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Full text of "die wanderungen der kelten"

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Jnöian ^nstittrtt, ©iforJ». 

THE MALAN LIBHABT 



BY THE REV. S, C. MALAN, D.D., 

rüar of Broad-ijindior, 

January, 1885. 



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DIE ^^ 



WANDERUNGEN DER KELTEN. 



HISTORISCH - KRITISCH DARGELEGT 



VON 



LEOPOLD CONTZEN, 

LEHRER AN DER REALSCHULE ERSTER ORDNUNG ZU COELN. 



ÖEKROENTE PREISSCHRIFT. 



LEIPZIG, 

VERLAG VON WILHELM ENGELMANN. 

1861. 



Vorwort 



Die äussere Veranlassung vorliegender Schrift ist eine von 
der philosophischen Facultät der Akademie zu Münster für 
das Jahr 1856 gestellte Preisaufgabe. Durch das Interessante 
des Gegenstandes angezogen suchte der Verfasser mit grossem 
Eifer die Lösung derselben und wandte dann durch das gün- 
stige Urtheil der Facultät bewogen noch einmal dem reichhal- 
tigen Stoffe den Fleiss längerer Zeit zu , um die Geschichte 
sämmtlicher keltischen Wanderungen abzurunden. 

Gegenwärtiges Werkchen verfolgt die Geschichte der Kel- 
ten von ihrem ersten Auftreten bis zu ihrer Unterjochung 
durch die. Römer. Was den Gang der Untersuchung angeht, 
so galt es zuerst die allgemeinen Umrisse zu zeichnen und dar- 
zulegen, welche Länder in vorhistorischer Zeit von den Kelten 
erobert und in Besitz genommen waren. Die Sitze der Kelten 
in Europa abzumarken ist demnach die Aufgabe des ersten 
oder allgemeinen Theils ; in diesem hat der Verfasser sich be- 
strebt , an der Hand der Schriftsteller des Alterthums Schritt 
vor Schritt voranzugehen und den das Auge einladenden Weg 
der Etymologien möglichst zu vermeiden und hat überhaupt 
den aus der Sprache geschöpften Belegen nie die erste Stelle 
eingeräumt, obwohl er die hohe Bedeutung derselben , zumal 
da wo die Alten schweigen , nirgends verkannt hat. So bildet 
also der erste ethnographische Theil die Grundlage zum zwei- 
ten geschichtlichen, der sich eingehend mit der Darstellung 
des Auftretens der Kelten in Italien, Griechenland und Asien 



IV Vorwort. 

beschäftigt, gestützt auf Quellen , wie auf sorgfältige Verglei- 
chung der neueren Forschungen. 

Dem Vorstehenden hätte der Verfasser zwar Veranlas- 
sung noch das Eine oder das Andere beizufügen, allein er 
zieht vor , das Werk , wie es ist , für sich selbst sprechen zu 
lassen und ihm nur ein Wort des Dankes mit auf den Weg zu 
geben, den er seinen Lehrern an den Hochschulen zu Münster, 
Würzburg und München, namentlich seinem hochverehrten 
Onkel Herrn Professor Dr. Contzen zu Würz bürg, so wie 
Herrn Dr. Glück zu München, dem gründlichen Kenner kel- 
tischer Sprache für vielseitige Förderungen und Belehrungen 
schuldig geworden ist. Er hat keinen andern Wunsch, als 
dass der vorliegende Versuch ihrer wohlwollenden Theilnahme 
nicht unwürdig erfunden werde. 

Co In im November 1860. 



i 
Der Verfasser. 



Inhaltsverzeichniss. 



Allgemeiner TheiL 
Die Marken der Kelten. 

Seite 

Capitel I. Einleitende Bemericungen. 

§. 1 . Namen des Volkes 1 

§. 2. Aelteste Wanderungen der Kelten 4 

Capitel II. Das alte Gallien. 

§. 3. Aelteste Nachrichten über Gallien 7 

§. 4. Die Beigen 8 

§. 5. lieber die Abkunft der Beigen 11 

§. 6. Die Stämme des eigentlichen Galliens 14 

Capitel III. Iberische Kelten. 

§. 7. Aelteste Nachrichten über den Südwesten Europas 19 

§. 8. Keltiberer und Keltiker 21 

Capitel IV. Brittische Kelten. 

§. 9. Aelteste Nachrichten über Britannien 25 

§. 10. Geschichte Britanniens bis zur Einwanderung der Sachsen 26 

§. lt. Geographischer Ueberblick der brittischen Inseln • • . 28 

§. f2. Die Briten-Kelten 31 

Capitel V. Die Ligyer. 

§. 13. Früheste Wanderungen der Ligy er 37 

§. 14. Ligyer in historischer Zeit 39 

Capitel VI. Alpen- und Donaukelten. 

§. 15. Die Helvetier 44 

§. 16. Die Bojer «. . . . 47 

§. 17. Die Oser und Gothiner 53 

§. 18. Die Carner und lapoden 54 

§. 19. Die Raeter und Vindeliker 55 

§. 20. Die Noriker (Taurisker) '. 60 

Capitel VII. Illyrisehe Kelten. 

§. 21. Die Zeit ihrer Einwanderung 62 

§. 22. Ihre Sitze 65 



VI Inhaltsverzeichniss. 

Seite 

Capttel VIII. §. 23. Die Veneter 67 

Capitel IX. Charakter and staatliche Beziehangen der Kelten« 

§. 24. Charakteristik der Kelten. Wohnungen. Festungen. Verhalten im 

Kampf. Reiterei. Waffen. Sprache 74 

§. 25. Druiden. Politische Verfassung §3 



Besonderer TheiL 
Die Galller in Italien , Griechenland und Asien. 

Erster Abschnitt. 

Die Gallier in Italien. 

Capitel I. Die Einnahme Roms. 

f. 1. Die Umbrer keine Kelten 97 

§. 2. Der Zug des Sigovesus und Bellovesus in geschichtlicher Beziehung . . 98 

§. 3. In chronologischer Beziehung 102 

§. 4. Das cisalpinische Gallien 105 

§. 5. Die Etrusker und ihre Kämpfe mit den Galliern. Die Senonen vor Clu- 
sium. Ihr Sieg über die Kömer an der Allia. Einnahme Roms. Veji 
Waffenplatz der zerstreuten Römer ; ihr Sieg unter Caedicius über 
die unedlen Tusker. Manlius rettet das Capitol. Abzug der Gallier 108 
§. 6. Mährchen von der Befreiung Roms durch Camillus. Das Jahr der Zer- 
störung 117 

Capitel II. Die gallischen Kriege bis zar etrasfcischen 

and samnitischenAlliance. 

§. 7. Charakter dieser Periode. Angeblicher Sieg des Diktators M. Furius 
Camillus. Gallischer Krieg vom Jahre 393. Zweikampf des T. Man- 
lius Torquatus 120 

§. 8. Gemeinsamer Krieg der Tiburter und Gallier gegen Rom. 394. Doppel- 
sieg der Römer 123 

§. 9. Gallischer Krieg vom J. 396. Sieg'des Diktators C. Sulpicius Feticus bei 

Pedum 124 

§. 10. Gallischer Krieg vom J. 404. Sieg des Consuls M. Popilius Laenas. 
Die Gallier überwintern^ im Albanergebirg. L. Furius Camillus 
nöthigt die Gallier zum Rückzug. 405. Zweikampf des M. Valerius 
Corvus. Einbruch transalpinischer und cisalpinischer Gallier in 
Etrurien. 449 125 

Capitel III. Unabhängigkeitskämpfife der italischen Völkerschaften 
un^der Gallier gegen Rom bis zam zweiten panischen Kriege. 

§. 11. Charakter dieser Periode 130 

§. 12. Der dritte samnitische Krieg. Schlacht bei Sentinum 131 

§. 13. Die Senonen von den Etruskern zu Hülfe gerufen, belagern Ariminum. 
Niederlage d^r Römer. Fecialenmord. Völlige Verwüstung Seno- 
gallias durch den Consul Dolabella. Exstirpatiou der Senonen. Rö- 
mische Colonie. Erhebung der Bojen ; ihre Niederlage am See Vadi- 
mon. 469. Abermalige Niederlage der Bojen im J. 470. — Friede . 138 



Inhaltsverzeichniss. YII 

Sehe 

§. 14. Falisker und Bojer kämpfen gegen die Römer. 416. Niederlage und 
Sieg des Consuls F. Valerius Falto. Die Bojerrürsten Ates und Oa- 
lates rufen Transalpiner zu Hülfe. Blutiger Zwiespalt unter den 
GalUem • • • • ^^l 

§. 15. Die Lex de agro Oallico et Piceno viritim dividendo des Tribunen 
C. Flaminius. 522. Grosse Büstungen der Gallier gegen Rom. Gae- 
saten. Schlacht bei Telamon. 529 143 

§. 16. Einfall der Römer in das Land der Bojen. 530. Niederlage des Consuls 
Flaminius im Transpadanischen ; treuloser Friedensbruch desselben, 
Sieg über die Insubrer am Fadus. 53 1 . Der Consul M. Marcellus 
besiegt ein Gaesatenheer bei Clastidium. 532. Scipio schlägt die In- 
subrer. Erste Erwähnung der Geitnanen in der Geschichte .... 150 

Capitel IV. Der ponisch-gailidche Krieg and die letzten Regungen 
des nationalen Vnablianglglceitsstrebens der Gallier. 

§. 17. Hannibal, Die Bojer treten mit ihm in Verbindung. Niederlage des 
Fraetors T. Manlius Torquatus. Hannibal in Italien. Siege am Ti- 
cinus, an der Trebia. Die Insubrer erklären sich für ihn. Zug durch 
die Niederungen des Arno. Siege am Trasimen und bei Cannä. . . 155 

§. 18. Vernichtung von 25000 Römern im Litanawald. Erfolge der Römer in 
Iberien. — Hasdrubals Niederlage am Metaurus. Mago's zweijähri- 
ger Aufenthalt in Italien. Schlacht bei Zama. 553 164 

§. 19. Hamilkar bewegt die Bojer zum Kriege. Vernichtung eines praetori- 
schen Heeres. 553. Eroberung von Flacentia. Grosse Niederlage 
der Bojen, Insubter und Cenomanen. Die Insubrer locken ein römi- 
sches Heer in einen Hinterhalt und erschlagen 6600 Mann. 555. 
Grosse Niederlage der Bojen am Mincius durch den Consul Cn. Cor- 
nelius Cethegus. 557. Fortsetzung des Krieges im J. 558. Sieg des 
Bojerfürsten Carolamus über den Consul M. Marcellus. Grosse Nie- 
derlage der Insubrer bei Comum und der Bojen im Lande der Laeven 169 

§. 20. Die letzten mörderischen Schlachten. 'Sieg des Consuls L. Valerius 
Flaccus beim Litanawalde. 559. Unentschiedene Schlacht bei Me- 
diolanum. 560. Die Bojer greifen das Lager des Consuls Tib. Sem- 
proniusan. Krieg in Ligurien. Unentschiedene Schlacht bei Mutina. 
561. Gewaltthat des Consuls L. Quintius Flamininus. 562. Das bo- 
jische Heer wird in einer grossen Schlacht durch den Consul Scipio 
Nasica vernichtet. 563. Die Bojer ergeben sich. Neue römische Co- 
lonien. Auszug der Bojerreste zum Pelsosee. Die Insubrer , Ceno- 
manen und Veneter huldigen Rom. Die beiden letzten Wanderungen 
transalpinischer Gallier nach Italien. 571.575. Romanisirung des 
cisalpinischen Galliens 173 



Zweiter Abschnitt. 

Die Gallier in Griechenland. 

Capitel V. Die Gallier In Makedonien. 

§.21. Politischer Himmel Griechenlands im Allgemeinen um Ol. 125 . ... 182 
§. 22. Verhältnisse der bedeutenderen Staaten Griechenlands um Ol. 125. Ma- 
kedonien unter Ptolemaios Keraunos. Epeiros unter Pyrrhos. Thes- 



yni InhaltsTerzeichniss. 

Seite 

salien grösstentheils frei. Aetoliens Blüthe. Böotien frei. Athens 
Schicksale. Megara frei. Antigonos Gonnatas' Uebergewicht im Pe- 
loponnes. Städtebund in Achaja. Sparta und Argos frei. Arkadiei^ 
unter Antigonos. Korinth 183 

§. 23. Quellen. Pannonische Kelten. Tektosagen. Ausgangspunkt der in Grie- 
chenland einbrechenden Gallier 186 

§. 24. Die Gallier um Ol. 125. den Griechen noch ziemlich unbekannt. Erster 
Einfall der Gallier in Griechenland unter Kambaules. 0\*^ 124, 4. 
Zweiter Einfall in Paionien, Thrakien und Makedonien. Die Gallier 
unter Belgios in Makedonien. Niederlage und Fall des Königs Pto- 
lemaios Keraunos. Sosthenes 189 

Capitel VI. Die Katastrophe bei Delphi. 

§. 25. Neue Rfistungen der Gallier gegen Griechenland. Grösse des gallischen 
Heeres. Einbruch in Makedonien. Dritte Expedition unter Akicho- 
rios. Sein Sieg über Sosthenes. Bustungen der Hellenen. Die Hel- 
lenen unter Kallippos besetzen die Thermopylen. Uebergang der 
Gallier über den Spercheios. Sieg der Hellenen bei Thermopylae. 
Kydias. Standlager der Gallier bei Herakleia. Vereitelter Versuch, 
den Oeta zu übersteigen. Grausamkeit gegen die Einwohner von 
Kallion. Verrath der Herakleioten und Ainianer. Die Hellenen 
lösen sich auf. Akichorios theilt sein Heer und zieht gegen Delphi. 
Seine List zur Ermuthigung seiner Schaaren. Massregeln der del- 
phischen Priester. Musterung der Quellenberichte über die Vor- 
gänge bei Delphi. Erfolgreiche Plänkeleien der Phoker. Erdbeben. 
Nächtliche Kälte. Kückzug der Gallier. Nächtliches Blutbad der 
Gallier unter sich. Akichorios' Tod 193 

§. 26. Widerlegung der Nachrichten Diodors , Justins und Pausanias' über 
die gänzliche Vernichtung der Gallier. Das Gold von Tolosa und 
die daran sich knüpfende Sage von der Einnahme des delphischen 
Tempels. Plünderung des delphischen Tempels durch die Skor- 
disker. Delphizügler in Makedonien. Antigonos Gonnatas gewinnt 
durch Hülfe umherschweifender Gallier die makedonische Krone 
und vernichtet einen zweiten in Makedonien einbrechenden Gallier- 
haufen. Chronologisches 199 



Dritter Absclmitt 

Die Gallier in Asien*. 

Capitel VII. Das gallothraklsche Releh am Uaimoe. 

§. 27. Quellen über diesen Abschnitt. Hieronymos von Kardia. Demetrios 

von Byzanz. Nymphis von Herakleia. Duris von Samos. Eratosthenes 209 

§. 28. Die 20000 Gallier unter 1 7 Fürsten in Thrakien. Leonnorios und Lu- 
tarios. Byzanz muss sich durch hohe Tribute loskaufen. Zug der 
Gallier nach der Propontis. Die Gallier setsen nach Asien über und 
retten dem Nikomedes sein Reich. Vertrag der 1 7 Fürsten .... 211 

§. 29. Trümmer des grossen gegen Delphi ausgezogenen Gallierheeres grün- 
den ein Königreich am Haimos. Kommontorios erster König. 



Inhaltsverzeichniss. XI 

Seite 

Baubzüge. Byzanz ihnen tributpflichtig. Verhältnisse des gallothra- 
kischen Beiches; Grenzen. Die getische Steppe. Blüthe und Terfall 
des Beiches. Handelskrieg der Hyzantier und Bhodier. Kavaros, 
letzter König von Tyle 213 

Capitel VIII. Die Galater in Kleinasien bis zu ihrer Niederlage 

darcii Antloelios I. 8oter. 

§. 30. Wirren und Erbfolgestreitigkeiten in Bithynten.^Baubzüge derOalater 
durch Kleinasien. Eroberung von Milet. Drei edle Jungfrauen 
geben sich den Tod. Einnahme von Ephesos durch Verrath. Unge- 
heure Beute der Galater. Ariamnes 220 

§. 31. Sieg des Königs von Syrien An tiochos' I. über die Galater. Prunkender 
Schlachtbericht Lukians. List des syrischen Feldherrn Theodotas 
von Bhodos. Anfange des nachherigen Galatiens 223 

Capitel IX. Weitere Schiclcsale der Galater bis zu ihrer Be- 

rührang mit den Römern. 

§. 32. Die damalige Politik Aegyptens. Ptolemaios II. Philadelphos. Feind- 
liche Stimmung zwischen Aegypten und Syrien. Aufstand des Ma- 
gas von Kyrene. 4000 Gallothraker auf der öden Nilinsel. Der erste 
syrische Krieg. Ol. 129. Tapferkeit der Galater. Niederlage der 
Aegy^ter am schwarzen Meer. Friede 225 

§. 33. Bithynischer Erbfolgestreit zwischen Zeilas und Tiboites , den Söhnen 
des Nikomedes. Zeilas König von Bithynien durch tolistobojische 
Galater 226 

§. 34. Antiochos* II. Theos feindliche Gesinnung gegen Aegypten. Zweiter sy- 
rischer Krieg. Friede. Antiochos verstösst seine Gemahlin Laodike 
und heirathet Berenike , Tochter Ptolemaios* II. Die furchtbaren 
Scenen im syrischen Königshause. Berenike und Antiochos ermor- 
det. Neuer Krieg der Seleukiden mit Aegypten. Antiochos "Hierax 
und Seleukos II. Erster Bruderkrieg. Theilnahme der Galater auf 
Seite des Antiochos Hierax. Schlacht bei Ankyra. Friede zwischen 
den Brüdern. Aufstand der Stratonike. 239 v. Chr 229 

§. 35. Neue Baubzüge der Galater. Uebersicht der Geschichte des pergame- 
nischen Beiches bis auf Attalos. Attalos besiegt die Galater. Ol. 137. 
Die Galater in festen Grenzen 233 

§. 36. Der zweite Bruderkrieg zwischen Seleukos und Antiochos. Niederlage 
des Letzteren. Krieg des Antiochos Hierax gegen Attalos von Ber- 
gamos. Zeilas, König .von Bithynien, von Galatem niedergehauen. 
Niederlagen des Antiochos von Attalos. Sein Tod. Einfall der Ga^ 
later in die Pontosländer 236 

§. 37. Seuleukos III. Keraunos. Antiochos der Grosse. Seine Kämpfe um die 
Einheit des Beiches. Eumenes II. von Bergamos. Galater kämpfen 
auf der Seite des Antiochos bei Magnesia gegen die Bömer .... 259 

Capitel X. €n. Manlias Valso's Heerfahrt gegen Galatien bis znr 
völligen Unterwerfung dieses Landes darch die Römer. 

§. 38. Kriegeslustiger Sinn des Consuls Cn. Manlius. Manlius beschliesst, 

.ohne die Genehmigung des Senates einzuholen gegen Galatien zu 

ziehen. Attalos, Bruder des Eumenes von Bergamos schickt Hülfe. 

Eroberung von Cuballum. Priester der Kybele prophezeien dem 



X Inhaltsverzeicbniss. 

Seite 

Manlius den Sieg. Rüstungen der Galater. Sieg des Consuls über 
die Tolistobojer auf dem Olympos. Blutige Bache der gallischen 
Fürstin Chiomara an einem römiscben Centurionen. Niederlage der 
Tektosagen und Trokmer auf dem Magababerg. Die Galater bitten 
um Frieden. Friede zu Ephesos 241 

§. 39. Galatien Schauplatz des Kampfes zwischen den Königen von Kappa- 
dokien und Pontos. Galatisch-pergamenischer Krieg. Benehmen 
der römischen Gesandten und ihre geheimen Instructionen. Wech- 
selnde Erfolge der kriegführenden Parteien. Sieg des Königs von 
'Pergamos. Krieg der Trokmer mit dem König Ariarathes von Kap- 
padokien 24S 

§.40. Rückblick auf die Galater. Verfall in Sitte und Religion. Rührende 
Treue der Fürstin Gamma. Erster mithridatischer Krieg. Ver- 
rätherischer Ueberfall des Mithridates auf die galatischen Edeln. Ga- 
latien königlich pontische Provinz. Verschwörung des Toredorix 
gegen das Leben des Mithridates. Galatien durch den Frieden von 
Dardanos wieder frei. Zweiter 'und dritter mithridatischer Krieg. 
Galatien auf Seiten der Römer. Mithridates' Tod 25t 

§. 41. Pompejus* Siegeslauf durch Asien. Belobungen der Galater. König 
Dejotaros. Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompejus. Galatien 
kämpft für Pompejus. Schlacht bei Pharsalos. Dejotaros Begleiter 
des flüchtigen Pompejus. Krieg des Pharnakes. Caesar straft den 
Dejotaros wegen seiner Theilnahme am Kriege und entzieht ihm die 
von Pompejus geschenkten Länder 257 

§. 42. Rache des Dejotaros. Nach Caesars Tod reisst Dejotaros die genom- 
menen Länder wieder an sich. Die republikanische Reaction zu 
Rom. Krieg zwischen Antonius undOctavian. Amyntas, König von 
Galatien. Länderverth eilungen an galatische Tetrarchen. Rühren- 
des Beispiel von Bruderliebe eines Galaters. Amyntas' Tod. Gala- 
tien eine römische Provinz. — Vorige Verfassung Galatiens .... 262 



I 



Allgemeiner Theil. 



Die Marken der Kelten, 



I 

C o n t z e n , Wanderung^eu der Kelten. 



Capitel I. 

Einleitende Bemerkungen. 



§.1. 

Namen des Volkes. 

Eine drei&che Namensform des Keltenvölkes findet sich bei den 
Schriftstellern des Alterthums : 

1) Celtae (KekTacund KsItoI). Hecat. fragm, N. 19. Herod. 2, 
33. 4, 49. Polyb. 2, 13 ff, Aristot. Politic. 2, 7. Strab. passim. 
Ueber die doppelte Form im Griechischen vergl. Eustath. in 
Dionys. Per. 293. 

2) Eine spätere Forin, die zuerst bei Timaios vorkommt, (Etymol. 
Magn. s. h. v.) ist Faldtai, Galatae, (Hauptstelle darüber 
Pausan. 1, 3 extr.) Polyb. 2, 15. Strab. passim. Hesych. tom. II. 
p. 226. u. s. w. 

3) Den Römern war die Form GalU die geläufigere, welche auch den 
Griechen nicht fremd blieb, (rdlloi). Vgl. Ptolem. 3, 1, 23. 
Theodoret. 1, 31. Suidas s. v. rdlkoi. 

Von diesen drei Namensformen hat man die beiden ersten für iden- 
tisch gehalten und Celtae als Verstümmelung von Galatae erklärt , die. 
zuerst von Massilia aus das griechische Ohr erreicht habe ; wiewohl mit 
völligem Unrecht; denn die Selbstständigkeit und Verschiedenheit bei- 
der Formen liegt klar ausgesprochen in den Eigennamen Gulates (Polyb. 
2, 21.) und Celtillus. (Caes. B. G. 7, 4.) Mit Recht begreift man pach 
dem heutigen Sprachgebrauch sämmtliche Glieder des grossen Stammes 
durch den Namen Kelten, jedenfalls auch richtiger als die Form Galli, 
welche die Briten und Gaelen ausscheidet. Was die Versuche angeht, 
den Namen zu deuten, so sind diese doppelter Art : 

Zuvörderst hat man denselben, und dieses thaten besonders die spä- 
teren nachclassischen Historiker, an eine mythische Person zu knüpfen 

1» 



4 1. Einleitende Bemerkungen. 

gesucht , die aber erst umgekehrt aus dem bereits bestehenden Namen 
herausgedeutet wurde. Beliebt ist namentlich die Ableitung von Hera- 
kles, der einen Sohn Galates zeugte (Diod. 5, 24), oder nach Dionys von 
Halikarnass den Keltos und Iberos (Dionys. 14, 3). Aehnliche Ueber- 
lieferungen finden sich bei Eustathios (ad Dionys. Per. 28. 3.), Ammianus 
Marcellinus (15, 9.), der aus Timagenes schöpfte, Appianos (lUyr. 2.) 
und im Etymologicum Magnum (v. FalaTia). 

Ungleich richtiger, wenn auch schwankender und schwieriger, ist 
das Bestreben vermittelst etymologischer Forschungen aus der Sprache 
des Volkes selbst zu erklären. In dieser Beziehung ist man jedoch von 
Hieronymus an bis auf den heutigen Tag trotz unzähliger Bemühungen 
zu keinem solchen Resultate gelangt , das alleseits befriedigt hätte und 
des einstimmigen Beifalles gelehrter Forscher und Kenner würdig befun- 
den wäre. Welchen Unfug man aber von jeher mit etymologischen Ver- 
suchen getrieben, wie sehr man es geliebt, in einem etymologischen 
Sumpfe umherzuwaten, ist hinlänglich bekannt und Anerkennung muss 
man neueren Sachkundigen zollen, wenn sie sich bitter über die ge- 
wöhnliche Behandlungs weise der keltischen Sprachen auslassen*. Um 
das Feld der unfruchtbaren Zweifel zu verlassen, begnügen wir uns hier 
bloss die von dem grossen Zeuss gegebene Erklärung anzuführen, dem 
der Ruhm gebührt, mit grossem Aufwände von Fleiss und gediegener 
Kenntniss im Gebiete der keltischen Sprachen Bahn gebrochen und ihre 
Kunde wesentlich und gründlich gefördert zu haben. Vgl. Zeuss, 
Grammatica Celtica I, p. 993, wo Galatae abgeleitet wird vom altiri- 
schen gal (proelium; pl. gala, auch arma) d. h. pugnaces, armati. 

§. 2. 
Aelteste Wanderungen der Kelten. 

» Nirgends wo europäische Geschichte beginnt, a sagt Jacob Grimm, 
9 hebt sie ganz von Frischem an, sondern setzt immer lange dunkle Zei- 
ten voraus, durch welche ihr eine frühere Welt verknüpft wird. « Und 



1 Vgl. Chr. W. Glück, Die bei C. J. Caesar vorkommenden keltischen Na« 
men, in ihrer Echtheit festgestellt und erläutert. München 1857. Wahr und treffend 
sagt auch Prichard : The vagues conjectures, in which writers upon etymology have 
too frequently indulged, have brought ridicule and contempt upon the legitimate 
pursuits of the philologist and upon philosc^phical study of language and have in- 
düced 8ome persons to entertain doubt , whether it is possible to deduce from thia 
quarter any historical condusions of importance , either as to the derivation of lan- 
guages themselves or of the tribes of people, who are found to them. (The eastem 
origin of the Celtic nations , proved by a comparison of their dialects with the 
Sanscrit, Qreek, Teutonic languages. London 1831. p. 36 ff. 



§.2. Aelteste Wanderungen der Kelten. 5 

in der That ist die Urgeschichte der Völker, - wie die des Menschenge- 
scTilechtes selbst, mit unaufhellbareni Dunkel bedeckt ; denn auch die 
Völker haben gleich dem Einzelmenschen ihre Periode der Kindheit, 
der Jugend, des Mannes — des Greisenalters; wie das Bewusstsein 
kindlicher Wahrnehmungen , Eindrücke und Spiele in späteren Jüng- 
lingsjahren erlischt und keine Gluth der Phantasie die verwitterten 
Spuren derselben aufzufrischen vermag , so gehen auch in der Entwick- 
lungsperiode der Völker die Thaten der Stammväter spurlos und ohne 
Vererbung näherer Kunde auf die Nachwelt über und vergeblich ist 
alles Mühen späterer Geschlechter dem endlosen weissen Blatt das 
Sprechen abzulocken. Nicht früher treten in den Gesichtskreis der Ge- 
schichte die Völker der Erde, als nachdem sie schon eine eigenthüm- 
liche Bildung gewonnen und sich im Gegensatz gegen ihre Nachbar- 
völker fühlen gelernt haben. Alle Völker Europa's aber sind in ferner 
Zeit aus Asien eingewandert, wie der Lauf der Sonne geht die Entwick- 
lung der Weltgeschichte von Osten nach Westen und die Autochthonen- 
sagen gehören der Mythe an. In manchen Menschen und Völkern braust 
dazu ein besonders unruhiges Blut und lässt ihnen die Fremde begeh- 
rcnswerther erscheinen als die Stätte der Heimath. Zu diesen gehören 
vorzüglich auch die Kelten ; theils wachsende Menge , theils abenteuer- 
licher Sinn, Freude an unstetem Soldatenleben und Sehnsucht. nach 
kriegerischen Beutefahrten trieb sie dem neuen Welttheil zu, Staaten 
erschütternd, wenige oder keine gründend. Schon sehr früh müssen sie 
ihren Auslauf begonnen haben , weil wir sie so weit gen Westen vorge- 
drungen finden; vor ihrer überlegenen Macht mussten die Nationen, 
die sich bereits vor ihnen vom allgemeinen Völkerheerde fortgewälzt,- 
(Finnen und Iberer?) weichen und unaufhaltsam ergoss sich der mäch- 
tige Strom über ganz Mittel- und Westeuropa , ohne die Schranken des 
Meeres anzuerkennen. Ueber diese uralten Züge haben wir keine ge- 
nauere Kunde ; nur die Sprachwissenschaft besitzt Mittel , Licht in das 
Dunkel derselben zu werfen, nur sie vermag aus den ältesten Urkunden 
des Völkerlebens die Anfänge ihrer Geschichten zu ergänzen. So lässt 
sich auch hier aus den Ergebnissen der Sprachforschung nachweisen, 
dass die Kelten in drei grossen Abtheilungen und zwar zu ganz ver- 
schiedenen Zeiten von Asien aufbrachen; denn es lassen sich vier 
Hauptäste der keltischen Sprache unterscheiden : 

1) der gallische, 2) der belgische, 3) der brittische, 4) der 
hibernische. 

Der Unterschied zwischen der gallischen und belgischen Sprache 
ist völlig unbekannt, jedenfalls ist er, wie es auch Strabon bezeugt, gering. 
Die brittische Sprache steht der gallischen viel näher, als die irische, wie 



6 I. Einleitende Bemerkungen. 

Zeuss dieses schlagend nachgewiesen hat (Grammat. Celt. I, p. V ff.). 
Zwischen der brittischen und der irischen Sprache bestehen wesentliche 
Unterschiede. Wir müssen daher zwei Hauptäste des keltischen Sprach- 
stammes unterscheiden: zu dem einen gehören der gallische, bel- 
gische und brittische Dialekt, zu dem andern der hibernische. 
Aus der brittischen Sprache gingen nun der kymrische, kornische und 
armorische (bretonische) Dialekt und aus der hibernischen Sprache der 
heutige irische (in Irland) und der gaelische (d. h. der gaedelische in 
Hochschottland) hervor. Mit dem letzten Ausdrucke bezeichnen auch 
die Iren selbst ihre Sprache* Hieraus schon folgt ziemlich klar, dass die 
keltischen Völker in drei Abtheilungen sich in Bewegung setzten ; zu- 
erst erschien die hibernische, dann die brittis'che, endlich die 
gallische mit der belgischen. Diese drei Stämme unterscheiden 
sich auch hinsichtlich ihrer Verfassung, indem die beiden älteren, wie 
wir unten sehen werden, demokratisch-hierarchisch, die jüngeren durch- 
aus aristokratisch regiert wurden. Jene vorgeschichtliche Zeit lässt sich 
mit annähernder Genauigkeit nicht ermitteln; das hohe Alter jener 
Wanderungen liegt in den Autochthönensagen ausgesprochen ; denn als 
Ureinwohner bezeichnete eine von den Druiden überlieferte nationale 
Sage einen grossen Theil der keltischen Nation (Caes. b. g. 6, 18.). 

Als nach einer langen Reihe von Jahren geographische Kenntnisse 
begannen einigen Gehalt zu gewinnen, finden wir auch den Namen der 
Kelten, wenn auch ziemlich spät genannt. Die homerischen GesÄnge 
kennen ihn noch nicht, ebensowenig weiss Hesiodos von ihm,' er nennt 
die westeuropäischen Völker im Allgemeinen Ligyer. Erst als die Hel- 
lenen sich durch Kolonien mit den fernen Küsten Völkern in Verbindung 
setzten, verbreitete sich eine etwas genauere Kunde und in dieser Hin- 
sicht ist besonders die Gründung von Massalia Ol. 45. durch diePhokäer 
von grosser Bedeutung, da sie die ersten Hellenen sind, die geschichtlich 
mit den Kelten bekanntwurden. Aber die äussersten mehr geahnten als 
bekannten Völker verschwammen in der hellenischen Anschauung in 
unklare gewaltige Massen, deren Gleichartigkeit und Zusammengehörig- 
keit man schlechthin annahm und so bezeichnete man die westlichen 
Völker mit dem Gesammtnamen Kelten , ihre Wohnsitze durch Kel- 
tike (KelTiytrj yrj). 

Ausser Gallien begriff man darunter Hispanien (Eratosth. bei Strab. 
2, p. 107.), den grössten Theil Germaniens, das brittische und skandina- 
navische Eiland (Strab. 2, p. 72.), die Länder bis nach Skythien hin und 
den Rhipaien oder dem Ural , oder nach Plutarch die Strecken bis zur 
Maiotisund zum kiinmerischen Chersoncs (Plut. v. Mar. 11.), ferner alles 
Land von den Mündungen des Ister im Norden Thi-akiens bis zum adria- 



§. 3. Ael teste Nachrichten über Gallien. , 7 

tischen Meere, sowie das ganze nördliche Italien. (Vgl. Scymn. peripl. 
V. 172 ff. Barth, Teutschlands Urgesch. (2. Aufl,) I, S. 345 ff.) Erst 
Caesar öffnete durch die Unterwerfung des Westens ethnographischen 
Forschungen ein weites Feld und gab selbst durch sein herrliches Werk 
dazu einen wirksamen Anstpss. Dieser forschende, wissbegierige Geist 
regte sich hauptsächlich bis Tacitus , in dem er seinen Gipfel erreichte, 
und verlor sich nach ihm durch den gewaltigen" Druck jener Zeiten. 



Capitel n. 

Das alte Gallien. 



§.3. 
Aelteste Nachrichten über Gallien. 

. _ # 

AllmslhUg drangen die auf das Binnenland beschränkten Kelten 
weiter nach der Küste hin vor und ihr Name, vorher wenig genannt, 
gewann Beachtung und eine wenn auch dürftige und unvollständige 
Vorstellung. Nach der Reise des kühnen Massalioten Pytheas aus dem 
4. Jahrh. v. Chr. kannten die Hellenen zwar die gallische Küste und 
die brittischen Inseln , hatten aber noch keine Kunde von dem Ehein 
oder einem grossen Strome im Westen vernommen, ausser von dem Ister. 
Herodot's Kelten (Herod. 2, 33. 4, 49.) waren Bewohner des äussersten 
Westens, von wo der Name der Pyrenäen sich bereits verbreitet hatte, 
obgleich so unbestimmt, dass der Glaube nicht fern lag, er gehöre einer 
Stadt an. Die Hellenen wussten , dass die Donau sich östlichen Laufes 
bewege, und dachten sich daher ihre Quelle im Keltenlande, wo eben 
Pyrene lag (cf. Arrian. exp. AI. 1, 3.). Auch Aristoteles scheint zwar 
einen richtigen Begriff über die Pyrenäen und die Kelten im Norden 
derselben gehabt zu haben, aber er ijrrte, indem er die Don»u viel zu 
südlich sucht (cf. Meteorol. 1, 13. de generat. animall. 8, 28.). Der 
erste Hellene, der die Kelten in die Geschichte einführt, ist der Logo- 
graph Hekataios aus Milet , der ihrer , zwar nur gelegentlich , in der 
Gegend von Narbo Erwähnung thnt (vgl. §, 7.). Am Küstenstrich des 
Mittelmeeres kennt er jedoch nur Ligyer , mit denen die Kelten schon 
früh einen Verdrängungskampf begannen. Wenn wir einen Blick auf 
die Karte werfen, die physische Gestalt Europa's, sowie die Völkeraus- 
dehnungen ermessen, so erscheint unwillkürlich der Theil Galliens süd- 



8 IL Das alte Gallien. 

lieh vom oberen Theile des Rheines als das Thor , an welches die ein- 
wandernden Kelten pochten und durch welches ihre Schaaren in dich- 
ten Strömen sich ergossen ; hier werden sie auf Ligyer gesto^sen sein 
und lange mit ihnen gefochten haben , bevor ihre siegreichen Waffen 
die vorgefundene Bevölkerung nach den Pyrenäen drängten ; über die 
Zeit dieser Kriege liegt nichts Sicheres vor; den einzigen^ aber sehr 
schwachen Anhaltspunkt bietet uns die Geschichte der Stadt Massalia, 
wo angeblich auswandernde Kelten den Phokäern sich gegen die nei- 
dischen Ijigyer hülf reich erwiesen. Lange Zeit hat ein dichter Schleier 
über die Westlande Europa's geruht, die civilisirte Welt kam wenig mit 
denselben in Berührung, nur wagende Kaufleute vom Gewinne ange- 
lockt drangen hinein, ohne jedoch das Erkundet^ mitzutheilen, sondern 
es aus Habsucht zurückhaltend und abenteuerliche Fabeln in Umlauf 
setzend. Dies dauerte bis auf Caesar; erst als er auf transalpinischem 
Boden seine spätere Machtstellung zu begründen strebte und das ganze 
Land siegreich durchzogen hatte, hoben sich die Nebelschleier, die den 
Westen bedeckten ; in dem achtjährigen dort zugebrachten Kriegerleben 
erforschte der grosse Mann sorgfaltig die Verhältnisse der neuen Völ- 
kerschaften und suchte nicht nur die materielle Macht derselben , ihre 
Rivalitäten und Gruppirungen klar zu erkennen, sondern legte auch ein 
Hauptgewicht auf die Erkundung der Nationalitäten. Wenn auch 
Manches nach kritischer Sichtung als unrichtig zurückgewiesen werden 
muss, so schmälert das nicht im Mindesten seinen unvergänglichen 
Ruhm ; seine Bücher sind wie die Sonne auf dem Gebiete der Ethno- 
graphik, überall die Dämmerung verscheuchend. Gallia est omnü diciaa 
in partes tres, beginnt er seine Denkwürdigkeiten über den gallischen 
Krieg, quarum unatn incolunt Beigas y cdteram Aquitani, tertiam, qui 
ipsorum lingua Geliae, nostra Galli appellantur. Er unterscheidet also 
von den eigentlichen zwischen der Garumna, der Sequana und dem 
Rhenus sesshaften Kelten die Beigen , die nördlich von ihnen zwischen 
dem Rhein und dem Ocean wohnten und die Aquitanier zwischen den 

Pyrenäen und der Garumna. 

s 

Die Beigen. 

Die Beigen waren die tapfersten unter den genannten Völkerschaf- 
ten noch zur Zeit Caesars, weil sie sich von der feineren Lebensweise 
ihrer südlichen Na^hbaren fem zu halten wussten und keinen lebhaften 
Verkehr mit fremden Kaufleuten duldeten , um von den Gegenständen 
frei zu bleiben , die leicht eine Erschlaffung der Kraft bewirken moch' 



§. 4. Die Beigen. 9 

ten (Caes. 1, 1.). Was ihre Grenzen angeht, die man allzu weit aus- 
zudehnen pflegt (vgl. Forbiger, Geogr. 3, S. 230.), so wurden diese ge- 
bildet im Süden von der Matrona, im Westen durch die Sequana und 
das Fretum Gallicum , im Norden und Osten durch den Rhenus. An 
der l^üdwestseite, am rechten Ufer der Sequana sassen, um die einzelnen 
Stämme zu nennen, die Veliocasses (Caes. 2, 4. Plin. h. n. 4, 18, 
32. Ptolem. 2, 8, 8.). Hauptort war Eatomagus (ßouen.) Südwestlich 
von ihnen sassen die Caletes (Caes. 1. c. 8, 7.) die Galeti bei Plin. 4, 
18, 32, die KdkeTOt bei Strab. 4, p. 189. 194.) mit ihrer Hpst. Juliobona ' 
(Lillebonne). Nordwestlich weiter folgen dieAmbiani (Amiens) mit 
der Hpst. Samarobriva (vgl. Caes. 5, 24. Strab. 4, p. 194.) Dieser 
Stamm gehörte zu den stärksten der belgischen Eidgenossenschaft, er 
stellte gegen Caesar 10000 Soldaten in'sFeld. Südlich von ihnen finden 
wir die Bellovaci (um Beauvais), wahrscheinlich die mächtigste bel- 
gische Völkerschaft , gefürchtet wegen ihrer Tapferkeit und <ier 
Grösse ihrer wehrhaften Mannschaft ; zu dem gegen Caesar aufgebotenen 
Heerbann liessen 6ie 100000 Krieger stossen (Caes 2, 4.). Nordöstlich 
von ihnen folgen die Suessiones (um Soissons), ein bedeutender, 
zahlreicher Gau, sie stellten gegen Caesar 50000 Bewaffnete. Von ihrem 
Ansehen zeugt besonders die Nachricht, dass ihr Herrscher jener Divi- 
tiacus war, der sogar über die brittischen Südlande gebot. Ihre Hpst. 
war Noviodunum oder Augüsta Suessionum (Caes. 2, 12.). Südlich von 
ihnen sassen die Remi (um ßheims) mit der Hpst. Durocortorum (Caes. 
6, 44. It. Ant. p. 362.). Nordöstliche Nachbaren der Suessionen waren 
dia Viromaödui (um Arras) (Caes. 2, 4. 16. Ptol. 2, 9, 11. )> sie 
stellten 10000 Mann. Ihre nördlichen Nachbaren waren die Atreba - 
tes (um St. Quentin, vgl. Caes. 1. c. 4, 35. 5, 22.) Von ihnen an bis 
an das Fretum Gallicum erstreckten sich die Wohnsitze der äussersten 
belgischen Völkerschaft der Morini im heutigen Artois (Strab. 4, 
p.- 194. 199. Caes. 2, 4. 3, 9. 4, 21. Mela 3, 2, 7.) Oestlich von den 
Morinern, Atrebatt'n, Ambianern und Viromanduern sassen im heutigen 
Hennegau die N e r V i i (Caes. 2, 15. 5, 39. Tacit. Genn. 28. Plin. 4, 
17, 31. Strab. 1. c. Ptol. 2, 9, 11.), ein kraftvoller, muthiger Kelten- 
stamm, der sich deutscher Abkunft rühmte und seine Freiheitsliebe 
durch seine fast völlige Vernichtung büsste«. Ihr Land von der Sabis 
durchströmt, von den Ardennen durchschnitten bot in Kriegszeiten 
einen sicheren Zufluchtsort. Ihre Hpst. war Bagacum (Bovai). Nord- 
östlich von ihnen im heutigen Flandern und Brabant breiteten sich die 
Menapii aus (Caes. 2, 4. 3, 28. Ptol. 2, 9, 10.) in gewaltigen Wäl- 
dern und Sümpfen hausönd (Caes. 4, 4. 6, 5. 6.). In einem schmalen 
Landstrich neben den Nerviern um d^-s heutige Namur finden wir die 



10 II. Das alte Gallien. 

Aduatuci(Caes. 2, 4. 16. 5, 27. 38. 39. 6, 2. 33.). Sie büssten un- 
ter den belgischen Stämmen am Schwersten ihre Betheiligung an dem 
Kriege gegen Caesar (Caes. 2, 33.). Nach Caesars Zeit nicht mehr ge- 
nannt sind die Eburones, zwischen Lüttich und Aachen sesshaft 
(Caes. 2, 4. 4, 6. 5, 25. Strab. 1. c.) Fast in der Mitte ihres Landes 
lag das feste Aduatuca. Ihre Wohnsitze nahmen später die Tungri ein 
(Ptol. 2, 9, 9. Tacit. hist. 4, 55. 79. Germ. 2.). Noch südlicher von 
den Vorigen sassen vier Waldvölkchen, wahrscheinlich germanischer 
Abkunft: Condrusi (Caes. 2, 4. 4, 6. 6, 32.), Caeroesi (Caes. 2, 4.). 
Paemani und Segni (Caes. 1. c). 

Eine besondere Würdigung verdient der Ausdruck Bei gl um, wo- 
mit Caesar die Ländermasse der Bellovaken und ihrer belgischen Ver- 
bündeten begreift (Caes. 5, 12. 24. 25. 8, 46. 54. 59.). Denn nach 
namentlicher Aufzählung belgischer Völker werden 5, 24 die Belgae 
noch einmal genannt und von diesen die Nervier, Moriner, Remer und 
Eburonen, sowie auch 8, 6 die Suessionen ausgeschlossen (vgl. Schnei- 
der zu Caes. 5, 12, 1. not. crit.); obwohl aus der Analogie von Sam- 
nium , worunter das ganze Land der Samniten begriffen wird , Aehn- 
liches für den Ausdruck Belgium gefolgert werden könnte* Wichtig ist 
jener engere Beigenbund für die älteste Geschichte der brittischen In- 
sel, deren joars maritima nach Caesar 5, 12 von hier seine Bevölkerung 
erhielt. Sechszehn Völkerschaften bildeten also das vorrömische Belgien : 
Remer, Bellovaken, Suessionen, Nervier, Atrebaten, Ambianer, Mo- 
riner, Menapier, Caleten, Veliocassen, Viromanduer, Aduatuker, Ebu- 
ronen, Condrusen, Caeroeßen, Paemanen, denen wir alft siebenzehntes 
die Segner anreiheten. Zwar finden wir von Strabon nur fünfzehn- an- 
geführt, allein er schreibt gedankenlos die Namen nach, welche die Re- 
mer dem. Caesar nennen, ohne daran zu denken, dass letztere selbst 
Beigen sind. Weiter als bis an das Gebiet der Trevirer darf Belgien 
nicht ausgedehnt werden. Letztere rechnet Caesar schon zu den eigent- 
lichen Galliern , denn sie senden ihm gegen die Beigen Hülfstruppen, 
wobei er sagt : Equites Treviri, qiwrum inter Gallos virtutis opinio est 
sinffularis 2, 24. Passelbe gilt von den Leuken und Mediomatriken, die 
südlich über den Trevirern im oberen Mosellande sassen. 

Obwohl die Beigen keltischen Geblütes waren , so standen sie den- 
noch zu ihren Brüdern jenseits der Sequana und Matrona in keiner po- 
litischen Beziehung und nahmen keinen Antheil an den Kämpfen um 
den Principat Galliens, vielmehr bildeten sie unter sich einen Staaten- 
bund, wiewohl in loser Porm. 



§.5. üeber die Abkunft der Belgep. 1 1 



^ §• 5. 



ITeber die Abkunft der Beigen. 

Gehen wir näher auf die nationalen Beziehungen der Beigen ein, 
so tritt uns vor Allem die wie vielfach angezweifelte^ so wie auch wieder 
vertheidigte Nachricht vor Augen , die Caesar auf seine Nachfrage er- 
hielt; Plerosque Beigas ortos esse ab Germanis y Rhenumque an- 
tiquitus traductos propter lod fertilitatem ibi consedisse, Gallosque, 
qui eas terras incolerent, expulisse, solosque esse, qui patrum nostro- 
rum memoria omni Gallia vexata Cimbros Teutonosque intra fines suos 
ingredi prohibtterint. Caes. i2, 4. Uebereinstiinmend sagt Tacitus: — 
quoniam qui primi Rhenum transgressi Gallos expulerint, ac nunc 
Tungri, tunc Germani vocati sini. German. 2. Vor Alters seien also, 
vernahm Caesar, Germanen in die linksrheinischen Uferlandschaften 
^ eingedrungen 9 deren gallische Bewohner sich vor ihnen nach Westen 
zurückgezogen hätten. Hier entsteht die Frage: Was ist von diesen 
cisrhenanischen Germanen zu halten ? 

C. Zeuss und H. Müller (vgl. die Deutschen und ihre Nachbar- 
staaten. — Die Marken des Vaterlandes.) haben zuerst und zwar gleich- 
zeitig das Keltenthum dieser » Vorgermanen « , wie sie treffend von letz- 
terem Forscher bezieichnet werden, dargethan. Nehmen wir als den Zeit- 
punkt^ den Caesar unbestimmt durch antiquitus andeutet, den niedrigsten, 
nämlich das dritte Jahrhundert vor Chr. , so gehörte damals noch alles 
Land an beiden Seiten des oberen und mittleren Rheines den Kelten. 
In früherer Zeit waren diese tapferer als die Germianen, griffen diese 
kriegsmuthig an und schickten, da die zunehmende Bevölkerung eine 
grössere Kraftentfaltung rathsam machte , Colonien an das rechte Ufer 
des Flusses (Caes. 6, 24). Daher sagt der wohlunterrichtete, mit kri- 
tischem Geiste schreibende Tacitus : Non numeraverim inter Germano- 
rum populoSy quamquam trans Rhenum Danuviumque consederunt, eos^ 
qui Decumates agros exercent. Also noch bis zu seiner Zeit dauerte 
diese Strömung nach dem rechten Rheinufer aus Gallien fort. Mit Recht 
heisst der Rhein iü diesem Sinne bei Eustathios (ad Dionys. Per. v. 294.) 
6 KeXiiiiOQ; so heisst es ferner von den Bojern, bevor sie mit den Hel- 
vetiern Gemeinschaft schlössen: trans Rhenum incoluerant (Caes. 1, 5), 
Menapier sasscn noch zu Caesars Zeit auf beiden Seiten des Rheines, 
bis deutsche Stämme sie nach dem Westen drängten (Caes. 4, 4). Holtz- 
mann (Kelten und Germanen, S. 42 ff.) behauptet, unter Germanen 
seien die echten Kelten zu verstehen , im Gegensatz zu den verweich- 
lichten Galliern, weil Strabon die Germanen yvijoiovg Faldtag nenne. 



12 11. Das alte Gallien. 

was man bisher faLschlich durch Brüder übersetzt habe ; Caesar habe die 
Benennung Germanen aufgebracht^ um sich und sein Heer zu rühmen, 
dass er die echten Kelten des Ariovistus überwunden habe und die Be- 
siegten hätten dann den Namen beibehalten. Eine weitgesuchte Hypo- 
these! Dehn läge nach römischem Sinne der Begriff acht in germanty 
so könnte es nicht ohne Hauptwort stehen und die Consequenz erfor- 
derte, dass man neben den ächten Kelten auch die unächten unterschiede, 
von Celtae adulterini ist jedoch nirgends die Rede. Strabon aber hielt* 
das Wort für lateinisch und übersetzte es nach seiner Auffassung , was 
für seinen Ursprung nichts beweist. Im Gegentheil nannte Caesar die 
Fremdlinge , wie er es von den Galliern hörte. Von vornherein ist die 
Annahme unstatthaft, Ariovist habe 14 Jahre in Grallien mit seinem 
Volke gewohnt, ohne einen Namen zu führen. (Vgl. Latham in seiner 
Ausgabe der Germania von Tacitus p. XLIX.) 

