MASTER
NEGATIVE
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violation of the Copyright law.
Author:
Jaissle, Immanuel
Title:
Die Verwaltungsratsfrage
der aktien-gesellschaften
Place:
Zürich
Date:
1918
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COLUMBIA UNrVERSITY LIBRARIES
PRESERVATION DIVISION
BIBLIOGRAPHIC MICROFORM TARGET
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Die venvaltungsratsfrage der aktien- gesell aohaf-
ten» eine organisationsfrage ^vonj ••• !• Jaissle»
Zürich, Goessler, 1918.
xii, 127 }?• 22^- ora.
Thesis, Zürich, 1917.
Bibliography: p. ix-xii.
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Die Verwaltungsratsfrage
der Aktien-Gesellsdiafien, eine
Organisationsfrage
Dr. oec. publ. I. JAISSLE
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ZÜRICH
Buchdruderei H. Gocssler 'S) Cic.
1918
IRREGULÄR PAGINATION
" • ••
Inhaltsverzeidinis.
Einleitung i
A. Die Verwaltung der Aktiengesellschaft 3
I. Die rechtliche Stellung der Verwaltung .... 3
IL Die Organisation der Verwaltung 5
1. Die Gliederung der Verwaltung 5
a) Das eingliedrige oder Einheitssystem ... 6
b) Das zweigliedrige System 7
2. Die verschiedenen Organisationsformen der Ver-
waltung der Aktiengesellschaft 9
a) Die Geschäftsführung innerhalb der Verwaltung
nach dem O.-R 9
b) Die Geschäftsführung außerhalb der Verwaltung
nach dem O.-R 11
c) Die Geschäftsführung teils innerhalb, teils
außerhalb der Verwaltung nach dem O.-R. il
3. Die Möglichkeit eines Vergleiches zwischen den
Verwaltungsorganen nach dem H.-G-B. und
nach dem O.-R 12
a) Die verwaltenden und geschäftsführenden
^ Organe nach dem H.-G.-B. . . . . . . 13
^ b) Vorstand und Aufsichtsrat im Vergleich zu
der Verwaltung nach dem O.-R 13
c) Vorstand und Aufsichtsrat im Vergleich zu
dem Verwaltungsrat und der Direktion . , 14
d) Der deutsche Vorstand und die schweizerische
Verwaltung 14
e) Vorstand und Aufsichtsrat, ein reines Ver-
waltungs- bezw. Aufsichtsorgan? .... 15
f) Die prinzipielle Auffassung der Gesetzgeber
des deutschen und schweizerischen Rechtes
über die Verwaltungsorgane . 17
g) Der deutsche Aufsichtsrat in praxi ... 18
h) Der schweizerische Verwaltungsrat in praxi 19
i) Der deutsche Vorstand und die schweizerische
Direktion in praxi 20
k) Der deutsche Aufsichtsrat und die schweize-
rische Kontrollstelle ......... 20
III. Die Wahl des Verwaltungsrates ...... 21
V
1 :
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1. Die Wahl des ersten Verwaltungsrates ... 21
2. Die Wahl des Verwaltungsrates durch die
Generalversammlung . 23
a) Die Wahlvorbereitung 23
b) Die gegenwärtige Wahlpraxis 24
c) Die Notwendigkeit einqr Reform der Wahl-
praxis (Beispiele) 25
d) Der Wahlmodus 28
aa) In der Gegenwart 28
bb) In der Zukunft (Proporzsystem) ... 31
IV. Die aktive Wahlfähigkeit 32
1. Die Stimmenthaltung der Verwaltung bei ihrer
Entlastung 32
2. Die Ausübung des Stimmrechtes auf Grund
eigener Aktien 34
3. Die Übertragung des Stimmrechtes .... 34
a) Die Politik der Sammlung von Vollmachten
seitens der Banken 34
aa) Die Technik der Sammlung V. Vollmachten 34
bb) Die Gefahren der Sammlungspolitik (Beisp.) 35
cc) Teilweise Minderung der Gefahren durch
Einführung der Proporz wähl . . . . 37
dd) Die Teilnahme an der Generalversammlung 38
V. Die passive Wahlfähigkeit 38
1. Der Zweck der Aktionärqualität 38
a) In theoretischer Beziehung 38
b) In praktischer Beziehung 39
2. Statutarische Bedingungen als Voraussetzung
für die Wahl in den Verwaltungsrat (Wohnsitz,
Nationalität etc.) 41
VI. Die Amtsdaucr 44
VII. Die Zusammensetzung des Verwaltungsrates . . 47
1. Verschied. Gruppierungen seitensanderer Autoren 48
2. Gruppierung des Verfassers 49
a) Reine Kapitalinteresscn 49
b) Kapital- und geschäftspolitische Interessen . 5 1
c) Geschäftspolitische-, Verwaltungs- und Ge-
schäftsführungsintercsscn 59
VIII. Die Kumulation der Verwaltungsratsstellen . . . 61
1. Die Gründe für die Kumulierung . . . . 61
2. Die Kritik der Kumulierung 63
3. Vorschläge und deren Kritik 64
IX. Die P'unktionen des Vervvaltungsrates .... 65
1. Die statutarische Festlegung der Funktionen . 65
2. Begriffsbestimmung von t verwaltender« und »ge-
schäftsführender«. Tätigkeit des Verwaltungsrates 6j
VI
3. Die Verwaltungsfunktionen 68
a) Die Verwaltungsfunktionen nach dem Gesetz 68
b) Die Verwaltungsfunktionen nach den Statuten 7 1
4. Die Geschäftsführungsfunktionen 75
a) Die Geschäftsführungsfunktionen nach dem
Gesetz . yr
aa) Die Aufgabe der Buchführung ... 76
bb) Die Aufgabe der Bilanz und deren Auf-
stellung 77
a) Reformbestrebungen bezgl. der Auf-
stellung der Bilanz jj
ß) Reformbestrebungen bezgl. des Aus-
baues der Geschäftsberichte ... 78
b) Die Geschäftsführungsfunktionen nach den
Statuten jg
c) Die schlechte Geschäftsführung als Grund
für die sog. »Krache« in den schweizerischen
Unternehmungen 83
5. Die Geschäftsfiihmngsfehler eine Folge falscher
Organisation 85
a) Aufstellung und Begründung einer zweck-
mäßigen Organisationsform 85
b) Die Lösung der Verantwortlichkeitsfrage
durch die Organisation . 87
c) Der Ausbau der Innenorganisation ... 88
aa) Die genaue Festlegung und Abgrenzung
der Kompetenzen 88
bb) Die Erhöhung der Verantwortung der
Verwaltungsratsmitglieder 89
cc) Die Vertretung der Verwaltungsräte durch
Ersatzmänner 92
dd) Die Notwendigkeit der Durchführung der
Organisationsbestimmungen .... 93
6. Die geschäftspolitischen Funktionen .... 93
7. Die Geschäftsführungskontrolle 94
a) Die mangelhafte Ausübung 94
b) Die Gründe für die Unterlassung .... 95
c) Die Selbstkontrolle des Verwaltungsrates . 95
8. Die gesetzliche Vertretungspflicht .... 96
X. Die Vergütung des Verwaltungsratcs .... 98
1. Die verschiedenen Arten der Vergütung . . 98
2. Die Art der Berechnung der Tantieme . . 99
3. Die Höhe der Tantieme loi
4. Kritische Betrachtungen und Vorschläge . . 102
B. Die Kontrollstelle der Aktiengesellschaft ... 105
I. Die rechtliche Stellung der Kontrollstelle ... 105
VII
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IL Die wirtschaftliche Stelkmg und Bedeutung der
Kontrollstelle in der Gegenwart
1 . Die Aufgaben der Kontrollstelle nach dem Gesetz
a) Die rechnerische und materielle Kontrolle
b) Geschäfts führungskontrolle?
2. Die Aufgaben des Kontrollorgans der deutschen
Aktiengesellschaft
3. Die Pflichten der Kontrollstelle nach den Statuten
a) Die mangelhafte Festlegung der Kontroll-
pflichten
b) Die mangelhafte Ausübung der Kontrolle
4. Die Mißerfolge der Kontrollstelle ....
a) Die Abneigung von Verwaltungsräten und
Direktoren gegen die gesetzliche Kontrolle
b) Die Ausübung der rechnerischen Kontrolle
III. Der Ausbau der Kontrollstelle
1. Notwendigkeit der Übertragung der Geschäfts-
führungskontrolle an die Kontrollstelle . . .
a) Die Begründung der Übertragung . . .
b) Die Festlegung der Übertragung ....
2. Regelung der Kontrollfrage im H.-G.-B. . ■.
3. Die Ausübung der Pflichten und Rechte des
neuen Kontrollorgans
a) Statuierung der Unabhängigkeit der Kontroll-
stelle
aa) Staatliche oder private Regelung.^ . .
bb) Änderung des Wahlmodus (Minderheits-
vertretung)
cc) Vertretung der Obligationäre in der
Kontrollstelle.^
a] Begründung der Ablehnung
ß) Die heutige Obligationenpolitik pri-
vater Unternehmungen
b) Die Durchführung der Kontrollpflichten
aa) Die Qualifikation der Mitglieder der
Kontrollstelle
«) Die Anforderungen an die Qualifikation
ß) Die Erbringung des Nachweises der
Qualifikation
bb) Die Teilnahme der Kontrollstellcmit-
glieder an den Verwaltungsratssitzungen
cc) Die Notwendigkeit einer ständigen Kon-
trolle und deren Durchführung . .
dd) Die Kontrollberichte .
Schlußwort ....
05
05
05
07
09
10
10
II
12
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20
22
22
22
23
24
25
26
27
Literatur^Nachweis.
') Bachmann, »Das Schweiz. Obligationenrechtc, Titel 23 bis
Schluß, mit leicht faßlichen Erläuterungen, herausgegeben
von Prof. Bachmann, Dr. F. Goetzinger, Dr. L. Siegmund,
Dr. H. Zeller, Anm. i zu Art. 649.
Welti, »Die Organisation der Aktiengesellschaft«, S. 42.
Bachmann, a. a. O. Art. 649 Anm. 2.
*) Passow, »Die wirtschafdiche Bedeutung und Organisation
der Aktiengesellschaft« Jena 1907, S. 150.
*) Haberstich, Handbuch zum Schweiz. O.-R., S. 542.
**) PVankfurter Zeitung vom 13. IL 191 4.
^) Frankfurter Zeitung vom 5. V. 1914.
*) Frankfurter Zeitung vom 24. VII. 19 14.
^) Bachmann, a. a. O. Art. 640.
'**) Bachmann, a. a. O. Art. 640.
' ') »Die Zukunft«, von Maximilian Harden, Aug. 1905, S. 344 u. flf.
'*) Warschauer, Otto, »Die Reorganisation des Aufsichtsrat-
wesens in Deutschland«, Berlin 1902, S. 14.
'^) Warschauer, a. a. O., S. 15, 16.
'^) Brockdorff, Graf von, »Die Reorganisation des Aufsichtsrat-
wesens in Deutschland«, in Annalen des Deutschen Reiches,
München 1902, S. 735 ff. »S. 7-/2«.
'^) »Der Deutsche Ökonomist«, Jahrgang 1907, S. 54, 55,
'®) Passow, a. a. O., S. 199 Anm. 2.
'•) Bachmann, a. a. O. Art. 649.
'^) Simon, »Firmen als Mitglieder des Aufsichtsrates von Aktien-
gesellschaften», etc. »Leipziger Zeitschrift für Handels-, Kon-
kurs- und Versicherungsrecht« 1908, S. i — 24.
*") Stier- Somlo, »Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft«,
Leipzig 1905, S. 20 flf. und S. 35.
*®) Warschauer, a. a. O., S. 11, 12.
*') Tscharmann, Paul, »Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft«
Leipzig 1896, S. 18, 19.
Passow, a. a. O., S. 155 flf.
Eulenburg, »Die Aufsichtsräte der deutschen Aktiengesell-
schaften in Conrad 's Jahrbüchern für National-Ökonomie und
Statistik. III. Folge, Band XXXII, S. 92 flf. »S. 92 und 93«.
*^) Eulenburg, a, a. O., S. 98.
VIII
IX
1
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-^) Passow, a. a. O., S. 155.
*^) Vergl. Eulenburg, a. a. O., S. lOO.
-^) Jeidels, »Das Verhältnis der Deutschen Großbanken zur
Industrie bei Schmoller«, »Staats- und sozialwissenschaftliche
Forschungen«. Bd. 24, II. Heft, S. 150.
*^) Frankfurter Zeitung, 24. Mai 191 2.
^^) Vergl. Eulenburg, a. a. O., S. 99.
'®) Salings Börsenjahrbuch 1915/16, Bd. II, S. 1419.
^') Saling, a. a. O., S. 1418.
Saling, a. a O., S. I4i9'20.
O., S.
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3.^
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)
Saling,
a. a. u., ^. 1437.
Schweiz. Finanz-Jahrbuch 191 4, S. 467.
Passow, a. a. O., S. 164.
Passow, a. a. O., S. 164.
»Adressbuch der Direktoren u. Aufsichtsräte« 191 7, S. 386/387.
»Zukunft« 1908, S. 36—38.
»Bank« von Lansburgh, 1908 II, S. 1031.
Eulenburg, a. a. O., S. 106.
Passow, a. a. O., S. 155.
VVermert, Georg, »Zur Reform des Aufsichtsrates und der
Revision bei Aktiengesellschaften« in »Zeitschrift für die ge-
samte Staats Wissenschaft«. Tübingen 1906, 62. Jahrg., S.474.
Wermert, a. a. O., S. 476.
Stier-Somlo, a. a. O., S. 32 und 33.
*^) Schanz, in »Münchener Neueste Nachrichten« 14. Aug. 1901.
) Gemünd-Knödgen, » Wie kann unser Aktienwesen gesunden .^«
Mängel im deutschen Aktienrecht und Vorschläge zu ihrer
Beseitigung, Köln (ohne Jahresangabe) S. 16 ff. und 19.
Warschauer, a. a. O. S. 18.
Lob, »Das Institut des Aufsichtsrates, seine Stellung und
Bedeutung im deutschen Aktienrecht und der deutschen Volks-
wirtschaft, die Notwendigkeit und die Möglichkeit seiner Re-
form« in Conrad's Jahrbüchern, III. Folge, Band 23, S. 22.
*^} Eberstadt, »Die gegenwärtige Krisis, ihre Ursachen und
die Aufgaben der Gesetzgebung« 1902, S. 32.
Dietler, »Die rechtliche Stellung der Verwaltung der Aktien-
gesellschaft nach den Bestimmungen des Schweiz. O.-R.«
Luzern 1895, S. 41 und 42.
Bachmann, a. a. 0., Art. 661.
Vergl. auch Dieder, a. a. O., S. 43.
Dietler, a. a. O., S. 52.
Töndury, »Zur Revision des Schweiz. Aktienrechtes« in
Zeitschrift für Schweiz. Recht, Juli 191 5, S. 480 (Töndury I).
Töndury I, S. 480.
Meyer, »Zur Frage eines eidgenössischen Bankgesetzes«
Zürich 19 14, S. 24.
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64]
") Meyer, a. a. O., S. 25.
") Meyer, a. a. O., S. 27.
*®) Verschiedene ^Expertenberichte.
•®) Meyer, a. a. O., S. 37.
••) Meyer, a. a. O., S. 37.
^^) Meyer, a. a. O., S. 37.
«^) Keller-Huguenin, »Zeitschrift für kaufmännisches Bildungs-
wesen« Juni /Juli 191 2, S. 236.
*) Vergl. auch Hecht, »Mißstände im Wesen der Aktienge-
sellschaften« in Holdheim's Monatschrift, Band 12, S. 260 ff
«'^l Hecht, a. a. O., S. 271.
**) Hecht, a. a. C, S. 271.
*^) Keller-Huguenin, a. a. O., S. 229.
««) Töndury I, a. a. O., S. 477. *
•») Riesser, »Zur Aufsichtsratsfrage« Berlin 1903, S. 298 ff.
'**) Bachmann, a. a. O., Art. 659.
^') Dietler, a. a. O., S. 36.
") Vergl. auch Warschauer, a. a. O., S. 50 ff.
") Bachmann, a. a. O., Art. 630.
•^) Bachmann, a. a. O., Art. 630.
'^l Frankfurter Zeitung, 29. April 1913.
^''J Geschäftsberichte der Deutschen Bank 1914.
» der Dresdener Bank 1914.
» der Berliner Handelsgesellschaft 19 14.
» der Schweiz. Kreditanstalt 191 3.
» des Schweiz. Bankvereins 1914,
» von Leu & Co. 1914.
'^") Warschauer, a. a. O., S. 53 ff.
'®) Vergl. auch Stier-Somlo, a. a. O., S. 74 und 75.
") Von Brockdorff, a. a. O., S. 741, 742 ff.
^^) Eisenhut, »Die Kontrollorgane der Aktiengesellschaft nach
deutschem und schweizerischem Recht«, S. 97.
**) Töndury, »Die Organisation der Rechnungsprüfung«,
Zürich 191 2, S. 18 (Töndury II).
•*-) Töndury II, a. a. O., S. 19.
®*) FoUiet, Edouard, »La V^rification des comptes dans les
Societes par Actions«, S. 65.
**) Vergl. auch Töndury I, a. a. O. S. 485.
•^^l Töndury II, a. a. O., S. 19.
««) Folliet, a. a. O., S. 62.
'*) Töndury II, a. a. O., S. 19.
^^) Rehr, »Zur Revisorenfrage«, »Schweiz. Juristen - Ztg. « .
9. Jahrgang (191 2/ 13), S. 27 ff.
'^) Töndury I, a. a. O., S. 483.
"") Von Waldkirch, »Revision des Schweiz. Aktienrechtes« in
»Zeitschrift für Schweizer. Recht«, N. F 23, S. 658.
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106
107
108
109
110
III
Passow, a. a. O., S. 150.
Bachmann, a. a. O., Art. 673 Anm. 3.
Bachmann, a. a. O., Art. 659 Anm. 2.
Vergl. Bachmann, a. a. O., Art. 659 Anm. 3.
Vergl. Bachmann, a. a. O., Art. 659 Anm. 3.
Bachmann, a. a. O., Art. 659 Anm. 3.
Bachmann, a. a. O., Art. 659 Anm. 3.
Bachmann, a. a. O., Art. 659 Anm. 3.
Zimmermann, »Die Jahresbilanz der Aktiengesellschaft nach
deutschem und schweizerischem Recht« Zürich 191 2, S. 345 ff.
Zimmermann, a. a. O., S. 348.
Bachmann, a. a. O., Art. 659 Anm. 3.
Gemünd-Knödgen, a. a. O., S. 47.
Tecklenburg, »Organisation der Aktiengesellschaft« in Hold-
heims Monatsschrift, Bd. 18, S. 277.
Vergl. auch Tecklenburg »Die Proportionalwahl in Aktien-
gesellschaften« in Holdheim's Monatsschrift 1905, S. 117 ff.
Otto Falk, »Die Reform des Aufsichtsrates der deutschen
Aktiengesellschaften«, Frankfurt a. M. 19 14, S. 60.
Otto Falk, a. a. O., S. 64.
Otto Falk, a. a. O., S. 69.
Otto Falk, a. a. O., S. 74.
Otto Falk, a. a. O., S. 86.
A. Lardelli, »Das Verhältnis zwischen Obligationen- und
Aktienkapital«, »Neue Züricher Zeitung« 4. September 1915-
"-) K. Sender, »Die Praxis der Bücherführung in England«,
Zürich 191 2, S. 12.
Einleitung.
Wenn wir die Entwicklung und den gegenwärtigen
Stand des Wirtschaftslebens betrachten, so drängen
sich uns zwei Worte auf die Lippen, welche Mittel und
Zweck des wirtschaftenden Menschen waren und auch
heute noch sind: Organisation und Konzentration.
Diese beiden Begriffe bilden die Grundlage und Richt-
schnur für den Aufbau eines Riesengebildes, das in sich,
trotz der tausenderlei Fäden, welche sich in demselben
verschlingen, eine Einheit, eine Geschlossenheit und
Festigkeit verkörpert und das in seiner Gesamtheit
nach außen und innen auf Kraft und Macht hinweist.
Die Organisation ist ein organisch auf- und aus-
gebautes System, dessen Teile und Glieder aus innerer
Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit heraus angeordnet
und miteinander verbunden sind. Sie stellt ein System
dar, welches nicht mit der Gegenwart abschließt, sondern
auch Ansätze für die Zukunft bildet, dessen Grenzen
nicht abgesteckt, sondern fließend sind. Das in dem-
selben einheitlich wirkende organisierende Prinzip leitet
die Kräfte nach den Stellen, an denen sie am wirt-
schaftlichsten wirken. So bildet die Organisation einen
kraftsteigemden Faktor, ein wirtschaftlich wirkendes,
nötiges Element und ist dadurch sowohl für den Einzelnen
als auch für die Allgemeinheit im Wirtschaftsleben eine
große Macht.
Die Konzentration sucht die, durch die Organisation
geschaffenen, vielfach verzweigten Fäden zusammenzu-
fassen, Zentren zu bilden, von denen aus die Gesamt-
lage des Wirtschaftslebens, sowie auch die einzelnen
Zweige desselben klar übersehen und beurteilt werden
XII
\W
können. Je mehr Wirtschaftsfäden aus dem vielgestaltigen
und reich gegliederten Wirtschaftsorganismus in den
einzelnen Zentralen desselben zusammenlaufen, um so
besser kann man das Wesen und Wirken der Wirt-
schaftsvorgänge beobachten und verstehen. Auf diese
Weise gewinnt man die Anhaltspunkte und Richt-
linien für ein sicheres wirtschafdiches Handeln. Die
richtige Disposition führt aber zur Beherrschung der
jeweiligen und bis zu einem gewissen Grade auch der
zukünftigen Wirtschaftslage.. So haben wir auch in der
Konzentration einen Wirtschaftsfaktor, welcher die Keime
zu wirtschafdicher Kraft und Macht birgt.
Auch für die Lösung der in der vorliegenden Arbeit
steckenden Probleme waren die beiden eenannten
Faktoren wegleitend. Vielleicht mag dadurch ein Weg
gefunden werden, der für die Praxis gangbar und zweck-
entsprechend ist und den zugleich auch die Wissen-
schaft sanktionieren kann.
Wenn wir in der Überschrift unserer Abhandlung
uns des Wortes »Verwaltungsratsfrage« bedienten, so
liegt, vom rein wissenschafdichen Standpunkt aus be-
trachtet, die Vermutung sehr nahe, daß die folgenden
Ausführungen nur den von der Gesetzgebung und der
kaufmännischen Praxis geschaffenen Verwaltungsrat zum
Gegenstand der Betrachtung haben könnten. Das ist
aber nicht der Fall. Wir wählten diesen Ausdruck,
weil wir denken, durch denselben nicht nur die Be-
trachtung der im schweizerischen Obligationenrecht fest-
gelegten »Verwaltung«, sondern zugleich auch die
Betrachtung der mit derselben in ursächlichem Zu-
sammenhange stehenden »Kontrollstelle« rechtfertigen
zu können. Erst dadurch glauben wir, die Verwaltungs-
ratsfrage richtig verstehen und beurteilen zu können,
wodurch uns auch der Schlüssel zur Lösung derselben
gegeben zu sein scheint.
A. Die Verwaltung
der Aktiengesellschaft.
I. Die rechtliche Stellung der Verwaltung.
Die »Verwaltung« ist ein nach Art. 642 O.-R.
notwendiges Organ der Aktiengesellschaften, dessen
Bedeutung schon aus den Verwaltungs- (Art. 622, 657,
Abs. 1 und 2 O.-R. etc.) und Geschäftsführungskompe-
tenzen (Art. 650,1 O.-R.) hervorgeht, welche teils im
Gesetz, teils in den Statuten der einzelnen Gesell-
schaften festgelegt sind. Durch die zweiseitige Ver-
ankerung der Pflichten und Rechte dieses Organs wird
eine breite Rechtsbasis geschaffen, welche demselben
die Möglichkeit gibt, sich dem Bedürfnis und der Eigen-
art des in Betracht kommenden Unternehmens anzu-
passen, um dadurch der großen und wichtigen Aufgabe
gerecht zu werden, die Gesetz und Praxis an dieses
Organ stellen.
Die Wichtigkeit, welche der Gesetzgeber der Ver-
waltung beimißt, ist aber nicht nur darin begründet,
daß er dieselbe mit einer Fülle von Macht ausgestattet
hat und dieselbe innerhalb einer weiten Rechtsgrenze
angewendet wissen will, sondern auch darin, daß er ihr
eine große Verantwortung auferlegt. Dies geschieht
durch die unabänderliche Festlegung von wesendichen
Rechten und Pflichten, die nur von der Verwaltuncr in
ihrer Gesamtheit (z. B. Art. 622, 655,1, 657,1 und 2
usw. O.-R.) oder von einzelnen Mitgliedern (Art. 650,1
Tir
?r^
i
O.-R. usw.) ausgeübt werden können und dürfen. Eine
Übertragung derselben an Nichtmitglieder, sofern eine
solche zulässig ist (Art. 650,1 O.-R.), kann nur unter
der Verantwortung der Verwaltung geschehen.^)
Als ein vom Gesetz gefordertes, notwendiges Organ
der Aktiengesellschaft steht die Verwaltung in keinem
Vertragsverhältnis zu der Gesellschaft. Obwohl von
der Generalversammlung gewählt, ist sie doch nach
unserer Auffassung infolge ihrer Kompetenzen kraft
Gesetzes innerhalb ihres Pflichtenkreises durchaus un-
abhängig von derselben und konstituiert sich innerhalb
der Gesellschaft als Behörde.^)
Dagegen liegt dem Verhältnis des einzelnen Ver-
waltungsmitgliedes zur Gesellschaft ein Vertrag zu
Grunde, der durch den Wahlbeschluß der General-
versammlung einerseits und die Annahme der Wahl
andererseits zustandekommt. Der rechtlichen Natur
desselben entsprechend haben wir es mit einem Auftrag
zu tun, den die Gesellschaft dem einzelnen Verwaltungs-
mitgliede als solchem erteilt.^)
Als Mitglieder der Verwaltung im Sinne des Art. 649
O.-R. kommen nur diejenigen Personen in Frage, die
durch die Generalversammlunof hierzu bestimmt sind.
Dies ist wohl zu beachten, da uns ein Blick in die
Statuten einzelner Gesellschaften zeigt, daß die Ver-
waltung von dem in Art. 650,1 O.-R. gewährten Recht,
der Übertragung der Geschäftsführung auch an außer-
halb der Verwaltung stehende Personen, ausgiebigen
Gebrauch macht. Durch die Übertragung^^) von ge-
schäftsführenden und teilweise auch von verwaltenden
Funktionen wird keinesfalls die Mitgliedschaft an der
Verwaltung nach Art. 649 O.-R. begründet. Wohl
nehmen die mit den erwähnten Funktionen betrauten
Personen in der Praxis vielfach eine den Verwaltungs-
mitgliedem beigeordnete und, wenn die Fähigkeit über
die Unfähigkeit triumphiert, gar eine übergeordnete
Stelle ein. Doch kann dadurch der rechtliche Unterschied
nicht verwischt werden. Die Verwaltung bleibt für die
ihr an Dritte übertragenen Rechte und Pflichten gegen-
über der Gesellschaft voll und ganz verantwortlich,
während die von ihr beauftragten Personen nur ihrem
Auftraggeber haften. Diese Tatsachen müssen bei der
Beurteilung und Betrachtung der Organisationsformen
ins Auge gefaßt werden, die auf Grund der Bestimmung
des Art. 650,1 O.-R. möglich sind und die wir nun
auf Grund der Statuten einzelner Gesellschaften fest-
stellen wollen.
IL Die Organisation der Verwaltung,
1. Die Gliederung der Verwaltung.
Wenn wir die Statuten vieler Aktiengesellschaften
durchlesen, so finden wir unter den Organen der Ge-
sellschaft im allgemeinen nicht den von den Schöpfern
des Obligationenrechtes gewählten Ausdruck »Ver-
waltung«. Worauf ist dies wohl zurückzuführen?
Haberstich^) weist mit Recht in seinem Handbuch zum
Schweizer. Obligationenrecht darauf hin, daß der Gesetz-
geber durch den »glücklich entdeckten Begriff der Ver-
waltung in abstracto« sich über die Schwierigkeiten
hinwegsetzt, welche durch die von der kaufmännischen
Praxis vorgenommenen verschiedenartigen Gliederungen
der verwaltenden und geschäftsführenden Tätigkeit ent-
stehen, so daß, je nach der im einzelnen Fall bestehenden
Gliederung eine allgemein zutreffende Bezeichnung sehr
schwer zu finden ist. Es mußte also ein Generalaus-
druck gewählt werden, welcher der vorhandenen
Gliederung Rechnung trägt, welch letztere aber auch
in jeder bestehenden Variation demselben untergeordnet
werden kann. Dies ist mit dem Wort »Verwaltung«
erreicht worden.
Unterziehen wir nun die Statuten der Aktiengesell-
schaften einer näheren Betrachtung, so müssen wir
m
'■t .
f ■ 1
zwei Ausdrücke als vorherrschend und charakteristisch
für die erwähnte Gliederung bezeichnen, nämlich »Ver-
waltungsrat« und »Direktion«. Wir begegnen denselben
als Standardausdrücken für die gesamte Geschäftsleitung
einer Aktiengesellschaft sowohl in den ältesten wie in
den neuesten Statuten. Da aber die Gliederung der
verwaltenden und geschäftsführenden Tätigkeit in der
Entwicklung der Aktiengesellschaften nicht zu allen
Zeiten dieselbe ist, so muß auch den in Frage kommen-
den Bezeichnungen jeweils eine verschiedene Bedeutung
zugeschrieben werden.
a> Das eingliedrige oder Einheitssystem.
Verfolgen wir die Geschichte dieser Gliederung
nach den Statuten schweizerischer Aktienofesellschaften,
so glauben wir dabei zwei Systeme feststellen zu können.
Wir bezeichnen das älteste und ursprüngliche als ein-
gliedriges oder Einheitssystem. Dieses kennzeichnet
sich in der kaufmännischen Praxis durch folgende Merk-
male, die wir in der reinsten und ausgeprägtesten Form
bei der Schweizer. Exportgesellschaft in Zürich vorfanden.
Die Gründer der Aktiengesellschaft sind fast aus-
schließlich alleinige Aktionäre. Sie übernehmen die
Gesamtleitung des Unternehmens und konstituieren
sich in dieser Tätigkeit als »Verwaltungsrat«. (Bei
manchen Gesellschaften auch »Ausschuß« oder »Vor-
stand« genannt). Innerhalb dieses Organs tritt auf
Beschluß des Verwaltungsrates eine Arbeitsteilung der-
art ein, daß dem einen oder andern Mitoflied, ent-
sprechend dessen Fähigkeiten und Kenntnissen, be-
sondere Funktionen übertragen werden, welche auf
dem Gebiete der Geschäftsführung auszuüben sind.
In diesem Fall amten die betreffenden Mitglieder als
»Direktoren«. Außerdem wird eine sog. »Kommission«
gebildet, welcher Kontrollfunktionen übertragen werden.
Die übrigen Verwaltungsratsmitglieder machen ihren
Einfluß in der rein verwaltenden Tätigkeit geltend.
Aus der ganzen Konstituierung der Geschäftsleitung
gewinnt man den Eindruck, daß nicht der Gedanke
einer »Kapitalassoziation« für die Einkleidung der Unter-
nehmen in die Form einer Aktiengesellschaft ent-
scheidend war, sondern daß es sich vielmehr um einen
Zusammenschluß kapitalkräftiger Einzeluntemehmer
handelt, welche ihre eigenen zusammengelegten Kapi-
talien selbst verwalten wollen. Diese Unternehmer-
Stellung der Verwaltungsräte geht auch daraus hervor,
daß selbst die sog. Direktoren keinen fixen Gehalt,
sondern nur einen prozentualen Anteil vom Reingewinn
erhalten.
Die Anwendung der Aktiengesellschaftsform er-
streckte sich allmählich auf immer weitere Gebiete des
Wirtschaftslebens. Der Geschäftskreis der bestehenden
Aktiengesellschaften erweiterte sich und neu zu
gründende Unternehmungen mußten, wollten sie mit
den vorhandenen in Konkurrenz treten, auf eine breite
Kapitalbasis gestellt werden. Diese Entwicklung zwang
die Gründer von Aktiengesellschaften, sich die nötigen
Kapitalien auch aus Kreisen zu beschaffen, welche
zugleich für die Leitung des Unternehmens nicht in
Frage kommen konnten. Dadurch war auch eine
Änderung des bisherigen Verwaltungstypus der Aktien-
gesellschaft bedingt.
b> Das zweigliedrige System.
Die zweckentsprechende äußerste Ausnützung der
Kapitalien, die größere Verantwortung gegenüber den
mit Kapital beteiligten Personen stellte immer größere
Anforderungen an die Geschäftsführung. Man mußte
bestrebt sein, tüchtige, mit den für die betreffende
Unternehmung speziell nötigen Kenntnissen ausge-
rüstete Personen zu gewinnen, ohne dabei in Rück-
sicht zu ziehen, ob dieselben Aktionäre waren oder nicht.
Dies führte zu der Ausgestaltung eines mehr oder
weniger speziellen Geschäftsführungsorganes, das dem
tim
Verwaltungsorgan gegenüber gestellt werden kann.
Damit haben wir das zweigliedrige System.
Auchhier tritt uns einVerwaltungsratund eine Direktion
entgegen, nur mit dem wesentlichen und für uns bedeut-
samenUnterschiede, daß diese AusdrückenunzweiOrgane
repräsentieren, die mehr oder weniger selbständig sind.
Die Arbeitsteilung findet beim zweigliedrigen System
nicht innerhalb eines Organes statt, sondern dieselbe
tritt in einem zweiteiligen organischen Ausbau zutage,
indem der Verwaltungsrat ein in der Hauptsache ver-
waltendes, die Direktion dagegen ein fast ausschließ-
lich geschäftsführendes Organ wird.
Die Feststellung dieser organischen Zweiteilung
hat für unsere Darlegungen zunächst einen doppelten
Zweck, indem dieselbe uns zur Begründung des von
der kaufmännischen Praxis geschaffenen Ausdrucks
»Verwaltungsrat« dient und dann auch die Unterlage
für die bestehenden Organisationsformen bildet. Treten
wir nun der ersten Zweckbestimmung nahe und werfen
wir die Frage auf: Inwiefern deckt sich der Name Ver-
waltungsrat mit der Verwaltung des O.-R. ?
Nach den auf Seite 4 gemachten Ausführungen
muß in jedem einzelnen Falle festgestellt werden, ob
die Mitglieder der mit der Geschäftsführung betrauten
Direktion auch Mitglieder der Verwaltung im Sinne
des Art. 649 O.-R. sind. Die Mitglieder des Ver-
waltungsrates, wie ihn die Praxis geschaffen hat, sind
auf jeden Fall Mitglieder der Verwaltung nach dem O.-R.
Es unterliegt aber wohl keinem Zweifel, daß dem Ge-
setzgeber der Gedanke vorschwebte, für die A.-G. ein
Verwaltungsorgan zu schaffen, das Verwaltung und
Geschäftsführung übernimmt. In der Tat ist ja der
Verwaltungsrat in jedem Fall auch als Geschäfts-
führungsorgan insofern zu betrachten, als er die volle
Verantwortung für die Geschäftsführung hat, selbst
wenn er dieselbe nicht ausübt. Wir können daher den
Namen Verwaltungsrat im engeren oder weiteren Sinn
auslegen und anwenden.
Im engeren Sinn wird der Ausdruck dann aufgefaßt
werden müssen, wenn derselbe ein mit verwaltender
Tätigkeit und geschäftsführender Verantwortung be-
trautes Organ darstellt. Neben diesem Verwaltungsrat
tritt dann in der Praxis die geschäftsführende Direktion auf.
Üben nun aber die Mitglieder des Verwaltungsrates
außer der verwaltenden auch die geschäftsführende
Tätigkeit aus, dann ist der Verwaltungsrat identisch mit
der Verwaltung nach Art. 649 O.-R., also im weiteren
Sinne angewandt und aufgefaßt.
