gegen-
überliegende Seite frei lässt; stellt aber, wie beim Durcbstossen von
Löchern la Blechen, die Trennnngslinie eine gescbloBsene Figur dar,
Construction der Werkzeuge. 557
welche mit einem Male ans dem vollen Metalle ansgestossen wird, so
kann das Ausweichen nur dann stattfinden, wenn der Durchmesser des
ansgestossen en Stücks ein solcher ist, dass nicht die Ton allen Seiten her
wirksame Zasammendrückung gegenseitig das -Ausweichen verhindert.
In dem letztern Falle dagegen würde eine Verkleinerung des Abscheer-
winkels zwecklos sein.
Aus dieser Stauchung und dem dadurch hervorgerufenen seitlichen
Ausweichen des Materials beim Abscheeren erklärt sich auch die Er-
scheinung, dass die Abscheerungsflächen um so weniger mit der Ober-
fläche des Werkzeugs übereinstimmen, je grössern Widerstand das Ma-
terial dem Abscheeren entgegensetzt. Denn in gleichem Maasse findet
Zusammendrückung und seitliches Ausweichen statt, welches mehr und
mehr zunimmt, je mehr das Werkzeug in dem Materiale vorschreitet.
Wenn daher ein cylindrischer Stempel Bj Fig. 434, gegen eine Metall-
platte A geführt wird, welche auf einer Unterlage mit gleich grosser
Fig. 434. cylindrischer Oeffnung C ruht, so erzeugt
der Stempel in Folge jenes zunehmenden
Widerstandes gegen das Zusammendrücken
eine Kegelfläche, deren Durchmesser in der
Richtung der Kraft wächst; ebenso bildet
aber die kreisringförmige Unterlage ein
Werkzeug, welches das Material an der
Aussen fläche der Cylinderöfifnung beim
Abscheeren zusammendrückt und daher
einen Kegel erzeugt, dessen Durchmesser
sich verkleinert, je mehr die Entfernung von der Unterlage zunimmt.
Statt einer cylindrischen Abscheerungsfläche erhält man demnach zwei
in einander geschobene Kegelflächen, welche beim Durchstossen von
kaltem Eisenbleche etwa 83 Grad Neigung besitzen. Zur Vermeidung
dieses Uebelstandes giebt man dem Stempel B einen etwa um I/4 der
Blechdicke kleinern Durchmesser als der Oeffnung C, so dass beim
Durchstossen nunmehr beide Kegelflächen zusammenfallen; und zwar,
wenn d der mittlere Durchmesser der durchzustossenden Oeffnung sein
soll, d die Blechdicke bedeutet, so macht man:
Wenn endlich der Schneidwinkel (X, welchen die Werkzeugfläche
gegen die Kraftrichtung beschreibt, grosser ist als 90 Grade, so wird
ein Abfliessen des Spans unmöglich, und ein Schneiden im engem
Sinne findet nicht mehr statt. Das Material wird beim Vorrücken des
Werkzeugs gestaucht, abgescheert und vor demselben hergeschoben.
Das Werkzeug wirkt schabend. Es ist leicht einzusehen, dass für grosse
Späne ein höchst nachtheiliger Reibungswiderstand hierbei entstehen
würde; zum Abnehmen sehr feiner Späne jedoch, also zur letzten Voll-
558 Trennungsarbeiten.
endang der Form sind die schabenden Werkzeuge sehr gut geeignet
und werden daher den schneidenden für diesen Zweck vielfach vor-
gezogen.
Aus den vorstehenden Erörterungen lässt sich für die Arbeitseigen-
schaften der Metalle hinsichtlich ihrer Theilbarkeit Folgendes ableiten.
Die wichtigste dieser Eigenschaften ist die Härte, welche wir be-
reits oben (S. 333) als das Maass des Widerstandes bezeichnet haben,
welchen ein Körper einer bleibenden Aenderung in der Lagerung seiner
Molecüle, also auch dem Eindringen des trennenden Werkzeugs entgegen
setzt. Je grösser aber dieser Widerstand ist, desto grösser muss natür-
lich der Arbeitsaufwand sein, um die Trennung durchzuführen. Alle
die a. a. 0. über die Härte der Metalle gegebenen Erörterungen behalten
deshalb auch für die Trennungsarbeiten ihre Geltung.
Beim Lostrennen eines Spans wächst mit dem Widerstände desselben
gegen das Aufbiegen, wie oben gezeigt wurde, auch der gegen die Ab-
scheerungsfläche durch das Werkzeug ausgeübte Reibungswiderstand;
jener Widerstand aber ist grösser bei einem langen Spane und aus
einem stark elastischen Materiale, als bei einem kurzen oder aus einem
Materiale, dessen Elasticitätsgrenze nicht hoch liegt. Durch Abbrechen
des entstehenden Spans lässt sich der Widerstand desselben vernichten;
und dieses Abbrechen erfolgt rasch von selbst, wenn Elasticitätsgrenze
und Festigkeit nahe bei einander liegen, das Metall also wenig biegsam
und wenig dehnbar ist. Aus diesen Gründen lässt sich erklären, wes-
halb beim Schneiden von Spänen Gusseisen, welches in Folge der ge-
ringen Dehnbarkeit nur ganz kurze Späne liefert, einen geringern
Arbeitsverbrauch für die gleiche Menge abgenommenen Metalls erfordert
als Schmiedeeisen trotz seiner oft grössern Härte, Schmiedeeisen einen
geringern Arbeitsverbrauch als der harte, elastische und doch dehnbare
Stahl.
Bei Werkzeugen, welche abscheerend wirken, ohne eigentliche
Späne zu bilden — z. B. beim Durchstossen von Blechen — , tritt als
förderlich für die Arbeit eine geringe Abscheerungsfestigkeit des Mate-
rials neben grosser Widerstandsfähigkeit gegen das Zerdrücken — Dehn-
barkeit durch Druck — in den Vordergrund, wie aus der oben ent-
wickelten Theorie dieser Werkzeuge hervorgeht. Metalle, welche beim
Zusammenstauchen durch das Werkzeug zerdrückt werden — z. B. Guss-
eisen — , sind deshalb nicht für solche Bearbeitung geeignet. Durch
Erhitzung lässt sich häufig die Abscheerungsfestigkeit verringern und
die Widerstandsfähigkeit gegen Zerdrücken (unter Steigerung der Dehn-
barkeit) erhöhen, dadurch also die Arbeit fordern.
In Rücksicht auf den Umstand, dass ein Werkzeug um so besser
arbeiten und um so weniger rasch abgenutzt werden wird, je grösser
einestheils der Unterschied in seiner Härte gegenüber der Härte des
Construction der Werkzeuge, 559
Arbeitsstücks, je grösser aber auch andemtheils neben dieser Härte seine
Widerstandsfiahigkeit gegen Biegen und Abbrechen ist, verwendet man
zur Anfertigung der Werkzeuge fast ohne Ausnahme besten Gusstahl in
Form von prismatischen Stäben, an den Enden in geeigneter Weise aus-
geschmiedet, angeschlifiPen und gehärtet.
Literatur.
£. Hoyer, Mechanische Technologie, S. 206 bis 218.
Tresca, Ueber das Hobeln der Metalle, Bulletin de la societe d^encourage-
ment, 1873, S. 584; daraus in den Verhandlungen des Vereins zur
Beförderung des Gewerbfleisses in Preussen, Jahrg. 1873, S. 370,
1874, S. 189.
Joessel, Versuche über Gestalt und Benutzungsweise der Arbeitsstahle,
Bulletin de la societe d^enoouragement , 1864, S. 595; daraus Poly-
technisches Gentralblatt, 1865, S. 353; auch Zeitschrift des öster-
reichischen Ingenieur- und Architektenvereins , Jahrg. 1865, S. 82.
Monbro, Ueber Gestalt der Stähle für Drehbänke, Hobelmaschinen und
dergleichen , Monatsbericht der Societe des anciens eleves des Ecoles
imperiales de% arts et metiers, Nov. 1868; daraus Polytechnisches
Gentralblatt 1869, S. 1483«
V. Reiche, Ueber Lochen der Metallplatten, Civilingenieur , X. Band,
S. 235.
Judenfeind -Hülsse, Ueber Spanbildung beim Hobeln der Metalle,
Givilingenieur, Jahrg. 1877, S. 615.
2. Die Bewegung der Werkzeuge und die Werkzeug-
masohinen im Allgemeinen.
Wie aus den anter 1 gegebenen Erlaaterangen hervorgeht, mass
das abscheerende, schneidende oder schabende Werkzeug eine bestimmte
Bewegung gegen das Arbeitsstück erhalten, oder, was fü.r die Wirkung
dasselbe ist, das Arbeitsstück gegen das Werkzeug, damit dieses seine
Bestimmung erfüllen kann. Diese Bewegung erhält das Werkzeug be-
ziehentlich das Arbeitsstück
entweder unmittelbar durch die Hand des Arbeiters (Grabstichel,
Feile etc.),
oder durch Hilfe eines Geräths, welches die vom Arbeiter durch
Schlag, Stoss, Druck oder in anderer Weise geleistete Arbeit auf das
Werkzeug überträgt (Meissel und Hamjjjier, Bohrrolle und Drehbogen
und andere mehr),
oder endlich durch Yermittelung einer, meistens durch Elementar-
kraft betriebenen Maschine, Werkzeugmaschine genannt.
Die Länge der erforderlichen Bewegung beim Schneiden ist durch
die Länge der zu bearbeitenden Fläche gegeben (beim Abscheeren durch
die Dicke, oder Stärke des abzuscheerenden Stücks); nur selten aber
lässt sich beim Schneiden die Breite des abgenommenen Spans so be-
trächtlich nehmen, dass mit einem einzigen Schnitte die ganze Fläche
ihre Bearbeitung erhält. Es sind alsdann eine mehr oder minder grosse
Anzahl auf einander folgender Parallelschnitte erforderlich, um die Be-
arbeitung zu vollenden; und es wurde schon oben erwähnt, dass auch
die Dicke der abzunehmenden Schicht, sobald sie ein gewisses Maass
übersteigt, in mehrere Parallelschichten zerlegt werden muss. Fig. 435
kann diesen Vorgang erläutern. Es sei hier eine Schicht von dem
Fig. 435.
m
h FT
k
Bewegung der Werkzeuge. 561
Querschnitte ahed in Fig. 435 A abzunehmen, die Breite des Werk-
zeugs sei gleich a m , die zulässige Dicke des Spans gleich m o. Man
wird also zunächst einen Span von dem Querschnitte amlo abnehmen,
dann nmop und mhpk. Nun folgen die darunter liegenden Schichten
in gleicher Weise u. s. f., bis das ganze Stück ah cd entfernt ist. In
manchen Fällen wird sich das Werkzeug auch so einrichten lassen, dass,
wie in der Abbildung B, die Schneidkante senkrecht steht und die Späne
seitlich abfliesseu, wobei ebenso grosse Spanquerschnitte und Spanstärken
'«riblgen, mithin auch fär das Abheben jedes Spans die gleiche Arbeit
aufgewendet wird, als in dem ersten Fcdle, das Werkzeug aber, welches
so viel schmaler zu sein braucht, bei gleicher Festigkeit weniger Mate-
rial erfordert, wie sich aus einem Vergleiche der Widerstandsmomente
der Werkzeugquerschnitte gegen Durchbiegung ergiebt.
Endlich erleichtert eine etwas geneigte Stellung der Schneide wie ,
in Fig. 435 C das Ablösen des Spans und ist deshalb häufiger noch als
die Stellung B in Anwendung, sei es, dass das Werkzeug selbst in
schräge Lage gebracht oder mit schräger Schneide versehen wird (vergl.
Fig. 430 und 431).
In dem letztem Falle entsteht eine Oberfläche, welche, statt völlig
eben zu sein, mit einer Reihe paralleler Furchen bedeckt ist; und je
grösser die Breite jedes einzelnen Schnittes war, desto weniger eben föllt
die Oberfläche aus. Eine genaue Fläche würde sich in solcher Weise
nur herstellen lassen, wenn jeder folgende Parallelschnitt unendlich nahe
neben dem vorausgegangenen läge; und je geringer der Abstand zwi-
schen zwei Schnitten, oder mit anderen Worten, je geringer die Schnitt-
breite ist, desto mehr nähert sich die Beschaffenheit der erzeugten
Fläche jener ideellen Vollkommenheit. Je schmaler aber die Schnitte sind,
desto mehr wird die Arbeit verzögert. Zur Bearbeitung grösserer
Flächen ist deshalb das Verfahren üblich, zunächst mit breiten Schnitten
vorzuarbeiten und dann durch nahe bei einander liegende Schnitte mit
passend geformter schmaler Schneide die stehen gebliebenen Ränder
abzunehmen. Die erste Arbeit aus dem Groben heisst Schroppen, die
letzte Vollendung Schlichten.
Wenn die Bewegung des Werkzeugs beziehentlich des Arbeitsstücks'
durch ein^ Werkzeugmaschine ausgeführt wird, so müssen selbstverständ-
lich beide Gegenstände in bestimmter gegenseitiger Lage auf der Ma-
schine festgespannt werden können, und die letztere muss in allen
Theilen genügend stark gebaut sein, um während der Bewegung jedes
durch den Widerstand des Materials hervorgerufene Zittern des einen
oder andern Theils unmöglich zu machen. Die Standfestigkeit der Ma-
schine steigert man vielfach durch Ausführung der Häupttheile oder
Ständer in sogenanntem Hohlgusse (hohle Formen zum Unterschiede von
Rippenguss mit T-ibrmigen Querschnitten), welcher, obgleich schwieriger
in der Herstellung, doch bei richtiger Materialvei*theilung sich durch
Lsdcbur, mcchanfsch-metallurgitohe Toohnologie. 3Q
562 Trennungsarbeiten.
nngleich grössere Widerstandsfähigkeit gegen Erschütterangen aus-
zeichnet.
Das Werkzeug muss nach und nach die ganze zu bearbeitende
Fläche des Arbeitsstücks bestreichen. Wie schon erwähnt ist aber mei-
stens diese Fläche breiter als die Breite eines Spans und es sind deshalb
mehrere auf einander folgende Parallelschnitte erforderlich. Die Aus-
führung derselben wird ermöglicht, wenn zwischen Arbeitsstück und
Werkzeug eine doppelte Bewegung stattfindet:
Die Hauptbewegung oder Arbeitsbewegung in der Längen-
richtung des Schnitts;
die Fortrückungs- oder Schaltbewegung in der Breitenrich-
tung des Schnitts.
Die Hauptbewegung geschieht entweder durch Drehung im Kreise
oder geradlinig hin und zurück; die Schaltbewegung wird meistens in
gerader Richtung ausgeführt und erfolgt entweder periodisch (ruckweise)
Torzugsweise bei den Maschinen mit geradliniger Hauptbewegnng nach
jedem beendigten Hin- und Rückgange; oder unausgesetzt bei den Ma-
schinen mit kreisförmiger Hauptbewegung.
Je nachdem die beiden Bewegungen durch das Arbeitsstück oder
Werkzeug ausgeführt werden, sind folgende vier Combinationen möglich:
1. Das Arbeitsstück macht die Hauptbewegung, das Werkzeug die
Schaltbewegnng (Drehbänke, Planhobelmaschinen u. a.).
2. Das Werkzeug macht die Hauptbewegung, das Arbeitsstück die
Schaltbewegung (Stossmaschinen, Rundhobelmaschinen u. a.).
3. Das Werkzeug macht beide Bewegungen, das Arbeitsstück steht
still (Bohrmaschinen, grosse Feilmaschinen u. a.).
4t, Das Arbeitsstück macht beide Bewegungen, das Werkzeug ruht
(selten).
Zur Ausführung jener ununterbrochenen oder periodisch eintreten-
den Bewegungen muss nun jede Werkzeugmaschine mit bestimmten
Mechanismen versehen sein, welche in fast allen Fällen von einer um-
laufenden Welle aus — der Gegentransmission oder dem Decken-
vorgelege — ihren Antrieb erhalten, indem zunächst durch Riemen-
übertragung die Bewegung jener Welle auf einer in der Maschine liegen-
den Antriebswelle und von dieser aus theils mittelbar, theils unmittelbar
auf jene Mechanismen übertragen wird. Es handelt sich also in diesen
Fällen um Verwandlung der gleichförmigen Drehungsbewegung der in
der Maschine liegenden ersten Antriebswelle in die verschiedenen Bewegun-
gen der einzelnen Theile.
Zur einfachen Uebertragung der Drehungsbewegung jener Antriebs-
welle auf einen sich gleichfalls drehenden Theil der Maschine dienen
Riemenscheiben mit Riemen, Schnurläufe, Zahnräder oder Schnecken-
getriebe. Um hierbei auch für verschiedene Durchmesser und verschie-
denes Material des Arbeitsstücks die günstigsten Geschwindigkeitsver-
hältnisse zu erhalten, die Umdrehungszahl des Maschinentheils also
Werkzeugmaschinen.
563
verändern zu können, ohne die Winkelgeschwindigkeit des Vorgeleges
ändern zu müssen, gehraucht man statt der einfachen Riemen- oder
Schnurscheihen , Stufenscheihen statt eines Paares Zahnräder mehrere
ausrückhare mit verschiedenen Umsetzungsverhältnissen. Eine häufig
angewendete Comhination von Stufenscheihe und ausrückharen Zahn-
rädern wird durch die in Fig. 436 dargestellte Anordnung gehildet.
Der Antrieh erfolgt hier vom Decken-
vorgelege aus auf die Stufenscheihe A,
welche drehhar auf der Antriehs-
welle C sitzt. Mit Ä ist das Rad tti
fest verbunden, auf der Welle sitzt
das Rad h^ fest und empfangt seine
Bewegung durch Yermittelung der
Räder &i und Os von Oi aus. Für
jede Umdrehung der Stufenscheibe Ä
macht demnach die Welle C , -
Dl Da
Umdrehungen, wenn die Buchstaben
Gl 02 u. 8. f. zugleich die Durchmesser der Räder im Tbeilkreise bedeu-
ten. Bringt man jedoch die Räder &i und a^ durch seitliche Verschie-
bung ausser Eingriff mit ai und h^ und verbindet die Stufenscheihe
durch eine Schraube oder einfachen Mitnehmer unmittelbar mit bj, so
wird deren Umdrehungszahl ohne Weiteres auf C übertragen. Je nach-
dem man den Riemen über die eine oder andere der vier Scheiben von
Fig. 437.
Ä legt und die Zwischengelege ein- oder ausrückt,
erhält man demnach für C acht verschiedene
Geschwindigkeiten.
Die Anwendung mehrerer Paare auswechsel-
barer Räder, sogenannter Versatzräder oder
Wechselräder ist durch Fig. 437 veranschaulicht.
Die Bewegung soll hier von der Antriebswelle Ä
aus auf die Welle C übertragen werden, und es
erfolgt die Uebertragung nach dem Verhältnisse
Ol 02
h h
durch die vier mit den betreffenden Buch-
staben bezeichneten Räder. Um nun diese Räder
mit vier anderen von beliebiger Umsetzungszahl
vertauschen zu können, ist die Achse der Räder
O2 und &i in einem drehbaren, geschlitzten Bügel
B befestigt, wodurch ihr Abstand von Ä und C
beliebig und der Durchmesser der eingeschalteten
Räder der verlangten Uebersetzung entsprechend
geändert werden kann.
Schneckengetriebe dagegen sind nur bei
constanten Bewegnngsverhaltnissen gebräuchlich.
36*
564 TrennungBarbeiten.
Dm die Drehnngebewegung in eine hin* and hergehende zn verwan-
deln, dienenQetriebe mitZahustange, Schranbenspindel mit Mnt-
ter, Schneckengetriebe und Zahnstange, Kurbel nnd Schub-
stange oder Earbel mit Gleitstttck nnd Schleife.
Bei Anwendung des Getriebes mit Zahnstange erfolgt bei dem An-
griffe jedes nenen Zahns ein kleiner Stoss und die Bewegung wird da-
durch ungleichförmig. Zur Verringerung dieser Ungleichförmigkeil,
welche in gleicher Weise die Genauigkeit des Schnittes beeinträchtigt,
bringt man hfiu£g zwei neben einander sitzende Getriebe mit Zahn-
stangen in solcher Anordnung an, dass jeder Zahn des einen Getriebes
beziehentlicb der einen Zahnstange einer Zahnlücke des daneben liegen-
den Getriebes (Zahnstange) gegen aberliegt; oder für einen noch regel-
mässigem Eingriff drei Getriebe mit drei Zahnstangen, deren Zähne
jedesmal um '/i der Theilnng gegen die Zähne des daneben liegenden
Getriebes mit Zahnstange Terschoben sind.
Für die Rückwärtsbewegung des Arbeitsstücks oder Werkzeugs nach
einmaligem Schnitte muss bei Anwendung der drei erstgenannten Ue-
chanismen Umsteuerung der Maschine stattfinden; bei Anwendung einer
Kurbel mit Schubstange oder Schleife fflhrt diese selbst den Tor- oder
Rückwärtsgang aus, giebt aber nicht, wie die ersteren, eine gleichför-
mige, Bondem die bekannte ongleichformige Bewegung, vom todten
Punkte bis zur Mitte des Hubes mit wachsender, von da bis zum zwei-
ten todten Pnnkte mit abnehmender Geschwindigkeit. Darin bemht
ein für die Leistung der meisten Maschinen filblbarer Uebelstand.
Derselbe wird abgeschwächt nnd eine annähernd gleichförmige Bewegung
erzielt, wenn man, wie in Fig. 438 skiszirt ist, auf der Antriebswelle
ein excentrischea Getriebe
'^' ' ■ anbringt, welches in ein
um seinen Mittelpunkt
drehbares Ellipse urad ein-
..A'.j greift, dessen Zäbneznfal
-"-■'-'■'5\\ doppelt so gross ist aU
^ die des excentrischen
B <| I..' Radesandauf desseuAchse
die Kurbel befindlich ist.
i^:'-'-'--''' 9 üt bier das excentrische
Getriebe, r das EUipsen-
rad, S die KurbeL Die
^ ■'*+ '■ Winkelgeschwindigkeit
des Ellipsenrades ist offen-
bar am grösaten, wenn der grSsste Theilkreishalbmesier des Rades q mit
dem kleinsten EllipsenhalbmesBer im Eingriffe steht, eine Stellnng,
welche während einer vollen Drehung von r zweimal eintreten wird;
und in diesem Angenblioke muss sich die Kurbel im todten Punkt« ihrer
Bahn befinden. Die Winkelgeschwindigkeit des Ellipsenrades ist da-
Werkzeugmaschinen. 565
gegen am geringsten in der gezeichneten Stellung heim Eingriffe des
kleinsten Theilkreishalhmessers des Bades q; die Eurhel hat nunmehr
einen Bogen Yon 90 Graden vom todten Punkte ab beschrieben und
befindet sich in derjenigen Stellung, bei welcher die erfolgende gerad-
linige Bewegung die grösste Beschleunigung erhält.
Eine gleiche Wirkung wird erreicht, wenn man statt des elliptischen
Bades ein rundes Bad anwendet, welches in der Bichtung der durch die
Drehungspunkte beider Bäder gelegten Linie verschiebbar ist.
Bei diesen soeben beschriebenen Mechanismen findet der Bückgang
in gleicher Geschwindigkeit als der Vorwärtsgang statt. Bei Maschinen,
welche nur beim Yorwärtsgange schneiden und leer zurückgehen, kann
es jedoch zweckmässig sein , nach einem gleichmässigen Yorwärtsgange
einen beschleunigten Bückgang eintreten zu lassen. Bei Anwendung
der Kurbel zur Bewegungsübertragung giebt es hierfür verschiedene
Hilfsmittel.
Wenn man z. B. statt des Ellipsenrades mit excentrischem Getriebe,
wie es in Fig. 437 skizzirt war, zwei Ellipsenräder von gleicher Grösse
anwendet, die sich jedes um einen ihrer Brennpunkte drehen, so er-
hält man die kleinste Winkelgeschwindigkeit des Eurbelrades, wenn der
kleinste Badiusvector der treibenden Ellipse mit dem grössten Badius-
vector der getriebenen im Eingriffe steht; und wenn die Kurbel hierbei
auf der Mitte zwischen den todten Punkten sich befindet, so fällt diese
geringste Winkelgeschwindigkeit der Kurbel zusammen mit der relativ
grössten Beschleunigung der geradlinigen Bewegung. Bei weiterer Dre-
hung nimmt die Winkelgeschwindigkeit zu, die Kurbelbewegung ab;
nach einer Drehung um 90 Grade ist die Kurbel auf dem todten Punkte
angelangt, die beiden Ellipsen greifen in gleichen Abständen von den
Drehnngspunkten zusammen, besitzen also gleiche Geschwindigkeit.
Nun wächst aber die Winkelgeschwindigkeit des getriebenen Bades, zu-
gleich auch die Entfernung der Kurbel vom todten Punkte, es tritt
somit in zweifacher Hinsicht Beschleunigung der geradlinigen Bewegung
ein. In dieser Hälfte des Kurbelwegs muss mithin der leere Bückgang
stattfinden. Die Beschleunigung erreicht ihren höchsten Stand, wenn
die Kurbel in der Mitte zwischen beiden todten Pui^kten angelangt ist;
der grösste Badiusvector der treibenden Ellipse greift jetzt in den
kleinsten der getriebenen; nun beginnt allmälig Yerlangsamung , bis die
Kurbel wieder auf dem todten Punkte angelangt ist, hier in die zweite
Hälfte ihrer Bahn eintritt und diese, während die Maschine ihren Yor-
wärtsgang ausführt, in der oben geschilderten Weise mit anfanglich
abnehmender Winkelgeschwindigkeit bis zur Mitte, dann mit zunehmen-
der Winkelge8ch?nndigkeit durchläuft und dabei eine annähernd gleich-
mäaaige Bewegung der Schubstange bewirkt. Man wird leicht im Stande
sein, durch Skizziren der einzelnen Kurbelstellungen sich diese Yor-
gänge zu veranschaulichen.
In anderer Weise wird ein gleicher Erfolg durch Einschaltung eines
566 Treimuiig8arbeiten.
CouliaseahebeU, Fig. 439, zwischeu Kurbel und Schnbatange erreicht,
welcher in der Ebene der Kurbelbewegnng um einen festen Drehungs-
Fig. 43S.
pnnkt schwingt. Die Kurbel greift vermittelst eines Oleitstflcks in die
Cualisse (Schleife) ein und bewirkt hierdurch Hin- and Herbewegung.
Die todt«n Punkte liegen offenbar da, wo der Kurbelarm rechtwinklig
gegen den Hebel gerichtet ist. Nun ist aber der Weg zwischen den
beiden todten Punkten in dem untern Theile der Knrbelbahn kleiner als
in dem obem, bei coustanter Winkelgeschwindigkeit der Kurbel wird
also auch der nntere Weg rascher als der obere zurückgelegt, and es
ist leicht einziuefaen , doss die resoltirende geradlinige Bewegung der
Fig. 440. Schabstange annähernd gleichförmig
erfolgt, so lange die Kurbel in der
grossem Hälfte ihrer Bahn verweilti
dass aber eine annehmende Beschleu-
nignng eintritt, sobald die Kurbel
nach Ueberschreitung des todten
Punktes in die andere Wegeshälft«
eingerückt ist, nnd dass diese Be-
schleunigung ihr Mazimnm erreicht,
wenn die Kurbel sich in der Mitte
I zwischen beiden todten Punkten be-
findet. Dann tritt VerzägeroQg ein,
I bis beim zweiten todten Punkt« wie-
der jene langsamere gleichförmige
Bewegung ihren Anfang nimmt, wäh-
rend welcher der Vorwärtagang der
Maschine stattfindet.
Aehnlich dem Conliseenhebel wirkt
die in Fig. 440 nnd 441 abgebildete
excentrlsche Knrbelschleifc.
Werkzeugmaschinen. 567
In dem festotehendeo Geh&nse a der Mascbine steckt der goaeeiBeme
Zapfen b, bohl gegoaseo und mit excentrischer Bohro&g Teraehen, wie
E^, 441, in der Stimansicht,
Fig. 441, durch pnnk-
tirte Linien angedeutet
ist. Um diesen feat-
liegenden Zapfen dreht
sich oentriBch das Stirn-
rad c, welches durch
ein in der AbbUdong
nicht gezeichnetes Ge-
triebe seine Drehung
I erhält. In der excen-
trischen Bohrung des
Zapfens b steckt ein
zweiter masÜTer Zapfen,
welcher die Schlitzkur-
bei d trägt. An der
Rückseite derselben,
dem Rade zugewendet,
befiudetsich eine radiale
coulissen artige Führung
(Schleife) e für ein Gleitstück/, welches in bestimmter Entfernung vom
Radmittel an die Badscheibe angesohraubt ist, also gewiseermaaeeen
die Warze eines zweiten Eurbelarms bildet. Bei der Drehung des
Radea C nimmt das Stück / die Kurbel d mit und gleitet dabei inner,
halb des Schlitzes e um die doppelte fkcantricität aus and ein. Die
todten Pnnlite der Eurbelbabn liegen bei der abgebildeten Anordnung
in der durch die Achse des Eurbelzapfens d gelegten Horizontalebene; da
aber/ eine Kreislinie um den Mittelpunkt des Rades C beschreibt, so fallen
die todten Punkte ebenfalls in diese Kreislinie und theilen dieselbe in einen
grossem und einen kleinem Bogen, deren jeder einem einmaligen Hube
der Maschine entspricht. Das Gleitstück/ bewegt sich aber mit con-
stanter Winkelgeschwindigkeit um den Mittelpunkt seiner Bahn; es ver-
halten sich demnach die Zeiten zum Durchlaufen jener Bögen wie die Bogen-
längen, und demzufolge wird der Hub, während die Kurbel sich im
untern, langem Bogen bewegt, eine entsprechend längere Zeitdauer
beanspruchen, als während der Kur belbewe gang im obem Bogen. Die
Maschine wird nun durch die Scbubetange (deren Angriffspunkt inner-
halb des Kurbelscblitzes zur Aendemng der Hublänge veränderlich ist)
derartig mit der Kurbel rerbunden, daae sie während der langsamem
Bewegung schneidet, während der raschem leer zurückläuft; nnd ans
denselben Gründen wie bei der Bewegung durch einen Coulissen hehel
wird die erstere Bewegung annähernd gleichförmig, die andere ungletch-
förmig ausfallen. Die beiden Schrauben xF dienen zum Festhalten und
568 Trennungsarbeiten.
Einstellen einer zum Aiiswechseln eLagerioliloten metalleiten Gleitbacke
innerhalb des Schlitzes e.
Der Umstand, dass bei der BewegnngsÜbei*tragung durch eine
Eorbel die Länge des Hubes der Maschine von der Länge des Kurbel-
arms abhängig bleibt und dieselbe sich begreiflicherweise nicht über
ein gewisses Maass ausdehnen lässt ohne die Construction schwerfallig zu
machen, beschränkt die Anwendung der Kurbel för die Hauptbewegung
nur auf Maschinen für geringere Schnittlängen.
Der Antrieb der Mechanismen für die Schaltbewegung pflegt von
einer der umlaufenden Hauptwellen der Maschine aus zu geschehen,
und zwar durch zwischengeschaltete Riemenscheiben, Zahnräder oder
Schneckengetriebe, falls die Schaltbewegung ununterbrochen fortgehen
soll; durch Kurbelscheiben, Excenter, Nuthenscheiben oder Hebedaumen,
falls dieselbe ruckweise geschieht. In letzterm Falle befindet sich zwi-
schen diesem die Bewegung übertragenden Mechanismus und dem für
die Schaltbewegung bestimmten Theile ein Sperrzeug oder Schalt-
werk, meistens durch Hebel und Zugstangen mit jenem verbunden,
um die ununterbrochene Bewegung der Maschine in die ruckweise der
Schaltung zu verwandeln. Meistens besteht dieses Schaltwerk aus Zahn-
rad mit Sperrklinke.
Als Umsteuerungsmechanismen für solche Werkzeugmaschi-
nen, deren geradlinige Bewegung nicht durch eine Kurbel erzeugt wird,
dienen ein offener und ein gekreuzter Riemen mit einer festen und zwei
losen Riemenscheiben; oder ein Riemen mit einer losen und zwei festen
Scheiben, von denen die eine direct, die andere durch Zwischengelege
den Antrieb bewirkt; oder dergleichen. Bei der letzterwähnten Anordnung
lässt sich mit Leichtigkeit veränderte Geschwindigkeit für Hin- und Rück-
gang einrichten.
Die Verschiebung der Riemen in diesen Fällen geschieht fast immer
selbstthätig bei beendigtem Hube durch die Werkzeugmaschine selbst,
indem dieselbe vermittelst eines, beziehentlich zweier, an dem bewegten
Theile befindlichen verstellbaren Stossknaggen durch Vermittelung eines
Systems von Hebeln und Zugstangen die Riemengabel vorschiebt.
Die meisten dieser der bessern Uebersicht halber schon hier er-
wähnten Bewegungs- und Steuerungsmechanismen werden durch die unten
folgenden Abbildungen ausgeführter Werkzeugmaschinen fernere Er-
läuterung finden.
Werkzeugmaschinen. 569
Literatur über Werkzeugmaschinen und Werkzeuge.
Ausser den unten für jede besondere Gattung von Werkzeugmaschi-
nen gegebenen literarischen Nachweisen sind folgende Werke für das
Studium der Werkzeugmaschinen im Allgemeinen wie im Besondern
empfehlenswerih und für die unten folgenden Besprechungen mehrfach
benutzt worden:
J. Hart, Die Werkzeugmaschinen für den Maschinenbau zur Metall-
und Holzbearbeitung. Zweite umgearbeitete Auflage, Mit einem
Atlas von 72 lithographirten Tafeln, Heidelberg 1874.
Earmarsch-Hartig, Mechanische Technologie, 5. Aufl., S. 225 ff.
Hoyer, Mechanische Technologie, S. 218 ff.
Wiebe, Die Maschinenbaumaterialien, S. 529 ff.
Hart ig, Versuche über den Arbeitsyerbrauch der Werkzeugmaschinen.
Leipzig 1873.
£. A. Y. Hesse, Die Werkzeugmaschinen auf der Wiener Ausstellung,
Leipzig 1874.
Wencelides, Hilfsmaschinen und Werkzeuge für Eisen- und Metall-
bearbeitung (Bericht über die Weltausstellung in Philadelphia).
Wien 1877.
570 Trennungsarbeiten«
3. Die formgebenden Geräthe tmd das Arbeitsverfahren.
A. Ger&the zum Absoheeren.
a. Scheeren.
Wenn die Abscheerung in einer o£Penen Linie erfolgt, so heisst das
Werkzeug Sc beere. In den meisten Fällen wird eine Scbeere zur Zer-
tbeilung eines Stücks in zwei nach einer geraden Trennungslinie be-
nutzt werden, zum Abtrennen der Rander u. s. w.; es ist dabei aber
nicht ausgeschlossen, dass durch Aneinanderi'eihen mehrerer solcher
nach einander herrorgebrachter Schnitte eine geschlossene Figur —
Dreieck, Polygon, selbst ein Kreis, sofern man sich denselben als ein
Polygon mit unendlich vielen kleinen Seiten denken kann, aus einem
vollen Metallstüoke losgetrennt werde.
Der wirksame Theil der Scheere besteht aus zwei Stahlbl&tiern
(Schneiden), welche in Parallelebenen an einander vorbei geführt werden
und deren gegen das Arbeitsstück gerichtete Flächen aus früher ent-
wickelten Gründen um einen Winkel von 75 ^is 85 Grad gegen die Be-
wegungsebene geneigt sind (Fig. 442). Ob bei den Scheeren beide
Fi 442 Schneiden bewegt werden, oder ob die eine ruht und
nur die zweite in Bewegung gegen die erstere versetzt
wird, ist natürlich für den Erfolg gleichgültig, und
man findet deshalb beide Anordnungen vertreten.
a^,.. Die Schneiden bilden einen Theil der Soheeren-
7 '/''A backen oder Scheerenblätter und sind mit den-
selben entweder im Ganzen gefertigt oder bei grösseren
Scheeren für sich aus Gussstahl hergestellt und in jene
eingesetzt. Nach der Art, wie die Bewegung der
Schneiden erfolgt, unterscheidet man folgende Gattun-
gen von Scheeren:
UL-
'\t
Bogenscheeren, Hebelscheeren oder Maulscheeren. Wie der
Name Hebelscheeren andeutet, erfolgt die Bewegung durch die Wirkung
des Hebels; und zwar ist bei diesen Scheeren ebensowohl das Princip
des einarmigen als des zweiarmigen Hebels in Anwendung.
Scheeren.
571
Eine Hebelscheere der letztern Art in der einfachsten Form ist in
Fig. 443 abgebildet. Dieselbe ist zweischenklig, und das Schneiden
erfolgt durch Zusammendrücken beider Schenkel mit der Hand. Man
Fig. 443. nennt sie Hand scheeren. Die Länge
der Schenkel beträgt 100 bis 300 Mm.,
die Länge der Schneiden 30 bis 100
Millimeter Diese Scheeren eignen sich
nur zum Zerschneiden feiner Bleche
und Stäbe. Um den durch mensch-
liche Kraft ausgeübten Druck wirksamer zu machen, verlängert man wie
bei der in Fig. 444 abgebildeten Scheere den obern Schenkel und be-
1^ festigt den untern mit
Hilfe einer angeschmie-
deten oder angenieteten
Angel in einem Holz-
blocke oder im Schraub-
stocke und nennt die
Scheeren von dieser Form
Stockscheeren oder
Bockscheeren. Bei
denselben ist nur die
untere Schneide beweg-
lich und der ganze Druck,
welchen der Arbeiter
auszuüben fähig ist, und
welcher ersichtlicher
Weise bei dieser Anord-
nung erheblich beträcht-
licher ausfallen muss,
als bei dem Zusammen-
drücken beider Schenkel mit der Hand, wird nunmehr durch den langem
Hebelarm c auf die Schneiden übertragen. Um jedoch beim Schneiden
stärkerer Bleche oder Eisenstücke (bis 2 Mm. Stärke) den ausgeübten
Druck noch mehr verstärken zu können , lässt sich bei der abgebildeten
Scheere^) der Hebel c durch den Bügel h mit einem einarmigen Hebel a
verbinden , so dass bei Benutzung dieses letztem der Druck durch eine
doppelte Hebelübersetzung auf die Schneiden übertragen wird. Die
Länge der Scheerenblätter der abgebildeten Stockscheere ist 200 Mm.
E^e Scheere nach dem Principe des einarmigen Hebels, an einem
Tische mit gusseisemer Platte befestigt und deshalb Tafelscheere ge-
nannt, zeigt die Fig. 445') (a. f. S.). Die Schneide derselben ist er-
1) Aus der durch ihre Werkzeugmaschinen für Blecharbeiter lühmlichst
bekannten Fabrik von Erdmann Kircheis in Aue (Sachsen).
^ Eben&lls von E. Kiroheis in Aue.
572 Trennuiigsarbeiten.
beblicb lioger als b«i den zweiarmigen Hebelscheeren , so dass man mit
grösseren Scheeren dieser Art im Stande ist Schnitte bis sä 1 M. Länge
Fig. 445.
anaznfübren. Die untere Scbneide ist an der vor dem Tische befind-
lichen eisernen Wange angeschranbt. Die Tischplatte trägt zwei eiserne
rechtwinklig gegen die Messer gerichtete Lineale aa und zwischen
denselben ein verstellbares, den MesHern paralleles Lineal, welche fär
die BlecbstQcke als Anlage dienen, wenn Schnitte rechtwinklig oder
parallel zu einer vorhandenen Kante ansgeftlbrt werden sollen. Das am
Hebel befindliche Gegengewicht hält denselben während der Rahe in
. seiner höchsten Stellung, damit die Bleche beqnem eingelegt werden
können.
Zum Schneiden stärkerer MetallstQcke werden die Uebelscheeren
fUr den Betrieb durch Elementarkraft eingerichtet nnd beisten dann
Mascbinenscbeeren. Sie finden vorzugsweise zum Zerschneiden stab-
förmiger, in Walzwerken dargestellter Körper in bestimmte Längen,
ausserdem aber auch zum Zerschneiden von Blechen viel&cbe Anwen-
dung.
Meistens ist bei ihnen der zweiarmige Hebel vertreten; nur in
seltenen Fällen finden Scheeren nach Art der in Fig. 415 abgebildeten
einarmigen Scheeren mit Maschinenbetrieb Yerwendung. Die Soheeren-
backen wie der Hebel besteben meistens ans Gusseisen nnd die Schnei-
den (Messer) sind durch Schrauben an denselben befestigt. Scheeren,
welche znm Zerschneiden bestimmter Speciolartilcel dienen, erhalten bis-
weilen Schneiden mit entspreobeod geformten Schneidkanten; so s. B.
Scheeren. 573
giebt man der obem Schneide einer zum Zertheileo von Winkeleisen
dienenden Soheere einen ans der geraden Unie vorspringenden Zabn,
der untern eine entsprechende Vertiefung. Die untere Backe ist fest,
die obere beweglich, und die Anordnung demnach umgekehrt als bei
der in Fig. 444 abgebildeten Bockscbeere. Die Bewegung des Scheeren-
hebels erfolgt von einer sich drehenden Welle ans entweder durch eine
excentrische Scheibe, welche unter dasEnde des Hebels fasst und diesen
empordrQckt, somit die Backen schliesst, w&hreDd das eigene Gewicht
bei der Drehnng des Excenters das Hebelende wieder sinken läest und
dadurch die Backen SfTnet; oder durch Kurbel und Zugstange, in wel-
chem Falle der Hebel vom Drehnngspunkte ab ann&hernd senkrechte
Lage erhält und demnach mit der Richtung der Schneiden im Winkel
steht (Winkelscheeren).
Fig. 44S giebt eine Abbildung einer Scheere der erstem Art Die
bewegliche Backe ist aus Gusseiseu mit dem Hebel ans einem Stücke
gefertigt, während die gossstählerne Schneide durch Schrauben mit ver-
Fig. 449.
senkten coniechen Köpfen an der Backe befestigt ist. Mit gswei Zapfen
ruht der Hebel in den gusBeisernen Lagern , welche aof einer Sohtplatte
aufgegossen und mit dieser auf einem Fundamente befestigt sind. Das
eine der Lager trägt die feststehende Schneide und dient zugleich als
feste Auflage für das Arbeitsstück ; in dem gegenüberliegenden ist eine
senkrechte Metallplatte mit Stellschrauben "befestigt, welche gegen den
Scbeerenbebel drückt und denselben in naher Berühmng mit der fest-
stehenden Schneide erhält, um eine Klemmung des Arbeitsstücks, her*
vorgerufen durch ein Auseinandergehen der Schneiden, zn yermeiden.
In der abgebildeten Scheere muss die Befestigung des Hebels Ter-
mittelst Darchsteckens und Verkeilens des Zapfens von auHsen durch
die Bohrungen der Lager und des Hebek geschehen, nachdem der Hebel
an seine Stelle gebracht worden ist; häufiger dürft« die Einrichtung
sein, dass nur eins der beiden Lager angegossen, das andere in Nasen
der Sohlplatte verkeilt ut.
574 Trennungsarbeiten.
Damit der Schnitt allmälig vor sich gehe, giebt man dem Drehangs-
ponkte eine solche Lage, dass bei horizontaler Stellung der beweglichen
Schneide dieselbe etwas tiefer (20 bis 30 Mm.) als die feste zu liegen
kommt; insbesondere legt man bei Blechscheeren, wie die yorstehend ab-
gebildete, den Drehungspunkt so tief, dass das Blech oberhalb des
Zapfens zu liegen kommt und der letztere mithin den Vorschub des
Blechs nicht behindert. Sind dagegen die zu schneidenden Arbeits-
stücke schmal und dabei starker als gewöhnliches Blech — z. B. Qua-
drat- und Rnndstäbe — , so macht man die Schneiden kürzer, wodurch
ein günstigeres Verhältniss der Hebelarmlängen entsteht, legt den Dre-
hnngspunkt höher und schwächt dadurch die Neigung der geöffneten
Schneide, das Arbeitsstück in horizontaler Richtung herauszudrücken.
Dieses Herausdrücken wird stets eintreten, sobald der Winkel, welchen
die geöffneten Schneiden einschliessen, grösser ist als der Reibungswinkel
zwischen Arbeitsstück und Schneide; mithin um so leichter, je weiter
die Schneiden geöffnet sind. Hieraus ergiebt sich für geradlinig ge-
formte Schneiden, um das übermässige Oefinen des Scheerenmauls zu
vermeiden, die Nothwendigkeit, das Arbeitsstück um so entfernter Tom
Drehungspunkte zwischen die Schneiden zu bringen, je beträchtlicher
seine Dicke ist; um so ungünstiger fällt aber auch die Hebelwirkung
beim Schneiden aus und um so kürzer die Schnittlänge. Der Uebel-
stand lässt sich beseitigen, wenn statt der geradlinigen, beweglichen
Schneide eine gekrümmte angewendet wird (wie es z. B. bei der in Figur
445 abgebildeten Tafelscheere geschehen ist), deren Radiusvector mit
der Tangente einen gleichbleibenden Winkel beschreibt, während die
feststehende Schneidkante durch den Anfangspunkt der Curve geht.
Für kurze Schneiden erfüllt ein flacher Kreisbogen annähernd genau diese
Bedingung; vollständig wird der Zweck erreicht, wenn die obere Schneide
die Form einer logarithmischen Spirale besitzt.
Die Anzahl der von einer durch Elementarkraft betriebenen Hebel-
scheere ausgeführten Schnitte schwankt nach der Stärke des Materials
und Länge der Schneiden zwischen 25 bis 60 per Minute; als erforder-
liche Betriebskraft rechnet man für Scheeren zum Zerschneiden kleinerer
Gegenstände (Bleche, Feineisen etc.) 2 bis 3 Pferdekräfte, für grössere
Scheeren, zum Zerschneiden, von groben Eisenstäben bestimmt, 4 bis
6 Pferdekräfte.
Parallelscheeren (Rahmenscheeren). Der bei geradlinigen
Schneiden der Bogenscheeren hervortretende Uebelstand eines veränder-
lichen Scheerwinkels wird, ausser durch die schon erwähnte Formung
der Schneide nach einer Curve, vermieden, wenn die bewegliche Schneide
statt der bogenförmigen Bewegung eine geradlinige, normal gegen die
festliegende gerichtete Bewegung erhält. Dadurch wird zugleich die
Möglichkeit gegeben, auch sehr breite Stücke, z. B. breite Bleche, mit
einem einzigen Schnitte zu trennen, falls die Schneiden lang genug sind,
während bei den Hebolscheeren in Folge des Umstandes, dass die Wir-
Scheeren. 575
knng mit dem zunehmenden Abstände vom Drehnngspnnkte sich Ter-
ringert, ein Zertheilen sehr breiter Arbeitsstücke nur durch mehrere auf
einander folgende Schnitte unter stetem Vorschieben des Arbeitsstücks
zu ermöglichen ist.
Die untere Schneide liegt auch hier fest und besitzt eine horizontale
Oberkante, die obere wird zwischen zwei senkrechten Führungen auf
und nieder bewegt. Damit der Schnitt nicht auf die ganze Länge in
einem einzigen Augenblicke erfolge, sondern der Widerstand gegen das
Abscheeren allmälig überwunden werde, besitzt die obere Schneide eine
Neigung gegen die Horizontale von 7 Grad bei kürzeren, von Z'^j^ Grad
bei sehr langen Schneiden; oder man giebt, um den erforderlichen Hub
(dessen Höhe natürlich mit dem Neigungswinkel und der Länge der
Schneide wächst) nicht allzu sehr zu yergrössem, sehr langen Schneiden
auch wohl die Form eines stumpfen Winkels, dessen Scheitelpunkt in der
Mitte liegt und dessen Schenkel von den Endpunkten nach dem Scheitel unter
jenem Winkel ansteigen. Die Bewegung erfolgt gewöhnlich durch £xcenter
und Druckstange; und zwar pflegt bei kleinen Scheeren mit Schneiden
bis zu 600 Mm. Länge eine einzige Druckstange auf die Mitte eines
Gleitstücks zu wirken, welches die Schneide trägt, während die Achsen-
richtung der Betriebswelle parallel der horizontalen Schneide Hegt, und
demnach die Bewegung des Fxcenters und der Drückstange in einer
normal gegen die Schneidenrichtung gerichteten Verticalebene erfolgt.
Bei grösseren Parallelscheeren jedoch zum Zerschneiden starker und
breiter Bleche würden durch den Antrieb an nur einer Stelle in der
Mitte der Schneide sehr leioht Klemmungen an den Enden hervorgerufen
werden. Man befestigt deshalb diese langen Schneiden in einem ent-
sprechend starken Horizontalbalken, welcher durch Gegengewichte das
Bestreben erhält, emporzusteigen, und bewirkt das Niedergehen durch
zwei an den Enden des Balkens angreifende Druckstangen, welche ent-
weder von einer gemeinschaftlichen doppelt gekröpften Welle aus in glei-
cher Weise wie die Druckstangen der kleineren Scheeren oder auch, da
eine solche Welle mit zwei Kröpfungen schwieriger herzustellen ist,
häufiger von zwei parallelen Achsen aus bewegt werden, deren Richtung
normal gegen die Bichtung der Schneiden gerichtet ist, und an deren
freien Enden die Excenter befindlich sind.
Der Betrieb der Parallelscheeren erfolgt entweder von einer Trans-
mission aus oder direct durch eine Dampfmaschine; während des Leer-
gangs überträgt die Maschine ihre Arbeit an ein Schwungrad und die
in solcher Weise angesammelte Arbeit ist es hauptsächlich, durch welche
der Schnitt erfolgt.
Um das Einlegen der Arbeitsstücke zu erleichtern, ist bei den
meisten Parallelscheeren, insbesondere allen grösseren, Vorkehrung ge-
troffen, durch welche die Druckübertragung ausgerückt werden kann,
während die Antriebswelle ununterbrochen ihre Bewegung behält; erst
h'G Trenniingsarbeiten.
wenn das Blecb die richtige Lage erhalten hat, wird eingerückt nnd der
Schnitt aoBgeführt.
Zur ErUntcrnng hierfür möge die in den Hgnren 447 bia 450 gegebene
Abbildung einer groaaen Blechtcheere dienen i); and zwar ist Fig. 447
Vorderanricht, Fig. 448 Seitenansicht beziehentlich senkrechter Schnitt
dnrch die Mitte der Maschine, Fig. 449 Ansicht von hinten nnd Figar
450 Schnitt nach der Linie JUN. Der Betrieb erfolgt hier dnrch den
an der Rückseite des Scheerengerüstes angeschraubten Dampfcj-l Inder p,
Fig. 4*7.
welcher vermittelst Schabstange and Kurbel die Welle a des Schwaograds
S in Drehnng versetzt. Anf derselben Welle befindet sich das kleine ver-
zahnte Rad b, welches die Bewegung zunächst auf das Rad c nnd vermittelst
des auf derselben Welle mit c sitzenden Getriebes d auf die beideo Stirn-
räder ee fortpflanzt. Die Achsen dieser letzteren tragen die Excenter,
welche auf die mit ihnen verbnndenen Dmckstangen // wirken. Beim
Niedergange drücken die letzteren gegen zwei Untersätze uu, welche ans-
weohaelbar auf der Platte g befestigt sind, g trägt an der untern Seite
ParalleUcheeren.
Pig. 4*8.
r, HMchuilKb-inatallnTgiKhe T«hiH)losia.
578 TrennungBarbeiteu.
die obere Schneide und wird theila zwischen zwei gehobelten BchrSgen
LeiBten bb, welche stellbar in dem Rahmenstücke befestigt rind, geführt,
iheils schleift sie mit ihrer Rückaeite an dem Gerüste. Beide Drücker //
sind durch eine horizontale in Fig. 447 ereichtliche Traverse n anter sich
nnd dnrch eine Zugstange n mit dem an der linken Seite der Scbeere
befindlichen , mit einer Fallkogel beschwerten Winkelhebel t» verbunden.
Dnrch Niederdrücken des Handgriffs erfolgt in leicht erkennbarer Weise
Ansrücknng nnd die Drücker gleiten nunmehr in echriger Lage neben
den Untersätzen u u aof und nieder. Ein am Winkelhebel befestigter
Bügel o, welcher bei der Ansrücknng gegen einen am Ständer befind-
Fig. 450.
liehen Anschlag trifit, begrenzt die Bewegung nach beiden Seiten hin,
während zugleich eine an der linken Seite jedes Drückers angegossene
Nase die richtige Stellung desselben beim Wiedereinrücken sichert. Der
Anhnb der Platte g erfolgt dnrch zwei Hebel 1, deren kürzere Enden anter
eine an der Platte angegossene Rippe oder Nase greifen, während die län-
geren Enden an schmiede eisernen Stangen Gegengewichte tragen, eben aus-
reichend schwer, um dos Gewicht der Platte sammt Reibang zu überwinden.
In dem höchsten Stande der Platte setzen die Gewichte auf Untersätze anf,
somit den Hab beendigend. Ansser diesen Gegengewichten bewirken
aaoh die an den Excentem aufgehängten Zngstangen mit Bügeln ht ein
Emporziehen der Platte, falls jene Gewichte nicht aasreichend sein soll-
ten, die Reibnog zn überwinden; in dem hücbsten Staude der Platte
Ereisscheereii.
579
dagegen geBtatten die erwähnten Bügel, wie leicht ersichtlich ist, eine
freie Bewegung der Excenter, ohne dass ein Dmck ansgeübt wird.
Ein je grösseres Gewicht das Schwnngrad der Parallelscheeren be-
sitzt nnd je weniger Schnitte in gegebener Zeit ansgef&hrt werden, desto
geringer braucht die erforderliche Betriebskrafb za sein. Nach Hauer
giebt man den grosseren Scheeren für Bleche bis zu 2 M. Lange einen
Dampfcylinder von 200 bis 300 Mm. Durchmesser bei 3 Atmosphären
Dampfüberdruck, 400 bis 600 Mm. Hub und 100 bis 150 Doppelhübe per
Minute mit 6- bis 18-focher Umsetzung, während das Schwungrad bei
1,6 bis 2 M. Durohmesser 800 bis 1200 Kilogramm Gewicht erhält.
KreisBCheeren (Circularscheeren). In einer von der bisher be-
schriebenen Art und Weise abweichenden Form lässt sich die Aufgabe,
die Schneiden unt«r einem constanten Winkel gegen das Arbeitsstück
wirken zu lassen , auch erreichen , wenn man der beweglichen Schneide
Kreisform giebt und sie um ihren Mittelpunkt dreht, so dass nach und
nach jeder Punkt des Umfange zum Schneiden gelangt, während das
Arbeitsstück stetig gegen die Schneide yorgeschoben wird. Je weiter
hierbei die beiden Schneiden über einander greifen und je kleiner der
Durchmesser der Scheibe ist, desto grösser wird natürlicherweise der
Scheerwinkel (aus Tangente an der Angriflfsstelle und Bewegungsrichtung
des Arbeitsstücks) und desto leichter erfolgt ein Znrückstossen , sobald
dieser Scheerwinkel grösser wird als der Reibungswinkel. Hierbei kann
die eine Schneide, wie bei den bisher besprochenen Scheeren, fest sein;
zweckmässiger ist es in diesem Falle, beide Schneiden kreisförmig zu
machen und sich in entgegengesetzter Bichtung^ehen zu lassen, wodurch
eine selbstthätige Verschiebung des Arbeitsstücks erleichtert' wird.
Da die Länge der Schneiden einer solchen Kreisscheere endlos ist, so
ist auch die Länge der mit derselben zu schneidenden Arbeitsstücke unbe-
grenzt, und hierin liegt ein wesentlicher Vortheil derselben; leider ist jedoch
aus sogleich zu erörternden
Fig. 451.
Gründen nicht dasselbe
mit der Dicke der Ar-
beitsstücke der Fall, und
es beschränkt sich des-
halb die Anwendung der
Kreisscheeren auf das
Zerschneiden dünnerer
Gegenstände, insbesondere
Bleche.
Es seien in Fig. 45 1
ÄnndB die beiden kreis-
förmigen Schneiden mit
den Halbmessern r, Durch-
messern d^ C das gegen
dieselben vorgeschobene
37*
580 Trennungsarbeiten.
Arbeitsstück von der Starke Ö, a der Winkel zwischen Tangente an der
Angriffsstelle und Bewegnngsrichtnng des Arbeitsstücks (da zwei kreis-
förmige Schneiden vorhanden sind, ist in diesem Falle cc gleich dem
halben Scheerwinkel) , ß der Tangentenwinkel an derjenigen Stelle, wo
die beiden Kreislinien sich schneiden, so hat man folgende Beziehungen:
8
— = ab = rcosß — rcosa
8 =z 2r (coaß — cosa) ^= d (cosß — cosa).
Hieraus folgt ohne Weiteres , da der Werth cos cc mit zunehmendem
Werthe von 8 abnimmt, cos ß um so grösser ausfällt, je weniger die Schnei-
den über einander greifen, dass mit zunehmender Stärke des Metallstücks
auch der Durchmesser d der Scheiben wachsen oder ß verkleinert werden
muBS. Nun soll aber, damit nicht ein Zurückstossen des Arbeitsstücks
eintrete, a kleiner als der Reibungswinkel sein, und selbstverständlich
muss ß immer noch grösser als 0, cosß < 1 sein, weil sonst das Schee-
ren überhaupt nicht mehr vollständig erfolgt, und man setzt erfahrungs-
mässig oe höchstens = 12^ , ß mindestens = 4^; daraus ergeben sich
dann die Beziehungen:
8 = d (cös40 — cos 120) =0,019 d
d = 53 a.
d. h. der Durchmesser der Scheiben muss mindestens das Ö3-fache von
der Starke des zu schneidenden Arbeitsstücks betragen.
Bezeichnet man das Maass, um welches die beid^en Schneiden über
einander greifen, mit e, so ist:
e =2 (r — rcosß) = d {1 — cos 4^) =0,0024 d
= PP'' 4Ö0 ^-
Aus der erörterten Thatsache, dass der Durchmesser der Schneid-
scheiben mit der Starke des Arbeitsstücks um ein Vielfaches wachsen
muss, und zugleich aus dem Umstände, dass grosse Schneidscheiben sich
nur schwierig herstellen und vor dem Verbiegen (Federn) behüten lassen,
folgt, dass, wie schon erwähnt wurde, die Kreisscheeren zum Schneiden
von Gegenständen mit stärkeren Querschnitten nicht geeignet sind, und
die Anwendung von Scheiben mit mehr als 200 Mm. Durchmesser —
geeignet für Bleche von mehr als 4 Mm. Dicke — ist deshalb selten.
Die Schneiden der Kreisscheeren sind unter demselben Winkel wie
die der früher beschriebenen Scheeren zugeschärft. Die Umfangs-
geschwindigkeit der Scheiben und somit die Bewegungsgeschwindigkeit
des Arbeitsstücks kann eine ganz beträchtliche sein und beträgt durch-
schnittlich 600 Mm. per Secunde, bisweilen noch mehr.
Da bei den Kreisscheeren der bei Hebel- und Parallelscheeren nn-
vermeidliche leere Rückgang wegfällt, ist die Ausnutzung der Arbeit
eine günstige, und für die meisten Fälle genügt — da nor dünne Ar-
beitsstücke mit der Kreisscheere getrennt werden — Handbetrieb mit
Kurbel- und Zahnrad Übersetzung.
KreisBcheeren. 581
Eine besondere Eigenthümlichkeit der KreisBcheeren liegt in dem
Umstände, doas sie auch cnrveulSrniige Schnitte gaBtatt«n, wenn m&n
das Arbeitsstack während des Schneidens entsprechend wendet; und je
kleiner die Scheiben sind nnd je weniger sie über einander greifen,
desto kleiner kann der KiQmninngahalbineBser der Cnrve aasfallen.
Spannt man ein Blech in bestimmtem Abstände von den zwei Schneiden
einer Kreisscheera zwischen Spitzen derartig ein, dass es sich in seiner
Horizontalebene drehen, aber nicht verschieben l&sst, so wird bei der Be-
wegung der Schneiden ein Kreis ansgeschnitten, dessen Halbmesser gleich
dem Abstände zwischen Schneide und jenem Drebangspunkte des Blechs
ist. Hierauf beruht die Constmction der in den Werkstätten der Blecb-
arbeiter vielfach benutzten in Fig. 452 abgebildeten Kreisgcheere '). a
Fig. 4b2.
nnd b sind hier die beiden kreisförmigen Scheerblätter, deren Achsen
anter einem Winkel von 20 bis 30 Grad gegen einander geneigt sind,
um zu vermeiden, dass die Abfälle sich gegen das untere ScheerbUtt
sperren. Beide Wellen sind in einem gasseisernen Rahmen gelagert
und die gbere durch die Schranbe m in ihrer Lage verstellbar, um rich-
tige Einstellung beider Scheiben gegen einander an erhalten, n ist eine
Gegenschraube znr Verhütung eines icu starken Uebereinandergreifens der
Scheiben. Der Betrieb erfolgt darcb die Handkurbel h nnd die Be-
wegnngsübertragung dnrch die beiden Kegelräder d and i. Auf dem
') An» der Fabrik von E. Kirchei« in Aue.
582 Trennungsarbeiten.
horizontalen Prisma H ist der gusseiBeme Bügel B verschiebbar auf-
gesteckt. An seiner untern Seite trägt derselbe eine Zahnstange, in
welche ein anf dem Ende des Prismas gelagertes Getriebe eingreift; auf
der verlängerten Welle des letztem ist die Eorbel 0 befestigt, so dass
durch Drehung derselben di^ Verschiebung des Bügels erfolgt. Zar
Feststellung desselben in dem richtigen Abstände von den Scheiben dient
die Spannschraube n. Das Blech wird nun in dem Mittelpunkte des
auszuschneidenden Kreises zwischen die untere Körnerplatte und die ver-
stellbare Stahlspitze s eingespannt und mit seiner Kante der Scheere
entgegengeführt, welche hierauf in Thätigkeit versetzt wird. Hierbei darf
jedoch der Mittelpunkt des Blechs nicht in der durch die beiden Achsen
der Scheerenblätter gelegten Verticalebene, sondern muss in der dieser
parallelen Ebene liegen, welche durch den Angriffspunkt (Durchschnitts-
punkt der Kreise) gelegt ist, damit nicht die Entfernung des Mittelpunkts
von den Scheibenflächen kleiner sei als von dem Eintrittspunkte und
dadurch ein Stauchen des geschnittenen Blechs gegen die Scheiben bei
seiner Drehung veranlasst werde. Ist umgekehrt diese Entfernung zu
gross, liegt also der Mittelpunkt jenseits jener Parallelebene, so wird
durch die Bewegung der Scheerblätter ein Zug gegen das Blech aus-
geübt und der Rand fällt unsauber ans. Um nun demzufolge den durch
die Spitze s gegebenen Mittelpunkt genau einstellen zu können, ist das
Prisma H in der Horizontalebene drehbar und wird erst durch das An-
ziehen der in der Abbildung erkennbaren Befestigungsmutter in der
gegebenen Stellung festgehalten, wobei ein auf dem Ansatzbunde des
Prismas angebrachter Zeiger und zwei Kömerpunkte am Gestelle als
Merkmale dienen.
Wenn gerade Streifen geschnitten werden sollen, wird der Bügel B
zurückgeführt und das auf einem Querstabe o verstellbare Lineal x als
Führung (Anlage) für das Blech benutzt.
Wenn man auf zwei horizontalen, entgegengesetzt gedrehten Wellen
eine Anzahl grösserer Schneidscheiben , von denen je zwei und zwei be-
nachbarte durch eine kleinere Mittelscheibe getrennt sind, so anbringt,
dass die obere und untere mit einem gleichen üeberstande wie bei einer
gewöhnlichen Kreisscheere in einander greifen, so ifit man damit im
Stande, einen Streifen von der Breite sämmtlicher Scheiben in so viele
einzelne Streifen zu zerschneiden als Scheerblätter vorhanden sind. Man
nennt diese Vorrichtung, welche in den Figuren 453 und 454 abgebildet
ist, Schneidwerk oder Eisenspaltwerk und benutzt dasselbe zur
Darstellung der feinsten Sorten Quadrateisen vermittelst Zerschneidens
von Flachstäben. Die Wellen ah und cd des Schneidwerks sind in star-
ken gusseisernen Ständern gelagert, auf denselben sind die in einander
greifenden Scheiben aufgeschoben und durch einen Keil und Nuth mit
der Welle verbunden. Zwei Paar starke gusseiseme Ringe, von denen
je einer auf der Welle festsitzt, während der andere durch Schrauben
mit ihm verbunden ist, sichern die fest« Lage der Schneidscheiben« Die
Schneidwerke. 583
Scheiben sind ans Schmiedeeiseii mit Terstahlteo RAndern gefertigt; da
sie mit beiden Kanten schneiden müssen, bt eine Zuschärfnog des Ran-
ng. 453,
Fig. tu.
des nicht möglich. Tor and hinter den Schneiden befinden sich Tische,
/and g, mit ZniUhnuig ftlr den einzubringenden Stab, zwischen den
Scheiben sind Abstreifmeissal t>0| (Brillen) angebracht, nm das Aufwickeln
der heranskommenden Streifen um die kleinen Zwischenscbeiben zn rer-
hindem.
Die Anwendung solcher Sobnaidwerke ist ftlter als die der Wala-
werke, und man benutzt« dieselben früher zur Darstellung feinen Qua-
drateisens aus geschmiedeten Stäben. Seit EinfQhruug der Walzwerke
verbindet man die — übrigens nicht gerade häufig angewendeten — Schneid-
werke durch KupplungBspindeln mit dem Walzwerke, welches die als Ma-
terialeisen für das Schneidwerk dienenden Flachstftbe liefert, so dass die Be-
wegung Ton jenem ohne Weiteres auf das Schneidwerk übertragen wird,
nnd zerschneidet die gewalzten Stftbe sofort nach ihrer Vollendong im roth-
glühenden Zustande. Selbstveretändlich ist die Breite jedes geschnittenen
StreifeuB durch die Dicke der Scheiben gegeben und für jede Sorte fertigen
Sobneideisens ist deshalb eine eigene Qamitar Scheiben erforderlich. Der
Durchmesser der Schneidsoheiben für feines Quadrateisen pflegt durch-
schnittlich 360 Mm. zu betragen, Anzahl der Umgänge per Minute 50
bis 60. Zum Betriebe sbd noch Uaner 10 bis 12 Pferdekräfte erfor-
derlich, eine Angabe, welche etwas hoch gegriffen erscheint, wenn man
584 Trennungsarbeiten.
erwägt, dasB das Eisen nur im glühenden Zustande, also mit geringer
Abscheerungsfestigkeit, gesohnitten wird.
b. Geräthe zum Lochen (Durchstossen).
Man nennt die Arbeit des Abscheerens Lochen, wenn dabei eine
geschlossene Figur durch eine entsprechende Gestalt der Schneiden —
also nicht durch allinäliges Vorrücken des Arbeitsstücks oder der Schnei-
den wie bei der Ereisscheere , welche gleichfalls geschlossene Figuren
aaszuschneiden fähig ist — ausgestossen wird; und zwar kommt, ab-
weichend von den Scheeren, die Schneide fast immer auf ihrer ganzen
Ausdehnung mit einem Male zum Angriffe. Hoyer nennt bezeichnend
ein Lochw^rkzeug eine in sich zurückkehrende Scheere, bei welcher das
eine Blatt an dem andern so hinstreifb, dass sie sich umhüllen. Das
eine Blatt verwandelt sich dadurch in einen prismatischen Stempel, nach
seiner Grösse und Bestimmung Durchschlag, Lochstempel, Schneid-
stempel, Mönch genannt, das andere in eine mit Loch versehene Scheibe,
welche Lochscheibe, Lochring, Matrize genannt wird. Hierbei wird
also ein Metallstück ausgestossen , dessen Umrisse denen des Lochstempels
beziehentlich Lochs der Lochscheibe gleich sind (nach Maassgabe der auf
S. 557 erläuterten Vorgänge und Veränderungen). Der Zweck dieser
Arbeit kann ein zweifach verschiedener sein: entweder die Herstellung
des herausgeschlagenen Stücks, wobei die zurückbleibenden durchlochten
Metallstücke Abfälle bilden und Schroten genannt werden; oder die
Herstellung von entsprechend geformten Löchern in dem vollen Metalle, wo-
bei die herausgeschlagenen Stückchen, welche man in diesem Falle Patzen
nennt, den Abfall bilden. Um in dem letztern Falle die richtige Stellung
des Lochs festzulegen, pflegt man den Mittelpunkt desselben zuvor mit
dem Körner anzuzeichnen; und bei Stempeln von beträchtlichem Quer*
schnitte bringt man wohl in der Mitte der untern Fläche eine kleine
Spitze an, welche nun genau in dem Kömerpunkte einsetzen muss.
Damit das ausgeschlagene Stück leichter durch die Lochscheibe hin-
durchfalle, erweitert man gern den Durchmesser des Lochs derselben
etwas nach unten, wodurch es alsq eine conische Form erhält, und be-
wirkt ausserdem dadurch eine Zuschärfung der Schneidkante, welche
das Lostrennen erleichtert. Aus demselben Grunde empfiehlt es sich,
auch dem Stempel eine schlank conische Form zu ertheilen. Seltener
erhält die Schneidkante des Stempels durch Aushöhlung der untern
Fläche eine Zuschärfung. Dass in Rücksicht auf die vorgehenden Aende*
rangen im Materialquerschnitte es zweckmässig sei, dem Stempel einen
um ein bestimmtes Maass kleinern Durchmesser zu geben als dem Loche,
wurde schon oben (S. 557) durch theoretische Beweisführung erörtert.
Des Durchschlags und Lochrings, wie ihn der Schmied gebrauch^
um in geschmiedeten Metallstücken Löcher anzubringen, während die-
selben noch glühend sind, wurde bereits bei Besprechung des Schmiedens
Lochmaschinen. 585
gedacht. Ganz ähnliche Werkzeuge werden gebraucht, um in kaltem
Metalle von geringer Starke Locher durch Ausschlagen hervorzubringen,
und man nennt sie zum Unterschiede von jenen Bankdurchschläge.
Ein Stahlstäbchen, nach dem einen Ende schwach conisch zulaufend,
dieses Ende flach geschlififen, entsprechend profilirt und gehärtet; dazu
eine im Schraubstocke befestigte Lochscheibe bilden das ganze Ge-
räth. Das Hindui'chtreiben des Durchschlags erfolgt auch hier durch
einen Schlag mit dem Hammer. Für sehr dünnes Metall und kleine
Locher lässt sich die Lochscheibe sogar durch eine Unterlage aus Blei,
Zinn oder Holz entbehrlich machen, welche durch den ausgeübten Schlag
oder Druck einen jedesmaligen Eindruck, eine Vertiefung erhält und
somit die Lochscheibe ersetzt.
Durch regelmässige Gruppirung mehrerer Löcher von bestimmter
Form lassen sich in Metallblecben auch grössere durchbrochene Muster
in dieser einfachen Weise herstellen.
Geschieht die Bewegung und Führung des Stempels nicht unmittel-
bar durch Handarbeit, sondern durch eine Maschine (welche allerdings
in vielen Fällen ihren Antrieb durch menschliche Arbeit erhält), so heisst
der Apparat Lochwerk, Lochmaschine, Durchstoss oder Durch-
schnitt. Zum Durchlochen dickerer Bleche ist dieselbe unenthehrlich,
und überall da der Handarbeit weit vorzuziehen , wo, auch bei Verarbei-
tung dünnerer Bleche, eine Anfertigung in grossem Maassstabe statt-
findet.
Die Form des Lochstempels und Lochringes ist bei diesen Maschinen
im Wesentlichen die nämliche wie vorhin beschrieben; die Mechanismen,
durch welche die durch Menschenkrafb oder Elementarkraft geleistete
Arbeit auf den Stempel übertragen wird, sind zahlreich. Häufig, und
zwar fast stets bei den grösseren Durchschnitten, wird die ununter-
brochen geleistete Arbeit in einem Schwungrade aufgespeichert, und
dann im Augenblicke des Durchstossens zur Ueberwindung des Abschee-
rungs Widerstandes verbraucht; in diesem Falle ist eine Einrichtung er-
forderlich, welche eine augenblickliche Ein- und Ausrückung derStempel-
beweguQg gestattet, ohne die Bewegung der ganzen Maschine ändern
zu müssen, also im Wesentlichen mit deijenigenAusrüokungsvorrichtung
übereinstimmend, welche bei Besprechung der Parallelscheeren beschrie-
ben wurde.
Bei Anwendung menschlicher Elrait zieht man es im Allgemeinen
vor, durch eine rasche, stossartige Wirkung des Stempels das Durch-
stossen auszuführen, bei dem Betriebe durch Elementarkraft dagegen,
wo eine stärkere Betriebskraft zu Gebote steht , empfiehlt sich mehr eine
langsame, drückende Bewegung, wodurch die Maschine weniger leicht
Beschädigungen ausgesetzt ist.
Für den erstem Fall findet die Schraube zur Erzeugung der Stem-
pelbewegung vielfache Anwendung. Man benutzt eine starke Schrauben-
spindel mit zweifachem Gewinde von solcher Steigung, dass ein Viertel
58fl TrennongsarbeiteiL
bia ein Drittel eiDer Umdrehung zun DarchstosBen ausreicht. Ein atsr-
ker gaweiserner Ständer, entweder rahmenformig wie ein W«lzw«rk»-
Ständer oder einarmig, F-ßrmig, tragt in dem obem Qaeratege die
Schraubenmutter, an den leakreehten Seiten die Pährnngen &a einen
mit der Schraube verbundenen Schieber oder Rahmen , in welchem der
IiOchBt«mpel, and nnter welchem im Fasse des Ständers die Locbsoheibe
befestigt ist. Die Drebnng der Schraube erfolgt dnrch einen Hebel mit
Schwanggewichten.
In Fig. 45ö ist eine derartige kleinere Maschine aus der Fabrik
von £. Kircheis in Aue abgebildet A ist der gnsseiseme Ständer, anf
einem stark gebauten Tische festgeschraubt. Zwischen den beiden pris-
¥ig. 455.
matischen Fühnmgen m m desselben gleitet ein Rahmenstück, bestehend
ans den seukrecbten Prismen bb, dem obem QuerstUcke g, welohes deo
Hals der Bewegangsschranbe h umechliesst, und dem untern Querstücke
d. Da die Schraube h sich innerhalb d und g &ei drehen, aber nicht ver-
schieben kann, so ist der Rahmen gezwungen, jede geradlinige Bewegung
der Schraube in der Acbsenricbtong mitzumachen. Diese senkrechte Be-
wegung wird durch Drehung der Schraub enspindel in einer festliegenden
Schraubenmutter aus Rothguss hervorgerufen, welche in der am Ständer
angegossenen und zwischen die beiden Prismen des RahmenstOcks hin*
«nragenden starken Hülse e befestigt ist. In solchsr Weise ist eine in
hohem Grade sichere Bewegung des Rahmens und Lochstempels erreicht.
Letzterer wird durch die Klemmschraube/ in dem Stempelkopfe s fest-
LochmaBchinen.
587
gehalten, welcher, am Stempel yon yerschiedener Grösse anwenden zu
können, auswechselbar in dem Qaerstücke d eingesetzt ist. In dem
Fnsse des Ständers sind die vier Knaggen verstellbar befestigt, am in der
leicht verständlichen Art and Weise zor Befestigung der Loohscheibe zu
dienen. Die ausgestossenen Putzen fallen durch die Oeffnung im Fasse
und der Tischplatte hindurch in den Schubkasten des Arbeitstischs.
Bei einiger Uebung ist man leicht im Stande, 60 Durchschnitte per
Minute mit einer solchen Maschine auszufUhren.
Eine häufige Anwendung fär die Bewegung des Lochstempels findet
aach der Hebel als Kniehebel wie als gerader ein- und zweiarmiger
Hebel. Die Einrichtung eines solchen Durchschnitts für Handbetrieb,
zugleich verbunden mit einer kleinen Parallelscheere , beide durch einar-
mige Hebel bewegt, ist durch die Skizze Fig. 456 veranschaulicht 0.
Fig. 456.
a ist ein cylindrischer Schieber, in dessen unterm Ende der Stempel be-
festigt ist, h ein Schieber mit dem beweglichen Scheerenblatte; beide
sind in dem Gestelle c geführt und jeder durch eine Schelle d e und ein
Gelenk mit einem einarmigen Hebel fg verbunden, deren jeder durch
ein Zahnradsegment hi mit einem auf der Achse k sitzenden Getriebe
im Eingriffe steht. Durch einen auf die Achse Je aufgesteckten Hand-
hebel von angemessener Länge, welcher durch ein Gewicht m ausbalan-
drt ist, wird das Getriebe bewegt, und je nachdem der Arbeiter den
Durchschnitt oder die Scheere in Benutzung nehmen will, steckt er den
Hebel an der einen oder andern Se^te auf.
Auch fär Maschinenbetrieb ist die Benutzung des doppelarmigen
Hebels als Durchstoss nicht selten, obgleich derselbe fiir grössere Lei-
1) Amtlicher Bericht über die Wiener Weltausstellung, Bd. H, 8. 73 (Hart ig).
588 Trennungsarbeiten.
stnngen erheblichen Platz beanspracht; dagegen besitzt er den Vortheil
geringer ReibungsTerloste , und somit günstiger Ausnutzung der Ar-
beit; und durch eine entsprechende Form des hebenden Excenters oder
Daumens ist man im Stande, die Maschine mit beschleunigtem Rück-
gange arbeiten zu lassen. Der Hebel dieser Maschinen einfacherer Art
ist in seiner äussern Form dem in Fig. 446 abgebildeten Scheerenhebel
ähnlich, das Yerhältniss der Hebelarmlängen aber grösser, und das Ge-
rüst mit einer Führung für den durch den kürzern Hebelarm bewegten
Lochstempel versehen. Die Bewegung des langen Hebelarms pflegt zur
EIrzielung eines beschleunigten Rückgangs durch ein herzförmiges Excen-
ter bewirkt zu werden ^).
Für grosse Leistungen findet man auch die hydraulische Presse zur
Bewegung des Lochstempels in Anwendung. Ein solcher hydraulischer
Durchschnitt, aus der Fabrik von M. Hasse u. Comp, in Berlin, ist in
Fig. 457 abgebildet. Von einer Dampfmaschine oder Transmission aus
wird die Bewegung durch die eine der beiden Riemenscheiben (deren
zweite als Losscheibe für längere Ausrückung benutzt wird) auf die
horizontale Welle und von hier durch Kurbel und Schubstange auf die
Saug- und Druckpumpe h übertragen, welche ihr Wasser unmittelbar
aus dem Wasserbehälter a — der zugleich als Untersatz der Maschine
dient — entnimmt. Ein Sicherheitsventil mit Federbelastung c dient
zur Regulirung des Drucks. Bei geöffnetem Sicherheitsventile fliesst
das Wasser durch das Rohr x nach a zurück. Von der Pumpe wird
das Wasser zunächst durch das gebogene Rohr nach dem mit entlaste-
tem Steuerungsventile versehenen Steuerungscylinder h gedrückt, wel-
cher durch das Rohr v mit dem Controlmanometer g in Verbindung
steht. Ein Handhebel i dient zur Bewegung des Steuer ungsventils ver-
mittelst der horizontalen Steuerungswelle und einer an dieser befind-
lichen kleinen Kurbel mit Schubstange, welche an die Yentilstange an-
geschlossen ist. Der Steuerungscylinder h ist mit dem Druckcylinder d
durch ein kurzes Rohr mit Flantsch verbunden. So lange das Steue-
rungsventil geöffnet erhalten wird, fliesst das Wasser durch das unter-
halb des Steuerungscy linders befindliche Rohr in den Behälter a zurück;
schliesst man nun das Ventil , so tritt das Wasser in den Druckcylinder
d unter den Kolben und dieser steigt. Auf dem Kolben ist die stählerne
Lochscheibe e auf einem durchbrochenen gusseissemen Untersatze der-
artig befestigt, dass die ausgeschnittenen Stücke ohne Schwierigkeit unter-
halb derselben entfernt werden können ; oberhalb der Lochscheibe in ihrer
verlängerten Achsenrichtung befindet sich der Stempel / an den Stander
befestigt. Diese Abweichung von der sonst üblichen Methode, bei wel-
^) Abbildungen von Hebeldurchschuitten mit Maschinenbetrieb in Petz-
hol dt, Eisenbahnmaterial, Taf. XV I, Fig. 1 bis 4; ferner Wencelides, Be-
richt über die Weltausstellung in Philadelphia, B. 91 ff.
DurchstosB. 589
cber die Bewegung durch den Stempel aiiBgefQhrt wird nnd die Loch-
Bcheibe raht, ist lediglich ans conatmctiTen RflckBiohten hervor-
gegangen. Nach beendigtem Schnitte wird das StenornngBrentU ge-
Sfinet, der Kolben sinkt in Folge seines eigenen Gewichts nnd drOckt
Fig. 457.
das Wasser ans dem Dmckcylinder durch den St^nernngacylinder in den
Behälter a znrück. Um das Niedergehen des Kolbens der Stärke der
ZD durchstossenden Bleche entsprechend za begrenzen, legt man ein
eieemea Band um denselben, welches nach Bedflr&iss höher oder tiefer
gestellt werden kann.
Diese Presse liefert einen Maximaldruck von 60 000 Kilogramm nnd
wird znm Änastossen der mannigfachsten Gegenstände aas Blechen he-
natzt. Starke Bleche werden im glühenden Zustande dnrchstoBsen , nnd
590 Treonungsarbeiten.
pro Stande können , wenn du Einlegen der Bleche ruoh genng folgt,
bis in 150 Darchsolmitte gemacht werden. Durch die geringe rftnmliche
Ausdelinnng, leichte Anfatelliing nnd Fondamentimng bei grosser Lei-
stung zeichnet tdch diese Presse Tortheilhaft aus.
Bei der Aebnlichkeit, welche die Stempelbewegnng einer EK>ch-
maschine mit der Bewegnng einer Parallelscheere besitzt, sind auch die
für letztere angewendeten Bewegungamechanismen , insbesondere die
Oebertragung der Bewegung durch Kurbel (Excenter) nnd Drackstange
auf das Werkzeug, vielfach fSr jene in Anwendung und zeichnen sich
durch geringe Ranminansprachnahme und leichten Anschlnss an eine
vorhandene Transmission ans, während allerdings ihr Arbeitsverlnst durch
Reibung denjenigen der Hebeldnrchschnitte übertreffen dürfte. Wegen
jener Vorzüge jedoch sind die Darchschnitte dieser Art in fast jeder grossem
Maschinenfabrik znm Lochen von Blechen und Stäben zu finden; nnd
nicht selten ist die Einrichtung, dass man znr Raum- und Materialerspa-
rung Ähnlich wie bei der in Fig. 456 abgebildeten kleinen Maschine für
Fig. 45S.
DurchstosB. 591
Handbetrieb anoh einen groasen DmchBtOBe and Scbeere in einem ge-
mein BchafUichen Gerüste mit gemeinsobafüichem Antriebe vereinigt
Einen soloben DnrchstOBs nnd Scbeere mit gemeinacbafElicbeni Hohl-
gossgeetelle ans der Maschinenfabrik ron Collet nnd Engelhard in
Offenbach zeigen die Abbildungen Fig 456 bis 461 '). Die Scbeere
befindet sich anf der einen, der DnrcbBtoas anf der andern Seite dea in
einem Stftcke gegoBsenen GestelU a. Die SchneideD der Scheere stehen
Bchrig gegen die Acbsenricbtnng der Arbeitswelle imd der Geetellwan-
dnngen , wodnrch es möglich wird , ancb lange Schienen und Stangen zu
zerschneiden. Hinter den Werkzeugen befinden sich tiefe und durch
Rippen gut verstärkte EinkrSpfungen b nnd &i , welche ein entsprechend
weites Einbringen der zu Bchn eidenden oder za lochenden Bleche er-
möglichen. Der Antrieb geschieht von der im Gestelle gelagerten Welle
d ans , welche die zwei Riemenscheiben //i , die Schwungräder g gi and
das kleine Getriebe h trügt, von welchem aus durch eine einfache Ueber-
setzung die Arbeitswelle e betrieben wird. Letztere robt in Lagern der
Fig. 459. Fig. 460. Fig. 461.
Tbeile c and Cj, nnd endigt in den beiden excentrischen Zapfen Ci and e^
(Fig. 469, 460, 461), von denen der erste den Darchstoss, der zweite
die Scheere bewegt. Beide Zapfen Bind so gegen einander angeordnet, dasB,
während das eine Werkzeug arbeitend niedergeht, das andere leer empor-
steigt. Der Lochstempel n ist vermittelst einer Klemmschranbe in dem
Rahmen oder Schlitten m befestigt, welcher auf der senkrechten Bahn c
und Ewisohen zwei senkrechten Führungsleisten anf und nieder geht.
Dieser Rahmen ist mit einer rechteckigen Aussparung (Schleife) ver-
sehen (vergl. Fig. 460), in welcher das auf dem Zapfen e^ befestigte
Gleitstück k den nötbigen Spielraum fttr die seitliche Bewegung findet,
während unterhalb k durch ein eingeschobenes Beilagestück l eine enge
Verbindung mit dem Schlitten m hergestellt ist, so dass letzterer sammt
dem Lochstempel von dem sich im Kreise bewegenden Zapfen «i anf
>) Hart, WerkzeuKnuucbiaen, 2. AtLOnge Tat. 62,
592 Trennungsarbeiten.
und nieder bewegt wird. Soll Anarflckang des Lochstempels stattfinden,
so wird vermittelst des Handgriffs 7i d«s Stück l so weit herausgezogen,
dass das Gleitstück h auch Spielraum für die senkrechte Bewegung des
Schlittens innerhalb m erhält. Eine Gewichtsansgleichnng des letztem,
wie sie bei grossen ParaUelscheeren zum Emporhalten in der höchsten
Stellung sich erforderlich macht, ist bei dem geringem Gewichte dieses
Schlittens nicht erforderlich, und die Reibung an den Führungen reicht
ans, ein selbstthätiges Niedergehen vor beendigtem Umgange des Excen-
ters zu verhindern.
Der unter dem Stempel befindliche Lochring o steht auf dem mit
senkrechter Bohrung versehenen Vorsprunge des Gestells und wird durch
drei radial gerichtete Stellschrauben Oi centrirt und gehalten. Endlich
dient die Gabel (Froschplatte) rii dazu, ein Emporziehen der durchloch-
ten Bleche durch den zurückgehenden Stempel unmöglich zu machen.
Der BewegungsmechaDismus für die Scheere hat dieselbe Einrichtung
wie der soeben beschriebene für den Lochapparat und ist in Fig. 460
im senkrechten Durchschnitte abgebildet
Die beiden Werkzeuge der vorstehend beschriebenen Maschine be-
sitzen einen Hub von 40 Mm., die grösste Dicke der zu schneidenden
Bleche beträgt 20 Mm., die Breite der Scheere (Länge der Scheerblätter)
230 Mm., die Anzahl der Hübe per Minute 13.
Nach Hartig's Ermittelungen über den Arbeitsverbranch bei
Werkzeugmaschinen lässt sich für Durchschnitte der totale Arbeitever-
brauch nach der Formel:
N = No + SJl F .a Pferdestärken
berechnen, worin:
^0 der Arbeitsverbrauch der Maschine im Leergange (zur Ueber-
windung der Keibungswiderstände);
JP die stündliche Schnittfläche in Quadratmetern;
a eine Ziffer bedeutet, welche aus der sogleich folgenden Tabelle
zu entnehmen ist und den Arbeitsverbrauch pro 1 Qnadratmilli-
meter Schnittfläche in Meterkilogrammen angiebt. Es beträgt
erfahrungsmässig
für eine grösste Blechdicke
von 10
der Arbeitsverbrauch iVo im
Leergange 0,16
der Arbeitsverbrauch pro
1 Quadratmillimeter
Schnittfläche a . . . . 0,395
die zweckmässigste Anzahl
der Schnitte per Minute 10
20
30
40 Mm.
0,32
0,55
0,82Pfdai
0,540
0,685
0,830
9,2
8,3
7,5
Durchstoss. 69S
Wenn z. B. bei einem Bleche von 10 Mm. St&rke stündlich 0,5 Qm.
Schnittfläche ansgestossen werden, so berechnet sich der gesammte Ar-
beitsverbraach zn: '
^'rr: 0,16 + 3,71 . 0,395 . 0,5 = 0,9 Pferdestärken.
Die Anwendung der Dnrohschnitte oder Lochmaschinen ist eine
ungemein häufige. Zum Lochen, d. h. fGLr Herstellung von Löchern in
Gegenständen, wobei der ausgestossene Putzen Abfall ist, dienen sie in
den Dampf kesselfabriken , in den Schienenwalzwerken zum Lochen der
Schienen , in jeder Maschinenfabrik bei den verschiedenartigsten Gegen-
ständen aus schmiedbarem Eisen, Messing, Kupfer; in den Klempner-
werkstätten bei Anfertigung durchbrochener Arbeiten in mannigfachen
Mustern; zum Ausstossen von plattenfSrmigen Körpern mit bestimmten
umrissen dienen sie beispielsweise bei der Darstellung verschiedener
Gegenstände für Eisenbahnzwecke (Schienenlaschen u. dergl.), von Mün-
zen, von Stahlschreibfedem, von Blechlöffeln, von Uhrzeigern, von Messer-
and Scheerenklingen , von Schlosstheilen , von Metallknöpfen, zum Aus-
schneiden der Zähne an Sägen, und in sehr vielen anderen Fällen.
Für solche besondere Zwecke sind oft die Durchschnitte mit noch
besonderen Einrichtungen versehen, welche die Arbeit fordern helfen,
indem sie z. B. die Metallplatten, aus denen die betreffenden Gegenstände
ansgestossen werden sollen, nach jedem Schnitte selbstthätig um so viel
vorschieben, als erforderlich ist, um einen neuen Schnitt auszuführen ^);
oder indem man mehrere Stempel neben einander wirken lässt, um die
Arbeit zu beschleunigen , u. dergl. Häufig sollen auch die ausgestosse-
nen Arbeitsstücke noch Oeffnungen erhalten; welche wieder durch Lochen
hergestellt werden müssen. Zur Ersparung an Arbeit und zur grossem
(renauigkeit lässt man hierbei wohl einen Stempel, welcher das innere
Loch ausstösst, in dem andern gehen, so beim Ausstossen von sechs-
eckigen Schraubenmuttern mit rundem Loche, von Blechknöpfen mit
Löchern, von Gliedern zu Uhrketten u. s. w.
Literatur über Scheeren und Lochmaschinen.
Ausser den oben (Seite 569) angeführten grösseren Werken über
Werkzeugmaschinen:
V. Haner, Hüttenwesensmaschinen, 2. Auflage, S.576 bis 592 (Scheeren).
Mittheilungen des Hannoverschen Gewerbevereins, Jahrgang 1862, S. 137
(Hebelscheeren).
^) Dieser Vorschub kann z. B. durch ein neben der Matrize stehendes
Paar kleiner Walzen ausgefülirt werden, welche das unter dem Stempel her-
vorkommende Ende des Arbeitsstücks erfasst, und durch ein Schaltwerk bei
jedem Stempelaufgange um so viel gedreht wird, als erforderlich ist, um das
Arbeitsstück für den folgenden Schnitt in die richtige Lage zu bringen,
liedebnr, medumifch-iiieteUnTgiMhe Tsehnologle. 3Q
594 Trennungsarbeiten.
Dingler, Polytechnisclies Journal, Bd. 186, S. 117, Bd. 197, S. 398,
Bd. 204, S. 20, Bd. 207, S. 451 (Looh- und Scheermaschinen).
Wiebe, Skizzenbnch, Jahrg. 1873, Heft 2, Jahrg. 1869, Heft 5 (Loch-
und Scheermaschinen).
Zeichnungen der Hütte, Jahrg. 1858, Bt. 19, Jahrg. 1861, Bt. 6, Jahr-
gang 1861, Bt. 18k, Jahrg. 1864, Bt. 21, Jahrg. 1865, Bt. 23ab,
Jahrg. 1872, Bt. 6 (Scheeren). Jahrg. 1862, Bt. 12 ab, Jahrg.
1868, Bt. 32 b (Lochmaschinen).
Zeitschrift deutscher Ingenieure, Jahrg. 1862, S. 589, Jahrg. 1867, S. 9.
Engineering, Jahrg. 1871, S. 399; daraus im Polytechnischen Central-
blatt 1872, 8. 227.
Deutsche Industriezeitung, Jahrg. 1865, Nr. 18.
Rittinger, Erfahrungen, Jahrg. 1865, S. 13.
B. Geräthe zum Sohneiden.
a. Meissel und Grabstichel.
Ein vierkantiges Stück Stahl, der bessern Handhabung halber mit
gebrochenen Kanten, an einem Ende keilförmig unter einem Winkel tod
15 bis 30 Grad ausgeschmiedet und in eine unter einem Winkel von 45
bis 70 Grad angeschliffene Schneide endigend, bildet den gewöhnlichen
Meissel. Ist derselbe durch den Gebrauch stumpf geworden, werden
die Schneidflächen von Neuem angeschliffen; und wenn man durch öfter
wiederholtes Anschleifen zu weit in den starkem Theil kommt, die
Schneidflächen also zu lang werden, wodurch das Abfliessen des Spans
behindert ist, so wird der Meissel von Neuem schlank ausgeschmiedet
Nach jedem Schmieden wird der Meissel an der Schneide gebartet
und, der Härte des zu bearbeitenden Materials entsprechend, gelb bis
blau angelassen. Der der Schneide entgegengesetzte Theil des Meiasels,
der Kopf, bleibt ungehärtet.
Die gröbste Form des Meissels wird durch den früher (Seite 457)
beschriebenen Schrotmeissel mit Abschrot gebildet.
Die bei der Vollendung der Form gebräuchlichen Meissel, welche
man zum Unterschiede von jenen Bank- oder Kaltmeissel nennt,
werden ohne Stiel mit der linken Hand schräg gegen die zu bearbeitende
Metallfläche aufgesetzt und mit Hammerschlägen, durch die rechte Hand
ausgeführt, vorwärts getrieben, dabei Späne vom Metalle ablosend. Han-
delt es sich hierbei darum, mit wenigen Schlägen eine tief einschneidende
Wirkung hervorzubringen — eine Arbeit, welche wir früher als „Schrop-
pen^ bezeichnet haben — , so wendet man einen Meissel mit schmaler
Schneide an, bei dem also die Wucht jedes Schlages auf eine geringere
Spanbreite concentrirt ist und somit eine grössere Spandicke zur Folge
hat. Ein solcher Meissel wird hergestellt, indem man einen rechteckigen
Meissel, Grabstichel.
595
oder entspreohend aosgeBcbmiedeteu qnadratischen Stahl von den Bchma-
len Seiten her znsch&rft, Fig. 462, so dasa also die Schnei dkante normal
gegen die breite Seite gerichtet ist, nnd man nennt den MeisBel der eich
kreuzenden Richtung von Schneidkante und breiter Seite halber Krens-
meiasel, Derielhe findet yielbohe Anwendung znm Atuhauen von
Nntben, Furchen, Loatrenuen einzelner Stücke vom Ganzen n. a. w.
Wenn dagegen die Aufgabe vorliegt, von einer . groesen Fläche
Späne von geringerer Dicke abzunehmen — eine Arbeit, dem frflher be-
Fig. 462. ■pig, 4S3. aprochenen Schlichten ähnlich — , ao
eignet sich daza beaaer ein Meiaael
mit breiter Schneide, Fig. 463, wel-
eher dnrch Zuschärfen der breiten
Seiten einea rechteckigen Stabes ge-
bildet wird. Dieser Meiasel heisat
Flaohmeisael and findet die mannig-
fachate Verwendung bei der Vollm-
dong der Oberfläche gegoaaener, ge-
Bchmiedeter oder gepreaster Metall-
gegenstände, ZOT EDtfemiuig stehen
gebliebener Qrate oder nnabsichtlich
entstandener Unebenheiten, znr Be-
richtigung TOD QuerBchnittsabmesaungen, welche bei der rohen Formgebung
nicht in höchster Genauigkeit herznatellen nnd deshalb absichtlich etwas
zu reichlich hergestellt waren (in welchem Falle der Meissel die rascher
arbeitenden aber kostspieligeren Werkzeugmaschinen ersetzt), und in vie-
len anderen F^en.
Die flblichste Länge der Meissel ist 100 bis 250 Mm., ihre Stärke
und Breite 6 bis 40 Mm., die Breit« der Schneiden bei Krenzmeisseln oft
nicht mehr als 2 Mm.
Seltener als jene Meissel mit geradlinigen Schneidkanten nnd nur
für ganz bestimmte Zwecke werden Meissel mit bogenförmig ausgehöhl-
ten Schneiden angewendet
Wenn der Meissel statt durch Hammerschläge sicherer aber weniger
kräftig allein durch den Druck der Hand bewegt wird, so heisat er Grab-
stichel (Fig. 464). Er ist kleiner als der gewöhnliche Meiasel und
am Kopfe znr bequemem
Fig. 464.
•X3
Handhabung mit einem
hölzernen Hefte versehen.
Da die Schneide des Grab-
stichels in mannigfachen
Formen hergestellt werden
mosB, so fertigt man den-
selben ans Stahlstähchen
von dreiseitigem, quadra-
tischem, rundem, trapez-
596 Treimungsarbeiteii.
formigem, rechteckigem oder elliptisobem Querschnitte und bildet die
Schneide durch Anschleifen nach bestimmten Flächen. Die durch das
Anschleifen entstehende schräge Fläche a nennt man Kappe oder Schild
und diejenige Fläche oder Kante b, welche nach unten gerichtet ist und
im Profile der Schneide mit der Kappe zusammen den Schneidwinkel ein-
schliesst, heisst Bahn. Wenn man, wie in der Abbildung, die Schneide
durch Anschleifen eines quadratischen oder trapezförmigen Stäbchens,
bei dem die Bahn durch eine der Kanten gebildet ist, herstellt, so erhält
sie die Form einer durch drei Flächen gebildeten Spitze, und das Werk-
zeug heisst Grabstichel im engern Sinne; wird bei demselben Stäbchen
die Kappe in solcher Richtung angeschliffen, dass die Bahn durch eine
der Flächen gebildet wird, so erhält man eine geradlinige Schneide
(Flachstichel}; aus Rund- und elliptischen Stäbchen entstehen bogenför-
mige Schneiden u. s. f.
Die Länge der Grabstichel pflegt 80 bis 100 Mm. ohne das Heft,
ihre Stärke 2 bis 6 Mm. zu betragen. Die Schneide wird wie bei
Meissein gehärtet und angelassen.
Man benutzt die Grabstichel in allen Fallen, wo kleine Metalltheil-
chen weggenommen werden sollen, denen mit gröberen Werkzeugen nicht
beizukommen ist, immer also für die letzte Vollendung der Form. So in
den Werkstätten der Kupferstecher, beim Grayiren von Zeichnungen,
Inschriften, bei Herstellung von Petschaften, Prägstempeln für Münzen,
beim Nacharbeiten sehr feiner Metallwaaren, die erst dadurch ihre künst-
lerische Vollendung erhalten; u. s. f.
In ihrer Wirkung derjenigen des Meisseis ähnlich sind auch die
bekannten Kneif- oder Beisszangen, sobald sie zum Abtrennen von
Drahtenden u. dergl. gebraucht werden. Man kann sich ihre Schneiden als
zwei gegen einander gerichtete Meissel vorstellen, welche durch doppel-
armige Hebel ihre Bewegung erhalten.
b. Der Hobel und die Hobelmaschinen.
Wenn man ein meisselartiges Werkzeug, welches durch die freie
Hand geführt nur sehr allmälig und in unvollkommener Weise eine vor-
geschriebene Bahn zurücklegt, mit einer Vorrichtung versieht, welche
seine Bewegung sichert und das mit jedem Hammerschlage stossartig
eintretende Vorrücken des Meisseis in ein auf der ganzen Bahn ununter-
brochen thätiges Schneiden in geradliniger Richtung verwandelt, so
erhält man den Begriff des Hobels; und wenn die Bewegung durch eine
Maschine geschieht, der Hobelmaschine.
In den meisten Fällen beruht die Wirkung des Hobels in der Er-
zeugung gerader Flächen; wenn jedoch die Schnittbreite gering ist und
das Arbeitsstück nach jedem Schnitte um eine der Schnittrichtung pa-
rallele Achse um so viel gedreht wird, als die Schnittbreite beträgt, so
Hobelmaschinen. 597
entsteht ein vielseitigeB Prisma, dessen Umfang jedoch bei der geringen
Breite jedes Schnitts als Gylinderfläche betrachtet werden kann.
Während ftlr die Holzbearbeitung der bekannte Handhobel, bei
welchem der Meissel (Hobeleisen genannt) in dem Hobelkasten geführt
ist, ein fast unentbehrliches Werkzeug bildet, ist derselbe für die Metall-
bearbeitung nur äusserst selten in Anwendung, für die Bearbeitung
härterer Metalle sogar unhenutzbar und wird bei diesen durch die Hobel-
maschine ersetzt.
Wie sich schon aus der gegebenen allgemeinen Erklärung des Be-
gi'iffs „Hobelmaschine^ ergeben dürfte, beschreibt bei derselben das
Werkzeug — Meissel, Hobelstahl oder allgemein Stahl genannt — auf
dem Arbeitsstücke eine geradlinige Bahn, indem entweder dieses oder
jenes bewegt wird; und es muss demnach bei Bearbeitung breiterer
Flächen, als die Breite der Schneide beträgt, nach Beendigung jedes
Schnitts eine Zurückfuhrung des bewegten Theils an den Anfangspunkt
der Bahn stattfinden, damit dort nach erfolgter ruckweiser Schaltbewe-
wegung ein zweiter Schnitt neben dem ersten beginnen kann. Diese Zu-
rückführung kann schneidend geschehen, wobei der Stahl eine Drehung
um seine Achse von 180 Grad machen muss, um seine Schneide der ent-
gegengesetzten Bewegungsrichtung entsprechend zu wenden; oder, was
bei Weitem häufiger ist, der RQckgang kann leer stattfinden. In letzterem
Falle ist die Einrichtung eines beschleunigten Rückgangs zweckmässig,
um Zeit zu ersparen.
Nach der verschiedenartigen Ausführung der Haupt- und Schalt-
bewegung theilt man die Hobelmaschinen für Metallbearbeitung in drei
Gattungen ein.
Planhobelmaschinen. Das Arbeitsstück macht die Hauptbewe-
gung, in horizontaler Richtung hin- und zurückgehend, das Werkzeug
macht die Schaltbewegung normal gegen die Hauptbewegung, meistens
gleichfalls in horizontaler Richtung. Es entsteht also in allen Fällen
eine gerade Fläche, wagerecht, senkrecht oder geneigt, je nachdem die
Schaltbewegung die eine oder andere Richtung besitzt.
Durch die Figuren 465 bis 469 (Ys d« w. Gr.) kann die Einrichtung
einer Planhobelmaschine mittlerer Grosse erläutert werden ^).
Das Arbeitsstück wird auf dem „Tische" C| welcher, sofern er, wie
bei den Planhobelmaschinen, beweglich ist, auch „Schlitten" genannt
wird, befestigt. Zur Ermöglichung dieser Befestigung ist der Tisch mit
drei Längsnuthen (deren Querschnitt in Fig. 465 punktirt gezeichnet ist)
versehen, in welche von den beiden an den Enden des Tischs befind»
liehen breiten Quemuthen her die Köpfe senkrecht stehender Schrauben-
bolzen eingeschoben werden können; ausserdem aber sind eine grosse
Anzahl quadratischer oder rechteckiger durchgehender Oefinungen yor-
handen, durch welche man hakenförmig gebogene, über den Rand des
1) Yergl. Hart, Werk^seugmaschinen, Taf. 36.
598 TrenDimgBarbeiteiL
Ärl>eitietückB hinflbergreifeode SchmiedeeUenstAoke hindarcli rteckeii
and mittelst Schraubengewinde und Matter ni)t«rlialb der Tischplatte
ajiziehea kann,
Fig. 4S5.
Flanhobelmascbinen. 599
An der Dnterseite der Tüchplatte befinden sicli zvei angegossene, pa-
rallele, prismatische und sauber abgehobelte Leisten (vergl. Fig. 465), welche
in entsprechend geformten Führungen des unterhalb des Tischs befind-
Fig. 466.
600 Trennongsarbeiten.
liehen rabendes Theils <H der Haaohine gleiten. Dieeer letstere Tbeil
heisat das „Bett" und wird meutens von gnsseiMmen „FfiBien" a O) ge-
bagen, welche bei aehr grosseD Mucbiuen mit etarkem Bette ondTiaciie
auf niedrige B5oke oder Untersätze zusammenschrompfes, damit eine.
für den Arbeiter bequeme Höbe der Tiscboberkante innegehaltea werde.
Die Bevegtmg der abgebildeten Maecbine wird dnrcb den Eingriff
eines doppelten Getriebes k in eine Zahnstange l bewirkt, welche unter-
halb des Tiscbs angeschraubt ifit. Für den Antrieb dient ein Riemen mit
drei Biemen Scheiben ddiäi, von denen die zuletzt genannte in der
Uitte zwischen d und di liegende eine Losscbeibe ist. Die Riemen-
PlanhobelmascliiiieD. 601
■chflibe d und das Getriebe / sitsen feat auf der Welle e (vergL die Figuren
466 nnd 468) , und es wird somit, wenn der Riemen auf d liegt, die Be-
wegung Eunftclut auf/, von hier auf das dahinter liegende Getriebe g
übertragen) dann durch die Welle des Getriebe« g auf du kleinere Ge-
triebe h fortgepflanzt und von k dem grossen Getriebe i mitgetbeilt,
welches auf der Welle des mit der Zahnstange im Eingrifie stehenden
Rades k befindlich ist. Es findet also incl. der letztem BewegungsOber-
tragnng ^ne dreifache Uebersetzung statt; der Tisch mnss sieh hierbei
gegen die Schneide des Werkzeugs, also Torwarts bewegen (in Fig. 466
von links nach rechts); und wenn z.B., wie bei der abgebildet«n Uaachine,
602 TrennimgBarbeiten.
die Ansahl der Zftlme des Getriebes/ = 18
„ Rades y = 36
„ Getriebes fc == 18
„ Rades t ^ 45
ist, so beträgt die Uebersatzang:
/Ä _ 18 ■ 18 _ 1^
fl-t ~ 36 . 45 ~ ö'
Macht nun die Biemeuscheibe 65,7 Umdrehimgen per Hinnt«, eo
machen die Räder t und k -~- = 13,14 Umdrebangen. Ist demnach
der Durchmesser des Getriebes & 138 Mm., so ist dessen Umfangs-
geschwindigkeit im TbeilkreiBe and Bomit die Bewegungagesch windigkeit
des Tiachs beim Vorwärtegange;
13,14 . 3,14 . 188
T- =^ 95 Mm. per Secunde.
60 *^
Die Riemenscheibe c^i ist mit dem Getriebe hi fest verbunden, and
beide drehen sich lose auf der Weite e. Ai aber steht im Eingriffe mit
Fig. .
dem Rade i; nnd
demnach der Riemen auf
dl liegt, BO erfolgt dir
BewegongBübertragoiig
ohne Weiteres darcb A]
and i aof h und die Zahn-
stange l. £s findet also
nnr zweifache Ueber-
setzung statt; die Räder
t, k and der Tisch bew^en
sich demzufolge in ent-
gegengesetzter Richtong
ab wenn der Antrieb
durch die Riemenscheibe
d erfolgt, und zwar ge-
schieht dieser Räckgaog
mit beschleunigter Ge-
schwindigkeit, Denn da das Rad Ai ebenso gross ist als ft, so ist dai
U oberse tzunga verhftltnies :
Ä, __ 18 _2
i ~ 45 "~ B '
mitbin hei 65, 7 Umdrehungen der Riemenscheibe die Umdrehungen der Ridtt
»und Ä = — — — = 26,28 perMinnte, und die Geschwindigkeit des Tiwii:
26,28 . 3,14. 138 ,„. .. _ ,
— : ^ 190 Mm. per Secunde.
60 ^
Die Umsteuernng erfolgt also durch YerBchiebung des RiemMu tod
der Scheibe d auf di- Um dieselbe selbstthätig durch die Haachine sns-
Planhobelmaschinen. 603
fähren zu lassen, befinden sich an einer Seite des Schlittens zwei Knag-
gen, Ton denen der eine m in Fig. 466 ersichtlich ist, während der
zweite, am andern Ende befindliche, durch das davor liegende Gussstück
verdeckt wird. Beide sind an einer Leiste verschiebbar und durch eine
Klemmschraube in jeder beliebigen Stellung , der Länge des beabsichtig-
ten Hubes entsprechend, festzustellen. Zwischen beiden Knaggen in der
Mitte der Bettseite ist der gabelförmige Steuerungshebel n mit dem
Brehungspunkte x befindlich, welcher bei der Bewegung der Maschine
abwechselnd von den beiden Knaggen erfasst und nach links oder rechts
hinübergedrückt wird. Der entgegengesetzte Hebelarm pfianzt nun
durch die Yerbindungsstange fii die Bewegung auf den Winkelhebel o Oi
fort , welcher mit der Biemengabelschiene p verbunden ist. Wenn dem-
nach bei dem Yorwfirtsgange der Maschine der Knaggen m den Hebel
n ergreift, so wird der Riemen auf die Scheibe di geschoben und es er-
folgt Rückgang; bei der nun eintretenden Bewegung des Hebels durch
den zweiten Knaggen rückt der Riemen auf d, und ein neuer Schnitt
beginnt. Die Bewegung der Steuerung wird durch d^n Kipphebel q
mit Gewicht q^ unterstützt, welcher durch die Stange n^ mit dem
Steuerungshebel n verbunden ist. Zum Abstellen der Maschine wird
der Riegel o^ eingelegt, welcher den Hebel o und die Schi^iie p in der
mittleren Stellung, den Riemen demnach auf der Losscheibe d^ festhält.
An beiden Seiten des Betts sind die Ständer bh angeschraubt, oben
durch ein Querstück verbunden und mit diesem zusammen in einem
einzigen Stücke gegossen; zweckmässiger dürfte es in Hinsicht des be-
deutend erleichterten Gusses und der Bearbeitung gewesen sein, jeden
Ständer wie das Querstück für sich zu giessen und durch Verschraubung
zu verbinden, wie es fast immer üblich ist. Die consolartige Form der
Ständer entspricht ihrer Aufgabe, bei dem Vorrücken des Arbeitsstücks
gegen den schneidenden Stahl letzterm eine durchaus sichere, jede
zitternde ^Bewegung verhütende Unterstützung zu geben. Vor den Stän-
dern und in senkrechten Nuthen derselben geführt befindet sich der
wagerechte gusseiseme Balken a, durch zwei Schraubenspindeln ff0u
welche durch Muttergewinde des Balkens hindurchgehen, getragen und
in senkrechter Richtung verstellbar gemacht. Aus Fig. 465 ist leicht
erkennbar, wie die Schraubenspindeln von einer Querwelle w aus mit
zwei Paar Winkelrädern eine gleichzeitige und durchaus gleichmässige
Drehung erhalten, um die wagerechte Lage des Balkens zu sichern und
jedes Ecken und Klemmen bei der Bewegung zu vermeiden. Die Dre-
hung der Welle w und die dadurch erzielte Höhenverstellung des Bal-
kens nebst Werkzeug erfolgt stets von Hand durch Aufstecken einer
Kurbel auf den an einem Ende der Welle angeschmiedeten vierkantigen
Zapfen. Diese Höhenstellung hat den Zweck, den Stahl in einer der
Dicke des auf dem Tische befestigten Arbeitsstücks entsprechenden Höhe
einzustellen und wird in allen FäUen vor dem Beginne der Arbeit be-
werkstelligt, während geringe erforderlich werdende Verschiebungen
604 TrennungsarbeiteiL
des Werkzeugs in anderer, sogleich zn besprechender Weise ansgeföhrt
werden.
Dieser Balken a trägt nun den Apparat, welcher zum Festhalten
wie zur Yerstellung des Stahls dient and welchen man Stichelhalter
oder Snpport nennt. Derselbe ist in Fig. 465 in der vordem Ansicht,
in Fig. 466 in der Seitenansicht, in Fig. 469 in yergrössertem Durch-
schnitte zu ersehen und besteht ans vier einzelnen, selbstständigen Thei*
len. An zwei prismatischen wagerechten Fühmngsleisten des Balkens a
gleitet zunächt der Schlitten /3, mit auszuwechselnden Gleitbacken ver-
sehen. ' An der Rückseite dieses Schlittens befindet sich eine Lasche ßi
mit Muttergewinde, und eine hindurchgehende, in einer Aushöhlung des
Balkens a gelagerte Schranbenspindel v bewirkt durch ihre Drehung die
wagerechte Verschiebung des Schlittens ruckweise nach jedem Hin- und
Rückgange der Maschine.
Auf der vordem sauber bearbeiteten Fläche des Schlittens ist die
Scheibe y befindlich, durch eine Schraube mit versenktem Kopfe auf
jenem festgehalten und um dieselbe wie um einen Zapfen drehbar. Da*
durch ist die Möglichkeit gegeben, das Werkzeug auch in jede beliebige
schräge Stellung zu bringen, und zwei Schrauben, deren Köpfe in kreis-
bogenförmigen Ausschnitten des Schlittens verschiebbar sind (in Figur
469 ist der Durchschnitt dieser Ausschnitte, in Fig. 465 sind die auf der
Scheibe hervortretenden Schraubenmuttern erkennbar), dienen zum Fest-
stellen der Scheibe in der gewünschten Stellung.
In senkrechten Prismenführungen dieser Scheibe gleitet als drittes
Theil des Supports der Schlitten d, in einer rinnenformigen Aushöhlung
seiner Rückseite eine Schraubenmutter tragend, durch welche eine senk-
rechte Schraubenspindel Xi, ia y befestigt und mit dem Handrädchen l
versehen, hindurchgeht. Die Drehung des Handrads bewirkt also Ver-
stellung des Stahls in senkrechter (beziehentlich schräger) Richtung.
Endlich ist das Stichelhäuschen 6 mit zwei wagerechten Zapfen in
d befestigt, derartig, dass es beim leeren Rückgange durch eine schwache
Drehung ein leichtes Heben der Stahlschneide über die Arbeitsfläche ge-
stattet und dadurch ein vorzeitiges Stumpfwerden derselben verhütet,
während es beim Vorwärtsgange sich unten fest gegen d anlegt. Bei
schweren Maschinen wird diese kleine Drehung des Stichelhäuschens nicht
mehr durch die Reibung der Schneide, sondern selbstthätig durch die
Maschine ausgeführt; ein nach oben gerichteter auf dem' Stichelhäuschen
befestigter Hebelarm ist mit einer Kette verbunden, welche mit Hülfe
eines einfachen Steuerungsmechanismus den Hebel zurückzieht, die
Schneide hebt, wenn der Rückgang beginnt, sie fallen lässt, sobald das
Schneiden seinen Anfang nehmen soll.
Die Befestigung des Stahls geschieht durch die beiden in Fig. 469
ersichtlichen Klemmschrauben.
Von den Bewegungen des Supports geschieht bei der abgebildeten
Maschine die wagereohte selbstthätig, die übrigen von Hand. Soll dem-
Planhobelmaschinen. 605
nach die Schaltbewegung nicht, wie es meistens der Fall ist, wagerecht*
sondern senkrecht oder schräg stattfinden (beim Bearbeiten senkrechter
oder schräger Flächen), so mass dieselbe durch jedesmalige Drehung des
Handrads k ausgeftihrt werden. Ausserdem dient aber das erwähnte
Handrad dazu, beim Beginne des Hobelus wagerechter Flächen den Stahl
entsprechend der Dicke des zu nehmenden Spans genau einzustellen,
also sowohl bei dem Beginne der Arbeit überhaupt als auch bei Beginn
einer folgenden Spanschicht.
Der selbstthätige Vorschub des Supports in wagerechter Richtung,
durch Drehung der Schraubenspindel v bewirkt, erfolgt folgendermaassen.
Auf dem Ende der Spindel v ist das Sperrrädchen u befestigt xmd neben
demselben die Schaltscheibe ^ drehbar aufgesteckt. Ein mit letzterer
verbundener doppelter Schalthaken greift in die Zähne des Rades u ein,
dreht dasselbe, wenn die Scheibe ti nach einer Richtung gedreht wird,
und gleitet leer über die Zähne hinweg, wenn die Drehung nach der
entgegengesetzten Richtung erfolgt. In einem bogenförmigen Schlitze
der Scheibe sind zwei Zapfen befestigt, deren oberer yerstellbar ist; und
zwischen denselben, auf der Verlängerung der Spindel v drehbar, be-
findet sich der kleine Schalthebel t, durch dessen Drehung ersichtlicher
Weise auch die Scheibe ti in Mitleidenschaft gezogen wird, sobald er
gegen einen der beiden Zapfen stosst; und je näher diese an einander
gerückt sind, desto grosser wird der Bogen sein, welchen die Scheibe
beschreibt, desto grösser also auch der jedesmalige Vorschub des Werk-
zeugs. Der Hebel t ist durch die Zugstange ^i mit der senkrechten
Stange s, diese aber durch den Winkelhebel qgti und die Stange n^ mit
dem Steuerungshebel H verbunden, so -dass bei jedesmaliger Umsteuerung
der Maschine eine Auf- und Abwärtsbewegung der Stange s, somit abwech-
selnd ein Eingriff des Schalthakens mit einem Vorschübe des Werkzeugs
und ein leeres Zurückgehen eintritt. Ist das Werkzeug am Ende seiner
Querbewegung angelangt, so wird durch Umschlagen des doppelten
Sohalthakens sofort die entgegengesetzte Bewegungsrichtung eingeführt;
ein leeres rasches Zurückführen von Hand kann geschehen, indem man
nach Auslösung des Sohalthakens eine Kurbel auf den am linken Ende
der Schraubenspindel befindlichen Zapfen steckt und nun dreht.
Soll der selbstthätige Vorschub ganz ausser Thätigkeit kommen
(bei Bearbeitung senkrechter oder schräger Flächen), so stellt man den
Support vermittelst zweier an seiner Oberkante befindlichen Klemm-
schrauben auf dem Balken a fest und löst die Klemmschraube in der
kleinen Hülse, welche die Stange Si mit 8 verbindet Letzterer bewegt
sich nun leer auf und ab, und die Schaltung steht still.
Bei grossen Hobelmaschinen pflegt auch die senkrechte Schaltung
selbstthätig durch die Maschine bewirkt zu werden, wie durch die Figuren
470 bis 473, den Support einer solchen grossem Maschine darstellend,
veranschaulicht ist. In dem Balken ff, welcher den Support trägt, ist pa-
rallel mit der für die wagereehte Schaltung bestimmten Schraubenspindel
606 Trennirngsarbeiten.
t eine zweite SclinKibeiiapindel t^ mit dorchgehendeT L&ngsnuth , aber
ohne Scbranbengewinda , gelagert Anf derselben sitzt das Winkelräd-
Fig, 470. <^cii ßi gezwungen die
Drehang der Spindel
mitzumachen und da-
neben auch einer wage-
reohten Verschiebung
des Schlittens v zu fol-
gen. Tor letztem) dtzt,
wie bei dem frfllier be-
schriebenen Sapporte,
die Scheibe u>, drehbar
nm einen starken an*
gegossenen hohlen Zap-
fen. Dnrcb dieHöhlnng
desselben hindurch geht
die Achse zweier Eegel-
rädcben ßi nad y, deren
erateres im Gingriffe mit
ß steht, und welche so-
mit die Drehnag dessel-
ben anf ein viertes Bfid-
chen /] übertragen,
dessen Nabe mit einem
Muttergewinde versehen und welches so in w gelagert ist, dass es sich
drehen, aber nicht verschieben kann. In dem vor der Scheibe w senk-
Fig, 471, recht gefflhrten Schlitten x ist die
Schraubenspindel S gelagert nnd
durch das Rädchen y hindurohge-
fflhrt, so das« durch die Drehung
desselben eine Veretellnng der
Schraube nnd somit anch des Tbeils
X und des Stahls in senkrechter
Richtung erfolgen musa. Die Zn-
rflckf[lhrung des Schlittens x wird
von Hand durch Drehung des Rads
S, ansgeführt. Da die geometrische
Achse der Getriebe ßi und y mit
derjenigen des Drehzapfens der
Platte w zusammenfällt, so k&on die
Spindel S auch in schr&ger Stellung
der Scheibe u> geschaltet werden.
Die Ueb ertragung der selbst-
thütigen Scbaltbewegung auf die Spindel f, ist nun sehr einfach. Die
Figuren 472 und 473 bringen diesen Mechanismos zur Ansobaavng.
Flauhobelmaschinen. 607
An der Stange q, welche bei jeder Umstenening der Uaschine abwech-
selnd auf- and niedergehende Bewegung erh<, wie früher beschrieben
worde, sitzt, mit einer Elemmhülae befestigt, die Zngatange gi and über-
trägt die schwingende Bewegung anf den Schalthebel r, welcher an einer
angegossenen Scheibe den anf das Schaltrad s einwirkenden doppelten
Sobalthaken fi trSgt. s ist mit dem davor liegenden Zahnr&dchen 8|
ans einem Stücke gegossen and Si steht in beständigem Eingriffe mitdem
daraater befindlichen ZahnrSdchen s^. Die Scheibe des Hebels r, die
Räder s und S| stecken gemeinachartlich anf dem Ende der für die senk-
rechte Scbaltang bestimmten Spindel f^ , Sj auf dem Ende der Schrau-
henepindel t nnd durch Klemmschrauben können die Räder anf ihren
Fig. «a.
Spindeln befestigt werden, während sie sich leer aof denselben dre-
hen , wenn die Klemmschraabeo gelöst werden. Je nachdem daher das
eine oder das andere der Rädchen befestigt wird, erfolgt Drehung der
obem oder nptem Spindel. Das Maass der Schaltang lässt sich ver-
äodem, indem man die Stange qi näher oder entfernter vom Drehungs-
panhte des Hebels angreifen l&sat, welcher für diesen Zweck mit einem
langen Schlitze versehen ist.