Deutlicher folgt die keltische Abkunft der Beigen aus ihrem spä- 
teren Auftreten. Wir sehen sie nirgends als kräftige übermüthige Er- 
oberer nach deutscher Art , sondern nach ihrem Einzüge sind sie fast 
verschollen und bemühen sich nur fremde Eroberer von ihren Grenzen 
abzuhalten. An die Gallier geknüpft durch die Bande des Blutes und des 
gemeinsamen Nutzens stehen sie mit ihnen in enger Verbindung, wäh- 
rend sie ihre angeblichen Brüder jenseits des Stromes als ihre Erbfeinde 
betrachten (Caes. 1, 1.). Mögen auch einige deutsche Stämme, fortge- 
schleudert aus ihren Sitzen durch das Gewoge unbekannter Wanderun- 
gen auf dem linken Rheinufer schon in so früher Zeit Siedelungen ver- 
sucht haben , so drangen sie doch nicht einmal im Osten , wo doch der 
schwächste Theil der Beigen sass, zur Hegemonie durch , sondern auch 
dort blieb keltisches Wesen vorherrschend und mächtig und das ger- 
manische verkümmerte, schliff sich an jenem ab und ging in ihm auf. 
Namentlich gilt dieses von den Eburonen, denen man gewöhnlich ein 
deutsches Gepräge aufdrückt. Denn der Eburonenfürst Ambiorix nennt 
sich einen Gallier (Caes. 5, 27.); er geht durch gallische Vermittlung 
mit den Germanen ein Bündniss ein (Caes. 6, 8.), die unter ihm ge- 
nannten Scharen sind Gallier (Caes. 5, 39.) und Caesar selbst schleicht 
sich in gallischer Kleidung durch das eburonische Lager (Sueton. vit. 
Caes. 58.), Umstände, aus denen sich bestimmt die keltische Abkunft 
der Eburonen folgern lässt. Einzige Ausnahme möchten vielleicht die 
genannten vier Waldvölkchen machen, die in und an den Ardennen 
Sassen : Condrusen , Paemanen , Caeroeser und Segner. Ausdrücklich 
scheidet sie Caesar von den Vorgermanen ; auch mit den Eburonen ver- 
kehren sie nicht und schlagen Kriegsgemeinschaft mit ihnen aus (Caes. 
6, 32.). Die Vermqthung liegt nahe, dass es Ueberbleibsel der kirn- 



§. 5. Ueber die Abkunft der Beigen. 13 

brischen und teutonischen Heerschaaren waren (vgl. Caes. 2, 29.). Da- 
her hält man am Besten die Beigen für die vierte und letzte keltische 
Strömung, die über die Länder Europas hinzog, den Spuren der Brüder 
folgend. Aus dem Wortlaut der angezogenen Stelle müssen wir anneh- 
men, dass dasjenige Volk, welches diese Vorgermanen bei ihrem Rhein- 
übergange fanden , noch keine Beigen waren , da Caesar sonst richtiger 
gesmgt hätte : Bel^asque, qui ea loca tncolerent, expuUsse, 

Für die keltische Abstammung der Belgeft tritt endlich auch die 
Sprache auf. Die Sprache aber ist die äussere Erscheinung des Geistes 
der Völker und die Geisteseigen thümliehkeit und die Sprachge'slaltung 
eines Volkes stehen in solcher Innigkeit der Verschmelzung mit einan- 
der, dass, wenn die eine gegeben wäre, di& andere müsste vollständig 
aus ihr abgeleitet werden. Der Nachweis von der Sprachähnlichkeix der 
Beigen und Gallier muss demnach überzeugend für die gleiche Abstam- 
mung beider Völker sein. Leider hat sich von der alten keltischen Sprache 
ausser den Eigennamen ' nur Weniges erhalten , welches aber immerhin 
noch hinreicht , aus der Wurzelverwandtschaft der belgischen und gal- 
lischen Sprache auf ihre wenn nicht Gleichheit, so doch Annäherung 
zu schliessen, so dass nur eine Dialekts Verschiedenheit zwischen beiden 
bestand. Dieses vermehrt aber um ein Wesentliches die historische Er- 
• kenntniss , namentlich« wo die übereinstimmende Aussage guter Quellen 
hinzukommt. So trennt Strabon die aquitanische Sprache von der kel- 
tischen und gibt deü Unterschied dieser und der belgischen nur als eine 
Dialektsverschiedenheit an : Ol fiev drj TQixfj — dif^QOvv l/ixoviTavovg 
Bekyag xalovvreg xat Keltdg' tovg (xhldyLOvCvavovg relicog i^klay- 
fiivovg ov^ üfj ykioaar] /liovov dlkä xal TOig acofiaacv €fiq>eQeig ^'ißrjQai 
fiakXov f] Fakätaigj rovg di XoiTtovg raXaTiyioig jiiv ttjv otpiv ofio- 
ykduTTOvg <f ov ndvxag^ aX)! eviovg (,uyLq6v TtaqaXXattovtag taig yktoa- 
aaig. Strab. 4, p. 176. " Ausserdem ist bei Caesai? nur von einer allge- 
mein verständlichen Sprache die Rede und diese heisst nur lingua Cel- 
tica niemals linffua Belgica. Dass aber die keltische und germanische 
Sprache verschieden waren, beweist hinlänglich die Thatsache, dass dem 
Ariovist nur nach langem Aufenthalte in Gallien das keltische Idiom 
geläufig wurde (Caes. 1,47.). Um sich einer seiner Muttersprache nahe- 
stehenden zu bedienen, hätte es schwerlich langer Uebung und Gewöh- 
nung bedurft. Ferner redeten die nach Britannien ausgewanderten Kel- 
ten eine den eigentlichen Galliern verständliche Sprache (Tac. Agric. 
1.1 .). Endlich gehört hieher die überraschende AehnKchkeit vieler Per- 
sonen- und Städtenamen Belgiens und des eigentlichen Galliens. So 
heisst ein HaeduerfOrst Divitiacus (Caes. 2, 5.) ; denselben Namen führt 
der mächtige Suessionenkönig (Caes. 2, 4.) ; überhaupt lassen sich zwei 



14 IL Das alte Gallien. 

Übereinstimmeade Bildungsarten bei Eigennamen nachweisen, die eine 
auf — gnaius, Boduognatus — Critognatus, die andere auf — iacus, Di- 
vitiacus — Valetiacus. Ein ebenso gleichmässiger, leicht entdeckbarer 
Charakter ist über alle Ortsnamen verbreitet, nicht nur hier, sondern 
auch in allen unzweifelhaft keltischen Ländern; die häufige, ja stete 
Wiederkehr in allen von gewissen keltischen Elementen zusammenge- 
setzten Namen berechtigt uns daher in Uebereinstimmxmg mit bündigen 
Quellenzeugnissen Belgfien als rein keltisch anzuerkennen. Zu vgl. 
ausser Zeuss und Müller : Britz , Memoire sur Tancien droit Belgique. 
Bruxelles 1847. Laveaux, Histoire des premiers peuples libres, qui ont 
habite la France. Paris 1798. Bd. 1. S. 230 ff. Schayes, Les Pays-^Bas 
avant et durant la domination Romaine. Bruxelles 1837. 1, 155. Adelung, 
Aeltcste Geschichte der Deutschen, ihre Sprache und Litteratur bis zur 
Völkerwanderung. Leipzig 1806. S. 240 ff. H. B. Chr. Brandes, das 
ethnographische Verhältniss der Kelten und Germanen nach den An- 
sichten der Alten und den sprachlichen U^berresten. Leipzig 1857. 
S. 74 ff. — 

§. 6. 
Die Stämme des eigentliehen Galliens. 

Von den Beigen wenden wir uns zu dem eigentlichen Gallien, das 
der Länge nach sich von der Sequana bis zur Garumna und der Breite 
nach vom Ocean bis zum Ehodanus und Rhenus eistreckt und demnach 
den grössten Theil der Schweiz und das heutige Frankreich mit Aus- 
nahme Belgiens sowie den westlich vom Bhein liegenden Theil Deutsch- 
lands umfasste. 

Beginnen wir mit de^ Stämmen an der Sequana, so stossen wir zu- 
erst auf die Aremoricae civitates (Caes. 5, 53) oder die Küstenvölker 
zwischen den Mündungen der Sequana und des Liger längs des oceani- 
schen Gestades in der heutigen Bretagne und Normandie. Es waren 
folgende: 1) Lexovii an der Mündung der Sequana (Caes. 2, 34. 
7, 75.) mit der Hpst. Noviomagus (Lisieux in der Normandie). 2) Ve- 
ne 11 i auf der nordwestlichen Spitze der Normandie, welche dort weit 
in den Oceanus Britanniens hervorspringt (Caes. 2, 34. 3, 17. 7, 75. 
Plin. 4, 18, 32. Ptol. 2, 8, 2.). 3) Curiosolites (Caes. L c.) in der 
Nähe von St. Malo (Corseult). 4) Osismi in der Nordwestspitze, schon 
dem Pytheas bekannt unter dem Namen Ostianer, wie Uckert muthmasst 
(Alte Geogr. II, 2. S. 336), nach Strab. 1, p. 64. — 5) Unter die are- 
morischen Völkerscha;ften rechnet Caesar auch die Vendti (Caes. 2, 34. 
3, 7 ff. 4, 21. 7, 75.), sie sind jedoch wahrscheinlich slavischer Her- 
kunft; vgl. unten^Cap. VIIL (Vannes in der Bretagne). 6) Namnetes 



\ 



§.6. Die Stämme des eigentlichen Galliens. 15 

(Nantes) bis zum Liger (Strab. 4, p. 190. Caes. 3,9.) von Ptolemaios 
2, 8, 6. irrig Samniten genannt. Hpst. Condivincum. 7) Redones um 
Rennes in der Bretagne (Caes. 2, 34. Plin. 4, 32. Ptol. 2, 8, 12.) 
8) Ambibarii (Cajes. 7, 75.) wahrscheinlich nicht verschieden von 
den Ambiliati (Caes. 3, 9.) oder Ambilatri des Plinius 4, 19. am lin- 
ken Ligerufer. 

Im Rücken dieser Küsten Völker werden genannt TjAulerci, ein 
mächtiger Stamm am- linken Sequanaufer, der sich südlich bis zum Liger 
ausdehnte. Sie zerfielen a) in die Aulerci Eburovices (Caes. 7, 75. 
Ptol. 2, 8, U.) jnit der Hpst. Mediolanum (Evreux). b) in die A. Ce- 
nomani (Plin. 4, 18, 32. Caes. 1. c). Von ihnen schloss sich ein 
Theil dem Zuge nach Italien an.» Hpst. Vindinum (Ptol. 2, 8, 9.), 
c)A. Bfannovices (Briennois an der Loire?) Schutz verwandte und 
Verbündete der Haeduer. d)A. Diablintres (Caes. vi, 9.) von Ptol. 
2, 8, 7 Diabolitae genannt. 2) Im Rücken der Namneten nördlich vom 
Liger im heutigen Anjou sass ein Stamm mit schwankender Namens- 
form. Caesar (2, 35. 3, 7.) nennt ihn Andes, Tacitus (Ann. 3, 41.) 
und Plinius (4, 18, 3.2.) Andecavi, endlich Ptol. (2, 8, B.)'iivdc' 
y^aovoL, Ihre Hpst. war Juliomagus (Angers sur la Mayenne). Oestlich 
von ihnen bis zur Sequana sassen 3) die Carnutes (Chartrain), südöst- 
liche Nachbaren der Cenomanen ; sie standen früher unter der Clientel 
der Hemer (Caes. 4, 5.) und sandten einen Theil ihres Volkes mit nach 
Italien. Liv. 5, 34. Ihr Land hielt man für den Mittelpunkt von ganz 
Gallien, wesehalb auch hier die Druiden ihre Gerichtstage hielten (Caes. 
6, 13.). Ihre Hpst. war Genabum, das heutige Orleans (Sidon. ep. 8, 
15.). Ihre Nachbaren an der Sequana waren 4) die Parisii, wohnend 
hauptsächlich auf einer Insel in derselben* Hpst. Lutetia jetzt Paris 
(Caes. 6, 3. 7, 57.). Nördlich von ihnen breiteten sich aus 5) die Se- 
nones (Sens), eine angesehene Völkerschaft, die ebenfalls einen Theil 
ihrer Jugend nach Italien entsandte. Ihre Hpst. war Agedincum 
(Caes. 5i 56. 6, 2. 3. Ptöl. 2, 8, 12.). .Oestlich voii ihnen sassen 6) die 
Tricassii oder Tricasses (Ptol. 2, 8, 13. Plin. 4, 18, 32.), nord- 
östlich von diesen an dier Grenze von Gällia Belgica: 7) die Vadi- 
cassii im Quellgebiet der Sequana, nordwestlich weiter im Gebiet der 
Sequana und Matrona die Meld i (Maux). Unbekannt dem Caesar und 
wie Zeuss vehnuthet, ein Theil der Hemer sind 9) die Catalauni um 
die Matrona (Ammian. 15, 11.). Ueberschreiten wir den Liger, so 
kommen wir zunächst an drei Küsten völkchen und zwar 10) die Pic- 
tones oder Pictavi (Poitiers) ein mächtiges und später steuerfreies 
(Lucan. 4, 436.) Volk (Caes. 3, 2. 7, 4. Ptol. 2, 7, 6.). 11) Santones 
im heutigen Saintogne, südlich von den Piktonen am Nordufer der 



16 ' 11. Das alte Öallieii. 

Garumna (Caes. 1, 10. 3, 11. Ptol.-2^ 7, 7. Plin. 4, 19, 33.). Hpst. 
Mediolanum (Saintes). 12)BiturigesVivisciin jÄLquitanien an den 
Ufern der Garumna im heutigen Medoc mit der Hpst. Burdigala (Bor- 
deaux). Sie waren ein Zweig der mächtigen Bitur.iges Cubi, die im 
Rücken der Santonen und Piktonen im heutigen Berry , Bourbonnais 
und Touraine zur Hpst. das von Caesar nach schwerem Kampfe er- 
oberte Avaricum (Bourges) hatten (Caes. 7, 13 ff. Cass. Dio40, 34.). 
In derselben Gegend südwestlich von den Carnuten sassen 13) die Tü- 
ren es (Touraine) an beiden Seiten des mittleren Liger (Caes. 2, 35. 
8, 46.) mit der Hpst. Caesarodunum (Tours). Südlich von ihnen 14) diie 
Lemovices (Limousin) mit der Hpst. Augustoritum. Caes. 7, 75 ver- 
wechselt sie mit den Lexoviern. Weiter nach Süden folgen 15) die 
Petrucorii (Perigord) mit der Hpst. Vesunna, dem heutigen Perigueux 
(PtoL 2, 7, 12. -Caes. 1. c). 16) Die Nitiobriges, südlich von den' 
Vorigen an beiden Ufern des Oltis (Caes. 7, 7. 31. 46. Ptol. 2, 7, 14.) 
mit der Hpst. A ginn um (Agen). Oestlich neben ihnen sassen 17) die 
Ca'durci (Quercy). Ihre Hpst. war das berühmte Divona (Strab. 4, 
p. 191. Caes. 7, 4. 45. Ptol. 2, 7, 11. Plin. 4, 19, 43.) Etwas süd- 
licher wohnten die Eleutheri Cadurci (Caes. 7, 75.) mit der Hpst. 
Albiga (Alby); an der Nordgrenze am Abhänge der Cevennen folgen 
18) die Ruteni (Caes. 1, 45. 7, 7.) mit der Hpst. Legodunum (Rhodez) 
am Veronius (Aveyron). Weiter gegen Osten sassen 19) die Gabali 
im heutigen Gevaudön in den Cevennen (Ptol. 2, 7-, 16.); sie standen 
unter der Herrschaft der Arverner (Caes. 7, 64. 75.) und ihre Hpst. war 
Anderitum (Sidon. ep. 5, 13.). Im Gebirge selbst sass 20) das be- 
deutende Volk der Arverni (Auvergne) noch zu Caesars Zeit gross 
und angesehen; nach Lucan. 1^ 247 rühmten sie sich troischer Abkunft. 
Ihre Hpst. Gergo via trotzte erfolgreich den Versuchen Caesars, sie 
durch Sturm zu gewinnen (Caes. 7, 8. 9. vgl. die Zeitschrift: das Mor- 
genblatt. Jahrg. 1844. Briefe über die Auvergne. N. 290 ff.). Den 
Schluss bilden 21)dieVellavii (Velay) mit der Hpst. Ruesium (Caes. 
7, 75.). — 

Im Osten, namentlich im Gebiete des Rhodanus, sassen: 1) die 
Volcae, ein grosses mächtiges Volk. Vor ihnen waren Ligyer und 
Iberer dort ansässig gewesen, erstere aber nach Südost, letztere nach 
Südwest verdrängt. Die Volken schieden sich in zwei grosse Stämme : 

a) V. Arecomici (Caes. 6, 24. Ptol. 2, 10, 19. Plin. 3, 4, 5.). 

b) V. Tectosages (Caes. 7, 7. Ptol. 2, 10, 10.). Erstere stiessen im 
Osten an den Rhodanus, letztere sassen im Westen am Fusse der Pyre- 
näen bis zur Mündung der Garumna. Beide Stämme waren frei und 
lebten im Genuss des Jus Latii nach eigenen Gesetzen. Hpst. der 



§. 7. Die Stämme des eigentlichen Galliens. l7 

Tektosagen war Tolosa (Toulouse), eine reiche Stadt (Cäes. 1, 10. 
Strab. 4, p. 186.). Hpst. der Aremoriken war das alte Narbo und 
NemaiLSus (Nimes) am südlichen Abhänge der Cevennen. Weiter hin- 
auf in einem ausgedehnten Küstenstriche nördlich bis zur Druentia und 
an den westlichen Abhängen der Seealpen sass das keltisch-ligustische 
Mischvolk (KeXrokiyveg) der Salyi oder Salluvii mit der Hpst. Are- 
late am Rhodanus (Caes. 1, 36. Ptol. 2, 10, 15.). Sie zerfielen in sehr 
viele kleinere Stämme, von meist ligustischer Abkunft. Hier lag auch 
die berühmte phokäische Pflanzstadt Massiliaam Sinus Galliens, lange 
Zeit die Handelskönigin der Welt. Ebenfalls am Sinus Gallicus sassen 
3) die Oxybii, ein kleines ligustisches Küstenvolk mit der Hpst. Fo- 
rum Julii (Frejus); auf dem Siegesdenkmale des Augustus genannt 
(Plin. 3, 20. vgl. Polyb. 33, 7. Strab. 4, p. 185.). Bis zur Grenze 
Italiens sassen 4) die Deciates mit der Hpst. Antipolis (Strab. 4,. 
p. 202.). Mit grösserer Sicherheit lassen sich als rein keltische Stämme 
bezeichnen 4) mehre kleinere Völkerschaften im inneren Lande nörd- 
lich von der Druentia; die bedeutenderen sind die Memini, am west- 
lichen Ufer dieses Flusses (Ptol. 2, 10, 16.) und die Cavari, östliche 
Nachbaren der ai'ekomischen Volken längs des Rhodanus, mit der Hp^t. 
Arausio (Strab. 4, p. 185. Ptol. 2, 10, 14.) Neben ihnen östlich und 
westlich sassen 5) die Vocontii, ein mächtiges Volk, nur dem Scheine 
nach unterworfen (Strab. 4, p. 187, 203. Plin. 1. c. und 7, 18, 18.) An- 
wohner der cottischen und grajischen Alpen waren die Tricorii (Strab. 
1. c), Tricastini (Liv. 5, 34. PtoL 2, 10, 13.), Iconii (Strab. 1. c), 
Caturiges (Chorges in der Dauphin^) Strab. 4, p. 204. Ptol. 3, 1, 
39.) und Medulli (Plin. 3, 20, 24.). Ganz versteckt in den Alpen und 
einem Kriegesheere nur schwer zugänglich lag 7) dasBeich desM. J. Cot- 
tius, dem das Jus Latii verliehen war (Strab. 4, p. 179. 204: 217. Suet. 
V. Tib. 34.). Erst unter Nero wurde es dem röm. Reiche einverleibt 
(Suet. V. Neron. 18.). 8) Am jenseitigen Ufer des Rhodanus, oberhalb 
der arecomischen Volken und am Abhänge der Cevennen sassen die 
Helvii mit der Hpst. Alba Augusta (Caes. 7, 8. 64. 75.) jetzt Alps in 
der Nähe von Viviers. Weit mächtiger waren 9) die Allobroges, 
zwischen der Isara, dem Rhodanus, .dem Lacus Lemannus und den Alpen 
(Caes. 1, 6. 7, 9. 64. Plin. 1. c. Strab. 4, p. 186). Ihre Hpst. war 
V i e n n a (Vienne). Oestlich von ihnen lag 1 0) das Gebiet der C e n t r o - 
nes (Strab. 4, p. 204. Plin. 3, 20, 24. Caes. 1, 10). Ihre Hpst. war 
Darantasia, jetzt Centron im savoyischen Thale Tarantaise. Nordwest- 
lich von den AUobrogem finden wir 11) die Segusiavi, am linken 
Ufer des Rhodanus bis zum oberen Lauf des Liger. Ihre Hpst. war 
Lugudunum (Lyon) am Zusammenfluss des Arar und des Rhodanus 

Contzen, Wanderungen der Kelten. 2 



lg IL Bas alte Gallien. 

(Caes. 7, 64. Strab. 4, p. 186. Ptol. 2, 8, 14.). Oestlich von ihnen 
Sassen 12) die Sequani^ ein starker Stamni^ Erbfeinde des Haeduer^ 
zwischen dem Arar, Rhodanus und dein Jurageb, (Caes. 1, 9. 31. 32. 

6, 12. Strab. 4, p. 192.). Ihre Hpst. war Vesonito (Besancon) am Du- 
bis. Das mächtigste und angesehenste Volk waren 13) die Haedui; 

der Arar trennte sie im Osten von den Sequanern, der Liger im Norden 

• 

von den kubischen Biturigern. Ihre Hpst. nennt (Ann. 3, 43.) Tacitus 
Augustodunum (Autun), Caesar aber Bibracte (1, 3), welches letz- 
tere Strabon q>qovqiov BlßQaxta nennt. Als ihre Clienten treten auf die 
Ambivareti (Caes. 4, 9. 7, 90.) am rechten Maasufer^ Brannoviker 
(Caes. 7, 75.), Ambarren (Liv. 5, 34.), welche letztere , wie ihr Name 
sagt, wahrscheinlich um den Arar sassen und Boii, welche nach dem 
Unglücke bei Bibracte Sitze von den Haeduein erhielten (Caes. 1, 28.). 
An den Quellen der Maas und der Matrona und den Abhängen der Vo- 
gesen sassen nordwestlich von den Sequanern 14) die Lingones (Caes. 
1, 40. 6, 44. Strab. 1. c. Tac. hist. 4, 64.) mit der Hpst. Andema- 
tunnum. In ihrer Nähe sind wahrscheinlich die Ursitze des Bojer Isu 
suchen , die sonst nirgendwo in Gallien ansässig erwähnt werden. Zwi- 
schen den Haeduern und Lingonen sassen 15) die Mandubii (Caes. 

7, 68. 90. Strab. 4, p. 191.). Ihnen gehört das hochberühmte Ale sia, 
wo die letzten heldenmüthigen Kämpfe um Freiheit und Vaterland 
gegen Caesar ausgefochten wurden*). 

Dieses Land ist das Stammland der Kelten, welches seine Söhne 
fast nach den entlegendsten Ländern der Erde sandte ; nach den Aus- 
sagen der Alten suchen wir ihren Wanderungen zu folgen und ihre 
Marken zu bestimmen in folgender Ordnung : 
1) Iberische 2) Brittische 

3) Alpen- und Donaukelten 

4) Illyrisch-pannonische Kelten. 



• Vgl. Forbiger, Alte Geographie Bd. 3, S. 109 ff. — Chr. W. Glück, 
a. a. O. — 



§. 8. Aelteste Nachrichten über den Südwesten Europas. 19 



Capitel III. 

Iberische Kelten. 



§. 8. 
Aelteste Naohrichten über den Südwesten Europas. 

Die ältesten Nachrichten über den Südwesten Europas sind sehr 
spärlich und verbreiten nur geringes Licht über ihn ; dazu verdanken 
wir dieselben meist Dichtern, welche die ihnen zugänglichen Sagen auf- 
griffen und sie kunstvoll in ihren Gesang verwoben. In grauer Zeit 
werden uns die Phönizier als die ersten genannt, welche des reichen 
Gewinnes wegen Fahrten nach Spanien unternahmen, dann aber durch 
engherzigen Patriotismus geleitet, um fremden Nationen den Zutritt zu 
erschweren , Land und Leute in sagenhaftes Dunkel kleideten und ab- 
schreckende Erzählungen in Umlauf brachten. So verhinderte ihre 
eifersüchtige Handelspolitik geographische und ethnographische Ent- 
deckungen, so dass erst mit Hekataios von Milet*) (geboren 549, ge- 
storben nach 486 v. Chr.), dessen besonders von dem Byzantiner Ste- 
phanos erhaltene Fragmente grösstentheils Europa betreffen und den 
Beweis liefern, dass sich geographische Kenntnisse auch über den 
Westen bereits erweitert hatten, einige Lichtstrahlen hereinbrechen. 
Namentlich gewannen die Griechen durch den Handel mit ihren Colo- 
nieen genauere und bestimmtere Einsicht über die früher wenig bereise- 
ten Küstenländer und seit dieser Zeit finden wir zuerst den Namen 
Iberer erwähnt. Zu beklagen ist jedoch, dass fast alle betreffenden 
Werke aus dieser Periode untergegangen sind ; denn von Hekataios lie- 
- gen nur wenige Fragmente vor; andere Schriftsteller lernen wir nur 
dem Namen nach aus gelegentlichen Anführungen kennen ; so schrieb 
Charon von Lampsakos um das Jahr 480 unter Anderem einen Periplus 
6 STCTOg tiov ^HQaxlelofv OTrjlaßv^)» Sehr reiche Ausbeute würde auch 
die historisch-ethnographischen , von Stephanos aus ByzaAz fleissig be- 
nutzten Schriften des Lesbiers Hellanikos gegeben haben, wie die aus 
ihrem Zusammenhange gerissenen kurzen Fragmente bezeugen*). 

Genauer lernte man die pyrenäische Halbinsel erst seit dem zwei- 



1 Agathem. 1, h Herod. 2, 143. Strab. 1, p. 1. 7. 14. 12, p. 550. 635. 
Harpocr. p. 98. ed. Lugd. — ^* 2 Söidas^v. XdQO)V, Athen. 9, p. 458. Aelian. v. h. 
1, 15. — 3 Hellanici Lesbii fragmenta gesammelt von Sturz 17S7 und 1S26. 

2* 



20 I^I* Iberische Kelten. 

ten punischen Kriege kennen, wo die Römer im Kampfe mit Carthago 
in den südlichen Theil erobernd eindrangen (Polyb. 3, 67.). 

Fragen wir nun nach den Bewohnern derselben, so finden 'wir 
Iberer und Kelten in bereits langjährigem Besitze des Landes und zwar 
darf man es als Ergebniss der neuesten Forschung betrachten , dass es 
Iberer waren , die dasselbe zuerst bewohnten. Denn jedenfalls ist die 
Annahme richtig, dass die Iberer vor den Kelten in Europa einge- 
drungen sind, ja sie scheinen sogar in frühester Zeit über Gallien, Ita- 
lien und die Inseln des Mittelmeeres sich verbreitet zu haben. Belege 
dafür liefern in hinlänglicher Anzahl die Werke der Alten* ; sogar noch 
Tacitus vergleicht die Iberer mit den Siluren im östlichen Britannien ^. 
Wahrscheinlich Hessen sie bei ihren ursprünglichen Zügen von Osten 
her durch Südeuropa auf ihrem Wege Stämme (vielleicht Colonien) zu- 
rück, die sich von der grossen Masse trennten. Als nun aber die grossen 
Völkerwogen aus Asien in Europa einbrachen , wurde die Hauptmasse 
weiter nach Westen fortgedrängt über Gallien der pyrenäischen Halb- 
insel zu , während die kleineren zurückgebliebenen Stämme von ihnen 
unterworfen und annationalisirt wurden. Ob sie lange in Gallien ge- 
wohnt haben, lässt sich schwerlich mit Gewissheit entscheiden und von 
sehr bedenklicher Glaubwürdigkeit sind die Bemerkungen des Nonnos 
und des sogenannten Sibyllinischen Orakels, wo der Rhein der Iberische 
heisst und ihr Gebiet begränzt wird vom Ocean und dem genannten 
Strome^. 

Aber auch aus Gallien wurden sie vertrieben; diesmal scheinen 
aber den Anstoss zu ihrer Wanderung nach Aquitanien und Hispanien 
die Ligyer gegeben zu haben. Denn es berichtet Skylax in seinem Peri- 
plus, von dem Niebuhr mit Recht annimmt, dass er aus nautischen Ur- 
kunden alter Reisender in sehr früher Zeit entstanden sei, dass die Iberer 
Bewohner der unteren Küste Galliens östlich bis zu den Mündungen des 
Rhodanos sich niederliessen , wo sie mit den Ligyern Connubia eingin- 
gen (Keltoligyer) *. Hier weiss sie auch Strabon und bezeichnet ihr 
Land zwar etwas unbesjtimmt als e^io tov ^Fodavov xat lad-f-iov tov vno 
taiv FalaTCxcov Tioknwv öcpiyyoi.ievov, Strab. 3, p. 137. Lebendig be- 
zeugt ihr dorjtiges Wohnen das Volk und die Sprache der Basken, und 
noch spater, als die Iberer längst in Hispanien sassen, blieb im südwest- 
lichen Frankreich Iberische Sprache und Sitte vorherrschend, Caes. 1,1. 

1 Dionys. Perieg. 561. Priscian. Per. 268. Paus, 10, 17. Piutarch. v. Mar. 3. 
Seneca consol. ad Helviam p. 77. ed. Lips. Eustath. ad Dionys. Per. 458. — 2 Agri- 
col. 11.-3 Nonni Dionys. 28, 397. 43, 747. Orac. Sibyli. V, p. 564 ed. Gallaeus. — 
4 !dno 6k ^Ißrigcor e/ovrai ^Cyvsg xaX ^'ißrjQes fjnyddig fJiixR*' ^otä/Uoi; *PoSavov. 
Scylax p. 2. ed. Hudson. 



§. 8. Keltiberer und Keltiker. 2 1 

Strab. 4, p. 176. Von Aquitanien aus zogen sie weitergedrängt über die 
Pyrenäen in* das vielleicht noch unbewohnte Hispanien ein und ergrif- 
fen Besitz von dem fruchtbaren Lande, obwohl es ihnen bald durch Ko- 
lonien fremder Völker geschmälert wurde, sogar von Hellenen, deren 
Ansiedlungen durch die Heraklessage ihre Vermittlung fanden, 

§.8. 
Keltiberer und Keltiker. 

Was die keltische Invasion angeht, so geben uns fiir dieses Ereig- 
niss weder alte Autoritäten (die neueren, wie Strabon und Diodor stützen 
sich oft auf Hypothesen), noch örtliche Ueberlieferungen irgend einen 
Anhaltspunkt; ebenso ungewiss ist die Chronologie; bei den keltischen 
Wanderungen nach Italien und Germanien wird nicht nur der auswan- 
dernde Stamm genannt, sondern auch wenigstens der Versuch gemacht, 
eine besondere Zeit festzustellen ; bei den iberischen Kelten aber finden 
wir weder pragmatische noch chronologische Andeutungen ; dazu tref- 
fen wir die Kelten da in Hispanien an , wo wir eher die Ueberreste 
einer primitiveji Bevölkerung erwarten sollten ; in den sichern Gebirgen, 
wo die Natur ihnen eher eine Zufluchtsstätte vor fremden Angreifern 
geboten zu haben scheint, in den fernen westlichen Enden der Halb- 
insel, gleichsam dem letzten Winkel > wohin sich ein verdrängtes Volk 
vor einem überlegenen Feinde fliehend zurückzieht. 

Hier gibt uns die Sprachforschung einen kleinen Wink : längs der 
nördlichen Meeresküste nach Westen zu finden sich keltische Namen 
von Städten ; hieraus dürfen .wir schliessen, dass die einbrechenden Kel- 
ten längs des Meeres hinzogen , dass ferner die Iberer nicht lange vor 
ihnen nach Hispanien gekommen waren, da sie sich sonst über die ganze 
Halbinsel würden verbreitet haben und dass sie den Osten lieber wähl- 
ten, der ihnen Gelegenheit bot, die Inselgruppen im balearischen Meere 
zu colonieiren. Wie dem auch sein mag, einstimmig entscheiden sich die 
Alten für die Kelten als sekundäre Besitzer des Landes, und ihnen 
müssen wir in Ermangelung besserer Belege folgen. So führt der ge- 
lehrte Varro die Einwanderungen der Völker in Hispanien in folgender 
Eeihenfolge auf: Iberer, Perser, Phöiniker, Kelten (Varro ap. Plin. 3, 
1. zu vgl. Strab. 1. c. Diod. 5, 33. Lucan. 4, 9. Herod. 1, 163.). Im 
Süden besetzten Phöiniker und Karthager die Küstengegend und die 
von ihnen angelegten Städte zeichneten sich noch spät durch mancherlei 
Eigen thümlichkeiten aus. Hellenen gründeten Pflanzstädte am südöst- 
lichen Uferlande; sie fanden wie überall auch hier Landsleute, was sie 
aus Aehnlichkeit in Sitten und Gebräuchen zu beweisen suchten. Auch 



22 I'I- Iberische Kelten. 

Phrygier oder Troer, Gefährten des Antenor laisst die Mythe hieher 
kommen. Strab. 3, p. 157. 

In der Neuzeit hat Niebuhr, wiewohl mit Unrecht, der entgegen- 
gesetzten Meinung Geltung zu verschaffen gesucht und in den in Aqui- 
tanien ansässigen Iberern den Anstoss zu den gewaltigen Keltenwande- 
rungen erblickt, — eine unsichere Hypothese, da Völker, wie die Kelten 
nicht durch Drangsale genöthigt, sondern aus freiem Entschlüsse, im 
übersprudelnden Gefühle ihrer Kraft die alte Heimath verlassen haben. 

In Hispanien finden wir die Kelten theils gemischt , theils in rein 
erhaltener Nationalität an drei Stellen ; dennoch darf man, obwohl nicht 
unwahrscheinlich zahlreiche Schaaren ihrem unstaten Hange fcdgend 
den einmal angebahnten Weg fortwandelten, bis ihnen der Ocean ein 
Halt entgegenrauschte, nur eine Hauptwanderung annehmen. Denn die 
Iberer mussten dem feindlichen Andränge weichen, doch erst nach lan- 
gem und blutigem Kampfe , worin die Kraft zugleich auf beiden Seiten 
erlahmte und der Friede wünschenswerth erschien, der durch die Bande 
des Blutes für die Zukunft die beste Sicherung erhielt ^ So entstand 
das Volk der Keltiberer. Aber nicht alle Kelten gingen diese Mischung 
ein , sondern ein starker Haufe zog nach dem Südwesten und gewann 
sich am Anas theils durch das Schwert, theils durch friedliche Vermitt- 
lung neue Sitze, in denen sie sich in reiner Nationalität erhielten. Von 
diesen zog wieder eine Schaar aus und besetzte das Land im Nordwesten 
jenseits des Minius. — 

T^ir finden also drei keltische Siedelungen in Hispanien 1) die 
Keltiberiscbe ; 2) die Niederlassungen am Anas und 3) im Nord- 
westen. 

Was die Keltiberer angeht, so bewohnten sie die hohe Gebirgs- 
gegend in der Mitte Hispaniens, an den Quellen oder doch dem oberen 
Laufe der grossen Flüsse, um den Bücken, zwischen der westlichen und 
südöstlichen Abdachung, welche die Wasserscheide bildet zwischen den 
dem Iberus und den dem Westen zuströmenden Gewässern. Sie zer- 
fielen in vier Abtheilungen mit besonderen Namen : Pelendones (Plin. 
3, 3.), Arevaci, Lusones (Strab. 3, p. 162.), womit auch iPtolemaios 
übereinstimmt; ein vierter Name Berones kommt noch vor, der sich 
indess schwerlich als keltiberisch nachweisen lässt ; letztere sassen nörd- 
lich von den Vorigen , fast am Iberus; Strabon nennt sie nebenden 



1 Tb naXaiov ntQi Tr^g j^oi^a^ aXXr^Xoig SianoXi/mioavTas ot ra "fßfi^es xal ol 
KtXrol xal fierd ravta diaXvd-ivrts xal trpfx^Q"^'^ xoivy xarotx^aavTis ^ti S^ iniya- 
fiias Ti^og aXXriXovs avvd-ifiivoi cfi« ttjv InifuiCav Tuvrijs ttv^ov ngoariyo^Cag, /ivoTv 
<yi&v(ov ttXxlfAtov fxvx^ivTiov xal x^ogag vnoxii^ivtig aya^f-ijg am'^ßri tovg KtXrißriQmg 
inl noXv ry do^ri ngoiXOetr, Diod. 5, 33. 



§. 8. Keltiberer und Keltiker. 23 

Keltiberern * , wesshalb man sie am Besten als zu den nordwestlichen 
Kelten gehörig betrachtet. Diodor schildert die Keltiberer als ein kräf- 
tiges, kühnes Volk, kriegerisch und tapfer, berühmt wegen des langen, 
hartnäckigen Widerstandes, den es Roms sieggewohnten Legionen ent- 
gegensetzte*. Druiden finden wir bei ihnen nicht und ihre Hierarchie 
hat sich wohl nie über Hispanien ausgebreitet. Alles, was uns von ihrer 
Religion gesagt wird, beschränkt sich darauf, dass sie beim Vollmond 
die Nacht vor ihren Häusern unter Tanz zubrachten, zu Ehre eines uns 
unbekannten Gottes. Sie wussten treffliche metallene Helme, die sie 
mit rothen Haarbüschen zierten und sehr gute doppelschneidige Schwer- 
ter zu bereiten von einer solchen Güte des Eisens, dass einem kräftigen 
Hiebe mit denselben weder Schild noch Helm zu widerstehen vermochte 
(Diod. 5, 33.). Sie fochten auf zweierlei Weise; hatten sie im Reiter- 
gefechte gesiegt, so sprangen sie behend von den Rossen und kämpften 
zu Fuss mit demselben Muthe der Tapferkeit weiter. Ihr Land wird im 
Allgemeinen von Strabon als unergiebig und unfruchtbar bezeichnete 
doch standen sie wohl bekannt mit den Schätzen im Innern desselben 
auf einer hohen Stufe von Wohlhäbigkeit , so dass sie , wie Poseidonios 
erzählt, mit leichter Mühe einen Tribut von 600 Talenten entrichten 
konnten (Posid. ap« Strab. 1. c). 

Das rein keltische Element sass im Südwesten ; es sind die Kelten 
Herodots (Herod. 2, 33. 4, 49.), bei denen er unklar den Ister ent- 
springen lässt; er nennt sie Nachbaren der Kyneten oder Kynesier, 
deren Name sich erhielt im kuneischen Landstrich am Anas (Mela 3, 
1, 6.)^ einem sich verflachenden Vorgebirge (Plin. 4, 35.), hingedehnt bis 
zum Promontorium sacrum, dem westlichsten Punkte Europas. Auch 
Polybios kennt die Völkerschaft der Kovioi (Polyb. 10, 7.), deren Land 
später von den Römern cuneus genannt wurde, jenseits der Säulen des 
Herakles, ebenso Appianos (Hisp. 57. p. 287. ed. Steph.), der als ihre 
Hauptstadt Konistorgis erwähnt. Unbedenklich dürfen wir die Bewoh- 
ner dieses Landstrichs als die Kyneten Herodots nehmen ; so nennt sie 
auch die Ora maritima 205. 223. an beiden Seiten des Anas, und Justin 
(44, 4) bei Tartessos, welches in der Nähe lag. Herodot kennt nur den 
allgemeinen Namen Kelten, in der Folge kommen sie gewöhnlich unter 
der speciellen Bezeichnung Celtici, KßXTixol oder KUtioi vor (vgl. 
Strab. 3, p. 139. 141. 151. 159. Plin. 3, 3. 4, 20. Mela 1. c), ohne 
jedoch die einfache, ohne Zweifel ältere Form ausser Geltung zu bringen. 



1 KiXxol f ot vifv KiXrCßriQfg xai BrJQMveg xalovvTcii. Strab. 3, p. 158. 
162. — 2 *Pü)fia£ois noXXovs ;|f^oi^ofs avmn^afjiivovs fioXig xarajioksfjiri&^rat, 
Diod. 1. c. 



24 in. Iberische Kelten. 

Die Keltiker hatten einen ausgedehnten Landstrich zwischen dem Anas 
und dem Tagus inne; da aber die Alten in der Begrenzung der einzelnen 
Gegenden Hispaniens nicht denselben Anschauungen folgen , so ist es 
oft schwierig in ihren Bestimmungen sich zurecht zu finden. Plinius 
theilt Baetica in zwei Theile , in das keltische und lusitanische ; merk- 
würdig ist hier sein Versuch, die Grenzen beider Gebiete vermittelst der 
Etymologie von Städtenamen zu erforschen , der in neuerer Zeit wieder 
aufgegriffen zwar zu manchen bewährten Entdeckungen, anderseits 
wieder zu gewagten Willkürlichkeiten Anlass geboten hat. Celticos a 
Celtiberis ex Lusitania advenisse manifestum est sacris^ lingua, oppi- 
dorum vocabulis , quae cognominihus in Baetica distinguuntur sagt er 
und gewinnt daraus das Resultat , dass die östliche Hälfte von Turdu- 
lern, die westliche von Keltikern bewohnt werde. ' Der Hauptsache nach 
mit Plinius übereinstimmend räumt jedoch Ptolemaios die grössere west- 
liche Hälfte den Turdulern ein , zwischen denen in einem bestimmten 
Baume am Anas die Keltiker sitzen, die östliche Hälfte aber haben dann 
die-Bastuler (Ptol. 2, 4.). — 

Endlich drittens finden wir Keltiker an der nordwestlichen Spitze 
Hispaniens bis zum Durius hinab , Abkömmlinge , wie Strabon erzählt, 
der Keltiker am Anas. Einst unternahmen die Keltiker verbündet mit 
ihren Nachbaren den Turdulern aus unbekannter Ursache einen Fe^d- 
zug gegen den Nordwesten. Schon waren sie über den Limaiosfluss vor- 
gedrungen, als zwei Ereignisse eintraten, welche ihren Siegeslauf hemm- 
ten: der Tod des keltischen Anführers und die darob unter den verein- 
ten Schaaren ausbrechende Uneinigkeit. Daher trennten sich die Kel- 
tiker von den Turdulern und zerstreuten sich über den Nordwesten, 
während jene den Rückzug antraten (Strab. 3, p. 153.). Ihren Aufent- 
halt hierselbst bezeugt der Name des Promontorium Celticum (jetzt Cabo 
la Roca bei Cintra) und der Landschaft selbst , die echt keltisch Cal- 
laecia hiess {KaklaX-^oi Strab. 3, p. 147. 152. 155. .. . Plin 4, 20. 
Flor. 2, 17. Martial. 10, 87.), jetzt Galizien. Hier machten sich unter 
den zahlreichen Stämmen, die Plinius aufführt, besonders drei geltend : 
1) Callaici Bracarii zwischen dem Minius und Durius, mit 5 Städten 
(Ptol. 2, 6, 39.). 2) Calläici Lucenses von ihrer Hauptstadt Lucus Au- 
gusti so genannt mit 10 Städten, nordöstlich vom Minius (Ptol. 2, 6, 23.). 
3) Zwischen beiden an der Nordwestspitze um das Keltische Vorgebirge 
Artabri (Ptol. 2, 6, 22. Strab. 3, p. 43.) oder nach einer andern Form Aro- 
trcbcn (bei Strab. 3, p. 154. Plin. 1. c). Endlich gehören hieher die als 
Gerinanen bezeichneten Oretani, Ueber sie gilt wahrscheinlich dasselbe, 
was im Abschnitt : » Beigen « bereits über die Vorgermanen bemerkt ist. — 
Vgl. auch den neuen Erklärungsversuch bei Brandes a. a. O. 172. 



§.9. A eheste Nachrichten üher Britannien. 25 



Gapitel IV. 

Brittische Kelten. 



Cymru fu , Cymru fydd ! 

TaUesin. 



§• 9- 
Aelteste Nachrichten über Britannien. 

Auch die ersten Einwohner der brittischen Inseln sind ein Zweig 
des grossen Keltenvolkes; er hat sich auf ihnen am Reinsten bis auf den 
heutigen Tag in Sprache und seinen nationalen Eigenthümlichkeiten, 
die hier vor Rom lange Zeit ein schützendes Asyl fanden, erhalten. Von 
den europäischen Ländern gelangte Britannien erst spät zu näherer Er- 
kundung und auch hier werden uns die Hioiniker als die ersten See- 
fahrer genannt, welche Versuche machten , das Land für merkantilische 
Zwecke auszubeuten. Um der Erwähnung der vijaoi ^leqvldeq bei Or- 
pheus (Argon. 1171.) nicht zu gedenken, so nennt Herodot (3, 115.) 
zuerst die r^aoi KaaaiTeQideg , woher das Zinn komme; zwar zweifelt 
er, da er in Tyros vefrgebens die Lage der Inseln zu erfragen suchte , an 
ihre Existenz ; immerhin lässt sich jedoch annehmen , dass eine allge- 
meine, unbestimmte Kunde derselben, wenn auch durch geheimnissvolles 
Dunkel verdeckt, nach Hellas ihren Weg gefunden hatte. Auch die 
Karthager sandten ihren Mitbürger Himilko auf Entdeckungsreisen da- 
hin aus (362 — 350), der kleine Inseln, ergiebig an Kassiteros, der den 
hispanischen an Güte übertraf, fand und sie Ostrymniden nannte. Nach 
ihm kam Pytheas aus Massalia (330 — 320) zu den vielgesuchten Inseln ; 
sein Leben fallt in das an geographischen Entdeckungen reiche Zeit- 
alter Alexanders des Grossen und von ihm ist wohl die Nachricht bei 
Aristoteles , dessen grosser Geist die ganze Summe der philosophischen 
und historischen Bildung seiner Zeit in sich vereinigte und weiter 
brachte: ^^H^ankhicov atrjXmv e%u} fregi^^hi Trjv yfjv 6 dxeavog* ev romq) 
yi fATjv vfjaov fieyiatai %e wyxavovat ovaai dvo^ BgeTawinai keyofievat 
^^Ißiov ycal 'isQVTj vneq Tovg Kelrovg, de mundo. 3. Sodann hören wir 
bis auf Caesar nichts mehr von den Inseln, ein Umstand, der vielleicht 
dem Verluste der griechischen Schriftsteller , aus denen Diodor seine 
kargen Nachrichten entnahm, zuzuschreiben ist. Dazu mag Britannien 
selbst einerseits wenig mit fremden Nationen in Verkehr getreten , an- 
derseits aus Gewinnsucht das Erkundete zurückgehalten sein, wie denn 



26 IV. Brittische Kelten. 

auch Scipio vergeblich die Kaufleute der drei grössten Handelsstädte 
Korbilo, Narbo und Massilia befragte, ohne von ihnen , die durch nie- 
drigen Krämersinn befangen waren, eine belehrende und aufklärende 
Antwort erhalten zu können (Liv. 21, 6. Strab. 4, p. 190.). Zwar gab 
sich, Caesar die grösste Mühe, Nachrichten über Biitannien zu sammeln, 
allein trotz seiner Expedition erzielte er keine erfolgreiche Resultate, 
weil er nicht weit vorzudringen vermochte. So konnte Libanios mit 
Recht sagen : üollolg ^ vtjaog TjyvorjTai , Paneg. in Const. et Const. 
Nach Caesars Tode blieben die Inselländer zwar nicht unbeachtet, es 
trat sogar ein gewisser Privatverkehr mit Rom ein, welches zweien von 
dort vertriebenen Fürsten Damno und Bellaunus eine Zufluchtsstätte ge- 
währte (Monum. Ancyr. tab. 6. lin. 2.); allein da das Land selbst sich 
nur wenig für gewinnsüchtige Zwecke eignete und als wild und barba- 
risch verschrien war, so bemühte man sich wenig, es näher zu erkunden, 
zumal da auch Rom selbst an innern Wirren und Zerwürfnissen tief dar- 
niederlag. Daher gingen die bereits gewonnenen Kenntnisse bei ihrem 
Stillstande rückwärts, wie dies deutlich aus Diodor und Strabon ersicht- 
lich ist, welche nicht Caesars, sondern veralteten, oft sich wieder- 
sprechenden Nachrichten folgen. Hauptquelle ist uns daher Cornelias 
Tacitus, in dessen Angaben sich zwar manches Räthselhafte findet, der aber 
als wahrheitsliebender, einsichtiger Repräsentant der Gesammtbildung 
seiner Zeit dasteht und im AUgem^nen unbedingten Glauben verdient. 
Genannt zu werden verdienen noch Ptolemaios (Buch 2.) und Cassius 
Dion nebst seinem Excerptor Xiphilinos, bei denen wir noch manche 
wichtige Notiz finden ^ 

§. 10. 
Gteschichte Britanniens bis zur Einwander^pg der Sachsen. 

Wir geben hier zugleich einen kurzen Umriss der Geschichte der 
Briten , bis auf die Einwanderung der Sachsen , da wir ihnen im Ver- 
laufe nicht mehr begegnen werden. Caesar landete zweimal auf Bri- 
tannien, drang bei seinem letzten Besuche sogar über die Themse und 
schlug die Briten, so oft sie ihm in der Feldschlacht entgegentraten, 
ohne jedoch bei seinem Abzüge die römische Herrschaft der Insel fest 
aufgeprägt zu haben (Caes. 4, 20—36. 5, 4 — 24. Cass. Dion. 39, 50.). 
Die bürgerlichen Wirren, welche nach seinem Tode die Bande des Ge- 
horsamä in der römischen Welt lockerten, befreiten auch die Briten von 



I) Die angelsächsischen Schriftsteller findet man trefflich charakterisirt bei 
Lappenberg[, Geschichte Englands in der Vorrede. 



§. 10. Geschichte Britanniens bis zur Einwanderung der Sachsen. 27 

ihrem Joche und Augustus , zufrieden mit dem Sieg über die Republik^ 
bemühte sich nicht durch auswärtige Kriege die Grenzen Boius nach 
Westen auszudehnen , und gab sterbend seinem Nachfolger den Bath^ 
das Reich in seiner Gestalt zu lassen , welchen Tiberius , seinen Feld- 
herrn kriegerischen Ruhm missgönnend zum Vorwande seiner schimpf- 
lichen tJnthätigkeit gebrauchte. Caligula »nur lächerlich, nicht edel, 
wie jener irrende Ritter Don Quijote«*, führte seine thöriohten Prahle- 
reien nicht aus , und erst unter Claudius dachte man in Rom ernstlich 
an die Bezwingung Britanniens. Aulus Plotius drang zuerst siegreich 
mit seinem Heere vor (Tac. ann. 12, 39.); die Ehre des Triumphes über 
die Insel trug in seiner Heimath zuerst Cn. Hosidi«8 Geta (Caes. Dion. 
60, 20.). Das Land wurde die Falaestra der römischen Imperatoren 
(Tacit. bist. 3, 45. Suet. Vesp. 4. Tit. 4.). Claudius reisete selbst nach 
dem Kriegsschauplatze und empfing die Huldigung der südöstlichen 
Staaten, die den Frieden mit ihrer Freiheit erkauft hatten (Suet. Claud. 
17.). Zwar suchten die Römer durch Anlegung von Castellen den er- 
oberten Besitz sich zu sichern (Tac. Agric. 14.), doch setzte der Westen 
unter seinem Nationalhelden Caratäcus den Kampf heldenmüthig fort, 
bis Ostorius Scapula durch schändlichen Verrath ihn gefangen nahm 
und zum Triumphe mit sich fortführte; dennoch dauerte der Verzweif- 
lungskampf fort; nach der Eroberung der Insel durch Suetonius Pauli- 
nus schaarte die hochherzige Königin der Icener Boudicca, gereizt durch 
die habgierige Gewaltthätigkeit römischer Beamten, unter denen der 
Philosoph L. A. Seneca eine traurige Rolle mitspielte , alle Vaterlands- 
freunde um sich; 230000 Briten folgten ihrem Rufe und 70000 Römer 
fielen unter den rächenden Schwertern des empörten Volkes, eine That, 
die Paulinus durch einen blutigen Sieg, der 80000 Briten das Leben 
kostete, vergalt (Tac. ann. 14, 28—40. bist. 1, 40. Dion 62, 1 — 12.). 
Boudicca überlebte die Schmach nicht. Glücklich kämpften weiter Pe- 
tilius Cerialis und Julius Frontinu« (59 — 78 nach Chr.); Julius Agri- 
cola aber war es, der die Eroberung des Eilandes bis weit in den Norden 
hinauf vollendete und befestigte (78 — 84); er legte an der Nordgrenze 
des eroberten Landes eine Reihe von Schanzen an , um idasselbe gegen 
die beständigen Angriffe der freien Caledonier zu schützen (Tacit. Agric. 
19 — 39.) und gewöhnte die Bezwungenen an die römische Herrschaft, 
indem er alles anwandte, ihnen die Ketten leicht und angenehm zu 
machen. 