Aus diesen Darlegungen ersehen wir, daß die
richtige Beurteilung und wahre Auslegung der Begriffe
Verwaltungsrat und Direktion erst dadurch möglich ist,
daß wir dieselben in Beziehung setzen zu dem Ver-
waltungsbegriff des Gesetzes, welcher die gesamten
Verwaltungs- und Geschäftsführungskompetenzen der
A.-G., sowie die Vertretung in sich schließt.
2. Die verschiedenen Organisationsformen
der Verwaltung der Aktiengesellsdiaft.
Auf dieselbe Art und Weise gelangen wir zu der
oben genannten zweiten Zweckbestimmung, der Fest-
stellung der in der Verwaltung von Aktiengesellschaften
bestehenden Organisationsformen. Je nach der Stellung
der Direktion zum Verwaltungsrat im Hinblick auf den
gesetzlichen Verwaltungsbegriff sind drei Formen der
Organisation zu unterscheiden, die wir im folgenden
betrachten wollen.
a> Die Geschäftsführung innerhalb der Verwaltung
nadi dem 0.*R.
Die ursprüngliche, einfachste und wohl zugleich
auch diejenige Organisationsform, welche dem Gesetz-
geber vorschwebte, kennzeichnet sich dadurch, daß die
■'mm
iü;
t-
Vewaltung und Geschäftsführung nur von Mitgliedern
der Verwaltung im Sinne des Art. 649 O.-R. ausgeübt
wird. Die gesamte Leitung der A.-G. steht also dem
Verwaltungsrat im weiteren Sinn zu.
Obwohl eine Teilung der Kompetenzen innerhalb
des Verwaltungsrates in der vielgestaltigsten Weise
möglich ist, und obgleich die enge organische Ver-
quikung verwaltender und geschäftsführender Tätigkeit,
deren reinliche Trennung schon aus praktischen Gründen
niemals durchführbar ist, die größte Einheidichkeit in
der Geschäftsleitung verbürgt, finden wir diese Organi-
sation nur bei einer geringen Anzahl von Aktiengesell-
schaften und zwar sind es meist sog. »Familiengründ-
ungen« oder kleinere Unternehmungen.
Wir begegnen gerade in der Schweiz sehr oft dem
Typus der Familienaktiengesellschaft. Die Anwendung
dieser Form für ein meist seit langen Jahren von einer
Familie im engeren oder weiteren Sinn geführtes Unter-
nehmen findet gewöhnlich deshalb statt, um den Erb-
gang der Familienglieder zu erleichtem.
Für die Wahl dieser Organisation der Verwaltung
ist das persönliche Verhältnis entscheidend, denn es
ist klar, daß die an der Leitung der A.-G. teilnehmen-
den Brüder, Vettern oder sonstige Verwandte sich als
Mitglieder eines Verwaltungsorgans auf dieselbe Stufe
gestellt wissen möchten.
Bei kleineren Unternehmungen ist die Verwaltung
und Geschäftsführung oft in die Hände weniger Per-
sonen gelegt, welche als Verwaltungsrat fungieren.
Hier sind meist die finanziellen Verhältnisse des Unter-
nehmens entscheidend, die eine starke Belastung,
welche ein größerer Verwaltungsapparat mit sich
bringt, nicht zulassen. Die in den Statuten dieser
Aktiengesellschaften aufgeführte Direktion ist dem
Verwaltungsrat eingegliedert, was uns an das Einheits-
system erinnert.
b> Die Gesdiäftsführung außerhalb der Verwaltung
nach dem O.^R.
Eine zweite Art der Organisation tritt uns in den
Aktiengesellschaften entgegen, die eine reinliche Tren-
nung von Verwaltung und Geschäftsführung insofern
vornehmen, als der Verwaltungsrat in der Hauptsache
verwaltende Funktionen ausübt, und die Direktion,
welche vom Verwaltungsrat gewählt ist, die Geschäfts-
führung übernimmt. Die Direktoren sind in diesem Falle
nicht Mitglieder des Verwaltungsrates; sie stehen außer-
halb desselben. Dadurch werden, wie die Erfahrungen
und Beobachtungen zeigen, zwei selbständige Organe
geschaffen, die nur zu oft eigenmächtig handeln und
einander gegenseitig negieren. Die »Krache«, welche
gerade in Gesellschaften mit dieser Organisationsform
vorkamen, haben gezeigt, wie entweder die Direktion
ohne Rücksicht auf den Verwaltungsrat, oder umgekehrt,
der Verwaltungsrat ohne die Direktion die Geschicke
der Gesellschaft leitete und deren Ruin herbeiführte.
c> Die Gesdiäftsführung teils innerhalb, teils außerhalb
der Verwaltung nadi dem O.^R.
Die Erkenntnis dieser Gefahren und Mängel hat
nun wohl auch zu der dritten Organisationsform geführt,
welche eine Brücke zwischen Verwaltungsrat und Direk-
tion herzustellen sucht. Der natürliche innere Konnex
zwischen verwaltender und geschäftsftihrender Tätigkeit
wird auf verschiedene Weise bewerkstelligt.
Zunächst wird innerhalb des Verwaltungsrates eine
Gliederung vorgenommen, indem aus seiner Mitte heraus
ein sog. Ausschuß oder auch Delegation, Direktions-
kommission, Aufsichtsrat usw. genannt, gewählt wird.
Dieses Organ ist meist mit der speziellen Verwaltung,
teilweise mit der Geschäftsführung oder deren besonderen
Überwachung betraut. In manchen Gesellschaften bildet
z. B. der Ausschuß sozusagen ein in sich abgeschlossenes
10
11
ii:
Organ, das durch eine zweckentsprechende Kompetenz-
zuteilung besonders wichtige verwaltende und geschäfts-
führende Pflichten ausübt (z. B. das Verwaltungskomitee
der Schweizer. Unfall versicherungs A.-G. Winterthur).
Andere Unternehmen suchen die organische Trennung
dadurch zu überbrücken, daß sie eine ständige Dele-
gation des Verwaltungsrates in die sog. Generaldirektion,
Direktion oder Geschäftsführung entsenden, so daß
Mitglieder der Direktion auch zugleich Mitglieder des
Verwaltungsrates sind (so z. B. bei der Maggi-Gesellschaft
in Kempttal)
Diese, vor allem von größeren Gesellschaften an-
gewandte Organisationsform kommt dem Einheitstypus
am nächsten.
Mit diesen Betrachtungen glauben wir die Haupt-
formen der Verwaltungsorganisationen der schweizer-
ischen Aktiengesellschaften festgestellt zu haben. In
einem späteren Abschnitt soll dann noch näher erörtert
werden, welche Organisationsform uns für die Lösung
der in unserer Untersuchung steckenden Probleme am
besten und zweckmäßigsten erscheint.
3. Die Möglidikeit eines Vergleicfies zwischen
den Verwaltungsorganen nach dem H.^G.-B.
und nach dem O.^R.
Die oben dargelegten Organisationen der schweizer-
ischen Aktiengesellschaften haben schon vielfach Anlaß
gegeben, auf die entsprechenden Institutionen der deut-
schen Aktiengesellschaften hinzuweisen und Vergleiche zu
ziehen. Wir wollen daher in Folgendem untersuchen, ob
und inwieweit solche Vergleiche möglich sind. Zu diesem
Zweckisteszunächstnötig, festzustellen, mit welchenKom-
petenzen das H.-G.-B. die Verwaltungsorgane der Aktien-
gesellschaft, den Vorstand und Aufsichtsrat, ausstattet.
NB. Wir lassen hierbeidiegesetzliche Vertretungspflicht absieht-
lichaußerBetrachtjda dieselbe fürunseren Vergleichunwesentlichist.
12
Sil
a> Die verwaltenden und geschäftsführenden Organe
nach dem H.ä^G.^B.
Nach § 241,1 H.-G.-B. kommt dem Vorstand die
Kompetenz der Geschäftsführung im allgemeinen zu.
Außerdem sind noch weitere, speziell geschäftsführende
Funktionen, z.B. in den §§ 239 und 260 aufgreführt.
Ferner liegt dem Vorstand eine Reihe verwaltender
Pflichten ob, wie sie beispielsweise den §§ 195,1,
201.1, 234,1 und 3, 240 etc. zu entnehmen sind.
Die Hauptaufgabe des Aufsichtsrates besteht nach
§ 246 H.-G.-B. in der Kontrolle. Daneben erstrecken
sich seine Pflichten auch auf die Ausübung verschiedener
Verwaltungsakte, was aus den §§ 195,1, 222,4, 238,
246.2, 254, 280 u. a. hervorgeht. In den meisten Fällen
werden aber die Verwaltungsfunktionen durch die
Statuten erheblich vermehrt. Außer den genannten
Funktionen hat der Aufsichtsrat auch oft sehr weit-
gehende geschäftsführende Pflichten, die statutarisch
festgelegt sind.
b> Vorstand und Aufsiditsrat im Vergleidi zu der
Verwaltung nadi dem 0.**R.
Fassen wir zunächst nur die vom Gesetzgeber
geforderten Pflichten ins Auge, so kommen dem Vor-
stand zu: Geschäftsführung und Verwaltung. Stellen
wir diesen Tatsachen die Verhältnisse des Schweizer-
ischen Obligationenrechtes gegenüber, so sehen wir,
daß der Gesetzgeber der Verwaltung nach Art. 649
O.-R. Geschäftsführung und Verwaltung überträgt.
Ziehen wir hierbei auch die in Art. 650,1 O.-R. ge-
schaffene Möglichkeit in Betracht, daß die Geschäfts-
führung einem besonderen Organ übertragen werden
kann, so haben wir, der Absicht des Gesetzgebers
folgend, die Möglichkeit der Trennung von Geschäfts-
führung und Verwaltung, indem erstere im allgemeinen
einer sog. Direktion, letztere im allgemeinen dem sog.
13
iifüifTn
I i
h I
m; t ;
Verwaltungsrat zukommt. Überblicken wir nun die
Vergleichsobjekte mit ihren gesetzlichen Funktionen
so kommen wir zu der Erkenntnis, daß ein voll-
kommener Vergleich auf gesetzlicher Basis aus folgen-
den (jrunden nicht möglich ist.
Die gesetzlichen Funktionen bezüglich Verwaltung
und Geschäftsführung sind nach dem H.-G.-B. und nach
dem O.-R. nicht einheitlich dem einen oder anderen
Organ zugeschrieben. Das H.-G.-B. überträgt ver-
waltende Funktionen sowohl dem Vorstand, als auch
u1^ Aufsichtsrat, während das O.-R. dieselben aus-
schließlich von der Verwaltung (nach Art. 649 O -R )
beziehungsweise von dem von der Praxis geschaffenen
Verwaltungsrat verlangt.
c> Vorstand und AufsiAtsrat im Vergleidi zu dem
Verwaltungsrat und der Direktion.
Auch wenn man versuchte, die gesetzlichen Pflichten
von Aufsichtsrat und Vorstand denen des Verwaltun^s-
rates und der Direktion gegenüber zu stellen, so ließe
ein vollkonimener Vergleich sich doch nicht bewerk-
stelligen da die Vergleichsobjekte nicht mit gleich-
artigen Kompetenzen ausgestattet sind.
Ferner ist noch anzuführen, daß der Verwaltung-s-
rat und die Direktion der schweizerischen Aktien-
gesellschaft nur Geschäftsführungs- und Verwaltunes-
kompetenzen in sich vereinigen, während Aufsichtsrat und
Vorstand zudem noch die Kontrollkompetenz besitzen.
d> Der deutsdie Vorstand und die sdiweizeriscfie
Verwaltung.
Auch ein Vergleich zwischen dem deutschen Vor-
stand und der Verwaltung nach Art. 649 O -R ist
hinkend, obwohl beiden Geschäftsführung und Ver-
waltung zukommt und zwar deshalb, weil der Vorstand
14
nach dem H.-G.-B. ausschließlich Geschäftsführungs-
organ, dagegen nicht in demselben Maße Verwaltungs-
organ ist, während der Verwaltung nach dem O.-R.
sämdiche Geschäftsführungs- und Verwaltungspflichten
zugewiesen sind.
e> Vorstand und Aufsichtsrat,
ein reines Verwaltungs^ bezw. Aufsiditsorgan ?
Aus diesen Vergleichen ersehen wir, daß durch die
Zuteilung von Aufgaben verschiedener Natur an ein
Organ und durch die Zuweisung von Funktionen der-
selben Natur an verschiedene Organe, es für die
deutchen Verhältnisse sehr schwierig ist, ein reines
Verwaltungs-, bezw. ein reines Aufsichtsorgan zu
statuieren. Und doch finden wir in der Literatur^*^) **)
die Ansicht vertreten, daß der Vorstand das Ver-
waltungsorgan der Aktiengesellschaft sei und der Auf-
sichtsrat das Aufsichts-, bezw. Kontrollorgan derselben.
Dieser Auffassung können wir uns aus folgenden
Gründen nicht anschließen.
Wie wir schon erwähnten, fordert das H.-G.-B. von
dem Vorstand neben der ihm ausschließlich zukommen-
den Geschäftsführung auch noch die Ausübung ver-
waltender Funktionen. In der Übertragung der letzt-
erwähnten Pflichten erblicken wir keinen genügenden
Grund, um daraus die Stellung als Verwaltungsorgan
der Aktiengesellschaft statuieren zu können.
Ebensowenig kann aber auch das andere Organ,
welches das Gesetz mit verwaltenden Funktionen be-
traut, der Aufsichtsrat, nicht als reines Verwaltungs-
organ angesehen werden, obwohl ihm sehr wichtige
Aufgaben verwaltender Natur obliegen.
Durch die Zuweisung der Verwaltungspflichten an
zwei Organe ist es streng genommen unmöglich, das
eine oder andere Organ als das Verwaltungsorgan der
Aktiengesellschaft zu bezeichnen. Will man aber trotz-
dem ein solches festgestellt wissen, so müßte in erster
19
..1^
Linie der Aufsichtsrat, gemäß der Bedeutung seiner
verwaltenden Tätigkeit, als das Verwaltungsorgan der
Aktiengesellschaft betrachtet werden.
Mit diesen Ausführungen sind wir zugleich auch
schon in Gegensatz getreten zu der Behauptung, daß
in dem Aufsichtsrat ein reines Aufsichtsorgan zu er-
blicken sei. Um unsere Ansicht hierüber noch näher
zu begründen, wollen wir kurz auf die Entstehung des
Aufsichtsrates eingehen.
In den Statuten mancher deutschen Aktiengesell-
schaften, welche vor der Aktiennovelle vom 1 1 .Juni 1870
bestanden, begegnen wir einem Verwaltungsrat und
einer Direktion als Organe der Aktiengesellschaft.
Dem Verwaltungsrat lagen ausschließlich verwaltende
und in hohem Maße geschäftsführende Pflichten ob.
Die Direktion war mehr auf die richtige Ausführung
der Verwaltungsratsbeschlüsse bedacht. Durch oben
genannte Novelle wurde ein Aufsichtsrat verlangt, der
— nach Ansicht Passows^) — nicht unter einem anderen
Namen in die Pflichten und Rechte des bestehenden
Verwaltungsrates eintreten, sondern der nach der Absicht
des Gesetzgebers nur ein reines Aufsichtsorgan sein
sollte im Interesse der Aktionäre und an Stelle der
nun in Wegfall kommenden Staatsaufsicht. Es ist
richtig, daß es nicht in der Absicht des Gesetzgebers
lag, den bestehenden Verwaltungsrat in einen Aufsichts-
rat umzutaufen, wie die kaufmännische Praxis es viel-
fach trotzdem zu tun pflegte, indem sie in den Statuten
die alte Bezeichnung »Verwaltungsrat« durch den ge-
setzlichen Ausdruck »Aufsichtsrat« ersetzte.
Andererseits darf aber auch nicht angenommen
werden , daß der Gesetzgeber beabsichtigte , die bisher vom
Verwaltungsrate ausgeübten verwaltenden und geschäfts-
führenden Pflichten dem Vorstande zu übertragen,
wodurch derselbe zum Verwaltungs- und Geschäfts-
führungsorgan gestempelt worden wäre. Den von der
Praxis begangenen Weg der natüriichen Verquikung
von geschäftsführender und verwaltender Tätigkeit
16
konnte auch das Gesetz bei der Reform nicht unberück-
sichtigt lassen, so daß die Notwendigkeit bestand, dem
ausschließlichen Geschäftsführungsorgan, dem Vorstand,
auch gewisse verwaltende Funktionenzuzuweisen. Ebenso
mußte der Gesetzgeber bei der Schaffung des Aufsichts-
rates in Erwägung ziehen, daß in der Ausübung der wich-
tigsten und entscheidentsten verwaltenden Funktionen
schon eine gewisse Kontrolltätigkeit liegt, weshalb er
ein Verwaltungs- und Aufsichtsorgan zu schaffen ge-
nötigt war. Diese theoretischen Erwägungen des Gesetz-
gebers haben sich auch in der Praxis als richtig erwiesen,
denn, wie wir unten sehen, werden die verwaltenden
Funktionen des Aufsichtsrates in den Statuten noch
erheblich vermehrt.
Endlich wollen wir noch darauf hinweisen, daß die
Gesetzgeber der beiden Länder bei den in Frage
kommenden Institutionen von ganz verschiedenen Prin-
zipien ausgingen, was^ in der Systematik zutage tritt.
f) Die prinzipielle Auffassung der Gesetzgeber
des deutschen und sdiweizerisdien Rechtes über die
Verwaltungsorgane.
Der deutsche Gesetzgeber verschmilzt in der
Hauptsache Verwaltung und Kontrolle und isoliert davon
die Geschäftsführung. Er wollte in dem Aufsichtsrat eine
Institution schaffen, welche die Gesellschaft verwaltet,
leitet, kontrolliert. Reinlich getrennt davon statuiert er
dann die selbständige Geschäftsführung. Dadurch wird
der Aufsichtsrat von dem Gesetzgeber auf eine Warte
gestellt, von welcher aus die Erfüllung der ihm gestellten
Aufgaben nicht möglich ist, da infolge der Trennung
der Geschäftsführung von der Verwaltung der organ-
ische Konnex zur wirtschaftlichen Tätigkeit der Ge-
sellschaft fehlt.
Der schweizerische Gesetzgeber dagegen verquickt
Verwaltung und Geschäftsführung und schafft außerdem
noch ein reines Kontrollorgan. Diese Systematik ist
17
\
^pfnnfrn^
zweifellos die natürliche und richtige und gibt der
Verwaltung eine Stellung, die hoch genug ist, um die
— .^Axowxcxit zu leiten, die sie aber auch andererseits
in die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft hinein-
versetzt. Die im Gesetz geschaffene Organisationsbasis
ist gilt; wenn dazu noch ein zweckentsprechender
praktischer Ausbau der einzelnen Teile durch die Praxis
kommt, so ist dadurch die formelle Gewähr für eine gute
Verwaltung, Geschäftsführung und Kontrolle gegeben.
g> Der deutsdie Aufsiditsrat in praxi.
Wie verhält es sich nun mit den für unseren Vergleich
in Betracht kommenden Institutionen in der Praxis?
Es ist zur Genüge bekannt, daß der deutsche
Aufsichtsratseiner vom Gesetz verlangten Hauptaufgabe,
als Kontrollorgan, nicht nachkommt, bezw. unter den
obwaltenden Umständen nicht nachkommen kann. Man
hat bei der Beurteilung dieser Frage die Entwicklung
der wirtschafdichen Verhältnisse, die Expansion der
Einzeluntemehmungen, das Bestreben verwandter Unter-
nehmungen nach Zusammenschluß und anderes mehr
zu berücksichtigen, um die aus dem Bedürfnis heraus
entstandenen Funktionen des Aufsichtsrates zu verstehen.
Wir können sagen, daß dieselben in Wirklichkeit in
der Hauptsache verwaltender und geschäftspolitischer
Natur sind. Ein Einblick in die Statuten vieler Gesell-
schaften liefert uns den Beweis, daß die verwaltende
Tätigkeit von größter Wichtigkeit für den Aufsichtsrat
ist. Als Beleg hierfür mag uns § 13 der Statuten
der »Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken zu Beriin«
dienen, der folgendes bestimmt: Dem Aufsichtsrat sind
insbesondere folgende Geschäfte zugewiesen:
a) »Die Wahl der Vorstandsmitglieder und ihrer
Stellvertreter, sowie die Festsetzung der denselben
zu bewilligenden Gehälter und Emolumente, die Zu-
stimmung zur Bestellung von Prokuristen.
b) Beschlußfassung über den Erwerb, die Ver-
äußerung, sowie die Verpfändung von Immobilien,
18
c) Beschlußfassung über den Erwerb, die Veräußerung,
sowie die Verpfändung und Löschung hypothekarisch ein-
getragener Kapitalien.
d) Beschlußfassung über die Kontrahierung von
eigendichen Anleihen.
e) Die Genehmigung der vom Vorstande vorzu-
schlagenden Neubauten und Umbauten.
f) Die Bestimmung über die Anlegung und Ver-
waltung des gesetzlichen Reservefonds, sowie die Ver-
waltung der Speziaireserven oder einzelner Beträge
aus denselben.
g) Die Genehmigung zur Errichtung von Zweignieder-
lassungen und Filialgeschäften und Beteiligungen an
anderen Geschäften.
h) Die Genehmigung zur Anschaffung von Mobilien,
Utensilien und Maschinen, wenn die Ausgaben hierfür
im einzelnen Falle mehr als 5000 Mark betragen.
i) Die Genehmigung zur Anstellung von Beamten
über die vom Aufsichtsrat in seinen Instruktionen
festgesetzten Grenze.«
Die geschäftspolidschen Funktionen des Aufsichts-
rates werden uns klar werden, wenn wir in einem
späteren Abschnitt auf die Motive zu sprechen kommen,
welche für die Übertragung einer Aufsichtsratstelle
bestimmend sind.
Es liegt in der Natur der Verwaltungstätigkeit
begründet, daß dieselbe auch teilweise geschäftsführende
Tätigkeit in sich begreift, womit dann auch eine Über-
wachung der Geschäftsführung implicite gegeben ist.
Damit hätten wir im großen ganzen die tatsächlichen
Funktionen des Aufsichtsrates zusammengestellt.
h> Der sdiweizerisdie Verwaltungsrat in praxi.
Wie steht es nun mit dem schweizerischen Ver-
waltungsrat, den sich die Praxis geschaffen hat.? In
Wirklichkeit kommen auch ihm in der Hauptsache
verwaltende Funktionen zu, außerdem aber auch, selbst
19
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in den Fällen, in welchen die Geschäftsführung einer
Direktion übertragen ist, oft noch sehr weitgehende
geschäftsführende Funktionen. Die Verantwortung,
welche der Verwaltungsrat in jedem Falle für die
Geschäftsführung hat, verpflichtet ihn auch zur Über-
wachung derselben.
Auf Grund dieser Darlegungen stellen wir fest,
daß die Gegenüberstellung der tatsächlichen Funktionen
des Aufsichts- bezw. Verwaltungsrates einen Vergleich
ermöglicht, aus dem hervorgeht, daß die beiden
Organe in der Praxis einander ziemlich entsprechen,
i) Der deutsche Vorstand und die sdiweizerisdie
Direktion in praxi.
Ein Vergleich zwischen der Praxis der schweizer-
ischen Direktion und dem deutschen Vorstande ergibt,
daß diese beiden Organe sich insofern entsprechen,
als ihnen im allgemeinen in der Hauptsache geschäfts-
führende Pflichten auferlegt sind, außerdem aber auch
solche verwaltender Natur. Wir berücksichtiofen bei
diesem Vergleich nicht, daß wir sowohl in Deutschland,
als auch in der Schweiz Fälle haben, in welchen der
Direktor auf die Beamtenstufe herabgedrückt wird und
ihm nur noch sein Titel als Unterscheidungsmerkmal
von seinen Kollegen bleibt.
Die repräsentative Stellung tritt dann eigentlich nur
in der Vertretung zu Tage, welche dem deutschen
Vorstand laut Gesetz, der schweizerischen Direktion
laut Statut zukommt.
k> Der deutsdie Aufsiditsrat und die sdiweizerische
Kontrollstelle.
Die Praxis der gesetzlichen Kontrollorgane der
beiden Länder zu verorleichen ist nicht möglich, da der
Aufsichtsrat in Wirklichkeit nur die Geschäftsführungs-
kontrolle ausübt, die dem schweizerischen gesetzlichen
Kontrollorgan nicht zugewiesen ist. Ein Teilvergleich
kann insofern gemacht werden, als die Überwachung
der Geschäftsführung in der Schweiz vom Verwaltungs-
rat ausgeübt wird, welchem diese F'unktion freilich nicht
direkt durch das Gesetz auferlegt ist, sondern nur indirekt
durch die Verantwortung für die Geschäftsführung.
Wenn durch die Entstehung der verschiedenen
Organisationsformen, die durch die Kompetenzaus-
scheidung innerhalb der Verwaltung hervorgerufen
werden, verschiedene Bezeichnungen entstanden sind,
so möchten wir bei unseren Ausführungen an dem
Ausdruck Verwaltungsrat festhalten und in demselben
auch die von der Praxis geschaffene Direktion inbe-
griffen wissen. Wir glauben dies sehr wohl rechtfertigen
zu können, da der Verwaltungsrat in jedem Fall die
Geschäftsführungskompetenz besitzt.
III. Die Wahl des Verwaltungsrates.
1. Die Wahl des ersten Verwaltungsrates.
Gehen wir zunächst von den Gesetzes Vorschriften
aus, so finden wir in Art. 644, Abs. 3, Ziff. 1 O.-R.
die Bestimmung, daß zu den ausschließlichen Befug-
nissen der Generalversammlung die Wahlen der Ver-
waltung und der Kontrollstelle gehören. Eine Abweich-
ung hiervon haben wir im Art. 649,4 O.-R., wonach
der erste Verwaltungsrat für die drei ersten Jahre durch
die Statuten bezeichnet werden kann, ohne daß eine
Bestätigung durch die Generalversammlung nötig ist.
Vielleicht hat der Gesetzgeber diese Bestimmung damit
motiviert, daß die ersten Generalversammlungen meist
ganz unter dem Einfluß der Gründer der neuen Aktien-
gesellschaft stehen; und daß es somit in Wirklichkeit
auf dasselbe hinauskommt, ob die Gründer, welche in
vielen Fällen die Majorität der Aktien besitzen, von
20
n
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vornherein den Verwaltungsrat statutarisch bestimmen,
oder ob derselbe offiziell durch die, in der Hauptsache
aus den Gründern sich zusammensetzende General-
versammlung gewählt wird. Wir dürfen uns der in
Art. 649,4 liegenden Gefahr nicht verschließen. Denken
wir z. B. daran, daß viele Aktiengesellschaften gegründet
werden, um Patente usw. auszunützen. Der Erfinder,
der zugleich Gründer der Gesellschaft ist, besitzt kein
Kapital, weshalb dasselbe durch die Aktiengesellschafts-
form beschafft werden soll. Großaktionäre, wie wir
diese vor allem bei Illationsgründungen haben, gibt es
nicht. Im Verwaltungsrate sitzen Freunde und Bekannte
des Erfinders, die eine angesehene öffendiche und
soziale Stellung einnehmen und deshalb vertrauen-
erweckend auf die Kleinkapitalisten wirken. Von einer
Vertretung der Aktionärinteressen im Verwaltungsrat
kann für die drei ersten Jahre keine Rede sein. Mag
es mit der Unternehmung gehen, wie es will, die
Aktionäre werden machdos zusehen müssen.
Bei Schwindelgründungen stecken meist die sta-
tutarisch bezeichneten ersten und glücklicherweise
auch zugleich letzten Verwaltungsräte unter einer
Decke. Die Praxis ist sich der bestehenden Gefahren
auch teilweise bewußt und setzt daher häufig, so-
fern es möglich ist, eine Neuwahl schon nach einem
Jahre an.
Anderseits soll aber auch nicht verkannt werden
daß z. B. bei Gründungen, welche die gesunde Er-
weiterung eines schon bestehenden Unternehmens be-
zwecken, der Gründereinfluß besonders für die ersten
Jahre sehr segensreich sein kann. Nicht selten sind
es in diesem Falle die bisherigen Besitzer und oft
zugleich Leiter des alten Unternehmens, welche die
Aktiengesellschaft gründen und es ist klar, daß diese
gerade in den Übergangsjahren, wenn nicht die Leitung
selbst, so doch einen entscheidenden Einfluß auf dieselbe
beizubehalten für nötig erachten.
2. Die Wahl des Verwaltungsrates durch die
Generalversammlung.
a> Die Wahlvorbereitung.
Die Regelung der Berufung der Generalversammlung
ist nach Art. 646,1 O.-R. den Statuten überlassen. Je
nachdem wir Gesellschaften haben, deren Aktien auf
den Namen oder auf den Inhaber lauten, ist auch die
Art der Berufung verschieden. Im ersteren Falle
müssen die Aktionäre laut Art. 641,3 O.-R. durch
eingeschriebenen Brief einberufen werden. Diese Be-
stimmung ist dann auch in den Statuten gewöhnlich
noch näher ausgeführt. So bestimmen z. B. die Statuten
der Fabrik von Maggis Nahrungsmitteln in Kempttal :
»Zu den Generalversammlungen sind die Aktionäre
durch eingeschriebenen Brief zehn Tage vor dem Ver-
sammlungstage einzuberufen.« Bei Gesellschaften mit
Inhaberaktien dagegen erfolgt die Berufung durch die
Zeitungen. So heißt es in § 41 der Statuten des
Schweizerischen Bankvereins: »Alle an die Aktionäre
zu erlassenden Bekanntmachungen erfolgen in den durch
den Verwaltungsrat zu bestimmenden Zeitungen. Als
solche sind bis auf weiteres bezeichnet: Schweizer-
isches Handelsamtsblatt in Bern, Basler Nachrichten
in Basel, Neue Zürcher Zeitung in Zürich, Tagblatt der
Stadt St. Gallen in St. Gallen, Journal de Geneve in
Genf, Frankfurter Zeitung in Frankfurt a. M.«
Der genügenden Veröffentlichung der Einladung
zur Generalversammlung wird nicht immer in dem Maße
Rechnung getragen, wie es sein sollte. Erfolgt dieselbe
z. B. nur im Schweizerischen Handelsamtsblatt, wie dies
bei manchen Gesellschaften der Fall ist, so dürfte dies
kaum genügen. Wenn der Aktionär nicht weiß, wann
eine Generalversammlung stattfindet, dann kann er sein
Interesse an derselben durch seine Anwesenheit auch
nicht bezeugen. Es mag auch darin mit ein Grund
liegen, daß die Generalversammlungen so schlecht
22
23
i^iüinn'
besucht sind. Zum mindesten soll die Publikation in
einer geeigneten Zeitung des Platzes erfolgen, an dem
die Firma ihren Sitz hat, femer in einem Blatte, das an
dem Platze erscheint, an dessen Börse die Aktien ein-
geführt sind. 1^^) Rekrutiert sich eine größere Anzahl von
Aktionären aus einer bestimmten Gegend, oder gar dem
benachbarten Auslande, so soll auch darauf weitgehend
Rücksicht genommen werden. Man sollte kein geeignet
erscheinendes Mittel unversucht lassen, um auch die
Kleinaktionäre, die meist beim Dividenden- und Kurs-
interesse stehen bleiben, zur Ausübung ihrer Rechte und
Pflichten in der Generalversammlung heranzuziehen.
b> Die gegenwärtige Wahlpraxis.
Hat der Aktionär nun in der Einladung gelesen,
daß Neuwahlen zum Verwaltungsrat stattfinden, so ist
ihm dadurch wohl die Wahlhandlung angezeigt, nicht
aber der für die Wahl in Betracht kommende Kandidat,
was doch sehr wichtig ist. Die gegenwärtige Wahl-
praxis in der Generalversammlung geht dahin, daß der
Präsident mit einer im Schöße des Verwaltungsrates
beschlossenen Tatsache vor die Generalversammlung
tritt und über die von ihm vorgeschlagenen Personen
abstimmen läßt. Auf diese Weise ist es dem Aktionär
gar nicht möglich, sich über die Persönlichkeit und die
Qualifikation der Kandidaten zu informieren. Um dies
zu ermöglichen, möchten wir vorschlagen, daß in dem
Büro, in welchem die Bilanz, die Gewinn- und Verlust-
rechnung und der Bericht der Rechnungsrevisoren zur
Einsicht aufgelegt ist, auch noch eine Liste der Ver-
waltungsratskandidaten zur Auflage kommt, welche
seitens des Verwaltungsrates vorgeschlagen sind. Außer-
dem sollten auch die Wünsche und Vorschläge seitens
der im Verwaltungsrat nicht vertretenen Aktionäre für
die Wahl berücksichtigt und auf der genannten Liste
eingetragen werden. Hier besteht nun die Gefahr
einer Zersplitterung, indem, durch die Vielzahl von
Kleinaktionären bedingt, zu viele Kandidaten aufgestellt
werden könnten. Dadurch würde die Minoritätskraft ae-
schwächt und der beabsichtigte Zweck doch nicht erreicht.
Es müßte also eine Einigung erstrebt werden auf einen
Kandidaten, der bei dem von uns später vorzuschlagenden
Wahlsystem auch Aussicht hätte, gewählt zu werden.
c> Die Notwendigkeit einer Reform der Wahlpraxis
<Beispiele>.
Eine Vertretung der Kleinaktionäre im Verwaltungs-
rat ist aber von um so größerer Wichtigkeit, als die
Erfahrung schon oft gezeigt hat, daß ihre Interessen
sich nicht immer mit denjenigen der Großaktionäre
decken. Ein solcher Interessenkonflikt ist meist dann
vorhanden, wenn das Motiv des Erwerbes, bezw. Be-
sitzes einer Aktienmajorität geschäftspolitischer Natur
ist. In diesem F'alle wird die Geschäftspolitik der Groß-
aktionäre nicht auf einen dauernden Rentenbezug hin-
zielen, wie dies wohl von den meisten andern Aktionären
beabsichtigt ist. Wir können uns nicht der in der
Literatur und im täglichen Leben herrschenden An-
schauung anschließen, daß die meisten Kleinaktionäre
sich Aktien erwerben, um durch die Steigung des
Kurses Spekulationsgewinne zu erzielen. Je mehr die
Geschäftsleitungen der Aktiengesellschaften heutzutage
auf eine stabile Dividende hinwirken, umsomehr legt
auch der Privatmann sein Kapital in Aktien an, in
der Erwartung, in gewissen Papieren privater Unter-
nehmungen eine dauernde Rentenanlage zu haben.
Gerade er wird auch darauf ausgehen, nicht allzu-
große Beträge in einer Gesellschaft zu investieren, um
das Verlustrisiko herabzumindern und sein Renten-
einkommen zu sichern. Folgende Beispiele mögen uns
die Tatsachen und die Gründe von Interessengegen-
sätzen zwischen den Aktionärgruppen vor Augen führen.
NB. Wir entnehmen diese den deutschen Verhältnissen und
können das auch ohne Bedenken tun, da wir dieselben typischen
Zustände auch bei den schweizer. Aktiengesellschaften antreffen.
Ende 191 3^) ging mehr als die Hälfte des aus
5 Millionen Mark bestehenden Aktienkapitales des Ver-
eins Chemischer Fabriken A.-G. in Zeitz in den Besitz
der Badischen Anilin- und Sodafabrik A.-G. und der
Farbenfabriken vormals Friedr. Bayer & Co. in Lever-
kusen über. Diese Transaktion hatte den Zweck, sich
einen großen Abnehmer und Verarbeiter schwefel-
sauren Ammoniaks anzugliedern, den der genannte
Konzern neuerdings in sehr verstärktem Umfange pro-
duzierte. Kurz nach dem Übergang trat ein Kurssturz
ein und zwar innerhalb einiger Monate von 135 "/^j
auf 105 7o- Zugleich hörte man auch von einem bevor-
stehenden Dividendenrückgang, der den seit Gründung
der Gesellschaft im Jahre 1907 stabilen Dividendensatz
von 8 7p auf die Hälfte herunterdrücken werde. Die
Besorgnisse der Einzelaktionäre der Zeitzer Gesellschaft
waren groß infolge der überraschend rückläufigen Be-
wegung des Aktienkurses und der Dividende und man
brachte diese Symptome in Zusammenhang mit dem
Übergang der Majorität der Aktien in andere Hände.