In dem abgebildeten Supporte ist zwischen dem senkrechten Gleit-
stück» X nad dem StichelhäuscheD s noch ein gleichfalls drehbares StQck
jf eingeschaltet, welches benntzt wird, wenn mit schräg stehendem Stahle
(unabhängig von der Richtung der Schal tbewegnng) gearbeitet werden
aoll, wie es nach FrOherm oft zweckdienlich sein kann.
608 TrennnngsarbeiteD.
Sehr grosse HobelmaschineD erhalt«!! mitnnter zwei Snpporte an
eioem geniMDschaftlichen Qaerb&Iken, oid an zwri Stellen des Arbeita-
stadcB zDgleicfa arbeiten zn können. Gewöhnlich sind in diesem Falle
drei Spindeln Enr Uebertragnng der Schaltbewegnng auf die Snpporte
in dem Balken gelagert; swei davon mit Schranbengewinde dienen dam,
jeden der Sapporte wagerecht za schalten, nnd jede beliebige Entfemang
derselben von einander berzostellen; die dritte mit zwei Winkelr&dcben
bewirkt die senkrechte Schaltung beider Werkxenge. Dm jedoch ancb
Fig. 473.
diese Bewegung nicht anf beide Snpporte gleichzeitig fibertragen zn
müssen, sind die Winkelrftdchen nicht dnrch Nnth und F«wler, sondern
dnrch Elemmschranben mit der Welle verbanden nnd somit leicht ausser
Thätigkeit gesetzt. Dnrch eine ähnliche Einrichtnng, als soeben ffir
zwei Spindeln beschrieben wnrde, lässt sich die Bewegung beliebig anf
alle drei oder anf einzelne Übertragen; und man ist dadurch in Stand
gesetzt, nicht allein eine einzige Fläche an zwei Stellen zugleich zn be-
arbeiten, sondern auch eine wagerechte und eine senkrechte oder geneigte
Ebene mit einem Male, indem man fEkr jedes der beiden Werkienge die
betreffende Schal tbewegung einrückt.
Planhobelmaschinen. 609
Wenn die Hobehnaschine beim Vor- und Büdcwätisgange schneiden
soll, so muBS der Support mit einer Einrichtung versehen sein, welche
den Stahl bei jeder Umstenenmg am 180 Grad dreht. Zn diesem
Zwecke befindet sich der letztere in einer oonischen Hülse, welche in
einer entsprechend aasgedrehten Hülse des Sapports am ihre Achse dreh-
bar ist and am andern Ende eine Schnarrolle tragt, welche durch einen
Schnurlauf und Steuerungsmechanismus nach jeder Wendung des Tischs
jene Drehung um 180 Grad erhält und auf den Stahl überträgt.
Solche doppelt arbeitenden Hobelmaschinen haben jedoch mancher-
lei Nachtheile. Das Werkzeug muss mit vollkommenster Symmetrie
aller seiner Theile gearbeitet sein , und seine geometrische Achse
mit der Drehungsachse voUst&ndig zusammenfallen, wenn nicht nach-
theilige Abweichungen in den Schnitten beim Vor- und Rückwärts-
gange entstehen sollen. Sodann sind aber auch die Träger, Schlit-
ten u. s. w. einer Hobelmaschine in allen ihren Formen ausschliess-
lich far den Widerstand in einer einzigen Richtung gebaut; sobald sich
der Stahl umkehrt, um beim Rückwärtsgange zu schneiden, wirkt der
ganze Druck und die Inanspruchnahme der Festigkeit der Maschine
gerade in entgegengesetzter Richtung zu derjenigen, für welche sie con-
struirt ist, und eine viel geringere Dauerhaftigkeit ist die natürliche
Folge. Deshalb sind diese Hobelmaschinen wenig mehr im Gebrauche.
Die Bewegung des Tisches durch Kurbel und Schubstange — mei-
stens durch einen der oben erwähnten Mechanismen in eine gleichför-
mige Vorwärtsbewegung mit beschleunigtem Rückgange verwandelt —
ist wegen der beschränkten Hablänge nur bei den kleinsten Planhobel-
maschinen vertreten, bei diesen aber sehr gebräuchlicL Die Kurbel ist
zur Veränderung der Hublänge geschlitzt; um nun auch bei veränderter
Kurbellänge die zweckmässigste Arbeitsgeschwindigkeit herstellen zu
können, erfolgt die Bewegungsübertragung von der Deckentransmission
durch ein Paar Stufenscheiben statt der einfachen Riemenscheiben der
Maschinen mit Zahnstangen- oder Schraubenbetrieb.
Die Bewegung durch Schraubenspindel und Matter, erstere im Bette
der Maschine mit Zapfen drehbar gelagert, letztere am Tische befestigt,
findet sich bei einzelnen Ausführungen, immerhin aber wegen des
grossem Arbeitsverlustes durch Reibung erheblich seltener als die be-
schriebene Bewegung durch Zahnstange mit Getriebe.
Die Planhobelmaschinen in der geschilderten Anordnung haben den
Nachtheil, dass ihre Länge doppelt so gross sein muss als die Länge des
grössten auf ihnen zu bearbeitenden Gegenstandes und sie deshalb ver-
hältnissmässig viel Platz beanspruchen. Dagegen sind sie äusserst stabil,
geben einen sichern festen Schnitt und eignen sich mithin ebensowohl
für die Bearbeitung kleinerer als auch ganz besonders grosser und schwe-
rer Gegenstände, welche leicht ein Zittern des Stahls hervorrufen.
Die Länge des Tischs pflegt ca. Vs ^on der Länge des Bettes zu
betragen; die BetUänge besagt bei den kleinsten Planhobelmaschinen
Ledebar, neohanisch-metallnrgische Technologie. 39
610 Trennangsarbeiteii.
0,75 M. nnd steigt bei den grössten bis auf 18 M. Die Yortheilhaffceste
Geschwindigkeit des Tisches beim Schneiden ist SO bis 100 Mm. per
Secnnde, der Rückgang 2 bis 3 mal so rasch als der Yorwärtsgang , die
Grosse der Schaltung (Spanbreite) 0,25 bis 2 Mm. per Schnitt, je nach-
dem geschroppt oder geschlichtet wird, and aach abhängig von der Grösse
der Maschine. Die Spandicke höchstens 2 Mm.
Die Bewegung erfolgt nur bei den ganz kleinsten, wenig gebranch-
lichen Maschinen durch Handbetrieb, sonst stets von einer durch Ele-
mentarkraft betriebenen Transmission aus.
Den Arbeitsverbrauch bei den Planhobelmaschinen berechnet H ar-
tig nach der Formel:
N=No + sO,
worin ^o ^^ii Arbeitsverbrauch im Leergange;
Cr das Gewicht des stündlich abgehobelten Metalls in Kilo-
grammen ;
s für Gusseisen bei einem Spanquerschnitte von
0,5 1 5 10 20 Qmm.
0,294 0,164 0,050 0,047 0,041 Pferdestärken,
für Bronze durchschnittlich . . . 0,028 Pferdestärken
y, Schmiedeeisen 0,114 „
„ Stahl * 0,264 „
beträgt.
Für den Arbeitsverbrauch im Leergange wird man 0,4 bis 0,6
Pferdestärken annehmen können; fär Veranschlagung der zum Betriebe
überhaupt erforderlichen Leistung der Arbeitsmaschine wird man nicht
fehlgehen, wenn man für die kleinsten Maschinen 0,5 bis 1 Pferdestärke,
für mittlere 1 bis 1,5, für die grössten 1,5 bis 2 Pferdestärken annimmt
Feilmaschinen oder Shapingmaschinen. Das Werkzeug macht
die Hauptbewegung, wagerecht und geradlinig hin- und hergehend; die
geradlinige Schaltbewegung wird bei kleinen Maschinen häufig durch
das Arbeitsstück, bei allen grösseren und bei vielen kleinen Maschinen
neuerer Construction aber gleichfalls durch das Werkzeug ausgeführt
£s entstehen also bei diesen Bewegfungscombinationen ebenfalls gerade
und fast stets wagerechte Flächen; die meisten Maschinen sind jedoch
mit einer Einrichtung versehen, um statt der geradlinigen Schaltbewe-
gung auch eine stets durch das Arbeitsstück ausgeführte ruckweise
Drehung desselben um seine Achse zu ermöglichen, wobei dann selbst-
verständlich Cylinderflächen (polygonale Querschnitte mit sehr vielen
Seiten) entstehen müssen; und man nennt die Maschinen in diesem Falle
auch Rundhobelmaschinen.
Die Bewegungsübertragung auf das Werkzeug erfolgt stets durch
Schlitzkurbel und Schubstange (oder Schleife), wobei ebenso wie bei den
Planhobelmaschinen mit Enrbelbetrieb ein Paar Stufenscheiben für den
Antrieb erforderlich sind, um auch bei veränderter Hublänge die geeig-
netri« Ärbeitsgeacbwindigkeit ione zn halten. Baa WerkieDg schneidet
nar beim Torwärtegange und der Rückgang findet bei grösBereu Ha-
schinen mebtentheila mit beschleanigter Geschwindigkeit statt.
tUne kleine Feilmaschine , bei welcher die Schaltbewegung durch
das Arbeitsstück aasgeßkhrt wird, von der Deutschen Werkzeugmaschin ea-
fabrik, TOrmals SoadermaDn u. Stier, in Chemnitz erbaut, ist iu den
Figuren 474 bis 476 abgebildet.
612 Trennimgsarbeitcn.
Die Bevegnng wird von der Stofensclieibe E ans zanäcbst. aof «ine
horizontale Welle nnd ron dieser anf die mit Radialachlitz versehene
Enrbelscheibo F übertragen. Dieselbe trägt in dem erwähnten SchUtise
Fig. 475.
verstellbar ein Gleitstück O, welches in der Schleife K aenkrecht gei&hrt
ist (wie in Fig. 474 durch panktirte Linien angedeutet ist) nnd dem-
nach bei Drehung de* Scheibe F die Schleife K in wngerechter Rieht nng
mitführt. K ist durch zwei Schrauben an dem Prisma (Stöasel) / be-
Feilmaschinen.
613
festigt, welches wie der Querschnitt in Fig. 476 aasweist, in einer Füh-
rung des gusseisernen, auf dem Bette der Maschine aufgegossenen Bocks
H in wagerechter Richtung gleitet und somit auch die Bewegung der
Schleife K sichert. Die Köpfe der Befestigungsschrauhen für die letz-
teren befinden sich in einer wagerechten Nnth des Prismas, wodurch es
möglich ist, die Stellung des letztem gegen den Tisch A zu verändern,
den Angriff des Werkzeugs in geringerm oder grösserm Abstände vom
Bette beginnen zu lassen. Die Grösse des Hubes lässt sich, wie leicht
einzusehen ist, durch Yerstellung des Gleitstücks a in der Scheibe F
Fig. 476.
verändern; die Zeitdauer des Hubes des Stössels
J ist beim Vor- und Rückwärtsgange gleich
und die Geschwindigkeit ungleichförmig. Bei
dem geringen Hube (die Maximalausladung
beträgt 150 Mm.) fallen jedoch diese ungün-
stigen Yerhältnisse wenig ins Gewicht. An
dem Kopfe des Stössels ist der Werkzeughalter,
aus drei Theilen bestehend, befestigt. Der hin-
terste Theil besteht aus einer drehbaren Scheibe
zum Schrägstellen des Werkzeugs und durch
die in Fig. 474 an der Rückseite der am Stössel
angegossenen Scheibe ersichtliche Schrauben-
mutter verstellbar; dann folgt ein senkrechter
Schlitten, durch Schraubenspindel mit Hand-
kurbel L beweglich; endlich am vordem £nde
das Stichelhäuschen , an zwei horizontalen
Zapfen befestigt, um, wie früher beschrieben
wurde, beim Rückwärtsgange ein geringes An-
heben des Stahls zu ermöglichen.
Das Bett der Maschine ruht auf zwei Füssen, ist an der vordem
Seite gehobelt und mit Prismenführung für den in wagerechter Richtung
beweglichen Schlitten B versehen, vor welchem der consolenartige Tisch
A znr Au&ahme des Arbeitsstücks befestigt ist. Zur selbstthätigen mck-
weisen Verschiebung des Tisches nach jedem Hube dient eine an der Rück-
seite des Schlittens befindliche Schraubenmutter, durch welche die im
Bette der Maschine gelagerte Schraubenspindel C (Fig. 475) hindurch-
geht. Das auf der rechten Seite vorstehende glatte Ende der Spindel
trägt ein mit ihr festverbundenes Schalträdchen (vergl. Fig. 474) und
einen um die Spindel drehbaren zweiarmigen Hebel mit Schalthaken,
welcher in das Rädchen eingreift. Eine Stange verbindet den Hebel
mit einem auf dem Ende Q der Antriebswelle befindlichen ezcentrischen
Zapfen und erhält ihn dadurch iu stetiger auf- und abgehender Bewe-
gung; die eine Hälfte dieser Bewegung bleibt ohne Einfluss auf die
Schraubenspindel, da der Schalthaken während derselben über die Zähne
des Rädchens gleitet; während der andern Hälfte wird das letztere
sammt der Spindel gedreht und der Tisch mit dem Arbeitsstücke macht
614 Trennungsarbeiten.
die Schaltbewegnng. Die Stellung der Mechanismen für Haupt- und Schalt-
beweguDg gegen einander muss eine solche sein, dass die letztere während
des leeren Rückgangs des Stössels stattfindet; die Grösse der Schaltung
lässt sich yerändem, wenn man den Abstand des excentrischen Zapfens
bei G vom Mittelpunkte durch Verstellung in einem Radialschlitze ver-
grössert oder verkleinert. Die Rückführung des Tischs wird durch Dre-
hung der Schraubenspindel von Hand bewirkt.
Zum Festhalten sehr kleiner Gegenstande während der Bearbeitung
schraubt man auf dem Tische Ä einen kleinen Parallelschraubstock fest,
in welchen dieselben eingespannt werden.
Soll die Maschine zum Rundhobeln benutzt werden, so wird auf
der obem Seite des Schlittens B eine gusseiseme Platte mit kleinem
Lager für eine kurze wagerechte Welle befestigt, welche rechtwinklig
gegen die Bewegungsrichtung des Schlittens gerichtet ist, und auf ihrem
über den Schlitten nach rückwärts vorstehendem Ende ein Schnecken-
rädchen trägt. Dasselbe und somit auch die WeUe wird durch eine
Schnecke bewegt, welche auf der wagerechten Welle jp (in Fig. 475 in ihrer
obem Hälfte sichtbar) befestigt ist. Jene kurze, auf dem Schlitten gelagerte
WeUe ist hohl und kann zur Aufnahme eines nach vorn heransstehenden
Doms dienen, auf dem nun das mit einer entsprechenden Oefifnung ver-
sehene Arbeitsstück übergeschoben und befestigt wird. Die Einrichtung
dieses Doms ist im Wesentlichen die nämliche wie desjenigen, welcher
unten in Fig. 479 abgebildet und näher beschrieben ist. Wird die
Welle p gedreht, so macht das Arbeitsstück ebenfalls eine Drehung um
seine Achse. Jene ruckweise Schaltung erfolgt in der aus Fig. 474 er-
sichtlichen Art uud Weise. Wenn die Welle mit dem Dome und Arbeits-
stücke an Ort und Stelle und der Schlitten in die richtige Stellung gegen
das Werkzeug gebracht ist, wird der untere für die Bewegung des Tischs
dienende Schalthaken ausgelöst und die Schaltung nun durch eine kurze
Stange h einem zweiten, auf p drehbaren einarmigen Hebel mit Schalt-
haken mitgetheilt, welcher während des Rückgangs des Stahls durch
Eingri£F des Schalthakens in das auf jp befestigte Rädchen die Drehung
ausführt.
Eine grössere Feilmaschine, bei welcher beide Bewegungen durch
das Werkzeug ausgeführt werden, von Sigl u. Co. in Berlin erbaut *),
zeigen die Figuren 477 bis 480. Das auf zwei starken gusseisemen
Füssen ruhende Bett C trägt den Querschlitten B, auf dem sich die ver-
schiedenen Bewegungsmechanismen für das Werkzeug befinden. Der
Antrieb erfolgt zunächst von der an der Seite des Betts gelagerten
Stufenscheibe Ä aus durch die mit durchgehender Längsnuth versehene
Welle h auf das Getriebe c, welches von dem Schlitten bei seiner Bewe-
gung längs der Welle h mitgeführt wird, c überträgt die Bewegung auf
das im Schlitten gelagerte Getriebe d, welches durch excentrische Kurbel-
1) Zeichnungen der Hütte, Jahrgang 1867, Tafel 11<
FeilmaBchinen. 615
Hchleife (vergl. Figur 440 und 441 auf S. 566 nnd 567) und Schnbatange h
mit dem Stösael p verbanden ist, so dass letzterer beeohleimigteii Rück-
gang erhält Der Fius des Stössels gleitet mit Prismen fahmng in einer
entsprechenden Nnth am FnSBe des Schlittens. Am Kopfe ist der Werk-
zeughalter angeschranbt, ans vier Tbeilen bestehend, nnd dadnrch eine
Yerrtelliuig des Werkzeags in senkrechter wie in bogenförmiger Sich-
tnng ermöglichend. Letztere wird dorch die Schnecke m bewirkt, welche
in einen verzahnten Bogen des DrehstScks eingreift, unterhalb des
Schlittens trägt derselbe eine Schraabenmntter e (Fig. 478), durch
welche die zwischen beiden Wangen des Bette gelagerte lange Schrauben-
Spindel mit doppeltem Gewinde / hindurchgeht, durch ihre ruckweise
616 Trennungsarbeiten.
Drehnog die Fortbewegaag des SchlittesB sammt Werkzeughalter und
BewegnugBmecbanUmaB bewirkend.
Die Art der Schaltnug ist io Fig. 480 in TergrösBertem Maasaatabe
abgebildet. Auf der verläugerten Welle Ii Bitzt das Getriebe t (Tergl. auch
Fig. 479), welohea in daa Rad k greift-, dieses trägt eine ponlctirt ge-
zeichnete herzförmige Nntb , in welche das eine Ende des zweiarmigen
Schlitzhebeb l mit einem Gleitstücke eingreift , somit nach jeder Um-
drehung Ton k eine einmalige Auf- and Niederbewegong erhaltend.
Daa UebenetznngsrerbSltnisB zwischen i und k ist gleich dem Ueber-
setznngsverbiUtnisBe zwischen den Bädern c und d, so dass eine ein-
malige Drehong von k einem Doppetbnbe des Stössele entspricht. Der
Hebel l überträgt seine Bewegung durch die Stange ffl auf den zwei-
armigen Hebel n , welcher sich lose anf der Achse des SchaltrSdcheus o
dreht nnd mit doppeltem Schaltbaken in dasselbe eingreift, somit Dre-
Fig. 478.
hnng nach- einer odefv-der' andern Seite bewirkend, je nachdem der Schalt-
haken nmgeschtagen Hat; o ist aber auf der verlängerten Achse der
Schraubenspindel / befestigt und überträgt demnach die empfangene
Drebnng ohne Weiteres auf diese.
Zur Befestigung des Arbeitsstücks befinden sich zwei Tische an der
Vorderseite des Betts. Jeder derselben besteht ans zwei Stücken, wo-
durch eine Verstellung in wagerechter Richtung ermöglicht ist. Für die
erstere dienen die am Bette befindlichen zwei Längsnatben, in welchen
die Köpfe der zur Befestigimg dienenden Schraube nbolzen verschiebbar
Bind, nachdem man die Muttern gelöst hat} die senkrechte Verstellung
wird, wie aus Fig. 478 hervorgeht, durch eine Schraubenspindel nnd
FeilmaBchinen. 617
Matter ausgeführt, aobttld die erat«re vermittelst einer auf die nnterhalb
der Tischplatte gelagerte, wagerechte, mit der Schraube durch ein
Paar Winkelrädchen yerbundene Welle aufgesteckte Handkurbel ge-
dreht wird.
Die erhebliche Breite dieser Maschine ') macht sie vorzngaweiae znr
Bearbeitnng langer schmaler Gegen stfinde (z. B. Balanciers) durch
1) Unter „Breite" die Bichtnng der Bclialtbewegaog verstaudea, in dieaem
Falle gleichbedeutend mit Bettlänge.
618 Trennungsarbeiten.
SohuiUe in der Qnenichtang Qber das ArbeitsBtQck geeignet, welches
dann auf beiden Tischen Beine Auflage findet.
Eine solche Schaltang des WerkzengB vürde aach bei einer bedeu-
tend kurzem Breite der Maschine anwendbar gewesen sein nnd zeichnet
sich theila durch die grössere Sicher-
°' heit der Bewegung, hauptsächlich
aber durch den Umstand TorÜieilhaft
aus , dass , wShreud bei der Schal-
tung des Tischs die Breite der Ma-
schine gleich der doppelten Breite
(Länge) des Arbeitsstäcks sein mnss,
bei der Scbaltbewegnng durch das
Werkzeug die einfache Breite aus-
reicht, oder man umgekehrt ein an-
nähernd doppelt so breites (langes)
Arbeitsstück in diesem als in jenem
Falle hobeln kann. Daher ist bei neuei-en Feilmaschinen die letzt-
beschriebene Einrichtung bei Weitem häufiger in Anwendung als die
früher beschriebene.
Nicht selten findet man für Maschinen mit sehr beträchtlicher Bett-
lAnge zwei Supports in Anwendung, welche gleichzeitig an verschiede-
denen Stellen arbeiten kennen; man kann dadurch nicht allein direct an
Zeit sparen, sondern kürzt auch die Länge des Schaltnngswegs. Jedes
der beiden Werkzeuge besitzt in diesem FaUe seinen eigenen Bewegungs-
mechsnismus und Schlitten; und damit auch ein jedes Töllig unabhängig
von dem andern sei, pflegt für jeden Schlitten eine besondere Triebwelle
mit Stufenscbeibe and eine besondere Schaltangsspindel vorhanden zu sein.
Die abgebildete Maschine besitzt endlich auch einen Apparat zum
Rundhobeln, dessen Einrichtung aus Fig. 479 hervorgeht. Die horizon-
tale Spindel c trägt die beiden Conusse u und tii, deren ersterer fest anf
V sitzt, während der andere znm Losnehmen eingerichtet ist und durch
die davor gesteckte Schraubenmutter gegen das über die Spindel über-
geschobene Arbeitsstück (welches zu diesem Zwecke hohl sein mass) fest-
gedrückt wird, dadurch die Feststellung und Centrimng desselben
bewirkend, v steckt in einer hohlen gusseisemeti Welle nnd ist am
andern heransragenden Ende durch eine Schraubenmutter in derselben
festgehalten, lässt sich also ohne Schwierigkeit entfernen. Um fUr Arbeits-
stücke von verschiedenen Durchmessern die geeignete Höhenlage zu erhal-
ten, sind zwei solche ganz gleiche Wellen über einander angebracht, wie in
Fig. 477 ersichtlich ist, und im Bette der Maschine gelagert, so dass die
Spindel nach Erfordemiss in die obere oder untere gesteckt Verden
kann. Jede der beiden Wellen trägt ein Schneckenrad, welches dnrch
eine zwischen beiden Rädern befindliche, auf der wagerechten Welle 8
(Fig. 479) befestigt« gemeinschaftliche Schnecke gedreht wird. Die
Schaltung der Welle 8 ist wieder in Fig. 480 ersichtlich. Anf dem Ende
Feilmaschinen. 619
der Welle 5 ist das verzahnte Rad r befestigt and zugleich der einarmige,
mit Schalthaken versehene Hebel z drehbar aufgesteckt; darch eine
Stange q ist der zweiarmige Hebel n mit dem Hebel jer verbanden. Soll
der Randhobelapparat benutzt werden, so wird der Sperrhaken des He-
bels n aus dem Rade o ausgelöst, um die Schaltung des Werkzeugs ausser
Thätigkeit zu setzen , der Sperrhaken bei z eingeklinkt und somit die
Schaltung der Welle 8 in Wirksamkeit gesetzt.
Die Geschwindigkeit des Schnitts ist bei den Feilmaschinen meistens
erheblich beträchtlicher als bei Planhobelmaschinen , entsprechend dem
geringem Gewichte des bewegten Theils, und pflegt 100 bis 150 Mm.
per Secunde zu betragen, während das Maass der Schaltbewegung zwi-
schen Vi his IV2 Mm. pro Schnitt sich bewegt.
Der Umstand, dass die Hauptbewegung aller Feilmaschinen durch
Kurbel oder Excenter bewirkt wird, beschränkt ihre Hublänge auf ein
erheblich geringeres Maass als bei Planhobelmaschinen, und während die
kleinsten Maschinen oft nicht mehr als 100 Mm. Hublänge besitzen,
dürfte als Maximum der Hublänge bei den grössten Maschinen 500 Mm.
anzusehen sein.
Der Arbeitsverbrauch der Feilmaschinen wird sich in ähnlicher
Weise wie f&r Planhobelmaschinen ermitteln lassen; zur Veranschlagung
der erforderlichen Betriebskraft wird man für kleine Feilmaschinen 0,5,
für grosse 1 Pferdestärke rechnen können.
Den Planhobelmaschinen gegenüber besitzen 'die Feilmaschinen, ins-
besondere diejenigen mit Schaltung durch das Werkzeug, den Vortheil,
dass sie für gleiche Hublängen geringem Platz beanspruchen, da ihre
Längenausdehnung im einfachen , nicht wie bei jenen im doppelten Ver-
hältnisse zur Hublänge steht. Während daher diese geringere Hublänge
und die leichtere Construction die Anwendung der Feilmaschinen für
sehr grosse und schwere Gegenstände ansschliesst, lässt die oben er-
wähnte Eigenschaft, sowie die grossere Arbeitsgeschwindigkeit und ein
geringerer relativer Arbeitsverbrauch sie als ausserordentlich zweck-
mässig zur Bearbeitung weniger schwerer Gegenstände erscheinen, die,
falls sie eine geringe Breite bei beträchtlicher Länge besitzen, der Quere
nach bearbeitet werden.
Letzterer Eigenthümlichkeit der Maschine, durch welche ihre Schnitte
dieselbe Richtung erhalten, als wäre das Arbeitsstück durch Feilstriche be-
arbeitet worden, und dem Umstände, dass sie thatsächlich bei vielen Ge-
genständen die Bearbeitung durch Feilen ersetzt, verdankt sie wohl
ihren Namen als Feilmaschine.
Mit dem Rundhobelapparate versehen ist sie im Stande, rasch und mit
wenig Arbeitsaufwand Gylinderflächen an manchen kleineren Gegenstän-
den herzustellen , die auf der Drehbank einen grossem Zeitverlust erfor-
dert haben würden.
620 Treuuungsarbeiten.
Stoumaschinen , iVutlieiiatOBsituucIiinen , stanzmaschinan,
Vertic alhobelmaaoli Inan. Das Werkzeug macht die Haaptbewegong
in eenVrecbter Richtung, und zwar schneidend beim Niedergänge and
leer beim Aofgange; dax ArbeitasttLck fast immer die Schaltbewegnng
dnrch geradlinige Fortbewegnng oder durch Drehong. Zur Bewegung des
Werkzeuge dient fast anaschliesstioh die Kurbel mit oder ohne Zwiscben-
mechanismen für beschleanigten Rückgang.
Die Arbeit der Stossmaschinen ist daher de^'enigen der Feilmaschi-
nen mit beweglichem Arbeitsstücke ähnlich, und der Unterschied liegt
in der Richtung der Hauptbewegnng Gerade hierdurch aber wird eine
durchaus geänderte Anordnung der ganzen Haschine nothwendig.
Elg. <8l.
KutbenstossmaschineiL 621
In den Fignren 481 bis 484 ist in '/}|, der wirklichen Orosae eine
NnthenstosBinafichine für Stücke von 1200 Mm. grÖsHtem Darchmesser
and 400 Mm. Höhe ans der Deatachen Werkzengmaackinenfabrik in
Chemnitz abgebildet. Der Ständer der Maschine ist in einem Stflcke in
HohlgoBs gefertigt and trägt die gleichfalla angegoBBenen FtthrangBleisten
d fOr den Stöseel (Priama) k. a iat die Stafenacbeibe für den Antrieb.
Vor derselben, für den Arbeiter leicht zn erreichen, befindet aich auf der-
selben Welle daa Schwangrad q, zngleich dazu dienend, den Stösael von
Hand in die richtige Stellnng za bringen, bevor die Maschine angelaaaen
wird. Die Bewegung wird von a durch das Getriebe tn anf daa kräftig
gebaute Rad b Qbertragen b ist durch excentriache Korbelachleife mit
Fig. 482.
622 TrennungsarbeiteD.
der Kurbelwelle / verbuDdeQ and ertheilt der Haachioe dadorch beschlen-
nigten Rückgang (Aofgang). Die Eiurichtang der excentrischeD (With-
wortb' sehen) Kurbelaebleife wird aus Fig. 484 verständlich sein, h iat
der im Rode h befestigte Mitnehmerzapfen , welcher in einer radialen
Fähning der gegen b excentrischen Scheibe g gleitet; g fibertrAgt die
empfangene nngleichfQrmige Bawegnng anf die Welle /. Auf dem vor-
dem Ende von/ sitzt die warm aufgezogene rechteckige Scheibe e, anf
welcher vergtellbar die Scheibe p mit dem excentrischen Zapfen für den
Angriff der Schubstange befestigt ist. Die Schraube o dient zur Ver-
eteUnng der E^cantricitat zwischen diesem Zapfen und der Welle / und
somit zur Vergröseening oder Verkleinerung der Kurbellänge und des
Hubes der Maschine. Der gröeste erreichbare Hub (gleich der doppelten
Excentricit&t) ist 250 Mm.; stellt man den Korbelzapfen genau centrisch
zur Welle /, so ist der Hub gleich Null. Durch die Zugstange l wird
die Kurbelbewegnng anf den StAesel A abertragen. Wie aus Fig. 482
nnd 484 hervorgeht, ist letzterer durch eine Schraubenmutter und starke
Fig, 433. Schraabeuspindel n mit der Zug-
stange yerbunden, wodurch es mög-
lich wird, die Höhenlage desselben,
je nachdem die zu bearbeitende
Fläche höher oder tiefer liegt, in
ziemlich weiten Grenzen za ver-
stelleu. Da der grösste Zapfendruck
der Welle / nach oben gerichtet ist,
so ist die obere, ans Hartrothgnsa
gefertigte Lagerhälfte i derselben,
(Fig. 484) durch einen quer durch
das Gerüst hinduixhgehenden Keil
t'i nachstellbar gemacht.
Unterhalb des Stössels befindet
sich anf dem angegossenen Fusse
der Maschine der Tisch y mit Yor-
richtting zur Längen- und Quer-
Verschiebung, sowie zur Kreisbe-
wegung yerseben. Anf der mit
T-förmigen Qoerschlitzen versehenen
Tischplatte wird das Arbeitsstdck
aufgespannt. Dieselbe trägt an
"■•- --■ ihrer nntem Seite den mit ihr in
einem Stücke gegossenen Schneoken-
kranz e, vollständig innerhalb des Tische liegend, y ist drehbar aof
dem Mittelstücke r; die Drehung erfolgt von einer in der Abbildung
nicht oraichtlichen Schnecke auf der horizontalen Welle p, durch Langa-
nnth und Feder mit einander verbunden , so dass bei Verschiebung des
Mittelstacks r auch die Schnecke mitgenommen wird, r macht die Quer-
Nuthenstos3maschiiien. 623
verschieboDg des Tiacha, gleitet za dieaem Zwecke mit Prismenführan-
gen traf dem Untertheile S und erhält seine Bewegung durch eine hori-
zontale Schranbenspindel rj , welche in 8 gelagert ist and durch eine an
r befestigte Mntter hindnrcbgebt. Der Schlitten s bewegt dch auf Füh-
rungen des FuBBes der Maschine in der Längen richtnng und erhält diese
Bewegung yon einer Schranbenspindel Si ans. Jede dieser drei Bewe-
gungen kann mit Hälfe einer aof das Ende der betreffenden drei Spin-
deln aofgesteckten Kurbel von Hand bewirkt werden, während des Gan-
ges der Maschine aber
*^- *8*- pflegt die Schaltung
oelbsttbätig in folgender
Weise vor sich zu gehen.
In dem Rade b (vergl.
Fig. 483 und 484) ist
eine curvenfSrmige Nuth
u eingegossen, in wel-
cher ein an dem Ende
des Steuemngsbebels a
befestigter Zapfen glei-
tet. Die Curve besitzt
einen leicht erkennbaren
Punkt, wo ihr Abstand
vom Radmittel am gröss-
ten ist; von hier ans
nimmt dieser Abstand
innerhalb eines Bogens
von 40 Graden rasch
ab und bleibt dann
während eines Bogens von 140 Graden gleich, so dass die Curve inner-
halb des letztem als concentrischer Kreisbogen erscheint. Befindet sich
der Zapfen des Hebels a nun in dem grdssten Abstände vom Radmittel,
so wird er bei Drehnng des Rads b in der Pfeilriohtnng rasch in der
Richtung saoh links hinQbergedrflckt werden und bewirkt während dieser
Periode Schaltung; alsdann gelangt er in den concentrlschen Theil der
Curve, and die Schaltung ruht; endlich, in einem dritten TheUe der
Gurve, welche den noch tkbrig bleibenden Bogen von 180 Graden ein-
nimmt, wächst der Abstand vom Radmittel ganz allmälig, bis er wieder
auf dem höchsten Stande angelangt ist; a enthält demnach eine entgegen-
gesetzte Bewegung und bewirkt langsamen Rückgang des Steuerunge-
mecbanismns.
Die Bewegung des Hebels a wird durch die Zugstange v zunächst
auf einen einfacben Sperrkegel x übertragen, welcher in das Sperrrädchen
u eingreift, bei der Hinaofbevegung (während des ersten Theils der
Scbaltungacurve) dasselbe dreht, bei der Himmterbew^oDg leer gleitet.
Der Angriffspunkt der Zogstange t> am Hebel oi ist in einem Schlitze
624 Trennnngsarbeiten.
yerstellbar, um das Maass der Schaltnng grösser oder kleiner zu machen.
Das Rädchen to überträgt die empfangene Bewegung zunächst auf das
daneben sitzende Winkelrädchen y nnd von diesem auf ein zweites oder
drittes Winkelrädchen £ und 8. y und d sitzen lose auf der Schaltungs*
welle i\ zwischen beiden befindet sich auf derselben Welle, durch Kuth
und Feder mit ihr yerbunden, die Klauenkupplung tt, durch den in
Fig. 482 ersichtlichen Handhebel bewegt. Wird dieselbe mit* 9/ ein-
gerückt, so erhält die Welle t ohne Weiteres von diesem Rädchen seine
Bewegung, während i und £ leer gehen; wird u mit i eingerückt, so
erfolgt die Bewegungsübertragung durch alle drei Rädchen, mithin in
umgekehrter Richtung. Auf dem vordem Ende yon i befindet sich ein
Stimrädchen im Eingriffe mit einem zweiten auf der Schraubenspindel
Si sitzenden Rädchen, wodurch Schaltung desTischs in der Längsrichtung
bewirkt wird. Durch Verschiebung des letztgenannten Rädchens auf
seiner Spindel kann dasselbe ausser Eingriff und somit diese Schaltung
ausser Thätigkeit gesetzt werden. Femer befindet sich auf i ein Winkelräd-
chen, durch Nuth und Feder verschiebbar mit i verbunden, welches durch
ein zweites, in Fig. 482 erkennbares Winkelrädchen und eine kurze im
Schlitten s gelagerte Welle seine Bewegung auf das Getriebe 17 überträgt und
dabei gezwungen ist, jede Längsbewegung des Schlittens mitzumachen.
Von 17 aus erfolgt nun die Bewegungsübertragung auf die beiden Stim-
rädchen, welche auf den Enden der Spindeln |7 und rx befindlich sind
und deren jedes durch Verschiebung auf seiner Spindel in und ausser
Eingriff gebracht werden kann. Es wird also Längs-, Quer- und Rund-
bewegnng des Arbeitertücks bewirkt
Die Befestigung des Werkzeugs am Stössel pflegt bei den Nuthen-
stossmaschinen in einfachster Weise durch Klemmschrauben bewirkt
zu werden; bei der abgebildeten Maschine dient ein Paar geschmiedeter
Bügel, welche in T-förmige Schlitze des Stössels eingeschoben sind, zum
Tragen der Klemmschrauben.
Als vortheilhafteste Schnittgeschwindigkeit gilt bei den Nuthenstoss-
maschinen 100 bis 150 Mm. perSecunde, und dieGrrösse der Schaltung ist
Vs bis iVs Mm. per Schnitt. Die üblichste Hublänge ist 100 bis 300 Mm.
Wie der Name andeutet verdanken die Nuthenstossmaschinen ihre
Entstehung der Aufgabe, senkrechte Nuthen, insbesondere Keilnuthen in
Radnaben, einzuarbeiten, wobei die Schneide des Werkzeugs die Breite
der Nuth erhält, und das Arbeitsstück nach jedem Schnitte gegen das
Werkzeug vorgeschoben wird, bis die erforderliche Tiefe der Nuth er-
reicht ist. Die grossen Annehmlichkeiten aber, welche die Maschine
überhaupt bei der Bearbeitung senkrechter, nicht sehr hoher Flächen
darbietet und wozu namentlich ihr rascher Gang und ihre einfache Bedie-
nung gehört, haben ihr längst eine weit ausgedehntere Anwendung ver-
schafft; die Schaltbewegung in der Kreislinie, durch welche cylindriscbe
Flächen erzeuget werden, macht sie vorzugsweise geeignet zur Bearbeitung
von Flächen, wie sie an der Aussenseite von Kurbeln, Hebeln und ahn-
Sägen. 625
liehen Gegenständen häufig sind, und deren Herstellnng anf der Rnnd-
hobelmaschine oder Drehbank wegen des langen Armes jener Arbeits-
stücke schwierig oder unmöglich sein würde.
Der Arbeitsrerbrauch wird in gleicher Weise wie bei den früher
besprochenen Hobelmaschinen berechnet und kann bei den grösseren
Maschinen auf ca. 1 Pferdestärke, bei kleinen auf V» ^^^ V« Pferde-
stärken veranschlagt werden.
Literatur und Abbildungen aller Sorten Hobelmaschinen.
Ausser den auf S. 569 genannten Werken:
Zeichnungen der Hütte, Jahrg. 1856, Nr. 4 ef; Jahi^. 1858, Nr. 42;
Jahrg. 1859, Nr. 8; Jahrg. 1862, Nr. 21 ab; Jahrg. 1864, Nr. 18;
Jahrg. 1867, Nr. 4; Jahrg. 1871, Nr. 10; Jahrg. 1872, Nr. 4.
Wiebe, Skizzenbuch, Jahrg. 1869, Heft 5; Jahrg. 1871, Heft 1.
Femer finden sich Besprechungen und Abbildungen ausgeführter
Hobelmaschinen in den meisten Jahrgängen aller grosseren technischen
Zeitschriften; so in Dingler's Journal, im Polytechnischen Gentralblatt,
im Praktischen Maschinenconstructeur u. v. a.
o. Die Säge.
WenA man eine Anzahl Meissel von sehr geringer Breite und Höhe
in der Bewegungsrichtung hinter einander anordnet und durch einen
Quersteg verbindet, so erhält man den Begriff einer Säge. Die geringe
Höhe ist erforderlich, um bei der schwachen Stärke der Meissel ein seit-
liches Verbiegen zu vermeiden; und da die gewonnenen Späne nur sehr
dünn sind und bald abbrechen, so ist das Abfliessen derselben durch die
geringe Höhe nicht behindert.
Die einzelnen Meissel nennt man die Zähne, den zwischen zwei
Zähnen befindlichen Zwischenraum die Zahnlücke, denjenigen Theil
der Säge, welcher die einzelnen Zähne verbindet, das Blatt. Gewöhnlich
bestehen die Zähne und das Blatt aus einem Stücke, und die Säge wird
durch Ausfeilen oder Ausstossen der Zahnlücken an der Kante des Blatts
hergestellt; nur für sehr grosse Sägen fertigt man die Zähne einzeln
und verbindet sie mit dem Sägeblatte ^).
Damit jeder folgende Zahn nicht etwa leer in der von dem voraus-
gegangenen geschnittenen Furche sich vorwärts bewege, sondern gleich-
falls schneidend wirke, muss derselbe relativ tiefer liegen, als der voraus-
^) Deutsche IndoBtrieKeitung , Jahrg. 1867, S. 343 und 403; Jahrg. 1878,
S. 484; Jahrg. 1875, 8. 254; Jahrg. 1877, S. 337.
JLedebar, meoluuiiich-motaUnigiMtk« Technologie. 4Q
626 Trennungsarbeiten.
gegangene. Wenn nnn die Schneidkanten sämmtlicher Zähne sich in
einer geraden Linie befinden, so wird diese tiefere Lage der folgen-
den Zähne dnrch eine gegen die Bewegongsrichtung geneigte Lage
dieser geraden Linie hervorgerufen, vorausgesetzt, dass die Länge des
Schnitts grösser ist als der Abstand zweier Zähne von einander. Dnrch
diese geneigte Lage kommen also so viele Zähne mit einem Male zum
Schneiden als der Länge der Schnittlinie entsprechen; und während
jeder einzelne Zahn nur einen Span von sehr geringer Dicke abnimmt,
ist die Dicke der bei einem einmaligen Durchgänge der Sägen abgenom-
menen Schicht gleich der Summe aus den Dicken der von jedem Zahne
einzeln abgenommenen Späne. Aus den früher gegebenen allgemeinen
Erörterungen über das Schneiden (S. 550) folgt aber, dass es bedeutend
weniger Kraftaufwand erfordert, viele dünne einzelne Schichten als eine
einzige dicke Schicht abzuheben; und demnach genügt bei Anwendung
der Säge eine geringere Arbeit zum Lostrennen einer gleich grossea
Schicht, als wenn derselbe Erfolg, mit einem einmaligen Durchgange
eines einzigen Meisseis hervorgebracht werden sollte.
Eine gleiche Wirkung wie durch jene Neigung der Säge gegep, die
Bewegungsrichtung wird nun offenbar hervorgebracht werden, wenn
neben einer Hauptbewegung, welche in der Richtung der durch die
Schneidkanten der Säge gelegten Linie stattfindet, eine ununterbrochene
Schaltbewegung in der Schnittebene normal gegen jene Hauptbewegung
eingerichtet wird; denn die Resultante aus beiden Bewegungsrichtungen
ist offenbar wieder eine gegen die Hauptbewegung geneigte Linie, und
jeder folgende Zahn wird demnach in dem der Grösse der Schaltbewegung
entsprechendem Maasse tiefer in das Arbeitsstück eindringen als der
vorausgegangene und demzufolge dickere oder weniger dicke Späne los-
trennen.
Durch diese doppelte Bewegung wird thatsächlich fast stets jene
Aufgabe gelöst, die Yorwäiisbewegung in einer gegen die Eantenebene
geneigten Linie vor sich gehen zu lassen; und insbesondere ist dieselbe
unerlässlich, wenn, wie bei vielen durch Elementarkraft bewegten Sägen,
die Zähne entweder in einer Kreislinie angeordnet sind (Kreissägen) oder
das bandförmige Sägeblatt sich ununterbrochen in einer Linie ohne Ende
bewegt (Bandsäge).
Die geschilderte Wirkung der Säge, insbesondere auch die sehr ge-
ringe Breite ihrer Zähne, lässt sie nicht sowohl zur Bearbeitung breiter
Flächen, als vielmehr zur Hervorbringung tiefer Einschnitte geeignet
erscheinen, und man benutzt sie deshalb vorwiegend zum Zert heilen
der Arbeitsstücke, wobei alsdann eine Schicht von der Breite der Zähne
als „Sägespäne" verloren geht.
Während bei Bearbeitung des Holzes uns die Säge in den mannig-
fachsten Formen und für die mannigfachsten Verwendungen begegnet^
finden wir bei der Verarbeitung der Metalle nur zwei Hauptformen der-
aelhen vertreten. Der Grund hierfür ist leicht aufzufinden; er liegt in
Sägen. 627
dem grössern Widerstände des h&rtern Metalls, welcher ein leichteres
Verbiegen der schmalen Zähne der Säge zur Folge hat. Wollte man
aber durch grössere Breite der Zähne diesen Nachtheil abschwächen, so
würde nicht allein ein grösserer Metallyerlust durch Spanbildung, son-
dern auch ein mit der Breite in geradem Verhältnisse wachsender Arbeits-
yerbranch die Folge sein, und dadurch ein Hauptyortheil der Säge gegen-
über anderen zum Trennen geeigneter Apparate verloren gehen. Diese
grössere Härte des Metalls macht auch einige Abweichungen in der Con-
stmction der Zähne erforderlich. Je härter nämlich der zu sägende Körper
ist, desto geringer wird der Unterschied in dem Maasse des Eindringens
zweier auf einander folgender Zähne sein, mit anderen Worten, desto
geringer wird die Schaltbewegung und desto schwächer werden die
Späne sein. Die letzteren werden aber um so leichter abbrechen, um so
kürzer ausfallen, je dünner sie sind. Daher können bei Metallsägen
die Zähne näher an einander stehen und geringere Höhe besitzen, als
bei Holzsägen, wodurch wieder eine grössere Sicherheit gegen das Ver-
biegen gegeben ist.
Bei den Holzsägen werden die Zähne ein wenig aus der Ebene des
Blattes abwechselnd nach der einen und andern Seite abgebogen (ge-
schränkt), um ein seitliches Schneiden zu bewirken und dadurch die
Reibung zwischen Schnittfläche und Sägeblatt aufzuheben; bei den
MetaUsägen würde dieses seitliche Schneiden einen grossen Widerstand
verursachen, und die Zahnschneiden liegen deshalb in einer Ebene mit
dem Sägeblatte. Um trotzdem die Beibung zu verringern, macht man
wohl die Sägeblätter der Metallsägen am Rücken dünner als an der ge-
zahnten Seite oder bildet durch Behämmem längs der Kanten des Zahns
einen Grat, welcher die Breite des Schnitts vergrössert.
Die Form der Zähne ist die eines Keils mit sehr schmalem Rücken
dessen Zuschärfungswinkel 65 bis 70 Grad und Anstellungswinkel 20 bis
25 CFrad zu betragen pflegt, so dass der Schneid winkel meistens ein
wenig kleiner als 90 Grad ausföllt.
1« Hand- oder Bogensägen. Das Blatt derselben ist 250 bis
350 Mm. lang, 10 bis 20 Mm. breit. Die Zähne stehen in einer geraden
Linie in Abständen von V2 bis 2 Mm., von Spitze zu Spitze gemessen,
von einander; bisweilen jedoch ordnet man sie bei neuen Sägen in einer
schwach convexen Linie an , um der nach der Mitte zu wachsenden Ab-
nutzung Rechnung zu tragen. Um dem Sägeblatte die nöthige Steifig-
keit zu verleihen, ist dasselbe in einem eisernen „Bogen" von bekannter
Form eingespannt, und zur Führung dient ein am Bogen befestigter
Handgnfi;
Die Handsäge wird zum Zertheüen kleinerer Metallstücke benutzt
Dieselben werden gewöhnlich in den Schraubstock eingespannt, der Ar-
beiter bewegt mit der rechten Hand die Säge vorwärts und leer zurück
und übt mit der linken Hand bei der schneidenden Vorwärtsbewegung
einen Druck auf den Bogen normal gegen das Arbeitsstück aus. Da«
40*
G28 Trennungsarbeiten.
Werkzeug fuhi-t demnach beide Bewegungen aus; eine hin- und her-
gehende Hanptbewegung und die während des Schneidens nnaosgesetzt
aber in sehr kleinem Maasse thätige Schaltbewegong durch den Druck
der linken Hand.
Das Sägeblatt wird aus bestem Stahl gefertigt, die Zähne eingefeilt,
bei sehr kleinen Sägen mit dem Meissel eingehauen, dann gehärtet und
gelb angelassen.
Die kleinsten Handsägen, welche bei der Anfertigung ornamentaler
Gegenstände dazu benutzt werden, gekrümmte Linien auszuschneiden,
heissen Laubsägen. Man pflegt das Blatt derselben aus einer Uhrfeder
zu fertigen und giebt ihnen eine sehr feine Theilung (0,4 bis 1 Mm.
Zahnabstand). Der Bogen dieser Laubsägen zeigt eine etwas abweichende
Form von dem Bogen fär grössere Sägen. Er ist höher als dieser, am
auch in grösserem Abstände vom Rande des Arbeitsstücks sägen zu kön-
nen ; der den Handgriff tragende Schenkel bildet gewöhnlich ein selbst-
ständiges, auf dem langen Mittelstücke des Bogens mit einer Hülse ver-
schiebbares und durch eine Klemmschraube zu befestigendes Stück, um
mit Sägeblättern von verschiedenen Längen arbeiten zu können.
Um mit der Laubsäge aus einer vollen Metallplatte auch solche
Oeffnungen auszuschneiden, welche nicht nach dem Rande auslaufen, son-
dern ringsum eingeschlossen sind, wird an einer geeigneten Stelle inner-
halb der Platte ein Loch durchgeschlagen, das Sägeblatt, nachdem es
aus dem Bogen an einem Ende losgemacht ist, hindurchgesteckt, dann
wieder in demselben befestigt und so nach der betreffenden Linie herum-
geführt, während der Sägebogen ausserhalb des Randes mitgeht.
2. Kreissägen. Die Zähne sind nach einer Kreislinie auf dem
Rande einer kreisförmigen Stahlscheibe angeordnet Diese Scheibe ist
auf einer horizontalen Welle befestigt, welche zugleich die Antriebs-
riemenscheibe trägt und mit ihren Enden in Zapfenlagern ruht. Die
Hauptbewegung wird durch Drehung jener Welle bewirkt; die Schalt-
bewegung wird entweder durch das Arbeitsstück ausgeführt, indem das-
selbe fortschreitend der Scheibe genähert wird; oder durch die Säge,
welche in diesem Falle gleichzeitig mit ihrer Drehung sammt ihren
Lagern gegen das Arbeitsstück vorgeschoben wird, und zu diesem Zwecke
gewöhnlich pendelartig in zwei schwingenden, durch Getriebe und ver-
zahntes Bogenstück bewegten Rahmen aufgehängt ist.
Der Betrieb aller für Metallbearbeitung dienenden Kreissägen erfolgt
durch Elementarkrafb ; man giebt ihnen eine bedeutende Umfangs-
geschwindigkeit, nicht allein, um direct die Arbeit zu beschleunigen,
sondern auch, um während des Leergangs desto mehr lebendige Kraft
zu sammeln, welche während des Schneidens verbraucht werden kann.
Erfahrungsgemäfis liefern alle Sägen bei raschem Gange einen reinem
glattem Schnitt als bei langsamem, w«ts eben mit der grossem Gleich-
mässigkeit der Bewegung bei raschem Gange zusammenhängt.
Sägen. 629
Eine vorwiegend häufige Verwendung finden die Kreissägen zum
Zerschneiden Ton stangenfotmigen Körpern ans Eisen und Stahl (Eisen-
bahnschienen, Trägem und verschiedenen anderen), welche im Walzwerke
ihre Querschnittsvollendung erhielten und nun auf bestimmte Längen
getheilt werden sollen. Die Arbeitsstücke werden hierbei unmittelbar
von dem Walzwerke kommend, also im rothglühenden Zustande, zur Säge
gebracht; der geringere Widerstand, welchen das erhitzte Metall der
Trennung seiner Theilchen entgegensetzt, ermöglicht es, zur Beschleuni-
gung der Arbeit grössere Späne zu nehmen, und die Zähne dieser Kreis-
sägen sind aus diesem Grunde beträchtlich grösser, als die der oben be-
schriebenen Handsägen. Die Zahntheilung (der Abstand zweier Zahn-
spitzen) pflegt 15 bis 30 Mm., die Höhe der Zähne 10 bis 20 Mm. zu
betragen. Die Sägeblätter haben 0,8 bis 1,5 M. Durchmesser und
machen 800 bis 2000 Umläufe per Minute, so dass sie eine Umfangs-
geschwindigkeit von 60 bis 80 M. per Secunde besitzen. Das Sägeblatt
ist entweder ringförmig in einem Stücke gefertigt oder aus mehreren
Segmenten zusammengesetzt; die Befestigung geschieht durch Einklem-
men zwischen zwei auf der Welle befindlichen Gusseisenscheiben, welche
durch Schrauben zusammengepresst werden, und von denen die eine fest
auf der Welle sitzt, während die andere verschiebbar ist. Die Stärke
des Sägeblatts beträgt 2 bis 4 Mm. Damit die Erhitzung beim Zer-
schneiden der heissen Stäbe nicht eine Erweichung des Sägeblattes her-
beiführe, lässt man, wo es angeht, dasselbe in eine mit Wasser gefCdlte
Schale tauchen , benutzt aber auch , wo eine solche Erhaltung der Härte
durch Abkühlung von vornherein aussichtslos ist, wohl nur schmiede-
eiserne Sägeblätter, deren grosse Umfangsgeschwindigkeit ihren Mangel
an Härte ersetzen muss^).
Wenn es sich darum handelt, eine grosse Anzahl Arbeitsstücke,
z. B.Eisenbahnschienen, nach gleichen Längen abzuschneiden, pflegt man
zwei parallele Kreissägen auf gemeinschaftlicher Welle anzuwenden,
deren Abstand von einander verstellbar ist, und so mit einem Male beide
Enden des Arbeitsstücks abzuschneiden. Letzteres ruht hierbei auf einer
Tischplatte mit Knaggen, welche ein Ausweichen vor dem Drucke der
Säge^ verhüten ; der Vorschub wird stets von Hand mit Hülfe eines Hebels
— häufig mit Einschaltung von Getriebe und Zahnstange — bewirkt,
welcher entweder den Tisch (welcher in diesem Falle schlittenartig ge-
führt ist) gegen die Sägen oder die Sägen sammt Lagern, Welle und
Riemenscheibe in der oben geschilderten Weise gegen das Arbeitsstück
vorschiebt.
Für die Berechnung des Arbeitsaufwandes für den Betrieb einer
Kreissäge giebt Hart ig die Formel:
') E8 ist eine interessante Erscheinung, dass man mit einer sich sehr
rasch drehenden Schmiedeeisenscheibe, selbst ohne Zähne, im Stande
ist, weit härtere Stahlstäbe im kalten Zustande zu zertheilen.
630 TrennuDgsarbeiten.
JV^=0,62 + bF,
worin F die leicht za beobachtende Schnittfläche in Quadratmetern per
Stunde bedeutet, und
e für rothwarmes Schmiedeeisen = 7,56 Pferdestärken,
„ rothwarmen Stahl . . = 10,9 „
beträgt^
Der durchschnittliche Arbeitsverbrauch für Sägen mittlerer Grösse
kann zu 5 Pferdestärken angenommen werden , wobei eine Eisenbahn-
schiene in etwa 10 Secnnden durchschnitten wird.
Literatur über Sägen.
Ausser den oben (S. 569) gMiannten Werken:
Zeichnungen der Hütte, Jahrg. 1859, Nr. 12; Jahrg. 1861, Nr. 16 p;
Jahrg. 1867, Nr. 18; Jahrg. 1868, Nr. 18.
Petzholdt, Fabrikation von Eisenbahn material, S. 15, Taf. I.
y. Hauer, Hüttenwesensmaschinen, S. 593.
&. Die Feile.
Wenn man sich mehrere Sägen mit gleich grossen Zähnen so neben
einander gelegt und zu einem Ganzen yerbunden denkt, dass sämmtliche
Zahnspitzen in eine Fläche «fallen, so erhält man den Begriff der Feile.
Während die Säge aber vornehmlich den Zweck hat, schmale und tiefe
Einschnitte zu machen, dient die Feile vermöge ihrer beträchtlichen
Breite dazu, ganze Flächen durch Abnahme von dünnen Spänen zu be-
arbeiten. Jene Fläche der Zahnspitzen kann sowohl gerade als gekrümmt
sein; es können mehrere solcher mit Zahnspitzen besetzter Flächen
unter beliebigen Winkeln zusammenstossen und in solcher Weise die
mannigfachsten äusseren Formen für die Feile bilden.
Ordnet man nun die Zähne der Feile in solcher Weise an, dass
jeder derselben, quer über die Feile hinweggehend, die ganze Breite
derselben einnimmt, so besitzen natürlich die genommenen Späne gleich-
falls dieselbe beträchtliche Breite, brechen in Folge dessen schwer ab
und verursachen beträchtlichen Arbeitsaufwand. Deshalb sind solche
Feilen nur für sehr weiche Metalle verwendbar. Man nennt dieselben
aus einem sogleich zu erörternden Grunde einhiebig. Legt man hier-
bei die Breitenrichtung der Zähne (die Schneidkante derselben) nicht
genau rechtwinklig, sondern schräg gegen die Bewegungsrichtung, so
erleichtert man dadurch nach den früher gegebenen Erörterungen das
Abfliessen der Späne und erhält einen scharfem Schneidwinkel, bef5rdert
Feilen.
631
also die Wirkung der Feile, und daher ist diese schräge Lage der
Schneidkanten BegeL
Jene bei harten Metallen nachtheilige Breite der Zähne wird ver-
ringert, "wenn man sie in der Breitenrichtnng theilt, statt eines durch-
gehenden Zahns also mehrere schmale anbringt. Solche Feilen mit schma-
len Zähnen nennt man zweihiebig. Wollte man nun diese Zähne
hinter einander in durchgehenden Längsreihen parallel der Bewegungs-
richtung anordnen, so würde bei der Benutzung jede Zahnreihe eine
einzige Furche auf der Oberfläche des Arbeitsstücks ziehen, und zwischen
zwei solchen Furchen würde eine erhabene Bippe stehen bleiben, ent-
sprediend dem Abstände zweier neben einander befindlicher Zahnreihen.
Zur Vermeidung einer solchen mangelhaften Wirkung der Feile und zur
Erzielung einer yollständig gleichmSssigen Oberfläche giebt man deshalb
auch den Zahnreihen in der Längenrichtung eine gegen die Bewegungs-
richtung der Feile schräge Lage; es tritt dann jedesmal ein folgender
Zahn in den zwischen zwei vorausgegangenen neben einander befind-
lichen Zähnen gelassenen Zwischenraum und nimmt das von diesen stehen
gelassene Metall hinweg.
Aus diesem Verhalten der Feile erklärt sich die Art und Weise
ihrer Anfertigung. Man stellt die Zähne durch Beihen paralleler Ein-
schnitte dar, welche mit Hülfe eines Meisseis unter bestimmtem Winkel
gegen die vorher glatte Oberfiäche angebracht werden und dadurch die
Zähne aufwerfen. Die Einschnitte heissen der Hieb, die Arbeit der
Herstellung das Hauen der Feile.
Eine einhiebige Feile besitzt nur eine Beihe solcher quer durch-
laufender Hiebe, welche einen Winkel von ca. 70 Grad (beziehentlich
110 Grad) gegen die Achse der Feile beschreiben.
Bei zweihiebigen Feilen sind zwei Beihen sich kreuzender ParaUel-
hiebe vorhanden (Fig. 485). Dadurch entsteht jene Theilung der brei-
ten Zähne in mehrere schmale; und indem man der zweiten Hiebreihe
Fig. 485.
eine andere Neigung gegen die Feilenachse g^ebt als der ersten, wird
jene Bedingung erf&llt, dass die Zähne nicht in Längsreihen angeordnet
sein dürfen, welche der Bewegnngsrichtung parallel sind. Bei der An-
fertigung werden zuerst diejenigen Einschnitte angebracht, welche von
oben rechts nach unten links laufen, wenn man die Feile quer vor sich
hinlegt. Dieselben heissen Grundhieb oder Unterhieb und pflegen
632 Trennungsarbeiten.
mit der Mittellinie der Feile Winkel von ungefähr 52 besiehentlich
128 Graden zu bilden. Die dnrch den Unterhieb aufgeworfenen Kanten
werden durch Schleifen etwas abgestumpft und dann die andere Reihe
Einschnitte angebracht, welche Oberhieb oder Kreuzhieb genannt
werden und mit der Mittellinie Winkel von etwa 70 beziehentlich 110 Gra-
den einschliessen. Die Kanten des Oberhiebes bleiben scharf und bilden
die eigentlichen Schneidkanten.
Wie bei den Sägen müssen die Abstände der Zähne von einander
um so gröBser sein, je weniger spröde das Metall ist, je längere Späne
also entstehen. Andererseits aber können die Zähne um so grösser (der
Hieb um so tiefer) sein, je grösser ihr Abstand ist; und je grösser die
Zähne sind, desto stärkere Späne können genommen werden, desto mehr
wird die Arbeit gefördert. Mit der Grösse und dem Abstände der Zähne
von einander wachsen aber naturgemäss auch die Abstände zwischen je
zwei von der Feile gezogenen Parallelschnitten auf der Oberfläche des
Arbeitsstücks, und desto deutlicher erkennbar werden deshalb diese fur-
chenartig neben einander hinlaufenden Einschnitte — Feilstriche ge-
nannt — erscheinen. Je genauer die Oberfläche daher bearbeitet werden
soll, und je weniger erkennbar die Feilstriche sein dürfen, desto feiner
und näher bei einander liegend müssen die Zähne der Feile sein; und
man pflegt deshalb bei der Bearbeitung zuerst mit einer groben Feile
zu schroppen und dann durch Schlichten mit allmälig feiner werdenden
Feilen die Spuren des Schroppens wegzunehmen.
Um die Arbeit mit jenen gpröberen Feilen noch mehr zu fördern,
pflegt man ihnen etwas schärfere Schneidkanten als den zum Schlichten
bestimmten zu geben. Nach Karmarsch setzt man bei dem Hauen
jener den Meissel unter einem Winkel von 78 Graden gegen die Feilen-
oberfläche ein, bei den feinsten Feilen unter einem Winkel von 86 Grraden.
Das Material zu den Feilen ist Tiegelgussstahl, nach dem Hauen
gehärtet ohne angelassen zu werden, also glashart. Nur die ganz gröb-
sten Feilen werden aus Schmiedeeisen mit verstahlter Oberfläche gefer-
tigt. Da die Feile an und für sich genug Steifigkeit besitzt, ist der bei
der Säge erforderliche Bogen entbehrlich, und zur Handhabung dient
ein hölzerner Griff*, welcher über eine am Ende der Feile angeschmiedete
spitzige Angel gesteckt wird. Damit diese schwächere Angel nicht in
Folge der grossen Sprödigkeit des gehärteten Stahls abspringe, lässt man
sie an, bevor man die neue Feile in Gebrauch nimmt, indem man sie
mit dem glühend gemachten Maule einer Schmiedezange erfasst.
Ist die Feüe durch langem Gebranch stumpf geworden, so wird sie
geglüht, die Zähne werden abgeschliflen und neue Zähne eingehauen
(Aufhauen der Feilen), bis schliesslich die immer mehr abnehmende
Stärke diesem erneuten Aufhauen ein Ziel setzt.
In der Mitte ihrer Länge sind die meisten Feilen ein wenig ge-
baucht, theils weil dort die grösste Gefahr hinsichtlich des Zerbrechena
vorhanden ist, dann auch, weil die grösste Abnutzung in der Mitte statt-
Feilen. 633
findet, endlich, weil solche in der Mitte etwas stärkeren Feilen sich beim
Härten weniger leicht krumm ziehen als ganz flache.
Nach der Grosse der Zähne nnd ihrem Abstände von einander unter-
scheidet man:
Groben Hieb (grobe Feilen, Armfeilen, Strohfeilen; letztere so ge-
nannt, weil sie in Stroh verpackt* in den Handel kommen).
Mittelhieb (Bastardfeilen oder Yorfeilen).
Feinen Hieb (Schlichtfeilen und Feinschlichtfeilen).
Vorstehende Abstufungen sind jedoch relative Begriffe und von der
Länge der Feilen abhängig. Während eine Feile von 500 Mm. Länge excl.
der Angel schon zu den Schlichtfeilen gezählt zu werden pflegt, wenn
sie auf 25 Mm. Länge 60 Oberhiebeinschnitte enthält, bedarf eine nur
100 Mm. lange Feile fast der doppelten Zahl Einschnitte, um als Schlicht-
feile gelten zu können, und enthält als Feinschlichtfeile sogar mehr als
200 Einschnitte in derselben Länge ; während eine Armfeile von 500 Mm.
Länge oft nicht mehr als 20 Oberhiebeinschnitte auf 25 Mm. Länge
aufweist, wird eine 100 Mm. lange Feile schon zu den Grobfeilen ge-
zählt, wenn sich noch 60 Hiebe auf jener Länge befinden , u. s. f. Auch
die Gewohnheiten der einzelnen Länder und selbst Fabriken sind häufig
für die Classification entscheidend.
Auf 1 Qcm. Fläche bezogen ergiebt sich die Anzahl der Zähnchen
bei groben Feilen 60 bis 450 (je länger die Feile, desto geringer die
Anzahl);
bei Bastardfeilen 160 bis 800.
bei Schlicht- und Feinschlichtfeilen 450 bis 6500.
Man sieht aus allen diesen Angaben, dass obige Begriffe ziemlich
dehnbar sind und es unmöglich ist, eine scharfe Grenze zwischen den
einzelnen Gattungen zu ziehen.
Weit zahlreicher und dennoch schärfer einzelne Sorten kennzeich-
nend sind die Benennungen der Feilen hinsichtlich ihrer äussern Form.
In Folgendem mögen die wichtigsten derselben, welche für allgemeine
Verwendung dienen, unter Benutzung einer von Karmarsch gegebenen
Zusammenstellung kurz charakterisirt werden; eine grosse Anzahl nicht
genannter Sorten dienen lediglich speciellen Zwecken (z. B. Uhrmacher-
feilen, Goldarbeiterfeilen, Messerschmiedfeilen u. a.).
Viereckige oder vierkantige Feilen. Der Querschnitt ist qua-
dratisch , alle vier Flächen sind gehauen. Zu dieser Sorte gehören die
schon erwähnten Armfeilen , die gröbsten aller Feilen , 300 bis 600 Mm.
lang, in der Mitte 25 bis 50 Mm. im Quadrate stark, nach beiden Enden
hin verjüngt und vom in eine Spitze auslaufend. Auch Bastard- und
Schlichtfeilen von dieser Form und bis zu 75 Mm. Länge hinab finden
Verwendung zur Ausarbeitung viereckiger Ausschnitte und Oefinungen.
Flache Feilen, Ansatz- oder Handfeilen, mit rechteckigem
Querschnitte, wenig gebaucht und fast in der ganzen Länge gleich breit.
Die beiden breiten und eine schmale Seite sind gehauen, die zweite
634 Trennungsarbeiten.
schmale Seite ist dagegen ohne Hieb. Es ist diese Eigenthümlichkeit
der Ansatzfeilen dadnrch begründet, dass dieselben zum Ausfeilen recht-
winkliger Ansätze gebraucht werden, wobei die nicht gehauene Seite
deijenigen Fläche des Arbeitsstücks zugekehrt ist, welche nicht beschä-
digt werden dar£ Die meisten dieser Feilen sind Bastard- und Schlicht-
feilen von 75 bis 400 Mm. Länge. Zur Bearbeitung weicher Metalle
(Blei, Zinn, Zink) benutzt man einhiebige Feilen, deren Hieb weniger
leicht durch die Späne jener Metalle verstopfk wird. Dieselben werden
Zinnfeilen genannt.
Spitzfeilen. Der Querschnitt ist ebenfaUs rechteckig, die Form
bauchig und vom spitz zulaufend. Alle vier Seiten pflegen gehauen zu
sein. Hierher gehören die grob gehauenen flachen Strohfeilen, in
kleinen Grossen auch Bastard- und Schlichtfeilen.
Dreieckige oder dreikantige Feilen mit gleichseitig-dreiecki-
gem Querschnitte, Hieb auf allen drei Flächen, vom spitz zulaufend.
Solche dreieckige Feilen kommen vorwiegend als Bastard- und Schlicht-
feilen in kleinen Grössen vor, bisweilen werden jedoch auch grossere
dreieckige Strohfeilen gebraucht. Ihre hauptsächliche Verwendung finden
sie beim Ausfeilen spitzer Winkel. Wenn man den dreieckigen Feilen
statt der scharfen Kanten schmale gebrochene Kanten giebt, welche ein-
hiebig gehauen sind (so dass der Querschnitt durch ein Sechseck mit drei
langen und drei kurzen Seiten gebildet wird), so nennt man sie Säge-
feilen und benutzt sie zum Schärfen der Sägezähne.
Halbrunde Feilen. Der Querschnitt hat die Form eines Kreis-
abschnitts, dessen Bogen 90 bis 120 Grad gross zu sein pflegt; seltener
ist ein Halbkreis oder ein Bogen von erheblich geringerer Grösse als 90
Grad. Feilen der letztem Art heissen wegen der geringen Krümmung
flach-halbrunde Feilen. Beide Seiten der halbrunden Feilen sind ge-
hauen; auf der gekrümmten Seite besteht der Hieb nicht wie auf ebenen
Flächen aus durchlaufenden Linien, sondern aus einzelnen kürzeren Ein-
schnitten; und bei Schlichtfeilen meistens nur aus dem Oberhiebe. Vom
endigen die halbrunden Feilen in eine Spitze. Man hat halbrunde Feilen
in allen Abstufungen des Hiebes, vorwiegend jedoch mit Mittel- und fei-
nem Hiebe und benutzt sie zum Ausfeilen concaver Flächen. Kleine halb-
runde Feilen, bei denen nur die flache Seite gehauen, die runde platt ist,
benutzt man zum Ausfeilen der Zähne an kleinen Rädern und nennt sie
Wälzfeilen.
Runde Feilen mit kreisförmigem Querschnitte, in der Mitte ge-
baucht, vom spitz. Der Hieb ist wie auf der gekrümmten Fläche der
halbrunden Feilen nur aus einzelnen kurzen Einschnitten zusammenge-
setzt und bei Schlichtfeilen nur einhiebig. Grosse Rundfeilen (Strohfeilen)
sind selten; ganz kleine werden Rattenschwänze genannt. Im All-
gemeinen finden runde Feilen seltenere Verwendung als die halbrunden,
und es beschränkt sich dieselbe auf das Ausfeilen runder Oeffnungen.
Feijen. 635
Sämmtliche Feilen dienen aasschlieBslich als Werkzeuge für Hand-
arbeit. Beim Gebrauche derselben wird das Heft mit der rechten Hand
gehalten und die linke Hand drückt mit dem Ballen oder einzelnen Fingern
bei der Vorwärtsbewegung auf das andere Ende , um den erforderlichen
Druck und somit eine während des Schneidens ununterbrochen thätige ge-
ringe Schaltbewegung hervorzubringen. Beim leeren Rückgange lässt man
natürlich die Feile leicht über die Arbeitsfläche hinweggleiten. Das Ar-
beitsstück wird dabei im Schraubstocke oder Feilkloben eingespannt. Beim
Feilen ganz feiner Arbeiten in Stahl und Schmiedeeisen wendet man bis-
weilen Oel an, um glattere Flächen zu erzeugen. Das Oel setzt sich hier-
bei mit den feinen Spänchen in den Einschnitten des Hiebes fest und lässt
nur die äussersten Spitzen der Zähnchen zum Angriffe kommen.
unter den Werkzeugen des Metallarbeiters für Vollendung der Form
bildet die Feile das am häufigsten benutzte. Ueberall, wo bei Bearbei-
tung Yon Flächen der Meissel zu unvollkommen, der Stichel zu langsam
arbeitet; wo eine Werkzeugmaschine entweder nicht zur Verwendung
steht oder die Oestalt der Flächen ihre Benutzung unthunlich erscheinen
lässt; endlich auch in allen denjenigen Fällen, wo die Grösse des Arbeits-
stücks oder der zu bearbeitenden Fläche und somit die für die Bearbei-
tung aufzuwendende Arbeit nicht mit dem immerhin unvermeidlichen
24eitverln8te des Einspannens auf der Werkzeugmaschine im Verhältnisse
steht, greifk der Arbeiter zur Feile und vollendet in verhältnissmässig
kurzer Zeit und mit grosser Sicherheit seine Aufgabe. Andererseits aber
sind die Feilen unter allen Werkzeugen, welche an ihrer Stelle benutzt
werden können, die kostspieligsten durch ihr Material, ihre Herstellung
und verhältnissmässig rasche Abnutzung; und wo deshalb jene Gründe
für Benutzung der Feile nicht vorhanden sind, insbesondere, wo grössere
Flächen bearbeitet werden sollen, oder wo bei massenhafter Anfertigung
gleicher Gegenstände die Einrichtung geeigneter Werkzeugmaschinen für
Specialzwecke beträchtliche Ersparnngen an Werkzeugmaterial, Zeit und
Arbeit erwarten lässt, wird man die Feile bei Seite legen und billiger
dabei arbeiten.
Dass für eine grosse Anzahl Vorkommnisse besonders die als Feil-
maschine benannte Hobelmaschine die Feilarbeit in vorzüglicher Weise zu
ersetzen im Stande ist, wurde schon bei Besprechung dieser Maschine
hervorgehoben.
Literatur über Feilen.
Karmarsch-Hartig, Mechanische Technologie, Bd. I, S. 345.
Hoyer, Mechanische Technologie, S. 350.
636 Trennungsarbeiten.
e. Gerftthe zum Drehen.
Wie der Ausdruck „Drehen" andeutet, findet bei den hierher ge-
hörigen Arbeiten eine umlaufende Bewegung um eine Achse statt; und
zwar macht in allen Fällen das Arbeitsstück diese als Drehung auftre-
tende Hauptbewegung, das Werkzeug, welches in einem mit entsprechend
geformter Schneidkante versehenen Stahle — Drehstahl oder Meissel ge-
nannt — besteht, die Schaltbeweguug. Wird diese letztere parallel der
Richtung der Drehungsachse des Arbeitsstücks ausgeführt, so entsteht ein
Cylinder, dessen Halbmesser gleich dem Abstände der Schneidkante von
der Drehungsachse ist, und man nennt diese Arbeit Runddrehen; erfolgt
die Schaltbewegung in einer rechtwinklig die Drehungsachse schneidenden
Ebene, den Stahl mehr und mehr der Achse näher führend, so entsteht
eine ebene Fläche, welche gleichfalls rechtwinklig gegen die Drehungs-
achse gerichtet ist (Plandrehen); durch Combination beider Bewegun-
gen, also indem das Werkzeug in einer durch die Drehungsachse geleg-
ten Ebene nach einer sich derselben beliebig nähernden oder von der-
selben entfernenden Linie fortbewegt wird, entstehen Rotationskörper
der mannigfachsten Art, deren Profil durch die Form jener Linie gegeben
ist. Wird ein hohler Rotationskörper (Cylinder, Kegel etc.) an seiner
Innenfläche durch entsprechende Führung des Werkzeugs, während sich
der Körper um seine Achse dreht, bearbeitet, so heisst die Arbeit Aus-
drehen. Endlich ist noch der Fall denkbar, dass auch während eines
Umlaufs des Arbeitsstücks der Abstand des Werkzeugs von der Dre-
hungsachse nicht oonstant bleibt, also^z. B. eine Ellipse um die Achse
beschrieben wird, wobei dann ein Körper entsteht, dessen Querschnitt
nicht mehr kreisrund, sondern jener Bewegpong entsprechend gestaltet ist;
diese Art des Drehens heisst allgemein Passigdrehen und für jenen
besondem Fall Ovaldrehen.
Bei allen hierher gehörigen Geräthen liegt die Drehungsachse hori-
zontal, und ebenso erfolgt die Bewegung des Werkzeugs in horizontaler
Richtung. Die Schaltbewegung geschieht nicht ruckweise nach einmali-
gem Umgänge, sondern ununterbrochen so lange, bis das Werkzeug am
Ende seiner Bahn auf der Bearbeitungsfläche angelangt ist; daher be-
schreibt die Spitze desselben eine Schraubenlinie beim Runddrehen, eine
Spirale beim Plandrehen.
Das kleinste der zum Drehen dienenden Geräthe ist der yon Uhr^
machem und Mechanikern zum Runddrehen sehr kleiner Gegenstände be-
nutzte DrehstuhL Figur 486 zeigt eine Abbildung eines solchen in
ungeführ Vs ^^^ wirklichen Grösse. Auf dem prismatischen Stahl- oder
Eisenstäbchen C befinden sich die zwei „Docken" Aund B, die erste mit
Hülfe einer Hülse verschiebbar und mit einer Klemmschraube zum Fest-
stellen Yersehen, die andere mit dem Prisma fest verbunden und einen
Ansatz h tragend, vermittelst dessen der ganze Apparat in den Schraub-
Drehstuhl 637
stock eingespannt wird. Jede der beiden Docken trägt ein Stahlstäbchen
mit conischer einander zugekehrter Spitze a and &; beide Stäbchen be-
p. ^gg finden sich in durchaus gleicher Höhe über
dem Prisma, sind in entsprechenden Boh-
^ ^ rnngen der Docken in horizontaler Rich-
tung Terschiebbar und werden durch Klemm-
schrauben festgestellt. Zwischen beiden
Spitzen wird das Arbeitsstück, welches zu-
vor an den entsprechenden Stellen mit dem
Kömer zwei schwache Grübchen erhalten
hatte, eingeklemmt und die durch die Spitzen gelegte Linie bildet die
Drehungsachse desselben. Es kommt also nun darauf an , die Drehung
hervorzubringen. Zu diesem Zwecke versieht man das Arbeitsstück mit
einem Schnurröllchen aus Messing oder Eisen, sei es, dass dieses mit
einer Hülse über das Ende des Arbeitsstücks geschoben ist, oder dass
es mit Loth oder Klebstoff an der Stirnseite des Arbeitsstücks befestigt
wird; oder in anderer Weise. Um dieses Röllchen wird eine feine Schnur
geschlungen — bei den feinsten Arbeiten ein Rosshaar, bei weniger fei-
nen eine Darmsaite — , deren beide Enden in einem kleinen Bogen aus
Fischbein, Rohr oder dergleichen befestigt sind. Durch Hin- und Herbewe-
gung des Bogens mit der einen Hand wird demnach das Röllchen mit dem
Arbeitsstücke abwechselnd vorwärts und rückwärts gedreht, während
die andere Hand den Schneidstafal führt. Nur bei einer der beiden
Drehungsrichtungen kann der Stahl schneiden; während der andern
wird er zurückgezogen und der Rückgang findet leer statt.
Zwischen beiden Docken ist zur Unterstützung des Werkzeugs die
„Auflage" D mit einer Hülse auf das Prisma aufgeschoben und durch
eine Klemmschraube festgestellt. Dieselbe enthält die „ Krücke'' d, auf einem
senkrechten Stifte befestigt, welcher in einer Bohrung des Gussstücks be-
weglich, mit Schraubengewinde versehen ist und mit Hülfe einer kleinen,
vor Verschiebung gesicherten Schraubenmutter höher und niedriger ge-
stellt werden kann.
Der Drehstuhl ist einfach in seiner Anordnung, beansprucht sehr
wenig Platz, und ist deshalb besonders in solchen Werkstätten ein un-
entbehrliches Geräth, wo — wie z. B. in den meisten Uhrmacherwerk-
stätten — der Platz beengt ist, und es darauf ankommt, feine Dreh-
arbeiten am Schraubstocke selbst auszuführen.
Von dem Drehstuhle unterscheidet sich die Drehbank im Wesent-
lichen dadurch, dass bei ihr die Hauptbewegung (Drehung) ununter-
brochen in gleicher Richtung fortgeht, jene Pausen bei der Arbeit also
in Wegfall kommen, welche beim Drehstuhl während des Rückgangs
eintreten. Hierin liegt ein erheblicher Vortheil der Drehbank, welcher
im Allgemeinen um so mehr Bedeutung erlangt, je grösser das zu dre-
hende Stück ist; aber diese stetige Bewegung erfordert auch in der aller-
einfaohsten Anordnung einen etwas weniger einfachen Mechanismus, in
638 Trennungsarbeiteu.
Folge desBen die Drehbank kostspieliger wird und auch in kleinen Aus-
fülimngen etwas mehr Raam ala jener beanepmcht.
Wenn daher die Drehbank für jene feinsten Arbeiten nicht immer
den Drehstnhl zn ersetzen im Stande ist, so bildet sie andererseits ein
anentbehrlicbes Hölfamittel in den weit zahlreicheren Fällen, wo Gegen-
etfinde gedreht werden sollen, deren Grösse der zarten Constraction des
Drehstnhls nicht mehr entspricht.
Anch anf der Drehbank werden beim Rnnddrehen die Arbeitsstücke
zwischen zwei Spitzen wie beim Drehstuhle eingespannt; w&hrend aber
Fig. 487, bei letzterm —
wenigstens bei
dem oben abge-
bildeten — die
Spitzen fest liegen
und nnr das Ar-
beitsstQ ck sich zwi-
schen ihnen dreht
(todte Spitze), wird
bei der Dretibank
fast immer die eine
der beiden Spitzen
(d. h. der horizon-
talen St&bchen mit
coniecher Spitze)
gedreht und über-
trftgt mit Hälfe
eines sogenannten
Mitnehmers , des-
sen Einrichtnng
unten ansföhr-
licher besprochen
werden wird, ihre
Drehung anf das
: Arbeitsstück. Da-
; durch wird aller-
dings die Genauig-
keit der Arbeit erschwert; denn jede kleine Aenderong der Spitzenlage hei
der Drehung Überträgt sich sofort auf das Arbeitsstück, und das geringste
„Schlottern" der Spitze in ihrem Lager hat eine excentrisohe Bewegung
des Arbeitsstücks zur Folge. Wenn es deshalb auf sehr genaue Arbeit
ankommt, werden auch bei den Drehbänken beide Spitzen festgestellt
und die Bewegung von einer Rolle mit Hülfe des Mitnehmers auf das
Arbeitsstflck übertragen, welches sieb zwischen den Spitzen dreht.
Bei den kleinsten Drehbänken wird wie bei dem Drehstuhle die Hanpt-
bewegung durch die eine Hand des Arbeiters und zwar durch Drehung
Drehbänke. 639
einer Kurbel bewirkt, während die andere Hand die Sohaltang des Werk-
zeuge anaführt; bei grösseren Drehbänken erfolgt die Hanptbewegnng von
einem Trittbrette ans, welches dnrob Schnbstange nnd Kurbel eine Sohnnr-
roUe mit Schwangrad treibt, nnd es bleiben beide Hände znrFühmng des
Werkzeugs verwendbar (Fusstrittdrehbänke); bei noch grösseren, nnd
diese bilden die Mehrzahl aller Drehb&nke, erfolgt die Hauptbewegung
von einer durch Elementarkraft betriebenen Transmission aus, die
Bewegung des Werkzeugs entweder von Hand (Handsupportdreh-,
b&ake) oder häufiger durch die Maschine selbst (Leitspindelsupport-
drehb&nke und Zabnstangensupportdrehbänke, je nachdem die
üebertragnng durch diesen oder jenen Mechanismos ausgeführt wird).
Jede Drehbank enthält folgende Hanptthaile (vergl. Fig. 487 nnd
488, eine Fosstrittdrehbank ans der Chemoitzer Werkzengmascbinea-
fabrik darstellend):
Das Bett A, ans zwei gnsseisemen Wangen bestehend, welche an
den Stirnseiten und bei grösseren Drehbänken auch zwischen denselben
in entsprechenden Abständen dnrch QneratQcke verbunden nnd mitdiesea
in einem Stfloke gegossen sind. Dia oberen Flächen des Betts sind glatt
640 Trennungsarbeiten.
gehobelt, mit den unteren ruht es anf gasseiBemen Füssen, die bei sehr
grossen Drehbänken durch einen gemauerten Untersatz ersetzt werden.
Bei den kleinsten Drehbänken ist das Bett durch einen prismatischen
gusseisemen Stab ersetzt, ganz so geformt wie bei den Drehstühlen,
welcher in zwei auf den Füssen befestigten Lagern ruht, und auf welchem
die übrigen für die Bewegung des Arbeitsstücks und Unterstützung des
Werkzeugs dienenden Drehbankstheile ebenso aufgeschoben sind, als es
bei den Drehstühlen beschrieben wurde. Solche Drehbänke heissen
Prismadrehbänke.
Auf dem Bette befinden sich zunächst die beiden Docken B und C
Diejenige derselben, welche sich zur linken Seite des vor der Drehbank
stehenden Arbeiters befindet (jB), trägt eine horizontale kurze Welle, die
Drehbankspindel oder kurz Spindel genannt, auf welcher die für
den Antrieb dienende Stufenscheibe oder Schnurrolle befestigt ist; und
man nennt deshalb diese Docke Spindeldocke, Spindelkasten oder
Spindelstock. Die rechts von dem Arbeiter befindliche Docke, zur
Aufnahme eines kurzen mit conischer Spitze versehenen cylindrischen
oder prismatischen Stabes, welcher Reitnagel oder Pinne genannt wird,
dienend, heisst Spitzdocke oder Reitstock.
Damit die Spindel in der Docke B eine durchaus feste Auflagerung
erhalte, besteht die letztere aus zwei in einem Stücke gegossenen Lager-
böcken mit Metalllagern, in welchen die abgedrehten Enden der Spindel
ruhen ; und zwischen beiden Lagern in der Mitte befindet sich die Scheibe
für den Antrieb. Eine Stufenscheibe ist erforderlich, um für die ver-
schiedenen Durchmesser der Arbeitsstücke die geeignetste Umfangs-
geschwindigkeit einrichten zu können; gewöhnlich bringt man in der
schon früher (Seite 563) geschilderten Art und Weise neben der Stufen-
scheibe zwei Paar Getriebe an, um die Umdrehungszahl der Spindel
noch veränderlicher zu machen. Auch die abgebildete Drehbank enthält
diese Einrichtung. Auf der Drehbankspindel / befindet sich einestheils
das Stirnrad ^, fest jnit ihr verbunden, und daneben, drehbar auf/, die
Stufenscheibe mit langer Nabe, auf welcher ein Getriebe k festsitzt. Pa-
rallel mit der Drehbankspindel ist eine kurze Welle in dem Spindel-
stocke gelagert, welche ein mit h im Eingrifie stehendes Zahnrad i und
ein mit g zusammen greifendes, in der Abbildung nicht ersichtliches Ge-
triebe trägt. Das Rad g lässt sich durch eine Schraube mit Flügel-
mutter mit der Stufenscheibe in feste Verbindung setzen und wird dann
die Bewegung der letztern ohne Weiteres auf die Spindel übertragen,
während das Rad i mit dem dahinter liegenden Getriebe durch eine Ver-
schiebung ihrer Welle ausser Eingriff gebracht werden; wird aber die
Verbindung zwischen Stufenscheibe und Rad g durch Herausnehmen des
Schraubenbolzens gelöst und die Zwischenräder eingerückt, so wird die
Bewegung erst durch der letzteren Vermittelung auf das Rad g und die
Drehbankspindel übertragen, mithin die Bewegung verlangsamt. Die
Spindel wird aus Schmiedeeisen oder Stahl gefertigt und sorgfaltig ge-
Drehbank. 641
dreht. Baa rechte Ende deraelben, Spindelkopf geDatmt, rfigt am
einige Centimeter ans der Docke hervor nnd trägt einen knrzen, mit Ge-
winde genau centrisch eingeschraabten Stahlkegel, die Spitze, der Bohon
erw&hnten zweiten Spitze dee Rbitatocks zngekehrt nnd mit ihr genan
in gleicher Achsen richtong und Höhenlage über der Oberkaute desBetta.
Dieser Abstand zwischen Bettoberkante nnd der dnrch beide Spitzen
gehenden geraden Linie bestjuinit den Halbmesser, welchen das grSsste
anf der Drehbank zu drehende Arbeitsstück besitzen kann und heiget
Spitzenhöbe. DerSpindelkopf ist an seiner Aussenfl&che mit Schraaben-
gewinde versehen und anf demselben ist eine Scheibe oder ein Arm mit
einem parallel der Drehbanksacbse gerichteten schmiedeeisernen Stifte anf-
geschraubt (vergl. Fig. 488), welcher als Mitnehmer für das Arbeitsstück
dient, indem er hinter einen angegoseenen (angeschmiedeten etc.) oder
einen besonders zn diesem Zwecke aufgesteckten Knaggen desselben greift.
Soll die Drehbank zum Plandrehen benatzt werden, d. h. zur Her-
stellung einer grCssem senkrechten und gegen die Achsenrichtang der
Drehbank rechtwinklig gerichteten Ebene, wobei das Einspannen zwi-
schen Spitien gewöhnlich nicht mehr thnnlich ist, so wird an Stelle die-
ser Mitnehmerscheibe eine grössere, znm Aufspannen des Arbeitsstücks
dienende Scheibe auf den Spindelkopf aufgeschraubt, welche Plan-
scheibe genannt wird und weiter nnten aasführlicher besprochen wer-
den soU. Die Planscheibe dient ansserdem zur Befestigung beim Rnud-
drehen solcher Arbeitsstücke, deren Durchmesser gross, deren Länge in
der Achsenrichtung kurz ist, z. B. RSdera^ u. dergl.
Um jeder Verschiebung der Drebbanksspindel nach links vorzubeugen,
durch welche das eingespannte Arbeitsstück seinen Halt verlieren würde,
ist an der linken Seite der Spindeldocke ein Bügel k mit Druckschraube
angebracht, welche mit stumpfer Spitze gegen das Spindeleude drückt
Die Spind eil ager sind bei vielen Drehbänken wie gewöhnliche
Zapfenlager conatruirt und werden durch anf geschraubte Deckel in der
Docke festgehalten, wobei jedoch beim Auslaufen der Lagerschalen leicht
ein Schlottern der Spindel eintritt Grössere Sicherheit für das Qond-
lanfen des Arbeitsstücks giebt daher die in Fig. 489 in grösserm Maass-
Stabe abgebildete Con-
*'^- *^*- struotion einer Spindel-
docke. Beide Lager-
zapfen der Spindel sind
conisch , nnd zwar ist
der rechte ohne Weiteres
oonisch angedreht, der
linke dagegen mit einer
aufgesteckten, aussen
oonischen Hülse ver-
sehen, weil es sonst nn-
mSglioh sein würde, die
Iisdabnr. in«luiilKb-m«UUntvluha Ttclinolocie. f\
642 Trennungsarbeiten.
Spindel in die Docken und Lagerschalen hineinzubringen, welche hier
nicht wie gewöhnliche Lager getheilt und mit Deckel versehen sind, son-
dern aus ganzen Stücken bestehen. Durch eine Mutter q wird das Zu-
rückgehen des übergeschobenen Conus verhindert und derselbe so fest
in das conische Lager hineingedrückt, dass jedes Schlottern der Spindel
unmöglich wird, p ist ein kleines Getriebe, um eine selbstthätige Schal-
tung auf das Werkzeug zu übertragen; r der oben erwähnte Steg mit
Druckschraube.
Der dem Spindelstocke gegenüberstehende Reitstock 0, Fig. 488, be-
steht aus einer gusseisemen ausgebohrten Hülse, in welcher der Reitnagel in
wagerechter Richtung verschoben werden kann, mit angegossenem Fasse.
Der Reitnagel passt genau in jene Bohrung hinein und wird durch Dre-
hung eines Handrads vor- und rückwärts bewegt, um das Arbeitsstück
einspannen oder losnehmen zu können. Bei dem abgebildeten Reitstocke
ist die nach dem Ende der Drehbank zugekehrte Hälfte des Reitnagels
mit Schraubengewinde und die Nabe des Handrädchens mit Mutter-
gewinde versehen; bei einer andern gebräuchlichen Einrichtung ist der
Reitnagel hohl und trägt eine Schraubenmutter, während das Handrad
auf dem Ende einer Schraubenspindel befestigt ist, deren Drehung die
Horizontalbewegung des Reitnagels bewirkt. Selbstverständlich muss in
beiden Fällen das Handrad durch einen an seiner Nabe vorstehenden
Rand mit übergreifendem, am Reitstocke befestigtem Deckel, welcher
seine Drehung nicht behindert, vor geradliniger Fortbewegung geschützt
sein. Eine Klemmschraube x verhindert während der Arbeit ein selbst-
thätiges Zurückgehen des Reitnagels. Die Stahlspitze des Reitnagels ist.
bei der abgebildeten Drehbank mit Schraubengewinde in demselben
befestigt.
Um Arbeitsstücke von verschiedener Länge zwischen den Spitzen
einspannen zu können, lässt sich der Reitstock in der Achsenrichtung der
Drehbank verschieben (wobei ihm durch Führungsleisten seine richtige
Stellung gewahrt bleibt) und wird durch eine Schraube, deren breiter
Kopf unter angegossene Leisten der Wangen greift oder in ähnlicher
Weise in der geeigneten Stellung festgehalten, während die Spindeldocke
naturgemäss ihren der Bewegungsübertragung entsprechenden Platz un-
verändert beibehält.
Es bedarf kaum einer Erwähnung, dass der Reitstock entbehrlich
wird, wenn die Drehbank zum Plandrehen benutzt werden soll« Man
nennt Drehbänke wie die abgebildete, welche vorzugsweise zum Rund-
drehen zwischen Spitzen bestimmt sind, Spitzendr ebb änke, solche, die
ausschliesslich oder doch hauptsächlich zum Plandrehen bestimmt sind, bei
denen also der Reitstock fehlt oder doch nur ausnahmsweise benutzt wird,
Plandrehbänke, solche endlich die ebensowohl zum Plan- als Rund-
drehen benutzt werden können, Plan- und Spitzendrehbänke oder
combinirte Drehbänke.
^v
Drehbank. 643
Zwischen beiden Docken oder bei Planscheibendrehbänken neben
der Spindeldocke befindet sich als dritter Haupttheil jeder Drehbank der
Snpport oder Werkzeughalter D« Bei den kleinsten Drehbänken ist der-
selbe durch eine krückenformige Auflage oder Vorlage ersetzt, ähn-
lich wie sie bei dem Drehstnhle beschrieben wurde, nur als Unterstützung
für das, übrigens in freier Hand geführte, Werkzeug dienend; bei
der abgebildeten Drehbank ist das Werkzeug fest eingeklemmt und auf
Schlitten in zwei Richtungen in horizontaler Ebene von Hand beweglich.
Auf dem Bette ruht zunächst der langgestreckte Fuss l des Werkzeug-
halters, zum Verschieben eingerichtet und durch eine Schraube, deren
nach unten stehender breiter Kopf in Fig. 487 zu sehen ist, auf dem
Bette festgehalten. Der Bolzen der soeben erwähnten Schraube dient
zugleich als Drehungsachse, um den Fuss auch im Winkel gegen die
Achsenrichtung der Drehbank anstellen zu können, wobei dann natürlich
auch die Bewegungsrichtung des Werkzeugs unter entsprechendem Win-
kel erfolgt; und zwei kleinere Schrauben, deren eine in Fig. 488 zu
sehen ist, bewirken erst nach erfolgter richtiger Einstellung des Fusses
das Festklemmen desselben. Auf dem Fusse gleitet in Prismenführung
der Schlitten m, durch Schraubenmutter und Spindel bewegt, welche
letztere in dem Fusse gelagert ist und durch eine Handkurbel gedreht
wird. In dem obem mit starker seitlicher Ausladung versehenem Theile
des Schlittens m ist eine zweite Schraubenspindel mit Handkurbel be-
festigt, welche den gleichfalls in Prismenführungen gleitenden zweiten
Schlitten n in einer normal gegen die Bewegungsrichtung von m gekehr-
ten Richtung bewegt. In den meisten Fällen wird der Fuss l so ein-
gestellt sein, dass m genau rechtwinklig, n parallel zu der durch die
Drehbanksachse gelegten Verticalebene geführt ist. Solche Supporte mit
zwei rechtwinklig gegen einander in Horizontalebenen verschiebbaren
Schlitten werden allgemein „Kreuzsupporte" genannt. Auf n befindet
sich endlich der Deckel o, durch eine starke Druckschraube auf den
zwischen Deckel und Schlitten gesteckten Drehstahl gepresst und an
seiner Unterseite mit Zähnchen versehen, um den Stahl desto sicherer
festzuhalten.
Die Bewegung der abgebildeten Drehbank erfolgt von dem Tritt-
brette aus, welches durch eine einfach geformte Zugstange die gekröpfte
horizontale Welle betreibt, auf welcher das hinreichend schwer con-
struirte, zugleich als Schwungrad dienende Schnurrad befindlich ist. Von
hier aus wird die Bewegung auf die schon erwähnte kleinere Schnurrolle
(Wirtel) der Drehbanksspindel übertragen.
Zur Erläuterung der Einrichtung einer grössern Spitzendrehbank mit
selbstthätiger Schaltung können die in den Figuren 490 bis 493 gegebenen
Abbildungen dienen i). Der Antrieb geschieht hier von einer Deckentrans-
mission aus auf die Stufenscheibe e und von dieser aus wieder, je nach-
^) Hart, Werkzeugmasohinen, Taf. 5.
41*
644 Trennongsarbeiten.
dem das Arbeitsstück grösser oder kleiner im Durchmesser ist, entweder
direct auf die Drehbanksspindel , nachdem das auf derselben festsitzende
Rad « mit e gekuppelt worden ist; oder für langsamen Gang durch
Uebertragung vermittelst der Räder/, g^ h auf i. Die Ausrückung der
Bewegung für langsamen Gang geschieht hier nicht, wie hei der früher
beschriebenen Maschine durch Verschiehung der Rader in der Achsen -
richtung, sondern in folgender Weise. Die Welle der Räder g und h ist
hohl und steckt drehbar auf einer Spindel mit excentrischen Zapfen.
Der eine dieser beiden Zapfen endigt in einem aus dem Lager vorstehenden
Vierkant, welches mit Hülfe eines übergesteckten Schlüssels gedreht
werden kann. In Folge der Excentricität der Zapfen aher macht bei
der Drehung des Zapfens die Welle sammt den Rädern eine Bogenbewe-
gung, und hei einer Drehung um 180 Grade werden die Räder völlig
ausser Eingriff kommen , sobald die Excentricität der beiden Mitteüinien
etwas mehr als die Hälfte des Zahneingriffs beträgt.
Die auf dem Spindelkopfe sitzende Mitnehmerscheibe, welche beim
Plandrehen durch eine Planscheibe ersetzt wird, zeigt keine Abweichung
gegen die früher beschriebene. Der Reitstock dagegen steht nicht un-
mittelbar auf dem Bette, sondern auf einem mit Querführungen versehe-
nen Untertheile li und ist mit Schraubenspindel und Mutter versehen,
um eine Verstellung in der Querrichtung der Drehbank erleiden zu
können. Eine solche Verstellung, durch welche natürlich der Reitnagel
samrat Spitze ausserhalb der Drehbanksachse zu liegen kommt und durch
welche demnach auch die Drehungsachse des Arbeitsstücks in eine gegen
die Achsenrichtung der Drehbank schräge Lage gebracht wird, ermög-
licht es, die Drehbank zum Abdrehen conischer Arbeitsstücke zu ver-
wenden, während die Schaltung des Werkzeugs paredlel der Drehbanks-
achse vor sich geht.
Zur Schaltung des Werkzeugs dient die an der vordem Seite der
Drehbank gelagerte, mit Schraubengewinde versehene Leitspindel m.
Dieselbe empfängt ihre Bewegung von der Drehbanksspindel aus in folgen-
der Weise. Auf einer Verlängerung der letztern sitzt die kleine Stufen -
Scheibe n, welche durch einen Riemen mit der am Fusse der Drehbank be-
jfindlichen grössern Stufenscheibe o verbunden wird. Auf der langen Nabe
dieser Scheibe o sitzt ein kleines Getriebe p (Fig. 492), welches mit
einem zweiten. Rade q und durch dessen Vermittlung mit einem dritten
Rade qi von gleicher Grösse als q im Eingriffe steht. Auf dem Ende
der Leitspindel sitzt das Rad r mit gleicher Zahntheilung als q und gi.
Die kurzen Wellen der Riemenscheibe o wie der Räder q und qi sind in
einem Hebelstücke s gelagert, welches um einen zwischen q und qi be-
findlichen, an dem Bette der Maschine befestigten Bolzen schwingen
kann. Durch eine am obern Ende des Hebels befindliche horizontale
Schiene mit Handgriff kann derselbe um jenen Bolzen gedreht und mit
Hülfe von drei Einschnitten in der Schiene und einem Stellstifle in drei
verschiedenen Lagen festgestellt werden. Stellt man auf dem rechten
Drehbank. 645
Einschnitte ein, so kommt das untere Rad q mit r in Eingriff und qi
geht leer; stellt man auf dem linken Einschnitte ein, so kommt das obere
Rad qi mit r in Eingriff und die Leitspindel erhält entgegengesetzte
Drehung als im ersten Falle; stellt man endlich auf dem mittleren Ein-
schnitte ein, wie in der Abbildung, so sind beide Rader ausgerückt, und
die Leitspindel steht still.
In anderer Weise kann eine Bewegungsübertragung auf die Leit-
spindel durch Wechselräder bewirkt werden, deren Achsen in dem an
dem Lager der Leitspindel drehbar befestigten Bügel ri festgeschraubt
werden. An Stelle der kleinen Stufenscheibe auf der Drehbanksspindel
wird dann ein kleines Getriebe aufgesteckt, welches die Wechselräder
und vermittelst dieser das Zahnrad r der Leitspindel treibt. Durch Aus-
wechselung der Räder lässt sich natürlich jedes beliebige Uebersetzungs-
verhältniss zwischen Drehbanksspindel und Leitspindel einrichten. Man
benutzt diese Vorrichtung zum Gewindeschneiden auf der Drehbank, auf
welches wir bei Beschreibung der Schraubenanfertigung im speciellen
Theile zurückkommen werden.
Die Leitspindel trägt nun das Kegelrad w mit langer Nabe, Figur
491, welche eine die Leitspindel umBchliessende Schraubenmutter bildet
und in einem mit dem Untertheile des Supports verlnindenen Lager sich
dreht. Das Rad i€ greift in ein zweites Kegelrad X^ Fig. 493, welches
die empfangene Bewegung durch zwei Stirnräder y und z auf eine im
Untertheile des Supports gelagerte, quer gegen die Drehbanksachse ge-
richtete Schraubenspindel überträgt. Das Kegelrad iv kann durch eine
Klemmschraube iCi auf der Leitspindel, und die Welle der Räder x und
y kann durch die Klemmschraube Xi in dem kleinen zugehörigen Lager-
stuhle festgehalten werden. Zieht man die Schraube Xi an und löst «^j,
so wird dui'ch die Feststellung' des Rades x auch die Drehung des Rades w
unmöglich gemacht, letzteres wirkt lediglich als Schraubenmutter und
führt demnach den Support bei der Drehung der Leitspindel in der
Längenrichtung vorwärts« Wie sich aus Fig. 493 ergiebt, gleitet hier-
bei der Support auf gehobelten Führungen der Drehbankswangen. Löst
man dagegen die Schraube Xi und dreht Wi fest, so muss das Rad w die
Drehungen der Spindel mitmachen , ohne sich auf derselben verschieben
zu können, überträgt diese Drehung auf die Räder x, y und 0 und be-
wirkt somit durch Bewegung des auf dem Fusse des Supports gleitenden
Schlittens ^ Schaltung in der Querrichtung, wie sie für das Plandrehen
erforderlich ist.
Auf den beid^i erwähnten, selbstthätig bewegten Supporttheilen
befindet sich noch ein Drehstück u zur Verstellung des Werkzeugs in
schräge Lage; auf diesem ein Handkreuzsupport für Längs- und Quer-
bewegung, aus den beiden Schlitten v und i^i bestehend und zur genauen
Einstellung des Drehstahls dienend; und endlich der zweitheilige Deckel
mit Klemmenschrauben zum Festspannen des Stahls.
646 Treimungsarbeiten.
Wie eich aus den Fignren 490 nnd 491 ergielit, ladet der Fase l des
Supports im beiden Seiten breit aus and ist an der Ireiliegenden Oberfläcbe
links and rechte vom Schlitten fi mit parallelen Qnematben Tersehen.
Diese Einrichtung findet Benatznng, wenn die Drehbank zasa Bohren
statt zum Drehen dienen soll, eine Anwendung derselben, welche bei Be-
sprechung der Bohrmaschinen ausführlichere Erwähnung finden wird.
Zorn Zurückfahren des Stahls nach beendigtem Durchgänge dient der
oben beschriebene Mechanismus für die BewegongBumkehr der Xieitspin-
del; soll der Rückgang dagegen leer nnd demnach rasch stattfinden, so
bewirkt man die Zurückführung des Snpporbi in der Längsrichtung durch
Drehung der Welle des Rädchens y mittelst einer auf die vierkantige
Verlängerung derselben anfgesteckten Handkurbel, nachdem die Klemm-
schrauben Zj nnd tfi gelöst worden sind; leerer Rückgang beim Plan-
drehen kann durch die in gleicher Weise ausgeführte Drehung der
ScbranbeDSpindel «| erzielt werden, nachdem das Rad p durch Verschie-
bung in seiner Achsenrichtung ausser Eingriff mit b gebrächt worden ist.
Die mehrfach erwähnte Planscheibe, welche auf den Spindelkopf
der beiden abgebildeten Drehbänke statt der Mitneb merBobeibe aufge-
schraubt wird, wenn ebene Flächen oder auch solche Gegenstände rund
gedreht werden sollen, welche bei Terbältnissmässig grossem DurchmesBer
geringe Länge besitzen — Riemenscheiben, Räder o. a. — , besteht aus
einer gegossenen , kreisrunden , glatt bearbeiteten Scheibe mit einer An-
zahl tiieils länglicher, radial gerichteter, theib einfach quadratischer,
durchgehender OeCEnungen, um Klammem oder Schraubenbolzen zur Be-
festigong des Arbeitestücks hin durchzustecken. Eine sehr häufig an-
gewendete Einrichtung der Planscheibe, um Gegenstände von verschieden
grossem Durchmesser mit Leichtigkeit aufzuspannen und festzuhalten,
Fig. 494. "eigt ^8 "> Fig. 494
abgebildete, welche den
Namen UniTersal-Plan-
Scheibe führt In vier
radialen, unter Winkeln
Ton 90 Graden gegen
einander gerichteten
Schlitzen sind ebenso
viele Scbraubenspindeln
gelagert, deren vierkan-
tig geschmiedete Enden
ein wenig aber dem Cm-
£uig der Planscheibe
vorstehen. Jede Spin-
del trägt eine Schrauben-
mutter mit einem an der Aussenfläcbe der Planscheibe vorstehenden,
stählernen Winkel, dessen dem gegenüberliegenden Winkel zugekehrte
zum Erfassen des Arheitsetücks dienende Fläche zum bessern Festhalten
Drehbank. 647
feilenaiüg raub gemacht ist Dnrch Drehung der Schraubenspindeln
können sämmtliche Winkel entsprechend der GröBse des Arbeitsstücks in
beliebigen Abstand vom Mittelpunkte gebracht und durch Näherung wie
die Backen eines Schraubstocks gegen das Arbeitsstück gepresst werden.
Die Planscheiben für Spitzendrehbänke sind gewöhnlich nur zum
Abdrehen kleinerer Gegenstände, deren Halbmesser nicht grösser als die
Spitzenhöhe ist, bestimmt. In manchen Fällen jedoch, insbesondere auch
für solche Werkstätten, deren Betrieb nicht umfangreich genug ist, um
eine grössere Zahl verschieden eingerichteter Drehbänke aufzustellen,
kann es zweckmässig sein, wenn man im Stande ist, eine Spitzendreh-
bank auch mit einer grossem Planscheibe — 600 Mm. und darüber —
zu versehen. Ist nun in solchem Falle die Spitzenhöhe kleiner als der
Planscheibenhalbmesser — so dass bei der bisher besprochenen Dreh-
banksconstruction die Planscheibe nicht Raum haben würde — , so hilft
man sich, indem man dem Drehbanksbette unmittelbar vor der Spindel-
docke eine U-formige Kröpfung von solcher Tiefe giebt, dass sich inner-
halb derselben die Planscheibe frei drehen kann.
Für Drehbänke mit Planscheiben, deren Durchmesser beträchtlich
grösser als 1 M. ist, und welche demnach zum Drehen von grossen und
schweren Arbeitsstücken benutzt werden sollen, macht sieht dagegen in
Folge der durch diese Eigenschaften der Arbeitsstücke bedingten
grösseren Abmessungen aller betre£fenden Drehbankstheile eine geänderte
Anordnung erforderlich. Statt der Füsse, welche bei der grossem
Dockenhöhe ohnehin entbehrlich werden, dient ein gusseisemer, auf ge-
mauertem Fundamente verankerter Rahmen zum Tragen der Drehbanks-
theile. Soll die Drehbank zum Plan- und Runddrehen benutzt werden
und demzufolge mit Reitstock versehen sein , so stellt man die Spindel-
docke ohne Weiteres auf diesen Rahmen, den Reitstock und Support
dagegen auf ein Bett, welches sich gewöhnlich in der Achsenrichtung
der Drehbank verschieben lässt und demzufolge in Führungen gleitet,
um erforderlichen Falls den Raum vor der Planscheibe vergrössem zu
können.
Da jedoch mit der Grösse der Planscheibe auch die Breite des Betts
und Supports zunehmen muss, wenn das Werkzeug im Stande sein soll,
vor der ganzen Hälfte der sich drehenden Planscheibe vorbeizugehen,
so würde für sehr grosse Planscheibenhalbmesser eine Anordnung in der
soeben beschriebenen Weise äusserst schwerfällig ausfallen. Dieselbe
lässt sich dagegen erheblich vereinfachen, wenn man davon absieht, die
Drehbank auch zum Spitzendrehen zu benutzen, und es entsteht hier-
durch die Einrichtung der eigentlichen Plandrehbänke. Der Reitstock
kommt gänzlich in Wegfall: statt des in der Achsenrichtung der Dreh-
bank liegenden Betts erhält die Drehbank ein Querbett, auf welchem der
Support parallel zur Ebene der Planscheibe vor derselben hindurohge-
führt wird; in einzelnen Fällen dient statt des Betts eine einfache Boden-
platte mit Führungen, auf welchen beim Drehen der grössten Stücke der
648 Trennungsarbeiten.
ganze Sapport von Hand verschoben wird, während bei geringerm Durch-
messer der Arbeitsstücke die Bewegung seines Querschlittens allein aus-
reichend ist, das Werkzeug vorbeizufahren.
Eine grosse Plandrehbank aus der Chemnitzer Werkzeugmaschinen-
fabrik (vormals J. Zimmermann) ist in Fig. 495 bis 497 abgebildet.
Die grosse, mit zahlreichen Oeffnungen zur Befestigung des Arbeits-
stücks versehene Plauscheibe Ä sitzt auf der hohlen gusseisemen Welle B^
welche in dem Spindelstocke, dessen Form in Fig. 497 punktirt gezeich-
net ist, in der ans Fig. 496 ersichtlichen Art gelagert und vor Verschie-
bung gesichert ist. An der dem Spindelstocke zugekehrten Seite der
Planscheibe sind zwei concentrische Zahnkränze ^i und a^ mit nach
innen gerichteten Zähnen angeschraubt, welche die Bewegung der Plan-
scheibe mit verschiedenen Geschwindigkeiten in folgender Weise ver-
mitteln. Seitlich von der Planscheibenwelle ist die horizontale Antriebs-
welle b gelagert, auf welcher die Stufenscheibe l»i nebst dem Getriebe b^
drehbar aufgeschoben, das Stirnrad h^ und das Getriebe 5« befestigt sind.
Die Welle h ist an ihrem linken Ende mit einer Schraubenspindel derartig
verbunden, dass sich b frei drehen kann, während die Schraubenspindel
durch einen Längskeil vor eigener Drehung gesichert ist, wohl aber eine
Verschiebung in der Achsenrichtung erfahrt, sobald das mit Mutter-
gewinde versehene Handrad c gedreht wird. Jede geradlinige Verschie-
bung der Schraube wird auf die Welle b und durch diese auf die Räder
&3 und bi übertragen, während die Stufenscheibe bi und das Gret riebe b^^
deren Naben lose auf b sitzen, in ihrer Lage nicht dadurch beeinflusst
werden.
Parallel mit b zwischen derselben und der Planscheibenwelle be-
findet sich die Welle d, auf derselben eine zweite hohle Welle verschieb-
bar mit den Rädern di und dg; ferner mit ihr verbunden das Getriebe
dj. Die Welle d ist durch eine gleiche Einrichtung als b verschiebbar
gemacht, wobei das Getriebe d^ mitgenommen wird, während die Räder
dl und d^ mit Hülfe eines Mitnehmers e und Handrädchens ei selbststän-
dig auf der Welle d verschoben werden können.
Hierdurch sind drei verschiedene Räderübersetzungen für die Bewegung
der Planscheibe möglich. Wenn das Rad b^ mit der Stufenscheibe bi gekup-
pelt, dl und di mit Hülfe des Handrädchens ei ausgerückt werden, so wird
die Bewegung der Stufenscheibe unmittelbar auf die Welle b und durch das
Getriebe b^ auf den grossem Zahnkranz Oi übertragen; also findet eine
einmalige Uebersetzung -^ statt.
öl ^
Wenn b^ ohne feste Verbindung mit bi ist, das Getriebe b^ mit di
und d^ mit b^ im Eingriffe, wie in der Abbildung, so wird die Bewegung
durch jene Räder auf die Welle b und von dieser wieder durch b^ auf ai
übertragen; mithin dreimalige Uebersetzung
bi d^ b^
dl b^ ai
H
Drehbank. 649
Wird die Welle b mit Hülfe des Handrads c nach links, die Welle d
mit Hülfe des Handrads Ci nach rechts verschoben, so kommt das Ge-
triebe hi ausser Eingriff mit ai , während das auf d befindliche Getriebe
d^ Eingriff mit dem Zahnkranze a^ erhält. Das Rad di ist hierbei wie-
der in Eingriff mit dem Getriebe h^ gebracht; das Rad h^ ist mit seiner
Welle nach links verschoben und dadurch gegen d^ ausgerückt. Es
findet mithin zweimalige Uebersetzung durch die Räder ~ — statt; bei
dl 02
gleicher Umdrehungsriohtung der Antriebsstufenscheibe würde demnach
die Planscheibe eine entgegengesetzte Drehung annehmen als in den
beiden ersten Fällen. Um dieses zu vermeiden, ist in der Deckentrans-
mission ein Zwischengelege mit offenem und gekreuztem Riemen ein-
geschaltet, um nach Erfordemiss diese oder jene Bewegungsrichtung der
Stufenscheibe hervorzubringen. (7 ist eine auf der Welle feste Riemenscheibe,
Ci und Q sind Losscheiben mit offenem und gekreuztem Riemen. Die Ver-
schiebung des Riemens erfolgt durch Drehung der Stange D vermittelst
des an ihr befestigten Handgriffs. An ihrem obem Ende trägt dieselbe
einen einarmigen geschlitzten Hebel, welcher die Riemengabelstange E
erfasst und bei der Drehung nach links oder rechts verschiebt. In der
in Fig. 495 gezeichneten Stellung ist Stillstand. Um das für die Ein-
oder Ausrückung der Bewegung erforderliche Maass der jedesmaligen
Drehung der Stange kenntlich zu machen, ist am Fusse derselben ein
Arm befestigt, der auf drei durch Grübchen markirten Punkten eines am
Boden befindlichen Kreisbogens — für Stillstand, Rechts- und Links-
drehung — eingestellt wird.
Quer vor der Planscheibe liegt das zur Aufnahme des Supports
dienende Bett auf zwei Fundamentplatten mm. Um das Bett entspre-
chend der Stärke der zu drehenden Arbeitsstücke in verschiedenen Ab-
stand von der Plansoheibe bringen zu können, tragen die Stücke m m an
den einander zugekehrten Seiten Zahnstangen, in welche zwei unter-
halb des Betts befindliche Getriebe eingreifen.
Die gleichzeitige Drehung der Getriebe, durch welche die Fortbewe-
gung des Betts bewirkt wird, erfolgt durch die von Hand bewegte hori-
zontale Welle 0 mit Hülfe der in Fig. 496 erkennbaren zwei Paar Win-
kelräder. Das Bett mi trägt den Supportschlitten inj, parallel der Plao-
scheibe bis über den Mittelpunkt derselben hinaus beweglich; auf diesem
den parallel der Drehbanksachse verschiebbaren Schlitten m^ mit dem
Stücke m4, welches die Unterlage für den gewöhnlichen, aus zwei Stücken
m^ und t9te bestehenden Handkreuzsupport bildet. Auf diesem befindet
sich das nm seine Achse drehbare Theil m^ zur Befestigung des Dreh-
stahls.
Von diesen Supporttheilen dient m^ fOr die Veränderung des Abstandes
des Werkzeugs von der Planscheibe gemäss der Stärke des Arbeitsstücks
(sofern nicht eine Verschiebung des ganzen Betts hierfür erforderlich ist^
und wird mit Schrauben in der entsprechenden Stellung von m^ befestigt;
650 Trennungsarbeiten.
die drei oberen Theile ms, mg und nij dienen für die feinere Einstellung des
Werkzeugs vor dem Drehen; der Schlitten m^ dagegen ist für die Schalt-
bewegung des ganzen Supports parallel der Pianscheibenebene bestimmt
und wird demgemäss selbstthätig bewegt. Für diesen Zweck sitzt auf
der Planscheibenwelle B eine Stufenscheibe F, ihr gegenüber auf einer
horizontalen Welle, welche in zwei selbstständigen Lagerböcken ruht,
eine Stufenscheibe G^ Durch die beiden Riemenscheiben HJ und die
Winkelräder KL wird die Bewegung von der erwähnten Welle aus auf
die Schaltspindel M übertragen. Die auf M vermittelst Längsnuth imd
Keil verschiebbar befestigte und bei der Verschiebung des Schlittens m^
von diesem mitgenommene Schnecke o treibt ein in m^ gelagertes
Schneckenrad, auf dessen Welle das Getriebe |) sitzt, welches die empfangene
Bewegung auf das Rad q fortpflanzt. Auf der Welle von q sitzt endlich
ein in Fig. 496 punktirt gezeichnetes Getriebe ff, welches im Eingriffe
mit der im Drehbanksbette festliegenden Zahnstange x steht und somit
bei seiner Drehung den Schlitten w^ veranlasst, auf dem Bette fiti sich
fortzubewegen.
Zur Zurückführung des Schlittens nach beendigtem Schnitte wird
das Rad q durch Verschiebung auf seiner Welle aus dem Eingriffe mit
p ausgerückt und eine Handkurbel auf das vierkantige Ende der Welle
des Rads q aufgesteckt, um die Rückwärtsdrehung derselben von Hand
auszufahren.
Drehbänke, welche ganz bestimmten Zwecken gewidmet sind, er-
leiden nicht selten diese und jene Abweichungen von der bisher bespro-
chenen allgemeinen Form. Beim Abdrehen von Läufrädem für Loco-
motiven und Eisenbahnwagen ist es noth't^endig, sie paarweise und gleich-
zeitig zu drehen, nachdem sie auf ihre Achse aufgezogen worden sind,
damit sie vollständig gleiche und zu den Achsen concentrische Lauf-
flächen erhalten. Es kommt aber bei solchem gleichzeitigen Abdrehen bei-
der Räder darauf an, sie so einzuspannen, dass jedes selbstständig seinen
Antrieb erhält und derselbe nicht etwa durch die Radachse von einem Rade
auf das andere übertragen wird, wodurch leicht eine Verdrehung eines
Rades gegen das andere entstehen könnte. Man giebt demnach diesen
Raderdrehbänken zwei Spindelstöcke mit einander zugekehrten Spitzen,
zwischen welchen die Räderachse eingelegt wird; der Reitstock kommt
als solcher in Wegfall. Der eine der Spindelstöcke steht fest, der andere
ist auf dem gemeinschaftlichen Bette in der Achsenrichtung verschiebbar,
um Achsen von erheblich verschiedener Länge einspannen zu können;
ausserdem stecken beide Spitzen in Domen, welche in ganz gleicher Weise
wie der Reitnagel einer gewöhnlichen Spitzendrehbank innerhalb der hohlen
Drehbanksspindel durch eine Schraubenspindel verschoben werden können,
um die Achsen einzuspannen. Jede Drehbanksspindel trägt eine Planscheibe,
an welcher ein Mitnehmer befestigt ist, um die Räder zu bewegen. Der
Antrieb von der Deckentransmission wird durch eine einzige Riemenscheibe
(Stufenscheibe) aufgenommen, welche die Bewegung auf eine parallel der
Drehbank. 651
Drehbanksacbse gelagerte Hauptwelle überträgt, von wo sie dann durch
Zahnradübersetzungen auf beide Planscheiben fortgepflanzt wird. Zum
Abdrehen jedes Rades ist ein eigener Support erforderlich und beide
Supports erhalten von einer gemeinschaftlichen Welle aus ihre Schaltung.
Liegen die Laufstellen der Achsen ausserhalb der Rader, nicht zwischen
denselben, so steckt man diese vorstehenden Zapfen häufig in oonische
Büchsen mit genau abgedrehtem Metallfutter, welche an den Planschei-
ben genau centrisch befestigt sind und jedenfalls eine sicherere Unter-
stützung gewähren, als es die Drehbanksspitzen im Stande sein würden.