Dies war die letzte dauerhafte Eroberung, welche die Römer mach- 
ten und das Land machte dem Sieger keilte Unruhe mehr. Um die 



1 Lappenberg 1. c. p. 23. 



28 IV. Brittische Kelten. 

Grenzen besser zu verwahren , gab Kaiser Hadrian die nördlichen Be- 
sitzungen lieber auf und zog einen starken Wall zwischen dem Tina und 
dem Aestuarium Idunae (Spartian. Hadr. 5. 1 1.). Antoninus rückte die 
Grenze etwas nach Norden und Severus, der selbst nach Britannien 
kam, verwandelte den von letzterem aufgeworfenen Wall zwischen dem 
Aestuarium Glota und Boderia in eine starke Mauer (Dion. 76, 13.)- 
Sein Sohn und Nachfolger Caracalla gab Caledonien wieder auf und be- 
schränkte das eroberte Land auf das Valium Hadrianum (Dion. 77, l. 
Herodi^n. 3, 25.). Die freien Gebirgsvölker des Nordens ruheten in- 
dess nicht ; zwar gelang es dem Kaiser Julian, ihnen durch seinen Feld- 
herrn Theodosius 367 eine Niederlage beizubringen (Ammian. 27, 8. 
28, 3.), allein unter Honorius riss sich dennoch das Land von Rom los 
und dieser verzichtete seiner Schwäche bewusst auf erneuten Besitz und 
trug den hülfesuchenden Briten auf, die Vertheidigung gegen ihre feind- 
lichen Nachbaren selbst zu übernehmen (Zosim. 6, 5. Sozom. hist. eccl. 
9, 11.) 410. Seitdem sahen die Pikten und Skoten das Land als ihre 
Beute an und hauseten fürchterlich in demselben , bis ein neues Ele- 
ment, die Sachsen, hinzutrat und im Südosten das herrschende Volk 
wurden ; diese vermischteij sich theils mit der unterworfenen Bevölke- 
rung, theils Hessen sie dieselbe nach der verwandten gallischen Seeküste 
auswandern, während sie selbst westwärts erobernd vordrangen. Daher 
dürfen wir die Staaten von Wales und Cornwales für freie Ueberreste 
brittischer Bevölkerung halten (Vgl. Diefenbach Celtica IL 2,p. 140.). — 

§. IL 
Geographischer Ueberblick der brittischen Inseln. ■ 

Was nun zuvörderst den Namen der Insel betrifft, so ist der älteste 
wahrscheinlich Albion * (l^lßiov, iilßliov,) ; er verlor indess bald seine 
Geltung und beschränkte sich nur noch auf den Norden , wo noch jetzt 
die schottischen Kelten ganz Schottland und sich damit benennen. In 
der Heraklessage wird Albion heben Bergion genannt, so noch bei 
Mela ^ ; letzteres ist wahrscheinlich Irland ; dennoch erhielt sich der Name 
Albion noch lange, so noch bei Ptolemaios. Was die einzelnen Völker 
angeht, so sassen längs des Fretum Gallicum eingewanderte belgische 
Stämme; zuerst im Südosten die Cantii (Caes. 5; 14. Ptol. 2, 3, 27 ff.), 
die gebildeteste Völkerschaft unter denselben ; ihre Hauptstadt war Lon- 



1 Vgl, Pott, etymol. Forschungenil, p. 525. — 2 Littus ignobile est, lapideum, 
ut vocant, in quo Herculem contra Albionem et Bergionem liberos dimicantem , cum 
tela defeciflsent ab invocato Jove adjutum imbre lapidum ferunt. Mela 2, 5. 



§. 11. Geographischer Ueberblick der brittischen Inseln. 29 

diniuin am linken Ufer der Tamesis (Tac. Anh. 14, 33. Ptol. 1. c), im 
Westen neben ihnen an der Küste Regni (Noviomagus) Ptol. 2, 3, 28, 
weiter westlich folgen die Belgae, eine Vereinigung mehrerer Beigen- 
haufen , die sich bis über die Severn hinaus erstreckten , ihr Hauptort 
War Venta Belgarum (It. Ant. p. 483. 486,) jetzt Winchester. Südlich 
von den Beigen sassen die Durotriges (Ptol. 2, 3, 29.) mit der Hpst. 
Dunium (Geogr. ßav. 5, 30.), In der Südwestspitze der Insel waren 
ansässig die D u mn on ii (Ptol. 2, 3, 30.). Oestlich von dem Sabrina Aes- 
tuarium sassen die Dobunni (Ptol. 2, 3, 25.), mit der Hpst. Corinium. 
In westlicher Richtung jenseits von dem Sabrina Aestuarium sassen die 
mächtigen Silures, ein streitbares Volk, welches seine Freiheitsliebe 
in heissen Schlachten gegen Römer und Sachsen bethätigte (Ptol. 2, 3, 
24.). Das westlichste Volk Britanniens waren die Demetae (Ptol. 2, 
3, 23.) mit der Hauptstadt Moridunum. Südöstliche Nachbaren der Do- 
bunnen waren die Atrebates auf beiden Seiten der Tamesa ein Zweig 
des gleichnamigen Stammes in Gallien; Hpst. Caleva (Ptol. 2, 3, 26.)/ 
Nordöstlich von ihnen sassen dann die Trinobantes (Caes. 5, 20. 
Tac. Ann. 14, 31. Ptol. 2, 3,22.) mit der Hpst. Camalodunum. Weiter 
nach Norden hinauf folgen die Simeni (Ptol. 2, 3, 21.), von Tacitus 
Iceni genannt. Ueber sie herrschte Boudicca; ihre Hpst. war Sitoma- 
gus. Westlich von diesen folgen die Catuvellauni (Dion 60, 20. . 
Ptol. 2, 3, 21.) mit der Hpst.'Verulamium, Residenz des Königs Cassi- 
vellaunüs. Nordwestlich weiter stossen wir auf die Coritavi (Ptol. 2, 
3, 20.) mit der Hpst. Lindum. Westlich weiter der lüsel Mona gegen- 
über sassen die Ordovices (Ptol. 2, 3, 18. Tac. Agr. 12. 33. Ann. 
12, 3a.) mit der Hpst. Mediolanum (It. Ant. p. 469. 482. Geogr. Rav. 
5, 31.). Nordöstlich von diesen die Cornavii (Ptol. 2, 3, 19.) mit 
der Hpst. Deva. Im Norden sassen die Parisii (Ptol. 2, 3, 17.) Hpst. 
Petuaria ; eine kleine Völkerschaft , verwandt mit dem gleichnamigen 
Volke in Gallien. Nördlich bis zum Grenzwall dehnten sich die Bri- 
gantes aus, die ganze Breite der Iiisel einnehmend. Hpst. Eboracum 
(Ptol. 2, 3, 16. Tac. 1. c. bist. 3, 48.). 

Hiemit schliesst das eigentliche Britannien und wir wenden uns zu. 
Kaledonien. Dieses ist der älteste Sitz k(3ltischer Bevölkei'ung, der 
Gaedelen( Gaoidhal) , wie gesagt , einer früheren Völker woge , die 
über Gallien und Britannien hinging, aber von den nachrückenden jün- 
geren Stammesgenossen den Cymren {Cymry) auf das nördliche Bri- 
tannien beschränkt wurde*. Das gaedelische Sprachidiom ist mit dem 



1 Vgl. Mac Gregor}' the genuine remains of Ossian , litte rally translated. Lon- 
don 1841. p. 473 fif. 



30 IV. Britische Kelten. 

cymrischen von einem Stamme entquollen , wenn es auch bedeutende 
Abweichungen zeigt und die Aehnlichkeit beider in den Wurzeln ist 
von den berufensten Sprachforschern anerkannt, so dass kein Zweifel 
bleibt, dass Beide, Gaedelen wie Cymren Abkömmlinge eines Haupt- 
stammes sind. Denn sicherlich veränderten die keltischen Stämme ihre 
einst gemeinsame Sprachweise , indem sie sich verschieden entwickelten 
und gewisse Lautverschiebungen vornahmen , wobei sie eine Reihe von 
Eleinenten für andere substituirten, neue Worte erfanden oder fremden 
Völkern entlehnten, je nachdem sie mehr oder minder unter deren Ein- 
flüsse standen ; bemerkenswerth in den genannten Sprachen ist beson- 
ders der Wechsel des Labial und Guttural. 

Ptolemaios erwähnt die kaledonischen Stämme in folgender Ord- 
nung (Ptol. 2, 3, 7.): Novantae, das südwestlichste Volk Kaledo- 
niens um das Jena Aestuarium. Oestlich von ihnen die Selgovae 
am Ituna Aestuarium (Solway). Von der Ostküste hin bis an das Bo- 
deria Aestuarium sassen die Damnonii (Ptol. 1. c. 9 .). Die G a d e n i 
wohnten mehr nach Norden, die Atadini mehr südlich (Ptol. 10.). 
Alle genannten Völker sassen südlich von der Mauer des Severus ; zu 
dessen Zeit bildeten sie zwar die römische Provinz Valentia, sie werden 
jedoch in keiner Beziehung von den übrigen gaedelischen Stämmen 
unterschieden. 

An der westlichen Küste, die Ptolemaios für die nördliche hält, 
sassen die Epidii, Cerones, Creones, Carnonaci, Carini, 
Cornovii (Ptol. 11.), letztere bildeten das ausserste Volk der Insel. 
Im innern Lande um das nach ihnen genannte Waldgebirge vom Sinus 
Lemannonius bis zum Varär Aestuarium sassen die Caledönii, die 
Vorfahren der heutigen Hochschotten (Caes. 5, 12. Tac. Agric. 11. 
Herodian 3, 14. Dion 75, 7. 76, 12 ) später bekannt unter dem Haupt- 
namen Picti (Peghten) und Scoti (Ammian, 27, 8. Beda, h. e. 1, 1.). 
Ihre vermuthlichen Unterabtheilungen sind die Decantae^ Lugi^ 
Smertae (Ptol. 12.). Ihre südöstlichen Nachbaren waren die Vaco - 
magi (Ptol. 1 3.) am Aestuarium Tuaesis. Oestlich von den Damnoniem 
und nördlich von den Otadinen folgen die Venicones (Ptok 14.) und 
an der Ostküste an dem nach ihnen genannten Vorgebirge die Taezali 
(Ptol. 15.). 

Zum Schluss noch einige kurze Worte über Hibernien, das 
grüne Erin, das Hauptland der Gaedelen, ihrer Kämpfe und Gesänge, 
ihrer Herrlichkeit und tiefsten Noth , wie Diefenbach es charakterisirt. 
Die einheimischen Sagen nennen Phoeniker als di\B ersten Colonisten 
Irlands, womit Aristoteles und die semitischen Elemente im Irischen 



§. 12. Die Briten-Kelten. 31 

übereinstimmen*. In keinem Keltenlande jedoch ist die Geschichte so 
sehr durch wirre Sagen verdunkelt und verunstaltet wie in Hibernien, 
und ohne grosse Geduld ist es nicht möglich zwischen Fabel und Ge- 
schichte zu sichten. In den Classikern finden wir nur spärliche Andeu- 
tungen über die Iren und wir sind für den Bevölkerungsgang auf die 
ausserclassischen Dokument hingewiesen. Vgl. die gründliche Abhand- 
lung über sie von Diefenbach, Gelt. II, 3, p. 339 ff. 

Den Norden und Nordwesten Irlands bewohnten diejenigen Gaede- 
len, welche von den aus dem südlichen Britannien her nach dem kaledo- 
nischen Hochlande hinaufdrängenden Cymren in diese westliche Insel 
hinübergetrieben wurden, während letztere im Süden und Osten festen 
Fuss fassten. Denn in Formenbildung, wie im Wurzelbau stimmt zum 
Gaelischen mit einigen Abweichungen die Sprache der Bewohner dieser 
Westinsel , welche einst unter dem Gesammtnamen S c o t i gleichzeitig 
mit den Picti, den Stammvätern der das Gaelische sprechenden Hoch- 
ländern Kaleddnien einnahmen. 

Was die einzelnen Völkerschaften angeht, so sassen nach Ptolemaios 
(1. c 7.) auf der Südwestspitze die Iverni, das Hauptvolk der Insel, 
neben ihnen an der südöstlichen Küste die Vodiae und Brigantes, 
letztere ein Zweig der brittischen Briganten. Auf der Nordseite wohn- 
ten die Venicnii und Robogdii (Ptol. 1. c. 3.) an den von ihnen 
genannten Vorgebirgen ; nach der Westseite ferner .Erdini, Nagna- 
tae (Namnetäe?) Autini, Gangani, Vellebori (Ptol. 1. c. 4. 5.); 
endlich ganz im Osten Voluntii, Eblani, Chauci, Manapii, 
Coriondi (Ptol. 1. c. 9.). 

Dieses ist in kurzen Zügen gezeichnet die Lage der auf den Bri- 
tanniden ansässigen Völkerschaften und wir wenden uns nunmehr zur 
Begründung ihrer keltischen Abstammung, diese darlegend: 1) aus 
den Angaben der Classiker , 2) aus der Aehnlichkeit in Sitte und Re- 
ligion, 3) aus der Sprache. 

§. 12. 
Die Briten-Kelten. 

I. Vor Caesar finden wir, wie bereits gesagt, wenige Andeutungen 
über die ethnographischen Verhältnisse der Briten; als vorcaesarisch 
sind daher die Berichte der Periegeten zu betrachten und ihre Angaben, 
hervorgegangen aus der Vorstellung übertriebener Nähe Britanniens. 



1 Vgl. A. Pictet, du culte de Cabires chez les anciens Irlandais. 1824. p. 5 der 
Vorrede. 



^2 IV. Brittische Kelten. 

weiset man mit Kecht als sagenhaft und unsicher zurück ; auf sie stützt 
sich der angebliche Ursprung der Briten von den Iberern , den Tacitus noch 
bei den Siluren zu vertheidigen scheint, so Dionysios Per. 561. cf. 2S l. : 

^Iqtjv rjv evijtovoi Kagrjp sfLisv EvQWTieirjg 

NrjaovQ d-^ ^EaniqLÖagy xod-i xaoaiTeQOio yeved^Xrj, 

]Aq)vuol vaiovai dyavojv naiößg ^Ißi^QOJv, 
so ferner Avienus O. m. 96 : 

Oestrymnides stanni pondere plenae 

Hesperides populus, quos tenuit fortis Iberi 

Gehen wir wieder auf Caesar' zurück , so ist besonders Folgendes 
als Ergebniss seiner Erkundigungen hervorzuheben. » Der innere Theil 
ist von Leuten bewohnt, welche die Sage als Autochthonen bezeichnet, 
die Küstenlandschaft hingegen von solchen, die wegen Beute und Krie- 
geslust früher aus Belgien hinübergezogen waren ; letztere führen auch 
fast alle den Namen derjenigen Stämme, aus deren Mitte sie ursprüng- 
lich mit den Waffen in der Hand kamen, dann aber in den eroberten 
Gegenden zurückblieben und Ackerbauer wurden. « Caes. 5, 12. Caesar 
hat also nur die Küstenlandschaft erforscht , d. h. die südlichen Theile 
bis zur Themse , um das Binnenland , d. h. um die eigentlichen Briten 
bemühte er sich mit weniger glücklichem Erfolge. Er fand bei ihnen 
einen geringeren Grad von Bildung , indem noch manche Stämme von 
ihnen den Ackerbau verachteten und in naturwüchsigem Zustande sich 
von Fleisch und Milch nährten und indem namentlich das Familien- 
leben auf der allerniedrigsten Stufe stand. Auch Handel und Verkehr 
scheinen sie wenig oder gar nicht betrieben zu haben , weil selbst die 
nördlich wohnenden Gallier Caesar auf seine Anfrage wenig Sicheres 
mittheilen konnten. Alles dieses ist jedoch noch nicht hinreichend, 
um daraus einen Schluss auf Verschiedenheit der Abkunft zu ziehen, 
höchstens auf eine Losreissung der einzelnen Britenstämme vom kel- 
tischen Haupts tamme- und auf eine dann folgende selbstständige Ent- 
wicklung derselben. Jedenfalls waren aber die Briten , welche Caesar 
kennen lernte, Kelten, wie dieses die Sprache deutlich nachweist — 
worüber unten. 

Strabon können wir hier übergehen; er schrieb seine Nachrichten 
über Britannien schwerlich mit Benutzung der Werke Caesars nieder und 
lässt überhaupt die Verwandtschaft der Briten mit den Stammen des Fest- 
lands dahingestellt (vgl. Brandes, a. a. O. S. 25 ff.). Weit besser unter- 
richtet ist Cornelius Tacitus, dessen berühmter Schwiegervater Julius 
Agricola hinlänglich Gelegenheit hatte, bei seinem mehrjährigen Aufent- 
halte auf der Insel die ethnographische Beziehung der Briten zu den 



§.12. Die Briten-Kelten. 33 

Kelten zu untersuchen. Daher ist die geistvolle Biographie desselben 
das werthvallste Denkmal aus dem Alterthum, das sieh über Britannien 
zu uns gerettet hat. Tacitus' Geschichtsschreibung aber ist in Hinsicht 
auf Treue und Wahrhaftigkeit der Erzählung über allen Tadel erhaben, 
und nicht im Entferntesten kann ihn der Verdacht treffen, absichtlich 
Angaben verunstaltet zu haben. Ueber Britannien nun lässt er sich also 
aus : » Was für Mehschen Britannien ursprünglich bewohnt haben, ob 
Eingeborne oder Abkömmlinge, ist unter ihnen , als Barbaren, wenig 
bekannt. Die Körpergestalt ist verschieden, woraus sich Einiges folgern 
lässt. Denn die gelben Haare K^ledoniens und ihr starker Gliederbau 
zeugen von Germanischer Abkunft. Der Siluren braune Gesichter, ihre 
meistens krause Haare und die Lage gegen Hispanien hin, machen 
glaubhaft , dass vor Alters Iberer hinüberschifften und diese Wohnsitze 
einnahmen. Die Nächsten an den Galliern sind ihnen ähnlich, sei es, 
dass die Art des Stammes sich erhalten , oder dass in dien gegeneinander 
vorlaufenden Ländern das Klima ähnliche Körperbildungen erzeugt hat. 
Doch ist es im Allgemeinen wahrscheinlich, dass Gallier den nahen Bo- 
den besetzt haben ; ihren Gottesdienst erkennt man an dem tiefwurzeln- 
den Aberglauben; die Sprache ist nicht sehr abweichend; dieselbe Ver- 
wegenheit, Gefahren herauszufordern und sind sie eingetreten, dieselbe 
Zaghaftigkeit im Ausweichen. Doch zeigen die Briten mehr Herzhaf- 
tigkeit, zumal ein langer Friede sie noch nicht verweichlicht hat. Denn 
dass auch die Gallier sich einst im Kriege hervorgethan, dafür haben 
wir Belege. Bald trat mit der Ruhe Schlaffheit ein, Tapferkeit und 
Freiheit gingen mit einander verloren. Ebenso erging es den längst Be- 
siegten unter dfen Briten, die Uebrigen sind noch, was die Gallier einst 
waren. « Agric. 1 1 . 

Ln Anfange diqses Abschnittes wagt Tacitus nichts Bestimmtes 
über die Ureinwohner der brittischen Inseln zu sagen und begnügt sich 
damit, einige jedoch verfehlte Vermuthungen aufzustellen, wie der 
Schluss von der Körpergrösse der Kaledonier auf ihren germanischen 
Ursprung, da doch diese äussere Eigen thümlichkeit mehr oder weniger 
allen Nor^völkern zukommt ; Aehnliches gilt von der iberischen Ab- 
stammung der Siluren. Mit den Worten aber in Universum aestimanti 
Gallos vicinum solum occupasse credibile est wendet er sich zu den Ge- 
sammtbriten , erkennt ihr keltisches Geblüt aus der Gleichheit der Re- 
ligion und der Sitte und schliesst mit den klaren Worten : Ceteri (Bri- 
tanni) manent, quales Galli fuerunt. 

Die nachtaciteischen Schriftsteller lassen sich wenig über diese 
Frage vernehmen, ausser Cassius Dion, der in einer von Xiphilinos 
excerpirten Stelle das Keltenthum der Briten also berührt: Jvo de 

C o 11 1 z e n , Wanderungen der Kelten. 3 



34 IV. Brittische Kelten. 

yevYi Twv BgerawcSv (xeyia%d elat Kaktjdovioc :iai Maidtai ^ xai eg avra 
%ai td Twv alhDv Ttqogqrj^iata ag elnelv avyitBXijljqrjY.Bv ^ olnovai Si oi 
f.i€v Maidvai nqbg avT(p T(p öiaTeiyj0f.iati j o tfjv rtjaov dixfj Tdfivei. 
Kakfjdovioi ii€T exeivovg, 76, 12. 

Mit Tacitus verlassen wir das classische Alterthum und wenden uns 
zu den einheimischen Quellen, den vielbesprochenen wallisischen Tria- 
den *. Diese Sagen, welche nicht in römischer Verunstaltung erscheinen, 
wie die irischen, enthalten nicht nur manche geschichtliche Nachricht, 
sondern bestätigen auch oft die Angaben der römischen und griechischen 
Schriftststeller. Freilich ist dabei wojil zu bemerken , dass die Triaden, 
schwerlich vor dem sechsten Jahrhundert aufgezeichnet sind, wie dieses 
deutlich schon aus dem Namen Gwasgwyn , Gascogne folgt , da die Be- 
zeichnung Wasconia erst im sechsten Jahrhundert aufkam (Fr^edegar. 
chron. 21.) so wie auch aus andern in der Sprache selbst liegenden Mo- 
menten. Jedoch dürfen sie als ' die ältesten und darum ehrwürdigsten 
Sagen und Meinungen des Volkes über seine Abkunft gelten und ver- 
dienen deshalb wohl in dieser Frage Berücksichtigung. Eine weitere 
Darlegung dieser Triaden gehört nicht hieher, wir verweisen auf die 
gründlichen Werke von Edward Davies, Myvyrian , Stephens, Diefen- 
bach, Walter u. a. 

Aber auch der stete Wechsel verkehr , der zwischen Britannien und 
Gallien herrschte , spricht deutlich für die gleiche Abstammung beider 
Völker , ein Wechselverkehr , der nicht auf Handel , sondern tiefer, auf 
gemeinsamer Sprache und Religion beruhete. So kennt Plinius 4, 7, 31. 
Briten bei den Ambianern und Bellovaken; 4, 22, 37 spricht er von 
portus Morinorum Britannicus an der gallischen Küste ; Sidonius Apol- 
linaris (ep. 1,7.) kennt Britannos super Ligerim sitos und bis tief in 
die mittelalterliche Zeit hinein verliessen Briten , von Sachsen bedrängt 
ihr Vaterland und wanderten nach dem verwandten Gestade zu ihren 
überseeischen Brüdern. Vgl. Procop. B. G. 4, 20. Nennius 23. Henr. 
Hunt. Histor. 1, p. 307. Guib. Malmesbur. de g. reg. Agl. 1. und die 
14. Triade. 

II. Beide Völker waren an Sitte und Religion sehr ähnlich. Gehen 
wir näher auf Betrachtung der ersteren ein , so finden wir zuerst den 
Gebrauch ähnlicher Waffen. Dimicant (Britanni) sagt Mela, non equi- 
tatu modo aut pedite, vei^um et higis et curribus gallice armatis. 

1 Edw. Davies, Celtic researches. London ISOJ. — Myvyrian, Archaiology of 
Wales, a coUection of historical documents from ancient Mss. 3 vol. London 1801 — 
1807. Stephens , The litterature of the Kymry, being a critical essay on the history 
of the language and litterature of Wales. Llandovery. 1849. Diefenbach, Celtica II, 
3, S. 40 ff. F. Walter, Das alte Wales. Bonn 1859. 



§. 12. Die Briten-Kelten. ' 35 

Mela 2, 6. Die Sitte des Kampfes in der Feldschlacht mit dem Streit- 
wagen war auch in Gallien bekannt. Caes. 4, 33. Liv. 10, 28. — Wie 
die Gallier fochten auch die Briten mit gewaltigen Schlachtschwertern, 
die keine Spitze hatten. Tac. Agric. 36. Von der ungestümen aufflam- 
menden aber bald erschlaffenden Tapferkeit der Gallier bemerkt Florus : 
Experimento comprehensum, sicut primus impetus eis maior quam mro^ 
rum est, ita sequens minor quam feminarum, Flor. 1, 4; von der brit- 
tischen Tacitus : In deposcendis periculis eadem audacia, et ubi advenere 
eadem formido in detrectandis. Agric. 11. Beide Völker pflegten sich 
den Mittelfinger mit einem Ringe zu schmücken : AnnuUs . . . Galliae 
Britanniaeque in medio digito dicuntur usae. Plin. 33, 6. Ebendahin 
gehört eine Nachricht desselben Schriftstellers über die Art und Weise 
die Erde zu düngen : Alia est ratio , quam Britannia et Gallia inve- 
nere alendi eam (terram) ipsa; quod genus vocant marga. Plin. 1 7, 4. — 
Die runden kunstlosen Hütten der Gallier aus Rohr und Holz glichen 
denen der Briten, die gallischen würfelartig bemalten Mäntel sind im 
kaledonischen Hochlande noch heute gewöhnlich. Endlich die Sitte, 
sich zum Schrecken der Feinde mit blauer und grüner Farbe zu be- 
malen, sowie des Tättowirens lässt sich bei beiden Volksstämmen nach- 
weisen (Caes. 5, 14. Ovid. Amor. 2, 16. 29. Strab. 7, p. 315.). Was 
den sittlichen Charakter angeht, so standen sowohl Gallier als Briten 
auf keiner hohen Culturstufe , letztere hatten kaum die naturwüchsige 
Wildheit abgestreift. Zwar hat sich sicherlich bei diesen der Verkehr 
der beiden Geschlechter nicht in den rohen Formen bewegt , von denen 
Caesar und Strabon sprechen, weil schon die aufopfernde Vertheidigung 
des Vaterlandes die edlen Gefühle erkennen lässt, welche die Heimath 
und der eigne Heerd in ihnen geweckt haben , allein einen gewissen 
Grund muss jene Angabe dennoch haben, weil auch die Gallier im Rufe 
unnatürlicher Wollust standen. Vgl. Diod. 5, 32. 

Bedeutsamer jedoch als in der Aehnlichkeit der Sitte spricht sich 
das Keltenthum der Briten in ihren religiösen Einrichtungen aus , d. h. 
im Druidenwesen. Von demselben wird unten weitläufiger die Rede 
sein. Caesar sagt, die Ordenslehre verdanke, dem allgemeinen Glauben 
nach, Britannien seinen Ursprung, und noch zu seiner Zeit reiseten Gal- 
lier zur gründlicheren Einsicht ebendahin. Caes. 6, 13. Schreibt nun 
Caesar einerseits den Galliern Druiden im Allgemeinen , den Briten sie 
als primitives Institut zu , so konnte anderseits auch nur die gallische 
Jugend aus einem verwandten Lande zu einem verwandten Stamme 
ziehen , um von Grundträgern des Glaubens tiefere Belehrung zu em- 
pfangen. Eine Religion umfasste also von Alters her beide Völker. Wie 
Caesar kannte auch Plinius in Britannien Druiden : Tiherii Caesaris 

3* 



36 IV. Brittische Kelten. 

prindpatus stistultt Druidas . . . Sed quid ego haec commemorem in arte 
Oceanum quoque transgressa et ad naturae inane pervecta 9 Britannta 
hodieque eam attonite celehrat tantis ceiHmoniis , ut dedisse Persis videri 
2)088it. 33, 3. In Britannien war der Gottesdienst der Druiden also mit 
solchen furchtbaren Formen umkleidet (von den Menschenopfern 
spricht Plinius kurz vorher) ^ dass man die Insel als Ausgangspunkt des 
Aberglaubens betrachten dürfe. An das Zeugniss des Plinius reiht sich 
das wichtige des Tacitus. Neben der .allgemeinen Angabe : Eorum sacra 
deprehendas supersiitionum persuasione erzählt er schön , wie Druiden, 
die Römer an der Eroberung der Insel Mona, durch fanatische Ceri- 
_monien den Muth der Briten anfeuernd, zu hindern versucht hätten. 
Annal. 14, 30. (Vgl. zu dieser Stelle Brandesa. a. O. S. 46 flf.). So 
kennt also auch Tacitus in Britannien Druiden. Nun ist aber der Drui- 
dismus den Kelten so eigenthümlich , dass keine andere Nation , auch 
nicht einmal die anwohnenden Germanen denselben angenommen hat, 
ein unwiderlegliches Moment also für die gleiche Abkunft der Briten und 
Gallier. — Es theilten sich nun aber die Druiden in drei Classen , in 
Seher, Marden und eigentliche Druiden. Von den Barden, den TexTOveg 
vf.tviov^ haben sich aus älterer Zeit keine Lieder zu uns gerettet, so gar viele 
ihrer Namen sind in das Grab der Vergessenheit gesunken ; dennoch 
klingt der Ruhm manches grossen Sängers unter ihnen in unsere Zeit 
hinein, und Namen wie Taliesin , Aneurin u. s. w. werden im Munde 
ihres Volkes zu leben nie aufhören. Ihre Zeit haben Stephens a. a. O. 
und Sharon Turner (Vindication of the genuiness of the ancient british 
poems of Aneurin, Taliesin, Llywarch and Merddhin.) nach den sorg- 
faltigsten und gründlichsten Untersuchungen als in das sechste Jahr- 
hundert festgesetzt. Die Vorfahren dieser Barden kannte aber schon 
Poseidonios und desshalb können wir das Druidenthum hoch hinauf- 
i*ücken in sehr frühe Zeit , womit Caesars Aussagen also vollständig be- 
stätigt sind. 

III. Als drittes Moment entscheidet die Sprache, das geistige Ei- 
genthum eines Volkes ; dieselbe ist genau untersucht und hat kein Re- 
sultat historischer Forschung umgestossen ; als nahe verwandt hat man 
den Sprachstamm der kymrischen Gallier und Briten , als verschwistert 
den gaedelischen Kaledoniens und den ersischen Hiberniens gefunden. 
In früher Zeit müssen sich sogar die einzelnen Idiome sehr nahe gestanden 
haben , indem Gallier fortwährend des Lernens wegen nach Britannien 
gingen (Vgl. Tarbe, Recherches sur l'histoire du langage et des patois 
de Champagne Paris 1851. Bd. I. S. 13 der Vorrede.) und nicht einmal 
das Ohr des Fremden eine bedeutende Abweichung fand. Nee sermo 
multum diversus sagt Tacitus. Sein Zeugniss wird erhärtet durch die 



j 



§.13. Früheste Wanderungen der Ligyer. 37 

Aehnlichkeit topographischer Namen , über denen ein' gleichmässiger 
Charakter ruht und die häufige Wiederkehr von gewissen Elementen in 
zusammengesetzten Namen ist auffallend genug, um Aufmerksamkeit zu 
erregen. So entspricht auch unter den Appellativen dem brittischen Cassi- 
vellaunus in Gallien ein Vercassivellaunus, dem Cingetorix ein Vercin- 
getorix; die Verwandtschaft der Atrebaten an der Themse und der Pa- 
riser am Humber mit den gleichnamigen Völkern in Gallien erliegt ge- 
wiss auch keinem Zweifel und wie sehr überhaupt die topographischen 
Namen in beiden Ländern correspondiren, zeigt die fleissige Sammlung 
in Brandes' obengenanntem^ Werke *. 

Fassen wir diese Rücksichten ins Auge, so kann es als erwiesen 
gelten, dass die alten Einwohner der brittischen Inseln und die Kelten 
des Festlands demselben Völkerstamme angehörten ^. 



Capitel V. 

Die liigyer. 

Frühest« Wanderungen der Iiigyer. 

< 

Bevor wir zu den Alpen- und Donaükelten übergehen, müssen wir 
uns zu einem Volke wenden, das zwar vielleicht das räthselhafteste im 
Alterthum zugleich bedeutsam in den Gang der ersten keltischen Ent- 
wicklung eingegriffen hat. Leider sind wir weder im Stande den Aus- 
gangspunkt der Wanderungen der Ligyer zu ermitteln, noch nähere er- 
folgreiche Forschungen über die Zeit derselben anzustellen , da nicht 
nur die ältesten Nachrichten über sie in mythischem Gewände vor uns 
treten, sondern auch mit denen über andere Völker verschwimmen. 
Früh müssen sie sich jedoch vom Völkerheerde Asiens losgerissen haben, 
weil wir sie bis in den fernsten Westen Europas eingedrungen finden, 
und nehmen wir Iberer und Finnen sammt den Gaedelen als die ersten 
Bewohner unseres Erdtheiles an, so weiset man mit Recht der Zeit 



l S, 58 ff. — 2 Ueber die Gaedelen Caledoniens vgl. Macgregor , The genuin 
remains of Ossian literally translated. London 1S41. (S. 473 fF.) — Kitson, Memoirs 
of the Ceits or Gauls. London 1827. — Chalmers , Caledonia , or topographical and 
historical account of Northbritain. 3 vols. Edinburgh 1807 — 24. 



38 V. Die Ligyer. 

nach ^en Ijigyem den folgenden Platz ein. Ihre älteste^ der grauen Vor- 
zeit angehörende Geschichte ist daher in ewiger Nacht begraben^ zer- 
streute Klänge von Lokalsagen^ zum Theil sich an Herakles anlehnend, 
und wurzelverwandter Flussnamen rauschen an unserem Geiste vorüber, 
ohne sich zu einem harmonischen Ganzen zu fügen. 

Ein Beweis für ihre Einwanderung vor Menschengedenken bildet 
die Combination ihres Nationalhelden Ligys mit der Heraklessage ; als 
Herakles auf seiner Fahrt zu den Gärten der Hesperiden begriffen Süd- 
gallien durchzog, stiess er auf hartnäckigen Widerstand von Seiten des 
Ligys und seines Volkes, den er nur durch Hülfe des Zeus, der Steine 
vom Himmel herabregnen liess, Zu bewältigen vermochte (Strab. 4, p. 183. 
vgl. dieselbe Sage in Britannien bei Mela 1. c). Eine andere unbe- 
stimmte Nachricht, die jedoch schon einigen historischen Gehalt zeigt, 
hat uns Avien aufbewahrt: 

Si quis dehinc 

Ab insulis Oestiymnicis lembum audeat 

Urgere in undas, axe qua Lycaonis 

Rigescit aethra, cespitem Ligurum subit 

Cassum incolarum, namque Celtarum manu 

Crebrisque dudum praeliis 

Ligures . . . pulsi, ut saepe fors aliquos agit, 

Venere, quae per horrenteis tenent 

Flerumque du mos. 

Wernsdorf (zu dieser Stelle) glaubt das Bezeichnete im nördlichen 
Gallien suchen zu müssen , eine Annahme , die durch die Wurzelver- 
wandschaft mit dem Liger , wonach sich die Ligyer , wie Artemidoros 
überliefert (ap. Steph. Byz. s. v. uitiyvgog), benannten, sehr wahrschein- 
lich wird; allein damit stimmt nicht Herodot überein ; denn er nennt 
noch keine Kelten unter den Völkern , aus denen das Heer geworben 
war , welches Hamilkar gegen Gelon und Theron führte : Punier, Li- 
byer, Iberer, Ligyer, Volsker, Sarden, Korsen (Herod. 7,' 165.). Denn 
wären die Ligyer von ihren Sitzen am Liger durch die Kelten ver- 
trieben, so wären, abgesehen davon, dass schwerlich das ganze Volk ver- 
drängt wäre, sondern wenigstens schwache Ueberreste zurückgelassen 
hätte, den Vertriebenen gewiss die Sieger gefolgt nach der pyrenaeischen 
Halbinsel, wieMe es später bei den Iberern thaten ; es geschah aber nicht. 
Dazu kennt Skylax in Südgallien nur Ligyer und Iberer. Wir folgen 
daher der besseren Erklärung Thierrys (1. c. p. 9.), der die Nachricht 
der ora maritima auf Hispanien bezieht , unterstützt durch eine Bemer- 
kung von Thukydides, dessen treue Darstellung für die Wahrheit seines 
Wortes bürgt. »Nach den fabelhaften Kyklopen«, äussert Thukydides, 



§.13. Früheste M^'anderungen der Ligyer. 39 

»und Lästrygonen kamen als Ansiedler Sikaner nach Sicilien, die zwar 
nach eigner Behauptung schon früher dort gewohnt haben sollen , aber 
dem wahren Erfund der Sache nach Iberer waren, welche durch Ligyer 
aus der Gegend des Flusses Sikanos vertrieben waren« (Thuc. 6, 2.). 
Dass die Colonisation Siciliens sehr früh vor sich ging , dürfen wir mit 
Sicherheit annehmen , da der im italischen Alterthume gewiss nicht un- 
erfahrene Vergil die veteres Sicani in der Mannschaft des Turnus er- 
scheinen lässt (Aen. 7, 795. vgl. Dionys. Hai. 1, 22.). Dazu findet 
Thukydides' Aussage Bestätigung bei dem syracusanischen Geschichts- 
schreiber Philistos, der ebenfalls heimische Quellen benutzt haben wird * ; 
ihre Flucht vor den Ligyern meldet ebenfalls der belesene Dionysios 
von Halikarnass: Kolibixov avrtjv (Stxeliav) Si^avol yevog ^IßTjQixdv . , , 
yliyvag (pevyovreg. Dionys. l, 22. Vgl. Silius It. 14, 33. Serv. ad Aen. 
8, 328. Eustath. ad Hom. Od. 24, 304. Hiermit ist das Wohnen der 
Ligyer auf der pyrenäischen Halbinsel als historisch anzusehen, schwer- 
lich jedoch wohl anders, als dass sie, indem sie als Eroberer auftraten, die 
Iberer als primitive Bevölkerung des Landes vorfanden. Fälschlich hält 
man aber die Sikaner für Kelten , indem man sie mit Sequani identifi- 
cirte und dadurch die Möglichkeit hervorzurufen suchte , dass sie ein 
einzelner Keltenstamm waren , der zu weit in des Gebiet der älteren 
Völker vorgedrungen nufi durch diese von den übrigen Kelten abge- 
schnitten war und dann auf andere Weise weichen musste ; allein wenn 
man grammatischer Seits auch wenig dagegen einwenden kann , indem 
statt Sixavoi auch Srjxavoi vorkommt (Steph. Byz.), iso kannte man, 
abgesehen von der Richtigkeit des Verfahrens, sich auf den Flügeln der 
Etymologie zu erheben und sodann , nachdem man Namen alter Völker 
etymologisch als gleich erkannt hat , die Völker selbst als gleich anzu- 
nehmen, zur Zeit des Philistos Ligyer und Kelten zu gut , um ihre Na- 
tionalitäten zu verwechseln, — 

§. 14. 
Iiigyer in historisclier Zelt. 

Dass die Ligyer also schon früh in Hispanien sassen , dürfen wir 
als historische Thatsache festsetzen; sie müssen zugleich bis in den 
Westen vorgedrungen sein, wo ihnen Hamilkars Werber nicht allzu 
entfernt waren, womit die dunkle Nachricht bei Stephanos überein- 
stimmt , eine Stadt der Ligyer Namens Ligystine habe im westlichen 



1 4»CXiaToq fjiy yag (^rjaiv, i^ 'IßrjQ^ag avTovg anoixiad^ivxctg xttroixilattL rrjv 
vijaov ano rivog 2txavov noTnfjiov y.ax ^Ißr\qiuv ovrog. Diod. 5, 6. 



40 V. DieLigyer. 

Iberien unweit Tartessos gelegen (^iyvOTivrj , nokig ^Lyvwv t^g dvTi- 
'^rjg ^Ißfj^iagj eyyvg tijg- TaQTijoaov tiItjoIov* oi oi-KOvvteg ^iyveg 
Y.aXovvTat), 

Hiemit darf man die vorhistorische Zeit der Ligyer abschliessen ; 
man könnte , eben weil sie im Westen Hispaniens wohnten , in ihnen 
Colonisten eines seefahrenden Volkes vermuthen , eine Annahme , die 
jedoch nicht mit den Spuren ligustischer Wanderungen im Norden in 
Einklang steht (vgl. Avien. o. m. 129. 169. 196. 197. 198.). Ebenso 
dürfen wir uns nicht für ihre Priorität in Hispanien entscheiden ; wäre 
diese erweislich, würde sich der Gang der Ereignisse wahrscheinlich 
also gestaltet haben ; die Ligyer wurden von der Hauptmasse der Iberer, 
theils nach Südost , theils über die Pyrenäen gedrängt und auf einen 
einzel angesiedelten iberischen Stamm der Sikaner geworfen,. der dann 
zur Auswanderung gezwungen wurde und diese über Italien (Dionys. 
1, c. Vergil. 1. c.) nach Sicilien bewerkstelligte. 

Wir verlassen hiemit den wankenden Boden und wenden uns zur 
historischen Zeit der Ligyer ; in dieser finden wir keine Zweige dersel- 
ben mehr in Hispanien ansässig, ein heftiger Krieg scheint entbrannt 
zu sein , in dem die zurückgedrängten Iberer den fremden Einfluss mit 
Erfolg abschüttelten und ihre Bedränger verjagten ; die Ligyer sitzen 
von nun an besonders im südöstlichen Gallien, schon von der Garumna 
an, so jedoch, dass im Westen das iberische Element vorherrschte, in 
der Mitte bis zum Bhodanos beide Völker einander durch Vermischung^ 
nahe getreten waren, während der Osten von den reinen Ligyern in 
Besitz genommen wurde , die sich dann weit hinauf bis Antipolis aus> 
dehnten. Die Belege hiefür geben Skylax und Avienus: Idno de 'Ißrj- 
Qiov i'xovTai yilyveg xal ^'ißrjQeg ficyddsg ^UxQi iiozaftov ^Poöapov. 
Peripl. p. 2. und: 

ßhodani alveo 
Ibera tellus atque Ligures asperi 
Intersecantur. O. m. 608 ff. 

Wie weit sie nördlich hinaufreichten, lässt sich mit Sicherheit nicht 
ermitteln; Artemidoros, dem Eustathios folgt, leitet zwar ihren Namen 
vom Liger ab, an welchem sie gewohnt haben sollen, allein es ist keine 
sonstige Spur vorhanden , die darauf hinführeu könnte ; ebenso haben 
neuere Forscher auf die Aehnlichkeit mit den Lloegwyrs hingewiesen, 
womit die Walliser die Bevölkerung Britanniens bezeichneten ; die 
Uebereinstimmung ist zwar merkwürdig. Aber in Ermangelung eines 
Beweises für die Verwandschaft zwischen Ligyern und Briten kann man 
schwerlich eine richtige Folgerung daraus entnehmen. 

Aber in Italien wohnten sie vor Alters weit hinauf, ein Beweis für 



§. 14. Ligyer in historitcher Zeit. 41 

ihre frühe Einwanderung^ deren Zeit ebenfalls nicht zu ermitteln ist. 
So erscheinen sie nicht nur unter den Hülfsvölkem des Turnus (Aen. 
10, 185. II, 701.), sondern wohnten auch nach dem ausdrücklichen 
Zeugnisse des Festus bis an die Tiber , wo sie später von den Sakranern 
vertrieben wurden/: Sacrani appellaii sunt Heute orii, qui ex Septi- 
montio Ligures Sicuhsque exegerunt (Festus v. Sacrani), Ob sie aber 
von Hispanien oder Südgallien aus bis hieher vordrangen , wissen wir 
nicht; ihre Verbindung mit Sikulern weist eher auf ersteres hin. Später 
weiss Polybios (2, 16) noch, dass sie im Nordosten bis Aretium, im Nord- 
westen bis Pisae wohnten, und hier kamen sie zuerst mit Kom im Jahre 
516 der Stadt in feindliche Berührung, wo der Consul Sempronius ihnen 
eine Niederlage beibrachte. In der Zeit ihrer dermaligen Ausdehnung 
scheinen auch die Colonien zu fallen, die sie nach Sicilien, Corsika und 
anderen Inseln entsandten. Vgl. Sallust. ap. Isidor. origg. 4, 6. 14, 6. 
Priscian. 4. Dionys. Hai. 1, 22. Seneca ad Helviam 8. Silius 14, 33. 
Solin. 3. Eustath. ad Dionys. 458. Von den Galliern und früher von 
den Umbrern und Etruskern wurden sie in Italien auf eine Xänder- 
strecke zwischen den Seealpen im Westen , die es vom transalpinischen 
Gallien schieden , dem Padus im Norden , dem ligustischen Meer im 
Süden. und dem Macra im Osten beschränkt. — 

Räthselhaft wie ihre erste Geschichte ist auch ihre Stellung zu den 
Völkern der Erde ;• die Untersuchung über ihre ethnographischen Ver- 
hältnisse wird wegen unzureichender Hülfsmittel schwerlich ein ge- 
nügendes Resultat zu Tage fördern. Leider ist ihre Sprache* gänzlich 
verschwunden, bis auf wenige Trümmer, die nirgends gut unterzubrin- 
gen sind. Dahin gehört ihre Bezeichnung Bodincus (bodenlos) für den 
Padus: Metrodorus' Scepsius dicit, quoniam circa fontem Padi arbor 
m^lta Sit picea , quae Pades gallice vocetur , Padum hoc nomen acce- 
pisse'; Ligurum quidem lingua amnem ipsum Bodicum appellari quod 
significet, fu7ido carentem. Cui argumento adest oppidum iuxta in- 
dustria vetusto nomine Bodincomagum, ubi praecipua altitudo in- 
cipit, Plin. 3, 16, 20. In ähnlicher Form Bodey'Kog erwähnt Polybios 
dieselbe Thatsache : Ilaga (.lav toiq iyxioQtoig 6 7ioi:a(.ioQ nqoQayo- 
Qevszai Bodeyzog. Polyb. 2,16. Ligustische Städtenamen können wir 
nicht als entscheidendes Moment gelten lassen, weil die Einwohner häu- 
fig wegen übermächtigen Andranges von Völkerwogen ihr Gebiet zu 
verlassen gezwungen waren ; redendes Beispiel davon ist der Name Bo- 
dincomagus, der ein keltisches Wort an seiner ligustischen Wurzel trägt. 
Die Sprache kann uns demnach keinen Fingerzeig geben und wir sind 
gänzlich auf die spärlichen Aussagen der Alten hingewiesen. Iberer 
können sie nicht sein, weil nach Skylax der ganze Strich von den 



42 V. Die Ligyer. 

Pyrenäen bis zur Rhone von einer aus Iberen und Ligyern gemischten. 
Bevölkerung bewohnt wurde. Aber auch Kelten waren sie nicht, wie 
Strabon (2, p. 128.) ausdrücklich versichert, obgleich er vieles Aehn- 
liche an beiden Völkern findet. Ihm pflegt man besonders die gewiss 
sehr merkwürdige und befremdende Erzählung Plutarchs entgegenzu- 
setzen. Als die Ligyer im Kimbern- und Teutonenkriege gegen die Am • 
bronen hinabzogen und letztere ihren Schlachtruf anstimmten , seien sie 
von ersteren verstanden : Twv de ^ItaXixdßV tiqwtoi xaraßatvorteg irc 
avToig ^iyvsg, wg 7]y,ovaav ßowvnov ymI awtJKav aal avT€q>aivovv xal 
avtol rrjv rtaTQiov eTtlyckrjoiv avTUßv eivai. arpäg yag avxovg ovtiag 
ovofxdt^ovai xcfTd yivog yliyveg, Plut. Mar. 19. 

Die Ambronen waren kymrische Kelten aus Helvetien, Ligyer aber 
lange vor ihnen in Europa ansässig, so dass die Wahrscheinlichkeit die- 
ser Nachricht dadurch einen starken Stoss erhält; will man aber die 
Glaubwürdigkeit dieser Wiedererkennungsscene zweier lang getrennten 
Völker durch ihre gemeinsame Sprache retten, so muss man entweder 
mit H. Müller (Marken des Vaterlandes 108* fF.) einen einzelnen ligu- 
stischen Zweig Ambronen annehmen, oder dass diese Ligyer Provincia- 
len waren, Keltoligyer, die Marius seinem Heere einverleibte, als er 
den Schauplatz des Krieges in jene Gegend hinübertrug. Vgl. Strab. 4, 
p. 203. Aristot. neQX -S^av/ii, a^ovo^i, 86. 

Endlich ist noch Dionysios v. Halikarnass zu bemerken, der die 
Ligyer für einen Theil der alten Italioten oder der unstreitig mit dem 
alten Griechenstamme verwandten ältesten Bewohner Italiens zu halten 
geneigt ist, weil Einige die alten Aboriginer von den Ligyern herleite- 
ten und ein Sohn desitalus als Anführer von Ligyern auftritt. Zugleich 
nennt auch Philistos diesen Siculus, weil er die aus Italien vertriebenen 
Siculer für Ligyer hält, auf die bloss der Name des Anführers über- 
tragen sei. 

Eine gewisse Sprachähnlichkeit kann ausserdem nicht bestritten 
werden, weil die Römer bei allen Verhandlungen mit den Ligyern sich 
nirgends so viel bekannt eines Dollmetsches bedienten und selbst ein li- 
gustischer Stamm ohne Schwierigkeit nach Samnium konnte verpflanzt 
werden. Liv. 40, 38. 41. Plin. 3, II, 16. 

Alle diese Umstände weisen eher auf pelasgischen Ursprung der 
Ligyer hin freilich ohne stringirende Kraft, immerhin jedoch näher als 
auf iberische oder keltische Abstammung. Was die mühseligen Versuche 
neuerer Forscher angeht, so liegen auch hier keine Ergebnisse vor ; Die- 
fenbach kommt zu keinem Resultate, neigt sich jedoch stark zu der An- 
nahme die Ligyer seien Gadhelen, während Pott zwischen allerlei Mög- 
lichkeiten schwankt. 



43 



Capitel VI. 

Die Alpen- und Donaukelten. 