Man vermutete stark, daß durch veränderte Bilanzierung
Kurs und Rentabilität heruntergedrückt werden solle,
um zu niedrigen Kursen in den Besitz einer qualifizierten
Mehrheit oder des Gesamtuntemehmens zu kommen.
Sollte diese Vermutung zur Wirklichkeit werden, so
hätten wir hiermit ein bezeichnendes Beispiel dafür,
wie entgegengesetzt die Interessen sein können.
Der in folgendem Beispiel) sich zeigende Interessen-
konflikt zwischen Großaktionären und einer Minderheit
von Aktionären ist dadurch hervorgerufen, daß erstere
sich die Majorität der Aktien erwarben, um die Herr-
schaft über das Unternehmen auszuüben, aber nicht
zum Vorteil der Gesellschaft, sondern um für sich selbst
aus Lieferungen oder aus sonstigem Geschäftsverkehr
mit derselben Gewinn zu ziehen.
An der Gründung der Pyroluzit-A.-G. in Beuthen,
die in Rußland Erze fördert, haben sich die Wittkowitzer
Bergbau- und Eisengesellschaft, die Donnersmarckhütte.
26
die Eisenerz G. m. b. H. in Frankfurt a. M., Rawack &
Grünfeld A.-G. in Beuthen, sowie die A.-G. für Montan-
industrie beteiligt. Eine Dividende hat die Gesellschaft
noch nicht verteilt, hat aber die vorhandene Unterbilanz
ziemlich abgeschrieben. Die Pyroluzit-A.-G. liefert ihre
Erze an die bei ihr maßgebend beteiligten Montan-
unternehmungen; ihre anderen Aktionäre mögen als
Erzhändler ähnliche Interessen wie die Montanwerke
verfolgen bis auf die A.-G. für Montanindustrie in Berlin.
Diese beschäftigt sich zwar auch mit dem Erzhandel,
trägt aber in der Hauptsache den Charakter emer Trust-
gesellschaft für Montan- und andere Werte. Nun ver-
langt diese Gesellschaft eine andere Bilanzierung, um eine
Dividendenverteilung zu erzielen, da sie kein Interesse
an den Erzlieferungen habe. Sie sucht also eine Schad-
loshaltung in der Dividende gegenüber den Groß-
interessenten, welche Erz erhalten und jedenfalls zu
einem vorteilhaften Preis.
Den Höhepunkt^) einer Majoritätspolitik und eines
Konfliktes, wie er zwischen Aktionärgruppen kaum
schärfer bestehen kann, zeigt uns ein Vorkommnis in
der Prein-Gewebe-A.-G. in Hannover. Die Gesellschaft
wurde mit einem Aktienkapital von 1,5 Millionen Mark
gegründet. Der Wert der Patente, welche ausgebeutet
werden sollten, wurde zu 1,1 Millionen Mark angesetzt,
was viel zu hoch war. Sehr bald ergab sich, daß die
erwartete Rentabilität nicht eintrat und daß Gründung,
sowie Geschäftsführung der Gesellschaft ernster Kritik
unterworfen werden mußten. Da die Aktien nicht voll
einbezahlt waren, suchte ein Teil der Aktionäre sich
von dieser Pflicht zu befreien. Auch die Liquidation
hoffte man herbeiführen zu können, aber alles ohne
Erfolg. Nun wurde eine außerordentliche General-
versammlung einberufen. Der Hauptaktionär, welcher im
Besitz der Majorität der Aktien war, rief, ohne Berück-
sichtigung des Widerspruches der anderen Aktionäre,
den gesamten Aufsichtsrat ab und wählte sich selbst
in den nun zu bildenden Aufsichtsrat, welchen er nach
21
seinem Wunsche zusammensetze. An eine Liquidation,
wie dies für die Einzelaktionäre am vorteilhaftesten
wäre, ist nun gar nicht zu denken, im Gegenteil wird
der Hauptaktionär, der durch die Überwertung seiner
eingebrachten Patente zu der Aktienmajorität kam,
suchen, der Gesellschaft noch mehr Patente aufzu-
zwingen und dadurch rascher den Ruin der Gesellschaft
herbeiführen.
Diese Übelstände der Majorisierung einer Minderheit
zum Schaden der letzteren erheischen eine Änderung,
bezw. Besserung. Dazu kann die schon erwähnte
sorgfältige Wahlvorbereitung beitragen. Der nächste
und wichtigste Schritt aber ist die Änderung des be-
stehenden Wahlmodus.
d> Der Wahlmodus.
aa) In der Gegenwart.
Die Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrates
erfolgt mittels Ausübung des Stimmrechtes, das m
Art. 640 O.-R. seine Regelung findet: »Die Aktionäre
üben ihr Stimmrecht in der Generalversammlung nach
Verhältnis der Zahl der in ihrem Besitz befindlichen
Aktien aus. Jeder Aktionär, auch wenn er nur eine
Aktie besitzt, hat eine Stimme. Vorbehalten bleibt
der Gesellschaft durch ihre Statuten die Stimmenzahl
der Besitzer von mehreren Aktien zu beschränken.
Keinesfalls darf ein einzelner Aktionär mehr als den
fünften Teil der sämdichen vertretenen Stimmrechte
in sich vereinigen.«
Ausschlaggebend für die Stimmkraft ist also der
Aktienbesitz. Dadurch wird das Kapital zur herrschenden
Macht in der i\ktiengesellschaft proklamiert. Der obiger
Bestimmung zu Grunde liegende kapitalistische Gedanke
wird aber insofern etwas abgeschwächt, als auch der
Besitz nur einer Aktie schon das Recht zu stimmen
verleiht, wie ein solcher von 100 Aktien und femer
auch dadurch, daß kein Aktionär, mag sein Aktienbesitz
28
noch so groß sein, mehr als ein Fünftel der sämtlichen
vertretenen Stimmrechte auf sich vereinigen darf.
Weitere statutarische Beschränkungen sind zulässig,
wovon die Praxis auch in vielen Fällen Gebrauch macht,
wie uns die folgenden Beispiele zeigen mögen.
§ 1 7 der Statuten des Schweizer. Bankvereins be-
stimmt z. B. darüber folgendes: »Eine bis fünf Aktien
geben das Recht auf eine Stimme, je fünf mehr geben
das Recht auf eine weitere Stimme. Für die Ermittlung
der Stimmenzahl eines an der Generalversammlung
teilnehmenden Aktionärs werden seine eigenen und
diejenigen, welche er vertritt, zusammengerechnet.
Niemand darf mehr als ein Fünftel der vertretenen
Stimmen auf sich vereinigen.«
Das Statut der Societe Anonyme des Chocolat au
Lait F. L. Cailler, Broc, bestimmt, daß kein Aktionär
mehr als 3000 Stimmen auf sich vereinigen darf.
Andererseits ist es auch möglich, daß einer Aktie
eine höhere Stimmkraft als eins gegeben wird, wobei
meist die Qualität der. Aktie maßgebend ist. Ein Bei-
spiel hierfür haben wir in den Statuten der A.-G.
Tobler & Co., Bern, in welchen § 12 folgendes bestimmt:
»Jede vertretene Prioritätsaktie berechtigt zur Abgabe
von 5 Stimmen, jede vertretene Stammaktie zur Ab-
gabe von einer Stimme.«
Mögen sich da und dort in den Statuten Vorschriften
über das Stimmrecht zu Gunsten der Minorität finden,
so lehrt uns doch die Erfahrung, daß in den Generalver-
sammlungen der Majoritätsbesitz meist die unumschränkte
Herrschaft hat und die Besetzung des Verwaltungsrates
nach seinem Wunsche vornimmt. Diese Tatsache brmgt
aber die große Gefahr mit sich, daß dadurch der
Geschäftsleitung eines Unternehmens der Stempel einer
einseitigen Interessenpoliuk aufgedrückt wird, was nicht
immer ein Vorteil für das wirtschaftliche Gedeihen der-
selben ist. Diesem Übelstand kann dadurch abgeholfen
werden, daß es jeder Aktionärgruppe ermöglicht wird,
ihre Interessen im Verhältnis und auf Grund ihrer
2»
U-
Kapitalbeteiligungim Verwaltungsrate vertreten zu lassen.
Unter dem heute bestehenden Wahlmodus des »ab-
soluten Mehr« ist dies aber nicht möglich. Wir möchten
daher die Einführung eines Wahlsystems zum Vorschlag
bringen, das den obigen berechtigten Anforderungen
entsprechen würde und welches wir in der Proportional-
wahl erblicken. Dieses bei staadichen und kommunalen
Wahlen angewandte System hat in Belgien und besonders
auch in der Schweiz schon seit Jahrzehnten Eingang
gefunden. In keinem der beiden Länder hat man aber
den Versuch gemacht, dieses erprobte Wahlsystem
auch für privatwirtschafdiche Gesellschaften anzuwenden.
Wohl bestehen in andern Ländern Ansätze, um die Ver-
tretung einer Minderheit im Verwaltungsrat zu bewirken.
So z. B. in Österreich, wo das Aktienregulativ vom
20. September 1899 für die Wahl des Aufsichtsrates
den Minoritätsschutz rechdich fesdegt, indem Abs. 5
und 6 folgendes anführt: »Wenn in dem Statut die
Bestellung eines Aufsichtsrates vorgesehen ist, so sind
für den Fall, als wenigstens drei Mitglieder von der
Generalversammlung zu wählen sind, folgende Be-
sdmmungen betreffend die Wahl der Mitglieder in das
Statut aufzunehmen : Von einem Drittel der in der Ge-
neralversammlung vertretenen Summen kann veriano-t
werden, daß die Wahl für jede zu besetzende StelTe
des Aufsichtsrates abgesondert erfolge. Ergibt sich
bevor zur Wahl für die letzte Stelle geschritten wird,'
daß wenigstens ein Drittel aller abgegebenen Sdmmen
bei allen vorangegangenen Wahlen zu Gunsten der-
selben Person, aber ohne Erfolg abgegeben worden
sind, so muß diese Person ohne weitere Abstimmung
als für die letzte gewählt werden.«
Die Vereinigten Staaten von Amerika*«^) gehen noch
weiter, indem dieselben Minoritätsvertretung und zwar
als kumulatives Votum (cumulative vote) überall, also
auch in privatwirtschafdichen Unternehmungen mit Erfolg
zur Anwendung bringen.
m
bb) In der Zukunft (Proporzsystem).
Wir halten es dagegen für verfehlt, in einer kapita-
listischen Gesellschaft, wie sie die Aktiengesellschaft
zweifellos darstellt, eine Minoritätsvertretung einzuführen,
die einer jeden Minderheit, auch wenn sie noch so klein
wäre, unter allen Umständen eine Vertretung im Ver-
waltungsrat sichern würde. Es würde das nichts anderes
als eine Demokratisierung des Kapitalismus bedeuten.
Unser Ziel geht nur dahin, einer Minderheit, die auf Grund
ihrer entsprechenden Kapitalbeteiligung das Recht auf
eine Vertretung besitzt, die Möglichkeit zu geben, einen
Vertreter in den Verwaltungsrat entsenden zu können. Aus
diesem Grunde schlagen wir das Proporzsystem vor. ***^)
Das Wesen ^®^) desselben besteht darin, daß man einen
Wahlquotienten, auch Wahldivisor, Wahlverteilungs-
ziffer, Wahlzahl genannt, bildet, der dadurch entsteht,
daß man mit der Anzahl der zu wählenden Vertreter
in die Gesamtzahl der gültigen Stimmen dividiert. Wer
von den Kanditaten die Wahlzahl erreicht, ist gewählt.
Die Durchführung dieses Prinzipes hat verschiedene
Methoden oder Systeme gezeitigt, auf die einzugehen
hier nicht der Platz ist. Jedenfalls muß dabei im Auge
behalten werden, daß das zu wählende System einfach
ist, so daß Stimmabgabe und Resultatsermittlung rasch
vollzogen werden kann.
Die Bestimmung über die Ausübung des Stimm-
rechtes in der Generalversammlung nach dem Proporz-
system muß im Gesetz niedergelegt sein. Dagegen ist
es am besten, wenn den einzelnen Gesellschaften zur
Pflicht gemacht wird, die Art der Durchführung der
Proportionalwahl in den Statuten festzulegen. Dadurch ist
es jeder einzelnen Aktiengesellschaft möglich, diejenige
Methode zu wählen, welche ihr am geeignetsten erscheint.
Es liegt nahe, unserem Vorschlag über die Ein-
führung des Proporzsystems entgegenzuhalten, daß der-
selbe nicht nötig sei, da man in den Statuten Gelegenheit
habe, einen Wahlmodus zu Gunsten einer Minderheit
30
31
festzusetzen. Wenn man aber bedenkt, daß die Statuten
durch die Majorität festgesetzt werden, und daß eine
solche keine Bestimmungen einführt, die ihr im Weo-e
stehen, so fällt auch diese Argumentation hinweg.
Durch die Einführung der Proportionalwahl werden
auch die Kleinaktionäre ihre Rechte und Ansichten zur
Geltung bringen können. Es wird ihnen möglich sein,
einen Einfluß auf die Besetzung der Verwaltung und
dadurch auf die ganze Geschäftsleitung auszuüben,
was manchen veranlassen i<^^) dürfte, sich persönlich an
den Generalversammlungen zu beteiligen. Manche
Aktionäre werden dann auch aus dem ihnen bisher
vorgeworfenen passiven Verhalten heraustreten, um ein
solches aktiver Natur an den Tag zu legen. Das per-
sönliche Mitarbeiten in der Generalversammlung wird
das Interesse auf das gesunde wirtschaftliche Gedeihen
der Gesellschaft hinleiten, wofür man dann selbst sich
bis zu einem gewissen Grad verantwortlich fühlt.
Andererseits wird der einzelne Aktionär sich auch
besser ein selbständiges Urteil über die Tätigkeit der
Verwaltung und bis zu einem gewissen Grade auch
über die Fähigkeit oder Unfähigkeit der einzelnen
Mitglieder bilden können. Je nachdem wird ein be-
rechtigtes Vertrauen oder Mißtrauen dem Verwaltungs-
rat in kritischen Phasen der Entwicklung des Unter-
nehmens entgegengebracht werden.
IV. Die aktive Wahlfähigkeit.
1 . Die Stimmenenthaltung der Verwaltung
hei ihrer Entlastung.
Das Recht des Aktionärs, seinen Einfluß in der
Generalversammlung durch Stimmabgabe geltend zu
machen, kann grundsätzlich nicht aufgehoben werden.
Das Obligationenrecht statuiert jedoch einige Fälle,
in welchen das Stimmrecht ausgeschlossen wird. So hat
z. B. bei der qualifizierten Gründung der Gesellschafter,
welcher die betreffende Einlage macht oder sich be-
sondere Vorteile ausbedingt, bei der Beschlußfassung
hierüber kein Stimmrecht (Art. 619,4 O.-R.). Ferner
enthält Art. 655,2 O.-R. die Bestimmung, daß bei
Beschlüssen über die Entlastung der Verwaltung be-
treffend die Geschäftsführung und Rechnungsablegung,
diejenigen Personen kein Stimmrecht haben, welche
in irgend einer Weise an der Geschäftsführung teil-
genommen haben. Diese Maßnahmen sind aus wirt-
schaftlichen Gründen sehr wichtig; warum dieselben
aber nicht auch auf die Personen, sofern dieselben
Aktionäre oder Verwaltungsmitglieder sind, ausgedehnt
werden, welche mit der Überwachung derselben be-
traut sind, scheint uns unerklärlich (Art. 655,3 O.-R.).
Bestimmt der Verwaltungsrat keine speziellen Organe
für die Geschäftsführungskontrolle, so ist er in seiner
Gesamtheit dafür verantwortlich. Demnach dürfte in
diesem Falle keine im Verwaltungsrat vertretene
Stimme zur Erteilung der Decharge abgegeben werden,
will man nicht die Begutachtung der eigenen Handlungs-
weise unterstützen. Es gibt ja wohl Fälle, in denen
sich der Verwaltungsrat selbst die Decharge erteilt,
nämlich dann, wenn er die Gesamtheit der Aktien
besitzt, was wir häufig bei Familienaktiengesellschaften
haben. Hier hat die Entlastung nur eine formelle
Bedeutung, denn der Verwaltungsrat hat die Folgen
seines Geschäftsgebahrens persönlich zu tragen. Sind
aber bestimmte Verwaltungsmitglieder mit der spezi-
ellen Geschäftsführungskontrolle betraut, 30 dürften
diese unter keinen Umständen bei der Entlastung
mitstimmen. Würde die Überwachung der Geschäfts-
führung, wie wir später darlegen wollen, der Kon-
trollstelle übertragen, deren Mitglieder nicht Aktionäre
zu sein brauchen, so fällt dieser Übelstand von selbst
hinweg.
i
32
33
•-rnr
4
2. Die Ausübung des Stimmrecfites
auf Grund eigener Aktien.
Das Recht^) der Ausübung des Stimmrechtes ist
grundsätzlich an den Besuch der Generalversammlung
geknüpft und kann nur in derselben geltend gemacht
werden. Da ein persönliches Erscheinen in der General-
versammlung nicht immer möglich ist, so gestatten die
meisten Statuten eine Übertragung ihres Stimmrechtes
an andere Aktionäre oder an Bevollmächtigte. Beispiele :
Maggi's Nahrungsmittel A.-G., Kempttal, Art. 11^
Abs. 4 bestimmt : »Jeder Aktionär ist berechtigt, seine
Rechte in der Generalversammlung durch eine' Dritt-
person, die jedoch Aktionär sein muß, ausüben zu lassen. «
Brown-Boveri & Co., Baden, § 9: »Für Pflege-
befohlene können ihre gesetzlichen,^ für Handelsgesell-
schaften und juristische Personen ihre gesetzlichen und
statutarischen Vertreter, oder mit spezieller Vollmacht
versehene Beamte, für Ehefrauen bevollmächtigte Ehe-
männer an der Generalversammlung teilnehmen. In allen
sonstigen Fällen kann ein Aktionär nur durch einen andern,
durch ihn bevollmächtigten Aktionär vertreten werden«!
Da die Stimmabgabe an die Person des Aktionärs
geknüpft ist, muß die Eriaubnis zur Übertragung in den
Statuten festgelegt werden. Denkbar^«) wäre natüriich
auch, daß in denselben eine Ausübung des Stimm-
rechts auf schrifdichem Wege zugelassen würde, was
jedoch selten geschieht.
3. Die Übertragung des Stimmrecfites.
a> Die Politik der Sammlung von Vollmaditen
seitens der Banken.
aa) Die Technik der Sammlung von Vollmachten.
Besonders die Banken sind es, welche sich die
X'ollmacht zur Vertretung in der Generalversammlung
von ihren Kunden geben lassen, die die betreffenden
Wertpapiere bei ihnen deponiert haben. Es werden
besondere Vollmachtsformulare seitens der Banken ah
die Kunden gesandt, um die schrifdiche Bewilligung
zur Vertretung einzuholen, wenn die Einladungen zur
Generalversammlung in den Tageszeitungen erscheinen.
Auf diese Praxis ist zum großen Teil auch die Macht
zurückzuführen, welche die Banken auf industrielle
Unternehmungen ausüben können. Es liegt klar zutage,
daß die Banken die angehäufte Stimmenzahl in erster
Linie^®^) dazu benutzen, um ihr eigenes Interesse zu ver-
folgen. In manchen Fällen mag dasselbe identisch mit
denjenigen der Einzelaktionäre sein, in ebenso vielen
anderen aber auch nicht. Nehmen wir z. B. an, daß
eine Bank auf eine Fusion hindrängt, um dadurch einen
dem aufzunehmenden Institut gewährten Kredit sicher
zu stellen oder leichter realisieren zu können. Diese
Transaktion mag ganz im Interesse der Bank liegen
und zuni Nachteil der fusionierenden Gesellschaft um-
schlagen. Hätten die Aktionäre ihr Stimmrecht selbst
ausgeübt, anstatt dasselbe teilweise der Bank zu über-
tragen, so wäre die Fusion vielleicht verhindert worden.
bb) Die Gefahren der SammlungspoHtik
(Beispiel).
Die Politik der Vollmachtensammlung, welche seitens
gewisser Verwaltungen erfolgt, um eigene Interessen
verwirklichen zu können, hat schon manche uner-
wünschten Zustände im Aktienwesen geschaffen, so daß
die Mahnung berechtigt erscheint, daß die Einzelaktionäre
durch ihre persönliche Stimmabgabe dazu beitragen
mögen, die Interessen ihrer Gesellschaft wahren zu
helfen. Im Falle der Verhinderung an dem Besuch der
Generalversammlung sollte vom Aktionär die Vollmacht
einem Vertrauensmann übergeben werden, der nach
der ihm gegebenen Instruktion stimmt. Ist dieses nicht
möglich, so schließt ein Verzicht auf Vertretung wenigstens
tiie Gefahr aus, daß das Stimmrecht mißbraucht wird.
34
35
^l
Wir möchten an dieser Stelle noch ein Beispiel anführen,
das uns die Wichtigkeit der persönlichen Vertretung
oder einer solchen nach Instruktion vor Auo-en führt
(Vergleiche die Notiz S. 25, Fußnote.) ""
Die Aktiengesellschaft »Vulkan« ^ ^), welche ihren Sitz
m Stettin hat, stand vor der Entscheidung, sich eine
Werft in Hamburg zu schaffen, da das Reichsmarineamt,
die Hamburg-Amerika-Linie und ausländische Regier-
ungen ihre Lieferungsaufträge nur unter der Bedingung
erteilen wollten, daß obigem Wunsche entsprochen würd^
Das Lebensinteresse der Gesellschaft stand somit auf
dem Spiel. In dieser Angelegenheit suchten 2 Parteien
entgegengesetzte Interessen zu verfolgen. Einerseits
die Verwaltung der Gesellschaft, welche selbstverständ-
lich für die Schaffung einer Werft in Hamburg war,
andrerseits eine Bank, welche durch andere Interessen
geleitet wurde. Die Deutsche Bank, welche hier nämlich
m Frage kam, war an den Stettiner Oderwerken in-
teressiert und hegte die Absicht, mit der Zeit eine Fusion
der beiden Gesellschaften herbeiführen zu können. Mit
dem Wegzug des »Vulkan« mußte dieser Plan ad acta
gelegt werden. Nun hatte die Deutsche Bank einen
beträchtiichen Teil der Vulkanaktien in ihren Tresors
zur Verwaltung. Nach § 28 ihrer Bedingungen für den
Depositen- und Effektenverkehr war sie ermächtigt,
»sofern ihr nicht im einzelnen Fall gegenteilige Weisung
zugeht, behufs Wahrnehmung der Interessen ihrer
Geschäftsfreunde die für dieselben bei ihr ruhenden
Aktien in allen Generalversammlungen nach ihrem
besten Ermessen vertreten und das Stimmrecht für die-
selben ausüben zu lassen«. Wenn der Aktionär also
nicht ausdrücklich vorschrieb, wie das Stimmrecht aus-
geübt werden sollte, so tat es der Depositar »nach bestem
Ermessen«, möglicherweise in seinem eigenen Interesse.
Da die meisten Aktionäre des »Vulkan« nicht wußten,
worum es sich handelte, und deshalb ihre Aktien ohne
jegliche Anweisung in der Generalversammlung ver-
treten ließen, so suchte die Vulkan-Verwaltung'durch
36
ein Inserat den Gegenstand des Streites aufzuklären.
In dem öffentlichen Aufruf standen unter anderm die
Sätze: »Wir wissen, daß eine Anzahl Aktionäre ver-
anlaßt worden ist, ihren Besitz in der letzten General-
versammlung vertreten zu lassen, ohne daß man ihnen
genügend Informationen gegeben, oder die Anfrage
vorgelegt hat, ob sie für oder gegen die Verwaltung
zu stimmen gewillt seien. Wir richten an die Gesamtheit
unserer Aktionäre die Bitte, ihren Aktienbesitz in der
nächsten Generalversammlung persönlich zu vertreten,
oder von solchen vertreten zu lassen, die eine Ver-
pflichtung zur Abstimmung nach Auftrag des Besitzers
übernehmen.« Die Folge dieses Aufrufs war, daß die
Deutsche Bank entgegen ihren Bestimmungen bei den
Besitzern der in ihren Tresors aufbewahrten Vulkan-
aktien angefragt hat, wie sie zu stimmen hätte.
Die Praxis der Übertragung des Stimmrechts finden
wir sehr häufig auch bei denjenigen Aktiengesellschaften,
deren Aktien auf Namen lauten. Das ist meist bei den
Versicherungsuntemehmungen der Fall. Wie schon
oben erwähnt, werden die Einladungen zur General-
versammlung laut Art. 641,3 O.-R. durch Einschreibe-
brief oder schriftlich gegen Bescheinigung zugestellt.
Der Einladung wird eine gedruckte Blankovollmacht
zur Unterschrift beigelegt, die von den Leitungen auf
den Namen der Personen ausgestellt wird, welche sie
mit der Vertretung beauftragen. Auf diese Weise wird
zur Durchführung einer bestimmten Transaktion eine
Majorität geschaffen.
cc) Teilweise Minderung der Gefahren durch
Einführung der Proporzwahl.
Derartige Manipulationen werden durch das Pro-
porzsystem in ihrem Erfolg etwas geschwächt. Zur
gänzlichen Unterbindung solcher Geschäftsgebahren
werden aber nur die von uns bezeichneten Wege
führen.
*
37
k
11
dd) Die Teilnahme an der Generalversammlung.
Als Ausweis für die Teilnahme an den Generalver-
sammlungen haben die Interessenten sich Zutrittskarten
zu verschaffen. Gewöhnlich bestimmen die Statuten
Näheres über die Erlangung derselben. Beispiel:
Elektrizitätswerk Lonza in Gampel: »Art. 11. Um
an der Generalversammlung teilzunehmen, haben die
Aktionäre ihre Titel wenigstens fünf Tage vor dem
Versammlungstage bei der Gesellschaftskasse oder bei
denjenigen Stellen, welche der Verwaltungsrat hiefür
bezeichnet, zu hinterlegen. Sie erhalten dagegen eine
Zutnttskarte, welche auf den Namen lautet«.
Um die Teilnahme an der Generalversammlung in
möglichst großer Anzahl herbeizuführen, sind manche
Gesellschaften schon dazu übergegangen, Prämien zu
bezahlen. So wollte z. B. die Sozietä Veneta per
Costruzione e esercizio di ferrovie secundarie durch
em Bankkonsortium 16 Millionen Lire Obligationen
ausgeben. Um den Beschluß der Generalversammlune
herbeiführen zu können, sollte für jede vertretene Aktie
eme Prämie von zwei Lire gezahlt werden. Dieselbe
Praxis übte 1900 der Credit Lyonnais und auch die
Societe Lorraine de Dietrich & Co. in Luneville, um
bestimmte Transaktionen mit der nötigen Majorität
durchführen zu können.
V. Die passive Wahlfähigkeit.
1. Der Zweck der Aktionärqualität.
a> In theoretiscfier Beziehung.
Das Obligationenrecht stellt nur eine Forderung
an diejenige Person, welche als Verwaltungsmitglied
fungieren soll, nämlich: Aktionär zu sein. Diese
Aktionärqualität statuiert Art. 649,1 O.-R. der folo-en-
dermaßen lautet: »Die Verwaltung kann nur %on
38
Aktionären ausgeübt werden. Werden Nichtaktionäre ge-
wählt, so können dieselben ihr Amt nur antreten, wenn sie
zuvor durch Erwerb von Aktien Aktionäre geworden sind« .
Daß das Gesetz mit dieser Bestimmunor nur einen
rein theoretischen Zweck im Auge hat, geht daraus
hervor, daß auch nur eine Aktie genügt, um der ge-
setzlichen Anforderung zu entsprechen. Die Absicht
ist wohl die, daß das Verwaltungsmitglied kraft seiner
Aktionäreigenschaft zum Mitglied der Gesellschaft wird.
Deshalb wird auch der Erwerb von Aktien der eigenen
Gesellschaft verlangt. Es ist den Statuten überlassen,
die Anzahl der Aktien festzulegen, welche hinterlegt
werden sollen. Zugleich wird in denselben auch an-
gegeben, wo sie zu deponieren sind. Ist eine Vorschrift
darüber nicht vorhanden, so hat dies bei der Gesellschaft
zu geschehen. Die Anzahl der Aktien, welche zu hinter-
legen sind, ist bei den einzelnen Gesellschaften sehr
verschieden. So verlangen die Statuten der A.-G.
Cailler die Hinterlegung von 100 Aktien, diejenigen
von Tobler & Co. zehn Prioritätsaktien oder 50 Stamm-
aktien. Wird die Deponierung^^) einer beträchtlichen
Anzahl von Aktien gefordert, so könnte der Grund
hierfür darin liegen, daß man das finanzielle Interesse
der einzelnen Verwaltungsratsmitglieder inniger mit dem
Geschick des Unternehmens zu verbinden sucht.
b> In praktisdier Beziehung.
Ein praktischer Zweck wird durch die Deponierung
von Aktien dann erreicht, wenn die Statuten ausdrück-
lich bestimmen, daß die hinterlegten Aktien als Kaution
dienen. In diesem Falle hat die Gesellschaft bezw.
haben die Aktionäre und Gläubiger ein Rückgriffsrecht
auf die Aktien. Tatsächlich treffen nun auch verschiedene
Statuten darüber Bestimmungen, so z. B. diejenigen
der Schweizerischen Unfallversicherungs-A.-G. Winter-
thur in § 22: »Jedes Mitglied des Aufsichtsrates hat
zehn auf seinen Namen lautende Gesellschaftsaktien
als Kaution für Erfüllun«: seiner Pflichten bei der
.<!
90
Gesellschaft zu hinterlegen. Sie werden ihm nach seinem
Ausscheiden aus dem Aufsichtsrate und nach Ge-
nehmigung der Rechnung über das Geschäftsjahr, in
welchem er noch mitgewirkt hat, zurückgegeben«.
Warschauer'^) begnügt sich nicht damit, daß die
Regelung der Deponierung von Aktien in beliebiger
Hohe den Statuten überlassen bleibt, sondern verlanet
■ eine gesetzliche Regelung mit Fesdegung eines be-
stimmten Betrages entsprechend der Höhe des Aktien-
kapitales. Demgemäß müßten AufsichtsratsmitHieder
einer Aktiengesellschaft, welche eine Million Aktien-
kapital besitzt, nominell je fünftausend Mark in Aktien
hinterlegen, bei jeder weiteren Million tausend Mark
mehr bis zu einem Höchstbetrage von 15,000 Mark
Von Brockdorff'^) möchte sogar einen Betrag bis zu
50,000 Mark festgesetzt wissen, mit der sonderbaren
Begründung, daß die Mitglieder von Aufsichtsräten
doch Leute seien, die mit hohen Summen zu rechnen
gewohnt seien. Am weitesten aber geht ein Vorschlag
im Deutschen Ökonomist'«), nach welchem ein Höchst
betrag statuiert wird, der dem zehnfachen Betrag der
durchschnittlichen Jahrestantieme entspräche.
Wir können uns den vorgenannten Vorschlägen
keinesfalls anschließen. Die Normierung der Beträge
soll m das Belieben der einzelnen Gesellschaft gestellt
werden da sie am besten weiß, welche Anforderungen
sie für die Sicherheit ihrer Verwaltungsorgane zu stellen
hat. Daraus folgt von selbst eine statutarische Recrelung
Sehr häufig hört man die Ansicht, wie zweckmäßig es
sei daß das Obligationenrecht die Möglichkeit schaffe
die Geschäftsführung an Personen zu übertragen, welche
nicht wie die Verwaltungsräte, auch einen Aktienbesitz
der betreffenden Gesellschaft nachzuweisen brauchen
Dadurch werde es möglich, bei der Wahl der in Be-
tracht kommenden Personen sich nur von deren Fähie-
keiten leiten zu lassen, ohne daß dieselben über Mittel
zu verfügen brauchen. Blicken wir nun in die Statuten
der emzelnen Gesellschaften, so bemerken wir daß
gerade von diesen Personen oft eine ziemlich hohe
Kaution verlangt wird.
Beispielsweise bestimmen die Statuten der Schweizer-
ischen Kreditanstalt in § 35 : »Jeder Direktor des
Hauptsitzes hat bei seinem Amtsantritt 50 Aktien der
Schweizerischen Kreditanstalt, jeder Direktor der Zweig-
niederlassung, sowie jeder dieselbe vertretende Direktor
oder Vizedirektor des Hauptsitzes und der Zweignieder-
lassung 25 solcher Aktien als Amtskaution bei der
Gesellschaftskasse am Hauptsitz zu hinterlegen«.
Maggi's Nahrungsmittel A.-G. Kempttal, Art. 21,3:
»Die Mitglieder der Generaldirektion haben bei der
Gesellschaft eine vom Verwaltungsrat festzusetzende
Kaution zu hinterlegen«.
Mechanische Backsteinfabrik Zürich, § 24: »Jedes
Mitglied der Direktion muß Aktionär sein und hat
eine vom Verwaltungsrat festzusetzende Anzahl Aktien
der Gesellschaft als Kaution zu hinterlegen.« Wir sehen
daraus, daß die Praxis obiger Argumentation widerspricht.
Die Stellung der Kaution durch den Verpflichteten
wird in der Praxis manchmal dadurch umgangen, daß
die zu hinterlegenden Aktien von der Gesellschaft selbst
deponiert werden. In diesem Falle sichert sich die
Gesellschaft ihr Eigentumsrecht an den in Kaution
gegebenen Aktien, indem sie sich beglaubigen läßt, daß
seitens der Personen, für weiche die Deponierung erfolgte,
keine Eigentumsansprüche geltend gemacht werden.
2. Statutarische Bedingungen als Voraussetzung
für die Wahl in den Verwaltungsrat
<Wohnsitz, Nationalität etc.)
Während das Gesetz keine weiteren Anforderungen
an die Wählbarkeit einer Person stellt, suchen manche
Statuten gewisse Bedingungen erfüllt zu sehen.
Nach Bachmann ^^) sind laut O.-R. nur physische
Personen, nicht auch juristische Personen, Körperschaften
40
41
oder Handelsfirmen wählbar. Auch die deutsche Literatur
ist Jast einstimmig dieser Ansicht. Eine Ausnahme
hiervon macht Simon'«), der z.B. vorschlägt, nicht ge-
wissen Bankdirektoren, sondern die Banken selbst in
den Aufsichtsrat zu wählen, überhaupt jede Handels-
gesellschaft mit juristischer Persönlichkeit, die Sitz in
einem Aufsichtsrat erstrebt.
„, ,Y^"" ^""^l' i"i Gesetz keine Bestimmung, welche die
Wahl junstischer Personen ausschließt, enthalten ist
n fif'J't^/'^ '■^^'^ legis, dagegen, sowohl'in
Deutschland'«») als noch viel mehr in der Schweiz Die
Aufgaben, welche der schweizerische Gesetzgeber dem
Verwaltungsrat aufbürdet, stellen die größten Anforder-
ungen an die persönliche Tüchtigkeit seiner Mitglieder
Sie erheischen individuelle Eigenschaften des Geistes
und Charakters, welche einer juristischen Person an
und für sich nicht innewohnen. Wir glauben uns daher
der herrschenden Ansicht aus rein wirtschaftlichen und
praktischen Gründen anschließen zu können.
Suchen wir nun an der Hand von Statuten die
Bedingungen zusammenzustellen, welche bei der Wahl
m den Verwaltungsrat da und dort berücksichtigt werden
müssen, so betreffen dieselben:
J. Den Wohnsitz. Hierüber bestimmt Art 18
der Floretspmnerei Ringwald A.-G.: «Der Verwaltunes-
rat besteht aus 6-10 Mitgliedern, von welchen die
Mehrheit ihren Wohnsitz in Basel oder Niederschöntal
haben muß.«
Aktiengesellschaft Thommens, Uhrenfabriken Wai-
denburg, ^14: «Er (der Verwaltungsrat), besteht aus
J-5 Mitgliedern, von welchen mindestens 2 ihren stän-
digen Wohnsitz in Waidenburg haben müssen«.