Eine andere Abweichung von den bisher besprochenen Anordnungen
der Drehbänke ist die Anbringung zweier einander gegenüberliegender
Supports, deren Werkzeuge gleichzeitig schneiden. Man nennt diese
Drehbänke Duplezdrehbänke. Einestheils will man durch die An-
wendung zweier einander zugekehrter Stähle das Ausbiegen des
Arbeitsstücks aus der Drehbanksacbse unter dem Drucke eines ein-
seitig wirkenden Stahls vermeiden; andemtheils wird die Arbeit be-
schleunigt. Selbstverständlich müssen die Schneiden entgegengesetzt
gerichtet sein. Räderdrehbänke nach diesem Systeme erhalten demnach
vier Supports. Der Erfolg hat jedoch diese theoretisch begründeten Yor-
theile der Duplezdrehbänke nicht im vollem Maasse bewahrheitet. Denn
da fast niemals ein auf die Drehbank gebrachtes Arbeitsstück schon
vollständig rund ist, so kommt es vor, dass der eine Drehstahl einen
starkem Span als der andere zu nehmen hat. Der erstere Stahl drückt
also in Folge des grossem Widerstandes das Arbeitsstück aus seiner
Achsenrichtung heraus gegen den gegenüberliegenden Stahl, und dieser
nimmt demnach einen starkem Span als für, eine vollkommene Rundung
erforderlich ist.
Beim Abdrehen vieler kleinerer Gegenstände von gleicher Form
kann es zweckmässig sein, das Drehen von zwei derartigen Arbeits-
stücken gleichzeitig durch einen einzigen Arbeiter ausführen zu lassen.
Man wendet für diesen Zweck sogenannte Doppelsupportdrehbänke
an. Dieselben bestehen, streng genommen, aus zwei Bänken mit gemein-
schaftlichem Bette. In der Mitte des letztem stehen die beiden Spindel-
docken dicht neben einander und gewöhnlich in einem Stücke gegossen,
aber jede mit besonderm Antriebe versehen , um jede Hälfte der Bank
unabhängig von der andern betreiben zu können; die beiden Spitzen der
Drehbanksspindeln sind nach den Enden des Betts gerichtet (einander
abgewendet), wo sich die Spitzendocken befinden. Bei selbstthätiger
Schaltung erhält jeder Support seine eigene LeitspindeL Aehnlich sind
die Drehbänke gebaut, welche den Zweck haben, an den Achsen für Eisen-
bahnwagen beide Zapfen gleichzeitig zu drehen (Achsendrehbänke). In
der Mitte der Drehbank steht die Spindeldocke; die Spindel ist hohl, die
Achse wird durch sie hindurchgesteckt, mit Schrauben centrirt und von
den todten Spitzen der beiden an den Enden der Bank aufgestellten
652 TreniiuDgsarbeiton.
ReiUtöcke festgehalten. Neben jedem Reitstocke steht ein Sapport, durch
tiine Leitapindel von der DrehbaDkeapindel aus geschaltet.
Um auf Drehb&nken mit selbstthätiger Schalttmg auch solche Gegen-
stände abdreheu zu können, deren Qnerschnitte zwar kreisrund sind,
deren L&ngenprofil aber gegliedert ist — s. B. Handgriffe, cnrreniormige
LauMächen von Bädern o. dergl. — , bedient man sich eines sogenannten
Gurrensupports , welcher die Führung des Srehatahls nach einer Curve
statt nach einer der Drehbank sachae parallelen geraden Linie ermöglicht.
In den Figuren 498 nnd 499 ist ein solcher Curvensnpport abgebildet ')■
Fig. 498.
Hier ist b Aa^ Drehbanksbett, ti der untere Sohlitten des Supports mit
der Schraubenmutter li , welcher durch die Leitepindel in gewöhnlicher
Weise parallel der Drebbanksachse bewegt wird. Derselbe trägt den
obern Schlitten ki , welcher in PrismenfOhrangen rechtwinklig gegen die
Achsenrichtung verstellbar ist. Die im obern Theile gelagerte Schraa-
benspindel m geht durch die Schrauben matter 0; letztere aber sitzt nicht
wie bei gewöhnlichen Supporten im Unterschlitten fest, sondern ist mit
der Leitschiene n verbunden, welche sich mittelst eines RöUchens oder
eines Stifts t gegen eine auf dem Bette befestigte, dem berzustelleaden
Profile entaprecbend ansgeschoitteae Schablone p legt und durch den
Hebel q nebst Gegengewicht 91 beständig gegen diesen gedrückt wird.
Wird die Leitepindel in Wirksamkeit gesetzt, und bewegt sich demnach
, Werkzeugmaechinen, Tafel 3, Fig. 8 und 10.
Drehbank. 653
der Schlitten ti parallel der DrebbaDkaachse, bo folgt die Rolle t nebet
Schiene, Schlitten und Stahl der durch die Schablone TorgeHchriebeneo
Bahn, die Schranbenspindel m dient hierbei nnr znm Einstellen. Soll
der Cnrvenaupport znr HerBtellang von Cylinderflachen als gewöhnlicher
Support benutzt werden, ao wird die Schablone entfernt, das Gewicht
aenkt aicli, die Schiene n geht zurück und wird dnrcb die Schranben r
nnd ri featgeatellt,
Soll die Drehbank znm OTaldrehen (Herstellnng von elliptischea
Qaerachnitten) benutzt werden, so erhält daa Arbeitastack ansser seiner
Fig. 488,
Drehung eine hin- und hergehende Bewegung nnd es wird zn diesem
Zwecke zwischen Spindel nnd ArheitsatUck ein aogenanntes Oval werk
eingeschaltet. Die Figur 500 (a. f. S.) stellt die Einrichtung eines solchen
von Leonardo da Tinci erfundenen Ovalwerks dar')- In ^^^ beiden
auf der linken Seite befindlichen Abbildungen ist 1 die Drehbankaspin-
del, Ol das rechte Ende der Spindeldocke. Auf der letztem iat vermit-
telst zweier Kömer schrauben das Guasatück O} (Versetzkopf) befestigt,
welches an seiner Vorderseite einen ringiörmigeu , an der Anasenääche
gedrehten Absatz 2 trägt. Dieses Onaastück ist fQr sich allein auf der
rechten Seite in den beiden mittleren Abbildungen dargestellt. Ver-
mittelst der beiden erwähnten Kömerschrauhen ist man im Stande, diesen
Ring in horizontaler Richtung beliebig excentriscb gegen die Drebbanks-
spindel einznatellen ; und eine Skala an der Oberkante beider Theile dient
znm Ablesen der li^centricität. Auf dem durch einen entsprechend
langen Schlitz dieaea Gnssstücks bervorragenden Kopfe der Drehhanks-
Bpiudel ist eine längliche Scheibe d aufgeschraubt, rechts oben in der
Vorderansicht, rechts unten in der Ansicht von hinten abgebildet. Die-
selbe trägt in PrismafQhmagen (mit 4 beieiehnet) einen Schieber e,
welcher die Stelle der Planacbeibe vertritt; dieser wird durch zwei
Knaggen ee bewegt, welche auf der RAckseite der Scheibe sich gegen
'} Benleanx, Kinematik, 8. 337.
G54 TrennungBarbniten.
den ringfömiigeii Ansatz 2 des OoBsetückB Og legen und in Schlitzen
der Scheibe d geführt Bind. Bei der Drehong der Scheibe d werden
Fig. fiOO.
I i
somit diese Knaggen nm den Ring 2 hemmbewegt. Auf der Vorderseite
des Schiebers genau in der Mitte zwischen beiden Knaggen befindet
rieh ein Zapfen mit Schraubengewinde um eine Vorrichtong snr Be-
festigung des Arbeitsstücks anfBnschraaben. Ist nuo der lUng 2 genmn
centiisch snr Drehbankespindel auf der Docke befesigt, so fällt die Dre-
hnngsachse des auf dem Schieber befestigten Arbeitsstücks mit der Spindel*
Drehbank. 655
achae zasammen and das Ärbeitsstflck bewegt sich im Kreise; ist aber der
Bing Beitw&rta Terstellt, so wird der Schieber nnd mit ihm das ArbeitsBtfick
während einer Tollen Umdrehong der Drehbanksspindel zweimal nm die
Ezcentricität in horizontaler lUchtimg Terachoben; nnd der Drebetalil be-
schreibt anf dem Arbeitsstücke eine Ellipse, deren kleinster Halbmesser
gleich dem Abstände der Schneide von der Drehbanksachse, deren grösster
Halbmesser gleich diesem Abstände plns der erwähnten Excentricität ist
Das dem Ovalwerke za Grande liegende Princip, die Drehungsbewe-
gang dee Arbeitestllcks mit einer hin- and hergehenden Bewegung zu
oombiniren, lässt sich aber auch in mannigfach veränderter Form znr
Anwendung bringen, sobald man die Zeitdauer des einmaligen Hin-
nnd Hergangs in ein anderes Yerhältniss znr einmaligen TTmdrebnng
setzt; and es lassen sich dadorch die versohieden artigsten Qnerscbnitts-
formen herromifen. Ein interessantes Beispiel hierfür gieht eine von
Lndw. Löwe n. Co. in Berlin nach einem Patente von Koch nnd
Müller erbaute sogenannte Universal d rehbank , deren Spindelkasten
nebst Antriebsmechanismen in den Fignren 601 nnd 502 abgebildet ist.
Fig. 501.
Innerhalb der hohlen Drehbankssplndel W, welche die Stafenscheibe
fOr den Antrieb trägt, befindet sich, selbstständig drehbar, eine zweite
Spindel TTj. Der Antrieb anf W wird wie gewöhnlich entweder direot
durch Terknpplnng der losen Stnfenscbeibe mit dem festen Rade d über-
tragen oder für langsamern Qang vermittelst der Zwiscbearäder ab cd.
65C TreDnungsarbeiten.
Zar Äugrückang der letztgenannten Räder dient ein esoentriBcber Zapfen,
wt« früher beschrieben, mit dem Handgriffe x. Um aach der Spindel
Wi eine von TT unabhSngige Drehung zn geben, ist auf dem linken, ans
W Torstehendem Ende derselben das Stirnrad t befestigt, welches von
dem Rade d ans durch Einschaltang der Zwiachenrüder e/gh getrieben
wird. Die letzteren drei sind Wechselräder und demzufolge in einem auf
das Ende der WeUe V anfgesteckten nnd nm dieselbe drehbaren Bügel,
wie ans Fig. 501 hervorgeht, gelagert; man ist also nicht allein im
Stande, dnrch Answechselnng der Räder das Umsetznngsverhältniss zwi-
schen W and 1^1 beliebig zn ändern, sondern auch, indem man das Rad
h ganz beseitigt nnd (f ohne Weiteres in ( eingreifen ISsst, eine ent-
gegengesetzte Drehung von Wi hervorzarafeD.
Die Räder k nnd I werden benutzt, um eine selbstthätige Bewegung
des Werkzeugs vermittelst einer in der Abbildung nicht ersicbtlicben
Leitspindel hervorzubringen.
Auf dem rechten Ende der innem Spindel befindet sich eine Schübe
mit Prismaiilhmngen , auf welcher der Tersetzkopf C und mit diesem
die coniscbe Spitze D sowie die Planscheibe P excentrisch verstellbar ist,
während die beiden in Nuthen der Scheibe gehenden Schrauben zur Be-
festigung des Yersetzkopls in der gewählten Stellung dienen. Auf C ist
die Planscheibe P drehbar und empfitngt ihre Drehung von der aaf der
Spindel W befindlichen Scheibe S ans durch die Mitnehmer (Qleitrolleo)
BB, welche in radiale FOhmngen an der Rückseite von P greifen nnd
Drehbank.
657
bei der exäentrischen Stellung von P ähnlich wirken wie das Gleitstück
einer excentrischen Eurbelschleife. Es würde demnach, wenn die Scheibe
S auf W befestigt wäre, P eine , in diesem Falle nicht beabsichtigte, nn-
gleichförmige Drehung erhalten. Deshalb bewegt sich S bei der Drehung
Yon W in prismatischen Führungen, wie aus Fig. Ö02 heryorgeht, recht-
winklig gegen die radiale Bewegungsrichtung der Mitnehmer BB\ es
entsteht dadurch eine sogenannte rechtwinklige Ereuzschleife , welche
eine gleichförmige Drehung der Planscheibe vermittelt. Ein auf der
letztem (beziehentlich der Spitze D) befestigtes Arbeitsstück wird
demnach
erstens durch Drehung der Planscheibe eine Drehung um deren
Mittelpunkt,
zweitens in Folge der excentrischen SteUung von P eine Bewegung
um den Mittelpunkt des Spindelquerschnitts machen, durch welche die
Achse des Arbeitsstücks in wechselnde Entfernung von der Schneidkante
des festliegenden Drehstahls gebracht wird.
Wie oft und in welchem Maasse diese Näherung und Entfernung
während eines vollen Umlaufs der Planscheibe eintritt, hängt von der
Yerhältnisszahl zwischen den Umdrehungen der Spindeln W und Wi
sowie der Excentricität der Scheibe P ab. Sind z. B. die Zahnräder für
den Beti-ieb der innem Spindel so gewählt, dass das Uebersetzungsver-
hältniss der äussern zur innem Spindel gleich 1 : 2 ist und beide Spin-
deln sich, in gleicher Richtung drehen, so wird während einer Umdrehung
der Planscheibe die Achse des Arbeitsstücks dem Werkzeuge zweimal
um das Maass der Excentricität genähert und zweimal von ihm ent-
fernt; es findet dieselbe Bewegung statt wie bei dem gewöhnlichen Oval-
werke, und es entsteht eine EUipse.
Oiebt man eine dreifache Uebersetzung, so entstehen durch drei-
malige Kähenmg und Entfernung Curven wie sie Fig. 503 darstellt,
Dreiecken mit abgerundeten Ecken ähnlich; durch vier-, fänf-, sechs- u. s. w.
fache Uebersetzungsverhältnisse lassen sich Querschnitte darstellen, welche
eine Aehnlichkeit mit regelmässigen Polygonen besitzen (hypocyklische
Pig. 503.
Fig. 504.
Curven), z.B. bei sechsfacher Uebersetzung die Curven, Fig. 504; schaltet
man dagegen aus dem Vorgelege das Zwischenrad h aus, so dreht sich
Ledebnr, .ni«cluaiiBch-m«taUiiTgUobe Technologie. 42
658 Trennungsarbeiten.
die innere Spindel in entgegengesteizter Richtung alfl die ftossere und
man erhält pericyklische Garyen, als deren Beispiel Fig. 505 bei drei-
facher, Fig. 506 bei sechsfacher Uebersetzong gelten können.
Sollen derartige Qaerschnitte zwischen den Spitzen der Drehbank
hergestellt werden, so mnss natürlich die Spitze des Reitstocks eine ge-
Fig. 505. Fig. 506.
nan gleiche Bewegung erhalten wie die Spitze des Spindelstocks. Es
ist zu diesem Zwecke der Reitstock dieser Uniyersaldrehbank mit einem
Räderwerke versehen, welches dem Radei'werke /^ ^ i gleicht, von der-
selben Welle V aus als dieses betrieben wird und einer im Reitstock
statt der einfachen Pinne gelagerten Spindel dieselbe Anzahl Umdrehun-
gen ertheilt als der Spindel W]. Auf dieser Reitstockspindel ist nun
die Spitze desselben ebenfalls vermittelst eines Yersetzkopfs e^centrisch
verstellbar« so dass bei gleicher Fxcentricität auch beide Spitzen genau
die gleiche Bewegung ausführen. Wird also das zwischen den Spitzen
eingespannte Arbeitsstück durch einen an der Planscheibe befindlichen
Mitnehmer gezwungen, die Drehungen der Planscheibe mitzumachen« so
erfolgt ein Arbeitsstück, welches geradlinige Achse und in jedem Ab-
stände von der Planscheibe den nämlichen Querschnitt besitzt, ein Prisma
mit gekrümmten Seitenflächen. Solche Gegenstände können im Ma-
schinenbau mannigfache Anwendung finden.
Stehen jedoch die beiden Spitzen einander nicht genau gegenüber,
so erfolgt statt des prismatischen ein schraubenförmig gedrehter Körper,
welcher für architektonische und decorative Zwecke recht geeignet sein
kann. Noch häufigere Yerwendung als bei Verarbeitung der Metalle
dürfte diese letztere Bewegungsart bei Verarbeitung von Holz, Elfenbein
und dergleichen finden.
Endlich ist noch der Fall denkbar, dass die Spitze des Reitstocks
feststeht und nur die Spitze des Spindelstocks sich dreht. Es erfolgt
.dann ein Körper, dessen unrunder Querschnitt am Spindelstocke all-
mälig in einen kreisrunden am Reitstocke übergeht. Auch solche For-
men finden bei Herstellung von Werkzeugen (Reibahlen, (Gewindeboh-
rern) zweckmässige Anwendung und werden auf der Drehbank sich
jedenfalls in sicherer, genauerer Weise als durch Hafidarbeit herstellen
lassen.
Drehbank.
659
Werden die Vorgelege der innern Spindel ausgelöst, die äussere
und innere Spindel mit einander verbunden (wozu der am Kopfe W der
Hoblspindel befindliche verstellbare Knaggen K dient) und die Spitzen
centrisch zur Drehungsachse eingestellt, so kann die Drehbank als ge-
wohnliche Leitspindeldrehbank benutzt werden.
Wenn das zwischen Spitzen zum R^nddrehen eingespannte Arbeits-
stück keinen Vorsprung an einer geeigneten Stelle besitzt, der vom Mit-
nehmer der Drehbank ergriffen werden kann, so muss man Sorge tragen,
künstlich einen solchen Vorsprung anzubringen, welcher gleichfalls Mit-
Fig. 507. nehmer oder Führer genannt wird. Die üb-
lichste Form hierfür ist die in Fig. 507 abgebil-
dete, Dreherherz genannt, dessen Anwendung
einer Erläuterung nicht bedürfen wird. Die
eigenthümliche Form des Herzes lässt eine
grosse Mannigfaltigkeit in den Querschnitten
der einzuspannenden Arbeitsstücke zu.
In anderer Weise kann die Befestigung
des Arbeitsstücks bewirkt werden, wenn man
auf den Kopf der Spindel einen Hohlcylinder
aufschraubt, welcher das Ende des Arbeitsstücks
(oder einen an demselben befindlichen cen-
trischen Zapfen) aufnimmt und Futter oder
Drehbanksfutter, auch Patrone genannt
wird. Eine derartige Vorrichtung wurde schon
bei Besprechung der Räderdrehbänke als zur
Aufnahme der vorstehenden Achsenzapfen die-
nend erwähnt. Die Befestigung geschieht am
einfachsten durch eingetriebene Holzkeile; häu-
figer durch 6 bis 8 radial gerichtete, durch die Wand des Futters hin-
durchgehende Klemmschrauben. Wendet man statt der Klemmschrauben
Backenstücke an, welche sich gleichmässig und gleichzeitig in radialer
Richtung durch Bewegung eines einzigen Stücks verstellen lassen, so erhält
man ein sogenanntes Universalfutter, durch welches ebensowohl das
Centriren als Einspannen des Arbeitsstücks ausgeführt wird, und welches
deshalb in verschiedenen Formen zahlreiche Anwendung gefunden hat.
Der Gebrauch eines Futters wird besonders dann erforderlich, wenn
das Arbeitsstück Überhaupt nur an dem einen Ende sich befestigen lässt,
der Reitstock also nicht gebraucht wird.
Sollen hohle Arbeitsstücke an der Anssenfläche zwischen Spitzen
gedreht werden, so muss man durch Einklemmen eines diametralen
schmiedeeiBemen Stegs an jedem Ende erst Stützpunkte schaffen, an
welchen die Spitzen angreifen können. In solcher Weise werden Säulen,
Sebeibenröhren und dergleichen gedreht. Kurze Hohlkörper dagegen
steckt man zweckmässig über ein massives Futter (Dom), welches statt
43»
660 Trennungsarbeiten.
des oben erwähnten Hoblfdtters anf dem Spindelkopfe aufgesteckt wird
und das Arbeitsstück durcb Reibung mitnimmt.
Wenn beim Drehen sehr langer und dünner Arbeitsstücke, z. B.
Transmi ssions wellen , ein seitliches Ausweichen unter dem Drucke des
Drehstahls zu befürchten ist, so stützt man sie an einer oder mehreren
Stellen zwischen den Docken durch einfache Hülfslager, welche auf dem
Drehbanksbette aufgestellt und Lünetten, Setzstocke oder Brillen
genannt werden. Eine gleiche Vorrichtung wird benutzt, wenn die End-
flächen langer, zum Befestigen auf der Planscheibe nicht geigneter Ar-
beitsstücke bearbeitet werden sollen; man befestigt sie mit dem einen
Ende in einem Futter an der Spindel und lässt das andere Ende in der
Hülfsdocke laufen.
Das eigentliche Werkzeug der Drehbank — Drehstahl, Drehmeissel,
Dreheisen genannt — besitzt entsprechend der yerschiedencn Gestalt der
Arbeitsstücke und verschiedenen Einrichtung der Drehbank sehr ver-
schiedenartige Formen. Allgemein unterscheidet man Schroppstähle
(Schrotstähle), Spitzstähle und Schlichtstahle. Der Schroppstahl hat,
seiner Bestimmung zufolge, durch Abnahme starker Späne bei rascher
Schaltbewegung die erste Bearbeitung aus dem Groben zu bewirken,
eine bogenförmige Schneide (vorgl. Fig. 431); der Spitzstahl dient zum
Abnehmen feinerer Späne und besitzt eine durch das Zusammentreifen
von zwei Schneiden gebildete Spitze (vergl. Fig. 430); der Schlichtstahl
endlich, welcher zum Nacharbeiten der mit Schropp- und Spitzstahl ge-
drehten Arbeitsstücke dient, hat eine geradlinige Schneide. Zum Drehen
kleinerer Gegenstände gebraucht man häufig den früher beschriebenen
Grabstichel. Soll der Stahl zum Ausdrehen innerer Flächen eines Hohl-
körpers benutzt werden, so muss derselbe an seinem Ende, da wo er in
die Höhlung hineingreifen soll, rechtwinklig umgebogen werden und heisst
dann Hakenstahl. Drehstähle, welche aus freier Hand geführt werden,
steckt man in ein hölzernes Heft; nur wenn sehr schwere Stücke aus
freier Hand gedreht werden sollen, schmiedet man die Stähle so lang,
dass sie auf der Schulter des Arbeiters eine Auflage finden, und giebt
ihnen eine entsprechende Biegung nach aufwärts.
Die Bewegung der zu drehenden Fläche des Arbeitsstücks auf der
Drehbank findet, wenn der Dreher vor der Bank steht, von oben nach
unten statt; der Stahl wird gewöhnlich so eingespannt, dass die Schneide
mit der Drehungsachse in annähernd gleicher Höhe liegt.
Um einen Gegenstand zwischen Spitzen zum Runddrehen einzu-
spannen, ist es erforderlich, zunächst mit Hülfe eines der hierfür ge-
bräuchlichen Apparate das Mittel zu suchen (vergl. S. 37), den Mittel-
punkt durch einen Körner zu bezeichnen und ein conisches (xrübchen
zu bilden, in welches die Spitze hineintritt. Häufig bohrt man das Grüb-
chen mit einem kleinen Bohrer etwas tiefer nach als es der Körner ein*
zuschlagen vermag; und wo diese Arbeit oft vorkommt, ist die Anwen-
dung einer Gen trirm aschine (S. 38), welche ebensowohl den Mittelpunkt
Drehbank. 661
festlegt als das Gr&bchen bohrt, höchst zweckmässig. Alsdann kommt
es zunächst daranf an, dem Arbeitsstücke mit Hülfe der vorhandenen
verschiedenen Bewegungsübertragnngen die richtige Umfangsgeschwindig-
keit zn geben. Man rechnet fär Stahl eine Umfangsgeschwindigkeit von
40 bis 60 Mm. per Seonnde, für Gosseisen von 80 bis 90 Mm., für
Schmiedeeisen von 90 bis 100 Mm., für Messing von 160 bis 200 Mm.
Hartgussstücke, z. B. Hartwalzen, vertragen nur eine Umfangsgeschwindig-
keit von 10 bis 20 Mm. Ist die Geschwindigkeit zu bedeutend, so ent-
steht ein Zittern der Maschine, wodurch die Arbeit ungenau wird, und
es tritt eine rasche Abnutzung (Stumpfwerden) des Werkzeugs ein. £r-
fahrungsgemäss steht dieses Stumpfwerden nicht etwa in geradem Ver-
hältnisse zu der bei rascherm Gange geleisteten grossem Arbeit, sondern
wächst mit der Geschwindigkeit in geometrischer Progression; und
schliesslich kann ein Punkt eintreten, wo das Werkzeug überhaupt nicht
mehr angreift, sondern lediglich von dem sehr rasch umlaufenden Ar-
beitsstücke angegriffen und unter Umständen — wenn dieses scharfkan-
tig ist — wie durch eine Kreissäge zertheilt wird.
Die Schaltung des Werkzeugs beträgt, je nachdem man schroppt
oder schlichtet und je nachdem der Durchmesser des Arbeitsstücks klei-
ner oder grösser ist, 0,3 bis 1 Mm. per Umdrehung.
Von grosser Wichtigkeit für das Gelingen des Drehens ist, dass das
Arbeitsstück rund laufe; d. h. dass seine Drehungsachse mit der Spindel-
achse zusammenfalle. Bedingung hierfür ist zunächst die richtige Con-
struction der Drehbank, insbesondere eine sichere und genaue Lagerung
der DrehbanksspindeL Deshalb lässt man, wenn es auf aussergewöhnlich
genaue Arbeit ankommt, das Arbeitsstück lieber zwischen todten Spitzen
laufen , indem man die Spindel festlegt und von einer auf derselben sich
drehenden Scheibe die Bewegung vermittelst eines Mitnehmers auf das
Arbeitsstück überträgt. Sodann bewirkt jede Yerbiegung des Arbeits-
stücks unter dem Drucke des Drehstahls ein Unmndlaufen, und manche
zufällige Ursachen können einen gleichen Erfolg hervorrufen.
Beim Drehen von Schmiedeeisen und Stahl lässt man ununterbrochen
Wasser, Seifenwasser oder Gel auf die Stelle tropfen, wo der Stahl an*
greift. Man verhindert dadurch eine starke Erhitzung und ein in Folge
dessen rasches Stumpfwerden des Drehstahls, befördert auch zugleich das
Abfliessen des Spans und vermindert somit den Arbeitsaufwand. Guss-
eisen, welches kurze mürbe Späne liefert, wird trocken gedreht.
Wie man im Stande ist, mit Hülfe verhältnissmässig einfacher
Kunstgriffe auch niohtcjlindrische Flächen auf der Drehbank herzustellen,
wurde schon theilweise oben erwähnt. Wir erinnern an die Herstellung
von Kegelffächen, indem man den Reitstock seitlich soweit verstellt, dass
die eine Seitenlinie des Kegelprofils parallel der Drehbanksachse zu lie-
gen kommt; an die Benutzung des Curvensupports zur Herstellung ge-
gliederter Körper mit kreisförmigen Querschnitten; des Ovalwerks zum
Drehen von ellipsenförmigen Querschnitten. Kugeln kann man mit
662 TrenDODgearbeiten.
Helfe ein« sogenannten Eugeleapporte drehen, welcher nm einen mitten
unter der eingespannten Engel liegenden Drehponkt horizontal derartig
gedreht wird, doss die Schneide des Drehstahls einen Kreis von dem
Dorcbmesser der Engel in der Ebene der DrebungBaclise der Engel be-
schreibt; oder man giebt dem ArbeitastQcke eine zweifache Bewegung
sowohl am die horizontale Achse der Drehbank als nm eine rechtwinklig
diese krenxende Achse. Es ISsst sich diese eigentfaflmliche Bewegung
erreichen, wenn man die Engel zwischen Spitzen einspannt, welche dia-
metral anf der Planscheibe, also in einer die Drehnngsacbae rechtwinklig
schneidenden Ebene befindlich sind, nnd die eine dieser Spitzen selbst
mit einem Umtriehsmeohanismns in Verbindung bringt. Es empl%ngt
dann das Arbeitsstück gleichzeitig die Drehnng der Planscheibe nnd der
Spitzen; nnd das Werkzeug liegt fest.
Vielfach benutzt man anch die Drehbank, nm vermittelst Wegnahme
von SpSnen nach bestimmten Linien an der Oberfläche der ArbeiteatOcke
Versiemngen — dorch vertiefte länien gebildet — hervorzubringen
nnd nennt diese Arbeit Qnillochiren.
Wenn z, B. in Fig. 508 c die geometriscbe Drehungsachse der
Drehbank bezeichnet, a den Mittelpunkt eines Arbeitsatücks, welches mit
pi^ gQg Hülfe eines Versetzkopfs (eines recht-
winklig gegen die Drehungsachse be-
weglichen Schiebers) excentnsch gegen
c gestellt ist, und man läset die
Spitze des festliegenden , parallel mit
der Drehungsachse gerichteten Werk-
zeugs im Punkte d angreifen, so be-
schreibt dieselbe, wenn die Drehbank
in Umlauf gesetzt wird, den Kreis d
d^di auf der Fläche des Arbeitsstücks.
Dreht man nun, nachdem dieser erste
Kreis gezogen ist, das Arbeitsstück
ein wenig um seine Achse a, so dass
der Punkt 6 der Oberfläche nach h &S\.i — was durch eine einlache Yor-
ricbtnng in genau bestimmbarem Maasse zu erreichen ist — und iKsst
das Werkzeug abermals angreifen , so entsteht neben dem ersten Kreise
ein zweiter, jenen in zwei Punkten schneidend; nnd durch fortgesetzte
Drehung eine grössere Anzahl Kreise, die, wie in der gegebenen Abbil*
dnng, sich schneiden nnd unter einander versohlnngen erscheinen. So
kann man durch passend gewählte Excentricität, Abstände und Durch-
messer der Kreise in einfachster Weise zierliche Zeichnungen hervorbrin-
gen; ein Schritt weiter geschiebt, wenn man das Ovalwerk mit dem Ver-
setskopfe verbindet.
Mit Hülfe der in den Figuren 501 u. 502 a.S. 655 u. 666 abgebilde-
ten Universaldrehbank lassen eich in noch weit ergiebigerer Weise ver-
schlungene Zeichnungen hervorrufen. Wählt man nämlich zwischen der
Guülochiren. 663
HohlBpindel nnd der iimem Spindel ein UebersetnngSTerhiltniBB, welches
nicht genan 1 : 2, 1 : 9, 1 : 4 n. b, w. iet, BO entstehen Gurren, welche
eich nach einer vollen Umdrehung nicht genan decken, sondeni Figorea
bilden, wie eie Fig. 609 dantellL
Bei der eigentlichen Onillochirmaschine iit die Spindeldocke nebat
Spindel Dm zwei an ihrem Fiuse befindliche Spitzen wie um eine htm-
Fig. SOS.
zontale der DrebbanksachBe parallele Achse drehbar, so dass eie wie ein
umgekehrter Pendel hin- nnd herechwingen kann. Auf der Spindel
sitat eine itähleme oder bronsene Scheibe, deren Rand nach einer Figor
gesohweÜt ist, welche den darznstellenden Fignren geometrisch ähnlich
ist. Diese Scheibe beiset Patrone nnd dreht sich mit der SpindeL Seit-
lich von der Spindel ist ein horizontaler Stahlstift Westigt, ^elcher
Anlauf oder Taster genannt wird, und an der andern Seite der Spin-
del befindet sich an dem Bette der Maschine eine Feder, welche die
Docke nebst Spindel nnd Patrone nach der Seite des Anlaofs hinflber-
drückt, so data die Patrone bei der Drehung der Spindel mit ihrem Um-
risse anf jenem schleift. Befestigt man also aof der Planscheihe ein
ArbeitastQck, so wird der Drehatohl anf der senkrechten Stirnfl&che
desselben Fignren beschreiben, welche dem Umrisse der Patrone ent-
sprechen; nnd wenn die Spindel mit einem VersetBkopfe zur excentrischen
Verstellnng de« Arbeitsstücks versehen wird, so lassen sich mannigfach
Terschlnngene Fignren berrorbringen.
664 Treonungsarbeiten.
Unregelmässige Figuren aller Art — Belbet bildliche DarBtellangeii,
wie sie z. B. auf manchen Uhrgeh&asen, Dosen und dergleichen sich
finden — werden hergestellt, indem man zwischen Spindel und Arbeits-
stück eine Vorrichtung einschaltet, welche eine geradlinige Hin- und
Herbewegong des letztem ermöglicht, während die Spindel sich dreht und
die Patrone die Entstehung der erforderlichen Gurren bewirkt.
Sollen, statt auf den ebenen Flächen der Arbeitsstücke, Guillochimngen
auf Cylinderflächen hervorgerufen werden, z. B. bei Druckwalzen, so wird
die Spindel in ihrer Längenrichtung verschiebbar gemacht, während sie sich
rund dreht und die Docke feststeht. Man erreicht diesen Zweck gleich-
falls durch eine Patrone nebst Feder, welche erstere ihre Profilirung wie
die Zähne eines Exonrads auf dem änssersten Umkreise der Fläche trägt
und somit die horizontale Verschiebung der Spindel hervorbringt.
Ueber die Verwendung der Drehbank zum Bohren, Drücken, Schrau-
benschneiden wird unten bei den betreffenden Arbeiten die Rede sein.
Der Arbeitsverbrauch der Drehbänke wird nach Hart ig nach der
Formel:
N= No + £ ff Pferdestärken
berechnet, worin No den Arbeitsverbranch im Leergange bezeichnet, G
das in einer Stunde abgedrehte Metall in Eälogrammen , e den specific
sehen Arbeits werth für das bearbeitete Material, d. h. den für 1 Kilo-
gramm stündlich abgedrehtes Metall entfallenden Werth in Pferdekräften,
dessen Werth anzunehmen ist:
für Gnsseisen € = 0,069 Pferdestärken,
„ Schmiedeeisen ....€ = 0,072 „
„ Stehl s = 0,104 „
Bei Veranschlagungen der erforderlichen Betriebskraft wird man
1 Pferdekraft für grosse, Vs Pferdekraft för kleine Drehbänke rechnen
können.
Literatur über Drehen und Drehbänke.
Ausser den auf Seite 569 angegebenen Werken:
Wiebe, Skizzenbuch, Jahrg. 1869, Hft 5; Jahrg. 1873, Hft 1.
Zeichnungen der Hütte, Jahrg. 1857, Nr. 13 ab; Jahrg. 1861, Nr. 18 vw;
Jahrg. 1866, Nr. 10; Jahrg. 1868, Nr. Sab c
Die meisten Jahrgänge von Dingler^s polytechnischem Journal,
dem polytechnischen Centralblatt, Grothe's deutscher allgemeiner po-
lytechnischen Zeitung, Armengaud, Publication industrielle und anderen
technischen Zeitschriften enthalten theils Notizen, theils Abbildungen von
Drehbänken und Theilen derselben.
üeber Räderdrehbänke finden sich Mittheilungen und Abbildun-
gen in
Fräsen. ^ 665
Hensinger von Waldegg, Handbuch fiVr EiBenbahniechnik , Bd. 4,
S. 242.
Ueber Walzendrehbäoke (für Abdrehen von kalibrirten EiBenwalzen):
Dentsche Indnstriezeitong, Jahrg. 1864, S. 938.
Dingler's Jonmal, Bd. 160, S. 252.
* Ueber das Drehen von Kugeln findet sich eine ausfuhrliche mit Ab-
bildungen Tersehene Abhandlung von T. Rittershaus in der Zeitschrift
zur Beförderung des Gewerbfleissses inPreussen, Jahrg. 51 (1872), S. 243.
f. Frftse und Frftsmasohine.
Ein Werkzeug von der Form eines Rotationskörpers ist an seiner
Aussenfläche verzahnt und macht die Hauptbewegung durch Drehung
um seine Achse; die Schaltbewegung erfolgt durch ununterbrochenes,
langsames Yorrücken entweder des Werkzeugs oder des Arbeitsstücks.
Ist abo z. B. das Werkzeug scheibenförmig gestaltet, an dem Um-
fange verzahnt, und erfolg^ der Vorschub in der Richtung seiner Tan-
gente, so entsteht offenbar ein langer geradliniger Einschnitt von der
Breite des Werkzeugs; zeigt der Umfang profilirte Gestalt, entspricht
z. B. der Umriss der Form einer Zahnlücke bei Zahnrädern und ist
ringsum verzahnt, so wird ein Einschnitt hervorgebracht, welcher jenem
Profile der Fräse entspricht; und wenn beispielsweise die Fräse an dem
Umfange eines Rades parallel der Achsenrichtung desselben vorbeige-
führt wird, denselben schneidend, während ihre Drehungsachse recht-
winklig gegen ihre Bewegungsrichtung steht, so wird eine Zahnlücke
ausgefräst, und man ist im Stande, ein vollständiges Zahnrad durch auf
einander folgendes Ausfräsen sämmtlicher Zahnlücken herzustellen. Ist
endlich die Stirnseite eines Cylinders oder Kegels mit Zähnen besetzt
und der Vorschub erfolgt in der Ebene dieser Stirnseite, so entstehen
gerade Flächen.
Diese ungemeine Mannigfaltigkeit der mit Hülfe der Fräse herzu-
stellenden Formen, welche ohne dieselbe oft nur durch Handarbeit zu
erzielen sein würden, macht dieselbe zu einem sehr wichtigen Werkzeuge
der Metallverarbeitung; vorzugsweise geeignet in solchen Fällen, wo
eine grössere Anzahl gleicher Körper angefertigt werden sollen, weil
eine und dieselbe Fräse auch nur für eine und dieselbe Arbeit verwend-
bar zu sein pflegt, und fast jede neue Form eines Arbeitsstücks auch
die Anfertigung einer neuen Fräse erforderlich macht.
Die einzelnen Schneiden der Fräsen werden meisselartig nach den
früher entwickelten Grundsätzen construirt.
Die Figur 510 a. f. S. stellt eine Fräse zum Ausfräsen von Zahn-
lücken dar. Die Schneidkante ahh' a! zeigt das genaue Profil der Zahn-
666 TrennuiigsarbeiteD.
lücke; sie ist nahezn radial gegen die DrehongMobBe der Frftm gerich-
tet, and der Rftokett den schneidenden Zahns ist derartig gestaltet, dass
Fig. 610.
das Zahnprofil in seiner radialen Stellung einer einw&rts Inttfenden
Spirale bc entlang gefCihrt wird, man also beim Stampfwerden der
Schneidkante nur ndthig hat, die Vorderseite a b mit einem Schleifsteine
anzuschleifen, um immer wieder dasselbe Profil der Schneidkante zn er-
halten, so lange bis von jedem Zahne nur noch der Rest cde itbng ist.
Solche scheibenfSrmigen Frisen nennt man SchneidBobeibeo oder
Schneidräder.
In Fignr 511 ist eine cylindriscbe Fräse mit Schneiden auf der
Stirnseite nnd Hanteläftche abgebildet, welche Torzngsweise zor Her-
FLr. 511. stellang ebener Flächen und rechtwinkliger Ansätze
gebraucht wird. Für letztem Zweck werden zwei
rechtwinklig gegen einander gerichtete Flächen gleich-
zeitig bearbeitet, die eine durch die Stirn-, die andere
dnrch die Mantelschneiden.
Wird der Durchmesser der Fräse ein sehr be-
trächtlicher — über 250 Hm. — , so pflegt man die
Sohnetden fOr sich aas Stahl zu fertigen und in den
meistens gnsseisernen Körper oder Kopf derFrise ein-
zusetzen. Kino solche Fräae heisst Hesserkopf und
^^ wird vorzugsweise zar Bearheitoog grösserer ebener
^^■^ Flächen gebraucht.
^^^^Hf Die Bewegnng der Fräse beziehentlich des Arbeita-
4^^^^p Stacks erfolgt in den meisten Fällen dnrch Uaachinen.
^^P^ Für manche Zwecke lässt sich recht gnt die Drehbank
benutzen, wenn mau die Fräse an dem Kopfe der Dreh-
Fräsen. 667
banksspindel , das Arbeitsstück an dem Supporte befestigt und so vor
der Fräse vorbeiführt, nach Frfordemiss in der Achsenrichtnng der
Drehbank oder wie beim Plandrehen gegen dieselbe.
Wo jedoch die Arbeit des Fräsens häufig vorkommt , zieht man es
vor, besondere Fräsmaschinen dafür anzuwenden. Schon die Thatsache,
dass eine Fräse, wenn sie vortheilhaft arbeiten soll, erfahrungsgemäss
eine erheblich grössere Umfangsgeschwindigkeit erhalten muss, als eine
gewöhnliche Drehbank zu geben im Stande ist, spricht fELr die Einrich-
tung einer Fräsmaschine. Da nun, wie schon oben hervorgehoben wurde,
die Anwendung der Fräsen besonders da zweckmässig erscheint, wo eine
Massenanfertigung bestimmter Artikel stattfindet, so wird man von vorn-
herein bei Construction der Fräsmaschinen den Eigenthümlichkeiten der
jedesmaligen Gattung von Arbeitsstücken thunlichst Rechnung tragen,
um die Arbeit möglichst zu erleichtem; und aus diesem Grunde erscheint
keine andere Werkzeugmaschine für Metallverarbeitung in so verschiede-
nen äusseren Formen als die Fräsmaschine.
Im Wesentlichen finden sich zwei verschiedene Systeme für die An-
ordnung der gewöhnlichen Fräsmaschinen. Bei dem einen liegt das
Arbeitsstück auf einem starken Aufspanntische fest, die Fräse, welche
gewöhnlich an einer horizontalen Spindel befestigt ist, wird mit dem
Spindelstocke an der Seite des Arbeitsstücks vorbeigeführt; bei dem
andern Systeme steht der Spindelstock fest, während der Aufspanntisch
als Ereuzsupport construirt ist und horizontal nach zwei gegen einander
rechtwinkligen Richtungen selbstthätig verstellbar ist.
Eine Fräsmaschine der letztem Ali, nach amerikanischem Muster
von L. Löwe u. Co. in Berlin gebaut 0« zeigen uns die Figuren 512 (a. f. S.)
und 513. Man nennt sie Universalfräsmaschine, weil sie, wie die Beschrei-
bung lehren wird, mit Einrichtungen versehen ist, welche es möglich
machen, die Fräse in sehr verschiedenartiger Weise zu benutzen: zum
Fräsen von ebenen Flächen, von schraubengangfÖrmigen Einschnitten
auf Gylindermänteln, von Zahnrädern u. s. f.
Auf der horizontalen Spindel a, welche in dem Spindelstocke * in
eigenthümlicher und zweckmässiger, aus Fig. 513 ersichtlicher Weise
gelagert ist, sitzt die Stufenscheibe, welche den Antrieb von der Trans-
mission ans aufiiimmt. In dem vordem Ende von a befindet sich eine lange
conische, genau centrische Oe£fhung, in welcher die Fräse befestigt wird.
An der vordem Seite der Maschine unterhalb des Werkzeugs ist der
Tisch zur Aufnahme des Arbeitsstücks ersichtlich. Derselbe besteht
zunächst ans dem consolenartigen Untertheile h, an senkrechten prisma-
tischen Leisten des Ständers geführt und vermittelst der Schraubenspindel o,
welche mit Hülfe von ein Paar Winkelrädem von dem Kurbelzapfen d
^) Die amerilcanische Firma, welche die Constmction dieser Maschine zuerst
zur Anschauung brachte, ist die Brown & Bharpe ManufEMstoring Co. in Provi-
dence, Bhode Island.
668 TrennuugsarbeiteD.
BUS von Hftnd ihre Brehoog erh<, in seiner Höhenetellang Terinderticli
gemacht. Die Schr&nbeoBpiudel e dient mir genanen Begrenztug des
Tig. Sie.
Hnbes, wobei die auf ihr befindlichen verstellbaren Schraubenmattem als
Anschlag dienen.
Auf dem Untertheile b gleitet parallel der lUohtang der Spindel-
achse der Schlitten /, von dem Kurbeleapfen g ans mittelst einer hori-
zontalen, in dem Untertheile b gelagerten nnd durch eine am Schlitten
befestigte Schraubenmutter hindnrchgefübrtea Sohranbenspindel bewegt.
Auf/ ist mit ooniacbem Zapfen die Drehscheibe h befestigt, und in prit-
matiBchen FOhrangen dieaer letztem bewegt sich die TieclipUtte i, «nt-
weder genau rechtwinklig gegen die BewegnngBricfatnng des SchlitlenB /
Fi«. 513.
oder der Stellung der Drehscheibe h entaprecbend mehr oder weniger
schrfig gegen dieselbe. Die Bewegung dieses letzterwähnten Theils er-
folgt durch eine Horizontale, in demselben gelagerte Scbranbenspindel,
welche durch eine auf h befestigte Mutter hindurchgeht und von welcher '
in Fig. 5t2 nor der untere, unter ( Torstebende, mit k bezeichnete Band
sichtbar ist; und zwar entweder tod Hand durch die Kurbel I oder
selbstthStig von der Uaschine aus. In Folge des Umstandes aber, dass,
670 Trennungsarbeiten.
wie soeben gezeigt wurde, die Tischplatte i gegeA die Maschine Ter^
Bchiedenartige Stellungen einnehmen kann, ist f&r die selbstthätige
Steuerung folgende eigenthümliche Bewegungsübertragung angewendet
worden. Auf dem hintern Ende der Arbeitsspindel a sitzt die Stufen-
scheibe m und überträgt die Bewegung durch einen Riemen auf die
Stufenscheibe n. Zur Vervielfältigung der Bewegungsgeschwindigkeit
befindet sich unterhalb n eine dritte Stufenscheibe o; man kann also
nöthigenfalls die Bewegung von m zunächst auf o und von dieser auf n
übertragen lassen, doch genügt meistenstheils die directe Uebertragung
von m auf n. n befindet sich auf dem Ende einer in Fig. 513 punktirt
gezeichneten Welle, welche mit zwei Universalgelenken versehen und
teleskopenartig verlängert und verkürzt werden kann, somit jeder Bewe-
gung des Tischs Rechnung trägt. Auf dem andern Ende dieser Welle
ist ein kleines, in der Abbildung nicht ersichtliches Winkelgetriebe be-
festigt, welches mit dem auf der Steuerungsspindel sitzenden Winkel-
rade p im Eingriffe steht und somit selbstthätige Drehung der Spindel
bewirkt. Um jedoch nach beendigtem Durchgange des Arbeitsstücks
selbstthätige Ausrückung der Tischbewegung herbeizuführen (welche
Einrichtung den Arbeiter in Stand setzt, zwei Maschinen gleichzeitig zu
bedienen), ist das Rad p lose auf der Steuerungsspindel und wird erst
durch eine Elauenkupplung q mit ihr verbunden, deren eine Hälfte auf
der Spindel mit Nuth und Feder verschiebbar befestigt ist, während die
andere mit dem Rade p jbiub einem Granzen besteht und sich demnach auf
der Spindel dreht.
Die Leiste oder Feder, welche die Verbindung zwischen der Spindel
und der Hälfte q herstellt, sitzt in der Nabe der letztem fest und wird
innerhalb des erwähnten Längsschlitzes der Spindel von einem horizontalen
Stifte erfasst, welcher innerhalb der Spindd verschiebbar ist, und dessen aus
derselben vorstehendes Ende bei r mit einer langen, in einer Nuth der
Tischplatte verschiebbaren, schmiedeeisernen Stange verbunden ist. Die
Stange ist mit einem Längsschlitze versehen, in welchem ein Knaggen
8 in beliebigem Abstände vom Ende vermittelst einer Schraube befestigt
werden kann. Bei der Bewegung des Tischs nach rechts (in Fig. 512)
schlägt nun dieser Knaggen gegen den feststehenden Stift t, hindert
dadurch die Weiterbewegung der Stange, und alsbald erfolgt Ausrückung
der erwähnten Kupplung, der Tisch steht.
Das Arbeitsstück kann vermittelst eines kleinen Parallelschraub-
stocks auf der Tischplatte befestigt werden. Für gewisse Zwecke jedoch
befindet sich ausserdem auf derselben eine Vonichtung zum Einspannen
des Arbeitsstücks zwischen Spitzen , auf einer Planscheibe oder in einem
Futter, bestehend aus dem Spindelkasten t und dem Reitstocke u ^). Die
Spindel v des Spindelstocks ist hohl, dient zur Aufnahme einer Spitze,
^) Die aus Fig. 512 erkennbare Feiendes letztem weicht, dem amerikanischen
Systeme entsprechend, etwas von der Form der bisher abgebildeten BeitstÖcke ab.
Fräsmaschine. 671
einer Planscheibe oder eines Einspannfniters; auf dem hintern Ende sitzt
ein Schneckenrad, welches durch eine Schnecke von der Kurbel w aus
(Fig. 513) bewegt werden kann, falls die Spindel in Umdrehung versetzt
werden soll. Selbstthfitig kann diese Drehung von der Stenerungsspindel
her aasgeführt werden , indem man die Bewegung derselben durch das
Getriebe x, die Wechselräder Xi x^ und das Rad x% auf das Winkelr&der-
paar yyi überträgt, deren letzteres auf der Schneckenwelle des Spindel-
stocks festsitzt. Das Gehäuse, welches die Spindel trägt, ist zwischen
den beiden Backen des Spindelstocks um die Schneckenwelle drehbar,
so dass die Spindel auch in schräge und senkrechte Stellung gebracht
werden kann, welcher Fall z. B. bei dem Fräsen von Zahnrädern vor-
kommt. Durch einen Bolzen mit Mutter, welcher in dem kreisbogenförmi-
gen Schlitze der Backenstücke geführt ist, lässt sich das Spindelgehäuse
in jeder dieser Stellungen festhalten; und da die SchneckenweUe selbst
die Drehiingsachse bildet, wird die Bewegung der Schnecke auch in
jeder Stellung der Spindel auf diese übertragen.
Damit man endlich im Stande ist, eine intermittirende Drehung des
auf der Spindel befestigten Arbeitsstücks um ein genau vorgeschriebenes
Maass auszuführen (z. B. beim Fräsen von Zahnrädern um je eine Zahn-
theilung nach Beendigung einer Zahnlücke), sitzt lose auf der Schnecken-
welle eine Theilsoheibe e mit einer grossem Zahl von Theilkreisen, deren
Theilung durch versenkte Kömerpunkte markirt ist. Durch einen Stift
in einem am Spindelstocke angegossenen Säulchen (vergL Fig. 513) lässt
sich die Theilsoheibe feststellen, so dass die Schnecken welle , auf welcher
die Schlitzkurbel w befestigt ist, sich frei innerhalb derselben dreht.
Die letztere trägt auf ihrer Rückseite einen Federstift, der sich mit
Hülfe des Enrbelschlitzes in jeden Abstand vom Drehungspunkte bringen
lässt und in die betreffenden Kömerpunkte eingestellt wird. Es ist
somit leicht, der Sohneckenwelle durch Drehung der Kurbel gemäss der
Theilung der Theilsoheibe jedes beliebige Maass der Umdrehungen zu
ertheilen: zur Vermeidung von Irrthümem in denjenigen Fällen, wo
Bruchtheile einer ganzen Umdrehung ausgeführt werden sollen, befindet
sich ein stellbares Zeigerpaar »i auf der Theilsoheibe. Soll die Schnecken-
welle z. B. iVia Umdrehungen machen, so stellt man den Federstifb auf
einen in 12 Theile getheilten Kreis, die Zeiger so weit aus einander,
dass sie zwei Theile des Theilkreises einschliessen (also drei Löcher zwi-
schen sich fassen), steckt den Federstift in das Loch 1, dann, nachdem
eine volle Umdrehung gemacht ist, in das Loch 3; nun rückt man die
Zeiger so viel weiter, dass der erste sich gegen den Stift legt, wobei
dann der zweite die Stellung des Stifts nach der nächsten Umdrehung
in dem Loche 5 anzeigen wird; u. s. f.
Es wird aus vorstehender Beschreibung der Maschine verständlich
geworden sein, wie dieselbe für die mannigfachsten Verwendungen ge-
eignet ist, je nachdem die eine oder andere Bewegungsrichtung des Tischs
nebst Zubehör in Benutzung genommen wird. Spannt man zwischen
672 Trennungsarbeiten.
die Spitzen der beiden auf dem Tische befindlichen Docken einen Cjlio-
der ein und setzt sowohl die selbstthätige Horizontalschaltung desTischs
als die Drehung der für die Aufnahme des Arbeitsstücks dienenden
Spindel in Thätigkeit — also eine doppelte Schaltbewegung — , so entsteht
unter Einwirkung einer scheibenförmigen Fräse ein vertieff;er Schrauben-
gang auf dem Umfange des Arbeitsstücks, eine Verwendung der Ma-
schine, welche bei Anfertigung der sogenannten Spiralbohrer vielfach
vorkommt.
Die Fräse ist nicht nur ein in seiner Anfertigung kostspieliges
Werkzeug, dessen Herstellung die grösste Aufmerksamkeit erfordert,
wenn sie eben ihren Zweck in vollkommener Weise erreichen soll, son-
dern es hat auch jedes Stumpfwerden der Schneiden eine weit schwieri-
gere Wiederherstellungsarbeit zur Folge, als bei den einfachem Messern
anderer Werkzeugmaschinen. Die Construction der Fräse in solcher
Weise, dass nicht allein jede der Schneiden richtig geformt ist, sondern
dass auch alle Schneiden in genauer Weise zusammenwirken — wozu
vorzüglich ein sicheres Rundlaufen, also vor Allem eine genau runde
Form der Fräse erforderlich ist — , und dass endlich jenes Schärfen in
möglichst einfacher Weise und ohne Nachtheil für die Beschaffenheit der
Fräse zu erreichen sei, ist demnach eine wichtige Aufgabe, wenn die
Anwendung der Fräsen und Fräsmaschinen überhaupt einen günstigen
Erfolg liefern solL
Wie die CJonstruction von Werkzeugmaschinen für Specialzwecke
vorzugsweise in den Vereinigten Staaten Nordamerikas auf eine hohe
Stufe der Ausbildung gelangt ist, so verdanken wir auch ganz besonders
hinsichtlich der Construction von Fräsen und Fräsmaschinen viele be-
merkenswerthe Fortschritte den Nordamerikanern.
Von Wichtigkeit für die Erreichung jener Aufgabe einer Fräse ist
die Anzahl der Schneiden auf bestimmter Länge oder richtiger ihr Ab-
stand von einander und ihre Grösse. Während man bei uns bis vor
Kurzem vorwiegend feingezahnte Fräsen mit 0,5 bis höchstens 4 Mm.
Theilnng (Abstand im Theilkreise) anwandte, giebt man in Nordamerika
durchweg grosse und grobe Zähne. Bei einer Fräse mit feiner Zahn-
theilung wird wie bei einer Feile der Raum zwischen den einzelnen
Zähnen bald mit feinen Spänen angefüllt. In Folge dessen verliert die
Feile ihre Wirksamkeit, statt des Schneidens entsteht ein Schaben und
die Schneidkante wird rasch stumpf. Bei der feinen Theilung ist eine
Zuschärfnng nur möglich, indem die Fräse ausgeglüht, mit einem^ Werk-
zeuge nachgeschnitten und wieder gehärtet wird. Das Ausglühen ohne
Hämmern benachtheiligt aber die Eigenschaften des Stahls und das
Härten hat sehr leicht ein Verziehen der Fräse zur Folge, welche nun-
mehr in Folge dessen nicht mehr rund läuft. , Macht man aber die Zähne
(Schneiden) und ihre Entfernung von einander grösser, so nimmt jeder
derselben einen entsprechend grossen Span, welcher vermöge seines
eigenen Gewichts herausföllt. Ist aber die Schneide endlich stampf ge-
Fräsen. 673
worden, so lässt sich das Anschärfen bei der Grösse des Zahns dorch
Schleifen bewirken, was bei kleinen Zähnen unmöglich sein würde, und
man erspart nicht allein dadurch Arbeit, sondern umgeht auch die soeben
erwähnten nicht unerheblichen Nachtheile des Ausglühens und Härtens ^).
Selbstverständlich muss bei der Form des Zahns von vornherein auf
dieses spätere Zuschärfen durch Schleifen Rücksicht genommen werden;
die auf S. 666 in Fig. 510 abgebildete Fräse giebt ein Beispiel hierfür.
Als zweckmässige Umfangsgeschwindigkeit der Fräse rechnet man
bei Schmiedeeisen lÖO bis 180 Mm. per Secunde, bei Gnsseisen 180 bis
200 Mm. per Secunde; bei Maschinen mit Messerkopf, deren Schneiden
leichter zu schärfen sind, ^ giebt man sogar eine Umfangsgeschwindigkeit
bis zu 250 Mm. Die Schaltung schwankt nach dem Durchmesser der
Fräse von 0,1 bis 1,5 Mm. per Umdrehung.
Für die Berechnung des Arbeits Verbrauchs giebt Hartig die Formel:
N=No + «6,
worin ^o den Arbeitsv^rbrauch im Leergange, G das stündlich abgefräste
Materialquantum bezeichnet und £ den Arbeits verbrauch für 1 Kilogramm
Spangewicht per Stunde; für Gusseisen beträgt
s = 0,07 Pferdestärken bei mittelscharfen Schneiden;
s = 0,24 Pferdestärken bei Abfräsen der Gusshaut.
Nq schwankt zwischen 0,1 bis 0,55 Pferdestärken.
Für Veranschlagungen des Kraftbedarfs wird man 0,5 bis 1 Pferde*
stärke pro Maschine rechnen können.
Literatur über Fräsen und Fräsmaschinen.
Ausser den auf S. 569 mitgetheilten Werken:
Zeichnungen der Hütte, Jahrg. 1858, Taf. 32, Jahrg. 1859, Taf. 12, Jahr-
gang 1863, Taf. 32 ab, Jahrg. 1864, Taf. 33.
U blandes Maschinenconstructeur , Jahrg. 1870, S. 277, Jahrg. 1871,
S. 148, Jahrg. 1872, S. 5, Jahrg. 1873, S. 356.
Armengaud, Publication industrielle, Bd. 3, S. 44, Bd. 5, S. 257, Bd. 8,
S. 357, Bd. 14, S. 371, Bd. 17, S. 367, Bd. 19, S. 89 und 335,
Bd. 20, S. 12, Bd. 21, S. 2.
Dingler's polytechnisches Journal, Polytechnisches Gentralblatt, Deutsche
Industriezeitung, Deutsche Allgemeine polytechnische Zeitung und
andere mehr in fast allen Jahrgängen.
g. Ger&the zum Ausbohren.
Wenn bei der rohen Formgebung ein Arbeitsstück eine cylindrische
Oeffnung erhalten hatte, welche einer Nacharbeit durch Wegnahme von
*) Vergl. Wencelides, op. cit., 8. 109.
L e d e b n r , mechauiach-metiiUargiflch« Technologie. ^
674 Trennungsarbeiten .
Spänen vermittelst eines schneidenden Werkzeugs bedarf, nm den er-
forderlichen Grad von Genauigkeit zu erhalten, so nennt man diese
letztere Arbeit „ Ausbohren*'. Das Ausbohren geschieht, indem man
einen um seine Achse sich drehenden, an einer langem Stange (der
ßohrwelle, Bohrstange oder Bohrspindel) befindlichen Bohrkopf,
an dessen Aussenfläche eine oder mehrere radiale Schneiden (Bohrschnei-
den, Bohrmesser) befestigt sind, langsam durch die vorhandene Oeffnung
hindurchführt, wobei die Schneiden Späne abnehmen. Ist die aus-
zubohrende OeffnuDg klein im Durchmesser, so befestigt man die Messer
auch ohne eigentlichen Bohrkopf ohne Weiteres in der Bohrstange. Die
in einer Drehung um die Achse bestehende Hauptbeweguug wird dem-
nach stets durch das Werkzeug bewirkt; die geradlinige Verschiebung
in der Achsenrichtung entweder durch das Werkzeug oder das Arbeits*
stück.
Die Arbeit des Ausbohrens hat mithin eine gewisse Aehnlichkeit
mit der Arbeit des Fräsens, unterscheidet sich jedoch wesentlich von
derselben dadurch, dass beim Ausbohren die Schneiden ununterbrochen
im Angriffe bleiben, während sie sich beim Fräsen gegenseitig abwech-
seln. Daher ist auch die Bewegung beim Ausbohren eine erheblich
langsamere als beim Fräsen.
Die Anwendung mehrerer Bohrmesser auf demselben Bohrkopf dient
nicht allein zur Beschleunigung der Arbeit, sondern ist auch deshalb
zweckmässig, weil bei einem einzelnen eine Verbiegung der Bohrwelle
und somit die Entstehung eines unrunden Lochs durch den einseitigen
Druck sehr leicht eintreten kann. Die Zahl der Schneiden pflegt dem-
nach mindestens zwei und höchstens acht zu betragen.
Die Befestigung der Schneiden geschieht bei kleineren Vorrichtun-
gen dieser Art häufig nur mit Hülfe eines Schlitzes in der an dieser
Stelle etwas im Durchmesser verstärkten Bohrstange, in welchem das
Schneidmesser durch einen Keil festgehalten wird. Derartig befestigte
Bohrmesser können noch zum Ausbohren von Löchern mit 200 Mm.
Durchmesser benutzt werden, wobei allerdings die Bohrstange selbst schon
einen Durchmesser von mindestens 100 Mm. erhalten muss; für grössere
Löcher befestigt man die Schneiden in dem schon erwähnten Bohrkopfe,
welcher gewöhnlich aus Gusseisen gefertigt ist und eine genaue Ein-
stellung der Messer vermittelst Keile und Schrauben ermöglicht.
Nur selten und nur in Werkstätten, welche mit maschinellen Vor-
richtungen nicht versehen sind, erfolgt die Bewegung der Bohrstange
von Hand, wobei natürlich nur sehr schwache Spänchen genommen wer-
den können. Das Ende der Bohrstange ist für diesen Zweck vierkantig
ausgeschmiedet, um ein langes Querheft darüber stecken zu können (Wend-
eisen genannt), an dessen beiden Enden gedreht wird. Sollen vier
Arbeiter gleichzeitig anfassen, so schmiedet man das Wendeisen in Form
eines grossen Kreuzes. Die Vorrichtung heisst Gylinderbohrer. Der
Messerkopf ist häufig nur aus Holz mit eingesetzten Messern gefertigt.
Ausbohren. 676
Für conische Oeffnangen, z. B. in einem Habngehänse, muBS der Kopf
nebst Messern natürlich ebenfalls conisch geformt sein.
Bei den Maschinen, welche zam Ausbohren benutzt werden, ist die
Bohrstange an beiden Enden gelagert, um eine sichere Führung der
Messer zu gewähren; die Schneiden und mithin auch das auszubohrende
Arbeitsstück, durch dessen Oeffnung die Bohrstange hindurchgeht, befinden
sich zwischen den Lagern. Ein leicht zu bewirkendes Ausheben der
Bohrstange aus ihren Lagern ist demnach erforderlich, um das Arbeits-
stück an seine Stelle bringen und die Bohrstange hindurchstecken zu
können.
Die Construction dieser Ausbohrmaschinen weicht insofern von ein-
ander ab, als man den Vorschub entw<^er von dem Arbeitsstücke oder
▼on dem Werkzeuge ausfuhren lässt. Letzterer Fall ist, wie schon er-
wähnt, der gebräuchlichere und beim Ausbohren schwerer Arbeitsstücke
allein anwendbar; der erstere Fall kommt vor, wenn man eine Drehbank
mit selbstthätigem Vorschübe zum Ausbohren benutzt, die Bohrwelle mit
der Drehbanksspindel verbindet, das Arbeitsstück auf dem Supportschlit-
ten befestigt, welcher in diesem Falle mit entsprechend ausladendem
Fusse versehen wird und in solcher Weise den Vorschub des Arbeits-
stücks bewirkt ^). Bei Maschinen jedoch , welche vorwiegend zum Aus-
bohren bestimmt sind, pflegt auch für kleinere Arbeitsstücke der Vor-
schub durch die Bohrwelle ausgeführt zu werden, wobei nicht aus-
geschlossen ist, dass dieselbe Maschine nach Ein- und Ausschaltung der
betreffenden Schaltungsmechanismen auch zum Drehen und Fräsen be-
nutzt werden kann.
Solche kleineren Ausbohrmaschinen, deren äussere Form gewöhnlich
deijenigen einer Fräsmaschine ähnelt und welche zum Ausbohren von
Lagern, Kuppelmuffen, kleinen Dampf- und Pnmpencylindern und der-
gleichen benutzt werden, haben stets eine horizontale Bohrwelle und
heissen insbesondere Horizontalbohrmaschinen; die grossen Maschi-
nen, zum Ausbohren grosser Dampf-, Pumpen- und Gebläsecylinder die-
nend, haben theils horizontale, theils verticale Bohrspindeln und werden
Cylinderbohrmaschinen genannt.
Die Art und Weise, wie bei den Horizontalbohrmaschinen die Schalt-
bewegung der Bohrspindel bewirkt wird, ergiebt sich ans der Figur
514 a. f. S., einen senkrechten Schnitt durch den Spindelstock einer sol-
chen Maschine darstellend ^). Auf der hohlen Spindel d sitzt das Stirn-
rad i und empfangt seine Bewegung von der Stufenscheibe e entweder
durch directe Verbindung oder durch ein seitliches Vorgelege, welches
von dem kleinen Getriebe/ aus betrieben wird, je nachdem langsame
oder rasche Drehung erforderlich ist. In jener Hohlspindel steckt die
^) Yergl. die in Figur 490 und 493 nxtf Seite 644 gegebene Abbildung einer
derartigen Drehbank.
*) Hart, Werkzeugmaschinen, Tafel 26, Figur 5.
43*
676 Trennungsarbeiten.
Bohrepiadel c,' durch Nuth ond Feder mit iiir yerbaaden and deshalb
jede Dreliimg deraetben mitmachend, doch in der Achsenrichtung rer-
Fig. 514.
sohiebbar, und die Schraube napindel o mit einem Kopfe, in welchem das
Ende der Bohrspindel durch einen Keil beieetigt iet. Zar Längs-
bewegung der Schraabenspindel 0 dient non daiB 'sogenannte Difieren-
zialgetriebe %2mn. Von diesen vier Rädchen sitzt ft fest auf dem Ende der
hohlen Spindel d; l and m sitzen aof einer gemeinschaftlichen Achse und
bilden zusammen ein StQck, n sitzt auf der Schraabenmutter Oi fest,
welche auf der Schraubenspindel o befestigt ist. Das Uebersetznnga-
TcrbältnisB der Räder fc : E ist ein etwas kleineres als das Uebersetznngs-
verhältnisa m : M; dadorch erh< die Schraubenmutter Oi eine abwei-
chende Geschwindigkeit und somit eine relative Drehung gegen die mit
der Spindel sich drehende Schraube; nnd da die Mutter an einer Län-
gen verschiebang gehindert ist, erfolgt eine solche ßir die Schraube und
Bohrspindel.
Um die letztere nach ihrem Durchgange leer EarQckzufahren , be-
nutzt man das mit dem Stimrädchen n ans einem Stftcke gegossene
Handrad it| , nachdem die Rädchen I und m ausgerückt sind. Die Achse
derselben ist zu diesem Zwecke mit einem excentrischen Zapfen an dem
Spiudelstocke gelagert nnd durch eioe halbe Umdrehung wird die Aus-
rückung bewirkt.
a ist der Stander der Maschine, mit dem Spindelstocke in einem
Stücke gegossen und unten mit solidem Fusse versehen. An der Seite,
wo die Bohrspindel hervorragt, befindet sich ein meistens consolenfönuig
construirter Tisch, zum Höher- oder Niedrigerstellen eingerichtet, auf
welchem sowohl das Arbeitsstück als auch ein Setsstock (Lagerbock) be-
festigt wird, um das andere Ende der Bohrspindel zu stützen. Soll, wie
es meistens der Fall ist, die Maschine auch zum Drehen und Fräsen
benutzbar aein , so ist der Tisch mit einem Kreuzsnpporte von bekanntet
Einrichtung vorsehen, welcher selbsttbätig geschaltet wird und beim
Horizontalbohnnaschinen. 677
Drehen dos Werkzeug, beim Fräsen das ArbeitBstück Bafaimmt. Die
Rädchen l und m werden dann aoBger&ckt, das Getriebe k mit einem seit-
lich gelagerten Rädchen in EüngrifF gebracht nnd von diesem aas wird
die Schal tbewegong anf eine Leitspindel abertragen, welche sie anf den
Support fortpäanEt. Beim Fräsen wird statt der Bohrspindel eine Fräse
in d befestigt; beim Drehen eine Spitze; und wenn man die Maaahine
zum Plajidrehen benutzen wiU, ist der Mitnehmerkopf d znm Abschrau-
ben eingerichtet, um an seiner Stelle eine Planscheibe anischraaben zu
Da die Bohrspindel der Horizontalbohrmaachinen den Vorschub selbst
ausfahrt, so muss ihre Länge incl. der Schraube mehr als das Doppelte
Fig. 515,
von der I^inge des auszubohrenden ArbeitsstOcks betragen. Bei diesen
kleineren Maschinen ist dieser Umstand ohne Belang; bei grossen Ma-
schinen aber, den eigentlichen Cylinderbohrmaschinen, wQrde eine solche
bedeutende Länge der Bohrspindel mancherlei Unbequemlichkeiten her-
Tormfen. Man zieht es deshalb bei den grösseren Cjlinderbohrmascbinen
gewöhnlich vor, den Bohrkopf anf der Spindel verschiebbar zu machen
nnd somit von diesem allein die Fortrückung ausführen sn lassen, wäh-
rend die Bewegung der Spindel lediglich in einer Drehung besteht.
Die Figuren 616 nnd 616 stellen eine solche horizontale Cylinderbohr-
676 Trenn ungsarbeiten.
Gylinderbohrmaschinen. 679
maschine mit fortrückendem Bolirkopfe in V15 der wirklichen Grösse dar
(Chemnitzer Werkzengmaschinenfabrik).
Auf dem gnsseisemen kastenförmigen Untersatze Ä sind die Lager-
stühle B und Bi aofgeschranbt, welche zum Tragen der Bohrspindel dienen.
Zwischen denselben sind die starken, zur Aufnahme des auszubohrenden
Cylinders dienenden Tragböcke Ci C^ angebracht, auf denen der Cylinder
durch übergelegte Schmiedeeisenanker, in Schrauben endigend, sicher
und centrisch zur Bohrwelle befestigt werden kann. Um der Verschie-
denheit der Cylinderdurchmesser Rechnung 2u tragen, sind je zwei
zu einander gehörige Tragböcke quer gegen die Längenrichtung der
Maschine verschiebbar (ähnlich wie die Klauen einer Centrirmaschiue
S. 38), wobei, wie aus Fig. 516 hervorgeht, ihre Seitenflächen neben
einander vorbeigehen. Die Verschiebung wird von Hand mit Hülfe von
Schrauben bewirkt und die Böcke in der gewählten Stellung durch starke
Schrauben auf dem Untertheile festgestellt. Die gusseiserne Bohrspindel
D ist hohl und trägt in ihrem Innern die lange, an dem linken Ende
mit einem Zapfen frei herausragende und unabhängig von D drehbare
Schraubenspindel E. Auf der an der Aussenfläche gedrehten Bohrspindel
sitzt der Bohrkopf F mit den Schneidstählen //, welche in der aus der
Abbildung ersichtlichen Weise durch je einen Keil mit Schraube in dem
Kopfe befestigt sind. Der Bohrkopf trägt an seiner Innenseite eine in
der Abbildung nicht sichtbare Schraubenmutter, welche durch den langen
in Fig. 516 sichtbaren Schlitz der Bohrspindel hindurch in das Innere
derselben hineingreift und die dort befindliche Sohraubenspindel umfasst.
Während also der Bohrkopf gezwungen ist, die Drehung der Bohrspindel
mitzumachen (wobei die in den Schlitz greifende Mutter als Mitnehmer'
dient), mnss zugleich eine Längsverschiebung desselben stattfinden, sobald
die Drehung der innern Schrauben Spindel E von der Drehung der Hohl-
spindel D abweicht. Von der Deokentransmission aus erhält zunächst die
Stufenscheibe Q ihren Antrieb und überträgt die Bewegung durch die
auf ihrer Welle befestigte Schnecke H unter stark verlangsamender
Uebersetzung auf das Schneckenrad £1, welches auf der Bohrspindel D
festsitzt und somit auch diese in Drehung versetzt. Zur Unterstützung der
Antriebwelle mit Stufenscheibe und Schnecke dienen die beiden an dem
Lagerstuhle Bi angegossenen Lagerhülsen KK, Von der Bohrspindel
aus erfolgt nun die abweichende Drehung der Schraubenspindel E ver-
mittelst des DifPerenzialgetriebes mnop in ganz gleicher Weise wie in
Fig. 514. m sitzt fest auf der Bohrwelle, p auf der Schraubenspindel;
n und 0 befinden sich zusammengekuppelt auf einer gemeinschaftlichen,
in dem kleinen Lagerstuhle Q befestigten Achse. Die Uebersetzung m : n ist
eine andere (kleinere) als 0 : p; E erhält demnach eine etwas langsamere
Drehung als D und schiebt dadurch den Bohrkopf F langsam in der
Achsenrichtung vorwärts.
Die Zuiückführnng des Bohrkopfs nach beendigtem Durchgange
geschieht von Hand, indem man eine Kurbel auf das vierkantig ge-
680 Trennungsarbeiten.
schmiedete Ende der Schranbenspindel steckt und in entsprechender
Richtung dreht, nachdem die Radchen o und n losgenommen worden sind.
Bei den senkrechten Cylinderbohrmaschinen ist die innere Einrich-
tung der senkrecht stehenden Bohrspindel im Wesentlichen die nämliche
als bei den horizontalen; statt des gusseisernen Rahmens oder Betts,
welches zum Tragen der ConstructionsCheile einer horizontalen Cylinder-
bohrmaschine dient, besitzt eine senkrechte Maschine eine Fundament-
platte mit Lagerbüchse ftir den einen Zapfen der Bohrwelle und einen
von Säulen getragenen Rahmen, welcher das Lager für den andern
Zapfen enthält und zugleich als Unterstützung für den Mechanismus
zur Bewegung der Schraubenspindel (Differenzialgetriebe) benutzt zu
werden pflegt. Der Antrieb der Bohrwelle erfolgt gewöhnlich an dem
untern Zapfen unterhalb der erwähnten Fundamentplatte.
Die senkrechten Cylinderbohrmaschinen sind schwieriger in ihrer
Bedienung und deshalb im Allgemeinen weniger häufig als die horizon-
talen. Ihre Anwendung ist jedoch noth wendig, wenn Cy linder von sehr
grossem Durchmesser ausgebohrt werden sollen (z. B. grosse Gebläse-
cylinder), welche für stehende Maschinen bestimmt sind und vermöge
ihres eigenen Gewichts eine Zusammendrückung erfahren, also ellipti-
schen Querschnitt erhalten, sobald sie in liegende Stellung gebracht
werden. Wird nun ein solcher Cylinder auf einer horizontalen Gylinder-
bohrmaschine rund ausgebohrt und dann aufgerichtet, so nimmt er als-
bald seine normale Form wieder an und wird dadurch im Innern elliptisch.
Umgekehrt würde ein grosser Cylinder für liegende Maschinen elliptischen
Querschnitt erhalten, wenn er auf einer senkrechten Cylinderbohrmaschine
ausgebohrt und dann in horizontale Lage gebracht würde.
Es ist noch der Fall denkbar, dass Oeffnungen ausgebohrt werden
sollen, welche innerhalb des Arbeitsstücks endigen, nicht hindurchgehen.
Bei Anfertigung von Geschützwa£Pen (Kanonen, Gewehrläufen u. s. w.)
ist dieser Fall nicht selten. . Ausbohrmaschinen der beschriebenen Art,
in welchen die Bohrspindel an beiden Enden unterstützt ist, sind dann
natürlich nicht zu verwenden. Der Bohrkopf muss an dem einen Ende
der Spindel befestigt und diese in solider Weise gelagert sein, um jede
Yerbiegung zu vermeiden. Gewöhnlich liegt sie horizontal; senkrechte
Maschinen haben dieselben Nachtheile wie die senkrechten grossen Cy-
linderbohrmaschinen, ohne dass, wie bei jenen, ihre Anwendung durch
Eigenthümlichkeiten der Arbeitsstücke nothwendig würde. Häufig macht
das Arbeitsstück die Hauptbewegung (Drehung) und der Bohrkopf rückt
gegen dasselbe vor; bisweilen liegt das Werkzeug ganz still und das
Arbeitsstück macht beide Bewegungen.
Wie bei jeder andern Bearbeitung metallener Arbeitsstücke durch
Werkzeuge pflegt man beim Ausbohren erst durch Wegnahme starker
Späne mit starkem Vorschübe zu schroppen und dann durch Schlichten
mit langsamem Vorschübe die Arbeit zu beendigen. Während man beim
Ausbohrmaschinen. 681
Schroppen gewöhnlich mehrere Stahle zugleich angreifen lässt, pflegt
beim Schlichten nar ein einziger im Angriffe zu stehen; und sollte durch
den einseitigen Druck, welcher beim Schlichten jedoch schwächer aus-
fallt, ein Verbiegen der Bohrwelle zu befürchten sein, so lässt sich dieses
verhindern, indem man dem Stahle gegenüber ein Holzstückchen in den
Bohrkopf einsetzt.
Die zweckmässige Umfangsgeschwindigkeit ist bei kleineren Hori-
zontalbohrmaschinen :
beim Ausbohren von Stahl .... 30 bis 40 Mm. per Secünde,
„ „ „ Ghisseisen. . . 60 „ 70 „ „ „
„ „ „ Schmiedeeisen . 70 „ 80 ^ „ „
„ „ „ Messing, Bronze 100 „ 120 „ „ „
die Schaltung 0,1 bis 0,5 Mm. per Umdrehung. Grosse Cylinderbohrmaschi-
nen lässt man, um die bei dem grossem Durchmesser leichter eintreten-
den Erschütterungen zu vermeiden, etwas langsamer gehen und kann
für die Hauptbewegung etwa 10 Mm. weniger als die obigen Werthe
rechnen , während die Schaltung in Rücksicht auf die längere Zeitdauer
per Umdrehung 0,25 bis 1 Mm. beträgt; nach Hartig soll die Zuschie-
bung (Schaltung) Vssoo der Umfangsgeschwindigkeit betragen.
Der Arbeitsyerbrauch ist nach Hartig:
N = No + bG Pferdestärken,
0 13
und hierin s für Gusseisen = 0,034 -|- -^ Pferdestärken zu setzen,
wobei / den Spanquerschnitt in Qmm. , N^ wie in den früheren Formeln
den Arbeitsyerbrauch im Leergange, Q- das Gewicht des stündlich zer-
spanten Metallqnantums bedeutet.
Für kleine Cylinderbohrmaschinen genügt ein Arbeitsaufwand von
^/4 Pferdekraft, welcher bei grossen Maschinen bis auf 4 Pferdekräfte sich
steigern kann.
Literatur über Geräthe zum Ausbohren.
Ausser den auf Seite 569 genannten Werken:
Zeichnungen der Hütte, Jahrg. 1864, Nr. 22 ab, Jahrg. 1870, Nr. 11.
Praktischer Maschinenconstructeur, Jahrg. 1868, S. 117.
Wiche, Skizzenbuch, Jahrg. 1866, Hft. 2.
Deutsche Industriezeitung, Jahrg. 1869, S. 3.
Dingler's polytechnisches Journal, Bd. 106, S. 96, Bd. 208, S. 2,
Bd. 209, S. 3, Bd. 216, S. 477.
682 Trennungsarbeiten.
h. Gerftthe zum. Loohbohren.
Wenn in einem vollen Metallstücke eine kreisronde Oeffnnng mit
gerader Achse (ein Loch) hergestellt werden soll, so kann dieses — ab-
gesehen von der früher besprochenen Methode des Lochens durch Ab-
scheerong, welche, wie oben ansfuhrlicher erläutert wurde, nur für eine
beschränkte Anzahl von Fällen benutzbar ist und dann auch nicht ein-
mal ein genau cylindrisches Loch liefert — mit Hülfe dnes schneidenden
Werkzeugs in zweierlei Weise ausgeführt werden.
Bei der ersten dieser beiden Methoden wird ein Werkzeug mit
schmaler Schneide (dem Kreuzmeissel entsprechend) in einem Abstände
gleich dem Halbmesser des herzustellenden Lochs um den Mittelpunkt
des letztern herumgeführt und schneidet dabei einen cylinderförmigen
Kern aus dem vollen Metalle aus. Zur Sicherung der Bewegung des
schneidenden Werkzeugs muss dasselbe mit einer zu dem Loche centri-
trischen Spindel verbunden werden, welche in der Mitte des erwähnten
Kerns eingesetzt wird und die Drehung auf das Werkzeug überträgt
Es ist klar, dass ein solches Verfahren nur in denjenigen Fällen Anwen-
dung finden kann, wo das Locfa^durch das ganze Arbeitsstück hindurch-
geht; denn so lange die Basis des Kerns in fester Verbindung mit dem
Arbeitsstücke bleibt, würde ein regelrechtes Lostrennen desselben ohne
Gefahr einer Beschädigung des Arbeitsstücks fast unmöglich sein. Ande-
rerseits aber verliert das Verfahren an Werth und wird schwieriger
ausführbar, wenn der Durchmesser des Lochs überhaupt nur klein ist.
Deshalb findet es vorzugsweise dann Anwendung, wenn in dünnen Me-
tallstücken "T Blechen — grosse Oeffnungen hergestellt werden sollen.
Da die Schneide bei ihrer Drehung ihrer Aufgabe entsprechend
tiefer und tiefer in das Metall eindringt, so muss die mit ihr fest ver-
bundene Spindel entweder gleichfalls diese Schaltbewegung des Werk-
zeugs mitmachen; und in diesem Falle muss in der Mitte der auszu-
schneidenden Metallscheibe bereits ein kleineres Loch für die Aufnahme
und den Vorschub der Spindel vorhanden sein; oder es muss die Spindel
in ihrer Achsenrichtung verschiebbar gemacht werden, in welchem Falle
sie nur mit einer conischen Spitze in ein im Mittelpunkte der Scheibe
gekörntes Grübchen eingesetzt zu werden braucht. Dabei muss aber
natürlich die Spindel den zum Eindringen der Schneide in das Metall
erforderlichen Druck auf diese übertragen; und hierdurch verliert die
letztere Construction bedeutend an Einfachheit. Als Beispiel hierfür
kann die in den Figuren 517 und 518 gegebene Abbildung eines sol-
chen von Mc Kay erfundenen Bohrwerkzeugs dienen ^).
a ist die Spindel mit conischer Spitze. Dieselbe bewegt sich kol-
benartig in der Kammer h, während die zur Aufnahme der "Werkzeug-
^) Dingler polytechnisches Journal, Bd. 217, S. 454.
Rohrwandbohrer. 68$
stähle dienenden beiden Kolben cc in entaprechenden Esminern drl be-
weglich Bind. Alle drei Kammern bilden den innern Tbeil des guss-
Pig. 517. Fig. 51g. eisernen Geb&uBes, stehen
ftn dem obem Ende mit
einander in Verbindung
nnd die Kolben sinddnreh
Lederstnlpen in denselben
gedichtet. Jeder der Kol-
ben c trägt einen Stiil ä,
welcher durch die Schlitze
der Gehäuse wand hin-
dnrch an beiden Seiten
nach aussen tritt nnd hier
auf einem gemeinschaft-
lichen Qnerstege ruht,
welchem durch eine kräf-
tige Spiralfeder das Be-
streben ertheilt ist, die
Stifte nnd mit ihnen die
Kolben ec nnd Werkzeuge
in die höchste Sielltnig
zu bringen. Der Ranm oberhalb der drei Kolben ist TolbtSndig mit
einer Flüssigkeit (Oel oder Wasser) gefüllt, welche durch das Schrauben-
loch g eingefQllt ist. In der Rnhe wird demnach wie in der Äbbildong
die Spindel die tielate, die Schneiden die höchste Stellang eSanebmen.
Wird nun aber von oben her ein Druck gegen das Gehluse ausgeübt,
so wird die Spindel a emporgesehoben, die Ober ihr stehende Flüssigkeit
in die Kammern dd gedrückt, deren gesammter Querschnitt gleich dem
Querschnitte der Kammer b ist, und die Kolben ec mit den Schneiden
werden hierdurch unter Anspannung der Spiralfedern ebensoviel nach
unten bewegt als a hinauf rückt Sobald das Loch beendet ist, der
Druck gegen die Spindel also aufhört, führen die Spiralen das Werkzeug
ohne Weiteres in die für den Beginn des Bohrens geeignete Stellung
zurAck. Der Zapfen / dient aum Einstecken des Werkzeugs in eins der
unten beschriebenen Bohrgeräthe oder Maschinen, von welchen ans die
Bewegung des Bohrers erfolgt.
Durch Verstellung der Schneiden gegen die Mittellaohse ist man im
Stande, Lächer von verschiedenem Durchmesser aoszasoh neiden.
Dire haupUäcfalichste Verwendung finden solche Bohrwerkzeuge in
den Dampf kesselfabriken; da sie vielfach benutzt werden, nm in den
Rohrw&nden der Röhrenkessel die Oe£fuungen Sür die Feuerrohre ans-
Eoschneiden, nennt man sie wohl Rohrwandbohrer.
Bei der zweiten Methode mr Herstellung von Löchern wird das
gesammte an der Stelle des. herzustellenden Lochs befindliche Material
durch ein schneidendes Werkzeug in Späne verwandelt und als solche
684
TrennuBgsarbeiten.
entfernt; und es ist somit dieses Verfahren ebenso gnt anwendbar,
wenn die Löcher nor bis za einer bestimmten Tiefe in das Metall ein-
dringen, als wenn sie ganz hindurchgehen sollen. Das Werkzeug — der
Bohrer oder die Bohrspitze — dreht sich hierbei ebenfalls um seine
Achse, während er zugleich in seiner Achsenrichtung gegen das Arbeits-
stück vorrückt; und es muss natürlich, um das Metall vollständig zu
zerspanen, die Breite desselben gleich dem Durchmesser des herzustellen-
den Lochs sein. Wegen dieser Achsendrehung des Bohrers sind zwei
Schneidkanten vorhanden, welche in der Mitte des Bohrers zusammen-
laufen und entweder gegen die Achse rechtwinklig stehen (Centrum-
bohrer) oder einen Winkel einschliesen , welcher niemals weniger als
80 Grade, gewöhnlich 100 bis 120 Grad beträgt, und im Allgemeinen
um so grosser ist, je grösser der Durchmesser des zu bohrenden Lochs
ist (Spitzbohrer). Nach JoessePs Versuchen soll ein Winkel von
110 Graden der günstigste sein; doch findet man auch Bohrer mit 150
bis 160 Grad grosser Spitze, und wenn der Durchmesser des Lochs über
10 Millimeter gross wird, pflegt der Winkel 180 Grad zu betragen, d. h.
er geht in eine gerade Linie über und aus dem Spitzbohrer wird ein
Gentrumbohrer.
Bei Bohrern der kleinsten Art sind die Schneiden von beiden Seiten
her gleichmässig zugeschärfb (Fig. 519) und zwar unter Winkeln a
gleich 45 bis 60 Grad. Dadurch erhalten sie allerdings die Fähigkeit,
Fig. 519. bei Drehung in beiden Richtungen verwendbar zu sein
und man nennt sie von diesem Gesichtspunkte aus zwei-
schneidige Bohrer; wie man leicht erkennt, ist aber ihr
Schneidwinkel ein sehr ungünstiger, grosser als 90 Grad,
und an die Stelle des eigentlichen Schneidens tritt ein
Schaben. Sie werden mit rascher Drehung benutzt und
liefern höchst fein zertheilte Späne.
Den Schneiden aller grösseren Bohrer dagegen giebt
man eine einseitige Zuschärfung, welche sie zwar nur bei
Drehung in einer bestimmten Richtung zum Angrifife kom-
men lässt, während ihre Wirkung sich in ein wirkliches
Schneiden verwandelt und dadurch günstiger sich gestaltet
,<^qI als bei den zweischneidigen. Man nennt deshalb diese
^*-^:^ Bohrer einschneidig; Fig. 520 stellt einen einschneidigen
Spitzbohrer, Fig. 521 einen einschneidigen Centrumbohrer
dar. Ihr Zuschärfnngswinkel pflegt 50 bis 80 Grad zu betragen, wo-
bei sie ausserdem einen Anstellungswinkel von 4 bis 5 Grad besitzen
(vergl. S. 549), so dass der gesammte Schneidwinkel 55 bis 85 Grad
beträgt, um einen günstigeren Schneidwinkel zu erhalten und das
Abfliessen der Späne zu erleichtem, bringt man nicht selten der Zn-
schärfungkante gegenüber an der voranschreitenden Fläche eine rinnen-
artige Aushöhlung an, wie es in der Abbildung des Centrumbohrers er-
sichtlich ist.
Bolirwerlueuge. 685
Damit beim Bohrao das Loch geaau die richtige Stellang erhftlte,
wird bei Anweadnng vod Spitibohrem die Spitie derselben in dem eutof
Fi([. 526. Pig. 521. ,
mit einem Kömer rorgezeiobneten Hittelpunkte des Locbs eingesetzt;
Centnunbohreni giebt man zu demselben Zwecke in der Mitte eine kurze
dicke, mit Schneide rersehene Spitze, wie die eines kleinen Spitzbofarers ;
oder bei Löchern von grösBermDurchmesser statt derSpitzeeinencylindri-
Bchen Ansatz wie in Fig. 621, wobei dann allerdings mit einem Spitzbohrer
schon ein entsprechend weites Loch rorgebohrt werden muas, in welchem
jener Ansatz vorwärts gleiten kann, hierbei zugleich als Führer fflr die
geradlinige Fortbewegung des Bohrer« dienend. Bei gewöhnlichen Spitz-
bobrem mnss diese geradlinige Richtung des Vorschubs durch die rich-
tige Handhabung des Werkzeugs oder durch die zur Bewegung dienende
Itfasohine gesichert werden.
Damit die entstehenden Spftne während des Bohrens ans dem Loche
heraustreten kAnnen ohne die Bewegung des Bohrers zu hemmen, mnn
der Qaerscbnitt des letztem erheblich geringer sein als der Querschnitt
des Locha; d. h. er muaa genOgend flach ausgeschmiedet sein, so dass
die Späne an beiden breiten Seiten hinlänglichen Raum zum Entweichen
finden. Wählt man einen cylindrischen Stab zur Anfertigung des Bob-
ren wie in Fig. 521, so mnss der Durchmesser desselben erheblich ge-
ringer als der DnrchmesBer des Locbs sein und sich unten xa dem brei-
tem und dOnnem Qnarschnitte der Schneiden verflachen. Das Ans-
weichen und Heraustreten der Späne ans dem Loche wird wesentlich
durch eine Constmction des Bohrers, wie in Fig. 522 abgebildet ist, er-
leichtert; und zugleich erhält ein solcher Bohrer durch seine äusserlicbe
cflindrische Form, mit dem gleichen Durchmesser als der Lochdurch-
686 TreniiQiigaarbeiten.
measer beträgt, eine sichere GeradfOhrang in dem entatehenden Loche.
Hftn nennt dieM Hhr empfehlenswertb« Coostmction der Bohrer, welche,
Fig. h22. i^e so manche andere Verbesserangen an Wericzengen nnd
Werkzengmaachinen , ran Nordaroerika sn ans herfiberkam,
Spiralbohrer. Dieaelben haben, wie sich ans der Abbil-
dang ergiebt, wie gewöhnliche Bohrer zwei einseitig za-
geechärfta Schneiden , die jedoch am Ende eines Cjlinders
sich befinden, and von denen ans zwei vertiefte scbnaben-
gangartige Furchen für den Anstritt der Späne dienen.
Die AnfertigDng der Spiralbohrer geschieht durch Einfrä-
sen der Schranbengänge , wobei eine doppelte Schaltbewe-
gung — Drehung nnd geradliniger Vorschub des Arbeits-
Stacks — stattfindet (vergl. S. 668).
Der Bohrer wird beim Metallbohren niemals ohne
Weiteres (wie häofig beim Uolzbohren) durch einfache Dre-
hung mit der Hand bewegt, sondern in einem Bohrgeräthe
befestigt, welches von Hand oder durch Elementarkraft
seine Bewegung erhält nnd auf den Bohrer fiberträgt
Bohrgeräthe fBr Eweisohneldiga Bohrer. Diesel-
ben müssen der oben mitgetheilten Einrichtnng der zwei-
schneidigen Bohrer zufolge im Stande sein, denselben eine
abwechselnd hin- nnd hergehende Drehung mit grosser
Geschwindigkeit aber unter geringem Drucke mitzntheilen.
Unter den Terschiedenen für diesen Zweck dienenden mehr
oder minder einfaches Geräiben sind es haaptBächlich zwei,
welche in den Werkstätten der Metallarbeiter ausgedehnte
^^^ Anwendung finden.
^BH Das erste derselhennenntiDan Roilenbohrer; er besteht
^^^ auB zwei Stücken der bewegten Bohrspindel oder Bohrrolle
nnd dem znr Bewegung dienenden Drehbogen (Drillbogen, Fiedel-
bogen). Beide Theile sind in den Figuren 523 nnd 524 abgebildet. Die
Bohrrolle beatebt aus Hulz, Hora oder Meising und wird entweder un-
FiK. b2S. niittelbsr auf die Bohrspitze aufgesteckt oder aof einer Spin-
del befestigt, welche die Bohrspitze anfnimmt Der Dreh-
bogen ist ein eben solches Werkzeug als schon bei Bespre-
chung der Drebstüble beBcbrieben warde; ein Bogen aus
Fischbein, Rohr oder fQr weniger feine Arbeiten aus einer
Rapierklinge hergestellt und mit einer Saite ans Pferdebmar,
Darmsaite, Leder oder Schnur versehen, setzt die Rolle in
abwechselnde Drehung, indem man die Saite um die Rolle
schlingt nnd nun den Bogen hin- and berbewegt Selbst-
verständlicb mnss dabei Vorkehrung getrofien werden, dass
die Rolle sich nicht ron ihrer Stelle entfernan kann nnd der
Hir den Vorschub nötbige Dmck aasgeübt wird; ea geschieht
diesea indem man die Bohrspitze in ein vorgekörntes Grub-
Bohrgeräthe. 687
eben im Arbeitsstücke einsetsst and eine am andern Ende der Bobrrolle
befindliche Stablspitze in ein Grübchen einstellt, welches entweder am
Schraubstocke oder in einem in die Arbeitsbank eingelassenen Bohr-
stöckchen (ein massives Metallklötzchen) oder in einer metallenen Platte
Fig. 524.
befindlich ist, welche in einem gebogenen, vor die Brust des Arbeiters
gelegten Brette (Brnstbrett oder Bohrbrett) befestigt ist. Bei Be-
nutzung des Schraubstocks oder Bohrstöckchens wird das Arbeitsstück
gegen die Bohrspitze gedrückt, macht also gewissermaassen die Schalt-
bewegung; bei Benutzung des Bmstbretts drückt man den Bohrer gegen
das Arbeitsstück und lässt denselben beide Bewegungen ausführen, wäh-
rend das Arbeitsstück ruht.
£in anderes recht zweckmässiges Bohrgeräth für zweischneidige
Bohrer ist in Fig. 525 abgebildet und heisst Drillbohrer, Bohrwinde
mit Spiralgang, Archimedischer Bohrer. Die Spindel oder der
Schaft dieses Bohrers ist wie eine Schraube geformt mit mehreren Gän-
gen und einem Steigungswinkel, welcher beträchtlich grösser ist als der
Reibungswinkel zwischen Schraube und Schraubenmutter c. Durch-
schnittlich beträgt derselbe 70 Grad. Zur Verringerung der Reibung
Fig. 525. si^cl die Flächen der Schraubengänge glatt polirt. Am
2 obern Ende ist die Spindel in einem Holzknopfe h drehbar
befestigt, welcher mit einem übergreifenden Handgriffe a
versehen ist. Drückt man vermittelst dieses Handgriffs die
am entgegengesetzten Ende des Werkzeugs eingesetzte
Bohrspitze gegen das Arbeitsstück, während die andere
Hand die Schraubenmutter c rasch auf und nieder führt,
so wird die Spindel in entsprechende hin- und hergehende
Drehung versetzt werden und dieselbe der Bohrspitze mit-
theilen, welche so unter dem gleichzeitigen Einflüsse des
ausgeübten Drucks ein Loch in das Metall bohrt.
Der Drillbohrer hat den Vorzug vor dem Rollenboh-
rer, dass en, um bewegt zu werden, kaum einen grossem
Platz erfordert, als die ihn umspannende Hand bedarf,
während letzterer für die Anbringung und Bewegung des
Fiedelbogens eine nicht ganz unbeträchtliche Abmessung
in der Bewegungsrichtung desselben erheischt. Daher ist
der Drillbohrer in zahlreichen Fällen gut verwendbar, wo
sich der Rollenbohrer wegen Mangel an Platz nicht mehr
ansetzen lässt.
Auch für kleine einschneidige Bohrer werden die vorstehend be-
schriebenen Bohrgeräthe bisweilen angewendet, wobei dann selbstver-
688 Trennungsarbeiten.
ständlich nur bei der Drehung in einer Richtung Dmek angewendet wird,
und der Bohrer bei der entgegengesetzten Drehung leicht surückgeht.
Bohrgeräthe und Bohrmascliinen für einsclmeidige Bohrer.
Da bei diesen nur Drehung in einer Richtung stattzufinden hat, so ist
das einfachste Geräth für diesen Zweck eine Kurbel, in welcher die Bohr-
spitze befestigt wird. Um den erforderlichen Druck ausüben zu können,
kröpft man die Kurbel in der Mitte, so dass die Hand, welche das Dre-
hen ausführt, in der Kröpfung angreift, während auf das obere Ende der
Druck erfolgt. So entsteht die in Fig. 526 abgebildete unter dem
Namen Brustleier bekannte Form des Bohrgeräths. Der obere Holz-
knopf dreht sich auf dem Ende der Kurbel und wird gegen die Brust
gestemmt; zur Erleichterung des Drehens ist in der Kröpfung eine
Hülse aus Holz oder Messing übergeschoben, in der sich die Kurbel
leicht dreht; die Bohrspitze wird in die prismatische Oeffnung der am
untern Ende der Kurbel befindlichen Hülse eingesteckt und gewöhnlich
durch eine Klemmschraube vor dem Herausfallen geschützt.
Der durch die Brust ausgeübte Druck ist jedoch nur beim Bohren
kleinerer Löcher ausreichend, die Arbeit mit befriedigender Geschwindig-
keit zu vollenden. Zur Ausübung eines starkem Drucks, wie er zum Bohren
grösserer Löcher unerlässlich ist, fertigt man die Kurbel in ihren Starke-
abmessungen kräftiger und ersetzt den hölzernen Knopf entweder durch
eine kurze conische Spitze, welche in ein Grübchen des zum Drücken
-p. 526 benutzten Werkzeugs eintritt; oder, wenn dieses
letztere eine Spitze trägt, so yersieht man die Kur-
bel mit dem Grübchen. In solcher Weise zum Bohren
unter stärkerm Drucke befähigt heisst die Kurbel
nunmehr Bohrkurbel im engern Sinne zum Unter-
schiede von der Brustleier.
Das bei Benutzung der Bohrkurbel zur Aus-
übung des Drucks dienende Werkzeug hat verschie-
dene Einrichtung. Eine ziemlich rohe, aber sehr
einfache Form ist der Druckbaum, ein aus einer
starken, hölzernen Stange bestehender einarmiger
Hebel, dessen eines Ende auf irgend eine Weise be-
festigt wird — durch Einstecken in einen Ring, ein
Loch in der Mauer des Gebäudes, und dergleichen —
während das andere Ende beschwert oder durch
menschliche Kraft gedrückt wird und der Hebel in
dem kürzern Abstände vom Drehungspunkte — ge-
wöhnlich Vs bis Y4 der ganzen Länge — auf die Bohrkurbel drückt,
somit den am Ende empfangenen Druck in entsprechender Vervielfälti-
gung auf diese übertragend. Zu diesem Zwecke ist der Druckbaum an
seiner Unterkante mit einer Eisenschine belegt, welcke mit einer Anzahl
Grübchen versehen ist, um die Spitze der Bohrkurbel in verschiedenen
Abständen nach Maassgabe des auszuübenden Drucks einstellen zu können.
Bohrgeräthe. 689
Statt des Hebels beim Dmckbaam kann eine Schraube znr Aus-
übung des Drucks benutzt werden, in senkrechter Stellung in dem Ende
eines krahnartigen Auslegers drehbar und an ihrem untern Ende mit
Spitze oder Grübchen versehen, um bei ihrer Drehung gegen die Bohr-
kurbel zu wirken. Die Mittellinie der Schraube und des Bohrers müssen
hierbei genau in eine und dieselbe senkrechte Linie fallen. Eine solche
Vorrichtung heisst Bohrgestell. Man befestigt dasselbe an der Wand
der Werkstatt oder an einem tragbaren Stative. Ein derartiges trag-
bares Bohrgestell, welches mit einem Fusse auf der Arbeitsbank befestigt
werden kann, wurde bereits in Fig. 277 auf S. 358 in Verbindung
mit einem fahrbaren Schmiedefeuer abgebildet. Der Arm des Bohr-
gesteUs ist in allen Fällen drehbar und der Abstand der Schraube vom
Drehungspunkte meistens verstellbar, damit man an verschiedenen Stel-
len des im Schraubstocke etc. eingespannten Arbeitsstücks Löcher bohren
kann, ohne die Lage desselben ändern zu müssen.
H&ufig Iftsst sich statt des Bohrgestells eine Schraubenzwinge (Figur
28 auf Seite 40) mit ausreichend grossen Schenkeln benutzen, deren
Schraube gegen die Bohrkurbel drückt, während der gegenüberstehende
Schenkel sich unter die entgegengesetzte Seite des Arbeitsstücks legt.
Nicht selten ist aber der Fall, dass der vorhandene Platz weder die
Anwendung eines Dmckbaums noch eines Bohrgestells gestattet, ja, es
treten Fälle ein, wo nicht einmal der zum Drehen der gekröpften Bohr-
kurbel erforderliche Raum frei ist — z. B. wenn in einer Ecke ii^ un-
mittelbarer Nähe zweier Wände ein Loch gebohrt werden soll — , sondern
nur noch Drehung innerhalb eines kurzem Kreisbogens möglich ist.
In dem erstem Falle kann man sich helfen, wenn man in dem
obem Schenkel der Bohrkurbel genau in der Drehungsachse eine nach
aussen gerichtete Schraube anbringt, deren Spitze neh gegen das vor-
handene oder ein absichtlich hergestelltes Hindemiss stemmt und bei
dem Eindringen des Bohrers mehr und mehr nach aussen geschraubt
wird. Das Schraubengewinde ist im Schenkel der Bohrkurbel einge-
schnitten.
Im andern Falle muss ein Bohrgeräth angewendet werden, welches,
nachdem es, soweit der Platz es gestattet, vorwärts gedreht ist, wieder leer
zurückgedreht wird, um von Neuem die Vorwärtsdrehung beginnen zu
können« Diese Bewegung würde allerdings auch durch die Bohrkurbel
ausfahrbar sein; es würde sich jedoch hierbei der Uebelstand einstellen,
dass auch der Bohrer leer zurückgedreht werden muss, wodurch eine
raschere Abnutzung seiner Schneiden eintreten würde. Zweckmässiger
ist deshalb ein Bohrgeräth, bei welchem dieser leere Rückgang nur von
der Handhabe ausgeA&hrt wird, während der Bohrer ruht. Ein derarti-
ges, in Fig. 527 abgebildetes Bohrgeräth heisst Bohrknarre oder Bohr-
ratsche. Auf der Spindel a, in welcher die Bohrspitze befestigt wird,
sitzt ein Sperrrädohen fest, so dass die Spindel und das Werkzeug die
Bewegung desselben mitmadien muss. Der Hebel 5, welcher mit seinem
Ledabnr, meehanlfch-metenuxBlsohe Teohnologle. ^
690 Trennungsarbeiten.
gabelförmigen Ende nm das Sperrrädcben hemmgreift, ist auf der Spin-
del drehbar, trägt aber einen Sperrkegel, welcher durch eine Feder
Fig. 527.
gegen das Rädchen gedrückt wird, somit dieses und die Spindel mit-
nimmt, wenn der Hebel Torwarts gedreht wird, bei der Rückwärtsdre-
hung aber leer gleitet. Der erforderliche Druck wird durch Drehung
der am Kopfe der Bohrknarre befindlichen Schraube mit conischer Spitze
ausgeübt. Dieselbe muss so schwer gehen, dass sie beim Zurückdrehen
des Hebels nicht von selbst sich eindreht. Selbstverständlich muss die
Schraube, um ihre Bestimmung erfüllen zu können, einen festen Punkt
als Widerlager finden; und wenn solcher nicht durch das Arbeitsstück
selbst gegeben wird, so muss in anderer Weise für ausreichenden Gegen-
druck gesorgt werden. Auch hierfür lässt sich die Schraubenzwinge in
yielen Fällen recht gut benutzen.
Das Bohrgeräth erhält den Namen Bohrmaschine, wenn die durch
menschliche Kraft oder häufiger durch Elementarkraft geleistete Arbeit
nicht mehr in jener einfachen Weise durch Handkurbel oder Hebel, son-
dern durch Yermittlang yon Getrieben auf die zur Aufnahme des Bohrers
dienende Bohrspindel übertragen wird. Wie bei den Bohrgeräthen
macht bei den Bohrmaschinen die Spindel in fast allen Fällen sowohl
die Hauptbewegung als Schaltbewegung, erstere durch Drehung, letztere
durch geradÜnigen Vorschub gegen das Arbeitsstück.
Damit dieser Vorschub stattfinden kann , ohne dasa die Hauptbewe-
gung unterbrochen wird^ pflegt sich die Spindel innerhalb einer Hülse
zu befinden, welche durch Nuth und Feder die von aussen empfangene
Drehung auf erstere überträgt, ohne ihre Vorwärtsbewegung in der Rich-
tung der Achse zu hemmen; der Vorschub wird gewöhnlich durch eine
drehbar mit der Spindel verbundene, aber vor eigener Drehung gesicherte
Schraube ausgeführt, welche an ihrem aus jener Hülse vorstehenden
Ende eine in Lagern sich drehende Mutter trägt und durch deren Drehung
geradlinig vorwärts oder rückwärts bewegt wird; seltener durch Zahn-
stange mit Getriebe oder einen Hebelmechanismus.
Die schon früher beschriebenen Horizontalbohrmaschinen können
zum Bohren aus dem Vollen benutzt werden, wenn man an Stelle des
Bohrkopfs mit Messern eine Bohrspitze anbringt. Ebenso lässt sich
eine Drehbank zu diesem Zwecke brauchbar machen, wenn man statt
der Spitze des Spindelstocks einen Bohrer in die Drehbanksspindel ein-
BohrmascliiDeD. 691
setzt und das auf dem SopportsoblltteD befertigte Arbeitsetfick gegea die
Bohrspitze TOrschiebt.
Solche FUlle sind jedoch nnr Ausnahmen. Bei den gewöhnlichen
Bohnnaschinen steht die Bohrspindel senkrecht nad das Arbeitsstück
befindet sich anf einem Tische mit horizontaler Platte. Man nennt des-
halb die Bohrmaschinen der letztem Art Yerticalbohrmaacbinen
zum Unterschiede von jenen mit horizontaler Spindel.
Trotz jener Uebereinstimmnngen inderConstmctionderVerticalhohr-
maechinen zeigen sie in ihrer äossem Einrichtung erhebliche Abweichnngen.
Eine tragbare Handbohrmaschine der allereinfachsten Art (aus
der Chemnitzer Werkzengmaschinenfabrik) stellt Fig. 528 in Vi.s dervirk-
lichen Grösse dar. An dem Stativ ist das gusseiseme Bohrgerüst e durch
eine Klemmscbranbe , welche durch den in der Abbildung ersichtlichen
Doppelhebel gedreht wird , in beliebiger Höbe befestigt. Die Kurbel ist
mit dem kleinen Schwnngrade verbunden und ttberträgt ihre Drehung
durch eine horizontale, in dem Bobrgerflste gelagert« Welle nnd ein
Paar Winkelr&der anf die Halse a und die Bohrspindel, deren Kopf 6
unten vorsteht, und welche sich innerhalb a auf und nieder bewegen l&sst.
Oberhalb und unterhalb a ist die Bohrspindel in senkrechten Bobmngen
des Gerüsts gelagert und sichert dadurch auch die Stellung der Hülse a.
Das'obereEndo der Bohrspindel ist verjüngt, steckt drehbar in der hohlen
Scbraubenspindel C, welche gleichfalle in die obere Bohrung des Gerüsts
hineinragt und ist oberhalb der Schraube dnrch einen Knopf vor Ver-
Schiebung innerhalb derselben
*■ gesichert. Ein OelbehSlter
über dem Knopfe dient dazu,
Oel durch einen Ganal inner-
halb der Bohrspindel zwi-
schen die Berührungsflächen
dieser und der sie nmachlies-
senden Scbraubenspindel za
leiten nnd dadurch eine über-
mässige Reibung bei der Dre-
hung zu verhüten. Eino
Nuth mit Feder zwischen der
Schraube C und ihrer Füh-
rung im BohrgerOste macht
die Drehung der erstem un-
möglich; dagegen wird sie
eine geradlinige Fortbewe-
gung erleiden, wenn eina sie
I umfassende Schraubenmutter,
die vor eigener Verschiebung
_- -- gesichert ist, gedreht wird.
Diese Mutter befindet sich in
692 Trennangsarbeiten.
der Kaba des Handrädcbens d, welches auf dem Gerüste drehbar feetgebal-
ten ist. Darch Drebang dieses Handrftdchens erfolgt demnach Anf- oder
Niedergaag der Scbranbenapindel c und der mit ihr verbnndenen Bohrspin-
del b, ohne dasB die eigene Drehung der letztem dadurch beeinflusst wird.
Bohrmascbinen. 693
Die durch Elementtirkraft bewegten BohnnaBohineD laBsen eich ihrer
änasen) Eiarichtung nach in drei Grappen sondern.
Freistehende Bohrmaschinen. Eine solche ist in den Figuren
529 bis 531 abgebildet (WerkseagmachiDeniahrik Union in Chemnitz)'
Fig. 530. Fig. 631.
Der mit Ankersohran-
ben auf einem gemauer-
ten Fundamente fest-
gehaltene Hohlgnss-
stSnder A dient hier
xam Tragen s&mmt-
Ucher Theile fOr die
Bewegung des Werk-
zeugs tind Befestigung
des Arheitsstflcks. Dia
auf ihrer Welle dreh-
bare Stufenscheibe B
nimmt den Antrieb Toa
der Deckentransmission
694 Trennongsarbeiten.
auf und pflanzt die Bewegung entweder direct durch Yerkupplnng mit
BF,
dem Rade C oder durch die Getriebepaare -= 77 mit zweimaliger lieber-
Setzung auf die den Rädern C, B und D gemeinBchaftliche Hauptweile
der Maschine fort, in derselben Weise, wie diese Bewegungrgabertragung
schon früher mehrfach beschrieben wurde. Bei vier Absätzen der
Stufenscheibe werden dadurch acht verschiedene Umdrehungsgeschwin-
digkeiten der Maschine möglich. Die Ausrückung der Räder E und 2^,
wenn B und C gekuppelt sind, wird durch Drehung eines excentrisch
gelagerten Zapfens mit Hilfe des in Fig. 530 ersichtlichen Handgriffs
wie bei früher besprochenen Maschinen bewirkt. Die Bewegung wird
nun von der Antriebswelle aus durch ein Paar Winkelgetnebe auf die
zwischen den beiden Armen des Ständers «vor Verschiebung gesicherte
Hülse T übertragen, welche die empfangene Drehung auf die in ihr
verschiebbare Bohrspindel O fortpflanzt. Letztere steckt mit ihrem obem,
entsprechend schwächern Theile drehbar in der hohlen Schraubenspindel
H und ist in derselben am obern Ende durch eine übergreifende Schrau-
benmutter festgehalten. Die Schraubenspindel H schiebt sich innerhalb
des obern Theils der Hülse T und des obern Ständerarms , ist aber vor
Drehung durch eine Längsnuth gesichert, in welche der im Ständerarme
befestigte Keil a (Fig. 531) hineingreift. Das Muttergewinde für die
Schraube befindet sich in der Nabe des Rades 5, durch dessen Drehung
demnach eine senkrechte Verschiebung der Schraube nebst Bohrspindel
bewirkt wird. Zur selbstthätigen Ausführung dieser Schaltbewegung sitzt
auf dem hintern Ende der Antriebswelle die kleine Stufenscheibe d und
überträgt die Bewegung vermittelst der zweiten Stufenscheibe e auf eine
horizontale, in der langen Hülse) / des Ständers gelagerte Welle, welche
in einer Schnecke endigt. Diese treibt das auf der senkrechten Spindel
g drehbare Schneckenrädchen A, welches sich mit Hilfe einer Klemm-
schraube leicht mit dem auf g festsitzenden Handrädchen • verbinden
lässt. Auf dem obern Ende von g befindet sich das Getriebe Z, welches
die Bewegung der Spindel auf das Rad }> überträgt und dadurch den
Vorschub der Bohrspindel veranlasst. Für den leeren Rückgang des
Bohrers wird die Verkupplung zwischen den Rädern h und i gelöst und
durch Drehung des Rades i von Hand die entgegengesetzte Bewegung
der Bohrspindel bewirkt.
Unterhalb der Bohrspindel befindet sich der zur Aufnahme des Ar-
beitsstücks dienende Tisch, aus den zwei Haupttheilen L und M be-
stehend. X ist in senkrechter Richtung an zwei Prismaführungen des
Ständers beweglich , und es erfolgt diese Bewegung wie die Feststellung
in der von der Höhe des Arbeitsstücks abhängigen Höhenlage mit Hilfe
des Handrades 0 , der Schnecke p , des Schneckenrades q und eines auf
der Welle des letztern befestigten in der Abbildung nicht sichtbaren
Getriebes, welches in die am Ständer befindliche senkrechte Zahnstange
eingreift. Der vordere consolenartige Theil M des Tischs ist durch zwei
Bohrmaschinen. 695
senkrechte, seitlich angebrachte kräftige Drehungszapfen mit L verbun-
den; hierdurch wird es möglich, denselben nach der Seite der Zapfen
hin aufzuklappen und den Raum unter der Bohrspindel frei zu legen*
Auf Jf befindet sich ein gewöhnlicher Kreuzsupport, aus den zwei von
Hand beweglichen Schlittenstücken r und s bestehend, auf dessen Ober-
theile das Arbeitsstück befestigt wird. Sollen sehr grosse Arbeitsstücke
gebohrt werden , deren Gewicht oder Höhenabmessung ihre Auflage auf
dem Tische nicht gestattet, so wird M zur Seite geklappt und das Ar-
beitsstück auf der Grundplatte N befestigt, welche für diesen Zweck mit
entsprechenden Längsnuthen zur Aufnahme der Befestigungsschrauben
oder Klammem versehen ist.
Radial- oder Krahnbohrmaschinen. Bei denselben ist die
Bohrspindel an einem horizontalen, um den feststehenden Stander der
Maschine drehbaren Arme befestigt (ähnlich dem Ausleger der Dreh-
krahne) und gegen die Drehungsachse des Arms versteUbar, so dass man
in Stand gesetzt ist, an beliebigen Stellen einer verhältnissmässig grossen
Fläche Löcher zu bohren, ohne die Lage des Arbeitsstücks zu ändern.
Um jene Yerstellbarkeit der Bohrspindel möglich zu machen, ist dieselbe
in einem Schlitten gelagert, welcher auf dem drehbaren Arme geführt
ist; damit die Spindel in jeder Stellung des Arms ihre Bewegung erhal-
ten kann, ist eine senkrechte Hilfswelle in dem feststehenden Ständer
angebracht, deren Mittellinie genau mit der Drehungsachse des Arms
zusammenf&llt, und welche die Bewegung durch ein Paar Winkelräder
auf eine im Arme gelagerte horizontale Welle überträgt. Die Krahn-
bohrmaschinen sind in Folge dieser Einrichtungen complicirter und in
der Anlage kostspieliger als die freistehenden Bohrmaschinen ^ sind aber,
wie leicht begreiflich sein wird, zweckmässig in denjenigen Fällen, wo
schwere Arbeitsstücke, deren Bewegung und Festspannen zeitraubend ist,
eine grössere Anzahl Löcher erhalten sollen. In Rücksicht auf diese vor-
wiegende Verwendung der Maschinen für grössere Stücke fehlt der Tisch
entweder ganz oder ist in Form einer einfachen Platte mit Fuss con-
struirt, während die Fundamentplatte mit Nuthen zur Befestigung des
Arbeitsstücks versehen ist.
Hinsichtlich der äussern Anordnung der Krahnbohrmaschinen unter-
scheidet man im Wesentlichen zwei Systeme. Bei dem einen — System
Whitworth — ist der Ständer ähnlich geformt wie bei den freistehenden
Bohrmaschinen, und der Arm dreht sich mit senkrechten Zapfen in Hals-
lagem, welche entweder am Ständer oder an einem senkrecht am Stän-
der verschiebbaren Schlitten befestigt sind; bei dem andern — System
Fairbairn — ist der Ständer rund, säulenförmig, und dient in dieser
Form selbst als Drehungsachse für den mit einer langen Hülse ihn um-
schliessenden Arm.
Eine Radialbohrmaschine der erstem" Form (Deutsche Werkzeug-
maschinenfabrik in Chemnitz) ist in Fig. 532 (a. f S.) abgebildet. A ist der
HohlguBSständer, an seiner Rückseite mit angegossenem Arme zur Lage-
696 Tretmungsarbeiten.
rnng der AntriebameoluuiiBmeii Temhen. Letatere beatehen atu der
Stnienscheibe a mit den Rädern b, c auf derselben Welle, dem Rade d
und einem mit C im Eingriffe stehenden Getriebe auf einer Beitenwelle
in der üblichen Anordnung, am die Bewegong von der Btnfenaoheibe
entweder direot oder durch die Zwiachengetege auf die Betriebewelle
SU abertragen. Auf dem Tordera Ende der letztem aitst du Winkel-
getriebe e. An der Benkreohten Stirnseite des St&nderB ist in zwei Pris*
menfilhmngen das Scblittenatflck B aof and nieder beweglich, welches
Kg. S32.
die Lager für die Drehnngszapfen des Arms C tr>. Letztere sind
doroh das senkrecht« hohle Stück Ci in solider Weise rerbnnden. Durch
das Handrad / wird eine Schnecke und durch diese das Schneckenrad g
gedreht, auf dessen im Ständer gelagerter Welle ein Getriebe mit einer
an der Bückseite des Schlittens B befestigten Zahnstange im Eingriffe
steht In dieser Weise erfolgt die Yerstellong des Krahnanns in der
Höhenrichtung. Innerhalb des Theila Ci liegt die senkrecht« Welle h,
deren Mittellinie mit deijenigen der beiden Drehungszapfen genau über-
einstimmt. A empfängt ihre Drehung durch die Winkelräder eci und
Bohrmaschinen. 697
pflanzt sie durch ein zweites Paar WinkekAder auf die in dem Arme
gelagerte horizontale Welle « fort. In Rücksicht anf die Yerstellharkeit
des Stücks B nehst dem Arme C und Ci ist die Welle h in ihrer ganzen
.Länge gennthet and innerhalb des Rädchens Ci yerschiehbar, während
letzteres durch einen vom Ständer ausgehenden Lagerarm in seiner Stel-
lung gegen e festgehalten ist. Zur Unterstützung der Bohrspindel x
dient der auf dem Arme C horizontal verschiebbare Schlitten 2>. Die
Drehung der Bohrspindel geschieht durch ein auf der Welle i befind*
liches, mit dem Schlitten D verschiebbares Oetriebe, welches das Stirn-
rad m und von diesem aus in der aus der Abbildung deutlich ersicht-
lichen Weise durch ein Paar conische Räder die Spindel treibt. Die
innere Einrichtung für die senkrechte Schaltbewegung der Spindel ist
ganz die nämliche wie bei der oben beschriebenen freistehenden Bohr-
maschine. Der Selbstgang des Spindelvorschubs wird durch eine auf
der Welle h befindliche und mit D verschiebbare Schnecke bewirkt,
welche das vor k sichtbare Schneckenrad und durch dessen Yermittelung
die senkrechte Schaltspindel l betreibt. Die Zurückführung der Bohr-
spindel erfolgt durch Drehung des Handrads o, nachdem zuvor das
Schneckenrad auf ähnliche Weise als bei der oben beschriebenen Ma-
schine aus seiner festen Verbindung mit der Spindel { gelöst wurde.
Die Bewegung der Welle h wird durch die beiden am rechten Ende
der Wellen i und k befindlichen Stufenscheiben von i aus bewirkt.
%ur Yerstellong des Schlittens nebst Bohrspindel befindet sich un-
terhalb der Welle i eine horizontale Schraubenspindel in dem Arme be-
festigt, auf derselben ein Winkelrad* mit Muttergewinde innerhalb der
Nabe, durch einen' Mitnehmer (Bügel) mit dem Schlitten verbunden
und im Eingriffe mit einem zweiten Winkelrade stehend, welches auf
der Welle des im Schlitten gelagerten Handrads r befestigt ist. Dreht
man nun das Handrad, so erfolgt Drehung beider Räder, und da die
Schraube festliegt, geradlinige Fortbewegung des auf derselben • befind-
lichen Rades, welche durch den Mitnehmer auf den Schlitten und auf das
zweite Rad übertragen wird.
Für die Bewegung des Arms im Kreise sitzt endlich auf der Ver-
längerung des untern Zapfens des Stücks Cfi ein Schneckenrad 8 im Ein-
griffe mit einer am Theile B gelagerten Schnecke 5i , welche durch eine
,auf gesteckte Kurbel gedreht wird. v
Die Grundplatte E ist zur Aufnahme schwerer Arbeitsstücke solide
construirt und^ wie schon erwähnt, mit Längsnuthen zur Befestigung
derselben versehen. Der Tisch F lässt sich ohne Schwierigkeit entfer-
nen, wenn grössere Gegenstände aufgebracht werden sollen.