Gleichzeitig mit dein Zuge der Kelten nach Oberitalien setzte sich 
von Gallien aus ein zweiter Haufe nach Osten in Bewegung, und drang 
unter Anführung des Sigovesus über den Rhein gegen die Herkynien 
vor , von denen wieder andere Zweige um die nördlichen Abfalle des 
Gebirges und über dessen Höhen bis Istrien und lUyrien hin sich nieder- 
Hessen. So verkündet die alte nationale Ueberlieferung bei Livius, des-, 
sen Bericht an innerer Glaubwürdigkeit bei weitem der Angabe Justins, 
von Oberitalien seien die Kelten an den Ostalpen ausgezogen , vorzu- 
ziehen ist, wie unten weiter zur Sprache kommen wird. Leider hat sich 
nur diese dunkle Kunde von diesen Nordzügen erhalten, die dazu nicht 
einmal die Namen der Stämme, die sich denselben anschlössen, enthält. 
Caesar war der erste Römer , der den Rhein sah ; aber auch er gewann 
nur unvollständige und verschollene, wenn auch bestätigende Nach- 
richten über die ältesten Bewohner der umliegenden transrhenanischen 
Gegenden. Das Ergebniss seiner Forschungen legt er in den Worten 
nieder : » In der früheren Zeit waren die Gallier tapferer als die Ger- 
manen, griffen diese sogar an und schickten wegen ihrer grossen Bevöl- 
kerung , für die sie nicht Land genug hatten , selbst Colonien auf das 
rechte Ufer des Rheines.« Caes. 6, 24. Nur die Tektosägen , die auf 
einem Zuge nach Pannonien (Strab. 4, p. 187.) eine Colonie in den 
Umgebungen der östlichen germanischen Waldhöhen zurückliessen, wohn- 
ten zu seiner Zeit noch dort. Auch der Umstand war ihm nicht ent- 
gangen , dass einzelne germanische Staaten weite Einöden und Wüste- 
neien an den Grenzen ihrer Gebiete hatten, ohne jedoch darauf zu kom- 
men , dass diese einsamen Landstriche einst blühende Wohnsitze kel- 
tischer Völker waren, die dem Arm der kriegerischen germanischen 
Stämme erlagen (Caes. 6, 23.). Besser unterrichtet ist freilich Tacitus, 
weil zu seiner Zeit die römische Herrschaft im Winkel zwischen Rhein 
und Donau bereits festen Fuss gefasst hat : » Dass der gallische Staat ehe- 
mals mächtiger gewesen, bezeugt der höchste Gewährsmann Julius Cae- 
sar; daher ist es glaublich, dass auch Gallier nach Germanien hin- 
übergewandert sind. Denn wie wenig konnte ein Fluss hindern , dass 
ein Volk , sowie es angewachsen war , andere Wohnsitze einnahm und 



44 VI. Die Alpen- und Donaukelten. 

behielt , als diese noch Gemeingut und durch keine Staatsgewalt abge- 
markt waren! So wohnten zwischen dem Herkynischen Walde, dem 
Rhein und dem Main die Helvetier , weitelrhin Bojer , beides gallisclie 
Völkerschaften, a German. 28. 

Wir behandeln demgemäss die Alpen- und Donaukelten in folgen- 
der Ordnung : 

1. Die Helvetier. 2. Die Bojer. 

3. Die Oser und Gothiner. 4. Die Carner und Japoden. 

5. Die Rhaeter und Vindeliker. 6. Die Taurisker (Noriker). 

§. 15. 
Die Helvetier. 

Die Helvetier, ein Volk, an dessen keltischer Abkunft (Caes. 1,1. 
Tacit. 1. c. histor. 1, 67.) trotz den Bemühungen Neuerer sie als Ger- 
manen nachzuweisen, nicht gezweifelt werden kann, ist der letzte 
auf unstater Wanderung sich gefallende Stamm. Auch ihre älteste Ge- 
schichte trotzt allen Versuchen, sie aufzuhellen. Einer blossen Namens- 
ähnlichkeit wegen sie mit den Helviern zu identificiren dürfte etwas 
gewagt sein; ebenso wenig lässt sich aus Caesar (1, 20.) darthun, dass 
sie dem Stamme der Beigen angehörten *. 

Zur Zeit Caesars, der ihre damaligen Grenzen genau kannte, ohne 
jedoch über ihre Vorzeit etwas Bestimmtes angeben zu können, sassen 
sie durch die natürliche Beschaffenheit ihres Landes geschützt aber auch, 
beschränkt zwischen dem Rhein , der sie von Germanien , dem Jurage- 
birge, das sie von den Sequanem, dem Lacus Lemannus und dem Rho- 
danus, der sie von der Provincia schied (Caes. 1,2.). Von dreien Seiten 
gibt Caesar also die Grenze an , die genaue östliche erfahren wir von 
Strabon (7, p. 292.): Die nordöstliche bildete der Bodensee: JlQogän" 
Tovrai de T^g Xifivrjg ert okiyov fuv oi ^FalTOi, tö di nXiov oi ^Ekovrjr- 
tioi. Die südöstliche der St. Gotthardt: ^Eril Tip ^Pfjvifi nquitOL rwv 
a/tavTCJv oixovGc MkovriTtiot^ 7iaQ olg eloiv a\ Ttfjyat tov nozofiiov iv Tip 
jiöovXtjc. Strab. 1. p. 192. 

In ihrer Nachbarschaft in den Thälern des I&eins und des Rho- 
danus bis zu den Quellen sassen kleinere nicht helvetische Völker ; darum 
ist auch Caesars Angabe, die Länge Helvetiens betrage 240 Mülien*, die 



l Körner, Keltische Studien p. 10. (Halle 1849). — 2 Eine Millie begriff 
S olympische Stadien oder ein Fünftel einer deutschen Meile ; daher 240 Millien 
s. V. a. 96 Stunden, 180 Millien •» 96 St. 



§. 15. Die Helvetier. 45 

Breite 180 Millien nicht buchstäblich zu nehmen, wie es Dunckerthut, 
und daraus scharfsinnige Folgerungen zieht, und mit Recht vertritt hier 
Zeuss die Ansicht, dass Caesars numerische Resultate nicht auf Messungen 
sondern auf Schätzungen beruhen. In ältester Zeit wohnten die Hel- 
vetier jenseits des Oberrteins und an der Donau, zwischen diesen Flüs- 
sen, dem Main und dem herkynischen Waldgebirge : Inter Hercyniam 
silvam Rhenumque et Moenum amnes Hehetii, ulteriora Bon, Gallica 
utraque gens tenuere. Tac. Germ. 28. Diese Angabe verdient vollen 
Glauben, weil auch historische Zeugnisse dieselbe stützen. Dahin gehört 
das gemeinsame Erscheinen der Helvetier und Bojen in der römischen 
Provincia , ihre dort gemeinsam erlittene Niederlage und die zahreichen 
Spuren keltischer Bevölkerung am Main ; sowie auch der Name dieses 
Flusses gleich dem des Rheins keltisch ist. Als aber die Germanen 
sich immer weiter nach Süden ausbreiteten , stiessen auch bald die Hel- 
vetier mit jenen zusammen und erlagen den steten Angriffen derselben. 
Ihr Land wurde zur Wüste , der geschwächte Rest verliess es und zog 
über den Rhein in die schützenden Gebirgsthäler , wo sie Caesar fand. 
Ihr altes Land, die sogenannte Wüste der Helvetier (egrifxos "^EkovrjTviwv) 
kennt noch Ptolemaios als östlich vom Rhein : Ta f.iiv naqa rov ^Pijvov 
TKnafxbv Ovianioi aal rj ziov ^Ekovr^Ttiwv EQrjfiog fJtexqi xwv elqrjfxivwv 
^Aknliav OQamv, Ptol. 2, 11, 10. cf. Cass. Dio 38, 49. 

Nach Caesar 1, 12 zerfiel das Gebiet der Helvetier in vier Clans, 
unter denen der pagus Tigorinus der hervorragendste war (cf. Liv. ep. 
65. Flor. 3, 3. Strab. 7, p. 293.), während von den übrigen nur ein 
einziger mit Bestimmtheit namhaft gemacht wird : der pagus Urbi- 
genus {Verhipenus), Vgl. Caes. 1, 27. Inscr. in Act. Acad. Theod. 
Pal. p. 171. Orelli corp. inscr. Nr. 403. I. p. 124. Die beiden übrigen 
gewöhnlich angegebenen Namen: Toigenus und Amhronicus (Cluver. 
Germ. ant. 2, 4. p. 374. Cellar. Geogr. ant. 2, 3, p. 223.) gründen 
sich auf gewagte Hypothesen. Den ersteren hat man aus Strabon 7, 
p. 293. hergeleitet, wo jedoch, wie Zeuss a. a. O. S. 225 sagt, wahr- 
scheinlich T(ovy€voi aus TevTOvol verunstaltet ist, und der letztere grün- ' 
det sich auf dem Umstände , dass mit den Kimbern und Teutonen, an 
welche sich auch die Tigoriner anschlössen , auch das sohst fast unbe- 
kannte Volk der Ambronen mit zu Felde zog (Liv. ep. 68. Strab. 4, 
p. 183. Plut. Mar., Eutrop. 5, 1.). — 

Die älteste aber fabelhafte Erwähnung der Helvetier fällt in die 
Zeit des Tarquinius Priscus, wo ein helvetischer Werkmeister angeblich 
die Transalpiner zu ihrer Wanderung nach Italien bewog (Plin. 12, 1.) 
In die Geschichte treten sie jedoch erst zur Zeit der grossen kimbrischen 
Wanderung. Der steten Kämpfe mit ihren nordöstlichen Nachbarn satt 



46 VI. Die Alpen- und Donaukelten. 

und gereizt durch das Beispiel der Deutschen und ihre unermessliche 
Beute zogen die Tigoriner und Toygener im Einverstandniss mit den 
siegreichen Fremden unter der Anführung des Divico in das südwest- 
liche Gallien , um bessere Sitze sich zu erkämpfen. Hier stand ein rö- 
misches Heer unter dem Consul L. Cassius Longinus y der sich von den 
Helvetiern in einen Hinterhalt locken liess und mit dem grössten Theile 
seiner Soldaten den Tod fand. 107 v. Chr. Der Best sah sich zu einer 
schmählichen Capitulation gezwungen und erhielt freien Abzug, aber 
unter dem Joch und gegen Ablieferung der Hälfte der Habe^ welche die 
Truppen mit sich führten (Caes. 1, 7. 12. 30. Strab. 7, p. 283. Vellej. 
2, 10. Appian. Celt. 3. Oros. 5, 12.). Nach den Siegen des Marias 
finden wir sie geschwächt in ihren alten Sitzen, ohne jedoch ihre alten 
Fehden einzustellen (Caes. 1, 1.). Nachdem sie sich daher einigermassen 
erholt hatten , bewog sie der alte unstete Geist ihres beweglichen Blutes 
abermals hinauszuwandern aus der engen Heimath, welche freieren Be- 
wegungen Schranken setzte, und mit den Waffen in der Hand einen 
neuen Heerd zu gründen , immerhin noch stark durch ihre streitbaie 
Mannschaft. Um diese Zeit erschienen 32000 Bojer am rechten Rhein- 
ufer; nach einem vergeblichen Sturme auf Noreja schlössen sie sich 
nebst den Tulingern und Raurikern ihren keltischen Brüdern an. Die 
vereinten Schaaren wählten zu ihrem Zuge den leichteren Weg durch 
die römische Provinz, aber Caesar, eingedenk des schmachvollen Unter- 
ganges von Cassius und seinem Heere warf sich ihren weiteren Bewe- 
gungen entgegen und schlug sie am Arar blutig aufs Haupt; 13000 Kel- 
ten bedeckten die verhängnissvolle Wahlstatt (Caes. 1, 26.). Die Ge- 
schlagenen kehrten mit Ausnahme der Bojer in ihre Heimath zurück, 
um unter römischer Hoheit die Rheingrenze gegen die Deutschen zu 
schützen. Zur Sicherung dieses Zustandes wandelten die Römer später- 
hin die alte keltische Stadt Noviodunum am Genfersee in eine Grenz- 
festung Julia Equestris um, indem Caesars keltische oder deutsche Rei- 
ter dort Landloose zugleich mit dem römischen oder latinischen Bürger- 
rechte empfingen. Plin. 4, 17, 31. Orelli C. I. N. 309. Vgl. Spon, 
Hist. Genev. H, p. 319. Zur selben Zeit gelangten Vindonissa und 
Aventicum zu Macht und Bedeutung ; letzteres nennt Tacitus (Hist. 1 , 
67.) die Hauptstadt des Volkes. So schienen die Helvetier noch ein- 
mal sich von den furchtbaren Schlägen erholen zu wollen , als der un- 
selige Bürgerkrieg zvischen Galba und Vitellius ausbrach , in welchen 
sie verwickelt wurden. Als sie diesem zu huldigen sich weigerten und 
für Galba zum Schwerte griffen , brachte ihnen Caecina, der Legat des 
heranziehenden VitelKus, eine schwere Niederlage bei (Tac. 1. c). Fast 
gänzlich vernichtet verschwinden sie fortan unter den einbrechenden 



§. 16. DieBojer. 47 

Deutschen , von denen die Alemannen nach harten Kämpfen mit den 
Kömern sich des Landes bemächtigten*. 

§. 16. 
Die Bojer. * 

Unstreitig bilden die Bojer das hervorragendste Glied der grossen 
Keltenfarailie, bekannt durch ihre Tapferkeit in den blutigen Kriegen 
gegen die Römer, Deutschen und Slawen und das traurige sie ereilende 
Geschick , dem sie bis zum Untergange erlagen. Pfister sucht in seiner 
» Geschichte der Teutschen« ihre germanische Abkunft darzuthun. Ohne 
uns näher auf die Zurückweisung dieser unhaltbaren Behauptung einzu- 
lassen, der das gesammte Alterthum entgegensteht, wo sie stets mit Gal- 
liern verbündet auftreten , oder ausdrücklich als solche bezeichnet wer- 
den, wenden wir uns vielmehr zu der dunkeln schwach beleuchteten Ge- 
schichte des Volkes. 

Auch die Bojer finden wir, der Natur ihres Stammes getreu, wan- 
derlustig, den Kampf über Alles liebend , eine Zeitlang in festen Sitzen 
dann von der Uebermacht der Feinde besiegt unter andern Völkerschaf- 
ten verschwindend oder sich mit ihnen verschmelzend. Schon ihr 
Wohnen im keltischen Stammland Gallien Ist vielfach angezweifelt, 
weil sich keine Ueberreste von ihnen dort erhalten haben ; weder Stra- 
bon noch Ptolemaios erwähnen dort bojische Sitze; auch Caesar, der 
doch das ganze Land zwischen dem Rhein , dem Meer , den Alpen und 
Pyrenäen durchzog und dem gewiss nicht das mächtige Volk entgangen 
wäre, auch er kennt sie niyht als sesshaft in dem von ihm bezwungenen 
Lande. Daraus dürfen wir jedoch nicht folgern dass sie nie in Gallien 
gewohnt , oder dass sie bei der ersten Einwanderung der Gallier nach 
dem Westen auf dem Marsche dahin zurückblieben; vielmehr lassen 
sich Spuren verfolgen, nach denen sie lange, bevor Caesar seinen Er- 
oberungszug begann, Gallien verliessen, als jene seltsame Wanderungs- 
lust das ganze Volk wie eine Krankheit befallen hatte. So erschienen 
sie als die stärkste gallische Völkerschaft in Italien, gleichzeitig mit 
den Insubrern, Cenomanen und Senonen, in Gesellschaft der Lin- 
g o n e n , welche wir oben an den Quellen der Maas und den Abhängen 



1 Ueber die Helvetier vgl. Celtische Alterthümer zur Erläuterung der ältesten 
Geschichten und Verfassung Helvetiens. Bern 1783. Haller, Versuch einer Ge- 
schichte der Helvetier unter den Römern. Zürich 1793. Brosi , die Kelten und Alt- 
helvetier. Solothurn 1851. Pauly , Healencyklopaedie des classischen Alterthums 
s. V. Helvetii, wo jedoch im Anfang zu berichtigen ist , dass das Adjektiv helveticus 
bei Caesar im 7. Buche vorkommt. 



48 ^I* ^^^ Alpen- und Donaukelten. 

der Vogesen fanden; ebenso Hessen sich die Bojerreste nach der Schlacht 
bei Bibracte bei den Haeduern nieder , was ebenfalls auf früheres Zu- 
sammenwohnen hindeutet. 

Wie sich nach Italien der eine Völkerstrom ergoss , so wogte der 
zweite nach Germanien; der keltischen Tapferkeit mussten die angren- 
zenden Völker weichen; dort nahm der gewaltige herkjrnische Wald, 
den wir uns hier speciell als das heutige Böhmen zu denken haben , sie 
auf. Von den Bojen erhielt das eroberte Land den Namen Böhmen 
(Boiohemum) ; er bezeugt ihr Wohnen daselbst und die nie schwindende 
Benennung spricht für einen nicht kurz vorübergehenden, sondern lang 
behaupteten Besitz (Tac. Germ. 28.). Jedoch darf man mit Gewissheit 
annehmen, dass sie nicht die ersten Bewohner des Landes waren ; denn 
nicht blos die uralten Sagen von den Fahrten eines Ungenannten 
(Apollod. Arg. 4, 157.) und des Jason (Orph. Arg. 4, 288. Plin. 3, 18. 
Justin. 32, 3.), von des Herakles und anderer Abenteurer Wanderungen 
(Pindar. Ol. 3, 29. Ammian 15, 9.) durch diesen Erdstrich, Mythen, 
welche ebenso von historischen Thatsachen getragen werden , wie Ho- 
mers Gesänge, sondern auch klare Zeugnisse und der Umstand, dass die 
Einwanderungen von West nach Ost geschahen, zeugen von einer 
frühen Bevölkerung der Donauländer. Wer aber diese Urbewohner ge- 
wesen sind, ist eine schwer zu lösende Frage; keltisches Wesen hat 
überall auf Sprache und Sitte zersetzend eingewirkt und sie ver- 
schlungen. 

Desto mehr sind wir im Stande, die Ausdehnung der Bojen in ziem- 
lich deutlichen Umrissen zu bestimmen. Von Tacitus wissen wir, dass 
die Markomannen ihre Wohnsitze einnahmen , so weit sich jene ausge- 
breitet hatten ; nun aber werden die Grenzen des Markomannenreiches 
von den Alten uns folgendermassen angegeben: Markomannien war 
nach Tacitus die Vormauer Germaniens, indem die Donau die natürliche 
Grenzscheide bildete. Jenseits derselben, am rechten Ufer südlich, 
sassen die Noriker (Vellej. 2, lOS.), ebenso gibt Vellejus (2, 109.) die 
nördliche Grenze in Uebereinstimmung mit der von Poseidonios für die 
Bojer gezogenen. Ganz klar endlich sind die Angaben, dass das Marko- 
mannenreich vom herkynischen Waldkranz umschlossen -war (Vell. 2, 
108 flF. Tacit. ann. 2, 45. vgl. Strab. 7, p. 290. 292. 294. 295.). Ln 
Westen von denselben wohnten die Narisker (Tac. Germ. 1. c), welche 
nach Ptolemaios VTteq rä SovörjTa oqtj sassen. 

Hier also im eigentlichen Böhmen breiteten sie sich aus und blühe- 
ten rasch empor; aber in ihrer älteren Geschichte ist nur ein einziger 
Hellpunkt, nämlich die Zeit des Poseidonios und die Kimbern. Als ein 
kräftiges Volk hörte sie nennen der völkerkundige Hellene (Strab. 7, 



§. 16. DieBojer. 49 

p. 293.) ; denn als die Kimbrische Völkerwoge sich gegen die Südlande 
Europas wälzte, bewährten sie ihren alten Ruf der Tapferkeit in Wah- 
rung ihrer Grenzen und empfingen muthig den furchtbaren Stoss , der 
wirkungslos an ihnen vorüberging. Dies ist aber auch die einzige That- 
sache , welche wir aus ihrer älteren Geschichte kennen ; erst nach ihrer 
Verdrängung aus Böhmen finden wir ihrer bei den Alten Erwähnung 
gethan. Auch über dieses Ereigniss und die daraus hervorgegangenen 
Folgen schwebt ein gewisses Dunkel und schwerlich möchte sich mit 
Sicherheit ein unumstösslicher Gang der Begebenheiten ermitteln lassen. 
Auf die Dauer nämlich vermochten die Bojer ihr Besitzthum gegen 
die umwohnenden und immer neu andrängenden Deutschen nicht zu 
schützen ; nach der gewöhnlichen Ansicht mussten sie den Markomannen 
unter Marobod weichen , der nach der Niederlage , die ihm Drusus auf 
seinem Zuge vom Niederrhein her geschlagen , von seinen Sitzen am 
oberen und mittleren Main aufbrach und in das vom herkynischen 
Waldkranz umschlossene Land der Bojen einfiel und sie dermassen be- 
siegte, dass sie seitdem verschwanden. Wenn auch das feststeht, dass 
Marobod Böhmen zum neuen Herrschersitz mit seinem Volke sich er- 
kämpfte , so liegen doch gegen eine Vertilgungsschlacht mit den Bojen 
zu gewichtige Gründe vor, als dass ein solcher Bericht vor dem Richter- 
stuhl der Kritik bestehen könnte. Zuvörderst erwähnen Strabon und 
Vellejus (Strab. 7, p. 200. Vell. 2, 108.) kurzweg Marobods Besitzer- 
greifung ohne diesen Heereszug anders als hervorgerufen durch die 
Furcht vor den Waffen Roms darzustellen, deren Ueberlegenheit er er- 
fahren hatte (Flor. 4, 12.). Wie hätte ferner Caesar, der in Deutsch- 
land nur eine keltische Völkerschaft, die Tektosagen, kennt, welche dazu 
noch sehr unbedeutend sich bald unter die Germanen verlieren, das viel 
mächtigere Bojenreich unerwähnt lassen können, wenn es zur Zeit 
seiner gallischen Kriegeszüge noch bestanden hätte? Mit grösserer 
Sicherheit vielmehr dürfen wir die grosse, von kriegerischen Deutschen 
dnxchatreiite Wüste (desertum Helvetiorum) , einen. vordem blühenden 
Landesstrich auf eijien Theil des herkynischen Keltenreiches beziehen. 
Wie hätte ferner das freundliphe Verhältniss des Suebenfürsten Ariovist 
mit dem norischen Könige Voccio zu Stande kommen können, so lange 
zwischen beiden das grosse Bojenreich jene nähere Verbindung unmöglich 
machte? 'Beide Fürsten aber waren durch Blutsverwandtschaft einander 
nahe getreten (Caes. 1, 53.). Bestätigend endlich nennt Arminias 
bei Tacitus den Marobod proeliorum expertem (Annal. 2, 45.), was 
keine blutigen Schlachten mit den Bojen voraussetzen lässt. Noch 
deutlicher sagt Tacitus an einer andern Stelle : Praecipua Marcoman- 
norum gloria tiresque atque ipsa etiam sedes Dpulsis olim Boiisu, 

Coutzen, Wanderungen der Keltin. . 4 



50 VI. Die Alpen- und Donaukelten. 

Germ. 42. (Vgl. das olim und nQoteQOv bei Strab. 7, p. 290.). Bojer 
gab es also nicht mehr zur Zeit als die Markomannen einzogen. Fragen 
wir nach den deutschen Völkern , welche niuthmasslich die Bojer ver- 
drängten, so mochten es suebische sein, namentlich Quaden (Strab. 1. c.^. 
Eudosen, Haruden (Caes. 1, 31. 37. 51.), Namen ^ die wir später unter 
den Schaaren des Ariovist wiederfinden. 

Die Vertreibung der Bojen aus Böhmen durch die Markomannen 
und deren Niederlassung daselbst unter Marobods Herrschaft sind also 
zwei verschiedene, um beiläufig Ein Jahrhundert auseinanderliegende 
Ereignisse. Ueber die Donau geworfen und aus ihrem südlichen Strom- 
gebiete verdrängt zogen die Vertriebenen nach Süden , denn der Stoss 
erfolgte von Norden , in das Innere Norikums hinein, geriethen aber 
dort mit den Tauriskcrn in einen Kampf. Da ihr Angriff auf deren 
Hauptstadt Noreja abgeschlagen wurde , zogen sie gegen 32000 Mann 
stark westlich zum Oberrhein und betheiligten sich an der grossen hel- 
vetischen Wanderung, im J. 58 vor Chr. , welche Caesar vereitelte und 
mit jenem grossen Kampfe eine glänzende Reihe von Siegen und Er- 
oberungen in Gallien eröffnete. Sie bildeten mit den Tulingen die 
Nachhut des helvetischen Heeres und mussten sich, als der Tag der 
Entscheidung sich ungünstig für die vereinten keltischen Schaaren ge- 
neigt, gleichfalls ergeben. Caesars Bundesgenossen in diesem Kampfe, 
die Haeduer, wünschten diese gefangenen Bojer, deren vorzügliche 
Tapferkeit bekannt war, bei sich anzusiedeln und baten daher den Sie- 
ger, sie ihnen zu überlassen. Caesar gewährte es und so erhielten sie 
Wohnsitze zwischen dem Liger und dem Arar , wo ihr Name im Laufe 
der Zeit unterging (Caes. 1, 5. 25. 28. Tacit. hist. 2, 61.). So wurden 
die Bojer also durch die unaufhörlichen, hartnäckigen Angriffe der 
Deutschen aufgerieben und aus Böhmen verdrängt, wobei freilich nichts 
natürlicher ist, als dass Viele in der alten Heimath blieben und mit den 
Siegern assimilirt wurden. 

Nicht viel besser gestaltete sich das Schicksal der Bojen in Italien. 
Denn wohl zu unterscheiden von den Bojen im herkynischen Wald- 
kranz sind die Kelten gleichen Namens an der Donau , östlich von den 
Tauriskem um den See Pelso. Nach Strabons unverdächtigem Zeugnisse 
kamen sie aus Italien, wo sie sich beinahe drei Jahrhunderte erhalten 
hatten , fast unter beständigem Kampf mit den mächtig heranwachsen- 
den Römern, oft Sieger, öfter besiegt, bis endlich Scipio Nasica durch 
eine entscheidende Niederlage ihre Kraft dermaassen brach, dass er 
rühmend im Senate sagen konnte , nur Kinder und Greise in Feindes- 
lande zurückgelassen zu haben (Liv. 36, 38 — 40.). Daher blieb den 
Bojen nur die Wahl zwischen Unterwerfung und Auswanderung. Die 






§. 16. Die Bojer. 5 t 

Freiheit über alles liebend verliess der Rest des einst so gefürchteten 
Volkes die alte Heimath und fand eine neue bei den Brüdern jenseits 
der Alpen : sie wurden Ostnachbarn der Taurisker und Hessen sich um 
den Pelsosee nieder. Strab. 5, p. 212. 215. Gegen diese so deutliche An- 
gabe Strabons ist Zeuss in seinem bekannten Werke S. 246 ff. aufgetre- 
ten und hat sie geradezu als unrichtig nachzuweisen gesucht. Wenn 
auch das ein befremdender Umstand ist, dass Livius in der Schilderung 
der letzten Freiheitskämpfe der cisalpinischen Gallier keine Kunde von 
dieser Wanderung hat, und diese Wanderung selbst, was Zeit und Weg 
betrifft , in Dunkel gehüllt ist , so steht anderseits dem" Strabon ein zu 
gewichtiger Zeuge zur Seite, als dass auch dessen Worte als unwahr 
verworfen werden könnten. Polybios nämlich berührt trotz 'seiner Kürze 
in der Behandlung der gallischen Kriege dieses Ereigniss mit folgenden 
Worten: 2vv^eiOQ'/jaccvT€g "^(.lelg fxex oXlyov xQOpov avTOvg (KelTOvg) 
EK TCuv Ttegltov nddov TtEÖiwv s^caad^ivrag TrXijv dkiywv xoncov rdiv v/t 
avTag lag ^LäXTtBig ycei/aivcjv. Polyb. 2, 35. Bei dem Zustande der da- 
maligen geographischen Kenntnisse »kann es uns nicht wundem, dass 
Polybios mit Stillschweigen übergeht, anzugeben, wohin jene zogen. 
Erwägen wir endlich, wie viele Colonien als Stützpunkte des römischen 
Wesens angelegt wurden im Bojenlande, wie sogar diie Hauptstadt des- 
selben Bononia zu diesem Zwecke neu organisirt wurde, so ist es nichts 
weniger als unwahrscheinlich, dass das Volk durch Auswanderung seine 
Freiheit zu behalten vorzog, zumal da auch im J. 571 ßöms Parma und 
Mutina Colonisten aufnahm, von denen Livius ausdrücklich bemerkt, 
dass unter sie das Land vertheilt sei, welches jünst noch den Bojen 
und vorher den Etruskern gehört habe. Liv. 39, 55. Uebereinstimmend 
sagt in diesem Sinne Plinius: In hoc tractu interiere BojL Plin. 3, 15. 
Bald erholten sich die Vertriebenen nach dem furchtbaren Schlage, 
der sie getroffen, und fingen an im Gefühle ihrer neu erwachten Kraft 
sich Uebergriffe gegen ihre thrakischen Nachbarn die Geten zu erlauben. 
Mit Recht konnte daher wdhl Appian sagen : Boiol KelviTidv sd^vog 
^^•rjQiiodeaTatov, Celt. 1 . Die Geten , einst wohnend zwischen der Do- 
nau und dem Haimos, waren vor den Bastarnerii, einem wahrscheinlich 
deutschen Volksstamme, zu ihren Brüdern* den Dakern geflohen. Ver- 
eint mit ihnen erhoben sie sich bald zu einer nie gesehenen Grösse unter 
ihrem Könige Boirebistas, dessen unternehmendem Geiste die Be- 
zwingung fast aller Länder zwischen dem Haimos und den Karpaten ge- 
lang. Ein heftiger Krieg entbrannte zwischen ihm und den Bojen, in 



1 Vgl. Justin. 32, 3. Plin. 4, 25. Cass, Dion 67, 6. Strab. 7, p. 294 ff. ausser- 
dem M. W. Duncker, origg. Gbrm. p. '<2. 

4* 



52 VI. Die Alpen- und Donaukelten. 

welchen auch die Taurisker unter ihrem Könige Kritasiros, wahrschein- 
lich zu Hilfe gerufen, verwickelt wurden. Doch beide Völker konnten 
eine entscheidende Niederlage nicht abwenden ; an dem Flusse Patisos 
(der Theiss) kam es zur Schlacht, in der blutig gestritten wurde ; Boire- 
bistas aber siegte \ Der Hauptschlag traf die Bojer, sie hören fortan 
auf, einen vordem gefürchteten Namen zu tragen. Ihr Land, die Donau 
entlang im heutigen Oesterreich wutde so schrecklich verwüstet , das» 
es über 100 Jahre gewöhnlich nur die Bojen wüste {deserium Botorum^ 
iQTjfiog Twv Bo'idiv) hiess. Plin. 3, 24, 146. Strab. 5, p 213. 7, p. 292. 
304. 313. 

Indessen ist das anwXovTO naved-vei Strabons nicht wörtlich als 
völlige Exstirpation des Volkes zu nehmen , ein Kest desselben hat sich 
in seinen Sitzen an der Donau erhalten; denn Ptolemaios kennt an der 
westlichen Grenze Oberpannoniens Bojer und über ihnen hinaus Aza- 
1er, zwei Völker, die zusammen auch in einer Inschrift bei Gruter er- 
wähnt werden (Corp. inscr. 490, 2.). Auch sind sie genannt in einer 
alten Demonstratio Provinciarum bei Angelo Mai (Class. Auct. e V at. 
codd. ed. 3, p. 413.). Endlich finden wir unter den kleinen Völkern 
an der Donau, die der Herrschaft des Hunnenkönigs Kuas zu entkom- 
men suchten, BotoKOi mit aufgezählt als Bundesgenossen der Römer 
(Priscos p. 166. ed. Bonn.), die aber schwerlich mit den Bojen zusam- 
menhängen. Als die Römer gegen die Donau vordrangen , fanden sich 
schon nirgends mehr Bojen vor, sie wären schwerlich der Kenntniss 
jener entgangen. Dazu nennt uns das dem Augustus zu Ehren errich- 
tete Siegesdenkmal 43 in den Alpen sesshafte und von den Römern un- 
terjochte Völkerschaften, die zum gross ten Theile so unbedeutend waren, 
dass man ausser ihren Namen nichts von ihnen weiss ; der Bojen aber, 
dieses angeblich grossen Volkes, das Rom von früherer Zeit aus so wohl 
kannte, geschiet keine Erwähnung, zum offenbarsten Beweise, dass sie 
sich bereits unter andern Völkern verloren hatten. 

An die Vertreibung der Bojen aus deh Herkynien knüpft sich ihre 
angebliche Siedelung in Bayern, was vor wenigen Jahren noch die bren- 
nende Frage der bayerischen Historiker war und auch jetzt noch manche 
Freunde findet. Vgl. M. Koch, Aelteste Geschichte Oesterreichs und 
Bayerns ; der älteren Werke von v. Pallhausen (Garibald) und anderer 
nicht zu gedenken. Allein klar stellt sich aus dem Gang der Geschichte 



1 Diese Schlacht fällt zwischen 50—40 v. Chr.; denn aU König der Taurisker 
nennt Strabon den Kritasiros , die Hegierungszeit seines Vorgängers Voccio wissen 
wir aus Caesar als gleichzeitig mit Ariovist \ dazu war Caesar Willens den Boire- 
bistas zu bekriegen , ein Entwurf, den sein Tod vereitelte. Sueton y. Caes. 44. 
Strab. 7, p. 298. Appian. p. S47. 853. 



§. 17. Die Oser und Gothiner. 53 

die Thatsache fest, dass die Bojer in den Donaugegenden nicht ein 
vorherrschendes Volk in festbewahrter, eigen thümlicher Nationalität ge- 
w^ordcn sind , sondern unter den einbrechenden Deutschen verschwin- 
den , nachdem ihre Kraft dem feindlichen Schwerte erlegen war. Die 
Annahme also , dass sie vier Jahrhunderte sich und ihren Namen ver- 
heimlicht und dann unter der veränderten Benennung Baj ovarier wieder 
aufgetreten, lässt sich in keiner Weise festhalten. Schön und wahr ist 
in dieser Beziehung das Wort Hermann Müllers bei Anführung der be- 
kannten Stelle in der Germania : » Treveri et Nei*vii circa adfectationem 
Germanicae originis ultro ambitiosi sunt, ianquam per hanc gloriam 
sanguinis a similitudine et ineriia Galhrum separentur. Mit Wehmuth 
erfüllt die Vergleichung der Anmassung unserer gloria sanguinis durch 
wackere keltische Nachbarn mit jener adfectatio Celticae originis, durch 
welche einzelne ßojovarii der jüngeren Zeit einem bösen Geiste hul- 
digend sich schmählich befleckt haben. « Marken des Vaterlandes, 
p. 44*. 

§.17. 
X)ie Oser und Gk)thiner. 

Die Gothiner werden zuerst von Tacitus und zwar als Kelten ge- 
nannt (Germ. 28, 43.). Sie hauseten nach ihm in Wäldern, auf Gebirgs- 
scheiteln und Bergrücken, umschlossen von den Quaden und Marko- 
mannen an den äussersten Theilen der Hcrkynien , am rechten Donau- 
ufer, Ihre späteren Sitze scheinen sich bloss auf den südlichen Abhang 
des Gabretawaldes und auf das Land um die Quellen des Marus be- 
schränkt zu haben. Einen nicht undeutlichen Wink zur Auffindung 
derselben gibt Tacitus (1. c. 43.) in dem Zusätze : Partem tributorum 
Sarmatae, partem Quadi ut alienigenis injungunt. Nun bilden aber die 
Quaden das äusserste Volk Germaniens im Osten; bei Cassius Dion 
(67, 7.) grenzen sie an die Daker und sassen nach Vellejus östlich vom 
Marus. Dass Sarmaten genannt sind, darf nicht befremden , denn wenn 
auch Strabon sie hier nicht kennt, so wohnten sie doch etwa 20 Jahre 
später zur Zeit des Tacitus in diesen Gegenden (Annal. 12, 39. vgl. 
Plin. 4, 12.). Wahrscheinlich sind sie die geschwächten Reste der 
Tektosagen, die noch Caesar als tapferes Nachbarvolk der Germanen 
nennen hörte , eine Vermuthung , womit der Umstand , dass sie in be- 
drängter Lage ihren Nachbaren Tribute zahlen mussten , wohl überein- 
stimmt. 

Westlich von ihnen sass das Osenvölkchen; über ihre Abkunft 
spricht sich Tacitus nur zweifelhaft aus ; dennoch dürfen wir auch sie 



54 VI. Die Al])en- und Donaukelten. 

ohne Bedenken den Kelten zusprechen : Tacitus spricht nur geogra- 
phisch, weil sie in Deutschland sassen, von ihnen als Gemianorum 
natione, d.h. einer Nation unter den Germanen, nicht ethnographisch 
(Germ. 28.), daher gesteht er auch unten : Osos Pannonica lingua coar- 
guit non esse Germanos. Gerade nun ihi'e pannonische Sprache möchte 
eher auf das Keltenland hinweisen, von dem sie als einzelner Clan aus- 
zogen : auf die Skordisker , welche nicht nur im Süden , sondern auch 
im Westen, wo sie verwandte Stämme wussten, sich niederzulassen ver- 
sucht haben werden, und später von den überlegenen Germanen zurück- 
gedrängt auf ihre Wälder und Bergrücken beschränkt wurden. Da sie 
aber stets mit den Gothinen zusammengenannt werden, so verhindert 
uns dieses, die Einen als Kelten, die Anderen als Germanen oder 
Slaven anzunehmen. - 

§. 18. 
Carner und lapoden. 

Die Carner breiteten sich wahrscheinlich früher bis zum adriatischen 
Meere aus, weil sie in der früheren Zdt Terge^e und Aquileja besassen 
(Strab. 7, p. 314. Plin. 3, .18. Ptol. 3, 1, 29.), Orte, welche später an 
die Veneter verloren gingen. Geschichtliches ist uns über ihre Ver- 
drängung durch letztere nichts überliefert. Wir finden sie daher auf 
Gebirgsstriche beschränkt, erhalten hat sich ihr Name im heutigen 
Krain. 

Auch sie sind keltischer Abkunft. Wenn schon der Name * darauf 
hinweiset, so liegen dabei deutliche Belege der Alten vor. Gallier wer- 
den sie genannt in einem Fragment der Triumphalfasten bei Gruter 
(Corp. inscr. I, p. 298), ebenso führt Cluverius eine Inschrift: De 
Galleis Carneis an (Ital. ant. I, p. 169.). Vgl. Orelli, corp. inscr. 
N. 4040. Ferner zählt Plinius sie zu den Norikern (Plin. 3, 2.), end- 
lich nennt auch Livius sie Gallier, kurzweg, ohne ihrfe Stammesver- 
wandschaft näher zu berühren , wahrscheinlich weil er glaubte , dass sie 
aus dem cisalpinischen Gallien eingewandert seien (Liv. 43, 5.). Was 
ihre Wohnsitze angeht, so verstand man unter Carnien das rauhe und 



1 Zahlreiche Namensanklänge finden sich, wie die Carnutes in Gallien (s. o.) 
Carnonacae in Britannien (Ptol. 2, 3, 11 .) Carnuntum in Pannonien , eine Stadt, 
welche Ammian den lllyriern (Amm. 30, 5.), Zosimos aber den Kelten (Zos. 2, 10.) 
zuschreibt. Ferner carn cymrisch = hörn (a high rock). Das Wort findet sich iu 
mehreren Sprachen in der Bedeutung Berggipfel, so im Deutschen in der Zusammen- 
setzung Schreckhorn, Aarhorn, '^'^p Hörn und Berggipfel; endlich Hesych. 2 ioJ: 
K^QVov irjv adkniyya raXccrai, 



§. 16. Carner und lapoclen. 55 

unergiebige Gebirgsland, welches im Süden von Venetien und Istrien, 
im Norden von Norikum, im Osten von Pannonien und im Westen von 
Kätien begrenzt wurde. Ihre Wanderungen sind , was die Zeit angeht^ 
in Dunkelheit begraben , jedenfalls aber gehören sie einer sehr frühen 
Strömung der Nordzüge an, da sie soweit vorgedrungen sind. 

In ihrer Nachbarschaft und unmittelbaren Nähe, daher häufig mit 
ihnen genannt sassen die lapoden^ Carnprum haec regio iunctaque 
lapydum sagt Plinius 3, 18. Stephanos von Byzanz, dessen Arbeit sich 
nicht eben durch Genauigkeit und Zuverlässigkeit auszeichnet, nennt 
sie ein ed-vog KelTiTiOv nqog ^IkkvQiq, Richtiger erklärt sie Strabon für 
ein keltisch-illyrisches Mischvolk und führt zum Belege mehrere beiden 
Völkern gemeinsame Sitten und Gewohnheiten an : Ol ^Idnoäeg . . . STrl- ' 
(LiiKTOv ^iXkvQioiQ xat KsItoIq s&vog 4, p. 207. MixQi twv ^lanodmv 
KelTinov T€ äf.ia ^ iXXvQiyiov eS^vovg xtA. 7, p. 313. So ist der Name 
des Volkes selbst illyrisch ; nach illyrischer Weise tättowiren sie sich, 
während die Bewaffnung keltisch war : xaraar/xro^ ä^ofioicjg xai rolg 
akloig ^IllvQtoig ^al 0Q(jc^l . . , o de 6ni.ioi.i6g Kskrixog. 7, p. 315. 

Sie sassen auf beiden Seiten des Gebirges unweit der illyrischen 
Küste, dessen Verkettung uns Strabon anschaulich beschreibt; daher 
theilt Appian (Illyr. 15.) sie ein in lapoden evT6g xal niqag rwv 
uikniwv, Uebereinstimmend damit weiss auch Strabon sie auf beiden 
Seiten des Gebirges : "lÖQVvTac oi ^Idnodsg eni T(p uiXßLff} oqbl '^elev- 
Taiifi TCJV^LiXfTBMv ovTi viprjkfp oq>6ÖQa t^ fxev btzX tovg üavvoviovg xal 
T6v^'laTQ0v naxHjxovregy Ttj d^STil top ^Adqvav, 7, p. 3141 Die Küste 
trug von ihnen den Namen der iapodischen. Was die übrige Ausdeh- 
nung ihrer Länder angeht, so ist ihre Grenze nach den Andeutungen 
der Alten folgende : Die südliche reichte bis zum Tedaniusflusse nach 
Plin. 1. c. oder bis zum heutigen Kroatien, ihre nördliche deutet Ptole- 
maios 2, 17, 8 mit den Worten ixofxevoi zfjg ^laxqiag ^Idnvdeg. Als ein- 
zelne Abtheilungen finden wir genannt Moentiner (Appian. 111. 16.) 
Auendaten und Arupiner (App. 1. c), Ihr Hauptort scheint Metulon 
gewesen zu sein (App. 111. 19. Cass. Dion 49, 35.). Später gehen sie 
in die Noriker auf. Plin. 3, 20. — 

§. 19. 
Die Baeter und Vindellker. 

Im Mittellande der Alpen umschlossen von den Helvetiem im 
Westen , den Norikern im Osten , von der Donau im Norden und im 

9 Was die Form ihres Namens angeht , so ist dieselbe eine doppelte : 1) lapo- 
des (Iccnoöeg) bei Strabon. 2) lapydes (Ictnvdtg) Ptol. 2, 16, 8. Cass. Dion 49, 35. 
Appian. Illyr. 10. 14. 16. Cic. pro Balb. 14. Plin. 3, 18, 22. 3, 21, 25 u. s w. 



56 VI. Die Alpen- und Donaukelten. 

Süden von der gewaltigen Alpenkette, die von Adulas bis zum Okra 
die Grenze bildend dahinlief, sassen die Vindeliker und ßaeter. Auch sie 
bilden ein Glied des Keltenstammes , wie sich aus sprachlichen Resten 
und Ueberlieferungen der Alten entnehmen lÄsst. 

Was zuvörderst den Namen Vindelici betrifft, so springt sein Stamm- 
wort vind gleich ins Auge. Demselben begegnen wir in vielen aner- 
kannt keltischen Wörtern wieder, wie in Vindohona (Agathem. 2, 4. 
It. Ant. p. 266.), Vindomagus (Tacit. hist. 4, 61.), Vindonissa (Tac. 
ann. 4,60. It. Ant. p. 238.), Vindalum (Strab. 4, p. 183.), Vindomora 
(It. Ant. p. 464.). Mit Unrecht bringt man daher den keltischen Volks- 
namen mit den deutschen Vindeli oder Fa;^ffa&' ja sogar mit den Venediy 
wie bei den Deutscheu die Slowenen hiess^n, zusammen, wie kürzlich 
Becker (Drusus und die Vindeliker, im Philologus, 5. Jahrg. S. 1 19ff.^ 
gethan hat. Aehnlich verhält es sich mit Rätien. Lässt sich gleich der 
Name ^PairoL entweder gar nicht, oder doch nur mit grossem Zwange 
auf eine keltische Wurzel zurückführen und ist er auch unter den so- 
weit verbreiteten Kelten einzig und allein im Rücken der Alpen zu 
finden , so lässt sich doch mit Sicherheit von den Eigennamen die sich 
vorfinden, auf keltische Bewohner zurückschliessen. Ueberzeugend be- 
treff beider Länder Bevölkerung, ist namentlich folgende merkwürdige 
Erscheinung: Eine Vergleichung alter Fluss- und Stammnamen zeigt, 
dass letztere auch in Gallien üblich waren; die Uebereinstimmung der- 
selben, deren germanischer Ursprung sich nicht erweissen lässt, gewinnt 
nur durch die Annahme keltischer Wanderungen eine befriedigende 
Erklärung. So war im lugdunensischen Gallien die Isara (Lucan. 1, 399. 
Strab. 4, p. 185. Ptol. 2, 10, 6.); ihr entsprechend in Vindelikien der 
harus (Strab. 4, p. 207.) und Aet Isarctis in Rätien (PedoAlbin. consol. 
ad Liv. 386.); die Glana im Ardennenwald (Pardessus, diplom. ad res 
Gallo — Francic. spect. Nr. 359.) und in Vindelikien (Freisinger Tra- 
ditions cod. ). Echt keltisch sind ausserdem viele andere Flussnamen ; wir 
heben hervor : Virdo (die Wertach). Bekannt sind die Worte des Venantius 
Fortunatus : Pergis ad Augtcstam, quam Virdo et Licca ßuentant. Vit. 
st. Mart. 4, 642. vgl. Paul. Diac. Longob. 2, 13. — Der Name kommt 
wieder vor in den Eigennamen Virdomarus (Caes. 7, 38. 40. 5^. 
Propert. 4, 9, 4. Orelli inscr. Nr. 3582.), Viridovix (Caes. 3, 17. 7, 
63.); Labara (die Laber; genannt in bayrischen Urkunden, und dazu 
die Eigennamen Laharus (Silius Ital. 4, 232.) und Laburus (Orelli 
Nr. 2017.). Endlich Städtenamen auf c?w«t/m ; Cambodunum (StiBh, 4, 
p. 208.), Parrodunum (Notit. imp. 133.), Carrodunum bei Ptol. Vena- 
xomodunum (Not. imp. 1. c). 

Da aber die Alpenländer sowohl in ethnographischer , wie geogra- 



§. 19. Die Ilaeter und Vindeliker. 57 

phischer Beziehung den Römern erst spät genauer bekannt wurden, 
kann es nicht befremden , dass noch Strabon sämmtliche Bewohner der- 
selben für lUyrier hielt (vgl. Strab. 7, p. 313.). Welche verwirrte Vor- 
stellung er sich von diesen Strichen gebildet hatte, beweisen klar fol- 
gende Stellen, wo er den See bei den Bojern (lacus Telso) für identisch 
hält mit dem See bei den Helvetiern und die Bojer um den Pelsosee zu- 
sammenstellt mit den Vindelikern um den Bodensee : ^E^g di tcc JiQog 
Hw fieQT] tujv 6q(üv Ttai ra eniaTQeq)0VT(x Ttqdg Notov ^Pairot xal Oviv- 
deXixol xaTex^voi avvccTixovTeg^ElovrjTtioig xai Boiots» iTrUeivrac yäg 
Tolg ixsivcüv nedioig. 4, p. 206. — IlQoginTOVTai di T^g llfjtvrjg in 
oklyov fxiv Ol *^PatToi, t6 de nkeov ^Ekovi^moi Tial OvLvdektY.oi 'Kaifj 
Boiaiv igrif^la f.ie%QL Ilavvovlcov. 7, p. 292. v 

So müssen wir denn Strabons Autorität für diese Alpengegenden# 
als unmassgeblich zurückweisen ; bei den späteren Geschichtsschreibern 
finden wir nur zwei Aeusserungen über den nationalen Charakter der 
Eaeter und Vindeliker , und zwar bei Zosimos , der um die Mitte des 
fünften, und bei Prokopios, der um die Mitte des sechsten Jahrhunderts 
schrieb. Zwar macht sich Zosimos in historischer Beziehung mancher 
Irrthümer schuldig und seine ethnographischen Angaben stehen häufig 
mit einander in innerem Widerspruch ; dennoch dürfen wir letztere na- 
mentlich wo sie die Alpenländer betreffen , um so eher als wahr ent- 
gegennehmen , als sich seit Strabon die Vorstellungen der Römer über 
diese Länder durch den bleibenden Besitz bald berichtigt hatten. Aus- 
dmcklich nennt Zosimos die Truppen der Raeter und Vindeliker kel- 
tische Legionen: ^'Eti ye NcDQiTiolg Tcal ^Paitolg, Stieq iavt Kskzixa 
idyiiaTa. 1, 52. Anderseits äussert Prokopios von den Gegenden an 
der Donau , die längst ihre Besitzer gewechselt hatten und deutschen 
Stämmen angehörten, der Ister enspringe i^ oqswv xtjv iv Kekzoigy oi 
TCc vvv FakkoL iTtixakovvTai, De aedif. Justin. 4, 5. So lange erhielt 
sich also die Erinnerung an die einstige, untergegangene Bevölkerung 
des Landes. Dass Zosimos die Vindeliker schweigend übergeht, kann 
nicht auffallen , da sie unter der römischen Herrschaft zu einer Provinz 
Raetia gezogen wurden , die Ptolemaios auf der Seite der Vindeliker 
durch die Donau und den Inn abgränzt. Im Uebrigen haben weder die 
Raeter noch die Vindeliker eine erhebliche Stelle im keltischen und 
italischen Verbände eingenommen. 