Helvetia, Schweizerische Unfall- und Haftpflicht-
Versicherungsanstalt, Zürich, § 34, Abs. 2: «Mindestens
5 Mitglieder müssen in Zürich und Umgebung und
weitere 5 in Genf oder Umgebung ihren Wohnsitz
naben.«
2, Wohnsitz und Nationalität, Aluminium-Industrie
A.-.G, Neuhausen. »Der Verwaltungsrat soll in der
Mehrzahl aus Schweizerbürgern bestehen, die dauernd
in der Schweiz wohnen«. Ebenso Zuckerfabrik Aarberg,
Art. 18, Abs. 2.
J. Verwandtschaftliche und geschäftliche Rück-
sichten. Schweizerische Kreditanstalt Zürich, »Ver-
wandte in auf- und absteigender Linie und Brüder,
sowie Anteilhaber einer und derselben Firma können
nicht nebeneinander im Verwaltungsrat sitzen«. Ebenso
Schweizer. Bankverein.
Schweizerische Unfall -Versicherungs A.-G., Winter-
thur; § 21: »Ausgeschlossen von der Wahl zu Mit-
gliedern des Aufsichtsrates sind Vertreter anderer, die-
selben Branchen betreibenden Versicherungsanstalten
und die eigenen Beamten und Agenten. Ebenso können
nicht nebeneinander dem Aufsichtsrate oder dem Ver-
waltungfskomitee anofehören Verwandte in auf- und
absteigender Linie, Brüder oder Teilhaber an der
gleichen Firma«.
Helvetia, Schweizerische Unfall- und Haftpflicht-
Versicherungsanstalt, Zürich, § 34,1 »Mitglieder, die
einen haftpflichtigen Betrieb führen sind nur dann in
den Verwaltungsrat wählbar, wenn sie bei der Anstalt
kollektiv versichert sind«.
Was die Bestimmungen über den Nepotismus
anbetrifft, so schlägt Stier-Somlo^^) vor, daß derselbe
auf gesetzlichem Wege ausgeschlossen werden soll.
Wir dürfen derartigen Bestimmungen keine allzugroße
Bedeutung beimessen, da sie doch sehr leicht umgangen
werden können. Gute Freunde können als Ersatz heran-
gezogen werden und leisten vielleicht noch besser die
gewünschten Dienste, als nahe Verwandte. Unseres Er-
achtens genügt es vollständig^ ^*'), den Ausschluß des
Nepotismus statutarisch festzulegen.
Endlich möchten wir noch einen Vorschlag^**) er-
wähnen, welcher an die Wahl zum Aufsichtsratsmitglied
die Voraussetzung geknüpft wissen möchte, daß die in
I
43
•*sä-
Betracht kommende Person auch für das Amt befähirtist
Daß ein aus lauter qualifizierten Personen bestehender
Aufsichtsrat ideal sein würde, wird jedermann einsehen,
u, "^"Ptschwierigkeit zur Durchführung dieses Vor-
schlages bestände aber darin, auf welche Weise der
Beweis für die Qualifikation erbracht werden sollte, und
müA '" A"fo':derungen an eine solche gestellt werden
mußten. W,e diese Fragen praktisch gelöst werden
konnten, scheint uns nicht klar zu sein. Eine gesetzliche
l^estlegung vväre unbegründet und eine statutarische
praktisch nicht durchführbar.
VI. Die Amtsdauer.
Das Obligationenrecht bestimmt in Art 649 3 O -R
folgendes über die Amtsdauer; »Die Mitglieder der
Verwaltung werden auf höchstens sechs Jahre gewählt
und sind, wenn die Statuten nicht etwas anderes be-
stimmen, wieder wählbar«.
Das Gesetz normiert in diesen Auslassungen eine
Hochstzahl von zusammenhängenden Dienstjahren für
das Verwaltungsmitglied und verweist zugleich auf die
Statuten, in denen eine Regelung innefhalb der an-
gegebenen Grenze möglich ist. Davon machen auch
nun die meisten Statuten Gebrauch, obwohl es unter
anderm auch solche gibt, die gar nichts über die
Amtsdauer erwähnen.
folgende Beispiel zeigen, das fast alle die Punkte
welche in diesen und jenen Statuten nur vereinzelt
aufgeführt sind, vereinigt.
Qi/'"S" "^^r ^^^^^n^^bereien vormals Stünzi Söhne,
s, 16: »Der Verwaltungsrat besteht aus 3-5 Mit^lieden^
und wird von der Generalversammlung auf eine Amts-
dauer von drei Jahren gewählt.
Unter einem Jahr ist die Zeitdauer von einer ordent-
lichen Generalversammlung bis zum Schluß der nächsten
ordentlichen Generalversammlung zu verstehen.
Alljährlich fallen so viele Mitglieder in Erneuerung,
daß in drei Jahren alle Mitglieder in möglichst gleich-
mäßiger Verteilung der Erneu erungsw^ahl unterworfen
sind. Der Turnus, in welchem die einzelnen Mitglieder
austreten, wird das erste Mal durch das Los bezeichnet.
Die Austretenden sind wieder wählbar.
Freiwilliger Rücktritt ist den Mitgliedern des Ver-
waltungsrates jederzeit gestattet, doch muß der dies-
fällige Entschluß drei Monate vor dem Rücktritt dem
Verwaltungsrat und nötigenfalls der Kontrollstelle zu
Händen der Generalversammlung angezeigt sein.
Die Emeuerungs- und Ersatzwahlen erfolgen in
der ordentlichen Generalversammlung, ist jedoch die
Zahl der besetzten Stellen im Verwaltungsrat durch
Tod oder Rücktritt auf weniger als zwei gesunken, so
muß die Generalversammlung zur Wiederbesetzung der
erledigten Stellen außerordentlich einberufen werden.«
»Neu gewählte Mitglieder treten in die Amtsdauer
der Ausgeschiedenen ein.«
Die Anzahl der Jahre, auf welche die Verwaltungs-
mitglieder gewählt werden, ist bei den einzelnen Cie-
sellschaften sehr verschieden. Im allgemeinen können
wir sagen, daß die Amtsperiode sich meist entweder
auf drei oder vier Jahre erstreckt. Es mag in diesem
Falle sehr angebracht sein, ausdrücklich festzulegen,
was unter einem Jahr zu verstehen ist, da das Geschäfts-
jahr der Gesellschaft, Kalenderjahr oder aber der Zeit-
raum von einer ordentlichen Generalversammlung bis
zum Schlüsse der andern zeidich meist verschieden
sind, bezw. verschieden sein können. Daß hier Miß-
verständnisse leicht möglich sind, beweist die Bemerkung
in § 18 der Statuten der Kraft- und Übe rtragungs werke
Rheinfelden, die folgendermaßen lautet: »Die Ver-
waltungsratsmitglieder bleiben jedesmal bis zum Amts-
antritt ihrer Nachfolger im Amte«.
i
m
44
45
Um zu verhindern, daß die Kontinuität in der
Verwaltung unter einer momentanen Stimmung in der
Generalversammlung zum Nachteil des Unternehmens
gestört werde, schließen die Statuten häufig eine Total-
erneuerung aus und lassen nur eine Partialemeuerunc.
zu, die natürlich vor dem Ablauf der ordentiichen
Amtsdauer beginnen muß, damit die gesetzlichen Be-
stimmungen nicht überschritten werden. Diese Praxis
'•^^r i-^fl^'^^"' '^^ '^^^"■■^'^ ^i"e größere Stetigkeit
ZtZ k"^ '^^' ^"" Verwaltungsrat obliegenden
rnichten verbürgt ist.
Es sind nur wenige Statuten, die eine Gesamt-
erneuerung des Verwaltungsrates bestimmen, so z B
die 1 onwarenfabrik Embrach A.-G.
Der Austritt vor Ablauf der Amtsperiode aus dem
Verwaltungsrat kann freiwillig oder unfreiwillig sein
Die meisten Statuten gewähren das freiwillige Rück-
tnttsrecht^ knüpfen aber daran meist die Bedingung
daß die Kündigung drei Monate vor Niederlegung des
Amtes zu erfolgen hat. '' ^
Der unfreiwillige Austritt kann stattfinden durch Tod
m7^;^^^o""^, '^"^"' der Generalversammlung
(Art. 64/ O.-R.) oder auch dann, wenn die Wahl eines
Mitgliedes an emen bestimmten Wohnsitz oder an andere
Bedingungen gebunden war und darin eine Änderun<r
eintrat. Durch die Veränderung des Wohnsitzes eines
Mitgliedes wird aber gegebenenfalls nicht nur das Aus-
scheiden desselben aus dem Verwaltungsrat nötie
sondern auch eine Ersatzwahl, da der Wegzug die
statutengemäße Zusammensetzung berührt. Bestimmen
aber z. B. die Statuten, daß je ein Mitglied des Ver-
waltungsrates in Zürich und in Bern wohnen muß und
tauschen die an den genannten Plätzen seßhaften Ver-
waltungsratsmitglieder ihren Wohnsitz gegenseitig so
ist wieder der Austritt noch eine Ersatzwahl erforderlich
Eine Ersatzwahl wird vorgenommen, nachdem
eine außerordentliche Generalversammlung einberufen
worden ist, oder indem man mit einer solchen bis zur
kommenden ordentlichen Generalversammlung wartet.
In den meisten Fällen ist eine sofortige Ersatzwahl
dann erforderlich, wenn durch den Austritt die Zahl
der Mitglieder des Verwaltungsrates unter die in den
Statuten angegebene Mindestzahl herabsinkt (in obigem
Beispiel zwei).
Manchmal kommt es auch vor, daß dem Verwaltungs-
rat laut Statuten ein Selbstergänzungsrecht zugestanden
wird, was allerdings gesetzlich unzuläßig ist. Die Be-
stätigung durch die Generalversammlung erfolgt dann
bei deren nächstem Zusammentritt. Ein Beispiel für
diese Praxis haben wir bei der Deco A.-G., vormals
G. Helbling & Co., Zürich, indem i; 17,2 der Statuten
folgendes bestimmt: «Scheidet ein Mitglied vor Ablauf
seiner Amtsdauer aus, so steht dem Verwaltungsrat
das Selbstergänzungsrecht zu. Das neugewählte Mit-
glied tritt bis zur nächsten Generalversammlung in die
Amtsdauer des Ausgeschiedenen ein und unterliegt der
Bestätigung derselben«.
VII. Die Zusammensetzung des
Verwaltungsrates.
Die Zusammensetzung des Verwaltungsrates be-
trachten wir am besten unter dem Gesichtspunkt der
Interessen, die man mit der Besetzung einer Verwal-
tungsratstelle verfolgt. Dementsprechend können wir
folgende Gruppierung vornehmen:
1. Reine Kapitalinteressen.
2. Kapital- und geschäftspolitische Interessen.
3. Geschäftspolitische-, Verwaltungs- und Geschäfts-
führungsinteressen .
Während bei der Vertretung der unter Punkt 1
und 2 angeführten Interessen die Person weniger
ausschlaggebend ist, als die hinter derselben stehenden
46
47
objektiven Interessen, tritt in Punkt 3 die Personen-
frage mehr in den Vordergrund und ist in den meisten
Fallen auch für die Wahl bestimmend. Die unter Punkt
3 angeführten Interessen bilden zugleich die Parallele
für die verschiedenen Funktionen des Verwaltungsrates
welche wir später zu betrachten haben.
1 . Verschiedene Gruppierungen seitens anderer
Autoren.
Bevor wir der Ausführung unserer Gruppierung
naher treten, möchten wir noch auf zwei andere hin
weisen, von welchen die eine von Passow, die andere
von Eulenburg aufgestellt worden ist. Auch diese legen
Ihrer Emteilung die Motive zu Grunde, welche zu einer
Vertretung im Verwaltungsrat berechtigen.
Passow^s) gruppiert folgendermaßen:
1. Großaktionäre.
2. Vertreter eines Bankhauses.
Vertreter infolge von Interessengemeinschaften
Vertreter von Kleinaktionärgruppen.
Sachverständige.
Frühere Direktoren.
Dekorative Personen.
8. Personen mit wertvollen Beziehungen
9. Sinekuren.
10. Vertreter des Staates.
Diese Art der Zusammenstellung, die auf Darstellung
der Einzelmotive ausgeht, leidet an Unvollständiakeit
insofern, als ,m Einzelfall oft nicht nur der oder fener
Grund entscheidend war, sondern beide, oder mehrere
zusammen, wodurch die einzelnen Gruppen in ein
falsches Licht gerückt werden. Noch mehr ist dies zu
sagen von der Gruppierung, wie Eulenburg^S) sie vor-
nimmt nämlich nach Berufen. Diese faßt er in sechs
rtauptkategorien zusammen :
4.
5.
6.
7.
1. Bankiers.
2. Fabrikanten.
3. Kaufleute.
4. Rentner.
5. Beamte.
6. Liberale Berufe.
Eulenburg weist selbst auf die Mängel seiner
Zusammenstellung hin. (Es sind nur die Aktiengesell-
schaften der Berliner Börse herano^ezoe^en — ein g^roßer
Teil der Aktien wird überhaupt nicht an der Börse
notiert - Kombination von Berufen). Ganz abgesehen
von der Richtigkeit dieser Erkenntnis muß noch erwähnt
werden, daß in sehr vielen Fällen der Beruf in keiner
Weise für die Begründung eines Verwaltungsratssitzes
ein Anhaltspunkt sein kann. Hierdurch wird aber die
Zweckmäßigkeit dieser Gruppierung in Frage gestellt.
2. Die Gruppierung dts Verfassers.
a> Reine Kapitalinteressen.
Wenden wir uns nun der näheren Ausführune: unserer
Gruppierung zu, und betrachten zunächst die durch
reine Kapitalinteressen entstandene Gruppe im Ver-
waltungsrat, so ist festzustellen, daß wir es hier mit
Personen zu tun haben, die infolge ihres Aktienbesitzes
gewählt wurden. Es liegt sehr nahe, daß eine große
Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen auch einen
Einfluß auf dasselbe rechtfertigt. Dieser kann viel
leichter und intensiver durch eine Vertretung in einem
elastischeren und mit dem Geschäftsgang der Gesell-
schaft in näherer Verbindung stehenden Organ, wie
der Vervvaltungsrat es ist, geltend gemacht werden,
als in der Generalversammlung, die wohl das oberste
Organ der Gesellschaft ist, aber schwerfällig arbeitet und
dem Geschäftsgang femer steht, als der Verwaltungsrat.
Sowohl private Personen, wie z. B. Bankiers'-*), welche
die Bankiertätigkeit aufgaben und nunmehr als Verwalter
48
49
M
m
ihres allrnählich in Industriepapieren angelegten Ver-
ZTcJaTr"' '■' 'r^ Gesellschaften. kSnnen als
sog, Großaktionäre m dem Vervvaltungsrat vertreten
sein. In den meisten Fällen ist der Besitz der Aktien
uenn nur das Kapitalinteresse in Frage kommt, auf die
ZeuderGrundungder Aktiengesellschaftzurückzuführen
Handelt es sich um eine Bargründung, so ist die
Hoffnung auf Prosperität des Unternehme«; die Triet
Su'.^rh.r""'- f'^'T" Kapitalanlage, Diese Ab-
sicht ) hat meist ein dauerndes Verhältnis der Groß-
aktionare zu der Gesellschaft zurFolge, Der <rroße Aktien
besitz vererbt sich von einem Gefchlecht^zum ändert"
sodaß vvir vor allem in Deutschland gewisse Familien
finden, die von einer Generation zur andern einen Ver-
waltungsratssitz in derselben Gesellschaft »vererben«
Bei IIa lons- oder ApportgrUndungen^^") .sind meist
F ne XeC« '? Unternehmens die Großaktionäre
Fme direkte Beteiligung an der Geschäftsführung wird
nicht mehr gewünscht, so daß man sich mit einem Sitz
irn Verwaltungsrat begnügt, um auf diese Art auf das
Schicksal der neuen Gesellschaft einwirken zu können
In beiden Fällen kann eine Bank als reiner Kapital^
Interessent vertreten sein, doch ist zu betonen, daß im
allgemeinen dieselbenicht daraufausgeht, bezw, auch nich
darauf ausgehen kann, ihre Kapitalien festzulegen, da ihre
So iditat und vor allem ihre Liquidität in Gefahr kommen
konnte. Ls,stderBankvielmehrdarumzutun,vielelaufen
de Geschäfte zu machen, woran die Bindung von Kapitalien
Kap tal semen Kreislauf macht, um so vorteilhafter ist es
iur dieselbe. Deshalb tragen ihre Beteiligungsgeschäfte
in der Hauptsache geschäftspolitischen Chamkter wo
rauf wn- weiter unten noch zurückkommen we;den.
re!n.n jP^^f ;^.'^'^"^ fi"^^" ^ir als Großaktionäre mit
beidetT •'".""." '''" P'"^"^i--"ng«gesellschaften,
nicht ?nR /"T i'' '^^' g^eschäftspolitische Interesse
nicht in Betracht kommt, sondern deren Hauptzweck
m der Kapitalisierung des investierten Kapitales besteht
b> Kapital» und gesdiäftspolitisAe Interessen.
Am häufigsten aber wird ein Sitz im Verwaltungsrat
erstrebt, um dadurch sowohl kapitalistische als aucli
geschäftspolitische Interessen verfolgen zu können. Dies
tritt am deutlichsten in den Beziehungen zwischen Bank
und Industrie zu Tage. Man kann wohl sagen, daß die
Vertretung einer Bank im Verwaltungsrat eines in Form
einer Aktiengesellschaft organisierten Industrieunter-
nehmens zu den regelmäßigen Erscheinungen gehört.
Tjies kann darauf zurückzuführen sein, daß Jie ver-
tretene Bank die regelmäßigen Zahlungs- und Kredit-
geschäfte der Gesellschaft besorgt, oder aber die
Emmission ihrer Obligationen, Aktien usw. übernimmt.
Auf jeden Fall sichert sich die Bank einen Sitz im Ver-
waltungsrat, wenn die in Frage kommende Gesellschaft
in hohem Maße Kredit in Anspruch nimmt. Hier ist
es von größter Wichtigkeit, daß die Bank^') durch eine
stetige Kontrolle über die gesamte Geschäftsleitung
und das Geschäftsgebahren orientiert ist. Dies ist auch
dann nötig, wenn bei der Gründung oder Umwandlung
eines Unternehmens die Bank die Emission der Aktien
übernommen hat und ein erheblicher Teil derselben
in ihrem Besitz verblieben ist. Zu diesen vorwiegend
kapitalistischen Interessen kommen dann noch die
geschäftspolitischen.
Die moderne Entwicklung hat es mit sich ge-
bracht, daß z. B. in einer Großbank eine Fülle von
industriellen Interessen zusammengehäuft ist, so daß
dieselben Persönlichkeiten nicht selten im Verwaltunes-
rat einander fremder, aber der Branche nach ver-
wandter Unternehmen sitzen. Der Grund hierfür ist
darin zu suchen, daß bei großen Finanzinstituten die
Geschäfte ressortmäßig verteilt sind und daher nur
ein beschränkter Kreis von Personen als sachkundig
für die einzelnen Industriezweige gilt. In wiefern
hierin ein Vorteil liegen kann, mag uns das folgende
Beispiel zeigen.
50
51
Eine prosperierende Gießerei hat das Bedürfnis,*)
sich zu vergrößern und sucht zur Finanzierung der
Neuanlagen eine Bank. In diesem Falle dürfte dies
ihr nicht schwer fallen, da die Investition eine große
Rente verspricht, für die Bank also ein sicheres Ge-
schäft zu machen ist. Es werden nun der Gießerei
Kreditbedingungen auch seitens einer Bank angeboten,
die zu ihren Kunden eine Maschinenfabrik, eine Werk-
zeugfabrik und eine Motorenfabrik zählt und in deren
Verwaltungsrat sie vertreten ist.
In weiser Voraussicht wird sich die Gießerei für
diese Bank entscheiden, selbst wenn die Bedingungen
derselben ungünstiger sind, als diejenigen einer andern.
Sie hofft, daß es der Bank möglich wird, eine Geschäfts-
verbindung mit den genannten Werken herbeizuführen,
um für die steio-ende Produktionsmöoflichkeit wieder
sicheren Absatz zu haben. Das wäre ein Vorteil so-
wohl für die Bank, als auch für die Gießerei.
Anderseits ist es aber auch sehr gut möglich, daß
die neuen Kunden der Gießerei zum Verhängnis werden
können, insofern, als dieselben Konkurrenten ihrer
alten Kunden sind. Dadurch wird die Gießerei vielleicht
bald vor die Tatsache gestellt, diesen oder jenen Ab-
nehmer verlieren zu müssen. Je nach Lage der Ver-
hältnisse kann die Gießerei als Lieferant für die andern
Betriebe von Vorteil sein, oder auch nicht. Sind die-
selben finanziell nicht zu sehr abhängig von der Bank,
so werden sie sich die freie Entschließune über die
Geschäftsverbindung vorbehalten; ist dies aber nicht
der F'all, so dienen sie mehr oder weniger als Sanierungs-
objekt, wobei die Bank in erster Linie die Wahrung
ihrer eignen Interessen im Auge hat.
Es soll nicht verkannt werden, wie segensreich
die Vertretunor einer Bank im Verwaltunesrat einer
Industriegesellschaft sein kann, wenn dieselbe nur die
Rolle eines finanztechnischen Beraters oder Vermittlers
*) Vgl. auch Siegfried Herzog, Industrielle Verwaltungs-
technik, S. 31 ff.
übernimmt. Sobald aber die Finanzpolitik nicht nach
den Bedürfnissen der Gesellschaft sich richtet, sondern
nur unter dem Gesichtswinkel der Bedürfnisse der Bank
betrieben wird, kann dieselbe zum größten Schaden
der Gesellschaft werden. Diese Gefahr besteht vor
allem dann, wenn der Bankvertreter Präsident des
Verwaltungsrates ist und als solcher ^weitgehenden Ein-
fluß und Machtbefugnisse besitzt. In der Schweiz haben
wir diese Fälle seltener als in Deutschland. Das folgende
Beispiel mag uns zeigen, wie egoistisch eine derartige
Stellung ausgenützt wurde.
Der Bankier Kari Neuburger^») war Vorsitzender
des Aufsichtsrates in verschiedenen Gesellschaften.
Mit Übernahme dieser Stellung wurden dieselben ver-
anlaßt, ihre alte Bankverbindung zu brechen und die
Bankguthaben auf seine Firma zu übertragen. So hatte
die Finkenberg-Cement-A.-G. Emigeriohe, in deren
Aufsichtsrat sich Neuburger noch einige Zeit vor dem
Zusammenbruch seiner Gesellschaft wählen ließ, ihre
Bankguthaben auf die Firma Neuburger übertragen
müssen, mit dem Resultat, daß für einen erheblichen
Prozentsatz desselben mit einem Verlust zu rechnen war.
Dieselben Transaktionen bewirkten die Vertreter der
Bank Albert Schappach & Co. und G. Lilienthal überall
da, wo sie als Aufsichtsratsvorsitzende fungierten.
Mit Recht wurde anläßlich dieser Vorkommnisse
in der Presse darauf hingewiesen, daß die Gesell-
schaften einen derart weitgehenden Einflyß seitens der
Bank verhindern und das Amt eines »Schatullver-
walters« nicht dem Vertreter derselben überrtagen sollten.
Am ausgeprägtesten finden wir aber die Verquickung
von Kapital- und geschäftspolitischen Interessen in der
verschiedenartigen Anwendung der sog. »Beteiligung«.
Gleichartige oder verwandte Unternehmungen suchen
durch gegenseitige Aktienbeteiligung die verschieden-
sten Zwecke geschäftspolitischer Natur zu erreichen.
Auf diesem System beruht auch teilweise die Bildung der
Syndikate, Kartelle und Trusts. Auch das Vorstadium
il
S2
53
der Fusion, die Interessengemeinschaft, wird meist
durch Beteiliorung herbeigeführt. Charakteristisch ist
hierbei, daß der Sitz im Verwaltungsrat ledigh'ch durch
die Beteihgung erwirkt wird, der Hauptzweck aber in
der Verfolgung geschäftspolitischer hiteressen besteht.
Wie schon oben angedeutet, trachtet das Wirt-
schaftsleben immer mehr darnach, sich zu expandieren,
zu konzentrieren und zu kombinieren. In diesen Be-
strebungen bedient es sich insbesondere des Aufsichts-
rates, .dem dadurch ein typisch geschäftspolitischer
Stempel aufgedrückt wird. Die in folgendem anzu-
führenden Beispiele, denen wir besonders in Deutsch,
land begegnen, mögen dies bestätigen.
1. Unternehmungen der Veredelungsindustrie be-
teiligen sich an solchen, die Rohstoffe liefern. So haben
z. B. Eisenhütten- und Stahlwerke das größte Interesse
an dem Bezug von guter und billiger1<ohle, weshalb
wir oft eine Beteiligung ersterer bei Kohlenbergwerks-
Aktiengesellschaften finden. Nicht vorteilhafte Investition
von Kapital in der Bergwerksgesellschaft ist der Zweck
dieser Transaktion, sondern günstiger Bezug von Kohle.
2. Unternehmungen^^ö), die gewisse Spezialartikel
fabrizieren suchen eine Beteiligung bei Fabriken von
Fertigfabrikaten, z. B Lohngießereien bei Maschinen-
fabriken. Die Absicht ist die, für die Produktion einen
sicheren Absatz zu haben. Für die Verarbeiter spezieller
Halbfabrikate ist dies von größter Bedeutung, da die-
selben meist sehr leistungsfähig sind und im' offenen
Markt vielleicht nur beschränkten Absatz fänden.
3. Unternehmungen, welche ihre Fabrikate ex-
portieren, suchen sich gerne bei den großen Export-
firmen zu beteiligen, um neue Absatzgebiete für ihre
Waren zu gewinnen.
4. Gleichartige Fabriken beteiligen sich gegenseitig,
um den kraßen Konkurrenzkampf zu beseitigen, sei es'
daß man gewisse Preise vereinbart oder eine Teilung
der Absatzgebiete vornimmt.
5. Viele Unternehmunsren bezwecken mit der Be-
teiliirunof *die Erränzungf ihrer Produktion. Diese Trans-
aktion erfordert zugleich eine Einsicht in die Fabrikation,
weshalb hierfür die Form einer Interessengemeinschaft
gewählt wird, die, wie schon erwähnt, das Vorstadium
zu einer F'usion bildet. Hierzu ein Beispiel, das wir
näher betrachten möchten, da auch eine schweizerische
Unternehmuncr hierbei in Fragfe kommt.
Die Elektrizitätsgesellschaft vorm. Lahmeyer & Co.
in Frankfurt a. M. und Felten-Guilleaume-Karlswerk
A.-G. verbinden sich. Das Karlswerk in Mühlheim
fabrizierte hauptsächlich elektrische Kabel und mußte,
da elektrische Anlachen meist als Ganzes versieben
werden, die Verbindung mit einer Fabrik herbeiführen,
die elektrische Maschinen und Anlaq^en liefert. Für
Lahmeyer konnte der Anschluß an ein Werk, das
Kabel und sonsdo;e Bedarfsartikel für Installationen
herstellt, vorteilhaft sein. Felten-Guilleaume erhöhte
das Aktienkapital von 36 Millionen Mark auf 52 Millionen
Mark und eab so der neuen Interessencremeinschaft
die finanzielle Unterlage. Die günstigen Resultate
bewirkten eine ErVveiterung des Geschäftskreises, so
dass dieser Konzern die alte Firma Escher- Wyß & Co.
übernahm. Bekanntlich ist die genannte Firma welt-
berühmt durch den Bau von Dampfturbinen. Das von
ihr angewandte System Zölly ist nur auf 17 Jahre
einem deutschen »vSyndikat zur Verwertung des Zölly-
Patentes« zur Ausbeutung übertragen worden. An der
Spitze des Syndikates stehen die Siemens-Schuckert-
Werke, der Norddeutsche Lloyd und Friedrich Krupp.
Da die Lahmeyer- Werke den größten Teil des Aktien-
kapitales von Escher Wyß & Co. im Besitz haben, die
Verwertung des Zölly-Patentes aber einen Hauptbestand-
teil in der Fabrikation von Escher- Wyß & Co. bildet,
wird die Folge wohl eine Verständigung der beiden
Konzerne sein. Im Jahre 1910^^) wurden denn auch die
Felten-Guilleaume-Lahmeyer-Werke der Allgememen
Elektnzitätsgesellschaft Berlin angegliedert. AH diese
:^
54
55
?f
Verbindungen und Verständigungen finden ihren Ab-
schluß in der Einräumung einer Vervvaltungsratsstelle.
Dies mag an der Hand der obigen Werke nachge-
wiesen werden.
Der Generaldirektor von Felten-Guilleaume-Karls-
werk A.-G. ist der Präsident des Verwaltungsrates von
Escher-Wyß & Co., Zürich und Mitglied des Aufsichts-
rates^») der »A.E.-G.« in Berlin. Andererseits ist ein
Direktor der A. E.-G. im Aufsichtsrat des Felten-
Guilleaume-Karlswerkes A.-G.
Die A. E.G. Berlin^^^ ist ferner stark beteiligt an
der Bank für elektrische Unternehmungen (Elektrobank)
in Zürich. Nachdem sie dieser Bank 1900/01 die Elektro-
chemischen Werke Bitterfeld und Rheinfelden für zu-
sammen 7 Millionen Mark abgetreten hatte, besaß sie
3,179,700 Fr. Aktien der ersteren. Im Jahre 1910
gingen Aktien der Lahmeyer- Werke durch Umtausch
im Betrage von 2,172,000 Mark in den Besitz der Bank
lür elektrische Unternehmungen in Zürich über. Auch
diese gegenseitigen Beteiligungen kennzeichnen sich
äußerlich durch die gegenseitige Vertretung im Ver-
waltungsrat. So sind Mitglieder des Verwaltungsrates
der Bank für elektrische Unternehmungen im Auf-
sichtsrat der Lahmeyer- Werke vertreten. Andererseits
ist ein Mitglied des Direktoriums der A. E.-G. Dele-
gierter des Verwaltungsrates der Bank für elektrische
Untemehmuneen.
Wenn bei Interessengemeinschaften die Beteiligung
meist über die Hälfte des Aktienkapitales beträgt, so
geht dieselbe noch weiter bei den sog. Tochtergesell-
schaften, deren Gründung sich vor allem in der elektro-
technischen Branche und in ihr nahestehenden Gebieten
eingebürgert hat. Ein Beispiel hierfür bietet uns die
Firma Brown, Boveri & Co., Baden, Schweiz,^^) welche
zur Erweiterung ihres Arbeitsfeldes an verschiedenen
in- und ausländischen Plätzen Fabrikuntemehmen
schuf, an welchen sie durch Aktienbesitz finanziell be-
teiligt ist und die wir nachstehend verzeichnet finden.
Übersicht über die Beteiligungen von Brown, Boveri & Co.
während der Interessengemeinschaft mit der A. E.-G. in den
Jahren 1904— 1909.
(Entnommen aus: Siegmund Levi, »Der Geschäftskreis der
schweizerischen Großaktienbanken, mit besonderer Berück-
sichtigung der Geschäftsbeziehungen zu Industrie- und Eisen-
bahnunternehmungen«. Zürcher Diss., S. 43.)
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^SociETk ^LBTTPlCH D, BeHEfFHTo
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56
57
Das Wichtigste unter denselben ist die A.-G Brown
Boveri & Co. in Mannheim, deren Aktienbesitz sich
ganz im Besitz der Firma in Baden befindet. Der
uT . r Ve^waltungsrates des Mutterhauses ist
auch der Vorsitzende des Aufsichtsrates der Gesell-
Schaft in Mannheim.
Den Schlußstein bilden dann noch so^. »reine
Beteiliguno-sgesellschaften«. Hierfür haben wir zwei
typische Beispiele in der Schweiz in den Sulzer- Unter-
nehmungen A.-G. in Schaffhausen und in der Bank
für elektrische Unternehmungen, Zürich. Nach dem
Hnanzjahrbuch^^) der Schweiz besteht der Zweck der
Sulzer-Unternehmungen in der Gründung, Übernahme
1 achtung, Finanzierung von Unternehmungen der Ma-
schmen- und Heizungs-Industrie und damit im Zu-
sammenhang stehenden Industrien im In- und Auslande
und Beteiligung an solchen. Die Gesellschaft besitzt
das Aktienkapital der Gebrüder Sulzer A -G in
Winterthur (12 Millionen Fr.), der Gebrüder' Sulzer
in Ludwigshafen (4 Millionen Mark) und ist beteili<n
bei der »Sulzer- Zentralheizungen« G. m b H Tn
Mannheim, sowie bei den Verkaufsstellen* dieser
Unternehmungen. Der Präsident des Verwaltuno-s-
rates der Sulzerunternehmungen in Schaffhausen Ist
Vizepräsident im Verwaltungsrat der Gebrüder Sulzer
A.-G VVinterthur. Umgekehrt ist der Präsident der
Gesellschaft m Winterthur Vizepräsident der Gesell-
schaft in Schaffhausen.
Je mehr das schweizerische Wirtschaftsleben in
das hntwicklungsstadium des deutschen tritt um so
mehr wird der in der heutigen Organisationsform
bestehende Verwaltungsrat, der bis jetzt noch vor-
wiegend Verwaltungs- und Geschäftsführungsinteressen
in sich vereinigt, auch zu einem geschäftspolitischen
Organ werden. Ansätze hierfür finden wir überall
so daß deren Entwicklung nur eine Frajre der
Zeit ist. ^
58
c> Geschäftspolitisdie^^, Verwaltungs*^ und
Gesdiäftsführungsinteressen.
Betrachten wir nun noch die Gruppe, welche ge-
schäftspolitische-, Verwaltungs- und Geschäftsführungs-
interessen in einem gewissen Gleichmaß in sich vereinigt
und deren Zusammensetzung mit den unter der Gruppe 1
genannten Interessen, mit den gegenwärtigen schw^eizer-
ischen Verhältnissen am besten übereinstimmt.
Zur Wahrnehmung*) genannter Interessen finden
wir zunächst Leute, die auf kaufmännischem, tech-
nischem oder wissenschaftlichem Gebiet eine hervor-
ragende Rolle spielen. Ihre Persönlichkeit, ihre Kennt-
nisse und auch ihre guten Verbindungen gaben den
Anreiz zur Wahl. Wir erinnern nur z. B. an Groß-
industrielle in Deutschland wie Thyssen, Stinnes, Isidor
Löwe usw., die in den verschiedensten Unternehmungen
als Aufsichtsratsmitglieder fungieren, ohne ein finanzielles
oder geschäftspolitisches Interesse zu verfolgen. In den
meisten Fällen werden solche mit ^Fachkenntnissen aus-
gerüstete Personen mit besonderen Aufgaben betraut.
Sehr häufig finden wir in gewissen Zw-eigen der
Industrie im Verwaltungsrat V^ertreter^'*), die eine hohe
Staatsstellung oder eine bedeutende politische Stellung
einnehmen. Man sucht dieselben, um eine Geschäfts-
verbindung mit den Regierungsbehörden leichter be-
werkstelligen zu können. So z. B suchen Gewehr-
und Munitionsfabriken in Deutschland höhere Offiziere
als Aufsichtsratsmitglieder zu gewinnen, die sich in
diesem Falle aber pensionieren lassen müssen, da sich
ein solches Amt nicht mit ihrer Staatsstellung verträgt.
Maschinenfabriken in der Schweiz suchen vielleicht
einen Nationalrat in den Verwaltungsrat zu gewinnen,
um von dem Bund Aufträge zu erhalten.
Bei Neugründung einer Gesellschaft geht man
sehr gern darauf aus, Leute mit einer hohen sozialen
Stellung, die sich eines guten Rufes erfreuen, in den
*) Vgl. auch Siegfried Herzog a. a. O. S. 30.
50
Verwaltungsrat zu wählen, um dadurch der neu zu
gründenden Gesellschaft den Stempel der Solidität
aufzudrücken. Der Zweck welcher damit erreicht werden
soll, ist der, daß infolge des durch die Persönlichkeit
des einzelnen Verwaltungsratsmitgliedes gewährleisteten
Vertrauens das zur Gründung nötige Kapital gezeichnet
Avird. So hatten wir doch bei der Gründuno- der
»Lucema« Anglo Swiss Milk Chocolat, Hochdorf eine
elf- bis zwölffache Überzeichnung des Aktienkapitales.