Wandbohrmaschinen. Der Hauptunterschied derselben gegen-
über den beiden besprochenen Systemen beruht in dem Umstände, dass
das Gerüst derselben , statt mit einer horizontalen Fussplatte auf dem
Fundamente befestigt zu werden, mit einer senkrechten Wandplatte an
698 Trennungsarbeiten.
eine hinreichend starke Wand des Gebändea festgeschraubt wird. Es
handelt sich also im Wesentlichen um eine für diesen Zweck geeignete
Form des Gerüsts, während alle übrigen Theile der Maschine nach den-
selben Grundsätzen wie für Ständermaschinen eingerichtet werden können.
Man unterscheidet demnach auch gewöhnliche Wandbohrmaschinen mit
unverrückbarer Spindelachse und Radial- Wandbohrmaschinen , bei denen
die Spindel an einem Arme verschiebbar und mit demselben drehbar ist
Die Wandbohrmaschinen haben den Vorzug vor den freistehenden
Bohrmaschinen, dass sie den Platz in der Werkstatt weniger beengen,
was besonders in kleinen Werkstätten für ihre Benutzung ins Gewicht
fällt; dagegen sind sie weniger als jene zugänglich und deshalb im Allge-
meinen mehr für kleinere als für grosse Arbeitsstücke in Benutzung.
Unter den verschiedenen Abweichungen von diesen beschriebenen
Typen der Bohrmaschinen verdienen vorzugsweise zwei Erwähnung.
Denkt man sich die Rückseite der in Fig. Ö29 abgebildeten frei-
stehenden Bohrmaschine in derselben Weise ausgebildet als die Stirnseite,
mit Armen, Umtriebsmechanismen und Spindel versehen, so erhält man
zwei Bohrmaschinen mit gemeinschaftlichem Ständer und nennt dieselben
Doppelt- oder Duplexbohrmaschinen. Ihr Hanptvortheil besteht in
den geringeren Anscha£fungskosten im Vergleiche mit zwei' getrennten
Bohrmaschinen.
Hat man zahlreiche, in einer geraden Linie liegende Löcher zu
bohren — z. B. in Blechplatten, welche vernietet werden sollen — , so
ordnet man eine grössere Anzahl von Bohrspindeln in einer Reihe an
(gewöhnlich vier bis sechs), deren Jede wie die Spindel einer Radialbohr-
maschine von einem besondern Schlitten getragen wird und mit demsel-
ben an einem gemeinschaftlichen langen Rahmen in horizontaler Rich-
tung verstellbar ist. Eine gemeinsame Welle überträgt den Antrieb für
die Drehung und eine zweite für die Schaltung gleichzeitig auf sämmt-
liche Spindeln. Derartige Maschinen heissen Multiplex-Bohr-
maschinen.
Bei der Anwendung der Lochbohr maschinen kommt der Umstand
in Betracht, dass das in Form von Spänen ausgebohrte Material fast werth-
los ist, und die Menge desselben im Verhältnisse des Quadrats mit dem
Dui'chmesser des Lochs wächst. Anderntheils aber verringert sich mit
dem Wachsen des Lochdurchmessers die Schwierigkeit, das Loch schon
bei der rohen Formgebung herzustellen, welches dann höchstens durch*
Ausbohren, also mit weniger Arbeit und Spanbildung, auf das richtige
Maass gebracht zu werden braucht. Deshalb bohrt man selten Löcher
aus dem Vollen, welche grösser als 50 Mm. sind, und nur ganz besondere
Gründe würden ein solches Verfahren rechtfertigen können^).
^) Ein solcher Grund lieget z. B. bei dem Bohren der gegossenen Kanonen-
rohre vor. Jedes Gussstück enthält in Folge der Schwindung an den Stellen,
wo das letzte flüssige Metall sich befand, poröse Stellen — Drusenranme. Giesst
Bohren. 699
Für die geeignete Umfangsgeschwindigkeit der Bohrer giebt Hart
folgende Ziffern:
beim Bohren von Stahl 30 bis 40 Mm. per Secunde
„ „ „ Gusseisen 60 „ 70 „ „ „
„ „ „ Schmiedeeisen . . . 70 „ 80 „ „ „
n n n Messing und Bronze 100 „ 120 „ „ „
Der Vorschab pro Umdrehung des Bohrers Vi 2 bis V4 Mm.
Schmiedeeisen pflegt man mit Oel, welches an den Bohrer getropft
wird, Gusseisen und Bronze trocken zu bohren.
Den Arbeitsyerbrauch berechnet Hartig nach der Formel:
N= No + eV Pferdestärken,
worin ^0 wieder den Arbeitsverbrauch im Leergange, F das Volumen
des stündlich abgebohrten Metallquantums bezeichnet und
a für Gusseisen = 0,001 + -^-j— Pferdestärken,
a
„ „ Schmiedeeisen mit Oel gebohrt,
. 0,004
= 0,001 + -i-r— Pferdestärken
a
zu setzen ist (d = Lochdurchmesser in Millimetern).
Für Veranschlagungen des Kraftbedarfs bei neuen Anlagen dürfte
Va bis V4 Pferdekraft selbst für ziemlich grosse Maschinen genügen.
Literatur über Bohrer und Bohrgeräthe (Bohrmaschinen).
Ausser den auf Seite 569 gegebenen Citaten:
Zeichnungen der Hütte, Jahrg. 1857, Nr. 3, Jahrg. 1860, Nr. 20, Jahr-
gang 1863, Nr. 23, Jahrg. 1866, Nr. 14, Jahrg. 1866, Nr. 22.
Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Jahrg. 1871, S. 402.
Praktischer Maschinenconstructeur , Jahrg. 1871, S. 192, Jahrg. 1872,
S. 69, 84, 143, 211, Jahrg. 1873, S. 138, Jahrg. 1874, S. 95, 118,
291, 371.
Dingler's polytechnisches Journal, Polytechnisches Centralblatt, Deut-
-Bche Industriezeitung n. a. technische Zeitschriften in sämmtlichen
Jahrgängen.
man einen Kanonenlauf über einen Kern, so befinden sich diese porösen Stel-
len ungefähr in der Mitte der Wandstärke des Bobrs und zeigen sich auf dem
Querschnitte als rings herumlaufende, mit grösseren oder kleineren Krystallen
angefüllte Hohlräume. Dieselben sind tun so gefährlicher, da ihre Anwesenheit
gar nicht eher zu entdecken ist, als bis das Qeschütz zersprungen ist. Giesst
man dagegen den Kanonenlauf ohne Loch , so gmppiren sich diese Fehlstellen
naturgemäss um die Mittellinie des Gussstöcks herum und werden beim Bohren
des Lochs entfernt, während die Wandungen dicht sind.
Auch bei anderen Gussstficken kann der nämliche Umstand Veranlassung
sein, einzelne Löcher, selbst bei grosssem Durchmesser, lieber zu bohren als
einzugiessen.
TrenonngBarbeiUiii.
i. Iiangloeh-BotirapparBte.
In Maachinenbaaverkstfttten ist der Fall oicbt eelten, dau man, tun
Unge Keilnnthen in Wellen einm&rbeiten , ein sich nm aeine Achse
drehendes Werkseng beontzt, welches in der Riohtoig der hersnstellen-
den Nnth gegen das ArbeitsstSck Terscbohen wird, mg^eich aber, falls
die Dii&e eines Spans geringer ist als die Tiefe der herzustellenden Nnth,
nach jedem einmaligen Durchgänge in seiner Achaenriobtnng einen
mckweisen Torschul» erb<, um einen folgenden Span sn nehmen. Es
treten hier also zwei Schaltbewegnngen neben einander anf : die ononter-
hrochen thUige hin- nnd hergehende Bew^ong and die ruckweise gegen
das Arbeitsstflck. Man nennt die fCkr diesen Zweck benutsten Maschi-
nen ihrer Bestimmung gemäss Nutbenbohrmaschinen oder Lang-
locbbohrmaschisen ').
Diese eigenthOmlicfaen Maschinen stehen in Rflckncht anf die Wir-
knngsweise des Werkzeugs den Fräsmaschinen weit n&her als den
eigentlichen Lochbohrmaschinen; vom nuucbineUen Standpunkte jedoch
sind sie den freistehenden Bohrmaschinen sehr ähnlich, worauf schon ihr
Name hinweist, und deshalb als besondere Uasobinengattung nach den
Bohrmaschinen hier zur Beapreobang gebracht.
Das Werkzeug muss in Rackricht anf den Umstand, dass es bei
seiner Drehung seitlich schneiden, dabei aber doch auch beföhigt sein
soll, bei der Ruckbewegnng in der Achsenricbtung in das Metall ein-
zudringen, erheblich anders geformt sein, als der gewöhnliche Bohrer.
Die fiblichste Form desselben ist die des sogenannten Zweizahnboh-
rers, Fig. D33; oder man wendet auch wohl eine oylindriscbe Fr&se mit
Schneiden an der Stirn- und AnssenfltLche an,
welche fflr diesen Zweck Kronenbohrer ge-
Jnannt wird; und da ee demselben nicht mSglioh
sein würde, bei der Ruckbewegnng in der Rich-
tung seiner Achse in das Metall vorzudringen,
so bohrt man vorher am Anfangs- und Endpunkte
der Nnth ein kreisrundes Loch von der Tiefe der
herzustellenden Nnth, in welchem die Frfise jenen
Vorschub in der Acbsenrichtung ansfohren kann.
Die Hauptbewegung durch Drehung und
die Ruckbewegung in der Acbsenrichtung macht bei allen Langlochbohr-
moscfaineu das Werkzeug; die seitliche Schalt bewegnng entweder dos
Werkzeug oder der Tisch mit dem Arbeitsstücke. In beiden F&llen
>) Die Benutzung eines von Hand bewegten Apparats zum Langlochbohren
ist Mlteu; ein ilerartigei, dar fHiber beschriebenen Bobrknarre enteprecbendes
Oer&th ist im amtlichen Beriobte über die Wiener Weltausstellung im Jabre
1873, Bd. U, 8. tOO abgebildet und bescbrieben.
Langlochbohrmaschinen. 701
pflegt der Hin- und Hergang durch Scblitzkarbel and Schubstange be.
wirkt zu werden, deren ungleichförmige Bewegung durch einen der
früher beschriebenen Mechanismen (S. 564) in eine gleichförmige um-
gewandelt wird.
Wenn der Tisch hin- und herbewegt wird , so ist die Maschine im
AeuBsem einer freistehenden Verticalbohrmaschine recht ähnlich. Die
senkrechte Bohrspindel behält ihre Drehungsachse unverändert bei und
wird nach Beendigung eines Hin- und Rückganges des Tischs durch einen
gewöhnlichen Steuerungsmechanismus senkrecht geschaltet; der Tisch
geht in horizontalen Führungen vor dem Ständer der Maschfne hin
und her.
Wenn die Spindel alle drei Bewegungen ausführen soll (welcher
Fall bei neueren Maschinen der häufigere ist), so muss der obere Theil
des Ständers als Schlitten construirt sein und auf dem untern feststehen-
den Theile hin- und hergeführt werden. Eine Langlochbohrmaschine der
letztern Art aus der Werkzeugmaschinenfabrik Sazonia in Chemnitz ist in
Fig. 534 (a. f. S.) in perspectivischer Ansicht, in Fig. 535 in der Ansicht
Ton vom bezüglich Ansicht gegen die Schaltungsmechanismen nach Ent-
fernung der sie verdeckenden Ständertheile abgebildet (letztere Figur in
Vis der wirklichen Grösse). A ist das feststehendö Untertheil der Ma-
schine, an welchem der Tisch mit Prismenführungen in üblicher Weise
senkrecht verstellbar angebracht ist. Zur Verstellung dient hier eine
Schraubenspindel mit Mutter, erstere im Ständer gelagert, die zweite am
Tische befestigt, und das in Fig. 534* ersichtliche Handrad bewirkt die
Drehung der Sphraube. Ausserdem ist die Tischplatte durch einen glei-
chen Mechanismus in der Achsenrichtung der Maschine verschiebbar.
B Ist das auf Ä bewegliche Obertheil mit der Bohrspindel C und der
Antriebsstufenscheihe D. Da letztere mit dem Obertheile hin- und her-
geht, so verändert sich dadurch in entsprechender Weise ihr Abstand
vom Deckenvorgelege; die Veränderung ist jedoch relativ zu unbedeutend,
um störend auf die Bewegungsübertragung einzuwirken. Da die Brei-
tenabmessungen der herzustellenden Nuthen — abhängig vom Durch-
messer des verwendeten Bohrers — in nicht sehr weiten Grenzen ab-
weichen können, so genügen die vier Durchmesser der Stufenscheibe
ohne weitere Zwischengelege für die erforderliche Veränderlichkeit der
Umdrehungszahl und die Bewegung wird ohne Weiteres durch die Win-
kelräder hc auf die Hülse <? der Bohrspindel übertragen. Die innere
Einrichtung der letztem ist ganz die nämliche wie bei der in Fig. 531
abgebildeten Verticalbohrmaschine; der senkrechte Vorschub wird durch
die Räder d e nach jedem Hin- und Rückgange des Theils B in der
sogleich zu erörternden Weise auf die Spindel übertragen.
Auf dem hintern Ende der Antriebswelle ist die Stufenscheibe E
befestigt und durch einen Riemen mit der im Ständer gelagerten
grossem Stnfenscheibe F in Verbindung gesetzt Auf der Welle von F
befindet sich die Schnecke / im Eingriffe mit dem Schneckenrade ^, wel-
702 TrennnngaarbeiteD.
chflB dnrch eine senkrechte, im St&nder gelagerte Welle die empfongene
Bewegung auf die beiden Zahnräder hi fortpflanzt. Von diesen ist h
kreisrnnd nnd anf der Welle von g escentrisch befestigt; i ist ein Ellip-
senrad mit dem doppelten Umfange im Theilkreise als h. Anf dem
Rade i ist in verstellbarem Ab*tande vom Mittelpunkte die Eorbelwarze
Fig. S34.
h befestigt und durch eine bonzontale Schabstange mit denl Sahlitten
B in Verbindang gesetzt; derselbe erh< hierdurch seine bin- und her-
gehende Bewegung gemäss der Länge des veränderlichen Enrbelhalb-
messersi nnd in Folge des Zusammenwirkens der Bäder h nnd « in an-
nähernd gleichförmiger Geschwindigkeit (vergl. S. 564). Ein Soata längs
des Enrbelschlitzes dient zur genauen Bestimmung des Hnbes. Das Rad t
LanglochbohnnaBchinen. 703
steckt mit langem Zapfen in der LagerhOlse m und trSgt an der AuBsen-
aeite eines angegossenen Ringes, weloher Bich um die Hülse hemmdreht,
eine cnrrenfärmige Nnth für die senkrechte Schaltang der Bohrspindel.
In dieser Nath gleitet ein am Wiuhelhebel o befestigter Mitnehmer; die
Ntith ist derartig gestaltet, daes der Mitnehmer und mithin anch der
Fig. 535.
linke Hebelarm während einer Umdrehung dea Rades zveimal rasch
seines höchsten Stand erreicht und zwar gerade dann, wenn die Knrbel
in den t-odten Punkten steht. Diese Bewegung wird durch die Schab-
stange p auf den Winkelhehel g übertragen , weloher sich lose auf der
Schaltspindel s dreht und mit dem Sperrhäkchen t in das auf 3 feat-
aitzende Sperrrädchen u eingreift. Bei jenen beiden Punkten wird die
Stange p nach rückwärts bewegt, und es erfolgt eine Drehung der Spindel
8; geht der Mitnehmer wieder abwärts, so ist die Bewegung aller betref*
fanden Mechanismen umgekehrt, und der Sohalthaken gleitet leer Über die
704 Trennungsarbeitei).
Zähne des Rades u hinweg. Die Schaltbewegnng der Spindel 8 wird nun
durch das Räderpaar v Vi auf die Welle w und durch die Räder 6 d in der
früher beschriebenen Weise auf die Schraube p und die Bohrspindel
übertragen.
Um der veränderlichen Stellung des Schlittens B bei dieser Schal-
tung Rechnung zu tragen , ist 8 mit Längsnuth versehen und das Rad v,
welches von dem Schlitten mitgenommen wird, auf derselben verschieb-
bar. Wie aus den Abbildungen hervorgeht, ist die Schaltspindel 8 mit
ihrem einen Ende in einem am Ständer angeschraubten Bügel, mit dem
andern im Schlitten £* gelagert und lang genug, um bei keiner Stellung
des letztem ihre Auflagerung in demselben zu verlieren. Die leere
Zurückführung der Bohrspindel nach beendigter Arbeit wird durch das
Handrad z ausgeführt, nachdem der Schalthaken zurückgeklappt wor-
den ist.
Vorstehend abgebildete Maschine ist zum Bohren von Langlöchem
(Keilnuthen) mit 30 Mm. Breite, 200 Mm. Länge, 150 Mm. Tiefe ge-
eignet.
Die Geschwindigkeitsverhältnisse der Langlochbohrmaschinen sind
im Wesentlichen dieselben wie für freistehende Bohrmaschinen; die seit-
liche Schaltung beträgt per Umdrehung 0,3 bis 0,8 Mm. Der Arbeits-
verbrauch würde sich nach den für Fräsmaschinen gegebenen Formeln
berechnen lassen und dürfte kaum jemals denWerth einer halben Pferde-
kraft übersteigen.
Literatur über Langlochbohrmaschinen.
Ausser den auf S. 569 genannten Werken:
Zeichnungen der Hütte, Jahrg. 1868, Blatt 2.
Wiebe, Skizzenbuch, Jahrg. 1872, Hft 4.
Armengaud, Publication industrielle, Jahrg. 1866, S. 451, Jahrg. 1870,
S. 483, Jahrg. 1872, S. 341.
Schaber. Reibahle. 705
C. Gerftthe zum Sohaben.
a. Schaber (Schabeisen, Schabmesser).
Dieses einfache Werkzeug besteht in einer' 3 bis 5 mm starken
Stahlklinge, gewöhnlich mit etwas gebauchter Kante, an dem einen Ende
in einem hölzernen Hefte befestigt. Dasselbe dient dazu, auf der Ober-
fläche von Metallstücken kleine Erhöhungen durch Schaben mit der
Kante wegzunehmen. In den Werkstätten der Kupferschmiede dient es
zum Entfernen des Glühspans von den fertigen Waaren; Zinngiesser und
Gelbgiesser, Gold- und Silberarbeiter gebrauchen es, um profllirten Gegen-
ständen, welche weder mit der Feile noch mit einer Werkzeugmaschine
sich bearbeiten lassen, die letzte Vollendung zu geben; in Maschinen-
fabriken wird es bisweilen benutzt, um gehobelten Gleitflächen den
höchsten Grad von Genauigkeit zu geben, insbesondere den Prismen -
führungen der Werkzeugmaschinen, und solche geschabten Flächen zeigen
dann dem Beschauer damastähnliche, durch das Schaben hervorgerufene
Zeichnungen. Es ist deshalb fast Mode geworden, solche Zeichnungen
auf allen Prismenführungsflächen durch oberflächliches Schaben anzu-
bringen; eben aus diesem Grunde aber ist das Aeussere solcher Flächen
allein noch kein Beweis, dass eine regelrechte Bearbeitung mit dem
Schaber stattgefunden hat.
Den erwähnten vielseitigen Anwendungen des Schabers gemäss ist
seine Klinge in mannigfaltigen Gestalten und Grössen vertreten; ein
Schaber, welcher ebene Flächen bearbeiten soll, muss anders geformt
sein, als ein solcher, welcher im Innern tiefer Hohlkörper gebraucht
wird, und wieder anders muss ein Schaber geformt sein, welchen der
Kunstgiesser gebraucht, um das Aeussere omamentirter Gusswaaren zu
vollenden. Es mögen jedoch diese allgemeinen Mittheilungen genügen,
Zweck und Anwendung des Schabers zu erläutern.
b. Reibahle, Räumahle, Ausreiber.
Dieses Werkzeug hat den Zweck, kleinere Löcher, welche bei der
rohen Formgebung oder auch beim Bohren nicht hinreichend genau aus-
gefallen sind, durch Schaben nachzuarbeiten (aufzureiben, auszureiben,
aufzuräumen). Demnach besteht die Reibahle aus einem Stahlstäbchen
mit polygonalem Querschnitte, dessen Kanten sich an die Innenfläche
des auszureibenden Lochs anlegen und bei der Drehung um die Achse
die vorstehenden Theilchen abnehmen. Die Kanten dienen hierbei zu-
gleich als Führung des Werkzeugs innerhalb des Lochs; es ist leicht
begreiflich, dass, je mehr solcher Kanten vorhanden sind (je grössere
706 TrennungsarbeiteiL
Seitenzahl das Polygon besitzt), desto sicherer die Führung ist, desto
stümpfer aber auch der schabende Kanten winkel, nnd dass mithin zwar
die Genauigkeit der Arbeit mit der Seitenzahl des Polygons wächst, aber
auf Kosten der Beschleanigong. Es wird femer leicht einleuchten, dass
eine angerade Anzahl Kanten, bei welcher der durch eine Kante gelegte
Durchmesser nicht ebenfalls eine Kante irifft, Yortheilhafter für eine
sichere Führung ist als eine gerade; und es ist deshalb Begel, den Reib-
ahlen eine ungerade Seitenzahl (meistens fünf) zu geben. Um nun aber
den bei grosser Seitenzahl sehr stumpfen Kanten einen etwas günstigem
Schneidewinkel zu verleihen, bildet man gewöhnlich die Seiten des
Polygons nicht geradlinig, sondern etwas concav — rinnenartig — aus. Bei
sehr grosser Seitenzahl entsteht in weiterer Verfolgung dieses Princips
eine geriffelte Form der Reibahle, d. h. auf der Oberfläche eines Gylinders
sind — entweder parallel der Achse oder auch etwas schraubenartig
gewunden — eine grosse Anzahl dreieckiger Einkerbungen angebracht,
zwischen denei> spitzwinklige Kanten stehen bleiben. Solche geriffelte
Reibahlen geben ihrer grossen Zahl verhältnissmässig scharfer Kanten
halber eine sichere und rasche Arbeit, sind jedoch ihres geschwächten
Querschnitts halber eher für grosse als für kleine Löcher zu gebrauchen,
und in der Anfertigung ziemlich kostspielig.
Eine andere, nicht seltene Form der Reibahlen entsteht, wenn von
einem kreisförmigen Querschnitte zwei kleine Segmente abgeschliffen
werden, so dass zwei gerade, unter einem stumpfen Winkel zusammen-
stossende Flächen entstehen, deren Durchschnittslinie eine Kante bildet.
Solche Reibahlen wirken, da sie nur einschneidig sind, sehr langsam,
geben aber eine sehr genaue Arbeit in Folge des Umstandes, dass der
grössere kreisförmige Theil des Umfangs ringsum die Führung bildet.
Eine Reibahle, deren Kanten der Achse völlig parallel laufen, deren
Form also prisipatisch oder cylindrisch ist, würde nun aber höchstens
im Stande sein, innerhalb eines unrunden Lochs während einer ein-
inaligen Drehung noch Späne abzunehmen, bis der Durchmesser des
Lochs an allen Stellen gleich dem Durchmesser der Reibahle ist. Sie
würde völlig unbenutzbar sein, wenn 'die in dem Loche vorstehenden
Unebenheiten stärker sind als die Dicke eines einzigen Spans. Die
Reibahle wird daher erst brauchbar, wenn man ihr eine solche Form
giebt, dass man mit Hilfe einer Schaltbewegung im Stande ist, an der-
selben Stelle des Lochs mehrere Späne nach einander zu nehmen; und
dieser Zweck wird erreicht, wenn man sie nicht cylindrisch oder pris-
matisch, sondern schlank konisch (pyramidal) ausbildet, das schwächere
Ende zuerst in das Loch steckt und ihr während des Drehens einen
allmäligen Vorschub in der Achsenrichtung giebt. Auf solche Weise ist
man nicht allein im Stande, unrunde Löcher aUmälig völlig rund
auszureiben, sondern auch den Durchmesser runder Löcher auf ein genau
bestimmtes Maass zu erweitem, für welchen Zweck die Reibahle ziemlich
häufige Verwendung findet. Es folgt hieraus, dass die Reibahle vor-
Schleifen. 707
wiegend für dorcbgehende Löcher zu benutzen ist, nnd wenn das Loch
genau cylindrisch werden soll, so muss sie in ihrer ganzen Lange durch
dasselbe hindurch gefuhrt werden (wobei der Durchmesser desselben
gleich dem grössten Durchmesser der Reibahle wird); oder, wo dieses
nicht thunlich ist, muss die Reibahle erst von dem einen und dann von
dem andern Ende des Lochs her eingesteckt werden. Eine möglichst
schwache Eonicit&t erhöht die Genauigkeit der Arbeit und es beträgt
deshalb derVeijüngungswinkel selten mehr als zwei Grade. Dagegen muss
beim Ansreiben konischer Löcher (z. B. in Hahngehäusen) natürlicher
Weise der Seiten winkel der Reibahle gleich dem des Lochs sein.
Die kleinsten Reibahlen, welche von Uhrmachern, Mechanikern u. s. w.
gebraucht werden, sind nicht stärker als eine feine Nadel und etwa 15 mm
lang; die stärksten pflegen nicht über 50mm Durchmesser und 250mm
Länge zu besitzen.
Die Bewegung erfolgt meistens von Hand. Die feinsten Reibahlen
stecken in einem hölzernen Hefte, welches zwischen Daumen und Zeige-
finger gedreht wird; grössere tragen einen viereckigen Zapfen, über
welchen die Brustleier oder Bohrkurbel gesteckt wird; zur Bewegung der
grössten gebraucht man das Wendeisen. Für eine stetige Anwendung
dagegen (z. B. beim Ausreiben der Nadelöhre in Nähnadelf abriken)
befestigt man sie in der Spindel einer rasch laufenden Drehbank und
schiebt das Arbeitsstück gegen dieselbe vor.
0. Geräthe zum Schleifen.
Die Arbeit, welche wir Schleifen nennen, besteht in der Abnahme
von Spänchen mit ffilfe eines Werkzeugs, welches entweder selbst dem
Mineralreiche entstammt und in diesem Falle Schleifstein genannt
wird, oder doch wenigstens mit einer mineralischen Substanz überzogen
ist^ welche die Spanbildung veranlasst. In beiden Fällen beruht die
Wirkung auf dem Vorhandensein zählreicher, mehr oder minder scharf-
kantiger, spitzenartiger Vorsprünge auf der Oberfläche des schleifenden
Werkzeugs, welche, ähnlich den Zähnen einer Feile, Späne abtrennen,
sobald sie über die Oberfläche des Arbeitsstücks hinweggeführt und
dabei durch einen ausgeübten Druck gegen dasselbe vorgeschoben
werden. Solche spitzenartige Vorsprünge finden sich auf der Oberfläche
aller Körper, wenn auch oft in mikroskopischer Kleinheit; und ein
Schleifen wird deshalb immer stattfinden, wenn zwei Körper in der
beschriebenen Weise gegen einander bewegt werden; derjenige aber der
beiden Körper, welcher der härtere ist, wird auf den andern kräftiger
einwirken und dabei selbst weniger Einbusse an Material Erleiden. Daher
ist es im Allgemeinen Regel, dass das schleifende Werkzeug härter sei
als das Arbeitsstück, nur für sehr feine Arbeiten findet auch bisweilen
das umgekehrte Verhältniss statt.
45*
708 TrennongsarbeiteD.
Neben der Härte des schleifenden Werkseogs beeinfloflaen die Form
and Grosse der vorstehenden Spitzen den Verlauf der Arbeit Dieselben
sind onregelmiSBig, mehr oder weniger schsrikantig geformt nnd wirken
demnach entweder achneidend oder schabend. Je scharfkantiger nnd
grösser die Spitzen, je weiter ihre Abstände Ton einander sind, 'desto
grossere Spänchen können genommen werden, desto rascher geht die
Arbeit vorwärts, aber desto sichtbarer hinterbleiben anch die Spnren
jeder Spitze auf der Oberfläche des Arbeitsstacks. Daher ist es, wenn
eine grössere Yollkommenheit der Arbeit erreicht werden soll, aach hier
erforderlich^ &af das anfangliche Schroppen mit groberm Schleifmateriale
ein Schlichten mit immer feiner werdendem folgen sa lassen, am die
Sparen des Schroppens za vertilgen; and da der mineralische Ursprong
der Schleifmaterialien es ermöglicht, jenen Grad der Feinheit in einem
Maasse aoszadehnen, dass die wirksamen Schneidkanten kaom noch dem
Geföhle der Hand and dem scharf bewaffneten Ange erkennbar sind, so
ist man im Stande, dorch Schleifen Erfolge hinsichtlich der äussern
Yollendong der Oberflächen za erreichen, welche die mit anderen Werk-
zeagen erlangten weit ftberragen.
Als ein dritter Factor ffir die Wirkung des Schleifens tritt die
Geschwindigkeit der Bewegung aof. Erfahrnngsmässig kann eine gerin-
gere Härte eines schleifenden Werkzeugs durch grössere Geschwindigkeit
theilweise ersetzt werden; je rascher aber die Haupibewegung und je
weniger hart das Werkzengmaterial ist, desto schwächer muss för eine
gleiche quantitative Leistung der ausgeübte Druck zwischen Werkzeug
und Arbeitsstück genommen werden, desto feinere Spänchen werden
mithin entfallen, desto voUkommnere Arbeit wird erreicht. Deshalb
giebt man ffir Schleifarbeiten, welche feinen MetaUgegenständen ihre
letzte Vollendung geben sollen, Bewegungsgesch windigkeiten von 15 m
bis 30 m pro Secunde; beim Anschleifen der Spitzen von Nähnadeln
sogar bis 45 m pro Secunde.
Die Hauptbewegung beim Schleifen wird meistens durch das Werk-
zeug ausgeffihrt, welches in diesem Falle scheibenförmige Gestalt zu
besitzen pflegt und um seine Achse gedreht wird. Das Schleifen erfolgt
dann gewöhnlich an dem oylindrischen oder ffir Specialzwecke auch wohl
profilirtem Mantel der Scheibe, und die Drehungsachse liegt hierbei
horizontal; nur beim Schleifen grosser ebener Flächen benutzt man
bisweilen die geraden Seitenflächen der Scheiben, legt sie hierbei hori-
zontal und die Drehungsachse vertical. Der Durchmesser solcher scheiben-
förmiger Schleifgeräthe (Drehsteine, Schleifscheiben) beträgt 50 bis
3000 mm, ihre Dicke 6 bis 300 mm. Die Bewegung erfolgt entweder
von Hand oder weit häufiger durch Elementarkraft. Die Anzahl der
Umdrehungen pflegt bei grossen und groben Schleifsteinen nicht mehr
als 80 bis 90 pro Minute zu betragen und steigt bei feinen zur Errei-
chung der oben mitgetheilten bedeutenden Umfangsgeschwindigkeit bis
auf 4000 pro Minute.
Schleifen, Poliren. 709
In der Mitte besitzen die meisten Schleifsteine oder Schleifscheiben
ein quadratisches durchgehendes Loch, um mittelst desselben auf die
eiserne Achse übergeschoben und durch Holzkeile befestigt werden zu
können. Da jedoch solche Holzkeile immerhin das Bestreben haben, den
Stein aus einander zu treiben, insbesondere, wenn jsie nass werden und
der Stein rasch umläuft, so ist es insbesondere bei grösseren, kostspieligeren
Steinen im Allgemeinen rathsamer, den Stein mit runder Oeffhung auf
einer ebenfalls runden Achse zu befestigen, indem man denselben zwi-
schen zwei auf der Achse befindlichen Scheiben einklemmt, deren eine
festsitzt und deren andere entweder durch eine Schraubenmutter gegen
den Stein gepresst wird oder auch mit der ersten Scheibe durch Schrauben-
bolzen verbunden ist, welche durch Oeffnungen im Steine hindurch-
gesteckt sind.
Mit der Geschwindigkeit der umlaufenden Scheibe wächst die Ge-
fahr eines Zerreissens derselben durch die Centrifugalkrafk; und da durch
die beim Zerreissen umhergeschleuderten Trümmer grosse Verwüstungen
angerichtet und Menschenleben bedroht werden können, so darf man
niemals versäumen, Schutzvorrichtungen anzubringen, um diese Gefahr
wenigstens thunlichst zu verringern. Als solche Schutzvorrichtung dient
ein starker hölzerner Kasten, welcher den Stein einschliesst, mit umge-
legten schmiedeeisernen Ankern oder Ketten verstärkt ist und nur dort
eine schmale Oeffnung frei lässt, wo das Arbeitsstück mit der Scheibe in
Berührung gebracht werden soll.
Die Bewegung der Scheibenachse wird bei aUen durch Elementar-
kraft getriebenen Schleifsteinen durch eine auf der Achse befestigte
Riemenscheibe von der Transmissionswelle aus übertragen; bei den durch
Menschenkraffc bewegten entweder von einer auf der Achse aufgesteckten
Handkurbel oder von einem Trittbrette aus durch Schubstange mit Kur-
bel und einem Schnurscheibenpaare auf jene übertragen.
Wenn das Arbeitsstück die Hauptbewegung macht, so besteht die-
selbe meistens in einem Hin- uud Herführen desselben von Hand auf
der geradlinigen Fläche des Werkzeugs (dem Handschleifsteine); cylin-
drische Arbeitsstücke werden um ihre Achse gedreht (wozu eine Dreh-
bank benutzt werden kann), z. B. glatte Eisengusswalzen.
Sofern das Schleifen bis zu einem solchen Grade der Feinheit fort-
gesetzt wird, dass glatte, spiegelnde Flächen entstehen — ein Verfahren,
welches weniger häufig die Erzielung einer voUendeten Form als eines
dem Auge gefälligen Aeussem zum Zwecke hat — , wird es Poliren
genannt.
Wenn das zum Schleifen dienende Werkzeug nicht aus einem
eigentlichen Schleifsteine besteht, sondern nur mit einem Ueberzuge aus
der schleifenden Masse versehen ist, so pflegt in den meisteif Fällen Holz
das Material des Werkzeugs zu bilden. Sofern das letztere Scheibenform
besitzt und um seine Achse gedreht wird, muss auf die Neigung des
Holzes, sich krumm zu ziehen, und auf die Wirkung der Centrifugalkraft
710 Treimungsarbeiten.
Rücksicht genommen werden; es darf demnach eine solche Scheibe nicht
aus einem einzigen Stücke Holz gefertigt, sondern moss ans Segmeni-
stücken zosammengesetzt werden, deren Fasemrichtnngen sich kreuzen.
Bisweilen wird das hölzerne Werkzeug zunächst mit einem Ueberzuge
aus Leder oder auch aus Blei versehen, bevor die eigentliche Schleifmasse
aufgebracht wird.
Das Schleifen geschieht theils trocken theils mit Wasser oder OeL
Das Trockenschleifen fordert am raschesten die Arbeit, giebt aber —
wenigstens bei den gröberen Schleifsteinen — eine weniger saubere Ober-
fläche, verursacht eine oft bedeutende Erhitzung der Arbeitsstücke
(welche bei schon gehärteten Stahlwaaren nachtheilig einwirken kann)
und wirkt durch den entstehenden und in der Luft vertheilten Schleif-
staub ungemein lästig und gesundheitsnachtheilig für die Arbeiter, wenn
'nicht für eine kräftige Ventilation in den Arbeitsräumen gesorgt ist.
Beim Schleifen mit Wasser fallt die Arbeit sauberer aus, geht aber
etwas langsamer von Statten, beides in Folge des Umstandes, dass der
Schleifstaub durch das Wasser Bindekraft erhält und sich an die schlei-
fenden Kanten des Werkzeugs anlegt. Die Erhitzung der Arbeitsstücke
und Belästigung der Arbeiter fallt weg; dagegen lässt sich Wasser in
solchen Fällen nicht anwenden, wo ein schnelles Rosten feiner eiserner
oder stählerner Arbeitsstücke zu befürchten ist (z. B. beim Schleifen von
Nähnadeln).
Beim Schleifen mit Oel entsteht eine noch zähere Masse durch die
Vermischung des Oels mit dem Schleifstaube als beim Schleifen mit
Wasser; das Schleifen geht langsamer vor sich, giebt aber einen noch
hohem Orad der Vollkommenheit, und es wird die Gefahr des Röstens
vermieden.
Die wichtigsten zum Schleifen und zur Anfertigung der Schleif-
steine dienenden Materialien sind folgende:
Sandstein. Derselbe wird vorwiegend zu Drehsteinen verarbeitet,
die feinsten Arten desselben dienen jedoch auch als Handschleifsteine.
Feiner Flusssand dient in Pulverform als Ueberzug von Lederscheiben
beim Schleifen und Putzen feiner Metallwaaren.
Granit wird zu Drehsteinen der gröbsten Sorte verarbeitet.
Thonschiefen Verschiedene Arten desselben geben ein vorsüg-
liebes Material für Handschloifsteine (sächsischer grüner Oelstein zum
Schleifen mit Oel; Messingschleifstein sum Schleifen mit Wasser).
Bimsstein. Derselbe dient theils im festen Zustande zum Abreiben
der Oberflächen der Metallstücke — trocken oder mit Wasser — , theils
in pulverförmigem Zustande als Ueberzug.
Dolomit; kommt in einer feinkörnigen, mit Kieselerde durchdrun-
genen Varietät unter dem Namen türkischer oder levantinischer Schleif-
stein (Oelstein) in den Handel, und dient vorzugsweise zum Schleifen
schneidender Werkzeuge mit Oel.
Schleifen, Poliren. 711
SchmirgeL Derselbe bildet eins der vorzüglichsten Schleifmitteli
wenn es sich am die letzte Vollendung der Metallwaaren handelt.
Ursprünglich versteht man bekanntlich unter dem Ausdrucke Schmirgel
eine eisenhaltige Varietät des Korunds von kömigem Oefüge und ausser-
ordentlicher Härte. Derselbe findet sich in grösseren Mengen und vor-
züglicher Qualität auf Naxos, Ikaria, bei Ephesus, in Ostindien. Wegen
der Kostspieligkeit dieses eigentlichen Schmirgels benutzt man jedoch
auch unter derselben Bezeichnung vielfach ein pulverförmiges Gemenge
von Eisenglanz und Quarz, Granatsand, Zirkonsand und ähnliche Surro-
gate zum Schleifen, wenn auch mit weit weniger gutem Erfolge als den
echten Schmirgel.
Bei dem Gebrauche wird der Schmirgel entweder vermittelst eines
geeigneten Bindemittels zu einem festen Schleiüsteine (Drehsteine oder
Handschleifsteine) geformt; oder er wird als Ueberzug auf eine hölzerne
Drehscheibe (Schmirgelscheibe) aufgetragen und hierbei gleichfaUs durch
ein Bindemittol auf derselben in entsprechend starker Schicht befestigt ;
oder er wird in t^ulverform mit Oel verwendet und hierbei gewöhnlich
mit Hilfe eines Holzstabes (Schmirgelholz, Schmirgelfeile), auf Eisen
aus Eichenholz, auf Messing aus Lindenholz, auf der Oberfläche des
Metallstücks hin- und hergerieben. Als das erwähnte Bindemittel fUr
Anfertigung von Schmirgelsteinen dient Tischlerleim, Schellack, Wasser-
glas, feuerfester Thon, mit dem Schmirgel gemengt und gebrannt; u. a.
Die Benutzung der Schmirgelsteine geschieht meistens trocken.
Da der Schmirgel in sehr verschiedener Korngrösse vorkommt und
sortirt wird, so ist man im Stande, mit Hilfe desselben die mannigfaltigsten
Feinheitsgrade des Schliffs hervorzubringen; und in Folge dieses Um-
standes bildet er ein unersetzliche^ Material bei Herstellung feinerer
Metallarbeiten.
Erwähnung verdient die Art und Weise, wie ein genaues Auf-
einanderschliessen zweier Metallflächen . durch Anwendung des Schmir-
gels (Schmirgeln) erreicht wird. Man streicht etwas Oel und feinen
Schmirgel zwischen beide Flächen und reibt oder dreht sie dann so lange
auf einander, .bis vollständig dichter Abschluss erreicht ist. In solcher
Weise wird ein Hahn im Hahngehäuse, ein Ventil auf dem Ventilsitze,
zwei ebene Platten auf einander ein- oder aufgeschmirgelt.
Mehr zu einer mechanischen Reinigung der Oberfläche als zu einer
eigentlichen Formveränderung benutzt man Schmirgelpapier oder
Schmirgelleinen, Papier- oder Leinwandstücke, welche mit Hilfe von
Tischlerleim einen Schmirgelüberzug erhalten haben.
Die letzte Vollendung der feingeschliffenen Arbeitsstücke — die
Politur — wird ihnen stets durch pulverformige Substanzen ertheilt,
welche auf Holz, Leder oder Füz aufgetragen werden. Auch hierbei
pflegen verschiedene, immer feinere Polirmittel nach einander ange-
wendet zu werden.
712 Trennungsarbeiten.
Gebräuchliche Pi^irpalver sind folgende:
Gebrannter, ungelöschter Kalk, möglichst rein und frei von ein-
geineogten fremden Bestandtheilen (Wiener Kalk oder Wiener Patz-
pulver). Derselbe wird auf Messing mit Gel, auf Stahl und Eisen mit
Spiritus angewendet.
Eisenoxyd, auf chemischem Wege aus Eisenvitriol oder aus klee-
saurem Eisenoxydul dargestellt oder f&r weniger feine Arbeiten durch
Pulvern von Rotheisenerzen gewonnen und unter verschiedenen Benen-
nungen: Polirroth, Englisch Roth, Pariser Roth, u. a. in den Handel
gebracht. Dasselbe giebt auf Stahl, Messing und anderen Metallen einen
vorzüglichen Glanz und wird mit Gel oder Spiritus aufgetragen.
Zinnasche (Zinnoxyd), Schlämmkreide, Knochenasche wer-
den in ähnlicher Weise gebraucht
Tripel, bestehend aus natürlich vorkommenden, mineralischen
Pulvern, durch vei*schieden6 Naturereignisse gebildet und deshalb anch
verschieden in ihrer Bescha£Fenheit und Zusammensetzung. Derselbe
wird mit Gel zum Poliren von Gold, Silber, Messing etc. gebraucht.
Die Verarbeitung der Metalle durch Schleifen zeichnet sich eines-
theils, wie schon erwähnt wurde, dadurch aus, dass man eine Vollendung
der Form und des Aeussern damit erreichen kann, wie kein anderes
Werkzeug sie zu schaffen im Stande ist; sie gewährt aber auch den
andern Vortheil, dass, sofern es sich nur um eine oberflächliche Ab-
nahme von Spänen an einfach gegliederten Körpern handelt, sie meistens
billiger auszufuhren ist als die gleiche Arbeit mit Hilfe der Feile oder
eines andern Werkzeugs. Aus diesem Grunde ist z. 6. ein grösserer
durch Elementarkraft getriebener Schleifstein eine höchst nützliche Ma-
schine in Eisengiessereien zum Nacharbeiten derjenigen Stellen an Guss-
waaren, wo Eingüsse gesessen hatten, Grat oder Fehlstellen entstanden
waren u. s. w.
Verbindet man eine rotirende Schmirgelscheibe mit einer Maschine,
welche in geeigneter Weise einen Vorschub des Arbeitsstücks bewirkt
(Schleifmaschine), so lassen sich Arbeiten damit ausführen, die in anderer
Weise oft nur mühsam mit der Feile möglich sein würden. Solche
Schleifmaschinen mit selbstthätigem Vorschübe, die im Aeussern einer
Fräsmaschine ähnlich zu sein pflegen, finden besonders in Nordamerika,
wie die Weltausstellung zu Philadelphia zeigte, für zahlreiche Zwecke
eine nützliche Verwendung: bei der Anfertigung von landwirthschaft-
lichen Maschinen, Feuerwaffen, Nähmaschinen, Schlössern, zum Schleifen
von Werkzeugen aller Art, u. s. f.
H artig berechnet den Arbeitsverbrauch grosser grobkörniger
Schleifsteine nach der Formel
N = 0,0264 -^ ^ + f* ^5- Pferdestärken,
worin :
Schleifen, Poliren. 713
D den SteindurclimesBer in Metern,
V die Umfangsgeschwindigkeit per Secunde in Metern,
P den Druck des Arbeitsstücks g^gQi^ den Schleifstein in Kilogrammen,
fi den Reibungscoefficienten zwischen Stein und Arbeitsstück bezeich-
net, für welchen zu setzen ist
bei OuBseisen 0,22,
„ Stahl 0,29,
„ Schmiedeeisen 0,44.
Für feinkörnige Schleifsteine (z. B. beim Anschleifen von Werk-
zeugstahlen) soll man
N= 0,16 + 0,056 VDJ^ik'^ Pferdestärken
und
fi für GuBseisen = 0,72,
„ Stahl =0,94,
„ Schmiedeeisen = 1,00
setzen.
Für die meisten Fälle der Praxis dürften 2 bis 3 Pferdestärken fär
den Betrieb eines grossen grobkörnigen Schleifsteins, Vi ^^'^ ^ Pferde-
stärke für den Betrieb eines kleinen SchleÜsteins genügen.
Literatur über Schleifen, Schmirgeln, Poliren.
Earmarsch-Hartig, Technologie, 5. Auflage, 1. Band, S. 341 und 414.
Deutsche Industriezeitung, Jahrgang 1870, S. 44.
Dingler's polyt. Journal, Bd. 212, S. 388 und Bd. 213, S. 24 (Schmir-
gelscheiben und Schleifmaschinen der' Tanite Company in
Stroudsburg in Nordamerika), mit Abbildungen.
Wencelides, ELilfsmaschinen und Werkzeuge, S. 136 bis 169, enthält
einen sehr lesenswerthen Bericht über die Verwendung des Schleif-
steins in Amerika zu den verschiedenartigsten Zwecken und die
Einrichtung der in Philadelphia ausgestellt gewesenen Schleif-
maschinen.
n. Biegtings- und DehnimgsarbeiteiL
Die hierher gehörigen Arbeiten beruhen auf Aenderongen in der
Lage der Molecüle der Arbeitastücke ohne Trennung, dorch Ein-
wirkung von äusseren Kräften (Druck, Stoss etc.) henrorgerofen. Die
physikalischen Vorgänge hierbei sind demnach genau die nämlichen,
welche schon bei der rohen Pormgebung aof S. 323 ff. ausführlich be-
sprochen wurden; die wichtigsten Arbeitseigenschaften sind auch hier
Dehnbarkeit, Zähigkeit und Härte; auch die hierbei zur Verwendung
kommenden Geräthe entsprechen zum grossen Theile den fär die erste
Formgebung durch äussere Kräfte bestimmten und oben ausf&hrlich
beschriebenen Vorrichtungen. Der wesentlichste Unterschied dieser Ar-
beiten Ton jenen schon besprochenen beruht in dem umstände, dass der
Hauptzweck jener eine Veränderung der Querschnitte, eine Umgestaltung
eines rohen Metallblocks in ein Arbeitsstück mit bestimmten Abmessungen
war, während bei diesen eine Querschnittsreränderung, wo sie auftritt,
unwesentlich ist und nur als unvermeidliche Folge der filr die Formver-
änderung nöthigen Arbeiten erscheint. Vom rein technologischen Stand-
punkte aus hätten beide Gattungen yon Arbeiten gemeinsam besprochen
werden können; der Grund, sie zu trennen, lag in dem Wunsche des
Verfassers, diejenigen Verfahrungsweisen, aus welchen endlich das in
seiner Form vollendete Gebrauchsstück hervorgeht, als eine neue Stufe
in der Aufeinanderfolge aller für die Anfertigung aufgewendeten Ar-
beiten zu kennzeichnen und demgemäss in der Beschreibung auch örtlich
von denjenigen zu trennen, deren Ergebnisse erst Zwischenproducte für
die fernere Bearbeitung sind.
Da mithin die hier zu besprechenden Vorgänge häufig nur auf einer
geänderten Anwendung schon früher beschriebener Werkzeuge und Ma-
schinen beruhen, so sollen abweichend von dem bisher befolgten Systeme
nicht sowohl jene formgebenden Apparate, sondern die Arbeiten selbst
als Ausgangspunkte der Beschreibung gewählt werden.
a. Das Biegen.
Auf Seite 323 wurde der Vorgang des Biegens als diejenige Aende-
rung in der Lagerung zweier benachbarter Molecüle eines Körpers be-
zeichnet, bei welcher unter dem Einflüsse einer mechanischen Kraft eine
Biegen.
715
VerBchiebimg des einen Molecüls ohne Nähemng oder Entfernung gegen
das andere eintritt. Genau in dieser Weise kann jedoch Biegang nur
innerhalb einer einzigen Fläche oder Molecülschicht stattfinden, welche
den gebogenen Körper in zwei Hälften theilt, und die neutrale Faser
genannt wird; auf der einen Seite derselben wird Näherung der Mole-
cüle — Stauchung — eintreten, auf der entgegengesetzten Seite Ent-
fernung der Molecüle — Streckung. Dementsprechend wird die eine
Hälfte eines jeden gegen die neutrale Faser rechtwinklig stehenden
Querschnitts des gebogenen Theils eine Yergrösserung durch Anhäufung
von Material, die andere Hälfte eine Schwächung durch Ausdehnung des
Materials in der Längenrichtung erfahren. Je dicker der Querschnitt ist,
d. h. je grösser die Entfernung von der neutralen Faser an den Umfang,
desto grösser wird diese Querschnittsveränderung sein und desto grösser
ist die Gefahr für Zerreissen oder Zerdrücken.
Die Mechanik lehrt uns, dass, wenn auf das freie Ende eines an dem
andern Ende aufliegenden Stabes oder auf die Mitte eines an beiden
Enden aufliegenden Stabes eine Kraft wirkt, eine Biegung nach einer
Curve stattfindet, deren Krümmungshalbmesser umgekehrt proportional der
Kraftintensität ist. Diese Biegung ist selbstverständlich bleibend, sobald
die Elasticitätsgrenzö des Körpers überschritten worden ist. Wenn nun
nach einer einmaligen Biegung um ein bestimmtes Maass das Arbeits-
stück in eine geänderte Lage gebracht wird, einen Vorschub erhält, so
lassen sich durch das Aneinanderreihen mehrerer solcher Biej^ngen
Curyen hervorbringen, welche, sobald der Krümmungshalbmesser aller
einzelnen Biegungen derselbe ist, als Kreislinien erscheinen und dem
gebogenen Körper Cylinderform geben. Fig. 636 wird diesen allmäligen
Fig. 536.
Vorschub des Arbeitsstücks und die fortschrei-
tende Biegung unter dem Einflüsse der in der
Pfeilrichtung thätigen Kraft veranschaulichen.
Offenbar lässt sich aber ein gleicher Erfolg,
und zwar in sichererer Weise erreichen, wenn
man das Maass der Biegung durch eine Unter-
lage (Schablone, Modell, Gesenk, Matrize) be-
grenzt, deren Umriss genau dem Proflle des
gebogenen Gegenstandes entspricht, und nun
die Biegung durch eine Kraft ausführen lässt,
welche das Arbeitsstück zwingt, sich genau
an die vorhandene Unterlage anzulegen.
Leichter ist ein solches. Verfahren aus dem
Grunde, weil hier das Maass der biegenden
Kraft nicht mehr so streng als bei dem zuerst
erwähnten Verfahren bemessen zu werden braucht, um eine bestimmte
Biegung hervorzubringen; eine jede Kraft ist benutzbar, sobald sie aus-
reicht, den Körper um die Unterläge herumzubiegen, und ein etwaiger
geringer Ueberschuss derselben wird von der Unterlage aufgenommen.
716 Biegungs- und Dehnungsarbeiten.
Daher ist die Anwendimg solcher Unterlagen in allen dexyenigen Fällen
von Vortheil, wo eine grössere Anzahl gleicher Gegenstande gefertigt
werden soll; und die sämmtlichen maschinellen Vorrichtungen zum
Biegen beruhen auf Anwendung derselben.
Das einfachste zum Biegen dien'ende (reräth ist der Hammer,
und der einÜBushste Fall der schon auf Seite 465 besprochene, wenn ein
Schmied ein glühendes Stück Eisen um das Hom des Amboses biegt
Ebenso ist das Sperrhom ein häufig benutztes Geräth zum Biegen von
Metallstaben und Blechen im heissen und kalten Zustande. Kehrt jedoch
die nämliche Biegung häufig wieder, so wird man ein Hilfsgeräth der
soeben beschriebenen Art anwenden. So z. B. gebraucht der Schlosser,
um aus dünnem Eisenbleche Röhren (für Stubenöfen) zu biegen, einen
„Dorn", d. h. cylindrischen Eisenstab von dem Durchmesser, welchen das
Rohr erhalten soll, und klopft das Blech um denselben herum. Da eine
Streckung des Metalls beim Biegen nicht beabsichtigt wird, gebraucht
man leichte Hämmer — Holzhämmer für manche Zwecke — , deren
Schlagwirkung ausreicht die Biegung zu bewirken, ohne eine gleichzeitige
Querschnittsyerdünnung hervorzurufen.
In den Werkstätten der Klempner, bei denen überhaupt die Biß-
gungsarbeiten eine grosse Rolle spielen, bedient man sich öfters eines
Amboses, dessen schmale Bahn von halbrunden Querfurchen durchschnitten
ist, und eines Hammers mit entsprechend geformter Finne, um schmale
rinneniormige Biegungen an Blechstücken hervorzubringen. I)a man
solche schmale halbrunde Rinnen Sicken oder Sieken nennt, heisst
ein derartiger Ambos Sickenstock und der zagehörige Hammer,
welcher zwei Finnen von verschiedener Breite zu besitzen pflegt,
Sickenhammer. Sollen dagegen scharfkantige Umbiegungen vorge-
nommen werden, so benutzt man das Umschlageisen, welches eine
nach oben gerichtete schmale, geradlinige oder auch gekrümmte Kante
trägt; um endlich einen Rand (Bord) rechtwinklig aufzubiegen (z. B. an
dem Boden eines cylindrischen Blechgefasses), dient das Bördeleisen,
ähnlich dem Umschlageisen, aber stets mit gekrümmter und weniger
scharfer Kante, deren eine Begrenzungsfiäche senkrecht abfallt Fig. 537
stellt einen Sickenstock, Fig. 538 ein Umschlageisen, Fig. 539 ein Bördel-
eisen mit theils gerader, theils gekrümmter Kante dar.
Da zufolge der oben entwickelten Theorie des Biegens vorzugsweise
Arbeitsstücke mit schwachen Querschnitten gebogen werden, so genügt
der Handhammer zur Ausführung dieser Arbeit, und ein Ersatz desselben
durch Maschinenhämmer würde in Rücksicht auf den geringen Aufwand
an zu leistender Arbeit meistens zwecklos sein. Je länger aber die zu
bewirkende Biegung ist, desto weniger zweckmässig erscheint die An*
Wendung des Hammers überhaupt, denn desto mehr einzelner Hammer-
schläge sind erforderlich, um nach und nach die Biegung in der ganzen
Längenansdehnung zu vollbringen. Es treten also in diesem Falle jene
■laschineUen Apparate als geeigneter in den Vordergrund, welche ent-
Biegtnaschinen. 717
weder durch einen einzigen mbigen, anf die ganze za biegende Fläche
einwirkenden Dmck die Formver&ndemng bewirken — Pressen — ;
Pig, g37_ oder welche bei kreis-
förmigen Qaerschnitten
- — — — j^jjj, g^f gjjig einzige
Stelle defl Arbeitastflcks
wirken, dieses aber dnrcb
Drehnng nm ihre eigene
Achse in Folge der Rei-
bung an denBerflhrungB-
st«llen geradlinig fort-
bewegen nnd somit die
Biegung in raschem
Fortgange anf die ganze
mit ihrem Umfange in
BerühroDg kommende
Länge (Breite) des Ar-
beitsstücks abertragen—
Walzwerke; oder end-
lich diejenigen Torrioh-
F%- MS- Pig- 53»- tnngen, bei denen eine
— ^^^^ fremde Zngkraft die
^^^^^ Fortbewegung des Ar-
^^V beitestüoks bewirkt, wäh-
^B rend dieses durch die
^1 form gebende Oeffnnng
H hindurchgeht — Zieh-
H werke.
H Pressen finden in
^^ mannigfacher AusfQh-
^^ mng Anwendung. Zar
J^^ Uebertrsgung beziehent-
^^v lieb Verrielf<igang der
^^m Kraft dient für grössere
^B Leistongen bisweilen die
^B Schraube mit Hebel und
y Schwnngkngeln, wobei
der Apparat dem in
Fig. 455 anf Seite fi86
abgebildeten Scbranben-
darchstoBse ähnlich wird. Zum Oeraderichten gewalzter Eisenstäbe
(Tr&ger, Schienen u. a.) findet eine solche grössere Schraabenpresse
h&u£ge Anwendung; der rerbogene Stab liegt unterhalb der Schraube
anf zwei Unterlagen in kurzem Abstände von einander frei anf, so dass
die convexe Seite nach oben gerichtet ist; die Schraube drückt von oben
718 Biegangs- und Dehnirngsarbeiten.
gegen dieselbe und biegt somit den Stab gerade. Für kleinere Knft-
leietongen, welche die bei Weitem faäofigeren sind, inabesondere in da
Klempnerwerkstätten, ist jedoch der Handhebet ein noch einfachere« nni
TollsUndig genügendes Hilfsmittel mr Ansübnng des Dmcks; und dnrcb
zweckmässige Elnrichtang der die Form der Biegung bestimmenden
Theile hat man bei Constrnction der hierher gehörigen Maschinen Erfolg
erreicht, welche hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Einfachheit tiod
Leistung des Apparates als flberraschend bezeichnet werden können.
Einige Beispiele mögen hierfOr als Erläntemng dienen.
Eine Uaschine, welche den Zweck hat, ebene Blechtafeln am Bande
„abzukanten", d. h. unter einem rechten oder spitzen Winkel ammbiegnL
Fig. 540.
zu „falzen" oder „umzuschlagen", d. fa. um ISO** stumpf omznbiegen, *t>
daas eine Art Rinne entsteht, am zur grossem Steifigkeit Draht eine«-
legen etc., zeigt Fig. 540 in perspectiviacher Ansicht, w&hrond dif
Figuren 541 bis 545 die Anwendung der Maschine erl&ntem. (Constme-
tion Ton E. Eircheis in Ane in Sachsen.)
Fig. 541. Fig. 542. Fig. 543.
B und C sind zwei Wangen (Spann wan gen), zwischen welchen du
zn biegende Blech in der ans Fig. 541 ersichtlichen Art und Weise ein-
gespannt wird. Die obere Wange B ist zn diesem Ende an awei senk-
rechten Zugstangen befestigt, welche mit einer im nntem Thdle des G^
Biegmaschinen.
719
Figr. 544.
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vvN^;ssN\ss\v>:c^
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siells gelagerten Ezcenterwelle / verbunden sind und bei Drehnng des
Hebels g die Wange B heben oder senken, somit ein bequemes Ein-
schieben des Blechs von vom und Fest-
spannen ermöglichend. Der zwischen den
geschlossenen Spannwangen bleibende Zwi-
schenraum lässt sich ausserdem dhrch Dre-
hung der Schraubenmuttern verändern,
welche die Wange B mit den Zugstangen
verbinden. Damit die Biegung in ganz be-
stimmtem Abstände vom Rande der Blech-
tafel erfolge, ohne dass ein vorheriges An-
reissen nöthig wird, befindet sich ein ver-
stellbarer Bahmen oder Anschlag. "H. (Fig.
541) zwischen den Wangen, der die Lage
des eingeschobenen Arbeitsstücks bestimmt,
mit Hülfe der Schrauben ^y (Fig. 540) ver-
stellbar ist und für manche Zwecke auch
ganz entfernt werden kann. Die Kanten
beider Wangen sind mit sauber gearbeiteten
Stahlschienen belegt.
Vor der Wange C befindet sich die
„Biegewange" D, in der Ruhe die Stellung
wie in Fig. 540 und 541 einnehmend. An
den beiden Enden ist dieselbe mit zwei He-
beln verbunden, welche mit seitlichen
Drehungszapfen in Lagern, die am Gerüste
angeschraubt sind, ruhen und dadurch auch
die Lage und Drehung der Wange sichern.
Um jedoch den verschiedenen Verwendungen
der Maschine entsprechend die Lage der
Drehungspunkte der Biegewange ändern zu
können, sind theils jene Lager mit Hilfe
eines Schlitzes horizontal am Gerüste verstellbar, theils sind die Lager-
pfannen mit Hilfe je einer senkrechten Stellschraube und Gegenmutter
höher und niedriger stellbar. In Fig. 540 werden die Schrauben zur
Horizontal- wie zur Verticalverstellung leicht erkennbar sein.
Wie aus den Querschnitten der Schiene 2> sich ergiebt, hat dieselbe
eine breite und eine schmale Kante; um nach Bedürfniss die eine oder
andere derselben benutzen zu können, ist sie zwischen den Hebelbacken
um zwei Zapfen drehbar, so dass entweder wie in den Figuren 541 bis
544 die breite Kante oder wie in Fig 545 die schmale Kante oben steht.
Fig. 541 zeigt das zum Falzen eingelegte Blech, Fig. 542 dasselbe
nach beendigter Biegung. Soll die Biegung auf 180 Grad ausgedehnt
werden, so wird nunmehr das Blech zwischen B und C herausgezogen,
auf die schräge Kante der Schiene B gelegt und dann durch Empor-
Fig. 545.
720 BiegnngB- und Dehnangsarbeiten.
drOcken von D der Fale Tollendet. (sugedrOckt). Um Biegnngen nacb
bestiminteD Winkeln herrorznbringen, ist »of der Maschine ein Anschlag
i stellbar befestigt, welcher den Hnb der Hebel begrenst.
Fig. 543 zeigt, wie man cnrveniSnnige Querschnitte (Hohlkehlen)
durch mokweisen Torschnb des von hinten eingesteckten Blechs eh biegen
vermag.
Zum „ Hohl nm schlagen" der Bleche, wie es in Fig. 644 dargestellt
ist, werden der Maschine Schienen tob versohiedener Dicke beigegeben,
die alsdann an die Wange B befestigt werden, nachdem die schräge
Abkanteschiene derselben entfernt worden ist Die SteUschraaben fßr
die Drehnngszapfen der Hebel and der Biegewange D werden hierbei so
hoch gestellt, dass bei der Drehang von D zugleich ein Anheben in die
punktirt« Stellung oberhalb der eingelegten Sdüene mOglich wird. Im
Uebrigen dürfte die Abbildung das Verfahren genfigend erlSutem.
Fig. 545 zeigt endlich die Anfertigung von kurzen auf einander
folgenden Abkantungen mit Hilfe der schmalen Kante der Biegewange D.
Das Blech wird nach jeder einmaligen Abkantung heraoBgenommen and
Fig. M6. gewendet, um der abwechselnden Rich-
tung der Biegnngen Rechnung zn tragen.
Das Princip einer sogenannten Wulst-
maschine, welche den Zweck hat, den
Rand TOQ Blechstüokea cylinderfSrmig
(zu einem „Wulste") umzubiegen — «. B.
die horizontalen Ränderron Dachrinnen — ,
zeigt die Abbildung Fig. 546 in halber
natürlicher Grösse. Zwei mit einander
verbundene Gusseisen stücke c und d
bilden zusammen den Rabmen oder die
Wange der Maschine und lassen sich mit
Hilfe zweier angegossenen Rippen e und
/ auf der mit passendem Auaschnitte
versehenen Werkbank au&tellen. In
einem nach oben mit schmaler Oefinung
auslaufenden prismatisoheu L&ngsschlitse
'^— der Wangen befindet sieh ein cylindri-
sober Stahlstab b von dem Darchmeeser
des herznstellendea Wulstes, an den Enden der Wangen anfinihend und
dnrcb zwei an seinen Enden aufgesteckte Kurbeln drehbar. Derselbe ist
mit einer LKngsnuth von etwa 5 mm Tiefe versehen, in welche das am
Rande gerade geschnittene Blech von aussen hereingesteckt wird. Dreht
man nnn den Stablstab in der Richtung des Pfeils, so wickelt sieb das
Blech, welches in der Nnth festgehalten wird, um den Stab hemm und
bildet den Wnlst, welcher in g besonders abgebildet ist. Um die Ma-
schine ßr Wulste von verschiedenen Durchmessern benutaen zu kfinnen,
ist sie an der untern Seite mit einem zweiten etwas dickem Stabe ver-
Biegmaschinfln. 721
eeheo. Im-GanBen beschrftnkt eich die Anwendung der WalstnioBcbine
auf Herstellnug von Rundangen niobt Aber 12 mm im Darchmesser.
Die zam Biegen benutzten Walzwerke likasen sich ibrer Wirknnga-
weise entsprechend in zwei verBcbiedene Omppen sondern. Bei der einen
dereelben dient ein Paar Walzen lediglich dazu, den Voracbnb dee stab-
oder blecbiSrmigen ArbeitsBtQcks zn Teranlaegen, welohes an einer be-
Btimmten Stelle des Apparates anter dem Einflüsse eines stetig bleibenden
Dracks eine Biegung erb< und mithin im Yerlaofe seines DorchgaiigB
zn einem Cylinder gebogen wird, dessen Durchmesser von der Stärke dee
ansgeabten Drucke abhängig ist (rergl. den auf S. 715 besprochenen und
in Fig. 536 Teranschaalicbten Vorgang der Biegung). Um nan die an-
rermeidliche B«ibang zwischen dem in Bewegung befindlichen Arbeite-
stücke nnd dem einen Drnok aoBÜbenden Werkzeuge auf ein möglichst
geringes Maass znrOckznfllhren, formt man auch das letztere walzen-
förmig, so dasa demnach ein solches Walzwerk mindestens drei Walzen
enthält, zwei für den Vorschnb nnd eine fllr die Biegung. Fig. 547
stellt die Einrichtung eines solchen zum Biegen von Blechen in Cylinder-
Piff. 547. form dienenden Walzwerks, gewähn-
lich Blechbiegemaschine genannt,
dar. a nnd h sind die ZuHlbrungs-
walzen, deren Abstand von einander
gem&as der verschiedenen Blecbdioke
durch Yerstfillnng der untern Walze
veränderlich ist. Die Bewegung er-
folgt durch ein Paar Getriebe, auf den
Enden der im gaBBeleemen Walzge-
rQste gelagerten Walzenzapfen befe-
stigt, deren eins durch Zahnradflber-
setznng von einer Handkurbel oder
bei grösseren Maschinen von einer
Riemenwelle ans seinen Antrieb erhält.
c ist die Biegevalze, mit Hilfe einer
Schrauben spindelsenk recht oder schräg
verstellbar. Je höher dieselbe ver-
stellt wird, desto grSsser ist der von ihr auf das Blech ausgeübte Druck,
desto stärker die Biegung oder, mit anderen Werten , desto kleiner der
Durchmesser des entstehenden Cylinders. Um den fertigen Cylinder aas
der Haschine entfernen zu können, ist die obere Walze herausnehmbar,
nachdem die Lagerdeckel gelöst sind. Giebt man der Maschine eine
Einrichtung, welche neben der erwähnten Verstellung von c auch eine
Aendemng der Achsenriehtung derselben ermöglicht, so dass ihre Achse
schräg gegen die Achsen der Walzen a nnd b gerichtet ist, so ist man
dadnrch in Stand geaetzt, auch Kegelmäntel zu biegen.
Fdr stärkere Bleche empfiehlt ee sich, eine zweite Biegewalze vor
den ZnfQbmngawalzen anzubringen, welche dem Bleche schon eine
Ledabar, machujKb.inMllliirgiKba TsshnalDgl«. 4g
722 BieguQgB- nnd Dehnungearbeiten.
BchwSchere Vorbiegnng ertheilt oIb dasselbe schliesslich darch die hinter
den ZnfithraDgBwalzen gelagerte Biegewalze erhalten solL Fig. 546
Fig. MB.
■teilt eine solche AnordnoDg dar. a nnd b sind die ZofühningswalEen,
e die eigentliche Biegewalie, d die Torbiege walze, welche sngldch die
Einfahmng schwerer Blechtafeln
^'K' ^*^- erleichtert c und d sind selbst-
TerstSndlioh für verachiedene
Biegungen in ihrer Lage gegen
a und b Terstellbar.
Eine andere Anordnung
Bolcher Biegemaschinen ist in
Fig. 649 skizzirt. Hier sind a
nnd b die beiden Znfahrongs-
walzen, c die Biegewalze. Die
ponktirten Kreise stellen die
i ' i Getriebe dar. Der an zwei
\ Enden frei anfliegende Stab
... ,,-' (Blech) empfängt also seine
Durchbiegung in der Mitte. Die
Walie c ist natOrlioh in ihrer
Höhenlage verstellbar, wonach kleinere oder grSesere Cylinderdnrchmesser
erfolgen. Die Walzen a und b mflssen hier, da sie das Blech tob der-
■aelben Seite her erfassen, sich in gleichem Sinne drehen; man erreicht
diesen Zweck durch Einschaltung eines Zwischengetriebes d.
Biegmaschinen. 723
Biegewalzwerke nach beiden Systemen benutzt man zum Rundbiegen
der feineren wie der stärksten Bleche. Die Walzen werden meistens aus
Gusseisen gefertigt; für grosse Blechbiegemaschinen giesst man sie hohl
und steckt die schmiedeeiserne oder stählerne Achse mit den Laufzapfen
hindurch. Kleinere Blechbiegemaschinen für Weissblech, dünneres
Schwarzblech, Zink- und Messingblech, in ihrer Anordnung gewöhnlich
dem ersten der beiden besprochenen Systeme entsprechend, bilden einen
in den Werkstätten der Klempner vielfach benutzten Apparat; grössere
Blechbiegemaschinen mit Walzen bis zu 3 m Länge und 300 mm im
Durchmesser, meistens nach dem zweiten Systeme gebaut (Fig. 549) und
durch Elementarkraft getrieben, sind unentbehrlich in den Dampf kessel-
fabriken etc. zum Biegen starker Eisenbleche, welche bei beträchtlicher
Stärke im roth warmen Zustande gebogen werden ^); Biegewalzwerke mit
schmalen Walzen zum Biegen von Stäben (Reifenbiegemaschinen),'
gleichfalls häufiger nach dem zweiten Systeme gebaut, finden sich
in zahlreichen Schmiedewerkstätten zum Biegen von Radreifen, Fass-
bänden u. 8. w.
Bei der zweiten Gruppe der zum Biegen dienenden Walzwerke ist
die Oberfläche der Walzen profilii*t und bringt eine dieser Profilirung
entsprechende Biegung des hindurchgehenden Arbeitsstücks hervor.
Wenn man z. B. die Oberfläche eines gewöhnlichen Walzenpaars mit
querlaufenden, genau in einander greifenden Gannelirnngen versieht, so
wird ein hindurchgehendes Arbeitsstück (Blech oder Stab) in entsprechend
geriffelter Form herauskommen. Ebenso lassen sich durch Profile, welche
wie Kaliber ringförmig um die Walze herumlaufen und in Ober- und
Unterwalze sich gegenseitig ergänzen, Biegungen mannigfachster Art
auf das hindurchgehende Blech, dessen Länge natürlich unbegrenzt ist,
übertragen. Für Gesimse in verschiedenartigster Gliederung und ähnliche
Zwecke lässt sich auf diese Weise das gebogene Blech herstellen.
Wenn jedoch ringförmige Körper mit gegliedertem Profile herge-
stellt werden sollen, insbesondere also, wenn der Rand derselben gebogen
werden soll, wie es bei Anfertigung von Hohlgefassen aus Blech vielfach
vorkommt, so ist es meistens zweckmässiger, zuerst aus dem glatten
Blechstreifen den Ring zu bilden und diesen dann durch Biegung des
Randes etc. umzuformen, als umgekehrt. Ein gewöhnliches Walzwerk
würde nun für solche Zwecke nicht brauchbar sein, sondern, um den
^) Arbeitsverbranch beim Biegen nach HartSg
-4 = « — Vmkgf
worin
h die Dicke des Blechs in Millimetern,
Q den Halbmesser der Biegung in Millimetern,
V das Yolnmen des Arbeitsstücks in Cabikmillimetem
bedeutet und a für kaltes Schmiedeeisen = 0,075 zu setzen ist (Civilingenieur
1876, 8. 79).
46*
724 Biegungs- und Debnungaarbeiten.
Bing zwiBcheu die Walzen biingeu zu können, mius ein Eopfwaliwerk
(vergl. Seite 520) gewählt werden. Da diese Kopfwalzwerke vielfach den
Zweck haben, Sioken, d. h. stampfe Umbiegangen des Randes an cylin-
drischon Blecbgefäasen hervorznbringen, wozu sonst der Stokenambos und
Sickenhammer benutzt werden (vergl. Seite 716), nennt man sie ge-
wöhnlich Sickemnasobinen.
Fig. 550 zeigt das Äenasere einer solchen Sickenniaachine (von
E. Kircheis in Aue), deren Einrichtang kaam einer ErUaterung be-
dürfen wird. 1q dem gusseiaernea Gerüste sind zwei horizontale Wellen
Fjir 5äo gelagert, deren obere mit
Hilfe einer anf ihr Lager
wirkenden Dnickschronbe
sich am ein gewisses
Maass höher oder niedri-
ger stellen läsat, wKbrend
die untere vermittelst
einer Schrauben lager-
büchse, welche darch
den Handgriff g gedreht
wird, in horizontaler Rich-
tang verstellbar gemacht
ist (vergl. unten Fig. 551).
Auf den vorstehenden
Enden der Wellen sind
mit Schraubengewinde die
zum AnsTechseln einge-
richteten, sauber nach dera
vorgeschriebenen Profile
gedrehten Walzen befe-
stigt. Die Drehung wird von der am rechten Ende befindlichen Hand-
kurbel aus durch zwei Getriebe auf die Waisen ttbertragen.
Einige Beispiele mögen einen ungeftihren Begriff geben, ftlr wie
zahlreiche Anwendungen die Sickenmaschine geeignet ist.
Wenn am Rande eines Blechstreifens, eines kreisförmigen Bodens
oder eines Hohlcjlinders eine rechtwinklige Anfbiegung (Bord, Börtel)
hervorgebracht werden soll, so setzt man die in Fig. 551 abgebildeten
Börtelwalzen ein, steckt das Blech in der links abgebildeten l^ga zwi-
schen die Walzen, nachdem der Anschlag d (vergl. auch Fig. 550) ein-
gestellt worden ist, und setzt die Walzen in Drehung. Die Oberwalze
wird nun langsam in der Pfeilrichtung 2 niedergedrückt und das
Arbeitsstück aus freier Hand oder auch mit Hilfe eines besonders dazu
constrnirten Führnnggbügels in der Pfeilrichtnng 1 langsam aufge-
bogen. Es kommen so allmälig die Theile abc in die rechts abgebildete
Stellung, womit die Arbeit beendet ist. Für ganz schmale Bfirtel wird
BiegmasdÜDen. 725
die Unterwalie io der PfeilrichtuDg 3 anf die Bcbon beschriebene Art
und Weite verstellt.
Bb ist leicht ersichtlicfa, dssa bei dieser wie auch bei den sogleich
in be schrei ben den Arbeiten der aufgebogene Rand eine VergrAsseroog
seines DDrcbmessera erfahrt, und daher eine wirkliche Streclcang statt-
findet. Der zam Aufbiegen erforderliche Druck wird, streng genommen,
durch Pressen von Hand herrorgebracbt, wobei der Schenkel a seibat als
Hebelarm dient und die Walzen den Stfttzpnokt bilden, wftbrend sie zu-
gleich den Vorschub des Arbeitsstflcks an^hren.
Fig. 55S. •
Um eine wirkliebe Sioke, d. h. eine balboylindriBcbe Binne, zu bilden,
gebraucht man die in Fig. 552 abgebildeten Walzen. Das Verfahren ist
im Weseatlicben das nämliche als beim Börteln, in der Abbildang ist
links das cylindrische Geftss nach dem Einlegen abgebildet; bs folgt
dann, naokdem die Waisen in Drehung Tersetzt worden sind, ein all-
726 Biegungs- und DehDungsarbeiteo.
mftligeB Niederdrücken der Obenrslse nach Pfeilrichtnng 2 und Auf-
biegen des Gefaflses nach Pfeilrichtang 1 , bis schlieBalicb die rechts
abgebildete Endstellnng erreicht iat
Eine solche Sicke pflegt mm Einlegen eines ringförmigen Drahts
benutzt zu werden, damit der Rand eine grössere Festigkeit erholte; et
masB dann aber nach diesem Einlegen das Blech rings am den Draht
nmgebogeu werden, damit derselbe nicht heraosfallen ond der scharfe
Blechrand nicht hinderlich für die Benatzong wirken kann. Zn dieser
Arbeit, weiche ron den Klempnern das Zalegen genannt wird, dienen
die Walzen Fig. 553. Links ist wieder die Anfangs-, rechts die End-
Btellung gezeichnet, welche das Ter&hren hinlänglich klar vor Angeo
führen dürften.
Fig. 553.
KarnieBe nnd gesimsartige Gliederungen lassen eich anf demselben
Walzwerke mit entsprechend profilirten Walzen sowohl an geraden
Blecbstreifeo wie an ringförmigen Körpern einbiegen.
Hat das Arbeitsstück dagegen die Form einer kreiarandeB oder
elliptischen Scheibe, welche während der Arbeit) nm ihren Hittelpnnkt
gedreht wird, so erfolgt eine Scheibe mit rings hemm laufenden Profili-
rungen, wie es z. B. Fig. 554 darstellt. Die Drehung Usst sich leicht
Pj 55, von Hand regeln, da der Anschlag d
(in den Figuren 551, 552, 563) die rich-
^^^1^1^^^^^^^^^ tige Lage des Arbeitsstücks bestimmt
nnd die Walzen selbst dasselbe mitneh*
men; fibrigena würde sich auch sehr
leicbt eine EinspaanTorricbtnng zwischen Kömem ähnlich wie diejenige
der auf Seite 581 abgebildeten Kreissoheere anbringen lassen. Die
schwache Wölbong der Scheibe nach der Uitte zn wird vorher durch
ein besonderes Verfahren ausgeführt.
Sofern die Ziehbank zum Biegen benatzt wird, dienen zwei Stahl-
baoken an Stelle des Zieheisens der früher beschriebenen Ziehbänke, die
Biegmaschinen. 727
nach einer dem herzustellenden Profile entsprechenden Linie auf einander
Bchliessen and zwischen denen das Arheitsstück hindurchgezogen wird,
zur Herrorhringung der Biegung. Die ohere der Backen wird durch
'eine oder (bei grosser Breite) zwei Druckschrauben gegen die untere
gedrückt, um bei starken Biegungen sie allmälig derselben nahem zu
können. In der äusseren Anordnung ist also eine solche zum Biegen
von Blechen in gegliederte Formen dienende Ziehbank — von den
Klempnern S ecken- oder Sickenzug genannt — der auf Seite 532
abgebildeten Schleppzangenziehbank sehr ähnlich; die Bewegung erfolgt
meistens von Hand vermittelst einer Kurbel mit Schwungrad, und zwar
seltener durch Kette oder Kiemen mit Schleppzange als durch eine zwi-
schen den Backen des Gestells geführte und durch ein Getriebe bewegte
Zahnstange mit aufrecht stehendem Kopfe, an welchem eine oder zwei
Zangen mit Klemmschrauben zum Erfassen des Arbeitsstücks angebracht
sind. Da der Druck zwischen den Backen allein die Formveränderung
ausführt, kann eine solche Ziehbank vom technologischen Standpunkte
aus als eine Presse mit Vorschub des Arbeitsstücks durch die Zieh-
vorrichtung betrachtet werden, ebenso wie sämmtliche besprochene
Walzwerke als Pressen mit Vorschub, ausgeführt durch die Reibung der
Walzenoberfläche, erscheinen. Selbstverständlich erfolgen beim Ziehen
nur gerade Streifen (Gesimse etc.), deren Lange durch die Länge der
Ziehbank begrenzt ist. Die gleitende Reibung zwischen den formgebenden
Backen während der Fortbewegung ist erheblich grösser als die roUende
Reibung zwischen den Walzen der Walzwerke; und während bei letz-
teren die entstehende Reibung selbst den Vorschub ausführt, ist bei den
Ziehbänken ein Ueberschuss von Kraft erforderlich, um die ohnehin stär-
kere Reibung zu überwinden. Diese offenbar schwachen Seiten der Zieh-
bänke zum Biegen lassen fast immer die Anwendung eines Walzwerks
geeigneter erscheinen, zumal da dasselbe für viele Zwecke brauchbar ist,
wo die Ziehbank nicht mehr ausreicht.
Literatur über Biegen.
Hoyer, Mechanische Technologie, S. 182 ff.
Amtlicher Bericht über die Wiener Weltausstellung, Bd. 2, S. 76 ff.
(Berichterstatter Hart ig).
Wencelides, Hilfsmaschinen und Werkzeuge etc. S. 50 bis 60 (Fabrika-
tion von Blechbüchsen in der Atlantic Petroleum Storage
Comp, in Philadelphia).
Karmarsch-Heeren, Technologisches Wörterbuch S.Auflage, bearbeitet
von Kick und Gintl, Bd. 1, S. 541 ff. (Artikel „Blechbear-
beitung'*).
Hart, Werkzeugmaschinen, Text Seite 366, Atlas Taf. 63 (Blech- und
Schienenbiegmaschine).
Biegungs- und DehnUDgfiarbeiten.
b. Das Treiben and Anfzieheti, S(&iie«d, Drfioken,
Ciselir«!!, Prägen.
Der Begriff dea Treibens und Aofziebens sowie die AoBfOhrnng
dieser Arbeiten in ihrer robestea Form wnrde bereits anf Seite 463 und
464 sowie hinsiohtlich ihrer Auaftthrung durch Pressen anf Seite 478
und 479 besprochen. Ersteres besteht in einer Qaeraebnittsverdünnong
nnd dadurch hervorgerufenen Streckung des Materials an einer Stelle
des Arbeitsstücks, welche rings eingesohlossen ist nnd deehalb eine
Längen- oder Breiten ausdebnting nicht gestattet; also zu einer Hohlform
sich umzuwandeln gezwungen ist; die entgegengesetzte Arbeit, das Auf-
ziehen, besteht in einer Querschnitts verdickung des Randes eines Arbeits-
stücks durch Aufbiegen und dadurch gleichfalls bewirkten Entstehung
eines hohlen Gegenstands.
Für die Vollendung der Form finden beide Arbeiten vielfache An-
wendung; nnd die in Gold und Silber getriebenen Reliefarbeiten Alter
Meister bilden werthvoUe Sch&tze unserer Kunstsammlungen.
Das einfache Werkzeug für diese Arbeiten ist wiederum der Hammer.
Abgesehen von der schon oben a. a. Orte beschriebenen Anwendung der
Hämmer zur ersten Bildung von Hohlkörpern finden wir denselben snr
weitern Ausbildung der Form, sofern es sich um Anfertigung gr5berer
Gegenstände handelt, vorwiegend in Kesselsobmieden (Dampfkessel -
fabriken) and Kupferschmieden. In den ersteren findet vorangsweise ein
Aufziehen (Umkr&nipen) von Kesselbleohen zu dem Zwecke statt, die
Stirnwände der Dampfkessel mit einem Rande zu versehen. M^n ver-
wendet dazn gusseiserne Lehrformen, um welche hemm der Rand aufge-
bogen wird, und hölzerne Hämmer. Um x. B. die Fenerbacbsen platte
Fig. 555. eines Locomotivkessels von der in Fig. B55
abgebildeten Form herzustellen, gebrnncbt
man die im Durchschnitte geseichnetc
gnsseiseme Lehrfurm, deren äussere Um-
risse den inneren Abmessungen der gebo-
genen Platte entsprechen. Das Bleoh a
wird, nachdem es zavor ausgesohnittcn
worden ist, rotbwarm gemacht, horizontal
auf die Lehrform gelegt nnd nun der Rand
desselben rings hemm durch eine grössere
Anzahl Arbeiter (6 bis 8) gleichzeitig mit
den Holzhämmern bearbeitet, dadurch all-
mälig aufgebogen nnd durch das Aufbiegen
entsprechend verdickt. Das Aufbiegen er-
folgt vorläufig nur um einen verh<nias-
mässig kleinen Winkel, worauf das Dlech
[^LO]
Treiben, Punzen. 729
erst neu. erhitzt wird. Diese Arbeit wird so oft wiederholt, bis die ganze
Umbiegnng vollendet ist, wozu vier bis sechs Hitzen erforderlich zu sein
pflegen; dann wird die Platte nmgewendet nnd auf der Oberfläche der
Lehrform durch Aufschlagen mit den Holzhämmern gerichtet
Ebenso werden die kreisförmigen Böden der Dampfkessel mit Rand
yersehen.
Der Kupferschmied benutzt die von den Kupferhämmern gelieferten
scheibenförmigen Platten oder schon roh unter dem Auftiefhammer
(Fig. 320 a. S. 404) getriebenen Hohlgefösse, um durch Treiben die
mannigfachen Geräthe für die Hauswirthschaft und technische Zwecke
daraus herzustellen. Seine Hämmer sind theils von Holz, theils von Eisen
in verschiedener Form; als Unterlage dient ihm der Ambos. Die Bear-
beitung geschieht kalt; aber ein öfteres Ausglahen während des Verlaufs
der Formveränderung pflegt erforderlich zu sein, um dem Kupfer die
verloren gegangene Dehnbarkeit wieder zu geben.
Diese gewerbsmässige Darstellung hohler Körper durch Treiben
oder Aufziehen mit dem EEammer wird zur Kunst, wenn es sich darum
handelt, auf einer Metallplatte figürliche oder ornamentale Darstellungen
als Reliefs durch Treiben heraustreten zu lassen, wobei eine Zeichnung
die einzige Richtschnur des Künstlers bildet.
Da es bei diesen feinen Arbeiten darauf ankommt, dass jeder
Hammersohlag genau auf die richtige Stelle wirke, und da femer für
die arbeitende Fläche (Bahn) des. Werkzeugs mannigfache Formen erfor-
derlich sind, lässt man die Hammerschläge nicht unmittelbar auf das
Arbeitsstück wirken, sondern benutzt ein Stahlstäbchen mit entsprechend
geformtem Ende, welches mit einer Hand auf das Arbeitsstück gesetzt
wird, während die andere Hand die Hammerschläge auf das entgegen-
gesetzte Ende des Stäbchens ausführt. Diese Stahlstäbchen, deren eine
grosse Anzahl von verschiedener Crrösse und Form vorhanden zu sein
pflegen, heissen Punzen.
Das Arbeitsstück muss bei dieser Arbeit eine Unterlage erhalten,
welche einestheils dem Drucke der Punzen nachgiebt, andemtheils aber
zähe genug ist, um den Eindruck auf diejenige Stelle zu beschränken,
welche vom Punzen unmittelbar berührt wird. Hierzu dient für die
dehnbaren Metalle (Oold und Silber) gewöhnlich Treibpech oder
Treibkitt, aus schwarzem Pech, Ziegelmehl und etwas Wachs oder
Terpentin zusammengeschmolzen. Man überzieht die Rückseite des
Arbeitsstücks, d. h. diejenige Seite, welche erhaben werden soll und nach
der Vollendung meistens die obere Seite darstellt, mit diesem Peche und
befestigt sie damit auf einem grosseren Klumpen aus derselben Masse,
welcher zuvor durch Erwärmen weich gemacht war und auf einer leicht
drehbaren Unterlage ruht. Letztere besteht in rohester Form aus einer
steinernen Halbkugel, die mit der runden Seite in einem kranzförmig
zusammengelegten Tuche ruht und die flache, zur Aufnahme des Arbeits-
stücks bestimmte Seite nach oben kehrt.
730 Biegungs- und Dehnnngsarbeiten.
Für härtere Metalle — Messing, Eisen — pflegt man Blei als
Unterlage zu benutzen.
Für Anfertigung wirklich künstlerischer Arbeiten durch Treiben
sind jedoch, wie schon oben erwähnt wurde, Gold und Silber die fast
allein verwendeten Metalle, theils weil bei denselben der Werth des Me-
talls in einem bessern Einklänge zu dem Eunstwerthe des hergestellten
Gegenstandes und der aufgewendeten Arbeit steht, hauptsächlich aber,
weil gerade diese Metalle in Folge ihrer ausserordentlichen Dehnbarkeit
vorzugsweise geeignet sind, beim Treiben auch die feinsten Umrisse und
Zeichnungen in voller Schärfe und Schönheit hervortreten zu lassen.
Bei der rohen Formgebung wie bei den Formveränderungen durch
Biegen haben wir mehrfach zu sehen Gelegenheit gehabt, wie die all-
mälige Wirkung zahlreicher schwächerer Hammerschläge sich häufig mit
Vortheil und Ersparung an Arbeit durch einen einzigen starken Schlag
oder ruhigen Druck ersetzen lässt, sobald die zu erzielende Formverän-
derung durch ein formgebendes Ergänzungsstück — Gesenk, Patrize,
Matrize, Stempel, Stanze, Form u. s. w. genannt — genau begrenzt ist.
Dasselbe ist beim Treiben und Aufziehen der Fall. Auch das Biegen
unter der Presse oder zwischen Walzen schliesst ja, wie mehrfach aus-
geführt wurde, häufig schon eine Querschnittsverdünnung oder Verstär-
kung ein. Jene Nothwendigkeit aber, bei der raschem Formgebung
durch eine kräftigere Schlag- oder Druckwirkung eine oder nach Um-
ständen auch mehrere auf einander folgende form gebende Ergänzungs-
stücke anwenden zu müssen, deren Umrisse denjenigen des herzustellen-
den Gegenstandes entsprechen, während sie andererseits die Möglichkeit
geben müssen, denselben nach der Vollendung aus der Form herauszu-
heben, ohne diese zu zerstören; die erheblichen Kosten für Arbeit und
Material, welche die Herstellung einer solchen „Form** zu veranlassen
pflegt, würden für die Anfertigung eines einzelnen Gegenstandes diese
Methode als höchst ungeeignet erscheinen lassen, machen sie dagegen
zu einem werthvollen Hilfsmittel für Erspamng an Arbeit und Zeit,
wenn eine fabrikmässige Massenanfertigung gleicher Gegenstände beab-
sichtigt wird.
Schon auf Seite 478 und 479 wurde der Fall besprochen, wie man
mit Hilfe der Presse im Stande ist, Hohlkörper zu bilden, sei es durch
Aufbiegen, also Verdickung des Randes, sei es durch Verdünnung der
mittleren Theile. In gleicher Weise geschieht das Treiben und Auf-
ziehen bei Vollendung der Foim. Einem Blechlöffel, welcher vermittelst
des Durchstosses als flacher Körper aus der vollen Blechtafel ausgestossen
wurde,. giebt man die erforderliche Aushöhlung, indem man ihn durch
einen kräftigen Druclr oder Schlag in eine Form presst, deren Untertheil
(Matrize) entsprechend concav, deren am Stempel oder Bär der Maschine
befestigtes Obertheil (Patrize) entsprechend convex geformt ist; um aus
dünnem Bleche Reliefs herzustellen (Schmucksachen, Dosen« Schalen,
Theebretter und zahllose andere Gegenstände), presst oder schlägt man
Treiben mit Stanzen. 731
dasselbe mit Hilfe Ton Patrize und Matrize in die verlangte Form.
Ist die QuerschnittsYeränderang hierbei beträchtlich,* so fährt man die«
selbe in mehreren einzelnen Stadien aus, wie es schon auf S. 479 be-
sprochen wurde, und unterwirft, wenn es nöthig werden sollte, zwischen
denselben das Arbeitsstück einem Ausglühen. Selbstyerständlich sind
dabei für jede weitere FormTeränderung auch neue, entsprechend tiefere
und engere formgebende Werkzeuge erforderlich. So z. B. sind zur An*
fertigung schmiedeeiserner Kasserolle, Waschbecken und dergleichen fünf bis
sieben auf einander folgender Pressungen (Schläge) in immer engeren Ge-
senken erforderlich. Bisweilen kann man eine grössere Anzahl Blech-
platten auf einander legen und gleichzeitig yerarbeiten. Während in
diesem Falle die Matrize den Umrissen des fertigen Arbeitsstücks ent-
spricht, ist die Patrize (der Stempel) entsprechend kleiner und im Pro-
file weniger scharf ausgebildet Nach jedem Schlage oder Drucke wird
nur das unterste Blech herausgenommen und ein frisches- oben eingelegt;
jedes Blech durchläuft also nach und nach eben so viele einzelne Sta-
dien der Formgebung als die Anzahl der B]eche beträgt, ohne dass ent-
sprechend viele einzelne Stanzen erforderlich wären. Ein besonderer in
die Matrize passender Stempel ertheUt schliesslich jedem einzelnen
Arbeitsstücke die nöthige Schärfe der Umrisse.
Zur Uebertragung der Krafbwirkung kommen hier wieder alle die
früher besprochenen Apparate in Betracht. Für Leistungen der kleinsten
Art, z. B. bei Anfertigung kleiner Schmucksachen aus dünnem Gold-
bleche, genügt oft ein Schlag mit dem Handhammer auf das Obertheil
der Form; für grössere Leistungen, insbesondere auch für fabrikmässige
Anfertigung, benutzt man vielfach das Fall werk oder den Fallhammer
(Seite 409), in seiner kleinsten Form zum Betriebe mit Hilfe eines Fuss-
tritts „ Wippe ^ genannt; auch die Schraubenpresse und der Kniehebel
finden häufige Anwendung. Hydraulischer Druck ist nur für die grössten
Kraftleistungen üblich, wie sie bei Vollendung der Form weniger häufig
auftreten.
Die Stanzen und Stempel bestehen aus Gusseisen, Stahl, Bronze, für
weiche Metalle auch wohl nur aus hartem Holze. Gusseisen ist am
billigsten, lässt sich aber bei omamentirten Gegenständen schlecht nach-
arbeiten und muss daher für solche Zwecke sehr scharf gegossen sein,
wenn es benutzbar sein soll; Stahl ist durch seine Härte das dauerhaf-
teste Material; Bronze lässt sich leichter als Gusseisen mit Grabstichel
und Punzen nacharbeiten und ist deshalb für [feinere Gegenstände mit
reliefartiger Oberfläche vorzugsweise geeignet.
Wenn die Aufgabe vorliegt, einfache Hohlkörper mit kreisrunden
oder elliptischen Querschnitten durch Treiben oder Ausziehen anzufer-
tigen, so giebt die Benutzung einer Drehbank dazu eine vortreffliche
Gelegenheit durch ein eigenthümliches und einfaches Verfahren, welches
man Drücken nennt. Zur Ausführung desselben ist ein „Futter" er-
forderlich, welches die Umrisse des fertigen Gegenstandes enthält und
732 Biegungs- und DehnuBgsarbeiteii.
auf der Drehbanksspindel befestigt wird, um mit dieser in ümlanf gesetzt
zu werden« Dasselbe wird meistens ans hartem Holae darch Drehen ge-
fertigt und besitzt entweder concaye Form, so dass seine Innenfläche den
äusseren Umrissen des zn fertigenden Stücks entspricht, oder es ist con-
▼ex nnd bildet also gewissermaassen einen Kern f&r das Arbeitsstdck«
In dem erstem Falle wird das Blech auf dem Rande des Futters fest-
gespannt und während der Drehung desselben mit Hilfe eines Drück-
stahls mehr nnd mehr in die Vertiefung hineingedrückt, bis es genau
an den Wänden des Futters anliegt; die Formgebung erfolgt also gerade
wie beim Treiben mit dem Hammer durch eine allmälige Qnerschnitta-
verdünnung, aber bei Weitem gleichmässiger und sicherer; im andern
Falle wird der Rand des Blechs mehr und mehr um das convexe Futter
herumgedrückt, bis auch hier ein yoUständiger Anschluss erzielt ist; es
findet Querschnittsyerdickung, also ein wirkliches Aufziehen statt. Nicht
selten lässt man-, wenn der herzustellende Körper sehr tief ist, auch die
eine der beschriebenen Arbeiten auf die andere folgen, um den Quer-
schnitt nicht übermässig yerändem zu müssen; zieht erst das Blech über
ein conyexes Futter und yollendet dann die Arbeit in einem concayen.
Die Drückstähle sind an dem yordem Ende flach mit bogenförmiger
Kante geschmiedet, glatt abgerundet und an dem andern £nde in ein
hölzernes Heft gefasst, um mit der Hand geführt zu werden. Als Unter-
stützung bei der Arbeit dient die Aaflage der Handdrehbank. Zur Ver-
ringerung der Reibung zwischen Arbeitsstäck und Werkzeug taucht man
letzteres, je nachdem dieses oder jenes Metall gedrückt wird, in Seifen-
wasser (bei plattirten Blechen), Fett oder dergleichen.
Das Drücken ist, sobald Rotationskörper hergestellt werden sollen,
y ollkomm ner und rascher ausführbar als das Hämmern aus freier Hand,
bedarf nicht der kostspieligen Stanzen wie das Pressen und besitzt yor
der letztem Arbeit den nicht za unterschätzenden Vortheil, dass auch
sogenannte „unterschnittene" Formen damit hergestellt werden können,
d. h. Hohlkörper, deren Profile nach unten sich erweitern oder nach
aussen yortretende Gliederungen zeigen: hemmlaufende Bunde, Ringe
und dergleichen« Wie leicht einleuchten wird, ist es mit Hilfe yon Stempel
und Stanze unmöglich, Formen auszubilden, welche nicht die Bedingung er-
füllen, jede Unterschneidung zu yeniieiden; die Profile aller gestanzten
Reliefs müssen streng nach derselben Regel gebildet sein (wodurch die
Vervielfältigung durch Stanzen der durch Handarbeit getriebenen Kunst^
werke in genauer Wiedergabe oft unmöglich gemacht oder nur durch
Zusammensetzen aus mehreren Stücken erreichbar ist); Rotationskörper
aber lassen sich ohne Schwierigkeit auch in unterschnitten en Formen
herstellen, wenn man das Futter, um das fertige Stück abnehmen zu
können, ähnlich wie eine Gussform beim Giessen aus mehreren leicht
yerbundenen Theilen zusammensetzt. Daher ist das Drücken auf der
Drehbank ein Verfahren, welches bei Verarbeitung aller dehnbaren Me-
talle und fär die mannigfachsten Zwecke mit Vorliebe in Anwendung
Drücken, Ciseliren. 738
gebracht wird, voraasgoBetzt, dass die Grösse des Arbeitsstücks nicbt jenes
Maass übersteigt, welches durch die Grösse einer Drehbank zum Drehen
Yon Hand gegeben ist.
SelbstTerständlich gelingt das Drücken nm so leichter, je dehnbarer
das verarbeitete Metall ist; und je grösser die Qaerschnittsyer&ndemng
beim Drücken und je mehr das Metall zum Hartwerden geneigt ist, desto
häufiger mnss ein Aasglühen während der Arbeit stattfinden. Es kommt
sogar Yor, dass stark gedrückte Arbeitsstücke in Folge der entstandenen
Spannung zwischen dem Rande und Boden zerspringen, wenn sie der
Erhitzung ausgesetzt werden, und man verringert diese Gefahr durch
zuvoriges Hämmern des Randes mit einem hölzernen Hammer.
Bei allen den zuletzt besprochenen Arbeiten wurden als Folge einer
Querschnittsänderung aus flachen Arbeitsstücken Körper gebildet, welche
auf der einen Seite concave, auf der andern conveze Flächen zeigten.
Etwas anders gestaltet sich der Vorgang, wenn entweder die Dicke des
Arbeitsstücks eine solche ist, dass das Ausweichen des gedrückten Metalls,
welches auf der Rückseite dünner Arbeitsstücke jene convexen Hebungen
hervorruft, nicht mehr durch die ganze Metallmasse hindurch stattfindet,
oder, was im Grunde dasselbe ist, wenn eine starre Unterlage des Ar^
beitsstücks jenes Hervortreten erhiibener Flächen auf der Rückseite un-
möglich macht. In beiden Fällen kann sich die Einwirkung des Werk-
zeugs nur noch durch eine entsprechende Verdichtung der zunächst
gelegenen Theile und insbesondere durch das Hervortreten seitlicher
Erhabenheiten an der Oberfläche des Arbeitsstücks — nicht an der
Rückseite — bemerkbar machen.
Als hauptsächlichstes Werkzeug für Handarbeit zu solchen Zwecken
finden wir wieder den Punzen nebst Hammer; und die Arbeit mit
demselben in der beschriebenen Weise heisst Ciseliren im engem Sinne.
Es sei hier erwähnt, dass auch die Arbeit mit dem Grabstichel gewöhn-
lich unter derselben Bezeichnung verstanden wird; denn beide Werkzeuge
pflegen von demselben Arbeiter geführt zu werden; das eine zur Hervor-
bringnng von Eindrücken unter Benutzung der Dehnbarkeit des Metalls,
das andere, um durch Wegnahme von Spänchen vertiefte Linien etc.
hervorzubringen; beide Werkzeuge werden häufig abwechselnd bei der
nämlichen Aufgabe gebraucht und ergänzen sich gegenseitig. Deshalb
finden wir die Punzen neben dem Grabstichel in allen solchen Werk-
stätten, wo auf der Oberfläche von Metallwaaren feinere erhabene oder
vertiefte Linien anzubringen oder nachzuarbeiten sind; in den Stätuen-
und Eunstgiessereien zum Nacharbeiten der gegossenen Bronzefiguren
und Ornamente; in den Graviranstalten; und für mannigfache andere
Zwecke. Die arbeitenden Endflächen der Punzen sind daher auch für
diese Zwecke in mannigfachen Formen vertreten. Kommt es jedoch vor,
dass eine und dieselbe Zeichnung, Inschrift oder dergleichen öfter wieder-
kehrend angebracht werden muss, so benutzt man mit grossem Vortheile
solche Punzen, welche die Zeichnung, Buchstaben etc. in umgekehrten
734 Biegangs- und DehnungsarbeiteD.
Linien an ihrer Endfläche tragen nnd demnach in yollstandiger Ausbil-
dung durch einen einzigen Schlag auf das Metall übertragen. Bekannt
sind in dieser Hinsicht die Zahlen- und Buchstabenpunzen für Ziffern
und Inschriften; aber auch Ornamente, Wappen nnd dergleichen lassen
sich durch einen geeigneten Punzen auf einer Metalloberflache anbringen.
Am leichtesten gelingt hierbei die Herstellung, wenn die herzustellende
Figur (Buchstabe, Ziffer etc.) auf dem Punzen erhaben, auf dem Arbeits,
stücke vertieft erscheint und das Metall also bei Entstehung des Ein-
drucks seitlich ausweicht; es gelingt aber auch, erhabene '(reliefartige)
Figuren durch einen Punzen mit vertiefter Zeichnung herzustellen, in-
dem das Metall rings um die Zeichnung her zusammengedrückt nnd so
gezwungen wird, nach der Vertiefung des Punzens hin auszuweichen,
diese als erhabenen Abdruck wiedergebend.
Je grösser aber die Fläche der herzustellenden Eindrücke ist, je
tiefer und schärfer dieselben im Metalle hervortreten sollen, desto grösser
wird der erforderliche Kraft^ und Arbeitsaufwand; und es tritt eine
Grenze ein, wo Handarbeit nicht mehr ausreicht oder doch die Anferti-
gung erheblich verzögern würde. Wenn also fabrikmässig die Oberfläche
einer grossen Anzahl gleicher Gegenstände in jener Weise mit vertieften
oder erhabenen Zeichnungen als Abdrücken der Werkzeugfläche ver^
sehen werden soll — wir erinnern an die Anfertigung von Münzen und
Medaillen, welche in älterer Zeit gleichfalls mit dem Hammer ,, geschlagen*^
wurden — , so wendet man statt des Hammers eine Maschine an, welche
durch einen einzigen kräftigen Stoss oder Druck die Formgebung aus-
führt. Der Punzen wird zum Stempel und die Arbeit heisst Prägen.
Giebt man hierbei, wie z. B. bei der Münzenanfertignng, auch der starren
Unterlage des Arbeitsstücks eine mit erhabenen oder vertieften Zeich-
nungen versehene Oberfläche, so drücken sich dieselben auf der untern
Seite des Arbeitsstücks in derselben Weise ab, als die Zeichnungen des
Stempels auf der obem, und man kann demnach auf diese Weise durch
einen einzigen Schlag oder Stoss beide Seiten gemeinschaftlich bearbeiten.
Unter den angewandten, drückend oder stossend wirkenden Maschi-
nen finden wir auch hier ausschliesslich schon bekannte Formen. Die
senkrechte Schranbenspindel mit drei- bis vierfachem flachem Gewinde
und langem Schwengel mit Schwungkugeln bildete lange Zeit die allein
angewendete Maschine zum Prägen von Münzen, und wird jetzt noch
häufig zum Prägen der Münzstempel benutzt (vergL Anfertigung der
Münzen im speciellen Theile); in neuerer Zeit ist dieselbe durch die
Kniehebelpresse vielfach verdrängt worden; auch E^centerpressen nnd
hydraulische Pressen sind für Specialzwecke in Anwendung.
Literatur über Treiben, Stanzen, Prägen etc.
Earmarsch-Hartig, Mechanische Technologie, Bd. 1, S. 358, 364, 368«
Prechtl-Karmarsch, Technologische Encyclopädie, Bd. 2, S. 291 ff.
Bd. 7, S. 143.
m. Die Znsammenfägrungsarbeiten.
Die F&Ue, dass Gegenstande ans Metall erst durch Zusammensetzung
aus mehreren, unabhängig von einander angefertigten Theilen vollendet
werden können, sind zahlreich. Häufig ist die Schwierigkeit oder gar
Unmöglichkeit der Anfertigung in einem einzigen Stücke der Grund
hierfür; bisweilen besteht auch das Stück ans mehreren verschiedenen
Metallen neben einander; oder aus technischen Gründen ist ein öfteres
Auseinandernehmen desselben erforderlich; und dergleichen. In welcher
Weise in allen diesen Fällen die Verbindung — Zusammenfügung — der
einzelnen Bestandtheile zu bewerkstelligen ist, richtet sich also theils nach
dem Zwecke des fertigen Gegenstandes, ist aber andererseits auch von
der Beschaffenheit des Materials sehr abhängig.
1. Adhäalonsverbindungen.
Wir verstehen unter diesem Ausdrucke alle solche Verbindungen,
bei denen lediglich die hergestellte Adhäsion zwischen den Molecülen
gleichartiger oder auch fremdartiger Stoffe den Zusammenhang bewirkt.
Wie schon bei Besprechung der Schweissbarkeit der Metalle besprochen
wurde (S. 341 ff.), sind aber zur Herstellung einer solchen Adhäsion (be-
ziehentlich Cohäsion), d. h. Näherung der Molecüle bis zu demjenigen
Grade, wo ihre gegenseitige Anziehungskraft wirksam wird, hauptsächlich
zwei Bedingungen zu erfüllen: absolute Reinheit der zu vereinigenden
Oberflächen und ein plastischer (beziehentlich flüssiger) Zustand derselben,
welcher allein jene Annähemng der Molecüle in dem erforderlichen
Grade ermöglicht. Sobald es gelingt, jene beiden Bedingungen gleich-
zeitig zu erfüllen, wird auch eine Verbindung gleichartiger und selbst
verschiedenartiger Metalle zu erreichen sein; es wurde aber a. a. 0.
schon auf die Schwierigkeit hingewiesen, jenes Ziel zu erreichen. Bei
der Verbindung solcher Stücke aber, welche bereits durch mechanische
Verarbeitung eine fertige Form erlangt haben, kommt noch der Umstand
in Betracht, dass durch Anwendung des zur Vereinigung erforderlichen
Druckes in einem plastischen oder gar flüssigen Zustande die erlangte
Form ganz oder theilweise wieder verloren gehen, die aufgewendete
Arbeit also vergeblich gewesen sein würde. Nun giebt es aber glück-
licherweise ein ziemlich einfaches Anskunftsmittel zur Umgehung dieses
736 Zusammenfugungsarbeiten.
Uebelstandes. Wenn man in die Fnge zwischen den zu vereinigenden
metallisch reinen Oberflächen einen momentan flüssigen oder plastischen
Körper — sei es ans demselben oder aus anderem Stoffe — bringt, wel-
cher sich dicht genug an beide Flachen anlegt, um Adhäsion mit dem-
selben zu erlangen und die Eigenschaft besitzt, alsbald feste
Form anzunehmen, so bildet derselbe ein Bindemittel zwischen beiden
Hälften, welches nach Maassgabe seiner eigenen Festigkeit dieselben
vereinigt. Zum Gelingen einer solchen Verbindung ist es jedoch erfor-
derlich, dass beim Starrwerden des Bindemitteb eine erhebliche Volumen-
veränderung nicht eintrete, welche allerdings ein Losreissen schon ver-
einigter Flächen zur Folge haben könnte.
Das Erstarren des flüssigen oder plastischen Bindemittels kann ent-
weder eine Folge der Abkühlung (falls es im heissen Zustande eingebracht
wurde) oder auch chemischer Vorgänge sein. Im letztem Falle werden
bisweilen auch die zu vereinigenden Metalloberflächen durch Eingehung
chemischer Verbindungen in Mitleidenschaft gezogen^ wodurch die Festig-
keit der Verbindung erhöht werden kann.
Auf solcher Verbindung durch Adhäsion der Oberflächen zweier
Körper, sei es unmittelbar, sei es mit Hilfe eines zwischen dieselben
gebrachten Bindemittels, beruhen die in Folgendem zu besprechenden
Arbeiten.
a. Schweissen.
Dieser Ausdruck bezeichnet im Allgemeinen denjenigen Vorgang,
bei welchem zwei Stücke Metall ohne Bindemittel mit einander ver-
einigt werden. Die üblichste Anwendung findet das Schweissen — wie
schon früher erwähnt wurde — bei Verarbeitung des Eisens. Sofern es
als Vollendungsarbeit benutzt wird — zur Vereinigung zweier oder
mehrerer in ihrer rohen Form bereits fertiger Arbeitsstücke — , pflegt
es den übrigen Vollendungsarbeiten voraus zu gehen, damit durch letz-
tere die in dem erforderlichen weichen Zustande des Metalls entstandenen
Ungenauigkeiten der Form ausgeglichen werden können.
lieber die Vorgänge und zu erfüllenden Bedingungen beim Schweissen
wurden auf Seite 341 bis 347, über das Arbeitsverfahren auf Seite 466
die nöthigen Mittheilungen gegeben, auf welche deshalb hier einfach Be-
zug genommen werden kann.
b. L ö t h e n.
Unter dem Ausdrucke Löthen versteht man die Vereinigung zweier
MetallstÜoke durch ein zwischen ihre Fugen gebrachtes metallisches
Bindemittel, welches das Loth heisst. Um das Einbringen und dichte
Anlegen des Bindemittels zu ermöglichen, ist es erforderlich, dass das-
selbe sich im flüssigen Znstande befinde; damit dasselbe nicht vorzeitig
Löthen. 737
erstarre, müssen die zn yereinigenden Metallflächen wenigstens ange-
wärmt sein; nm die Vereinigung überhaupt möglich zu machen, müssen
femer, wie schon oben hervorgehoben würde, die Metallflächen dorchaus
rein sein von nichtmetallischen Körpern (Oxyden, Fett, Schmutz). Es
folgt hierans zunächst, dass das Loth bei einer niedrigem oder im
äussersten Falle doch gleichen Temperatur schmelzen muss, als das zu
löthende Metall, damit nicht dieses selbst durch das stärker erhitzte Loth
zum Schmelzen gebracht werde; ausserdem wird erfahrungsmässig das
Löthen gewöhnlich erleichtert, wenn das Lothmetall geneigt ist, in Legi-
rung mit dem zu löthenden Metalle zu treten.
Die Festigkeit der Löthstelle hängt, sofern die Löthung über-
haupt gelungen ist, von der Festigkeit des Loths ab; zwei Metallstücke von
grosser Festigkeit durch ein Loth von geringer Festigkeit verlöthet — z. B.
Gusseisen mit Zinn gelöthet — können an der Löthstelle niemals eine
grössere Festigkeit als diejenige des Loths erhalten; andererseits kann
die Löthstelle grössere Festigkeit besitzen als selbst die verbundenen
Metalle, wenn eben als Loth ein Metall oder eine Legimng gewählt
wurde, welches sich durch grössere Festigkeit auszeichnete. Gewöhnlich
besitzen nun aber die festeren Metalle und Legirungen einen höhern
Schmelzpunkt als die weniger festen, und es ist deshalb leichter,
Löthungen herzustellen, bei denen es auf erhebliche Festigkeit nicht an-
kommt, als wenn in der Löthstelle eine ebenso grosse Festigkeit vor-
handen sein muss, als sie das gelöthete Metall besitzt.
Um die Metallflächen völlig rein zu erhalten, insbesondere, um die
beim Erwärmen sich leicht bildenden Oxyde zu entfernen, müssen die
ersteren mit Körpern in Berührung gebracht werden, welche im Augen-
blicke des Löthens in Folge der Erwärmung die fremden üeberzüge zu
einer leicht schmelzbaren Schlacke lösen ; oder welche chemische flüchtige
Verbindungen mit denselben bilden; oder welche, während sie selbst in
der Löthtemperatur flüchtig sind, reduoirend auf die vorhandenen Oxyde
wirken. In ersterer Beziehung ist der Borax. ein wichtiges Hilfsmittel
beim Löthen, gewöhnlich in concentrirter Lösung auf die Metallfläche
gestrichen; femer sind eine Anzahl Chlorverbindungen wichtig, welche
theils verschlackend, theils verflüchtigend auf die Metalloxyde wirken,
indem sie die letzteren in Chloride umwandeln, in welcher Form sie leich-
ter schmelzbar und oft schon bei niedriger Temperatur flüchtig sind.
Hierher gehört Salzsäure, Salmiak (Chlorammonium) als Pulver oder als
concentrirte Lösung angewendet; Chlorzink. Als reducirendes Mittel
gebraucht man vorzngs^ipise Kolophonium. Unter den genannten Mitteln
ist Borax das üblichste zum Löthen mit schwerscHlnelzjgeren Löthen,
während die übrigen vorwiegend beim Löthen in weniger hoher Tempe-
ratur gebraucht werden.
Nicht ohne Wichtigkeit ist bei der Wahl des einen oder andern
Loths die Farbe desselben. Denn da auf der Verbindungsfnge das Loth
sichtbar zu sein pflegt, so würde eine von der Farbe der verbundenen
Ledebnr, aeolumlteh-iBetallQivlMdie Taofanologi«. 47
738 Zusammenfügungsarbeiten.
Stücke abweichende Farbe des Lotbs das äussere Ansehen des fertigen
Gegenstandes gar sehr beeinträchtigen können, wenn nicht etwa ein
späterer Ueberzng beide Farben verdecken soll. Wo dieses nicht der
Fall ist — bei Gold-, Silber-, Tombak- nnd Messingwaaren etc. — , sacht
man deshalb die Farbe des Loths möglichst in Einklang mit der des
Arbeitsstücks zu bringen.
Sämmtliche benutzten Lothe pflegt man nach ihrer Schmelz-
temperatur in zwei Gruppen zu sondern. Die eine derselben umfasst
solche Lothe, welche bei einer Temperatur unter 250 Grad Celsius
schmelzen und aus Zinnlegirungen verschiedener Zusammensetzung zu
bestehen pflegen. Man bezeichnet sie mit den allgemeinen Ausdrücken
Weichloth, Weissloth (wegen der weissen Farbe), Schnellloth
(wegen der Raschheit des Schmelzens und somit auch Löthens),
Zinuloth.
Reines Zinn pflegt nur in solchen Fällen zum Löthen benutzt
zu werden, wo es darauf ankommt, in Rücksicht auf die Verwendung des
Arbeitsstücks fremde Metalle fem zu halten; also z. B. beim Löthen von
Ess- und Trinkgeschirren, welche ans reinem Zinn gefertigt wurden.
Blei- Zinnlegirungen bilden die am häufigsten benutzten Lothe
und werden ebensowohl zum Löthen der bei niedriger Temperatur
schmelzenden Metalle: Zinn, Blei, Zink benutzt, als auch für Kupfer und
dessen Legirungen und für Eisen, wenn die geringe Festigkeit der ge-
nannten Lothe nicht für die Verwendung des fertigen Gegenstandes hin-
derlich ist. Der jedesmalige Bleizusatz richtet sich nach der Schmelz-
temperatur des zu löthenden Metalls; mit wachsendem Bleigehalte steigt
im Allgemeinen die Schmelztemperatur, verringert sich aber der Preis
der als Loth dienenden Legirung. Im Allgemeinen liegt die Gre&ze des
Bleigehalts zwischen 30 und 66 Procent. Lothe mit 30 bis 40 Procent
Blei schmelzen bei 180 bis 190 Grad und heissen schwaches Schnell-
loth; bei den bleireicheren Legirungen steigt der Schmelzpunkt über
200 Grad (vergl. S. 91), und man nennt sie starkes Schnellloth. Bei der
Bereitung des Schnellloths bilden die auf S. 17 beschriebenen Erschei-
nungen ein Kennzeichen für den richtigen Zinngehalt.
Kommt es darauf an, ein noch leichtflüssigeres Loth herzustellen,
als es durch die Blei-Zinn- Legirungen zu erreichen ist, so setzt man dem
gewöhnlichen Schnelllothe Wismuth zu und bildet dadurch Legirungen,
die bei einer wenig über 100 Grad liegenden Temperatur schmelzen;
eine Legirung aus gleichen Theilen aller drei Metalle z. B. schmilzt bei
124 Grad. Wegen der Kostspieligkeit des Wismnths und der geringen
Festigkeit der betragenden Legirungen beschränkt sich ihre Anwendung
nur auf das Löthen leichtschmelziger Zinnlegirungen.
Die andere Gruppe der Lothe umfasst diejenigen, welche, aus Kapfer-
legirungen bestehend, erst bei Glühhitze flüssig werden, also bedeutend
schwerer verarbeitbar sind, dabei aber grosse Festigkeit besitzen und aus
diesen Gründen Hartloth, Strengloth oder Schlageloth (weil die
Löthen. 739
LothuDg Hammerschl&ge ausliält) genannt werden. Je reichlicher der
Kupfergehalt ist, desto höher liegt im Allgemeinen der Schmelzpunkt,
man erniedrigt umgekehrt denselben durch erhöhten Zusatz von Zink,
Zinn, Blei. Gewöhnlich sucht man die Zusammensetzung des Loths der
Zusammensetzung der zu löthenden Legirung möglichst ähnlich zu
machen unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Loth bei niedri-
geren Temperaturen zu schmelzen hat als das Arbeitsstück. Demnach
löthet man Kupfer, Messing etc. mit einem zinkreichem Messing; soll
die Farbe desselben heller sein, so erreicht man dieses durch einen Zu-
satz von Zinn (vergl. S. 28); Neusilber wird mit einem zinkreichern
Neusilber gelöthet; die Edelmetalle mit Legirungen Yon Gold oder Silber
mit Kupfer, oder mit Kupfer und Zink, wenn der Schmelzpunkt erniedrigt
werden soll; n. s. £.
Reines Kupfer wird bisweilen zum Löthen von Eisen gebraucht,
wenn es auf grosse Festigkeit ankommt; üblicher ist auch hierfür die
Anwendung des erwähnten Messingschlagloths, welches leichter schmilzt
und daher leichter yerarbeitbar ist. Man unterscheidet gelbes, halb-
weisses und weisses Messingschlageloth und stellt es durch Zusammen-
schmelzen Ton Messingbleohsohnitzeln mit Zink, beziehentlich Zink und
Zinn dar. Gelbes pflegt auf 100 Theile Messingblechschnitzel 15 bis
100 Theile Zinkzusatz zu erhalten, je nachdem es strengflüssiger oder
weniger strengflüssig sein soll; halbweisses auf 100 Theile Messingblech-
schnitzel 35 bis 50 Theile Zink und 5 bis 8 Theile Zinn; weisses auf
100 Theile Messingblech schnitze! 5 bis 10 Theile Zink und 15 bis 25
Theile Zinn. Silberschlageloth, d. h. silberhaltige Legirungen zum Löthen
Ton Silberwaaren, erhält gewöhnlich neben Silber und Kupfer einen Zu-
satz von Messing, um es leichtschmelziger zu machen; Goldschlageloth
pflegt ans Gold, Silber und Kupfer zu bestehen und nur, wenn es sehr
leichtschmelzig werden soll, auch einen Zusatz von Zink zu erhalten.
Die als Lothe dienenden Legirungen werden durch Schmelzen im
Löffel oder bei Hartlotben im Tiegel hergestellt und dann in eine geeig-
nete Form ausgegossen. Weichlothe giesst man meistens in Stäbchen,
Messing- und Argentanschlageloth werden durch Eingiessen in Wasser
auf hin und her bewegte Birkenreiser in Körnerform yon der Grösse
eines Hirsekorns verwandelt, gesiebt, um zu grosse Körner abzusondern,
und in dieser Form verwendet; Silber- und Goldschlagelothe, welche sich
durch Dehnbarkeil auszeichnen, werden nach dem Ausgiessen zu dünnen
Blechen verarbeitet und in Form von Blechschnitzeln angewendet.
Bevdr das Löthen vor sich geht, werden die zu verbindenden Ober-
flächen durch mechanische Mittel (Feilen, Schaben etc.) von allen anhaf-
tenden Unreinigkeiten befreit und alsdann, ohne mit den Fingern be-
rührt zu werden, in die bestimmte gegenseitige Lage zu einander ge-
drückt. Um sie in derselben zu erhalten, spannt man die beiden Hälften
zusammen in einen Schraubstock oder umwickelt sie mit Bindedraht oder
dergleichen, sofern ein einfaches Zusammendrücken mit der Hand nicht aus-
47*
740 Zusammenfiigungsarbeiten.
reicht. Da die Löthang nm so besser gelingt, je grösser die Beröhrangs-
flächen sind, so sncht man dieselben, wo sie yerhältnissmässig klein sind,
dnrch ähnliche Eanstgriflfe zu vergrössem als beim Schweissen erwähnt
wurden. Man wird deshalb z. B. die Ränder zweier zu verbindender
Blechstreifen nicht stumpf yor einander stossen lassen, sondern ein wenig
über einander legen; wo ein solches Uebereinanderliegen nicht zulässig
ist, schneidet man an der einen Kante schwalbenschwanzf5rmige Zacken,
an der andern entsprechende Kerben aus, welche in einander greifen; u.s.f.