Ist im Allgemeinen hiemit die keltische Abkunft der genannten 
Stämme sicher, so bedarf dieses jedoch einer bedeutenden Beschränkung 
bei den Raeten. Raetien ist nämlich die ursprüngliche Heimath des 
merkwürdigen etruskischen Volkes, wie Niebuhr (Rom. Gesch. 4. Aufl. 
S. 120 ff.) darzuthun gesucht hat. Wohl haben Plinius und Justin 



58 VI. Die Alpen- und Donaukelten. 

umgekehrt die ßaeter für Abkömmlinge jener Etrusker, welche durch 
die einbrechenden Gallier aus dem Polande vertrieben wurden, hinge- 
stellt und ihr Schicksal nach der späteren Geschichtsschreibern eigen- 
thümlichen Sucht an einen Anführer Raetus geknüpft , der erst umge- 
kehrt aus dem schon ^vorhandenen bestehenden Namen desLandes heraus- 
gedeutet wurde (Plin. 3, 20. Justin, 20, 5. vgl. Liv. 5, 38.). Dagegen 
hat Niebuhr mit siegender Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass jene Ra- 
sener, welche nach Verschmelzung mit den pelasgischen Tyrrhenern die 
zu ihrer Zeit mächtigste und gebildetste Nation Italiens geworden, von 
den Alpen in die Halbinsel hinuntergestiegen seien. Dieser Ansiclit ist 
auchC. O. Müller beigetreten (Etrusker 1, 163). Auch er nahm An- 
stoss an jenen Berichten über den Eroberungszug eines flüchtigen und 
•bedrängten Volkes und schloss sich Niebuhrs Meinung an , in der Art, 
dass er die Rasener von Rätien aus bis zu den Apenninen wohnend 
denkt, von wo sie alsdann gegen die Umbrer vordringend und mit tar- 
quinischen Tyrrhenern vereint das tuskische Volk zu bilden anfangen. 
Am Weitesten ist in dieser Hinsicht Ludwig Steub gegangen in seiner 
Schrift: »Ueber die Urbewohner ßätiens und ihren Zusammenhang mit 
den Etruskern. München 1843. 8.«, worin er meist aus sprachlichen 
Ueberresten zu zeigen sucht, dass vom Adulas bis an die Pinzgauer 
Tauern und in die Gegend von Salzburg und vom Karwendeibis an den 
Gardasee ein und dasselbe Volk sesshaft war und dass dieses Volk eine 
und dieselbe Sprache mit den Etruskern redete, endlich dass in Kätien 
sich niemals keltische Stämme niedergelassen haben. Wir können na- 
türlich diese schroflTe Behauptung nicht theilen ; gewiss haben Kelten in 
Rätien gewohnt und die nördlichen Landstriche besessen , die lange ihr 
Gepräge getragen haben, während die Etrusker sich nach dem Süden zu- 
sammendrängten. Auf welche Grenzen aber genau die nichtkeltische 
Bevölkerung der Südalpen sich beschränkte, ist bei den dürftigen Nach- 
richten der Alten hierüber nicht zu ermitteln , wahrscheinlich auf das 
Gebiet der euganeischen Völker. 

Die Hauptstämme sind nun folgende: Beginnen wir mit dem 
Westen, so sassen am östlichen Gestade des Bodensees, der von seinen 
Anwohnern seinen bekannten Namen erhielt, die Brixanten, mit ihrem 
Hauptort Brigantium, dem heutigen Bregenz. Strab. 4, p. 206. Ptol. 2, 
12, 5. 8, 7, 3. Im Norden folgen die Runikaten Ptol. 2, 13, 1. , weiter 
nach Süden hinab die Leunen und Consuanten, ganz im Süden die Ben- 
launen und Brennen im nördlichen Tyrol am Brenner; endlich die Li- 
katier am Licus, welche sich besonders durch ungebändigte Wildheit 
hervorthaten ; Strabon nennt ausserdem noch die Esttonen (Cambodu- 
num) , Klautinatier und Vennonen , letztere setzt Ptolemaios richtiger 



§. 19. Die Raeter und Vindeliker. 59 

nach Rätien. Ptol. 2, 12, 3. Die Cennen bei Flor. 4, 12 neben den 
Vindelikern sind wahrscheinlich eine deutsche Völkerschaft, als welche 
sie auch von Cassius Dion nach seinem bekannten Sprachgebrauchc 
{KeXziiibv €&vog) bezeichnet werden. Cass. Dion excerpt. p. 876. Das 
schätzbarste Denkmal über die Alpenvölker , welches zugleich vollstän- 
dige und wegen seines offiziellen Charakters glaubwürdige Nachrichten 
überliefert, ist die Inschrift des zu Ehren Augustus'- errichteten Sieges- 
zeichens, wekhe uns Plinius aufbewahrt hat (Plin. 3, 20.'). Ueber Vin- 
delikien heisst es darin also : Vindelicorum gentes quaUuor : Consuane- 
tes (bei Strabon 1. c. Kotovccvziol , bei Ptol. KovaovdvTac) , JRucinates 
(bei Strab. ^PovxdvTioi, bei Ptol. ^Povvixdrai), Licates {AlvAtioi) , Ca- 
tenates. Letztere identificirt Zeuss mit Strabons KkavtivdttoCy wahr- 
scheinlich waren aber beide verschiedene Stämme, indem die Vindeliker 
sich auch über den Lech bis zu den AUgäuer Alpen ausgebreitet hatten. 
Was Rätien betrifft, so sassen in der Richtung von Westen nach Osten 
zuerst die Lepontier, Strab. 4, p. 204. 206., unweit des Adulas; von 
Ptolemaios unrichtig in die kottischen Alpen versetzt, weil Caesar (4, 10) 
und Plinius, der Eine sie in der Nähe der Quellen des Rheines, der 
Andere unweit der Quellen des Rhodanus kennt; ihre Hauptstadt war 
Oscella. Südöstlich am Verbanus lacus folgen die Mesiaien, nur auf 
der Peutingerischen Tafel bekannt. Nordöstlich von ihnen sassen die 
Vennonen Ptol. 2, 12, 3. Ihr Name scheint ein coUectiver zu sein und 
die Vennosten und Vennoneten des Plinius mit zu umfassen (Vintsch- 
gau?). Kleinere Stämme bezeichnen die Namen der Saruneten , Foku- 
naien^ Isarker (Eisach) und Brixanten ; ganz im Osten an den Grenzen 
der Noiiker sassen die Brennen, Mndi Genaunen, Unbekannter sind die 
Namen Aei Feletriner waA Berunenser im Thale des Plavis. Plin. 3, 19. 
Im Südosten waren endlich die nicht keltischen Stoener und Euganeer, 
letztere ein nicht unbedeutendes Volk um den Gardasee wohnend und 
sich ausdehnend bis Patavium und Verona. Plin. 1. c. 3, 20. Liv. 1,1. 
Martial 4, 24. Zu ihnen gehören ebenfalls die Camuner und Triumpi- 
linery Plin. 1. c. Strab. 4, p. 206. Diese euganeischen Völkerschaften 
stehen den Kelten fern und repräsentiren im Gebirge das alte tuskische 
Blut; ihre Sprache erkannte noch Livius als ähnlich der in Etrurien 
gesprochenen, wenn auch als rauher, da der abgeschlossene Norden 
schon sehr früh seine Verbindung mit dem Mittelpunkt der etruski- 
schen Bildung abzubrechen genöthigt wurde. Endlich die Stoener 
waren aller Wahrscheinlichkeit nach Ligyer, eine Annahme, die durch 
ein Fragment der Triumphalfasten : De Stoeneis Ligurihus Bestätigung 
erhält, womit zu vergleichen , dass eine Stadt Borra , die nach Plinius 
a. a. O. im Gebiet der Orobier lag, in der etwas veränderten Form 



60 VI. Die Alpen- und Donaukelten. 

Tlv^^a mit dem bemerkenswerthen Zusätze xvijirj ^lyvOTixrj von Ste- 
phanos genannt wird. ^ 

§. 20. 
Die Noriker (Taurisker). 

A tergo Carnorum et lapydum , qua se fert magnus Ister , Raetis 

junguntur Norici sagt Plinius 3, 24. Die Bewohner der östlichen Alpen 

fasste man unter dem Namen Noriker zusammen , was mit der älteren 

Benennung Taurisker gleichbedeutend ist , wie dies aus Plinius folgt : 

Juxta Carnos quondam Taurisci appellati nunc Norici, Plin. 3, 20. 

Zuerst werden sie erwähnt von Polybios, ihre Haufen kämpften 
mit den italischen Bojen gegen die Römer (Polyb. 2, 28. 30.), dess- 
halb wandten sich auch diese später, als sie aus Italien vertrieben waren, 
zu jenen, wie wir bereits oben bemerkten. An einer andern von Strabon 
aufbewahrten Stelle kommt auch der Name Noriker schon bei ihm vor, 
Gold habe man gefunden , sagt er, in der Gegend von Aquileja bei den 
norischen Tauriskern {ev zois TavQiaxoig xolg NtoQiytoTg). Strab. 4, 
p. 208. Hiebei ist zu bemerken, dass wenn auch hier beide Namen 
nebeneinanderstehen, und Strabon die Taurisker sogar zu einem Theile 
der Noriker macht (taiv de NwQiTiwv elüi Tial ol TavQloxot Strab. 4, 
p. 206.) jede Benennung ihre besondere Tragweite hat; der eigentliche 
Name des Volkes war Taurisker, wie dies aus der angeführten Stelle 
des Plinius deutlich hervorgeht, anderseits führt Ptolemaios in der rö- 
mischen Provinz Norikum keine Taurisker sondern Noriker als Einzel- 
volk in den östlichen Theilen derselben auf. Aeltere Nachrichten über 
die ostnorischen Landstriche , in denen Strabon das Volk noch mit dem 
Namen Taurisker bezeichnet fand, veranlassten ihn, Noriker als den 
Gesammtnamen des Volkes, Taurisker^ als eine Abtheilung zu nehmen. 

Die Grenzen Norikums sind im Westen Rätien und Vindelikien, 
der Aenus nach Ptolemaios, im Norden die Donau, welche es von Gross- 
germanien schied ; im Osten Pannonien gegen welches Celeja und Peto- 
vio die äussersten Städte gewesen zu sein scheinen (Plin. 3, 25. Itin. 
Hierosol. p. 561. ed. Wesseling), endlich im Süden Pannonien und 
Italien , wovon es durch den Savus , die carnischen Alpen und das 
Okrageb. getrennt wurde. Ueber dem Savus kennt nur Strabon Pam- 
portos (Nauportos) als Ort der Taurisker. Strab. 7, p. 314. 

Ptolemaios ist der Einzige , welcher die norischen Völkerschaften 



1 Taurisker ist gleich Hochländer , Bergbewohner , hergenommen von den Ost- 
alpen, die noch jetzt theilweise den Namen Tau er n führen. 



§, 20. Die Noriker (Taurisker). 61 

genauer kennt; er spricht im Ganzen von. fünf Stämmen, während das 
Siegesdenkmal des Augustus nur eines Erwähnung thut : KaTtxovai öe 
T« f.i€p dvai-iiy.wTBQa xrjg i/taQxtag an aQUTtov äqxof.iivoig SEOvaxeg xal 
lAXavvoi xalu^/ißiaovT8s,Tä de dvatcoXixwTSQa NmqikoI -^ai/if.ißidQovoi 
xal IdfißiXixoL Ptol. 2, 14, 2. Im Nordwesten sassen die Sevaken 
und zwar in dem Winkel, dessen Schenkel von der Donau und dem 
Inn gebildet werden. Etwas südlicher waren die Alaunen sesshaft, im 
Salzburgischen, in derselben Gegend, wo auch die im -Siegesdenkmal 
angeführten Amhisonten wohnten. Ambisonten ist soviel wie Bewohner 
der Ison taufer und da die Isonta derselbe Fluss ist mit der Salzach {Op- 
pidum Salzhur ch supraßwcium Igonta * , qui alio nomine Salzaha voca- 
tur. Ind. Arnonis Juvavi p. 19.), so hat Zeuss Recht, wenn er beide 
Namen nur für verschiedene Benennuneen desselben Volkes hält, wel- 
ches Alaunen nach den salzreichen Gegenden , die es bewohnte, und 
Ambisonten nach dem Flusse, an dem es seine Sitze hatte, geheissen 
habe (Die Deutschen etc. S. 242.). Die Ambidraven sassen, wie ihr 
Name sagt, am oberen Lauf der Drave. Gane im Südwesten wohnten 
die Ambiliken, in dem Thale der Gail. Der Name des Volkes Idf^ßi — 
Xt^xol mit AliKiag (Lech) verglichen, zeigt die alte keltische Benennung 
des Flusses. Endlich im Osten werden von Ptolemäios Noriker ange- . 
führt um ihren Hauptort Noreja. Eine kurze Zeit scheinen sich im 
Nordwesten die aus Bojohemum vertriebenen Bojer nach einem vergeb- 
lichen Angriffe auf Noreja aufgehalten zu haben ; einen Wink für ihr 
dortiges Wohnen gibt noch der Name Bojodurum, ein vermuthlich von 
Bojen gegründetes Kastell an der Mündung des Aenus in die Donau. 
Eugipp. vit. st*. Severini. c. 19. 22. 

Auch die Taurisker sind keltischer Abkunft, wie nicht nur die 
Namen ihrer Städte, sondern auch die ausdrücklichen Worte. Strabons 
beweisen: En enl TevQiotäg xal Tavqiaxovg xal Tovtovg FaXaTag. 
7, p. 293. xal rä KekTixa (ßd:vrD oire Boiol xal2xoQdiaxot xal TavQioxoi, 
7, p. 296, Zu bemerken ist endlich, dass jedoch die Taurisker fremden 
Einflüssen nicht unzugänglich blieben ; namentlich ligustische Elemente 
haben sie in sich aufgenommen. Schon in der unstäten schwer zu fes- 
selnden Mythe tritt, wenn wir das über den herakleischen Zug nach 
den Rindern des Geryon Ueberlieferte combiniren, ein König Galliens 
Tauriskus auf, der nebst Ligys dem fahrenden Helden Hindernisse in 
den Weg legt (Ammian. 15, 9, Is. Tzetzes ad Lycophr. 1312.). Deut- 
licher als diese Sagen , die als Nachklänge alter historischer wenn auch 
an Zeit und Ort schwankender oder verwechselter Begebenheiten immer- 



1 Igonta s. v. a. Isonta, 



62 VII. Die illyrischen Kelten (Skordisker). 

hin einige Achtung beanspruchen dürfen , spricht sich Strabon a. a. O. 
aus: TavQiaxovg di ^lyvQionovg xai TavQiatag g)aaL Wie weit sich 
das ligustische Element Geltung verschaffte, ist nicht zu ermitteln _, je- 
denfalls aber hat es keine überwiegende Bedeutung gewonnen. Gänz- 
lich zu scheiden von den Tauriskern sind jedoch die Tauriner, wie dieses 
aus Plinius' ausdrücklichem Zeugnisse erhellt: Augusta Taurinorutn 
antiqua Ligurum stirpe. Plin. 3, 5. 

Wir stehen nunmehr an dem letzten Keltenstamm, dem illyrischen. 



Gapitel VIL 

Die illyrisclieti Kelten (Skorilisker). 



§. 21. 
Die Zeit ihrer Einwanderung. 

Skordisker (Scordisci) nannte sich der mächtige Keltenstamm , der 
sich in lUyrien und Pannonien ausbreitete und bald so bedeutend wurde, 
dass einzelne Abtheilungen bis weit hinauf nach Thrakien sassen. Ihr 
Name ist offenbar entlehnt vom Skordusgebirge ; dem Suffix — isci be- 
gegneten wir bereits in den Formen Taurisker, Vivisker u. s. w., daher 
springt die Bedeutung Skordusan wohner leicht in die Augen. Die Al- 
ten, reich an unglücklichen Erklärungsversuchen, leiteten den Namen 
von axoQÖog ab und deuteten ihn durch » Knoblauchesser « (Hesych. s. v. 
iayiOQdia^iivoi), 

Die Skordisker waren nicht die Urbewohner lUyriens , sondern 
blosse Einwanderer und gehörten dem sogenannten Sigovesuszuge an. 
Wir besitzen über sie das wichtige Zeugniss von Trogus Pom pejus, das 
uns um so mehr zum Vertrauen auffordert , als derselbe von Gebui't ein 
Gallier oder Ligyer aus dem transalpinischen Gallien war. Folgendes hat 
uns Justin aufbewahrt : Galli . . . trecenta millia hominum ad novas 
aedes quaerendas misere. Ex hisportio in Italia consedit, quae et urhem 
Romcvtn rncendit et portio Illyricos sinus ducibus avibus . . . per s träges 
barbarorum penetravit et in Pannonia consedit; gens aspera . . . , quae 
Alpium invictajuga etfrigore intractabilia loca transcendit; ibidomiiis 
Pannoniis per multos annos cum ßnitimis varia bella gessei^unt. 24, 4. 
Ohne hier an die Vermischung verschiedener Begebenheiten Anstoss zu 
nehmen, bleiben wir bei dem Theile des Zeugnisses stehen, der sich 



$.21. Die 2eit ihrer Einwanderung. 63 

a) auf die Zeit, b) auf die Besetzung der illyrischen und pannonischen 
Länder, auf die Unterwerfung und Vernichtung der dortigen Völker 
Schäften und auf die langwierigen Kämpfe mit den benachbarten Stäm- 
men bezieht. 

Justin bezeichnet ausdrücklich den Einzug der keltischen Völker 
als gleichzeitig mit der Einnahme Boms, eine Angabe, die auch von an- 
derer Seite ihre Bestätigung findet. Herodot kennt in diesen Ländern 
noch keine Kelten , sondern nur Triballer um die Morawa , nomadische 
Sigynnen im Norden des Istros und Heneter am Busen des adriatischen 
Meeres; das erste Zeichen ihrer Anwesenheit gaben sie erst 80 Jahre 
später durch die Verdrängung der Triballer, ein Ereigniss, das zuerst 
Niebuhr und nach ihm Duncker auf die Kelten bezogen haben. Die 
Triballer aber sassen von den Thrakern am Westlichsten, Herodot kennt 
sie am Brongos oder der Morawa (Herod. 4, 40.) und zur Zeit des pelo- 
ponnesischen Krieges sassen sie noch am Oeskos (Thucyd. 2, .96.). Im 
Jahre 376 machte diese Völkerschaft einen verheerenden Einfall in das 
benachbarte Thrakien (Diod. 15, 36.), indem sie angeblich von Hunger 
gedrückt mit Weib und Kind die enge Heimath verliess und den Ab- 
deriten durch Plünderungen lästig fiel. 

Wohin sie sich wandten , als ein athenisches Hülfsheer unter Cha- 
brias erschien und sie aufs Haupt schlug, ist nicht zu ermitteln, liegt 
auch ausserhalb unserer Aufgabe. Da aber der innere Zusammenhang 
der Keltenbewegungen dem Diodor wenig oder gar nicht bekannt war 
und auch einer Hungersnoth wegen schwerlich ein ganzes Volk die 
Heimath verlässt, zerfallt das Motiv dieser Wanderung leicht und macht 
uns einen Anstoss Seitens der Skordisker äusserst wahrscheinlich. Zur 
Zeit Alexanders des Grossen hatten sie sich schon bedeutend ausgedehnt 
und bereits die Landstriche zwischen dem Skordus , der Donau , dem 
Savus und fast der nördlichen Spitze des adriatischen Meeres sich unter- 
than gemacht, wie dies klar aus der an Alexander abgeordneten Gesand- 
schaft hervorgeht, als dieser zur Züchtigung der streitbaren Völkerschaf- 
ten lUyriens seine Heerfahrt nach der Donau unternahm. Hier kam, 
wie Arrianos und Strabon erzählen , eine keltische Gesandschaft zu ihm 
ins Lager ; er empfing sie freundlich und herablassend , zog sie an seine 
Tafel , schloss mit ihnen ein Bündniss und fragte sie beim Abschiede, 
als er sie geblendet von der ihn umgebenden Pracht, erschreckt von der 
Grösse seines Namens gilbte, was ihnen die grösste Furcht einflösse. 
Buhig und naiv gaben sie dem Erstaunten die Antwort : » Wir fürch- 
ten nur den Einsturz des Himmels, schätzen aber die Freundschaft 
eines Mannes wie du bist, über Alles ! « Diese Gesandschaft war gekom- 
men Seitens tcJv Kelzaiv xwv int Tfp ^Iovi<^ hoIttm (^Kiaf.uv(ov (Arrian. 



64 VII. Die illyrischen Kelten (Skordisker) . 

1, 4.) oder nach Strabon 7, p. 301. zdv KeXtiov xwv 7iBqi %6v^l6viov 
noknov. Hiermit können keine andern Kelten gemeint sein , als die il- 
lyiischen und pannonischen. Wie konnten aber Gallier Gesandte an 
Alexander schicken, der sich nur wenige Tage in «seinem Donaulager 
aufhielt , wenn sie nicht schon im Besitz der benachbarten Gegenden 
waren? Denn wären sie viele Tagemärsche von ihm entfernt gewesen, 
so konnte es wenig in ihrem Interesse liegen, mit dem wenn auch mäch- 
tigen Könige ein Bündniss einzugehen. Noch deutlicher tritt das Ge- 
sagte hervor durch die Eroberungsversuche nach Alexanders Tode; als 
mit ihm die Herrscherkraft schwand^ welche die Länder des ungeheuren 
Reiches in ihrer Einheit bewahrt hatte, scheinen die Skordisker den ge» 
schlossenen Vertrag für gelöst gehalten zu haben ; durch die langen bluti- 
gen Thron Streitigkeiten der Diadochen ermuntert fielen sie in Thrakien 
ein, wo uns ausdrücklich Kassandros genannt wird, der sich ihren Raub- 
zügen mij; Erfolg entgegen warf; 298 v; Chr. Fuit aliquando , sagt Se- 
neka nach Theophrast , aquarum inops Haenius , sed quum Gallorum 
gens a Cassandro obsessa in illum se contulisset et Silvas caecidisset, 
ingens aquarum copia apparuit (Nat. quaest. 3, 11.); eine Angabe, die 
Plinius bestätigt : Nascuntur fotiies decisis plerumque silvis , quos ar- 
borum alimenta consumebant , sicut in Haemo obsidente Gallos Cas- 
sandrOf quum' valli gratia Silvas caecidisset. Plin. 31,4. In der Nach- 
richt des Plinius ist besonders der Umstand hervorzuheben, dass Wäl- 
der niedergehauen wurden zu militärischen Zwecken, um Siedelungen 
durch Verschanzungen zu decken. So dürfen wir denn mit Sicherheit 
die chronologische Angabe Justins für richtig erklären und nur bei 
einem Schriftsteller finden wir eine bedeutende Abweichung von der- 
selben. Athenaios gedenkt der Wanderung der Kelten nach Illyrien zu 
spät und hält die einziehenden Stämme für einen Rest versprengter und 
aus Griechenland vertriebener Gallier vom Zuge gegen Delphi ; Taiv 
di rakazwv oi KogSiazal xalovfxevoi x^vaov fiiv ovx elgdyovai €ig zrjv 
avtdßv %vjQav IrjiXofusvoi Ö€ aXXotqiav aal dörAOvvveg ov naqaXei- 
Ttovav, Tb 5s s&vög avzüv eaz\ fi€v leiipavov zaiv {.lezd Bqivvov azqa- 
T£vaaf4€viüv ini zo JeXq>tyibv fxavzelov Falazaiv. Ba&avazicg zig ^ye- 
(latv avzovg dioixiaev int zovg neqX zdv ^'lazqov zoTCOvg, ä<p^ rjg i^at 
zfjv odovy dt rjg evoaztjaav^ Ba-d-avaziav Tcakovaiv x. z. L Athen. 6, 
p. 234. Die Zeitbestimmung ist jedoch gänzlich falsch, indem einer- 
seits, abgesehen von dem Früheren, der delphische Tempel zu jener Zeit 
nicht geplündert wurde , anderseits auch , indem schwerlich ein flüch- 
tiger, entmuthigter Trupp, hartnäckig verfolgt von der Rache eines 
schwer beleidigten Volkes in einem fremden- Lande sich niederlassen 
und in kurzer Zeit zu so gewaltiger Macht emporblühen konnte. 



läiUfr der Skordisker. 6& 

§• 22. 
Ihre Sitze. 

Forschen wir genauer nach den Gegenden^ welche die Skordisker 
erobert und in Besitz genommen haben^ so ist im Allgemeinen zu sagen, 
dass sie nur am rechten Donauufer sich ausgebreitet, niemals auf dem 
linken^ welches die Geten und Daken und andere slavische Stämme be- 
wohnten. Florus ist der einzige Schriftsteller, der Kelten unter ihnen 
sesshaft erwähnt. Flor. 3, 4. Ursprünglich wohnten die illyrischen 
Kelten in grosse und kleine Skordisker getheilt nach Stmb. 7,p. 314 
zwischen dem Noaros (der Sawe?) und dem Margos (der Morawa in der 
slavischen Umformung). Von da dehnten sie sich nach Süden aus und 
verdrängten 6ogar die Gebirgsvölker , wie aus den angezogenen Stellen 
von Seneca und Plinius folgt. So bezeichnet denn Strabon ihre Lage 
richtig folgendermassen : (oi JxoQÖiaxoi) voig ^IlXvQmolg b&vboi ytat 
voig Ogtjexioig ^ycrjaav dva/nt^. Sti*ab. 7, p. 313. ava/4€fuyfi€yoi roiig xe 
GQijf^l aal toig ^IkXvQtoig. 7, p. 304. Als aber im Laufe der Zeit der Erd- 
kreid der Herrschaft der Römer erlag, und politisch neu organisirt 
wurde, erweiterte und verengte sich in Folge der Eintheilung des 
Kelches in Provinzen der Umfang der Namen Thraker und lUyrier und 
so finden wir auch die Skordisker irrthümlich, vielleicht auch durch 
spätere Völkermischungen und Berührungen bald Thraker, bald Ulyrier 
genannt. Vgl. Flor. 1. c. Appian. Ulyr. 3. Ammian. 27, 4. Wie ge- 
waltig das Umsichgreifen der Kelten in lUyrien und Pannonien war, 
wie zerstörend sie auf die Verhältnisse der dortigen Völker gewirkt 
haben , lässt sich nicht nur aus ihrem kriegerischen und beutegierigen 
Wesen schliessen, sondern auch aus dem klaren und unverdächtigen 
Zeugnisse Justins entnehmen, nach welchem sie bis zum illyrischen Bu- 
sen vordrangen, init den dortigen Barbaren sich schlugen und nach der 
Niederwerfung der Pannönier mit den umliegenden Völkern in steten 
Fehden lagen. Seit dieser Zeit sah man zu Athen und im übrigen 
Griechenland wie zu Born eine ungeheure Menge Sklaven getischer und 
illyrischer Abkunft; erst in der neueren Komödie, niemals in der alten 
und mittleren sehen wir Sklaven auftreten, die den Namen Geta, Da- 
vus (so viel als Dacus) u. s. w. führen. Zuerst mussten die Autariaten 
weichen; zwischen ihnen und den Fremden brach ein bedeutender Krieg 
aus, dessen Polyainos, Strabon und Diodor Erwähnung thun (Folyaen. 
7, 42. Strab. 7, p. 318. Diod. 20, 19.). Die Autariaten waren vordem 
ein mächtiges Volk, kriegerisch und in steten Kämpfen mit den Nach- 
baren. Naph ihrer Bezwingung durch die Skordisker verliessen sie ihre 

C o n t z e n , Wanderungen der Kelten. Vi 



66 VII. Die illyrischen Kelten (Skordisker). 

Heimath und wandten sich nach Päonien , wo sie dem Könige Autoleon 
grosse Gefahren bereiteten. Auch diesen Zug motivirt Diodor etwas 
mährchenhaft durch eine übergrosse Masse von Fröschen, von denen 
ihr Land überfluthet sei (vgl. Aelian. h. a. 17, 41.) und legt so wieder 
ein Zeugniss ab von seiner Unkenntniss über den inneren Zusammen- 
hang alter Wanderungen. Kassandros riss den Autoleon aus seiner 
Noth , indem er zugleich aus Vorsorge für seine eigenen Besitzungen 
mit den Flüchtigen, deren Menge, Weib und Kind mitgerechnet, sich auf 
die nicht unbedeutende Anzahl von 20000 Köpfen belief, einen Vertrag 
abschloss und ihnen in der Gegend des Berges Orbelos Sitze anwies, 
jenseits des Strymon, zwischen diesem und dem Nestos und nördlich 
vom Frasiassee. Diodors Bericht wird glaubhaft durch Uebereinstim- 
mung mit Justin, der dieses Ereigniss mit geringer Abweichung wieder- 
gibt. So wurden die Skordisker im heutigen Bosnien und Serbien die 
führende Nation, die weit und breit nach Moesien, Thrakien und Make- 
donien streifte und durch ihre gefürchteten Freibeutereien als die Geisel 
der umliegenden Lande sich betrachtet sah. Aehnliche Ueberlieferungen 
von schweren Kämpfen^ der Slaven mit den Kelten (Wlachen) in den 
Donauländern finden sich bei dem polnischen Geschichtsschreiber Kad- 
lubek (cf. Kadlubek I. ep. 2. ed. 1711. vgl. Boguchwal Chron. Polen, 
ap. Sommersberg, Script, rer. Siles. tom, 11. p. 19.). 

Wie ihre italischen Brüder erlagen sie zuletzt der überlegenen rö- 
mischen Macht trotz ihrer ungestümen Tapferkeit und ihres rauhen ge- 
birgigen Landes. Die südlichen an der makedonischen Grenze und am 
Abhänge des Skordus sesshaften Skordisker mussten zuerst ihren Nacken 
unter das römische Joch beugen, doch nicht ohne in blutigen Kämpfen 
den fremden Angriffen sich entgegengeworfen zu haben ; so wurde der 
Consul des Jahres B40 u. c. C. Porcius Cato in den Gebirgen von 
ihnen überfallen und sein Heer völlig niedergemacht, während er selbst 
mit Wenigen schimpflich entfloh. Liv. Ep. 63. Flor. 3, 4. Eutrop. 4, 
24. Bessern Erfolg hatten seine Nachfolger M. Dru^us und namentlich 
M. Minucius , der den mit wechselndem Glücke geführten Krieg be- 
endete und die Skordisker so nachdrücklich schlug, dass sie seitdem zur 
Unbedeutendheit herabsinken und an ihrer Stelle ein fremder Stamm, 
die Dardaner., emporkommen. Flor. 1. c. Sext. Ruf. 9. Liv. Ep. 65. 
Vellei. 2, 8. Länger hielten sich die an der jSawe vereinigten Skordis- 
ker. Schon Augustus dachte an ihre Unterwerfung, allein wichtigere 
Angelegenheiten schoben die Ausführung dieses Planes auf gunstigere 
Zeiten hinaus, bis Tiberius ihn wieder aufnahm und nach Bezwingung 
der tapferen Pannonier auch sie zur Anerkennung des römischen Im- 
periums bewog. Vellej. 2, 115. Suet. Tib. 16. Zonar. 10, 37. p. 541 C. 



§.23. Die Veneter. 67 

Sie verfielen nach dem Verluste ihrer Freiheit in Schlaffheit und ihr 
kriegerischer Sinn verliess sie. Treffend sagt Ammianus Marcellinus : 
Saevi quondam et truces , hostiis Bellonae litantea et Marti, humannm- 
que sanguinem in ossibus capitum cavis bibentes amdiiis: quorum as- 
peritate posi muliipKces pugnarum aerumnas saepe res Romana vexata 
postremo omnem amisit exerciiüm cum r£ctore. Ammiaii. 27, 4. Trotz 
ihrer Verluste erhielten sie sich noch an der Spitze Niederpannoniens an 
der Sawemündung (Ptol. 2, 16. App. 1. c), eine Nachricht, die durch 
die Volkstradition ihre Bestätigung findet. Denn der noch bei den Ser- 
ben übliche Name des Stari Wlah (Altgallien) ^ womit sie einen Zweig 
des Skordus und das' anliegende Land zwischen Ibar und Drina bezeich- 
nen (vgl. Karadzit' Srbski rjecnik s. h. v.) bezeugt, dass die IJeberreste 
der unterdrückten Kelten hierhin flohen und noch' 638 n. Chr. von den 
Serben angetroffen wui:den. — 



Capitel Vni. 

Die Veneter, 



§. 23. 



Mit wenigen Worten gedenken wir schliesslich noch eines ziem- 
lich räthselhaften Volkes , der italischen Veneter, Umgeben von den. 
Wohnsitzen der cisalpinischen Kelten und dem adriatischen Meere 
waren sie sehr früh in Italien eingewandert und seit uralten Zeiten im 
Besitze ihres kleinen Landes, ohne jemals von irgend einer der ein- 
brechenden Völkerwogen aus demselben verdrängt worden zu sein. 
Ueber ihren Einzug in diese Gegend haben sich jedoch nur Sagen er- 
halten, die man aber nicht von vorn herein als unbrauchbar, ausschliessen 
darf. Auch der Sage gebührt ihr Recht, sie muss nothwendig die Lücke 
ausfüllen , wo die Denkmäler von Stein und Pergament uns verlassen 
und ohne ihre Berücksichtigung ist kein abgeschlossenes Ganze zu er- 
zielen. Findet sie aber Anhaltspunkte in unverdächtigen Zeugnissen ge • 
achteter Schriftsteller, so wäre es um so mehr Unrecht, ihr allen Werth 
abzusprechen. 

Eine solche alte Sage nennt uns als Ursitze der adriatischen Ve- 
neter* Paphlagonien in Kleinasien. In die Geschichte treten sie ein durch 

1) Ihr Name wird von den Alten verschieden geschrieben , bei Herodot Ene- 
ter (lEvtroO, ebenso bei Jornandes, Paulus Diaconus, bei Strabon Heneter (EvtioC), 

5* 



68 VIII. DieVeneter. 

den trojanischen Ejieg^-an den sie unter ikrem Fürsten Pylaixnenes 
(Ilias 2, 851. 5, 576. 13, 643 ) Theil nahmen , wahrscheinlich durch 
innere Unruhen aus ihrem Lande vertrieben (Eustath. ad Dionys* Per. 
376. Liv. 1,1. Messala Corv. 10.). Nach Troja's Fall und dena Ver- 
luste ihres Führers zogen sie nach Thrakien herüber und liessen sich 
am adriatischen Meere nieder. Anderen Nachrichten zufolge waren sie 
in die kimmerischen Wirren hineingerathen und nach langen' Wan- 
derungen an den Adriabusen gelangt. »Aber das am Meisten Aner- 
kannte ist 9 sagt Strabon, dass sie der Faphlagonen beträchtliclister 
Stamm waren, zu dem auch Pylaimenes gehörte. Daher folgten ihm zum 
Heerzuge die meisten Eneter, gingen dann nach Troja's Fall nach Thra- 
kien herüber und kamen nach langer Irrfahrt in das jetzige Heneüke«. 
Strab. 12, p. 543. 

Zahlreiche Spuren weisen bestätigend nach Paphlagonien zurück. 
Zuvörderst blieb hier der Stock des Volkes zurück, das sich in der 
Folge aber Kappodoker nannte (Maiandrios bei Strab. 12, p. 552.) , ein 
politischer, von der Gegend übertragener Name , der jedoch den frühe- 
ren nicht aufhob. Denn noch zu der Zeit, als Alexander der Grosse 
erobernd Asien durchzog , gab es freie mit den Paphlagoniem verbun- 
dene Heneter und noch später haben sie sich dort nach Mela 1, 2, 5 er- 
halten. Mela's Aussage ist um so wichtiger, da er die paphlagonischen 
Heneter weder an die homerischen noch an die adriatischen anknüpft, 
sondern einö rein historische Thatsache gibt. Hieher gehört ferner eine 
Aeusserung von Com. Nepos (ed. Lugd. p. 418.), dass die Paphlagonier, 
welche von Henetos nach Italien übergingen , nachher Veneter genannt 
wurden. Ziemlich entscheidend endlich ist das Zeugniss des Vibius Se- 
quester, der in seinem Werke eines Volkes: Philyriden in Venetien 
Erwähnung thut. Philyrer aber waren ein Volk am schwarzen Meere in 
der Nachbarschaft der Chalyben (Dionys. Per. 766. Avien 964. Apoll. 



bei Plinius und Curtius Veneter und Heneter, beiLiviuSi Mela, Polybios Vene- 
ter (OviviToi) , ihr Land aber bei Livius, Ptolemaios, VellejuSi Florus u. A. Ve- 
netia (auf Inschriften Venetiae), Alle drei Namen sind aber nach ihrer VITurzel- 
Verwandschaft dieselben , wie dies auch von stimmberechtig^ten Forschem aner- 
kannt ist ; der Unterschied , der allein in den Anfangsbuchstsben liegt , lässt sich 
leicht durch das äolische Digamma erklären. Wo die älteren Griechen, ihr Di- 
gamma haben und die jüngeren ihren Spiritus aspe{ oder lenis, da gebrauchen die 
Lateiner, Slaven und andere indoeuropäischen Völker v oder tr. Vgl. griechisch 
kaniqa , lat. vespera , slav. loeÖer , gr. olvog , lat. vinum , slav. wfno, gr. clxos, lat. 
vuma, slav. wes, gr. tXStOy lat. video, slav. tvidjm, gr. €Xx<a , slav. ivlsku, Inder 
Mitte: gr. viog, lat. novua , slav. noujy , gr. ^joV, lat. ovum, vaig — nave» — nawy, 
öariQ — levir — dewer. kaiog — laevus — lewy. Vgl. Slowanak^ starositnoati 
sepsal Oawel Safafjk Oddjl d^jepisny (Praze 1S37.} I, 8. 



§. 23. Die Veneter. 69 

!Rhod. 2, 395. 1235.). Wenn sich nun solche Chalyben den ausMran- 
demden Henetem anschlössen'^ so unterstützen sich die von einander 
unabhängigen Ueberlieferungen vollständig. Der Heneterzug erklärt 
uns die Philyrer am adriatschen Meere und letztere an dieser Stelle be- 
stätigt ihn. 

Die Abkunft der Veneter war schon früh Gegenstand des Zweifels. 
Kelten waren sie nichts wie Polybios aus eigner Anschauung sprechend 
ausdrücklich versichert : Ter di nQog tov ^Adqlav tJötj TtQogrjuovza yevoq 
aklo ndw Ttalaiöv diaxaziaxs ' TtQogayoQevovrai de Oveverot toig iiiv 
e^saiv xat t(p "KOOfiifi ßQccxv diaq^e^ovreg Kekraiv, yXarvTf] d^akkoitf 
X^tiiABvoi. Polyb. 2, 17. Ebensowenig wie Kelten sind sie lUyrier, wie 
man aus einer Bemerkung Herodots hat schliessen wollen (Herod. 1, 
196.). Illyrien ist an der betreffenden Stelle in weitem Sinne genom- 
men und der geographische Name des Landes auch auf sie übertragen ; 
sie sind vielmehr Slaven. Zwar lässt sich dieses nur auf dem Wege 
der historischen Induction , nicht aber aus den alten Quellen erweisen, 
aber wo ist auch die leiseste Spur, dass irgend ein Schriftsteller des Al- 
terthums die Geschichte des europäischen Nordens in ihrer Gesammtheit 
umfasste und die Stamm- und Sprachverhältnisse der Völker klar durch- 
schaute? »Ist nicht«, sagt Paul Schafarik, in unserer Zeit wohl die 
grösste" Autorität auf dem Gebiete der slavischen Geschichte, »das ganze 
Gehäuf der an der Grenze des griechisch-römischen Reiches zusammen- 
gera£%en Nachrichten über das tausendjährige Treiben und Leben der 
Völker jenseits der Weichsel und Donau ein höchst mangelhaftes Stück- 
werk, das nicht einmal des kleinsten Nordvolkes innere Geschichte auf- 
zuschliessen vermag?« 

Desto klarer und ausdrucksvoller sprechen die Handelsverhältnisse 
der Veneter für ihre slowenische Abkunft. Die paphlagonischen Vene- 
ter mögen ein zurückgebliebenes Bruchstück des grossen Slowenenstam- 
mes gewesen sein , unerklärlich durch welche Völkerfluth an diese Ost- 
küste des Pontos geworfen. Als sie aber nach langer Irrfahrt sich in den 
Besitz der Gegenden am adriatischen Meere gesetzt hatten, knüpften sie 
auch bald Verbindungen mit ihren Brüdern in den hinterkarpathischen 
Ländern an und traten ihnen durch Handel näher, dessen vornehmster 
Gegenstand der Bernstein war. Aus Venetia holte man die schönsten 
und grössten Stücke desselben , der aber weit aus dem Norden von der 
preussischen Ostküste herkam. Die erste sichere Nachricht darüber gab 
der berühmte Massilier Pytheas, der auf Geheiss seiner Mitbürger auf 
einem besonderen Schiffe nach Samland hinfuhr, um glaubwürdige 
Kunde über jene entfernten Gegenden einzuziehen; aber leider sagt er 
uns über den weiten Weg des Bemsteinhandels gar nichts, der auf drei 



70 Vlll. Die Veneter. 

Strassen unterhalten wurde. Eine uralte Strasse zog sich durch die 
Ebenen des heutigen Polens über die Karpathen hin durch das Thal der 
Waag und durch Fannonien bis zum adriatischen Meer; auf diesem 
Handelsweg wurde schon vor Herodot der Bernstein von der baltischen 
Küste nach Italien gebracht; die Städte Calisia, Carrodunum, Celeman- 
tia und Carnuntum waren Hauptstationen; auf demselben gelangte 
jener römische Ritter, den der Kaiser Nero an die Bernsteinküste sandte 
von Carnuntum aus in das Weichselland und kehrte reichbeladen mit 
der edlen gesuchten Waare heim. Genau bekannt war diese Strasse erst 
kurz nach Christi Geburt geworden, denn bis dahin hatte sie noch kein 
Römer betreten ; man hatte bisher den Bernstein , unbekümmert, woher 
er komme und unbekannt mit den fernliegenden Gebieten, die er durch- 
wandern musste, aus den Barbarenhänden empfangen und durch diese 
Unbekanntschaft lange Zeit dem Glauben Nahrung gegeben , dass er in 
den Waldungen am Padus erzeugt werde (Solin. 33.). Eine zweite 
Handelsstrasse lief nach Westen. Dass die Ostsee schon in früher Zeit 
von den Bewohnern westlicher Küstenländer viel befahren wurde und 
dass zwischen den Anwohnern der Nordsee und der baltischen Gewäs- 
ser eine Handelsgemeinschaft bestand, kann nicht bestritten werden, 
man denke nur an die mächtigen Flotten der Suionen (Tacit. Germ. 44.), 
an die Seekunde und die Seegeschicklichkeit der Gothonen (Zosim. 1, 
42.), an den Felzhandel der Skandinavier nach Deutschland (Adam. 
Bremensis, de situ Daniae. c. 227.) Es ist daher keinem Zweifel unter- 
worfen, dass der Bernstein zu Schiff bis an die Mündung der Oder oder 
der Elbe gebracht wurde oder auch später blos nach Schleswig ging ; 
von dort gelangte er entweder auf Flüssen oder Landstrassen nach Mas- 
silia, wo die Fhoiniker ihn kauften oder wmrde dort von den armori- 
schen Venetern abgeholt, die ihn über den Bodensee ihren adriatischen 
Stammesgenossen zugehen Hessen. Endlich die dritte Strasse ging nach 
Osten, durch Skythien, wo der Bernstein sacrium hiess, zu den griechi- 
schen Colonien am schwarzen Meer. 

Als später die einbrechenden Kelten in stürmendem Andränge die 
friedlichen Donauslaven überflutheten , überwanden , unterdrückten, 
und zum Theil vertilgten , zum Theil verdrängten , mussle nothwendig 
bei den adriatischen Veneten auch der Bernsteinhandel eine Unter- 
brechung erleiden; aufgehört hat er indess nie, nur schwieriger im Be- 
triebe wurde er. 

Auf das Engste hängt mit dem Bernstein der Eridanos* zusam- 



1 DerEridanos, vielfach gedeutet, ist nach Bayers wahrscheinlicher Ansicht 
die Dana. Vgl. N&heres: Plin. 37, 2 ff . Tacit. Genn. 46. Ferner: Gm^tpimh 



•§. 23. Die Veneter. 71 

men. Eine uralte Ueberlieferung lehrte die Hellenen^ dass der Bern- 
stein von Norden aus dem Lande der Veneter komme ^ wo der Eridanos 
in das nördücfae Meer münde (Herod. 3, 115.). Diese Ss^e war sicher- 
lich keine Erfindung^ da sie durch die Sitze und den Namen der Vene- 
ter , die wir aus Zeugnissen als Urbewohner jener Gegenden kennen, 
vollkommen bestätigt wird, wurde aber schon früh durch die eifersüch- 
tige Handelspolitik unternehmender Kaufleute verheimlicht und ent- 
stellt. Dennoch suchte man die Wahrheit der Eridanossage durch Ue- 
bertragung derselben auf die adriatischen Veneter aufrecht zu erhalten, 
so schon Skylax: Meva diKeXTOvg ^EveToi elai ed^og aal novafiog 
^Hqiöavbg iv avroig, p. 6. ed. Huds. Die elektrischen Inseln am Aus- 
fluss des Eridanos, das Vaterland des Bernsteins, sollten am Fadus sein, 
ein Glaube , der besonders durch die Dichter trotz der Gegenversiche- 
rungen von Polybios, Strabon und Plinius Eingang und Verbreitung 
fand. Allein nach näherer Bekanntschaft mit dem Westen fand man 
weder im Fadus den Eridanos noch die elektrischen Inseln im. adria- 
tischen Meer; beide Punkte entzogen sich den Blicken in westliche und 
nördliche Ferne. Durch die Pyrenäen, durch Ligurien und Gallien 
folgte man der Spur, bis sie sich in die unbekannten Küsten der Nord- 
see und Grossgermaniens, ihrem Ziele nahe, verlor. Trotz der verwor- 
renen Ansichten der Alten ist es aber unzweifelhaft , dass Sage und Er- 
fahrung zu den baltischen Gewässern hinwies. Der Bemsteinhandel 
aber wirft ein klares Licht auf die Abkunft der Veneter ; nur ein stamm- 
verwandtes Volk konnte aus so grosser Feme so enge Verbindungen un- 
terhalten; anderseits haben die Sitze der hin terkarpathischen Veneter 
einst bis zur Ostsee und der Bernsteinküste gereicht; diese Strecken^ so 
wie der Handel mit der edlen Waare befand sich so lange in ihrer Ge- 
walt, bis sie von den aus Skandinavien landenden Gothen verdrängt 
wurden und mit dem Besitze der Küste auch der Bernsteinhandel ver- 
loren ging und erlosch. 

Endlich gehören hieher die armorischen Veneter. Leider sind 
die. Nachrichten der Alten über sie höchst karg und spärlich^ so wie 



origines Antwerpianae» Antw. 1561. F. c. 9. Venetica, p. 1009. seq. — Th. Bayer, 
opusc. ed. Klotz, p. 523. seq., Grupen, origg. Germ, t. I. p. 319—416. — M. Chr. 
Hanov, Vom Bernsteinhandel im preuseischen Samlande. Danzig 1748. — I. M. 
Gesner, de Phoenicum navigationibus extra columnaa Herculü. p. 426. in dessen 
Orphica. Lips. 1764. — Schlözer, Nordische Geschichte S. 8 ff. 34 ff. Voss, Alte 
WeUkunde, in der Jenaer litterar. Ztg. 1804. S. XXXI ff. Ukert, Alte Geographie IV, 
10. und seinen Aufsatz : Ueber das Elektrum und die mit ihm verknäpflen Sagen. 
(Zeitschrift für Alterthumskunde 1838. Nr. 50—55. Paul Schafarik, Abkunfl der 
Skven. S. 187 ff. Voigt, Geschichte Preussensl, S. 15 ff. 



72 Vin. Die Veneter. • 

überhaupt die Geschichte der Stamme Westeuropa's fragmentarisch und 
dunkel ist. Schon die Namensgleichheit beider Völker lasst auf ge- 
meinsame Herkunft schliessen^ denn so alte einstmals berühmte Namen, 
wie die der Wenden > Kelten , Germanen u. a. kommen nirgend» 'zufal- 
lig vor, wenn man auch häufig den Zusammenhang der damit bezeich- 
neten Völker nicht mehr zu erkennen vermag, zumal da eine Zerstreuung 
und Trennung der Slowenen in uralter, vorhistorischer Zeit ebenso 
denkbar ist, wie bei den Kelten. Das Verbindungsglied zwischen den 
armorischen Venetern und ihren adriatischen Brüdern scheint der Bo- 
densee gewesen zu sein , dessen oberer Theil auch lacus Venetus hiess 
(Mela 3, 2.). 

Auf Strabons Aussage ist in dieser Hinsieht kein Gewicht zu l^en ; 
denn die Alten waren , wo sie verwandte Völker antrafen , nur zu sehr 
geneigt , dergleichen Ueberwanderungen ohne alle Untersuchungen an- 
zunehmen, um die ihnen auffallende Thatsache auf dem kürzesten Wege 
zu erklären ; so leitet er aufs Gerathewohl die adriatischen Veneter von 
den armorischen ab, und, weil er diese für Kelten hält, schreibt er auch 
jenen, wiewohl zweifelnd, keltische Abkunft zu*. 

Von den armorischen Venetern gingen wahrscheinlich Uebersiede- 
lungen nach Britannien aus ; denn in ihren Händen lag die ganze Schiff- 
fahrt dahin (Caes. 3, S.); aus Handelsrücksichten suchten sie Caesar 
von seinem Plane, das brittische Eiland zu betreten, abzubringen (Strab. 
4, p. 194.)^ endlich erstreckte sich ihr Einfluss soweit, dass die Briten 
sich eines mit dem ihrigen übereinstimmenden Schiffbaues bedienten 
(Veget. de re milit. 4, 37.). Dies möchten indess auch die einzigen Be- 
lege sein^ die sich für die Existenz venetischer Colonien in Britannien 



1 Die StammTerwandschaft der armorischen und adriatischen Veneter liegt 
ausgesprochen bei ^Skymnos, wenn wir in seinem Periplus ▼. 193. rixti statt rt 
iere^ lesen, ebenso v. 194. die alte Lesart "/<rr(>or statt ^latQOtv beibehalten. Leti- 
tere wird dazu auch von V. 664 unterstützt , wo nach dem Olanben der damaligen 
Zeit, dass ein Arm des Ister in das adriatische Meer falle, o Tlovtixog **Iax^g dem 
^ASglag ^latQog gegenübergestellt wird. Eine ebenso ungezwungene Erklärung fin- 
det dann zugleich die vielfach mit grossem Aufwand von Gelehrsamkeit gedeu- 
tete Nordsäule {arr^lri ßoQUog) , als die Nordwestspitze von Gallien oder als das 
nordwestliche Vorgebirge der Bretagne. Die Stelle lautet demgem&ss also : 

TovTOfv (seil. KeXtiov) Jk xitrai. ityofiivrj ttg iaxdtti 

^rijAij ßoQttog * iarl <f ui/ziyAiJ navv 

Eig xv/^ardiSeg niiayog avareCvovti axQuv, 

Ofxovffi Tijg OTi^Xris dk rovg iyyifg xonovg 

KiXrtSv oaoi^ Xtjyovat ovrtg iaxnroi 

^Everoi, tixui ruv ivrbg ig xov ^AS^lav 

^lat^ov xad-tixoptatv. 

Scymnus 18S ff. 