Im ersten Verwaltungsrat sassen durchweg angesehene
Persönlichkeiten, darunter Vertreter von Behörden.
Versicherungsgesellschaften jeder Art lieben es
insbesondere, hervorragende Namen, schöne Titel in
dem Verwaltungsrat vertreten zu haben, »welche der
Gesellschaft^«) in den Augen des Publikums Glanz
verleihen sollen«. Da die Versicherten der Lebens-,
Unfall- und Feuerversicherungs- Gesellschaften usw.'
zu einem großen Teil aus kleinbürgerlichen Kreisen
stammen, so mag diese Dekorationspolitik nicht ohne
Erfolg sein. Doch wie wir aus obigen Darlegungen
schließen können, finden wir in sehr vielen Gesell-
schaften aller Branchen solche dekorative Größen.
Speziell und ausschließlich Verwaltungs- und Ge-
schäftsführungsinteressen vertreten die von der Ver-
waltung hierzu besonders bestimmten Personen, sei es
daß sie als Delegierte, Ausschußmitglieder, General-
direktoren, Direktoren oder welch andere Bezeichnungen
dafür üblich sind, auftreten: Sie besitzen gewöhnlich
fachmännische Kenntnisse und sind meist Kaufleute
Techniker, Juristen. '
Zum Schlüsse möchten wir noch auf eine Kategorie
von Verwaltungsratsmitgliedem hinweisen, deren Ver-
tretung in keinem, die aufgeführten Interessen berühren-
den Zusammenhang zur Gesellschaft steht. Solche,
unter dem Schlagwort »Tantiemenjäger« wohlbekanten
Personen verdanken ihren Sitz meist verwandtschaft-
lichen oder freundschafdichen Beziehungen zu Ver-
waltungsratsmitgliedem.
VIII.
Die Kumulation von Verwaltungsratsstellen.
1. Die Gründe für die Kumulierung.
Wie schon erwähnt, bedingen die vielseitigen Inte-
ressen unserer privatwirtschaftlichen Unternehmungen
auch eine Verfolgung und Vertretung derselben, was
eben durch einen Verwaltungsratssitz geschieht. Nun
ist aber das Angebot von wirtschaftlich tüchtigen Kräften
viel geringer, als die Nachfrage nach solchen. Anderer-
seits sind^ auch die Interessen einer Unternehmung,
wie z. B. einer Bank, viel weitgehender als die einer
anderen, z. B. einer Eisengießerei, so daß ein Miß-
verhältnis entsteht zwischen Angebot und Nachfrage
gewisser Interessenvertretungen, das sich dann in der
Personenfrage äußert. Die Folge hiervon ist, daß auf
Personen gewisser Wirtschaftszweige eine unverhältnis-
mäßig große Anzahl von Verwaltungsratsstellen kommt,
beding? durch die in der betreffenden Branche oder
in der Person vereinigten vielgestaltigsten Interessen.
Einige Beispiele mögen diese Tatsache illustrieren.
Der Geheime Kommerzienrat Louis Hagen in Köhi,
einer der bekanntesten Finanzmänner dieses Platzes,
hat 5 5 Aufsichtsratstellen^^) inne und marschiert mit dieser
Zahl an der Spitze. Laut Angaben in der »Zukunft« ^^)
und der »Bank«^^) bekleideten im Jahre 1908:
Aufsichtsratsstellen
16
17
18
19
20
21
22
23
24
Personen
10
8
2
4
2
3
2
3
Aufsichtsratsstellen Personen
25 5
26 1
28 3
30 2
35 1
42 1
44 1
r
60
61
Eulenburg^o^ stellt in einer Untersuchuncr an Hand
i^' t nn?'r 1^"'^^" "^^^ Direktoren und Aufsichtsräte«
für 1906 folgendes fest:
Über 21 Aufsichtsratsstellen haben 18 Personen mit
zusammen 488 Aufsichtsratsposten. Im Durchschnitt also
2/ Stellen, 10 und mehr Stellen hatten außerdem noch
136 Personen inne, die sich zusammen folgender-
maßen verteilen:
Bankiers
P^abrikanten
Kaufleute .
91 Rentner .
' • • •
28 Öffentlichen Dienst
12 Liberale Berufe
6
9
7
Bei diesen Kumulationen überwieoen die Bankiers
mit e.nen, Anteil von 59 7„. Diese tatsache beweist
uns die Richtigkeit unserer obigen Behauptung, daß
m erster Linie die Interessen für die Erlangung eines
Aufsichtsratssitzes maßgebend sind. Da unter allen
privaten Unternehmungen wohl die Banken die viel-
seitigsten Interessen vereinigen, so stellen auch diese
die meisten Aufsichtsratsmitidieder
Wodurch wird die Anzahl der Verwaltun.rsratsstellen
in einem Unternehmen bedingt' In erster Linie durch
die Interessen, welche in einer Gesellschaft kumuliert
sein müssen, um ihre Existenz aufrecht zu erhalten
Erst m zweiter Linie kommt die Größe der Gesell-
schaft, gemessen an dem Gesellschaftskapital in Erac^e
VV ir machen diese Unterscheidung zwischen Interessen-
kumulation und Aktienkapital deshalb, weil z B die
Erhöhung des Aktienkapitales nicht notwendioerweise
auch eine Erweiterung von Interessen im Verfall un-s-
rat in sich schließt. Wohl ist dies sehr oft der l'all
aber es darf keine Regel daraus abgeleitet werden'
Es ist deshalb richtig, wenn Passow^') sao-t claß die
Aufsichtsratsstellen nicht annähernd gleichmäßio- mit der
Hohe des Kapitales zunehmen, so daß wir im Verhältnis
zum Kapital bei den kleineren Gesellschaften durch-
schnittlich mehr Aufsichtsratsstellen haben, als bei den
großen Gesellschaften. Das Aktienkapital allein ist
insofern auch für die Zahl der Verwaltungsratsstellen
mit entscheident, als dasselbe den Maßstab für den
Gewinn bildet, aus dem die Vergütungen der Ver-
waltungsräte bestritten werden.
Das Obligationenrecht setzt eine Mindestzahl von
Mitgliedern für die Verwaltung nicht fest. Dagegen
verlangt das deutsche H. G. B. in § 243,1 daß der Auf-
sichtsrat aus mindestens drei Mitofliedem bestehen muß.
Die Grenze nach oben ist gesetzlich weder in der
Schweiz noch in Deutschland festgelegt.
2. Die Kritik der Kumulierung.
Die Kumulierung von Verwaltungsratsstellen hat in
Literatur und Presse schon vielfach Anlaß zu Erörter-
ungen gegeben, indem derselben meist unlautere Motive
untergeschoben werden. So sagt Wermert**): »Ein
Aufsichtsratsmitglied, welches sich bestrebt, seine
Tätigkeit fortgesetzt über weitere Aktiengesellschaften
auszudehnen, kann hierzu nur durch seinen Tantiemen-
hunger angetrieben werden.« An anderer Stelle
spricht er von einem »Ring«*^) der die Aufsichtsrats-
stellen als »fette Pfründen« unter sich verteile, von
einer »Vettermichel Wirtschaft«, durch welche nur An-
gehörige ein und derselben Familie in den Ver-
waltungen zahlreicher x^ktiengesellschaften vertreten
wären. Stier-Somlo'*'*) äußert sich folgendermaßen:
»Daß sachliche Gründe die Motive der Kumulierung
abgeben, kommt heutzutage fast nur bei den großen
Banken vor. Ärgemiserregend, unsozial, den Interessen
der Aktionäre und der gesamten Volkswirtschaft ab-
träglich ist aber gerade die häufige Übernahme von
Aufsichtsratsstellen durch Private aus persönlichen,
egoistischen Gründen, aus Gewinnsucht, vielfach ohne
auch nur die x\bsicht selbst nur einen ganz geringen
leil der Stellen in einer dem Gesetz entsprechenden
Weise zu versehen.«
62
m
3. Vorsdiläge und deren Kritik.
Diese Kritik hat zugleich auch viele Vorschläge
gezeitigt, welche einer allzugroßen Kumulierung ent-
gegentreten sollen. So verlangt Schanz^^), daß man
die Zahl von Aufsichtsratsstellen, die eine Person be-
kleiden darf, gesetzlich auf drei beschränken soll.
Gemünd-Knödgen'*^) erachtet die Vereinigung von 5
Stellen als zuläßig. Warschauern^) glaubt dem Übel
durch das »Prinzip der individuellen Stellenbegrenzung«
steuern zu können, indem im Gesetz bestimmt wird,
wie viel Aufsichtsratsstellen jemand höchstens einnehmen
darf. Dabei soll die Höchstzahl möglichst niedrig sein.
Wir haben in dem Kapitel über die Zusammen-
setzung des Verwaltungsrates die Gründe für die Be-
setzung desselben dargelegt und auch erwähnt, daß
darin Leute sitzen, die ihre Stellung dem Nepotismus
oder Protektionismus verdanken, ohne der Gesellschaft
irgend einen Dienst zu leisten. Für diese ist zweifellos
der Ausdruck »Tantiemenjäger« richtig. Daß aber solche
Personen in der Zusammensetzung eines Verwaltungs-
rates eine überragende Stellung einnehmen, welche obige
Reformvorschläge rechtfertigen könnte, scheint unseres
Erachtens nicht der Fall zu sein. Eine Vorschrift, die der
individuellen Leistungsfähigkeit Schranken ziehen will,
ist ganz zu verwerfen. Die persönliche*^), körperiiche^
oder geistige Fähigkeit des Einzelnen, sein Fleiß, seine
Kenntnisse, seine praktische Erfahrung, seine Muße
kommen hier wesentlich in Betracht. Je nach der Auf-
gabe, vyelche dem einzelnen Verwaltungsratsmitglied
zufällt, ist in vielen Fällen ohne weiteres eine Häufung
von Verwaltungsratstellen möglich, ohne die veriangten
Pflichten zu vernachläßigen. Wir denken hier vor allem
an die Vertretung reiner geschäftspolitischer Interessen.
Die Pflichten der speziellen Verwaltung und Geschäfts-
führung ziehen von selbst die Schranken für die Mög-
lichkeit der Erfüllung anderer Aufgaben. Es liegt im
eigensten Interesse der einzelnen Gesellschaft die
64
»Nullen« aus der Verwaltungsratsliste zu streichen. In
der Aktiengesellsehaft muß die gesunde Kraft liegen,
um Parasiten nicht aufkommen zu lassen, oder, wenn
solche vorhanden sind, sie zu entfernen.
Wie die meisten Anfeindungen gegen den deutschen
Aufsichtsrat im allgemeinen, so sind auch diejenigen,
welche sich gegen die Kumulierung richten, darauf
zurückzuführen, daß derselbe seinen Kontrollpflichten
nicht nachkommt, deren Ausübung man von jedem
Aufsichtsratsmitglied erwartet. Stellte man diese An-
forderungen in praxi an den Aufsichtsrat, dann wäre es
allerdings ausgeschlossen, dass jemand 55 Aufsichtsrats-
stellen bekleiden kann. Man läßt im Urteil ganz außer
Betracht, daß in der Kontrollforderung das Gesetz der
Praxis nicht Rechnung getragen hat, sonst hätte es die-
selbe nicht einem Organ aufgebürdet, dessen Bedeutung
in seiner Verwaltungs- und geschäftspolitischen Tätigkeit
liegt. Mit dieser ist die Kontrolle unmöglich in dem
Maße zu verbinden, wie der Gesetzgeber sie verlangt.
Eine Festlegung der Zahl von Verwaltungsratsstellen,
die eine Person innehaben kann, istauch wegen der mannig-
faltigen Verschiedenheit der einzelnen Gesellschaften gar
nicht denkbar. ^^) Zwischen berechtigter und übermäßiger
Anhäufung wird man schwer die Grenze ziehen können.
Wir glauben die Gründe für die Kumulation ge-
nügend dargelegt zu haben, so daß ein gesetzlicher
Eingriff in dieser Beziehung unseres Erachtens un-
praktisch und unnatürlich erscheint.
IX. Die Funktionen des Verwaltungsrates.
1 . Die statutarische Festlegung der Funktionen*
Die Funktionen des Verwaltungsrates sind teils im
Gesetz, teils in den Statuten, teils in den Geschäfts-
ordnungen der einzelnen Gesellschaften festgelegt. Nur
die beiden ersteren können uns als Quellen dienen,
da die Geschäftsordnungen Außenstehenden nicht
65
zugänglich sind. In sehr vielen Fällen bieten uns auch
die Statuten nicht viel Material. Eine größere Anzahl
derselben enthält oft nur ganz kurze Auslassungen über
die Funktionen, wie z.B. die Statuten der Schweizer-
ischen Bindfadenfabrik Flurlingen in § 23: »Der Ver-
waltungsrat hat über alle nicht ausschließlich der
Generalversammlung vorbehaltenen Gesellschaftsange-
legenheiten selbständig Beschlüsse zu fassen, und seine
Beschlüsse, sowie diejenigen der Generalversammlung
zur Ausführung zu bringen«.
Diese Tatsache veranlaßt uns, mit einigen Worten
auf die Bedeutung eines sorgfältigen Ausbaues der
Statuten hinzuweisen. Wir glauben in den Statuten
einer Aktiengesellschaft eine Organisationsbasis erblicken
zu dürfen, deren Grundpfeiler uns die Eigenart des
Unternehmens erkennen lassen müssen. Daher ist es
nötior, daß die Statuten nicht nur, wie dies häufle geschieht,
die Ororane der Aktienoresellschaft und deren Aufeaben
im Rahmen des Gesetzes aufzählen, sondern daß die-
selben ein detailliertes Arbeitsverteilungssystem der
Verwaltungsorgane wiedergeben. Mit der genauen
Kompetenzausscheidung für die einzelnen Organe wird
noch lanoe nicht das Geschäftsofeheimnis verraten. Wir
wollen nicht verkennen, daß eine richtige Organisation
iür sehr viele Unternehmungen eine Stärke und einen
Vorteil bedeuten, gegenüber anderen derselben Art.
Allein die internsten Verrichtungen sollen ja auch nicht
ihren Niederschlao; in den Statuten finden. Die Anlage
derselben ist im allgemeinen noch viel zu schematisch,
was wohl auf das Kopiersystem zurückzuführen ist, das
bei der Aufstellung- derselben noch viel zu häufio- an-
gewendet wird. Die Statuten müssen im oroßen und
oanzen ein einheitliches Bild darstellen von der gesamten
Tätigkeit, für welche die gesetzlichen Organe der
Aktiengesellschaft verantwortlich sind. Wie gewisse
Funktionen im einzelnen auszuüben sind, das kann
einer internen Regelung überlassen werden. Man müßte
vom hihalt der Statuten den Eindruck eines sorgfältigen
66
Geschäftsgebahrens bekommen, was bis jetzt durch-
aus nicht der Fall ist. Wir wollen an dieser Stelle
nicht unterlassen noch festzustellen, daß gerade eine
Anzahl sehr gut prosperierender Unternehmungen große
Sorgfalt auf den Ausbau ihrer Statuten gelegt haben
Dies beweist, daß die gute Entwicklung des Unter-
nehmens dadurch nicht beeinträchtigt wird. Vielleicht
wäre es gut, soweit zu gehen und zu bestimmen, daß
die Eintragung einer Gesellschaft von einem in lanserem
Sinn angedeuteten Ausbau der Statuten abhätiorior pre-
macht wird. Diese Forderung würde dann noch da-
durch gerechtfertigt, daß die Aktiengesellschaft auch
einen gewissen öffentlichen Charakter hat, was eine
bestimmte öffentliche Kontrolle erheischt. Je breiter
die Anlage der Statuten ist, um so eher wird es Außen-
stehenden möglich, sich ein Urteil über die Organisation
einer Gesellschaft zu bilden.
Entsprechend der Natur der Funktionen des Ver-
waltungsrates machen wir folgende Einteilung: Ver-
waltende, geschäftsführende und geschäftspolitische
Funktionen. Die gesetzliche Vertretung kann sowohl
eine Funktion verwaltender wie auch geschäftsführender
Natur sein.
Diese Einteilung deckt sich mit den auf S. 47 unter
Punkt 3 der Zusammensetzung des Verwaltungsrates
angeführten Interessen, welche durch ganz bestimmte
und dazu befähigte Personen verfolgt werden sollen.
J
a
T
2. Begriffsbestimmung von »verwaltender« und
»geschäftsführender« Tätigkeit des
Verwaltungsrates.
Bevor wir auf die Funktionen des Verwaltungs-
rates im einzelnen eingehen, wollen wir im allgemeinen
festlegen, was nach unserer Auffassung unter dessen
»verwaltender« und oreschäftsführender« Täti^^keit zu
verstehen ist.
67
5
M
»Die verwaltende Tätigkeit« des Vervvaltungsrates
besteht in der Ausübung solcher Pflichten, welche den
rechtmäßigen Bestand der Aktiengesellschaft garantieren.
Außerdem schließt dieselbe allgemein leitende und
beschlußfassende Tätiorkeit in sich.
»Die geschäftsführende Tätigkeit« des Verwaltungs-
rates besteht in Überwachuno- und Leitune der Aus-
führung von Geschäften, welche mittelbar oder unmittel-
bar die Erhaltung des Gesellschaftsvermöo ens bezwecken
und deren Durchführung teils der Beschlußfassung der
Verwaltung (verwaltende Tätigkeit des Verwaltungsrates)
zuc^runde lieet.
Wir sehen daraus, daß beide Begriffe sich eng be-
rühren und sogar ineinandergreifen, daß Charakteristika
der einen Tätigkeit auch in der anderen enthalten
sind, so daß eine scharfe Trennung nicht vorgenommen
werden kann. So ist es z. B. möglich, daß die Aus-
führung einer Gesetzesbestimmung sowohl eine ver-
waltende, als auch gleichzeitig eine geschäftsführende
Funktion ist. Andererseits kann die, im allgemeinen
einen Verwaltungsakt darstellende Beschlußfassung
über eine Transaktion, Geschäftsführung sein. Daraus
schließen wir, daß die Einteilung der Funktionen nur
unter dem Gesichtspunkt vorgenommen werden kann,
daß man vorwiegend die einen oder anderen Symptome
zu gruppieren sucht.
I «
3. Die Verwaltungsfunktionen.
a> Die Verwaltungsfunktionen nach dem Gesetz.
Das O.-R. fordert von dem Verwaltungsrat die
Ausübung folgender Verwaltungsakte:
1 . Die Anmeldung der Gründung der Gesellschaft
gemäß Art. 621 und 622 O.-R., ein sehr wichtiger
Akt, da durch denselben die Aktiengesellschaft erst
zur juristischen Person wird. Nach Art. 622 Abs. 2
O.-R. muß die Anmelduno- von sämdichen Mitdiedern
66
der Verwaltung vor der Registerbehörde unterzeichnet
oder in beelaubi^ter Form einorereicht werden. In der
Unterzeichnung der Statuten sieht Dietler^") zugleich
die Übernahme der Verantwortung für die formelle
und materielle Richtigkeit derselben. Diese Behauptung
schließt also eine Prüfung des Gründungsherganges
in sich, was besonders bei qualifizierten Gründungen
eine große Rolle spielt. Demnach bestände nach seiner
Anschauung für den Verwaltungsrat dieselbe Pflicht,
wie sie das deutsche H.-G.rB. in § 192,1 vom Vor-
stand und Aufsichtsrat verlangt. Das ist aber leider
nicht der Fall. Bis jetzt besteht für den Verwaltungs-
rat von Gesetzes wegen nicht die Pflicht, eine materielle
Prüfung des Gründungsherganges vorzunehmen (Bach-
mann^^ zu Art. 661 O.-R.). Man kann ruhig behaupten,
daß heute eine solche Prüfung in sachlicher Form über-
haupt nicht stattfindet, was ein großer Fehler ist. Eine
gesetzliche Regelung wäre hier sehr zu begrüßen und
zwar derart, daß der Gründungshergang in jedem Fall
von einer, vom Händelsregister bestellten Sachver-
ständigenkommission geprüft wird, (Töndury schlägt
einen andern Weg vor, indem er zur Prüfung den
Handelsregisterführern geprüfte Bücherexperten zur
Seite stellen möchte, ohne deren, an das Registerbüro
gerichtete Gutachten keine Eintragung erfolgen sollte).
Dadurch würde eine gesunde Unterlage für das Unter-
nehmen gewährleistet werden. Man mag noch so gut
organisieren und disponieren; es ist alles zwecklos;
wenn die Wurzeln wurmstichig sind, können niemals
gute Früchte erzielt werden.
2. Die Verwaltung hat zu verhüten, daß die Ge-
schäfte begonnen werden, bevor die Gesellschaft ein-
getragen ist (Art. 623,2 O.-R.).
3. Die Verwaltung hat dafür zu sorgen, daß die
Aktiengesellschaft keine eigenen Aktien erwirbt, mit
Ausnahme der in Art. 628 angegebenen Fälle. Wir
haben hier eine Besdmmung, die sehr wichtig ist; doch
wird dieselbe gerade durch die Verwaltung in vielen
V
t
m
Fällen umgangen. Der Gesetzgeber hatte bei dieser
Bestimmung wohl die Absicht, Spekulationsmanöver
seitens der Gesellschaft mit ihren eigenen Aktien zu
vermeiden. Es ist aber eine bekannte Tatsache, daß eine
Gesellschaft das größte Interesse z. B. am Aktienkurs
hat, wenn besondere Transaktionen bevorstehen, sei
es Fusion, Auflage von Obligationen, Erhöhung' des
Aktienkapitales usw. Um eine Steigerung des Kurses
herbeizuführen, werden die Verwaltungsräte von der
Gesellschaft beauftragt, große Käufe vorzunehmen.
Infolge , der starken Nachfrage in den betreffenden
Aktien ziehen die Kurse an. In praxi kommt es auf
den Erwerb der Aktien durch die Gesellschaft hinaus,
da die Verwaltungsräte doch für dieselbe handelten.
Beabsichtigt eine Gesellschaft z. B. eine Interessen-
gemeinschaft mit einer andern Unternehmung einzu-
gehen, so sucht man gewöhnlich die Vorbereitung (ür
die sichere Herbeiführung derselben dadurch zutrelfen,
daß man geraume Zeit vorher beginnt, Aktien zu
kaufen, um im geeigneten Augenblick über die nötige
Stimmenzahl zu verfügen. Da die Gesellschaft für diesen
Zweck keine eigenen Aktien hereinnehmen darf, so
müssen sich die Verwaltungsräte dazu hergeben.
4. Die Anmeldung gewisser wichtiger Beschlüsse
der Generalversammlung, sowie Statutenänderungen;
Ausstellung einer Urkunde über dieselben, welche
von sämdichen Personen zu unterzeichnen ist, die
der Beschlußfassung zugestimmt haben (Art. 619 und
622 O.-R).
5. Die Eintragung der für die Gesellschaft verbind-
lichen Unterschrift von denjenigen Personen, welche
dazu ermächtigt sind (Art. 653 O.-R.).
6. Die Eintragung der nicht durch den Konkurs
herbeigeführten Liquidation der Gesellschaft und drei-
malige Publikation derselben in den Gesellschafts-
blättern mit der Aufforderung an die Gläubiger, ihre
Ansprüche anzumelden; ferner die Eintragung der
Liquidatoren laut Art. 666.
7. Die Berufung der Generalversammlung. Wir
haben^2) hj^r zu unterscheiden zwischen der ordentlichen
Generalversammlung, die jährlich wenigstens einmal
stattfinden muß und zwar innerhalb 6 Monaten nach
Schluß des Geschäftsjahres (Art. 644,2 O.-R.) und einer
außerordentlichen Generalversammlung, die einberufen
wird, wenn besondere Verhältnisse dies bedingen
(Art. 644 letzter Absatz). Demnach wird eine außer-
ordentliche Generalversammlung einberufen, »wenn es
von einem oder mehreren Aktionären, deren Aktien
mindestens den zehnten Teil des Grundkapitales dar-
stellen in einer von ihnen unterzeichneten Eingabe
unter Anführung des Zweckes verlangt wird« (Art. 645)
oder wenn die letzte Bilanz zeigt, daß das Grundkapital
sich um die Hälfte vermindert hat (Art. 657, Abs. 1).
8. Die Anmeldung des Konkurses im Falle, daß
die Forderungen nicht mehr durch die Aktiven gedeckt
sind (Art. 657, Abs. 2).
Diese gesetzlichen Verwaltungsfunktionen sind zum
Teil auch'^in den Statuten erwähnt unter näherer
Bezeichnung der Orcrane, welche dieselben auszuüben
haben.
b> Die Verwaltungsfunktionen nadi den Statuten.
Neben den im Obligationenrecht geforderten ver-
waltenden Aufgaben verlangen gewöhnlich auch noch
die Statuten die Erfüllung einer Reihe von Verwaltungs-
pflichten. Diese statutarisch geregelten Verwaltungs-
vorschriften betreffen in der Hauptsache die innere
Organisation der Aktiengesellschaft und die Geschäfts-
fühmng. Nachstehend wollen wir eine Anzahl von Ver-
waltungsfunktionen nach den Statuten einiger schweizer-
ischer Aktiengesellschaften unter dieser Gruppierung
aufzählen, ohne jedoch damit erschöpfend zu sein.
1. Statutarisch festgelegte Verwaltungsfunktionen,
welche die innere Organisation der Aktiengesellschaft
betreffen.
s
f
t
r
i
I
70
71
I
h
;,
Als Verwaltungsaufgaben, welche die innere Organi-
sation der Aktiengesellschaft betreffen, erwähnt Art. 21
der Statuten der Schweizerischen Industriegesellschaft
in Neuhausen unter den Buchstaben:
a) Wahl des leitenden Ausschußes und Festsetzung
von dessen Entschädigung.
b) Wahl eines allfälligen Delegierten des Verwaltungs-
rates, sowie Festsetzung seiner Befugnisse und seiner
Entschädiorunor.
c) Wahl und Endassung der Direktion und Abschluß
der Anstellungsverträge mit denselben. Erlaß der
Reglemente für die Direktion.
d) Wahl und Endassung der Angestellten, welche
einen Fr. 4000.— übersteigenden Gehalt beziehen. Fest-
stellung ihrer Anstellungsverträge und der Zuteilung
allfälliger Gratifikationen an dieselben.
f) Vorberatung und Antragstellung betreffend alle
in der Generalversammlung zur Behandlung kommen-
den Traktanden.
k) Festsetzung der Vorschriften zur Erlangung von
Stimmkarteri für die Generalversammlung.
Weitere innerorganisatorischeVerwaltungsfunktionen
schreiben die revidierten Statuten der Schweizerischen
Unfall -Versicherungs- Aktiengesellschaft, Winterthur,
1884, wie folgt vor.
§ 33, Lit.
c) Die Genehmigung des von der Direktion auf-
gestellten Geschäftsberichtes der Jahresrechnung und
der Bilanz.
g) Die Genehmigung der Aktienübertragung.
h) Die Genehmigung der vom Direktor an die
Generalagenten zu erlassenden Zirkulare.
i) Entgegennahme der Berichte und Anträge des
Direktors betreffend wichtigere Schadenfälle und die
Beschlußfassung über Einleitung oder Aufnahme von
Prozessen.
72
§30,
Lit.
c) Die Ersatzwahl von Mitgliedern des Aufsichts-
rates bei Eintritt von Vakanzen während des Jahres,
welche Wahlen dann der Bestätigung der nächsten
Generalversammlung bedürfen.
d) Die provisorische Ergänzung des Verwaltungs-
komitees gemäß § 32, Abs. 1.
h) Die Einforderung von weiteren Akdeneinzahlungen
gemäß den ijg 8 und 9 dieser Statuten.
n) Die F'estsetzung und allfällige Reparuüon der
Tantieme gemäß § 44 c 2 der Statuten.
p) Die Bezeichnung der Publikationsorgane.
2. Statutarisch festgelegte Verwaltungsfunktionen,
welche die Geschäftsführung betreffen.
Es liegt nahe, daß verwaltende Pflichten, welche
auf dem vielseitigen Gebiet der Geschäftsführung aus-
zuüben sind, nicht nur generell im Gesetz festgelegt
werden, sondern daß gerade hierfür spezielle Vor-
schriften erlassen werden, welche der Eigenart und
dem Bedürfnis jeder einzelnen Gesellschaft Rechnung
tragen. Daher finden wir in einer großen Anzahl von
Statuten mehr oder weniger ausführliche Verwaltungs-
vorschriften, welche die Geschäftsführung betreffen.
Wir führen nachfolgend eine Anzahl derselben nach den
Statuten einiger schweizerischen Aktiengesellschaften auf.
Revidierte Statuten der Schweizerischen Unfall-
Versicherungs- Aktiengesellschaft, Winterthur, 1 884.
§ 33, Lit.
a) Die Genehmigung der Kapitalanlagen.
d) Die Genehmigung der Anträge der Direktion
über Festsetzung der eigenen Maxima der Versicher-
ungen, über allgemeine Abänderung der Versicherungs-
tarife und Versicherungsbedingungen, sowie Einführung
neuer Versicherungsarten.
e) Genehmigung der Anträge der Direktion über
Abschluß von Rück- und Mietversicherungsverträgen,
r
•
\
73
sowie auch von anderen Verträgen, welche die Gesell-
schaft in außergewöhnlichem Maße engagieren.
f) Die Genehmigung von Anträgen des Direktors
über Bestellung und Aufhebung von Agenturen.
§ 30, Lit.
m) Die Begutachtung der von der Direktion ge-
stellten und vom Verwaltungskomitee genehmigten
jährlichen Rechnungsabschlüsse, Bilanzen und Geschäfts-
berichte und Antragstellung über die Verwendung des
Reingewinnes an die Generalversammlung.
q) Die entgiltige Entscheidung über die Miete der
für die Gesellschaft erforderlichen Geschäftslokalitäten.
Statuten der Aktiengesellschaft für Uhrenfabrikation,
Winterthur, 1868.
§ 29.
8. Entscheid über die Wahl der Geschäftslokale,
über Neubauten, Maschinen- Anschaffungen , welche
Fr. 10,000. — übersteioren.
Statuten der Aktiengesellschaft Leu & Co., 1854.
g 32, Lit.
d) Bestimmungen über Annahme und Kündigung
von Geldern und über die Form der Schuldscheine.
e) Bestimmungen von Zinsfuß, Provisionen etc.
Statuten der Schweizerischen Industriegesellschaft
in Neu hausen.
Art. 21, Lit.
g) Die Festsetzung der vom leitenden Ausschuß
vorzubereitenden Jahresrechnungen, sowie der Antrag-
stellung betreffend die Verteilung des Jahresgewinnes.
h) Beschlußfassung über Ausgabe von Obligationen
oder Aufnahmen von festen Anleihen jeder Art, sowie
über deren Rückzahluncr.
o
i) Beschlußfassung über An- und Verkauf von Land,
über Neubauten und Maschinen-Anschaffungen, deren
einmalige Kosten Fr. 20,000. — übersteigen.
Fassen wir die nach den Statuten angeführten
einzelnen Verwaltungspflichten genauer in's Auge, so
finden wir die von uns auf Seite 67/68 vertretene
Ansicht bestätigt, daß sich Verwaltung und Geschäfts-
führung eng berühren. Dies tritt vor allem deutlich
bei den Verwaltungsfunktionen hervor, welche die Ge-
schäftsführung betreffen. So liegt z. B. in der Be-
schlußfassung über An- und Verkauf von Land, über
Neubauten und Maschinen-Anschaffungen ebensoviel
verwaltende als auch geschäftsführende Tätigkeit.
Somit liefert auch die Praxis wiederum einen Beweis
für die Richtigkeit unserer Behauptung, daß eine scharfe
Trennung von Verwaltung und Geschäftsführung un-
natüriich und bis zu einem gewissen Grad unmöglich ist.
4. Die Gesdiäftsführungsfunktionen.
Es liegt sehr nahe, daß das Gesetz keine ausführlichen
Bestimmungen über die Geschäftsführungsfunktionen
gibt und geben kann, da dieselben, bedingt durch die
Art des Unternehmens, nur innerhalb jeder einzelnen
Gesellschaft bestimmt werden können. Daher begnügt
sich das Obligationenrecht auch in der Hauptsache
damit, daß es die Geschäftsführungspflicht des Ver-
waltungsrates generell statuiert. Dagegen kann all-
gemein im Gesetz dem Verwaltungsrat die Sorge für
die Festlegung der Geschäftsvorgänge (Buchführung)
und die Resultatsermitdung (Bilanzaufstellung) übertragen
werden, da sie für jede Gesellschaft in Betracht kommen.
a> Die Gesdiäftsführungsfunktionen nadi dem Gesetz.
Die Unterlage für die Geschäftsführungspflicht des
Verwaltungsrates bildet Art. 650,1 O.-R. der folgender-
maßen lautet:
»Die Statuten können bestimmen, daß die Geschäfts-
führung oder einzelne Zweige derselben von der Ver-
waltung an ein oder mehrere ihrer Mitglieder oder an
einen oder mehrere Dritte, welche nicht Mitglieder
der Gesellschaft zu sein brauchen, übertragen werden.«
4
74
75
Wie wir schon früher erwähnten , kann diese
Funktion auch an Außenstehende übertragen werden;
die Verantwortung dafür trägt aber der Verwaltungsrat.
Worin bestehen nun die Geschäftsführungsfunktionen
nach dem Gesetz?
1. In der Pflicht zur Buchführung und in der Vorlage
der Bilanz (Art. 655,1 O -R.).
2. In der Durchführung der Liquidation, sofern die
Statuten oder eine Generalversammlung nichts anderes
bestimmen (Art. 666,1 O.-R.).
Der aufgelösten Gesellschaft^*"^) fehlen die Organe.
Die Versilberung der Gesellschaft beansprucht aber
oft längere Zeit, weshalb eine Vertretung nötig ist.
»Die Pflicht zur Buchführung«, welche dem Ver-
waltungsrat auferlegt ist, schließt nicht nur die Anlage
derselben in sich, sondern auch die Pflicht zur zweck-
mäßigen Einrichtung. Nach beiden Seiten hin wurde diese
Pflicht schon sehr vernachlässigt, was uns die Bank- und In-
dustriekrache der letzten Jahre deutlich vor Augen führten.
Wir erwähnen nur beispielsweise die Mißstände in derBuch-
führung der Spar- und Leihkasse Herzogenbuchsee und
der Allgemeinen Gewerbekasse Kloten, die noch durch
zahlreiche andere Beispiele ergänzt werden könnten.
L
aa) Die Aufgabe der Buchführung.
Die Buchführung hat die Aufgabe, sämtliche Ge-
schäftsvorfälle buchtechnisch zu erfassen und dieselben
klar wiederzugeben. Die Anlage derselben muß von
den Prinzipien geleitet sein, daß der genaue Wirtschafts-
und Vermögensstatus jederzeit aus den verbuchten
Geschäftsvorfällen zu ermitteln ist. Sämdiche Vorfälle
müssen buchtechnisch wieder in den Zusammenhang
hineingestellt werden, dem sie entsprungen sind. Nur
unter dieser Berücksichtigung wird eine Buchführung
das Spiegelbild der geschäfdichen Transaktionen sein.
In einer solchen Anlage liegt dann auch eine innere
Kontrolle der Vorgänge, die von größter Bedeutung
76
mm
in jedem Fall, im besonderen aber dann ist, wenn der
Umfang des Betriebes eine ausgedehnte persönliche
Kontrolle nicht ermöglicht. Dies werden daher die
größeren Unternehmungen in erster Linie zu beachten
haben und deshalb die größte Sorgfalt auf die Selbst-
kontrolle in der Buchhaltung verwenden müssen, was
bei dem heutigen Stand unserer hochentwickelten
Buchhaltungstechnik nicht schwierig sein dürfte, wenn
man den guten Willen dazu hat.
bb) Die Aufgabe der Bilanz und deren
Aufstellung.
Die zweite im Art. 655,1 O.-R. enthaltene Pflicht
besteht in der »Vorlage der Bilanz«.