Sind die zu yerlöthenden Gegenstände hohl, so muss Sorge getragen
werden, dass an irgend einer geeigneten Stelle des Arbeitsstücks eine
kleine Oeffnung bleibe, um der in Folge der Bbrwärmung sich ausdeh-
nenden Luft einen Ausweg zu verschaffen.
Alsdann folgt die eigentliche Arbeit des Löthens.
Die hierzu angewendeten Gerätbe sind verschieden nach der Art
des Löthens und Grösse der Arbeitsstücke.
Das üblichste Geräth zum Weichlöthen ist der Löthkolben. Der-
selbe wird durch ein Stück Kupfer an einem eisernen Stiele gebildet,
welches entweder hammerartige Form mit scharfer Kante (ähnlich dem
Schrotmeissel, Fig. 360 a. S. 457) besitzt oder wie ein schlanker Kegel
geformt ist, in dessen Grundfläche der Stiel befestigt ist Mit Hilfe der
scharfen Kante oder Spitze des erhitzten Löthkolbens (der Löthbahn)
wird das leichtschmelzige Loth zum Schmelzen gebracht und auf die
Fuge übertragen. Die Löthbahn selbst muss zu diesem Zwecke vorher
verzinnt worden sein, indem man sie, nachdem sie gehörig gereinigt
worden ist, in geschmolzenes, mit Kolophoniumpid ver bestreutes, Zinnloth
taucht oder auch, nachdem der Löthkolben erhitzt worden ist, auf einem
festen Stück Zinnloth reibt. Mit dem so vorbereiteten Löthkolben ver-
zinnt man zunächst die zu löth enden Flächen (bevor sie an einander ge-
legt sind) indem man, nachdem sie mit Kolophonium bestreut worden
sind, ein Stück Zinnloth mittelst des erhitzten Kolbens auf denselben zum
Schmelzen bringt und verreibt. Dann bringt man sie in richtiger Lage
an einander, bringt mit dem Löthkolben einen Tropfen der geschmol-
zenen Legirung (welcher beim Schmelzen an der Löthbahn hängen bleibt)
auf die Fuge und streicht ihn dort längs der Fuge auseinander, wobei er
alsbald vermöge der Capillarität in dieselbe eindringt und die Verbin-
dung bewirkt.
Die Erhitzung des Löthkolbens geschieht meistens im Holzkohlen-
feuer; wo Leuchtgas zu Gebote steht, leitet man dasselbe wohl dnrch
einen Gummischlauch nach dem für diesen Zweck hohlen Stiele und durch
diesen gegen den Kolben, um es hinter dem Rücken desselben durch
einen mit Hahnverschluss versehenen Brenner zu verbrennen und so den
Kolben beständig warm zu erhalten.
Zu Löthungen kleiner Gegenstände sowohl mit Hart- als Weichloth
benutzt man das bekannte Löthrohr, Fig. 556, und eine Gas- oder
Dochtflamme, in welche vermittelst desselben Luft geblasen wird, so dass
LöÜien.
741
sie eine seitlich gerichtete, sehr heisse Spitze erhält (Fig. SÖ7). Die
letztere wird auf die Löthfuge des mit einer Zange gehaltenen oder
Fig. 556. Plg. 557.
aof einer Unterlage (Holzkohle) ruhenden Arbeits-
stücks gerichtet, nachdem das Loth und Reini-
gungsmittel auf dieselbe gebracht worden sind.
Dem Löthen mit dem Löthrohre ähnlich,
aber für grössere Gegenstände geeigneter, ist das
Löthen mit Gas. £ine ziemlich rohe Ausführung
dieses Verfahrens, welche aber bisweilen ganz
zweckmässig sein kann, erreicht man, wenn man
einen geschlossenen runden Ofen mit glühenden
Koks oder Holzkohlen füllt, von unten her durch
eine Form gepressten Wind einführt und das gebildete Gas durch eine
im obern Theile befindliche seitliche Düse in Form einer langen, sehr
heissen Stichflamme austreten lässt. Bequemer, wenn auch kostspieliger,
ist die Anwendung von Leuchtgas. Dasselbe wird aus der Gasleitung
durch einen Eautschukschlauch nach dem Orte seiner Verwendung ge-
führt. An dem vordem Ende des Sohlauchs befindet sich ein Mundstück,
innerhalb desselben ist ein engeres Rohr concentrisch befestigt, welches
durch einen zweiten Schlauch mit einem Gebläse verbunden ist und die
erforderliche Verbrennungsluft der Flamme in derselben Weise zuführt
wie das Löthrohr im Kleinen. Man ist auf diese Weise im Stande, der
Flamme jede beliebige Richtung zu geben, ihre Stellung zu verändern u. s. w.
Für höhere Temperaturen benutzt man statt des Leuchtgases Wasser-
stofifgas, welches in einem besondern tragbaren Apparate durch
Auflösen von Zink in verdünnter Schwefelsäure dargestellt wird. Von
hier strömt das Gas durch einen Kautschukschlauch nach einem Doppel-
hahne und mischt sich hier mit Gebläseluft, welche von einem kleinen
tragbaren Gebläse mit Fusstrittbetrieb aus gleichfalls durch einen Kaut-
schukschlauch zugeführt wird; das Gasgemisch (Knallgas) tritt alsdann
gemeinschaftlich durch eine engere Löthspitze aus und verbrennt mit
langer heisser Flamme. Durch geeignete Stellung der Hähne regulirt man
den Gas- und Luftzufluss derartig, dass eine spitze, bläuliche, nicht leuch-
tende Flamme entsteht Die Kautschukschläuche wählt man weit und
lang genug, dass dem Arbeiter volle Freiheit der Bewegung gestattet ist
742 ZusammenfugUQgsarbeiten.
Die häufigste Anwendung findet das letztere Verfahren bei dem
Zusammenschmelzen der Fugen an den grossen Bleiplatten für Schwefel-
säurekammem. Nachdem die Verbindungsstellen rein geschabt sind,
lässt man die Wasserstofflamme in langsamer Bewegung darüber hin-
gleiten, so dass das Blei eben zu schmelzen beginnt und in einander
fiiesst ^). Ein eigentliches Löthen, d. h. eine Verbindung durch ein leicht-
schmelzigeres Bindemittel, findet also hierbei nicht statt; das Metall
schmilzt selbst, und es ist das Verfahren in gewisser Beziehung dem-
jenigen ähnlich, welches auf Seite 307 besprochen wurde und den Zweck
hat, neue Theile an vorhandene Gussstücke anzugiessen.
In ganz ähnlicher Weise wie das leichtschmelzige Blei lässt sich
Platin durch eine Gasflamme löthen oder, richtiger gesagt, zusammen -
schweissen. Bei der hohen Schmelztemperatur des letztern genügt aber
nicht eine durch Gebläsewind gespeiste Flamme, sondern es muss Sauer-
stoffgas an Stelle der atmosphärischen Luft treten.
Literatur über Löthen.
Karmarsch-Hartig, Mechanische Technologie, 5. Aufl., S. 387 bis 402«
c. Kitten.
Unter dem Ausdrucke „Kitt" versteht man einen plastischen Stoff,
welcher in Folge chemischer oder physikalischer Vorgänge mehr oder
minder rasch erhärtet, dabei die Eigenschaft besitzt, an bestimmten Kör-
pern zu haften und somit als Bindemittel für zwei solcher Körper be-
nutzbar zu sein, sobald die Trennungsfuge zwischen denselben mit dem
Kitte angefüllt wird.
Nur selten besteht der Kitt aus einem einzigen gleichartigen Kör-
per, sondern ist meistens durch eine mechanische Mischung von minde-
stens zwei Körpern hergestellt; sofern die erforderliche Bildsamkeit nicht
die Folge einer Erwärmung des Kitts ist (was im Allgemeinen zu den
selteneren Fällen zählt), ist es zur Erreichung derselben nothwendig,
dass mindestens einer der Bestandtheile im flüssigen Zustande, ein anderer
im festen Zustande gegenwärtig sei, und somit durch die Mischung bei-
der ein teigartiger Zustand des Kitts hervorgerufen werde. Nur in
wenigen Fällen beschränkt sich der Vorgang, welcher das Erhärten
herbeiführt, auf einen Verdunstungsprocess der als wirkliches Lösungs-
mittel dienenden flüssigen Bestandtheile des Kitts; oder auf eine Ab-
kühlung des im erhitzten Zustande bildsamen, im kalten Zustande harten
^) Deutsche Industriezeitung 1871, 8. 182.
Kitten. 743
Kitts (wie beim Siegellack); meistens sind es wirkliche chemische Ein-
wirkungen der Bestandtheile auf einander, welche das Erhärten herbei-
führen.
Die Verbindung der Metalle durch Kitten pflegt weniger dauerhaft
als die durch Löthen zu sein; sie beschränkt sich deshalb auf solche
Fälle, wo entweder ein nichtmetallischer Bestandtheil des fertigen Ge-
brauchsgegenstandes mit dem metallischen verbunden werden soll; oder
wo grössere J'ugen zwischen solchen Körpern wasser- und luftdicht ver-
dichtet werden sollen, die in ihrer I^age. gegen einander gesichert und
erheblicher Beanspruchung der Festigkeit innerhalb der Kittfuge nicht* .
ausgesetzt sind (z. B. bei Rohrleitungen die Fugen zwischen der Muffe
des einen und dem Ende des folgenden Rohrs u. s. f.). .
Das eigentliche Arbeitsverfahren beim Kitten ist demnach ein
ziemlich einfaches, und der Schwerpunkt des Gelingens liegt in der Be-
reitung des Kitts.
Beispiele.
Zum Verkitten von gusseisemen Muffenröhren gebraucht man unter
dem Namen Eisenkitt oder Rostkitt ein Gemisch von Eisenfeilspänen
mit Schwefelblumen, Salmiaklösung und etwas Essig oder stark ver-
dünnter Schwefelsäure zu einem dicken Brei angerührt. Alsbald nach
dem Anrühren tritt eine chemische Reaction ein; nach 12 bis 24 Stunden
pflegt der Kitt schon ziemlich fest geworden zu sein, nach 3 bis 4 Tagen
steinhart. Im Laufe der Zeit nimmt die Härte noch zu, so dass es
schwierig ist, einen alt gewordenen Rostkitt wieder ans der Fuge heraus-
zubringen und man deshalb diese an und ftlr sich sehr einfache Ver-
dichtung nur in denjenigen Fällen anwendet, wo nicht zu erwarten
steht, dass eine Lösung der Verbindung erforderlich wird. Man pflegt
2 Theile Salmiak, 1 Theil Schwefelblumen, 30 Theile fein gesiebte Eisen-
feilspäne anzuwenden. Sollen die Röhren Glühhitze aushalten, z. B. bei
Winderhitzungsapparaten, so soll man nach Karmarsch Eisenfeilspäne
mit 50 Procent feuerfestem Thone und 25 Procent gestosäenen Scherben
von hessischen Schmelztiegeln innig mengen und mit gesättigter Koch-
salzlösung zu Teig anrühren; Verfasser hatte Öfters Gelegenheit, auch
für diesen Zweck den oben beschriebenen Eisenkitt, jedoch mit etwas
reichlicherm Eisenzusatze (bis 60 Theile Feüspäne auf 2 Theile Salmiak
und 1 Theil Schwefelblumen}, mit bestem Erfolge anzuwenden, sobald
man demselben vor der Erhitzung mindestens 4 bis 5 Tage Zeit Hess zu
erhärten.
Auch die Oxyde des Bleies finden häufige Anwendung zur Bereitung
von Kitten für Metall waaren% Unter dem Namen Mennige kitt ge-
braucht man im Maschinenbau vielfach ein Gemenge von Mennige ^) mit
^) Bekanntlich jenes rothe, im Handel vorkommende Oxyd des Bleies von
der Zusammensetzang Pbg O4 , welches fabrilunässig durch Erhitzen von ge-
wöhnlichem Bleioxyd im Luftstrome dargestellt wird.
744 Zusammenfügungsarbeiten.
dickem LeiuölfirniBB za einer steifen Masse angerieben, um Fugen
zwischen Flantschen eic zu Yerdichten. Wenn der Kitt getrocknet ist,
was allerdings ziemlich lange dauert, hält er sehr fest. Statt der Men-
nige dient häufig Bleiweiss ^ oder ein Gemenge von Bleiweiss mit Men-
nige mit ebenso gutem Erfolge. Als ein vorzüglich haltbarer Kitt,
widerstandsfähig gegen Wasser, Säuren^ Laugen, Alkohol, Aether, Benzol
und dergleichen, und eine Temperatur bis zu 270 Grad C. vertragend
wird eine Mischung von geschlämmter trockener Bleiglätte') mit
gewöhnlichem käuflichen Glycerin empfohlen. Die Bleiglätte wird zu
• diesem Zwecke in einer Beibschale gut durchgerieben , dann wird unter
beständigem Rühren und Kneten mit einem Spatel das Glycerin so lange
zugesetzt, bis der Kitt die gewünschte Consistenz erlangt hat. Die zu
verkittenden Flächen müssen vor dem Gebrauche sorgföltig gereinigt
und mit etwas verdünntem Glycerin eingerieben sein. Binnen 10 bis
30 Minuten — abhängig von der Menge des zugesetzten Glycerins —
erstarrt der Kitt zu einer festen Masse.
Bisweilen setzt man den Bldioxyden noch andere Substanzen zu,
deren angebliche Wirkung allerdings schwer erklärlich ist; z. B. 1 Theil
Bleiglätte, 1 Theil Schlemmkreide, 3 Theile Graphit mit Leinölfimiss
(Diamantkitt).
Zur Verbindung nichtmetallischer Gegenstände, z. B. Glas, mit me-
tallischen ist ein einfaches aber nicht sehr dauerhaftes Mittel Siegellack
oder Schellack im erwärmten Zustande. Dauerhafter ist Käsekitt,
welchen man durch Vermischen von ganz frischem, weichem Käse mit
20 bis 25 Proc. gebranntem Kalk und Wasser erhält. Derselbe erstarrt
sehr schnell und muss deshalb sogleich verbraucht werden.
Harzkitt, durch Zusammenschmelzen von 4 Theilen schwarzem
Pech mit 1 Theü Schwefel und Einrühren eines Gemenges von Eisenfeil-
spänen und Ziegelmehl in die geschmolzene Masse dargestellt und heiss
verwendet dient zur Befestigung von Holz auf Eisen.
Auch eine Mischung von I Theil schwarzem Pech mit 1 Theil
Guttapercha in erwärmtem Zustande wird sehr zur Befestigung von Holz,
Leder u. s. w. auf Metall gerühmt.
Eine grössere Anzahl Darstellungsmethoden für Kitte verschiedener
Art ist in Karmars ch-Hartig, Mechanische Technologie, 5. Auflage,
Seite 402 bis 405, enthalten.
2. Verbindungen durch Heibung (Zwängverbindungen).
Wenn eine Verbindung zweier Arbeitsstücke durch Beibung bewirkt
werden soll, so ist es erforderlich, dass das eine von dem andern einge-
^) Kohlensaures Blei von nicht constanter Zasammensetzimg, gewöhnlich
dem zweiclrittel kohlensauren Blei, HsPbsCaOg, in seiner Zasammensetzuiig
nahe stehend.
^) Bleioxyd (im reinen Zustande Pb 0) beim Abtreiben des Silbers gewonnen.
Zwängyel*bindungeii. 745
Bohlossen werde (z. B. ein Rad von dem Radreifen); es müssen aber ferner
die Flächen beider Theile so eng auf einander liegen , dass die entste-
hende Reibung ausreicht, eine Lösung der Verbindung zu hindern. Diese
letztere Bedingung lässt sich erfüllen, wenn man entweder das äussere
Stück im erwärmten Zustande, also mit vergrössertem Durchmesser über
das andere überschiebt und dann erkalten lässt; oder indem man die
Verbindung der eng in einander schliessenden Theile unter einem so
grossen Drucke ausführt, dass die später auf das Arbeitsstück wirkenden
Einflüsse nicht ausreichend sind, die Verbindung zu lösen.
Beide Fälle kommen im Maschinenbau, vorzugsweise aber bei der
Anfertigung der Räder für Eisenbahnfahrzeuge, vielfach in Anwendung.
Um den Radreifen auf einem Eisenbahnrade zu befestigen, wird der
erstere an der Innenseite, das letztere an dem Umfange auf der Dreh-
bank derartig gedreht, dass der innere Durchmesser des Reifens V4 bis
IV^mni pro Meter kleiner ist als der äussere des Rades. Nun wird der
Reifen erwärmt. Man benutzt dazu einen Flammofen, Gasflammen, oder
weniger gut ein Schmiedefeuer, über welchem der Reifen horizontal auf-
gehängt wird. Die Erhitzung darf nicht über 300 Grad gehen und nie-
mals bis zur beginnenden Rothgluth steigen; man beurtheilt den Grad
der Erwärmung nach den entstehenden Anlaufliarben. Neuerdings be-
nutzt man mit gutem Erfolge lediglich Wasser in einem oylindrischen
Gefösse, welches durch eingeleiteten Dampf auf 100 Grad erwärmt
worden ist, und erreicht dadurch eine sehr gleichmässige Temperatur;
die Differenz der Durchmesser darf hierbei ^4 t^t^ P^i* Meter nicht über-
steigen, weil sonst die Erwärmung nicht ausreichen würde, den Reifen
aufzubringen ^). Wenn die Erwärmung bewerkstelligt ist, wird der
Reifen, mit dem vorspringenden Elranze nach oben, auf die Hüttensohle
gelegt und das kalte Rad mit Hilfe des Erahns eingesenkt. Nach
erfolgter Erkaltung sind beide Theile fest verbunden; eine nach diesem^
Aufziehen noch stattfindende Verbindung derselben durch Schrauben-
bolzen hat lediglich den Zweck, als Sicherheitsvorrichtung zu dienen,
falls ein Bruch des Reifens beim Fahren eintritt.
Soll der Reifen später zur Auswechselung wieder abgenommen
werden, so ist dieses nur möglich, indem man ihn aufs Neue erwärmt,
während das Rad gekühlt wird.
Ein Zusammenpressen zweier zu verbindenden Theile findet bei der
Befestigung der Eisenbahnräder auf ihren Achsen statt Die Nabe des
Rades im innem und der Achsschenkel im äussern Durchmesser werden
genau gedreht und zwar ganz schlank kegelförmig, so dass der Naben-
durchmesser ein wenig kleiner gehalten werden kann als der Achs-
schenkeldurchmesser, ohne das Ueberschiebefn unmöglich zu machen.
Dann wird mit der hydraulischen Presse unter einem Drucke vob 150
^) Dentsohe Indnstriezeitung 1877, 8. 28.
746
Zusammeniiigungsarbeiten.
Atmosphären nnd darüber das Rad auf die Achse gepresst. Häufig unter-
stützt man noch diese Verbindung durch Nuth und Keil ^).
8. Falzen.
Unter dem Ausdrucke „Falz*' versteht man eine durch Umbiegen
und Inein anderlegen der Ränder hervorgerufene Verbindung, die also
lediglich auf einer Formveränderung beruht. Die Ausführung des Fal-
zens gehört demnach zu den oben besprochenen Biegungsarbeiten und
wird theils mit den dort beschriebenen Geräthen und Maschinen, theils —
für Specialzwecke — mit ganz ähnlichen Vorrichtungen bewirkt. Es
bleibt nur noch die Aufgabe übrig, die äussere Beschaffenheit eines
Falzes einer Betrachtung zu unterziehen.
Fig. 658.
Fig. 559.
Die einfachste Falzyerbindung entsteht, wenn man die zwei zu ver-
bindenden Ränder einfach umbiegt, in einander hakt und dann yoll-
ständig dicht zusammendrückt, Fig. 558.
Wenn man beide Ränder in entgegengesetzter Richtung umbiegt
und dann durch einen übergeschobenen klammerartigen Streifen ver-
bindet, so entsteht der Falz mit Falzstreifen, Fig. 559.
_i_
Fig. 560.
Wenn man endlich die Ränder wie bei dem einfachen Falze, Fig. 558
in einander hakt, dann aber noch einmal gemeinschaftlich umbiegt, so
erhält man den doppelten Falz, Fig. 560 a und &.
Das Falzen ist selbstverständlich um so leichter ausfuhrbar, je
dünner die zu verbindenden Metallstreifen sind, eben aus diesem Grunde
aber weniger bei Gegenständen anwendbar, die auf grossen Druck in
Anspruch genommen sind, als bei leichteren Verbindungen. Zinkbleche
beim Decken von Dächern, kleinere Wassergefasse, Rauchrohren für
Stubenöfen etc. sind beispielsweise Gegenstände, für welche die Falzver-
bindungen wegen ihrer billigen Herstellung häufige Anwendung finden.
^) Petzholdt, Eisenbahnmaterial, S. 149.
Nieten. 747
4. Verbindung durch Niete und Schrauben.
Wenn die im Vorausgegangenen besprochenen Yerbindungsarbeiten
nicht dauerhaft gena^ oder aus irgend einem andern Grunde nicht an-
wendbar sind, so bleibt noch eine Verbindung durch Niete oder Schrauben
übrig. Der Begriff der Ausdrücke „Niet" und „Schraube" ist zu bekannt,
als dass er einer weitern Erläuterung bedürfte. Niete wendet man an,
wo eine feste, unlösbare Verbindung hergestellt werden soll; Schrauben,
wo entweder eine leicbt lösliche Verbindung einzurichten oder auch, wo
die Arbeit des Nietens nicht ausführbar ist.
Das Nieten. Wenn man einen zapfenformigen Ansatz des einen
zu verbindenden Theils durch eine entsprechend grosse Oeffnung des
zweiten Theils hin durchsteckt und nun das hervorstehende Ende durch
Stauchen mit dem Hammer zu einem übergreifenden Kopfe umformt, so
entsteht eine Nietverbindung in einfachster Form. Dieselbe wird ohne
Erhitzung des Arbeitsstücks bewerkstelligt und eignet sich deshalb nur
für kleine Gegenstände.
Häufiger ist die Anwendung eines besondem Niets (Nietbolzens),
welches in die durch beide zu vereinigenden Theile hindurchgehende
Oefifnung gesteckt und an den vorstehenden Enden mit Kopf versehen
wird. Der eine der beiden Köpfe wird zur Erleichterung der Arbeit fast
immer schon vorher geformt, so dass beim Nieten nur die Bildung des
zweiten Kopfes auszuführen ist. Der erstere Kopf heisst Setzkopf,
der zweite Schliesskopf. Die Bildung des Setzkopfes pflegt im Grossen
in' Nietbolzeufabriken zu geschehen und der bis auf den Schliesskopf
fertige Nietbolzen in den Handel zu kommen ^).
Das Nieten mit Anwendung besonderer Nietbolzen geschieht vor-
zugsweise bei Verbindung von Eisenblechen und spielt eine wichtige
Rolle bei Anfertigung aller Art grösserer Geräthe, Bauconstructions-
theile etc. aus Eisenblech, bei welchen das Löthen oder Schweissen nicht
anwendbar ist. Die Ausbildung des Schliesekopfs geschieht bei den
kleinsten Nieten kalt, bei allen grösseren in der Hitze. Man erleichtert
durch die Erhitzung des Nietbolzens nicht allein die Arbeit, sondern er-
hält auch in Folge des Schwindens beim Erkalten eine dichtere Fuge.
Die Nietlöcher werden mit Hilfe des Durchstosses oder bei dickeren
Blechen in Rücksicht auf die beim Durchstossen eintretenden Verände-
rungen im Materiale (Seite 557), durch welche die Entstehung eines
^} Man gebraucht zur fabrikmä«8ig;en Darstellung von Kietbolzen ge-
wöhnlich Pressen (Präg^erke), welche an dem vorher in erforderlicher tiänge
abgeschnittenen und erhitzten Stifte den Kopf durch Stauchen ausbilden.
Näheret} hierüber: Praktischer Maschinenconstructeur 1870, B. 291; Polyt.
Centralblatt 1874, 8. 1331; Dingler's polyt. Journal, Bd. 208, S. 341;
Y. Hesse, Die Werkzeugmaschinen 8. 54;'Wencelides, HUfsmaschinen und
Werkzeuge, 8. 82.
748 ZusammenfugungBarbeiten.
völlig cylindrischen Lochs unmöglich wird, zweckmässiger, wenn aach
kostspieliger, durch Bohren hergestellt. Um ein genaues Anfeinander-
passen (l^r Löcher zu erzielen, spannt man, wo es angeht, die zu ver-
bindenden Bänder in der bestimmten Lage auf einander und fertigt das
durchgehende Loch gleichzeitig für beide Bleche.
Die Erwärmung der Kietbolzen geschieht meistens im Schmiede-
feuer. Für den Betrieb im Grossen sind kleine Glühöfen sehr geeignet,
an einer oder mehreren Seiten eingefasst durch dünne feuerfeste Platten
mit einer grossen Anzahl durchgehender Löcher, in welche die Niet-
bolzen hineingesteckt werden, so dass nur das zu erhitzende Ende der-
selben in den Feuerraum hineinragt.
Die Ausbildung des Schliesskopfs an dem in die Oeffnung gesteckten
Nietbolzen geschieht entweder yon Hand mit dem Hammer oder durch
Maschinen.
In dem erstem Falle muss zur Erreichung eines dichten Schlusses
gegen den Setzkopf ein .Druck ausgeübt werden, damit nicht das Niet
durch die Hammerschläge wieder zurückgetrieben werde; und nur selten
wird es möglich sein, hierbei den Ambos als Unterlage zu benutzen, weil
die Grösse und Form der zu nietenden Gegenstände ein häufiges Wenden
und Bewegen nicht gestattet. Man gebraucht also hierzu ein schweres
hammer- oder keulenartiges Werkzeug — den Yorhalter — , welches
durch einen Arbeiter gegen den Setzkopf gedrückt wird, während ein
anderer oder mehrere Arbeiter gleichzeitig den Schliesskopf ausbilden.
Da der Yorhalter zur Erfüllung seines Zwecks, die empfangene Stoss-
wirkung zu yemichten, ein beträchtliches Gewicht haben muss, so pflegt
man denselben auf irgend eine Weise zu unterstützen: indem man ihn
an einer Kette aufhängt; oder hebelartig auf einen Bock lagert; oder
dergleichen. Die gegen den halbrunden Nietkopf gerichtete Seite oder
Bahn desselben enthält gewöhnlich zum bessern Anschlüsse eine halb-
runde Vertiefung, welche beim Vorhalten den Kopf einschliesst. Der
Schliesskopf wird entweder aus freier Hand kegelförmig oder mit Hilfe
eines Setzhammers — Schellhammer genannt — , welcher die Form
des Nietkopfes vertieft enthält, ebenfalls balbkugelförmig ausgebildet.
Gewöhnlich ist beim Nieten stärkerer Bleche mit dem Hammer eine
„Colonne" von vier bis sechs Arbeitern thätig; nämlich ein Knabe zum
Zutragen der glühenden Niete, ein bis zwei Arbeiter zum Durchstecken
und Vorhalten; zwei bis drei Arbeiter zum Schmieden. Vier Arbeiter
sind dabei im Stande, stündlich 20 bis 40 Niete von 18 bis 20mm
Stärke einzuziehen, je nachdem das Arbeitsstück mehr oder weniger
bequem liegt; und man rechnet als Anzahl der auf einen Nietkopf er-
forderlichen Hammerschläge 150 bis 250, durchschnittlich also 200.
Für eine gut gelungene Nietverbindung ist es erforderlich, dass
nicht allein der Kopf des Niets richtig ausgebildet sei und genau schliesse,
sondern auch, dass das Nietloch vollständig von dem Nietbolzen aus-
gefüllt sei. Da nun der Bolzen beim Hineinstecken doch einigen Spiel-
Nieten. 749
räum im Loche haben mnss, so kann ein solcher dichter Anschluss an
die Lochwand nur durch ein kräftiges Zusammenstauchen des Niets im
Loche hervorgebracht werden; ist das Loch nicht genau cylindrisch (bei
der Herstellung mit dem Durchstosse) oder schliessen gar die beiden
Löcher der zu verbindenden Theile nicht ganz genau auf einander, so
wächst die Schwierigkeit, den Bolzen so zu stauchen, dass er das Loch
dicht aubfüllt. Der Zweck wird um so eher erreicht werden, je kräftiger
die auf den Nietbolzen ausgeübte Wirkung ist; mithin wird die Nietung
besser durch wenige starke als durch viele schwächere Schläge gelingen;
am besten und sichersten durch einen- einzigen ruhigen Druck von solcher
Intensität, dass er ausreichend ist, die Form Veränderung auszufahren ^).
Hierin liegt ein wesentlicher Vorzug der Nietmaschinen und insbeson-
dere derjenigen, welche durch Pressen den Nietkopf ausbilden.
Aus diesem Grunde kommen mit vollem Rechte jene hydraulischen
Nietmaschinen in neuerer Zeit mehr und mehr in Aufnahme, welche durch
einen einzigen starken hydraulischen Druck den Nietbolzen stauchen und
den Kopf herstellen. Als eine der neuesten Gonstructionen dieser Art
möge die von W, Seilers & Comp, in Philadelphia nach einem
Patente von R. H. Tweddell gebaute transportabele hydraulische Niet-
maschine Erwähnung finden, welche in Fig. 561 und 562 a. f. S. abge-
bildet ist '). Zwei kräftig gebaute gusseiseme Hebel bilden den form-
gebenden Theil dieser Maschine, und zwar liegt der eine derselben (H)
fest, dient also gewissermaassen als Vorhalter, während H' beweglich ist
und durch Andrucken gegen n den Kopf ausbildet. Zu diesem Zwecke
ist das Ende jedes Hebels mit einem auswechselbaren Stahlstempel
(Schelleisen) versehen, welcher die Form des zu bildenden Schliesskopfs
beziehentlich des schon vorhandenen Setzkopfs enthält. In Fig. 561 ist
die Lage zweier zu verbindenden Winkeleisen mit dem durchgesteckten
Nietbolzen angedeutet. Die Hebel sind einarmig, d. h. der Drehungs-
punkt liegt an dem entgegengesetzten Ende, wo beide Hebel durch ein
Kugelgelenk mit auswechselbaren Einsatzstücken (um der verschiedenen
Dicke der zu nietenden Arbeitsstücke Rechnung zu tragen) zusammen-
greifen, wobei eine übergeschobene Spiralfeder (vergl. unten Fig. 563)
die Enden zusammenhält. Der Abstand des Angriffspunkts der Kraft
vom Drehungspunkte ist gleich % der ganzen Hebellange; letztere be-
trägt bei den von der genannten Firma ausgeführten Nietmaschinen 450
bis 900 mm. Durch einen starken Querbolzen 0' ist der bewegliche
Hebel H' mit zwei Laschen verbunden, welche sich auf dem Kolben B
1) Vergleiche die Ausfahmngen auf Seite 396. Viele schwache Schläge
können theoretisch die nämliche Gesammtleistang hervorhringen als ein einzi-
ger kräftiger Dmck; aher ihre Wirkung beschränkt sich auf die Oberfläche
des Arbeitsstücks, während die Wirkung des stärkern Drucks sich auch auf
entlegenere Theile des Arbeitsstücks fortpflanzt.
*) Wenoelides, Hilfsmaschinen und Werkzeuge für Bisen- imd Metall-
bearbeitung, 8. 164; Dingler's Polytechnisches Journal, Bd. 224, 8. 34.
750 ZusammenfügungsarbeiteiL
des bydranliBchen Cylinders A beGaden and erhält somit tod diesem ans
seine Bewegung; der festliegende Hebel R ist dnrcli zwei st&rke Ver-
biudangB Stangen mit Sohrsnben gewin de and Matter (vergleiche Fig. 663)
an den hydraolischen Cjlinder A angeschlosBen, so dass sich mit Hilfe
der Schrauben mattem sein Abstand von diesem beliebig regnliren lässt.
Die Verbindangsstangen dienen zugleich als FühroDgen für den Hebel H' ,
wie ans Fig. 562 hervorgeht. Der Hab, d. h. das Zosammendrücken der
Hebel erfolgt, indem Wasser darch das Rohr Cg in den Cylinder unter
den Kolben geleitet wird. Zar Rückw&rtebewegnng ist der Kolben, wie
sich aus Fig. 561 ergiebt, mit einem kleinen Gegenbolben b innerhalb
eines concentri sehen kleinen Cylinders a verbunden, h steht fortw&hrend
mit dem im Rohre Cj befindlichen Druokwasser in Verbindung; der Za-
flnsB nach B dagegen wird erst durch Oeffnang eines Ventilsi welches
in der Abbildung nicht 2Q sehen ist, ermSglicbt. So lange also diese)
Ventil gescbloBsen ist, bleibt die Maschine in Folge des auf h wirkenden
Drucks geöffnet; hei geöffnetem Einlassventile erfolgt Vorwärtsbewegong
Nieten. 751 '
TormSge des grösBem EalbenqaerBohnitte S, und das über T> befindliche
Dmckwasser wird nach dem Rohre c^ znrikckged rückt. Zam Entweichen
des im Cylinder A befindlichen DmckwasBerB bei dem Rückwärtsgange
dient das AnslaBsrohr dj, durch ein Ventil geBchlossen, so lange Vor-
wärtsbewegung und Druck stattfindet.
Das Dmckwasser wird von einem Äccnmnlator geliefert, welcher
durch eine doppelt wirkende Pompe gespeist nnd dessen Dmckwirkung
durch abnehmbare Gewichtsstücke regalirbar ist. Jedes Gewichtsstück
entspricht einem Drucke yon 17,5 kg per qcm, nnd der Totaldmck lässt
sich auf 140 kg per qcm steigern. Um nun aber die Nietmaschine be-
nutzen zu können, ohne das ArbeitsstQck für jedes einzuziehende Niet
in eine andere Lage bringen za müssen, insbesondere auch, um an ver-
Bohiedenen Stellen des Arbeitslocals, eelhst im Freien, damit arbeiten zu
Fig. 563.
können, ist sie durch einen Bügel an dem Haken eines Krahns (bezie-
hentlich einer Brückenwinde) aufgehängt and erhält ihr Dmäkwasser
vom Accumulator durch einen beweglichen Röhrenstrang. Die Beweg-
lichkeit desselben wird durch Einschaltung von Gelenken (Kugelgelenken
und UniTersalgelenken) hervorgebracht.
Die äussere Anordnung einer solchen transportabeln Nietmaschine
zeigt die pernpectivische Abbildung Fig. 663. Der Bügel greift mit zwei
752 Zusammenfugungsarbeiten.
festliegenden Zapfen in zwei entsprechende Hfilsen der Maschine, so dass
diese dadurch um die Zapfen drehbar ist. Auf einem der Zapfen sitzt
ein Schneckenrad fest, mit welchem eine am Maschinen gestelle gelagerte
drehbare Schnecke im Eingriffe steht. Durch diese Einrichtung wird
also die Maschine um die Bügelzapfen drehbar und unter jedem belie-
bigen Neigungswinkel innerhalb der Drehungsebene stellbar. Der Auf-
hängebügel aber ist bogenförmig gestaltet und giehi dadurch die Mög-
lichkeit, auch den Aufhängepunkt zu yerändem und somit eine Drehung
der Maschine auch in der Ebene zu bewirken, welche rechtwinklig gegen
die ersterwähnte Drehungsebene gerichtet ist. Dadurch lässt sich die
Maschine mit Leichtigkeit in jede beliebige, von der Form und Lage des
Arbeitsstücks abhängige Stellung bringen.
Ein Arbeiter ist im Stande, mit Hilfe der beschriebenen Maschine
per Minute 10 bis 16 Niete einzuziehen, welche yon Knaben zugereicht
und in die Nietlöcher gesteckt werden ; und für je 6 bis 10 Niete per
Minute ist ein Knabe erforderlich. Als stündliche Leistung der von
3 Personen bedienten Nietmaschine dürfte man unter Berücksichtigung
der Zeitverluste, welche durch die erforderliche Weiterbewegnng der
Maschine entstehen, 400 bis 500 Niete rechnen können.
Die abgebildete Nietmaschine eignet sich vorwiegend zum Nieten
solcher Gegenstände, welche selbst schwer beweglich sind und deren
Nietreihen nicht sehr weit vom Rande des Arbeitsstücks entfernt stehen,
weil es bei grösserem Abstände unmöglich sein würde, die Nietbolzen
zwischen die beiden Stempel der Maschine zu bringen; also für Brücken-
bauwerkstatten, Schiffswerften und dergleichen. Sind die zu vernietenden
Gegenstände dagegen breit — Dampfkesselbleche z. B. — , so ist eine
andere Construction der Maschine erforderlich. Die Abmessungen der-
selben werden grösser, das Gewicht bedeutender, und man zieht deshalb
vor, die Maschine feststehend zu construiren und das Arbeitsstück mit
Hilfe des Ejrahns zu bewegen.
Wendet man, wie bei der oben abgebildeten Maschine, hydraulischen
Druck und Hebel an, so müssen die letzteren bedeutend länger sein, um
dem Arbeitsstücke den erforderlichen Spielraum zwischen ihren Schenkeln
zu gewähren; statt des hydraulischen Drucks dient häufig Dampfdruck,
auf einen grossen Kolben wirkend, wobei an der Kolbenstange des Dampf-
cylinders der Nietstempel sich befindet, die Wirkung also derjenigen eines
Dampfhammers ähnlich ist; nicht selten findet man auch noch Bewegung
des Nietstempels durch ein Excenter oder eine Kurbelscheibe , wobei
jedoch der Umstand nachtheilig wirkt, dass die Hublänge stets dieselbe
bleibt und demnach die Niete, ob lang oder kurz, stets auf dieselbe
Länge zusammengepresst werden müssen. Ist also der Nietbolzen zu
kurz, so wird das Nietloch nicht vollständig ausgefüllt, ist er zu lang,
so werden die Theile, welche genietet werden sollen, unverhältnissmäasig
gedrückt. Hinsichtlich der speciellen Construction solcher stationären
Nietmaschinen muss auf die unten gegebene Literatur verwiesen werden.
Nieten. 753
Wenn man sebr dichte Fngen herstellen wiU, z. B. bei dem Ver-
nieten von Dampfkesseln^ so pfle^ man die eigentliche Nietarbeit, d. h.
die Aosbildong des Nietkopfs, durch einige andere Arbeiten zn erg&nzen.
Damit die MetallflSchen in diesem Falle genau auf einander schliessen,
treibt man vor dem Vernieten durch Schläge mit dem Nietenzieher —
einem an der Endfläche ringförmig ausgehöhlten Stempel — auf das
oben, liegende Theil das Metall rings um den schon eingesteckten Niet-
bolzen zusammen, so dass der Bolzen stärker hervortritt und der Kopf
enger an das Blech sich anlegt. Nach dem Nieten aber treibt man mit
Hilfe eines stumpfen Meisseis und des Hammers die Fuge so eng zu-
sammen, dass ein völliger Verschluss derselben erreicht wird, und nennt
diese letztere Arbeit Verstemmen.
Literatur über Nieten und Nietmaschinen.
Earmarsch-Hartig, Mechanische Technologie, 5. Auflage, Seite 382
bis 386.
Hpyer, Mechanische Technologie, Seite 422 bis 428.
Wencelides, Hil&maschinen und Werkzeuge für Eisen- und Metall-
bearbeitung, Seite 160 bis 177.
Praktischer Maschinenconstructeur, 1871, S. 26; 1872, S. 334; 1874,
S. 95; 1875, S« 137 (Nietmaschinen).
Dingler's Polytechnisches Journal, Bd. 103, S. 9; Bd. 105, S. 4;
Bd. 213, S. 114; Bd. 216, S. 400; Bd. 220, S. 404 (Nietmaschinen).
L «de bor, mechaniich-meunnrgiioh« TeduM^ogie. 4g
Vierter Abschnitt
Die Arbeiten znr Yerschönening nnd Erhaltimg.
Die meisten Gegenstände zeigen, nnmittelbar nachdem sie ihre
Formgebnng empfangen haben, ein äusseres Ansehen in Bezng anf Farbe,
Glanz n. s. w., welches nichts weniger als angenehm anf das Auge wirkt
H&ofig sind die Spnren aller Bearbeitnngsstadien, welche sie dorchlanfen
haben, erkennbar; bei gegossenen (Gegenständen zeigt sich an einzelnen
Stellen die Ghisshant, bei geschmiedeten odör gewalzten der sogenannte
Olühspan; daneben erblickt man an anderen Stellen die Spnren, welche
der bearbeitende Stahl hinterlassen hat, oder wenn die letzte Bearbei-
tung bei Erhitzung vorgenommen war, AnlauffSEurben verschiedener Ari
Der im Uebrigen fertige Gegenstand bedarf also einer letzten Yerschö-
nemden Arbeit — bisweilen auch mehrerer dergleichen — um an fius-
serm Ansehen zu gewinnen und verkäuflich zu werden.
Häufig verbindet man mit dieser letzten Arbeit den andern Zweck,
dem fertigen Arbeitsstücke durch einen fremden üeberzug einen Schute
gegen chemische äussere Einflüsse zu geben. Manche Metalle, mit reiner
Oberfläche den Atmosphärilien ausgesetzt, überziehen sich rasch mit
einer Kruste aus den Producten einer chemischen Einwirkung des Sauer-
stoffs, der Feuchtigkeit, der Kohlensäure, welche nur in Ausnahmefällen, s. B.
bei der Bronze, dem Auge angenehm erscheint, bisweilen aber sogar
durch allmälige Fortpflanzung der umwandelnden Einwirkungen nach
innen eine Zerstörung des Gebrauchsstücks zur Folge haben kann. In
dieser Beziehung zeichnet sich vorzugsweise das Eisen unvortheilhaft aus,
und es ist diese Eigensohafb desselben um so unangenehmer, da das "Eiaea
bekanntlich dasjenige Metall ist, welches in den überwiegend meisten
Fällen das Material filr Gebrauchsgegenstände bildet.
In anderen Fällen ist es die Benutzung des Gegenstandes, welche
Gelegenheit zu zerstörenden chemischen Einwirkungen giebt, die durch
einen Üeberzug fem gehalten werden müssen. Kupferne, messingene
Beizen and Färben. 75^
oder nensilbeme Eocbgeschirre, mit sauren Speisen in Berübmng ge-
bracbt, würden giftige, in den Speisen löslicbe Enpfersalze bilden; eiserne
Oescbirre werden ebenso wobl von sauren als alkaliscben Flüssigkeiten
angegriffen, geben denselben einen unangenehmen Geschmack und eine
schwärzliche F&rbung; u. s. f.
Die in diesen Abschnitt fallenden Arbeiten sind demnach mannig-
facher Art und lassen sich in folgender Weise eintheilen.
1. Eine Entfernung desjenigen Ueberzugs oder deijenigen Theil-
chen der Oberfläche, welche das vollendete Aussehen derselben beein-
trächtigen. Diese Entfernung kann auf mechanischem oder chemischem
Wege geschehen. In beiden Fällen tritt eine wirkliche Trennung kleiner
Theilchen der Oberfläche ein, wenn auch in so unbedeutendem Maasse,
dass eine mit gewöhnlichen Messwerkzeugen messbare Formveränderung
nicht mehr stattfindet.
Die Vollendung durch Wegnahme von Spänchen auf mechanischem
Wege wurde schon bei den Trennungsarbeiten besprochen (Schaben,
Schleifen, Poliren), so dass hier einfach auf jene Erörterungen Bezug ge-
nommen werden kann; die Entfernung von Theilchen der Oberfläche auf
chemischem Wege nennt man Beizen und, sofern durch das Beizen bei
Legirungen eine bestimmte Farbe hervortreten soll. Färben ^).
2. Ein Hervorrufen von Olanz durch Niederdrücken hervor-
stehender Theilchen — Poliren (unterschieden von dem oben beschrie-
benen Poliren, welches auf einem Lostrennen der vorstehenden Theilchen
beruht).
3. Ein üeberziehen der Oberfläche des Metalls mit einem andern
Metalle oder sonstigen fremden Körper auf mechanischem oder chemi-
schem Wege.
1. Beizen und Färben.
Diese Bearbeitung besteht in allen Fällen darin, dass der verun-
Bchönende Ueberzug des Arbeitsstücks, welcher aus einer dünnen Oxyd-
faaut zu bestehen pflegt, aufgelöst und entfernt wird. Lässt man die
chemischen Agentien nur auf bestimmte Stellen des Arbeitsstücks wirken,
während die übrigen durch einen Ueberzug geschützt sind, so entstehen
auf der Stelle der Einwirkung vertiefte, bestimmte Zeichnungen, und
man nennt das Yerfahren in diesem Falle Aetzen.
Zur Auflösung dienen Säuren, seltener Salzlösungen, in welche das
Arbeitsstück gehängt wird. Häufig unterstützt man die chemische Ein-
wirkung durch mehrmals wiederholtes Scheuem oder Bürsten, nachdem
1) Das Färben der Leginingen beruht auf dem Umstände, dass die ahge-
wendeten Beizmittel auf .einzelne Bestandtheile der Legimng stärker auflösend
wirken als auf andere, somit die Farbe dieser let-ztem nach dem Beizen stärker
liervortritt.
48*
756 Verschönemngs- nnd ErhaltimgsarbeiteiL
das Metall ans der BeuflAssigkeit genommen ist; ba hSrteren Metallen
gebrancht man hierzu Bärsten ans feinem Stalil oder Mesongdraht, bei
weicheren gewöhnliche Bürsten, um nach beendigtem Yerfihren die
Beizflfissigkeit ans den Poren des Metalls zn entfernen, ist ein sorgftl-
tiges Abspülen in Wasser nnd rasches Abtrocknen erforderlich; bisweilen,
bei leicht ozydirbaren Metallen, a. R Eisen, ist es sogar zwe<^mässig,
das Arbeitsstück znr Neutralisation der in den Poren zorüekgebliebenen
S&nre nach dem Abspülen mit Wasser in eine schwach alkalische Lösnng
einzutauchen (am geeignetsten hierfür ist Kalkmilch) und dann nochmals
mit Wasser abzuspülen. Das spätere Trocknen wird erleichtert, wenn
man heisses Wasser für das Abspülen anwendet. Die Trocknung wird
am geeignetsten bewirkt, indem man das Arbeitsstück unmittelbar nach-
dem es aus dem Wasser kommt, zunächst in einen entsprechend groosen
Kasten wirft, welcher mit Sägespänen gefüllt ist, und es sofort damit
bedeckt. Die Sägespäne ziehen rasch den grossten Theil der Feuchtig-
keit an sich und werden dann leicht durch einen Pinsel von dem betref-
fenden Gregenstande, nachdem er aus dem Kasten herausgenommen ist,
entfernt. Den Beschluss macht nunmehr gewöhnlich eine rasche Trock-
nung in einem auf etwa 100^ erwärmten Baume, um den letzten Best
▼on Feuchtigkeit aus allen Poren zu entfernen« Für kleinere Arbeiten
genügt ein Blechschränkchen nach Axt der Trockenschränke in chemi-
schen Laboratorien, durch eine Gas- oder Spiritusflamme von aussen
erwärmt und mit eingelegten eisernen oder kupfernen Horden zur Auf-
nahme der betreffenden Gegenstände versehen; grosse Gegenstände
trocknet man in gemauerten Trockenkammern mit indirecter Feuerung,
welche in ganz ähnlicher Weise als die auf Seite 184 abgebildeten
Trockenkammern für das Trocknen von Gussformen construirt sein
können«
Wenn das Beizen nur ein Yorbereitungsprocess für Herstellung eines
fremden Ueberzuges auf galvanischem Wege ist, das Arbeitsstück also
aufs Neue in eine Flüssigkeit eingebracht werden soll, so lässt man den
Trocknungsprocess nach dem Beizen wegfallen, bringt den gebeizten
Gegenstand, unmittelbar nachdem er mit Wasser, beziehentlioh Kalk-
milch abgespült worden ist, in das zur Herstellung des üebersuges die-
nende Bad und führt die Trocknung in der soeben beschriebenen Weise
erst aus, wenn alle Arbeiten auf nassem Wege beendigt sind.
Sind die Arbeitsstücke in Folge der vorausgegangenen Bearbeitung
mit Fett beschmutzt, so wird dieses durch Beizen mit Säuren nicht ent-
fernt, hinterlässt aber nicht allein auf vielen Metallflächen einen deut-
lich sichtbaren Flecken, sondern macht auch das Ueberziehen mit anderen
Metallen unmöglich. Eine Entfernung solcher Fettflecke vor dem
Beizen ist also unerlässUch, wenn eine vollkommene Arbeit erreicht
werden soll. Am sichersten erfolgt die Beinigung von Fett durch Glühen
des betreffenden Gegenstandes, meistens mit Holikohlenpulver in einem
verschlossenen Gefässe (Topfe, Muffel); nicht immer gestattet aber die
Beizen. 767
GrrÖBse and Eigenthümlichkeit des ArbeitsatückB die AnweDdung dieses
Verfahrens. Weniger sicher fährt in letzterm Falle eine Behandlung mit
heisser verdünnter Kalilange zum Ziele; und man wird daher bei allen
solchen Gegenständen, welche dem Glühprocesse nicht unterworfen wer*
den können, wohlthun, die Anwendung von Fett bei allen vorausgehenden
Arbeiten (Bohren, Drehen, Schmirgeln etc.) zu unterlassen und statt des-
selben Seifenwasser oder dergleichen anzuwenden.
Das Beizen des Eisens.
Man bedient sich dazu verdünnter Schwefelsäure oder Salzsäure ^),
Die meisten Eisensachen, welche dem Beizen ausgesetzt werden,
pflegen an einzelnen Stellen schon durch Wegnahme von Spänchen
bearbeitet und dadurch ihres Oxydbäutchens entkleidet zu sein, während
dasselbe an anderen Stellen durch das Beizen entfernt werden soll; regel-
mässig ist dieses der Fall bei Gusswaaren, wo die Eingüsse, Gussnäthe u. s. w.
vorher mit Meissel und Feile abgenommen worden waren; häufig sind
ganze Flächen bereits mit der Feile, auf dem Schleifsteine, mit Werk-
zeugmaschinen bearbeitet, also das metallische Eisen dort blossgelegt.
Hierdurch entsteht der Uebelstand, dass die Säure das ohnehin schon
blanke Eisen weit schärfer angreift als das Ozydhäutchen; um so noth-
wendiger ist es also bei dem Beizen solcher Eisenwaaren, die Einwirkung
der Säure durch fleissige und energische Handhabung stählerner Kratz-
bürsten an den mit Oxyd überzogenen Stellen zu unterstützen, wenn
man nicht die zuvor bearbeiteten Stellen der Gefahr aussetzen will, von
der Säure zerfressen zu werden, bevor die übrigen gehörig gereinigt
sind. Ausserdem wendet man in diesen Fällen eine ganz verdünnte
Säure an — auf 1 Theil Säure zweckmässig nicht weniger als 40 bis
60 Theile Wasser. Wenn die ganze Oberfläche metallisch rein erscheint,
nachdem man zuletzt gekratzt hat, spült man, wie oben beschrieben
wurde, das Arbeitsstück zunächst mit Wasser ab, bringt es in ein Bad
aus Kalkmilch, dann noch einmal in Wasser und trocknet es schliesslich
in der beschriebenen Weise.
Das Beizen des Eisens kann den Zweck haben, demselben eine voll-
ständig gleichartige, metallisch reine Oberfläche mit der eigenthümlichen
lichtgrauen Farbe des Eisens und dadurch ein besseres Ansehen zu
geben. Besonders für künstlerische Gegenstände, Nachahmungen antiker
Muster und dergleichen ist diese reine Eisenfarbe sehr geeignet, wie z. B.
die weitberühmten Dsenburger Kunstgussgegenstände aus Gusseisen,
welche zum Theile in gebeizter Form in den Handel kommen, beweisen.
^) Schwefelsäure besitzt in allen Fällen, wo sie ebenso gut als Salzsäure
zum Beizen von Metallen benutzbar ist, vor dieser den Yorzug, dass sie nicht,
wie diese, saure Dämpfe entlässt, welche belästigend auf die Athmnngs-
organe wirken.
758 Verschönerangs- und Erhaltungsarbeiten.
Eine solche Anwendung des Beizens kann jedoch nur dann gerechtfertigt
erscheinen, wenn die Gegenstände in vollständig trocknen Räumen auf-
bewahrt werden, da die gebeizten Gegenstände dem Rosten weit stärker
ausgesetzt sind als ungeheizte oder mit anderen Ueberzügen versehene
Gegenstände.
Häufiger dient das Beizen des Eisens als YorbereitungBarbeit f&r
einen weitem Yerschönerungsprocess, insbesondere in allen den Fällen,
wo das Eisen mit einem fremden Metalle überzogen werden soll, wobei
eine reinmetallische Oberfläche erforderlich ist
Eine eigenthümliche Anwendung findet das Beizen des Eisens als
Mittel, die Textur gewisser Eisensorten, besonders schmiedbaren Eisens,
schärfer zu erkennen, als es im ungeheizten Zustande möglich ist Diese
Anwendung beruht auf der Thatsache, dass reines kohlenstoffireies Eisen
von Säuren leicht gelöst wird, kohlenstoffhaltiges Eisen weniger leicht,
Graphit gar nicht Setzt man also eine geschliffene Fläche des Eisen-
stücks der Einwirkung von Säuren aus, so bilden sich allmälig mehr
oder weniger tiefe Stellen aus, am tiefsten da, wo das an gebundener
Kohle ärmste Eisen yorhanden war, weniger tief, wo ein kohlenstoff-
reicheres Eisen (Feinkomeisen, Stahl) zu Tage lag, während Graphit
obenauf liegen bleibt Man benutzt hierzu eine starke Säure, gewöhn-
lich ein Gemisch von Schwefelsäure mit Salpetersäure oder auch 3 Thle.
concentrirte Salzsäure mit 1 ThL Salpetersäure. Von Zeit zu Zeit ent-
fernt man von der Oberfläche den angesetzten Schlamm, und nach etwa
3 Stunden ist das Beizen soweit vorgeschritten, dass man das Eisenstäck
in Kalkmilch oder schwacher Kalilauge, dann in heissem Wasser ab-
spülen und trocknen kann« Will man die Proben aufheben, so mnss
man sie mit dünnem Copallack überziehen. Praktische Yerwerthung
findet dieses Yerfahren z. B., wenn mehrere Eisensorten zu einem Stücke
verarbeitet sind, und es sich darum handelt, die Yertheilung derselben
in diesem Stücke genau zu erkennen; oder zur Auffindung von Fehl-
stellen, insbesondere zur Prüfung verdächtiger Schweissstellen, welche
im ungeheizten Zustande der Beobachtung entgehen, beim Beizen aber
durch das Eindringen der Säure erweitert und dadurch leicht erkenn-
bar werden.
Drähte aus Eisen und Stahl beizt man, wie früher erwähnt, nach
dem Glühen und entfernt den Glühspan vollends durch Poltern.
Beizen und Färben der Kupferlegirungen (Messing, Bronze).
Kupfer beizt man, um es von Glühspan zu reinigen, in verdünnter
Schwefelsäure (1 Tbl. Säure auf 5 Thle. Wasser).
Bei dem Beizen von Messing, Tomback, Bronze mit Schwefelsäure
zur Entfernung des Oxydhäutchens pflegen die betreffenden Gegenstände
mit einer matten, wenig schönen Farbe aus dem Bade herauszukommen.
Beizen und Färben. 759
Soll also ein fearigerer, lebhafterer Farbenton herrorgeröfen werden, so
mnas auf dieses Beizen ein zweiter förbender Process folgen, welchen
man das Oelbb rennen des Messings eta zu nennen pflegt.
Um anhängendes Fett zu entfernen, glüht man gewöhnlich den
Gegenstand schwach vor dem Beizen, wobei er sich vollständig mit einer
Oxydkruste überzieht und bringt ihn dann zur Entfernung dieser Oxyd-
kmste zunächst in eine sogenannte Yorbeize, aus verdünnter Schwefel-
säure (1 Tbl. Säure auf 8 bis 10 Thle. Wasser) oder auch ans kochender
Weinsteinsäure bestehend. Dieses Beizen mit der Yorbeize währt, je
nachdem die Kruste dick ist, Vs bis 1 Stunde oder auch noch länger
und kann unter umständen durch Anwendung der Kratzbürsten unter»
stützt werden. Aus dieser Yorbeize kommt, wie erwähnt, der Gegenst-and
mit mattgelber Farbe heraus und gelangt nun, nachdem er mit Wasser
abgespült ist, in die Schnellbeize, welche aus concentrirter Salpetersäure
oder besser aus einem Gemische von 1 ThL concentrirter Schwefelsäure
mit 2 Thln. gewöhnlicher Salpetersäure bestehen kann ^). Bisweilen setzt
man Glanzruss, Holzmehl oder ähnliche organische Körper zu, wodurch
die Entstehung salpetriger Säure befördert wird und eine besonders leb-
hafte Farbe entstehen soll. In diese Schnellbeize wird der Gegenstand
nur einen Augenblick eingetaucht, dann sorgfältig mit reinem Wasser
abgespült und in Sägespänen getrocknet.
Manche Gegenstäilde sollen statt der gewöhnlichen glänzenden
Oberfläche eine matte, zarte Färbung erhalten« Zur Erzeugung derselben
dient eine besondere Beize, Mattbeize genannt, und das Yerfahren heisst
Mattbrennen oder Mattiren. Dasselbe beruht auf einer ungleichmässigen
Einwirkung der Beize auf die Oberfläche des Arbeitsstücks, wodurch
einzelne Bestandtheile der Legirung stärker als andere angegriffen
werden und die Oberfläche ihre vollständige Glätte verliert Man erreicht
diesen Zweck durch Anwendung einer Lösung von salpetersaurem Zink
in ganz concentrirter Salpetersäure. Zur Darstellung derselben kann
man 1 GwthL Zink in 3 Gwthln. concentrirter Salpetersäure lösen, und
diese Lösung zu einer Mischung von 8 Gwthln. Salpetersäure mit 8 Gwthln.
Schwefelsäure giessen. Die Mattbeize wird kochend angewendet; das
Arbeitsstück wird, nachdem es zuvor in der Yor- und Schnellbeize be-
handelt worden ist, so lange in die Mattbeize eingehängt, bis die sofor-
tige stürmische Entwickelung rother Dämpfe (Untersalpetersäure) nach-
lässt, was nach circa 30 Secunden der Fall zu sein pflegt. Sie kommen
mit hellbrauner, glanzloser Farbe heraus, werden alsdann, um die schöne
gelbe Farbe zu erhalten, noch einmal mit der Schnellbeize behandelt,
dann abgespült und getrocknet. War die Einwirkung der Mattbeize
allzu energisch, so kann es geschehen, dass die ganze Oberfläche wie zer-
^) Der Zusatz von concentrirter SchwefelBäore , welche bekanntlich mit
Begierde Wasser aofiiimmt, hat yomehQiilich den Zweck, in Folge dieser Eigen-
schaft die Salpetersäure in eoncentrirterer Form zur Wirkung kommen zu lassen.
760 Venchönemngs- und ErhaHiingsarbeiteii.
firefMD encheini; nun regelt die Einwirkiuig doreh geringem oder
gröMem Zinkgehall .
Das Beizen and Färben der Silberlegirnngen.
Die Legimngen des Silbers mit Kupfer pflegen , wenn sie den form-
gebenden Process dorcblanfen bsben, einestheils mit einer dnnkebi Haut
von Kapferoxyd übersogen zu sein, andemtheils, aach wenn diese Haut
dorch mechanische Mittel entfernt worden ist, eine rötiiliche Färbong
za besitzen, die von der weissen Farbe des reinen Silbers in unschöner
Weise absticht^ Man nnterwirft sie also einem ähnlichen Processe als
das Gelbbrennen des Messings, wobei an der Oberfläche vorzugsweise
Kupfer aufgelöst und dadurch die röthliche Farbe in eine weisse über-
geführt wird.
Man nennt dieses YeHahren Weisssieden des Silbers and die
angewendete Beize den Sad.
Zunächst glüht man das Silberstück kurze Zeit bei dunkler Both-
gluth unter Luftzutritt zur Entfernung von Fett und behandelt es dann
mit verdünnter Schwefelsäure (I Thl. Schwefelsäure auf 12 Thle. Wasser)
oder mit einer Lösung von Weinstein in Wasser; oder am besten zuerst
mit Schwefelsäure und dann mit Weinsteinlösung. Beide Flüssigkeiten
sind am wirksamsten in der Siedhitze. Auch eine Lösung von doppelt'
schwefelsaurem Kalium kann, und zwar kalt, zum Beizen benutzt werden.
Die Einwirkung der Beize unterstützt man, wo es sich erforderlich macht,
durch öfter wiederholtes Kratzen und Bürsten mit feinem Sande oder
Weinsteinpulver.
Soll die Oberfläche matt werden, so glüht man den Gegenstand
nach dem ersten Sieden, nachdem man ihn in einen Brei aus Pottasche
und Wasser eingepackt hat, löscht in Wasser ab und siedet zum zweiten
Male wie gewöhnlich.
Das Beizen und Färben der Goldlegirangen.
Goldarbeiten, welche in Folge ihres Kupfergehalts während der
mechanischen Formgebung sich mit einer schwärzlichen Haut zu be>
decken pflegen, werden geglüht und in stark verdünnter kochender
Salpetersäure oder Schwefelsäure gebeizt (gesotten). Erstere Säare löst
ausser den an der Oberfläche vorhandenen Oxyden auch metalliflches
Kupfer und Silber, letztere nur Kupfer auf.
Eine kräftiger färbende Lösung erhält man nach Kar mar seh, indem
man 115 g vollkommen trocknes Kochsalz mit 230 g Salpeter zaaammen-
reibt and das Gemisch mit 172 g rauchender Salzsäure kocht. Es ent-
wickelt sich Chlor und beim Eintauchen der Legirung bilden sich
Chloride des Silbers, Kupfers und Goldes. Von letzterm wird ein Theü
Aetzen. 761
als metallisch reines Gold auf der Oberfläche des Arbeitsstücks wieder
niedergeschlagen, während ein anderer Theil allerdings gelöst bleibt,
und erst durch spätere Verarbeitung der Lösong wieder gewonnen
werden kann.
Das Aetzen.
Man yersieht die Oberfläche, welche durch Einwirkung chemischer
Mittel mit bestimmten figürlichen oder ornamentalen Linien, Inschriften
oder dergleichen gezeichnet werden soll, mit einem schützenden Ueber*
zugOf gewöhnlich aus einer harzigen oder ähnlichen Substanz bestehend,
den man Aetzgrund nennt. In diesen Aetzgrund schabt man die zu
bildenden Figuren ein, so dass das Metall dort frei gelegt wird und lässt
nun auf die freiliegende Metallfläche eine Flüssigkeit (das Aetzwasser)
einwirken, welche nur das Metall, nicht aber den Aetzgrund angreift.
Wenn dasselbe hinlängliche Zeit „ gefressen ** hat, spült man das Arbeits*
stück ab, entfernt den Aetzgrund, und es erscheinen nun die geätzten
Stellen vertieft, die Tom Aetzgrunde bedeckt gewesenen erhaben.
Dieses Verfahren nennt man Tief ätzen. Man kann aber auch
umgekehrt die Linien, welche die eigentliche Zeichnung bilden sollen,
mit dem Aetzgrunde bedeckt halten oder einfacher von vornherein mit
demselben allein bedecken, und es erscheint alsdann die Zeichnung er-
haben auf vertieftem Grunde. Das Verfahren in dieser Weise heisst
Hoohätzen.
Als Aetzgrund benutzt man häufig ein geschmolzenes Gemisch aus
2 TUn. weissem Wachs, 2 Thln. Mastix, 1 Tbl. Asphalt, oder ähnliche
Mischungen. Zum Gebrauche schlägt man ein Stück der Masse in feine
Leinewand und dann noch in trockenen Taffet ein, erwärmt die Metall-
fläche und ftkhrt nun die eingeschlagene Masse mit gelindem Drucke auf
derselben umher, wobei die letztere durch die Poren der Leinewand und
des Taffets in Folge der Wärme des Metalls hindurchschwitzt und die
Metallfläche mit einer dünnen Schicht überzieht. Zum Auftragen von
Linien beim Hochätzen löst man den Aetzgrund in einer geeigneten
Flüssigkeit, z. B. Terpentinöl.
Als Aetzwasser dient für Kupfer, Silber, Messing verdünnte Sal-
petersäure; oder für feinere Zeichnungen in Kupfer eine Mischung von
3 Maasstheilen gesättigter saurer KupfemitraÜösung mit einem Maass-
theile einer gesättigten Salmiaklösung in Essig; oder gleichfalls für
Kupfer 10 Gewichtstheile rauchende Salzsäure vermischt mit 70 Thln.
Wasser und einer kochenden Lösung von 2 Thln. chlorsaurem ^Kalium
in 20 Thhi. Wasser.
Für Eisen und Stahl benutzt man: 420 Gwthle. Wasser, 15 Gwthle.
QneokBilberohlorid, 1 Gwthl. Weinsteinsäure, 16 bis 20 Tropfen Salpeter-
säure; oder 8 Gwthle. Salpetersäure vom specif. Gewichte 1,22, 1 Gwthl.
Silbemitrat, 120 Gwthle. Weingeist von 80».
762 Verschönerangs- und Erhaltungsarbeiten.
FOr Aetzen des Ooldes benatat man yerdOnntes Eönigswass«:.
Um auf blankpolirten Stahl- oder Eisenarbeiten erhabene Verzie-
rungen auf mattem Grunde anzubringen, z. B. auf Klingen und der-
gleichen, zeichnet man diese Verzierungen mit einer Lösung des Aetz-
grondes auf der Metallfläche auf und setzt letztere der Einwirkung von
Salzsäuredampfen aus, welche man durch Uebergiessen von Kochsalz
mit concentrirter Schwefelsäure entwickelt.
Die Entfernung des Aetzgrundes geschieht durch ein geeignetes
Lösungsmittel, gewöhnlich Terpentinöl.
2. Poliren.
Man benutzt als Werkzeug für das Poluren ein Stäbchen aus hartem
Materiale mit glatter, glänzender Arbeitsfläche, welches, indem es unter
Drack über die Oberfläche des Arbeitsstücks hinweg geführt wird, die
vorstehenden Theilchen desselben niederdrückt und dadurch ein Glätten
herbeiführt, welches der Oberfläche Glanz giebt und deshalb ebenfalls
Poliren genannt wird. Glasharter Stahl, Chalcedon, Achat, Blut«tein
(Glaskopf) sind die üblichsten Materialien zur Herstellung von Polir-
werkzeugen und man nennt diese letzteren deshalb entweder Polirstähle
oder Polirsteine. Die arbeitende Fläche derselben wird natürlich ge-
schliffen und aufs Feinste in der früher beschriebenen Weise polirt; das
entgegengesetzte Ende des Stäbchens steckt in einem hölzernen Hefte
von geringerer oder grösserer Länge.
Man gebraucht diese Werkzeuge fast nur zum Poliren kleinerer
Gegenstände mit unregelmässigen Begrenzungsflächen, bei welchen das
früher beschriebene Verfahren des Polirens aus irgend einem Grunde
nicht geeignet erscheint; bisweilen allerdings auch für grössere Flächen
in solchen Fällen, wenn durch den ausgeübten starken Druck eine
grössere Dichtigkeit der Metalloberfläche hervorgebracht werden soll (z. B.
bei den Platten der Kupferstecher).
8. Bas Uebendehen der Metalle.
Der Ueberzug kann aus einem Metalle oder aus einem zusammen-
gesetzten Körper beziehentlich einem Gemische mehrerer der letzteren
bestehen.
Beim Ueberziehen mit einem andern Metalle kann der Zweck vor^
liegen, 'lediglich eine Verschönerung hervorzubringen, indem man ein
Metall von weniger schönerm Aeussem, z. B. Zink, mit einem schönem
Metalle, *z. B. Kupfer, Silber, Qold und dergleichen, oder auch einer
MetalUegirung, z. B. Bronze, Messing, überzieht; dieses ist der häufigere
Fall; oder man kann dabei den andern Zweck verfolgen, ein leichter
oxydirbares Metall, z. B. Eisen, durch den Ueberzug mit einem Bchwerer
UeberzieheiL 763
ozydirbaren widerBtandsfahiger gegen äosflere chemische Einflüsse zu
machen«
Bei dem Ueberznge eines Metalls mit zusammengesetzten Körpern
ist der Zweck, dem Metalle einen Schatz gegen Oxydation za geben, fast
immer der Hauptbeweggnmd; and man sacht dann selbstverständlich
die flrreichang dieses Zweckes stets in einer solchen Weise zu bewerk-
stelligen, dass der Ueberzug das Aeussere des Gebrauchsgegenstands in
möglichst gefalliger Weise erscheinen l&sst.
A. Ueberziehen mit anderen Metallen.
Dasselbe kann in dreierlei Weise geschehen. Die erste Methode
besteht darin, dass man das zu überziehende Metall mit metallisch reiner
Oberfläche in ein Bad des geschmolzenen als Ueberzug bestimmten Me-
talls eintaucht, wobei eine dünne Schicht des letztern an der Oberfläche
des erstem haften bleibt. Man kann diese Methode das Ueberziehen auf
directem oder mechanischem Wege nennen. Die zweite Methode besteht
darin, dass man das zu überziehende MetaU mit reiner Oberfläche in eine
geeignete Lösung eines Salzes des als Ueberzug bestimmten Metalls ein-
hängt und entweder durch Erregung eines galyanischen Stroms oder
durch einfache chemische Umsetzung aus der Lösung Metall auf der
Oberfläche des erstem niederschlägt. Man nennt diese Methode Ueber-
ziehen „auf nassem Wege*', und wenn ein besonderer galvanischer Ap-
parat angewendet wird, „auf galvanischem Wege".
Eine dritte Methode, welche nur für das Ueberziehen mit Gold
oder Silber Anwendung findet, beruht auf der Eigenschaft der genannten
Metalle, sich mit Quecksilber zu einem an der Oberfläche des Arbeits-
stücks haftenden Amalgame zu verbinden, welches bei Erhitzung unter
Zurücklassung des Edelmetalls und Verflüchtigung des Quecksilbers
zerlegt wird. Man pflegt diese Methode „Feuervergoldung" oder „Feuer-
versilberung" zu benennen; allgemein kann man sie als Amalgama-
tionsmethode bezeichnen.
Die directe Methode ist nur dann anwendbar, wenn das als Ueber-
zug dienende Metall leichtschmelzbarer ist als das andere, so dass ein
theil weises Schmelzen des letztem nicht zu befürchten ist; sie erfordert
zum Erhitzen und Schmelzen oft umfangreiche Apparate und ist nicht
immer leicht ausführbar; sie giebt dagegen, wenn sie gelingt, einen sehr
soliden und dichten Ueberzug, welcher fest haftet und äusseren Einwir-
kungen den Zugang zu dem umhüllten Metalle nicht gestattet, bevor er
nicht selbst diesen Einwirkungen erlegen ist.
Die galvanische Methode gestattet ihre Anwendung in weit zahl-
reicheren Fällen und giebt die Möglichkeit, die Stärke der Metallüber-
züge beliebig zu regeln. Die Apparate, welch» zur Herstellung dieser
Ueberzüge dienen, sind verhältnissmässig einfach; und die Kosten der
764 Verschönerungs- und Erhaltungsarbeiten.
Herstellung eines dflnnen, nur als VerBohönerung dienenden Ueberzuges,
welcher oft binnen wenigen Minuten herzustellen ist, sind verh<niss-
mässig gering. Als ein Schutz gegen Äussere Einwirkungen zu dienen,
ist jedoch ein solcher dünner Ueberzug durchaus ungeeignet; zur Errei-
chung dieses Zweckes ist eine Stärke desselben erforderlich, welche die
Kosten und auch die technischen Schwierigkeiten der Herstellung erheb-
lich steigert; und selbst, wenn die Dicke des ueberzuges deijenigen
eines auf directem Wege hergestellten Ueberzuges gleich ist, pflegt die
Wirkung desselben als Schutzmittel weniger ▼ollkommen als die des
letztern zu sein.
Der Unterschied dieses abweichenden Verhaltens des Metallaberzugs,
je nachdem derselbe durch Schmelzen oder auf galvanischem Wege ge-
bildet ist, dürfte in dem Umstände zu suchen sein, dass das geschmolzene
Metall eine yöllig dicht zusammenhängende und mit der Oberfläche des
Arbeitsstücks legirte Decke bildet, das galvanisch niedergeschlagene aber
aus lauter einzelnen nach und nach an einander gereihten und auf ein-
ander abgelagerten Krystallchen besteht, welche weder unter sich noch
mit dem Grundmetalle den festen Zusammenhang besitzen wie das
geschmolzene.
Die Amalgaraationsmethode endlich liefert zwar einen dauernden
festen Ueberzug des Edelmetalls, ist aber ziemlich umständlich, kost-
spielig und nicht ungefährlich für die Gesundheit.
Es folgt hieraus, dass die directe Methode, sofern sie überhaupt
anwendbar ist, überall da den Vorzug verdient, wo der Zweck vorliegt,
einen gegen stärkere äussere Einflüsse schützenden Ueberzug herzu-
stellen; dass hingegen, wenn vorzugsweise eine Verschönerung solcher
Gegenstände beabsichtigt wird, welche äusseren Einflüssen in weniger
starkem Maasse ausgesetzt sind, das galvanische Verfahren seiner gros-
sem Mannigfaltigkeit und seiner leichtem Ausfahrung halber den Vor-
rang behaupten wird; und dass endlich, da das Amalgamations verfahren
sich nur auf das Ueberziehen mit Gold und Silber beschränkt, also auf
Gebrauchsgegenstände, welche äusseren Einflüssen überhaupt weniger aus-
gesetzt zu sein pflegen, es in den allermeisten Fällen durch galvanische
Vergoldung und Versilberung ersetzt werden kann, welche in einfacherer
und billigerer Weise sich herstellen lässt.
a. Das Ueberziehen auf directem Wege.
Das als Ueberzug dienende Metall wird gewöhnlich in einem Kessel
geschmolzen. Ein richtig gewählter Temperaturgrad ist von Wichtigkeit
für das Gelingen des Processes. Bei zu hoher wie bei zu niedriger
Temperatur haftet das geschmolzene Metall schlecht an dem festen Me-
talle; bei niedriger Temperatur erstarrt es ausserdem zu rasch und bil»
det einen dicken, unschönen Ueberzug.
Verzinnen. 765
Die Oberflfiche des zu übersiehenden Metalls wird auf mechanischem
Wege darch Schaben und Kratzen oder chemisch dnrch Beizen voll-
st&ndig gereinigt. Wie beim Ldthen findet Adhäsion nnr auf einer ganz
reinen Metallflftehe statt Jede Berührung der gereinigten Metallfl&che
mit den Fingern ist deshalb zn vermeid^i; bilden sich bei der häufig
erforderlichen Erwärmung des Arbeitsstücks neae Oxydationsproducte
an der Oberfläche, so müssen chemische Mittel angewendet werden,
welche dieselben verschlacken oder verflüchtigen. Besonders geeignet
hierfür ist der Salmiak, entweder in ooncentrirter Lösung auf die Me-
tallfl&che aufgestrichen, ehe sie in das geschmolzene Bad eingetaucht
wird, oder in Pulverform mit Hilfe eines Wergbüschels an einem Stabe
auf der Metallfläche verrieben; oder in Stückform zum Abreiben des er-
hitzten Arbeitsstücks in dem Augenblicke vor dem Eintauchen.
Beispiele.
Das Verzinnen des Eisens auf directem Wege.
Da das Eisen, sowohl Guss- als schmiedbares Eisen, bekanntlich dem
Rosten sehr leicht unterworfen ist, so ist das Ueberziehen desselben mit
einem andern Metalle ein sehr häufig angewendetes Schutzmittel; und
das am häufigsten als Ueberzug dienende Metall ist das Zinn, welches
unter den leichtschmelzbaren Metallen selbst am wenigsten leicht durch
Einfiüsse der Luft und Feuchtigkeit leidet.
Am leichtesten gelingt die Verzinnung, wenn man statt reinen Zinns
ein etwas bleihaltiges Zinn anwendet. Für Gegenstände jedoch, welche
zum Eüchengebrauch dienen — Kasserolle, Kessel u. s. w. — ist die
Anwendung eines bleihaltigen Zinns verwerfiich, da das Blei leichter als
das Zinn sich löst und giftig wirkt
Oef&sse aus Schwarzblech, Kasserolle und dergleichen, verzinnt man
in folgender Weise. Die Gefi&sse werden in Salzsäure gebeizt, gescheuert,
mit Wasser abgespült, über einem Kohlenfeuer getrocknet, dann an den
SteUen, welche verzinnt werden sollen, mit concentrirter Salmiaklösung
bestrichen, abermals getrocknet und erwärmt Sobald sie trocken und
warm geworden sind, taucht man sie in den neben dem Kohlenfeuer be-
findlichen Kessel mit geschmolzenem Zinn, schwenkt etwas von dem
Zinn rasch in dem Geftsse hin und her und giesst das überflüssige aus.
Das Zinn haftet an allen vorher mit Salmiak bestridienen Stellen. Nun
verreibt man rasch das Zinn mit einer in heisses Fett getauchten Bürste,
um die Zinnschicht vollständig- gleichmässig auszubreiten, läset erkalten
und entfernt schliesslich das Fett durch Abreiben.
Der Zinnüberzug, welcher in dieser Weise hergestellt wurde, ist
ziemlich stark, lässt bisweilen krystallinische Structur erkennen und be-
sitzt dadurch verhältnissmässig wenig Glanz. Für sehr saubere Arbeiten, z. B.
Blechlöffel, hält man deshalb einen zweiten Topf bereit, welcher ganz
766 Verschönerangs- und Erhaltungsarbeiten.
reines Zinn enth<, taucht den Gegenstand abermals ein und giebt ihm
dadurch die äussere YoUendnng«
Man beschränkt sich jedoch nicht auf das Verzinnen fertiger Geftsse,
sondern yendnnt häufig scbon das als Material för die weitere Verarbei-
tung dienende Eisenblech und nennt dasselbe im verzinnten Zustande
Weissblech. Da man beim Weissblech grossen Werth auf vollendetes
Aenssere legt, so ist das Verfahren der Herstellung ziemlich umständlich.
Man wählt zum Verzinnen die dünneren Sorten Eisenblech, welche
besonders zu diesem Behufe in Tafeln von durchschnittlich 400 mm
Länge und 300 mm Breite hergestellt werden. Die Bleche werden zu-
nächst mit yerdfinnter Salzsäure oder Schwefelsäure abgebeizt, in Wasser
abgespült, getrocknet, in einem luftdicht geschlossenen Flammofen oder
auch wohl einem Kessel 12 bis 24 Stunden heller Rothgluth auiq^esetzt
und dann noch einmal kalt zwischen den polirten Stahlwalzen eines
Blechwalzwerks unter starkem Drucke durchgeführt, wodurch sie eine
glatte, glänzende Oberfläche erhalten. Sie werden dann abermals gelinde
geglüht, um ihnen die beim Walzen erhaltene Sprödigkeit zu nehmen
und müssen nun einem zweiten Beizprocesse unterworfen werden zu dem
Zwecke, das durch das Glühen hervorgerufene, als gelbe oder blaue
Anlauffarbe erscheinende Ozydhäutchen zu entfernen. Hierzu dient eine
Flüssigkeit, welche durch Gähren organischer Stoffe in Wasser bereitet
wird, gewöhnlich Kleie. Nachdem die Bleche mehrere Tage in dieser
Beize verweilt haben, bringt man sie noch einmal ganz kurze Zeit in
verdünnte Schwefelsäure, spült sie ab, scheuert sie mit Werg und feinem
Sande vollends blank, um jedes zurückgebliebene Fleckchen zu entfernen
und legt sie bis auf Weiteres zur Aufbewahrung in Kalkwasser.
Wenn die Verzinnung beginnen soll, nimmt man sie heraus und
steckt mehrere hundert Stück mit einem Male in eine gusseiseme Pfanne
mit geschmolzenem Talg, in welchem sie so lange 2ieit verweilän, bis die
letzte Spur von Feuchtigkeit vollständig entfernt ist. Man nennt das
Gef&Mi, welches diesen geschmolzenen Talg enthält, Vortopf. Aus diesem
gelangen sie in eine zweite gusseiseme Pfanne, Zinn topf genannt,
welche geschmolzenes und stark erhitztes Zinn enthält mit einer Decke
von Talg 'um die Luft abzuhalten. In diesem Geisse verweilen sie
IVs bis 2 Stunden und gelangen nun in eine dritte Pfanne mit ganz
reinem, weniger stark als im Zinntopfe erhitztem Zinn, Wasch topf
genannt. Zuvor lässt man jedoch auf einem Schrägen die an den Blechen
noch im flüssigen Zustande anhaftenden Zinntropfen ablaufen, um einer
Verunreinigung des reinen Zinns mit dem weniger reinen thunlichst vor-
zubeugen. Von dem reinem Zinn des Waschtopfs bildet sich nun wäh-
rend des Verweilens im Waschtopfe ein zweiter üeberzug auf dem schon
im Zinntopfe gebildeten ersten üeberzuge. Nimmt das Zinn im Zinn-
topfe ab, so ersetzt man es durch NachftÜlen aus dem Waschtopfe, weil
dieses ohnehin allmälig verunreinigt wird, und setzt reines frisches Zinn
in den Waschtopf ein.
Verzinnen. 767
Die Bleche werden nun einzeln ans dem Waschtopfe heransgenommen,
noch heiss mit einer fettigen Hanf bürste oder Werg in gleichmässigen
Strichen überfahren, wodurch eine gleichmässige Ausbreitung des Zinns
bezweckt wird, abermals durch den Waschtopf gezogen^), wodurch die
beim Abwischen entstandenen Streifen yertilgt werden, und nun in
einen vierten Kessel gestellt, welcher mit stark erhitztem Palmöl oder
einem Gemische aus Palmöl und Talg gefüllt ist und Fetttopf heisst.
Das Fett ist bis auf die Schmelztemperatur des Zinns erhitzt, so dass das
letztere, welches durch das Eintauchen yon der Luft ganz abgeschlossen
ist, noch einmal schmilzt, sich dadurch gleichm&ssig ausbreitet und eine
spiegelblanke Oberfl&che erh<, indem zugleich der Ueberschuss an Zinn
(oft bis zu 60 Proa des gesammten Zinns) abtropft Wie es scheint,
saigert hierbei Torzugsweise bleihaltiges — also in niedrigerer Tempera-
tur schmelzbares — Zinn aus und eine Schicht reinen Zinns bleibt zu-
rück. Die Behandlung in diesem Topfe muss eine sehr yorsichtige sein;
man stellt deshalb immer nur wenige Tafeln gleichzeitig ein und schützt
sie yor gegenseitiger Berührung.
Aus dem Fetttopfe kommen die Bleche nun in die letzte Pfanne,
welche leer ist und zur Abkühlung dient, deshalb auch nicht geheizt
wird und Ealttopf genannt wird, obschon er durch die unmittelbare
Nähe der übrigen Töpfe eine genügende Temperatur erh<, um eine
allzu beschleunigte Abkühlung zu yermeiden. In diesem Oefasse werden
sie yertical aufgestellt, damit das anhaftende Fett ablaufen kann. Aber
auch noch etwas flüssiges Zinn fliesst hierbei nach unten und bildet
dadurch am untern Rande einen Wulst« Tropfkante genannt. Um diesen
zu entfernen, werden die Bleche schliesslich noch einmal mit dem untern
Ende in den Fetttopf oder in ein besonderes, dazu bestimmtes und mit
flüssigem Zinn gefiälltes Cref&ss getaucht, welches in diesem Falle Saum-
topf genannt wird« Der Wulst wird flüssig, man befördert durch Klopfen
das Abfallen und es hinterbleibt nur ein schmaler Streifen -~ der Saum
genannt — durch geringem Glanz gekennzeichnet.
Der Verbrauch an Zinn beträgt 6V9 bis 8 Proc, das fertige Blech
enthält 3 bis 5 Proc. seines Gewichts Zinn.
Schliesslich werden die Bleche durch Abreiben mit Kleie yöUig ge-
reinigt, sortirt und yerpackt.
So einfach diese Manipulationen an und für sich sind, so steigert
sich doch die Schwierigkeit des Gelingens und insbesondere der Herstellung
einer gleichmässigen, glatten Oberfläche mit der Ghrösse derselben. Man
hat für grosse Bleche deshalb mechanische Vorrichtungen in Anwendung,
um das Verzinnen zu erleichtem. Dieselben beruhen auf der Anwendung
eines Walzenpaars, welches die yerzinnten Bleche zu passiren haben, so-
bald sie aus dem Zinntopfe kommen. Entweder liegen beide Walzen
^) Auf einzelnen Werken durch einen folgenden Topf mit ganz reinem
Zinn, wenn eine Yernnreinigong des Zinns im Waschtopfe befürchtet wird.'
768 VerechönerungB- und Erhaltungsarbeiten,
otierhalli des Niveftiu des Zinnbftdea; oder eine derselben ist noeh in dem
flüBÜgen Zinn selbst gelagert, so dass d^s Blech v&hrend dea Änatreteni
ans dem Bade zwischen beiden hindnrohgefolirt wird.
Eine derartige von Girard eingeführte Haachine ist in den Fignrea 564
and 566 abgebildet. AB ist die gnsseiseme Pfanne, welch« das ge-
Fiic. 564.
Verzinnen. 769
Bchmolzene Zinn enthalt nnd von unten durch die Feuerung g geheizt
wird, h sind schmiedeeiserne Führungsstäbe , auf welchen das Blech in
des Bad gelangt, h ist ein kastenartiges gusseisernes Querstück, theils
zu dem Zwecke, eine obere Führung für das Blech zu bilden, theils um
die in dem Theile A sich ansammelnden Unreinigkeiten dort zurück-
zuhalten und vor dem Hinübergehen nach B zu bewahren, cd sind die
Walzen, in zwei mit Stellschrauben versehenen Ständern gelagert und
von den Getrieben / e aus bewegt, l sind Führungsstabe für die aus-
tretenden Bleche. Das Zinn in der Abtheilung A ist mit Chlorzink, in
B mit Talg bedeckt.
Um kleine Gegenstände aus Eisen — Nägel, Angeln, Schnallen und
dergleichen — zu verzinnen, lässt man sie in verdünnter Schwefelsäure
so lange liegen, bis sie völlig blank sind, spült sie dann in Wasser ab,
trocknet sie durch Schütteln mit Holzsägespänen und wirft sie nun in
eine eiserne Pfanne mit geschmolzenem Zinn. Zum Herausnehmen be-
dient man sich einer Art Gabel und schleudert durch einen raschen
Schlag gegen den Stiel derselben die herausgenommenen Gegenstände
so in ein Gefäss mit Wasser, dass sie zerstreut zu liegen kommen und
ein Zusammenlöthen mehrerer Stücke vermieden wird.
Grössere Gegenstände hängt man an einem Drahte in das stark
erhitzte Zinnbad und wirft sie nach dem Eintauchen wie die kleineren
ins Wasser.
Draht wird verzinnt, indem man ihn nach dem Reinigen von Glüh,
span in 8 bis 16 Strähnen durch ein in zwei Abtheilungen getrenntes
Gefass führt, welches in der einen Abtheilung gewöhnliches Zinn, be-
deckt mit Chlorzink, in der andern ganz reines Zinn mit einer Talg-
decke enthält. Als Scheidewand zwischen beiden Abtheilungen dient
zuweilen eine Walze; um das überflüssige Zinn abzustreifen, benutzt
man häufig ein Zieheisen, welches der Draht nach dem Verlassen des
Bades zu passiren hat.
Schwieriger als das Verzinnen von schmiedbarem Eisen ist das Ver-
zinnen von Gusseisen; und um so schwieriger, je grösser der Graphit-
gehalt des Gusseisens ist. Es kommt deshalb im Ganzen wenig zur
Anwendung nnd wird dann in ganz ähnlicher Weise ausgeführt., als das
beschriebene Verzinnen schmiedeeiserner Gefasse.
Verzinnen von Kupfer und Messing.
Dasselbe kommt vorwiegend bei Kochgeschirren in Anwendung,
um durch das schwieriger lösbare Zinn einen Schutz für das Gefass
gegen das Auflösen und für die Speisen gegen Vergiftung zu bilden.
Da Kupfer und Zinn sich leicht legiren, ist das Verfahren leichter aus-
führbar als die Verzinnung des Eisens. Die Gefasse werden mit ver-
dünnter Schwefelsäure gebeizt, getrocknet, erhitzt; das geschmolzene
L e d e b n r , laechaniBch-metaUargisohe Technologie. 49
770 Verschonemngs- und ErlialtiuigBarbciten.
Zinn wird mit etwas Salmiiik hineiagegoflaen « mit miiem Böwhel Werg
▼errieben und dann daa UeberflQaiige dnrdi Avagienen entfernt.
Dag Yärzinken des Eisens
hat TOT dem Verzinnen den Vorsog der grossem Billigkeit des als
Ueberzog dienenden MetaUs; nnd wenn, wie in den meisten Fallen , ein
Hosten des Eisens durch den Ueberzug Terhütet werden soll , so kommt
der Umstand in Betracht, dass ein mit Zink ftberzogenes Eisenstück
negativ elektrisch wird, während das Zink den positiven Pol der Kette
bildet, bei der Zerlegung von Wasser der Sauerstoff desselben also an das
Zink geht nnd das Eisen unbeeinflnsst bleibt. In Racksicht auf diese
Thatsache hat man dem verzinkten Eisen im Handel den — allerdings
ziemlich unglücklich gewählten — Namen galvanisirtes Eisen ge-
geben.
Die Ausführung des Verzinkens ist ganz ähnlich als beim Verzinnen.
Man beizt die Gegenstände, putzt sie durch Scheuem oder Eratzen von
noch anhaftendem Oxyde, taucht sie in Ealkwasser, trocknet und er-
wärmt sie und bringt sie in das Zinkbad. Stellen, wo das Zink nicht
haften will« werden mit einem Stücke Salmiak gerieben und dann rasch
wieder eingetaucht.
Für das Verzinken von Blechtafeln benutzt man ein gleiches Walz-
werk wie für das Verzinnen, dessen Walzen sich im geschmolzenen Zink
drehen *).
b. Das Ueberziehen auf nassem Wege.
Wenn man ein Metall in die Lösung eines Salzes eines andern Metalles
einhängt, so findet in manchen Fällen ohne Weiteres eine Metallauaschei-
dung anf der Oberfläche des eingebrachten Metalls statt, indem sich
eine äquivalente Menge des letztem löst und an die Stelle des aus-
geschiedenen Metalls tritt. So scheidet Eisen aus einer neutralen oder
schwaofasauren Lösung von Kupfervitriol sofort Kupfer ans, welches als
roiher Ueberzug das Arbeitsstück bedeckt; Zink in Platinohloridlösung
erhält einen tiefschwarzen Ueberzug von ausgeschiedenem Platin u. s. f.
Wenn die Lösung des Metallsalzes stark concentrirt war, so pflegt das
Metall sich pulverig oder körnig auszuscheiden und an der Oberfläche
des eingetauchten Arbeitsstücks wenig oder gar nicht zu haften ; ans
verdünnten Lösungen erfolgt die Ausscheidung zwar langsamer, aber
gleichartiger nnd besser haftend.
Derartige Ausscheidungen, durch einfache chemische Substitutionen
hervorgerufen, sind jedoch nur auf gewisse Fälle beschränkt, haben den
') Verzinkte Bleche flnden als Bachbedeckungsmaterial Anwendang. Pa«
brik: Jacob Hilgera in RheinbTohl.
Ueberziehen auf nassem Wege. 771
Nachthei], daes die LösuDg mehr und mehr durch Aufnahme des frem-
den Metalls vernnreinigt wird tind dass ein anf diesem Wege erzeugter
Ueberzug, wenn er haften soll, nur äusserst dünn ausfallen kann und
bei der Benutzung des betreffenden Gegenstands rasch wieder ver-
schwindet. Daher findet dieses Verfahren nur beschränkte Anwendung
für solche Gegenstände, die einer Abnutzung beim Gebrauche nicht
unterworfen sind, Schaustücke und dergleichen.
Weit zahlreicher sind die Fälle, wo man den galvanischen Strom
benutzt, um Metallsalze zu zerlegen und Metall aus den Lösungen auf
der Oberfläche des zu überziehenden Gegenstandes niederzuschlagen.
Letzterer dient hierbei als Kathode für den galvanischen Strom, während
man ein Metallblech als Anode in die Losung einhängt. Dieses galva-
nische Verfahren hat mancherlei Vorzüge vor der einfachen Zersetzung
durch Substitution. Ein Vortheil liegt in der grösseren Mannigfaltig-
keit der auf diese Weise zu erzeugenden Ueberzüge, sowie in dem festern
Haften und der grossem erreichbaren Stärke derselben. Zweitens ist
man im Stande , solche Lösungen anzuwenden , welche auf die Kathode
ohne chemische Einwirkung bleiben, bei denen also die erwähnte Ver-
unreinigung des Bades ganz ausgeschlossen ist und das Material des
Arbeitsstückes auch bei beliebig langer Zeitdauer des Processes, abhän-
gig von der Stärke des herzustellenden Ueberzugs, vollständig unbeein-
flusst bleibt. Ausserdem hat man die Möglichkeit, wenn man als Anode
ein eben solches Metall benutzt, als aus der Lösung abgeschieden wer-
den soll, lange Zeit die Lösung annähernd in constanter Zusammensetzung
zu erhalten« da von der Anode unter Einwirkung des galvanischen Stro-
mes frisches Metall in Lösung geht, sobald das gelöste niedergeschlagen
wird. Es muss freilich hierbei bemerkt werden, dass diese Auflösung
der Anode doch auch durch andere Vorgänge mit beeinflusst wird und
man gewöhnlich in der Praxis genöthigt ist, von Zeit zu Zeit den Metall-
gehalt der Lösung durch Zusatz Mschen Metallsalzes wieder anzureichern.
Bei Anwendung des galvanischen Stromes ist man femer im Stande, die
Stromstärke genau zu regeln, welche erfahrungsmässig auf die Gleich-
mässigkeit und das feste Anhaften des Ueberzuges von Einfluss ist* In
den meisten Fällen liefert ein schwächerer Strom, obschon derselbe zur
Bildung eines Ueberzuges längere Zeit gebraucht, doch gleichmässigere
und dauerhaftere Ueberzüge als ein stärkerer. Endlich ist noch zu er-
wähnen, dass man mit Hülfe ^es galvanischen Stromes nicht allein im
Stande ist, einfache Metalle, sondern selbst Legirungen aus ihren Lösun-
gen als solche abzuscheiden und auf einer Metallfläche niederzuschlagen
— Messing, Bronze etc. -— und es ist interessant und für die Anwen-
dung des Verfahrens nicht unwichtig, dass man durch Regelung der
Stromstärke aus derselben Lösung quantitativ verschieden zusammen-
gesetzte, also verschieden ge&rbte, Ueberzüge erhält. Aus Messing*
oder Bronzelösungen scheidet ein schwächerer Strom kupferreichere,
49*
772 Verschonenings- und EriialtongBarbeiteiL
dunklere, ein it&rkerer Strom sink- oder sinnreichere, heller gefärbte
Niederschläge ans n. s. w.
Damit das Arbeitsstück Ton der Ldenng nicht angegriffen werde
(wodurch zugleich ein festes Haften des hergestellten üeberzuges er-
schwert werden würde), darf die letztere nicht sauer sein, sondern muss
alkalische oder neutrale Reaction besitzen. Das chemische Verhalten
des für den Ueberzug bestimmten Metalls muss entscheiden, welche Ver-
bindungen desselben und welches Lösungsmittel das geeignetste sei.
Manche Metallozyde losen sich in yerdCLnnter Kalilauge und lassen sich
durch den galvanischen Strom aus derselben abscheiden (Zinn, Gold);
bei anderen bildet Ammoniakflüssigkeit mit Chlorammonium ein geeigne-
tes Lösungsmittel (Zink), bisweilen versetzt mit organischen Verbindun-
gen (weinsauren, citronensauren und anderen Salzen), welche die Aus-
scheidung befördern sollen (Nickel); wieder andere eignen sich nur als
Cyansalze zur Bildung von Ueberzügen, wobei als Lösungsmittel für die-
selben entweder Cyankaliumlösung (beim Silber) oder in Anbetracht des
hohen Preises des Cjankaliums eine Lösung von unterschwefligsaurem
Natrium (beim Kupfer) benutzt wird.
Als Behälter für die Lösungen benutzt man, wenn ihre Menge klein
ist und die Verarbeitung in der Kälte vor sich geht, irdene Geschirre
für grössere Mengen hölzerne Bottiche, aus Eichenholz gefertigt nnd
mit eisernen Bänden versehen; muss eine Erwärmung der Lösung statt-
finden, eiserne emaillirte Geschirre. Quer über das betreffende Gefass
legt man einen Kupferstab (der bei metallenen Gefässen gut isolirt wer-
den muss), dessen eines Ende durch einen Kupferdraht mit dem negati-
ven Pole der galvanischen Säule in Verbindung gesetzt wird. Dieser
Kupferstab ermöglicht es, eine grössere Anzahl von Gegenständen gleich-
zeitig in die Lösung einzuhängen, indem man jeden derselben mit einem
Stück Kupferdraht umwickelt und mit diesem an dem Stabe aufhängt.
Die als Anoden dienenden Bleche werden an den Seiten des GefiLsses
den Arbeitsstücken gegenüber gleichfalls an einem Kupferdrahte auf-
gehängt und durch denselben mit dem positiven Pole verbunden.
Die erforderliche Stromstärke ist von der Grösse der Oberflftche
und der Leitungsfähigkeit des Arbeitsstücks abhängig. Für sehr kleine
Gegenstände kann man ein thermoelektrisohes oder Danieirsches
Element benutzen; für grössere pflegt man Bunsen'sche anzuwenden.
Ein einziges Bunsen'sches Element genügt zum gleichzeitigen Ueber-
ziehen zahlreicher kleinerer Arbeitsstücke (Schmuckwaaren, Löffel und
dergleichen); nur für sehr grosse Arbeitsstücke verbindet man mehrere
Elemente zu einer Batterie. Um bei Anwendung Bunsen^soher £le-
mente die Belästigung der Arbeiter durch die sich entwickelnden Sanre-
dämpfe zu vermeiden, empfiehlt es sich, sie in einem getrennten Locale
aufzustellen und den Strom durch isolirte Kupferdrähte in das Arbeita-
iooal au leiten.
GalyaniBche Ueberzüge. 773
Die gröBBte Sorgfalt bei der Bereitung der LöBongen, Auswahl sol-
cher Chemikalien, die nicht durch andere Stoffe yerunreinigt sind, und
eine peinliche Sauberkeit bei allen während des Ueberziehens vorkom-
menden Arbeiten ist eine Hauptbedingung für ein gutes Gelingen. Zu-
nächst muBS man Sorge tragen, dass die zu überziehende Metallfläche
Yollständig metallisch rein sei. Sie wird durch Beizen, Scheuern,
Kratzen gereinigt, jede Berührung mit den Fingern dabei thunlichst
vermieden, und in ganz derselben Weise behandelt, als es oben bereits
beschrieben wurde. Nach dem Beizen spült man die Gegenstände in
Wasser ab und kann sie ohne Weiteres in die Lösung einhängen, oder,
wenn dieses nicht thunlich ist, einstweilen in Kalkwasser aufbewahren.
Auch während die Gegenstände in der Lösung hängen, pflegt eine
öftere Bearbeitung der Oberfläche erforderlich zu werden. Dieselbe hat
theils den Zweck, mechanisch abgelagerte fremde Stoffe zu entfernen,
hauptsächlich aber auch, ein Festdrücken der krystallinisch ausgeschiede-
nen Metallblättchen zu bewirken und dadurch einen gleichmässigern,
glattem und zugleich dichtem Ueberzug hervorzubringen. Man be-
nutzt hierzu die schon erwähnten Kratzbürsten aus Stahl- oder Messing-
draht, oder bei sehr zarten Gegenständen gewöhnliche Zahnbürsten. Hat
der Ueberzug die gewünschte Stärke erreicht — was nach Umständen
in wenigen Minuten oder nach Verlauf vieler Stunden der Fall sein
kann — , so spült man den Gegenstand in Wasser ab, bürstet sorgfaltig
die Oberfläche, trocknet in Sägespänen und entfernt schliesslich den
letzen Rest der Feuchtigkeit durch Erwärmen im vorher geheizten
Trockenschranke.
Beispiele.
Verkupfern, Vermessingen, Bronziren.
Das einfachste schon erwähnte Verfahren zum Verkupfern von Eisen
ist das Elintauchen desselben ohne galvanischen Strom in die Lösung
eines Kupfersalzes, wobei sich dasselbe sofort roth überzieht. Gewöhn-
lich benutzt man eine Lösung von Kupfervitriol. Der Ueberzug wird
haftbarer, wenn die Lösung nicht neutral, sondern schwach sauer ist.
Man kann in 11 Wasser 2 g Kupfervitriol lösen und einige Tropfen
Schwefelsäure hinzufügen. Das Arbeitsstück wird in die Kupferlösung
einige Minuten eingehängt, gekratzt, abgespült, dann, wenn der Ueber-
zug stärker werden soll, ein zweites und drittes Mal eingehängt, schliess-
lich mit reinem Wasser, dann mit Kalkwasser abgespült, um alle noch
vorhandene Säure zu neutralisiren, und getrocknet.
Diese Methode ist nur im Stande, schwache, wenig dauerhafte Ueber-
züge zu liefern. Bisweilen benutzt man eine solche Verkupferang als
VorbereitungsprocesB für das Ueberziehen des Eisens mit anderen Me-
tallen, welche sich leichter auf dem Kupferüberzuge als auf der Eisen-
fläche absetzen*
774 Verschönerungs- und Erhaltungsarbeiten.
Weit dauerhaftere Knpferniederschläge sowohl auf Eisen als Zink
und anderen Metallen erhält mau aus alkalischen Lösungen mit Hülfe
des galvanischen Stromes. Am besten hierfür eignet sich Cyanknpfer
in Cyankalium oder unterschwefligsanrem Natrium gelöst. Eine der-
artige Lösung erhält man z. B., wenn man 1 Thl. Kupferacetat mit
1 Thl. Soda behandelt, welche in Wasser gelöst ist, dann die so erhaltene
Masse, nachdem das Aufbrausen aufgehört hat und sie gut durchgerührt
ist, in eine Lösung von 3 Thln. Cyankalium in so viel Wasser einträgt,
dass die Menge der ganzen Flüssigkeit incl. des zum Lösen der Soda
benutzten 60 Gewichtstheile Wasser enthält
Will man statt des Kupfern iederschlags einen Messingüberzug her-
stellen , so ist nur ein Zusatz von etwas Cyanzink zu der beschriebenen
Lösung erforderlich; z. B. auf 1 1 Wasper 16g Kupferacetat, 2,5g Zink-
vitriol, 18 g l^atriumcarbonat; der Niederschlag durch Zusatz von circa
^^ g Cyankalium gelöst. Wie schon erwähnt, kann man mit einer sol-
chen Lösung gelbe und röthliche Niederschläge erhalten, je nachdem
man einen stärkern oder schwächern Strom anwendet.
Bronzelösung wird durch Zusatz einer geringen Menge Zinnlösnng
zu der Kupferlösung erhalten. Die grossen Brüstungsgitter auf den Zu-
Schauertribünen der Berliner Börse, in Ilsenburg aus Gusseisen gefertigt,
wurden in einer Lösung von folgender Zusammensetzung galvanisch
bronzirt: 40 Thle. Kupferacetat und 40 Thle, Soda mit Wasser bis zur
Zersetzung behandelt; hierzu kamen 40 Thle. unterschwefligsaures Na-
trium , 60 Thle. Cyannatrium ^) und im Ganzen 2500 Thle. Wasser ;
schliesslich ein Zusatz von Y4 Thl. Zinnsalz (Zinnohlorür) mit 2 Thln.
Aetzkali in Wasser gelöst. Jedes der Gitter wog 500 kg, und es war
zur Erzeugung des galvanischen Stromes eine Batterie von sechs bis
zehn Bunsen' sehen Elementen erforderlich. Die Zeitdauer der Einwir-
kung war circa drei Stunden, während welcher Zeit das Gitter mehrmals
herausgenommen und mit Messingdrahtbürsten bearbeitet wurde.
Verzinnen.
Dasselbe findet bisweilen Anwendung, um eisernen oder messingenen
Gegenständen einen silberartigen Ueberzug zu geben, bildet aber nicht
in dem Maasse, als die Verzinnung auf directem Wege einen Schatz
gegen äussere Einflüsse. Man hat verschiedene Methoden zum Verzin-
nen auf nassem Wege. Stecknadeln aus Messingdraht und andere kleine
Messinggegenstände werden in einer auf Siedhitze erwärmten Lösung
^) Cyannatrium 80II schönere Ueberzüge als Cyankalium hervorrufen; die
Bichtigkeit dieser Angabe möge dahin gestellt bleiben. Man hat thatsächlich
auch mit Cyankalium schöne Bronzirungen dargestellt, doch ist bei dem
grossem Atomgewichte des Kalinms auch ein grösserer Zusatz desselben er-
forderlich.
Galvanische Ueberzüge. 775
ohne galyaniBchen Strom verzinnt, welche in 80 Thhi. Wasser 1 Thl.
Weinstein and 3 Thle. feingekörntes Zinn (durch Verreiben geschmolze-
nen Zinns in einer Schale mit einer Mörserkeule bis zor Erstarrung
dargestellt) enthalt. Die Zeitdauer der Einwirkung ist iVs bis 2 Stun-
den (WeisBsieden).
Für Benutzung des galvanischen Stromes bereitet man sich eine
Lösung durch Auflösen von Zinnsalz in überschüssiger Kalilauge, z. B.
1 Thl. Zinnsalz (Zinnchlorür), 5 Thle. Aetzkali, 44 Thle. Wasser.
Man hat vorgeschlagen, den auf nassem Wege erhaltenen Zinnüber-
zug auf Eisen durch Erwärmen des Gegenstandes auf die Schmelztempe-
ratur des Zinns zum Schmelzen zu bringen und dadurch ebenso wider-
standsfähig zu machen, als ein auf directem Wege erhaltener Ueberzug.
Versuche, welche Verfasser in dieser Richtung anstellte, Gusseisen vor
Rost zu schützen, haben den gewünschten Erfolg nicht gehabt.
Vernickeln.
Theils die eigenthümliche Farbe des Nickels, theils die Widerstands-
föhigkeit desselben gegen chemische Einflüsse hat in neuerer Zeit viel-
fach Veranlassung gegeben, ornamentale und andere Gegenstände aus
Eisen und Messing auf galvanischem Wege zu vernickeln. Man behaup-
tet, das Eisen durch einen Nickelüberzug gegen das Rosten zu schützen;
nach den Erfahrungen des Verfassers muss wenigstens bei Gusseisen,
welches den Witterungseinflüssen ausgesetzt ist, dieser Erfolg bezweifelt
werden; oder der Ueberzug müsste in einer Stärke hergestellt werden,
dass bei dem hohen Preise des Nickels (vergL S. 32) das Verfahren kaum
als praktisch brauchbar erscheinen könnte. Vor einer Versilberung be-
sitzt dagegen die Vernickelung den Vorzug, dass sie nicht so leicht als
jene in sohwefelwasserstofifhaltiger Luft geschwärzt wird.
Die Ausführung der Vernickelung ist nicht schwierig. Man löst
ein käufliches Nickelammoniumsalz — gewöhnlich schwefelsaures Nickel-
ammonium — in 18 bis 20 Theilen Wasser und erwärmt bei der Be-
nutzung auf 50 bis 60 Grad. Ein Zusatz von weinsaurem, citronen-
saurem, essigsaurem Ammonium oder auch Chlorammonium soll die
Vernickelung befördern; z. B. 1 1 Wasser, 50 g schwefelsaures Nickel-
ammonium, 26 g schwefelsaures Ammonium, 5 g Citronensäure. Man
kocht V« Stunde, setzt dann kohlensaures Ammonium bis zur neutralen
Reaction hinzu und flltrirt. Das Nickelbad darf eher schwach alkalisch
als sauer reagiren; stark alkalische Reaction ist ebenfalls nachtheilig.
Versilbern.
Man benutzt eine Lösung von Gyamnlber in Cyankalium. In 1 1 Wasser
löst man circa 15 g krystallisirtes salpetersaures Silber und so viel Cyan-
kalium, bis der anfänglich entstehende Niederschlag wieder gelöst ist. Ans
776 Verschönerungs- und Erhaltungsarbeiten.
verdünnten Lösangen erhält man glänzende, ans ooncentrirten matte
Ueberzüge.
Eisenwaaren pflegt man vor der Versilberung zu verkopfern.
Zu einer oberflächlichen Versilberung von Messinggegenständen
(physikalischen Instrumenten, Zifferblättern u. a.) kann man eine Losung
You Chlorsilber mit 4 Thln. Kochsalz und 4 Thln. Weinstein in Wasser
benutzen, in welcher die betreffenden Gegenstände gekocht werden.
Soll der Silberüberzug eine antike Färbung erhalten (sogenanntes
oxydirtes Silber), so taucht man den Gegenstand nach der Versilberung
in eine verdünnte, mit etwas Ammoniak versetzte Lösung von Schwefel-
leber oder auch von Schwefelammonium, wodurch ein Ueberzug von
Schwefelsilber entsteht.
Vergolden.
Eine zur galvanischen Vergoldung geeignete Lösung kann folgen-
dermaassen hergestellt werden: 12 Thle. Goldchlorid in 1000 Thln.
Wasser gelöst, dann allmälig 9 Thle. Aetzkali zugesetzt, bis der anfäng-
lich entstehende Niederschlag sich wieder zu lösen beginnt, schliesslich
Gyankalium bis zur klaren Lösung hinzugefügt. Man erhitzt zweck-
mässig diese Vergoldungsflüssigkeit bei der jedesmaligen Anwendung
bis zum beginnenden Sieden und erhält damit ausserordentlich schöne
Niederschläge auf Kupfer, Tomback, Bronze, Eisen, Zink etc.
Auch aus einer neutralen Goldchloridlösung schlägt sich ohne An-
wendung des galvanischen Stroms Gold auf Eisen u. s. w. nieder , haftet
aber schlecht und wird bald abgerieben. Man benutzt dieses Verhalten
des Goldchlorids zur oberflächlichen Vergoldung von Stricknadeln, Stahl-
federn, Scheeren und dergleichen; und zwar löst man zu diesem Zwecke
das Goldsalz gewöhnlich in Schwefeläther und bestreicht mit dieser
Lösung den zu vergoldenden Gegenstand.
c. Ueberziehen durch Amalgamation.
Wie schon erwähnt wurde, wird das Amalgamations verfahren nur
für Vergoldung und Versilberung angewendet, und man nennt dasselbe
im gewöhnlichen Leben „Feuervergoldung" beziehentlich „Feuerversil-
berung".
Zur Vergoldung benutzt man möglichst reines Gold, wenn man eine
rein gelbe Vergoldung erzielen will. Mit Silber legirtes Gold giebt eine
grüne, mit Kupfer legirtes eine röthliche Vergoldung und amalgamirt
sich schwerer mit dem Quecksilber.
Um das Amalgam zu erzeugen, wird das Gold in feine Stäbchen
zerschnitten, in einem Tiegel bis zum schwachen Rothglühen erhitzt,
dann das achtfache Gewicht reinen Quecksilbers darüber gegeben, noch
einige Minuten unter Umrühren erwärmt und dann in eine Sehale mit
Feuervergoldung. 777
Wasser aUBgegoBsen, um eine schnelle Abkühlung zu bewirken und
Krystallisation zu verhindern, durch welche Kömer entstehen würden.
Das erkaltete Amalgam wird nun gedrückt und geknetet, um das
im Uebermaasse vorhandene Quecksilber zu entfernen, bis es eine teig-
artige ConsUtenz annimmt und an den Wänden der Schale kleben
bleibt.
Der zu vergoldende Gegenstand wird zuerst erhitzt , dann gebeizt
und abgetrocknet. Auf einer durch das Beizen matt gewordenen Ober-
fläche haftet das Gold besser als auf einer glatten. Das Amalgam wird
mit einer Messingbürste aufgetragen, welche zuvor iu eine verdünnte Auf-
lösung von salpetersaurem Quecksilber, Quickwasser genannt, getaucht
wird. • Der Gegenstand wird dann abgespült, getrocknet und endlich auf
eine Temperatur erhitzt, bei welcher das Quecksilber sich verflüchtigt.
Man nennt diese zum Zwecke der Quecksilberverflüchtignng vorgenom-
mene Erhitzung „Abrauohen*' und bedient sich dazu eines Ofens von
Eisenblech mit Holzkohlen gefüllt, über welche das Arbeitsstück auf
einen Rost gelegt wird.
Soll die Vergoldung stärker ausfallen, so wiederholt man das Ver-
fahren zwei bis drei Male und nennt die Arbeiten demnach zweifach,
dreifach in Feuer vergoldet. Der vergoldete Gegenstand wird, wenn er
Glanz erhalten soll, mit einem Blutsteine polirt, wenn er matt bleiben
soll, so wird er dem „Mattiren^ untei*worfen und zu diesem Zwecke mit
einem Gemenge von Salpeter, Kochsalz und Alaun mit etwas Wasser,
welches in Breiform auf die vergoldeten Gegenstände aufgetragen wird,
erhitzt.
Bei der Fenerversilberung verfahrt man in ganz analoger Weise
als bei der Vergoldung.
B. Das XJebersiehen mit zusammengeBetzten Körpern.
a. Durch Oxydation.
Da das Oxyd eines Metalls häufiger widerstandsfähiger gegen che-
mische Einflüsse ist als das Metall selbst, so ist der Fall nicht selten,
dass man die Oberfläche eines MetaUgegenstandes auf künstlichem Wege
oxydirt und dadurch einen Schutz gegen Zerstörung hervorrufb. Eisen,
den Witterungseinflüssen mit blanker Oberfläche ausgesetzt, überzieht
sich bekanntlich sehr bald mit einer Rostsohicht, aus Eisenhydroxyd
(Eisenoxydhydrat) bestehend, welche nicht allein dem Gegenstande ein
unschöneB Aeussere giebt, sondern auch durch Fortpflanzung nach innen
eine allmälig fortschreitende Zerstörung desselben bewirkt. Dagegen
ist die als Eisenoxyduloxyd bekannte Sauerstoffverbindung des Eisens
vollständig widerstandsfähig gegen die Einflüsse der Atmosphärilien
und besitzt dabei eine nicht unangenehme blauschwarze , mattglänzende
Farbe; gelingt es also, das Eisen mit einem fest haltenden Ueberznge
778 Verschönerungs- und Erhaltungsarbeiten.
dieser Yerbindong za versehen, so ist es dadurch hinlänglich gegen das
Rosten geschützt.
Nicht immer sind es reine Oxyde, welche zn diesem Zwecke ab-
sichtlich gebildet werden; bisweilen bestehen die Ueberzüge ans kofalen-
sanren, essigsauren oder anderen Verbindungen , sobald diese die Be-
dingungen: Widerstandsfähigkeit und Festhaften an der Oberfläche
erfällen.
In manchen Fällen sucht man durch Oxydation weniger einen Schatz
als eine Yerschonerung desAeussem hervorzubringen; insbesondere dann«
wenn Kunstgegenstände nach antiken Mustern vorliegen, und die durch
die Zeit hervorgerufene Färbung der letzteren nachgeahmt werden soll;
hierher gehört das schon erwähnte sogenannte oxydirte Silber (S. 776),
die Patina auf Bronzewaaren u. a. m. Natürlich können zar Herstellung
solcher lediglich als Verschönerung dienenden Ueberzüge ebensowohl
Gegenstände benutzt werden, welche aus dem betreffenden Metalle selbst
g^ertigt waren (Silber- und Bronzewaaren), als auch solche, die, aus
anderen Metallen bestehend, nur einen Ueberzug des betreffenden werth-
volleren Metalls auf galvanischem oder anderm Wege erhalten hatten.
Beispiele.
Oxydation des Eisens (Brüniren).
Es giebt eine grosse Anzahl Vorschriften, das Eisen durch oxydische,
auf nassem Wege gebildete Ueberzüge vor Roeft zu schützen , ohne dass
jedoch irgend eine derselben eine allgemeine Anwendung gefanden hätte.
Fast stets ist es erforderlich, über den gebildeten Ueberzug einen zwei-
ten Ueberzug von Wachs zu geben, und erst dieser bildet den eigent-
lichen Schatz, während jene chemischen Mittel vorwiegend eine dunkele
Färbang hervorrufen sollen. HäuBg benutzt man Metalllösangen, welche
zugleich durch Substitution ein dunkel färbendes Metall auf der Eisen-
fläche niederschlagen: salpetersaures Silber, Ghlorantimon u. A. Näheres
hierüber in Karmarsch-H artig: Mech. Technologie, 5. Aufl., S. 475.
Einen wirksamem Schutz bildet das schon oben erw&hnte Oxyduloxyd,
durch Erhitzung des Eisens hervorgerufen; die Seltenheit der Anwen-
dung dieses Verfahrens liegt in dem Umstände, dass es schwierig ist,
einen durchaus gleichmässigen und vor allen Dingen haltbaren derartigen
Ueberzug hervorzubringen. Man hat zwei Methoden hierfür. Die eine
wird ausschliesslich bei Herstellung von Eisenblechen — sogenannten
Glanzblechen — angewendet. Man bürstet hierbei die für die Anferti-
gung bestimmten, noch stärkeren Bleche mit Wasser (um Rost zu bilden)«
bestreut sie mit Holzkohlenstaub, erhitzt sie zur Rothgluth, wobei meh-
rere Tafeln auf einander liegen, und walzt sie aus. Dann wird dasselbe
Verfahren wiederholt. Schliesslich legt man 70 bis 100 solche Tafeln
auf einander, verbindet sie durch umgelegte Ausschussbleche zu einem
Ganzen, erhitzt sie mehrere Stunden lang, und bearbeitet sie gemeinsam
Oxydation. 779
unter einem Hammer mit glatter Bahn oder unter polirten Walzen;
dieses Glühen und Hämmern wird mehrmals wiederholt^).
Ein anderes von Bar ff in London vorgeschlagenes Verfahren beruht
auf der Zersetzung des Wassers durch glühendes Eisen. Das Eisen wird
mehrere Stunden lang bei einer Temperatur von 650 Grad der Einwir-
kung von Wasserdämpfen ausgesetzt und erhält dadurch eine Oxydations-
schicht, welche selbst den Angriffen der Feile widersteht.
Oxydation des Kupfers und der Bronze.
Dieses gewöhnlich unter dem Namen Bronziren des Kupfers be-
kannte Verfahren hat den Zweck , ihm jene braune , antike Färbung zu
geben, welcher wir häufig an Medaillen, Theemaschinen und anderen
für Schmuck oder häusliche Verwendung dienenden Kupfergeräthen be-
gegnen. Es giebt zahlreiche Methoden hierfür.
Wenn man die vorher blank geschliffene oder gebeizte Oberfläche
eines kupfernen Gegenstandes mit einem Brei aus Kolkothar (Eisenoxyd)
und Wasser überzieht, trocknen lässt und zum Glühen erhitzt, so bildet
sich eine dünne, festhaftende Lage von Kupferoxydul mit rothbrauner
Farbe. Man lässt erkalten, entfernt den aufgetragenen Ueberschuss und
wischt den Gegenstand rein ab.
Kupferne Medaillen können in folgender Weise bronzirt, d. h. mit
jenem braunen, aus Kupferoxydul bestehenden Ueberzuge versehen wer-
den. Man bringt 35 g reinen krystaUisirten Grünspan und 17,5 g Sal-
miak gleichzeitig in 7,2 1 kochendes Wasser. Die Flüssigkeit wird durch
Kochen auf 1,41 eingedampft und vermittelst eines hölzernen Spatels
fleissig abgeschäumt. Nun werden 490 g Weinessig, welcher völlig frei
von Schwefelsäure oder Salzsäure sein muss, zugesetzt, abermals fünf
Minuten gekocht und dann der gebildete Niederschlag abfiltrirt. Nach-
dem derselbe mit heissem Wasser ausgewaschen worden ist, wird das
Filtrat auf das Volumen von 5,7 1 gebracht und in dieser Verdünnung
zum Bronziren benutzt. Die sorgHÜtig gereinigten und inzwischen in
Weingeist gelegten Medaillen gelangen, ohne getrocknet zu werden, zur
Bronzirung. Zu diesem Zwecke bringt man die in der angegebenen
Weise bereitete ganz klare Lösung in einer kupfernen P£anne zum
Kochen, entfernt den sich etwa bildenden Schaum und taucht 10 bis
15 Stück Medaillen mit Hülfe eines kupfernen Drahtsiebes unter fort-
währendem Schwenken so lange ein, bis sie die gewünschte Färbung
erhalten haben. Hierauf werden sie erst in warmem, dann in kaltem
Wasser abgespült, mit weicher Leinwand undBehleder abgetrocknet und
auf eine massig erhitzte Eisenplatte gelegt, wobei der Farbenton etwas
^) Wedding, Darstellung des schmiedbaren Eisens, S. 855; Fercy, Ma-
nufactore of Rassian sheet Iren, London 1871; Tnnner, Russlauds Montan-
industrie, Leipzig 1871, 8. 142.
760 VerBchönerungs- und Erhaltongsarbeiten.
nachdankelt. Nach zwei- bis dreimaliger Benatzung iit die Flüssigkeit
erschöpft ^).
Gegossene Bronzegegenstände kann man braun färben, indem man
sie mit einer Lösung von 4 Thln. Salmiak und 1 ThL Kleesalz in 210
Theilen Essig mit einer weichen Bürste so lange reibt, bis das Metall
ganz trocken geworden ist.
Auch ein Ueberzug von Schwefelkupfer wird benutzt, den Kupfer-
waaren ein antikes Aussehen zu geben. Derselbe lässt sich leicht herror-
bringen, wenn man die Gegenstande in einem geschlossenen Schwefel-
wasserstoff haltigen Baume auüstellt, oder durch Eintauchen in Schwefel-
leberlösung.