§. 23. Die Veneter. 73 

anführen liessen. Die Städtenamen dort tragen durchaus kein slavisches 
Gepräge; Schafarik führt Sei^biodunum an und erklärt es durch Ser- 
benstadt ^ allein der fragliche Ort heisst Serviodunum d. h. die Stadt 
des Servius, wie Augnstodunum die Stadt des Augustus ; ebenso wenig 
kennen gute Handschriften des Itinerarium Antonini die Lesart Civitas 
Cianctum i. e. Venetum \ Was endlich die Behauptung Schafariks 
(Abkunft der Slaven S. 69.) angeht, die heutige englische Spräche ver- 
danke diesen venetischen Ansiedelungen viele Wörter aus dem Slavi- 
schen , so beruht dieselbe ebenfalls auf einem Irrthume ; so wird to heat 
(schlagen) vom slavischeiP biti hergeleitet; allein beat = angelsächs. 
beatan =s goth. ^baut; ahd. böz in Mnaböz; der Laut au wird nun im 
Angelsächsischen und Englischen ea z. B. goth. raudy ahd. röt, angels. 
und engl, read; goth. broiud, ahd. br6t angels. u. engl, bread; goth. 
laudy ahd. löi, angels. u. engl, lead, goth. naud, ahd. not = angels. u. 
engl, nead; goth. blaut, ahd. bloz, angels. u. engl, bleat — Ferner to 
dap (ins Wasser tauchen) wird identificirt mit tapiti, allein dap = goth. 
daupian, ahd. taußan, — meat (Fleisch) identificirt mit mäso; allein 
meat = goth. mats (für matis), ahd. mazi. — merk, mirk^ murk (dun- 
kel) identificirt mit mrk : allein murk s angels. u. altnordisch myrk, 
myrker, — mud, mudy (Schlamm) hergeleitet von mut , muten, allein 
mud 3= sächs. modi (wozu unser Moder). — screak (schreien) soll vom 
slav. skrek kommen^ allein screak (Stamm scrak) &= ahd. scrtan für 
scrthan. — to stoop (sich niederlassen) hat ebenfalls mit dem slavischen 
sstupiti keine Verwandtschaft, stoop = altsächs. stdp (treten); ebenso 
wenig to tew (bearbeiten) mit tlusti und täti (von tnu) , sondern tew s= 
angels. tavjan {parare, facere) , engl. u. goth. taujan (facere). — Sty 
(Stall) wahrscheinlich aus stüva gebildet (nach Analogie) von sky (Him- 
mel) aus angels. scüfoa (umbra) als aus dem slavischen stq;. — Endlich 
stammt much nicht vom slavischen mnogo, als aus dem Romanischen; 
vgl. spanisch mucho (viel). 



1 Wir kennen zudem bloss drei Orte der Veneter, nämlich Dariorigum, Du- 
retii und Sulim. Die beiden letzten Namen, welche nur die Tabula Peuting. er- 
wähnt , sind offenbar falsch geschrieben. Was dann Cianctum betrifft , so bemerkt 
schon Valesius in seiner Notitia Galliarum, dass die.ser Name erst in ganz späten 
Quellen vorkommt und verdorben ist. 



74 Charakter und staatliche Beziehungen der Kelten. 



Capitel IX. 

Charakter und staatliche Beziehungen der Kelten. 



§. 24. 



Charakteristik der Kelten. Wohnungen« Festungen. Verhalten im Kriege. 

Beiterei. Waffen. Sprache. 

Der Kelte war von Natur aus glücklich organisirt , ohne tiefe An- 
lage verband er mit seinem leichten Blute einen entsprechenden mora- 
lischen leichten Sinn , liebte kein anhaltendes Nachdenken über den- 
selben Gegenstand, sondern blieb auf der blossen Oberfläche haften, da- 
her seine reizbare, unstete Beweglichkeit. Abhängig von sinnlichen 
Eindrücken war Geselligkeit und Lebensfrohsinn ihm Bedürfniss, das 
er in der Abgeschiedenheit zu befriedigen wusste. Daher die Liebe zum 
Trünke eine Leidenschaft war, der er am Gründlichsten fröhnte; diesen 
verderblichen Hang wussten die Massalioten auch trefflich auszubeuten ; 
grosse Ladungen Wein drangen theils auf Fahrzeugen, theils auf Saum- 
thieren bis nach Belgien hinauf* und von allen Seiten strömten die Ein- 
geborenen hinzu, um leichtfertig gegen mühsam gewonnene Metalle, 
Felle, Getreide das geliebte Nass einzutauschen. So leidenschaftlich 
überliess man sich dem Genüsse berauschender Getränke, dass, wenn 
der Weinvorrath zur Neige ging , gegen ein geringes Mass man einen 
Sklaven hingab. Die Wirkung blieb nicht aus, häufig entstanden unter 
den Zechern Zwiste und da sie bei den Gelagen auch die Waffen nicht 
ablegten, wurde selten durch Wort und Schmähung, häufiger durch 
Kampf und Wunden der Friede wieder hergestellt. 

Ohne Tiefe des Gemüthes war der Kelte meist mit sich zerfallen 
und trug diese innere Zerrissenheit auch in seine äussern Verhältnisse- 
über,' wovon sein häusliches Leben einen sprechenden Beweis gibt. 
Dazu gehört namentlich die Missachtung des Ackerbaus trotz der Frucht- 
barkeit des Bodens. Die Folgen, die hieraus entspringen müssen, 
charakterisiren die ganze keltische Geschichte. Denn als Verächter einer 
festen gesetzlichen Ordnung und dauernder Verhältnisse, verworrene, 
abenteuerliche Irrfahrten einer gesicherten Heimath vorziehend , haben 
die Kelten nirgends grosse Staaten errichtet , nie eine Kultur gegrün- 
det, an der sich das Nationalbewusstsein und der Patriotismus erheben 



1 Diod. 5, 26. 



§. 24. Charakteristik der Kelten, Wohnungen u. s. w. 75 

un4 stärken koBnte, im Gegensatze zu andern Völkern, die nur Noth 
und Gewalt von ihrem Boden hinwegtrieb , und die nur um so inniger 
mit ihm verwachsen sind , je länger er sie genährt hat. Wo aber Sess- 
haftigkeit verachtet wird , hat auch das Familienleben einen mächtigen 
Rückhalt verloren. Daher konnte bei den Kelten auch nicht jene Trau- 
lichkeit des Lebens am eignen Heerde aufkommen , wie bei den Ger- 
manen. Die Frauen von anerkannter Schönheit* waren leichtsinnig, 
flatterhaft und kokett und kannten bei Weitem nicht jenen hohen Be- 
griff von häuslichem Leben und dessen Reinheit, der ihre überheini- 
schen Nachbarinnen auszeichnete. Des Weibes Untreue und des Gatten 
Misstrauen und Herzlosigkeit löseteri vielfach die ehelichen Bande ; da- 
von zeugt ein sprechender Brauch im nordöstlichen Gallien*. Glaubte 
der Kelte Grund zu haben an der Aechtheit seiner Vaterschaft zweifeln 
zu müssen , so entriss er das neugeborene Kind seiner Mutter , legte es 
auf eine Planke und setzte es der Strömung des Rheines aus. Schwamm 
dieselbe mit ihrer kostbaren Last weiter , so galt dieses für ein günstiges 
Zeichen, aller Argwohn war zerstreut und der erfreute Vater kehrte 
heiter zu seiner ängstlich harrenden Gattin zurück. Begann jedoch das 
Brett zu. sinken , so schien ihm die Illegitimität des Neugeborenen hin- 
länglich dargethan und unerbittlich überliess er das entehrende Pfand 
seines Hauses den Wogen. Anmuthig finden wir in der Anthologie die 
Angst der Mutter gemalt : 

Nicht gewinnt es des Vaters Herz , bevor er im Wasser 

Sah das Kindlein bewährt vom eheprobenden Flusse. 

Nun erduldet befreit vom ersten Wehe die Mutter 

Schon das zweite ; sie bebt, obgleich den wahren Erzeuger 

Kennend, mit bangem Gefühl um des trüglichen Stromes Entscheidung. 

Auf der anderen Seite huldigte der Gallier unnatürlicher Knaben- 
liebe ^ , 80 dass wegen Entäusserung der Treue kein festes Band unter 
den Gatten. geknüpft werden konnte. 

Streitigkeiten herrschten ohne Unterlass unter den zahllosen Stäm- 
men , unter Gemeinden wie unter Familien , denn gegen Freund und 
Feind suchte der reizbare Mann seine äussere Persönlichkeit geltend 
zu machen , daher liebte der Kelte den Krieg und kriegerische Fehden 
über alles und betrachtete es als eine Ehrensache, die Glieder in ge- 
schmeidiger und gelenker Form zu erhalten ; für höchst lächerlich und 
unschicklich galt ein vorhängender Bauch, der Besitzer desselben wurde 
dem öffentlichen Hohne Preis gegeben und zu einer Geldstrafe ver- 



l Diod. 5, 32. — 2 Julian., ep. 15. ad Maxim, phil, erat. 2. in Constant. imp. — 
2 Aristot. de republ. 2, 9. Diod. 2, 32. Strab. 4, p. 299, Athen. 13, p. 603. 



76 IX. Charakter und staatliche Beziehungen der Kelten. 

urtheilt, überhaupt musste Jeder sich eine Messung seines Leibgür- 
tels gefallen lassen, der ein bestimmtes Mass nicht überschreiten 
durfte*. 

Eine der glänzendsten Eigenschaften der Kelten war ihre todes* 
verachtende Tapferkeit. Ueberhaupt schlugen sie ihr Leben nicht hoch 
an^ wovon der völkerkundige Foseidonios merkwürdige Züge erzahlt. 
Sie kamen, sagt er, im Schmucke der Waffen zum Mahl , stellten dabei 
zur Erhöhung der Festfreude Scheingefechte an, die jedoch bald einen 
ernstlichen Charakter annahmen ; wollte es der Zufall , dass Blut dabei 
floss, so kämpften sie erbittert weiter und zwar mit solcher Leidenschaft- 
lichkeit, dass ohne Vermittlung das Schwert nur, nachdem es Tod oder 
schwere Wunden geschlagen, eingesteckt wurde ; gleich den homerischen 
Helden wurde der Tapferste von dem aufgetragenen Wildprett mit dem 
Rückenstück geehrt und machten Mehrere auf diese Auszeichnung An- 
spruch, so entspann sich zwischen ihnen ein Kampf auf Leben und Tod. 
Für eine Summe Geldes oder ein Fässchen Wein liessen sie sich sogar 
tödten ; sie vertheilten den empfangenen Blutlohn unter ihre Freunde 
und Angehörigen und legten sich dann vor den Augen der Menge rück- 
lings auf ihren Schild, um festen Auges den Todesstreich zu erwarten, 
bis Jemand hinzutrat und ihnen das Haupt abschlugt. Andei^e waren 
nicht zu bewegen ihr Haus zu verlassen , mochte eine Feuersbrunst das 
Gebälk verzehren oder eindringende Fluthen die Mauern einreissen*. 
Da so der Kelte für sich keine Schonung forderte, war er auch hart und 
schonungslos gegen Andere, seine Neigung zu heftigen sinnlichen Ein- 
drücken steigerte ihn zur Grausamkeit und zum Blutdurst. Dieser Zu- 
stand naturwüchsiger Wildheit lässt sich aus vielen Gewohnheiten er- 
kennen ; so pflegte man dem erschlagenen Feinde den Kopf abzuschnei- 
den, der Fusssoldat zum Schmucke seiner Lanze , der Reiter zur Ver- 
zierung des Sattels oder der Mähne seines Streitrosses*. Daheim aber 
heftete er die schreckliche Trophäe an die Thüre seines Hauses, um mit 
seiner Tapferkeit zu prunken. Die Köpfe vornehmer Gefallener salbte 
er ein , überzog sie mit Cedernöl und bewahrte sie sorgfältig auf zum 
Schaugepränge für Fremde; nicht für das gleiche Gewicht an Gold 
schlug er sein Siegeszeichen los. Kriegsgefangene fanden ein hartes 
Schicksal und eine grausame Behandlung , ihre Bestimmung war, qual- 
voll zu sterben an den grossen Götterfesten unter der Hand des Drui- 
den oder das schreckliche Joch der Sklaverei zu tragen. - Von der un- 
glaublichen Gefühllosigkeit der Kelten sind uns manche Züge auf- 



1 Artemid. ap. Strab. 4, p. 109. — 2 Posid. ap. Athen. 4, p. 154. — 3 Aelian. 
V. h. 12, 23. — 4 Liv. 10, 26. Strab. 1. c. 



$. 24« Gharitkteristik der K.elten, Wohnungen u. s. w. 77 

bewahrt^). Dahin gehört die unmenschliche Sitte > den Tod eines Vor- 
nehmen durch Ermordung alles dessen zu betrauern, was ihm im Leben 
theuer gewesen war. Dennoch übten sie gegen Fremde eine ungewöhn- 
liche Gastfreundschaft : grossartige Schmausereien wurden veranstaltet 
und keine Kosten gescheut^ ein möglichst rühmliches Andenken in dem 
Fremdlinge zu hinterlassen ^ der zugleich auch erst beim Scheiden nach 
seinem Begehr und dem Zwecke seiner Beise gefragt wurde ^. Mit der 
wilden , rohen Gemüthsart der Kelten hängt ihre unerhörte Habsucht 
zusammen, die durch die ausschweifende Lebensart sehr genährt wurde. 
Ungeheure Schätze und Kostbarkeiten schleppten sie aus vieler Herren 
Länder zusammen , da Niemand das Plündern gründlicher verstand als 
sie. Dazu war Gallien selbst reich an Gold «und die Natur bot es oft 
den Einwohnern ohne Mühe und Bergbau dar. Denn der Lauf der 
Flüsse, sagt Diodor, macht dort viele Krümmungen, stösst an die Berge 
und reisst grosse Stücke mit Goldstaub geschwängert davon ab. Auf 
diese Weise häuften sie viel edlen Metalles zusammen und Männer wie 
Frauen liebten es, sich mit blitzendem Geschmeide zu schmücken; 
selbst im heissen Schlachtgewühl wurden goldene Spangen und Arm- 
ringe getragen. 

Entsprechend seinen glücklichen Anlagen für das praktische Leben 
besass der Gallier grosse Gelehrigkeit zu jeder technischen Entwicklung 
und Bildung. Anstellig und ohne Schwierigkeit begreifend zeugt von 
seinem erfinderischen Geiste die Einrichtung , dass man wichtige Nach- 
richten mit grosser Schnelligkeit dadurcl^im Lande verbreitete, dass 
man sie sich in gewissen Abständen zurief ^. Ihrer Geschicklichkeit im 
Bergbau gedenkt Caesar öfter und musste einigemal bei Belagerungen 
ihre bergmännischen Kenntnisse zu seinem Nachtheile fühlen^. Die 
Verarbeitung des Eisens verstand im Alterthum lange Zeit hindurch 
kein Volk so gut, wie die Noriker; das norische Schwert (jidxcciQa 
KeXtixijj ensis Noricus) wird von FoUux unter den ausgezeichnetsten 
Waffen angeführt und genoss ein wohlverdientes Ansehen**. Ebenso 
gerühmt war ihre Fertigkeit in kunstreichen Glasarbeiten von der gross- 
ten Mannigfaltigkeit in Form, Farbe und Verzierung® und besonders in* 
der Prägung der Münzen. Unter denselben sind besonders die Asteris- 
ken zu merken , welche zum Theil einerseits das Bild der strahlenden 
Sonne, anderseits eine Keihe von Sternen in einem Ringe oder einer- 



1 Diod. excerpt. Peir. p. 319. Cic. pro Fontej. 2t. Eustath. in IL tf/, p. 1294.^ 
2 Strab. 4, p. 178. 196. Mela 3, 2, 3. Diod. 5, 28. — 3 Caes. 7, 3. — 4 Caes. 
7, 22. — 5 Pollux. Onom. 1, 10, 149. Clemens AI. Strom. 1, p. 307. ed. Col. — 
6 Plin. 36, 26, 66. 



78 IX. Charakter lud slMdkW BesickwCCA der K^len. 



seits das Bild des Mondes , andenots das der Sonne wieder von einem 
Ringe umgeben führen. 

Ein Hauptsymbol anf keltischen Mänam ist fintier ein Kad mit 
vier Speichen, mannigfach daigestellt*. ExxeognisBe ihrer Industrie 
waren endlich Kleidungsstücke*« Polster and Matraaen', Seife zun 
Färben der Haare *, Haaraebe^ und andere Sachen, die dieils das Be- 
darf niss des täglichen Lebens, tfaeila der verfönerte Genuas erforderte. 

Der Kelte war zwar abgehärtet, aber nicht in gleichem Grade 
gegen Hunger und Durst, gegen Hitze und Kähe, und anhaltende Müh- 
seligkeiten beugten ihn bald bis zur Muthlosigkeit darnieder. Die Er- 
ziehung war streng und hart, jedoch ohne durchgreifende Consequenz, 
wie dieses auch der ganzliche Mangel des Familienlebens mit sich führen 
musste, und hatte hauptsachlich die Ausbildung des Knaben zum Krie> 
ger im Auge. Daher verkehrten auch , abweichend von der römischen 
Sitte, die Väter nicht öffentlich mit ihren Söhnen eher, als bis sie das 
waffenfähige Alter erreicht hatten*. Dem Aeussem nach waren die 
Kelten von hoher , imposanter Gestalt und blickten verächtlich anf die 
kleineren Römer herab ^, allein ihre Leiber ermatteten bald und waren 
nicht dazu geschaffen, ausdauernden Widerstand zu leisten und das Be- 
gonnene mit nachhaltiger Kraft weiter zu führen. Glänzend weiss wai 
ihr Teint ^ eine Eigenschaft, die ihm bis zum hohen Alter verblieb. In 
irischen Liedern werden die Frauen gepriesen als bean^ cneisgheal und 
ceannhuidhe oder wie die alte Form heisst als hena cneso^gela, cenno- 
btida (mit der weissen Hau^ mit dem Goldhaar). Ihr Haar war licht 
und falb und man wandte künstliche Mittel an, es zu pflegen und zu 
erhalten *®. 

Dem Drange nach äusserer Unabhängigkeit entsprach auch die Art 
und Weise ihres Wohnens. Obwohl ihre Natur zur Geselligkeit geschaf- 
fen war, zeigten sie sich dennoch städtischem Zusammenleben abgeneigt, 
denn Städte, wie die Römer sie hatten, als befestigte Centralpunkte des 
geselligen Lebens fand man nicht. Die QuellenschriftstcUer sprechen 
von offenen Dörfern oder Ortschaften (oict), welche die Wohnungen 
der einzelnen Gaue im Frieden enthielten. Die Häuser derselben waren 
zwar geräumig , aber von einfacher Bauart ; über starke durch Flecht- 
werk verbundene Pfahle wölbte sich kuppeiförmig ein aus Eichen- 

1 Vgl. Revue numismatique 183S. p. 330. — 2 Martial 6, 11 , 7. — 3 Martial 
4, IGO. Plin. 19, 12. — 4 Plin. 28, 12, 51. Martial. S, 33, 20. — 5 Plin. S, 11, 28. 
6 (^068. ({, 18. — 7 Caes. 2, 30. 8, 40. — 8 Liv. 28, 7. Strab. 4, p. 195. Manil. 
4, 713. Augustin. c. Faust. 22, 83. Hieronym. v. st. Hilar. 22. — 9 Von hena ist 
der gallische Frauenname lienaia (Gregor. Turon. vit. patr. 16.) abgeleitet. — 
10 Diod. 5, 27. 



§» 24. Charakteristik der Kelten , Wohnungen u. s. w. 79 

schindeln und Eohr bestehendes Dach^ Ausserdem besass der vor- 
nehme Kelte. besondere Wohnungen malerisch im dichten Walde oder 
am Ufer eines Flusses gelegen , wo er im Sommer nicht nur Schutz vor 
den Gluthen der Sonne fand , sondern auch im Kriege einen für Fein- 
desschaaren schwer zugänglichen Zufluchtsort, der das Entkommen un- 
gemein erleichterte^. Einige Stämme besassen auch hie und da um- 
mauerte Städte , deren Mauern von Fachwerk sich sowohl durch ihre 
Zweckmässigkeit^ als auch durch zierliche Ineinanderfügung von Balken 
und Steinen auszeichneten, wie dieses Caesar sehr anschaulich be- 
schreibt*. Im Kriege suchte man Schutz mehr in Sümpfen und Wäl- 
dern, als hinter den Mauern; befestigte Plätze bewohnte man ungern 
und bezog sie erst im Augenblicke der Gefahr ; mussten die Landbe- 
wohner ihre Hütten mit solchen Zufluchtsstätten vertauschen , so galt 
dieses für ein öffentliches Unglück, eilig wurden die Befestigungswerke 
ausgebessert und Mundvorrath hineingeschleppt*; oft mochte es einein 
gewandten Feinde durch glückliche Eilmärsche gelingen , ohne erheb- 
lichen Widerstand solche Kriegsplätze zu gewinnen*^. Die Bastionen 
solcher Festen bestanden aus den oben bezeichneten Mauern , geschützt 
durch liefe Graben und Verbacke, die Wohnungen aus elenden Hüt- 
ten®. Gaben die Kelten solche Plätze auf, so traf sie kein grosser Ver- 
lust; es gab dort keine Vorräthe und Schätze, die Eroberung machte 
nur vergebliche Mühe und kostete den Angr^fern manchen tapferen 
Soldaten, man konnte die Flucht der Belagerten selten hindern und 
dem Platze selbst wenig Schaden zufügen, weil die Steinmassen der 
Mauern vor Brand, die Balken aber vor dem Mauerstürmer schützten 
und also weder durchbrochen noch- auseinandergerissen werden konn- 
ten 7. Diese Art von Verschanzungen ist dem keltischen Volke so 
eigen, dass wir denselben nicht minder in Kleinasien wiederbegegnen ®. 
Stand ein Krieg bevor, so wurden die Werbungen mit grosser 
Strenge und Energie betrieben ; nicht nur Schimpf und Schande traf 
den Feigling, der sich dem Kampfe zu entziehen suchte, sondern auch 
harte körperliche Strafen, wie der Verlust eines Auges, die Verstümme- 
lung der Ohren® u. s. w. Die Ehre des Oberbefehls genoss nur der Adel 
und sonderbarer Weise durfte der vornehme Kelte, auch wenn er vor 
Altersschwäche sich kaum auf dem Sattel halten konnte , die Anführer- 
schaft nicht ablehnen ^^. In der Schlacht fochten sie in dichtgedrängten 
Haufen, ihre Taktik beschränkte sich darauf, durch die Wucht und den 



1 Strab. 4, p. ;97. — 2 Caes. 6, 30. — 3 Caes. 7, 23. — 4 Caes. 3, 9. -* 
5 Caes. 8, 3. — 6 Caes. 8, 5. — 7 Caes. 3, J2. 7, 23. — 8 Liv. 38, 19. — 9 Caes. 
7, 4. — 10 Caes. 8, 12. 



80 IX. Charakter uird fltaaüiche Benehungen der Kelten. 

Ungestüm des ersten Angriffes, die feindlichen Beiken zu durchbreclien ; 
misslang derselbe und stiessen sie auf kalten nacfalialtigen Widerstand, 
so ermatteten sie gar bald und boten entmuthigt und sttunpfsinnig^ ihre 
Leiber dem Geschoss des Feindes dar^ Durch künstliche Evolutionen 
und Bewegungen den Feind zu verwirren und ihn durch Schnelli^gkeit 
zu überraschen verstanden sie nicht, sondern kannten nur den schwer- 
fälligen Kampf in geschlossenen Gliedern. Die Schlacht selbst vrard 
durch ein furchtbares Geschrei eröffnet, womit sich der gellende Ton 
der Pfeifen und der dröhnende Schall der Hörner vermischte^. Da 
ihnen die Kunst ein verschanztes Lager aufzuschlagen unbekannt war, 
bildeten sie aus dem Gepäcke und dem langen Wagentross eine Wagten- 
bürg und so stritten sie dann, Weib und Kind in der Nähe , entflammt 
von dem begeisterten Liede der Barden, die al& heilige Sänger. mit ins 
Feld zogen , den Schlachtgesang anhoben und den Tod für das Vater- 
land priesen, um das kriegerische Feuer wieder anzufachen , wenn es 
zu erlöschen drohete. Die vorwiegende Waffe in den keltischen Heeren 
war die Reiterei, die im Alterthume ein wohlverdientes Ansehen ge- 
noss, gebildet aus deiii Adel und dessen Vasallen. Gerühmt werden die 
Kelten als gewandte, sichere Reiter, die gerne auch in der römischen 
Schlachtreihe gesehen wurden^. Den Edelmann pflegten, wie dieses 
Pausanias erzählt von den in Hellas einfallenden Galliern , zwei berit- 
tene Knappen in die Sc]^acht zu folgen, so dass er ein kleines Fähnlein 
für sich ausmachte, das unter dem Namen Trimarcisia bekannt war^. 
Das keltische Fussvolk stand dagegen in üblem Rufe ; unbeholfen auf 
dem Schlachtfelde, entmuthigt beim ersten Missgeschicke, unfähig 
grössere Märsche und Mühsale durchzumachen, konnte es zu bedeuten- 
den Thaten nicht verwandt werden. Auch Caesar brachte es nie wieder 
in engere Verbindung mit seinen Legionen , nachdem er es in seinem 
ersten Feldzuge kennen gelernt hatte und Hannibal musste erst Gewalt 
anwenden, ehe er es an DiscipHn und Pünktlichkeit im Dienste ge- 
wöhnen konnte. 

Die Waffen der Gallier waren mit Ausnahme des norischen Schwer- 
tes von keiner hohen Bedeutung. Ihre gewaltigen Schlachtschwerter an 
der rechten Seite getragen, waren schlecht gestahlt, oft von Kupfer, 
daher im Handgemenge ohne grosse Wirkung; denn die Klinge bog 



1 Flor. 1, 4. Suidas s. v. «Jijy. Liv. u. Polyb. piwgiiii. — 2 Diod. 5, 30. ~ 
3 Caes. 4, 2. 6, 15. — 4 Paus. 10, 19. Trimarcisia zusammengesetzt aus tri (kymr, 
tri, irisch tri) drei und marcisia abgeleitet von marca (kymr. march , irisch marc.) 
Pferd. Noch jetzt findet man im Kymrischen trimarch (adj. s. v. a. ofthree horse») 
— trimarc , trtmarchwys (men driving three horaea) früher trimareuis = irimarcea, 
(langes e wird im Kymr. in ut, jetzt tm/ aufgelöst.) — 



$. 24. Charakteristik der Kelten, Wohnungen u. s. w. 81 

sich nach jedem Hiebe und hatte der Soldat nicht Zeitj mit aufgestemm- 
tem Fusse ihr die vorige Eichtung wiederzugeben , war die Waffe un- 
nütz ; dazu war sie ohne Spitze und nur zum Hieb^ nicht zum Stoss ver- 
wendbar*; 

Die eigentliche National waffe soll der Celt gewesen sein, ein 
eherner Streitkeil, dessen eigentliche Bedeutung jedoch schwerlich aus- 
zumitteln ist. Die Hauptwaffe der gallischen Infanterie war die lange 
Stosslanze, oder die Gaese^; ausserdem werden Lankien (layydai) er- 
wähnt, eine Art Wurfgeschoss, bestehend aus schlankem Schafte und 
eiserner Spitze ; man benutzte es auf der Vogeljagd und wusste ihm aus 
blosser Hand und ohne Wurfriemen den nöthigen Schwung zu ver- 
leihen*; als grössere Wurfwaffe wird ferner die Mataris genannt*; end- 
lich kannten sie den Gebrauch der Schleuder®, des Bogens und der 
Pfeile, die sie in Gift tauchten'^, sowie der Streitwagen®, sogar Hunde 
wussten sie zu militärischen Zwecken abzurichten *. Auch die Schutz- 
waffen waren sehr verschiedener Art. Manche Stämme wie die Gaesa- 
ten gingen in barbarischem Uebermaasse von Muth und Selbstgefühl 
nackt in die Schlacht, bloss mit einem Gürtel um die Lenden und dem 
nie fehlen<len Geschmeide*®, andere trugen Panzerhemde mit vielem 
Golde überladen**, als ganz in Erz gehüllt nennt Tacitus das Corps der 
CrupeUarier bei den Haeduern*^, Das Haupt schützte ein Helm, gross 
und mit vielen Emblemen geziert , überragt von gewaltigen Hörnern, 
Hirschgeweihen und Thierköpfen. Der Schild *^ war mannshoch aber 
schmal und * deckte nicht einmal die Seite , so dass er in der Schlacht 
einen wenig vortheilhaften Schirm verschaffte. Doch hatte man auch 
kleinere, weniger unbehülfliche**, deren Aussenflache reichlich mit 
kunstvoller Verzierung geschmückt war**. 

Die gallische Sprache, dem indogermanischen Stamme angehörend 
war von der germanischen bedeutend verschieden , wenn sich auch ge- 
wisse Annäherungen und Aehnlichkeiten zwischen beiden nicht ver- 



1 Polyb. 2, 23. 3, 114. Plut. Cam. 41. Cass. Dio 18, 49. Liv. 22, 46. - 2 Vgl. 
Schreiber, die ehernen Streitkeile. Freiburg 1842. — 3 Verg. Aen. 8 , 661 und dazu 
Serv. und zu 7, 664. Caes. 3, 4. Silius 1, 629 und dazu Drakenborch. — Gaüa (wo- 
von der gallische Name Gaüio, Orelli, inscr. lat. Nr. 2775, gebildet ist) erscheint 
noch im Irischen gai (Lanze) aus früherem gais (im Irischen fällt s häufig ab. 
cf. Zeuss, Gr. celt. p. 63 ff.), so wie sich auch noch im Altirischen das davon abge- 
leitete gaide (Zeuss 1. c. p. 64.) aus gaisde — gaisthe aus altem gatsate {hastatus) 
findet. — 4 Strab. l. c. — 5 Caes. 1, 26. Liv. 7, 24. — 6 Liv. 38, 21. Caes. 7, 31. — 
7 Strab. 4, p. 199. Plin. 27, 11, 76. — 8 Caes. 4, 33. 5, 15. Liv. 10, 28. Lucian. 
Zeuxis 11.-9 Strab. l. c. — 10 Polyb. 2, 28. Diod. 5, 29. Liv. 22, 46. Gellius 
9, 13. — II Diod. 5, 27. — 12 Tac. A. 3, 43. — 13 Pausan. 10, 21, 4. — 14 Polyb. 
2, 30. - 15 Diod. 5, 30. 

Contzen, Wanderungen der Kelten. ß 



62 IX. Charakter und staatliche Beziehungen der Kjelten. 

keBnen lassen; den Alten klang sie dumpf ^ rauli und drohend. Als die 
Bömer in Gallien festen Fuss fassten , ging ihr Hauptbestreben dahin, 
dem unterworfenen Lande seine Nationalsprache zu verdrängen und der 
lateinischen Geltung zu verschaffen. Die Vornehmen fingen in der 
That auch zuerst an , ihre Muttersprache aufzugeben und sie gegen die 
ihrer Bezwinger zu vertauschen , weil das Lateinische zur Bildung und 
zum bürgerlichen Fortkommen verhalf und an Glanz und Gediegenheit 
seiner Literatur das Keltische weit hinter sich zurückliess. Daani erwies 
sich die gallische Sprache als unbrauchbar im Verkehr mit den römischen 
Besatzungen > bei den gerichtlichen Verhandlungen ^ beim Betriebe des 
Handels in den grossen Emporien und ward allmählig von selbst aufge- 
geben. Im Verlauf von vier Jahrhunderten war die Nationalsprache in 
vielen Gegenden grösstentheils verschwunden, wenn auch nicht ohne 
dem Lateinischen einheimische Bestandtheile zurückgelassen zu haben. 
Nur da fristete sie ein verkümmertes Dasein , wo abgelegen hausende 
Stamme sich vor den Römern in Wälder , Sümpfe und Gebirge zurück- 
zogen*, und römisches Wesen mit jedem Schritt an intensiver Kraft 
verlor. Aus dem Gesagten erklärt sich zugleich, warum kein schrift- 
liches Denkmal aus dem Altkeltischen sich auf unsere Tage gerettet hat 
und die Beste der Sprache sich auf einzelne Wörter und Namen be- 
schränken^. Es starb auf dem Festlande mit Ausnahme in den armo- 
rischen Landschaften aus , auf den brittischen Inseln aber , in Irland, 
Wales ^ und Hochschottland erhielt es sich , wenn auch mit manchen 
Beimischungen und Veränderungen bis auf den heutigen Tag. Zu 
Schriftcharakteren benutzten die festländischen Kelten das griechische 
Alphabet , das ihnen von Massalia aus zugekommen sein mochte , ohne 
dass man aus diesem Umstände auf Vertrautheit mit dieser Sprache 
schliessen dürfte ; denn Caesar verfasste seine Depeschen an Q. Cicero, als 
dieser kriegführend im Gebiete der Nervier stand, griechisch, um ihren 
Inhalt den Feinden zu entziehen, falls seine Boten von ihnen aufge- 
fangen würden. 



1 Vgl. Am. Thierry, HIst. de la Gaule sous l'administration Komaine. 3 vols. 
Paris 1948. L. A. Martin, Hist. morale de la Gaule. Paris 1848. — 2 Vgl. Eichhoff, 
ParallMe des langues de l'Europe p. 357 ff. J. C. Prichard, The eastern origin of the 
Celtic nations proved by a comparison of their dialects with the Sanscrit, Greeki 
Latin, Teutonic languages. London 1831. Ad. Pictet, De l'afHnit^ des langues Cel- 
tiques avec le Sanscrit. Paris 1837. Endlich das epochemachende Werk von Zeuss, 
Grammatica Celtica, 2 voll. Lips. 1852. — 3 Ueber Wales vgl. J. Walter, Das alte 
Wales. Ein Beitrag zur Völker-, Rechts- und Kirchengeschichte. Mit einer Karte. 
Bonn 1859. 



$. 25. l>iuideii. iPolitUcbe Verfassung. ^t 

, §• 25. 

Druiden. Politische Verfassung. 

Die Religion war bei den Kelten nicht wie bei den Griechen und 
Eimern Gewifisensache des Einzelnen und die vollständige Ausübung 
des Gottesdienstes ein persönliches Becht jedes freien Mannes^ sondern 
es stand eine bevorzugte Kaste zwischen Göttern und Menschen , die 
der Druiden 3 ein Stande der selbstständig sich neben dem Adel ent* 
wickelte und als Inhaber aller wissenschaftlichen Kenntnisse jener Zeit 
und als ein einziger Träger des geistigen Elementes ein Uebergewicht 
im Lande begfündete und der so^ zusammengehalten durch das Bedürf- 
niss der Nation und eine innere streng geregelte und geschlossene theo- 
kratische Organisation schaffend , bald die übrigen Stände zur unbe- 
dingten Unterordnung führte. Leider lässt sich aus den spärlichen 
Trümmern^ die den Alten über dieses Friesterinstitut zukamen^ kein 
klares Bild zusammenstellen und das System ihrer Theologie nicht voll- 
ständig mehr erkennen ; besser sind wir unterrichtet über ihre Wirk- 
samkeit nach aussen ^ 

Di^ Druiden ^ waren keine erbliche , wohl aber fest geschlossene 



1 Vgl. Frick, DeDruidis. Ulm 1744. Barth, Die Druiden der Kelten. Erlangen 
1826. Higgins, The Celtic Druids. London 1831. Walter, a. a. O. S. 254 ff. — 
2 Hrn. Glück verdanke ich folgende Mittheilung über die Etymologie des Namens : 
Druida und Druü (die Druidin auf einer Inschrift bei Steiner, Cod. inscr. rom. Da- 
nubii et Rheni, n. 1865.) entspringen von dru (gr. 6qvs) das in ^QwifiSTQV eigen tl. 
ÖQowifiiTov (über nwneton vgl. Glück, Die keltischen Namen bei J. Caesar, München 
1857 S. 75. Anm. 1.) vorliegt. In dru ist der Wurzelvokal ausgefallen, so dass das 
volle Wort daru lautet (vgl. Zeuss. 1. c. p. 8 ; vgl. dgügvoit 66qv), Das Irische hat 
dar (dair)j wie in dem bekannten Ortsnamen Darmagh, (Ann. IV. mag. bei O'Co- 
nor, Rer. hib. Script, vet. 3, 667} =s daru-ma§w (Eichenfeld), auch dw (in Bermagk 
DerumapiM» ibid. p. 173. 278.), und indem abgeleiteten iltmBoh^xi deruec , glans 
(Zeuss 1. c.) stösst aber gleichfalls wie das Gallische in drutd (und druith in Glossen 
bei Zeuss p. 754, später druidh, jetzt gewöhnlich draoi für draoidh) den Wurzelvokal 
aus, während das Kymrische dem (jetzt derw) und deruid (jetzt derwydd) hat. Max. 
Tyr. (diss. VIII, ed. Reisk. 1, 142) sagt: K^l%i>l aiß^vai fikv /i(a ^ ayäXfjttx Sk Jioq 
KekTtxov vijnjkTi öqvS' Der höchste Gott der Kelten heisst Teutätes (Lucan. 1 , 445.). 
Dieser Name ist, wie ZeuBS schon gezeigt hat, von teu (jetzt tew) mit der Endung 
tat (kymr. taut, jetzt tatod = tat, Zeuss 1. c. p. 809.) gebildet und bedeutet der 
starke, kräftige. Ihn versinnlichten die Kelten durch die Eiche , das Sinnbild 
der Kraft und Starke. So erklärt sich der Zusammenhang des Druidennamens mit 
der Eiche. — Eine graecieirte Form desselben ist die bei Ammian vorkommende 
drystdae {d^v^ und /(f, Icf, 'i^ofiut) s. v. a. Eichsassen, womit wieder überein- 
stimmt, daas die Druiden auch 2«QevCdai (wahrscheinlich corrumpirt für ZaQtovCäm) 
hiessen, von aaQtovCq, die alte, hohle Eiche. 

6* 



84 IX. Charakter und staatliche Beziehungen der Kelten. 

Priesterkaste, frei von allen öffentlichen Abgaben, vom Kriegesdienste, 
wie von jeder Staatslast. Daher drängte man sich begierig nach der 
Ehre der Aufnahme*, selbst Jünglinge aus den ersten Geschlechtem 
des Landes rechneten es sich zur Ehre an, dem mächtigen Verbände 
anzugehören. Sie lehrteii in Waldeshöhlen oder schattigen Eichenhainen, 
die schon von selbst zu überirdischer Betrachtung und mystischem Grü- 
beln einluden, das jugendliche Gemüth zur gläubigen Andacht stimmten 
und ihm das vorgetragene Geheimniss heiliger machten *. Wer sich zur 
Aufnahme meldete, legte, bevor er zum Unterrichte zugelassen* wurde, 
feierlich das Versprechen ab, keine Lehre durch Mittheilung an das 
Volk zu entheiligen ; die Lernzeit selbst währte lange , oft vergingen 
20 Jahre, ehe der Novize stufenweise zu höherer ErkAintniss voran- 
achreitend und der höheren Grade der Geheimnisse für würdig gehal- 
ten, als Wissender entlassen wurde. Darum umfasste der Unterricht auch 
alle Zweige des Wissens jener Zeit, Arzneikunde, Theologie, Philoso- 
phie, Politik, Astronomie u. s. w. Wie das frühe Alterthum überhaupt 
kleideten auch sie ihre Lehren mit Vorliebe in das Gewand der Poesie 
und in dieser Gestalt musste sie der Novize nebst andern Formeln seinem 
Gedächtniss einprägen. Alles aber wurde in kurzen Sätzen und in dunk- 
ler nur dem Eingeweihten verständlicher Sprache vorgetragen*. £twas 
schriftlich zu verzeichnen, war nicht gestattet ; einerseits war der Gebrauch 
der Schrift bei den Galliern neu und nicht gewöhnlich, die Sitte aber, unter 
Leitung des Lehrers jene heiligen Verse dem Gedächtniss anzuvertrauen 
ehrwürdig, weil uralt und daher gegen jede Neuerung gesichert, ander- 
seits wurde auf diese Weise jeder Entweihung vorgebeugt. An der 
Spitze des Ordens stand ein Oberpriester, von sehr hohem Ansehen und 
im Besitze grosser Macht , auf Lebenszeit gewählt. Nach seinem Hin- 
scheiden folgte ihm der Angesehenste; bewarben sich Mehrere um die 
Würde, so entschied Stimmenmehrheit oder ein gottesgerichtlicher 
Zweikampf. Ein eheloses Leben zu führen war der Druide nicht ver- 
pflichtet, sondern Heirath war gestattet*), allein der Orden hielt sich 
still und abgeschlossen, entzog sich, wohlbekannt mit der eifersüchtigen 
Persönlichkeit der Nation, die er beherrschte, der unmittelbaren Theil- 
nähme an Welthändeln und liebte es, mit dem möglichsten Geheimthun 
über ihr Wissen und Wirken, die Abgeschiedenheit und Einsamkeit 
aufzusuchen, in der er die Fäden der Herrschaft in der Hand trug, ohne 



1 Caes. 6, 14. — 2 Mela 3, 2. Lucan. 1, 453. -- 3 *Paal rovg fitv rufjiyoaotfl' 
axag xal /igovCiSag alviyfiajfoStag anofpd'eyyofiävovs (piXoao<fijaai* Diog. Laert 
prooem. 5. — 4 Die Abstammung aus einer sttrps Drtddum (Auson. prof. 4, 7. 
lü, 22.) galt noch in später Zeit viel in Gallien. Vgl. Prudent. apoth. 296. San 
Marthe, Gottfried 240. 241. 



§.25. Druiden, Politische Verfassung. g5 

solche blicken zu lassen. Daher standen sie im Rufe der strengsten Sitt- 
lichkeit und Gerechtigkeit*. 

Eine ihrer Hauptbeschäftigungen war das Studium der Gestirne*, 
über deren Grösse, Bewegungen und Verhältniss zur Erde sie vielfache 
Untersuchungen anstellten; ihr System kennen wir nicht näher, nur 
Weniges ist davon überliefert; so Hessen sje, nicht nach Tagen sondern 
Nächten zählend, die Monate und Jahre mit der sechsten Nacht im Voll- 
mond beginnen und bestimmten einen Zeitraum von 30 Jahren zu einem 
grossen Cyclus. Ob sie aber in der Betrachtung der Himmelskörper 
durch Vergrösserungsgläser unterstützt gewesen, wie man behauptet hat, 
lässt sich wohl schwerlich nachweisen. Auch sie werden den Himmel 
mit seinen Sternen weniger aus rein wissenschaftlichem Grunde betrach- 
tet haben, als weil sie wie das ganze Alterthum glaubten, dass die Ereig- 
nisse der Erde und die Schicksale der Menschen von den Gestirnen ab- 
hingen und dass diese überhaupt bei der Geburt, dem Tode und den 
Handlungen der Menschen entscheidend einwirkten. In ihrer Heil- 
kunde spielt der Aberglaube eine vorwiegende Rolle*. Ausser dem 
Fleische von Menschenopfern waren es besonders zwei Dinge, denen 
die Druiden grosse Wirksamkeit zuschrieben: das war das Schlan- 
genei und die heilige Mistel. In den Hochsommernächten, lautet 
die alte Ueberlieferung bei Plinius*, wälzt sich eine ungeheure Menge 
von Schlangen zusammen und bildet aus ihrem Geifer das Schlangenei, 
das dann mit pfeifendem Gezisch hoch in die Lüfte geschleudert wird. 
Wer es davontragen wollte, musste in stiller Mondscheinnacht zur Stelle 
sein und es geschickt mit einem Tuchmantel auffangen, bevor es wieder 
den Boden berührte. Aber die Schlangen , denen ihr Theuerstes ent^ 
rissen , bieten Alles auf, das genommene Kleinod wiederzugewinnen ; 
hitzig jagen sie dem kecken Räuber nach, den nur ein schnelles Rosa 
retten kann, und nicht eher stellen sie ihre Verfolgung ein, als bis es 
ihm gelungen ist, über ein fliessendes Wasser zu entwischen. Ein ach- 
tes Schlangenei musste gegen den Strom schwimmen , auch in goldner 
Hülle, und wurde als schützender Talisman am Herzen getragen. 
Grössere Kraft legte man der Mistel* bei. Wenn schon die Eiche mit 
allem, was sie trug, geheiligt war, so genoss besonders die Mistel, die 
sich um seinen Stamm wand und ohne Samen erzeugt zu sein schien, 
vorzügliche Verehrung; man fand sie selten, war man aber so glücklich 
gewesen, so veranstaltete man grosse Feierlichkeiten, sie einzuholen. 
Am sechsten Tage nach dem Neumonde wallte man in feierlichem Zuge 



1 Strab. 4, p. 197. — 2 Caes. l. c. — 3 Plin. 29, 3, 12. 30, 1, 4. Tac. ann. 14, 
32. — 4 Plin. 1. c. — 4 Plin. 16, 44, 93. 95. 24, 4, 6. Vergil. Aen. 6, 205. 



Sg IX. Charakter und staatliche Beziehungen der Kelten. 

N 

hin zum heiligen Baume , opferte und schmauste fröhlich unter seinen 
Aesten. Darauf bestieg ihn ein Druide, während ein weisses tadelloses 
Rinderpaar herangeführt wurde, in weisschimmerndem Gewände, schnitt 
mit goldner Sichel die heilige Pflanze ab und Hess sie unten in einem 
weissen Tuche auffangen ; alsdann schlachtete er die Rinder unter Weih- 
gebeten an die Gottheit, auf dass diese ihre Gabe gedeihlich mache. 

Def ganze Orden bestand aus drei Abtheilungen, die uns von Stra- 
bon und Ammianus* als Barden, Seher* und eigentliche Druiden 
bezeichnet werden, ohne dass man gerade in diesen Classen versthiedene 
Grade des Ordens annehmen dürfte. Die Barden waren Sänger, welche 
die Großsthaten berühmter Männer der Vorzeit wie der Gegenwart in 
kunstgernässeta Heldengedichte unter Begleitung mit dem landesüb- 
lichen Instrumente' begeistert vortrugen* und so die nationalen Erin- 
nerungen und Gefühle rege erhielten. Ihre älteste Poesie War zwar eine 
hieratische, zum Dienste der Götter geübte Kunst*, wie fast bei allen 
Völkern die Poesie mit dem Lobe der Götter anhebt, weil ihr ursprüng- 
liches Leben sich erfüllt zeigt von religiösen Ideen, welche sie sich als 
heiliges Erbe aus dem Schiffbruche der Menschheit gerettet haben ; bald 
aber umfasste ihr Gesang kirchliches wie weltliches Leben und sank in 
Gallien früh zum Handwerksmässigen herab; sie traten hier in die 
Dienste eines der Grossen im Lande und Hessen ihre Lieder zu seinem 
Ruhme für Lohn ertönen. So begleitete ein Barde den Gesandten 
des allobrogischen Königs Bituitus zum römischen Feldherrn Cn. Domi- 
tius*. Andere aber weihten ihr ganzes Leben einem Fürsten, waren 
stets in seiner nächsten Umgebung und folgten ihm sogar in die Schlacht, 
um als Augenzeugen seiner Heldenthaten seinen Ruhm in der Heimath 
zu verkünden. In diesem edleren Sinne heissen sie auch Parasiten und 
Symbioten'^. Wie tief sie schon zur Zeit des Poseidonios gesunken 
waren , zeigt folgender Vorfall. Einst gab Luernius , Vater des Bitui- 
tus, seinem Stamme ein glänzendes Mahl, ein Barde verspätete sich und 
erschien erst, als der Fürst seinen Wagen bestieg zur Heimfahrt. Jener 
aber folgte ihm unverdrossen ein gut Stück Weges unter schmeicheln- 
den Lobliedern, bis ihm ein Beutel mit Geld zugeworfen wurde®. .Die 



1 Strab. 4, p. 197. Ammian. 15, 9. — 2 Euhages bei Amm. I. c. ist wahrschein- 
lich nur eine verdorbene Form für vates {ovareig) , altirisch fait = vat. vgl. Zeuss 
I. c. p. 57. — 3 Venalttiua Fortunatus ad Lupum Ducem. (Oper. ed. 1786. T. I. 
p. 236.): Chrotta Britanna canat, — 4 Plin. 15, 9. Paulus Diac. s. v. Bardus, — 
5 vfivriTai xal TroirjTal B&gt Strabon. — 6 Appian. Celt. 12. Flor. 3, 2. Valer. Max. 
9, 6, 3. — 7 Athen. 6, p. 246. Vgl. Giraldus de iure et statu Menev. eccles. bei 
Wharton, Anglia sacra. Bd. IL p. 559; Stephens, Lltterature of tfae Kymri etc. 
p. 113. — 8 Athen. 4, c. 37. 



§. 25. Druiden. Politische Verfassung. 87 

brittischeu Inseln aber hielten sich rein von diesen Richtungen. Hier 
standen die Barden in so hohem Ansehen , dass die Ausgezeichnetsten 
unter ihnen ihrem Fürsten, wie Taliesin seinem Könige Urien von 
Reged , wie. Freunde und Hausgenossen in allen Angelegenheiten des 
Krieges wie des Friedens zur Seite waren. Abkömmlinge aus könig- 
lichen Geschlechtern wie Aneurin glänzten als Krieger und Singer, und 
Könige , wie Llywarch Hen , fanden als sie ihren Thron verloren , am 
Hofe anderer Fürsten als Barden eihe ehrenvolle Aufnahme *. In Bri- 
tannien blieb die Dichtkunst und die Musik, als die bevorzugte Be- 
schäftigung des freien Mannes , und in tiefsinniger Weise geübt lange 
Jahrhunderte hindurch Gegenstand der öffentlichen Fürsorge und Ge- 
setzgebung und gelangte als Bildungsmittel des Volkes und der Sitten 
zu weitgreifendem Einfluss. 

In den Händen der Seher lag die Mantik. Ihr liegt der Glaube zu 
Grunde , dass die Götter den Menschen unablässig nahe sind und bei 
ihrer Weltregierung, die alles Grosse und Kleine umfasst, es nicht ver- 
schmähen, ihren Willen zu offenbaren. Aber uYn diese Winke zu ver- 
stehen, bedarf es einer besonderen Fähigkeit, daher ist nur dem Drui- 
den Auge und Ohr für die göttlichen Offenbarungen geöffnet, da nur er 
unmittelbar mit der Gottheit verkehrt. Dfe Mantik spielte bei den aber- 
gläubischen Kelten eine sehr wesentliche Rolle, und keine Handlung 
von Belang wurde begonnen, ohne dass man sich durch den Seher ihres 
glücklichen Erfolges versichert hätte. Vorzeichen fand man in jedem 
ungewöhnlichen Ereigniss, das den friedlichen Zusammenhang zwischen 
Erde, und Himmel zu unterbrechen schien , besonders im Fluge der Vö- 
gel, Gewitter und Sturm. Da es aber das Opfer war, welches den Men- 
schen mit den Göttern in unmittelbare Gemeinschaft versetzen sollte, so 
lag es nahe, hier vor allen göttlicher Offenbarung gewärtig zu sein ; da- 
her betrachtete man nicht nur sorgfaltig die Eingeweide der Thiere, son- 
dern folgte auch gespannt den Zuckungen eines sterbenden Menschen, 
dem ein Schwert in den Rücken gestossen wurde ^. Andere Arten den 
Willen der Götter zu erforschen waren aufmerksame Untersuchung der 
Constellation der Gestirne, Auslegung der Träume ^, nächtlicher Besuch 
der Heldengräber u. s. w. 

Am Ausgedehntesten war die Wirksamkeit des eigentlichen Druiden. 
Sie veredelten, sagt Plinius, durch Untersuchungen über die geheimsten 
und höchsten Wahrheiten die Seele, verachteten das Irdische und ver- 



1 Vgl. Villemarqu6 Bardes Bretons, p. 39—76 der Vorrede. — 2 Strab. 4, 
p. 198. Tertull. de anima 57. Plin. 5, §. 7. 7, f. 2. Gellius N. A. 16, 11. Solin. 21. — 
3 Aelian. y. h. 2, 31. 