Die Aufgabe der Bilanz besteht in der kontenmäßigen
Darstellung der Vermögensverhältnisse und Schulden,
verbunden mit einem Ausweis über die Betriebsergebnisse
des verflossenen Geschäftsjahres. Eine solche Aufstellung
hat nur dann einen Zweck, wenn dieselbe nach den
Grundsätzen der Klarheit und Wahrheit erfolgt. Doch
wird auch diesen Anforderungen im allgemeinen zu
wenig entsprochen, was schon eine lebhafte Kritik in
der Literatur, vor allem aber in der Handelspresse
hervorgerufen hat. Die Mängel der Bilanz betreffen
sowohf die äußere Anlage derselben, als auch die
sachgemäße Zusammenstellung der Konten.
aj ReformbestrebuHgen bezgl, der Auf Stellung der Bilanz.
Um diesen Mängeln zu begegnen, ist die Einführung
von Bilanztypen, entsprechend den verschiedenen Arten
von Unternehmungen vorgeschlagen worden. So hat
s. Z. die Frankfurter Zeitung ein Bilanzschema für die
Banken vorgeschlagen, das auch von der Praxis be-
grüßt wurde. Töndury^^) schlägt vor, daß dem Bundes-
rat die Kompetenz veriiehen werden solle, »nach
Anhörung der Interessenkreise, solche Bilanzschemen
etwa auf dem Verordnungswege vorzuschreiben«.
71
I
I.
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Wenn mit der Einführung der Bilanzschemata
auch noch nicht die Garantie gegeben ist, daß die
* Bilanz uns ein wahrheitsgetreues Bild bietet, so be-
deutete dieselbe doch eine bessere Beurteilungsmög-
lichkeit des Standeader betreffenden Unternehmungen.
Gleichzeitig muß den Verwaltungen zur Pflicht ge-
macht werden^^), die Bilanz zu veröffentlichen, so daß
jedermann die Möglichkeit gegeben ist, dieselbe einsehen
zu können. Dadurch würde auch die Aufgabe der
Handelspresse, die doch das Auge der Öffendichkeit
auf diesem Gebiete darstellen soll, erleichtert. Die
Schwierigkeiten, welche der Handelspresse in der
Verfolgung ihrer wichtigen und schweren Pflichten von
Seiten mancher Unternehmungen (und gerade nicht der
besten) entgegengestellt werden, sind bekannt. Auch
hierin muß mit der Zeit Wandel geschaffen werden,
so daß es einer unabhängigen Presse ermöglicht ist,
anstandslos die Unterlagen für eine gerechte parteilose
Kridk zu erhalten. Im demselben Maße, als der Presse
seitens der Unternehmungen Rechte zugestanden werden,
wächst auch ihre Verantwortung, sowohl den einzelnen
Gesellschaften, als auch der Öffendichkeit gegenüber.
b) Reforfubestrebungen bezgL des Ausbaues der
Geschäftsberichte.
Auch auf den Ausbau der Geschäftsberichte dürften
die meisten Gesellschaften noch größere Sorgfalt legen.
Sehr viele derselben enthaltenbis jetzt nur kurze, nichts-
sagende Angaben und man hat den Eindruck, daß die-
selben nur gemacht werden, um einer Formalität zu
genügen. Der Zweck der Geschäftsberichte müßte
bis zu einem gewissen Grad darin bestehen, die Ent-
wicklung der einzelnen Bilanzposten, sowie deren Zu-
sammensetzung darzustellen. Wenn wir die Bilanz als ein
zahlenmäßiges Gerippe bezeichnen wollen, so möchten
wir dasselbe mit Fleisch und Blut umgeben können,
was aber nur dann möglich ist, wenn der Geschäfts-
bericht die von uns gewünschten Erfordernisse enthält.
b> Die Gesdiäftsführungsfunktionen nach den Statuten.
Ein großer Teil der Geschäftsführungsfunktionen
des Verwaltungsrates trägt für die eine oder andere
Gesellschaft einen mehr oder weniger internen Charakter.
Es ist daher verständlich, daß eine verhältnismäßig
große Anzahl von Akdengesellschaften sowohl allge-
meine als aus auch spezielle Geschäftsführungspflichten
in sog. Reglementen oder Pflichtheften fesdegt, welche
nicht der Öffendichkeit zugängig sind. Manche Gesell-
schaften nehmen allgemeine Aufgaben der Geschäfts-
führung in die Statuten auf und regeln nur die speziellen
Pflichten in den Reglementen. In diesem Falle verweisen
dann die Statuten an der gegebenen Stelle auf die
Sondervorschriften in den Pflichtheften. Ein Beispiel
hierfür haben wir in den Statuten des Versicherungs-
vereins in Zürich von 1872, indem § 28 folgende
Geschäftsführungspflichten erwähnt, nämlich unter:
Lit. d) Die Aufstellung des Geschäftsberichtes und
der Jahresrechnung.
g) Miete von Geschäftslokalen.
Außerdem schreibt § 3 1 dieser Statuten folgendes
vor: »Die Direktion besorgt auf Grundlage des
Reglements und unter der Oberleitung und Auf-
sicht des Ausschußes bezw. Verwaltungsrates die
eigendiche Geschäftsführung nach den Anordnungen
des Direktors.«
Dann gibt es auch Gesellschaften, welche sich mit
einer ganz allgemeinen Umschreibung der Aufgaben
des Geschäftsführungsorganes in den Statuten begnügen,
wie folgendes Beispiel zeigt:
Revidierte Statuten der Schweizerischen Unfall-
Versicherungs- Akdengesellschaft, Winterthur, 1 884.
§ 36. Der Direktor hat die unmittelbare Leitung
der Gesellschaft. Er sorgt für die Beobachtung und
Vollziehung der Statuten, sowie der Beschlüsse des
Verwaltungskomitees und des Aufsichtsrates.
4
78
19
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Er ist der unmittelbare Vorgesetzte aller Beamten
und Angestellten, deren Verrichtungen er beaufsichtigt
oder beaufsichtioen läßt.
Ihm liegt ob, die nötigen Anordnungen für die
Organisation des Geschäftsbetriebes zu treffen.
Er hat die dem Vervvaltungskomitee vorzulegenden
Geschäfte zu prüfen und vorzubereiten.
Er unterzeichnet im Namen der Gesellschaft und
seine Unterschrift verpflichtet die Gesellschaft für alle
Akte und Geschäfte, für welche nicht ausnahmsweise
besondere Vorschriften bestehen. Eine solche besteht
für alle Traktanden, die gemäß dieser Statuten in die
Kompetenz des Aufsichtsrates oder des Verwaltungs-
komitees gehören, in welchen Fällen die Ausfertigungen,
die Unterschriften des Präsidenten und des Protokoll-
führers, des Aufsichtsrates, resp. die Gegenzeichnung
des Präsidenten, oder, in Stellvertretung eines Mitgliedes
des Verwaltungskomitees bedürfen. Die letztgenannte
Gegenzeichnung ist besonders auch erforderlich für alle
Verträge und Aktenstücke, durch welche die Gesellschaft
in außergewöhnlichem Maße engagiert wird, sowie für
alle auf Kapitalanlagen sich beziehenden Schriftstücke.«
Andererseits gibt es auch eine Anzahl Gesell-
schaften, welche eine eingehendere Umschreibung des
Pflichtenkreises der Geschäftsführungsorgane in den
Statuten vornehmen und außerdem noch Sondervor-
schriften in Reglementen fesdegen. Als Beispiel hierfür
mag uns die Aktiengesellschaft für Uhrenfabrikation
in Winterthur, 1868, dienen, in deren Statuten aus
§ 36, Abs. 3 ff. folgendes zu entnehmen ist.
»Die Direktion besorgt unter Oberaufsicht des
leitenden Ausschußes. resp. Verwaltungsrates, die ganze
Leitung des Geschäftes nach den ihr zukommenden
Weisungen und Instruktionen und gemäß Statuten
und Reglementen.
Die Direkuon bereitet dem Verwaltungsrat die
Rechnungsabschlüsse und die Bilanz vor, sie liefert
die Materialien zum Rechenschaftsbericht, entwirft die
Reglemente und macht die geeigneten Vorschläge für
die Organisation des Geschäftsbetriebes, für die Wahl
von Angestellten mit über Fr. 1 500. — jährlichen Gehalt,
für Anhandnahme von neuen Geschäftszweigen, sowie
überhaupt für alles, was das Wohl des Geschäftes betrifft.
Die Direktion setzt sich mit dem leitenden Ausschuß
in möglichst enge Verbindung und unterrichtet diesen
von allem, was im Geschäft vorgeht. Sie erstattet
demselben zu Händen des Verwaltungsrates alle Monate
eine Buchbilanz, veranschaulicht durch Monatstabellen
die ganze Produktions- und Verkaufsbewegung.«
Betrachten wir uns die einzelnen Funktionen, so
können wir feststellen, daß auch mit der geschäfts-
führenden Tätigkeit ein Teil verwaltender Arbeit ver-
knüpft ist, was die von uns auf Seite 68 vertretene
Ansicht stützt.
Femer zeigen uns die Beispiele, daß die Art der
Festlegung der Geschäftsführungsfunktionen noch sehr
verschieden von den einzelnen Aktiengesellschaften
gehandhabt wird. Ein Urteil darüber abzugeben, ob
im allgemeinen ein sorgfältiger Ausbau der Geschäfts-
führungsfunktionen in Statuten und Reglementen be-
steht, ist uns nicht möglich, da wir den Inhalt der
letzteren nicht kennen. Wir müssen uns also damit
begnügen auf die Wichtigkeit hinzuweisen, daß sowohl
allgemeine als auch spezielle Geschäftsführungspflichten
genau für das Organ festgelegt werden, welches die-
selben auszuüben hat. Es muß der Entscheidung jeder
einzelnen Gesellschaft anheimgestellt werden, ob es
möglich ist, neben allgemeinen Aufgaben der Geschäfts-
führung auch noch solche spezieller Art in die Statuten
aufzunehmen. Die Hauptsache ist, daß überhaupt eine
sorgfältige Festlegung der Pflichten der Geschäfts-
führungsorgane vorgenommen wird, sei es in Statuten
oder in Reglementen, worauf wir an anderer Stelle
nochmals zu sprechen kommen.
Zum Schluß wollen wir noch die Geschäftsführungs-
funktionen der Verwaltung der Aktiengesellschaft
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81
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Leu & Co. betrachten und zwar auf Grund der
Organisation, welche sich die geschäftsführenden Organe
am 18. November 1854 selbst gegeben haben. Für
die Geschäftsführung wurden 3 Kommissionen gebildet,
nämlich eine »Bürokommission«, eine »Anleihungs-
kommission« und eine »Finanzkommission«, bestehend
aus je 2 Mitgliedern. Die Pflichten, welche die einzelnen
Kommissionen zu erfüllen hatten, wurden genau fest-
geleet. So wurde der »Bürokommission« die Be-
sorgung der baulichen Einrichtungen, die Antragstellung
über Anstellung und Besoldung des Büropersonals
und der Entwurf eines Reglementes für die Ange-
stellten übertragen.
Der »Anleihungskommission« fiel »die Begutachtung
der Geldbegehren zu Händen der Direktion« zu. Außer-
dem war die »Anleihungskommission« mit der Festlegung
der Grundsätze betraut, »nach welchen sie in Beziehung
auf Sicherheit der Anleihe zu verfahren gedenkt. «
Die hauptsächlichsten Aufgaben der »Finanzkom-
mission« bestanden :
1. In der »Antragstellung an die Direktion betr.
den Zinsfuß der Anleihung.«
2. In der »Antragstellung an die Direktion über
Geldendehnung, resp. die Ausgabe von , Obligo' und
alles, was dazu gehört.«
3. In der »Anlage der Buchführung und Über-
wachung derselben durch ein Mitglied.«
F'erner hatte die »Finanzkommission« die Geld-
verhältnisse der Anstalt im allgemeinen zu überwachen,
»so daß in jeder Wochensitzung, wenn nötig, der
Direktion mitgeteilt werden kann, ob und auf welchen
Termin alle Geldbegehren erledigt werden können
— ob etwa der Zinsfuß für , Obligo' zu verändern
sei — ob temporäre Geldausleihungen zu machen
seien — wer dies zu machen hat und wie dies aus-
o^e führt werden soll.«
Der Grundgedanke dieser Organisation ist der, daß
die Beschlußfassung über die wichtigsten Geschäfte und
82
Transaktionen einer Direktion vorbehalten ist, welche
dieselben vorher durch einzelne Kommissionen be-
arbeiten und prüfen läßt. Damit war man auf dem
Wege, ein gesundes Organisationsprinzip durchzuführen,
indem man die Funktionen und deren Zuweisung an
bestimmte Organe aus dem Bedürfnis der Gesellschaft
heraus festlegte und durchgeführt wissen wollte. Allein
die Tätigkeit der Kommissionen erlahmte und daher
trat auch die Katastrophe mit Escher-Bodmer ein,
welcher einige Jahre hindurch das einzige Mitglied
derjenigen Kommission war, welches im Auftrag der
Direktion je die Jahresrechnungen und die Berichte
zu prüfen hatte.
Wir ersehen aus diesem Beispiel, daß eine Organi-
sation erfolglos ist, wenn die organisatorische Fest-
legung von Funkdonen nicht so erfolgt, daß deren
Durchführung gewährleistet ist.
c> Die sdiledite Gesdiäftsführung als Grund für die
sog. »Kradie« in den sdiweizerisdien Unternehmungen.
So wichtig die Geschäftsführung ist, so große An-
forderungen stellt sie auch an die richtige Ausübung.
Daß gerade darin große Mängel bestehen, das haben
die verschiedenen Krache gezeigt, welche in den letzten
Jahren in der Schweiz vorkamen. Wir möchten daher
nicht versäumen, die Fehler, soweit sie die Unzuläng-
lichkeit der Geschäftsführung betreffen, detailliert
schematisch aufzuführen unter Hinweis auf die einzelnen
Gesellschaften. Sie sind begründet:
1. In der allgemeinen Geschäftsführung und be-
treffen insbesondere:
a) Die falsche^*) Risikoverteilung (Thurgauische
Hypothekenbank).
b) Die maßlose^^) Kreditüberschreitung (Leih- und
Sparkasse Eschlikon, Volksbank in Biel, Kugler & Co.,
Zürich).
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c) Die Überschreitung^^) des natürlichen Geschäfts-
rayons (Spar- und Leihkasse Herzogenbuchsee und
Aadorf, Allgemeine Gewerbekasse Kloten, Banca
Cantonale Ticinese usw.).
d) Den ungenügenden Liquiditätsstatus (bei sämt-
lichen angeführten Banken).
2. In der mangelhaften^^) Anlage und Durchführung
der Buchführung und betreffen insbesondere:
a) Die Unübersichdichkeit der Buchführung (Leih-
und Sparkasse Aadorf, Allgemeine Gewerbekasse
Kloten); schlechte Führung der Kasse und des Wechsel-
portefeuilles (Spar- und Leihkasse Herzogenbuchsee).
b) Die falsche Bilanzierung.
aa) Aufstellung fiktiver Posten (Volksbank Biel,
Gewerbekasse Kloten).
bb) Falsche Aufstellung der Verlust- und Gewinn-
rechnung (Caisse d'Epargne des Franches Montagnes,
Saignelegier).
3. In den Personen, hervorgerufen durch:
a) Unmoralische Handlungen des Direktors oder
Verwalters, der allein^®) »schaltete und waltete«, wo-
durch die betreffenden Unternehmungen auf eine
schiefe Bahn kamen.
aa) Blinde Spekulationswut (Allgemeine Gewerbe-
kasse Kloten).
bb) Unterschlagung (Caisse d'Epargne des F'ranches
Montagnes, Saignelegier).
cc) Nachläßigkeit in der Amtsführung (Leih- und
Sparkasse Herzogenbuchsee, Lucerna, Anglo Swiss
Milk Chocolat).
b) Mangel an genügenden Geschäftskenntnissen
(Lucema).
Bei manchen^ \1 Gesellschaften hat der Direktor
zusammen mit dem Verwaltungsratspräsidenten »unter
Anwendung der einen oder andern Eigenschaft« das
Unternehmen seinem Ruin entgegengeführt. Dies war
der Fall bei Leih- und Sparkasse Bremgarten, Thur-
gauische Hypothekenbank und Credito Ticinese.
In einzelnen^^) Fällen trug auch nur der Ver-
waltungsratspräsident die Schuld an dem Mißerfolg,
so bei der Bank in Horgen, bei der Banca Cantonale
Ticinese und anderen.
5. Die Geschäftsführungsfehler eine Folge
falscfier Organisation.
Gehen wir den einzelnen Fehlem nach, so können
wir sagen, daß sie alle auf dem Gebiete der Organi-
sation liegen, sei es, daß die Organisationsbasis lücken-
haft oder schlecht, oder die Art der Durchführung
der Organisadonsbestimmungen nicht richtig geregelt
war. Da wir es mit Organisationsfehlern zu tun baben,
können dieselben unseres Erachtens auch nur auf
organisatorischem Wege beseitigt werden, wofür wir
im folgenden einige Richtlinien geben möchten.
a> Aufstellung und Begründung einer zweckmäßigen
Organisationsform.
Wir glauben der Darlegung über die Verwaltungs-
und Geschäftsführungsfunktionen entnehmen zu dürfen,
daß das auf Seite 67/68 Gesagte sich bestätigt, eine
Trennung von Verwaltung und Geschäftsführung also
ganz der Natur dieser beiden Begriffe widersprechen
würde. Diese Tatsache möchten wir daher auch der
Organisationsform zu Grunde legen, die unseres Er-
achtens die richtige, natürliche und zweckentsprechende
ist, und die darin besteht, daß Verwaltung und Ge-
schäftsführung in einem Organ vereinigt bleiben. Dies
würde also unserer, auf Seite 5 angeführten Organisa-
tion entsprechen, nach welcher auch die Direktion
innerhalb der Verwaltung steht. Wir treten dadurch
in Gegensatz zu der Ansicht Keller-Huguenins^^), welche
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eine gesetzliche Trennung von Direktion und Ver-
waltungsrat verlangt, entsprechend den deutschen Ver-
hältnissen. Obwohl Keller-Huguenin sich bewußt ist,
daß der von dem deutschen Gesetzgeber durchgeführte,
scharfe theoretische Schnitt, der Verwaltung und Ge-
schäftsführung trennt, in der Praxis verwischt wird,
kommt er doch zu obigem eigenartigem Schluß, für
den wir eine Begründung nicht finden können. Es ist
uns nicht verständlich, warum man eine Gliederung mit
einer genauen Kompetenzausscheidung gesetzlich fest-
gelegt wissen möchte, von der man im voraus weiß,
daß dieselbe praktisch niemals scharf statuiert werden
kann. Die selbständige Festsetzung der Geschäftsfüh-
rung im Gesetz ist ein Mißgriff des deutschen Gesetz-
gebers; den Beweis dafür liefert die Praxis durch die
in den Statuten herbeigeführte Nivellierung von Ge-
schäftsführung und Verwaltung. Unseres Erachtens
sind auch die deutschen Bank- und Industriekrache zum
Teil auf diese gesetzliche Organisation zurückzuführen,
indem der Vorstand, gestützt auf seine alleinige ge-
setzliche Geschäftsführungskompetenz, eigenmächtig
und selbständig Geschäfte machte, in denen der Keim
zum Zusammenbruch gelegt wurde. Wenn dem Vor-
stand ein fähiger Aufsichtsrat gegenüber steht, dann
wird letzterer, wie dies sehr oft geschieht, einen ent-
scheidenden Einfluß auf die Geschäftsführung- ausüben.
Die Gefahr ist aber um so größer, wenn der Vor-
stand nicht allein die Geschäfte der Gesellschaft, sondern
auch den Aufsichtsrat führt.
Die Eigenschaft als Verwaltungsratsmitglied wird
schon dadurch herbeigeführt, daß die Generalversamm-
lung die geschäftsführenden Organe ernennt. Es ist aber
nicht ausgeschlossen, daß Verwaltungsratsmitglieder die
Initiative zur Wahl dieses oder jenes geschäftsführenden
Organes geben; der Entscheid darüber sollte doch der
Generalversammlung anheimgestellt werden. Wie schon
angeführt (Seite 10) ist in der von uns vorgeschlagenen
Organisationsform eine Teilung der Kompetenzen in
der vielgestaltigsten Weise möglich. Sie wird aber
zweckentsprechender und einheidicher durchgeführt
werden können, wenn alle Mitglieder auf einer Stufe
stehen, und einem Organ angehören. Dadurch wird
auch eine größere Einheidichkeit in der gesamten Ge-
schäftsleitung verbürgt, was von größter Bedeutung ist.
b> Die Lösung der Verantwortlichkeitsfrage durch
die Organisation.
Mit dieser Organisationsform hängt auch die Frage
der Verantworriichkeit insofern zusammen, als die Er-
fahrungen bei den Krachen gezeigt haben, daß infolge
der Trennung von Verwaltungsrat und einer außerhalb
desselben stehenden Direkdon die Mitglieder des Ver-
waltungsrates die Verantwordichkeit für den entstandenen
Schaden auf den Direktor abzuwälzen suchten, während
dieser die Verantwordichkeit ablehnte, mit der Be-
gründung, daß er nur ausführendes Organ des Ver-
waltungsrates sei und die Geschäftsführung unter der
Aufsicht des Verwaltungsrates ausgeübt habe. Solche
Ausflüchte sind bei der von uns vorgeschlagenen Organi-
sationsform ausgeschlossen, denn die Geschäftsführung
wird von innerhalb der Verwaltung stehenden Personen
ausgeübt. Somit ist der ganze Verwaltungsrat direkt
haftbar. Während der außerhalb der Verwaltung
stehende Direktor nur seinen Auftraggebern haftet
und diese wieder der Gesellschaft, bezw. Aktionären
und Gläubigern, entsteht durch die Einbeziehung der
geschäftsführenden Personen ebenfalls eine direkte
Verantwordichkeit derselben gegenüber der Gesell-
schaft, bezw. Aktionären und Gläubigem, was gewisser-
maßen einer Erhöhung der Verantwortung der Di-
rekdon entspricht.
WVs die vielen Vorschläge betrifft, welche eine
Erhöhung der Verantwordichkeit der Verwaltungsrats-
mitglieder auf dem Wege des Gesetzes beabsichtigen,
so scheinen unseres Erachtens dieselben unnötig und
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zwecklos zu sein. Die in Art. 673 und 674 O.-R.
aufgeführten Bestimmungen über die Verantwortung
genügen vollständig. Der Fehler liegt nach unserem
Dafürhalten in einer viel zu laxen Anwendung der
Gesetze seitens der Gerichte. Wenn man eine Er-
höhung der Verantwordichkeit erstrebt, so kann dies
nur dadurch praktisch geschehen, daß man die Kom-
petenzen der Verwaltung genau fesdegt und die Ver-
antwortung für die einzelnen Mitglieder scharf umgrenzt,
so daß kein Zweifel mehr bestehen kann über die
Pflichten und die Verantwortung, welche der Einzelne hat.
c> Der Ausbau der Innenorganisation.
aa) Die genaue Festlegung und Abgrenzung
der Kompetenzen.
Daß die Praxis auf eine Kompetenzausscheidung
innerhalb des Verwaltungsrates ausgeht, zeigt das von
uns angeführte Beispiel von Leu & Co. ; ebenso weisen
die Ausdrücke »Ausschuß«, »Direktionskommission«,
»Verwaltungskomitee« usw., welchen wir in den Statuten
begegnen, darauf hin. Werden solche innere Organi-
sationen geschaffen, so ist es vor allem nötig, sagen
wir z. B. die Stellung eines Ausschußes im Verwaltungs-
rat genau abzugrenzen. Die Aufgaben, welche dem-
selben zufallen, müssen genau präzisiert werden und
zwar geschieht dies am besten in besonderen Geschäfts-
ordnungen, welche für jeden Ausschuß aufgestellt
werden müssen und die der Genehmiorunof des iresamten
V erwaltungsrates unterliegen. Diese Innenorganisationen
sollten auch in den Statuten ihren Niederschlag finden,
indem dort die Arbeit aufgeführt wird, für welche z. B.
der einzelne Ausschuß verantwordich ist. Dagegen
müssen interne Angelegenheiten, wie die Art der
Ausübung der Funkdonen, die Rechte einzelner Aus-
schußmitglieder, Vergütungen usw. den Geschäfts-
ordnungen vorbehalten bleiben.
88
Die Aufgabe der Ausschüsse besteht darin, daß
sie Kleinarbeit treiben, spezialisieren, lückenlos Ge-
schäftsvorfälle betrachten und darnach disponieren und
organisieren, soweit sie autoritativ eingreifen können
und müssen. Wie weit die Kompetenz des einzelnen
Ausschußes reichen soll, muß genau bestimmt werden.
Je nach Art und Umfang der Arbeit muß dieselbe
verschieden groß sein. So wird z. B. ein Finanzaus-
schuß große und wichtige Entscheidungen nicht selb-
ständig treffen können ; ebenso wird ein Fabrikations-
ausschuß nicht allein über die Neueinführung eines
Artikels usw. entscheiden dürfen. Es muß wohl be-
achtet werden, dem einzelnen^^) Ausschuß nicht allzu-
viel Selbständigkeit zu belassen, da sonst die Einheit
des Verwaltungsrates darunter leiden würde. Je fester
die Bande sind, die ihn umschließen, je mehr die
Interessen der einzelnen Ausschüsse untereinander
sich in der Gesamtheit des Verwaltungsrates zusammen-
finden, um so gefestigter ist die Warte, auf welcher er steht.
bb) Die Erhöhung der Verantwortung der
Verwaltungsratsmitglieder.
Die Bildung von Ausschüssen ist auch ein Mittel,
um das Verantwortlichkeitsgefühl der Mitglieder des
Verwaltungsrates zu erhöhen. Hecht^^) sagt darüber
»das Verantwordichkeitsgefühl wird erhöht, wenn das
einzelne Mitglied des Aufsichtsrates das Recht hat,
innerhalb gewisser, wohlerwogener Grenzen Einsicht
in den inneren Geschäftsgang zu nehmen. Die Ver-
antwordichkeit wird gesteigert, wenn derjenige, der das
Recht des Einblickes hat, dieses Recht nicht ausübt.
Die Haftbarkeit wird gerechtfertigt, wenn man zu tun
unteriäßt, was man zu tun befugt war.«
Nun könnte man denken, daß die Verantwortung
des einzelnen Mitgliedes der Verwaltung eine ver-
schieden große ist, je nachdem dasselbe einem Aus-
schuß zugeteilt wird, welcher mehr oder weniger
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wichtige Funktionen zu erfüllen hat. Hierzu wäre zu
sagen, daß die wichtigsten Fragen doch vom Ver-
waltungsrat in seiner Gesamtheit entschieden werden
müssen und dementsprechend auch die Verantwortung
der Gesamtheit zufällt.
Die solidarische^^) Verantwordichkeit begründet
aber auch den Anspruch der Nichtausschußmitglieder,
über gewisse Geschäftsvorgänge orientiert zu sein!
Dies kann dadurch bewerkstelligt werden, daß dem
einzelnen Verwaltungsratsmitglied eriaubt wird, von
den Protokollen, die stets sorgfältig geführt werden
sollten, Einsicht zu nehmen; femer durch Zustellung
von Monatsausweisen, bezw. Monatsbilanzen. Man darf
den Monatsbilanzen keine zu große Bedeutung bei-
legen, da sie infolge fehlender Inventur nie ein er-
schöpfendes Bild über die Lage geben. Zweckmäßiger
erscheinen uns die Monatsausweise zu sein; das sind
Spezialberichte, welche über einen Monat sich erstrecken.
Für ein industrielles Unternehmen käme z. B. ein sog.
Finanzbericht und ein Fabrikationsbericht in Frage.
Wie ersterer zweckmäßig angelegt werden kann, soll
aus dem nachstehenden Exemplar ersichdich sein. Die
Hauptsache ist, daß man aus demselben den Stand
der entscheidenden Konten erblicken kann unter Hin-
weis auf den letzten, den laufenden, sowie den ent-
sprechenden Monat des vergangenen Jahres.
Die innere Organisadon muß darauf abzielen, jede
direkt verantwortliche Person lückenlos zu orientieren,
besonders auch in Fällender Abwesenheit; jede indirekt
verantwortliche Person insoweit, als die solidarische
Verantwortung es erfordert.
Bei der von uns vorgeschlagenen Organisationsform
mit der angedeuteten inneren Organisadon wird es
kaum möglich sein, daß gewisse MitgHeder über die
Gesamtheit hinweg disponieren und Geschäfte machen,
andererseits wird dadurch auch das von Keller-
Huguenin^^) und Töndury^«) vorgeschlagene »Infor-
mationsorgan« überflüssig, »das die Garantie bieten soll,
90
-\L •.-_ O
r
Monat :
w
Finanz^Bericht.
Geldstatus :
Reichsbank .
Bank . . .
Postscheckamt
Kasse . . .
Wechsel . .
Effekten . .
Außenstände .
Aufwendungen :
Löhne
Gehälter
Kaufm. Beamte(Anzahl)
Betriebs-Beamte »
Meister »
Liquidationen:
Geschäftsführer . -
Beamte, Meisteru. dergl
Reisende ....
Bezahlte Rechnungen
Frachten .
Porto . .
Telefon
Telegramme
Reklame .
Krankenkasse . .
Alters- u. Invalid. -Vers
Privatbeamten- Versich
Umsatz ....
Im letzten
Monat :
Im laufenden
Monat:
Im entsprechenden
Monat
des Vorjahres:
NB. Für deutsche Verhältnisse berechnet.
91
daß die von der Direktion dem Verwaltungsrat ge-
machten Angaben richtig sind.« Unseres Erachtens
ist es die selbstverständliche Pflicht des Verwaltungs-
rates, sich selbst über die ihm übertragenen FunkUonen
zu orientieren, was auch durch eine zweckentsprechende
Organisation möglich ist. Durch die Einfügung eines
Informationsorganes zwischen Verwaltungsrat und Di-
rekdon würde ersterer sich in Sicherheit wiegen und
sich resdos auf die Angaben des Informationsorganes
veriassen. Wir möchten keinen Vorschlag unterstützen,
der auf die Vermehrung von Organen ausgeht und in
der Tat eine verminderte Tätigkeit der gesetzlichen
Verwaltungsorgane zur F'olge hätte. Diese Institution
wird auch dadurch überflüssig, daß wir die Kontrolle
der Geschäftsführung den Kontrollorganen übertragen
möchten, die regelmäßig ihren Kontrollfunktionen nach-
kommen sollen. Es ist noch selten etwas Gutes mit Flick-
arbeit geleistet worden ; die sicherste Gewähr für einen
Erfolggibtimmer der organische Ausbau einer Institution.
cc) Die Vertretung der Verwaltun
durch Ersatzmänner.
gsrate
Die Tatsache, daß die Verwaltungsräte im allge-
meinen noch in manchen andern Gesellschaften in der-
selben Eigenschaft fungieren, und der Umstand, daß
sie häufig weit entfernt von dem Sitz der Gesellschaft
wohnen, zu deren Verwaltungsrat sie gehören, machen
es nötig, Ersatzmänner zu bestellen. Dieselben werden
auch von der Generalversarnmlung gewählt. Eine
beliebige, durch das einzelne Verwaltungsratsmitglied
besdmmte Vertretung ist nicht möglich. Dagegen
können die einzelnen Verwaltungsratsmitglieder ein-
ander vertreten. In diesen Fällen besdmmen manche
Statuten, daß ein Verwaltungsratsmitglied nur die Ver-
tretung für ein Mitglied übernehmen darf, wodurch
man einer Stimmenkumuladon bezw. einer Macht-
Politik innerhalb der Verwaltung vorbeugen möchte.
92
So besdmmt z. B. § 18,2 der Statuten der Stickereiwerke
Arbon »Mitglieder, die verhindert sind, einer Sitzung
beizuwohnen, können ein anderes Mitglied zur Ver-
tretung bevollmächtigen; es kann jedoch kein Mitglied
mehr als eine Vertretung ausüben«.
Die Praxis der Wahl von Ersatzmännern der Ver-
waltungsräte üben z. B. die Mechanische Backsteinfabrik,
Zürich und die Bank für Elektrische Unternehmungen
in Zürich.
dd) Die Notwendigkeit der Durchführung
der Organisationsbestimmungen.
Mag nun aber auch eine gute Organisadon innerhalb
der Verwaltung vorhanden sein, so wird der Erfolg
doch erst dadurch gesichert, dass eine energische,
umsichdge Kraft an der Spitze der Verwaltung steht
und die Durchführung der Organisations Vorschriften
streng überwacht. Die Aufgabe, welche dem sog. Präsi-
denten zusteht, erheischt aber unseres Erachtens eine
völlig unabhängige Stellung inmitten der Verwaltung, die
dadurch geschaffen wird, daß derselbe durch die General-
versammlung gewählt wird ; nicht wie dies gegenwärdg der
Fall ist, durch die Verwaltungsratsmitglieder. Das Vor-
schlagsrecht soll dem Verwaltungsrat überlassen bleiben,
da es^demselben eher möglich ist, eine geeignete Person
hierfür ausfindig zu machen, als der Generalversammlung.
6. Die gesdhäftspolitiscfien Funktionen.
Die geschäftspolitischen Funktionen finden wir weder
im Gesetz, noch in den Statuten, noch in Reglementen
niedergelegt. Ihre nähere Erläuterung an dieser Stelle
erübrigt sich insofern, als dieselben in der Zusammen
Setzung des Verwaltungsrates genügend gewürdigt
wurden (S. 5 1 ff.). Wir möchten nur noch zusammen-
fassend und ergänzend die Worte Riessers^^) anführen,
welcher in der Geschäftspolitik hauptsächlich beratende
m
&
4
und unterstützende Tätigkeit erblickt. So spricht er von
den »bei manchen Gesellschaften fast täglich erteilten
wertvollen Ratschlägen von Aufsichtsratsmitgliedem
bei An- und Verkauf von Waren oder Rohmaterialien ;
Eingehung oder Lösung von Geschäftsverbindungen;
Erteilung von Krediten und Annahme von Sicherheiten;
bei Feststellung rechdich bindender allgemeiner Liefer-
ungsbedingungen, wie solche durch die bei den ver-
schiedensten Gesellschaften gemachten Erfahrungen
sich allmählich entwickelt haben, und von Zahlungs-
bedingungen; bei dem Export oder dem Import nach
oder aus dem Auslande; bei der Diskontierung von
Wechseln oder der Annahme oder Beleihung von
Kreditpapieren oder Werten aller Art, bei der für das
Schicksal der Gesellschaften oft Jahre hinaus maß-
gebenden Frage, ob und unter welchen Bedingungen
Kartellen oder Syndikaten beizutreten sei oder nicht.
Ferner bei der Aufnahme neuer Artikel, oder Ge-
winnung neuer Absatzwege, bei der Aufsuchung neuer
Kundschaft, insbesondere auch aus den Kreisen der-
jenigen Gesellschaften, mit welchen die Aufsichtsrats-
mitglieder als Mitglieder der Verwaltung dieser Ge-
sellschaften enge Fühlung haben; bei Feststellung der
relativ besten Art von Kontrollen oder Revisionen; bei
Ordnung des oft äußerst schwierigen und komplizierten,
aber für die Solidität und Sicherheit des Geschäfts-
betriebes grundlegenden Kalkulationswesens u. a. m.«
7. Die Gesdiäftsführungskontrode.
a> Die mangelhafte Ausübung.
Aus der Aufzählung der Verwaltungs- und Ge-
schäftsführungsfunktionen in den Statuten sahen wir,
daß dieselben 2lWc\\ Kontrollfimktionen in sich schließen'
sei es, daß sie in der Natur der Funktion begründet sind,'
oder aber ausdrücklich verlangt werden. Es kann sich hier
nur um die Kontrolle der Geschäftsführung handeln, da
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diejenige der Rechnungsführung und Bilanz der Kontroll-
stelle übertragen ist. Nur die wenigsten Statuten enthalten
ausdrücklich die Pflicht zur Kontrolle der Geschäfts-
führung. So bestimmt z. B. § 30, Abs. 1 in den revidierten
Statuten der Schweizerischen Unfall-Versicherungs A.-G.
»Die Prüfung der Geschäftsführung des Verwaltungs-
komitees durch Einsichtnahme seiner Protokolle«.