Patina.
Dieses schöne hellgrüne Product der Einflüsse von Jahrhunderten
aufBronzewaaren wird vielfach künstlich nachgeahmt, obschon es äusserst
schwierig ist, einen das Auge des Kenners täuschenden Patinaüberzng
auf chemischem Wege zu erzeugen. Man wendet zur Herstellung Säu-
ren an, welche grüne Kupfersalze bilden; z. B. eine stark verdünnte
Lösung von salpetersaurem Kupfer, mit sehr wenig Kochsalz versetzt,
wird durch Betupfen mit einem Pinsel auf den Gegenstand aufgetragen ;
dieser alsdann abgebürstet und mit einer Lösung von 2 Thln. Kleesalz,
9 Thln. Salmiak, 190 Thln. Essig ebenfalls betupft und abgebürstet.
Dieses Verfahren wird etwa acht Tage hinter einander mehrmals wiederholte
Irisiren.
Man versteht unter diesem Ausdrucke die Bildung eines dünnen
Ueberzuges, aus oxydirtem Blei, Eisen oder Kupfer bestehend, von regen-
bogenartiger Färbung auf irgend einer Metallfläche, und nennt diese
Metallfi&rbung auch Galvanoohromie oder Metallochromie. Gewöhnlich
benutzt man für dieselbe vergoldete Waaren aus Eisen, Messing oder
anderen Metallen. Man hängt den vergoldeten Gegenstand in eine po-
röse Thonzelle, welche eine verdünnte alkalische Bleilösung enthält, und
setzt diese Thonzelle in ein Glas mit ganz verdünnter Salpetersäure.
In letztere taucht man ein Platinblech, welches mit dem negativen Pole
einer schwachen Batterie in Verbindung steht. Der positive Pol endigt
in einem Platindrahte, welchen man dem in die bleihaltige Lösung ein-
gehängten Gegenstande nähert, ohne ihn zu berühren. Es lagert sich
eine dünne Schicht von Bleisuperozyd ab, welche die RegenbogenBftrben
erzeugt. Statt der Bleilösung kann man eine Lösung von Elisenoxydnl-
ammoniak benutzen, aus welcher oxydirtes Eisen abgelagert wird.
>) Ding] er. PolytechmacheB Journal, Bd. 224, S. 313 (Priwoznik).
Anstreichen, Firnissen. 781
b. Durch Anstreichen, FirniBsen, Lackiren, Bekleben,
Asphaltiren.
Hierher gehören eine grössere Anzahl von Arbeiten, welche sämmt-
lieh den Zweck haben, einen Schutz für den Metallgegenstand gegen die
Einwirkung der Luft und Feuchtigkeit hervorzurufen, daneben aber
selbstverständlich in solcher Weise ausgeführt werden sollten, dass der
vollendete Gegenstand ein dem Auge möglichst wohlgefälliges Aeussere
erhalt. Bei der Mannigfaltigkeit der hierher gehörigen Mittel, ihrer
Farben, ihres Glanzes u. s. w. ist in letzterer Hinsicht dem Geschmacke
des Verfertigers ein weiter Spielraum gegeben ; leider jedoch findet man
noch häufig, dass dieser Geschmack nicht durch die allgemeinen Regeln
des Aesthetischen geleitet, sondern allein von einer regellosen Willkür
abhängig gemacht ist.
Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauche versteht man unter der
Bezeichnung „Anstrich" einen undurchsichtigen Ueberzug aus Farbe,
welcher mit dem Pinsel aufgetragen wird und trocknet; Firnisse und
Lacke dagegen sind mehr oder minder durchsichtige Ueberzüge, welche,
sofern nicht darunter ein farbiger Anstrich gegeben ist, die Farbe des
Metalls durchscheinen lassen. Man wird also Anstriche vorzugsweise in
denjenigen Fällen wählen, wo die Farbe des Metalls unscheinbar ist oder
überhaupt schon durch die vorausgegangene Bearbeitung verdeckt i mit
Oxyden, Fett und dergleichen überzogen ist, so beim Eisen, Zink, Blei.
Ein Bekleben findet statt, um eine dünne Schicht eines andern Me-
talls (echte und unechte Gold- und Silberblättchen , Bronzepulver) mit
Hülfe eines Bindemittels (Fimiss) auf dem Arbeitsstücke zu befestigen
und diesem dadurch das Ansehen von Gold, Silber, Bronze zu geben.
Es ist dieses Verfahren also eine Vergoldung, Versilberung etc. mit Hülfe
von klebenden Sto£fen.
Asphaltiren nennt man die Herstellung eines Ueberzugs von Stein-
kohlentheer, bisweilen mit einigen anderen Substanzen vermischt, welcher
ein ausserordentlich wirksames Schutzmittel gegen die Nässe bildet.
Um durch Anstreichen einen gegen die Einflüsse der Witterung
schützenden Ueberzug hervorzubringen, ist ein mehrmaliges Auftragen
der Farbe erforderlich, wobei der folgende Anstrich erst gegeben werden
darf, wenn der darunter liegende völlig trocken geworden ist. Es ist
hierbei nicht erforderlich, dass die zu unterst kommenden Anstriche die-
selbe Farbe besitzen, als die oberen; man wählt vielmehr für die unteren
Lagen — den Grund — gern solche Materialien, welche vorwiegend
gegen Feuchtigkeit schützen und mit dieser Eigensohaft den Vortheil
der BiUigkeit verbinden; und erst mit dem letzten Anstriche giebt man
die beabsichtigte Färbung. Zum Grundiren, d. h. zur Herstellung des
Grundes, benutzt man Mennige, Blei- oder Zinkweiss, Eisenmennige
782 Verschönernngs- und Erhaltungsarbeiten.
(fein präparirten Rotheiflengtein) , welche Farben mit Leindlfimias ange-
rieben werden^).
Die Farben, welche für die obere Lage des Anstrichs gebraucht
werden, lassen sich ihrem Verhalten nach in zwei Gruppen theilen, welche
man Deckfarben und Lasurfarben nennt. Die Deckfarben haben
die Eigenschaft, die Farbe der darunter befindlichen Schicht durch ein-
bis zweimaligen Anstrich völlig zu verdecken; hierher gehören z. B.
Blei- und Zinkweiss, Diamantgrau (aus Graphit, Zinkweiss und Leinöl-
fimiss bestehend). Kobaltblau, Oker, Terra Sienna, Umbra, Kasseler
Braun, Chromgelb, Kadmiumgelb, Smaragdgrün, grüner Ultramarin, Blei-
und Eisenmennige, Zinnober und sämmtliche schwarze Farben. Sie
werden mit Leinölfimiss oder einem Gemische desselben mit Terpentinöl
angerieben. Lasurfarben nennt man solche, welche auch in dickeren
Lagen die Farbe der darunter liegenden Schicht durchscheinen lassen;
hierher gehören Ultramarin, Berliner Blau, Indigo, brauner Krapplack,
Lidisch Gelb , Saftgrün , Karmin und rother Krapplack ; sie werden mit
Terpentinöl angerieben. Bei Anwendung von Lasurfarben muss dem-
nach schon von vornherein bei der Farbe des Grundes auf die durch
den letzten Anstrich hervorzubringende Wirkung Bedacht genommen
werden.
Hinsichtlich der Auswahl der Farben und Ausführung des Anstrichs
möge vor Allem auf die Nothwendigkeit hingewiesen werden , dass der-
selbe mit dem Charakter des betreffenden (Gegenstandes und seiner Con-
stmction harmonire. Wollte man z. B. eine schlanke gusseiseme S&ule
stein- oder holzfarbig anstreichen, so würde ein jeder Beschauer das
Gefühl haben, dass eine Säule aus solchem Materiale in den Abmessun-
gen des Gusseisens gefertigt ihren Zweck unmöglich erfüllen könnte;
wohl aber könnte eine bronzene S&ule dafür geeignet und ein Bemalen
der Säule mit Bronzefarbe deshalb unter Umständen ganz am Platze
sein. Für solche Fälle, wo eine künstlerische Bemalung ausgeschlossen
ist und es sich nur darum handelt, ein dem Auge wohlthuendes Aeussere
durch einen Farbenüberzug herzustellen, sind deshalb solche „gebrochene*^
Farben die geeignetsten, welche dem Gegenstande den Charakter als
Metallwaaren bewahren; g^au (Diamantfarbe), braun oder schwarz. Grelle
Farben, besonders in grrösseren Flächen, wirken niemals schön; ab-
schreckende Beispiele hierfür liefern manche landwirthschafüiche Ma-
schinen, bei welchen man mitunter grasgrüne Flächen obenein mit rothen
Linien bemalt findet. Eine sehr lesenswerthe Abhandlung von Professor
Dürre über das Bemalen der Gusswaaren findet sich in der Deutschen
Industriezeitung, Jahrgang 1877, S. 5: „Die Herstellung ^sserer Ueber-
züge auf Gusseisen zum Schutze gegen Oxydation und Verzierung.*
^) LeinolfirnisB wird durch anhaltendes Kochen von Leinöl mit oxydiren-
den SnlHitanzen (gewöhnlich Bleiglatte) dargestellt.
Firnissen, Lackiren, Vergolden, Asphaltiren. 783
Ein FimisBüberzug wird entweder über einen Anstrich gegeben,
wenn die Farbe selbst noch vor chemischen Einwirkungen geschützt
werden soll (Leinölfimiss) , oder wenn eine blanke Metallfläche einen
durchsichtigen Ueberzng als Schutzmittel erhalten soll (Lösungen yon
Schellack, Mastix, Copalkusk in Weingeist).
Von dem Firnissen unterscheidet sich das I^ackiren dadurch, dass
bei letzterem zugleich ein gewisser Glanz hervorgerufen werden soll und
zwar vorwiegend auf schon bemalten Gegenständen ' (Blechwaaren etc.).
Die Farbe für den Anstrich wird hierbei in Copal- oder Bernsteinfimiss
(durch Kochen von Copal- oder Bernsteinlack mit Leinölflmiss und Ver-
mischen mit Terpentinöl hergestellt) gerieben und der Anstrich nach
dem Trocknen mit reinem Copallack überzogen, dann mit feinem Bern-
Steinpulver geschliffen und schliesslich polirt.
Zur Vergoldung und Versilberung der Metallwaaren mittelst auf*
geklebten Blattgoldes und Blattsilbers erhalten dieselben zunächst einen
nochmaligen Ueberzug von Fimiss oder von mit Fimiss geriebener Farbe.
Für dauerhafte Ueberzüge von Gegenständen, welche im Freien auf-
gesteUt werden (Thurmknöpfe, Gitter etc.), wird gewöhnlich ein dreimali-
ger Anstrich gegeben. Auf den letzten Anstrich legt man, bevor er
ganz trocken geworden ist, die Metallblättchen auf und drückt sie mit
Baumwolle an.
Das sogenannte Asphaltiren findet seine hauptsächlichste Anwendung
zur Herstellung eines Ueberzuges für gusseiseme Gas- und Wasserlei-
tungsröhren. Den dazu benutzten Steinkohlentheer, wie er von den
Gasanstalten geliefert wird, dickt man durch Einkochen ein, bis er in
der Kälte eine zähe, klebrige Masse bildet, in der Siedhitze aber flüssig
bleibt. Ein geringer Zusatz gebrannten Kalkes beim Einkochen be-
schleunigt dasselbe und giebt dem Theere einen eigenthümlichen Glanz;
ein zu starker Zusatz hat aber die Folge, dass der Theer schwerer er-
starrt und beim Erwärmen wieder klebrig wird. Der zu überziehende
Gegenstand wird stark erhitzt (auf circa 300 Ghrad), in den Theer ein-
getaucht, dann der anhaftende Theer mit einer Bürste verrieben und der
Gegenstand zum Abkühlen und Trocknen aufgestellt. Oder man erhitzt
den Theer zum Sieden und taucht den kalten Gegenstand ein. Als
Schutz gegen Nässe dürfte das erstere Verfahren vorzuziehen sein, da
wohl anzunehmen ist, dass bei dem erhitzten Gegenstande der Theer
besser in die Poren eindringe, als bei dem kalten«
c. Durch Emailliren.
Emaille oder Schmelzglas nennt man ein Silicat, welches, bei
einer niedrigeren Temperatur schmelzbar als das Metall, auf der Ober-
fläche desselben durch Aufschmelzen haftbar gemacht wird, so dass es
nach dem Erkalten einen glasartigen Ueberzug für die Metallfläche bil-
det. Die Emaille wird demnach ebensowohl als Schutz f&r gewisse
784 Verschönerangs- and Erhaltungsarbeiten.
Metallgegenst&nde gegen Einwirkangen benatzt, welche das Metall an-
greifen würden, der Glasmasse aber' nichts anhaben können — hierher
gehören insbesondere Kocbgeschirre ans Eisen — , als auch zur Yer*
Bchönernng von Schmucksachen nnd dergleichen.
Die Haupterfordemisse einer guten Emaille sind demnach folgende:
Sie muss fest an der Oberfläche haften nnd anch Temperaturver-
ändernngen ertragen, ohne abzuspringen. Hierzu ist erforderlich, dass
ihre Ausdehnung dnrch die Wärme derjenigen des Metalls möglichst
gleich sei« Auch geringe Stösse und Erschfltternngen muss sie, ohne
sich loszulösen, vertragen können und darf deshalb nicht zu spröde sein.
Sie muss widerstandsfähig gegen chemische Einflüsse sein und darf
vor Allem, wenn sie für culinarische Zwecke bestimmt ist, keine gesund-
heitsgeföhrlichen Bestandtheile enthalten. Diese letzte Bedingung ist, wenn
die ersten Bedingongen erfüllt werden, eine schwierige Klippe für das Ge-
lingen des Emaillirens; nnd es folgt hieraus, dass die EmaiUirung im
Allgemeinen weniger Schwierigkeiten bietet, wenn sie nur als ver-
schönernde Arbeit fü^ Gegenstände dient, die weder grossen Temperatur-
Schwankungen unterworfen sind, noch mit chemischen Agentien in Be-
rührung gelangen, also für Schmucksachen, Zifferblätter o. s. w., als
wenn sie Kochgeschirre und ähnliche Geräthe schützen soll, wobei alle
jene Bedingungen erfüllt werden müssen.
Bei der Anwendung zu Schmucksachen ist neben dem festen Haften
am Metalle eine schöne Farbe und Glanz die Hauptbedingung. Häufig
stellt man Emaillen von mehreren Farben zu geschmackvollen Zeich-
nungen zusammen.
Das Verfahren in diesen Fällen besteht im Wesentlichen darin, dass
man die feingepnlverte Emaillemasse, mit Wasser zu einem dünnen Brei
angerührt, auf die Metalloberfläche mittelst eines Pinsels in gehöriger
Stärke aufträgt, trocknet nnd schliesslich mit dem Metalle so stark er-
hitzt, bis es eine geschmolzene Decke bildet, worauf es langsam abge-
kühlt wird.
Als Hauptbestandtheil aller Emaillen dient ein durchsichtiges, leicht
flüssiges Glas, am leichtesten herstellbar durch Zusammenschmelzen von
Quarzpulver mit kohlensauren Alkalien und Bleioxyd; wegen der Ge-
BundheitsgefUhrlichkeit des Bleies aber in dieser Form nicht für alle
Zwecke benutzbar und deshalb häufig statt desselben oder doch neben
demselben andere kieselsaure Verbindungen (Thonerde, Kalkerde etc.)
enthaltend. Soll die Emaille undurchsichtig werden, so fügt man Zinn-
oxyd hinzu, welches dieselbe zugleich weiss färbt. Quarz und Zinnoxyd
machen die Masse schwerflüssig und hart ; Bleioxyd erhöht die Leichtflüssig-
keit, aber verringert die Härte; in solchen Fällen, wo Blei nicht anwendbar
ist, lässt sich auch durch Zusatz von Borax der Schmelzpunkt erniedrigen,
wodurch aber zugleich die Sprödigkeit gesteigert wird, um blaue Emaille
zu erzeugen setzt man Kobaltoxyd zu; fär gelbe Emaille antimonsaures
Kali ; für grüne Emaille Kupferoxyd oder Chromoxyd; für Roth Eisenoxyd,
Emailliren. 785
Kupferoxydul oder Goldpnrpur; für Violett Braanstein ; für Schwarz
Hammerschlag mit Brannstein.
Das ganze Gemisch wird im Tiegel — wie unten ausführlicher be-
schrieben werden wird — geschmolzen, nach dem Erkalten gemahlen,
mit Wasser angerührt, in Breiform auf die MetaMäche aufgetragen und
durch Erhitzung geschmolzen.
Schmucksachen, welche emaillirt werden sollen, versieht man da,
wo die Emaille aufhören oder mit einer anders gefärbten Emaille ab-
wechseln soll, mit einem schwach aufstehenden Rändchen. Am besten
eignet sich feines oder 20-karätiges Gold zum Emailliren. Auf kupfer-
haltigem Golde, Silber und Bronze lassen sich nur undurchsichtige
Emaillen in bestimmten Farben anwenden, weil manche Emaillen ihre
Farben in Berührung mit den genannten Metallen verändern.
Für das Anhaften der Emaille ist eine reine Metalloberfl^che Haupt-
bedingung. Man glüht deshalb die Goldwaaren vorher, beizt sie in Sal-
petersäure ab, spült sie mit Wasser und trocknet sie. Die Emaille wird
mit Wasser zu einem zarten Brei angerührt und dann mit einem Pinsel
in die flachen Vertiefungen eingetragen, welche durch die erwähnten
Ränder gebildet werden. Zunächst werden die Gegenstände nun mit
der aufgetragenen Emaille zur Verflüchtigung des Wassergehaltes vor-
sichtig bei niedriger Temperatur getrocknet und dann zur Rothglnth er-
hitzt, um die Emaille zu schmelzen. Diese Erhitzung zum Schmelzen
heisst Einbrennen. Da es von grosser Wichtigkeit ist, das Absetzen
von Staub, Asche u. s. w. auf der schmelzenden Emaille zu verhüten , so
bedient man sich eines Muflelofens als Einbrennofen.
Die Emaille hinterbleibt nun als ein glänzender, harter und glatter
Ueberzug. Bei feinen Gegenständen feilt man die Oberfläche mit einer
feinen, in Wasser getauchten Feile ab oder schleift sie mit feinem Sand-
stein und Wasser und bringt sie nochmals ins Feuer, um durch Er-
weichung der Oberfläche Glanz hervorzubringen.
Will man Malereien auf einer bestimmten, gewöhnlich weissen,
Grundfarbe anbringen, so brennt man zuerst den Grund ein und benutzt
für die Malerei eine leichter schmelzbare Emailfarbe, welche mit einem
zarten Pinsel aufgetragen wird.
Verwandt mit der Emaille für Schmucksachen ist das sogenannte
Niello auf Silberwaaren, in einer schwarzen Ausfüllung vertiefter Linien
bestehend. Diese schwarze Masse wird aus einer Schmelze von Silber,
Kupfer, Blei, Wismuth und Schwefel hergestellt, wie die Emaille gepul-
vert, aufgetragen und eingebrannt^). Man giebt den in solcher Weise
verzierten Gegenständen nach ihrem Hauptanfertigungsorte in Russland
den Beinamen Tula (Tuladosen etc.).
*) Kftch einer Mittheilung in Bingler's Polytecb. Jonmal, Bd. 228,8.282,
ist die Znsammensetzang folgende: 9 Thle. Silber, 1 Tbl. Kupfer, 1 Tbl. Blei,
1 Tbl. Winnntb geschmolzen and mit Schwefel gesättigt.
Lfldebar, nMWi!ianitrJi«tneUlltirgUcha Teohnologle. 5O
786 Verschönerungs- und Erhaltungsarbeiten.
Weit weniger einfach gestaltet sich das Verfahren der Emaillimng,
wenn die Emaille Temperatarverändernngen und chemischen Einflüssen
widerstehen mnss, also beim Emailliren schmiedeeiserner und gusseisemer
Geschirre.
Die Erfahrung hat gelehrt, dass, wie schon erwähnt wurde, ein
Bleigehalt emaillirter eiserner Geschirre von den in den Geschirren ge-
kochten Speisen aufgenommen wird ; dadurch wird die Anwendung jenes
reichlichen Zusatzes an Bleioxyd unmöglich; der Bleigehalt aber bewirkte
zum grossen Theile die Leichtflüssigkeit der Emaille. Man muss also
den Bleigehalt durch andere Körper zu ersetzen suchen, welche gleich-
falls ein leichtschmelziges und dabei nicht sprödes Silicat liefern. Es
kommt aber hinzu, dass das emaillirte Geschirr bei jeder Verwendung
einer, und zwar oft sehr ungleichen, Temperaturveränderung und dadurch
Ausdehnung ausgesetzt ist, welche ein sofortiges Abspringen der Emaille
zur Folge haben würde, wenn dieselbe nicht befähigt ist, der Ausdeh-
nung und Zusammenziehung des Eisens zu folgen.
Wollte man eine durch Zusatz von Zinnoxyd weisse Emaille von
der Leichtflüssigkeit, wie sie zum Verglasen erforderlich ist, unmittelbar
auf das Eisen auftragen , so würde einestheils unter der Einwirkung des
im Eisen stets vorhandenen Kohlenstoffs ein Reductionsprocess auf das
Zinnoxyd eingeleitet werden, die Emaille würde ihre weisse Farbe ver-
lieren und durch Entweichen von Kohlenoxyd löcherige Textur bekom-
men; sie würde aber auch nicht Zähigkeit genug besitzen, bei der oft
starken Erhitzung des Metalls ihren Zusammenhang mit dem Eisen zu
behalten, sie würde abspringen.
Hieraus entsteht die Nothwendigkeit für die Emaillirung eiserner
Geschirre, zwei verschieden schmelzbare Emaillen über einander anzuwen-
den und eine nach der andern aufzutragen. Zu unterst kommt der
strengflüssige Grund oder die Grundmasse, welche auch beiRothgluth
nur sintert, ohne dünnflüssig zu werden, und frei von Zinnoxyd ist;
darüber kommt die eigentliche Emaille, die sogenannte Deckmasse,
leichtschmelzig und für Kochgeschirre bleifrei.
Die richtige Zusammensetzung des Grunde^, die Stärke, in welcher
er aufgetragen wird , und die Hitze , welcher er ausgesetzt wird , giebt
in erster Reihe den Ausschlag für das Gelingen der Emaillimng auf
Eisen. Die chemische Zusammensetzung desselben entspricht einem
Thonerdesilicate mit 65 bis 75 Proc. Kieselsäure, daneben Borsäure,
Alkalien, Kalkerde und gewöhnlich Magnesia enthaltend; auch wo es
angeht, d. h. wo nicht gerade Kochgeschirre emaillirt werden, Bleioxyd.
Die Borsäure und das Bleioxyd haben den schon erwähnten Zweck, die
allzu grosse Strengflüssigkeit des Thonerdesilicats zu mindern, wobei das
Bleioxyd zugleich in erheblichem .Maasse die Sprödigkeit mildert; Alka-
lien erniedrigen gleichfalls den Schmelzpunkt; Magnesia soll das Anhaf-
ten am Eisen erleichtern; der Zweck der Kalkerde ist wohl nur der, die
Anzahl der Basen im Silicate überhaupt zu vermehren, wodurch in gän-
Emailliren. 787
stigerer Weise als durch einen übergrossen Gehalt von Borsäure oder
Alkalien die Strengflüssigkeit vermindert wird. Als Rohmaterialien für
Bereitung der Orundmasse pflegen demnach Qnarzpulver, Feldspath
(Kieselsäure, Thonerde und Alkalien enthaltend), Borax, wo es angeht
Bleioxyd, und in geringen Mengen Ealkspath oder Kreide und Magnesia
zu dienen. Ist Feldspath nicht in entsprechender Beschaffenheit zu er-
halten, so ersetzt man ihn durch möglichst reinen Thon und eisenfreie
Soda. Als Entfärbungsmittel für zufallig gegenwärtige Metalloxyde und
zur Zerstörung zufällig gegenwärtiger organischer Körper dient endlich ein
Zusatz von Salpeter (bei Bereitung des Grundes weniger wichtig als für die
Deckmasse und daher in der Grundmasse häufig fehlend). Diese Materia-
lien werden in einer mit feuerfester Masse ausgestrichenen eisernen Pfanne,
ungefähr 200 Mm. weit, 130 Mm. hoch, welche über einer Rostfeuerung
oder auch in Eisenmuffeln erhitzt wird, geschmolzen, bis man mit einem
spitzen Eisenstabe, ohne Widerstand zu fühlen, bis auf den Boden stechen
kann. Man lässt erkalten, zerklopft die ei'starrte Masse in einem Poch-
werke oder mit Hämmern zu Haselnussgrösse und zermahlt sie schliess-
lich in einer Mühle, gewöhnlich aus zwei harten horizontal liegenden
Sandsteinen gebildet, deren unterer in einem Holzbottich mit Cement
gut vei'gossen ist, während der obere, der Läufer, vermittelst einer
schmiedeeisernen senkrechten Welle auf dem ersteren gedreht wird ^).
Die Masse wird so lange gemahlen, bis man zwischen Daumen und
Zeigefinger keine scharfen Bestandtheile mehr spürt, dann wird sie
durch ein Haarsieb gesiebt und zum Gebrauche aufbewahrt (Beispiele
für die Herstellung der Grundmasse folgen unten).
Die leichtschmelzigere Deckmasse oder „Glasur" besteht aus einem
Silicate mit 25 bis 45 Proc. Kieselsäure, daneben Borsäure, Alkalien,
Zinnoxyd (um sie undurchsichtig zu machen) beziehentlich auch Blei-
oxyd, Kalkerde, Magnesia enthaltend. Die qualitative Zusammensetzung
ist demnach im Wesentlichen nur durch den Gehalt an Zinnoxyd von
derjenigen der Grundmasse unterschieden, quantitativ aber unterscheidet
sie sich von dieser vornehmlich durch den geringem Kieselsäure- und
Thonerdegehalt. Als Rohmaterialien dienen daher die auch für die
Grundmasse benutzten Körper, daneben Zinnoxyd (Zinnasche), bisweilen
Zinkoxyd als Ersatz des Bleioxyds, femer Knochenmehl (durch seinen
Phosphorsäuregehalt den Schmelzjpunkt erniedrigend), Flussspath, Kryo-
lith (Nae AI2FI1)), welche letztgenannten beiden Körper durch ihren
^) In Bücksicht auf die Strengflüssigkeit der Grundmasse schmikt man in
der Pfanne gewöhnlich, wie aus den imten gegebenen Beispielen hervorgeht,
nur einen Theil der Kieselsäure mit den alkalihaltigen Salzen oder Mineralien
zosanmien, in solcher Weise zunächst ein leichtflüssigeres Silicat bildend, wel-
ches dann erst beim Mahlen mit dem Beste der Kieselsäure, sämmtlichem
Thone und gewöhnlich auch einem Theile der Magnesia (welche dem Silicate
eine zähe, kleistrige Consistenz giebt) auf meohanischem Wege innig ge-
mischt wird.
60*
788 VerechöneningB- und Erhaltungsarbeiten.
Flaorgehalt eben&lls stark erniedrigend auf den Schmelsspuakt ein-
wirken.
Zum Schmelzen der für die Glaaar dienenden Materialien benutzt
man nicht jene flachen Pfannen wie zur Grundmasee, sondern feuerfeste
Fig. 586.
(heaaiaohe) Tiegel mit einer kleinen, 5 btfl 10 mm weiten Oefinnng im
Boden. Die Tiegel werden, nachdem aie gefüllt sind, iu einen Ofen ein-
gesetzt, welcher in den Figuren 566 und 567 abgebildet ist Derselbe pflegt
zur Aninahme von circa sechs Tiegeln eingerichtet zu sein. Die Tiegel
stehen anfeinem ans feuerfesten Ziegeln erbanten Gewölbe; derScbmelx-
EmaiUireii. 789
ranm ist oben durch eiiie gusseiseme, unten mit feuerfester Masse ver-
kleidete Platte abgedeckt mit eingegossenen Oeffi^ungen, aus welchen die
Köpfe der Tiegel hervorragen. Die Bodenoffnnng der Tiegel setzt sich
durch das Gewölbe fort und mündet in einen unterhalb desselben be-
findlichen Raum a, welcher nach aussen von einer Seite her zugänglich
ist, mit einer gusseisernen Thür während des Schmelzens verschlossen
gehalten wird, um den Zutritt frischer Lufb durch die Canäle unmöglich
' zu machen, und dessen Boden mit gusseisernen Platten abgedeckt ist.
In diesem Räume sammelt sich die Emaille, wenn sie in den Tiegeln zum
Schmelzen erhitzt worden ist und nun durch die Bodenöffnungen hindurch-
tropft. Um den Fuss der Tiegel möglichst warm zu halten, stehen die-
selben auf 160 mm hohen Ghamotteuntersätzen und die Feuerungsgase
ziehen durch einen engen Canal unmittelbar über der Herdsohle ab.
Die Tiegel sind etwa 400 mm hoch und an der obern Mündung 200 bis
250 mm weit.
Nach dem Schmelzen und Erkalten wird die Emaille zerklopft, wie
die Grundmasse gemahlen und zum Gebrauche aufgehoben.
Beispiele für die Herstellung der Grund- und Deckmasse ^).
1. Für Emaillirung, bei welcher ein Bleigehalt zulässig ist, findet
man die Bereitung der Grundmasse folgendermaassen angegeben:
30 Theile Quarzmehl,
I6V2 „ Borax,
3 „ Bleiweiss
werden geschmolzen, gemahlen und dabei mit 9 Theilen Quarzmehl,
8V3 Theilen geschlämmtem Thon und Va Theil Magnesia innig gemischt«
Als Deckmasse hierfür dienen:
377» Theile Quarzmehl,
24 „ Borax,
25 „ Zinnoxyd,
15 „ Bleiweiss, >
101/4 „ Soda,
10 „ Salpeter,
5 „ Magnesia.
Diese Bestandtheile werden geschmolzen und gemahlen.
^) Die mitgetheilten Beispiele sollen nicht etwa als allgemein anwendbare
Becepte gelten, sondern lediglich einen Ueberblick über das Verfahren im All-
gemeinen bei der Herstellung der Grund- und Deckmasse geben. Für alle Fälle
gültige Vorschriften lassen sich schon ans dem Grunde nicht geben, weil die
chemische Zusammensetzung der verwendeten Bohstoffe (Feldspath, Thon etc.)
nicht überall die gleiche ist ; dann auch, weil Arbeitsstücke aus verschiedenem
Hateriale eine verschiedene Beschaffenheit der Emaille verlangen; schmiede«
eiserne eine andere als gusseiseme , selbst die verschiedenen Gusseisensorten
bisweilen Abweichungen in der Bereitung der Emaille erheischen
790 Yerschönerungs- und Erhaltungsarbeiten.
2. In der Eönigin-MarienhÜtte schmilsst man zur Herstellang der
Grundmasse fär bleifreie Emaille znnftchst 75 Theile feinen weissen
Sand, 45 Theile Borax, 1 Theil Magnesia zosammen, palvert die ge-
schmolzene Masse und mischt 30 Theile der Schmelze mit 20 Theilen
Sand und 10 Theilen Thon. Dieses Gemisch wird längere Zeit mit
Wasser gekocht, dann im feuchten Zustande gemahlen, während des
Mahlens noch mit V4 Theil Magnesia versetzt und gesiebt ^).
Die Deckmasse besteht aus 30 Theilen Feldspath, 18 Theilen Zinn-
ozyd, 22 Theilen Borax, 10 Theilen Soda, 6 Theilen Salpeter, 2 Theilen
Magnesia. Man schmilzt, pocht und mahlt die Masse und kocht sie
dann unter Zusatz von 7 Theilen Thon und V2 Theil Magnesia mit
Wasser, worauf sie zum Gebrauche fertig ist.
3. In der Emaillirwerkstatt für gusseiserne Geschirre von Ph. Waag-
ner in Meidling bei Wien wendet man zwei Sorten von Emaille und
demnach auch zwei Sorten von Grundmasse an.
Die Grundmasse Nr. 1 wird folgendermaassen bereitet. Man mischt
in möglichst zerkleinertem Zustande:
55 Theile Quarz,
40 „ Borax,
,5 „ Soda;
siebt diese Mischung mehrere Male und schmilzt sie. Nach dem Er-
kalten wird die Schmelze gestampft, fein gesiebt und dann:
66 Theile der Schmelze, gemischt mit
21 , Quarz,
13 „ Thon,
mit Wasser angerührt, bis zur Verdunstung des Wassers gekocht und
dann gemahlen. Während des Mahlens setzt man 1,2 Proc. Magnesia
zu, welche in Wasser angerührt ist. Die gemahleoe und fein gesiebte
Masse ist nun für den Gebrauch fertig.
Zur Herstellung der für diese Grundmasse bestimmten Emaille
schmilzt man:
36 Theile Feldspath, 18 Theile Quarz, 16 Theile Borax, 20 Theile
Soda, 2 Theile Thon, 2 Theile Kryolith, 2 Theile Magnesia, 1 Theil
Salpeter, 3 Theile Knochenmehl, nachdem sie zuvor mehrere Male ge-
siebt worden sind, pocht, mahlt und mischt 93 Theile der geschmolzenen
Masse mit 4Ys Theilen Zinnoxyd, 2 Theilen Zinkoxyd, Vs Theil Soda;
dieses Gemisch wird anhaltend gemahlen, mit Wasser angerührt, in diesem
nassen Zustande durch ein feines Haarsieb gegossen und mit Y^ Theil
Salpeter, welcher in Wasser gelöst ist, versetzt. Nach 24-stündigem
ruhigen Stehen giesst man das überstehende Wasser behutsam ab und setzt
dann so viel concentrirte Sodalösung in Wasser zu, bis die Masse, wenn
sie über ein glattes Stück Holz gegossen wird, in einer für das Emailliren
^) Vergleiche die Anmerkung auf 8. 787.
Emailliren. 791
geeigneten St&rke daran haften bleibt, sich gleichmftssig yertheilt und
nach einigem Hin- nnd Herschwenken des Holzes nicht mehr flieset.
Die Masse ist alsdann zum Auftragen fertig.
Für die Emaille Nr. 2, welche leichtschmelziger, zinnreicher, undurch-
sichtiger, aber dadurch auch kostspieliger ist, stellt man die Grundmasse
her durch Schmelzen von 60 Theilen Quarz, 20 Theilen Borax, 6 Theilen
Feldspath, 4 Theilen Salpeter, 3 Theilen Kreide, 7 Theilen Soda. Nach
dem Schmelzen gepocht, gemahlen und mit Vs ^^ ganzen Gewichtes
Thon vermengt Die Emaille Nr. 2 wird zusammengesetzt aus: 42 Thei-
len Feldspath, 30 Theilen Borax, 12 Theilen Soda, 2 Theilen Salpeter,
1 Theil Kreide, 13 Theilen Zinnoxyd. Man siebt die Bestandtheile,
schmilzt sie in Tiegeln mit nur 3 mm Bodenöffnung und verfährt im
Uebrigen ganz wie bei der Emaille Nr. 1.
4. Die Herstellung einer dauerhaften Emaille auf Blechgeffüssen ist
in Folge des Dmstandes schwieriger, dass das Blech sich beim Er-
wärmen starker ausdehnt, beim Erkalten stärker zusammenzieht als das
Gusseisen und ausserdem leichter als dieses dem Verbiegen ausgesetzt
ist. Man steigert also den Ausdehnungscoefflcienten der Grundmasse
und Emaille durch grossem Zusatz an Borax ^) xmd trägt die Emaille
dünner auf als bei Gusseisen.
Nach Kerl beträgt die durchschnittliche Zusammensetzung der
Grundmasse für Blech: 20 Theile Quarz, 33 Theile Flussspath, 42Theile
Borax, 5 Theile Salpeter; der Deckmasse: 33 Theile Feldspath, 35 Theile
Borax, 7 Theile Soda und 25 Theile Zinnoxyd.
Das Arbeitsverfahren beim Emailliren.
Das zu emaillirende Gefäss wird mit Bürsten und scharfem Sande
ausgewaschen, eine Zeit lang in kochendes Wasser gehalten und rasch
getrocknet, um Rostbildung zu vermeiden, welche stets ein Misslingen
des Processes zur Folge hat. Ein Beizen mit Säure, welches in vielen
Lehrbüchern als nothwendig angegeben wird, ist nicht allein überflüssig,
sondern würde auch das Haften der Grundmasse am Eisen erschweren.
Dann wird der Grund aufgetragen. Man giebt zuerst eine kleine
Menge der mit Wasser zur Consistenz einer dicken Suppe angerührten
Masse in das Gefäss und reibt es mit einer scharfen Haarbürste in die
Poren des Eisens ein; dann schüttet man eine grossere Menge nach,
schwenkt das Gefass einige Male um und lässt das Ueberschüssige unter
fortwährendem Drehen des Gefllsses ablaufen. Der Grund muss sehr
dünn aufgetragen werden und deshalb reichlich genug mit Wasser ver-
mischt sein. Ist er zu dick, so bröckelt er bald ab, oder bildet beim
Erstarren der Emaille dicke Blasen.
^) Ein allzu reichlicher Gehalt der Emaille an Borsäure steigert nach
Früherm die Sprödigkeit.
792 VerscbÖnerungs- und Erhaltungsarbeiten.
Die mit der fencht«D Grandmasse flberzogeuen Gei&Bse werden non
zuBäcbst ftn einem warmen Orte aufgesteUt, nm du Wasser za ver-
pjg, 5gg. flüchtigen; wenn dieses
geschehen mid die &af-
getragene Grandmasae
vSllig trocken geworden
ist, kommen de in den
Glahofen, nm auf helle
Rothgtuth erwärmt zu
werden. Man benntzt
dazu einen Hnffelofen,
Fig. 566 bis 570 mit
gusBeisemer circa 18 mm
starker Muffel, die auf
einer 30 bis 40 mm star-
ken Bodenplatte ruht. Die
Breite der Muffel pflegt
800 bis 1200 mm, ihre
Länge 1200 bia 1400 mm
za sein. Vom ist sie
Fig. üSS. durch eine Doppelthür
geschlossen , hinten stöast
sie stumpf gegen die
Mauer. Die Bodenplatte
liegt vorn auf der Brust-
mnner, ist in der Mitt«
durch einen gemauerten
Bogen gestützt und ruht
hinten auf derRückmaoer.
Die Einrichtung der Feuer-
züge ist ans den Abbil-
dungen ersichtlich. Für
den Betrieh im Grossen
und Benutzung von ge-
rin gwerthigem Brennma-
teriale hat man nlit Erfolg
RegeneratiTfeneruDg eingerichtet; die Regeneratoren liegen anter den
Muffeln, nnd die Flamme schlägt von unten empor über die Muffeln
hinweg.
Das Einbrennen dauert, wenn der Ofen heisB ist, 10 bis 20 Minuten.
Der eingebrannte Grund muss nach dem Erkalten eine gelblich weisse
Farbe zeigen; ist er brann oder schwarz geworden, so war die Bits« zu
gross und es haben sich Eisen verhindangeu gebildet. Er darf nicht ge-
schmolzen, sondern nur gesintert sein; dagegen muss er so fest h&fleD,
dass man mit einer scharfen Haarbürste nicht im Stande ist, ihn ab-
Emailliren. 793
zoscheaem, LSsst er eich ganz oder theilweise abreiben , so war ent-
weder die Hitze za niedrig oder er war zn dick aufgetragen.
Wenn die Prfifnng ergeben hat, das» der Gmnd gelungen iat, folgt
das Anftragen der Deckmaaee. Man feuchtet die Oberfläche des Grandes
Pj jjQ mit einem Schwämme leicht an und
trägt dann die tüchtig nmgerührt«
Flüssigkeit auf, indem man mit
einem Holzlöfiel davon in das Ge-
ISsH Bchöpft, dieses einige Male um-
schwenkt und dann das lieber-
schüsaige ablaufen lässt. Dann wird
das GefäBs getrocknet, erst lang-
sam^ dann stärker, bis ein darauf
fallender Wassertropfen zn sieden
beginnt, und kommt dann abermals
in den Muffelofen, um auf Roth-
glath erhitzt zu werden, was bei
kleineren Gegenständen ebeufalls bin-
nen 10 bis 20 Minuten beendet zu
sein pflegt. Alsdann folgt eine
nicht zu beschlennigte Abkühlung und damit ist der Emaillimngsprocess
beendet.
Eine gute brauchbare Emaille moss nach dem Auftragen und
Trocknen, aber vor dem Brennen so weich sein, dass sie mit dem Finger
abgerieben werden kann, nach dem Brennen dagegen vollständig fest
sein, keine Blasen zeigen, muss sich erhitzen lassen und Stösse aushalten,
ohne abzuspringen.
Die emaillirten Töpfe werden gewöhnlich, so lange sie noch warm
sind , an der Anssenseite mit Theer gescUwärzt (vergl. S. 783) und sind
dann fertig zum Verkaufe.
Zweiter Theil.
Beispiele aus der speciellen Teclmologie.
Die Schrotgiesserei.
Unter dem Aasdmcke „Schrot" versteht man bekanntlioh die klein-
sten für Schnsswaffen benutzten Kugeln, von denen mehrere oder viele
zusammen in ein Rohr geladen werden. Der Grösse nach unterscheidet
man eine grössere Anzahl Nummern, deren kleinste Sorte nYogeldunst**
heisst.
Die Anfertigung dieses Schrots erfolgt durch Oiessen; sie ist dadurch
merkwürdig, dass eine eigentliche Gussform dabei nicht benutzt wird,
sondern dass lediglich die Eigenschaft flüssiger Körper, Kugelstalt an-
zunehmen, sobald sie fremden Einflüssen entzogen sind, die Formgebung
bewirkt. Es kommt bei der Schrotgiesserei also darauf an, das flüssige
Metall tropfenweise von einer solchen Höhe frei herabfallen zu lassen,
dass es erstarrt unten anlangt.
Als Material dient eine Legirung von Blei mit etwas Arsen, wel-
ches letzteres die Kugelbildung befördert. Das Blei wird im Kessel
geschmolzen und das Arsen gewöhnlich in Form von rothem Schwefel-
arsen (Realgar) oder auch von weissem Arsen (Arsenigsäureanhydrit),
letzteres mit Holzkohle gemischt und zur Vermeidung von Verflüchti-
gung in Papier eingewickelt, zugesetzt Arsen wird reducirt und legirt
sich mit dem Blei. Man rechnet bei dem feinsten Schrote einen Arsen-
gehalt von circa 0,2 Proc, bei mittelfeinem von 0,3 Proc, bei dem gröb-
sten von 0,35 Proc. Bei einem zu geringen Arsengehalte erhalten die
Eügelchen Vertiefungen (Aussaugungen; vergl. S. 99) oder werden auf
einer Seite platt; bei zu reichlichem Arsengehalte werden sie linsenförmig.
796 Specielle Technologie.
Je gröberes Schrot man herstellen will, eine desto beträchtlichere
Fallhöhe mnss man zur Verwendung haben, damit die langsamer ab-
kühlenden Metalltropfen nicht etwa flüssig den Boden erreichen. Wäh-
rend für die feinsten Schrote eine Fallhöhe von 4 m genügend ist,
wendet man für gröbere Sorten Höhen Ton 40, 50 m und darüber an.
Um nicht in der Anfertigung der verschiedenen Schrotnammem be-
schränkt zu sein, wird man meistens eine auch für die gröbsten Nummern
ausreichende Fallhöhe herrichten.
Diese Fallhöhe lässt sich nun in zweierlei Weise erlangen. Ent-
weder man errichtet über dem Erdboden einen Thurm mit einer Bühne
in entsprechender Höhe, von welcher aus das Giessen erfolgt, im Innern
mit Treppe und einfachem Aufzuge versehen, um auf die Bühne
gelangen und die Schmelzmaterialien hinaufschaffen zu können (z. B.
Schrotthurm zu Villach in Kärnthen von 74 m Höhe), oder man benutzt,
wie bei der Freiberger Schrotfabrik, einen Schacht unter der Erde.
Letztere Einrichtung lässt, sofern in bergbautreibender Gegend die Mit-
benutzung eines für den Bergbau angelegten Schachtes zu ermöglichen
ist, nicht allein die erheblichen Anlagekosten des Thurms ersparen,
sondern gewährt daneben auch den Vortheil einer gleichmässigem
Temperatur während Sommers und Winters und einer bequemern Arbeit
beim Herbeischaffen der Materialien und beim Schmelzen.
Zur Vertheilung des Metalls in Tropfen dient ein Sieb mit eisernem
Rahmen — „Schrotform** genannt — , welches in der Mitte oberhalb der
Fallöffnung aufgesteUt wird. Die Löcher desselben müssen beträchtlich
kleiner sein als der Durchmesser der herzustellenden Schrotkömer; und
obschon die bei Benutzung einer und derselben Schrotform entstehenden
Kömer ziemlich verschieden im Durchmesser auszufallen pflegen, muss
man doch eine Anzahl Formen mit verschieden grossen Löchern in Be-
reitschaft halten, um sie zu benutzen, je nachdem vorzugsweise diese
oder jene Nuiumer hergestellt werden soll.
Das Arbeitsverfahren beim Giessen ist sehr einfach. Wenn das
Met&U geschmolzen ist (wobei eine allzu gesteigerte Temperatur ver-
mieden werden muss, weil sonst statt der Kugeln längliche Tropfen ent-
stehen), wird es mit einer Kelle aus dem Kessel geschöpft und in die
bereit gestellte, vorher mit Lehmwasser ausgestrichene und getrocknete
Schrotform geschüttet. Es entsteht ein förmlicher Metallregen und die
niederfallenden Körner werden, um Verluste zu vermeiden, im Erd-
geschosse des Thurms oder auf der Schachtsohle in einem weiten, mit
Wasser gefüllten Gefässe aufgefangen. Bisweilen setzt man dem Wasser
eine geringe Menge von Schwefelkalium zu, wodurch ein gegen Oxyda-
tion schützender üeberzug von Schwefelblei gebildet wird.
Nach beendigtem Giessen werden die Schrotkömer in Beutelsacken
aus dem Wasser herausgeholt und in gelinder Wärme getrocknet. Es
kommt nun zunächst darauf an, die entstandenen unrunden Kömer,
welche den Ausschuss bilden und wieder eingeschmolzen werden, von den
Schrotgiesserei. Schriftgiesserei. 797
runden sn trennen. Hierzu dient eine sehr einfache Vorrichtung. Eine
glatte Tafel aus Holz oder Gusseisen, circa 750 mm lang, 300mm breit,
wird auf dem Tische vor dem Arbeiter in etwas geneigter Lage auf-
gestellt und eine entsprechende Menge Schrot an dem obern Rande
desselben aufgeschüttet. Die runden Kömer rollen die schiefe Ebene
hinab und werden in einem bereit stehenden Kasten gesammelt, die
flachen bleiben liegen.
Nun folgt das Sortiren der brauchbaren Körner nach ihrem Durch-
messer in einzelne Nummern. Man gebraucht dazu ebenso viele Siebe
als Nummern von einander getrennt werden sollen, beginnt mit dem
gröbsten und sondert in dieser Weise eine Nummer nach der andern aus.
Schliesslich kommen die Schrotkömer in eine hölzerne, um eine
geneigte Achse gedrehte Trommel, welche etwas Graphit enthält. Sie
werden hierdurch polirt und erhalten einen glänzend schwarzen
Ueberzug.
Die Schriftgiesserei (Typen- oder Lettemgiesserei).
Dieselbe liefert ein lehrreiches Beispiel, wie man im Stande ist, bei
massenhafter Anfertigung eines und desselben Gegenstandes durch
zweckmässige Einrichtungen die Zeit und Kosten der Anfertigung auf
ein geringstes Maass herabzudrücken.
Eine Letter wird durch ein parallelepipedisches Stäbchen, Fig. 571,
gebildet, auf dessen einer schmalen Seite (dem Kopfe) sich das Schrift-
Fig. 571. zeichen, welches durch die Letter gedruckt
werden soll, erhaben in verkehrter Stellung
^ befindet. Durch Aneinanderreihen mehrerer
Lettern entsteht bekanntlich der Drucksatz
oder „Satz**. Es sind demnach nicht allein
Lettern mit Buchstaben, Interpunctions-
zeichen etc. erforderlich, sondern auch solche
Theile, welche nur dazu bestimmt sind, die
weiss bleibenden Zwischenräume zwischen
den Buchstaben, Wörtern, Zeilen u. s. w. auszufüllen und welche dem-
nach kürzer als die eigentlichen Lettern und am Kopfe glatt sind. Die
allgemeine Benennung für sämmtliche zu einem Drudosatze erforderlichen
Stücke, gleichviel ob mit oder ohne Schriftzeiohen, ist Typen, während
man unter Lettern nur die Buchstabentypen zu verstehen pflegt.
Die Grösse der Buchstaben nennt man den „ Kegel ^, die Abmessung
der Letter in der Richtung der Buchstabenhöhe ist die „ Kegelstärke ^.
Selbstverständlich besitzen alle zu einem Satze gehörigen Typen gleiche
Kegelstärke, abhängig von der Höhe der längsten Buchstaben, während
798 Specielle Technologie.
die Breite der Typen von der Breite des jedesmaligen Schriftzeichens
abhängig and deshalb verschieden ist.
Die dem Kopfe der Letter gegenüberliegende Seite heisst Fuss;
derselbe ist mit einem Einschnitte versehen, dessen Entstehung unten
erläutert werden wird; ausserdem befindet sich ein durchgehender halb-
runder Einschnitt, die „Signatur" genannt, auf derjenigen Seite des
Stäbchens, welche dem untern Ende des Buchstabens entspricht, und
dient dazu, die richtige Stellung der Letter zu erkennen, ohne dass das
Typenbild betriCchtet zu werden braucht
Als Material zum Typengusse dient eine Legirung aus Blei, Anti-
mon und Zinn (Schriftmetall). Blei bildet den Grundbestandtheil; Anti-
mon giebt der Legirung eine grössere Härte und dadurch Widerstands-
föhigkeit gegen Abnutzung, Zinn mildert die Sprödigkeit des Antimon-
bleies, welches ohne diesen Zusatz leicht Beschädigungen durch geringe
Stösse erhalten würde, ohne aber der Härte desselben Eintrag zu thun.
Ein grosser Zinngehalt erhöht daher im Allgemeinen die Güte der Le-
girung, vertheuert aber auch den Preis. Lettern giesst man deshalb
gewöhnlich aus einer zinnreichem Legirung als die erwähnten Typen
für weissbleibende Stellen des Drucks.
Die Lettern, welche zur Herstellung des Satzes für den Druck des
vorliegenden Buches benutzt wurden, sind aus einer Legirung von
60 Theilen Blei, 25 Theilen Antimon und 15 Theilen des feinsten Zinns
gegossen ; eine billigere und von anderenDruckereien für Lettern vielfach
benutzte Legirung ist: 75 Theile Blei, 23 Theile Antimon, 2Theile Zinn.
Zu den erwähnten Typen ohne Schriftzeichen (Ausschluss, Quadraten, Blei-
stegen) gebraucht man: 80 Theile Blei, 20 Theile Antimon ohne Zinn; zn
Stereotypplatten: 82 Theile Blei, 14V4 Theile Antimon, 3V4 Theile Zinn.
Die Gussform des Schriftgiessers heisst „Giessinstrument". Dasselbe
besteht mit Ausnahme desjenigen Theils, welches das Schriftzeichen aus-
bildet, aus Stahl, Eisen oder Messing und Ist von Holz eingefasst, um
rasch eine grosse Anzahl von Güssen ausführen zu können, ohne dass
durch Erhitzung der Aussenflächen die Handhabung erschwert .werde.
Jenes erwähnte Stück zur Formung des Schriftzeichens heisst „Mater**
oder „Matrize**, ist zum Auswechseln eingerichtet, um ein und dasselbe
Instrument für den Guss verschiedener Lettern benutzen zu können, und
bildet beim Giessen die untere Begrenzung der innem Form; durch
Verschiebung beziehentlich Auswechselung der Seitentheile lässt sich die
Breite und Stärke verändern; am obem Ende der Form, also am Fusse
der gegossenen Letter, befindet sich der pyramidale Eingnss. Die Ma-
trize wird aus dem reinsten Kupfer mit Hülfe eines gehärteten Stahl-
stempels geprägt, auf dessen Stirnfläche das betreffende Schrifizeicheo
in genau dei^selben Form erhaben eingravirt ist, als es die gegossene
Letter enthalten soll; selbstverständlich erscheint dasselbe in der Ma-
trize vertieft. Um das Giessinstrument in der erwähnten Weise sowohl
für den Guss verschieden grosser Lettern brauchbar zu machen als auch.
Schriftgiesserei. 799
am es nach erfolgtem Gosse zam Heraaswerfen dec Letter rasch öfiPnen
and wieder sohliessen za können, ist die specielle Einrichtung desselben
eine ziemlich complicirte, and man anterscheidet hinsichtlich dieser
Gonstraction deatsche, französische and englische Giessinstramente, deren
letztere am meisten gerühmt werden. Näheres hierüber sowie Abbildun-
gen von Giessinstramenten finden sich in der unten angegebenen Li-
teratur.
Das Schmelzen des Schriftmetalls geschieht in einem kleinen Kessel,
von ^inem ringförmigen Tische umgeben, an welchem drei bis vier Ar-
beiter gleichzeitig beschäftigt werden können. Oberhalb des Kessels
befindet sich ein Rauchfang aus Eisenblech zur Ableitung der Metall-
dämpfe. Häufig ist der Kessel durch radiale Wände in ebenso viele
Abtheilungen zerlegt als Giesser dabei beschäftigt sind, so dass ein jeder
derselben unbehindert aus seiner Abtheilung schöpfen und selbst mit
einer andern Legirung arbeiten kann als sein Nachbar; bisweilen hat
auch jeder Giesser seinen eigenen Ofen mit Tisch.
Beim Griessen mit der Hand hält der Giesser das geschlossene Giess-
instrument in der Linken, schöpft mit einem eisernen Löffel etwas Metall
aus dem Kessel, giesst es in den Einguss und giebt in demselben Augen-
blicke dem Instramente eine eigenthümliche Schwingung, wodurch das
Metall in alle Theile der Form hineingetrieben und schliesslich das in
dem stärkern Eingüsse noch flüssig gebliebene Metall in den Kessel
zurückgeschleudert wird. Alsdann öffnet er mit der rechten Hand das
Instrument, wirft den Abguss heraus und macht es für den nächsten
Guss fertig. Alle diese Manipulationen zusammen beanspruchen bei
einiger Geschicklichkeit des Giessers nur eine Zeitdauer von 5 bis 8 Se-
cunden , so dass ein geübter Giesser täglich 4000 bis 7000 Abgüsse zu
liefern im Stande ist, je nachdem die Schrift gross oder klein ist und
demnach langsamer oder rascher erstarrt.
Für grössere „Kegel" benutzt man statt des Schöpflöffels mit Vor-
theil die schon früher (Seite 304) erwähnte Giesspumpe zur Beförderung
des flüssigen Metalls in die Giessform. Fig. 572 (a. f. S.) zeigt das Aeussere
einer solchen Giesspumpe nebst Schmelzofen, Kessel und Arbeitstisch.
a ist der gusseiseme Pumpenkörper, durch einen Quersteg in der Mitte
des Kessels / festgehalten; h ist ein Hebel zur Bewegung des Kolbens,
c eine Feder, welche sofort nach beendigtem Hube den Hebel in den
höchsten Stand zurückführt; d eine Schraube zur Regulirung der Hub-
höhe, e das Ausgussrohr, g ist das Rauchrohr für die Feuerung. Da
eine Yentilpump^ aus nahe liegenden Gründen nicht anwendbar sein
würde, tritt das Metall durch seitliche in der Wand des Pumpenstiefels
befindliche Oeffnungen in das Innere, welche in dem höchsten Stande
des Kolbens frei liegen, beim Niedergange aber durch den Kolben selbst
geschlossen werden. Man benutzt ein eben solches Giessinstrument wie
beim Giessen mit dem Schöpflöffel und das Arbeitsverfahren ist deshalb
im Wesentlichen übereinstimmend. Daher ist auch die Production bei
800 Specielle Technologie.
BeDützang der Qiesapampe nicht grösser als im andern Falle; der
BaDptTortheii liegt in dem Umstände, daas der nnter d«m Dmoke des
FiK. 572.
Pnmpenkolbens erzengte Strahl mit grosser Kraft in das Innere des In-
straroonta eintritt and dasselbe schärrer ansfüllt (was besonders bei
sogenannten nnterschnittenen Schrittzeichen von Wichtigkeit ist) ; ausser-
dem sind die mit der Pumpe gegossenen Lettern am circa 2B Proc. leich-
ter als die mit dem LfifFel gegossenen, indem durch den Strahl Laft mit
in das Gi essin strament geführt und ein im Innern blasiger Gnss ereeugt
wird, ein Umstand, welcher die Branchbarkeit der Lettern nicht beein-
trächtigt, aber ihren Preis erniedrigt
In allen grösseren Schriftgiessereien wendet man endlich, wenn zahl-
reiche Mengen gleicher Lettern zn gieseen sind, eine QiessmaBchine
an, bestehend ans einer Gombination der Giesepnmpe mit einem mecha-
nisch bewegten Giessinstmmonte, welches in dem Augenblicke, wo die
Pumpe ihren Metallstrahl aosspritsst, eich vor die AnsgasBöfi'nang legt,
Schriftgiesserei. 801
am denselben aufzunehmen, dann sich yom Kessel entfernt, sich selbst-
thätig öffnet, den Buchstaben auswirft, sich wieder schliesst und nun in
dem Augenblicke vor der Ausgussöffhung der Pumpe in richtiger Stel-
lung wieder angekommen ist, wo ein neuer Strahl austritt. Diegesammte
menschliche Arbeit zur Bedienung der Maschine beschränkt sich auf die
durch ^nen Mann zu bewirkende Drehung einer Kurbel, von welcher
aus die Pumpe und sämmtliche übrige Mechanismen getrieben wer-
den. Durchschnittlich erfolgt pro Secunde eine Letter (von grösseren
Sorten weniger); die tagliche Production kann mit Berücksichtigung
der unvermeidlichen Störungen zu circa 20 000 Stück angenommen
werden.
Neuerdings hat man die Giessmaschinen noch mit Einrichtungen
versehen, welche auch die Eingüsse abbrechen, die Lettern schleifen,
behobeln, aufsetzen und fertig machen (siehe unten), also für die Be-
nutzung vollständig fertige Lettern liefern (sogenannte Completmaschi-
nen; u. a. in Thätigkeit in den Schriftgiessereien von Genzsch und
Heyse in Hamburg und Flinsch in Frankfurt a. M.).
Sehr grosse Lettern (Plakatschriften) nach einer der beschriebenen
Methoden gegossen würden in Folge der Einflüsse, welche bei der lang-
samem Erstarrung der grossem Menge Metall die Schwindung ausübt,
nicht sauber und scharf genug ausfallen. Sie müssen unter einem starken
Dmcke gegossen werden, welcher im Augenblicke des Erstarrens auf das
flüssige Metall ausgeübt wird. Man stellt sie zur Erreichung dieses
Zwecks durch Abklatschen oder Clichiren dar. Die einfachste Methode
hierfür, zur Vervielfältigung von geschnittenen Zeichnungen in Holz
und ](Ietall, Medaillen etc. benutzt, ist folgende: Man bildet sich aus
geöltem Papiere durch Aufbiegen der Ränder ein Kästchen, etwas breiter
und länger als die Matrize, und giesst in dasselbe eine nur 3 bis 4mm
starke Schicht des flüssigen, aber nur wenig über seinen Schmelzpunkt
erhitzten Metalls (gewöhnlich aus einer Legirung von Blei und Zinn
oder Blei, Zinn und Wismuth bestehend). Mit der andern Hand fasst
man die Matrize und schlägt sie in dem Augenblicke, wo das Metall
einen breiartigen Zustand angenommen hat und dem Erstarren nahe ist,
kraftvoll auf die Oberfläche desselben nieder. Indem in solcher Weise
das [Metall in die feinsten Vertiefungen der Matrize hineingepresst
wird , entsteht ein sehr scharfer dünner Abguss , welcher , nachdem der
überstehende Rand entfernt ist, in ein Giessinstrument eingelegt und
mit Metall hintergossen wird, um die nöthige Stärke zu erhalten. Die-
ses Hintergiessen erfordert natürlich besondere Vorsicht, um eine Ver-
bindung zu bewirken, ohne dass der Abklatsch selbst zum Schmelzen
kommt.
Seit Erfindung der Galvanoplastik ersetzt man bei Holzstichen etc.
die in der soeben beschriebenen Weise hergestellten „Cliches*' meistens
durch galvanoplastische Kupferniederschläge, indem man von dem ge-
Ledebnr, mecbanisch^meUllurgiBohe Technologie. 5|
802 Specielle Technologie,
Bchnittenen Originale zunächst einen Abdruck in Guttapercha oder Wachs
nimmt und auf der leitend gemachten Oberflache desselben das Kupfer
niederschlägt, so dass der Niederschlag wieder genau mit dem Originale
übereinstimmt. Aus alter Gewohnheit nennt man auch diese auf galva-
noplastischem Wege erhaltenen Abdrucke ^Cliches'^. Dieselben werden
ebenso wie die durch Abklatschen erhaltenen mit Metall hintergossen
oder auf Holz befestigt. Bei fabrikmässiger Anfertigung grösserer Let-
tern dagegen wendet man statt jenes Abklatschens mit der Hand häufiger
die Glich irmaschine an. Die Einrichtung derselben ist folgende:
Auf einer eisernen Tischplatte ist das kastenförmige Giessinstrument
in solcher Lage befestigt, dass die Matrize dasselbe von oben schliesst,
also umgekehrt als beim gewöhnlichen Giessen. Dicht neben dem In-
strumente mit gemeinschaftlicher Scheidewand befindet sich der aus
Eisen hergestellte etwas höhere Einguss von prismatischer Form, mit
senkrechter Achse und sauber gearbeitet. In dem untern Theile der
gemeinschaftlichen Wand befindet sich ein horizontaler Schlitz, welcher
den Einguss mit der Gussform verbindet und das flüssige Metall aus
dem erstem in die letztere hinüberleitet. Zum Entweichen der in der
Form eingeschlossenen Luft dienen feine, nach oben ausmündende Ca-
näle. Das Ganze gleicht demnach einer Gussform für stehenden Gtiss
(vergl. S. 156). Oberhalb des Eingusses ist an einem auf dem Tische
befestigten Ständer ein kleines Fallwerk angebracht, bestehend aus einer
eisernen, prismatischen, senkrecht geführten Stange, durch eine Metall-
kugel am obern Ende beschwert und mit einem prismatischen Bär
versehen, welcher genau in den Einguss hineinpasst. Der Anhub erfolgt
von Hand mit Hülfe eines im Ständer gelagerten doppelarmigen Hebels,
und eine Einklinkung hält die Stange in der höchsten Stellung* fest.
Wenn Alles vorgerichtet, die Matrize eingesetzt ist u. s. w., giesst man
eine etwas grössere Menge Metall als zur vollständigen Füllung des
Giessin Strumen ts ausreichen würde, in den Einguss und löst dann die
Klinke, welche das Fallwerk festhält. Der Bär schlägt auf die Oberfläche
des im Eingüsse befindlichen Metalls, treibt dasselbe in die Gussform hin-
über und mit entsprechendem Drucke gegen die Matrize, worauf es als-
bald erstarrt.
Durch Veränderung der Fallhöhe vrie des Ge?richts des Fallwerks
lässt sich die Wirkung des Schlages verstärken oder abschwächen, je
nachdem man grossere oder kleinere Lettern zu giessen hat.
Die in einer oder der andern Weise gegossenen Lettern bedürfen
nun noch einer Anzahl fernerer Bearbeitungen, bevor sie zur Benutzung
tauglich sind.
Zunächst wird der Gusszapfen (Einguss) abgebrochen. Diese
Arbeit geschieht meistens von Hand durch Knaben oder Mädchen,
deren jedes täglich 30000 bis 35 000 Typen abzubrechen im
Stande ist.
ScbriflgieBserei. 803
In einer folgenden Werkstatt werden die Typen geschliffen zu dem
Zwecke, an denjenigen Stellen, wo die Theile das Gieasinatramenta zu-
Bammentraten , den enstandenen Grat zu entfernen. Auch diese Arbeit
wird in den meisten Fällen von Hand ansgefahrt. Der Arbeiter hat
vor sich auf dem Tische einen horizontal liegenden , etwa 600 mm im
Quadrate grossea Schleifstein (Sa&dstein), auf dem er die Typen durch
Hin- nnd Herbewegen abschleift. Die tägliche Leistung eines geübten
Arbeiters hierbei i«t 20000 bis 25 000 Stflok.
Die geschliffenen Typen werden nnn „aufgesetzt", d. h. sie wurden
auf dem „Winkelhaken" , einem hfilzemen linealartigen Werkzeuge, zu
einer Reihe geordnet, so dass Fnss an Fuss und Kopf an Kopf liegt.
Eine geradlinige Leiste auf dem Winkelhaken , gegen welch« die Füsee
der Lettern stoaaen , bestimmt die gerade Richtung der Reihe. Die auf-
gesetzton Typen werden nnn sammt dem Winkelhaken dem „Fertig-
macher" flberwiesen. Derselbe übertrftgt zunächst die auf dem hölzer-
nen Winkelhaken geordnete Reihe auf einen eisernen Winkelhaken durch
Auflegen desselben and Umkippen , wobei jedoch jetzt die Fttsse der
Lettern nach aussen zu stehen kommen. Dann spannt er mit Hfllfe
einer eisernen über die ganze Reihe der Typen hinwegragenden Stange
— „Würfel" genannt — dieselben auf dem Winkelhaken fest undbringt
nun das Ganze (Winkelhaken und Würfel zusammen bilden die „Einlage")
anf den „Bestosstisch", wo es zwischen zwei Leisten oder Platten, deren
eine schütten artig auf der Tischplatte verschiebbar ist und mit Hälfe
einer Schranbenspindel gegen die andere bewegt werden kann, in solcher
Weise festgespanut wird, dass die Füsae der Typen nach oben gekehrt
sind. Der Bestosatiach und die Einlage zusammen werden das „Bestoss-
zeug" genannt. Nun führt man einen Hobel, welcher Aehnlichkeit mit
einem Holzhobel hat und in Fig. 573 abgebildet ist, über die ganze
Reihe der Typen hinweg,, wobei an
Fi«- 573. , -,. „ ,. ri- -
den Stellen, wo die Lingusse saasen
nnd beim Abbrechen derselben eine
rauhe Oberfläche entstanden war,
Metall weggenommen und dadurch
ein rinnenartiger Einschnitt gebil-
. det wird, der an dem Fuasende der
' ■ in Fig. B71 abgebildeten Letter
sichtbar ist nnd bereits erwähnt
wurde. Zeigt sieh, dass auch neben
diesem Einschnitte die Oberkanten der Letternfflsse nicht in genau
gleicher Höhe liegen oder dass Überhaupt die Gesammthöhe der Lettern
nicht genau der fQr die Benutzung erforderlichen Höhe entspricht, so
werden dieselben mit einem ähnlichen Hobel, dem „Hfihenhobel", eben-
falls bearbeitet.
Nnn werden die Typen herausgenommen , in umgekehrter Lage —
mit der Bildfläche nach oben — abermals in das Bestosszeng eingespannt,
804 Specielle Technologie.
und dann werden mit dem „ Eckhobel ^ , dessen Schneide seitlich neben
dem Typenkopfe yorbeigefedirt wird, die „Ecken gebrochen*' , d. h. die
beiden frei liegenden parallelen Kanten der Typenreihe (oder auch nor
die eine an der Seite der Signatar befindliche) schräg abgehobelt, selbst-
yerstandlich, ohne dass das Bild dabei beschädigt werden darf. Hiermit
ist die Anfertigung der Lettern beendet
Der ans den einzelnen Typen zusammengestellte „Satz** wird zu-
nächst zum Drucke der sogenannten Gorrectur- oder Revisionsbogen,
dann aber, nachdem die gefundenen Irrthümer berichtigt worden sind,
als Modell f&r den Guss der Stereotypplatten benutzt, welche für die
Herstellung der richtigen Abdrücke in die Buchdruckerpresse eingesetzt
werden.
Zur Herstellung der Gussform für diese Stereotypplatten klebt man
eine Anzahl dünner Papierblättohen mit dünnem Stärkekleister auf ein-
ander, legt dieselben, während sie noch feucht sind, auf den Typensatz
und presst sie durch Aufschlagen derartig gegen denselben, dass ein ver-
kehrter scharfer Abdruck desselben entsteht. Diese Papiermatrize wird bei
gelinder Wärme getrocknet, dann in eine Gussform eingelegt, bestehend
aus zwei gusseisemen Platten, welche durch dazwischen gelegte, den
Rand der Gussform an drei Seiten einschliessende und zugleich die
Matrize festspannende eiserne Leisten einen solchen Abstand von ein-
ander erhalten, als die Metallstärke der Stereotypplatten betragen soll.
Die Gussform wird dann verklammert und in aufrechter Stellung mit
Hülfe eines GiesslöBfels vollgegossen. Nach dem Erkalten werden die
Seiten der Platten behobelt und sind dann druckfertig. Statt der Papier-
formen benutzte man früher Gypsformen (Matrizen), durch Aufgiessen
von Gyps auf den Drucksatz hergestellt.
Die Zusammensetzung der für den Guss von Stereotypplatten be-
nutzten Legirung wurde bereits oben mitgetheilt.
Literatur.
J* H. Bachmann, Die Schriftgiesserei, Leipzig 1868.
Prechtl-Kar marsch, Technologische Encyclopädie, Bd. 16, 17, 18,
Artikel Stereotypie und Schriftgiesserei.
Gusseiseme Bohren. 805
Anfertigung der Bohren.
Rohren v£nden in der Technik und im gewöhnlichen Lehen eine
sehr häufige Anwendang, hauptsachlich zum Fortleiten yon Flüssigkei-
teu, Dämpfen oder Gasen, aber auch zu mannigfachen anderen Zwecken.
Dieser massenhafte Verbrauch der Röhren erklärt es, dass die An-
fertigung derselben längst als Specialität ausgebildet und auf diese Weise
auf eine hohe Stufe der Vollkommenheit gehoben ist. Die Art und
Weise der Anfertigung aber ist eine sehr verschiedene, je nachdem
das eine oder andere Metall als Röhrenmaterial benutzt wird. Für die
Röhrenanfertigung im Grossen sind folgende Metalle die wichtigsten:
Gusseisen, Schmiedeeisen, Kupfer, Messing, Blei.
Gusseiserne Röhren.
In Folge der zum Theile grossartigen Anlagen Ton Gas- und
Wasserleitungen, sowie in neuester Zeit von Canalisationen zur Fort-
leitung von Abfallstoffen, welche für Städte und grössere Ortschaften
nicht allein neu angelegt werden, sondern mit dem fortschreitenden
Wachsthum derselben alljährlich Ergänzungen verlangen, ist die An-
fertigung gusseisemer Leitungsröhren zu einem Umfange angewachsen,
dessen sich kein anderer Specialartikel aus Gusseisen rühmen kann«
Die deutschen Röhrengiessereien liefern alljährlich nach einem ungefäh-
ren Ueberschlage circa 1 Million Centner gusseiserne Röhren; die fran-
zösischen mindestens ebenso viel; die englischen noch mehr.
Die üblichsten Abmessungen gusseisemer Röhren schwanken zwi-
schen 25 mm Durchmesser mit circa 1,5 m Länge und 1 m Durohmesser
mit 4 m Länge.
Die Verbindung der einzelnen Röhren unter einander zur Herstel-
lung einer langem Leitung geschieht bekanntlich in zweierlei Weise,
und man unterscheidet demnach zwei Hauptgattungen von gusseisemen
Röhren: Scheiben- oder Flantschenröhren, bei welchen an jedem
Ende des Rohrs eine Scheibe rechtwinklig zur Aohsenriöhtung auf-
gegossen ist, und die Verbindung zweier benachbarter Rohre durch
Schrauben erfolgt, nachdem eine Dichtnngsscheibe aus Pappe mit Kitt,
aus Kautschuk oder dergleichen eingelegt ist; und Muffen röhren, bei
denen das Ende des einen Rohrs in die Muffe des folgenden hinein-
gesteckt wird, worauf man die Fuge durch getheerten Hanf und einen
darüber gegossenen und gut verstemmten Bleiring (bisweilen auch wohl
nur durch Verkitten mit Rostkitt) schliesst, Scheibenröhren finden
806 Specielle Technologie.
vorzugsweise für Dampfleitungen Verwendung, weil bei diesen in Folge
des Temperaturwechsels ein öfteres Auswechseln zerbrochener Rohre
erforderlich wird, und aus naheliegenden Gründen das Auswechseln eines
Rohrs aus einer festliegenden Leitung bei Muffenröhren weit umständ-
licher als bei Scheibenröhren ist; bei den oben genannten, weit umfang-
reicheren Verwendungen gusseisemer Röhren bedient man sich dagegen
fast nur der billigeren Muffenröhren, deren Anfertigung aus diesem
Chrunde vorzugsweise als Specialitat ausgebildet ist.
Der Zweck gusseisemer Leitungsröhren für Gas, Wasser oder Ab-
fallstoffe erheischt es, dass dieselben vollständig dicht (blaaenfrei) im
Gusse sind, Erschütterungen oder Stösse (die bei Wasserleitungsröhren
mit Hoobdruck durch das Wasser selbst in sehr heftiger Weise ausgeübt
werden können) ohne Gefahr des Zerbrechens aushalten, und dass be-
sonders die Muffe hinlänglich fest sei, die beim Verstemmen der Fuge
mit Blei ausgeführten Schläge auszuhalten, ohne zu zerspringen. Zur
Erfüllung dieser Bedingung ist es üblich, die Muffenröhren stehend in
getrockneten Formen und — wenigstens bei den grösseren Sorten — mit
der Muffe nach unten zu giessen. Der stehende Guss erleichtert eines-
theils das Entweichen der in der Gussform aufsteigenden Gas- und
Dampfblasen sowie das Aufsteigen der etwa zufällig in die Gussform
gerathenen fremden Körper (Ausscheidungen aus dem Eisen, losgerissene
Theilchen der Form etc.) in den zu oberst befindlichen Einguss, andern-
theils macht er die bei horizontaler Lage des langen Kerns unvermeid-
liche Unterstützung desselben durch Kemsteifen (S. 154) entbehrlich,
deren Anwendung sehr häufig eine Undichtigkeit des Rohrs an der be-
treffenden Stelle zur Folge haben würde; das Trocknen der Form
bezweckt eine verringerte Dampfentwickelung; durch den Guss der
Muffe nach unten wird eine Ansammlung von Gasblasen und sonsti-
gen aufsteigenden fremden Körpern in derselben vermieden, welche
bei der umgekehrten Anordnung der Gussform nur durch Aufsetzen
eines starken verlornen Kopfs sich mit Sicherheit vermeiden lassen
würde.
In allen Fällen muss die Gussform und der Kern für dieselbe getrennt
angefertigt werden. Letzterer wird in Lehm auf einer eisernen mit Stroh
umwickelten Spindel aufgedreht (S. 144 und 166), gut getrocknet und vor
dem Gusse in die Gussform eingelegt. Nur für die Kerne der kleinsten
Sorten Röhren wendet man bisweilen Kernkasten an, in welchen die Kerne
aus Masse eingestampft werden, nachdem ebenfalls eine eiserne Kernspin-
del eingelegt worden ist.
Bis vor etwa 10 Jahren bediente man sich allgemein in den Roh-
rengiessereien eines gewöhnlichen zweitheiligen Formkastens von sech«-
eckigem Querschnitte (Fig. 120 a. S. 139), formte übör einem gusseiser-
nen gedrehten Modelle, welches beim Einstampfen des Unterkastens zur
Hälfte in einen sauber gearbeiteten Lehrboden eingelassen war, die
Gussform in der üblichen auf S. 152 beschriebenen Weise ein, trocknete
Gusseiserne Röhren. 807
dieselbe in einer Trockenkammer, legte nach Beendigung des Trocknens
den Kern ebenfalls in horizontaler Lage in den Unterkasten ein, setzte
den Oberkasten auf und richtete erst dann die solcherart fei*tig zu-
sammengesetzte Gussform in senkrechte Stellung auf, um zum Gusse zu
schreiten. Das Aufrichten der Formkasten und das Niederlegen derselben
nach beendigtem Gusse wurde durch Drehungszapfen in der Mitte ihrer
Länge, auf zwei eisernen Trägern ruhend, erleichtert, welche letzterei^ über
einer Dammgrube im Niveau der Hüttensohle derartig angeordnet waren,
dass nur die obere Hälfbe des aufgerichteten Formkastens über die Hütten-
sohle emporragte. Diese Methode veranlasste einen beträchtlichen Zeit-
verlust durch das erforderliche Heben und Transportiren der Formkasten
beim Einformen und Trocknen; an den Fugen der beiden Qnssformhälf-
ten entstand ein Grat, welcher bisweilen zur Entstehung poröser, undich-
ter Stellen Veranlassung gab;- da der Kern in horizontaler Lage eingelegt
und dann erst mit dem Formkasten aufgerichtet wurde, war eine, wenn
auch geringe, Yerbiegung desselben durch sein Gewicht oft unvermeid-
lich und die Entstehung einer ungleichen Wandstarke des Rohrs die
Folge davon.
Diese Uebelstände gaben Veranlassung zur Erfindung einer voll-
ständig abweichenden Formmethode, welche, zuerst in Frouard bei Nancy
ausgebildet, seitdem einen Umbau fast aller grösseren Röhrengiessereien
zur Folge gehabt hat, da sie in einfachster Weise jene Missstände vermei-
det. Die Figuren 574 bis 677 (a. f. S.)» welche einen Formkasten mit ein-
gehängtem Modelle, eine Gussform während des Trocknens und einen
zum Gusse fertigen Formkasten mit eingestelltem Kerne in V40 der
wirklichen Grösse darstellen, mögen zur Veranschaulichung dieser Form-
methode dienen, bei welcher der Formkasten während aller vorzu-
nehmender Arbeiten eine senkrechte Stellung behält, ohne von seinem
Platze entfernt zu werden. Das Trocknen geschieht, wie aus Fig. 575
ersichtlich ist, durch eine unterhalb des Formkastens angebrachte Feue-
rung; in Rücksicht hierauf pflegt man, um die Bedienung der Feuerun-
gen für die einzelnen Formkasten zu erleichtem, den Arbeitsraum für
das Formen und Giessen erhöht, gewissermaassen als ersten Stock des Gebäu-
des, anzulegen, so dass der darunter befindliche Raum — das Erdgeschoss —
für die Feuerungen benutzt werden kann. In dem Boden des Form-
locals (der Decke des Erdgeschosses) sind Schlitze angebracht, in welche
die Formkasten eingehängt werden. In den gegebenen Abbildungen,
welche die betreffende Einrichtung in der neu erbauten grossen Röhren-
giesserei zu GrÖditz in Sachsen darstellen, sind aa starke, die seitliche
Begränzung der erwähnten Schlitze bildende Blechträger, so dass jeder
dieser Schlitze zur Aufnahme einer langem Reihe neben einander stehen-
der Formkasten dient; und oberhalb jedes Schlitzes befindet sich eine
durch eine Transmission betriebene Laufbühne, um die Modelle ein- und
auszuheben, die Kerne einzusetzen, die Abgüsse herauszunehmen u. s. w.
Jeder der einzelnen Formkasten ruht mit den angegossenen Laschen
808 Specielle Technologie.
anf zwei giuMiBemen Qnerträgem bb, welche sich, den ▼enchiedenen
Onrchmessem der FormkAtten entepreohend, in beliebigen Abatuid tob
einander bringen lassen. Die FormiEiiaten sind sweitheilig, cjUndrisch.
Ihr Durchmesser ist so gewählt, dasa zwischen Form kästen wand and Modell
nur so viel Ranm bleibt, nm eine Sandschicht von genflgender Haltbu--
Gusseiserne Röhren. 809
keit einformen zu können, etwa 25mm bei Rohren mittlerer Grösse.
Hierdurch wird nicht allein der SandTerbrauch und die Arbeit des Ein-
p. g^^ formens auf ein geringstes Maass beschränkt,
sondern auch die Zeitdauer des Trocknens,
welche bei der oben beschriebenen altern
Methode 6 bis 12 Stunden zu beanspruchen
pflegte, auf 1 bis 2 Stunden abgekürzt,
so dass ein- und derselbe Formkasten im
Laufe des Tages mehrere Male benutzt wer-
den kann. Das Modell ist aus Gnsseisen
gefertigt und glatt gedreht. Eine in der
Achse desselben befestigte schmiedeeiserne
Spindel mit angeschmiedeter Oese dient
zum Heben desselben. Soll die Muffe
nach unten gegossen werden, so muss das Modell, wie aus Fig. 574
hervorgeht, getheilt sein, um das Modell d der Muffe nach unten ent-
fernen zu können, wenn das Einformen beendet ist, während der cylin-
drische Theil c nach oben herausgezogen wird. Der Deckel e bildet den
untern Verschluss des Formkastens, sichert mit Hülfe einer eingedrehten
Führung die richtige Stellung des Muffenmodells (vergl. 574), und dieses
schliesst sich mit einer ausgedrehten Ringfläche genau um das untere
Ende des Modells c, somit auch die Stellung dieses letztern festlegend.
Dieser Einrichtung des Modells entspricht diejenige der Kemspindel,
welche in Fig. 576 ersichtlich ist. Auch diese — und somit auch 'der
Kern — besteht aus zwei Theilen, derer unterer, für die Muffe bestimm-
ter, in dem Deckel e geführt ist und seinerseits wieder als Führung für
den obem langem Theil dient. In solcher Weise muss der Kern stets
eine genau oentrische Stellung zur Gussform erhalten. Das Arbeitsver-
fahren ist einfach und bedarf keiner Erläuterung. Zum Trocknen
benutzt man Braunkohlen, Koks oder dergleichen in einer fahrbaren
Feuerung; in einzelnen Giessereien erhitzte Luft, welche von unten ein-
strömt.
Nach dem Giessen wird zunächst 'die Kemspindel mit Hülfe des
Krahns herausgezogen, dann werden die durch Dübel verbundenen Form-
kastenhälften so weit gelöst, als erforderlich ist, den Abguss nach oben
herausheben zu können, und nunmehr dieser gleichfalls mit dem Krahne
entfernt.
In einzelnen grossen Röhrengiessereien hat man die Handarbeit
beim Einformen durch Maschinenarbeit ersetzt. Auf S. 194 wurde bereits
das Princip solcher Röhrenformmaschinen und auf S. 198 die betreffende
Literatur erwähnt Da die mit der Transmission verbundene Form-
maschine hierbei einen festen Standort besitzt, so müssen die Formkasten
transportirt werden, um einer nach dem andern eingeformt zu werden,
und hierin beruht wohl unläugbar ein Nachtheil gegenüber der be-
schriebenen Röhrenformmethode mit Handarbeit; ausserdem ist aber bei
810 Specieüe Technologie.
der letzteren die Arbeit des Einformens ohnebin so yerhahDiflsmäBsig
gering, daas nach Uebenengnng des Yerfaners die Anwendong Yon
RöbrenformmaBchinen nur in Gegenden, wo die Arbeitslöhne sehr hoch
sind, von Vortbeil sein kann.
Za den geraden Bohren bilden die sogenannten Fagonstücke un-
entbehrliche Ergänzungen bei grosseren Leitungen. Hierher gehören
Krümmer, Kreuzungsstucke, T-Stficke und andere. Die Anfertigung der-
selben bietet im Allgemeinen wenig Eigenthnmliches.
Die gegossenen Röhren werden, nachdem sie vom Sande gereinigt,
die £|pigüsse entfernt sind u. s. w., einer Dichtigkeits- und Druckprobe
unterworfen. Gasleitungsröhren werden zu diesem Zwecke, nachdem
ihre Enden durch aufgepresste Deckel luftdicht verschlossen sind, in
einem GeHlsse unter Wasser mit Hälfe einer Luftpumpe, die durch einen
Schlauch mit dem Rohrinnem in Verbindung gesetzt ist, mit g^resster
Luft (bis zu zwei Atmosphären Ueberdruck) gefüllt Jede Undichtig-
keit verräth sich sofort durch im Wasser aufsteigende Luftbläschen.
Wasserleitungsröhren werden dagegen mit Wasser gefüllt, welches mit
Hülfe einer Druckpumpe einem Drucke von 10, 12, 15 Atmosphären,
den Lieferungsbedingungen entsprechend, ausgesetzt wird und denselben
auf die Rohrwände überträgt. Gewöhnlich hämmert man während die-
ses Druckes die Rohrwände an verschiedenen Stellen mit 1 bis lYs Kilo
schweren Hämmern, um auch ihre Widerstandsfähigkeit gegen Er-
schütterungen zu erproben. Hierbei darf weder ein Zerspringen
des Rohres noch ein Durchschwitzen von Wasser durch die Wände
stattfinden.
Schliesslich werden die Röhren in der auf S. 783 beschriebenen
Weise mit einem Theerüberzuge versehen (asphaltirt).
Schmiedeeiserne Röhren.
Dieselben finden ihre hauptsächlichste Verwendung für engere Gas-
leitungen in den Gebäuden — wobei die Verbindung der einzelnen Rohr-
enden durch Mu£Fen mit Schraubengewinden bewerkstelligt ¥drd — tmd
für Dampfkessel als sogenannte Siederohre. Die Anfertigung ist eine
etwas abweichende, je nachdem sie dem einen oder andern der genann-
ten Zwecke dienen sf>llen.
In beiden Fällen dient ein möglichst weiches, gut seh weissen des
Puddeleisen, Frischfeuereisen oder auch wohl Bessemereisen als Material,
aus welchem flache Stäbe (Streifen oder Stripsen, englisch strips) ent-
weder durch Auswalzen in Kalibern oder durch Zerschneiden von Blechen
hergestellt werden. Ersteres billigeres Verfahren ist für Anfertigung
von Gasröhren, letzteres für Siederöhren üblich. Die langen Kanten
müssen durchaus sauber und glatt sein.
Schmiedeeiserne Köhren. 811
Fär die GaBröhreDfabrikatioii bringt man eine AiiEahl Streifen in
einen Sohweiasofen mit 5 bis 6 m langem , ca. '/t >» breitem Herde und
niedrigem Gewölbe, welcher mit Ungflammiger Kohle geheict wird , nm
eine möglichst gleichmSwige Erhitzung der langen Streifen zn bewir-
ken. In nnmittelbarer Nachbarachaft dieaea Ofens befindet atch eine
Scbleppsangenziehbank, gans tlhnlich der anf S. 53S abgebildeten,
doch m eisten B ohne den Dorn in der Ziehöffnnng. Letztere ist in
einer goeaeiaernen trichterartigen „Ziehdöte", auch „Becher" genannt,
Fig. 578, befindlich, welche eich raach in das Zieheiaen einsetzen
und behnf der Anawechaelnng wieder herananehmen lässt (vergl.
S. 536).
Wenn die Streifen im Ofen znr hellen Rotbginth erwärmt aind,
wird der erste heranagenommen , doa Ende desselben mit einem Holz*
Fig. 578,
hnmmer über einem Dorne dfltenartig nmgeklopfl, wie ea Fig. 579 dar-
stellt, dieses Ende durch das Ziehloch hin durchgesteckt und von der
Scbleppzange erfasat. In diesem Augenblicke wird die Zange in die
bereits in Umlauf befindliche Kette der Bank eingehängt und dadnrch
der ganze Streifen daroh die ZiehdQte hindurchgezogen. Hierbei rollt
sich derselbe natnrgemäsa zn einem Rohre msammen , indem die langen
Kanton atnmpf gegen einander gedrückt werden. Nun wird das Rohr
in den Scbweisaofen zurückgebracht und, während die übrigen in der-
aelben Weise gerollt werden, zur Schweisshitae erwärmt. Ist dieaea ge-
sobehen, so wird eine engere Dato in die Ziehbank eingesetzt, das Rohr
ans dem Ofen genommen and hindurch gezogen. In Folge des verklei-
nerten Durchmessers wird die Sahweiaafnge hierbei fest znaammenge-
- preset und der Dnrchmesaer entsprechend verkleinert. Nun kommt das
Rohr auf kurze Zeit in den Ofen zurück und zwar in umgekehrter Lage
als vorher, so dass das vorher dem Fuchse angekehrte und deshalb weni-
ger stark erhitzte Ende jetzt nach der Fenerbrücke zu gerichtet ist.
Inzwischen wird die Düte abermals mit einer engem vertauscht, und
dann das Rohr wiederum hindurchgezogen. Dieses Verfahren wird im
Ganzen ungefähr fünf Hai mit stetig abnehmender ZiehöFTnong wieder-
holt und durch das gleichzeitige Zusammenpressen der Fuge and Ans-
ziehen des Rohrs die Schweissung voUendeb
812 Spedelle Tedinologie.
Nach dem letztan Zuge wird das noch Ruhende Bc^ gerade ge-
richtet. Die hiem dienende Riehtmaachine besteht ans einer hcMrisoatal
liegenden, staricen, gnsBeisemen Richtplatte, oberhalb weldier eine sveite
gaaeeiaeme Phitte hin- nnd herbewegt wird und dadnrch das zwischen
beiden befindliche Bohr in rollende Bewegung veiBetzt. Die bew^-
liehe Platte ruht mit vier seitlich angebrachten Lanfradem auf zwei
Gnsseisenschienen , welche yon je zwei senkrechten starken Schranben-
spindeln getragen werden, so dass der Abstand beider Platten Ton
einander entsprechend dem äossem Durchmesser des zn richten-
den Bohrs dnrch Drehung der Spindeln mit Leichtigkeit geregelt wer-
den kann.
Schliesslich werden die Enden des Bohrs beschnitten nnd anf der
Schranbenschneidemaschine (s. nnten: Anfertigung der Schrauben) mit
Gewinde yersehen.
Dieses für Anfertigung von Gasröhren, welche nur schwachem
Drucke ausgesezt sind, ToUstandig ausreichende Yer&hren giebt bei
Anfertigung von Siederöhren für hohen Druck einen weniger befrie-
digenden Erfolg. Man pflegt deshalb die Herstellung dieser letzteren
in folgender Weise auszufuhren. Um die Schweissung zu erleichtem,
werden die langen Kanten der aus Blech geschnittenen Streifen schr&g
abgehobelt, so dass sie beim Zusammenrollen nicht stumpf gegen ein-
ander stossen, sondern sich auf einander legen (wie in Fig. 368 auf
S. 466) nnd dadurch eine breitere Fuge bilden. Zum Bollen der so
▼orbereiieten Streifen dient ein Glühofen nnd eine Schleppzangenzieh-
bank wie f&r die Gasrohre; die gerollten Bohre kommen nunmehr in ^
einen zweiten Ofen, um auf Schweisshitze erwärmt zu werden. Bis
hierher unterscheidet sich das Verfahren wenig Ton der Anfertigung
der Gasröhren; die nun folgende Schweissung aber geschieht nicht im
Ziehwerke, sondern im Walzwerke. Die Walzen desselben pflegen nur
je ein Bundkaliber zu besitzen, dessen Durchmesser gleich dem äussern
Durchmesser des Bohrs ist; die Bänder des Kalibers laufen nahezu auf
einander. Hierdurch entsteht eine scheibenartige Form der Walzen, wie
aus Fig. 581 hervorgeht. Der Durchmesser der Walzen ist 550 bis
650 mm, die Anzahl der Umdrehungen 60 bis 130, je nachdem dickere
oder weniger dicke Bohren gewalzt werden. In dem Kaliber der Wal-
zen, auf der Unterwalze lose aufiruhend, befindet sich ein in der Sehale
gegossener gusseisemer Dom a Ton der Form eines Paraboloids, der
an seiner dicksten Stelle auf etwa 10 mm Länge cylindrisch gedreht
und polirt ist, so dass der Durchmesser dieses cylindrischen Theils genau
dem innern Durchmesser des herzustellenden Bohres entspricht; der
Dorn ist an dem Ende einer Stange Bnndeisen befestigt, welche etwas
länger ist als das Bohr, und sich mit dem andern Ende gegen eine ver-
stellbare Platte stemmt. Das gerollte und zur Schweisshitze erwärmte
Bohr wird in der Bichtung des Pfeils in Fig. 580 gegen die Walzen ge-
Schmiedeeiserne Röhren. 813
fahrt, bebt dabei den Dom bo viel empor, als die WandeUrke betrftgt,
und wird dann in der ganzen L&nge aber denselben fortgeftlhrt. Dnrcb
den Druck der Walzen von anssen and dei Doms von innen wird die
Scbweiwang Tollendet. Das gegobweigste Rohr wird nnn abermals in einem
Fig. 580. Fig. 581.
GlQhofen anf Kirachrotbgluth erwärmt nnd mit der Scbleppzangenüieb-
banlc langsam dnrcb ein Ziehloch mit Bcharfer Kante (Hartgossring)
gezogen, dessen Dorcbmesser genau gleich dem äussern DnrchmesBer des
fertigen Rohre ist; hierbei wird der beim Waisen entstandene Glühspan
abgescbaht und die Oberfläche geglättet.
Die erkalteten Röhren werden durch Bearbeiten mit Holzhämmern
gerichtet and, nachdem die Enden auf der Drehbank abgedreht wor-
den sind, mit der Druckpumpe auf ihre Dichtigkeit and Festigkeit
geprüft!).
Beim Legen von schmiedeeiaemen Gaaleitangen sind Belbatveretänd-
lich ähnliche Fa^onstücke als f&r gnsseiseme Leitungen erforderlich, um
Rohrenden zu verbinden, rechtwinklige Erftmmungen hervorzubringen,
Abzweigungen anznlegan und dergleichen. Die Anfertigung dieser
Stücke, welche noch von manchen Fabriken geheim gebalten wird, giebt
ein anschauliches Beispiel, wie man oft mit sehr einfachen Hülfsmitteln
ftberraschende Erfolge erreichen kann; and ea soll deshalb die Darstel-
lungsweiss der übhchen aahmiedeeisemen Fagonstficke in Kurzem er-
läutert werden.
^) Die Fabrikation schmiedeeinemac DnmpfkesBeliiederÖkren , von C. von
Schwarz. Zeitschrift des berg- und hüttenmänaiscben Vereins ihr Bteiermark
und Kämtheti, Jahrgang ISTT, S. TT.
814 Specielle Technologie.
Die Anfertigung von Mafien snr Verbindung sweier Robrenden
btet«t DichU Besonderes. Han rollt ein entsprechendes Stüok Flacheisen
mit abgeschr>en Enden lOMmmen , schweisst die Enden über einem
Dorne nnd scbneidet Hchliesalicb das Gewinde ein. Redncttonsiunffen
(znr Verbindung zweier Röhrenden von rerschiedenen DnrchnietserD)
werden ebenso gefertigt nnd scUiesslicb an dem einen Ende Ober einen
zweiten engern Dom geticbmiedet.
Knie stücke. Die Fignren 562 bis 586 veranscbanlichen den
Gang bei der Herstellung derselben. Ein Stück Flacheisen wird Knnächet
wie in Fig. 582 ansgeschmiedet , die beiden mit xx bezeichoeten Ecken
^
zn danneren vorstehenden Lappen ansgestreckt, die gegen übe rtiegende
Seite yy des Rechtecks in der Mitte bei h mit einem Einschnitte ver-
sehen, die eine (linke) Hälfte desselben etwas verkOrzt, und scblieaslicb
beide Hälften an der Kante etwas abgeschrägt. Das so vorgerichtet*
und zur Rothglnth erwärmte Stück wird nun längs der Linie a & über
einen Dom gebogen und die abgeschrägten Kanten yhy um 90 Grad
einwärts gebogen, wodurch eine Form wie Fig. r>83 entsteht. Durch
fortgesetzte Biegung über dem Dorne, bis die Kanten yfcy über einander
greifen, entsteht die in Fig. 584 abgebildete Gestalt. Der bei h in Fig. 58d
gegebene Einschnitt verhütet hierbei eine zn starke Materialanhäofung
an dem Eckpunkte. Nun wird Schweisahitze gegeben , die beiden Lap-
pen xz werden einwärts über einander gezogen, wodnrch zwei cor-
respondirende Rohrstatzen entstehen, und mit Hülfe eines Doms nnd
Schmiedeeiserne Röbreo. 815
Setzhammera .wi» in Fig. 585 «UBgeBohmiedet. SchlieasHch wird du
Stück änsserlich im Gesenke nachgearbeitet, der Giahapan and Qrat
durch gröblichea Befeilen entfernt, die Kanten auf der Drehbank gerade
gedreht nnd das Schraubengewinde eingeschnitten (Fig. 586).
T-Stücke. Ein Stück Flacheisen wird dorch achrfiges Abhanen
der Ecken nnd Znachärfen der dadurch entstandenen Kanten ufo, xx u. s. f.
wie Fig. 587 geformt nnd dann über einem Dome längs der Linie ab
gebogen, so dass es die Gestalt Fig. 588 erk<. Indem man jetat die
Fig. 067. Kg. 588.
Kante te einwärts biegt nnd über die ebenfalla einwärts gebogene Kante
XX zieht (Fig. 589) nnd dann ebenao mit den gegenüberliegenden Kan-
ten yy and wk verfährt, wird der Stntzen gebildet, deaaenFngendann,
wie ea Fig. 590 zeigt, in Schweiaahitze über dem Dome mit dem Setz-
hammer vereinigt werden. Schliesslich wird das so entstandene T-Stück
im Gesenke vollendet, aof der Drehbank an den Kanten abgestochen
und mit Gewinde versehen (Fig. 591).
Kreninngsstücke. Znr Herstellung derselben schmiedet man
zonächst in ganz derselben Weise, wie soeben beschrieben wurde, ein
T-Stück, haut oder achneidet daaselbe an der dem Stntzen gegenüber-
liegenden Seite durch einen der Achse parallelen Schnitt (vergl. Figur
592, a. f. S.) der ganzen Länge nach auf, biegt die durch den Schnitt
getrennten Enden aof, so dass sie eine gerade Fläche bilden, anf weleher
der Stutzen a senkrecht steht, schmiedet die vier Ecken dieses Stückes
gerade so ans, wie diejenigen des Flacheisenstücks, Fig. 587, nnd erhält
816 Specielle Technologie,
dadurch ein eben solches Stück wie dieees, aar mit einem in der Hitte
desselbea befindlichen Kohrstntzen. Die weitere Ventrbeitnng stimmt
Fig. 592. Fig. 593.
6 ik
nun ganz mit derjenigen fiberein, dnrch welche ein T-StQck entstand.
Man biegt das Eisenstück nach -der dem Stutun entgegengesetzten Seite
Fig. 594. Fig. 595.
nm, legt erat ein Paar abgeschrägter Ecken ttber einander, wie in Figar
593, dann auch das gegenüberstehende Paar nnd bildet in aolcher Weise
einen neaen Stntzen (Fig. 594); nun wird gesobweisst and fibrigeua
gkuz ebenso verfahren wie bei den übrigen Stücken.
Knpferröhren.
Die einfachste DarsteUangs weise von Kupferriibren ist die, dass man
einen Streifen Kupferblech zusammenrollt, die Fuge verlöthet und das
in dieser Weise enistandeue Rohr auf der Schleppzangenziehb&nk ohne
starke Streckung auszieht, am es au richten nnd insbesondere, nm eine
Tollständige Rundung hervorzubringen.
Solche Röhren sind aber nicht ^r alle Fälle zu gebrauchen ; ins-
besondere dann nicht, wenn eine bedeutende Dichtigkeit und Feetigkeit
verlangt wird, weil die gelöthete Stelle in dieser Beziehung niemals eine
vollkommene Sicherheit bietet. Auf dieser Th&tsaobe beruht die An-
fertigung der sogenanaten Enpferrdhren ohne Naht. Dieselben lassen
sich in zweierlei Weise darstellen.
Kupferröhren. 817
Bei der altem einfachem Methode giesst man einen hohlen Enpfer-
cjlinder mit dicker Wan^st&rke und streckt denselhen durch Ausziehen
auf der Schleppzangenziehbank oder im Böhrenwalzwerke wie es für ge-
Bchweisste Eisenrohre benutzt wird. Die bekannte Schwierigkeit jedoch,
aus Kupfer blasenfreien, dichten Guss zu erhalten, bildet eine schwache
Seite dieses an und fiLr sich einfachen Arbeitsverfahrens. Auch die An-
wendung eines hohen verlorenen Kopfes erfüllt in diesem Falle den Zweck
nur unvollkommen. Ein anderer angewendeter Kunstgriff, um dichten
Gnss zu erzielen, ist der, dass man die offene Oussform zunächst ohne
Kern mit flüssigem Metalle anfüllt und dann erst von oben her den
Kern einsenkt; oder man giesst einen vollen Gylinder und bohrt die
Höhlung nach dem Erkalten aus. Letzteres Verfahren dürfte zwar das
sicherste sein, giebt aber einen erheblichen Abfall von zerspantem
Metall.
Dieser Uebelstand gab Veranlassung zu der Einführung eines*
zweiten Verfahrens, auf der Umformung des schon gehämmerten und
dadurch verdichteten Kupfers im ungeschmolzenen Zustande beruhend.
Aus höchstrafßnirtem, reinem, also dehnbarem Kupfer stellt man durch
Bearbeitung im Kupferhammer kreisrunde flache Scheiben von 15 bis
20 mm Stärke dar mit einem runden Loche in der Mitte, dessen Durch-
messer etwas kleiner ist als die lichte Weite des Rohres werden soll.
Diese Kupferscheiben bilden das Material fär die fernere Verarbeitung.
Die Umformung derselben durch Aufziehen — Aufbiegen des Randes —
zu rÖhrenf5rmigen Körpern wird genau in der auf Seite 178 beschrie-
benen Art und Weise vorgenommen. Eine hydraulische Presse mit einer
Leistung von 300 Atmosphären Druck nebst einer Anzahl entsprechend
geformter Stempel und Matrizen dient als mechanisches Hilfsmittel fELr
die Formgebung. Denkt man sich die in den Figuren 378 und 379 auf
Seite 478 abgebildete Scheibe in der Mitte gelocht, so kann Fig. 378 die
gehämmerte Materialscheibe vorstellen, während Fig. 379 das erste
Stadium der Umformung veranschaulicht und Fig. 380 die Art und Weise
vergegenwärtigt, in welcher diese Umformung vorgenommen wird. Die
durch das einmalige Pressen mit aufgebogenem Rande versehenen Kupfer-
Bcheiben haben in Folge dieser Formveränderung an Dehnbarkeit ver-
loren und kommen aus diesem Grunde in einen Glühofen, um auf Roth-
gluth erhitzt und dann in Wasser abgelöscht zu werden, wodurch sie
ihre frühere Dehnbarkeit wieder erlangen. Inzwischen werden der an
der Kolbenstange befestigte Stempel und die Matrize der hydraulischen
Presse mit etwas kleineren im Durchmesser vertauscht. Li Folge hiervon
entsteht bei der nun folgenden zweiten Pressung ein höherer Rand und
verkleinerter Durchmesser des Kupferringes. Es folgt abermaliges Aus-
glühen und abermaliges Auswechseln von Stempel und Matrize. Dieses
Verfahren wird so lange fortgesetzt, bis ein röhrenförmiger Körper von
22 bis 30 mm innerm Durchmesser aber bedeutend grösserer Wandstärke
und geringerer Länge entstanden ist, als das fertige Rohr besitzen soll.
Ii e d 0 b n r , maelumiBeh-metalliszgiMbe Technologie. 52
818 Specielle Technologie.
Eine der wichtigsten Bedingungen fnr das Gelingen dieser Arbeit
ist — natürlich neben der erforderlichen Gdte.des Kapfers — die rich-
tige Abstufung in den Dorchmessem der sor Anwendung kommenden
Stempel nebet Matrizen, weil sn starke üebergänge Faltenbildong oder
Zerreissen, zu sehwache Yerthenerang der Arbeit sor Folge haben
würden.
Das so weit fertige dicke Rohr wird nun nach dem lotsten Aas-
glühen mit Hilfe der aof S. 532 abgebildeten Schleppsangenxiehbank
gestreckt and in seiner Wandstärke Terdünnt. Za diesem Zwecke schiebt
man den Dom n nach rechts, 1^ das Rohr swisehen der Hatte o and
dem Zieheisen ein, schiebt den Dom, welcher cor Begrensong des Darch-
messers im Lichten dient, sammt seiner Stange bis an das Tordere Ende
des Rohres, so dass er die in der Abbildong ersichtliche Lage erhalt and
dort darch den am andern Ende seiner Stange befindlichen, gegen o
sich legenden Kopf festgehalten wird, and sieht non das Rohr in seiner
ganzen Lange darch das Eisen hindorch. Zorn Erfassen des Rohrs mit
der Zange steckt man einen schmiedeeiaemen Kloben in die Tordere
Oeffnnng desselben, welcher sich hinter den beim Pressen gebliebenen
Rand des Rohres legt and in solcher Weise dasselbe hinter sich drein
zieht. Das Ziehen wird so lange mit immer kleiner werdender Zieh-
ofTnang wiederholt, bis der gewünschte Durchmesser erreicht ist.
Blei- and Zinnröhren.
Dieselben lassen sich ebenso wie Kupferröhren darch Ausstrecken
eines gegossenen dicken Hohlcylinders auf der Ziehbank oder im Walz-
werke darstellen. Diese ältere Methode hat jedoch längst einem Ver-
fahren Platz gemacht, welches als ein interessanter Uebergang zwischen
der Formgebung im geschmolzenen und der Formgebung im ungeschmol-
zenen Zustande eine etwas ausführlichere Besprechung verdient.
Fig. 596 stellt den für die Anfertigung dienenden Apparat —
die Bleiröhrenpresse — dar. a ist ein hydraulischer Gylinder mit dem
Kolben b, und durch das rechts erkennbare Druckrobr erhält derselbe
Ton einer in dem Arbeitsraume aufgestellten doppelt wirkenden Druck-
pumpe aus das Betriebswasser, welches den Kolben empordrückt und
nach beendigtem Hube durch das Gewicht desselben wieder zorück-
gedrückt wird, sobald man das betreffende Ventil öffnet. Der von dem
Kolben ausgeübte Druck muss bis 150 000 kg betragen können. Oberhalb
des Kolbens und mit demselben aus einem Stücke gegossen befindet sich
ein zweiter Kolben c von kleinerm Durchmesser, welcher in dem glatt
ausgebohrten, zur Aufnahme des flüssigen Metalls bestimmten Cylinder
d sich bewegt. An dem obem Ende dieses Kolbens ist genau centrisch
ein Stahldom e eingesetzt, dessen Durchmesser gleich dem innem Durch-
messer des anzufertigenden Rohrs ist. Zu oberst ist der Cylinder d durch
Bleiröhren. 819
fliDen gleichfalls znin Anawechseln eingerichtet«!! Deckel / mit einer cen-
triscben trichterartigen Oeffonng geacliloflsen , deren Icleiuster Dnrch-
mesBer dem Koasern DnrclimesBer des anzufertigenden Rohres entapricbt.
Zar Aufnahme dea ausgeübten Dmcks dient BchliesBlich der oberhalb des
Deckels / befindliche Preasfaolm i mit entsprechend weiter Dnrohganga-
Sffnang für das entstehende Rohr, welcher durch zwei krftftige Schrauben
Pig. 596.
mit dem Prencylinder verbanden ist und sich ohne HQhe entfernen l&sst,
damit der Cylinder d sugänglicb bleibe. Znr ünterstQtsnng des Cylin-
den d dient schlieulicb der in der Uitte swischen Presscytinder nnd
Preisholm eingeschaltete gnsseiseme Tisch t.
Bei einer andern für die Handhabung vielleicht bequemem Con-
strnction dieser PreBsen befindet, «ich der Preesbolm nnterbalb des
Cjlinders d an Stelle des Tischee, so dass der Cflinder frei steht nnd
820 Specielle Technologie.
leichter zugänglich ist; selhstverstandlich muss hierbei für eine genü-
gende Befestigung des Cy linders auf dem Holme sowie. des Deckels auf
dem Cylinder gesorgt werden, um ein Abreissen durch den Druck des
Kolbens unmöglich zu machen.
Wenn die Arbeit beginnen soll, wird der Cylinder d mit geschmol-
zenem Metalle gefüllt und die Presse in Bewegung gesetzt. Der Kolben
steigt empor und drückt das Metall in ununterbrochenem Strome durch
die ringförmige Mündung zwischen der Oefihung des Deckels / und dem
Dorne e heraus. Hierbei ist es nun von Wichtigkeit, dass das Metall,
im Innern des Cy linders flüssig, im Augenblicke des Herauskommens
erstarre, um seinen Zusammenhang zu bewahren, eine Bedingung, die
sich bei einiger Üebung ohne Schwierigkeit erfüllen l&sst. Die Länge
des bei einem Hube der Maschine entstehenden Rohrs ist natürlich ab-
hängig Von seinem Durchmesser, seiner Wandstärke und dem cubischen
Inhalte des als Behälter dienenden Cylinders d. Je kleiner der Durch-
messer und die Wandstärke sind, desto grösser fallt die Länge aus, und
man hat in dieser Weise 6 mm weite Bohren in einer Länge bis zu 250 m
dargestellt. Oberhalb der Presse pflegt eine Trommel mit horizontaler
Achse aufgestellt zti sein, auf welcher das herausgekommene Bohr auf-
gewickelt wird. Die Bewegungsgeschwindigkeit des letztem verhält sich
zu deijenigen des Kolbens wie die Länge des Rohrs zu der Hubhohe;
hieraus folgt schon, dass die Kolbengeschwindigkeit eine verzögerte sein
muss, so dass man durchschnittlich 30 Minuten als Zeitdauer eines Hubes,
entsprechend der Anfertigung eines Rohres, rechnen kann. Damit nun
während dieser Zeit das im obem Cylinder eingeschlossene Metall nicht
vorzeitig erstarre, ist derselbe von einem Kohlenbehälter g eingeschlossen,
welcher mit glühenden Holzkohlen angefüllt wird, um den obem Theil
des Cylinders (in welchem das Metall vor dem Heraustreten sich befindet)
warm zu erhalten.
Wenn der Hub beendet ist, zieht man das Ende des Rohrs von dem
aus dem Holme vorstehenden Dome ab, lässt den Kolben sinken und
füllt den Cylinder d mit frischem Metalle, um in derselben Weise ein
neues Rohr zu fertigen.
Bisweilen werden innen oder aussen verzinnte Bleirohre verlangt,
um sie vor chemischen Einwirkungen zu schützen. Die Verzinnung lässt
sich sehr leicht mit der Darstellung verbinden. Man schmilzt das Zinn
und giesst eine genügende Menge desselben, sofern die Verzinnung im
Innern des Rohres statthaben soll, beim Herauskommen des Rohrs in
die Mündung desselben, wo es, da der Dom das Hinunterfallen in den
Cylinder verhindert, wie in einem Gefasse eingeschlossen ist. Die Innen-
fläche des Rohres tritt also in demselben Augenblicke, wo sie von dem
langsamer fortschreitenden Dorne abgleitet, mit dem flüssigen Zinn
in Berührung und überzieht sich hierbei mit einer dünnen Zinnschicht-.
Soll dagegen die Aussenseite verzinnt werden, so giesst man das flüssige
Zinn auf den Holm rings um das austretende Rohr. Der niedrigere
Schrauben und Schraubenmuttern. 821
Schmelzpunkt des Zinns ermöglicht es bei diesem Verfahren, dass das-
selbe durch die stetig emenerte Berührung mit dem heissen Rohre flüssig
erhalten wird, ohne das Bohr selbst wieder zum Schmelzen zu bringen.
Anfertigung der Schrauben und Sohraubenmuttem.
Aus giessbaren Metallen lassen sich Schrauben und Muttern ohne
Weiteres durch Giessen herstellen; doch sind diese Fälle im Allgemeinen
nicht häufig. Bei Anwendung von Sand- oder Masseformen ist es un-
möglich, den Schraubengewinden denjenigen Grad yon Genauigkeit zu
geben, welcher für alle feineren Schrauben erforderlich ist; beim Giessen
in starren Gussschalen würde bei allen stärker schwindenden Metallen
ein Abreissen der Gewinde zu befürchten sein, bevor der Abguss aus der
Form entfernt werden kann. Grobe Pressschrauben für Saftpressen und
dergleichen aus Gusseisen oder Bronze giesst man in Masse- oder Lehm-
formen nach einem Modelle oder auch ohne Modell mit Hilfe von
Schablonen; Zinnschrauben (meistens als Verschlüsse dienend) giesst man
in gusseisernen oder messingenen Gussformen, weil der geringe Schwin-
dungscoefßcient und die Nachgiebigkeit des Zinns ein Zerreissen nicht
befürchten lassen, und erreicht dabei, wenn die Gussform genau gear-
beitet ist, scharfe und ausreichend genaue Gewinde. Auf Seite 306
wurde bereits erörtert, wie man beim Gusse solcher Zinnschrauben durch
Anwendung des sogenannten Heissgusses und Abkühlung der Form von
aussen die Entstehung scharfer Schraubengänge und dichten Gusses be-
fördere.
Für die überwiegend grösste Zahl der überhaupt im technischen
Leben zur Verwendung kommenden Schrauben bildet aus naheliegenden
Gründen schmiedbares Eisen (Feinkorneisen oder weicher Stahl) das
Material, und für diese ist schon in Rücksicht auf die Arbeitseigen-
schaften des genannten Metalls die Anfertigung durch Giessen ausge-
schlossen. Durch Schmieden im Gesenke lässt sich eine Schraube dar-
stellen; dieselbe leidet aber an dem nämlichen Fehler als die durch
Giessen angefertigte, nämlich einer unvermeidlichen Ungenanigkeit der
Gewinde, und daher kann auch diese Methode nur für ganz rohe Formen
in Anwendung kommen.
In den allermeisten Fällen wird die Anfertigung der Schraube durch
Einschneiden des Gewindes an dem Umfange eines vollen Cy linders, die
Anfertigung der Schraubenmutter durch Einschneiden des Gewindes an
der Innenfläche einer entsprechend weiten Cylinderöflnung mit Hilfe ge-
eigneter Werkzeuge oder Maschinen bewirkt, und auf diese Weise ist es
allein möglich, den Schraubengewinden den für die meisten Zwecke
erforderlichen Grad von Genauigkeit zu geben.
Bevor die verschiedenen für die Herstellung der Schraubengewinde
durch Schneiden benutzten Verfahrungsweisen besprochen werden können,
822 Specielle Technologie.
wird es erforderlich sein, auch anf die voransgehende Formgehong, durch
welche der Schranbenholzen beziehentlich die Schranbenmaiter ihre erste
äussere Form erhalten, einen Blick zu werfen ; und zwar sind hierbei vor-
zugsweise diejenigen Schrauben ins Auge gefasst — ^ und diese bilden
die Mehrzahl aller überhaupt benutzter Schrauben — , welche zur Ver-
bindung zweier getrennter Stücke dienen sollen, bei denen also die
Mutter in Rücksicht auf ihre Drehung durch den Schraubenschlüssel
sechsseitig prismatische Form zu besitzen pflegt, während die Schrauoe
mit einem gleichfalls sechsseitigen oder häufiger vierseitigen Kopfe
versehen ist.
Bei der Anfertigung im Einzelnen werden die Schraubenbolzen und
Muttern mit dem Handhammer geschmiedet. Gewöhnlich benutzt man
zur Herstellung der Bolzen einen Rundeisenstab von der Stärke, welche
der rohe Schraubenbolzen erhalten soll, rollt ein Stück Flacheisen zu
einem Ringe zusammen, schweisst denselben auf das Ende des Rund-
stabes, schmiedet ihn in einem Gesenke vier- oder sechskantig aus und
haut dann den Bolzen in entsprechender Länge von dem Stabe ab. Bei
kleineren Schrauben schmiedet man auch wohl aus einem Eisenstücke,
welches den Querschnitt des Kopfes besitzt, durch Ansetzen und Strecken
(S. 464) den Schaft ans; oder man dreht, insbesondere wenn sehr genaue
Arbeit verlangt wird, auf der Drehbank so viel Metall unterhalb des
Kopfes ab, bis die Schaftstärke herauskommt. Geschmiedete Schrauben-
muttern werden in ganz ähnlicher Weise gefertigt wie die geschmiedeten
Bolzen, nur benutzt man statt des Rundeisens einen eisernen Dom,
welcher, nachdem der Ring zusammengeschweisst und im Gesenke ge-
schmiedet worden ist, herausgeschlagen wird und somit das durchgehende
Loch in der Mutter zurücklässt. Sehr grosse Schraubenmuttern schmiedet
man dagegen massiv und bohrt die Oeffnung hindurch.
So vollkommene Resultate hinsichtlich der Qualität der dargestellten
Waare diese Handarbeit auch zu liefern im Stande ist, so ist sie in den
Fabriken, welche die Anfertigung von Schraubenbolzen und Muttern
als Specialität betreiben, doch meistens durch Anwendung von Maschinen
verdrängt« Dieselben sind theils Schmiedemaschinen nach Art der auf
Seite 459 und 460 abgebildeten, mit Gesenken, in welchen die Form des
Bolzenkopfs oder der Mutter ausgebildet wird, und einem Paar Meeser
(Schrotmeissel), welche das fertige Schmiedestück von der als Material
dienenden Stange trennen ^), oder häufiger Pressen, deren Stempel durch
ein Excenter oder durch hydraulischen Druck bewegt werden, welche das
schweisswarme Ende des hineingesteckten Bolzens stauchen und durch
densdben Druck mit Hilfe eines passenden Gesenkes (Matrize) zu dem
Kopfe ausbilden. Eine solche Maschine liefert täglich (in zehn Arbeits-
stunden) 3000 bis 8000 Schraubenbolzen.
^) AbbilduDgen einer solchen SchnüedemaBchine für Bolzen und Mutteni
in Dingler*s polytechnischem Journal Bd. 196, S. 500.
Schrauben und Schraubenmuttern. 823
Die Schraabenmattem dagegen werden häufig durch Abschneiden
von entsprechend fa^onnirtem gewalztem Eisen hergestellt, wie es
Fig. 697 darstellt. Der betreffende Quadrateisenstab wird roth-
glühend in periodischen Kalibern zu der skizzirten Form ausgewalzt,
durch Schnitte nach den punktirten Linien die Muttern losgetrennt und
gelocht. Auch durch Ausstossen aus dem vollen Eisenstabe oder Bleche
lassen sich Muttern herstellen, immerhin aber nicht ohne Materialverlust
Yig^ 597. durch Schrote, während
in der skizzirten Weise
aller Verlust vermieden
wird.
Endlich lassen sich auch
aus Sechskanteisen durch
Schnitte, welche rechtwinklig gegen die Achsenrichtung geführt werden,
Muttern abtrennen, die entweder nachträglich gebohrt und weiter bear-
beitet werden oder auch schon vor dem Lostrennen durch Bohren etc.
der ganzen Stange ihre Form erhielten.
Die geschmiedeten, geprägten etc. Schraubenbolzen werden, wenn
sehr genaue Arbeit erforderlich ist, insbesondere auch, wenn flache
Schraubengänge geschnitten werden sollen, zur Herstellung genauer
Gylinderflächen auf der Drehbank abgedreht, die Muttern mit der Reib-
ahle ausgeräumt; für gewöhnliche Zwecke, insbesondere bei Anfertigung
von Yerbindungsschrauben, ist diese Arbeit meistens entbehrlich und
man geht ohne Weiteres daran, das Gewinde zu schneiden.
Für diesen Zweck dient, wie bei allen Trennungsarbeiten, ein stäh-
lernes Werkzeug, von Hand oder durch Maschinen geführt, mit entspre-
chender Schneidkante versehen; zwischen Arbeitsstück und Werkzeug
ist, wie gewöhnlich, eine doppelte Bewegung erforderlich, eine Drehung
als Hauptbewegung und ein ununterbrochen thätiger Vorschub als
Schaitbewegung. Das Verhältniss zwischen beiden Bewegungen oder mit
anderen Worten das Maass der Schaitbewegung während eines einmaligen
Umgangs bestimmt die Ganghöhe der Schraube und Mutter. Die Form
der Schneide, entspricht hierbei gewöhnlich dem Profile eines Schrauben-
gängs; sie ist spitz, aus zwei unter einem Winkel von 53 bis 60 Grad
zusammentretenden Schneidkanten gebildet (Fig* 430 auf S. 554) für
sogenannte scharfe Gewinde; rechtwinklig, aus drei unter rechten Winkeln
zusammentretenden Sohneidkanten bestehend (wie in Fig. 429 auf
S. 554) für sogenannte flache Gewinde ^).
Nun ist aber die Tiefe des Schraubengangs meistens eine solche,
dass es ans früher erörterten Gründen unzweckmässig sein würde, durch
1) Bei der sogleich zu besprechenden Anwendung der Feile zum Einarbeiten
der Schraubengewinde findet von dieser Begel insofern eine Ausnahme statt,
als hier nicht die Fonn des einzelnen Zahns, sondern die Form der mit Zähnen
besetzten Fläche und die Art der Handhabung der Feile das Profil des Schrau-
bengewindes ausbildet.
824 Specielle Technologie.
Abnahme eines einzigen starken Spans dasselbe auszuarbeiten und man
es meistens vorzieht, mehrere schwache Späne nach einander loszutrennen,
bis die erforderliche Gangtiefe erreicht ist. Zu diesem Zwecke lässt man
entweder das Werkzeug nach beendigtem einmaligen Durchgange eine
Ruckbewegung normal gegen die Fläche des Arbeitsstacks und dacn
einen zweiten Schnitt ausfCkhren; oder man versieht das Werkzeug nh
mehreren nach einander zur Wirkung gelangenden Schneiden, deren
folgende stets um das Maass einer Spanstärke länger ist als die voraus-
gegangene, so dass bei der Arbeit unmittelbar ein Span nach dem andern
losgetrennt wird. Selbstverständlich müssen in diesem Falle die auf ein-
ander folgenden Schneiden um das Maass der Ganghöhe von einander
entfernt sein, welche die anzufertigende Schraube oder Mutter
erhalten solL
Die gebräuchlichsten zum Schneiden der Schraubengewinde ange-
wendeten Werkzeuge und Geräthe sind folgende.