SS I^- . Charakter und staatliche Beziehungen der Kelten. 

kündeten die Unsterblichkeit der Seele«. Sie waren die Träger des 
Glaubens und die Lehrer der Jugend, die sich zu ihnen wandte. Neben 
der Unsterblichkeit der Seele lehrten sie die Ewigkeit der Materie, ob- 
gleich deren jetzige Form dereinst durch Feuer und Wasser untergehen 
würde. Wie sie sich die Fortdauer der Seele dachten, ist nicht gewiss ; 
nach Caesar wandert sie aus dem todten Körper in einen neugeborenen, 
nach Diodor erfolgte die Wiedergeburt erst nach einer gewissen Zeit, 
nach Lucan aber vermittelte der leibliche Tod ohne habituelle Verände- 
rung der Seele ein glückliches ewiges Leben * ; an die Pythagoreische 
Metempsychose darf also nicht gedacht werden. Dass man die Fort- 
dauer nach dem Tode nicht bloss geistig dachte, lässt sich aus mehreren 
Angaben entnehmen ; denn alles , was dem Todten im Leben lieb ge- 
wesen war, wurde an seinem Grabe geopfert oder bestieg mit seiner 
Leiche , sei es freiwillig , sei es gezwungen , den flammenden Holzstoss, 
in dessen Gluth man Briefe schleuderte , um sie durch den Hingeschie- 
denen vorangegangenen Freunden zu übersenden , ja man schloss sogar 
Geldgeschäfte mit einander ab und setzte fest, erst im Jenseits das Ge- 
liehene zurückzuerstatten*. Ebenso war ihnen der Glaube an eine über 
alle waltende Vorsehung', die Ueberzeugung , dass ein höheres Wesen 
das Geschick des Einzelnen, wie ganzer Völker leite, nicht fremd. 

Dieses sind die Hauptlehren , die ins Volk drangen ; das Uebrige 
blieb Geheimniss, oder erlitt unächte Beimischungen und entstellende 
Zusätze, in denen die reine Lehre nicht mehr zu erkennen war, schwer- 
lich werden sie dem Polytheismus gehuldigt haben, der sich den übrigen 
Stämmen mitgetheilt hatte. Ihre Moral umfasste hauptsächlich drei 
Sätze, die Götter zu ehren, das Böse zu meiden und Tapferkeit zu üben*. 
Die Aufforderung zur Tapferkeit fand eben einen kräftigen Anhalt in 
jener Unsterblichkeitslehre ; » o glücklicher Irrwahn «, ruftLucan aus, » der 
sie frei macht von dem grössten der Schrecken , frei von des Todes ent- 
kräftender Furcht, darum in den Kampf hin strebt ihr muthiger Sinn 
und die Brust nimmt freudig den Tod auf. Schmachvoll ist es zu schonen 
ein wiedererblühendes Leben«. 

Auch Druidinnen hatten die Kelten; sie waren theils vermählt, 
theils auf eine bestimmte Zeit von der ehelichen Gemeinschaft ausge- 
schlossen, theils für ihr ganzes Leben jungfräulich. Letztere, neun an 
der Zahl, bewohnten die Insel Sena, dem westlichsten Vorgebirge Armo- 
rikas gegenüber und waren im ganzen Keltenlande hochberühmt. Auch 
in ihnen lag das sanctum et providum^ das Heilige und Ahnungsreiche, 



1 Caes. 6, 18. Diod. 5, 28. Lucan. 1, 450. — 2 Mela. 1. c. Diod. 1. c. Val. 
Max. 2, 6, 10, — 3 AeUan.'l. c. — 4 Diog. Laert. 1. c. 



§. 25. Druiden. Politische Verfassung. 89 

was Tacitus besonders den deutschen Frauen zuschreibt^ und der vor* 
überziehende Seefahrer versäumte nicht, Weissagungen einzuholen. In 
stillen Nächten liessen die Jungfrauen ihre feierlichen Gesänge ertönen 
und der Schiffer dachte nur mit Scheu und Ehrfurcht an ihre geheim- 
nissvolle Macht. Andere Druidinnen wohnten auf einer kleinen Insel 
im Qcean an der Mündung der Loire. Zwar verheirathet durfte dennoch 
kein Mann ihrer Behausung nahen und sie selbst nur zu bestimmter 
Zeit ihrem Gatten einen Besuch abstatten; in der Abenddämmerung 
verliessen sie alsdann ihr Eiland auf leichter Barke und brachten die 
Nacht in eigens dazu gebauten Hütten zu; sobald aber die Sonne ihre 
ersten Strahlen entsandte , entrissen sie sich dem Arme des Gatten und 
eilten in ihre Einsamkeit zurück. Ein Hauptfest begingen sie im Jahre : 
In einem einzigen Tage vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergange 
mussten sie das Dach ihres Tempels abtragen und durch ein neues er- 
setzen. Am festgesetzten Tage^ "Sobald der erste Sonnenstrahl erglänzte, 
begaben sie sich zum Tempel mit Epheu und grünen Laubgewinden ge- 
schmückt und begannen eifrig das vorgeschriebene Werk; wobei keines 
der geweihten Materialien zu Boden fallen durfte. Wehe der Unglück- 
lichen, der dieses begegnete ! Wie vom Wahnsinn ergriffen warfen sich 
alle auf ihre Gefährtin , rissen sie in Stücke und schleuderten ihr Ge- 
bein weit umher * . Von ihrer sonstigen Wirksamkeit wissen wir nur 
wenig , Weissagungen und Orakel zu ertheilen scheint ihre besondere 
Beschäftigung gewesen zu sein , so erzählt Flavius Vopiskus , dass der 
Kaiser Aurelian gallische Druidinnen um den Fortbestand seiner Herr- 
schaft befragte*, und dass Diocletian die Weissagung von seiner hohen 
Würde von einer Druidin im Tungernlande erhielt' und Aelius Lam- 
pridius berichtet , wie eine Druidin dem Kaiser Alexander Severus auf 
seinem verhängnissvollen Heereszuge die bedeutsamen Worte nachrief: 
Ziehe hin, aber- hoffe nicht auf Sieg noch vertraue deinen Soldaten*. 
Endlich suchten auch die Druidinnen den Muth und die Kampfeslust 
der Krieger anzufachen und sie zu begeistern. Als der römische Feld- 
herr Faulinus Suetonius die brittische Insel Mona angriff, standen die 
Druiden am Ufer und schleuderten ihre Verwünschungen gegen die an- 
ziehenden Feinde, während Druidinnen mit aufgelöstem Haare bren- 
nende Fackeln schwangen '^. Jedoch haben niemals Druidinnen unter 
den Kelten eine solche Bedeutung erlangt, wie unter den alten 
Deutschen eine Veleda, eine Aurinia, eben weil die Deutschen eine 
zarte Scheu vor der innigen Tiefe und unberührbaren Reinheit des 



1 Strab. 4, p. 198. — 2 Vopisc. Aurel. 44. — 3 Vopisc. Numer. 13.-4 Lam- 
prid. Alex. Sev. 40. — 5 Tao. Ann. 14, 30. 



90 IX- Charakter und staatliche Beziehungen der Kelten. 

weiblichen Gemüthes besassen , welche den heissblütigen Kellten voll* 
ständig abging. 

Wenige Nachrichten sind uns ebenso zugekommen über die Art der 
Gottesverehrung; Tempel werden erst spät genannt, Caesar fand nur 
geheiligte Stätten (loca consecrata); namentlich waren Eichenhaine 
Gegenstand besonderer Verehrung und dem Gottesdienste geweiht. 
Einen solchen schildert uns in schönen Zügen folgendermassen Lucan* : 

Siehe da stcuid ein Wald, seit unvordenklichen Zeiten 
Nie vom Beile verletzt j mit dicht verschlungenen Aesten 
Wehrt er in schattiger Kühle dem Strahl der Sonne, behütend 
Heilige Nacht; nicht Fane, des Feldbaus Pfleger, beherrschten 
Nicht die mächtigen Sylven den Hain, noch gütige Nymphen, 
Nein ein barbarischer Cult mit grausam dampfendem Altar. 
Jeglicher Baum trof menschliches Blut unheimlichen Göttern. 
Ja wenn Glauben verdient der Wunderglaube der Vorzeit, 
Mieden die Vögel sogar auf seinem Gezweige zu sitzen, 
Mied es das Wild zu lagern im Hain , nie wagte der Wind sich 
Küttelud an ihn, nie zuckte ein Blitz aus schwarzem Gewölke 
Nieder zu ihm, nie regt in den Blättern sich säuselnd ein Lufthauch, 
Sondern es zittert das Laub in eigner Bewegung erschauernd, 
Während aus schwärzlichen Quellen und trüb das Wasser dahinrinnt. 
Traurig starren geformt aus ungehauenen Stämmen 
Ohne Kunst und Gestalt die Bilder der finsteren Götter. 
Schauder erregt die Verlassenheit, der vermorschenden Klötze 
Bleichere Färbung und grössere Furcht verbreitet der Gottheit 
Ungewohnte Gestalt, denn fremde Götter erzeugen 
Durch das Geheimniss heilige Scheu ; aubh meldet die Sage, 
Von Erdbeben durchhöhlt aufstöhne die Wölbung des Bodens, 
Aber vom Falle erhöben sich neu die Taxus ; im Feuer 
Ohne zu brennen stehe der Hain, es ringelten Drachen 
Sich um die Stämme und flögen umher, die Leute vermieden 
Hier in der Nähe den Boden zu bau'n , den Ort des Entsetzens 
Ueberlassend der göttlichen Macht ; ob Fhöbus im Laufe 
Schreite zur Mittagshöh', ob finster über dem Himmel 
Brüte die Nacht, es scheue sog^ar der Priester des Ortes 
Nähe, besorgend er möge dem Herrn des Waldes begegnen. 

Wie bei allen Völkern bildete auch bei den Druiden den Mittel- 
punkt ihres Cultus das Opfer und zwar das blut^e Menschenopfer war 
das beliebteste^ das Leben im düstern Schatten der Wälder liess das 
Gefühl der Schuld um so tiefer erwachen ; anderseits glaubte man der 
Gottheit das Edelste zu bringen^ was sie geschaffen. Kriegsgefangene 
und Verbrecher traf meist das Loos, unter dem Messer des Druiden zu 
verbluten^ auch wohl Unschuldige in Ermangelung schwerer Missethä- 



1 Lucan. 3, 399 ff. Vgl. Statii Theb. 4, 419 ff. ßeaec Oed. 541 ff. 



§.25. Druiden. Politische Verfassung. 91 

ter*. Bei einigen Stammen bildete man ungeheure Götterbilder aus 
Weidengeflechten, füllte deren Glieder mit lebenden Menschen an und 
weihete die Unglücklichen dem Flammentode, indem man das Ganze 
von unten nach oben anzündete*. Ausgehend von dem Glauben, dass 
für ein Menschenleben wieder ein Menschenleben fallen müsse , pflegte 
der vornehme Kelte desshalb, wenn er an schwerer Krankheit damie- 
derlag oder zur Schlacht auszog, ein Menschenopfer zu geloben , dessen 
Verrichtung dann dem Druiden oblag. Mit Eichenlaub bekränzt, in 
weissem Gewände trat dieser heran und «tiess seinem Opfer das Messer 
in den Rücken, bei den nöthigen Wendungen während des Gottes- 
dienstes sich von Morgen nach Abend drehend, dem Lauf der Sonne 
zugewandt'. •=— Um den Segen des Himmels zu erflehen , hielten die 
Druiden feierliche Umzüge , wobei Götterbilder in weisse Tücher ge- 
hüllt umhergetragen wurden ; um den Glauben der Menge an Vorher- 
sagung künftiger Ereignisse zu steigern, wussten sie den Bildnissen ge- 
schickt künstliche Beweguttgen zu verleihen , als wollte die dargestellte 
Gottheit dadurch eine Vorbedeutung geben *. 

Schon aus dem Gesagten erhellt, welchen überwiegenden Einfluss 
die Druiden über die politischen Verhältnisse ihres Vaterlandes ge- 
winnen musöten. An den Druiden , den besondern Freunden und Ver- 
trauten der Götter, wandte sich der abergläubische Kelte, um bei jeder 
wichtigen Handlung den Willen der Himmlischen zu erfragen , ihren 
Zorn zu sühnen und ihren Segen zu erflehen ; ihn suchte er auf, wenn 
er rath- und thatlos dastand und folgte willig und gehorsam seinem Aus- 
spruch. Fast über alle Streitigkeiten in Sachen des Staats und des Ein- 
zelnen entschied des Druiden Wort, er richtete den Verbrecher, schlich- 
tete Grenzstreitigkeiten und Erbschaf tsprocesse und überliess in vielen 
Fälen den Staatsbeamten das Executionsrecht. In gleicher Weise er- 
kannte er verdienten Bürgern Belohnungen zu und verhängte Strafe 
über den Frevler. Fügte sich der Verurtheilte dem Spruche nicht, so 
traf ihn die allerschwerste bürgerliche Strafe , der Bannstrahl , der ihn 
im staatlichen Verbände in völlige Bedeutungslosigkeit herabdrückte; 
ausgeschlossen von der Gemeinschaft der Opfer sah er sich von Jeder- 
mann gemieden ; Jeder fürchtete mit ihm verkehrend von der Gottheit 
bestraft zu werden, wich ihm aus dem Wege und liess seinen Gruss un- 
erwidert; keine Ehrenstelle im Staate war ihm zugänglich, kein Gesetz 
schützte ihn *. Jährlich zu festgesetzter Zeit hielten die Druiden einen 
grossen Gerichtstag im Lande der Camuten , das für den Mittelpunkt 



1 Caes. 6, W. Diod. 5, 32. — 2 Caes. 1. c. — 3 Plin. 16, §. 95. 24, §. 62. — 
4 Plin. 28, $. 5. Athen. 4, 36. — ~5 Caes. 6, 13. Btrab. 1. e. Diod. 1. c. 



92 IX. Charakter und staatliche Beziehungen der Kelten. 

der keltischen Erde galt. Hier wurden vor ihrem Forum alle wich- 
tigeren Rechtshändel und zwar in letzter Instanz zum Austrag gebracht 
und jede Partei hatte sich ihrem Spruche zu fügen. Zur Zeit ihrer Macht 
leiteten sie die , Politik der einzelnen Staaten und gaben oft ihnen das 
Oberhaupt ; so besetzten sie im Lande der Haeduer die Stelle des Ver- 
gobreten oder Rechtwirkers. Selbst in der Hitze des Streites galt ihr 
Wort, ehrfurchtsvoll sanken die Waffen, wenn sie zwischen die Schlacht- 
reihen traten und die fehdelustigen Stamme zu friedlichem Vergleiche 
bestimmten. Kurz, so lange keltisches Leben und keltische Sitte sich 
kräftig erhielt, •waren die Druiden die Lenker und Regierer des Volkes 
und der Kern und der Schwerpunkt der Nationalitat. 

Britannien war die Heimath des Ordens. Hier bestand das Institut 
in seiner einfachen Form fort, von hier war es nach Grallien verpflanzt. 
Noch zu Caesars Zeit zog daher die gallische Jugend zu den Inseln , um 
tiefer in die Erkenntniss des ursprünglichen Sinnes der Lehre einzu- 
dringen. In Irland hat sich druidische Lehre am Längsten gehalten. 
Nach den Annales Dungallenses dauerte der Kampf des Christenthums 
mit ihm bis in das sechste Jahrhundert und der Apostel Irlands ^ der 
heilige Patrik fand, wie sein Biograph berichtet, an den Druiden den 
zähesten und verbissensten Widerstand. Gallien und Britannien sind 
es jedoch nur, in denen sie geblühet haben, von den übrigen keltischen 
Stämmen wissen wir. nicht, ob auch sie Druiden hatten*. Als Caesar 
nach Gallien kam , war ihr Ansehen bereits tief gesunken , und gewiss 
verdankte er seine Erfolge vielfach dem Zwiespalt, der sie und den Adel 
auseinanderhielt. Mit dem Erscheinen der Römer endete ihre politische 
Gewalt, nur ihr kirchliches und wissenschaftliches Walten blieb unge- 
schmälert, bis Augustus allen druidischen Gottesdienst den römischen 
Bürgern untersagte. Claudius * ging noch weiter, er hob durch ein förm- 
liches kaiserliches Dekret ihren Religionscultus auf und verbot ihn so- 
gar in Gallien ^. Doch erlosch ihr düsterer Glaube nicht sofort, sondern 
unbeugsam zogen sie sich in die Wildniss des Gebirges zurück zu den 
sturmgepeitschten Ufern der Bretagne und lehrten und wirkten hier im 
Stillen und wussten sich sogar in Rom noch Eingang zu verschaffen. 
Menschen bluteten unter ihrem Messer noch im dritten Jahrhundert^. 
Aber im Ganzen und Grossen war ihre Macht dahin ; bald verschmolzen 



1 Fetigny spricht irrig in seinen Etiides sur FhUtoire , les Iota et les instttttdotu 
de Pepoque Merovingienne auch den Beigen die Druiden ab, denn Diocletian erhielt 
in Belgien seine bekannte M^eissagung von einer Druidin, und Britannien das Haupt- 
land der Druiden war zu einem nicht geringen Theile von Beigen bevölkert. — 
2 Suet. Claud. 25. Flin. 30, 1, 4. Aur. Vict. 4.-3 Suet. Claud. 2&. Plin. 30, I, 4. 
Aur. Vict. 4.-4 TertulL Apol. 9. 



§. 25* Druiden. Politische Verfassung. 9S 

auch die Gallier ihre religiösen Vorstellungen mit den Bildern und Ge- 
stalten des römischen Polytheismus^ ob\eohl der Einfluss druidischer 
Ideen noch lange hindurch nachhaltig blieb und auf das Gemüth des 
Galliers einwirkte , bis das Christen thum mit seiner milden versöhnen- 
den Lehre neben dem Heidenthume die letzten Erinnerungen und Ge- 
bräuche aus dö!r alten Naturreligion besiegte» 

Je fester und geschlossener die Fugung der religiösen Gemeinschaft 
war, um so schlaffer und lockerer waren die Sande der bürgerlichen 
und staatlichen Ordnung. Denn auch in der politischen Entwicklung 
der keltischen Nation spiegelt sich klar ihr unstater und unruhiger Cha- 
rakter ab und man kann behaupten^ dass fast alle staatlichen Formen 
von ihr versucht sind^ ohne dass eine kräftig aufrecht erhalten wäre und 
ihren Hang zur Farteiung besiegt hätte. Die erbliche Königswürde, an 
welche Namen wie Ambiatus erinnern , scheint früh in den Kämpfen 
mit dem herrschsüchtigen Adel zertrümmert worden zu sein und an die 
Stelle des Königthums trat die Clanverfassung, durch welche das grosse 
Ganze auseinanderging und in viele kleine von einander unabhängige 
Staaten sich auflöste. In diesen einzelnen Gauen führten die Häupter 
der Aristokratie die Eegierung, mehr oder weniger geleitet von den 
Druiden und dem Käthe der Aeltesten. Die grossen Kitterlamilien ver- 
einigten in ihrer Hand die ganze Fülle der Macht und kehrten diese 
verderbend und zerstörend gegen die Gemeinfreien, die von vornherein 
schon jeder politischen Geltung beraubt waren, so dass diese, um per- 
sönlichen Schutz zu finden, sich ihrer Freiheit entäusserten und recht- 
lich zu den Eittern in das Verhältniss von Hörigen traten. Umgeben 
von einer Anzahl gelöhnter Reisigen , den sogenannten Ambakten , mit 
den Häuptern anderer Clans durch Verträge oder Blutsverwandtschaft 
eng verbunden trotzten die Mächtigen dem Gesetze und dem Landfrie- 
den und übten ruhig und ungehindert das Faustrecht aus *. Erst die von 
Aussen drohende Gefahr warf dieses Unwesen nieder und schien das 
Gefühl der nationalen Einheit und Zusammengehörigkeit wecken zu 
wollen, wiederum jedoch in einer eigen thümlichen, der eifersüchtigen 
Persönlichkeit der Nation angemessenen Art. Es traten nämlich meh- 
rere Clans zu Gruppen zusammen , die Caesar Sonderbünde , factioneSy 
nennt. Gewöhnlich standen zwei Sonderbünde nebeneinander, aus 
deren beider Mitte immer ein Stamm die Bundesleitung in Händen 
hatte *. Die Verfassung war also eine Art Hegemoniesystem , auf krie- 



1 »Die Freiheit der Kelten war Rechtslosigkeit ; eine wesentliche Unfähigkeit, 
durch Gesetze zu bestehen , unterscheidet sie als Barbaren von Hellenen und Itali- 
kem«. Niebuhr, R. G. II, S. 590. (2. Aufl.) — 2 Caes. 1, 31. 



94 IX- Charakter und staatliche Beziehungen der Kelten. 

gerischer üebermacht beruhend. An der Spitze jedes Clans stand dem* 
gemäss der Häuptling — princepa — ,* der sich wiederum dem Ober- 
häuptling — princ^a civitatis — unterordnete^ wie dieser den Bundes- 
häupteni y den principes factianum. War nur eine Faktion im Lande, 
so war der Oberhäuptling desjenigen Landes , welches die Hegemonie 
besass, Bundeshaupt von ganz Gallien , wie Caesar dieses von dem Ar- 
vemer Celtillus erwähnt ^ Der führende Clan musste dann die seinem 
Verbände angehörenden nach aussen hin vertreten und in Staatsver- 
trägen für ihn. mit stipuliren^ der untergebene ihm aber Heeresfolge 
leisten. Zu erwähnen ist noch das condlium totius GalUae^ welches aus 
den Oberhäuptlingen bestehend eine grosse Macht besass und sogar 
gegen den Antrag des Oberfeldherm bindende Beschlüsse fassen konnte. 
Der Senat bestand aus dem vornehmsten Adel, seine Thätigkeit aber 
kennen wir nicht genau^. 



1 Caes. 7, 4. — 2 Caes. 2, 5. 28. 3, 16. 



Besonderer Theil. 



Die Gallier in Italien, Griechen- 
land und Asien. 



Erster Abschnitt. 

Die Gallier in Italien. 



Capitel I. 

Die Einnahme Roms. 

Die Umbrer keine Kelten. 

Eine alte Ueberlieferung, aufbewahrt bei den Geschichtsschreibern 
der nachcl assischen Zeit Roms und wieder aufgegriffen und vertheidigt 
'von neuern, meist französicheii Forschern * , nennt uns als das erste kel- 
tische Volk, das sich in Italien niederliess, die Umbrer. Es war dieses 
eine gelehrte Meinung von dem vielfach bei Plinius angeführten Corne- 
lius Bocchus , unterstüzt durch die Aussage des M. Antonius Gnipho, 
eines geborenen Galliers, der Caesars Lehrer war. Allein dieser Angabe 
stehen zu bedeutende Autoritäten entgegen, als dass wir ihr beipflichten 
könnten, und das um so mehr, wenn wir bedenken , dass sehr viele Na- 
tionen, deren Ursprung sich in die Dunkelheit der ersten Zeitalter ver- 
liert, als Kelten oder Skythen betfachtet wurden, abgesehen davon, 
dass §olins Bericht von keinem Schriftsteller einer Würdigung werth 
gehalten wird. So erklärt Plinius^ die Umbrer für das älteste Volk Ita- 
liens, und gibt als Jahr der Gründung von Ameria, der umbrischen 
Hauptstadt, nach Cato 964 Jahre vor dem Kriege mit Perseus an, d. h. 
381» vor Rom. Geht auch diese Epoche, die an die heroische Zeit streift, 
zu hoch hinauf, als dass sie dem Verdachte eines poetischen Ursprungs 
entgehen könnte , immerhin lässt sich daraus entnehmen, dass das Volk 



1 Solin. 8. Serv. ad. Aen. 12, 753. leid. orig. 9, 2. Tzetzes in Lycophr. p. 199. 
Thierry, bist, des Gaulois I, p. 41 der Vorrede. Jean Pic6t, bist, des Gaulois I. 
u. 8. w. — 2 Plin. 3, 14, 19. 

C o n t z e n , Wanderungen der Kelten. 7 



9S ^- ^i^ Einnahme Borns. 

zu alt ist, um als eine Keltenkolonie betrachtet werden zu können. 
Nicht minder wichtig und überzeugend ist der-Umstand , dass die Um- 
brer das herrschende Volk von ganz Mittelitalien waren und von den 
einwandernden Etruskern besiegt* sich auf ihr schmales Gebirgsland 
diesseits des Padus und noch einige Striche jenseits desselben einschrän- 
ken mussten. Erbaut und beherrscht von Umbrern waren die etrus- 
kischen Städte Clusium , Cortona , Perusia , ja sogar Reate im Sabiner- 
land*. Die neuesten Forschungen haben ergeben, dass die Umbrer ein 
Zweig der alten Italioten oder des grossen mit den Griechen stammver- 
wandten Volkes waren , das für uns als die Urbevölkerung Italiens gel- 
ten muss. Vgl. Niebuhr, Rom. Gesch. Bd. I. p. 149. Die Schriften 
von Grotefend, Altitalien IV, p. 6. — Rudimenia lingtme Umhricae 
ex inscriptionibus aniiquis enodata. — Abeken, Mittelitalien p. 18 ff. 
C. O. Müller, Etrusker I. p. 102 ff. Lepsius, de Eugubinis tabulis. — 
Kaempf, Umbricorum specimen. 

§. 2. 
Der Zug des Sigovesus und BeUovesuB in geschichtlicher Beziehung. 

Die ältesten Wanderungen der Gallier nach Italien und den Her- 
kynien finden wir bei Livius und in unbestimmterer Gestalt auch bei 
Trogus erzählt, Berichte von nicht geringer Wichtigkeit, da sie von* 
einheimischer Tradition getragen werden, die letzterer als Vokontier bei 
den transalpinischen Galliern , ersterer als Veneter wahrscheinlich bei 
den cisalpinischen vorfand. Zur Zeit des Tarquinius Priskus , erzählt 
Livius, herrschte bei den Biturigern , welche mächtiger als die übrigen 
gallischen Völkerschaften den reinen Kelten an der Sequana und dem 
Liger vorstanden , Ambiatus , reich an Macht und Ruhm und gesegnet 
von den Göttern mit Fruchtbarkeit der Felder und der Frauen. Er war 
aber schon hochbetagt und da er sich unfähig fühlte , üjper die trotzige 
Jugend kräftig die Zügel der Regierung zu führen, beschloss er, bemüht 
zugleich, das Land vor lieber Völker ung zu schützen, die Söhne seiner 
Schwester den Sigoves und Belloves^, nachdem die Götter ihren Wil- 
len durch Zeichen kundgethan, als Führer einer unwiderstehlichen 
Menge fortzusenden ; den Sigoves wies der Wink der Götter nach dem 



1 Herod. 1, 94- Skymnos 220. Plin. 3, 5, 8. Strab. 5, p. 21«. — 2 Clusium 
s. u. §. 12. — Cortona: -Dionys. Hai. ], 19. 26. — Perusia: Serv. ad Aen. 
10, 201. — Reate: Zenodot. ap. Dionys. 1, 20. — 3 Liv. 5, 34. — Leo (Univ. 
Gesch. 3. Aufl. II, p. 5.) erklärt ihre Namen auf mythologischem Wege , Belloves 
als Diener des Sommer- oder Sonnengottes, Sigoves, als der des "Winter- oder 
Erdgeistes. 



Der Zug des Sigovesus und Bellovesus in geschichtlicher Beziehung. 99 

herkynisclieii Waldgebirge , den Belloves aber nach, Italiens sonnenhel- 
len Fluren. Ihm folgten Bituriger, Arverner, Senonen , Haeduer, Am- 
barren, Carnuten und Aulerker. Aber im Lande der Trikastiner thürmte 
sich ihnen scheinbar unüberwindlich hoch und steil eine natürliche 
Mauer entgegen ^ das Alpengebirge. Da kamen Fremdlinge zu ihnen, 
um Hülfe und Beistand bittend: Massilier, deren aufblühende Stadt 
von den neidischen Ligyern belagert wurde. Bereitwillig gewährten 
die Gallier den Abgeordneten ihre Bitte, indem sie ein Bild ihres eignen 
Schicksales in dem der Phokäer zu erblicken glaubten; unversehens 
wurden die Ligyer angegriffen und so aufs Haupt geschlagen , dass sie 
nicht nur die Belagerung, sondern auch das eroberte Land aufgeben 
mussten. 

Hierauf zogen die Gallier weiter ihrem Ziele zu und stiegen durch 
die taurinischen Alpenpässe in Italien hinab. Zu verbinden ist mit 
dieser Ueberlieferung der Roman bei Dionys und Plutarch, aus welchem 
diese die Ursache der Keltenbewegung nach dem Westen herleitend 
Aruns^ ein angesehener Clusiner, war Vormund eines Lukumonen, der 
reich wie Niemand in Clusium, zugleich seiner wunderbaren Schönheit 
wegen Gegenstand allgemeiifer Bewunderung war. Dieser lebte von 
Kindlteit an bei Aruns und verliess sein Haus auch als Jüngling nicht, 
enge Bande der Freundschaft an seinen Wohlthäter vorschützend, und 
lange Zeit blieb es verborgen , dass er Aruns Gattin verführt hatte oder 
von ihr verführt war. Als aber die Leidenschaft Beider einen so hohen 
Grad erreicht hatte, dass sie ihre Begierde weder zu unterdrücken noch 
weiter zu verbergen vermochten, wagte der undankbare Jüngling es, die 
Frau seines väterlichen Freundes zu entführen und offen mit ihr zu 
leben. Aruns aber wurde von dem Lukumonen und dessen zahlreichen 
Freunden vor Gericht überboten und vermochte nicht das verbrecherische 
Paar zur verdienten Strafe zu ziehen; erbittert verliess er daher die 
Stadt und begab sich zu den Galliern, von deren Macht er gehört; be- 
lud seine Saumthiere mit köstlichem Wein und prächtigen Feigen und 
lud sie ein , ein Land in Besitz zu nehmen , dessen Boden so herrliche 
Früchte trüge, aber von einem unwürdigen Volke bewohnt werde. Freu- 
dig folgten sie seinem Rufe, ergriffen die Waffen und zogen unter seiner 
Führung mit Weib und Kind den gepriesenen Fluren zu. 

Die Volksüberlieferung ist nun zwar ein gutes Hülfsmittel für die 
Erforschung namentlich der vorhistorischen Vergangenheit, niemals 
darf sie aber als alleinige Quelle der Wahrheit ohne Bestätigung ange- 



1 Dionys. 13, 14: ^H 61 ahia rrjg ig "'IraX^ap rdiv KelTcSv nipC^Etog rotd^a 
Tjv» — Plut. Camill. 15. 

7* 



\ 00 ^* ^^® Einnahme Roms. 

sehen werden. Insofern bedarf also auch Livius einer Bestätigung von 
anderweit her, besonders des Beweises seiner lieber einstimmun g mit 
den aus unverdächtigen Quellen geschöpften Resultaten. Allein nur 
Einer hat diese Tradition , wenn auch in verschwommener Gestalt uns 
bewahrt : TrogusPompejusin den von Justin verfassten Excerpten seines 
gi'ossen leider verloren gegangenen Werkes; seine Heimath war das 
transalpinische Gallien (Justin. 43, 5.) und die Sagen seines Vater- 
landes waren ihm gewiss höchst geläufig. Wir müssen uns mit den kar- 
gen Nachrichten begnügen , die der gedankenlose Epitomator uns mit- 
theilt ; sicherlich hat Trogus länger bei Geschichte der glänzenden Vor- 
zeit seines Volkes verweilt, wie die uns erhaltenen Prologe bezeugen (vgl, 
prol. XX. XXIV. XLIII.). Justin aber spricht nicht einmal davon, 
woher die nach Italien wandernden Gallier gekommen seien, ob von 
Westen oder von Osten, von Gallien oder den Donauländern; Polybios 
ist leider auch etwas kurz, wo er über die gallischen Kriege spricht, und 
erwähnt nur , bezaubert durch das schöne Land seien die Gallier einge- 
brochen*. Bei Livius sowohl wie Trogus finden wir als Motiv der Kel- 
tenbewegungen übergrosse Fruchtbarkeit angegeben , was uns auf den 
ersten Blick wenig Vertrauen einflösst. Allein die Nachricht von bür- 
gerlichen Unruhen bei Justin lässt sich damit wohl vereinen ; eirife kräf- 
tige, kriegerische Jugend, dürstend nach Abenteuern, mochte herange- 
wachsen sein , die im Gefühle ihrer Kraft , wie es bei Naturvölkern ge- 
wöhnlich ist, unter sich die Künste und Gefahren des Krieges übte und 
trotzig sich dem Arme des Gesetzes entzog. Da war es allerdings rath- 
sam, einen Abfluss der reissenden Woge zu bahnen, die das eigne Land 
zu überfluthen drohe te. 

Ein anderes Element, das wir in späteren Wanderungen der Gal- 
lier mehrmals wiederfinden , lässt sich auch hier nicht verkennen ; es 



1 Polyb. 2, 17 : Kcna ttjv naQtid^saiv Ktkroi xai tt^qI to xdXXog rrjg /ö>()«ff 
offd-aXfxinaavTeg ix fiiXQcis TTQOtfdaeiog ibtfydXrj OTQCCTia inflO^orrfg , i^^ßalov ix Trjs 
71€qI Tot' nd^ov /(OQag Tvii(}rivovg xal xuxioxov avxol tu Tisdüt, Justin lässt sich 
also aus : Galli abundanti nudtUudine , cum eoa non caperent terrae , qucie genuerani, 
trecenta millia hominum ad sedes novas quaerendas velut ver sacrum miserunt. Ex his 
portio in Italia consedit , quae et urbem Romam captam incendit ; et portio lUyrtcos 
siniis ducihus avibus {nam augurandi studio praeter ceteros callenf) per strages barba- 
rorum penetravit et in Pannonia consedit : gens aspera , attdax , bellicosa , quae prima 
post Herculem , cui ea res et virtutis admirationeni et immortalitatis ßdem dedit , M" 
pium invicta iuga et frigore intractahilia loca transcendit : ibi dotnitis Pannoniis per 
multos annos cum ßnitimis varia bella gessei^unt. 24, 4. Zu vervollständigen ist die- 
ser Bericht, der mit dem livianischen unverkennbare Aehnlichkeit hat , durch eine 
andere Stelle bei demselben : Gallis causa in Italiam veniendi sedesque novas quae- 
rendi intestina discordia et assiduae domi dissensiones, 20, 5. 




§. 1. Der Zug des Sigovesus und Bellovesus in geschichtlicher Beziehung. ] Ql 

ist die Sanktion des Auszuges durclv die Regierung, überhaupt die ge- 
setzliche Form desselben. Nur mit dem Willen des Königs, nach reli- 
giöser Weihe und Befragung des göttlichen Willens treten die Schaaren 
ihren Marsch an, und zeigt sich auch Habgier und Beutesucht als Haupt- 
motiv ihrer nachmaligen Züge im Vordergrunde, so gingen diese gewiss 
nie anders als mit Genehmigung der Volksversammlungen vor sich. So 
führt Polybios mehrere Reden in denselben , welche zum Zweck einer 
allgemeineren Theilnahme und zur Unterstützung der italischen Kel- 
ten gehalten wurden , an und einen sehr anschaulichen Beleg des Ge- 
sagten gibt Livius in seiner Darlegung des letzten Einfalles der Trans- 
alpiner in Italien. Da die ausziehenden Gallier ohne Einwilligung des 
Volkes eigenmächtig gehandelt hatten, wurden sie auch vom eigenen 
Volke zur Rückkehr verurtheilt , und mussten die Ansiedelungen auf- 
geben*. 

Aus dem Gesagten geht hervor, dass der reelle Grund in Livius' 
und Justins Berichten Uebervölkerung und dadurch hervorgerufene 
innere Wirren und Unruhen waren.. Schwerlich hat also Livius die 
Sage erdichtet , noch weniger ist der Bellovesuszug ein Erklärungsver- 
such der Kelten in Italien ; mit viel grösserer Wahrscheinlichkeit lässt 
sicTi dieses von dem Sigovesuszug behaupten, wie wir gleich sehen wer- 
den. Niebuhr's Hypothese, die Iberer hätten den Anstoss zu den Be- 
wegungen der Gallier gegeben , haben wir bereis oben besprochen und 
ihre Unwahrscheinlichkeit gezeigt. 

Was endlich die Erzählung von der Rache des Clusiners angeht, 
so diene zur Würdigung derselben Folgendes : Polybios scheint sie nicht 
zu kennen*, wahrscheinlich brachte sie Poseidonios auf, von dem sie 
der belesene Dionysios und spMer der nach Anekdoten haschende Plu- 
tarch entnahm. Sie hat entweder ihren Grund in der bekannten Trunk- 
liebe der Gallier und ist eine derselben angepasste Fabel, oder sie setzt 
voraus, dass die Senonen sich schon der Padusgegenden bemächtigt hat- 
ten. Ist sie also nach einer wahren Thatsache entstanden , so mag die 
Rache des Entehrten die Ursache eines der späteren Züge gewesen sein, 
als bereits Senonen unweit von Cl^isium auf dem Gebirge wohnten. 
Endlich hat Plinius eine ähnliche Nachricht : Heliko , ein helvetischer 
Werkmeister, der zu Rom arbeitete, habe seinen Landsleuten bei der 
Rückkehr Feigen, Oel und Trauben mitgebracht und dieselben durch 
die Trefflichkeit der Früchte zur Wanderung nach Italien verlockt. Zu 
bemerken ist schliesslich, dass die Sage von den zugebrachten Früchten 



1 Liy. 39, 22. — 2 Sie müssten denn in den Worten Ix fiixqag Tigocfdaitog an- 
gedeutet liegen. Folyb. 2, 17. 



1 02 1* ^^^ Einnahme Roms. 

jedenfalls jünger ist als der Bellpvesus des Livius, denn nach Fene- 
Stella ^ gab es zur Zeit des Tarquinius Priscus in Italien noch kein Oel ; 
interessant ist sie aber als Andeutung des alten Handelsverkehrs zwischen 
Italien und den transalpinischen Völkern. 

In chronolpgischer Beziehung. 

Dürfen wir nun auch den grössten Theil der Erzählung dieser 
Wanderung, wie sie bei Livius vorliegt, in pragmatischer Hinsicht als 
wahr anerkennen, so können wir nicht dasselbe Urtheü fällen hinsieht- 
lieh der Chronologie, deren Unrichtigkeit zuerst erkannt zu haben, 
Niebuhrs Verdienst ist*. Unter der Regierung des Tarquinius Priskus 
habe sich der reissende Völkerstrom Galliens über die Padusebenen er- 
gossen, behauptet Livius und bekräftigend setzt er hinzu: Nam eos, qui 
Clttstum oppugnaverint i non fuisse, qui primi Alpes transierint, satts 
constat^. Man erkennt bald die losen Fäden dieser Angabe, sie laufen 
in der Hülfeleistung zusammen , welche die Massalioten angeblich von 
Bellovesus erhielten ; Massilia aber wurde von den flüchtigen Phokäem 
um OL 45, zur Zeit, als der ältere Tarquinius in Rom das Scepter führte, 
erbaut*. Hiergegen sprechen nun die gewichtigsten Gründe, als dass 
wir darin Livius beistimmen könnten : Denn zuvörderst waren zur Zeit 
Herodots die Länder am Padus und der südlichen Seite der Alpen noch 
im Besitz der Umbrer, Etrusker und Ligyer* und im herkynischcn 
Walde kennt er an den nachherigen Sitzen der Kelten nur Triballer an 
der Morawa, Sigynnen im Norden des Ister und Heneter am adriatischen 
Meere ; Kelten selbst kennt er nur im ^ussersten Westen bei den Ky- 
nesiern, wie oben bereits besprochen ist®. Sodann weiss die massalio- 
tische Stadtgeschichte "^ nichts von einer Unterstützung wandernder Bar- 
baren, sondern als die Ligyer damit umgingen die Stadt, deren blähen- 
des Emporkommen ihren Neid erregte, zu zerstören, suchten sich die 
gewarnten Einwohner selbst zu schützen und thaten es auch. In der 
Folge stimmt ferner Livius mit seijien eignen Worten nicht überein; er 
legt den Etruskern, welche von den Vej entern um Hülfe gegen Rom 
angegangen werden , die Worte in den Mund , sie selbst könnten keine 
Mannschaft entbehren, weil sie vor den Galliern , »einem nie gesehenen 
Volke« das eigne Land zu vertheidigen hätten. Kurz darauf werden die 



1 Fenest. ap. Plin. 15, 1. — 2 Niebuhr, Römische Geschichte II, p. 575 ff. 
(2. Aufl.). — 3 Schon dieses ^'satis constat^^ ist etwas anstössig ; vgl. 3S : Et Pri' 
ffemi bavem locutum satis constat, -^ 4 Timaeus ap. Scymn. Chium 210. Justin. 
43, 3.-5 Herod. 4, 49. 5, 9. — 6 Vgl. oben Cap. III. §. 8. — 7 Justin. 1. c. 



§.3. In chronologischer Beziehung. 103 

Kelten nochmals in ähnlicher Weise als, »neue Nachbaren, herziehend 
vom Qcean und den äussersten Küsten der Erdea bezeichnet*. 

Von Wichtigkeit ist ferner das Zeugniss von Cornelius Nepos*, 
wonach Melpum, eine alte reiche Stadt Oberitaliens, an demselben Tage 
von den Galliern eingenommen wurde, an welchem M. Furius Camillus 
Veji eroberte; es fiel aber Veji kti tbhre der Stadt 359, sechs Jahre vor 
der Einäscherung Korns. Ist es nun wohl voraussetzbar , dass die Gal- 
lier, dieses unruhige von so unstätem Hange stets befangene Volk^ zwei 
Jahrhunderte in seinem engen Walle ruhig gesessen , ohne auf Erweite- 
rung seines Gebietes bedacht gewesen ztt sein? Vermochte Melpum, so 
reich es sein konnte, wohl eine so lange Belagerung auszuhalten , wenn 
der übermächtige Feind vor den Mauern lag und die Bestellung des 
Feldes hinderte. Zwar führt Duncker in seinem meisterhaften Werke 
über Deutschlands Urgeschichte^ als Gegenstück dazu die Worte des 
Plinius an : Mantua Tuscorum trans Padum sola reliqua und folgert 
daraus, es sei nie erobert worden,* allein Mantua wurde in der Folge der 
Haupto^t der Cenomanen. 

Entscheidend sind endlich die Aussagen vieler anderer Geschichts- 
schreiber, bei denen es als charakteristisch hervortritt, dass die Einwan- 
derung in strengem unzerstörbaren Zusammenhange mit Roms Einnahme 
steht. Justins Bericht haben wir bereits oben vernommen; Polybios, 
dessen Kürze wir in seinem Abschnitte über die Geschiebe der itali- 
schen Kelten beklagen müssen, erwähnt den Uebergang der Gallier* 
über die Alpen und fahrt dann fort : » Nach einiger Zeit aber besassen 
ste selbst Rom mit Ausnahme des Capitols. « Wie Polybios setzt auch 
Diodoros** unmittelbar vor die Eroberung Roms die Einwanderung über 
die Alpen. 

Noch genauer erscheint dieses in einem Fragmente Appians , der, 
wie Niebuhr muthmasst, nach Dionysios v Halikarnass, als die Zeit der 
keltischen Einwanderung in Italien Ol. 97., also wenige Jahre vor Roms 
Einnahme angibt®. 

, Dass die klaren, unzweideutigen Aussagen bewährter Geschichts- 
schreiber vollen Glauben verdienen, liegt in der Natur der Sache schon 
«elbst ; denn bedenken wir, dass die gallischen Züge sich bis tief in die 



! Liv. 5, 17. 37. — 2 Nepos ap. Plin. 3, 17, 21. — 3 Origines Germanicae; 
p. 18. — 4 Polyb. 2, 17: MeTtt ^i riva xQovov xar^a/ov avrriv rr]v 'Ptofxrjv, — 
5 Diod. 14, 113. Ka&" ov xaiQov finkiaxa 'Ptjyiov ^nolioQXH Jiopvaiog, ol xaroi- 
xovvxeg ra niQCtv t(3v "AXntojv Kekrol r« arsvtx ^lel^ovres fieyalatg öwdfieai 
vaTflccßovTo Tfjv fisrec^if ^^(OQav rov re ^AnevvCvov x<t\ Tüiv Iklnetov oQÖiv, — 
« ^OXvfi7iM(ov roTg "Jßkkriaiv inr« xal ivvsvrixovTtt ycyevrjiiiivmv «vtataxai fxolQtt 
Kslrmv. Celtic. 2. 



^04 ^* ^^^ Einnahme Roms. ' 

historische Zeit fortsetzen , so hindert uns die nie unterbrochene Kette^ 
sie mit Livius in die Zeit jenes uralten römischen Königs hinaufzu' 
rücken. Diese Polemik gegen Livius hat viele Gegner hervorgerufen, 
als deren bedeutendste C. O. Müller* und M. W. Duncker* nam- 
haft gemacht werden müssen , wie auch anderseits wieder Vertheidiget, 
wie C. Zeuss und Kämpft. £(steie geben zwar zu, dass Herodot 
noch keine Kelten in Oberitalien kennt, erklären jedoch die Stelle bei 
Thukydides, wo Alkibiades sagt : Wir konnten viele Barbaren und Iberer 
in Sold nehmen und »Andere, die in jenen Gegenden befindlich heut- 
zutage als die tapfersten anerkannt werden« (6, 90.) von den Kelten. 
Gewiss sind aber nicht Gallier sondern Ligyer gemeint. 

Eine frühe Erwähnung von Kelten wollen sie ferner in einer Er- 
zählung des Dionysios von Halikarnass suchen ^ ; diese hat aber keine 
Geltung, denn sie spricht von einem sagenhaften Zuge grosser Schwärme 
von Tyrrhenern und Umbrern gegen Kumae um Ol. 64, 19 Jahre nach deu* 
Gründung von Massilia. Dort heisst es von den Tyrrhenern also : Ol 
Ttegl ^lov^ov Koknov xazoiy^ovvTsg ixel&ev S^ vnb tcjv KeXzdtv e^eka^ev- 
reg avv xq6v(^, Müller nimmt das '/MTOiHOvvteg in der Bedeutung » Be- 
wohner« und will das ^9^ gestrichen wissen, allein gerade das Participium 
beweiset, wie Kämpf richtig bemerkt : Damals sassen sie oben am joni- 
schen Meere, nach geraumer Zeit (avv XQ^^V> vgl. Dionys. 3, 49.) wur- 
den sie von den Kelten vertrieben — also eher ein Beweis von der spä- 
teren Ankunft der Gallier. 

So enthält Livius neben manchem Wahren auch Unrichtigkeiten, 
wahr mag sein die religiöse Weihe des Auszugs und dessen Motiv ; un- 
richtig ist jedenfalls die Chronologie und das Zusammentreflfen mit den 
Massalioten. 

Mit Recht bringt er auch die keltische Bevölkerung der Alpen und 
ihrer Umgebungen, überhaupt die Verbreitung der Gallier von den 
Ufern des Rheines um die nördlichen Abfalle des Gebirges und über 
seine Höhe bis an die Ostseite der Veneter mit den sonst im Alterthume 
unbekannten Nordzügen in Verbindung, während Justin nur Eine Strö- 
mung kennt, die in Italien sich hinabliess und von den italischen Kel- 
ten aus zu den Ostalpen drang. In jeder Hinsicht verdient hier des 
Livius Angabe den Vorzug. Denn abgesehen davon, dass es schwer 
glaublich ist, dass Völker aus dem milden Südland ausgegangen seien, 
um in dem entfernten , der Vorzeit so furchtbaren Herkynien Ansitze 



1 Etrusker, Bd. I, p. 150 ff. — 2 Origg. Germ. p. 14 ff. — 25 Zeuss, DeuUche 
und ihre Nachbarstaaten p. 164 ff. Kämpf, Umbricorum specimen, p. 11 ff. — 
3 Dionys. 7,3. 



§. 4. Das cisalpinische Gallien. 105 

Äu suchen, die ebenso leicht in den unkriegerischen tuskischen Ländlsrn 
zu erobern waren , wäre es nicht zu begreifen , waruln die Zwischen- 
strecke, das Veneterland, jeder feindlichen Ueberschwemmung fern blieb, 
da es doch die Verbindung und den Zusammenhang der Auszieheij- 
den.mit den Ansässigen unterbrach. Vgl. auch Caes. Bell. Gall. 6, 24, 
Tac. Germ. 28. 

Ueberäus wi<!htig und schätzbar für die gallisch-italische Geschichte 
bleibt das uns von Livius aufbewahrte Dokument, namentlich die Auf- 
zählung der gallischen Völkerschaften , welche und wie sie von Ober- 
italien Besitz ergriffen haben. 

§.4. 
Das cisalpinische GaUien. 

Die hohen Alpen schreckten die Gallier nicht ab , sondern sie setz- 
ten ihren Marsch über die unwegsamen taurinischen Gebirgspfade fort 
und drangen von Westen nach Osten in Italien ein. Am Ticinus stiessen 
sie zuerst' auf Widerstand Seitens der Etrusker, welche ihnen den Ueber- 
gang streitig machten. Eine Schlacht erfolgte , worin die Etrusker ge- 
schlagen wurden; sie wandten sich zur Flucht* und verloren den gan- 
zen Landstrich zwischen den nördlichen Gebirgen und dem Padus. Als 
die Sieger vernahmen, die eroberte Gegend heisse das Insubrerland, ge- 
rade wie ein Pagus im Lande der Haeduer, schien ihnen der Name eine 
günstige Vorbedeutung und sie gründeten hier eine Sta^t Mediolanum. 
Gewiss ist der Umstand , dass Gallier sich hier schon früher niederge- 
lassen, ein räthselhafter, allein kein stringirender Beweis für die kel- 
tische Abstammung der ümbrer. Leicht mag eine gallische Kolonie sich 
einige Jahre früher dort angesiedelt haben ^. 

Die Reihenfolge der Sitze, welche die Gallier in Italien einnahmen, 
lernen wir aus Livius und Polybios kennen, deren Berichte sich ziem- 
lich vollständig ergänzen. Da wir unten näher noch darauf zurückkom- 
men werden, führen wir den eines Jeden an : {Bellovestis) Bituriges, 
Arvernos, Senones, Haeduos, Ambarros, Carnutes , Au- 

l er cos excivit, Per Taurinos saltus invios Alpes transcenderunt : 

fusisque acte Tuscis baud procul Ticino flumine quum , in quo consede- 
rant, agrum Insubrium appellari audtssent, cognomine Insubribus pago 
Haeduorum, ibi omen sequentes loci, condidere urbem : Mediolanum ap- 
pellavere. AUa subinde manus Cenomanorum , Blitovio duce , vesii^ 
gia priorum secuta , eodem saltu favente Belloveso, quum transcendisset 



1 Liv. 5, 34. — 2 Erklärungsversuche bei Diefenbach, Celtica II, 1. p. 105. 



1 06 I- ^i® Einnahme Roms. 