Schweizerische Industrie - Gesellschaft Neuhausen
Art. 24, Abs. 1: Die spezielle Überwachung der Ge-
schäftsführung durch den leitenden Ausschuß«.
Es ist möglich, daß manche Reglemente die Ge-
schäftsführungskontrolle ausdrücklich statuieren. Wenn
auch das Obligationenrecht nicht direkt diese Kontrolle
vorschreibt, so ist sie doch in der gesetzlich geforderten
Geschäftsführungspflicht^") des Verwaltungsrates be-
gründet. Die Praxis hat gerade die Prüfung der Geschäfts-
führung sehr vernachläßigt, was auch dem Unter-
suchungsmaterial der Zusammenbrüche zu entnehmen
ist. Wir erinnern nur an folgende Beispiele: Spar-
und Leihkasse Herzogenbuchsee, Heine & Co., All-
gemeine Gewerbekasse Kloten, Lucema usw.
b> Die Gründe für die Unterlassung.
Die Unterlassung ist zurückzuführen:
1 . Auf den Mangel an Fachkenntnissen, welche die
Geschäftsführungskontrolle unbedingt erfordert (so z.B.
bei der Lucema).
2. Auf die Pflichtvergessenheit der Verwaltungsrats-
mitglieder (so z. B. bei der Leih- und Sparkasse Her-
zogenbuchsee).
c> Die Selbstkontrolle des Verwaltungsrates.
Wie wir aus den Statutenbestimmungen ersahen, übt
der Verwaltungsrat die wichtigsten Geschäftsführungs-
funktionen selbst aus, wenn ihm nun zugleich auch
die Geschäftsführungskontrolle auferlegt ist, so liegt
darin ein gewisser logischer und praktischer Widerspruch,
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indem der Verwaltungsrat sich selbst »kontrolliert«.
Eine tatsächliche Kontrolle der Geschäftsführung kann
nach den heutigen Verhältnissennurdortausgeübt werden,
wo die Geschäftsführung im Gesamten einer außerhalb
der Verwaltung stehenden Direktion übertragen ist.
Da nach unserem Vorschlage Geschäftsführung und
Verwaltung innerhalb des Verwaltungsrates ausgeübt
werden sollen, ergibt sich mitNotwendigkeit die Loslösung
der Geschäftsführungskontrolle von den Pflichten des
Verwaltungsrates, worauf wir bei den Funktionen der
Kontrollstelle noch näher zu sprechen kommen werden.
8. Die gesetzliche Vertretungspflicfit.
Da die Aktiengesellschaft eine juristische Person
ist und als solche ^^) nicht persönlich selbst handeln
kann, so ist die Vertretung durch eine physische Person
erforderlich. Das Obligationenrecht spricht sich allge-
mein hierüber in Art. 651 wie folgt aus: »Wenn die
Statuten nichts anderes darüber bestimmen, so ist zur
Vertretung der Gesellschaft nach außen und zur ver-
bindlichen Unterschrift namens derselben die Mitwirkung
und Unterschrift sämtlicher Mitglieder der Verwaltung
erforderlich.«
Dieser Norm ist zu entnehmen, daß die Vertretungs-
befugnisse statutarisch geregelt werden können, was
auch gewöhnlich der Fall ist. Im allgemeinen wird die
Vertretung schon aus praktischen Gründen einzelnen
Personen übertragen, sei es, daß dieselben dem Ver-
waltungsrate angehören, oder der außerhalb desselben
stehenden Direktion. Den letzteren Fall haben wir
bei der »Mechanischen Backsteinfabrik« Zürich, indem
§ 21 der Statuten folgendes bestimmt: »Die Direktion
besteht aus einem oder mehreren Mitgliedern; sie
besorgt die Leitung des (Geschäftes, vertritt die Gesell-
schaft Dritten gegenüber gerichdich und außergerichdich
und ihre Mitglieder führen jedes einzeln die rechts-
verbindliche Unterschrift.«
%
Andere übertragen die Vertretung zu gleicher Zeit
sowohl der Direkdon, als auch einigen Verwaltungs-
ratsmitgUedern, was § 31 der Statuten der Schweizer-
ischen Unfall -Versicherungs A.-G. zu entnehmen ist.
Er lautet: »Der Direktion steht die eigenüiche Ge-
schäftsführung und die Vertretung der Gesellschaft
nach außen zu. Jedes Mitglied der Direktion übt die
rechtsverbindliche Einzelunterschrift für die Gesellschaft
aus. Überdies kann der Aufsichtsrat einzeln oder
kollektiv Prokuren bestellen.
Auch den Mitgliedern des Verwaltungskomitees
steht die Einzelunterschrift zu, doch üben sie diese
nur beim Vollzug von Beschlüssen der Generalver-
sammlung, des Aufsichtsrates und des Verwaltungs-
komitees^elbst, oder bei Verhinderung aller Mitglieder
der Direktion. Diese Beschränkung ist jedoch gegen-
über Dritten ohne rechdiche Wirkung.«
Ähnlich die Elektrizitätsgesellschaft Baden A.-G.
»Der leitende Ausschuß vertritt die Gesellschaft nach
außen, die rechtsverbindliche Unterschrift für die
(Gesellschaft führt der Direktor kollektiv mit einem
Mitglied des Ausschusses. Ebenso kann dieselbe
von"^ einem Prokuristen kollektiv mit einem Direktor
oder mit einem Mitglied des Ausschusses geführt
werden.«
Während das Obligadonenrecht die größte Freiheit
in der Übertragung der Vertretung gestattet, legt das
H.-G.-B. genau fest, wer zur Vertretung berechtigt ist.
Als Hauptvertretungsorgan bezeichnet das H.-G.-B.
in den §i^ 231 und 232 den Vorstand. Außer-
dem ist auch der Aufsichtsrat zur Vertretung befugt
und zwar
a) bei der Vornahme von Rechtsgeschäften mit den
Vorstandsmitgliedern (§ 247,1 H.-G.-B.).
b) bei der Führung der, von der Generalversamm-
lung beschlossenen Rechtsstreitigkeiten gegen die
Vorstandsmitglieder (§ 247,1 H.-G.-B.).
97
^rnrnrnm^mm .*.
h-
I
Das Recht der selbständigen Vertretung steht
dem Aufsichtsrat dann zu, wenn es sich um die Ver-
antwortlichkeit seiner Mitglieder handelt. In diesem
Falle kann er ohne und selbst gegen den Beschluß
der Generalversammlung gegen die Mitglieder des
Vorstandes klagen (§ 247,2 H.-G.-B.).
X. Die Vergütung des Verwaltungsrates.
1. Die verschiedenen Arten der Vergütung.
Die dem Verwaltungsrat auferlegten Pflichten er-
heischen auch eine entsprechende Vergütung, welche
teils durch den Verwaltungsrat selbst, teils durch die
Generalversammlung bestimmt wird. Eine gesetzliche
Bestimmung über die Art der Entschädigung besteht
nicht, weshalb die kaufmännische Praxis hierbei sich
verschiedener Formen bedient, die wir statutarischen
Bestimmungen entnehmen. Wir möchten aber zugleich
darauf aufmerksam machen, daß die einzeln aufgeführten
Formen nicht immer allein auftreten, sondern meist
in Verbindung, was auch aus den statutarischen Be-
stimmungen hervorgeht. Demnach begegnet uns:
1. Eine feste Vergütung in folgenden Beispielen:
»Schweizerische Bindfadenfabrik, Fluriingen, i^ 8:
Die Mitglieder des Verwaltungsrates beziehen neben
der Vergütung ihrer Barauslagen für Reisen usw. eine
Entschädigung, deren Betrag von der Generalver-
sammlung festgesetzt wird und über deren Verteilung
der Verwaltungsrat bestimmt.«
»Mechanische Backsteinfabrik, Zürich, g 20: Die
Mitglieder des Verwaltungsrates beziehen außer dem
Ersätze der durch ihre Funktionen verursachten Aus-
lagen eine Tantieme vom Reinertrage des Geschäftes
nach g 28, oder in deren Ermangelung eine jähriiche
Entschädigung von je Fr. 100. — .«
\
96
2. Tagegelder, manchmal auch Präsenz- oder Sitzungs-
gelder genannt, verbunden mit Reiseauslagen und
sonstigen Spesen. Beispiele:
»Aktiengesellschaft Grand Hotel National, Luzem,
§ 22: Die Verwaltungsräte beziehen ein Taggeld von
Fr. 20. — ; sie erhalten überdies Reiseentschädigung,
sowie die in § 28 vorgesehene Tantieme.«
»Aktienbrauerei Zürich, § 21,2: Die Mitglieder des
Verwaltungsrates, event. eines Ausschußes, beziehen ein
Sitzungsgeld von Fr. 20. — plus event. Reiseaüslagen.
Besondere Leistungen werden angemessen entschädigt. «
»A.-G. der Eisen- und Stahlwerke vorm. Georg
Fischer, Schaffhausen, Art. 22: Der Verwaltungsrat
setzt das Sitzungsgeld und allfällige Entschädigung für
besondere Inanspruchnahme seiner Mitglieder fest. Der
Verwaltungsrat bestimmt auch das Honorar für den
engeren Ausschuß, allfällige Spezialkommissionen und
die Kontrollstelle.«
3. Tantiemen. »Brown, Boveri, Baden, § 24: Die Mit-
glieder des Verwaltungsrates beziehen im Allgemeinen
außer ihren Barauslagen für Reisen usw. die in § 27
festgesetzte Tantieme, über deren Verteilung unter die
einzelnen Mitglieder der Verwaltungsrat beschließt. .<
Über die Entschädigung der zur Geschäftsführung
speziell delegierten Mitglieder des Verw^altungsrates
werden besondere Verträge abgeschlossen.
Nach den Untersuchungen Warschauers^^) kommen
feste Vergütungen allein nur selten vor, sie treten
meist in Verbindung mit Tantiemen auf.
2. Die Art der Beredinung der Tantieme.
IVovou wird die Tantieme berechnet? Eine gewisse
Unterlage für deren Berechnung gibt uns Art. 630,
in welchem bestimmt wird, daß die Tantiemen nur aus
dem reinen Gewinn bezahlt werden dürfen. Dabei
erhebt sich sofort eine zweite Frage: »Ist der Rein-
gewinn des Jahres darunter verstanden ?€ Wird die
99
Frage bejahend beantwortet, dann darf der Gewinn-
vortrag vom letzten Jahre nicht im Reingewinn enthalten
sein. Femer besteht die weitere Möglichkeit, daß die
Tantieme von der Summe berechnet wird, von welcher
eine Dotation der Reserven noch nicht erfolet ist, oder
aber erst, nachdem auch die Reserven schon abgezogen
wurden. Beide Möglichkeiten sind gesetzlich zulässig.
Zweifellos ^^) wäre es am besten, wenn die Berechnung
vom Reingewinn des betreffenden Jahres erfolgte und
zwar erst nachdem die Reservefonds dotiert sind.
In sehr vielen Fällen sprechen sich die Statuten
darüber aus, wie die Tantieme berechnet wird, und
wir können sagen, daß dabei im allgemeinen dasselbe
Prinzip verfolgt wird, wie in Deutschland (Vergleiche
§ 245 H.-G.-B.) nämlich erst Dotation der Reserven,
dann Abzug einer Dividende für die Aktionäre und
vom Restbetrag die Berechnung der Tantieme.
Die folgenden Beispiele mögen dies bestätigen.
»Maggis Nahrungsmittel A.-G., Kempttal, Art. 24:
F.S werden vorab 5 % in den Reservefonds gelegt
und zwar auf solange, bis derselbe die Höhe von 10^/^^
des nominalen Aktienkapitales erreicht. Von dem hier-
nach verbleibenden Reingewinn wird sodann auf sämtliche
Aktien eine ordendiche Dividende von 5 ^/^ des ein-
bezahlten Aktienkapitales ausgerichtet. Vom Über-
schuß fallen als Tantieme an Verwaltungsrat und
Geneialdirektion 22 7o^ über deren Verteilung vor-
behaldich vertraglicher Vereinbarungen der Verwaltungs-
rat selbständig verfügt.«
»A.-G. der Eisen- und Stahlwerke vorm. Georg
Fischer, Schaffhausen, Art. 27: Von dem sich aus der
Bilanz nach Erfüllung der Bestimmungen von Art. 26 (Ab-
schreibungen) ergebenden Reingewinn, werden zunächst
10 ^/(j zur Bildungeines Reservefonds verwendet, bis der-
selbe die Höhevon 10^'^^ des Aktienkapitales erreicht hat.«
»V^on dem alsdann verbleibenden Rest erhalten
die Aktionäre eine Dividende bis auf 5 ^o ihres Nominal-
wertes. Vom Überschuß bezieht der Verwaltungsrat
100
4
10^0 als Tantieme, über deren Verteilung unter die
einzelnen Mitglieder er selbst entscheidet.«
Die Verteilung^*) der Tantiemensumme wird dem Ver-
waltungsrat anheimgestellt, da derselbe am besten beur
teilen kann, wieviel dem einzelnen Mitglied entsprechend
seiner Funktion zukommen soll. Gewöhnlich werden
bestimmte Quoten vertraglich für diejenigen Mitglieder
festgestellt, denen auch bestimmte Funktionen zuge-
wiesen sind.
3. Die Höhe der Tantieme.
Sehr viel besprochen und kritisiert wird die Höhe
der Tantiemen, welche einzelnen Verwaltungsräten und
Direktoren zufallen und andererseits die betreffende
Gesellschaft belasten. Immer und immer hört man
z. B. in Deutschland, das Beispiel von dem General-
direktor der Berliner Viktoria- Versicherung, der ungefähr
jährlich 700,000 bis 800,000 Mark Tantiemen einstreicht.
Die enorme Höhe ist hier darauf zurückzuführen, daß
ein Tantiemevertrag zwischen ihm und der Gesellschaft
besteht, wonach die Tantieme einen gewissen Prozent-
satz vom Umsatz beträgt. Bekanntiich entwickelt die
genannte Gesellschaft sich immer mehr, so daß auf diese
Art und Weise noch eine wesentiiche Steigerung der
Tantieme eintreten kann. Das sind aber Ausnahmen,
und in diesem Falle dürfte ein solcher Vertrag darauf
zurückzuführen sein, daß der Generaldirektor wesentiich
zur Entwicklung der Gesellschaft beigetragen hat.
Es ist keine seltene Erscheinung, daß gewissen
Verwaltungsratsmitgliedem und Direktoren für be-
sondere Dienstieistungen außerordendiche Tantiemen
zugesichert werden, und es liegt darin eine gewisse Be-
rechtigung. Andererseits fallen aber auch Verwaltungs-
räten beträchtliche Tantiemenbezüge zu, die auf kein
Verdienst zurückzuführen sind.
Um einigermaßen die Höhe der Tantieme zu
illustrieren, möchten wir einige Zahlen aus Deutschland
angeben, da wir dort einen gewissen Anhaltspunkt für
101
m
i
^
1
w
die Berechnung derselben in der seit 1 906 eingeführten
Tantiemesteuer haben, welche 8 7^ beträgt. Befreit sind
nur Bezüge solcher Gesellschaften, die ihrem Aufsichtsrat
nicht mehr als 5000 Mk. bezahlen. Übersteigt aber die Ge-
samtsumme der Vergütungen 5000 Mk., so wird die Ab-
gabe nur insoweit erhoben, als sie aus der Hälfte des
5000 Mk. übersteigenden Betrages gedeckt werden kann.
Nach Angaben der Frankfurter Zeitung^^) erbrachte
die Tantiemesteuer folgende Beträge :
1907/08 190809 1909/10 1910/11 1911/12 1912/13
InMili.Mk. 4,21 3,28 4,74 5,23 5,72 6,35
somit werden an Tantieme versteuert:
inMill.Mk. 52,77 41,01 59,30 65,39 71,50 79,38
Dazu möchten wir noch die Tantiemebeträge an-
führen, welche einzelne Gesellschaften im Jahre 1914^^)
gezahlt haben:
Deutsche Bank ....
Dresdener Bank ....
Berliner Handelsgesellschaft
Schweiz. Kreditanstalt . .
Leu & Co
Schweiz. Bankverein .
658,602 M.
513,928 M.
105,263 M.*)
573,524 Fr.
120,729 Fr.
689,303 Fr.
4. Kritische Betrachtungen und Vorschläge.
Aus den kritischen Betrachtungen der hohen Tantieme-
zahlen heraus sind auch eine Reihe von Vorschlägen
entstanden, die auf gesetzlichem Wege eine Herab-
setzung derselben zu erreichen suchen. So möchte
Warschauern^) festgelegt wissen, daß bei der Kombi-
nation von fester Vergütung und Tantieme, erstere
*) In den angegebenen Summen der deutschen Gesell-
schaften sind nur die Tantiemen der Aufsichtsräte enthalten,
nicht auch der Direktoren. Dagegen stecken in den Tantieme-
summen der schweizer. Gesellschaften sowohl die Vergütungen
an Verwaltungsräte und Direktoren, sowie vermudich auch lue
Gratifikationen des Personals (Schweiz. Kreditanstalt). Nur mit
wenigen Ausnahmen finden wir in den Geschäftsberichten eine
Spezifikation der Tantieme für den Verwaltungsrat.
\!
102
nicht mehr als 2000 Mk., und die auf jedes Aufsichts-
ratsmitg-lied entfallende Gesamtsumme nicht mehr als
10,000 Mk. betragen dürfe; während andererseits die
von dem gesamten Aufsichtsrat zu beziehende sogenannte
»progressiv-prozentuale« Tantieme mit einem Satz von
3 ^/q beginnen, bei einer Steigung von 4 ^/q um 1 7o
steigen sollte, bis ein Höchstsatz von 6^]^ erreicht
ist. Warschauer will einerseits durch die Festlegung
der Vergütung gewissen Schiebungen vorbeugen; denn,
wenn er nur einen bestimmten Tantiemesatz statuierte,
so würden gewisse Gesellschaften sich durch die Er-
höhung der festen Vergütung helfen. Andererseits will
er aber doch den Gesamtbezug der Rendite der Gesell-
schaft anpassen, indem durch die progressiv-prozentuale
Tantieme die Möglichkeit gegeben ist, daß Gesellschaften
mit einer hohen Dividende ihren Aufsich ts raten eine höhere
Tantieme zukommen lassen können. Daraus können wir
folgern, daß Warschauer die höhere Dividende auf eine
entsprechend intensivere Leistung des Aufsichtsrates
zurückführt, was auch eine erhöhte Tantieme rechtfertige.
Vergleichen wir nun damit die Bemerkungen War-
schauers (a. a. O. S. 54), welche folgendermaßen lauten:
»Einerseits ist nirgends der Beweis geliefert, daß an
Aufsichtsräte, die z.B. 6 "/o Tantieme beziehen, geringere
Ansprüche gestellt worden sind, wie an diejenigen, die
z. B. 1 5 "/^j beziehen und andererseits ist aus keinem Einzel-
fall bisher ersichtlich gewesen, daß die letzteren wegen
der Differenz des Tantiemesatzes mehr wie erstere ge-
leistet hätten«, so erkennen wir daraus den Widerspruch,
in dem sein Vorschlag zu dessen Begründung steht.'**)
Wir halten eine gesetzliche Regelung der Höhe
der Tantieme für unzweckmäßig, und wenn dieselbe
allen Gesellschaften und Verhältnissen Rechnung tragen
sollte, für undurchführbar. Auch würde die Praxis
leicht Mittel und Wege finden, derartige gesetzliche
Vorschriften zu umgehen.
Von Brockdorff ''•*) möchte die Bestimmung festgelegt
haben, daß die Tantieme mit steigender Dividende
103
•»V
•1
,
V
illl
nicht steigen dürfe, mit fallender Dividende aber fallen
müsse; werde keine Dividende verteilt, so solle auch
keine Tantieme verteilt werden. Er baut den ersten Ab
satz seines Vorschlages wohl auf der nachgewiesenen
Tatsache auf, daß die Tantiemen schneller steigen als
Gewinn und Dividende, was durch die folgende, der
Frankfurter Zeitung*) entnommene Zusammenstellung
erläutert werden mag.
Anfsiclitsrats- in "/ödes in ''oder
Gewinn Dividende Tantiemen Gewinnes Divid.
1907/08 M. 1351 Mill. 1023 52,77Mill. 3,9 5,15
1908/09 M. 1233 » 960 41,01 » 3,3 4,27
1909/10 M. 1366 » 1044 59,30 » 4,35 6,17
1910/11 M.1472 » 1133 65,39 » 4,45 7,38
Allein es ist doch in das Belieben der Gesellschaft
gestellt, welche Tantiemen sie alljährlich den Aufsichts-
räten geben will ; es liegt in der Hand der Gesellschaft,
darüber von Jahr zu Jahr zu bestimmen. Auch wenn
die Dividende zurückgeht, muß es dem Entscheid einer
Gesellschaft anheimgestellt werden, welchen Betrag sie
in diesem Fall alsTantieme ausschütten will. Ob es gerecht
ist, bei Dividendenlosigkeit überhaupt keine Tantieme zu
verteilen, das muß im einzelnen Fall beurteilt werden.
Wir möchten nochmals wiederholen, daß alle Vor-
schläge bezüglich der Fesdegungder Höhe der Tantieme,
unpraktisch, bezw. undurchführbar sind. Die Gesell-
schaften sind durchaus verschieden, was Kapital, Ren-
tabilität und Arbeitsleistung im Aufsichtsrat anbetrifft,
so daß den einzelnen Momenten nur durch das
Selbstbestimmungsrecht der Gesellschaft Rechnung
getragen werden kann.
Mit diesen Betrachtungen schließen wir den Teil
unserer Organisationsfrage ab, welcher die Verwaltung
der Aktiengesellschaft zum Gegenstand hatte und
suchen nun die Kontrollstelle als integrierenden Bestand
teil der Verwaltungsratsfrage in unser Organisations-
problem einzugliedern.
*) Frankfurter Zeitung v. 29. April 191 3.
104
B. Die Kontrollstelle
der Aktiengesellschaft.
I. Die reditliche Stellung der Kontrollstelle.
Zunächst ist festzustellen, daß wir in der Kontroll-
stelle ein notwendiges Organ der Aktiengesellschaft
zu erblicken haben, das als solches der Generalver-
sammlung und der Verwaltung zur Seite gestellt werden
kann. Die Statuierung als gesetzliches Organ bewirkt
auch die direkte^^) Ableitung seiner Befugnisse aus dem
Gesetz. Demnach ist die Kontrollstelle mit ursprünglichen
Kontrollfunktionen ausgestattet, welche nach Art. 659
O.-R.voneinerodermehrerenPersonenausgeübtwerden.
Die Wahl derselben erfolgt durch die Generalversamm-
lung. In Ausübung der unter die Kompetenz der Kontroll-
stelle fallenden Funktionen handeln deren Mitglieder im
Auftrage der Gesellschaft und treten dadurch, rechtlich
ausgedrückt, in ein Mandatsverhältnis««) zu derselben.
IL Die wirtschaftliche Stellung und Bedeutung
der Kontrollstelle der Gegenwart.
1. Die Aufgaben der Kontrollstelle
nadi dem Gesetz.
a> Die redinerisdie und materielle Kontrolle.
Nach den Bestimmungen des Gesetzes (Art. 659
und 660 O.-R.) ist die Kontrollstelle mit der Ausübung
der rechnerischen und materiellen Kontrolle betraut.
Wir nehmen absichtlich eine Trennung der Kontrolle
105
''9
i I.
•1
i
'1'
in eine rein rechnerische und materielle vor, weil
wir damit zwei verschiedene Kontrollarten statuieren
möchten, die selbständig und von einander unabhängig-
durchgeführt werden können.
Während die rechnerische Kontrolle nur die formal-
technische Seite der Buchführung, des Bücherabschlusses
und der Bilanz berücksichtigt, geht die materielle Kon-
trolle auf eine sachliche Prüfung der verbuchten und
bilanzierten Posten aus, wobei die Bewertungsfrage
eine wichtige Rolle spielt. Worauf die Prüfung im
einzelnen sich zu erstrecken hat, ist den Bestimmungen
des Gesetzes nicht genau zu entnehmen, was natüriicher-
weise in der Literatur^^) und in der Geschäftspraxis
zu verschiedenen Ansichten geführt hat.
Ohne weiteres darf wohl angenommen werden,
daß den in Betracht kommenden Art. 659 und 660
O.-R. die Pflicht der Kontrollstelle zu entnehmen ist,
eine rechnerische Prüfung der Bilanz und der Rech-
nungen durchzuführen. Diese Auffassung teilt sowohl
die über diese Frage bestehende Literatur, als auch
die Rechtsprechung und Geschäftspraxis. Als Beleg
der Rechtsprechung zitieren wir den Satz aus eineT
Bundesgerichtsentscheidung (Bd. XXXIV (2) S. 501/2),
der folgendermaßen lautet: »Nach diesen Bestimmungen
(des Art. 659 O.-R.) aber beschränkt sich die Aufgabe
der Revisoren darauf, Bilanz und Rechnungen zu prüfen
und zwar ist mit dieser Prüfung eine solche rein kalku-
latorischer Natur gemeint.« (Die rechnerische Kon-
trolle^^) nach unserer Auffassung ist der kalkulatorischen
Prüfung in dem genannten Zusammenhang gleichzu-
setzen. Bachmann wendet aber diesen Ausdruck auch
für die von uns erwähnte materielle Kontrolle an.)
Fassen wir den Inhalt des Art. 660 O.-R. weit auf,
so ergibt sich daraus auch das Recht auf eine materielle
Kontrolle, was mit der Auslegung des obengenannten
Bundesgerichtsentscheids übereinstimmt, indem es dort
in einem zweiten Satze heißt: »Die Revisoren haben
allerdings das Recht, die Voriage der Bücher und
106
Belege zu begehren und den Kassabestand festzustellen
(Art. 660), aber nicht die Pflicht dazu.«
Die in der Literatur'-*^) herrschende und auch von
uns geteilte Auffassung geht dahin, die bestehenden
gesetzlichen Bestimmungen über die Kontrolle derart
auslegen zu müssen, daß die Kontrollstelle nicht nur
das Recht, sondern auch die Pflicht hat, eine materielle
Kontrolle auszuüben. Es ist doch zweifellos anzu-
nehmen, daß der Gesetzgeber mit der Schaffung eines
besonderen Kontrollorgans die Ausübung einer erfolg-
reichen Kontrolle bezweckt. Wirksam kann eine Revi-
sion aber nur dann sein, wenn dieselbe sich auch auf
die Unteriagen der Buchführung und Bilanz erstreckt.
Die bisherige Tätigkeit der Kontrollstelle läßt aber
nicht darauf schließen, daß auch die kaufmännische
Praxis die eben erwähnte iVuslegung des Gesetzes teilt.
In sehr vielen Fällen wird nur eine rein rechnerische
Kontrolle ausgeübt oder, noch offener gesprochen,
von Seiten vieler Verwaltungen zugelassen oder ge-
wünscht, worauf wir noch näher zu sprechen kommen
werden. Im Hinblick auf diese Zustände wird es von
entscheidender Bedeutung sein, daß die Rechtsprechung
ihren Standpunkt korrigiert und auch die materielle
Prüfung zur Pflicht macht.
b> Geschäftsführungskontrolle ?
Außer den beiden genannten Kontrollarten kommt
aber noch eine dritte in Frage, nämlich die Prüfung
der Geschäftsführung. Diese besteht in der »Prüfung
und Kritik^^) der vorgenommenen oder unterlassenen
Geschäfte, z. B. der Zulässigkeit der Kreditgewährungen
vom Standpunkt des Geschäftes aus, der Zweckmäßig-
keit der Effektenkäufe, der rationellen Zusammen-
setzung der Wechselportefeuilles« usw. Im Gesetz ist
kein bestimmtes Organ genannt, welches direkt mit
der Geschäftsführungskontrolle betraut ist. Daß die-
selbe aber nicht Aufgabe der Kontrollstelle ist, geht
i
filil
107
aus Art. 661 O.-R. hervor, nach welchem die General-
versammlung jederzeit berechtigt ist, zur Prüfung der
Geschäftsführung und einzelner Teile derselben be-
sondere Kommissäre oder Sachverständige zu ernennen.
Selbstverständlich kann z. B. die Kontrollstelle oder
eine besondere Kommission mit diesem Auftrag^e durch
Generalversammlungsbeschluß betraut werden; ist dies
aber nicht der Fall, dann liegt diese Aufgabe dem
Verwaltungsrat ob, wie wir schon auf Seite 94 und 95
ausführten. Diese Auffassung, welche ohne allen Zweifel
dem Gesetz entspricht und die auch von Bachmann^*^)
geteilt wird, scheint in der Literatur noch nicht ganz
durchgedrungen zu sein, worauf die Ausführungen
Zimmermanns'-*^) und die an die.ser Stelle (Seite 345 ff.)
erwähnte Literatur schließen lassen. Zimmermann sucht
an Hand einiger Beispiele klarzulegen, daß die Prüfung
der Geschäftsführung auch Pflicht der Kontrollstelle
sei, um den vom Gesetz gestellten Kontrollansprüchen
zu genügen. So heißt es u. a. auf Seite 347 : »Die
Kontrollorgane haben auch die »Debitoren« und das
»Wechselportefeuille« daraufhin zu untersuchen, ob
die Kreditgewährungen, die nach den Statuten oder
nach gesunden kaufmännischen Prinzipien zulässigen
Grenzen nicht übersteigen«.
Sachlich ist hierzu zunächst zu bemerken, daß die
Statuten privater Unternehmungen in den seltensten
Fällen sich über die Art der Kreditgewährung und
über die Höhe derselben auslassen, bezw. auslassen
können. Dieser Geschäftszweig gehört zu den intern-
sten Angelegenheiten eines Unternehmens, die man
nicht der Öffendichkeit preisgibt. Ob gesunde kauf-
männische Prinzipien dabei wegleitend sind, vermag
ein Außenstehender selten zu beurteilen, da hierzu
nur Personen im Stande sind, welche mit der Geschäfts-
führung des betreffenden Unternehmens vertraut sind.
Weder die Stellung der Kontrollstelle nach dem
Gesetz, noch diejenige, welche ihr in der Praxis ein-
geräumt wird, lassen eine derartige Kontrolle zu.
103
Wie wir später noch sehen werden, sind wir mit dem
Gedanken Zimmermanns ganz einverstanden, daß em
gesetzliches Kontrollorgan der A.-G. erst dann zweck-
entsprechend ausgerüstet ist, wenn dessen Kompetenz
die rechnerische, materielle und Geschäftsfuhrungs-
Prüfung umfaßt. Mit dieser Ausstattung ist aber der
Erfolg noch nicht garantiert. Es gilt vielmehr, diese
Machtfülle derart festzulegen, da/i zum voraus bis zu
einem gewissen Grad ein Erfolg gesichert ist. Wie
dies gemacht werden kann, soll uns in 'emem spateren
Abschnitt beschäftigen. Vorerst müssen wir eben daran
festhalten, daß die bestehenden gesetzlichen Bestim-
mungen nur eine rechnerische und materielle Prüfung
erfordern, und, wenn man mehr verlangt, »so ) legt
man etwas in das Gesetz hinein, das nicht dann steht«.
2. Die Aufgaben des Kontrollorgans der
deutschen Aktiengesellsdiaft.
Im Anschluß an diese Dariegungen möchten wir
auch auf die Pflichten hinweisen, welche dem Kontroll-
oro-an der A.-G. nach dem deutschen Recht zukommen.
wTe schon erwähnt, sind die Kontrollpflichten aus-
schließlich dem Aufsichtsrat auferiegt, und zwar be-
stehen dieselben, nach i? 246 H.-G.-B., in der rech-
nerischen materiellen und Geschäftslührungsprutung.
Es kann keinem Zweifel unteriiegen, daß wir in dieser
Einrichtung das geeignetste Kontrollprinzip theoretisch
anerkannt^ehen. Allein die besten Theorien haben
keinen Zweck, wenn dieselben nicht praktisch ver-
wirklicht werden. Dies trifft für das deutsche Kontroll-
organ zu, das in Wirklichkeit eine Institution ist, welchem
es nach den obwaltenden Umständen niemals möglich
ist eine rechnerische und materielle Kontrolle durch-
zuführen, da die Hauptaufgaben des Aufsichtsrates m
praxi, wie schon ausgeführt, auf dem Gebiete der
Verwaltungs- und Geschäftspolitik liegen.
3. Die Pflichten der Kontrollstelle
nach den Statuten.
a> Die mangelhafte Festlegung der Kontrollpflichten.
Nachdem wir nun in kurzen Zügen die Pflichten
der Kontrollstelle auf Grund des Gesetzes betrachtet
haben, wollen wir untersuchen, inwieweit die Geschäfts-
praxis von dem in Art. 662 O.-R. festgelegten Recht,
statutarisch ȟber die Organisation der Kontrollstelle
andere Bestimmungen zu treffen und deren Befugnisse
und Pflichten weiter auszudehnen«, Gebrauch gemacht
hat. Dabei berücksichtigen wir aber nicht den Umstand,
daß verschiedene große Unternehmungen, vor allem
Banken, sich neben der gesetzlichen Kontrollstelle
eine eigene Kontrollorganisation schufen, in P^orm von
Inspektoraten, Revisionsbureaus, etc., neben denen die
Kontrollstelle nur eine formelle Bedeutung hat. Diese
Ausnahmen ändern nichts an der Tatsache, daß sehr
viele Aktiengesellschaften weder eine richtige Eigen-
kontrolle haben, noch es der Mühe wert erachteten, die
gesetzliche entsprechend auszubauen. Wir können
sagen, daß der Gesetzgeber die knappen Kontroll-
bestimmungen wohl auch in der Annahme schuf, daß
die kaufmännische Praxis selbst in ihrem eigensten
Interesse den Ausbau einer Kontrolle bewirke, die
der Eigenart jedes einzelnen Betriebes Rechnung tragen
kann. Daß hierin der Gesetzgeber sich täuschte, be-
weisen uns sehr viele Statuten von Aktiengesellschaften.
Aus diesen ersehen wir, daß dort die Pflichten der
Kontrollstelle ebenso knapp ausgesprochen sind, wie
im Gesetz. P^s sind nicht etwa Ausnahmen, sondern
es ist die Regel, daß wir Auslassungen über die Kon-
trollstelle antreffen, wie beispielsweise in Art. 21 der
Statuten der Maggigesellschaft in Kempttal, wo es
heißt: »Die ordendiche Generalversammlung bezeichnet
alljährlich zwei Revisoren und zwei Ersatzmänner mit dem
Auftrage, der Generalversammlung einen schrifdichen
110
^Bericht über die Bilanz und über die vom Verwaltungsrat
vorgelegten Jahresrechnungen einzureichen«. Detaillier-
tere Bestimmungen, die auf eine materielle Prüfungs-
pflicht schließen lassen, finden wir nur vereinzelt. Noch
weniger wird von der Möglichkeit Gebrauch gemacht,
die Kontrolle der Geschäftsführung den Revisoren zu
übertragen. (Schweizerische Volksbank, die zwar eine
Genossenschaft ist, den Organen und der Organisation
nach aber einer Aktiengesellschaft ähnelt).
b> Die mangelhafte Ausübung der Kontrolle.
Zusammenfassend können wir sagen, daß die statu-
tarischen Bestimmungen über die Kontrollstelle den
Eindruck machen, daß man einer vom Gesetz ge-
forderten Pflicht in formaler Weise Genüge leistet. Es
nimmt einen deshalb auch nicht wunder, wenn die Aus-
übung der Kontrolle seitens der Revisoren einen formalen
Charakter trägt.
Dies tritt am deutlichsten in den Revisionsberichten
zutage, welche doch das Ergebnis und Rechenschaft
über die ausgeübte Tätigkeit darlegen sollen. Als
Beispiel hierfür diene uns der Bericht des Rechnungs-
revisors der »Bemer Rückversicherungsgesellschaft für
Leben und Unfall A.-G. in Bern«, über das Geschäfts-
jahr 1913, der folgendermaßen lautet: »Vorstehende
Bilanz pro 31. Dezember 1913, nebst Gewinn- und
Verlustrechnung, habe ich geprüft und mit den ordnungs-
mäßig geführten Büchern übereinstimmend gefunden«.