Die Feile (nur üXt Schraubenspindeln, nicht für Schraubenmuttern
verwendbar). Auf der Aussenfläche des cylindrischen Stifts (der Spindel,
des Bolzens) wird mit der Reissnadel die Schraubenlinie angezeichnet
und dann mit einer dreikantigen Feile das Gewinde längs dieser Linie
eingefeilt. Das Verfahren ist zeitraubend und auch in Rücksicht auf die
Kostspieligkeit der Feile nicht billig; dennoch findet es nicht seltene
Anwendung, wenn einzelne Holzschrauben (welche in Holz eingeschraubt
werden, also keine Mutter erhalten) gefertigt werden sollen; z. B. in
Eisengiessereien für das Herausheben hölzerner Modelle und dergleichen.
Flg. 598.
Das Bchneideisen oder die Schneidklinge Fig. 598. Eine flache
gehärtete Stahlplatte, 50 bis 150 mm lang, 15 bis 50 mm breit mit einem
Stiele an einer oder auch an beiden Seiten enthält eine Anmihl dnrrli-
gehender kreisrunder Löcher von verschiedenen DurchmesBem mit
Muttergewinde; und zwar sind dieselben derartig angeordnet, dass die
feinsten am vordem Ende des Schneideisens » wo dasselbe die geringet^
Stärkeabmessung besitzt, die gröbsten am Stielende sich befinden, bis
wohin das Schneideisen keilartig stärker wird. Erfahrungsgemäss soll
nämlich jedes Schraubenloch drei bis höchstens fllnf Schraubenginge
enthalten. Da aber die Feinheit des Gewindes mit dem Lochdurchmesstf
ab- und zunimmt, muss, damit jener Bedingung genOgt werde, auch dje
Stärke der Platte zu dem Lochdurchmesser in bestimmtem Yerhältnis»
stehen und beträgt Vs his Vi desselben. Um Schneidkanten zu büdes
und zugleich das Austreten der Spänchen zu ermöglichen, sind dk
Schrauben und Schraubenmuttern. 825
grösseren Löcher meistens mit zwei radial gerichteten seitlichen Ein-
schnitten versehen; bei den kleinsten Löchern fehlen dagegen gewöhnlich
diese Einschnitte. Bei der Benntznng legt man das Schneideisen mit
der entsprechend weiten Oeffhnng in horizontaler Lage auf die im
Schraubstocke aufrecht befestigte, mit Oel benetzte Spindel (Draht) und
dreht sie, anfänglich mit schwachem Drucke, im Kreise herum; oder man
erfasst die Spindel mit dem Feilkloben und dreht sie in dem festgehal-
tenen Schneideisen. Es ist einleuchtend, dass innerhalb derjenigen Löcher
des Schneideisens, welche jene erwähnten Einschnitte an der Seite nicht
besitzen, auch von einem eigentlichen Schneiden gar nicht die Rede sein
kann, die Gewinde vielmehr fast nur durch Pressen ausgebildet werden,
indem die erhabenen Gänge des Werkzeugs sich in das Material ein-
drücken, dasselbe zur Seite schieben und so das Profil des Schrauben-
gangs erzeugen; die trotzdem entstehenden Spänchen werden vorzugs-
weise durch die Unebenheiten in den Schraubengängen des Werkzeugs
losgetrennt. In Folge dieses Vorgangs wird der äussere Durchmesser
der erzeugten Schraube etwas grösser ausfallen als derjenige der be-
nutzten Spindel. Aber auch in jenen Schraubenlöchern, welche durch die
radialen Einschnitte Schneidkanten erhalten hatten, ist die Wirkung der
letzteren in Rücksicht auf den stumpfen Schneidwinkel keineswegs kräftig.
Daher ist das Schneideisen nur zur Herstellung feiner Schraubengewinde
an dünnen Spindeln zu gebrauchen — für diese sogar unentbehrlich —
und man rechnet 5 mm Durchmesser der Schraube als das Maximum, bei
welchem das Schneideisen noch Verwendung finden kann.
Die Schneidbacken oder'Schraubenbacken. Dieselben können
als eine durch zwei oder drei senkrechte Schlitze in eben so viele
Theile zerlegte Schraubenmutter aus gehärtetem Stahle gedacht werden,
wobei an den Darchsohnittsstellen jener Schlitze mit der Innenfläche der
Mutter Schneidkanten gebildet werden. Hierbei ist nun zu beachten,
dass eine grosse Länge der Schneiden (in der Bewegungsrichtung ge-
messen) nicht allein überflüssig ist, sondern durch erhöhte Reibung sogar
nachtheilig wirkt, es also zweckmässig ist, durch grössere Breite der
Einschnitte, wodurch zugleich das Austreten der Spänchen erleichtert
wird, die Schneiden zu verkürzen. Man giebt also bei einer Theilung
durch zwei Schnitte jeder der entstehenden beiden Backen einen Bogen
von 90 bis 120 Grad. Vortheilhafter ist es jedoch, statt der zwei Backen
deren drei, also ebenso viele Einschnitte anzuwenden, wodurch nicht
allein die Reibungsfläche zwischen Werkzeug und Arbeitsstück noch
mehr verringert und das Austreten der Späne noch mehr erleichtert,
sondern auch die Genauigkeit des Schneidens befördert wird, da jetzt
drei Angriffspunkte vorhanden sind, welche den Kreis festlegen. In
diesem Falle genügt es, den Schneiden Bögen von 10 bis 35 Grad zu
geben.
Die Nothwendigkeit, die Schneiden einander nach beendigtem ein-
maligem Schnitte zu n&hem, um einen zweiten Schnitt auszuführen, ist
826 Specielle Technologie.
die Veranliissiuig, daas zwei« beziehenÜich drei Tollständig selbBtatändige,
durch jene Einschnitie oder Furchen von einander getrennte Theile,
welche ehen Backen genannt werden, erforderlich sind; um jedoch das
Schneiden noch femer zu erleichtem, ist es, besonders bei Anwendung
Ton nur zwei Backen, ablich, jede derselben mit noch einem kurzem,
in dem ToUen Metalle ausgespartem Einschnitte zu Tersehen (aa in
Fig. 599 Ä). Legt man die Begrenzungslinien der die Schneidkanten
Für. 599. erzeugenden fanschnitte
(in Fig. 599 die kurzen
Linien xy) radial, so wird
der Schneidwinkel = 90
Grad, die Wirkung mithin
eher schabend als schnei-
\ /' dend. Zweckmässiger
^"A^'' dürfte es daher sein, eine
^ Zuschärfung des Schneid-
winkels anzubringen,
indem man den Einschnitt
durch eine Sehne begrenzt, wie es die Linie vn in Fig. 599 B andeutet
Die Schneidbacken für flache Gewinde pflegen 5 bis 6, diejenigen
für scharfe Gewinde 6 bis 15 Schraubengänge über einander zu enthalten.
Der Hauptschnitt wird also nur durch die Schneide des untersten Ganges
ausgeführt; die folgenden Gänge laufen in dem entstandenen Einschnitte
weiter und sichern dadurch die normale Vorwärts- (Schalt-) bewegung der
Backen gegen das Arbeitsstück. An denjenigen Stellen des durch die
erste Schneide erzengten Gewindeganges, wo der Schnitt unvollkommen
ausgefallen war, kommen jedoch auch die Schneiden der oberen Gänge
zum Angriffe, abermals Spänchen abnehmend und die Arbeit veryoU-
kommnend.
Der Hauptyortheil der Schneidbacken gegenüber dem Schneideisen
liegt in ihrer Yerstellbarkeit gegen einander, welche es möglich macht,
durch mehrere nach einander aasgeführte Schnitte mit immer mehr ge-
näherten Schneiden weit tiefere Gewinde als mit jenem zu schneiden.
Diese Eigenthümlichkeit macht die Backen (nebst dem sogleich zu be-
sprechenden Geräthe zur Handhabung derselben) zu dem am meisten be-
nutzten Werkzeuge beim Schneiden von Schrauben mittlem Durch-
messers; eben jene nothwendige Verstellung der Backen gegen einander
büdet aber eine Ursache, dass vollständig genaue Gewinde mit Hilfe der
Backen nicht geschnitten werden können. Es wird dieses sofort ein-
leuchten, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Steigungswinkel des
SchraubengangB, welchen die Schneide der Backen auf dem Umfange der
Schraubenspindel beschreibt, immer grösser wird, je tiefer die Schneide
eindringt, je näher die Backen einander gestellt werden; denn da die
Höhe des Ganges stets dieselbe bleibt, die Länge des Wegs der Schneide
bei einmaligem Umgange aber immer kürzer wird, muss der Steigt&ngs-
Schrauben und Schraubenmuttern. 827
winkel wachsen. Wenn r der Halbmesser der Spindel bis an die Innen-
kante des Gewindes (Halbmesser des Kerns), 8 die Tiefe des Gewindes,
also r -{- 8 der Halbmesser bis an die Anssenkante des Gewindes, und h
die Höhe des Scbraubengangs ist, so ist die Tangente des Steigungs-
winkels a der Schneide beim Beginne des Schnitts
h
^ 2 (r +- »)ä
und die Tangente des Steigungswinkels ß bei Vollendung des Gevrindes
Je tiefer der Schraubengang (je grösser s) und je bedeutender die
Höhe ist, desto merklicher wird dieser Unterschied ausfallen; also bei
Schrauben mit mehreren Gängen und mit flachem Gewinde empfindlicher
sich zeigen als bei den gewöhnlichen eingängigen Schrauben mit
scharfem Gewinde. Beispielsweise möge erwähnt werden, dass bei einer
Schraube mit flachem Gewinde von 24 mm äusserm, 18 mm Kerndurch-
messer und auf 24 mm Länge mit vier Schraubengängen der Unterschied
des Steigungswinkels IV2 Grade, bei scharfem Gewinde mit acht Gängen
auf 24 mm Länge Y2 Grad beträgt ^}.
Zur Befestigung beziehentlich auch Bewegung der Schneidbacken
bedarf es einer Vorrichtung, mit deren Hilfe man zugleich im Stande
sein muss, die Näherung derselben gegen einander nach einmaligem
Schnitte auszuführen. Für Handarbeit dient für diesen Zweck die Kluppe,
Schraubenkluppe oder Schneidkluppe. Dieselbe wird durch einen Rahmen
aus Schmiedeeisen oder Messing gebildet, mit einer oder häufiger zwei
Handhaben versehen, in welchen die Backen sich leicht in entsprechender
Lage einsetzen und mit Hilfe von Führungsleisten in derselben Ebene
gegen einander verschieben lassen. Eine für zweibackige Klappen ge-
bräuchliche, wenn auch nicht gerade sehr vollkommene Einrichtung der
Kluppe ist in Fig. 600 (a. f. S.) abgebildet und wird einer Erläuterung nicht
bedürfen. Die Druckschraube, welche gegen die eine Backe drückt, dient
zur Verstellung derselben nach jedem Durchgange. Abweichende Con-
structionen sind zahlreich. Bei drei- und mehrbackigen Klappen ist es
von Wichtigkeit, die concentrische Stellung der Backen gegen einander
bei der Verstellung zu sichern. In recht hübscher Weise wird dieses
Problem in einer von S. £. Reinecker in Chemnitz verbesserten
Schneidkluppe gelöst'), deren Einrichtung dem Principe des Schneid-
kopfs der unten beschriebenen Seilers' sehen Schraubenschneidmaschine
nachgebildet ist. Auf den Backen liegt nämlich eine drehbare kreisrunde
Scheibe; die schmalen Backen haben jede einen concentrischen kreis-
^) Karmarsoh-Hartig, Mechanische Technologie, Bd. 1, 8. 329.
') Beschrieben und abgebildet in Dingler*8 polytechnischem Jonmal
Bd. 223, S. 569.
828 Specielle Technologie.
bogenfSnnigeii Eüiuehiiitt an der gegen die Seheibe gericEitateii Seite,
and in jeden dieser Einschnitte greift eine an die Seh«tbe angegoasene
längere kreisbogenfSrmige »her excentrioche Leiste. Ea iat eraichtlich,
daos bei Drehung der Scheibe gleichndeaige Teradüebong der Backen
nach ein< oder aosw&rta stattfinden wird.
Fig. 600.
Beim Schneiden mit der Schranbenklnppe wird gewöhnlich der za
schneidende Schranbenbolzen aenkrecht in den Schraabetock eingespannt,
das obere Ende desselben zwischen die Backen der Kloppe geklemmt und
non dieselbe, anfänglich nnter sanftem Dmcke, gedreht. Sobald erst ein
Oang geschnitten ist, nimmt sie von seihst die richtige Scbraabenbewe-
gnng an. Znr Erleicfatentng des Schneidens wird die Spindel mit Oel
benetzt. let die Klnppe am Ende des Gewindes angelangt, so dreht man
zarflck, n&hert die Backen eioandernnd beginnt einen neuen Schnitt; a.s.t
Bei fabrikmäBsiger Anfertigang von Schrauben ersetzt man die
Klappe durch die von Elementarkraft getriebene SchraubenBchneid-
maachine. Aach bei dieser bilden Schneidbacken, welche nach jedem
Schnitte gegen einander vemtellt werden können, das schneidende Werk-
zeug; aber die Drehung des Werkzeugs oder Arbeitestficka erfolgt durch
die Maschine.
Ea giebt eine grösBere Anzahl solcher Schranbenachneidmaachinen,
sämmtlich darin flbereinatimmend, dass die Schneidbacken — gewöhnlich
zwei oder drei — in einem Kopfe versteUbar befestigt sind, der zn
schneidende Bolzen aber in einem Halter eingespannt wird, welcher seine
richtige Lage in der verlängerten Achse des Scbneidkopfs sichert. Beide
Baupttheile der Uaschine werden von einem gemeinschaftlichen Bette
oder Gerüste getragen and dar Antrieb erfolgt von einer Transmission
aas auf einen der beiden Theile, während der geradlinige Torecbab wie
beim Schneiden mit der Kluppe aniilnglich von Hand, sobald aber ein
Schraubengang geschnitten ist, durch die Gewinde der Backen selbat
auagefOhrt wird. Im Uebrigen kann man folgende Hauptgattongen der
SohranbenBobneidmaschinen unterscheiden.
Schrauben und Schraubenmuttern. 829
1. Aeliere Systeme. Der Schneidkopf (die Kluppe) rotirt, der
Bolzen macht die Längsbewegong; oder auch der Bolzen dreht sich und
der Schneidkopf rückt gegen denselben vor. Nach beendigtem Durch-
gange findet — gewöhnlich mit Hilfe zweier yerschiebbaren (offenen und
gekreuzten) Riemen — Umsteuerung statt, und die Maschine schneidet
vorwärts und rückwärts, sobald bei der Umsteuerung die Schneidbacken
entsprechend verstellt werdeiu Diese Maschinen sind in verschieden-
artigen Ausführungen in zahlreichen Fabriken vertreten.
2. Whitworth'sches System. Der Schneidkopfsteht fest, der Bolzen
macht beide Bewegungen. Auch bei diesen Maschinen findet nach
Beendigung des Schnitts Umsteuerung und Rückwärtsschneiden statt.
3. Sellers'sches System. Die Schneidbacken machen die Haupt-
bewegung, der Bolzen die Vorwärtsbewegung (wie bei vielen Maschinen
der älteren Systeme). Charakteristisch für die Maschinen dieses Systems
ist, dass sie das Gewinde nicht wie die übrigen Maschinen allmälig bei
abwechselndem Vor- und Rückwärtsgange, sondern mit HiKe allmälig
länger werdender Schneiden in den Backen mit einmaligem Durch-
gange einschneiden. Bei Beendigung des Schnitts lassen sich die Backen
öfihen, wodurch der Bolzen frei wird und mit dem Halter zurückgeführt
werden kann; dadurch wird eine Rückwärtsdrehung, also Umsteuerung,
der Maschine entbehrlich.
Eine kleine Maschine des letztem Systems, aus der Fabrik von
Oschwindt & Zimmermann in Carlsruhe ^), ist in den Figuren 601
bis 606 abgebildet (Figuren 601 bis 603 in Ys der wirklichen Grösse,
Fig. 604 bis 606 in V4 der wirklichen Grösse). Auf dem gusseisemen
Fusse a, welcher hier Ständerform besitzt, und, mit einer Thür versehen,
zugleich als Werkzeugschrank dienen kann, befinden sich angegossen die
Lager Oi und a% für die Betriebswelle sowie an der Yorderseite das
consolenformige Bett 03 für den Halter des Arbeitsstücks. Der Antrieb
erfolgt durch die Stufenscheibe b, welche auf der hohlen Welle c aufge-
keilt ist. Diese trägt an der vorderen Seite den mit ihr in einem Stücke
gefertigten Eopf Ci , mit drei radialen Schlitzen an der Yorderseite ver-
sehen , in welchen eben so viele Schneidbacken zu liegen kommen (ver-
gleiche Fig. 606, die vordere Ansicht des Kopfes darstellend, und
Fig. 604, den Schnitt durch denselben). Um nun die Kluppe rasch
öffnen und schliessen, d. h. die Backen gleichmässig von einander ent-
fernen und einander nähern zu können, befindet sich vor dem Kopfe Ci,
aber ohne feste Yerbindung mit demselben, der Deckel e, dessen innere,
dem Kopfe zugewendete Seite in Fig. 605 abgebildet ist. Wie man sieht,
befinden sich auf derselben drei vorspringende, innen excentrisch aus-
gedrehte Borde 61 , welche hinter die Aussenkante der in den Kopf ein-
gelegten Backen greifen und drei schmale, zu den excentrischen Innen-
flächen parallele und ebenfalls gedrehte Leisten e%, welche in entsprer
^) Hart, WerkzeagmMchindn,. Taf. 57.
630 Specielle Technologie.
chendeNuthen der Backen (rergleicbe unten die Abbildung einer Schneid-
backe in Pig. 607) eingraifen. Somit werden in Folge der Excenfarieitäfc
dieser Borde und Leisten s&mmtlicbe drei Backen gleichzeitig ein- oder
anaw&rtB bewegt werden, je nachdem die Drebnng nach links oder rechta
erfolgt; Tun bei vollst&ndiger Oeffiiang der Elnppe ein Beransfallen der
Backen ans den Eviachen den Borden gelaueneo nnd znm Einstecken
Schrauben und Schraubenmuttern. 8S1
der Backen dienenden Schlitzen zn verhüten, 'aind die letzteren durch
eingeschranbte Stifte/ abgesperrt, welche sich leicht entfernen lassen,
wenn die Backen behnf der Ansvechselnng [heranagenommen werden
Fig. eo2.
Während des Ganges der Maschine muBS natürlich, so lange das
Gewinde geschnitten wird, Yeretellnng der Backen nicht eintreten soll,
der Deckel e dieselbe Bewegung wie der Kopf Ci machen; er mnss da-
gegen eine relative Drehung gegen C] erhalten, ohne dass die Maschine
zum Stillstände kommt, sobald der Schnitt beendet ist und ein neuer
beginnen soU. Diese Aufgabe wird nun in folgender Weise gelOst. Der
Deckel e ist anf dem vordem Ende üner hohlen Spindel d befestigt,
832 Specielle Technolt^e.
welches über den Kopf C| ohne feat« Verbindung mit demselben hinweg-
greift; die Innenfläche dieser Spindel d ist mit einem doppelten, sehr
steilen Muttergewinde vergehen, welches Aber ein
^' entsprechendes Schraubengewinde an der Aossen-
jt ■« fläche der zwischen d nnd der Betriebswelle e einge-
schobenen Röhre g greift (in den Abbild an gen
Fig. 601 nnd G02 ist diese Schranbe in einem Theile
ihrer Länge sichtbar). Die Röhre g ist durch Nath
und lange Feder mit der Betriebswelle c verbunden,
so dasB sie eine Längsrerschiebong auf derselben
erträgt, gleichzeitig aber jede Drehung derselben
mitmacht. So lango eine Verschiebung der RShre g
nicht stattfindet. Überträgt sie die von c anfgenommene Bewegung anf
die äussere Spindel d und durch diese auf den Deckel e; Schneidkopf und
Deckel drehen sich also in gleicher Weise, die Backen beharren in ihrer
Lage. Sobald aber g auf c nach einer oder der andern Richtung ver-
Boboben wird, muss durch Wirkung der Schraube eine relative Drehung
von d und dem Deckel e gegen C und Ci stattfinden; nnd zwar werden,
wenn das Rohr aus der in den Figuren 603 nnd 604 gezeichneten Lage
nach links (in die Stellang der Fig. 601 and Fig. 602) geschoben wird,
die Backen sich nach answSrts bewegen, die Kluppe geöffnet and der
Bolzen frei werden; wenn die Bewegung des Rohrs nach rechts erfolgt
(ans der Stellnng der Figuren 601 und 602 in die Stellnng 603 und
604), werden die Backen zusammenrücken, die Kluppe sich schliessen,
der neu eingesteckte Bolzen erfasst werden. Damit diese Versofaiebang
rasch and sicher bewerkstelligt werden kSnne, trägt das Rohr g aa seinem
linken Ende den anfgeschranbten Bundring ^i, welcher von dem halb-
runden Mitnehmer t (Fig. 602) erfasst wird. Der Arm des letetem ist
mit einem Ringe i über die in zwei Lagern horisontal geführte Stange t
geschoben nnd durch eine Stellschraube befestigt; k aber wird durch den
Handhebel t verschoben. Beim Arbeiten hält der Arbeiter den Griff de«
Hebels mit der linken Hand, während die rechte die Führung des Bolsen-
halters übernimmt. Beim Beginne des Schneidens üeht er den Hebel
Schrauben und Schraubenmuttern. 833
nach recht-s und Bchliesst dadurch die Kluppe, bei Beendigung des
Schnitts drückt er den Hehel nach links und lässt dadurch den Bolzen
frei. Dem verschiedenen Durchmesser und der Gewindetiefe der Bolzen
mnss natürlich das Maass dieser Verstellung entsprechen. Damit dieselbe
genau eingestellt werden könne, ist der Mitnehmer i an der Stange k
verstellbar und diese an ihrem linken Ende mit einem Anschlagkopfe ki
versehen (Figuren 601 und 602), welcher gegen den Arm des Lagers fli
stösst und dadurch die Verschiebung nach rephis begrenzt. Je näher
dem Kopfe ki nun die Hülse ii des Mitnehmers i eingestellt wird, desto
früher wird die Bewegung des Schraubenrohrs von links nach rechts
begrenzt werden, desto schwächer wird die Einwärtsschiebnng der Backen
ausfallen, desto weniger tief kann das Gewinde werden. Die Stange k
ist nun zur genauen Bestimmung der Stellung von t mit einer Scala,
von links nach rechts gehend, versehen. Stellt man die rechte Kante
der Hülse t'i auf dem Nullpunkte ein, so stösst schon bei ganz geöffneter
Kluppe der Kopf ki an das Lager und gestattet gar keine Verschiebung;
je weiter nach rechts, um so grösser ist die Verschiebung des Schrauben-
rohrs und der Schneidbacken.
Damit der Schnitt in einem Durchgange vollendet werden könne,
müssen die Schneidbacken etwas abweichend von den bisher besprochenen
geformt sein, die Schneiden in den Gewinden derselben müssen allmälig
länger werden, damit die jedesmalige Spanstärke nicht zu bedeutend aus-
falle und in jedem folgenden Gewinde ein neuer Span genommen werde.
Wie aus Fig. 607 hervorgeht, erreicht man diesen Zweck sehr einfach,
Fiff. 607. i^dem man die Vorderkante der Gewinde in den Backen
^^ nach einer Kegelfläche abstumpft, so dass erst die oberen zu-
I ^E letzt zum Eingriffe kommenden Gewinde und Schneiden ihre
I ^H volle Länge behalten. Diese Einrichtung, durch welche zu-
IHH gleich die oben geschilderte, aus der allmäligen Näherung
der Backen beim Schneiden hervorgehende Ungenauigkeit
der Gewinde in Wegfall kommt und durch welche die Zeitdauer des
Schneidens abgekürzt wird, verdient jedenfalls alle Beachtung auch
hinsichtlich ihrer Anwendung für andere Schraubenschneidmaschinen und
Geräthe i).
Die an der Vorderseite des Ständers angegossene Console ist mit
zwei seitlichen, an der obem Seite glatt gehobelten, Wangen Oa versehen,
auf welchen der Bolzenhalter m mit zwei Füssen 8i in der Achsenrichtung
der Maschine schlittenartig verschiebbar ist. Diese Bewegung erfolgt von
Hand mit Hilfe des Bügels r (die Vorwärtsbewegung beim Schneiden
selbstthätig durch die Gewinde der festgehaltenen Backen); um jedoch
beim Beginne des Schneidens einen kräftigem Druck gegen die Kluppe
ausüben zu können, sind die überstehenden Borde der Wangen a^ aü
1} Dieselbe ist unter anderen auch bei den Backen der oben beschriebenen
Bei necker 'sehen Klappe in Anwendung.
liOdAbnrf mechanisch-metellnrgiaolie Technologie. 53
834 Specielle Technologie.
der untern Seite zahDai*tig geformt and der in 8i drehbare Bügel an jeder
Seite mit einem zweiten Hebelarme yersehen, welcher durch je einen
Schalthaken 8 Eingriff in die Verzahnung erhält. So ist, sobald der
Bügel nach links gedrückt wird, nicht allein die Rückwärtsbewegung
des Schlittens behindert, sondern es wird auch der Schlitten gegen die
Kluppe vorgeschoben und bringt somit die ersten Schneiden derselben
zum Eingriffe auf den eingespannten Bolzen. Damit die Mittellinie des
Bolzens stets genau mit ^er verlängerten Achse der Kluppe zusammen-
falle und ein rasches Einspannen des erstem ermöglicht werde, ist der
Halter nach Art der auf Seite 38 abgebildeten und beschriebenen
Gentrirmaschine' construirt, d. h. zwei horizontale Gleitstücke (vergl.
Fig. 603) werden durch eine Schraube mit rechtem und linkem Gewinde,
welche in Fig. 603 im Durchschnitte erkennbar ist, von dem Handrade
q aus symmetrisch ein- oder auswärts bewegt und erfassen bei der Bewe-
gung nach einwärts mit zwei auswechselbaren Klemmbacken o den
dazwischen gesteckten Bolzenkopf.
Die zum Tragen des Bolzenhalters dienende Gonsole hat eine mulden-
förmige Gestalt zu dem Zwecke, das beim Schneiden von den Bolzen
abtropfende Oel anzusammeln, welches dann von Zeit zu Zeit durch die
an der tiefsten Stelle* angebrachte und durch einen Pfropfen verschliess-
bare Oeffnung abgelassen wird.
Die abgebildete Maschine ist zum Schneiden von Schraubenbolzen
bis zu etwa 20 mm Durchmesser geeignet, wobei die Schneiden eine
Umfangsgeschwindigkeit von circa 25 mm per Secunde erhalten.
Der Gewindebohrer. Wie man die Schneidklinge und mehr noch
die zu einander gehörigen Schneidbacken als eine Schraubenmutter be-
trachten kann, welche durch entsprechend geformte Einkerbungea mit
Schneiden versehen worden ist, so stellt umgekehrt der Gewindebohrer
eine aus gehärtetem Stahle bestehende Schraube dar, welche ebenfalls
durch der Achsenrichtung parallel laufende Einkerbungen von geeig-
neter Form Schneiden erhalten hat. Während also die Schneidklinge
und die Schneidbacken ausschliesslich zur Herstellung von Schrauben-
gewinden benutzt werden können, dient umgekehrt der Gewindebohrer
dazu, innerhalb einer vorhandenen cylindrischen Oeffnung Muttergewinde
einzuschneiden; Schneidbacken (Schneidklinge) und Gewindebohrer er-
gänzen sich demnach gegenseitig und bilden gemeinBchafUich das
„Schneidzeug^.
Da die Schneiden des Bohrers nicht wie die Sohneiden der Backen
gegen einander verstellt werden können, so ist es erforderlich, um beim
Gewindeschneiden nicht von vornherein bu starke Späne nehmen zu
müssen, die Schneiden allmälig wachsen zu lassen, in dem untersten
Gange des Bohrers nur ganz kurze Schneiden anzuwenden und erst in
den oberen Gilngen ihnen die volle Länge, der Tiefe des zu Bchneidenden
Gewindes entsprechend, zu geben. Dieser Zweck wird in derselben
Schrauben und Schraubenmuttern. 835
Weise erreicht wie bei den Backen der Seilers' sehen Schranbenschneid-
maschinen, nämlich, indem man die Anssenkanten der Gewinde des
Bohrers nach dem vordem Ende desselben zu mehr and mehr wegnimmt,
so dass der Bohrer äosserlich eine schlank konische Form erhalt, während
Fiff 608 ^^' Kern natürlich cylindrisch bleibt. Um die Arbeit zu
erleichtem, macht man den Bohrer ziemlich lang, so dass
der äussere Durchmesser ganz allmälig zunimmt und diese
Zunahme auf 30 bis 40 Schraubengänge vertheilt ist. Zur
Bildung der Schneiden bringt man gewöhnlich drei, seltener
Tier Einkerbungen an und lässt, um möglichst wenig
Reibungsfläche zu haben, die Aussenfläche des Bohrers nur an den
Schneidkanten die Lochwand berühren, so dass ein Querschnitt des Boh-
rers wie in Fig. 608 oder ähnlich entsteht.
Wie die Schneidbacken wird auch der Gewindebohrer entweder von
Hand oder durch eine Maschine gefuhrt. Im erstem Falle dient ein über
das vierkantig geschmiedete Ende desselben gestecktes Wendeeisen (bei
den kleinsten ein Feilkloben) zur Handhabung. Die Mutter wird in den
Schraubstock eingespannt, der Bohrer senkrecht auf die Oeflhung gesetzt
und unter sanftem Drucke eingedreht. Ein Benetzen mit Gel ist auch
hierbei erforderlich. Schliesslich fallt der Bohrer unten aus der Mutter
heraus, sobald das Gewinde fertig geschnitten ist.
Bei Benutzung von Elementarkraft kann man dieselben Maschinen,
welche zum Schneiden der Schrauben dienen und oben beschrieben
wurden, auch zum Schneiden der Muttergewinde verwenden, wenn man
an Stelle des zu schneidenden Schraubenbolzens den Gewindebohrer, an
Stelle der Schneidkluppe die zu schneidende Mutter bringt. In fast
jedem Falle stimmt die Gonstruction dieser Maschinen mit deijenigen der
Schraubenschneidmaschine überein.
Es verdient Erwähnung, dass zur Anfertigung der Schneid-
backen ein sogenannter Normalbohrer benutzt zu werden pflegt,
welcher ebenso geformt ist und gehandhabt wird als die gewöhnlichen
Gewindebohrer. Selbstverständlich müssen die Backen geschnitten
werden, ehe sie gehärtet sind. Zur Anfertigung des Normalbohrers und
der Gewindebohrer pflegt die Drehbank benutzt zu werden.
Die Drehbank zum Schrauben- und Muttemschneiden. Die
Schneidkluppe und der Gewindebohrer lassen sich auf der Dreh-
bank zum Gewindeschneiden anwenden, indem man das Arbeitsstück
mit der Drehbanksspindel rotiren und das Werkzeug die Längsbewegung
machen lässt; oder auch umgekehrt. Dieser Fall bildet jedoch eine
Ausnahme.
Dagegen wurde schon bei Erläuterung der Drehbankseinrichtung
darauf hingewiesen, dass die Schneide eines Werkzeugs, welches einen
gleichmässigen Vorschub parallel der Drehbanksaohse erhält, auf der
53*
836
Specielle Technologie.
Fig. 610.
Oberfläche eines zwischen den Drehbiuiksspitzen eingespannten Gylinders
eine Schranbenlinie beschreibt, deren Steigung von dem Verhältnisse
zwischen den Geschwindigkeiten der Haupt- und Schaltbewegnng ab-
hängig ist. Entspricht also die Form der Schneide des Werkzeugs dem
Profile des Schraubengewindes, so entsteht eine wirkliche Schraube, und
wenn das Werkzeug an der Innenseite eines Hohlcy linders zum Angriffe
kommt, so entsteht eine Schraubenmutter. Je gleichmassiger dabei die
Bewegungen vor sich gehen, desto genauer wird das Gewinde ausfallen.
Um nun bei Handdrehbänken die Gleichmässigkeit des Yorschubs zu
sichern, giebt man dem Schneidstahle statt einer einzigen Schneide eine
Anzahl — gewöhnlich 4 bis 5 — gleicher Schneiden, welche zusammen
das genaue Profil Ton eben so vielen Schraubengängen darstellen.
Fig. 609 zeigt die Form eines solchen mehrspitzigen Schneidstahls für
scharfe Schraubengewinde,
^'«' ^^^' Fig. 610 die Form des
Stahls für das entspre-
chende Muttergewinde.
Wegen des strahlenartigen
Aussehens der Schneiden
haben diese Werkzeuge
den Namen „Strahler*^ er-
halten. Der erste Schrau-
bengang wird vorgezeich-
net und mit der ersten
Schneide des Strahlers
sorgsam eingeschnitten;
führt man das Werkzeug
nun weiter, um den zweiten Schraubengang zu schneiden, so tritt die
zweite Spitze in den vorhandenen ersten Schraubengang und bildet somit
eine Führung für den richtigen Vorschub des Stahls; u. s. f.
Weniger häufig ist eine Einrichtung der Drehbänke ohne Leit-
spindel, bei welcher der Drehstahl, der in diesem Falle nur eine Schneide
zu besitzen braucht, festliegt und das Arbeitsstück ausser der Drehung
auch den Vorschub, entsprechend der Steigung des Schraubengewindes,
ausführt. Zu diesem Zwecke mnss die Drehbanksspindel in horizontaler
Richtung verschiebbar sein, und das Arbeitsstück darf nicht zwischen
Spitzen, sondern mnss mit Hilfe eines Futters an der Spindel befestigt
werden. Auf dem hintern Ende der Spindel ist eine hohle Messing-
schraube mit 10 bis 15 Gewindegängen übergeschoben und befestigt,
deren Steigung genau derjenigen der zu schneidenden Schraube ent-
spricht. Dieselbe wird Patrone genannt und dreht sich an der ontem
Seite in einem entsprechenden Muttergewinde, welches an der Obeirkante
eines festliegenden Stücks harten Holzes oder besser Metalls einge-
schnitten ist und Register genannt wird. Es wird also, sobald die
Spindel in Drehung versetzt wird, durch den Eingriff der Schraube in
Schrauben und Schraubenmuttern. 837
das festliegende Mattergewinde ein gleichmässiger Vorschub derselben
erfolgen, und der festliegende Drehstahl wird ein Schraubengewinde
schneiden, dessen Steigung mit derjenigen der Patrone übereinstimmt.
Am geeignetsten zum Schrauben- und Mutternschneiden ist die
Drehbank, wenn sie mit Support und Leitspindel ausgestattet ist, welche
letztere den Vorschub des erstem bewirkt. Drehen sich hierbei Dreh-
banks- und Leitspindel in derselben Richtung, so erfolgt ein rechtes
Gewinde, dreht sich die Leitspindel der Drehbanksspindel entgegen, so
erfolgt ein linkes Gewinde. Da die Leitspindel in allen Fällen ihre
Bewegung von der Drehbanksspindel aus empfängt, so stehen die Bewe-
gungsgeschwindigkeiten beider in jedem Augenblicke in dem gleichen
Verhältnisse; die Genauigkeit des erfolgenden Gewindes ist daher, sofern
jene Bewegungsübertragung auf die Leitspindel in zuverlässiger Weise
erfolgt, die Schraubenspindel rund läuft u. s. w., vorzugsweise abhängig
von der Richtigkeit des Leitspindelgewindes, um nun für eine vorge-
schriebene Ganghohe der Schraube das richtige Bewegungsverhältniss
zwischen Drehbanks- und Leitspindel hervorzubringen, benutzt man die
früher (Seite 663 und 645) erwähnten Wechselräder, Getriebepaare von
verschiedenen Umsetzungsverhältnissen , welche zwischen beiden einge*
schaltet werden und die Bewegung übertragen. Offenbar müssen die
Umdrehungszahlen der Drehbanksspindel und Leitspindel sich umge-
kehrt verhalten wie die Steigung des anzufertigenden Schrauben ganges
zu der Steigung der Leitspindelschraube; allgemein, wenn s die Steigung
der anzufertigenden Schraube, Si die Steigung der Leitspindel ist, so
musB die Leitspindel während einer Umdrehung der Drehbanksspindel
— Umdrehungen machen. Soll z. B. die anzufertigende Schraube 5 mm
Steigxug erhalten und die Leitschraube besitzt 15 mm Steigung, so
muss die letztere Vis = Vs bo viel Umdrehungen als die Drehbanks-
spindel machen. Für die Drehbänke, welche zum Schraubenschneiden
eingerichtet und demnach mit Wechselrädem ausgerüstet sind, pflegen
die Fabriken Tabellen beizugeben, aus welchen sich für ein bestimmtes
Schrauben System, d. h. für ein bestimmtes Verhältniss zwischen Gang-
höhe und Durchmesser der Schraube ohne Weiteres die für den gege-
benen Durchmesser der Schraube einzuschaltenden Wechselräder ersehen
lassen.
Man benutzt die Drehbank vorzugsweise zum Schneiden langer
Schrauben — Leitschrauben für andere Werkzeugmaschinen und
dergleichen — , femer far kürzere dicke Schrauben, welche nur ausnahms-
weise gefertigt werden und für welche ein passendes Schneidzeug nicht
vorhanden ist; u. s. f. Auch die bekannten käuflichen Holzschrauben mit
sehr dünnen scharfrandigen und weit aus einander liegenden Gängen
werden durch einen Drehstahl mit entsprechend geformter Schneide auf
besonders dafür eingerichteten Drehbänken geschnitten.
838 Specielle Technologie.
Sofern die geschnittenen Schranben Verbin dungsschranben mit Kopf
und Matter sind, erhalten sie, bevor sie als fertig gelten können, gewöhn-
lich noch eine fernere Bearbeitung zu dem Zwecke, die äusseren Flächen
der Muttern und häufig auch der Köpfe genau und sauber herzustelleD.
Es ist also, um diese Aufgabe yoUstandig zu lösen, erforderlich, die sechs-
seitlichen Begrenzungsflächen wie die beiden Stirnflächen (beziehentlich
nur die obere Fläche) nachzuarbeiten und der letzteren an den sechs
Eckpunkten die bekannte übliche Abfasung zu geben, durch welche theils
das Aenssere des Arbeitsstücks gewinnt, theils das Ueberstecken des
Schraubenschlüssels erleichtert wird.
Die sechs (bei Schraubenköpfen meistens vier) Seitenflächen erhalten
ihre Bearbeitung entweder durch Hobeln oder Fräsen in solcher Weise,
dass durch zwei parallele Werkzeuge gleichzeitig zwei parallele Seiten-
flächen der Mutter oder des Kopfs bearbeitet werden. Das Arbeitsstück
befindet sich dabei auf einer Scheibe (Drehtisch), welche nach jedes-
maliger vollendeter Bearbeitung zweier Flächen eine Drittels-Umdrehung
erhält, so dass sofort zwei neue Flächen in Angriff genommen werden
können. Hobelmaschinen, für diesen Zweck bestimmt, sind in ihrer
Construction gewöhnlich der in den Figuren 481 und 482 auf Seite 620
abgebildeten Nuthenstossmaschine (Yerticalhobelmaschine) sehr ähnlich.
Denkt man sich dieselbe statt mit einem Messer mit zwei' parallel arbei-
tenden Messern versehen, deren Schneiden einen solchen Abstand von
einander besitzen als der kleinste Durchmesser des sechseckigen Mutter-
querschn^tts beträgt, und die Mutter auf dem Tische der Maschine befe-
stigt, so hat man das Aenssere einer solchen Maschine.
Beim Fräsen sind es gewöhnlich zwei in gleicher Richtung und
mit gleicher Geschwindigkeit rotirende Frässcheiben, welche ihre ge-
zahnten Flächen einander zuwenden und in solcher Weise die dazwischen
befindlichen parallelen Seitenflächen der Mutter (des Kopfs) gleichzeitig
bearbeiten. Die Constructionen der hierfür benutzten Fräsmaschinen im
Einzelnen zeigen, wie die Fräsmaschinen überhaupt, mannigfache äussere
Formen.
Die Bearbeitung der Stirnflächen geschieht entweder gleichfalls mit
Hilfe der Fräsmaschine, wobei ein entsprechend geformter Fräser gleich-
zeitig die Fläche bearbeitet und die Abfasung ausführt-, oder auf einer
kleinen Drehbank. In letzterm Falle ist die Mutter (oder der Schrau-
benbolzen) centrisch am Spindelkopfe befestigt und empfängt die
Drehung, während der vor derselben befindliche Support mit zwei, auch
wohl drei verschieden geformten und neben oder über einander einge-
spannten Messern ausgerüstet ist, um gleichzeitig die Fläche zu drehen,
die Abfasung zu bewirken und den Grat am obern Rande des Gewindes
abzunehmen, welcher beim Schneiden entstanden war.
Erwähnung verdienen ferner die schon oben kurz berührten soge-
nannten Mutternmaschinen, welche sechskantig gewalztes Eisen der
Länge nach bohren, auch wohl mit Gewinde versehen und dann abstechen.
Blattgold und Blattsilber. 839
bei welcher Arbeit zugleich die Stirnflächen der entstehenden Muttern
gedreht werden. Sie arbeiten demnach mit zwei verschiedenen Werk-
zeugen, einem Bohrer und einem Drehstahle, zu welchen unter Umständen
noch der Gewindebohrer hinzukommt.
Hinsichtlich der sonstigen, in ungemein zahlreichen Constructionen
vertretenen Maschinen zur Herstellung und Bearbeitung von Schrauben
und Muttern muss auf die gegebene Literatur verwiesen werden.
Literatur über Anfertigung von Schrauben und Muttern.
lieber Schmieden und Prägen derselben:
Wencelides, Hilfsmaschinen und Werkzeuge, Seite 81 ff. (mit Abbil-
dungen einer Bolzenschmiedemaschine).
Dingler, Polyt. Journal, Bd. 196, S. 500.
Praktischer Maschin enconstructeur, Jahrgang 1878, Heft 4 (Muttem-
presse).
lieber Gewindeschneiden und fernere Bearbeitung:
Hoyer, Mechanische Technologie, Seite 367.
Hart, Werkzeugmaschinen, 2. Auflage, Seite 322, Atlas Tafel 54 bis 60
(Schraubenschneid- und Mutternbearbeitungsmaschinen).
Wiebe, Skizzenbuch Heft 65, Tafel 5, Heft 86, Tafel 6 (Schrauben-
Schneidmaschinen).
Dingler, Polyt. Journal, Bd. 205, S. 302; Bd. 212, S. 445; Bd. 221,
S. 296 (Mutt^mschneidmaschine); Bd. 224, S. 378 (Maschine von
Hartnell zum Rohren, Gewindeschneiden, Drehen und Lostrennen
der Muttern).
Deutsche Industriezeitung 1876, S. 133 (Mutterndrehbank der Deutschen
Werkzeugmaschinenfabrik in Chemnitz).
Mittheilungen des Hannoverschen Gewerbevereins, Jahrg. 1866, S. 149
(Vorrichtung zum Schraubenschneiden auf der Drehbank mit
Patrone).
Praktischer Maschinenconstruoteur, Jahrg. 1871, S. 112 (desgleichen).
Blattgold und Blattsilber.
Man versteht bekanntlich unter dem obigen Ausdrucke jene äusserst
feinen Blättchen aus Gold oder Silber, welche gewissermaassen als Bleche
von geringster Starke gelten können, und vielfach zum Vergolden und
Versilbern durch Bekleben (Seite 783) benutzt werden.
Die Stärke des Blattgoldes beträgt nach Kar mar seh Vrooo l>is
y^oooinm; lg Gold bedeckt durchschnittlich 0,6 qm.
840 Specielle Technoli^e.
Eine so beträchtliche Verdünnong wdrde durch Walxen nicht su
erreichen sein, ohne ein Zerreissen der dünnen Bleche herbeiznführenf
und l&aat sich nnr durch Hämmern bewerkstelligen; daher nennt man
das Verfahren Golds chlägerei und versteht unter diesem Ausdrucke
auch die Anfertigung dünner Blattchen aus Silber, Aluminium und
Legimngen.
Gold wird im reinen Zustande oder mit etwas Silber legirt, Silber
rein angewendet.
Man giesst zunächst einen flachen Stab oder Zain, schmiedet diesen
unter öfterm Ausglühen kalt aus, setzt die Verdünnung unter einem
kleinen Walzwerke mit sauber polirten Walzen fort und schneidet dann
das erhaltene Blech in Stücke von ungefähr 25 mm im Quadrate, welche
Quartiere genannt werden. Von diesen legt man eine grössere Anzahl
auf einander, trennt aber die einzelnen Blättchen, um ein Zusammen-
haften durch Cohäsions Wirkung bei der weitem Verarbeitung zu verhüten,
durch dazwischen gelegte Pergamentblätter, 100 bis 125 mm im Quadrate
gross, welche später bei fortgesetzter Verdünnung durch Blättchen aus
dem Oberhäutchen vom Blinddärme der Ochsen — Goldschlägerhaut
genannt — ersetzt werden. Das Ganze wird in ein P'utter aus Pergament
geschoben und heisst eine Form (Pergamentform und Hautform). Nun
beginnt das Schlagen auf einem Ambosse aus polirtem Granit oder
Marmor, gewöhnlich mit Handhämmem von verschiedener Grösse, deren
Bahnen kreisrund und schwach convex geformt sind. Das Schlagen wird
so lange fortgesetzt, bis die Metallblättchen die Grösse der Form, d. h.
der Pergamentblätter angenommen haben. Dann nimmt man sie heraus,
zerschneidet sie in vier Quadrate, bildet aus diesen eine neue Form und
setzt das Verfahren in gleicher Weise fort. Im Ganzen pflegt man zwei
Pergamentformen, deren erste Dickquetsche und zweite Dünnquetsche
heisst, und zwei Hautformen anzuwenden, von welchen die erstere Loth-
form, die letzte Dünnschlagform genannt wird. Diese, welche bis zu
800 Blättchen enthält, liefert das fertige Blattgold. Die einzelnen
Blättchen werden beschnitten und in dünne Papierblättchen verpackt
Die entstehenden Abfalle werden eingeschmolzen oder, mit Honig zer-
rieben, als Malergold (Goldbronze) verkauft.
Das sogenannte unechte Blattgold besteht aus Tombak mit etwa
14 Procent Zink und ist weit weniger dünn als das echte (Visoomm);
unechtes Blattsilber ist Zinn mit etwas Zink oder auch Neusilber. Die
Abfälle bei der Anfertigung des unechten Blattgoldes und -Silbers
werden durch Zerreiben zu Metallbronze (Bronzefarbe) verarbeitet, wobei
ihnen durch Erhitzen in einer eisernen Pfanne rothe, gelbe, grüne oder
violette Anlauffarben gegeben werden können ^).
^) Prechtl-Karmarsch, Technologische Encyclopädie, Bd. 7, Artikel:
GüUUchlägerei. Karmarsch -Hartig, Mechanische Technologie^ Seite 165.
Schneidwaarea.
841
Schneidwaaren.
Hierher gehören Aexte und Beile, Messer und Gabeln, Scheeren,
Säbel etc* Die kleineren derselben bestehen meistens aus Stahl, die
gröberen häufig aus Schmiedeeisen mit yerstahlter Schneide.
Aexte und Beile ^), daneben gewöhnlich auch Schaufeln, Spaten,
Hacken und dergleichen eiserne Geräthe für den häuslichen und land-
wirthschaftlichen Gebrauch werden in besonderen Schmiede Werkstätten —
gewöhnlich mit Hilfe eines oder mehrerer Schwanzhämmer — gefertigt,
welche man Blankschmieden nennt. Zur Anfertigung einer Axt wird
ein Stück Flacheisen abgehauen und durch Hämmern des mittlem
Theils in der Weise ausgeschmiedet, wie es Fig. 611 zeigt. Bei a wird
Fig. 611.
Fig. 612.
durch Aufsetzen des Schrotmeissels ein
Einschnitt gemacht, so dass hier ein schma-
ler, spitz auslaufender Lappen von der
Stärke des mittlem ausgeschmiedeten
Theils entsteht. Alsdann biegt man über
einem Dome das rothglühende Schmiede-
stück zusammen, so dass der ausgeschmie-
dete mittlere Theil eine Art Röhre bildet,
welche zum Hineinstecken des Stiels dient
und Haube genannt wird. Der Lappen a
wird in seiner ganzen Länge um den Dom herumgebogen,
so dass nunmehr eine Form wie in Fig. 612 entsteht. Nun
folgt das Verstahlen der Schneide und des Nackens, d. h.
des dicken der Schneide gegenüberliegenden Endes der Axt,
welches bisweilen als Hammer beim Eintreiben von Keilen,
Nägeln und dergleichen benutzt wird. Man schiebt zu diesem Zwecke
zwischen die beiden noch nicht verbundenen Enden (bei h) eine Stahl-
schiene von der Länge der Schneide ein, so dass sie 8 bis 10mm vor
derselben herausragt, giebt Schweisshitze und schweisst nun die ganze
Fuge von der Haube bis zur Schneide zusammen, wobei die letztere
zugleich ausgeschmiedet und die Kante an der Rückseite der Axt unter-
halb der Haube mit Hilfe von Setzhammer und Schrotmeissel oft nach
einer bestimmten Gliederung weiter ausgebildet wird. Das Verstahlen
der Haube geschieht einfach durch Auflegen und Anschweissen einer
entsprechend breiten Stahlplatte. Die in ihrer Form fertige Axt wird
^) Der Unterschied der Axt vom Beile ist zum Theil nur durch den
Bpradhgebrauoh bedingt. Der Zimmermann gebraucht eine Axt, der Fleischer
ein Beil. Nach Karmarsch hat die Axt eine kürzere Schneide,, welche von
beiden Seiten angeschliffen ist und sich daher in der Mitte der Dicke befindet,
während das Beil nur von einer Seite her zugeschliffen ist. Dem Sprach-
gebrauche dürfte dieser Unterschied nicht inuner entsprechen.
842 Specielle Technologie.
nun gehärtet, angelasseD und schliesglich auf dem rotirenden Schleif-
steine hlank geschliffen nnd geschärft.
Um ein Tischmesser zu schmieden, streckt man das zur hellen
Rothgluth erwärmte Ende eines quadratischen oder flachen Stahlstahes
durch Hämmern auf dem Amhos der Form der Klinge entsprechend aas,
wobei dieselbe nach dem Rücken zu schon eine grössere, nach der
Schneide zu eine geringere Stärke erhält. Auf dem Ambos befindet sich
ein Stempel mit der Firma des Messerschmiedes in verkehrter Schrift;
die noch glühende Klinge wird darauf gelegt und durch einen Schlag
mit dem Hammer die Firma eingeprägt. Schliesslich wird in derselben
Hitze die geschmiedete Klinge soweit von der Stange abgehauen; dass
ein kurzes Ende der letztem, zur Anfertigung der Angel (des zur Befe-
stigung in dem Griffe dienenden Theils) ausreichend, an der Klinge
sitzen bleibt. Nun wird eine zweite Hitze gegeben und in dieser die
Angel ausgeschmiedet, entweder schmal und spitzig, wenn sie durch das
Heft hindurchgesteckt und am andern Ende vernietet werden soll; oder
breit und flach, wenn das Heft aus zwei Hälften besteht, die durch Quer-
stifte zusammen genietet werden. Zwischen Klinge und Angel lässt man
durch Ansetzen einen schmalen Ring stehen, die Scheibe oder Balance
genannt, welcher in derselben Hitze in einem doppelten Gesenke weiter
ausgebildet wird. Dieses Gesenk heisst das Stemmeisen; das Messer
steht senkrecht in demselben mit der Klinge nach unten. Zu diesem
Zwecke ist das Untertheil des Gesenks geschlitzt und ruht auf einem
ausgehöhlten Holzklotze, in welchem die Klinge Platz findet, während
die Scheibe im Gesenke aufruht; das Gesenkobertheil ist ebenfalls ring-
förmig, um der Angel Platz zu geben.
Die Arbeit des Schmiedens geschieht von Hand in den immer
seltener werdenden Werkstätten des einzelnen Messerschmieds, in den
grösseren Messerfabriken dagegen mit Hilfe von Maschinenhammern oder
Schmiedemaschinen.
Statt die Angel aus demselben Stücke mit der Klinge zu schmieden,
schweisst man bisweilen ein Stück Schmiedeeisen an die erstere an, um
aus diesem die Angel zu bilden ; oder man giesst die Angel aus GusseiJien,
welches durch einen oxydirenden Glühprocess (Tempern) seines Kohlen-
stoffgehalts zum grössten Theile beraubt und dadurch schmied» und
schweissbar wird (schmiedbares Gusseisen) und schweisst sie an die
Klinge an.
Bei Massenfabrikation fertigt man bisweilen die Klingen nebst
Angel durch Ausstossen im Durchstoss mit Hilfe eines passenden Stem-
pels nebst Matrize und schiebt die für sich gefertigte Scheibe als
besonderes Stück über die Angel.
Nun folgt das Schleifen auf rotirenden Schleiüsteinen, wobei nicht
allein die Schneide ausgebildet wird, sondern auch die beim Schmieden
gebliebenen Ungenauigkeiten, der entstandene Grat u. s. w., entfernt
werden und die Klinge erst ihre vollendete Form erhält. Die geschliffenen
Schneidwaaren. 843
Klingen werden gehärtet (bei aorgfUltiger Arbeit durch Erhitzen in
gluhendeib Blei und Ablöschen' in Rüböl) und roth bis blau angelassen;
bei gröberen Waaren findet das Härten und Anlassen auch wohl Tor dem
Schleifen statt.
Endlich kommen die Messer in die Polirwerkstatt, wo sie zunächst
auf einer rotirenden Schmirgelscheibe mit Oel abgeschmirgelt werden
und dann auf einer mit Leder überzogenen Holzscheibe mit Polirroth
oder Zinnasche ihre letzte Vollendung erhalten.
Die Anfertigung einer Gabel ist derjenigen des Messers sehr ähnlich.
Man schmiedet aus dem quadratischen Stahlstabe zunächst mit Hilfe
eines Gesenks den Schaft der Gabel und lässt vorn so viel Metall stehen
als für den vorderen flachen Theil erforderlich ist; dann wird die Angel
und Scheibe geschmiedet, schliesslich der vordere Theil flach ausgestreckt,
wie es der Form desselben entspricht. Die Zwischenräume zwischen den
Zinken der Gabel können durch Meissel und Hammer ausgearbeitet
werden ; häufiger benutzt man ein Fallwerk mit Ober- und Unterstempel,
welche die Form der Zinken verkehrt tragen und zwischen denen das
glühende Metall derartig geprägt wird, dass nur ein schwacher Grat
zwischen den Zinken stehen bleibt, welcher dann auf dem Durchstosse
entfernt wird.
Die in ihrer rohen Form fertige Gabel wird nun stark ausgeglüht
und durch Befeilen mit eigenthümlich geformten Feilen weiter bearbeitet.
Dann werden die Zacken gebogen, geschlifien, gehärtet und angelassen,
die ganze Gabel geschmirgelt und polirt.
Rasirmesser werden aus dem vorzüglichsten Stahle in drei Hitzen
(bei dunkler Rothgluth, damit der Stahl möglichst wenig Oxydation er-
leide) geschmiedet. In der ersten Hitze wird die Form der Klinge roh
ausgebildet, in der zweiten der Stiel (,, Druck'' genannt); in der dritten
erhält die Klinge auf einer convexen Amboskante den bekannten con-
caven Querschnitt. Nach der letzten Hitze wird bis zur völligen Ab-
kühlung gehämmert. Nun wird das Messer befeilt, mit grosser Vorsicht
gehärtet und gelb angelassen. Hierauf folgt das Schleifen auf einer An-
zahl verschiedener Schleifsteine, deren Form dem eigenthümlichen Quer-
schnitte der Rasirmesser Rechnung tragen muss, endlich das Schmirgeln
und Poliren.
Soheeren werden entweder aus einem Stahlstabe oder aus einem
Eisenstabe geschmiedet, welcher an der Innenseite des Scheerenblatts
verstahlt wird. Man bildet zunächst durch Ausrecken auf dem Ambos
das Scheerenblatt und das sogenannte „Schild", d. h. denjenigen Theil
aus, wo beide Scheerenhftiften verbunden sind; dann wird durch Ansetzen
auf der Amboskante der Absatz gebildet („Schluss'' genannt), wo die
Hälften der geschlossenen Scheere gegen einander treten; schliesslich
entweder die Stange dünn ausgestreckt und durch Umbiegen der Ring
oder Grat gebildet oder bei kleineren Scheeren auch durch Flachschmieden
und Lochen derselbe Zweck erreicht.
844 Specielle Technologie.
Oder man stösst mit dem Durchstosae ans 8i4Üilb]ecb ein Stück von
der Form der Scbeerenhälfte aus und giebt ibm darcb Prägen in
Gesenken die weitere Aasbildung.
Eine nocb andere, in neuerer Zeit üblich gewordene Art der An-
fertigung ist die Herstellung des Griffs und Schildes aus schmiedbarem
Gusse und Anschweissen an das aus Stahl geschmiedete oder geprägte
Scheerenblatt.
Die Scheerenhälfben werden befeilt, zusammengepasst, gehärtet und
angelassen; geschliffen, polirt und schliesslich in bekannter Weise mit
einander verbunden.
Manches Eigenthümliche bietet auch die Anfertigung der Säbel-
und Degenklingen« Um denselben die grössere Geschmeidigkeit des
kohlenstofflärmeren Schmiedeeisens zugleich mit der Härte und Elasticität
des Stahls zu geben, schmiedet man sie aus abwechselnden, zasammen-
geschweissten und gestreckten Lagen beider Materialien. Zu diesem Ende
legt man zunächst eine Eisenschiene zwischen zwei Stahlschienen,
sohweisst die drei Stücke zusammen, streckt sie unter dem Hammer zu
der doppelten Länge aus, theilt das Arbeitsstück in der Mitte mit Hilfe
des Schrotmeissels in zwei gleich lange Hälften, legt und schweisst diese
abermals auf einander (so dass in der Mitte zwei Lagen Stahl auf ein-
ander liegen) und streckt sie zu einer Schiene aus, deren Länge ungefähr
Va von der Länge der fertigen Klinge beträgt, während sie iV^mal so
stark ist als diese. Die in der Mitte der Schiene befindliche doppelte
Stahlschicht hat den Zweck, der Schneide die nöthige Härte zu verleihen.
Die Angel wird aus Schmiedeeisen hergestellt, da Stahl zu leicht
abspringen würde. Man biegt zu diesem Zwecke einen Flachstab in der
Mitte zusammen, steckt die Schiene, aus welcher die Klinge hervorgehen
soll, mit ihrem Ende zwischen die beiden Enden des gebogenen Stabes
und schweisst sie mit denselben zusammen.
Nun folgt das Ausschmieden der Klinge zu ihrer rohen Form, wozu
mehrere Hitzen erforderlich sind. Häufig erhalten die Klingen an den
beiden Seitenflächen in der Nähe des Rückens je eine rinnenfSrmige
Vertiefung, welche mit Hilfe eines Ober- und Unterstempels auf dem
Ambos nach dem Strecken gebildet werden. Durch weiteres Ausschmieden
längs der einen langen Seite wird nunmehr die Schneide gebildet; da
aber in Folge der hier stattfindenden Querschnittsverdünnung eine ein-
seitige .Streckung eintritt, wird hierbei die Klinge zugleich nach rück-
wärts gekrümmt. Soll also ein gerader statt eines krummen Säbels ge-
schmiedet werden, so muss die Krümmung durch Gegenschläge ver-
hindert werden.
Auf dem Schleifsteine wird nunmehr die Form der Klingen vollendet;
dann werden sie gehärtet, gelb angelassen, abermals geschliffen und
polirt.
Di^ bekannten Damascenerklingen bestehen aus einem ungleich-
massigem Gemische von Stahl und weichem (kohlenstoffarmem) Eisen
Nägel und Drahtstifte. 845
als durch einfaches Aofexnanderschweissen dargestellt werden kann.
Man gewinnt dasselbe dorch Schmelzen von weichem Eisen mit kohlen-
stoffhaltigen Substanzen (Blättern gewisser Pflanzen) im Tiegel. Da, wo
die Berührung des Eisens mit jenen Zuschlägen stattfindet, nimmt es
Kohle auf, wird dadurch zu schmelzbarem Stahl und durchdringt im
flüssigen Zustande aderformig das nicht gekohlte und in Folge dessen
ungeschmolzene Eisen. Der gewonnene Eisenklumpen wird nun ausge-
schmiedet und zu Klingen verarbeitet. Beizt man nun eine solche Klinge
mit Sänren, so wird der kohlenstofifärmere Bestandtheil derselben stärker,
der kohlenstofireichere weniger stark von der Säure angegHffen, und es
entstehen dadurch jene eigenthümlichen Figuren (Damast) an der Ober-
fläche, die man mit Gold auszulegen pflegt.
Literatur über Anfertigung der Schneidwaaren.
F. L. Schirlitz, Fabrikation der Stahlwaaren, Weimar 1868.
Karmarsch-Hartig, Mechanische Technologie, 5. Auflage, Seite 502.
Nägel und Drahtstifte.
Das älteste und noch jetzt vielfach, wenn auch in beschränkterm
Maasse als früher geübte Verfahren, Nägel anzufertigen, ist das Schmieden
von Hand; und bei dem grossen Verbrauche an Nägeln pflegt das Nagel-
schmieden als besonderes Gewerbe in eigenen Werkstätten betrieben sn
werden.
Die Werkzeuge und Geräthe des Nagelschmieds sind im Wesentlichen :
ein kleiner Ambos ohne Hom; ein Abschrot, welches neben dem Ambos
im Ambosstocke befestigt ist und Nagelschrot oder Blockmeissel heisst;
Hämmer von verschiedener Grösse ohne Finne mit quadratischer Bahn;
und insbesondere die „ Nageleisen ^, d. h. Gesenke zur Ausbildung des
Nagelkopfs dienend. Fig. 613 stellt ein solches Nageleisen dar. Der
mittlere dicke Theil (die Krone), welcher aus gehär-
tetem Stahle besteht, enthält die durchgehende, nach
unten sich etwas erweiternde Oefinung, deren oberer
Theil mit dem Querschnitte der Nägel dicht unter dem
Kopfe übereinstimmen muss. Beim Gebrauche wird
das Nageleisen an den beiden Enden unterstützt, so dass die OefiPnung
frei liegt, indem man es mit der einen Seite auf der Amboskante, mit
der andern auf einer zu diesem Zwecke neben dem Ambos aufgestellten
Stütze ruhen lässt.
Der Nagelschmied gebraucht ein feinkörniges reines Stabeisen von
quadratischem dünnem Querschnitte, welches besonders für diesen Zweck
846 Specielle Technologie.
dargestellt zu werden pflegt. Häufig benutzt man för die Anfertigung
die auf Seite 583 abgebildeten Schneid werke; besser, aber auch theurer
und deshalb in jetziger Zeit seltener ist das unter Hämmern ausgereckte
feine Quadrateisen (Zaineisen). Sehniges Eisen würde in dem dünnen
Querschnitte des Nidels auüsplittem und ist deshalb nicht brauchbar.
Das äusserste Ende einer solchen Eisenstange wird nunmehr im
Schmiedefeuer auf Schweisshitze erwärmt und rasch zu einer schlanken
Spitze von entsprechender Grösse und Form ausgeschmiedet, so dass in
dem Abstände der Nagellänge von der Spitze ein Ansatz entsteht. Auf
dem Blockmeissel wird nunmehr dicht hinter dem Ansätze der Stab fast
ganz durchgehauen, so dass noch soyiel Material an dem Nagel sitzen
bleibt als die Bildung d^s Kopfs erfordert; dann wird der Nagel von
oben in das Nageleisen gesteckt, der Stab, welcher noch lose am Nagel
hängt, abgebrochen und nun durch einige rasche Hammerschläge auf das
oben herausragende dickere Ende des Nagels der Kopf ausgebildet. Durch
einen Schlag unter die unten aus dem Nageleisen vorstehende Spitze des
Nagels wird derselbe aus dem Nageleisen herausgeworfen und sofort ein
neuer in Angriff genommen. Die Anfertigung muss in einer Hitze ge-
schehen und schon ein neuer Stab im Feuer zum Ausschmieden bereit
liegen; von kleinen Nägeln kann ein geübter Nagelschmied sogar zwei
bis drei in einer Hitze anfertigen.
Wie schon früher erwähnt wurde, wendet man für sehr grosse
Nägel (z. B. Schienennägel) zweckmässig eine Schmiedemaschine
(Seite 459) mit verschiedenen Gesenken an, wenn die Anzahl der be-
stellten Nägel die Mehrkosten eines solchen Apparats auszugleichen im
Stande ist.
Aber auch für die Anfertigung kleinerer Nägel, deren Verbrauch in
den Holzbearbeitungswerkstätten und in verschiedenen anderen Gewerben
ein so ungemein grosser ist, wurden im Laufe dieses Jahrhunderts eine
Anzahl von Methoden ersonnen, um die immerhin bei aller Geschicklich-
keit des Nagelschmieds noch zeitraubende Handarbeit durch rascher
liefernde Maschinenarbeit zu ersetzen.
Der Anwendung von Walzwerken mit periodischen Kalibern, um
die Form der Nagelköpfe (besonders für Schienennägel} roh auszubilden
und dadurch an späterer Arbeit zu sparen, wurde bereits auf Seite 493
gedacht; in ähnlicher Weise hat man auch kleinere Nägel in Walzwerken
Torge walzt und durch einen weitern Formgebungsprocess vollendet.
Eine allgemeine Anwendung hat jedoch dieses Verfahren nicht gefunden 0.
Weit häufiger ist die Anwendung geschnittener Nägel, aus
einer Blechtafel von der Stärke, wie sie die Nägel erhalten sollen, durch
Schnitte nach Fig. 614 hergestellt. Die Scheere steht hierbei fest, das
Blech macht den Vorschub und erhält dabei durch eine besondere Vor-
^) Näheres hierüber: Dingler, polyt. Journal, Bd. 184, 8. 115; Bd. 207,
8. 184.
Nägel und Drahtstifte.
847
Fig. 614.
richtung die abwechselnde Drehung nach links and rechts, entsprechend
der jedesmaligen Schnittrichtung. Der zu benutzende BlechstreUen wird
von einer langem Blechtafel durch
einen querlaufenden Schnitt gemäss
der Lange der anzufertigenden Nägel
abgetrennt, wobei zu beachten ist,
dass die Faserrichtung des Blechs in
der Richtung der Schnitte liegen muss,
durch welche die Nägel hergestellt
werden, weil bei entgegengesetzter
Richtung dieselben abbrechen würden. Die so erhaltenen Nägel sind
ohne Kopf und können in dieser Form nur für einzelne Zwecke Verwen-
dung finden; um sie anzuköpfen, werden sie entweder in einem kleinen
Flammofen zum Glühen erhitzt, worauf die Bildung des Kopfs im
Gesenke unter einem Fällwerke oder einer Presse erfolgt; oder der Kopf
wird kalt geprägt {iß unmittelbarer Folge auf das Schneiden), und der
Nagel später ausgeglüht.
Solche geschnittene Nägel besitzen nur zwei convergirende Flächen,
während die zwei anderen parallel laufen, so dass statt der Spitze des
geschmiedeten Nagels eine Kante entsteht. Sollen sie, wie die geschmie-
deten Nägel, pyramidale Form erhalten, so muss das dafür benutzte
Blech keilförmig gewalzt werden (vergleiche Seite 495); selbstverständ-
lich lässt sich jedoch aus einem solchen Blechstreifen nur die Hälfte
Nägel schneiden und die andere Hälfte wird Abfall.
Für sehr viele Zwecke, besonders für Holzarbeiten aller Art, sind
endlich die aus Eisendraht gefertigten Drahtnägel oder Drahtstifte
sehr geeignet, welche vor den geschmiedeten den Vorzug der Billigkeit,
vor den geschnittenen der grossem Brauchbarkeit für viele Verwen-
dungen voraushaben. Dieselben werden aus ungeglühtem Fisendrahte
von der Stärke, welche der fertige Nagel erhalten soll, auf einer Ma-
schine hergestellt, welche das Anköpfen, Zuspitzen und Lostrennen des
Nagels von dem Drahte, kurz, sämmtliche Arbeiten zur Umwandlung
eines Drahtrings, wie ihn das Zieh werk liefert, in fertige Drahtstifte mit
Kopf und Spitze ausfuhrt und wegen ihrer sichern und raschen Arbeit
eine etwas ausführlichere Besprechung verdient.
Fig. 615 (a.f.S.) stellt die Ansicht einer solchen Maschine von oben,
Fig. 616 (a* S. 849) einen senkrechten Schnitt durch die Tischplatte
derselben dar. Letztere wird durch Schrauben auf einem hölzernen
Rahmen mit vier Füssen befestigt. Der Antrieb wird von einer Trans-
mission aus durch die eine der beiden in Fig. 615 ersichtlichen Riemen-
scheiben auf die horizontale doppelt gelagerte Hauptwelle der Maschine
übertragen und die Gleichförmigkeit der Bewegung durch ein zwischen
den Riemenscheiben und dem Tische eingeschaltetes Schwungrad ge-
sichert. Die zweite Riemenscheibe ist Losscheibe für die Ausrückung.
Specielle Technologie.
Nägel und Drahtstifte. 849
Dar zur Vararbeitaug be-
Btimmte Dr»bt befindet aicb ad
der rechten Seite der Maschine
auf einem HsBpel mit horizon-
taler Achse; das vordere Ende
dea Drahts muss, bevor es zar
eigentlichen Maschine gelangt,
die fünf Rgllea in dem angs-
schraubten Rolleuhalter T passi-
ren , welche den Zweck haben,
den Draht bei seinem Durch-
gange ZD richten, die gekrümmte
Form desselbea in eine gerad-
linige lEO verwandeln. Von hier
aus gelangt der Draht nach dem
Zubringer L, welcher denselben
periodenweise um so viel nach
links vorschiebt, als die Lilnge
eines Drahtstifts beträgt. Zu
diesem £nde sitzt auf dem Ende
der Betriebswelle die Schliti-
kurbel c, deren Bewegung durch
die in Fig. 615 ersichtliche
Schubstange (mit konisch ge-
formtem Auge an der rechten
Seite) und den horizontalen
Doppelhebel X auf den in zwei
Prismenfüh rangen gleitenden
Schlitten L übertragen wird, so
dass derselbe hin- und herge-
hende Bewegung erhält. Durch
Verstellung des Augriffspiuikts
der Schubstauge lässt sich die
Grösse dieses Hubes gemäss der
Länge der zu fertigenden Stifte
beliebig regeln. Auf dem Schlit-
ten ist eine zangeuartige, in
Fig. 611i erkennbare Vorrichtung
befestigt, welche durch den Druck
einer Feder so weit geschlossen
gehalten wird, dass sie den Draht
mitnimmt, sobald sich dem Vor-
schübe desselben kein Hinderniss
entgegenstellt, und leer über
denselben fortgleitet, ohne ihn
Ladabnr, oMbuÜHh-ntUOufllMhi Tachaologi*.
850 Spedelle Technologie.
xn beschSdigen, wenn er snf irgend eine Weise in aeiner Bew^pong ge-
benunt ist. Dieaes HemmnieB der Bewegung tritt nun regelmiasig knn
beror der Schlitten seine RäckwÄrtabewegnog nach rechte beginnt, in
folgender Weiae ein. Anf der Antriebswelle ist zunScbst dem Schwung'
rwle eine Scheibe Q befestigt, deren Umfang, wie in Fig. 617 ersichtlich
tat, in nngefflhr '/i der ganzen Länge exceDtriich anageschnitten ut.
Anf der Scheibe ruht mit einer Bolle der längere Arm eines gekrümmten
eisernen Hebels B, der mithin während circa '/j Umdrehungen derSch«be
Fig. (117.
im höchsten Stande Terbarrt, während '/j Umdrehnng aber in Folge
seines eigenen Gewichts, dem Umfange der Scheibe folgend, sich senkt.
Das vordere kürzere Ende des Hebek ff greift in das Ende einra einar-
migen, qner tlber den Tisch der Sfaschine hinweggehenden sweiten He*
bels Bf und hebt diesen empor, so lange der Ausschnitt der Scheibe Q
oben steht. Da, wo der Draht nuter dem Hebel Bj hinweggehen mass,
ist der letztere mit einer auswechselbaren Stahlhacke b, Fig. 616, rer-
sehen, welche durch eine zweite, im festliegenden Untertheile Bi befe-
stigte Backe ergänzt wird. FQr den Durchgang des Drahts enthält jede
dieser Backen eine halbcjHnd rieche Binne, mit kleinen Zähnchen an der
lunenfläohe versehen, um den Draht festzuhalten, sobald der Hebel St
gesenkt und dadurch die obere Backe auf die nntere gedrückt ist; und
an dem linken Ende mit einer konischen Erweiterung in Bücksicht anf
die konische Form des Nagelkopfs, welcher an dieser Stelle geprägt
wird (Fig. 616 zeigt die untere Backe 6 nach Abnahme des Hebels Bt).
Die geschlossenen Backen bb dienen daher gemeinschaftlich als Ambos
oder Untergeaenk für die Bildung des Kopfs.
Dieses Ausprägen des Nagelkopfs erfolgt bald nachdem das Draht-
ende zwischen den Bscken hervorgetreten ist und während der Zubringer
noch seinen leeren Rückgang vollführt, durch den horizontalen, in zwei
Lagern geführten Hammer R (Fig. 61Ö und 616), dessen Kopf S aus
hartem Stahle gefertigt und zum Auswechseln eingerichtet ist. Für die
Nägel xmä Drahtatifle. 851
BewegODg desselben dienen die Scheibe a and die Feder F. Erstere er-
fasst den Hammer nach beendigtem Schlage mit dem danmenartigen,
an ihrem Umfange befindlichen Vompmnge, fOhrt ihn nach linke zurück
nnd hält ihn dort wäbrend circa Va Umdrehnngen fest; sobald aber das
letzte exceutriBch ansgeeobnittene Drittel des Scheihennmfangs nach
□nten steht, erhält der Hammer Spielraum nnd wird durch die Feder
nach rechts geschleudert. Die Feder hat, wie schon ans Fig. 61fi hervor-
gebt, winkeliormige Gestalt nnd ist an ihrem Scheitel in einem um
einen Zapfen drehbaren Oehänse befestigt; mit der Rückseite stemmt sie
sich gegen einen an zwei Fühmogsstangen yerstellbaren Qnerriegel, so
dasB dnrcb dessen Verstellung ihre Spannung und somit die Wirkung
des Scblages verändert werden kann, je nachdem man dickem oder
dünnem Draht verarbeitet.
Wenn das Anköpfen beendigt ist, beginnt mit dem Rückgänge des
Hammers ein weiterer Yorscbnb des angeköpften Drahts nm das Uaass
einer Nagellänge. In dem Augenblicke nun, wo dieser Vorschub beendet
ist, findet, wäbrend der Hammer noch in seiner hintersten Stellung fest-
gehalten ist, in ganz geringem Abstände von den beiden Backen b das
Zuspitzen des Drahts stett. Hierzu dienen die beiden zangenartig
znsammengreifenden Doppelhehel MM (Figuren 615 und 618). Die
Fig. Sie.
längeren Arme dieser Hebel greifen an ihren Enden mit je einem aufwärts
gerichteten Zapfen in eine an der Betriebewelle der Maschine befindliche
corven form ige Nuth von solcher Gestalt, dass sie während eines Umlaufs
der Maschine ein Mal rasch nach aussen gedrückt werden, dann aber
sogleich zurückgeben nnd während der übrigen Zeit des Umlaufs in
Ruhe verharren. Diese Bewegung der langen Hebelarme hat die ent-
gegengesetzte der kürzern zur Folge: die Zange schliesst sich ein Mal
während eines Umlaufs und wird dann rasch wieder geölfnet Die kurzen
Arme sind da, wo sie zusammentreten, mit Stabteinsätzen (mm in
Fig. 615) ausgerüstet, nm die Spitze auszubilden, welche gewöhnlich die
Form einer vierseitigen Pyramide erhält. Bei dem Zusammendrücken
Specielle Technologie.
Fig. (
862
des Drfthte zu einer solchen Spitze moss das äberflüssige Material &as-
weicben; giebt man den Stahlbacken eine Form wie sie in Fig. 619 in
balber natürlicher Grösse abgebildet ist, so entsteht durch das aoawei-
chende Material eine Verdickung an dem Ende
des nachfolgenden Drahts, welche die Bildung
des nächsten Kopfs erleichtert.
Wenn die Hebel nach geschehener Bildung
der Spitze sich Öffnen, hängt der fertige Nagel
nnr noch lose an dem nachfolgenden Drahte, nnd
es bedarf eines geringen Stosses, nm ihn Ton
demselben za trennen. Zar selbst thätigen Ans-
fühmng dieser letzten Arbeit befindet sieb seit-
lich von dem Hammer zwischen den Zangen*
hebeln ein in der Verticalebene beweglicher,
etwas gekrümmter Hebel D, in Flg. 620 beson.
ders abgebildet, dessen Standort anch im Grund-
risse bei k erkennbar ist Der hintere kürzere
Arm dieses Hebels wird darch die Scheibe /
^^ wahrend eines Unilanfa der Betriebs welle so lange
^B niedergedrückt, bis der kurze excentrische Ans-
^^M schnitt der Scheibe unten steht; nnn erhält der
^^ hintere Arm Spielranra; der »ordere längere
Arm schnellt in Folge der Wirkung einer mit
ihm verbandenen Spiralfeder Z abwärts, schlägt dabei mit einem an ihm
verstellbar befestigten senkrecht gerichteten Stabe auf den noch schwe-
Fig. «20.
Nägel und Drahtstifte. 853
benden Nagel und trennt diesen dadurch von dem Drahte ah. Derselbe
föUt durch eine Oeffnung in der Tischplatte auf eine unterhalb derselben
angebrachte schiefe Ebene, auf welcher er in einen bereit stehenden
Behälter hinabgleitet.
Sobald die Trennung erfolgt ist und der Hebel wieder seinen frühern
Stand eingenommen hat, schnellt der Hammer vor, um den Kopf des
folgenden Nagels zu bilden; dann wieder Vorschub des angeköpften
Drahts, Zuspitzen, Lostrennen u. s. f. Bei jeder Umdrehung der Betriebs-
welle erfolgrt also ein vollständiger Drahtstift; durchschnittlich macht
die Maschine für grössere Nägel 60 Umdrehungen per Minute, so dass
stündlich circa 3Va mille Drahtstifte fertig werden; bei kleineren dagegen
läuft sie bedeutend rascher, so dass man bis zu 20 mille per Stunde fer-
tigen kann.
Nägel aus eisernen Stiften mit Messingköpfen werden ge-
wöhnlich in der Weise gefertigt, dass man zunächst die Stifte schneidet,
anspitzt und den Kopf angiesst. Man stellt zu diesem Zwecke eine
Gussform in Sande nach einem Modelle her, welches zahlreiche, um einen
gemeinschaftlichen Einguss gruppirte Nagelköpfe darstellt; an Stelle der
Stifte trägt das Modell Kernmarken, so dass für jeden Stift in der Guss-
form eine entsprechend grosse Rinne entsteht, in welcher er zu liegen
kommt, während sein Ende in die hohle, für die Aufnahme des flüssigen
Messings bestimmte Gussform hineinragt. Die gegossenen Nagelköpfe
werden gebeizt und abgeschmirgelt, um blank zu werden. Die Stifte für
die Bildernägel lassen sich auf der Drahtstiftmaschine herstellen, wobei
nur das Anköpfen wegfallt; sollen sie statt der Spitze Holzschrauben-
gewinde erhalten, so werden sie auf der Drehbank angeschnitten.
Sehr mannigfaltig sind die Methoden, um die bekannten Tapezier-
oder Möbelnägel mit den fast halbkugligen, unterwärts hohlen. Köpfen
zu fertigen. Schon in einer und derselben Handlung wird man meistens
drei bis vier verschiedene Sorten solcher Nägel kaufen können, deren
abweichende Herstellungsweise schon bei oberflächlicher Betrachtung
deutlich zu erkennen ist.
Die älteste Methode ist wohl die Anfertigung durch Giessen in
Messing, wobei Kopf und Stift aus einem Stücke bestehen. Bei diesem
Verfahren wird jedoch der Rand der Köpfe gewöhnlich rauh, der Messing-
verbrauch ist gross, und es stehen deshalb die Anfertignngskosten in
einem ungünstigen Verhältnisse zu der Vollkommenheit der -Erzeugnisse.
Das Giessen wird erleichtert, wenn man die Köpfe flach (statt gewölbt)
giesst und dann erst mit Hilfe eines Stempels nebst Matrize im Fall-
werke auftieft. Man erhält dadurch schwächere Metallstärke im Kopfe
und vollendetere Form.
In anderer Weise stellt man die Köpfe für sich aus Messingblech
mit Hilfe eines Durchschnitts dar, dessen Oberstempel convexe Form
besitzt, so dass er zugleich die Köpfe ausstösst und schalenartig hohl
biegt. Die Stifte werden aus Eisendraht gefertigt (wozu sich die Draht-
854 Specielle Technologie.
stiftmaschine eignet) and mit Schnellloth in den Kopf eingelöthet. Da
jedoch die Löthnng mit Schnellloth nicht genügende Haltharkeit besitzt,
um den ausgeübten Hammerschlägen mit Sicherheit za widerstehen, so
sind solche Nägel wenig gesucht, und das Verfahren ist nur noch selten
üblich«
Dagegen wird man häufig Tapeziemägel, besonders aus fran-
zösischen Fabriken stammend, finden, deren Kopf an der Unterseite einen
kleinen Wulst besitzt und mittelst desselben den aus Eisen gefertigten
Stift umschliesst. Die Vereinigung von Kopf und Stift erfolgt hierbei
durch Prägjing, wobei eine und dieselbe Maschine sowohl die Herstellung
als die Vereinigung der beiden Theile besorgen kann. Als Material wird
demnach der Maschine Draht für den Stift und Blech für den Kopf
zugeführt; die Maschine liefert hieraus den Nagel mit flachem Kopfe,
welcher in einer zweiten kleinern Maschine durch eine abermalige Prä-
gung seine Vollendung erhält. Das Priucip einer solchen Maschine^) ist
folgendes. Ein Streifen aus Kupfer- oder Messingblech und das Ende
eines Eisendrahtrings werden mit ruck weisem Vorschübe unter einem
rechten Winkel gegen einander geführt, der Kupferstreifen in annähernd
horizontaler, der Eisendraht in annähernd senkrechter Richtung. Die
Vorrichtungen zum Vorschübe, Anspitzen etc. des Eise^idrahts sind den-
jenigen der oben beschriebenen Drahtstiftmaschine sehr ähnlich, nur
dass hier die Bewegung nicht in horizontaler, sondern in senkrechter
Richtung erfolgt. Die erste Arbeit der Maschine ist die Bildung eines
Grübchens an der Oberfläche des Metallstreifens mit Hilfe eines entspre-
chend geformten Stempels.
Nun wird der Streifen vorgeschoben und zwar um genau so viel,
dass das soeben entstandene Grübchen sich unmittelbar unter dem sich
abwärts bewegenden Eisendrahte befindet; gleichzeitig aber erhält auch
dieser seinen Vorschub dergestalt, dass sein Ende bis in das Grübchen
hineintritt. Während der nun folgenden Pause des Vorschubs drückt
von unten her ein Stempel gegen den Streifen und bildet am Ende des
Drahts einen Kopf aus, der innerhalb des Grübchens sich ausbreitet,
während zugleich durch den Druck voii der entgegengesetzten Seite her
das um das Grübchen bei Entstehung desselben angehäufte Metall des
Streifens zusammengedrückt und somit wieder über dem entstandenen
Nagelkopfe um den Draht herum zusammengeschoben wird. Der Stempel
wirkt aber zugleich als Durchstoss und trennt den Nagelkopf als flache
kreisrunde Scheibe aus dem Streifen. Gleichzeitig erfolgt die Bildung
der Nagelspitze und das Abtrennen vom Drahte in ganz ähnlicher Weise
als auf der Drahtstiftmaschine. Inzwischen ist auch ein neues Grübchen
auf dem Metallstreifen gebildet und bei dem jetzt eintretenden Vor-
1) Ausführlich beschrieben und abgebildet in Dingler 's polytechniBchein
Joumale, Bd. 198, S. 473; aus. dem Bulletin de la soci^ü^ d^encouragement 1B69,
S. 257.
Tapeziemägel. 855
schabe wiederholen sich nun alle die beschriebenen Operationen. Der
Nagel kommt also in der Form Fig. 621 ans der Maschine heraus. Er
gelangt zu einer Scheuertonne mit Kleie gefüllt, um gereinigt und Ton
pjg 321. Fig. 622. Grat befreit zu werden, dann zu der er-
wähnten zweiten, in ihrer Construction
weit einfachem Maschine, wo das Auf-
tiefen des Kopfs erfolgt. Die Matrize
ist conyez, der Stempel concav geformt;
erstere ist hohl, um den Nagelstift auf-
zunehmen und zugleich dient diese Höhlung zur Bewegung des Nagel-
auswerfers nach beendigter Prägung. Die Bewegung des Stempels erfolgt
in horizontaler Richtung, so dass der geprägte Nagel leicht nach unten
herausfallen kann, sobald er durch einen leichten Stoss gegen den Stift
von der Matrize abgelöst ist. Die Zuführung der Nägel erfolgt selbstthätig
innerhalb einer rinnenartigen Vorrichtung, so dass, sobald ein fertiger
Nagel herausgeworfen ist, ein frischer an dessen Stelle tritt. Durch die
Stauchung bei dem Auftiefen des Kopfs wird das Material rings um den
Stift zusammengedrängt, wodurch derselbe einen noch sicherern Halt in
dem Kopfe erhält. Fig. 622 zeigt die Form des fertigen Nagels.
Wo eine solche, in ihrer Einrichtung immerhin etwas complicirte
Maschine nicht zu Gebote steht, wird das Herstellungsverfahren in
folgender Weise abgeändei*t. Auf einem Durchstosse werden kreisrunde
Fig. 623. Scheiben aus Messingblech oder Kupferblech ausge-
. ,MHii stossen, dessen Stärke etwas beträchtlicher ist als die-
jenige der Nagelköpfe. Dieselben gelangen zu einem
Prägwerke (Fallwerke oder Schraube), wo sie zwischen Ober- und Unter-
stempel die Form Fig. 623 erhalten; die Stifte werden für sich mit Kopf
auf einer Drahtstiftm aschine gefertigt. Der Kopf des Stifts passt in den
Ring der Scheibe; auf einem zweiten Prägwerke wird nun die Messingplatte
wieder zwischen Ober- und Ünterstempel halbkugelig aufgetieft und dabei
der kleine aufstehende Bord derselben rings um den Stift zusammengepresst,
so dass er über den Rand des Stiftkopfs hinweggreift und eine sichere
Verbindung zwischen Stift und Platte herbeiführt. Der Prägstempel
(beziehentlich die Matrize) ist hohl, um dem Schafte des Drahtnagels
Platz beim Prägen zu geben. Die Form des fertigen Nagels ist ganz
die nämliche wie in Fig. 622 ^).
Nicht selten findet man in neuerer Zeit auch Tapeziernägel, deren
Kopf aus Eisenblech geprägt und mit ganz dünnem Kupferblech über-
zogen ist. Der Schaft des eisernen Drahtstifts geht durch die eiserne
Platte hindurch und der Stiftkopf befindet sich zwischen dieser und der
1) Näheres über diese letztere Dargtellungstmethode nebst Abbildungen der
zu benutzenden Stempel and Matrizen: Deutsche Indostriezeitung, Jahrg. 1872,
S. 354.
856 Specielle Technologie.
MoBsiogplatte eingeschlossen. Fig. 624 veranschaulicht die Zasammen-
Setzung eines solchen Nagels. Die Arheiten bei Anfertigung desselben,
Tig, 624. ^^^^ welche, soweit meine Eenntniss reicht, bislang nichts
veröffentlicht worden ist, därften auf einer Maschine, ähn-
lich der oben beschriebenen, in folgender Reihenfolge vor-
genommen werden. Ein Blechst reifen und ein Draht, beide
von Eisen, werden ruckweise unter rechtem Winkel ^egen
einander vorgeschoben. Der Blechstreifen wird, ehe er den
Draht erreicht, gelocht und erhält dabei einen aufgewor-
fenen Rand rings um das Loch. Bei dem nächsten Vorschübe tritt der
Eisendraht in das Loch; nun folgt an derselben Stelle das Anköpfen
des Drahts, wobei der Rand des Lochs schon fest um den Draht zusammen-
gepresst wird, das Zuspitzen des Drahts und das Ausstossen der runden
Scheibe, worauf diese sammt dem eingeklemmten Drahtstifte herausge-
worfen wird. Auf einer andern Maschine geschieht das Ausstossen der
Messingplättchen, deren Durchmesser einige Millimeter ^össer sein mnss
als derjenige des Kopfs; dann Aufbiegen des Randes dieser Plattchen im
Gesenke, Einlegen des Nagels und schliesslich Auftiefen des Kopfs, wobei
zugleich der Rand des Messingblechs über den Rand der als Kern die-
nenden Eisenschiebe übergelegt und festgedrückt wird.
Der Hauptvortheil dieser letzten Methode vor der früher beschrie-
benen dürfte in dem geringern Verbrauche an Messing oder Kupfer zo
suchen sein.
Die in ihrer Form fertigen Tapeziernägel werden — unter Um-
ständen nach vorausgegangenem Beizen mit Schnellbeize — polirt und
alsdann, wenn sie nicht ihre ursprüngliche Farl)e behalten sollen, durch
Weisssieden, Versilbern, Vergolden etc. mit einem andern Metallüberzuge
versehen.
Die Münzen.
Der Handel und Verkehr der Menschen und Völker unter einander
beruhte in den ältesten Zeiten und beruht noch jetzt bei rohen Voik»-
stammen auf einfachem Austausche von Waaren; und in gleicher Wei»r
wurde geleistete Arbeit durch Lieferung von Gegenständen bezahl:,
welche als Lebensbedürfnisse, Schmuck oder dergleichen unmittelbar tod
dem Empfanger ihrem Zwecke gemäss benutzt werden konnten.
Mit der Zunahme des Verkehrs wuchs aber die Schwierigkeit, far
alle Fälle solche Tauschobjecte gegen begehrte Waaren (oder Arbeit)
in Bereitschaft zu halten, welche dem Empfanger — dem Bringer jencrr
Waaren — begehrenswerth , dem Geber entbehrlich waren. Ais daher
die Metalle immer mehr Verwendung für die im täglichen Leben he-
nutzten Geräthe etc. fanden; als man anfing, in Erkenntnisa diese«
Werths der Metalle nicht allein die gediegen vorkommenden zu T«r-
wenden, sondern sie auch hüttenmännisch aus Erzen zu gewinnen, d^
Münzen. 857
erwiesen sich diese Metalle bald als ein sehr bequemes Taaschmittel für
Gegenleistungen aller Art; denn sie waren nicht, wie viele andere
Tauschobjecte , der Verderbniss unterworfen, sie erforderten wenig Platz
und besassen obenein in den meisten Ländern einen relativ hohem
Werth als in jetziger Zeit.
So wurden die Metalle zu einem vielfach benutzten Zahlungsmittel
der handeltreibenden Völker; man lieferte für irgend eine Waare oder
Arbeit eine bestimmte Menge dieses oder jenes Metalls. Damit war ein
erheblicher Schritt vorwärts zur Erleichterung gegenseitiger kaufmänni-
scher Beziehungen geschehen. Hinderlich und zeitraubend war jedoch
hierbei die Aufgabe, bei jedem Kaufe die Menge des als Zahlungsmittel
dienenden Metalls gemäss der getroffenen Uebereinkunft abzusondern
und zu prüfen; und je lebhafter der Händel und Wandel emporblühten,
desto empfindlicher wurde dieser Uebelstand. Der Gedanke lag also
nicht fern, dass zur fernem Erleichterung des kaufmännischen Verkehrs
Stücke der Metalle von bestimmtem Gewichte in grösseren Mengen her-
gestellt, zur leichtern Erkennung in eine bestimmte Form gebracht
und zur Garantie ihres richtigen Gewichts durch eine Vertrauensperson
mit einem betreffenden, schwielig nachzuahmenden äussern Zeichen ver-
sehen wurden.
So entstand der Anfang der Münzkunst.
Bei den Chinesen sollen schon um 2000 v. Chr. Münzen im Gebrau-
che gewesen sein; unter den übrigen historischen Völkern finden sich
die ersten Spuren wirklicher Münzen bei den Phöniciern. Von diesen
entlehnten die Griechen den Gebrauch des neuen Tauschmittels. Die
Romer bedienten sich der Münzen zuerst zur Zeit des Servius Tullius;
in Deutschland wurden die ersten Münzen im neunten Jahrhundert
nach Christus gefertigt.
Die sowohl früher als noch jetzt am häufigsten zur Münzenanferti-
gung benutzten Metalle sind: Gold, Silber und Kupfer. Eisen soll bei
den Spartanern zur Zeit des Lykurg als Münzenmetall verwendet worden
sein, ein Beweis, wie hoch dasselbe damals im Preise gestanden haben
muss; Platin wurde in Russland von 1828 bis 1845 zu Münzen verar-
beitet, die. aber 1845 sämmtlich wieder eingezogen wurden. In der
neuesten Zeit hat endlich das Nickel neben den genannten Metallen eine
ziemlich ausgedehnte Anwendung in den Münzwerkstätten gefunden.
Aber nur selten werden jene Metalle ganz rein verwendet. Gold,
Silber und Kupfer sind in reinem Zustande so weich, dass in Folge der
häufigen Benutzung nicht allein das Gepräge — das Erkennungszeichen
für den Werth der Münze — durch Niederdrücken und Verschiebung
sehr bald undeutlich werden, sondern auch durch Abreiben eine merkliche
Verminderung des Gewichts und somit des wirklichen Werths der Münze
eintreten würde; und natürlicherweise macht gerade der letztere Umstand
sich um so empfindlicher geltend, je kostbarer das betreffende Metall ist.
858 Specielle Technologie.
Nickel aber ist im reinen Zustande so schwierig verarbeitbar, dass es aas
diesem Grande ungeeignet für die Mänzendarstellong sein würde.
Man bildet also durch Zusatz anderer Metalle Legirangen, welche
sich durch grössere Härte und Widerstandsfähigkeit gegen Reibung, be*
ziehentlich grössere Yerarbeitungsföhigkeit auszeichnen; und zwar legirt
man zu diesem Zwecke Gold, Silber and Nickel mit Kupfer, Kupfer mit
Zinn und Zink.
In Rücksicht auf die grosse Differenz im Preise des Kupfers gegen-
über den Preisen des Silbers und Goldes ist es selbstverständlich, dass
die Zusammensetzung jener Legirungen insbesondere bei Silber- und
Goldmünzen aufs Genaueste vorgeschrieben und innegehalten werden
muss, damit die Werthe zweier Münzen, die im Aeussem einander gleich
sind und gleichen Nennwerth besitzen, auch thatsächlich mit einander
übereinstimmen. Man nennt den Gehalt einer Münze an reinem Golde
oder Silber ihren Feingehalt. Während derselbe in früheren Jahren in
den verschiedenen Ländern erhebliche Unterschiede zeigte, hat man in
neuerer Zeit in den meisten Ländern, wo ein neues Münzsystem einge-
führt wurde, nach dem Beispiele Frankreichs einen Feingehalt von 0,900
sowohl für Gold- als die grösseren Silbermünzen angenommen. Nur für
die kleineren Silbermünzen zieht man in manchen Ländern einen gerin-
gem Feingehalt vor, theils, um ihnen eine noch grössere, dem öflem
Gebrauche entsprechende Dauerhaftigkeit durch stärkere Legirung mit
Kupfer zu geben, dann auch, um nicht das Format der geringwerthigen
Münze allzu unansehnlich erscheinen zu lassen.
Der Feingehalt beträgt z. B. in Deutschland:
Bei sämmtlichen Reichsgoldmünzen 0,900 Gold,
„ „ Reichssilberm Unzen und den seit 1857
geprägten Yereinsthalem 0,900 Silber,
„ den norddeutschen Thalem vor 1857 0,750 „
„ „ preussischen, nicht mehr gültigen Silbergroschen 0,220 „
In Oesterreich:
Bei den Ducaten 0,986 Gold,
„ „ Doppelgulden und Gulden seit 1857 0,900 Silber,
„ „ Viertelgulden seit 1857 0,520 ,
„ „ 20 Kreuzer „ „ 0,500 „
« » 10 „ „ 1868 0,400 „
In Frankreich, Italien, Belgien und der Schweiz:
Bei sämmtlichen Goldmünzen - 0,900 Gold,
„ den 5-Franc8-Stücken 0,900 Silber,
„ „ übrigen neueren Silbermünzen 0,835 »
In England:
Bei den Sovereigns 0,916 Gold,
„ „ Silbermünzen 0,925 Silber,
Münzen. 859
In den Vereinigten Staaten NordamerikaB:
Bei den Goldmünzen seit 1837 0,900 Gold,
„ „ SilbermOnzen seit 1837 0,900 Silber.
Kupfermünzen bestehen in Deutschland, Frankreich, England und
anderen Ländern aus
95 Theilen Kupfer,
4 „ Zinn,
1 Theil Zink,
verdienen also thatsächlich den Namen Bronzemünzen; antike Münzen
enthielten weit mehr Zink (vergleiche die auf Seite 10 mitgetheilten
Analysen); französische Münzen, in den ersten Jahren der französischen
Revolution aus den Glocken aufgehobener Klöster geprägt, sind in Folge
dieses Umstandes reicher an Zinn.
Nickelmünzen enthalten in Deutschland, Nordamerika (seit 1863),
Belgien, Brasilien 25 Theile Nickel und 75 Theile Kupfer; ältere nord-
amerikanische Nickelmünzen enthalten nur 12 Procent Nickel. Es ist
hierbei die intensiv färbende Eigenschaft des Nickels wichtig, durch
welche die aus solchen Legirungen gefertigten Münzen eine bleibende
weissgraue Farbe erhalten, während Silbermünzen mit einem so reich-
lichen Kupfergehalte eine entschieden röthliche Färbung besitzen würden
(welche z. B. bei den früheren preussischen Silbergroschen schon nach
kurzem Gebrauche deutlich hervortrat) ^).
Diejenige Zahl, welche angiebt, wie viele Münzen bestimmter Gat-
tung aus einem bestimmten Gewichte des Feinmetalls hergestellt werden,
heisst der Münzfuss. Nach demMünzfusse des deutschen Reichs werden
aus 1 Pfund oder 500 g Feingold für 1395 Mark Nennwerth Goldmünzen,
aus 1 Pfund Feinsilber für 100 Mark Nennwerth Silbermünzen geschla-
gen. Aus dem Feingehalte der Münzen und dem Münzfiisse berechnet
sich das Gewicht der legirten Münze. Bei dem Feingehalte der deut-
schen Goldmünzen = 0,900 enthält 1 Pfund legirtes Goldmetall
0,900 Pfund Feingold, aus welchem 0,9 X 1395 = 1255,50 Mark
Goldmünzen geprägt werden können ; ebenso aus 1 Pfund legirtem Silber
0,9 X 100 = 90 Mark Silbermünzen.
Da es aber bei der Anfertigung im Grossen unmöglich sein würde,
sowohl hinsichtlich des Feingehalts als. des Gewichts jeder einzelnen
Münze die gegebenen Bestimmungen ganz genau inne zu halten, so ist
in allen Ländern eine sogenannte „ Toleranz '^ gesetzlich festgestellt, d. h.
ein Maximum der zulässigen Abweichungen von dem normalmässigen
Feingehalte und Gewichte bei einer einzelnen Münze, wobei man von
der Ansicht ausgeht, dass in der Gesammtmenge der geprägten Münzen
die entgegengesetzten Abweichungen sich gegenseitig wieder ausgleichen
werden. Bei den deutschen Reichsmünzen ist z. B. die Toleranz:
^) Vergleiche Dingler'8 polyt. Journal Bd. 223, 8. 1: Karmarsch, Be-
trachtungen über das europäische Münzwesen.
860 Specielle Technologie.
im Feingehalte im Gewichte
Für Silbermünzen +0,3 Proc. + 1,00 Proc.
„ Goldmünzen (20- und lO-Mark-Stücke) + 0,2 „ ± 0,25 „
„ „ (5-Mark-Stücke) . . . . + 0,2 „ + 0,40 „
Die Münzen der jetzigen Zeit haben fast ohne Ausnahme die be-
kannte scheibenförmige Gestalt mit kreisrundem Umfange. Man giebt
ihnen dadurch diejenige Form, welche für den Gebrauch die bequemste
ist, welche die äusseren, durch das Gepräge gegebenen Kennzeichen
deutlich hervortreten lässt und am wenigsten leicht durch Verbiegen
oder dergleichen leidet. Im Alterthume dagegen gab es längliche, keil-
förmige, konische und andere Münzen.
Das eigentliche charakteristische Kennzeichen der Münze wird durch
ihr Gepräge gebildet.
Wie schon oben hervorgehoben wui'de, soll das Gepräge die Garantie
für den Werth der Münze bilden; damit aber dieser Zweck erreicht
werde, muss dasselbe nicht nur in deutlicher und verständlicher Weise
die Bezeichnung des Nennwerths und des Landes, welchem sie angehört
und von dessen Regierung der Werth garantirt wird, enthalten, sondern
das Gepräge muss auch derartig beschaffen sein, dass es eine betrügliche
Werth Verminderung durch Wegnahme von Spänchen an der Oberfläche
und am Rande (die natürlich um so mehr zu fürchten ist, je werth voller
das Metall ist) leicht erkennen lässt und die Nachbildung durch Falsch-
münzer erschwei*t. Das geeignetste Mittel, einer betrüglichen Verklei-
nerung der Münzen durch Befeilen etc. des Randes vorzubeugen, ist die
Anbringung einer rings um den Rand herumlaufenden Schrift oder
ornamentalen Verzierung (Rändelung); am besten erhaben, meistens
aber in Rücksicht auf die Schwierigkeiten, welche eine erhabene Rand-
schrift beim Prägen hervorruft, vertieft ausgeführt. Daneben lässt das
sogenannte „Stäbchen^, d. h. der schmale am Rande der meisten in der
Neuzeit geprägten Münzen herumlaufende erhabene Reifen eine Ver-
kleinerung der Münze um so leichter erkennen, je schmaler er selbst ist.
Die Nachahmung durch Fälscher wird um so schwieriger, je reicher,
künstlerischer die Zeichnung und je vollendeter die Ausführung ist.
Endlich soll aber das Gepräge auch ein solches sein, dass es durch
den Gebrauch möglichst wenig abgenutzt werde. Diese Aufgabe zu er-
füllen ist eine andere Bestimmung des erwähnten „Stäbchens"; die Höhe
desselben wird so beträchtlich bemessen, dass die Münze, auf einer
flachen Ebene — Tischplatte — aufliegend, nur auf dem Stäbchen ruht
und das übrige Gepräge nicht berührt wird. Selbstverständlich muss zu
diesem Zwecke das letztere flach gehalten werden und nur bei Medaillen,
die nicht für den Umlauf bestimmt sind, wendet man aus Schonheits-
rücksichten kräftigere Reliefs an. Häufig erleichtert man noch die Lö-
sung jener Aufgabe des Stäbchens, indem man den Flächen der Münze
eine schwach concave Form giebt.
Münzen. 861
Für die Anfertigung der Münzen sind folgende Arbeiten erforderlich.
Die zn verarbeitende Legirung wird im Tiegel geschmolzen. In den
meisten Fällen wird man sich eines Tiegelschachtofens, mit Holzkohlen
oder Koks geheizt, zum Schmelzen bedienen. Man benutzt Graphittiegel,
für Silber bisweilen schmiedeeiserne oder gnsseiserne Tiegel. Der Inhalt
der Tiegel pflegt entsprechend dem Umfange des Betriebes 200 bis
300kg zu sein; schmiedeeiserne Tiegel werden sogar in Grössen bis zu
1100 kg Inhalt angewendet. Die Tiegel werden zur Rothgluth ange-
wärmt, dann das Metall eingesetzt und mit Holzkohlenlösche bedeckt.
Von Gold- und Silberlegirungen nimmt man, wenn das Schmelzen
beendet ist, mit einem Schöpflöffel eine kleine Probe, giesst dieselbe ans
und unterwirft sie einem Probiryerfahren durch Abtreiben oder auf
nassem Wege, um den Feingehalt zu prüfen. Wenn dieselbe ein befrie-
digendes Ergebniss geliefert hat, folgt das Ausgiessen.
Man benutzt gusseiserne, zweitheilige, stehende Formen ^), in wel-
chen das Metall zu Stäben von 400 bis 600 mm Länge, 4 bis 8 mm
Dicke und einer dem Durchmesser der Münzen entsprechenden Breite
ausgegossen wird. Diese Stäbe heissen Zaine. Entwickelt die Legirung
reichliche Gasmengen beim Giessen, wie z. B. die Nickellegirungen, so
befordert man das Entweichen der Gase aus der Form und dadurch die
Entstehung dichtem Gusses, indem man statt der dünneren Stäbe dickere
Blöcke giesst und mit Hilfe einer geeigneten Maschine diese in Stäbe
zersägt.
Die Zaine gelangen nun zum Walzwerke, um gestreckt und dabei
verdichtet zu werden. Da es hierbei auf genaueste Innehaltung der
Qnerschnittsstärke des Arbeitsstücks ankommt, müssen alle Theile des
Walzwerks in sorgfaltigster Weise hergerichtet sein. Die allgemeine
Einrichtung entspricht derjenigen eines Duowalzwerks mit entlasteter
Oberwalze; die Walzen haben nur 150 bis 250 mm Durchmesser, 200 bis
400 mm Länge, sind glatt ohne Kaliber, aus Gussstahl gefertigt und ge-
schmirgelt. Häufig verbindet man zwei Walzgerüste durch Kupplungen
zu einer Walzstrecke mit Vor- und Fertigwalzen, um die letzteren, welche
am genauesten gearbeitet sein müssen, möglichst zu schonen. Die Um-
fangsgeschwindigkeit der Walzen ist ziemlich langsam, die Anzahl der
Umdrehungen 20 bis 30 per Minute. Fast ausnahmslos werden die
Metalle im kalten Zustande gewalzt; aber je stärker sie legirt sind, ein
desto öfteres Ausglühen pflegt erforderlich zu sein. Man bedient sich
zum Ausglühen eines Muflelofens.
Das Strecken im Walzwerke wird so lange fortgesetzt, bis ein aas
dem gestreckten Zaine probeweise ausgestossenes Plättchen von be-
stimmtem Durchmesser das genaue Norm algewicht einer Münze gleicher
1) Stehende Form bedeutet: mit senkrechter Hauptachse, um dichtem Quss
zu erzeugen. Vergleiche S. 106 und 156.
862 Specielle Technologie.
Grösse (und selbstverstäsdlich gleichen Metalls) erlangt hat; alsdann
beginnt die folgende Arbeit, das Ausschneiden oder „Ausstückeln".
Man bedient sich dazu eines Durchstosses mit Stempel und Loch-
ring (Seite 584); und zwar sind verschiedene der a. a. 0. beschriebenen
Constructionen für diesen Zweck Üblich. Für die jetzt seltenere Hand-
arbeit dient eine Schraube mit doppeltem Gewinde zur Bewegung des
Stempels (Fig. 455 auf Seite 586); für Maschinenbetrieb der Hebel oder
häufiger ein Excenter mit Schwungrad (Seite 590). Aus dem Zaine wer-
den auf dieser Maschine kreisrunde Platten, deren Durchmesser der
Grosse der Münzen entspricht, ausgestossen; die zurückbleibenden Schrote
wandern zum Schmelzofen zurück. Bei dem Betriebe von Hand liefert
ein Arbeiter stündlich 1000 bis 1500, bei dem Betriebe durch Elementar-
kraft 4000 bis 6000 ausgestückelte Platten.
Die in solcher Weise gefertigten Platten gelangen nun, da das Ge-
wicht derselben trotz aller bei den vorausgehenden Arbeiten angewen-
deten Sorgfalt nicht immer hinlänglich genau mit dem Normalgewichte
übereinstimmt 9 zur Berichtigung dieser GewichtsdifPerenzen in die
Justirwerkstatt. Bei Goldmünzen und werth volleren Silbermünzen
geschieht das Justiren in folgender Weise. Der Arbeiter sitzt an einem
Tische, vor sich eine Wage, deren eine Wagschale mit dem Normal-
gewichte belastet ist, und prüfb nun durch Auflegen jeder Platte auf die
andere Wagschale ihr Gewicht. Zu leichte Platten (deren Vorkommen
man übrigens durch etwas reichliche Bemessung der Plattenstärke thun-
lichst zu vermeiden sucht) werden bei Seite gelegt, um wieder einge-
schmolzen zu werden; zu schwere Platten werden durch Abnahme von
Spänchen leichter gemacht. Diese Arbeit geschieht entweder von Hand
mit Hilfe der Feile, wobei die Platte in einem Holzklotze (dem Justir-
klotze) aufruht; oder mit Hilfe einer kleinen Justirmaschine (von Hand
oder durch eine Transmission bewegt), welche mit einem entsprechend
breiten Messer einen Span von der ganzen Plattenoberfläche abnimmt.
Selbstverständlich mnss sowohl bei der Benutzung der Feile als der
Justirmaschine die ganze obere Seite der Platte gleichmässig bearbeitet
werden, damit nicht Vertiefungen auf derselben als Spuren der Bear-
beitung entstehen.
Die justirten Platten werden abermals gewogen und, wenn ndthig,
nochmals nachgearbeitet.
Durch Anwendung automatischer Wagen an Stelle der einfachen
Handwagen hat man in vielen grösseren Münz Werkstätten die Arbeit
des Justirens erheblich vereinfacht. Eine solche automatische Wage
schiebt selbstthätig eine Münzplatte nach der andern auf die -Wag-
schale und sondert sie in verschiedene Behälter, die zu leichten Platten
kommen gemeinschaftlich in ein Behälter; die innerhalb der Toleranz zu
leichten oder zu schweren (also keiner Justirung bedürfenden) in zwei
Behälter; die zu schweren endlich werden nach der Grösse des Ueber-
Münzen. 863
•
gewichts wieder in verschiedene (gewöhnlich 3) Glassen getheilt ^). Diese
letztere Sondemng ermöglicht es alsdann, durch eine einmalige entspre-
chende Einstellung des Messers der Justirmaschinen alle zu derselben
Abtheilung gehörenden Platten von vornherein richtig zu justiren.
Für alle Kupfer-, Nickel- und kleineren Silbermünzen würde da-
gegen das Justiren in der geschilderten Weise viel zu zeitraubend sein
und die Kosten des Verfahrens mit dem Werthe der Münzen nicht im
Einklänge stehen. Man wägt bei diesen geringwerthigeren Münzen eine
grössere Anzahl und zwar so viele, als gesetzlich auf die Einheit des
Landesgewichts (1kg etc.) gehen sollen, gemeinschaftlich; ist das 6e-
sammtgewicht zu leicht, so sondert man einige zu leichte Stücke aus
und ersetzt sie durch solche, welche, im Einzelnen gewogen, zu schwer
sind, bis das Gleichgewicht hergestellt ist; und benutzt umgekehrt die
ausgesonderten wieder zur Gewichtsberichtigung eines andern zu schweren
Satzes (Justiren al marko oder in der Mark). Auf diese Weise kommt
das normalmässige Totalgewicht immerhin in den Verkehr und der
Werth der Gewichtsdifferenz bei einem einzelnen Stücke ist zu unbedeu-
tend, als dass dieselbe einer separaten Berichtigung bedürfte.
Aus den früher gegebenen Erörterungen über die Vorgänge beim
Durchstossen einer Metallplatte (Seite 557) ergiebt sich, dass der Rand
der ausgestossenen Münzplatten niemals eine glatte Fläche bildet, son-
dern mehr oder minder rauh und uneben ausfilllt. Zur Vervollkomm-
nung dieser cylindrischen Randfläche unterwirft man daher die justirten
Platten einer Arbeit, welche Rändeln genannt und auf der Rändel-
maschine ausgeführt wird. Letztere enthält als Werkzeug zwei ge-
härtete geradlinige oder kreisbogenförmige Stahlsohienen (die Rändel-
eisen), welche in einer Horizontalebene parallel und in solchem (verstell-
barem) Abstände von einander angebracht 'sind, als der Durchmesser der
zu rändelnden Münze betrag^. Die eine Schiene liegt fest, die andere
wird parallel derselben in solcher Weise und um eine solche Länge vor-
geschoben, dass die zwischen beide geschobene Platte um eine halbe
Umdrehung fortgerollt wird. Hierbei wird durch die polirten einander
zugekehrten Flächen der Schienen der Rand geglättet und ein wenig
nach beiden Seiten aufgeworfen (gestaucht).
In den Einzelheiten der Construction, insbesondere auch in der Art
und Weise der Bewegung zeigen die Rändelmaschinen mannigfache Ab-
weichungen. Eine von der durch ihre Maschinen für Münzanfertigung
berühmten Firma D. Uhlhorn zu Grevenbroich') gebaute Rändel-
maschine zeigt die Fig. 625 (a. f. S.) im Grundrisse, Fig. 626 (a. S. 865)
im Querschnitte durch den Tisch (welcher auf einem eisernen oder höl-
zernen Gerüste befestigt wird) und zwei Paar Rändeleisen. In der Mitte
^) Eine eingebende Beschreibung einer solchen Wage nebst Abbildnngen
findet sich im Amtlichen Berichte der Wiener WeltanssteUnng, Bd. 2, S. 125.
') Seit I. Januar 1878 eingegangen.
Specielle Technologie.
Pijf. 626.
Münzen. 865
des Tiscbs gleitet an PrismeniPährangen der gusseiserne Schlitten c hin
und zurück und trägt an jeder Seite zwei Rändeleisen hihi &2&21 welche
demnach dieselbe Bewegung als der Schlitten erhalten. Diesen gegen-
über, von zwei auf dem Tische aufgeschraubten Leisten dd gestützt, be-
finden sich die feststehenden Rändeleisen Ui ai a^ o^. Wie aus der Ab-
bildung hervorgeht, lässt sich der Abstand der beweglichen von den
feststehenden Eisen durch
je zwei kleine horizontale
, a b IV: r .. /T^ *> » , Stellschrauben hinter je-
"^t?™* 'T^^^^^^ ^^^ Schiene gemäss dem
lli^^^iB^^K^-^;^vlFj|; yy> '^fJ'^'S^'-'U'^'^^'^^'A DuTchmesser der zu rän-
delnden Platten verändern,
und nach erfolgter Ein-
stellung wird dieselbe durch je zwei senkrechte Schrauben, welche durch
längliche Querschlitze der Rändeleisen hindurchgehen, vollständig ge-
sichert. Die Anordnung ist eine solche, dass die zwei Paar Rändeleisen
a\ &x beim Yorwärtsgange, die anderen zwei beim Rückwärtsgange des
Schlittens zum Eingriffe kommen. Die zu rändelnden Platten werden
den Rändeleisen selbstthätig zugeführt. Zu diesem Zwecke befindet sich
vor jedem feststehenden Rändeleisen ein metallener Cylinder (Becher)
ei t^ auf dem Tische derartig aufgeschraubt, dass zwischen seinem untern
Rande und der Tischplatte ein hinlänglicher Raum bleibt, eine, nicht
aber zwei aufeinanderliegende Platten zugleich hindurchzulassen. Hinter
den Cylindern befindet sich, in Führungen parallel der Achse der Ma-
schine beweglich, je ein Schieber /i/i /2/2, dessen dem Cylinder zuge-
kehrter Rand kreisbogenformig, entsprechend dem Cylindermantel, aus-
geschnitten ist (bei den Cylindern e^ e^ ist dieser Rand bis innerhalb der
CyHnderöffnung vorgeschoben und erkennbar). Auf jedem dieser Schieber
ist ein Winkel aufgeschraubt, welcher gegen eine auf der Tischplatte
befestigte Feder hli stösst, während vier auf dem Schlitten c befindliche
Knaggen 'kh bei dem Vorschübe des letztern die Winkel ergreifen, da-
durch die Schieber zurückführen und somit die Feder in Spannung ver-
setzen. Die Cylinder ei ^2 werden mit übereinander geschichteten Münz-
platten gefüllt. Wenn nun der Schieber durch den Knaggen 'k zurück-
geführt ist (vergleiche die Stellung der Schieber f^ft)^ so wird die
untere der in dem Cylinder befindlichen Münzplatten sofort bis auf die
Tischplatte hinabrutschen. Nun beginnt der Rückgang der Maschine.
Der Knaggen k lässt den Schieber /^ los, derselbe gleitet in Folge des
von der angespannten Feder ausgeübten Drucks vorwärts und schiebt
dabei die unterste der Müuzplatten unter dem Rande des Cylinders
hinweg soweit vor, dass das feststehende Rändeleisen den Umfang der-
selben tangirt. Inzwischen ist aber auch das zweite Rändeleisen (62)
vorgerückt, erfasst den Rand der Platte an der gegenüberliegenden
Stelle und rollt dieselbe auf diese Weise vorwärts, wobei in der oben
geschilderten Weise die Ausbildung und eine schwache Stauchung des
liedobur, mechnnisch-metaUurgiflolie Technologie, 55
866 Specielle Technologie.
Randes erfolgt. Bei Beendigung des Hubes fallt schliesslich die Münz-
platte, welche nunmehr yollständig vor dem feststehenden Eisen vorbei
gegangen ist, durch die Oeffnung ii der Tischplatte in einen unterhalb
derselben bereit stehenden Behälter. Alsdann findet Umkehr des Hubes
statt; gegen Beendigung desselben führt der Knaggen k den Schieber
wieder zurück, eine neue Münzplatte fällt nach unten und wird dann in
der geschilderten Weise abermals vorgeschoben. Es ist leicht ersichtlich,
wie bei der abgebildeten Maschine die Rändeleisen a^ &i und a^ h^ immer
abwechselnd thätig sind , so dass bei jeder Umdrehung der Betriebswelle
4 Platten gerändelt werden ; bei 40 Umdrehungen per Minute mithin die
beträchtliche Zahl von 160 Platten per Minute oder 9600 per Stunde.
Die Platten werden nunmehr (bisweilen auch schon vor dem Rän-
deln) geglüht und gebeizt, um von anhängendem Schmutze und Oxyden
befreit und vollständig blank zu werden.
Das Glühen geschieht in kupfernen oder eisernen Kasten, während
die Platten mit Kohlenstaub bedeckt gehalten werden; das Beizen in
einer hölzernen, etwas geneigten, um ihre Achse gedrehten Tonne mit
verdünnter Schwefelsäure, wobei die Platten noch heiss in die Säure
geworfen werden. Stark legirte Silbermünzen werden dabei in Folge
der grösseren Löslichkeit des Kupfers in Schwefelsäure weissgesotten
(Seite 760). Goldplatten, welche in Kohlenpulver geglüht waren, werden
häufig nur durch Behandlung mit Seifenwasser gereinigt; sie ;seigen
dann eine röthliche Farbe, während die mit Säure gebeizten schön hoch-
gelb aussehen.
Die gebeizten Platten werden wiederholt mit Wasser abgespült,
dann auf ein ausgespanntes leinenes Tuch geschüttet und mit Bürsten
trocken gerieben, wobei sie zugleich Glanz erhalten.
Durch das Glühen und Beizen entsteht ein Gewichtsverlust, welcher
bei dem Justiren im Voraus berücksichtigt und deshalb durch Erfahrung
festgestellt werden muss. Die Zusammensetzung der Legirung, die Art
des Glühens und Beizens beeinflussen die Grösse dieses Gewichtsverlnsts.
Auf das Beizen folgt endlich das Prägen.
Wenn die Münzeu Randschrift oder Rand Verzierung erhalten aollen,
so geht die Herstellung des Randgepräges dem Prägen der Flächen vor-
aus. Man benutzt für die erstere Arbeit ein genau solches Rändelwerk,
als oben beschrieben wurde, mit Rändeleisen, auf deren einander zuge-
kehrten Flächen die herzustellende Schrift oder Verzierung in umge-
kehrter Anordnung (auf jedem Eisen für die eine Hälfte des Umfangs
der Münzplatte) angebracht ist. Wenn man z. B. auf der einen Seite
der oben abgebildeten Rändelmaschine zwei Paar glatte Rändeleisen, auf
der andern zwei Paar mit Inschrift oder Verzierung versehene Rändel-
eisen einsetzt, so lässt sich dieselbe gleichzeitig zum ersten wie zum
zweiten Rändeln benutzen.
Das Princip des Prägwerks wurde schon auf Seite 734 erläutert.
Zwei einander zugekehrte Stempel aus gehärtetem Gussstahl, deren jeder
Münzen. * 867
das auf einer Seite der Münze herzustellende Gepräge in umgekehrter
Anordnung trägt, wirken gleichzeitig unter solchem Drucke gegen die
beiden Flächen der Platte, dass durch die eintretende Verschiebung der
Molecüle ein vollständig scharfer Abdruck der Stempeloberiläche erfolgt.