»Die Pflichtaktien der Verwaltungsräte sind nach
Vorschriften der Statuten deponiert.«
»Sämdiche Wertschriften habe ich bei den ver-
schiedenen Banken persönlich verifiziert, und mit dem
Wertschrifteninventar in Übereinstimmung gefunden.«
In diesem Rahmen sind die meisten Berichte der
Revisoren gehalten. Allein sie können schließlich auch
nicht vielmehr enthalten, wenn man bedenkt, daß die
Kontrolle gewöhnlich in einem Zeitraum von 1 - 2 Tagen
111
1
r
durchgeführt sein muß. Es liegt daher klar zutage,
daß unter derartigen Umständen die Tätigkeit der
Kontrollstelle oberflächlich und daher zwecklos ist.
Ein Beispiel mag diese Tatsache noch illustrieren.
In einer Generalversammlung der Volksbank in Biel,
im Jahre 1910, erklärte ein Revisor, »es sei alles in
bester Ordnung« — einige Monate darauf mußte die
Bank ihre Schalter schließen.
4. Die Mißerfolge der Kontrollstelle.
a> Die Abneigung von Verwaltungsräten und Direktoren
gegen die gesetzliche Kontrolle.
Auch aus den Berichten, welche Experten anläßlich
der Untersuchung des Materials von verkrachten Unter-
nehmungen zu machen hatten, geht hervor, daß die
Ursache der Zusammenbrüche teils auf das völlioe Ver-
sagen der Revisionsorgane zurückzuführen ist. Damit
ist uns die folgende Frage nahegelegt: Worauf ist der
Mißerfolg der Kontrollstelle zurückzuführen?
In der Beantwortung dieser Erage muß zunächst
darauf hingewiesen werden, daß nach den heutigen Um-
ständen die Kontrolle sehr vielen Verwaltunesräten
und Direktoren »ein Dom im Auge« ist, den man um
so unangenehmer empfindet, je gewissenhafter eine
Kontrollstelle ihre Pflichten auszuüben sucht, und je
fauler es um ein Unternehmen bestellt ist. Man sträubt
sich so gut und solange man kann gegen jegliche
Art von Einblick Dritter in die Verwaltunorsverhältnisse.
Dieser Widerstand geht nicht selten sogar soweit, daß
die von den Revisoren zur Einsicht gewünschten Bücher
verweigert werden, wie dies bei der Volksbank in Biel
vorkam. Die Kontrollstelle in ihrer Schwäche, oder in
der Angst, nicht mehr vom Verwaltungsrat gewählt zu
werden, falls sie etwas gegen das Gebahren der Verwaltung
unternimmt, verzichtet dann meist auf die Einsichtnahme.
Unter diesen Verhältnissen ist es sehr verständlich,
wenn man seitens der Verwaltung nicht entfernt an
V
den Ausbau der Kontrollstelle denkt, was ja in vielen
Fällen einem Schnitt ins eigene Fleisch gleichkäme.
Mit jener Abneigung hängt auch die Art der
Besetzung der Kontrollstelle zusammen, die vielfach
in dem Bestreben erfolgt, sich ein möglichst harmloses
Orean zu schaffen. Da nach den bestehenden Ver-
hältnissen es der Verwaltungsrat in der Hand hat zu
wählen, wie und wen er will, so bereitet ihm die !k-
setzungsfrage keine weitere Besorgnis.
b> Die Ausübung der redinerisdien Kontrolle.
Die Schwäche der Kontrollstelle und ihr Mißerfolg
ist endlich aber auch in der Übung begründet, daß eine
nur rechnerische Kontrolle erwünscht und gestattet ist.
Wie wir schon auf Seite 106 erwähnten, berücksichtigt
die rechnerische Kontrolle nur die formaltechnische
Seite der Buchführung und Bilanz, indem sie »die Über-
einstimmung*) gewisser Endbuchungen und Inventur-
zahlen mit den Bilanzzahlen feststellt«. Ergibt sich nun
bei der Prüfung, daß die Saldi übereinstimmen, so ist
damit gar nicht erwiesen, daß die Buchführung in Ord-
nung ist. Es können Buchungsfehler vorliegen und
die Endsummen doch miteinander*^^) übereinstimmen:
1. Wenn sich zwei oder mehrere falsche Eintrag-
ungen gegenseitig aufheben.
2. Wenn eine falsche Eintragung durch einen Addi-
tionsfehler oder Übertragungsfehler aufgehoben wurde.
3. Bei Verwechslungen von Konten.
4. Bei Auslassungen von Buchungen.
Werden aber Unstimmigkeiten in den Endbuchungen
untereinander entdeckt, so begnügt sich die rechnerische
Kontrolle mit der bloßen Feststellung dieses formalen
Fehlers. Demnach wird weder in dem einen noch le dem
anderen F'alle kaum etwas erreicht von dem, was man
von einer Kontrolle erwarten dürfte. Darum ist die Aus-
übung einer nur rein rechnerischen Kontrolle zwecklos.
*) Töndury a. a. O. S. 15/16.
I
I
1
i-
112
113
8
III. Der Ausbau der Kontrollstelle.
#
1 . Notwendigkeit der Übertragung der
Geschäftsführungskontrolle an die Kontrollstelle.
a> Die Begründung der Übertragung.
Soll eine Kontrolle auch nur einigermaßen Zweck
und Erfolg haben, so darf man nicht bei der Feststellung-
formaler Fehler stehen bleiben, sondern muß der
Ursache und Entstehung derselben nachgehen. Dies er-
fordert ein Eindringen in die gesamte Buchungsmaterie,
eine Prüfung der Unterlagen und Belege von gebuchten
Tatsachen und zahlenmäßig festgelegten Geschäfts-
vorfällen. Erst wenn wir gewisse Posten aus ihrem
Zusammenhang heraus betrachten und miteinander ver-
gleichen, ist eine richtige Beurteilung derselben möo-lich.
Daher muß, zwecks eines Kontrollerfolges, mit der
rechnerischen Kontrolle naturgemäß auch die materielle
Kontrolle Hand in Hand gehen.
Allein auch diese Revisionsmethode wird nicht
genügen, wenn es gilt, raffinierte Schiebungen und
Verschleierungen zu entdecken, die zwar ihren Nieder-
schlag in Buchführung und Bilanz finden, deren Ursprung
aber sehr oft in einer inkorrekten Geschäftsführung liegt.
Da gerade mit derartigen Manipulationen seitens ge-
wissenloser Verwaltungen häufig gearbeitet wird und
die F"olge davon schwerer Schaden und nicht selten
der Ruin von Untemehmunoren ist, ist es nötie, daß
die Kontrolle auch auf das Gebiet der Geschäfts-
führung übergreift. Ein Revisor wird nun aber niemals
im voraus wissen, ob es sich z. B. bei formalen Un-
stimmigkeiten um einen reinen Buchungsfehler handelt,
der einem Buchhalter unterlaufen ist, oder ob dieselben
auf eine, durch die Geschäftsführunor vorgenommene
Schiebung zurückzuführen sind. Daher muß, im Hinblick
auf das Bestreben, alle Fehler entdecken zu können,
mit der rechnerischen und materiellen Kontrolle
'\
gleichzeitig auch die Geschäftsführungskontrolle ausgeübt
werden. In der gemeinsamen Anwendung dieser drei
Kontrollmethoden, welche naturgemäß miteinander ver-
bunden werden müssen, sehen wir das reine Kontroll-
prinzip verwirklicht und einen vollkommenen Kontroll-
erfolg ermöglicht. Wir möchten daher die rechnerische,
mateT-ielle und Geschäftsführungsprüfung der Kontroll-
stelle übertragen und damit das Kontrollprinzip des
deutschen Gesetzgebers nachgeahmt und durchgeführt
wissen. Diesen Vorschlag wollen wir auch noch mit dem
Hinweis auf den Umstand begründen, daß es lögischer-
und praktischerweise nicht angängig ist, ein Organ, das
für gewisse Aufgaben die Verantwortung trägt, zugleich
auch mit der Kontrolle über dieselben zu betrauen.
Den innigen natüriichen Zusammenhang von mate-
rieller und Geschäftsführimgsprüfung kennzeichnet auch
Töndury^^) mit folgenden Worten: »Von vornherein muß
gesagt werden, daß die Grenzen zwischen beiden Revi-
sionen nicht scharf gezogen werden können. Wie die
Geschäftsführung als solche nicht anders nachgeprüft
werden kann als durch ein eingehendes Studium der
Bücher, so schneidet andererseits eine gewissenhafte
materielle Rechnungsrevision ohne weiteres Fragen an,
die bereits zum Teil auf dem Gebiet der Geschäfts-
führung und nicht nur in der buchtechnischen Darstellung
derselben liegen.« Im Anschluß®^) an diese Ausfüh-
rungen wird von ihm auch erwogen, ob die Geschäfts-
führungskontrolle an die Kontrollstelle zu übertragen
sei; dafür sprächen zwei berechtigte Gründe, nämlich:
1 . Die Teilnahme des Verwaltungsrates an der Ge-
schäftsführung und die dadurch gegebene Möglichkeit
der Verfolgung von Einzelinteressen.
2. Die wirtschafdiche Aufgabe der Kontrollstelle,
die zu einem großen Teil den Schutz der kleineren
Aktionäre in sich begreift.
Andererseits führt aber Töndury auch verschiedene
Gründe ins Feld, welche ihn abhalten, die Übertragung zu
befürworten, Gründe, auf die wir später zurückkommen.
114
115
#
I
b> Die Festlegung der Übertragung.
, Schon unter den heute bestehenden gesetzlichen
Bestimmungen ist die Übertragung der Geschäfts-
führungsprüfung an die Kontrollstelle nach Art. 661
O.-R. ohne weiteres möglich. Die bisherigen Erfah-
rungen haben aber gezeigt, daß die Geschäftspraxis den
Ausbau der Kontrolle nicht aus eigener Initiative vor-
nimmt, daher ist es nötig, daß im Gesetz klar und be-
stimmt auch noch die Kontrolle der Geschäftsführunor
als weitere Pflicht der Kontrollstelle festgelegt wird,
/iuf diese Weise führen wir das Kontrollprinzip des
deutschen Gesetzgebers ein, erhalten aber dadurch
nicht etwa den deutschen Aufsichtsrat. Wir möchten
nur ein reines Kontrollorgan haben, das mit einer
Machtfülle ausgestattet ist, die einen Erfolg im Interesse
der Gesellschaft und der Aktionäre gewährleistet.
Weder irgendwelche verwaltende, noch geschäfts-
führende Tätigkeit soll diesem Kontrollorgan zukommen,
denn sonst würden wir ähnliche unerquickliche Ver-
hältnisse schaffen, wie sie in sehr vielen Fällen in
Deutschland zwischen Vorstand und Aufsichtsrat be-
stehen und die darauf zurückzuführen sind, daß dem
Aufsichtsrat meist auch noch statutarisch sehr wichtigfe
geschäftsführende Tätigkeit zukommt. In diesem Fall
hätten wir dieselben Zustände, wie sie jetzt in der
Schweiz bestehen, daß sich nämlich der Aufsichtsrat,
bezw. der Verwaltungsrat selbst kontrolliert, oder daß,
besser gesagt, eine richtige Kontrolle überhaupt nicht
stattfindet. Darin liegt eben die Lücke in der Gesamt-
verwaltung der Aktiengesellschaft im deutschen, wie im
schweizerischen Recht. Hier muß der Hebel angesetzt
werden, um der Lösung der sog. Verwaltungsratsfrage
näher zu kommen.
Sowohl für die schweizerischen, wie für die
deutschen Verhältnisse ist es also unumgänglich not-
wendig, gesetzlich ein reines Kontrollorgan mit den
erwähnten Kompetenzen zu schaffen.
116
2. Regelung der Kontrollfrage im H.-G.-B.
In der Schweiz ist dies dadurch zu erreichen, daß
die Kompetenzen des schon bestehenden gesetzlichen
reinen Kontrollorgans erweitert werden, während in
Deutschland es sich um eine Loslösung der Kontroll-
pflichten vom Aufsichtsrat und deren Zuweisung an
ein neuzuschafl"endes reines Kontrollorgan handeln
würde. Dann mögen auch dem Aufsichtsrat geschäfts-
führende Aufc/aben zugewiesen werden. Die soziale
Stellung desselben in der Gesellschaft würde dadurch
nicht verrückt, denn er hat doch die Gesamtieitung des
Unternehmens in der Hand und kann mit gutem Ge-
wissen seine Aufgaben, die auf dem Gebiete der Ver-
waltung, Geschäftsführung und Geschäftspolitik liegen,
nachkommen. Auch würde dann vom Aufsichtsrat nur
noch das verlangt werden, was er auch tatsächlich aus-
führen kann; andererseits wird dann von ihm keine
Entschuldigung mehr vorgebracht werden können, wenn
die möglichen Pflichten von ihm vernachlässigt wurden.
3. Die Ausübung der Pfliditen und Rechte
des neuen Kontrollorgans.
Die Aufgaben der Kontrollstelle müssen teils in
den Statuten, teils in einer Geschäftsordnung, welche
die Mitglieder der Kontrollstelle aufstellen und welche
der Genehmigung der Generalversammlung unterliegen,
festgelegt werden. Ihre Fesdegung erfolgt auf dieselbe
Art^wie diejenigen der Verwaltungsorgane. Die Pflichten
müssen genau umschrieben sein, so daß kein Zweifel
über die^ Verantwortung, welche den Mitgliedern zu-
fällt, bestehen kann. Die gesetzlichen Bestimmungen
dürften u. E. vollauf genügen.
Allein mit der Statuierung eines reinen Kontroll-
organs ist noch nichts erreicht, wie uns die schweize-
rischen Verhältnisse lehren ; auch genügt es nicht, die
Kontrollkompetenzen gesetzlich zu . erweitem, denn
117
\
1 *■
)
sonst müßte das deutsche Kontrollprinzip schon an
und für sich einen Erfolg verzeichnen.. Es gilt deshalb
die im Gesetz festgelegte Kompetenzfülle richtig zu
verwerten und durchzuführen. Zu diesem Zweck muß
in erster Linie die Unabhängigkeit der Kontrollstelle
bewirkt werden.
a> Die Statuierung der Unabhängigkeit der Kontrollstelle.
Wie wir sahen, ist in praxi die Wahl und die Zu-
sammensetzung der Kontrollstelle dem Verwaltungsrat
überlassen, obwohl erstere formell durch die General-
versammlung erfolgt, bezw. nach Art. 659 O.-R. er-
folgen muß. Dieser Einfluß des Verwaltungsrates auf
die Besetzung der Kontrollstelle hat sehr oft zur Folge,
daß den gefügigen Revisoren die Aufgabe zuteil wird,
in der Ausübung der Kontrolltätigkeit die Interessen
des Verwaltungsrates zu schützen.
aa) Staatliche oder private Regelung.^
E^s ist daher nicht zu verwundern, w^enn in der
Offendichkeit immer wieder Stimmen laut werden,
welche die Einführung einer staadichen Kontrolle
wünschen und zwar nur aus dem Grunde, um ein un-
abhängiges Kontrollorgan zu haben. Ist es nun nicht
besser, wenn man sich entschließt, ein solches aus eigener
Initiative heraus zu schaffen, als wieder in das alle
Regime der Staatsaufsicht zurückzufallen, denn die
Einführung der Rechnungsprüfung durch ein staatliches
Organ würde nichts anderes bedeuten.^ Wenn sich die
Akdengesellschaften nicht entschließen, dem gerechten
Wunsche der Offendichkeit nachzukommen, dann wird
im Laufe der Zeit mit Sicherheit die oben erwähnte
Regelung seitens des Staates stattfinden. Das Ehr-
und Kraftgefühl des blühenden Handels und der
mächtigen Industrie wird, wie wir hoffen, zu der Freiheit
und zu dem Entschluß sich hindurchringen, sich eine
unabhängige Kontrollstelle zu schaffen. Nur wenn die
.!•■
Kontrollstelle auf eine neutrale Basis gestellt wird, von
welcher aus sie ihren Pflichten nachkommen kann, ohne
Rücksicht auf den Verwaltungsrat oder sonstige Partei-
interessen, kann eine fruchtbare Kontrolle ausgeübt
werden. Dies wird dadurch erreicht, daß einer Minder-
heit von Akdonären ein entscheidender Einfluß auf
die Besetzung der Kontrollstelle eingeräumt wird.
bb) Änderung des Wahlmodus
(Minderheitsvertretüng).
Wir möchten daher den alten Wahlmodus, nach
welchem die Mehrheit entscheidet, fallen lassen und an
dessen Stelle das System der Minderheitsvertretung*)
einführen und zwar derart, daß den im Verwaltungsrat
nicht vertretenen Aktionären das Recht zugestanden
werden soll, die Hälfte der Kontrollstellemitglieder zu
wählen. Ist aber für die Ausübung der Kontrolle nur
ein Revisor vorgesehen, so soll in diesem Falle die
Minderheit das Recht haben, denselben zu ernennen.
Die Einführung dieses Systems muß auf gesetzlichem
Wege erfolgen.
cc) Vertretung der Obligationäre in der
Kontrollstelle?
Nach den Bestimmungen des O.-R. (Art. 659)
haben nur Aktionäre das Recht, die Mitglieder der
Kontrollstelle zu ernennen. Töndury^*) macht nun den
Vorschlag, dieses Recht auch den Obligationären einer
Aktiengesellschaft einzuräumen.
Zieht man diesen Vorschlag in Erwägung, so muß
auf jeden Fall ein Unterschied gemacht werden zwischen
Inhabern von Kassaobligationen einerseits und Inhabern
von Obligationen, die Bestandteil einer festen Anleihe
sind, andererseits.
i
*) Vgl. auch Verhandlungen des 31. Deutschen Juristen-
tags 1912. S. 538.
118
119
i
Die Kassaobligationen, welche gewöhnlich von
Banken ausgegeben werden, um sich vorübergehend
Gelder zu beschaffen, müssen in unserer Betrachtung
ausscheiden, denn es ist klar, daß eine vorüber-
gehende Kapitalanlage, die oft einer kurzfristigen
Spareinlage gleichkommt, kein Recht auf die Kontrolle
der betreffenden Gesellschaft begründet. Somit kann
nur erwogen werden, ob den Inhabern von Obligationen,
die Bestandteil einer festen Anleihe sind, das Recht zu-
gestanden werden soll, bei der Wahl der Kontrollstelle-
mitglieder mitzuwirken.
a) Begrimdung der Ablehnung.
Nach unserer Ansicht scheint der Vorschlag aus
folgenden Gründen nicht berechtigt zu sein:
1 . In dem Wesen der Obligation und in der dadurch
bedingten rechtlichen und wirtschafdichen Stellung
der Obligationäre als Gläubiger der Aktiengesellschaft
liegt nicht das Recht begründet, einen Einfluß auf die
Verwaltung und Geschäftsführung auszuüben.
2. Infolge der häufigen Interesselosigkeit der Obli-
gationäre, welche jedenfalls noch größer ist als die
der Aktionäre, würde nur ein verschwindender Teil
von dem eingeräumten Recht Gebrauch machen.
3. Dem Vorschlag zustimmen, hieße in vielen
Fällen eine falsche Finanzierungspolitik unterstützen,
welche man durch die Ausgabe von Obligationen
zu verschleiern sucht.
b) Die heutige Obligationenpolitik privater
Unterneh7nungen. •
Man hat auseinanderzuhalten, wer die Obligationen
ausgibt, und wofür die aufgenommenen Gelder ver-
wendet werden. Sind es z. B. größere Banken, welche
sich auf diese Art Gelder beschaffen, um dieselben
wieder kurzfristig anzulegen, so wird dagegen nichts
einzuwenden sein; dasselbe gilt von Industrien, welche
den zur Erweiterung ihrer Anlagen nötigen Geldbedarf
durch Ausgabe von Obligationen decken. Allein die
hohen Obligationenschulden, die oftmals bei kleineren
Banken und Industriegesellschaften in keinem Verhältnis
zu dem Aktienkapital stehen, geben zu denken. Die
richtige Beurteilung derselben wird uns aber erst möglich,
wenn wir wissen, warum Gesellschaften sich mittels
Ausgabe von Obligationen finanzieren. LardelH*^^) er-
wähnt Gründe hierfür in folgenden Auslassungen: »Vor
allem kommen in Betracht die Fälle, in denen es sich
um die Deckung eines vorübergehenden Kreditbedarfes
handelt, besonders dann, wenn die Inanspruchnahme
eines hochverzinslichen und jederzeit kündbaren Konto-
korrentkredites (Akzeptkredit) der Gesellschaft als un-
sicher und unrationell erscheint.«
»Für die Gesellschaft ist die Emmission eines Obli-
gationenanleihens femer dann das gegebene, wenn die
Zahl der Dividendenberechtigten, im Interesse eines
möglichst großen, auf wenige zu verteilenden Gewinnes,
nicht erhöht werden soll, oder wenn die Ausgabe junger
Aktien mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre.«
Diese und noch manche andere Gründe werden
für die Obligationenpolitik angeführt. Allein entscheidend
für die Beurteilung derselben ist die tatsächliche Ver-
wendung der Gelder. In Berücksichtigung dieses Mo-
ments können wir sagen, daß man oft zur Ausgabe
- von Obligationen schreitet, um verfehlte Kreditenga-
gements zu sanieren, verfehlte spekulative Geschäfte
zu fundieren (Leih- und Sparkasse Kloten), oder fehlende
industrielle Betriebsmittel wieder zu ersetzen. Einer
solchen Bedürfnissen entsprungenen Finanzierungspolitik
braucht nicht der Weg geebnet zu werden, indem man
den Obligationen den Aktiencharakter gibt.
Wir möchten eine gesunde Obligationen politik
durchaus nicht bekämpfen, da sie vor allem für ge-
wisse Bankkategorien ein im privatwirtschaftlichen und
volkswirtschafdichen Interesse liegendes Geldbeschaf-
fungs-, bezw. Anlagemittel darstellt. Eben deshalb sucht
120
121
1 1
man mittels dieser Geldbeschaffungsform, Finanzzustände
zu vertuschen, die klargelegt würden, wenn keine be-
queme Gelegenheit vorhanden wäre, immer und immer
wieder durch Aufnahme neuer Mittel das Unternehmen
für kürzere oder längere Zeit noch über Wasser zu halten.
So wie die Verhältnisse heute liegen, erkennen wir
das Recht, einen Einfluß auf Verwaltung und Kontrolle
der Aktiengesellschaft direkt oder indirekt geltend zu
machen, nur dem Aktionär zu.
b> Die Durchführung der Kontrollpfliditen.
aa) Die Qualifikation der Mitglieder der
Kontrollstelle.
Sind nun in der erweiterten Kontrollkompetenz und
in der Möglichkeit, ein unabhängiges Organ zu schaffen,
wesentliche Grundlagen für eine wirksame Kontrolle
vorhanden, so gilt es darauf bedacht zu sein, daß
diese Pflichten korrekt ausgeübt und die Rechte richtig
ausgenützt werden. Dies ist nur dann möglich, wenn
für die Wahl, als Kontrollbeamte der Aktiengesellschaft,
nur qualifizierte Personen in Betracht kommen.
a) Die Anforderungen an die Qualifikation.
Worin muß die Qualifikation bestehen? Die Ant-
wort hierauf entnehmen wir zunächst den Ausführungen
Rehrs^^) über die Anforderungen, welche an einen
tüchtigen Revisor zu stellen sind: »Reichliche Erfahrung
in den verschiedenen kaufmännischen Gebieten, damit
er bald orientiert ist. Wesentliches vom Unwesentlichen
unterscheiden. Vertraut sein mit den Gebräuchen im
Handel und Industrie, kaufmännisch Denken und Em-
pfinden können. Gute und schnelle Auffassungs- und
Kombinationsgabe, rasches Arbeiten, Organisations-
talent, die Gabe, das für den Betrieb praktischste und
richtigste zu erkennen. Das Geschehene klar wieder-
geben. Nüchternes Urteil über Menschen und Dinge,
Gewandtheit im Verkehr, die Kunst Menschen zu
X*-
behandeln, und Taktgefühl, um in all den mannigfachen
Situationen, in die der Revisor hineinkommt, immer
die richtige Haltung zu bewahren. Peinlichster Ordnungs-
sinn, unbedingte Zuverläßigkeit und Verschwiegenheit,
strenge Objektivität und Gewissenhaftigkeit«.
b) Die Erbringung des Nachweises der Qualifikaiion.
Es erhebt sich aber die schwierige Frage, welcher
Maßstab an die Kenntnisse des Revisors angelegt werden
soll, und wie diese Qualitäten nachzuweisen sind. Für
Personen, welche in der Geschäftspraxis stehen, wird
ihr praktischer Erfolg und ihr diesbezüglicher Ruf ent-
scheidend sein. Dagegen muß von den Anwärtern
eines Kontrollstelleamtes, die sich für ein solches erst
vorbereiten, ein Befähigungsnachweis verlangt werden,
dessen Erteilung davon abhängig zu machen ist, daß
durch den Nachweis gewisser praktischer und wissen-
schafdicher Kenntnisse, bis zu einem gewissen Grad,
eine Garantie für die Fähigkeit der Ausübung von
Kontrollfunktionen gegeben ist.
Wenn also für die Wahl eines Revisors nur dessen
spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten ausschlaggebend
sind, dann können wir uns auch nicht mit der oft be-
obachteten Übung einverstanden erklären, juristische
Personen oder Verbände in die Kontrollstelle gu wählen.
W'ürden wir z. B. eine Treuhandgesellschaft wählen,
welche in eine Aktiengesellschaftsform gekleidet ist,
so wäre rechtlich der Direktor verpflichtet, die Kon-
trolle auszuüben; gewöhnlich ist es aber in der Praxis
so, daß ein oder mehrere Beamte der Treuhandgesell-
schaft kontrollieren. Das würde sich mit unserem Prinzip,
daß wir nur ganz bestimmte Personen als Mitglieder
der Kontrollstelle haben möchten, nicht vereinigen lassen.
Nach unserer Auffassung ist es am zweckmäßigsten,
wenn ganz bestimmte physische Personen direkt in die
Kontrollstelle berufen werden. Dabei ist es gar nicht aus-
geschlossen, daß die betreffenden Personen einer Treu-
handgesellschaft oder einem Revisionsverband angehören.
f
122
123
bb) Die Teilnahme der Kontrollstellemitglieder
an den Verwaltungsratssitzungen.
Um den Mitgliedern der Kontrollstelle die Durch-
führung der von uns gewünschten Kontrollen zu er-
möglichen, muß denselben die Teilnahme an den
Verwaltungsratssitzungen mit beratender Stimme ge-
stattet sein. Nur wenn sie mit dem Geschäftsgebahren
der Verwaltung vertraut sind, und wenn der Geist
der Geschäftsführung sie in gewisse Details der Unter-
nehmung einführt, ist ihnen eine Beurteilung der Ge-
schäftsführung möglich.
Bestehen bei größeren Gesellschaften verschiedene
Ausschüsse, so wird es nicht nötig sein, daß die Kon-
trollstellemitglieder auch deren Sitzungen beiwohnen.
Das Ergebnis der Arbeit in den einzelnen Ausschüssen
muß ja dem Verwaltungsrat in seiner Gesamtheit mit-
geteilt werden, was in den Sitzungen des Gesamt-
kollegiums geschieht. Daher wird nur die Teilnahme
an letzteren für die Beamten der Kontrollstelle nötig
sein. Daß die Praxis der Teilnahme von Kontroll-
organen an den Sitzungen des Verwaltungsrates
schon hie und da geübt wird, beweisen die Statuten
des Credit Foncier Neuchätelois, in welchen Art. 37
folgendes bestimmt:
»Les Censeurs-controleurs sont charores de veiller
ä la stricte Observation des Statuts.
Ils assistent aux seances du Conseil avec voix
consultative«.
Die Bedenken, welche Töndury*^^) bezgl. der Teil-
nahme der Kontrollstelle an den Verwaltungsrats-
sitzungen ins Feld führt, daß dadurch auch eine Teilnahme
an der Geschäftsführung gegeben sei, scheint uns nicht
stichhaltig zu sein. Die Praxis kann wohl die Grenze
ziehen zwischen einem Rat, der angenommen wird oder
nicht, und der Ausübung der Geschäftsführung. Handelt
es sich um schwerwiegende Entscheidungen, und finden
die Kontrollstellemitglieder den Entschluß hierüber als
124
f*
der Gesellschaft schädlich, so können sie sich an die
Generalversammlung wenden, wozu sie ja auch nach
Art 644 O.-R. das Recht haben. Auf diese Weise
wird dann auch eine genaue Aufklärung über die Ver-
hältnisse herbeigeführt, indem die Revisoren die wahre
Sachlage schildern und die Verwaltung Rede und Ant-
wort stehen muß. Daraufhin kann die Generalver-
sammlung*^^) sich kritisch und entscheidend äußern.
Dadurch wird die Generalversammlung mehr aus ihrer
bis jetzt passiven Rolle heraustreten müssen; sie wird
dadurch besser orientiert werden und kann Entschei-
dungen von Bedeutung selbst treffen. Dann wird
auch ihre Stellung, welche ihr der Gesetzgeber bei-
gelegt hat, oberstes Organ der Gesellschaft zu sein,
wieder gerechtfertigt.
cc) Die Notwendigkeit einer ständigen Kontrolle
und deren Durchführung.
Um eine wirksame und erfolgreiche Kontrolle zu
erzielen, ist unbedingt notwendig, daß dieselbe ständig
ausgeübt wird. Dem Inhalt^^) des Art. 660 O.-R. ist
wohl kaum zu entnehmen, daß die Revisoren jederzeit
berechtigt sind, die Bücher einzusehen. Diese Bestimmung
muß deshalb genau in den Statuten festgelegt werden,
was auch schon manche Gesellschaften getan haben.
So bestimmt z. B. § 23, Abs. 2 der Statuten der »Deco«
A.-G. Zürich: »Die Revisoren smd Jederzeit berechtigt,
von den Büchern der Kasse und den Kautionen Ein-
sicht zu nehmen«.
In § 34 der Statuten der Bank für Handel und
Industrie in Zug-Zürich finden wir folgende Bestimmung:
»Die Revisoren überwachen die genaue Beachtung der
Statuten; sie sind jederzeit berechtigt, die Bücher,
Belege, Titel, sowie Kassenbestand zu prüfen«.
Die Einwände Töndurys^^), daß ein ständiger Kon-
trollapparat, wie der Ausbau der gesetzlichen Kontroll-
stelle es mit sich bringen sollte, kompliziert und teuer wäre,
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und den »Gang der Geschäfte unliebsam verlangsamen
müßte«, sind belanglos. Wir glauben kaum, daß ein
ausgebautes Kontrollorgan komplizierter ist und den
Geschäftsgang mehr hemmt, als dies ein sogenanntes
»Informationsorgan« und eine Kontrollstelle, wenn
letztere nicht ständig fungiert, tun würde. Ebenso
dürfte das von uns vorgeschlagene Kontrollorgan nicht
teurer sein, als die beiden andern Organe. Übrigens
wird eine ausgebaute Kontrollstelle, deren Mitglieder gut
bezahlt sein müssen, in jedem Fall sich bezahlt machen.
Werden nun, wie dies bei den meisten Gesell-
schaften der Fall ist, zwei Personen als Mitglieder der
Kontrollstelle ernannt, dann wird es gut sein, eine
Arbeitsteilung unter ihnen eintreten zu lassen, indem
jedem derselben ein bestimmtes Gebiet für die Kon-
trolle auf ein Jahr zugeteilt wird. Jedes Jahr wechseln
sie ihr Arbeitsfeld und können dadurch einander kon-
trollieren. Dies ist aber nur dann möglich, wenn die
Revisoren mindestens auf zwei Jahre gewählt werden.
Gesetzlich steht einer solchen statutarischen Bestimmung
nichts im Wege. Wenn auch Art. 663 O.-R. die Er-
nennung der ersten Revisoren nur für ein Jahr zuläßt, so
sind dieselbennach Ablauf dieses Jahres doch wieder wähl-
bar. Die späteren Mitglieder können dann nach dem
Gesetz auf 5 Jahre bestellt werden. Gewöhnlich setzen
die Statuten aber die Amtsdauer auf ein Jahr fest;
seltener auf 2 und 3 Jahre. Vielleicht liegt einer statu-
tarischen Bestimmung der Jura-Simplonbahn, der von
uns angedeutete Gedanke einer gegenseitigen Kontrolle
der Revisoren zu Grunde, indem Art. 23 der Statuten
bestimmt, daß einer der Revisoren, die auf 3 Jahre ge-
wählt sind, jedes Jahr in Austritt kommt und die Aus-
tretenden während zweier Jahre nicht wieder wählbar sind.
dd) Die Kontrollberichte.
Die ausgeführten Kontrollen erheischen jedesmal
einen ausführlichen Bericht^^), welcher zu Händen der
Generalversammlung gehen muß. Um dies zu erreichen,
ist es notwendig, wenigstens für den Bericht über die
Bilanz und die Verlust- und Gewinnrechnung gewisse
l^unkte aufzustellen, über welche derselbe zum mindesten
Aufschluß geben soll. Folliet"^) schlägt vor, daß der
Gesetzgeber bestimmen möchte, daß der Bericht über
folgende Punkte sich auslassen solle:
»1^»" S'il a et^ fait droit ä toutes ses demandes con-
cernant la communication des livres et pieces comptables.
2« S'il a decouvert des irregularites dans les comptes
de la societe.
3^ S'il a et^ repondu favorablement ä toutes les
questions qu'il a pos^e concemant l'exercice de sa
mission.«
Eine Festlegung derartiger Bestimmungen in den
Statuten würde u. E. genügen. Es muß stets darauf
geachtet werden, daß alle Kontrollberichte möglichst
ausführlich gehalten sind.
Schlußwort.
Mit diesen Ausführungen schließen wir unsere Be-
trachtungen über die Verwaltungsratsfrage ab. Wir
suchten in unseren Darlegungen Mittel und Wege
anzudeuten, mittels deren die Lösung der zahlreichen
Probleme, welche diese Frage in sich schließt, möglich
ist. Im großen Ganzen glauben wir, daß dieselben
in einer zweckentsprechenden, der Eigenart und dem
Bedürfnis jeder einzelnen Aktiengesellschaft Rechnung
tragenden Organisation der Verwaltung und Kontroll
stelle bestehen. Damit möchten wir auch darauf hinweisen,
daß es sich hier nicht um ein allgemein zu lösendes
Problem handelt, welches man generell durch gesetzliche
Bestimmungen lösen kann, sondern dass wir es mit
einem Problem zu tun haben, dessen befriedigende
Lösung nur individuell, unter Berücksichtigung der je-
weiligen Verhältnisse der in Frage kommenden Ge-
sellschaft möglich ist. Wir lassen dabei aber nicht außer
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Acht, daß die Festlegung der Organisationen direkt
oder indirekt durch gesetzliche Maßnahmen vor allem
dann beeinflußt werden muß, wenn es gilt, allgemein
volkswirtschaftliche und kleinkapitalistische gegenüber
privatwirtschaftlichen und großkapitalistischen Inter-
essen zu schützen.
Die Lösung des Kernproblems der Verwaltungs-
ratsfrage in Deutschland besteht in der Schaffung einer
besonderen Kontrollstelle nach dem Vorbild des Obli-
gationenrechtes. Der organisatorische Ausbau dieses
Organs hat im Hinblick auf die Organisation von Vor-
stand und Verwaltungsrat in der für die schweizerischen
Verhältnisse erwähnten Weise zu erfolgen.
Von entscheidender Bedeutunof für die Reeelunu^
der Verwaltungsratsfrage in der Schweiz ist, daß im
gegenwärtigen gesetzlichen Rahmen der Ausbau der
Organisation von Verwaltung und Kontrollstelle derart be-
werkstelligt wird, daß beide Organe auf eine voneinander
unabhängige Warte gestellt werden, daß aber der für
die gesamte Verwaltung einer Aktiengesellschaft nötige -
innere, wirtschafdiche und geistige Konnex hergestellt
wird. Mögen dann auch die Wogen im stürmischen
Wirtschaftsleben hoch gehen, ein gut organisierter,
gewissenhafter Verwaltungsrat wird die Gesellschaft auch
in Stürmen sicher steuern.
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JUL281994
NEH
COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES
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