Die Münze liegt hierbei horizontal auf dem feststehenden unteren Stem-
pel und der obere wird in senkrechter Richtung gegen den letztern
bewegt. Wenn nun hierbei die Münzplatte frei liegt, so dass durch den
Druck der Stempel eine thatsächliche Querschnittsverdünnung eintreten
kann, so vergrössert sich in Folge dessen der Durchmesser der Platte,
der Rand derselben- tritt über das Gepräge hinaus und büsst dadurch
seine scharfkantig ausgebildete Form ein. Die Betrachtung von Münzen
aus früheren Jahrhunderten zeigt ausnahmslos diesen Vorgang, und auch
in dem letzten Jahrhunderte sind sehr viele Münzen in gleicher Weise
geprägt. Man vermeidet diesen Uebelstand und erhält eine vollständig
runde und schärfer ausgeprägte Münze, wenn man die Platte während
des Prägens durch einen Stahlring einschliesst, dessen innerer Durch-
messer genau gleich dem Durchmesser der Münze und des Prägstempela
ist (Prägen im Ringe). Dadurch wird aber aus naheliegenden Gründen
die Anwendung erhabener Randschrifb etc. schwieriger, und man findet
deshalb bei fast allen im Ringe geprägten Münzen dieselbe vertieft«
Da ein und dasselbe Paar Prägstempel nur zur Herstellung einer
gewissen Anzahl Münzen (im günstigsten Falle bis zu 500 000 Stück,
gewöhnlich aber beträchtlich weniger) benutzt werden kann, ehe es als
unbrauchbar durch neue ersetzt werden muss, so trifft man Vorsorge,
dass dieser Ersatz in möglichst einfacher Weise beschafft werden könne.
Man stellt zunächst nach der gegebenen Zeichnung durch Graviren etc.
einen Originalstempel aus vorzüglichem Gussstahl dar, welcher genau so
geformt ist, wie der später zum Prägen der Münzen anzufertigende
Stempel. Auf diese Herstellung, welche äusserst zeitraubend und kost-
spielig ist, wird die grösste Sorgfalt verwendet. Sind in einem Lande
mehrere Münz Werkstätten vorhanden, so pflegt dieser Originalstempel in
der Centralwerkstatt aufbewahrt zu werden; z. B. für die deutschen
Reichsmünzen in Berlin. Dieser Stempel wird gehärtet, in ein kräftiges
Prägwerk mit Schraubenspindel eingesetzt und nun wird mit Hilfe des-
selben ein zweiter Stempel (Matrize, Modellstempel), ebenfalls aus Guss-
stahl, geprägt, welcher natürlich das Bild des Original stempeis umge-
kehrt und demnach genau so enthält, als es später auf den Münzen
erscheinen soll. Dieses Prägen muss mit grosser Umsicht ausgeführt
werden und erfordert ziemlich lange Zeit. Damit nicht Risse entstehen,
kann nur ein Stahl vorzüglichster Beschaffenheit verwendet werden und
da bei der Härte desselben die Wirkung jedes einzelnen durch die Presse
ausgeübten Stosses nur gering sein kann, so muss die Prägung durch
zahlreiche, nach und nach ausgeführte Stösse bewirkt werden. Nach je
sieben bis acht Stössen ist der Stahl hart und spröde geworden und muss
geglüht werden. Endlich wird der fertig geprägte Stempel nochmals
55*
868 Specielle Technologie.
geglüht, aussen gedreht, mit grosser Vorsicht gehärtet und gelh ange-
lassen.
Dieser zweite Stempel dient nun dazu, in derselben Weise als
soeben beschrieben wurde, die eigentlichen Prägstempel för die Münz-
werkstätten darzustellen; und die Oberfläche dieser letzten Prägstempel
stimmt dann wieder mit derjenigen des zuerst gefertigten Originalatem-
pels überein. Ist ein Prägstempel abgenutzt, so wird mit Hilfe des
zweiten Stempels ein neuer gefertigt, ohne dass der kostspielige Original-
stempel in Anspruch genommen zu werden braucht.
Während in alten Zeiten das Prägen der Münzen einfach durch
Schlagen mit dem Hammer ausgeführt wurde, wendete man später viel-
fach, und in kleinen Werkstätten noch heute, die Schraubenpresse zur
Ausübung des Drucks oder Stosses an, wobei die einzelnen Platten
meistens durch die Hand untergelegt und nach dem Prägen entfernt
wurden. Bei Prägmaschinen für grössere Werkstätten ist dagegen die
Schraube meistens durch den Hebel ersetzt und es sind die Münz-
maschinen zugleich mit Einrichtungen versehen worden, welche auf
höchst sinnreiche Weise die menschliche Arbeit beim Prägen durch
selbstthätige Zuführung und Entfernung der Platten auf ein geringstes
Maass zurückführen. Um die Vervollkommnung dieser Prägmaschinen
hat sich ebenfalls die schon genannte Firma D. Uhlhorn in Greven-
broich, welche seit dem Jahre 1817 für 27 verschiedene Länder 200
solcher Prägmaschinen lieferte, ausserordentliche Verdienste erworben;
und eine etwas eingehendere Besprechung einer solchen Uhlhorn 'sehen
Prägmaschine dürfte ebensowohl in Rücksicht auf die sinnreiche Con-
struction derselben als auch auf die Wichtigkeit der mit Hilfe derselben
dargestellten Fabrikate gerechtfertigt erscheinen.
Die Abbildungen der Figuren 627 bis 632 stellen eine solche Münz-
prägmaschine dar 1). Das Gerüst derselben besteht aus den hinteren mit
einander verbundenen Ständern Ä und B zum Tragen der Lager für
den Antrieb, dem Prägrahmen C an der Stirnseite und dem horizontalen
Tische D, welcher die Ständer mit dem Prägrahmen verbindet. Die
Krummzapfen welle E empfängt von einer Transmission aus durch die feste
Riemenscheibe e ihren Antrieb (in Ermangelung einer durch Elementar-
kraft getriebenen Transmission sweUe durch zwei auf die Enden von E
aufgesteckte Handkurbeln) und überträgt denselben durch die Schub-
stange t auf den Kniehebel k (in Fig. 630 in grösserm Maassstabe ab-
gebildet), welcher in dem Zapfen l aufgehängt ist und solcherweise in
auf- und niedergehende Bewegung versetzt wird. Durch den Zapfen «
(Fig. 630) wird diese Bewegung auf das Pendel F fortgepflanzt; zur
Regulirung des Drucks dient der im untern Theile des Pendels zwischen
^) Nach den Verhandluilgen zur Beförderung des Gewerbflelssea in Preussen
Jahrgang 1847 sowie nach den vom Herrn Erfinder dem Verfasser gütigst
gemachten Mittheüungen.
i
ich den Verhandlungen zur Beförderung des GewerbfleisBea öi
; 1847 sowie nach den vom Herrn Erfinder dem Verfasser gütigst
•en Mittheilungen.
i
870 Specielle Technologie.
den beiden Seitenplatten Oi a^ festgehaltene Stahlkeil o, welcher in der
aus den Abbildungen (der Figuren 628 und 630) erkennbaren Weise
angezogen werden kann und dadurch die Länge des Pendels yergrössert
oder verkürzt. Am untern Ende ist das Pendel mit einem Engelzapfen
versehen, welcher auf dem Träger G- des Oberstempels in einem von dem
Oelbehälter Ci umschlossenen offenen Lager t ruht. Innerhalb eines an
der untern Seite des Arms O befindlichen Ringes di wird die Platte p
(Fig. 630) durch Stellschrauben festgehalten, und mit dieser ist der
Oberstempel durch den Klemmring q verbunden. Auf dieselbe Weise
geschieht die Verbindung des Unterstempels mit dem Theile r, welches
durch Stellschrauben in einem Ringe des Arms J festgehalten wird und
an der untern Seite halbkugelformig gestaltet ist, um eine genane
Parallelstellung der Stempelflächen zu einander zu ermöglichen.
Um den Rückgang des Pendels mit dem Oberstempel zu bewirken,
ist der Träger Q auf dem Tische in dem Lager 8 drehbar befestigt
(Fig. 627 und 631) und wird zwischen Drehungspunkt und Angriffs-
punkt des Pendels durch eine Stütze /i getragen ; diese aber greift mit
ihrem untern Ende auf den kurzem Arm des Doppelhebels ^i, welcher
in dem Bügel hi seinen Drehungspunkt hat, während der längere Arm
desselben, durch die Führungsstangen t'i vor Seitenschwankungen ge-
sichert, an seinem Ende durch die Gewichte a und ß beschwert ist, von
denen a zur Herstellung des Gleichgewichts dient, ß dagegen als Gegen-
gewicht mit dem Anfange des Rückwärtsganges des Kniehebels A: auf
den Träger Q- wirkt und den Oberstempel so lange zum Ansteigen
zwingt, bis der Druck des Kniehebels von Neuem beginnt.
Erfahrungsgemäss wird das Prägen erleichtert, wenn der Unter-
stempel in dem Augenblicke, wo der Druck des Oberstempels kräftiger
wird, eine schwache Drehung um seine Achse ausführt. Zu diesem Ende
ist an das untere Ende des Kniehebels eine zweite Zugstange w ange-
schlossen (Fig. 627, 631), welche mit dem andern Ende hakenartig
einen horizontalen Winkelhebel v erfasst (Fig. 629), der wieder durch
die Zugstange u mit dem langen Hebel J verbunden ist Dieser dreht
sich leicht in der Kugelpfanne ^i. Bei dem Rückgange der Stange tr
stösst der an derselben angeschraubte Stift a^ gegen den auf u befind-
lichen schrägen Winkel d, schiebt dadurch u zur Seite und bewirkt somit
auch die Rückdrehung des Arms J mit dem Unterstempel.
Ober- und Unterstempel werden durch den Prägring x ergänzt,
welcher in dem Arme H befestigt ist (Fig. 630). Letzterer ist wie der
Arm O in der Yerticalebene di'ehbar und hat gemeinschaftlich mit
diesem seinen Drehungspunkt in dem Lager s auf dem Tische D
(Fig. 627). Damit die Münzplatte in den Ring zwischen den Stempel
gelangen und nach beendigtem Prägen aus dieser Lage entfernt werden
könne, muss jener Ring verschiedene Bewegungen ausführen. Auf der
Betriebswelle E befindet sich zu diesem Zwecke eine exoentrische Scheibe
Münzen. 871
g (Fig. 629 and 631), welche den dnreh Matter nnd Gegenmatter
genau zu stellenden Daumen m^ und mit ihm die Gabel y hebt. Letztere
ist mit dem längern Ende des Doppelhebels ni verbanden, dessen
Drehongspunkt in dem am Bahmen angeschraubten Bügel Oi liegt
(Fig. 627) und dessen kürzerer Arm die wechselnde Bewegung der
Gabel in umgekehrter Weise auf die Druckstange jpi (Fig. 627 und 628)
und durch diese auf den Arm JJmit dem Prägringe überträgt. Während
des grossem Theils einer Umdrehung der Betriebswelle verharrt der
Prägring in der zum Prägen geeigneten Stellung; bei der in Fig. 631
gezeichneten Stellung des Excenters ist der Prägring nach vollendetem
Prägen soeben etwas gesenkt worden, um das Aufgehen des Oberstempels
zu erleichtem, erhebt sich dann mit der geprägten Münze, welche fest
im Ringe eingeschlossen ist, in dem Augenblicke, wo der Daumen mi in
die Vertiefang tritt, löst dadurch die Münze von dem Unterstempel und
sinkt unmittelbar darauf so weit, dass die Münze, aus dem Ringe heraus-
tretend, frei auf dem Unterstempel liegen bleibt, von wo sie sofort ent-
fernt wird. Alsdann nimmt der Ring wieder seine frühere Stellung ein,
die er während des Prägens der folgenden Münze behauptet.
Für die selbstthätige Zuführung der Münzplatten zwischen die
Stempel befindet sich zunächst ein eben solcher zur Aufnahme der
Platten dienender Gylinder (Becher) gi als bei der oben beschriebenen
Rändelmaschine auf dem Arme H vor dem Prägringe (Fig. 632, auch in
Fig. 627 erkennbar), dem die Platten durch eine schräge Rinne {ßi in
Fig. 627) zugeführt werden; neben demselben der Schieber ^i in der
Führung Vi gleitend und, mit demselben zangenartig verbunden der
Hebel Si. Beide erfassen die unterste der in dem Becher befindlichen
Münzplatten bei der in Fig. 632 gezeichneten Stellung und werden als-
dann sammt derselben mit Hilfe des an der Zugstange Wi angeschlossenen
Arms Xi soweit vorgeschoben, dass die Platte genau centrisch auf dem
Unterstempel zu liegen kommt. Die Bewegung der Stange Wi erfolgt
durch das auf der Betriebs welle E befindliche Excenter h und den
Doppelhebel a^ auf die in Fig. 631 erkennbare Art und Weise. Befindet
sich eine fertig geprägte Münze auf dem Unterstempel, so wird dieselbe,
wie leicht ersichtlich ist, bei dem Vorschübe der Zange durch das vor-
dere Ende des Theils Si gleichfalls vorwärts auf die schiefe Ebene fi
geschoben, gleitet auf derselben hinab und föllt durch die Oeffnung Z
in ein bereitstehendes Gefäss. Wenn nun die Stange tOi ihre Rückwärts-
bewegung antritt, so gleitet der Arm Xi zunächst leer an dem Schieber
ix hin, bis er gegen den Winkel yi desselben anschlägt; inzwischen aber
drückt der ebenfalls an der Stange w^ angeschlossene Knaggen o^ den
an dem Zangenhebel 8^ angeschraubten Arm rückwärts, öffnet dadurch
die Zange und ermöglicht solcherweise den Rückgang derselben, ohne
dass die auf dem Stempel liegende Münze wieder mitgenommen wird.
Eine Feder hinter dem Arme der Zange schliesst dieselbe sofort wieder,
wenn die entgegengesetzte Bewegung eintritt. Am Ende der Stange t^i
872 Specielle Technologie.
befindet sich ein Handgriff zu dem Zwecke , den richtigen Gang des Zn-
bringers vor dem Beginne des Prägens TerBnchen zu können.
Endlich ist die Maschine mit Einrichtungen yersehen, um eine
selbstthätige Ausrückung zu bewirken und dadurch einer Beschädigung
der Stempel vorzubeugen, falls entweder gar keine Platte oder zwei
derselben zugleich auf den Unterstempel gelangt sein sollten.
An der Stange c^ (Fig. 629, 631, 632), welche durch einen an der
Betriebswelle befindlichen Daumen und die Yermittelung des Doppel-
hebels mit Feder d^ bei jedem Unigange der Maschine eine einmalige
hin- und zurückgehende Bewegung empfangt, ist der „Fühlhebel^ b^
(Fig. 632) angeschlossen, welcher den Zweck hat, zu untersuchen, ob
der Zubringer eine Platte empfangen hat oder nicht, indem er sich gegen
die Rückseite des Zangentheils S| legt, sobald dieses vorgeschoben ist
Befindet sich keine Platte innerhalb der Zange, so kann der Fühlhebel
nunmehr das Theil Si soweit einwärts drücken, bis es gegen die mit vor-
geschobene Schiene u^ schlägt, was im andern FaUe durch die Münzplatte
verhindert wird; dabei schlägt der andere Arm des Fühlhebels so weit
aus, dass er die Stützfeder e^ zurückschiebt. Auf einem schmalen Vor-
sprunge derselben ruht aber zwischen der Gabelfuhrung /^ (vergleiche
auch Fig. 628) der Arm ^s> welcher den Ausrückhebel h^ (Fig. 627, 628,
631) in seiner Lage erhält. Letzterer hat durch seine Verbindung mit
dem Gewichte i^ das Bestreben, einwärts zu schlagen und giebt diesem
Bestreben nach, sobald er durch das Senken des Arms ff^ aus seiner Lage
befreit wird; es erfolgt dadurch Ausrückung, wie sich aus Fig. 629 er-
giebt. Zu grösserer Sicherheit drückt noch ein mit dem Ausrüokhebel
verbundener Arm bei dieser Bewegung desselben den in Fig. 627 ersicht-
lichen, während des Ganges hochgehaltenen Sperrhaken 8i nieder, so
dass er, in die auf der Betriebs welle befindliche Sperrsoheibe jT} eingrei-
fend, die Maschine sofort anhält und so ein blindes Aufeinanderstossen
der Stempel verhütet.
Um in dem Falle, dass mehr als eine Platte zugleich zwischen die
Stempel gelangen sollte, eine Beschädigung der letztem zu verhüten,
ist das Schwungrad / nur durch einen Frictionsring mit der Scheibe r^
verbunden, welcher dasselbe gleiten lässt, sobald der W^iderstand zu
gross wird.
Eine solche Maschine liefert per Minute 60 bis 70 Münzen der
kleinsten Sorte, 40 bis 45 der grössten Sorte und erfordert dazu einen
Arbeitsaufwand im erstem Falle von V« Pferdekraft, im letztem von
Vs bis 1 Pferdekraft
Literatur über Münzenanfertignng.
Earmarsch-Hartig, Mechanische Technologie, 5. Auflage, Seite 547.
Karmarsch, Beitrag zur Technik des Münzwesens, Hannover 1856.
StaUschreibfedem.
873
6. F. An seil, The royal mint, itsworking, condact and Operations, fnlly
and practically explained. London 1871.
Anfertigung der Stahlschreibfedem.
Als Material für die Stahlschreibfedem dient Gementstahl, aus
welchem im Walzwerke Blechstreifen von einer etwas geringern Breite
als die doppelte Federlänge und von der Starke, welche die Feder er-
halten soll, hergestellt werden. Die Streifen werden geglüht und ge-
langen dann in den Schneidesaal. In demselben sind eine Reihe kleiner
Dorchstossmaschinen aufgestellt, gewöhnlich von Mädchen bedient, zu
dem Zwecke, aus dem Bleche Plättchen auszustossen, welche zu den Fe-
dern verarbeitet werden sollen und deshalb in ihren Umrissen schon mit
denen der fertigen Feder übereinstimmen. Jeder Stahlstreifen giebt
zwei Reihen Plättchen; um möglichst wenig AbföUe zu bekommen,
werden die Reihen in der
^'^' ®^^- Weise wie es Fig. 633 in
natürlicher Grösse darstellt,
angeordnet. Die Arbeiterin
stösst erst eine Reihe aus,
indem sie das Blech gerad-
linig und ruckweise unter dem
Stempel hindurohführt, dreht
dann den Streifen und stösst
nun die andere Reihe aus.
Eine geübte Arbeiterin kann
auf diese Weise stündlich
4000 bis 4500 Plättchen aus-
stossen, weniger geübte dage«
gen liefern kaum 3000 Stück.
In einer folgenden Werk-
statt erhalten die Platten die
Inschrift (Firma etc.). Ein
Stempel, an dem Bär eines
einfachen Fallwerks mit Fuss-
betrieb befestigt, trägt die
Inschrift verkehrt und erha-
ben und prägt dieselbe dem-
nach vertieft den einzeln untergelegten Platten ein.
Nun folgt als drittes Stadium der Herstellung das Durchstossen des
Schlitzes oder Lochs in der Mitte der Feder, jedoch ohne den Schreib-
spalt, welcher später hergestellt wird. Man gebraucht hierzu kleine
874 SpecieUe Technologie.
DarchstoosmaBchinen mit HandhebeL Häufig besiixen die Federn kleine
Yon dem Mittelschlitze ausgehende Seiteniqpalten xnr Erhöhung der
Elaaücität der Spitze; man stösst in diesem Falle
^' ' ^' ' zunächst den Mittelschlitz nnd anf einem andern
DurchstoBse die Seitenschlitze ans. Fig. 634 stellt
die Platte nach dem ersten Durchstossen, Fig. 635
die Platte mit Seitenschlitzen dar.
Inzwischen ist der Stahl durch die verschie-
denen mechanischen Einwirkungen hart geworden
und bedarf für die weitere Yerarbeitung des
Ausgldhens, welches in eisernen Töpfen oder
Kästen Torgenommen wird.
Die geglühten Platten werden nunmehr ge-
bogen, wodurch sie die rinnenartige Grestalt der
fertigen Feder erhalten. Man boiutzt dazu eine
Schraubenpresse mit couTOzem Stempel, welcher
die Platte in eine concave Matrize eindrückt.
Die gebogenen Federn müssen« da sie in dem weichen Zustande,
welcher f&r das Biegen erforderlich war, unbenutzbar sein würden, wieder
gehärtet werden. Man erhitzt sie zu diesem Zwecke au£i Neue in Töpfen
und schüttet sie dann in mit Thran gefüllte Tonnen. Sie werden hier-
durch glashart und spröde. Um sie Yon anhaftendem Thrane zu reinigen,
lässt man sie in einer rotirenden Tronunel mit Sägespänen umlaufen;
dann werden sie getempert, indem man sie in einer eisernen Trommel
unter stetem Drehen über einem Kohlenfeuer bis zur gelben oder blauen
Anlauflarbe — je nachdem sie härter oder weniger hart bleiben sollen —
erhitzt.
Auf das Anlassen folgt das Scheuem. Man bringt sie wiederum in
eine Trommel und lässt sie mit zerstoesenen Schmelztiegelscherben so
lange umlaufen, bis ihre Oberfläche blank geworden und die Anlauffarbe
verschwunden ist
Yon hier gelangen die Plättchen in den Schleifsaal, um zweimal
geschliffen zu werden. Man gebraucht dazu kreisförmige, Ton Maschinen-
kraft bewegte Schlei&cheiben (Schmirgelscheiben) mit grosser Umfangs-
geschwindigkeit. Zunächst werden sie in der Längenrichtung von der
Spitze bis zu dem Loche in der Mitte auf einer Scheibe mit etwas con-
cayem Rande, dann querüber etwas oberhalb der Spitze auf einer flach-
randigen Scheibe geschliffen. Ein augenblickliches Anhalten an den Stein
genügt, den Schliff hervorzubringen, welcher hauptsächlich den Zweck
hat, durch eine geringe Querschnittsverdünnung die Feder elastischer
zu machen.
Sollen die Federn mit gelber oder blauer Anlauffarbe in den Handel
kommen, so wird das Anlassen derselben nicht vor dem Scheuem und
Schleifen, sondern nachher vorgenommen, so dass sie ihre Anlanffarbe
behalten.
Stecknadeln. 875
Schliesslich, im Spaltsaale, erhält die Feder mit Hilfe einer kleinen
Ton Hand bewegten Parallelscheere den Hauptspalt in der Länge des
Schnabels, durch welchen sie erst zur Benutzung geeignet wird.
Die in ihrer Form fertigen Federn werden nun im Sortirsaale ge-
prüft, indem man jede einzelne mit der Spitze auf ein Stück Elfenbein
drückt und so ihre Güte ermittelt. Die fehlerhaften werden ausgemerzt,
die guten in Kästen verpackt.
Sollen die Federn unter dem Namen Goldfedern, Compositionsfedem
und dergleichen verkauft werden, so giebt man ihnen auf galvanischem
Wege oder durch einfaches Bestreichen mit einer geeigneten Lösung
einen schwachen Ueberzug des betreffenden Metalls und überzieht sie
mit einer schwachen Schellacklösung in Weingeist, um sie vor dem
Rosten zu bewahren.
Anfertigung der Stecknadeln.
Man gebraucht für dieselben zwei Sorten Messingdraht; einen etwas
starkern zum Schafte, einen etwas dünnem zum Kopfe der Nadel. Eisen-
draht wird nur fOr diejenigen Nadeln angewendet, welche einen schwarzen
Ueberzug erhalten (Trauemadeln).
Der Messingdraht zu den Schäften muss hart und steif sein, daher
mehrmals ohne Ausglühen gezogen werden.
Um diesen in Ringform angelieferten Draht zu richten, zieht man
ihn zwischen fünf bis sieben eisernen auf einem Brette (dem „ Richt-
holze ^) in zwei Reihen eingeschlagenen Stiften hindurch, welche ebenso
angeordnet sind als die Rollen zum Richten des Eisendrahts bei der
auf Seite 849 abgebildeten Drahtstiftmaschine. Ein Richtholz pflegt
mehrere solcher Stiftreihen in verschiedenen Abständen zu enthalten,
wie es der verschiedenen Drahtstärke entspricht.
Während der Draht aus dem Richtholze hervorkommt, theilt man
ihn durch Abkneifen mit der Zangd in Enden von 5 bis 7 m Länge.
Aus diesen schneidet man nun „Schafte*' (auch „Schachte" genannt) von
der doppelten Nadellänge. Man gebraucht dazu eine Stockscheere
(Fig. 444 oder 445 auf Seite 571 und 572) und ein „SohaftmodeU**, d. h.
eine halbcylindrische Rinne aus Holz oder Eisenblech mit einem (ge-
wöhnlich verstellbaren) Querstücke in solchem Abstände vom Rande als
die Schaftlänge werden soll. Man legt eine grössere Anzahl Drahtstücke
hinein, so dass ihre Enden gegen die Querleiste stossen und schneidet
sie vom am Rande ab. Ein Arbeiter kann auf diese Weise stündlich
30 000 bis 50 000 Schafte liefern.
Die beiden Enden der geschnittenen Schafte werden nun durch
Anschleifen zugespitzt. Das schleifende Werkzeug, „Spitzring*' genannt,
besteht aus einem Stahlringe von 80 bis 100 mm Durchmesser, 50 bis
60mm Breite, dessen Aussenfläche feilenartig aufgehauen ist, auf einer
876 Specielle Technologie.
Holzscheibe mit horizontaler Achse befestigt and mit derselben nach
Art eines Schleifsteins mit grosser Geschwindigkeit gedreht. Wirkliche
Schleifsteine sind für Messingnadeln nicht zn gebrauchen. Die Bewe-
gung des Spitzrings kann dnrch den Schleifer selbst in bekannter Weise
durch Schnurrolle mit Schnurscheibe, Kurbel und Trittbrett bewirkt
werden. Der vor dem Spitzringe sitzende Arbeiter fasst gleichzeitig
20 bis 40 Schafbe zwischen die Finger der linken Hand, so dass sie in
einer Ebene ausgebreitet liegen und rollt sie, während er die Spitzen
anschleift, mit Hilfe des rechten Daumens um ihre Achse. Stündlich
können circa 3500 Schafte an beiden Enden zugespitzt werden. In Fa-
briken, wo eine grosse Menge Nadeln angespitzt werden, wirkt der
umherfliegende Messingstaub nachtheilig auf die Gesundheit der in dem
Schleiflocale sich aufhaltenden Arbeiter, wenn man nicht für kräftige
Yentitation rings um den Schleifapparat her sorgt.
Die zugespitzten Schafte werden nunmehr in der Mitte durchgetheilt
(wozu wiederum die Scheere und das Schaftmodell benutzt wird) und
sind alsdann zum Aufbringen der Köpfe fertig.
Diese werden aus dem schwächern Messingdrahte in folgender
Weise gefertigt.
An das hakenförmig gebogene Ende einer horizontalen eisernen, in
zwei Lagern ruhenden und durch Schnurrolle mit Schnurscheibe in
rasche Umdrehung versetzten Spindel (des „Knopfrads") wird das zn
einer Schlinge umgebogene Ende eines Messingdrahts („Knopfspindel*
genannt) von der Stärke, welche die Schafte der herzustellenden Nadeln
besitzen, angehängt und empfängt somit die gleiche Umdrehung als die
Spindel des Knopfrads. Damit sie hierbei horizontal liege, ruht sie
zwischen zwei eisernen Stiftchen auf der Stirnseite eines etwa 25 mm
starken Stäbchens aus hartem Holze (des „ Knopf holzes*'), welches tod
Hand geführt wird; oder wird einfacher zwischen einem zusammenge-
legten Stücke Leder durch die Hand des Arbeiters gestützt. An dieser
Knopfspindel wird nun das Ende des zu den Nadelköpfen bestimmten
Drahts befestigt, so dass sich derselbe bei der Drehung der Spindel
schraubenförmig auf jener aufwickeln muss« Damit hierbei die Win-
dungen dicht an einander liegen, führt man entweder den Knopfdrabt
durch zwei, ebenfalls auf dem Knopf holze seitlich von den erwähnten
Stiftchen angebrachten Oehrchen und bewegt nun das Knopfholz langsam
der Spindel entlang, oder, wenn ein Knopf holz nicht angewendet wiHi
führt man ihn allein durch die Hand, welche, durch das erwähnte
Lederstück geschützt, die Knopfspindel hält. Der Knopfdraht beüodit
sich hierbei auf einem Haspel und wickelt sich langsam Yon demsellies
ab. Diese Arbeit heisst das „Spinnen".
Der gesponnene Draht wird von der Spindel abgezogen und nun-
mehr mit einer Blockscheere in einzelne Stückchen zerschnitten, deren
jedes genau zwei Windungen des Drahts enthält; man zerschneidet durch
einen einzigen Schnitt mehrere (4 bis 6) der Drahtspiralen zugleich ncd
Stecknadeln. 877
kann per Stunde circa 30 000 Stückchen herstellen. Diese Stackchen
dienen zur Bildung der Steckuadelköpfe. Zuvor aber werden sie in
einem eisernen Löffel geglüht, um recht weich zu werden und mit ver-
dünnter Säure wieder blank gebeizt. Zur Befestigung derselben auf dem
Ende des Schafts dient ein Fallwerk (Wippe) mit Fussbetrieb. Eine
eiserne mit einer Kugel beschwerte, im Ganzen etwa 5 bis 7 kg schwere
Eisenstange, durch einen Hebel gehoben, bildet den Bär und trägt am
unteren Ende den kleinen Stahlstempel mit der etwa 10 mm im Quadrate
grossen Bahn, auf welcher ein halbkugelförmiges Grübchen in der Grösse
eines halben Nadelknopfs eingearbeitet ist. Der dazu gehörige Unter-
stempel enthält ein eben solches Grübchen und eine schmale, nach aussen
mündende Rinne, in welcher der Schaft der Nadel zu liegen kommt,
während die Spitze desselben aussen mit den Fingern festgehalten wird.
Der vor der Wippe sitzende Arbeiter hat die Köpfe in einem Käst-
chen zur Rechten stehen, daneben die Schafte. Mit der einen Hand
spiesst er einen Kopf auf einen der Schafte, schiebt ihn bis ans Ende
desselben und bringt ihn mit der andern Hand unter die Wippe. Durch
vier bis sieben rasche Schläge derselben, zwischen denen die Nadel stets
gedreht wird , ist der Kopf fertig ausgebildet und auf dem Schafte voll-
ständig fest. Während des Anköpfens wird mit der andern Hand schon
wieder ein neuer Kopf aufgespiesst, so dass die Arbeit ununterbrochen
fortgeht und ein Arbeiter stündlich 1000 bis 1200 Nadeln anzuköpfen
im Stande ist. Der Grat, welcher beim Schneiden der Schafte am E^de
derselben sich bildet, sowie eine schwache Stauchung des Metalls nach
dem Kopfe zu, welche beim Prägen entsteht, erleichtern erheblich das
Festsitzen des Kopfs.
In englischen Stecknadelfabriken bildet man den Kopf nicht aus
einem besondern Ringe, wie soeben beschrieben wurde, sondern durch
Stauchung des Schaftendes auf einer Maschine, also in ganz ähnlicher
Weise als bei dem oben beschriebenen Anköpfen der Drahtstifte. Alle
vorausgehenden Arbeiten — das Richten, Zuspitzen und Schneiden —
werden übrigens ganz ebenso, als soeben erläutert wurde, ausgeführt.
Statt des kugelförmigen Kopfs unserer Nadeln, welcher die Windung
des Drahts, aus welchem er gefertigt wurde, noch erkennen lässt, besitzen
jene einen flachen, linsenförmigen Kopf als deutliches Kennzeichen ihrer
Abstammung.
Die in der Form fertigen Stecknadeln werden nunmehr in Weinstein-
lösung gebeizt Tind, wenn sie weiss werden sollen, durch Kochen in
Weinsteinlösung mit gekörntem Zinn weissgesotten. Nach dem Beizen
oder Weisssieden werden sie mit Wasser abgespült, in Sägespänen ge-
trocknet und in einer umlaufenden Trommel mit Kleie polirt. Die
Kleie wird schliesslich durch Absieben entfernt.
878 Specielle Technologie.
Anfertigung der Nähnadeln.
Man benatzt Stahldraht, welcher von den Drahtziehereien in Form
von Ringen angeliefert wird. In der Nähnadelfabrik wird ein solcher
Ring zunächst auf eine grosse Trommel (circa 1,5 m Dnrchmesser) auf-
gewickelt, so dass in solcher Weise ein grösserer Ring von ungefähr
100 Windungen ''entsteht, welchen man an zwei gegenüberliegenden
Stellen mit der Scheere durchschneidet, ihn solcherweise in zwei Draht-
bündel, jedes ungefähr 2,5 m lang, zertheilend.
Diese Drähte zerschneidet man in „ Schafte ** oder ,, Schachte* von
der doppelten Nadellänge. Man benutzt zum Zerschneiden dieselbe
Scheere, welche zum Zertheilen des Rings gedient hatte (Blockscheere,
bisweilen Maschineu scheere), und ein Schaftmodell von derselben Ein-
richtung als für Anfertigung von Stecknadeln: eine halbcylindriscbe
Rinne oder Büchse, deren Boden in solchem Abstände vom Rande sieb
befindet als die Nadeln lang werden sollen. Das ganze Drahtbüschel
wird mit einem einzigen Schnitte getheilt, so dass ein Arbeiter pro
Minute 600 bis 700 Schafte zu liefern im Stande ist.
Die geschnittenen Schafte werden nunmehr gerichtet. Man steckt
zu diesem Ende circa 10 000 Stück gemeinschaftlich und dicht zusammen
in zwei eiserne Ringe, glüht das so gebildete Bündel im Holzkohlenfeuer,
um es recht weich zu machen, legt es auf eine gusseiserne gehobelte
flache Platte mit zwei parallel laufenden Einschnitten fiir die Ringe,
legt eine zweite, gleichfalls mit Einschnitten für die Ringe versehene
und gehobelte, aber schmalere Platte darauf, welche an zwei Seiten Hand-
haben trägt, und schiebt nun die letztere mehrere Male hin und her,
dadurch das Drahtbündel in rollende Bewegung versetzend. Die Drähte
nehmen hierbei nicht allein geradlinige Form an, sondern verlieren auch
den grössten Theil ihres Glühspans.
Es folgt nun das „Zuspitzen" oder Schleifen der beiden Enden der
Schafte auf Schleifsteinen. Die Manipulation hierbei ist derjenigen beim
Zuspitzen der Stecknadelschafte sehr ähnlich; statt des stählernen Spitz-
rings für die Messingdrähte dienen hier aus hartem Sandsteine gefertigte
circa 125 mm breite Schleifsteine verschiedener Durchmesser, von einer
durch Elementarkrafb getriebenen Transmissionswelle aus mit oft unge-
heurer Umfangsgeschwindigkeit (bis zu 45 m per Secunde) bewegt,
(Demnach machen Steine von 750 mm Durchmesser 1000 bis 1200, von
150 mm Durchmesser bis 4000 Umdrehungen per Minute.) Das Schleifen
geschieht trocken, um die Nadeln vor Rost zu schützen, und die I^ufl
des Arbeitslocals ist daher mit schädlich für die Lungen der Arbeiter
wirkendem Schleifstaube erfüllt, wenn nicht für genügende Ventilation
gesorgt ist. Zugleich müssen aber Vorkehrungen getroffen werden , um
beim Zerspringen eines Steins in Folge der Centrifhgalkrafl die Arbeiter
Nähnadeln. 879
und das Local vor Beschädigung zu schützen. Zur Erreichung beider
Zwecke zugleich umschliesst man den Stein mit eiaem Kasten aus dickem
Eisenblech, welcher nur eine kleine Oeffnung für das Aufhalten der
Schafte frei lässt, an der Rückseite des Steins aber durch einen Canal
mit einem für mehrere Schleifsteine gemeinschaftlichen Schornsteine in
Verbindung steht. Der Luftzug, welchen die rasche Bewegung des
Steins hervorruft « treibt den Schleifstaub durch den Kasten in den
Schornstein und erhält dadurch die Luft in dem Arbeitsiocale rein. Ein
Arbeiter kann täglich bis zu 100 000 Nadeln anspitzen (von gröberen
Sorten weniger), indem er wie bei dem Schleifen der Stecknadeln eine
grössere Zahl davon gleichzeitig erfasst und unter stetem Drehen in un-
glaublich kurzer Zeit schleift. Trotz dieser grossen Leistung hat man in
mehreren Fabriken das Zuspitzen von Hand durch Anwendung einer
Schleifmaschine (Spitzmaschine) entbehrlich gemacht, bei welcher die
Nadeln zwischen einer in langsamer Umdrehung befindlichen, mit Kaut-
schuk bekleideten Scheibe und einer ebenfaUs mit Kautschuk bekleideten
Fläche (Bahn) langsam eine hinter der andern fortgerollt werden, wäh-
rend ihre vorstehenden Spitzen auf dem davor befindlichen Schleifsteine
schleifen. Abbildungen einer solchen Maschine, welche pro Stunde
30 000 Nadeln zuspitzt, finden sich im polytechnischen Gentralblatte
Jahrgang 1863, Seite 839.
Die zugespitzten Schafte werden nun zunächst in der Mitte ihrer
Länge, da wo die Oehre (Augen) der beiden aus jedem Schafte entste-
henden Nadeln zu sitzen kommen, etwas blank geschliffen ^) und kom-
men dann zu einem kleinen Fall werke, wo mit Hilfe geeignet geformter
Stempel der mittlere geschlifiene Theil etwas breit geschlagen wird und
die Schafte zugleich die Umrisse der beiden Nadelöhre sowie der von
diesen ausgehenden Furchen oder „Fuhren'' (welche den Zweck haben,
das Einfädeln und Durchstecken der eingefädelten Nadel durch den Stoff
zu erleichtem) erhalten (Prägen oder Stanzen der Schafte). Selbstver-
ständlich entsteht hierbei ein Crrat oder „Bart** seitlich von den beiden
Oehren, so dass der Schaft in der Form, wie er in Fig. 636 abgebildet
Fig. 636.
ist, aus dem Prägwerke hervorgeht^). Ein Arbeiter prägt täglich circa
12 000 Schafte.
^) Das Schleifen geschieht von Hand oder auf der sogenannten Mitten-
Schleifmaschine. Käheres üher Einrichtung derselhen in Dingler' s polyt.
Journal, Bd. 217, 6. 280.
^) Ueher Anwendung und Constraction sogenannter Stampfinaschinen statt
der Fallwerke, ähnlich den Drahtstiftmaschinen construirt: D in gl er 's Jour-
nal, Bd. 217, S. 280.
880 Specielle Technologie.
An das Prägen reiht sich das Dorchstossen der Gehre. Beide Oehre
werden gleichzeitig auf einer kleinen Durchstossmaschine mit Schraube
oder Hebel, yon Hand oder dnrch Elementarkraft bewegt, yermittelst
zweier paralleler Stiftchen an dem Stempel nnd zweier Löcher in der
Matrize dnrchgestossen, wobei taglich durch eine Person 15 000 Schafte
gelocht werden können.
Von den geöhrten Schäften werden jetzt circa 100 Stück auf zwei
dnrch die Oehre hindarcbgesteckte Stahldrähte gezogen, auf ein festge-
stopfbes Kissen oder ein Brett gelegt and durch zwei darüber gespannte
Eisenschienen, welche den mittleren Theil mit den Oehren frei lassen,
festgeklemmt. Die Stelle, wo der Bart sich gebildet hatte, wird dadurch
ein wenig nach oben gebogen, und es ist nun leicht, mit Hilfe einer
flachen Feile oder durch Schleifen auf einem rotirenden Schleifsteine
sämmtliche Barte der eingespannten Schafte mit einem Male abzunehmen
und zugleich einen kleinen Einschnitt in der Mitte zwischen beiden
Oehren des Schafts hervorzubringen. Dann wird das Bündel gewendet
und dieselbe Arbeit auf der andern Seite wiederholt. Ist dieselbe voll-
endet, so erfasst der Arbeiter die Schäfte, während sie noch auf den
Drähten stecken, mit zwei breiten Feilkloben .oder auch nur mit den
Händen, biegt sie einige Male hin und her und bricht sie dadurch in
der Mitte von einander. Die hierdurch entstandenen Nadeln werden
alsdann in der ganzen auf dem Drahte befindlichen Reihe in einen
Schraubstock oder Feilkloben gespannt und an den Köpfen rund gefeilt
oder geschliffen. Um die Bruchstelle zu glätten.
Während dieser Arbeiten haben sich die Nadeln bisweilen krumm
gezogen; man prüft sie durch Hin- und Herrollen zwischen Daumen und
Zeigefinger und richtet die krumm gewordenen durch Schläge mit einem
kleinen Hammer«
Nun folgt das Härten der noch weichen Nadeln. Man erhitzt in
einer eisernen Mulde eine grössere Anzahl gemeinschaftlich bis zum
Rothglühen und schüttet sie in ein Gefäss mit Rüböl. Sie werden dann
gesammelt, durch Erhitzen bis zur gelben oder violetten Farbe ange-
lassen, in Wasser abgekühlt und in Sägespänen oder Kleie getrocknet.
Um die Erkennung der Anlauffarben zu erleichtern, befreit man in
einigen Fabriken die glasharten Nadeln vor dem Anlassen von Zander,
indem man sie zu einem wurstähnlichen Ballen in Leinwand zusammen-
packt, in Wasser taucht und unter einem Brette hin- und herrolli.
Die folgende Arbeit heisst das „Schauern^ oder „Scheuern*'. Man
packt wieder eine grosse Anzahl Nadeln mit scharfem Sande oder auch
Schmirgel und Oel zu einem länglichen Ballen von circa 100 mm Durch-
messer zusammen und lässt mehrere solcher Ballen gleichzeitig 12 bis
18 Stunden lang zwischen zwei Tafeln (wie bei einer Wäschmangel) hin-
und herrollen. Die Bewegung dieser sogenannten Soheuermühle wird
durch Handarbeit oder auch durch Maschinenkraft bewirkt. Nach Ver-
lauf der genannten Zeit werden die Bündel aus einander gepackt, aber-
Nähnadeln. 881
mals mit Oel und Sand (Schmirgel, Kolkothar, Zinnasche) geschichtet
mid daBselhe Verfahren wiederholt; bisweilen acht bis zehn Male, mit
immer feinerm Schleifmateriale, bis sie glänzend polirt erscheinen.
Schliesslich behandelt man die Nadeln zu ihrer Reinigung mit Seifen-
wasser und trocknet sie mit Sägespänen.
Bei dem Schauern und Poliren befinden sich Nadeln yerschiedener
Grösse in einem gemeinschaftlichen Ballen. Um dieselben nach dem
Trocknen zu sortiren, zugleich auch, um diejenigen Nadeln auszumerzen,
deren Spitzen etwa beim Schauern abgebrochen waren, schüttelt man
sie zunächst in einer hölzernen Mulde, um sie parallel zu legen. Als-
dann müssen alle Spitzen nach einer und derselben Richtung gekehrt
werden. Ein Mädchen oder Kind breitet die Nadeln auf dem Tische vor
sich aus und fahrt mit den Zeigefingern darüber hin, wobei die dickeren
Köpfe nach aussen gedrückt werden, so dass sämmtliche Nadeln sich in
zwei Abtheilungen sondern; oder man hält eine Anzahl Nadeln in der
linken Hand fest und drückt den mit einei* dicken Tuchkappe beklei-
deten Zeigefinger gegen die Nadelenden, wobei die Spitzen in die Kappe
eindringen und hängen bleiben, so dass diese Nadeln nunmehr leicht von
den umgekehrt liegenden entfernt werden können. Das Sortiren in ein-
zelne Längen bietet nun weiter keine Schwierigkeit.
Die Köpfe der Nadeln, welche bei zu grosser Sprödigkeit wegen des
geschwächten Querschnitts an dem Oehre am leichtesten dem Abbrechen
ausgesetzt sind, werden nunmehr, um sie noch geschmeidiger zu machen,
einem fernem Anlassen bis zur blauen Farbe („Blaumachen'') unter-
worfen. J)iese Arbeit lässt sich in verschiedener Weise ausführen. Eine
breite Zange dient dazu, eine grössere Anzahl Nadeln mit einem Male
zu erfassen, und mit Hilfe eines glühenden Eisens werden die Köpfe bis
zur blauen Farbe erhitzt; oder man benutzt eine entsprechend regulirte
Gasflamme, welche die von einer rotirenden Scheibe aufgenommenen
Nadeln einzeln erhitzt (Blaumachmaschine).
In Folge der bekannten Vorgänge in dem Materialquerschnitte beim
Durchstossen mit dem Lochstempel ist das Oehr der Nadel im Innern
etwas rauh, scharfkantig und macht eine Nacharbeit erforderlich, um die
Gefahr einer Beschädigung des Fadens zu vermeiden. Diese an das
Blaumachen sich anreihende Arbeit, welche man das „Versenken*' nennt,
wird mit einer kleinen spitzigen Reibahle ausgeführt, welche an der
Spindel einer kleinen rasch umlaufenden Drehbank befestigt ist. Zur
Beschleunigung der Arbeit wird eine Anzahl von 100 bis 200 Nadeln
gleichzeitig mit einem breiten Feilkloben erfasst, nachdem ihre Oehre
alle nach derselben Richtung gekehrt sind; dann wird eine Nadel nach
der andern von beiden Seiten her nachgebohrt. Manche Fabriken lassen
auf dieses Ausbohren noch ein Poliren des Oehrs mit einem Schmirgel-
stäbchen folgen.
Nun gelangen die Nadeln zu einem walzenförmigen Schleifsteine
aus feinem Schmirgel von etwa 50 mm Durchmesser, 200 mm Breite und
Ladebar, mechanlich-metallargiiohe Technologie. ^
882 Specielle Technologie.
Verden hier an den Köpfen nachgeschliffen, um die hlane Farbe zn ent-
fernen („Abblänen"), so da&s dieselbe an den fertigen Nadeln nur noch
in der Tiefe der Fnrche sichtbar bleibt; zugleich werden hier die Spitzen
nachgeschliffen, falls dieselben bei den vorausgegangenen Arbeiten
stumpf geworden sein sollten.
Als letzte Arbeit folgt endlich ein abermaliges Poliren der Nadeln,
und zwar bedient man sich hierbei einer Lederscheibe mit feinstem
Schmirgel. Sowohl beim Abbläuen als beim Poliren erfasst man in der-
selben Weise als beim Anspitzen eine grosse Zahl Nadeln mit der Hand
und bearbeitet sie gemeinschaftlich; da das Poliren aber in der ganzen
Länge der Nadeln zu geschehen hat, so müssen sie, wenn die Spitzen
polirt sind, gewendet werden, um die Arbeit auch an der Kopfseite za
erleiden.
Die Nadeln werden dann abgezählt und verpackt. Zum Abzählen
dient ein eisernes Lineal mit 25 oder 100 Qnerfurchen auf einer Seite,
in deren jeder eine einzige Nadel Platz findet. Indem man mit einer
Anzahl zwischen Daumen und Zeigefinger erfasster Nadeln über das
Lineal hin wegstreicht, bleibt in jeder Furche eine liegen, so dass rasch
genau so viele beisammen sind, als das Lineal Furchen zählt ^).
Wie man sieht, ist die Anzahl der Arbeiten, aus deren Aufeinander-
folge die fertige Nähnadel hervorgeht, eine so grosse, wie bei wenigen
anderen aus Metallen gefertigten Gebrauchsgegenständen. Kar marsch
berechnet, dass die Nähnadel zu ihrer gänzlichen Vollendung circa
hundert Male durch die Hand gehen muss. Vergleicht man damit den
billigen Preis, um welchen eine Nähnadel im Handel zu haben ist, so
erhält man ein lehrreiches Beispiel, wie durch eine im grossen Maassstabe
durchgeführte Theilung der Arbeit, welche freilich in solcher Weise nur
bei einem so massenhaften Verbrauche als den^'enigen der Nähnadeln
möglich ist, die Erzeugungskosten eines Gegenstandes sich verringern;
denn indem derselbe Arbeiter ununterbrochen wiederkehrend eine und
dieselbe Verrichtung ausführt, spart er nicht allein diejenige Zeit, welche
bei weniger streng durchgefQhrter ArbeitstheDung auf das Ergreifen,
Weglegen etc. der Geräthe und Arbeitsstücke verwendet wird, sondern
er erlangt auch durch die stete Wiederholung derselben Manipulation
eine Fertigkeit in derselben, welche seine Leistungen in überraschender
Weise steigert. Fast alle bei der Nähnadelfabrikation vorkommenden
Arbeiten, das Schneiden, Schleifen, Stanzen u. s. w., deren — dem Laien
fast unglaublich rasche — Durchftkhrung oben theil weise durch Angabe
der pro Zeiteinheit gelieferten Stückzahl illustrirt wurde, geben hierfür
ein anschauliches Bild.
^) üeber ein ZähUineal mit selbstthätiger Entieemng vergleiche Ding-
1er* 8 polyt. Journal, Bd. 217, 8. 284.
! Schlösser und Schlüssel. 883
i
i •
Die Schlösser und die SehlüsseL
I
Bei den Schlössern sind weniger die Eigenthümlichkeiten der — im
I Allgemeinen einfachen — Anfertigung, als vielmehr ihre Wichtigkeit,
ihre alltägliche Benutzung und ihre sinnreiche Einrichtung die Veran-
lassung, auch sie in die Besprechungen der speciellen Technologie auf-
zunehmen; um so mehr, da in den sonstigen technischen Wissenschaften
kaum sich Gelegenheit finden dürfte, die innere Einrichtung derselben
zu erörtern. Hat doch in Rücksicht auf die Wichtigkeit der Schlösser
ein ganzes vielverzweigtes Handwerk — die Schlosserei — den Namen
von dem Fabrikate entlehnt und beibehalten, obschon in jetziger Zeit
die Anfertigung und Reparatur der Schlösser eine ziemlich untergeordnete
Rolle in den Schlosserwerkstätten führt und mancher sogenannte Ma-
schinenschlosser nicht einmal im Stande ist, ein brauchbares Schloss
selbstständig «ti fertigen.
Das Schloss — in seiner einfachsten Einrichtung nur ein Mittel
gegen selbstthätiges Aufschlagen einer Thür — soll in seinen weniger
einfachen Formen als Schutzmittel gegen Eröffnen durch jeden Unbe*
fugten dienen; und somit bildet die Einrichtung desselben gewisser-
maasseo einen Gegenstnnii des Wettkampfs zwischen dem Scharfsinne
des Verfertigers und demjenigen der Diebe. Je grösser die Geschick-
lichkeit der letzteren ist, desto complicirter muss die Einrichtung des
Schlosses sein, wenn es seinen Zweck erfüllen soll.
Man kann im Wesentlichen drei Hauptgattungen von Verschlüssen
unterscheiden.
1. Der Fallenverschluss, für Thürschlösser, besonders für Stu-
ben- und Hausthüren gebräuchlich, welche im Laufe des Tages häufig
geöffnet und geschlossen werden, soll das durch Zugwind oder sonstige
Vorkommnisse eintretende selbstthätige Oeffnen der Thür verhindern, ist
aber für einen Jeden zugänglich und bietet daher kein Schutzmittel
gegen unbefugtes Oeffnen. In den meisten Fällen und stets dann, wenn
letzteres verhindert werden soll, ist deshalb der für den Gebrauch be-
queme Fallenverschluss durch einen der unten zu besprechenden Ver-
schlüsse ergänzt.
Die „hebende Falle", welche bei gewöhnlichen Thüren am häufig-
sten ist, besteht aus einem Hebel a^ Fig. 637 (a. f. S.), durch eine Feder
h niedergedrückt und in dieser Lage sich hinter den zahnartigen Vor-
sprung des am Thürrahmen befestigten „Schliessklobens" c legend,
wodurch die Thür geschlossen ist; dagegen durch einen Druck auf den
im Drehungspunkte eingesteckten oder befestigten „Drücker*^ von be-
kannter Einrichtung zu öffnen.
56*
864 Specielle Technologie.
Die „BchiMsende Falle", Fig. 638, gebr&aclilicb an Stäben- nnd
Vorsaaltharen degantenr Eiurichtnng, beaUht aas einem in horisoDtaler
Fig. 637.
lüchtung bewegten Riegel o, an swei Stellen des Sctilosakastena gefuhrt
tmd in der Mitte gabelförmig geschlitzt, tun die „Nnss" b, welche zur
Befestigung des Griffs dient, hindarchatecken zn können. An dem hin-
tern Ende des Riegels befindet sich der kleine Kopf Oi, gegen welchen
die Feder c drückt, den Riegel in diejenige Stellung Tontchiebend, bei
welcher die Thür geschloasen ist. Die Nnss b trftgt einen kleinen Doppel-
hebel d, dessen beide Schenkel innerhalb eines entsprechenden, im Gmnd-
risse des Riegelg a ersichtlichen Ausscbnitta desselben spielen and sich
Schlösser nnd Schlüssel. 885
mit zwei Rollchen gegen vorspringende Ncisen des Riegels legen. Bei
jeder Drehung der Nnss durch den Thärgriff sowohl nach rechts oder
links wird demnach die Falle zurückgeschohen werden und die Thür
sich dfihen lassen, aher sofort in ihre frühere Stellung zurückkehren,
wenn die Hand den Orifif loslässt.
Giebt man der Nuss statt des doppelten Hebels einen einarmigen,
wodurch die Oonstruction sich vereinfacht, so wird die Thür nur bei
Drehung des Handgriffs in einer Richtung geöffnet.
2. Der Nachtriegelverschluss, aus einem von innen vorge-
schobenen Riegel bestehend, so dass ein Oeffnen von aussen nur möglich
ist, wenn das Schloss oder die Thür soweit durchbrochen wird, dass man
zum Riegel gelangen kann. Die einfache Einrichtung desselben ist zu
bekannt, als dass sie weiterer Besprechung bedürfte.
3. Der Riegel verschluss mit Schlüssel. Die Einrichtung
dieses wichtigsten aller Verschlüsse ging aus dem Bestreben hervor, ein
durch einen Riegel innen zugehaltenes Schloss auch von aussen mit
Hilfe eines durch eine entsprechende Oeffnung der Thür gesteckten
Instruments — des Schlüssels — öffiien zu können, wobei dann zunächst
die eigenthümliche Form des Schlüssels ein Oeffnen durch Unbefugte,
nicht im Besitze des Schlüssels Befindliche, verhindern sollte.
An dem Schlüssel unterscheidet man den hintern, zum Anfassen
befindlichen ringförmigen Theil, „Ring'' oder , Raute ** genannt; den
mittleren cylindrischen Theil, welcher entweder massiv oder hohl ist und
„Schaft'' oder „Rohr** heisst; und an dem vordem Ende desselben den
beim Oeffnen des Schlosses hebelartig zum Zurückschieben des Riegels
dienenden flachen Ansatz, den „Bart^. Die Grenze zwischen der Raute
und dem Schafte wird gewöhnlich durch eine ringartige Verzierung ge-
bildet, welche genau die Stelle angiebt, bis zu welcher der Schlüssel ins
Schloss gesteckt werden muss nnd das „Gesenk" heisst. Ist der Schlüssel-
schaft massiv, wie bei den meisten jetzt üblichen Schlössern , so wird in
dem Schlosse eine rohrartige Hülse als Führung für den Schlüssel ange-
bracht, ist er dagegen hohl, so dient ein Stift oder „Dom*' im Schlüssel-
loche für denselben Zweck.
Damit der durch das Schlüsselloch gesteckt« Schlüssel den Riegel
ergreifen und fortschieben kann, wird der letztere an der dem Schlüssel-
loche zugekehrten Seite mit einem nasenartigen Ansätze oder einem Ein-
schnitte versehen (vergleiche die unten gegebenen Abbildungen von
Riegelschlössem), welcher der „Angriff'' heisst.
Eine einmalige volle Umdrehung des Schlüssels am Schlosse heisst
eine „Tour" ; je nachdem eine einmalige, zweimalige u. s. w. Umdrehung
des Schlüssels erforderlich ist, um den Riegel seinen vollen Weg zurück-
legen zu lassen, unterscheidet man eintourige, zweitourige u. s. w.
Schlösser.
Zur Unterstützung der einzelnen Theile eines Schlosses dient das
„ Schlossblech ", welches die ganze eine Seite des Schlosses einnimmt; soll
886 Specielle Technologie.
das SchloBS auf der äussern Fläche der zn varschliessenden Thür ange-
hracht werden, so ist ausser dem Schlosshleche noch eine rings herum-
laufende Einfassung vorhanden (häufig in einem Stücke mit dem Schloss-
hleche aus Gusseisen oder Messing gegossen), welche „Umschweife ge-
nannt wird und mit dem Schlosshleche zusammen den „Schlosskasten ^
hildet. Diejenige Seitenwand des Schlosskastens, durch weiche der
Ri^gelkopf heraustritt, heisst „Stülp'', „Stnlben^ oder „ Vorderstrudel ".
Man unterscheidet zwei Hauptarten von Riegelschlössern mit
Schlüssel.
Bei dem deutschen Schlosse, welches jetzt nur noch in alten
Gebäuden gefunden wird, steht der Riegel genau wie eine schiessende
Falle unter dem Drucke einer kräftigen Feder, welche ihn nach vorwärts
zu drücken bestrebt ist. Der Schlüsselbart schiebt den Riegel zurück,
indem er selbst ungefähr Vs Umdrehungen macht, und hält ihn dann
fest, indem er in fast horizontaler Richtung sich gegen den Angriff
stemmt. Dreht man aber den Schlüssel wieder rückwärts, um ihn aus
dem Schlosse zu entfernen, so schiesst natürlich der Riegel wieder vor,
wenn man nicht durch eine besondere Sperrung ihn in seiner zurück-
geschobenen Lage festhält. Als solche pflegt ein senkrechter Stift ober-
halb des Riegels zu dienen, der durch sein Gewicht von selbst in eine
Nnjbh an der Oberkante des Riegels einfallt, sobald derselbe zurückge-
zogen ist, in jeder andern Stellung aber auf der Oberkante desselben
ruht. Durch Empor drücken des Stifts wird der Riegel frei und schnappt zu.
Wie man sieht, hat das deutsche Schloss den grossen Uebelstand,
dass ein Jeder, welcher an den Kopf des Riegels gelangen kann, auch
im Stande ist, denselben unter Ueberwindung des Federdrucks zurück-
zuschieben und das Schloss zu öffnen. Daher ist die Sicherheit, welche
ein solches Schloss giebt, ziemlich gering.
Das französische Schloss 0. Ein zweitouriges französisches
Schloss einfachster Gonstruction ist in Fig. 639 und 640 abgebildet
a ist der Riegel, an der untern Seite mit zwei Angriffen für den Schlüssel
versehen, von denen der eine bei der ersten, der andere bei der zweiten
Drehung erfasst wird (die Stellung des Riegels in Fig. 640 ist diejenige,
welche er nach beendigter einmaliger Drehung einnimmt). Der Riegel
ist zur Sicherung der geradlinigen Bewegung zweimal geführt; zunächst
im Schlitze des Stulbens, dann mit Hilfe des Stifts &, welcher am Schloss-
bleche angenietet ist und in einen Längsschlitz des Riegels hineinragt.
Damit aber der Riegel auch vor seitlicher Bewegung geschützt ist (welche
ein Herausfallen aus dem Führungsstifte zur Folge haben würde), wird
ein Deckblech / über das Schloss gelegt und durch Schrauben in ange-
messener Entfernung von dem Schlossbleche festgehalten, welches mit
einer schmalen Leiste oder Warze e („ Schleppfeder ^ genannt) auf die
*) Dasselbe wurde im vorigen Jahrhundert, angeblich von einem Dcut-
Bchen, J. G. Freitag in Gera, erfunden.
SchlÖBser und Schlüssel. 887
Seitenfläche des Riegels drUokt und dadurcb jedes Schwanken desaelbeti
aamöglich macht. Ben eigentlich charakterietischen Theil des fronzösi-
Fig. 839. Fi«. 840.
sehen Schlosaes bildet nnn aber die EOgenumte „Znhaltaug", in der
Abbildung mit c und d bezeichnet, c ist eine einfache Feder aus Stahl,
an der antern Seite mit einem (bisweilen auch zwei) Haken rersehen,
welcher in einen entsprechenden Einschnitt an der Oberkante des Riegels
eingreift. Die Anordnung des letztern ist eine solche, dsas der Eingriff
des Hakens jedesmal nach einem beendeten einmaligen Vorschübe des
Riegels (entsprechend einer vollen Umdrehung des Schlüssels) erfolgt;
demnach moss der Riegel eines eintoarigen Schlosses zwei Einschnitte
(zum Einhaken vor nnd nach der Drehung), ein zweitonriges drei Ein-
eobnitte erhalten. Diese Zubaltnng gestattet ofienbar eine Verschiebung
des Riegels nur dann, wenn man den Haken soweit empordrdckt, dass
der betrefiende Einschnitt frei wird and der Riegel unter der Zuhaltung
fortgleiten kann. Damit dieses EmpordrQcken dnrch den ScUQsmI selbst
bei dessen Drehnng bewirkt werde, ist der betreffende Schenkel der
Feder mit einem bogenförmigen Ansätze d — „Zahaltangslappen" ge*
nannt — verseben, welcher neben dem Riegel soweit hinabgeht, dass er
von dem SchlQsBelbarte ergriffen nnd emporgedrackt werden muss, ehe
derselbe den Riegel erfassen kann. Wird der SchlQssel nnn weiter ge-
dreht iind dadurch der Riegel in Bewegung gesetzt, lo gleitet der Zn-
baltongsbaken auf der Oberkante des Riegels und schnappt sofort wieder
ein, wenn eine volle Tour des Riegels beendet ist.
Ein solches franzdsiscbes Schloss lässt sich demnach, wenn man
nicht im Beeit» eines passenden SchlOseels ist, nur mit Gewalt durch
Absprengen des Znbaltungshakens 5finen; dagegen wird, wenn man nicht
besondere Torkehrungen anwendet, jeder in das Schlüsselloch passende
Schlfiesel von der richtigen Barthöhe zum Oeffnen des Schlosses brauch-
bar sein.
888 Specielle Technologie.
Ein ziemlich häufig angewendetes Mittel, die BeDutaung dnes fal-
schen ScblüsBela zu erschweren, iat eine gekröpfte oder geschweifte Form
des ScblüsBelbartflB (z. B. wie in Fi^. 641); feilt man non das SchlÜBsel-
p- g^, loch genau entsprechend
der Bartform ans, so Usst
es nnr den passen den
Schlüaeel hinein. Grosse
Sicherheit gegen Diebe
wird jedoch nicht hier-
durch erreicht, weil sich
das SchlnsBelloch mit einer
Feile ohne grosse Schwie-
rigkeit so erweitern lässt, ds«s auch andere Schlüssel Eingang finden.
Aehnlich der Anwendung eines geschweiften SchlOsselbarts, immer-
hin aber das Einbringen fremder Werkzeuge mehr erschwerend, wirkt
die Anwendung eines SchlOBsele mit hohlem, geschweiftem Rohre (klee-
blattförmig, sternförmig und dergleichen) und eines genau dazu passenden
Doms im Schlosse, welcher natfirlich sich mit dem Schlttssel drehen muss.
Bisweilen nmgiebt man den Dorn noch ausserdem mit einer drehbaren
Hülse, welche den Schlüssel auch von aussen umschliesst; leider macht
die Kostspieligkeit einer solchen Einrichtung sie fBr gewöhnliche Schlösser
nicht anwendbar.
Eine andere Torkehrung gegen die Anwendung falscher Schlüssel,
welche bei den meisten Schlössern Anwendung findet, ist die Anbrin-
gung kreisförmiger Bleche im Innern des Schlosses, welche bei der Dre-
hang des Sehlflseels in entsprechende Einschnitte desselben eingreifen,
so dass die Drehung jedes andern Schlüssels innerhalb des Schlosses,
welcher nicht genau die gleichen Einschnitte besitzt, unmöglich wird.
Uan nennt diese Einrichtung „Besatzungen" (die im Schlosse ange-
brachten Blechatreifen auch wohl „Eiugerichte") und unterscheidet zwei
Arten derselben. Bei der „Mittolhruchbesatzung" geht ein Schnitt von
der dem Schafte parallelen Kante des Schlüsselbarte aus rechtwinklig
gegen den Schaft, den Bart in zwei Hälften theilend, während im
Schlosse ein kreisringförmiges Blechstück diesem Einschnitte entspricht.
Häufig werden von diesem Mittelbmch ans noch feinere Einschnitte in
die beiden Hälften des Barts geführt, wie es Fig. 642 darstellt, die dann
wieder durch Blechstreifen,
°' auf jenem Blechringe be-
festigt, ergänzt werden
müssen. Sind eine Anzahl
Schlösser, z. B. bei eämmt-
lioben Stubenthüroii eines
'Wohnhauses, mit Scblüa-
sein von gleicher Grösse,
w
Schlösser und Schlüssel 889
aher Terschieden geformten Mittelbmchbesatzungen versehen, so gewährt
eine solche Einrichtung die Bequemlichkeit, dass man mit einem einzi-
gen Schlüssel von der Form wie in Fig. 643, einem sogenannten „Hanpt-
F' 643 Schlüssel'', sämmtliche Thüren öffnen kann, während
jeder einzelne regelrecht geformte Schlüssel nur das
ihm zugehörige Schloss zu öffnen im Stande ist;
eben dieser Umstand aber verringert erheblich die
Sicherheit, welche die Mittelbruchbesatzungen ge-
gen unbefugtes Oeffnen gewähren.
Griebt man dagegen dem Schlüssel Einschnitte,
welche von den Seitenkanten ausgehen (Fig. 644)
und dem Schlüsselschafte parallel laufen, denen
also reifenförmig gebogene und an dem Schloss-
bleche, beziehentlich der Deckplatte befestigte Blech-
streifen im Innern des Schlosses entsprechen, so
heisst die Besatzung „Reifbesatzung". In Fig. 639
und 640 ist i ein solcher am Schlossbleche, k ein an
der Deckplatte befestigter Reifen. Dieselben geben
eine grössere Sicherheit als die Mittelbruchbesatzung, besonders wenn
von beiden Seiten her Einschnitte vorhanden sind, welche etwas über
die Mitte des Barts hinüberreichen.
Nicht selten kommen auch beide Arten von Besatzungen in einem
und demselben Schlosse vor; und je künstlicher und verzweigter sie
angeordnet sind, desto schwieriger ist es natürlich, das Schloss mit einem
fremden Instrumente zu öffnen, desto grösser sind aber auch die Anfer-
tigungskosten des Schlosses. Uebrigens kommt es auch vor, dass bei ge-
kauften Schlössern die Schlüssel, um Vertrauen zu erwecken, mit viel-
seitig verzweigten Einschnitten versehen sind, während das Schloss selbst
von den Eingerichten Nichts oder nur wenige Theile enthält ^). Ver-
streicht man zur Prüfung eines neuen Schlosses die Einschnitte des
Schlüssels mit Talg, so müssen dieselben nach einmaliger Umdrehung
des Schlüssels im Schlosse natürlich vollständig vom Talge befreit sein,
wenn alle Eingerich te vorhanden sind.
Es wurde schon erwähnt, dass häufig — und zwar bei den meisten
Stuben- und Hausthürschlössern — sich alle drei besprochenen Ver-
schlüsse in einem und demselben Schlosskasten vereinigt finden: der
Fallenverschluss zu oberst, der Riegelverschluss darunter und zu unterst
ein Nachtriegelverschluss.
Vorhängeschlösser sind im Wesentlichen nach denselben Grund-
sätzen gebaut als das oben abgebildete und beschriebene französische
Thürschloss; der Riegel bewegt sich bei denselben aber meistens nicht
geradlinig, sondern im Kreise, wodurch eine abweichende Form dessel-
ben nöthig wird. Fig. 645 (a. f. S.) stellt das Innere eines zweitourigen
1) Dingler'B polyt. Journal, Bd. 151, S. 340.
890 Specielle Technologie.
VorhängeschlosBeB dar'), a ist der gekrümmte Riegelkopf au dem „Bad.
riegel" h; c ist die Zuhaltung, darcb die Feder d gegen das Stück b
fjg, g^y gedrflckt. Es iet leicht
ereichtlich, wie beim An-
griffe des Scfalasaelfl zuerEt
die Zubaltnng gehoben,
dann der Riegel nach Ibkg
oder rechts gedreht wird,
ladem derselbe ia die Oese
des Bügels e eiofasat, wird
der VerachluB« bewirkt.
Wenn die bisher ge-
schilderten Einrichtungen
der SchlöBBer im Stande
sind, das Oeffnen durch
einen Unhemfenen zn er-
schweren, je nachdem ihre
Einrichtung, insbesondere
auch die Anordnung der
Besatzungen mehr oder
weniger verwickelt ist, so
vernögen sie doch nicht,
einem erfahrnen, mit
SpeiTzeug (Dietrichen ntid
HauptscblüBseln) ausgerü-
fiteten Siebe längere Zeit
zu widerstehen; auch ge-
ben sie dem Sacbverstän-
digen immerhin die M6g>
lichkeit, mit Hilfe von Wacbeabdrücken einen passenden NachschlüMel
zn unredlichem Gebrauche zu fertigen. Für wichtige Verschlüsse, z. B.
von GeldechränkeD , stattet man deshalb das Scbloss mit noch anderen
solchen Einrichtungen aus, welche ein Oeffnen des Schlosses ohne den
passenden Schlüssel auch dem geübten Kenner schlimmsten Falls nur
nach einer so langen beharrlichen Tbätigkeit möglich machen würden,
dass ein Unbeachteth leiben dieser Tbätigkeit ausser allen Grenzen der
Wahrscheinlichkeit bleibi Diese Schlösser nennt man Sicherbeits-
oder Combinationsscblösser. Ansser einigen unten zu erwähnenden
nebensächlichen Einrichtungen znr Erschwerung des Oeffnens pflegt die
charakteristische Eigenthüm lichkeit dieser Sicherbeitsechlösser in der
Anwendung mehrerer, nur durch einen besonders geformten SchlSssel zn
öffnender Zubaltangen zu beruhen, die erst aämmtlich geöfibet werde»
müssen, ehe der Riegel verschohen werden kann. Die äblicheten and
■) Aus Fink, Die Schule des Bauachlogsen, Leipzig. 1S59, S. 210.
SchlöBser und Schlöesel. 891
bekaaatesteD solcher Schlösser sind das Chabbscbloss and das Bra-
mahBchloBB.
Ein Cbubbsohloes (von dem Engländer Chubb im Anfange dieses
Jahrhunderts erfunden) ist in den Figuren 646 bis 648 abgebildet *);
Pig. 648. Fic 047
und zwar stellt Fig. 646 die innere Ansicht des
Schlogaes, Fig. 647 die einzelnen Zahaltnngen mit
. _ _jfc Ausnahme der obersten, welche in Fig. 646 sicht-
wKIt^ß bar ist, dar, und Fig. 648 ist die Ansicht des
Schlaasels. Das Chabbschloss pflegt 5 bis 7 Zu-
Haltungen zu besitzen, das abgebildete hat deren 6, mit I, II u. s. w. be-
zeichnet. Der eintourige Riegel a ist eineatheils in dem Stulben des
ScbloBskastens an der linken Seite, anderntbeils mit dem in Fig. 646
theilweise sichtbaren Schlitze auf dem Stifte b geführt, welcher auf dem
Schlosablecbe feateitzt. Dieser Stift dient zugleich als Drehungaaclise für
Bämmtliche Zuhaltungen, welche mittelst der Löcher cc auf deneelben
t)Fink, op. ,
892 Specielle Technologie.
derartig gesteckt sind, dass Nro. I unten auf dem Kegel und Nh>. VI
oben zu liegen kommt, d ist eine Feder ans Stahlblech, in 6 TheUe ge-
spalten, deren jeder von oben auf eine der Znhaltungen drückt, so dass
diese dadurch sammtlich das Bestreben erhalten, abw&rts zu gehen. Auf
dem Riegel befindet sich nun der Stift c, während die Zuhaltungen mit
entsprechenden du^ch einen Querschlitz Terbundenen Oeflnungen g und h
ausgestattet sind, durch welche der Stift hindurchragt (die Oefi&iung /
hat keinen besondem Zweck). Bei vorgeschobenem Riegel befindet sich
der Stift in den Oeffiiungen hh..^ bei zurückgeschobenem Riegel, also
gedffiietem Schlosse (wie in Fig. €46) in den Oeffiiungen gg^- - Damit
also der Riegel vor- oder zurückgeschoben werden kann, ist es erforder-
lich, sämmtliche 6 Zuhaltungen gleichzeitig so zu heben, dass der Stift
in das Niveau der 6 Schlitze eintritt, welche die Oefifhungen h und g
verbinden; wird hierbei nur eine der Zuhaltungen unbedeut^id zu viel
oder zu wenig gehoben, so kann der Stift nicht aus seiner Oeffiiung
heraustreten und die Bewegung des Riegels ist unmöglich. Da nun aber
die ünterkanten der Zuhaltungen verschieden geformt sind, bei der
einen höher, bei der andern tiefer stehen, so ist dieses gleichzeitige ge-
naue Anheben nur durch einen Schlüssel möglich, dessen Form genau
derjenigen aller einzelnen Zuhaltungen angepasst ist. Grerade in dieser
Combination vieler Zuhaltungen beruht die Sicherheit des Schlosses. Bei
dem abgebildeten Schlüssel bewegen die Absätze 1, 2, 3 u. s. f. die
entsprechenden Zuhaltungen I, U, ÜI u. s. f., der vordere mit C bezeich-
nete Theil den Riegel.
Liegt der Verdacht vor, dass ein Unberufener sich einen Nach-
schlüssel verschafil haben sollte, so braucht man nur die Zuhaltungen zu
wechseln und den Schlüssel entsprechend zu ändern, um jedes Oeffnen
durch einen fremden Schlüssel unmöglich zu machen.
Das Chubbschloss enthält ausserdem noch eine Einrichtung —
Detector genannt — , welche sofort erkennen lässt, wenn der Versuch, das
Schloss mit Sperrzeugen zu öffnen, gemacht sein soUte. Zu diesem
Zwecke ist auf dem Schlossbleche die Feder n mit ihrem linken Ende
festgenietet, wahrend sie auf der rechten Seite in einen kleinen Haken
endigt, welcher auf dem Vorsprunge m der Zuhaltung I ein wenig auf-
ruht und auch auf demselben liegen bleibt, wenn die Zuhaltung durch
den passenden Schlüssel auf ihre richtige Höhe gehoben wird. Sobald
aber die Zuhaltung I durch einen falschen Schlüssel oder Dietrich nur
um ein Geringes zu hoch gehoben wird, so gleitet das Häkchen vor dem
Vorsprunge herab und hält dadurch die Zuhaltung I in der zu hohen
Stellung fest, so dass eine Bewegung des Riegels nicht mehr möglich ist
Damit nun auch bei jeder der übrigen Zuhaltungen ein zu hohes An-
heben in derselben Weise erkennbar werde, ist die Zuhaltung I mit
einem Stifte 1 versehen, welcher die Oberkante aller übrigen leicht be-
rührt. Hebt sieh also eine derselben über den normalen Rand, so drückt
sie den Stift l und somit auch die Zuhaltung I empor und der Detector
Schlösser and Schlüssel. 893
schnappt, wie vorhin beacbrieben wtirde, ein. Nun vird es bei jedem
Versnobe, das Schloss mit einem andern Werkzenge als dem passenden
SoblUaael za öffnen, anvermeidlich sein, dass wenigstens eine der Zn-
haltnngen einmal zu hoch emporgedrilckt wird, woraaf dann sofort der
geschilderte Vorgang eich vollzieht. Will nnnmehr der Eigentbümer das
SchloBfi öffnen, so dreht er zunächst den Schlüssel nach der verkehrten
Richtang; die Zuhaltimgen heben sich und der Riegel tritt noch ein
wenig mehr aus dem Schlosse heraus, wobei der Riegelstift c den nöthigen
Spielranm in den karzen Schlitzen pp.. der Znhaltungen findet. Bei
diesem Vorschabe des Riegels rückt aber die schiefe Ebene q an der
obem Kante desselben nnter den Haken der Feder n und drückt diesen
empor; die Znhaltnng I wird jetzt also frei, nimmt dadurch ihre nor-
male Lage wieder an nnd bei nunmehriger Drehung des SchlOssela in
der andern Richtung wird wie gewöhnlich die Znrückbewegung des Rie-
geb and Oeffnung des Schlosses erfolgen.
Das Bramahschloss. Dasselbe wurde in den letzten Jahren des
vorigen Jahrhunderts, also etwas frOher als das Chubbschloss, erfunden.
In den Figuren 649 bis 651 ist ein solches Schloss, d. h. der zur Bewe-
Fig..649. Fig. SM.
Fig. 850.
IlT 1
I viH vH IH gong des Riegels dienende
I H H H Meohanismns desselben,
n H P. p^' in halber natOrlicher
/l lll' ■ liJ Grösse abgebildet, a ist
ein Geh&use ans Uessing,
welches in die zu verschliessende Thür eingelassen wird, so dass von
aussen nur die schmale Stirnfläche sichtbar bleibt. In diesem Gehäuse
ist der hohle Cylinder b drehbar eingelassen und wird durch die st&h-
894 Specielle Technologie.
lerne Scheibe c festgehalten, welche dnrch Schrauben mit a fest verban-
den ist und in eine hemmlanfende Nnth von b eingreift. Ausser dieser
peripherischen Nuth enthält b eine Anzahl — bei dem abgebildeten
Schlosse sechs — der Achse parallele Längsnuthen, zur Aufnahme ebenso
vieler Zuhaltungen dienend, welche, von der innem Wandfläche des
Cylinders ausgehend, sich radial nach aussen so weit ausdehnen, dass sie
noch über den innem Rand der Scheibe c hinaustreten, während letztere
an den Dnrchschnittsstellen mit entsprechenden Einkerbungen versehen
ist, um die Nuthen nicht zu unterbrechen. In diesen radialen Nuthen
stecken nun die Zuhaltungen, aus einem zusammengebogenen etwas
federnden Stahlstreifen gebildet (vergleiche die Vorderansicht einer Zu-
haltung in Fig. 650), so dass sie in den Nuthen sich zwar verschieben
lassen, aber nicht von selbst hinabrutschen können. Die eine der Zuhal-
tungen (Nro. I) ist in Fig. 649 sichtbar, die übrigen sind in Fig. 650
einzeln abgebildet. Sie ruhen sämmtlich mit ihrem obem, winkelförmig
gestalteten Ende auf dem Schieber g, welcher innerhalb des Cylinders b
sich auf dem Schlüsseldome e auf und nieder bewegen lässt, in der Ruhe
aber durch eine Spiralfeder soweit nach der Richtung des Schlüssellochs
zu gedrückt wird, als es der innere Querschnitt von b gestattet. Zur
besseren Führung der Zuhaltungen ist in dem Cylinder b das Futter-
rohr k eingelassen, welches nur von oben her so weit geschlitzt ist, um
eine Abwärtsbewegung der auf g ruhenden Zuhaltungsköpfe zu ermög-
lichen« Die Länge sämmtlicher Zuhaltungen ist übereinstimmend eine
solche, dass sie auch in dem höchsten Stande von g bis an die Unter-
kante des Rings c hinabreichen, wie sich aus Fig. 649 ergiebt; dadurch
▼erhindern sie aber in dieser Stellung natürlich die Drehung des Cylin-
ders h. Dieselbe wird möglich, wenn sämmtliche Zuhaltungen so weit
nach unten geschoben werden, dass der kleine Einschnitt i an der Rück-
seite der Zuhaltungen sich in genau gleicher Höhe mit dem Ringe c be-
findet und demnach bei der Drehung von b über den Ring hinweggreifen
kann. Wie man sieht, ist aber dieser Einschnitt bei sammtlichen Zuhal-
tungen in verschiedener Höhe angeordnet, so dass auch eine jede der-
selben um eine andere Länge als die andere verschoben werden muss,
wenn die Drohung möglich werden soll. Zu diesem Ende ist der Schlüssel,
wie sich aus dessen Abbildung in Fig. 651 ergiebt, mit Längsschlitzen
verschiedener Länge in der Wand des hohlen Schafts versehen, deren
jeder einer der Zuhaltungen entspricht. Ausserdem trägt der Schlüssel
einen kleinen Bart in einem solchen Abstände vom Ende, dass, wenn
sämmtliche Zuhaltungen in die zum Oeffnen des Schlosses geeignete
Stellung zurückgeschoben sind, sich derselbe in dem zu seiner Aufnahme
ausgesparten Schlitze / in dem Kopfstücke des Drehstücks h befindet
und mithin bei seiner Drehung den Cylinder b sowie sämmtliche Zuhal-
tungen mitnimmt.
Der Vorgang beim Oeffnen und Schliessen ist also zunächst folgender.
Darob den in das Sohlüsselloch gesteckten Schlüssel wird der Schieber
Schlösser und Schlüssel. 895
g einwärta gedrückt und die Zuhaltangen treten — vorläufig in ihren \
Stellnngen verharrend — in die Schlitze des SchlüsBalrohrs. Bei weiterm
Eindringen des Schlüssels werden dieselben aber ebenfalls einwärts ge-
schoben, die eine mehr, die andere weniger, je nachdem der Schlitz des
SchlüBSelrohrs kürzer oder länger ist. Ist der Schlüssel soweit vor-
gerflckt, dass sein Bart sich innerhalb der Aussparung des Cylindera h
befindet, so haben sämmtliche Zahaltnngen eine solche Stellang einge-
nommen, dass Drehnng erfolgen kann; man läset jetzt den Schlüssel
nnd mit ihm den Cylinder h eine volle ümdrehnng machen (welche in
der sogleich za erörternden Art and Weise den Vor- oder Rückechab
des in Fig. 649 nicht sichtbaren Schloesriegels zar Folge hat), so dass
er wieder in die AnfangBstellnng zurückkehrt, nnd lässt ihn dann los.
Die Feder hinter g wirft den Schlüssel ans dem Schlosse heraus nnd
drückt die Znhaltnngen empor, wodurch also eine fernere Drehnng ohne
den passenden Schlüssel unmdglich gemacht ist.
Zur Uebertragang und Umwandlung dieser Drehnngsbewegung des
Cylindera & in eine geradlinige des Riegels sind nun an dem hintern
Ende von h ein oder zwei zapfenartige Ansätze dd, Fig. 652, angebracht,
Fig. 652.
welche in entsprechende Zähne des SchlosariegelB eingreifen nnd den-
selben ebenso schieben wie der Scblüsselbart eines gewöhnlichen Schlosses
den AngrifF des Riegels. In Fig. 652 ist eine solche Anordnung abge-
bildet, a ist der Schlossriegel, h die untere Platte des Drebcylindera im
Schlosse, dd die betreffenden Zapfen.
Andere Sicberheitsvorricbtangen, welche man häufig, theils in Ver-
bindong mit einem Combinationssohlosse , tbeiU für sich allein antrifft,
896 Specielle Technologie.
sind die sogenannten „Vexiere*^, d. h. gewisse, nur dem Eigenthdmer
bekannte Vorkehrungen, ohne deren Kenntniss man anch mit dem pas-
senden Schlüssel das Schloss nicht zn öfinen vermag. Hierher gehört z.B.
ein „Yorgesperre", d. h. ein Deckel über dem Schlüaselloche, welcher erst
dnrch einen zweiten Schlüssel oder auch durch Verschiebung gewisser
Theile entfernt werden muss, ehe das Schlüsselloch frei wird; femer be-
sondere Kunstgriffe in der Handhabung des Schlüssels u. s. w. Alle diese
Vexiere sind jedoch bedeutend unzuverlässiger als ein gut gebautes
Combinationsschloss.
Die Anfertigung der Schlösser bietet, wie schon Eingangs erwähnt
wurde, wenig Bemerkenswerthes. In früherer Zeit geschah die Anfer-
tigung lediglich durch Handarbeit, indem der Schlosser sich die einzelnen
Theile schmiedete, mit Meissel und Feile passend machte und dann durch
Nieten oder Schrauben verband. Diese Methode ist jetzt selten geworden.
Man stellt die einzelnen Bestandtheile der Schlösser fabi*ikmäs8ig mit
Hilfe geeigneter Werkzeugmaschinen dar und setzt sie entweder eben-
falls fabrikmässig zusammen — eine Anfertigungsmethode, bei welcher
die am wenigsten zuverlässigen Schlösser entstehen — oder man liefert
sie in der rohen Form an den Schlosser, welcher sie weiter verarbeitet.
Zu diesen letzteren Gegenständen gehören hauptsächlich die Schlüssel.
Statt sie, wie früher, von Hand zu schmieden, stösst man sie aus Blech
aus, prägt sie dann im Fallwerke oder in einer Presse zwischen Gesen-
ken und giebt ihnen hierdurch eine äussere Form, in welcher sie in den
mannigfachsten Grössen in allen Eisenhandlungen zu haben sind. Dem
Schlosser bleibt nur noch übrig, mit Hilfe eines kleinen Ereuzmeiasels
und der F^ile die Besatzungen und Schweifungen des Schlusselbarts
nachzuarbeiten und ihn schliesslich abzuschmirgeln.
SchloBsbleche, Deckplatten, Riegel und andere Theile werden eben-
falls auf Durchstossmaschinen aus Blechen ausgestossen , ebenso werden
bei fabrikmässiger Anfertigung ganzer Schlösser die Schlüssellöcher mit
Durchstossmaschinen hergestellt. Vielfach liefert man auch ganze Schloss-
kasten in Gusseisen, welches leichter eine Omamentirung des Aeussem
ermöglicht als Schmiedeeisen.
Für manche Schlosstheile — Riegel, Fallen, Schlüssel und andere —
ist die Anwendung schmiedbaren Gusses (durch Entkohlung schmiedbar
gewordenen Gusseisens) nicht selten, um die Vortheile einer Formgebung
durch Giessen benutzen zu können.
Schlüssel zu Combinationssohlössem dagegen werden in Rücksicht
auf den Umstand, dass schon eine geringe Abnutzung sie unbrauchbar
macht, aus Stahl gefertigt und bisweilen gehärtet.
Schlösser und Schlüssel. 897
Literatur über Schlösser.
Fink, Schnle des Banscblossers, Leipzig 1859.
König, Grundriss der Schlosserkunst, 5. Auflage, Weimar 1872.
Graf, Der moderne Schlosser, 3. Auflage, 3. Heft (Abbildungen).
Weimar 1870.
Theiner, Die yerbesserten Combinationsschlösser. Weimar 1863.
Die Fabrikation der feuer- und diebssicfaeren Geldschränke. Nach Price
Yojn Wieck. Leipzig 1859.
Ledebur, mechanisc1i-roeUllargiM.'he Technologie. 57
Alphabetische 8 Sachregister.
A.
Abhitze, von Sohweiasöfen 544.
Abkantematchine 718.
Abklatschen 801.
Abmessen 82.
Abscheeren 555.
Oer&the Enm 570.
Abschrot 457.
Adhäsionserscheinangen 341.
Adhäsionsverbindnngen 735.
Aetzen 761.
Aichmetall 10.
Alfenide 12.
Allgemeine Teohnologie 3, 5.
Alpaka 12.
Alnminiam, Festigkeit 20.
— Widerstands&higkeit gegen me-
chanische Abnutsong 21.
— speciflsches (Gewicht 24.
— Farbe 27.
— Widerstandsfähigkeit gegen che-
mische Einflüsse 81.
— Dehnbarkeit 327.
Alominiumbronze 12, 26.
Ambos 895.
— für Handh&mmer 899.
Anlage der Giessereien 811.
— der Werkstätten znm Schmieden,
Pressen, Waisen, Ziehen 641«
Anlassen der Bronze 841.
— des Stahls 337.
Anlanfl&irben beim Stahle 837.
Anschweissen von Gnsstheilen 807.
Ansetzen 464.
Anstreichen 781.
Anstellungswinkel 549.
Antifrictionsmetall 23.
Antimon, spedf . Gewicht 24.
-- im Knpfsr 880.
Antimon im Blei 335.
Antimonlegirungen 12, 22.
Anzeichnen, Gerftthe zom 32.
Arbeitsbeweg^ng 562.
Arbeitseigenschaften 19.
— bei der Yerarbeitong doroh
Giessen 89.
— bei der Verarbeitung durch Häm-
mern eto. 322.
— bei der Verarbeitung durch Tren-
nung 558.
ArbeitsverfiAhren der Formerei 147.
— beim Tiegelschmelzen 228.
Flanmiofenschmelzen 260.
Cupolofenschmelzen 288.
Giessen 304.
Schmieden 461.
Walzen 526.
Ziehen 536.
Drehen 659.
Argentan 12. Vergl. auch Neusilber
und Kickellegirungen.
Armaturen, yergl. Rüstungen.
Arsen, im Blei 795.
— im Kupfer 830.
Asphaltiren 788.
Atmosphärilien, Einflüsse der 28.
Aetzen 761.
Aufbereitung der Formmaterialien 120.
Aufliefen 468, 728.
Auf werf hammer 402.
Auftdehen 728.
Aufküge 66.
Ausbohren, Geräthe zum 673.
Ausdehnimgsooöfficienten der Metalle 93.
Ausglühen der Metalle 382.
Ausreiber 705.
Aussaugungen In Gnnstüokea 100.
Alphabetisches Sachregister.
899
Aasstreeken 462.
Azenlagermetall 22.
Axt» Anfertigaiig 841.
B.
Bahn des Hammers 807, 407.
Balancier för Krahne 64.
Bandagenwalzwerk b!o.
Bankmeissel 594.
Bär des Hammers 407.
Barfrs Verfahren 779.
Beil| Anfertigung 841.
Beisszangen 43, 596.
Beizen 755.
— der Münzen 866.
Beschwerung der Gnssformen 207.
Bessemerblockwalzwerke 508.
Bicheronx's Fenerang 225, 380.
Biegen 714.
Biegemaschinen 718.
Bildemägel, AnfertiguDg 854.
Blattgold „ . 869.
Blattsilber „ 839.
Bleche, Anfertigung 527.
— plattirte 527.
Blechbiegemaschinen 721.
Blechwa&en 484.
Blechwalzwerke 502, 510.
Blei, Dehnbarkeit 826.
— Farbe 27.
— Festigkeit 20.
— Schmelzpunkt 90.
— Bchwindung 96.
— speciflschss Gewicht 24.
— Widerstandsfthigkeit gegen me-
chanische Abnutzung 21.
— Widerstandsfähigkeit gegen che-
mische Einflüsse 30.
— im Kupfer und Kupferlegirun-
geu 831.
Bleilegirungen 12, 17, 80, 90. VergL
auch Hartblei
Bleiröhren 818.
Blooming-Mills 508.
Bogensäge 627.
Bogenscheere 570.
Bohrer 684.
Bohrgestell 689.
Bohrknaire 689.
Bohrkopf 679.
Bohrkurbel 688.
Bohrmaschine 691.
— fireistehende 698.
— Krahn- 695.
— Wand- 697.
— Duplex- 698.
— Multiplex- 698.
— Literatur 699.
Bohrratsche 689.
Bohrrolle 686.
Bohrspindel 686.
Bohrstange 674.
Bohrstöckchen 687.
Bramahschloss 893.
Brechkapsel bei Walzwerken 501.
Brille (bei Drehbänken) 660.
Brinkmann 's Dampfhammer 445.
Britanniametall 12.
— specif. Gewicht 26.
Bronze 10.
— Dehnbarkeit 327, 331.
— Farbe 27.
— Festigkeit 20.
— Schmelzpunkt 92.
Bronzefarbe, ijifertigung 840.
Bronzirung, galvanische 773.
— durch Oxydation dös Kupfers 779.
Brucheisen 290.
Brückenwinden 46.
— Anordnung der — in Giesse-
reien 317. ^
— Literatur 65. ^
Brusthammer 402.
Brnstleier 688.
0.
Oav^'s Dampfhammer 423.
Centriftigalgebläse 74.
Centrifngalguss 309.
Centriren 37.
Centrirmaschine 38.
Centrumbohrer 684.
Ohabotte 395.
Ohristoflemetall 12.
Chrom im Stahle 22, 334.
Chrysochalk 10.
Chrysorin 10.
Chubbschloss 891.
Circularscheere 579.
Ciseliren 738.
CUchiren 801.
Oohäsion 321.
Combinationsschlösser 890.
Compoeition 10.
Condie's Dampfhammer 434.
Coquillen siehe Gussschalen und Hart-
guss.
Couläsenhebel 566.
Cupolöfen 264.
— ältere Formen der 271.
— Arbeitsver&hren 288.
— Construction der 268.
— Einbau der 281.
— Esse der 286.
— Gebläse für 266.
— Ireland's 274.
— Krigar's 276.
— Hac Kensie's 280.
— Schacht der 268.
— Schmahers 272.
67*
900
Alphabetisches Sachregister.
OapolofSen, SefBtröm's 272.
— Vorherd der 278.
— Winderhitzxmg bei 287.
— Wirkungsgrad 291.
Gurvensiipport 652.
Cylinderbohrer 674.
Gylinderbohrmaschiiien 675.
D.
Dachconstmctionen in Giessereien 318.
D seien *8 Dampfhammer 439.
— Uniyersal walz werk 515.
Damascenerklingen 844.
Bammgraben 208.
— Lage derselben 320.
Dampfhämmer 418.
— Brinkmann's 445.
— Condie's 434.
— Daelen's 439.
— •Parcot's 446.
— Keller's 448.
— Morrison's 437.
— Nasmyth's 423.
— Naylor's 442.
— Schnellhämmer 447.
— Seller's 450.
— mit Ob^rdampf 444.
— Steuerungen 419.
Dampfkessel für Walzwerke 544.
DampMrahlgebläse 82.
DampfkuschlSger 406.
Daumenhammer 412.
Deckmasse (beim Emailliren) 786.
Degenklingen 844.
Dehnbarkeit 321.
— Beeinflussung durch die Tempe-
ratur 327.
— Beeinflussung durch chemische
Beimengungen 328.
— Beeinflussung durch mechanische
Verarbeitung 332.
Deutsches Schloss 886.
Diamanten, Fahluner 309.
Dichtungsringe, Metall für 23.
Differenzialspindeln für Kerne 144.
Docke 640.
Doppelsupportdrehbank 651.
Doppelt T-eisen-Kaliber 493.
Draht, Anfertigung 537.
Drahtstifte 845.
Drahtziehereien, Anlage der 545.
Drehbank 637.
— Gurvensupport- 652.
— Doppelsupport- 651.
— Duplex- 651.
— Fusstritt- 639.
— Plan- 647.
— Prisma- 640.
— Spitzen- 643.
— Universal- 655.
Drehbank zum Schraabensclmeiden 835.
— „ Kemdrehen in Qiesse-
reien 145.
— Literatur 664.
Drehbanksdocke 640.
Drehbanksspindel 640.
Drehbogen 686.
Dr^en, G^erathe zum 636.
— Arbeitsverfahren 659.
Drehstuhl 636. *
Dreiwalzensysteme bei Walzwerken 506.
Drillbogen 686.
DriUbohrer 687.
Drücken 731.
Dünnflüssigkeit 92.
Duplei^hrmaschine 698.
Duplezdrehb&nke 651.
Durchschlag 458, 584.
Durchschnitt, siehe Durchstoss.
Durchstoes 585.
Durchstossen, Vorgänge beim 557.
— Oer&the zum 584.
K
Ehern 12.
Eigenschaften der Metalle 19.
E^guss bei Gussformen 150, 154.
Einsatzhartnng 334.
Eisen, vergl. Gusseisen, Gussstahl, Roh-
eisen, Schmiedeeisen, StahL
— in Legirungen 332, 335.
Eisenbahnschienen, Kalibrirnng der
Walzen für 491.
— aus Bessemereisen 508.
— Abschneiden der Enden der 629.
Eisenkitt 748.
Eisenspaltwerk 582.
Elasticitat 322.
Elasticitätsgrenze 322.
EUipsenrfider 565.
Emailliren 783.
Erz 12.
Esse bei Giessereiflanimöftn 243.
— , Oupolöfen 286.
Ezcentrische Getriebe 565.
— Kurbdachleife 566.
p.
Pa^oneisen 490.
PaQonstacke fOr Böhien S14.
Pahluner Diamanten 309.
Fallenversohluas 883.
Pallwerke 408.
Falzen 746.
Falzmaschine 718.
Fftrbe der Metalle imd Leginingen
Färben 755.
Faroot's Dampfbammer 446.
Alphabetisches Sachregister.
901
Federhammer 415.
Federn, Anfiertigiuig in Walzwerken 495.
Feile 630.
Feilkloben 42.
Feilmasohinen 610.
— Literatur 625.
Feldsdhmieden 358.
Fertig:walzen 485.
Festigkeit der Metalle 19,
Festludten, Gerathe zum 39.
Fiedelbogen 686.
Finne des Hammers 397.
Firnissen 788.
Fittings 814.
Flacheisenkaliber 488.
Flachmeissel 595.
Flammenloch' bei Giessereiflammöfen
237.
— bei Schweiss- und Glühöfen 364.
Flammöfen, vergleiche Herdflammöfen,
Tiegelflammöfen, Sohweisaöfen,
Glühöfen.
Formbänke in Giessereien 312.
Formbretter 141.
Formerei 111.
— -Werkzeuge 146.
Formgebimg durch Schmelzen und
Giessen 89.
— durch äussere Kräfte 322.
— j, Trennung 549.
Formkasten 136.
Formmaschinen 192.
Formmaterialien 112.
Formsand 112.
Fortrückungsbewegung der Werkzeuge
562.
Französisches Schloss 886.
Fräsen 665.
Fräsmaschine 665.
-Freie Formerei 157.
Freistehende Bohrmaschine 693.
Frictionshammer 414.
Fritz 'scher Walztisch 497.
Fritz 'sches Walzwerk 508.
Fuchs bei Giessereiflammöfen 243.
— , Schweiss- und Glühöfen 366,
Fahrer beim Drehen 659.
Fasshammer 400.
Fusstrittdrehbank 639.
o.
Gabeln, Anfertigung 843.
— „ neusilbemer, in
Walzwerken 494.
Gabelp&nnen 296.
Galvanische Ueberzüge 771.
Gares Boheisen 17.
Gase heim Giessen 102.
Ghurfeuernng für Tiegelöfen 222, 224.
Gasfeuerung für Schweiss- und Glüh-
öfen 380.
Gebläse 73.
— für Oupolöfen 266.
— , Schmiedefeuer 355.
— Literatur 86.
Gefössöfen 387.
Gefüge, Beeinflussung durch die Ab-
kühlung 109.
Gehänge an Formkasten 141.
Gelbgiesser 10.
Gelbkupfer 10.
Geräthe zum Abmessen und Anzeichnen
32.
— zum Festhalten 39.
— „ Heben und Transportiren 44.
Geschützmetall 11.
— Schwindung 96.
Gesenke 456, 476.
Gewerbseigenschaften 19.
Gewindebohrer 834.
GichUufeüge 66.
Giessen 87, 295.
Giessereien, Anlage und Einrichtung
der 311.
Giessereiflammöfen 238.
Giessinstrument der Schriftgiessereien
798.
Giesspfannen 295.
Giesspumpe 304, 799.
Glanzblech 778.
Glockenbronze, Glockenmetall 11.
Schwindung 96.
Glühöfen 363.
Gold, Dehnbarkeit 326.
— Farbe 27.
— Festigkeit 20.
— Schmelzpunkt 90.
— spedflsches Gewicht 24.
— Widerstandsfähigkeit gegen me-
chanische Abnutzung 21.
— Widerstandsfähigkeit gegen che-
mische Einflüsse 30.
Gosse, beim Giessen 303.
Grabstichel 594.
Graues Boheisen 14; vergl. auch Guss-
eisen.
Grelles Boheisen 18.
Grund (beim Emailliren) 786.
Grünspan 29.
Goillochiren 662.
Guillochirmaschinen 663.
Gusseisen 14.
— Beeinflussung des Gefüges und
der Eigenschaften durch die Ab-
kühlung 110.
— Farbe 27.
— Festigkeit 20.
— Gasentwickelung beim Giessen
105.
— Schmelzpunkt 90.
— Sohwindung 96. i
902
Alphabetiflches Sachregister.
Qnafleiflen, specifltehes Gewicht 24.
— Widerstandsfähigkeit gegen che-
mische Einflüsse 29.
— Widerstandslähigkeit gegen me-
chanische Ahnntznng 21.
Gassformen, Herstellung der 111.
— ans starrem Hateriale 19ö.
— für Zinngiesser 200.
Gassschalen 202.
Gassstahl, Dehnbarkeit 326.
— Festigkeit 20.
— Gasentwickelong beim Giessen
105.
— Schmelzpunkt 90.
— Schwindung 96.
— Widerstandsfähigkeit gegen me-
chanische Abnutzung 21.
H.
Halbirtes Boheisen 17.
Hanmier 395.
— Anordnung der Hämmer in den
Schmiedewerkstätten 542.
— zum Biegen 716.
— Literatur 454.
Handbohrmaschine 691.
Handhammer 398.
Handpfannen 295.
Handsäge 627.
Handscheeren 571.
Hartblei 12.
— specif. Gewicht 26.
Hartborsten 205, 337.
Härte 333.
Härten des Stahls 337.
Hartguss 202.
— Gattirung für 291.
Hartloth 738.
Hartwalzen 205.
Haspel 66.
Ha s well* sehe Schmiedepresse 468.
Hanptbewegung der Werkzeuge 562.
Hebelscheeren 570.
Heben, Geräthe zum 44.
Hemde bei Gussformen 158.
Herd in der Giesserei 147.
— bei Giessereiflammöfen 238.
— „ Schweiss- und Glühöfen 364.
Herdflammöfen für Erhitzung schmied-
barer Metalle 363.
— für Giessereien 233.
— „ Tiegelschmelzen 223.
— Einbau 248.
— Wirkungsgrad 261, 386.
Herdformerei 147.
Herz 659.
Hobel bei Zinnformen 200.
— als schneidendes Werkzeug 596.
— für Typen 803.
Hobelmaschinen 597 ; vergl. auch Plan-
bobelmaschine, Feihnasclmie, Nu*
thenstossmaschlne.
Hohlgefässe, Anfertigung durch Trei-
ben 463.
— Anfertigung durch Preeaen 479.
Hohlzirkel 34.
Holley'scbes Walzwerk 508.
Horizontalbohrmaschinen 675.
Irisiren 780.
Justirmaschine 863.
K.
Ka<1minm, specif. Gewicht 24.
KaUber 484.
Kalibrirung für Duowalzwerke vergL
Spitzbogenkaliber, Bundeisen-
kaliber, Eisenbahnschienenkaliber.
— für Triowalzwerke 506.
Kaltbruch 328.
Kammwalzen 504.
Kapselgebläse 77.
Käsekitt 744.
KastenfÖrmerei 151.
Kehrwalzwerke 513.
Kellen 295.
Keller und Banning's Dampfhammer
448.
Kerne für Gnssformen 111.
— „ , Anfertigung der
156, 166.
Kerne für Gassformen aus starrem
Materiale 198.
Kemdrehbänke 145.
Kemdrücker s. Kern kästen.
Kemeisen 145.
Kemkasten 129, 133.
Kemmarken 130.
Kemrüstungen 142.
Kemspindehi 143.
Kei'usteifen 154.
Kernstücke 133.
Kemstützen 154.
Kessel zum Schmelzen 213.
— kupferne 463.
Kipppfannen 302.
Kitten 742.
Klappe 827.
Kneipzangen 43, 596.
Knopfrad 876.
Kohle für die Formerei 118.
Kohlensäure, Einflüsse der 28.
Kohlenstoff im Eisen 13, 17, 328, 334.
Kollermühlen 124.
Kopf, verlonver 100.
Kopfwalzwerke 520, 724.
Körting's BampfitrahJgebl&ae 82.
Alphabetisches Sachregister.
903
Krahn 46.
— Anordnimg der Krahne in Qiesfle-
reien 317.
— Literatur.
Krahnbohrmasohine 695.
Krahnbaken 65.
Erahnpfannen 297.
Kreissägen 628.
Kreissoheeren 579.
Kreuzmeissel 594.
Kronenbohrer 700.
Krummzieben der Gnssetücke 101.
Kapier, Beimengungen im 14,
— Dehnbarkeit 326, 330.
— Farbe 27.
— Festigkeit 20.
— Oasentwickelong beim Oieseen
103.
— Schmelzpunkt 90.
— Widerstandsfähigkeit gegen che-
mische Einflftsse 29.
Kupferhammer 404.
Kupferlegirungen 10, 20, 28, 24, 27.
Kupferozydul im Kupfer 14, 103, 330.
Kupferröhren 816.
Kurbelbewegnng bei Werkzeugmaschi-
nen 564.
Kurbelschleife, excentrisohe 566.
L.
Lackiren 783.
Langlochbohrmasohinen 700.
Lauth'sches Walzwerk 510.
Legirungen 5.
— constante 7.
— Farbe 27.
— Härte 22.
— Schmelzbarkeit 90.
— Schmelzen der 228«
— Schwindung 99.
— speciflsohes (Gewicht 24.
— Einwirkung rascher Abkühlung
110.
Lehm 117.
Lehmformerei 157.
Lehnmiischmaschine 126.
Lehrbretter 141.
Lehren 85.
Leierziehbänke 584.
Leitspindel 644.
Lettemgiesserei 797.
Lettemgiessmaschiue 800.
Lochbohren, Geräthe zum 682.
Lochen 465, 584.
— Vorgänge beim 557.
Lochmaschinen 585.
— Literatur 593.
Lochting 458, 584.
Lochstempel 584.
Lochwerk siehe Lochmaschine.
Löffel, Herstellung der Löffel in Walz-
werken 494.
Löthen 736.
Löthkolben 740.
Löthrohr 741.
Lünette 660.
M.
Maassstab 32.
Mangan im Roheisen 14.
— • , Stahle 22.
— „ schmiedbaren Eisen 329.
Mannheimer Gold 10.
Manometer bei Oupolöfen 289.
Mantel bei Gussformen 157.
Martinöfen 258.
Maschinen zur Formerei 192.
Maschinenscheeren 572.
Masse in der Formerei 115.
Matrize 584, 730.
Maulscheeren 570.
Medaillen, Bronzirung der 779.
Meissel 594.
Mennigekitt 743.
Messer, Anfertigung der 842.
Messing 9.
— Dehnbarkeit 827.
— Farbe 27.
— Festigkeit 20.
— Schmelzpunkt 92.
— Schwindung 96, 99.
MetaU 5.
Mikrometerzirkel 35.
Mitnehmer 641.
Möbelnägel, Anfertigung der 854.
Modelle 129.
Molecule 321.
Mönch 584.
Morrison' B Dampfhammer 437.
Muffelofen für Bleche 388.
— zum Emailliren 792.
Muntzmetall 10.
Münzen, altrömische 10.
— Anfertigung der 856.
Münzfüss 859.
Muttemmaschinen 838.
N.
Nägel, Walzen fär Kageleisen 493.
— Anfertigung der 845.
Nähnadeln, Anfertigung der 878.
Nasmyth'scher Dampfhammer 423.
Naylor's , 442,
KeiisUber 12.
— Farbe 28.
— Festigkeit 20.
— spedflsches Gewicht 24.
Neusilberbleche, Glühofen für 374, 388.
904
Alphabetisches Sachregister.
Hickel, Dehnbarkeit 327.
— Farbe 27.
— Oasentwickelong beim Giessem
106.
— specifischeB Gewicht 24.
— Widerstandsfähigkeit gegen che-
mische Einflüsse 31.
Kickelbronze 20.
Nickellegimngen 12, 20, 28.
— Gkisentwickelong beim Giessen
der 106.
Niello 785.
Nieten 747.
Nietmascbinen 749.
Nnthenbohrmaschinen 700.
Kuthenstossmaschine 620.
o.
Oberdampf, bei Dampfhämmern 444.
Oberflächenhartung 334.
Ovaldrehen 653.
Ovalkaliber 486.
Ovalwerk 653.
Oxydation, als Erhaltungsarbeit 777.
Oxydirtes Silber 31.
P.
Packetiren 467.
Parallelhämmer 407.
Parallelscheeren 574.
Parallelschranbstock 42.
Patina 29, 780.
Patrize 730.
Pattinson'scher EntBilberungsprocess
7.
Periodische Kaliber 493.
Pfumen zum Giessen 295.
Phosphor, im Eisen 329.
Phosphorbronze 15.
— Dehnbarkeit 327.
— Farbe 28.
— Festigkeit 20.
— Schmelzpunkt 92.
Phosphorkupfer 15.
Phosphorzinn 15.
Pinchbeak 10.
Pinzetten 43.
Plandrehbank 647.
Planhobelmaschine 597.
— Literatur 625.
Planscheibe 641, 646.
Platin, Dehnbarkeit 326.
— Farbe 27.
— Festigkeit 20.
— speciSsches Gewicht 24.
— Widerstandsfähigkeit gegen che-
mische Einflüsse 31.
^- Widerstandsfilhigkeit gegen me-
chanische Abnutzmig 21,
Platin, Schmelzofen für 255.
Piattirte Bleche 527.
Pneumatische Hämmer 418.
Polen, des Kupfers 104.
Poliren 709, 762.
Polirpulyer 712.
Polterwerk 537.
Ponsard's Feuerung 225, 383.
Prägen 734.
— der Münzen 866.
Pragmaschinen 868.
Preise der Metalle 31.
Pressen 468, 588, 717, 730, 749.
Prinzmetall 10.
Prismadrehbank 640.
Pumpenstiefel, Metall für 23.
Ponzen 729.
Putzen 584.
Q.
Quadrateisenkaliber 489.
R.
Bäderdrehbank 650.
Badialbohrmaschine 695.
Badreifen, Befestigung auf den Achsen
745.
Badreifenwalzwerk 521.
Bahmenhämmer 407.
Bahmenscheeren 574.
Bändelmaschinen 863.,
Basirmesser, Anfertigung der 843.
Bäumahle 705.
Begen, Einflüsse des Begens 28.
Begeneratiyfeuerung , für Giesserei-
flammöfen 257.
— für Schweiss- und Glühdfen 385.
— „ Tiegelschmelzöfen 226.
Beibahle 705.
Beifenbiegmaschine 722.
Beifenwalzwerke 521.
Beissmaass 36.
Beitnagel 640.
Beitstock 640.
Beversirwalzwerke 513.
Biegelverschluss > 885.
Biemenhammer 409.
Boheisen, gares 17.
— graues 14, 90.
— grelles 18.
— halbirtes 17.
— weisses 14, 90.
— vergl. auch Gusseisen.
Bohren, gusseiseme 805.
— sc^iedeeiseme 810.
— kapferne 816.
— Blei- und Zinn- 818.
Bohrwandbohrer 683.
Alphabetisches Sachregister.
906
Bohstoff 2.
Bollenbohrer 686.
Boot Busches Gebläse 77.
Böse 'sehe Legining 94.
Bosten des Eisens 28.
Bostfläche bei Giessereiflaminöfen 237.
— bei Schweiss- nnd Glühöfen 364.
Bostkitt 743.
Bothbrnch 328.
Bothg^ss 9, 28.
Bondhobelmaschinen 610.
Bandstabkaliber 489.
Büstnngen der Gnssformen 136.
— der Kerne 142.
s.
Säbel, Anfertigong der 844.
Säge 625.
Saigerung 110.
Sandleiste 138.
Sauerstoff im Kupfer 14.
— in der Luft, Einflüsse des Sauer-
stoffs 28.
Schaben 557.
— Geräthe zum 705.
Schaber 705.
Schablonen 129, 134.
SohablonenfÖrmerei 156.
Schachtöfen zum Metallschmelzen 264.
Schalenguss 202.
Schaltbewegung der Werkzeuge 562.
Schaltzeug 568.
Bcheeren 570.
— Literatur 593.
— Anfertigung der 843.
Scheibenziehbänke 534.
Schellhammer 748.
Schienenkaliber 491.
Schlageloth 738.
Schleifen, Geräthe zum 707.
Schleifinaschine 712.
Schleifsteine 710.
Schleppwalzen 504.
Schleppzangenziehbank 531.
Schlichten 561.
Schlösser 883.
Schlüssel 883.
Schmelzapparate 212.
— Lage derselben im Gebäude 313.
Schmelzbarkeit 89.
Schmelzen der Metalle 211.
Schmelzöfen siehe Schmelzapparate.
Schmelztemperatur 90.
Schmiedeeisen 14.
~ Dehnbarkeit 326, 329.
— Farbe 27.
— Festigkeit 20.
— speciflsohes Gewicht 24.
— Widerstandsfähigkeit gegen me-
chanische Abnutzung 21.
Schmiedefeuer 349.
— Anordnung derselben in den
Werkstätten 542.
Schmiedeform 350.
Schmieden 461.
Schmiedemaschinen 458.
Schmiedepresse 468.
Schmiege 36.
Schmirgel 711.
Schmucksachen, Anfertigung 730.
Schnee, Einflüsse des Schnees 28.
Schneidbacken 825.
Schneideisen 824.
Schneiden 549.
— (Geräthe zum 594.
Schneidkante 549.
Schneidklinge 824.
Scbneidkluppe 827.
Schneidräder 666.
Schneidwaaren, Anfertigung der 841.
Schneidwerk 582.
Schneidwinkel 549, 552.
Schneidzeug 834.
Schnellhämmer 447.
Schnellloth 738.
SchneUwalzwerk 507.
Schornstein siehe Esse.
Schrägmaass 36.
Schrauben, Anfertigung der 821.
Schraubenmuttern, Anfertigung der 821.
Schraubenpresse 586.
Schraubenschneidmaschine 828.
Schraubenzwinge 39.
Schraubstock 40.
Schriftgiesserei 797.
Schriftmetall 798.
Schroppen 561.
Schrote 584.
Schrotgiesserei 796.
Schrotmeissel 457.
Schrumpftaiaass siehe Schwindnng.
Schublehren 35.
Schubwinkel 36.
Schwanzhammer 404.
Schwefel, im Eisen 329.
Schweissbarkeit 341.
Schweissen des Gusseisens 307.
— des schmiedbaren Eisens 341,
466, 736.
Schweissöfen 363.
— Anordnung in den Gebäuden
553.
Schweisspulver 345.
Schwenkguss 308.
Schwindung beim Giessen 93^.
— beim Walzen 487.
Schwungrad bei Walzwerken 505.
Seller*s Dampfhammer 450.
— Schraubenschneidmaschine 830.
SemÜor 10.
Setzhämmer 455.
SetzBtock 660.
906
Alphabetisches Sachregisten
ShapisginaBohine 610.
— Literatur 625.
SioherheitsschlÖBser 890.
Sioke, Sickenhammer, Sickenatock 716.
Sickenmaschine 724.
Sickenzu^ 727.
Siederöhren, Anfertignng der 812.
Siemens 'sehe Feuenmg, siehe Bege-
nerativfeuemng.
Silber, Dehnbarkeit 826.
— Parbe 27.
— Festigkeit 20.
— Schmelzpunkt 90.
— specifisches Gewicht 24.
— Spratzen des Silbers 105.
— Widerstandsfähigkeit gegen che-
mische Einflüsse SO.
— Widerstandsfähigkeit g^gen me-
chanische Abnutzung 21.
Silicium, im Boheisen 14, 17.
— im schmiedbaren Eisen 329.
Spaltwerk 583.
Spanbildung 550.
Spannung in Gussstücken 97.
Specielle Technologie 3, 793.
Specifisches Gewicht der Metalle und
Legirungen 23.
Sperrhorn 400.
Sperrzeug 568.
Spiegelmetall 12.
Spiel des Gusseisens 18.
Spindel an Drehbänken 640.
— der Kerne 143.
Spindelstock 640.
Spiralbohrer 686.
Spitzbogenkaliber 488.
Spitzbohrer 684.
Spitzdocke 640.
Spratzen des Kupfers 103.
— des Silbers 105.
Sprödigkeit 323.
Staffelwalzen 495.
Staffordshireöfen 239.
Stahl 14.
— Dehnbarkeit 326, 329.
— Farbe 27.
— Festigkeit 20.
— Härtbarkeit 337.
— specifisches Gewicht 24.
Stahlbronze 206, 336.
Stahlschreibfedem 873.
Stangenzirkel 33.
Stanzen 728.
Stanzmaschinen 620.
Statuenbronze 11.
— Schwindung 96.
Statuenguss 158, 163.
Stauchen 463.
Stauchkaliber 486.
Steamstriker 406.
Stecknadeln 875.
Stehender Guss 150, 156.
Stereotypplatten 804.
SterrometaU 10.
Steuerung der Dampfhämmer 419.
Stichel siehe Werkzeuge.
Stichelhaus siehe Support.
Stielhämmer 397.
Stielkloben 42.
Stimhammer 401.
Stöokchen 456.
Stockscheeren 571.
Stossmaschinen 620.
Strähler 836.
Strecken 362.
Streokkaliber 486.
Streichmaass 36.
Streichnadel 36.
Stroh für die Formerei 127.
Strohspinnmaschine 128.
Stückgut 11.
Stufenwalzen 495.
Stürzguss 308.
Sumpf beim Giessen 303.
Sumpfofen 239.
Support, bei Planhobelmaschinen 604.
— bei Drehbänken 645, 649.
T.
Tafelsoheeren 571.
Tapeziemägel 854.
Taster 33.
T-eisen-Kaliber 493.
Textur siehe Gefnge.
Theebretter, Anfertigung 730.
Thonschneider 126.
Tiegel 218.
Tiegelflanmiöfen 223.
Tiegelherdöfen 223, 788.
Tiegelschachtöfen 220.
Tischkloben 42.
Tombak 9.
Tranamissionshammer 408.
Transportwagen 49.
Treiben 463, 728.
Treibkitt 729.
Trennungsarbeiten 549.
Triowalzwerke 506.
Tritthammer 400.
Trockenkammern für Gussformen und
Kerne 170.
— Lage derselben in den Gebäuden
313, 319.
Trocken wagen in Giessereien 191.
Trocknen der Gussformen 169.
Trommelapparate für Giessereien 121.
Tuladosen 785.
Türck's Dampfhammer 446.
Typengiesserei 797.
Typenhobel 803.
Tyreswalzwerke 520.
Alphabetisches Sachregister.
907
U.
Uchatius' Bronzegeschütze 206, 386.
Ueberziehen der Metalle 762.
Umschlageeisen 716.
Universaldrehbank 655, 662.
Universalfräsmaschine 667.
Universalfütter 659.
Universalplanscheibe 646.
Universalwalzwerke 515.
Unterbrochene Kaliber 494.
Unterlagen fnr Formkasten 141.
Unterwind bei Flammöfen 254, 376.
V.
Ventilatoren 74.
Yentilkasten, Metall für 23.
Vergleichende Technologie 3, 5.
Vergoldung, galvanische 776.
— Feuervergoldnng 777.
— mit Blattgold 783.
Verlorne Köpfe 100.
Vermessingen 773.
Vernickeln 775.
Versatzräder 563.
Verschönerung, Arbeiten znr V54.
Versilberung, galvanische 775.
— mit Blattsilber 783.
Vertioalbohrmaschinen 691.
Verticalhobelmaschinen 620.
Verzinken 770.
Verzinnen 765.
— galvanisches 774.
Vexiere 896.
Vorbängeschloss 889.
Vorwalzen 485.
w.
Wagen zum Transportiren 44.
Walzen 482.
Walzengetriebe 504.
Walzenkupplungen 503.
Walzenständer 498.
— für Triowalzwerke 508.
Walzentiscli 496.
Walzlinie 486.
Walzwerke 480.
— Arbeitsverbraucb der 525.
— Anordnung der Walzwerke in
den Gebäuden 558.
— Literatur 528.
— zum Biegen 721.
Wandbobrmaschine 697.
Wasserdampf, Einflüsse desselben 28.
Wecbselräder 563.
Weichloth 738.
Weissbleoh 766.
Weisses Bobeisen 14.
Schmelzpunkt 90.
Weissguss 23.
Weissloth 738.
Weissmetall 12.
— specifisches (Gewicht 26.
Wendeisen 674.
Werkzeuge der Formerei 146.
— zum Schneiden 550.
— Bewegungsverbältnisse der 560.
Werkzeugmaschinen 560.
— Literatur 569.
Widerstandsfähigkeit gegen chemische
Einflüsse 28.
— gegen mechanische Abnutzung 2 1 •
Winkeleisenkaliber 492.
Winkelhaken 803.
Winkelmaass 35.
Wippe 877.
Wirkungsgrad der Gupolöfen 291.
— der Gefässöfen zum Glühen 391.
— , Herdflammöfen für Giesse-
reien 261.
— der Kessel 217.
— M Schmiedefeuer 361.
— „ Schweiss- und Glühöfen 386.
— „ Tiegelschmelzöfen 230.
— „ Trockenkammern 188.
Wismuth, Schmelzpunkt 90.
— specifisches (Gewicht 24.
— Legirungen des Wismuths 91, 94.
— im Kupfer 831.
Wolfhunstahl 22, 334.
Wulstmaschine 720.
z.
Zähigkeit 321.
Zain 861.
Zainen 362.
Zangen 43.
Zapfenlagermetall 22.
Ziehbänke 529.
— zum Biegen 726.
Zieheisen 536.
Ziehen 529.
— Arbeitsverfahren 536.
Zink, Dehnbarkeit 326.
— Farbe 27.
— Festigkeit 20.
— Schmelzpunkt 90.
— Schwindung 96.
— specifisches Gewicht 24.
— Widerstandsfähigkeit gegen che-
mische Einflüsse 29.
— Widerstandsföhigkeit gegen me-
chanische Abnutzung 21.
— im Kupfer und der Bronze 331«
Zinkbleche, Ofen für 890.
— Walzen der 527.
908
Alphabetisches Sachregister.
Zinn, Leffirongen des Zinna 10, 90.
— Dehnbarkeit 826.
— Farbe 27.
— Festigkeit 20.
-T- Schmelzpunkt 90.
•^ Schwindung 96.
— speoififlchefl Gewicht 24.
— Widerstandsfähigkeit g^gen che-
mische Einflüsse 30.
— Widerstandsfthigkeit gegen me-
chanische Abnutzung 21.
Zinn im Kupfer 3S1, 835.
— Qussformen för 200, 308.
Zinnbrillanten 309.
Zinngieaserei 200, 308.
Zinnprobe 17.
Zinnröhren 818.
Zirkel 33.
ZusammenfSgungsarbeiten 735.
Zuschärftmgswinkel 549.
Zwängyerbindungen 744.
Zweiaaahnbohrer 700.