Alpes, ubi nunc Brizia ac Verona urhes sunt (locos tenuere Libui) con- 
staunt Post hoS Salassi^ prope antiquam g entern Laevos LigureSy 
incolentes circa Ticinum amnem . Penino deinde Boii Lingonesque 
tgansgressif quum tarn tnter Padum et Alpes omnia tenerentur, Pado 
raiibus traiecio non Etruscos modOf sed etiam Umbros agro pellunt: 
intra Apeiininum tarnen sese tenuere. Tum Senones, recentissimi 
advenarum, ab TJtente flumine usque ad Aesimßnes Kabuere, — Liv. 5, 
35. Genauer spricht Polybios also: Tä piev ovv rcQCJta (xazioxov) 'Aal 
neqi rag avatr>Xag %ov Ilddov y,aLf.ieva ylaoL Y,al yleßi%iOi^ fiSTCt 
di TOVTOvg^'l a o f.1 ß Q € g xaTiiixrjaav .... k^g de zovTOig naqä zbv no%a- 
fiov Kevof.idvoi' xd de nqbg xbv Iddqiav ijörj TtQog/jxovra yevog aXXo 
naw naXatov diaxaTeaxSy TtQoaayoqevovrai de OvivetOL , . . . Td de 
niqav rov Jladov t« Ttegl xov^^newivov nQuizoi f,iev^jivaveg, ^letd de 
TOVTOvg Boiol xaTCifxrjadv ' k^^g de tovtwv wg Ttqcg xbv uidglav 
AtYyMveg (ytlyioveg)' rd de TeXevrala nqbg •d-aXdrtrj 2i^v(oveg. Polyb. 
2, 17. 

Die gallische Invasion drängte also von den italischen Völkern die 
Ligyer nach der westlichen Seeküste, die Tusker theils in die Alpen, wo 
sie als Rhaeter die alte Sprache, wenn auch nicht ohne Veränderung 
bewahrt haben sollen^, theils mit den Umbrern über die Apenninen, 
während im Osten die Veneter ihre Länder behielten. Demnach gestal- 
ten sich die Sitze der einzelnen keltischen und ligurischen Stämme also : 
In der Richtung von Westen nach Osten stossen wir auf die Tauriner 
unweit der Qq^Ue des Padus, wo sie im Nordosten gegen die Salasser* 
anwohnten, beide ligurische Völkerschaften. Strab. 4, p. 204. Plin. 3, 
17,21. Im Lande der Salassen lagen die Peninischen Alpenpässe, welche 
die Bojer und Lingonen zum Durchzug benutzten. Ihre beiderseitigen 
Hauptorte sind Augusta Taurinorum und Augusta Salassorum, Des- 
selben Stammes waren die Laeven, Libuer (Libiker) und M a r i k e r 
(bei Polyb. 1. c. die beiden erstem unter dem Namen ^dot und yteße- 
Tiioi). Zwar wechseln die Angaben der Alten über ihre Abstammung, 
indem sie bald als Ligyer (Plin. 1. c. Polyb. 1. c. Liv. 33, 37.) bald als 
Gallier auftreten (Liv. 21, 38.). Allein wenn wir bedenken, dass, wenn 
sie auch durch Ort und Schicksal mit den Galliern verbunden scheinen, 
sie schon vor den Salyern gefunden werden luid die Mehrzahl der 
Schriftsteller sich für ihre ligurische Abkunft entscheiden , so müssen 
sie lange vor den Kelten einer ligurischen Strömung nach Italien ange- 
hört haben. Die Mariker endlich kommen wenig vor und verlieren sich 
unter die Insubrer. Mit ihnen endet das ligustische Territorium im» 



1 Statt der gewöhnlichen Lesart Salluvii, — 2 Liv. 5, 33. 



§. 4. Das cisalpinische Oallien. |07 

transpadanischen Gallien, das gallische beginnt mit den Insubrern. 
Nach den Bojern bilden diese die bedeutendste Völkerschaft, was auch 
leicht erklärlich ist, wenn wir annehmen, dass , da Bituriger, Aulerker, 
Arverner, Haeduer und Ambarren nicht mehr handelnd in die Geschichte 
eingreifen, sie unter dem Namen der Insubrer sich vereinigten und mit 
ihnen verschmolzen. Von den Aulerkern ist dieses sehr wahrscheinlich, 
da sie es sind, welche der neu entstandenen insubrischen Hauptstadt 
den Namen ihres heimathlichen Ortes Mediolanum g^ben". Kleinere zu 
ihnen gehörige Stämme waren, wie Mannert richtig muthmasst, die bei 
Plinius a. a. O. genannten Vertacomagoren und Orobier, als von ihnen 
vertrieben erwähnt Plinius die Caturiger. Ausser Mediolanum gehörte 
ihnen auch Comum. Ptol. 3, 1, 33. Ihre östlichen Nachbaren waren 
'die Cenomanen längs des Padus in den Umgebungen des Gardasees; 
ihre Herrschaft reichte bis an die Raeter , Euganeer und Veneter , und 
als Hauptorte werden uns genannt : Brixia, Cremona, Verona und Man- 
tua. Liv. 32, 30.* Ptol. 3, 1, 31. • 

Das erste gallische Volk, das den Padus überschritt," isl das der 
Bojen uniBingonen, welche durch die salassischen Alpenpässe in 
Italien hinabgestiegen waren. Auf diesen Umstand hat C. O. Müller 
seine Behauptung des allmähligen Andranges der Kelten nach Italien 
gestützt. Bojer sind es aber, welche besonders als Zerstörer Melpums 
bezeichnet werden, ein Ereigniss, das eben zur Zeit des Beginns jener 
Wanderung vor sich ging. Sie waren wie das edelste, so das mächtigste 
Volk in Oberitalien , 112 Tribus stark , so dass sie sogar am linken Pa- 
dusufer bei den Laeven Lavs Pompeii (Lodi) gründen konnten. Plin. 
3, 7, 21. Auf dem rechten Ufer dehnten sie sich aus im Südosten bis 
Bononia. Mit ihnen erschienen zusammen die Lingonen (bei Polybios 
in verdorbener Schreibart: ^lytoveg), was neben einer 'Angabe Caesars, 
die auf eine Freundschaft der Bojen mit den Haeduern schliessen lässt 
{B. G. 1, 28.) eines der schwachen Fingerzeige für das Wohnen letz- 
terer in Gallien ist. Städte der Bojen waren Parma, Mu.tina und 
Bononia, Ptol. 3, 1, 46, der Lingonen Ravejina, Plin. 3, 15, 20. 
Im Norden grenzten die Bojer an die Ananen, ein ligurisches Volk, 
«wischen dem Padus , der Trebia und den Apölininen ansässig. Zeuss 
vermuthet die bei Polybios 2, 32 erwähnte x^Q<x iivafÄ(iQ(ov als ihr Land. 
Zuletzt erschienen die Senonen und Hessen sich am Südlichsten längs 
der östlichen Meeresküste nieder zwischen dem Utis und dem Aesis — 
•das spätere Senogallia, Es ist zwar auffallend genug, dass sie bei Livius 
zweimal genannt sind, wesshalb schon Sigonius an erster Stelle Santones 
für Senones emendiren wollte, eine Verbesserung, welcher unter Ande- 
ren auch C. O. Müller, M. W. Duncker beigetreten sind. Allein, wie 



j 08 .1- ^^^ Einnahme Homs. 

Kämpf richtig bemerkt, liegen die San tonen jenem Völkerbunde zu ent- 
fernt , die Senonen aber gehören ganz hinein ; zudem war ja eine wie- 
derholte Aussendung desselben Stammes sehr möglich, denn die Se- 
nonen waren so zahlreich, dass immer noch ein bedeutender Stock im 
Mutterlande zurückblieb. Auch darin liegt kein Widerspruch, dass, da 
nach Flinius a. a. O. Bojer und Senonen gemeinsam bei der Erstürmung 
von Melpum thätig waren, letztere bei Livius die letzten Ankömmlinge 
(recentissimi advenarum) heissen , also doch später in Italien einbrachen 
denn die Bojer. Zu erwiedern ist auf diesen Einwand, dass die Bojer, 
wie ebenfalls erzählt wird , ihren Stammesgenossen bei der Gründung 
von Laus Pompeji sich behülflich erzeigten, worauf sie dann wahr- 
scheinlich bei dem Erscheinen der Senonen mit diesen gemeinsam wei- 
ter vorgingen *. 

§. 5. 

Die Etrusker und ihre Kämpfe mit den Oalliem. Die Senonen vor dusitun. 
Ihr Sieg^über die Bömer an der Allla. Einnahme Borns. Veji Waffenplats 
der zerstreuten Bömer; ihr Sieg unter Caedicius über die imedlen Tusker. 

Manlius rettet das Capitol. Abzug der Qallier. 

Zur Zeit der gallischen Invasion stand Etrurien auf einer hohen 
Stufe der Blüthe ; die Bewohner waren ein freies, einen eigenthümlichen 
Bildungsgang verfolgendes Volk, den Frieden liebend und seine Künste, 
dem Charakter und der Cultur nach zwischen Hellenen und Aegyptem 
stehend. Ihren Auslauf nehmend von den Südalpen -waren sie in ganz 
Italien weit und breit das herrschende Volk gewesen nper totam Italiae 
longitudinem ah Alpibits adfretum Stculuma wie Livius sagt. Leider 
sind mit Ausnahme der Werke ihrer Kunst nur geringe Ueberbleibsel 
und matte Nachklänge aus ihrer Zeit zu späteren Geschlechtern gedrun- 
gen ; die Werke ihres Geistes schwanden unter dem eisernen Arm der 
Römer , welche ihre freie Sitte nicht nachzuahmen ^ ihre Künste nicht 
zu schätzen , ihre Symbolik nur frivol zu deuten wussten. Viel Aehn- 
lichkeit bietet ihr Schicksal mit dem der Mauren in Spanien, über deren 
Wirken bald nach dem Untergang des prächtigen Granada nur einzelne 
Sagen sich gerettet haben , die ein von Kunst und Wissenschaft geho- 
benes Leben nicht verkennen lassen , ausgehend und getragen von den 
kunstsinnigen Fürsten der Alhambra. Mit dem Einbrüche der Gallier, 
deren lawinenartigen Strom zurückzudämmen ihr Arm zu schwach war, 
beginnen die Etrüsker zu sinken, nachdem vorher schon durch die Er- 

1 C. O. Müller, Etrüsker J, p. 148. Duncker ortgff. Germ, p. 15. Kaempf, 
Utnbricor, »pecim, 15 ff. 



§.5. Die Etrusker uBd ihre Kämpfe mit den Galliern u. s. w. 109 

oberung der Veneter die Verbindung mit dem Mutterlande unterbrochen 
war. Hineingezogen in den mächtigen Freiheitskampf Ober- und Mit- 
telitaliens gegen Latium büsssten sie mit der Freiheit auch die frühere 
Regsamkeit ein. Sehr verhängnissvoll war das Jahr 359 u. c. , in dem 
Melpum und Veji fielen. 

Als die Gallier ihre schönen Gegenden am Padus in Besitz nahmen, 
vertilgten sie die alte Bevölkerung , um weder in den Triften an der 
Weidung der Heerden, noch am Ertrage des Feldbaues eingeschränkt 
zu werden , ausserhalb ihres Landes machte ihnen der Schrecken ihres 
Namens viele umliegendeil Völker tributpflichtig, so wahrscheinlich 
auch die Umbrer und Picener, deren Unterwerfung ihnen durch die 
Eröffnung der Apenninenpässe den Schlüssel zu ganz Italien in die 
Hand gab*. Die Etrusker aber setzten muthig den Kampf gegen die 
Unterdrücker fort * , bis auch sie durch mehrere Niederlagen gewitzigt 
die Ueberlegenheit der Fremden einsahen und sie im eroberten Besitze 
Hessen, den sie in früherer Zeit selbst den Umbrern abgerungen hatten. 

Doch sollten sie den gefürchteten Feind bald sogar im Herzen ihres 
Landes sehen. Sechs Jahre hatten die Senonen am Gebirge gewohnt, 
als ihnen die Hitze dort zu lästig wurde ^ und ihr unsteter begehrlicher 
Sinn ihnen andere Sitze wünschenswerth erscheinen liess. Vielleicht 
von jenem Aruns, dem beleidigten Gatten, gerufen, fielen sie, wie Nie- 
buhr muthmasst, durch Umbrien in Etrurien ein, anstatt den beschwer- 
liclhen Weg über die Apenninen zu wählen , der auch aus strategischen 
Rücksichten seine Bedenklichkeiten haben mochte. 

Dreissigtausend Krieger — Weib und Kind waren in der Heimath 
zurückgeblieben — lagerten sich bald nach raschem Marsche um die 
Mauern von Clusium und verlangten trotzig die Abtretung von Land. 
Bei dieser unerwarteten Gefahr schickten die erschrockenen Eihwohner 
Abgeordnete nach Rom und Hessen zutn Dank für ihre Neutralität im 
vejentischen Kriege dringend um Hülfe bitten. Anfangs zauderte der 
Senat , sodann schickte er vorläufig drei Gesandte hin zur bedrohten 
Stadt, mehr durch eignes Interesse geleitet, um genaue Kunde über die 
Macht der Fremden einziehen zu lassen * , als um , wie Livius berichtet, 
durch dünkelvolles Dazwischentreten den Frieden zu vermitteln und 
die Gallier zum Abzug zu bewegen. Denn da sich Rom nur in der ge- 
ringen Entfernung von drei Tagereisen von dem Kriegesschauplatze be- 



1 Ta fjiiv ovv ttQX^s ov fxovov T^f x^Q«s iTHxqajovv «AA« xal tStv avveyyvg 
nolkovs vTiTixoovg insnoCrivro ry rolfjiri xaraneTiXfjyfx^voi. Polyb 2, 18. — 2 Saepe 
(a Gallis) eis Padum ultraque legiones Etruscas fuacts, Liv. 5, 35. — 3 Diod. 14, 
113, _- 4 TlQiüßng aniaxHl^v dg Tv^^rivCav tovg xaTaaxe\fJOf4,ivovg rrjv üTQCCTiav 
TtSv KeXrcHv. Diod. 1. c. 



110 I* Die Einnahme Roms. 

fand^ lag es durchaus nichts wie der Senat wohl erwogen hatte^ aus dem 
Kreise der Möglichkeit, dass die nordische Macht auch nach Latium zu 
ihrer Eroberungslust die Zügel schiessen Hess. 

Der Name Borns verschaffte den Gesandten freundliche Aufnahme 
bei den Galliern, sie stellten die Bestürmung Clusiums ein und ihre 
Führer traten zur Berathung zusammen Als die Fabier in derselben 
ihre Aufträge ausgerichtet , ward ihnen von Brennus * , dem Führei: der 
Senonen folgender charakteristischer Bescheid* : Unrecht thun uns die 
Clusiner, dass sie, nur ein kleines Stück Landes zu bebauen im Stande, 
ein grosses zu besitzen verlangen und uns keinen Theil daran geben, die 
wir Fremdlinge, zahlreich und arm sind. • Dasselbe Unrecht thaten ja 
auch euch die Albaner, Fidenaten und Ardeaten, jetzt die Vej enter, 
Capenaten und Viele der Falisker und Volsker, gegen die ihr zu Felde 
zieht, wenn sie euch keinen Theil an ihren Grütern geben , sie zu Skla- 
ven macht, ihre Städte zerstört ; und doch thut ihr nichts Ungerechtes, 
sondern folget einem alten herkömmlichen Gesetze , welches dem Star- 
keren die Habe des Schwächeren zutheilt. Desshalb kann auch nur 
nach Abtretung eines Landstriches von Frieden und Freundschaft die 
Kede sein^. 

Gegen dieses Raisonnement und Argumentum ad hominem ver- 
mochten die Fabier nichts einzuwenden und sahen die Vergeblichkeit 
jeder friedlichen Vermittlung ein. Erbittert über die geringe Ehrfurcht, 
welche der Name Roms den Barbaren eingeflösst, schieden sie, begaben 
sich nach Clusium und sprachen den Bürgern Muth ein , die bereits zur 
Nachgiebigkeit gegen die Forderungen des Feindes geneigt waren. 
Noch erbittert von der Unterhandlung erboten sie sich sogar, den fried- 
fertigen Charakter ihrer Mission vergessend , etruskische Schaaren bei 
einem Ausfalle hinauszuführen , ein Vorschlag, den die Etrusker nicht 



1 Der Name Brennus kommt in dem dürftigen Verzeichnisse keltischer Eigen- 
namen nur zweimal vor ; ob er eine ehrende ^Bezeichnung oder das Wort für 
Fürst, König sei, wie man bisher annahm, lässt sich schwer erweisen ; denn die Ab- 
leitung vom keltischen hrennin beruht auf einem entschiedenen Irrthume und der 
Verkennung der keltischen Lautverhältnisse. Das kymrischc brennin {rex) entstand 
aua dem ursprünglichen briganttn, wie dieses Glück (a. a. O. S. 129.) gründlich dar- 
thut. Mit grösserer Wahrscheinlickeit hat Holzmann auf unser "Wort brenhen hinge- 
wiesen, eine Annahme die durch das gälische brinn (gemma aus brionn vgl. brionn- 
shuilf a bright eye und dazu den Namen des Canninefaten JBrinno bei Tac. bist. 4, 
15.) bestätigt wird. Sollte indess wirklich das Wort Brennus nur ein Epitheton gal- 
lischer Fürsten gewesen sein , so steht diese Erscheinung nicht ohne Analogien da, 
wie die Bezeichnung ^/^«c ßaaiXevg für den Perserkönig (Xenoph. Anab. 2, 2.) und 
Pharao für die Herrrscher Aegyptens (Jablonsky, opusc. ed. ie Water J, p. 374.).— 

2 Mit Unrecht vindicirt Buchner (Geschichte Bayerns I, S. 5.) Brennus den Bojen. 

3 Liv. 5, 30. Plutarch. 1. c. 18. 



§. 5. Die Etrusker und ihre Kämpfe mit den Galliern u. s. w. H t 

» 

zurückwiesen, da sie wohl fühlten, dass Rom nach einer solchen Ver- 
letzung des Völkerrechtes nicht mehr unthätig bleiben könne , sondern 
entschieden vorgehen müsse. 

Unter den Mauern der Stadt kam es zum Treflfen. Mehr tapfer als 
klug sprengte, als sich der Kampf entspann. Einer der Fabier Q. Am- 
bustus auf einen gallischen Edlen los, der hoch von Gestarlt weit vor der 
Schlachtlinie mit herausforderndem Geschrei einherritt. Das Waffen- 
glüek war dem Römer günstig, er erlegte seinen Gegner und eignete 
sich frohlockend die Spolien zu; aber Brennus ejkannte ihn, brach so- 
gleich den Kampf ab und beschloss racheschnaubend die Wucht des 
Angriffs gegen^om selbst zu richten. Um aber den Schein zu meiden, 
als sei ihm die Beleidigung ein willkommener Anlass , sandte er Boten 
nach Rom , wezu er die gewaltigsten unter seinen Kriegern * ausersah, 
und forderte Auslieferung des Thäters zur verdienten Strafe. Der Senat 
suchte Anfangs die Gesandten zu bewegen, sich für eine Summe Geldes 
versöhnen zu lassen , allein das Ehrgefühl der Barbaren erkannte darin 
keine Genugthuung, und da sie dem erniedrigenden Vorschlage kein 
Gehör gaben , beschloss der Senat nach Fecialenrecht, den Schuldigen 
zu überantworten. In dieser Noth brachte der Vater desselben, welcher 
in diesem Jahre die Würde eines Tribunen mit Consulargewalt beklei- 
dete , die Sache an die Curien und bewog sie , weil er durch den Adel 
seines Geschlechts und die Menge seiner Schutzbefohlenen beim ge- 
meinen Mann viel galt, das Senatsdecret aufzuheben und die Ueber- 
lieferung seines Sohnes zu verweigern. Statt zu strafen ernannte das 
übermüthige Volk die drei Fabier zu Consulartribunen für das folgende 
verhängnissvolle Jahr und entzog sie dadurch dem Arm der Gerechtig- 
keit^, von der sie später dennQch ereilt wurden. Laut drohend und 
voll Erbitterung kehrten die gallischen Unterhändler zu den Ihrigen 
zurück. 

Von beiden Seiten traf man jetzt Vorkehrungen zur bevorstehen- 
den Schlacht; es lässt sich ziemlich genau berechnen, wie viel Zeit den 
Römern noch blieb , um die nöthigen Massregeln anzuordnen : drei 
Tagereisen gebrauchte man, um von Clusium nach Rom gelangen zu 
können^, die Gesandten trafen aber noch vor den Tagen, an denen die 
üblichen grossen Staatswahlen voJt sich gingen, also noch vor dem ersten 
Quintilis ein; am 16. desselben Monates war der dies Alliensis, folglich 



1 Appian. Celtic. 3. — 2 Bemerkens\^rth ist, was Diodor hinzusetzt : Tors 
TiQwrov ijQ^aTo 6 dij/zos (nach Niebuhrs Erklärung die Curien) diakveiv to xQi&iv 
vno Ttjg avyxXriTov, Diod. 14, 113. — 3 Kkovüiov an^j^si (T rj/4eQ(av tqkov dnv irjs 
"Pfofirig, Polyb. 2, 25. 



112 I* Die Einnahme Roms. 

blieben ihnen für die Rüstungen noch immer 16 bis 20 Tage. Daraus 
ergiebt sich die Unrichtigkeit der Angabe von Livius , man hätte nur 
eiti exercitus tumultuarius , zusammengeraffte und eilig ausgeführte 
Truppen aufbringen können; er berichtet zwar nur dieses aus dem 
Grunde^ um damit die Schmach der erlittenen Niederlage zu verdecken^ 
allein andere Schriftsteller sind nicht so verschwiegen. Zuvörderst er- 
ging der Ruf an die Bundesgenossen, sich zu stellen, wie wir aus Po- 
lybios' kurzer Andeutung klar entnehmen können*, dazu wurd6*die 
ganze kriegsfahige Msg;inschaft Roms selbst aufgeboten^, was neben dem 
stehenden Heere ein Corps von 40000 Mann ergab, worunter, wie Dio- 
dor ausdrücklich bemerkt, 24000 Kemtruppen sich befanden. Von den 
umsichtig und energisch betriebenen Rüstungen legt auch der Umstand 
Zeugniss ab , dass Veji eine starke Besatzung hatte , 'wie es dann in der 
Folge auch stets zur Vormauer Roms dienen musste^. Die Grösse des 
römischen Heeres gibt von den genannten Autoren Niemand an, es thut 
aber Plutarch in der angeführten Zahl; seine Angabe erscheint auch 
ziemlich glaublich, wie Niebuhr* bündig nachweist. 

Auch der Heerkönig der Senonen war nicht unthätig geblieben, 
40000 Krieger aus den tapfersten Stammen zog er noch an sich, so dass 
er nunmehr mit einem sehr grossen Heere Rom bedrohete und setzte 
dann seine Massen in Bewegung. Auf die Nachricht ihres Heranzuges 
vereinigten auch die Kriegstribunen — ausser den Fabiern waren es 
Q. Sulpicius Longus, Q. Servilius und S. Cornelius Maluginensis — 
ihre Truppen und zogen längs der Tiber hin bis zum eilften Meilen- 
stein, wo die AUia vom Krustuminischen Gebirgsrücken in sehr tiefem 
Bette herabströmend nicht weit unterhalb der Heerstrasse sich mit der 
Tiber vereint. Am linken Ufer derselben bis zur AUia hin dehnt sich 
eine grosse Ebene aus , hie und da von spärlichen Hügelreihen durch- 
schnitten; dort stiessen sie auf den Feind, der nach vaterländischer 
Sitte in rauhen Misstönen und wildem Gesänge seiner Kampflust Aus- 
druck gab. Beide Gegner wurden einander ansichtig und trafen ihre 
Vorbereitungen für die Entscheidung. Aber die Römer, sei es, dass die 
gewohnte Besonnenheit und Siegesfreudigkeit sie verlassen , sei es, dass 
sie übermüthig und toUdreret die Barbaren verachteten , setzten Alles 
auf einen Wurf: sie hatten nicht im^alle des Misslingens für Lebens- 
mittel auf eine längere Belagerung gesorgt, auf der Wahlstatt selbst er- 
achteten sie die gewöhnlichen strategischen Rücksichten für überflüssig : 



\ {K^Xroi) fiaxf} vixrjaavT€Q 'PfafmUovQ xai rovg fztra rovtoiv naQaraiafiirovf, 
Folyb. 2, 17. — 2 anavrac rovs iy ^lix/^ xa&tinXufav, Diod. 14, 114. — 3 Plut. 
Camill. 18. Liv. 8, 20. — 4 1. c. p. 603. Not. 96 ff. 



$.5. Die !£trusker und ihre ICämpfe mit den Öalliern u. s. w. 1 j 3 

kein Lager wurde aufgeschlagen , kein schützender Wall zum Kückzug 
aufgeworfen , sogar die nie fehlende Vogelschau ausgesetzt. Um nicht 
von der feindlichen Uebermacht umgangen zu werden, dehnte der com- 
inandirende Tribun — es war Sulpicius* — seine Linie weit aus und 
bildete ein schwaches Mitteltreffen , stellte auf den linken an die Tiber 
sich lehnenden Flügel 24000 seiner besten Truppen, während der rechte 
aus zwei Legionen der Stadtmiliz und drei aus Proletariern und Aera- 
riern ausgehobenen bestehend eine wichtige die Ebene beherrschende 
Anhöhe behaupten sollte. Die rößiische Reiterei nimmt Niebuhr nach 
Fabius zu 1200 Mann an, von der gallischen schweigen zwar die Quel- 
len, wird aber schwerlich gefehlt haben als Hauptwaffe in den keltischen 
Heeren. 

Brennus berechnete, richtig den Vortheil, den ihm die Stellung der 
Römer bot ; seine tapfersten Krieger stellte er gegen die Anhöhe und 
richtete gegen dieselbe die Wucht des ersten Angriffes. Um den Hügel 
kam es eigentlich nur zum Handgemenge ; die blossen Schwerter in der 
Faust stürzten die Wilden in rasendem Anprall auf den rechten römi- 
schen Flügel und rannten ihn beim ersten Stosse über den Haufen. Die 
Uebrigen warteten den Nahekampf nichs ab , sondern die ganze Linie 
löste' sich ohne Halt noch Ordnung in eine grauenvolle Flucht auf und 
wurde von den nachsetzenden Feinden in die Tiber gejagt; und wäh- 
rend so die Meisten dem Flusse zuliefen und übereinander herstürzten, 
wüthete das feindliche Schwert furchtbar in dem Gewühl der Fliehen- 
den, so dass die ganze Ebene mit Leichen übersäet war. Die Muthigsten 
durchschwammen die Tiber ohne ihre Waffen fortzuwerfen , weil aber 
der Strom sehr reissend war, verliess sie die Kraft und Viele von ihnen 
ertranken , nach unten gedrückt durch die Schwere der Rüstung , die 
Uebrigen aber entledigten sich unrömisch ihrer Wehr, um nicht im 
Schwimmen gehindert zu werden. Furchtbar war das Blutbad, welches 
auch unter ihnen entstand; vom Ufer aus schleuderten die Gallier auf 
die dichten Schwärme der Schwimmenden Wurfgeschosse und fehlten 
wegen des Zusammendrängens nicht. Die Niederlage war gross : Vier 
Militairtribunen yAxen gefallen, nur Q. Fabius und Sulpicius hatten die 
Schmach überlebt *, das Heer war theils vernichtet, theils gesprengt und 
keine Macht stand der nordischen noch im Wege. Der rechte Flügel 
hatte am Wenigsten gelitten , nachdem er jenen Hügel hatte verlassen 
müssen, trieb ihn die Angst auseinander theils nach Rom, theils in die um- 
liegenden Orte, während die Trümmer des linken theils nach Veji, theils 
in einen grossen Wald, der zwischen der Tiber und der salarischen Strasse 



1 Verriu» Flaccus bei Gellius 5, 17. — 2 Liy. 6, 1. A. Gellius 1. c. 

Contzen, Wanderungen der Kelten. 3 



H4 ^' Die Einnahme Borns. 

sich hinzogt entkam ^ Der Tag dieser Schlacht^ verrufen auf immer in 
der römischen Geschichte als der dies AlUensis war der 16. Quintilis^. 

Brennus konnte die weiteren Früchte des Sieges nicht einemdten ; 
wäre er den Fliehenden gefolgt^ war Born verloren ; allein er kannte den 
Charakter der Seinen zu gut^ um nicht zu wissen^ dass im Jubelrausch 
des erfochtenen Sieges an Aufrechterhaltung der Disciplin nicht zu 
denken sei. Denn an die Grösse desselben kaum glaubend und in trun- 
kener Freude ausschweifendem Genüsse hingegeben sammelten sie erst 
die Beute und thürmten tiach ihrer Sitte Haufen von Waffen als blutige 
Siegeszeichen auf. In Bom aber schwebte alles in der grössten Angst 
und Bestürzung, als die Nachrichten von der gewaltigen Niederlafi^e an- 
langten ; doch verstummten bald vor der unglücklichen Lage des Vater- 
landes die persönlichen Klagen^ und die zurückgelassene Bürgerschaft 
sich erinnernd an die glorreichen Tage der Vorzeit zeigte sich bald 
wieder von echtrömischem Geiste beseelt. Man schloss die Thore und 
da man keine Aussicht hatte ^ die Mauern gegen einen übermächtigen 
Feind halten zu können ^ beschloss man die ganze waffenfähige Mann- 
schaft in das Capitol zu werfen. Tausend Mann unter dem Befehle des 
M. Manlius übernahmen es^ den Burgfdisen mit den Kostbarkeiten und 
den Heiligthümern der Tempel zu vertheidigen*, während die Wehr- 
losen sich auf das Land und in die Nachbarstädte verliefen^. Auf dieser 
Flucht war es, wo ein frommer B.ömer Albinius vestalische Jungfrauen, 
beladen mit ihren HeiUgthümem , mühselig des Weges ziehen sehend, 
sich und die Seinen der Bequemlichkeit des Fahrens beraubte^ um sie 
den Jungfrauen angedeihen zu lassen^. Boms Unglück fand viel Theil- 
nahme bei den Nachbarstädten ; vorzüglich war es Caere , das sich sehr 
hülfreich bewies, indem es die Flüchtigen in seine Mauern aufnahm und 
sich bemühte^ ihr Elend zu Undern^. 

Aber die Greise^ welche Triumphe gefeiert und Consulate geführt 
hatten, konnten sich nicht dazu entschliessen, den Untergang ihrer Stadt 
zu überleben; sie schmückten sich, wie in den Tagen ihres Glanzes, 



1 Luearia fe9ta in luco colebant JRomani, qui permagnus iiiter viam Sälariam et 
Tiberim fuitf pro eo, quod vidi a Oallia fugientes e proelio ibi se oecultaverint. Fu- 
ins, de verh. eignißcat, «. ». Luearia (p. 119 ed. C. O. Müller). — 2 Der Schlacht- 
tag war der 16. Juli nach der ausdrücklichen und glaubwürdigen Nachricht von Ver- 
rius FlaccuB bei Gellius 1. c. {poeiridin Idus Quintiles); in den Fasten war er aber 
als XV. a. Kai. Sextil. verzeichnet; nun erhielt der Quintilis nach der Kalender- 
reform zwei Tage hinzu, wodurch das Datum aus XV. a. Kai. Sext. auf XVII. a. Kai. 
Sext. stieg. Da aber nach Tacitus die Einäscherung der Stadt XIV. a. Kai. Sext. 
geschah, hat Livius, der den dies Allieneie auf XV. a. Kai. Sext. annimmt, beide 
Daten verwechselt. — 3 Flor. 1, J3. — 4 Liv. 5, 40. Diod. 14, 115. Plut. Cam. 
20. — 5 Plut. 1. c. — 6 Strab. ß, p. 220. 



§. 5. Die Etrusker und ihre Kämpfe mit den Galliern u. s. w. 115 

Hessen sich dann von dem Pontifex Fabius den unterirdischen Göttern 
weihen und setzten sich auf ihre Stuhle von Elfenbein auf dem Forum, 
um todesmuthig den Feind zu erwarten. Brennns erschien erst am drit- 
ten Tage nach der Schlacht vor den Thoren und da er auf den Mauern 
keine Wachen fand, fürchtete er Anfangs einen Hinterhalt; als er aber 
die Wahrheit ahnte , sprengte er das coUinische Thor und zog ein. Er 
fand alles öde und ausgestorben , die Häusser verschlossen , bis er auf 
dem Markte * die Männer erblickte, die sich bei seinem Nahen nicht er- 
hoben, nicht Miene und Farbe wechselten, sondern in ruhiger Majestät 
unbeweglich sich einander ansahen. 

Lange mochten die Gallier verlegen wie vor höheren Wesen dort 
gestanden haben, bis endlich Einer zu M.' Papirius* hintrat und ihn am 
Barte zupfte ; als aber der erzürnte Greis dem Verwegenen einen Schlag 
mit dem Stabe gab, wurde er niedergehauen , mit ihm seine Gefährten, 
neunundsiebzig an der Zahl*. Dann plünderten die wilden Sieger die 
Stadt rein aus und verwandelten sie in einen schaudervollen Schutt- 
haufen bis auf wenige Häuser auf dem Palatin, die den Führern zur 
Wohnung dienten ^. Nur das feste Capitol trotzte ihren Anstrengungen 
und Brennus sah sich genöthigt, Anstalten zur Belagerung zu treffen, 
um die Uebergabe durch Hunger zu erzwingen. Allein der Mangel 
stellte sich'bei ihm früher wie bei den Belagerten ein, denn es war nicht 
nur viel Getreide bei dem Brande vernichtet, sondern man hatte auch 
die meisten Vorräthe vom Lande nach Veji geschafft; er musste also mit 
getheiltem Heere weiter operiren, hier die Burg eingeschlossen halten, 
dort Streifzüge organisiren, um Lebensmittel sich zu verschaffen. Einen 
dieser Baubzüge soll Camillus von Ardea aus mit einer Freischaar über- 
fallen und gänzlich aufgerieben haben ^. 

Veji war der Hauptwaffenplatz der vertriebenen Kömer geworden ; 
hieher waren die aus der Schlacht Geflohenen geeilt , hieher hatte der 
römische Landmann die Trümmer seiner Habe gerettet. Da auch aus 
Latium viele Freiwillige hinzuströmten, wuchs mit jedem Tage wie der 
Muth so die Kraft und bald darauf fühlten .die Etrusker, welche unedel 
einen Einfall, Roms Lähmung benutzend, in das Vejen tische gemacht, 
Boms unverwüstliche Heldeiigrösse. Unter der Anführung des Caedicius 
überfielen die Römer den Feind und nahmen ihm nicht nur die Beute 
wieder ab , sondern bemächtigten sich auch seines Lagers ". Kühn ge- 
macht durch diese Erfolge und zu grösseren Wagnissen angefeuert such- 



1 Wahrscheinlich ein Priester, da ihn die Fasten nicht aufzählen. — 2 Zonar. 
7, 23. — 3 Siehe die überaus schöne Schilderung der Plünderung bei Livius, die 
aber nicht ganz historisch ist. — 4 Liv. b, 45. Plut. Cam. 23. — 5 Diod. 14, 116. 

■8* 



116 .1* Die Einnahme Korns. 

ten sie dann das Capitol zu entsetzen und ein tapferer Jüngling Pontius 
Cominius unternahm es, den umlagerten Felsen zu ersteigen und der 
muthigen Besatzung diesen Trost zu überbringen. In finsterer Nacht 
schwamm er die Tiber hinab , erkletterte den Felsen an seiner steilsten 
Seite und kehrte glücklich wieder zu den Seinen zurück. Aber bald 
bemerkten die Gallier die Spuren des Jünglings und um die folgende 
Mitternacht stiegen Viele zugleich leise den Felsen hinan , um die Ver- 
theidiger zu überrumpeln , als plötzlich die der Juno geheiligten Gänse 
ein solches Geschnatter erhoben, dass Manlius davon erwachte. Seine 
Wachsamkeit und feste Kaltblütigkeit hat Kom gerettet : er sprang auf 
und stiess den ersten Feind jählings von der Brüstung hinab, so dass 
dieser die ganze Kette der Nachkletternden mit sich in die Tiefe hinab- 
riss. So der Gefahr entronnen stürzten die Römer den lässigen Wächter 
vom Felsen hinab, Manlius aber erhielt ein zwar kleines, aber den Um- 
standen nach kostbares Geschenk : ein halbes Pfund Getreide und ein 
Viertelmass Wein von Jedem in sein Haus gebracht ; der allgemeine 
Mangel machte es zu einem rührenden Beweise der Liebe, da sich Jeder 
von seiner spärlichen Nahrung etwas abbrach. So war das Capitol für 
den Augenblick wohl gerettet, die Gefahr jedoch noch nicht vorüber. 
Denn immer ärger wüthete der Hunger, und bald vermochte der ent- 
kräftete Körper die Last der Waffen kaum mehr zu ertragen. Aber auch 
die Läge der Gallier ward von Tag zu Tag bedenklicher ; die ausge- 
sogene Gegend bot keine Nahrung mehr und war dazu höchst unsicher 
durch die kecken Streifzüge der Bomer ; dazu kam die Gluth der Sonne, 
welche sie, eines milderen Himmels gewohnt, am Schwersten drückte 
und pestartige Krankheiten erzeugte. Ihr Lager stand im Thale , auf 
einem Boden, der durch Feuersbrünste erhitzt und voll Dampf war und 
sowie ein Wind sich erhob. Staub und Asche in die Lüfte trieb. Daher 
entstand ein grosses Sterben in dem Heer, so dass man der Menge we- 
gen die Todten nicht einmal begrub, sondern ganze Haufen verbrannte; 
der Platz blieb im Andenken durch die Benennung der Gallischen 
Brandstätte (btista Gallica) ^ So trieb gemeinsame Noth beide Parteien 
zu versöhnlicheren Gesinnungen und um tausend Pfund Goldes ver- 
sprach der Senonenfürst seine Schaaren zurückzuführen. Aber beim Ab- 
wägen des Goldes gebrauchten die Gallier falsches- Maass und ak der 
Kriegstribun Sulpicius sich darüber beschwerte , warf Brennus verächt- 
lich noch sein gewaltiges Schlachtschwert in die Wagschaale und rief 
höhnend die nie vergessenen Worte: »Wehe den Besiegten!« Dann 

1 LW. 1. c. 



§. 6. Mährchen von der Befreiung Korns durch Camillus u. s. w. ] ) 7 

schied er, nachdem er sieben Monate* die künftige weltherrschende 
Stadt besessen hatte. Nach der Willkür des Siegers mussten die Römer 
noch SchiflFe zur Bückkehr über die Tiber liefern (Frontin. strat. 2, 6, 1.). 



§. 6. 

Mährchen von der Befreiung Boms durch Camillus. Das Jahr der 

Zerstörung. 

So hat Heldenmuth und Schicksal zusammengewirkt, um die Stadt 
zu retten , der keltische Stürm jagte vorüber , erschütternd aber nicht 
vernichtend und nach einem Jahre war Bom seinen Nachbarn wieder 
so furchtbar denn je. TJeber ihr Unglück trösteten sich die Römer mit 
der Erzählung, Camillus sei bei der Capitulation erschienen und habe 
in der Schlacht die Feinde vernichtet , auf der gabinischen Strasse den 
Brennus gefangen genommen und ihn mit den Worten: Wehe den 
Besiegten! niedergehauen*. 

Livius , der hier wie anderswo die Schmach Boms zu verwischen 
sucht, ist Hauptrepraesentant dieser patriotischen Dichtung und aus 
ihm schöpfte wiederum Plutarch ^. Allein gehen wir näher auf die Sache 
ein, so ergeben sich ganz andere Besultate. Ihre Erzählung fand näm- 
lich darin die stärkste Stütze, dass man bis zum J. 671 zweitausend 
Pfund Goldes unter dem Throne des capitolinischen Jupiters verwahrte, 
welches die Tradition als das den Galliern gezahlte, ihnen jedoch von 
Camillus entrissene Lösegeld bezeichnete*. Daher erheben sich die 
Fragen: wie gross war das Geld, womit Bom sich loskaufte? und was 
ist von jenem Tempelgolde zu halten? 

Varro gibt die Grösse des Lösegeldes zu 2000 Pfund an und ihm 
stimmt Dionjs bei, der zwar sagt, es habe aus 25 Talenten oder t500 
Pfund bestanden, aber hinzufügt, ein Drittel habe am Gewichte gefehlt 
und die Bömer hätten sich Frist ausbedungen zu dessen Herbeischaf- 
fung**. Gegen eine so hohe Summe spricht das einstimmige Zeugniss 
der übrigen Schriftsteller, welche 1000 Pfund angeben. Von diesen 
heben wir als besonders schlagend eine Stelle bei Plinius hervor: Mo^ 
mae nefuit quidem aurum nisi admodum exiguum longo tempore. Gerto 



\ Die Anzahl der Monate wird verschieden angegeben. Varro bei Nonius 9, 6 
nimmt sechs, Servius (ad Aen. 3, 652.) acht an. Folybios und Plutarch stehen in 
der Mitte und nennen sieben. — 2 Brennus ^ rex Gaüorum ad pondera adteöit gla- 
dium et dixit : Vae victis ! Quem poatea peraecutus F. Camillus cum insidiis ctrcumven- 
tum concideretet quereretur, contra foedus ßeri, eadem voce remunerasse dicitur, Fes- 
tus p. 372. ed: C. O. Müller. — 3 Liv. 5, 46. 49. Plut. Cam. 29. — 4 Liv. 5, 50. 
6, 14. — 5 Varro ap. Non. 3, 45. Dionys. exe. 23. 



1 1 S I* I^ie Einnahme Roms. 

quum pax a Gallü capta urbe emeretury non plus quam mille pondo 
potuere. Nee ignoro duo millia pondo auri periisse Pompeii tertio con- 
sulaiu e Capitolini loais solio a Camillo ibi condiia ei ideo a pleriaque 
exisiimari duo millia pondo coUata : sed quod accessit, Gallorum praeda 
fuit detractumque ab his in urbis captae delubris, Gallos autem auro 
puffnare, Torquatus indicio est. Plin. 33, 5. Steht es also fest, die Gallier 
seien mit 1000 Pfund zum Rückzug bewogen worden, wie ist dann jener 
Tempelschatz zu erklären ? Niebuhr einerseits vermuthet , in der Noth 
habe man den fehlenden Betrag der Summe, die man in- den schweren 
Zeiten nicht habe aufbringen können, durch das Tempelgold ergänzt, 
mit dem Gelübde es mit Wucher zu ersetzen. Anderseits ist es aus zu- 
fälligen Erwähnungen der Alten wahrscheinlich , dass die Römer um 
die Friedensbedingungen zu verwirklichen einen Waffenstillstand schlös- 
sen * und in den befreundeten Städten der Umgegend Beiträge sammel- 
ten, wodurch nebst freiwilligen Gaben der Standesfrauen* die Kauf* 
summe mochte herbeigeschafft werden. Wenigstens erzählt Trogus, die 
Einwohner von Massalia hätten auf die Nachricht von Roms Unglück 
Trauer angelegt und Gold und Silber zur Befriedigung der Kelten nach 
Rom gesandt'. Da aber sämmtliche Tempel der Götter vom Feinde den 
Flammen preisgegeben waren , befahl Camillus die geretteten Tempel- 
schätze auf dem Capitol zu den Füssen des Zeus einzumauern, denen 
man später das in einem der gallischen Kriege* erbeutete Gold hinzu- 
fügte und das Ganze im Betrage von 2000 Pfund unter dem Namen des 
aurum Gallicum zusammenfasste. 

Noch klarer tritt die innere Wahrheit von Diodors Bericht bei Er- 
wägung folgender Momente hervor. Ist es wohl annehmbar, dass ein 
Volk , von dem Salust sagen konnte , mit ihm habe Rom nicht um den 
Ruhm, sondern um die Selbsterhaltung gestritten*, schmählich von 
einem geschwächten und gebrochenen Heere um die Früchte seiner Er- 
folge gebracht sei, nachdem es das ganze linke Tiberufer besessen hat 
sammt der Hauptstadt ? Je tiefer vielmehr Rom erniedrigt worden ist, 
um so mehr hat sich auch die patriotische Dichtung bemüht, einen 
reichen Farbenschmelz über die Tage des Unglücks auszugiessen : hier 
so gut, wie früherer Zeit in den Kämpfen gegen den Etrusker Porsena. 

Bestätigend schliesst sich dieser in der Sachlage selbst begründeten 
Unmöglichkeit von einer Vernichtung der Gallier durch Camill die 
Aussage dreier angesehener Schriftsteller des Alterthums an. Nach Po- 
lybios , der in diesem Abschnitte doch keiner Parteilichkeit zu zeihen 



I Liv. 5, 48 — 2 Liv. 5, 50. — 3 Justin. 43, 5.-4 Liv. 7, 23. — 
5 B. Jug. 114. 



§. 6. Mährchen von der Befreiung Roms durch Camillus u. s. w. 1 19 

ist, schliessen die Römer a evdoKOVfievoig FaActrat^« Waffenstillstand 
und Verträge* und letztere verlassen auf die Kunde eines feindlichen 
Einfalls der Veneter in ihr Land die eroberte Stadt*. Dazu lebte das 
Bcwusstsein des- glorreichen Tages an der AUia und die Erinnerung 
eines beutereichen Einzuges in die Heimat unter den Galliern fort und 
Niemand wusste von einer Niederlage , welche die Früchte des Sieges 
ihren Vorfahren entrissen ; denn schwerlich hätten die bojischen und 
insubrischen Gesandten in ihrer Ansprache an die Transalpiner um 
Hülfe gegen Rom auf jene Grossthat der Väter angespielt, hätte nicht 
Jeder gewusst, dass sie Rom aus Gnade und aus freien Stücken den Le- 
benden zurückgegeben und ohne Kampf und Unheil die Beute heim- 
gebracht (id-ekovti xal (.leeä %aqiTog Ttaqadovtag vijv nokiv ad-gavatoi 
xal daiveig exovteg t^v wq>iXuav eig vrjv oineiav BTtavrjX&ov,) '. 

Wie Polybios, kannte auch der Vokontier Trogus Pompejus den 
wahren Hergang jenes Zuges als Gallier gewiss genau ; allein von einer 
Niederlage weiss er nichts. So sagen die aetolischen Gesandten zu den 
Römern , » gegen die Gallier hätte man Rom nicht zu behaupten ver- 
mocht und als es erobert war, nur durch eine grosse Kaufsumme wieder- 
erlangen können«*. Sogar nach Asien hin verbreitete sich der Ruhm 
der gallischen Tapferkeit, der die römische unterlegen und wohl wusste 
Mithridates , dass ganz Rom mit Ausnahme des Capitols eingenommen 
und nur durch ein reichliches Lösegeld wieder frei geworden war^. Er- 
wägt man endlich obige Erzählung von der Theilnahme der Massilier 
an dem Unglück Roms und ihren freiwilligen Beiträgen , so folgt auch 
daraus, dass Rom für ganz ohnmächtig und gebrochen galt und für un- 
fähig, durch WaflFen die ungebetenen Gäste zu entfernen. 

Endlich versichert auch Sueton klar und bestimmt®, dass die Gal- 
lier mit ihrem Golde ihre Heimath erreichten. Liviüs Drusus war der 
Gluckliche, der das Schmachgeld wiedergewann, so dass Sueton mit 
Recht jenen Bericht bei Livius für eine Sage erklären konnte. Sowie 
ferner Diodor nichts von einer Dictatur Camills weiss, scheint auch Li- 
vius selbst nicht an sich zu glauben; denn den samnitischen Gesandten 
legte er im Kriegesrathe der Etrusker mit dem bemerkenswerthen Zusatz 
haud vana iactantes^ die Worte in den Mund, »dass Rom nur durch 
Lösegeld die Gallier zu entfernen gewusst« und im öffentlichen Senate 
spricht Junius, der Wortführer der von Hannibal gefangenen Römer : 



1 Polyb. 1, 6. — 2 Polyb. 2, 17. — 3 Polyb. 2, 22. — 4 Justin. 28, 2. — 
5 Justin. 38, 4. — 6 Livius Drusus traditur pro praetore ex provincia Gallia retu» 
lisse aurum, Senonibus' olim in obsidione Capitolii datum, nee, ut fama est , extortum 
a Camillo, Suet. v. Tib. 3. 



120 II- ^^^ gallischen Kriege bis zur etruskischen und samnitischen Alliance. 

»Mit Gold (also nicht durcTi WaflFen) wurde Rom frei* ! « Sogar Schiffe 
mussten den Galliern beim Abzug gestellt werden. Ein Haufe Gallier 
aber, der um Beute zu machen, nach lapygien gestreift war, wurde in 
nächtlicher Weile von den Caeriten überfallen und niedergemacht und 
dieses mag der Stoff jener von der römischen Eitelkeit erdichteten Sie- 
gesnachrichten geworden ist?. 

Zum Schlüsse dieses Kapitels noch einige wenige Worte über das 
Jahr der Einnahme Koms. 

Nach Dionys v. Halikarnass fällt die Einnahme der Stadt 1 20 Jahre 
nach Vertreibung der Könige, es regierten aber diese 244 Jahre, dem- 
nach fällt dies Ereigniss in das Jahr 364 u. c, oder 390 v. Chr. Die- 
selbe Ansicht vertreten Plinius (33,6), Orosius (2,1.) sowie auch Cicero 
(de DivinaU 1, 44.), während Polybios und Diodor (1,6 und 1. c.) ein 
Jahr später annehmen. Endlich die Annalisten Gellius und Cassius 
Hemina halten das Jahr 362 d. St. für das richtige nach Macrob. Sat. 
1, 16. Als runde Zahl führen Livius (5, 40) und Plutarch Cain. 22. das 
Jahr 360 an. Der dies Alliensis aber machte jeden Tag nach Kaienden, 
Nonen und Iden zu einem verwünschten (atros habendos dies , Macrob. 
1. c.) , so dass an demselben weder eine Schlacht konnte angenommen, 
noch eine Weihe vollzogen und ein Comitium gehalten werden. Macrob. 
1. c. Lucan. 7, 409. Aur. Vict. 23. Niebuhr, röm. Gesch. II, p. 622 
nimmt Ol. 99, 3 als das Jahr der Zerstörung Borns und ist der Meinung, 
die Angabe von der €q>odog raiv Kehtcjv in Ol. 98, 1. bei Dionys. 1. c. 
beziehe sich auf die Einwanderung der Gallier in Italien. — 



Capitel II. 

Die gallischen Kriege bis zur etruskischen und samnitischen 

Alliance« 



§• 7. 

Charakter dieser Periode. Angeblicher Sieg des Dictators M. Furius 
Camillus. QaUischer Krieg vom Jahre 803.. Zweikampf des 

T. ManliuB TorquatuB. 

Als die Gallier in ihr Vaterland zurückkehrten, fanden sie es durch 
ihre Abwesenheit zerrüttet und voll von Unruhen, die theils durch 
einen Einfall der Veneter, theils durch innere Farteikämpfe und bürger- 



l Liv. 22, 59. — 2 Strab. 5, p. 220. vgl. Diod. 14, 117. 



§. 7. Charakter dieser Periode u. s. w. 121 

liehe ^wistigkeiten'herbeigeführt waren ^ Zwar zogen sich die Veneter 
in ihr Gebiet zurück bei der Annäherung des ruhmgekrönten , beute- 
reichen gallischen Heeres, allein längere Zeit kostete die Unterdrückung 
der inneren Wirren. Kaum waren auch diese beseitigt, so erschien ein 
transalpinisches Heer und machte neidisch auf die grosse Kriegesbeute 
ihrer italischen Stammbrüder plündernde EinföUe in deren Länder. 
So brach eine stürmische Periode über Gallien herein , während Rom 
sich kräftig von dem harten Schlage erholte und bald den latinischen 
Völkern in drohender Grösse wie vordem gegenüberstand. Den nun 
folgenden Kämpfen der GäDier mit Born bis zu den samnitischen Frei- 
heitskämpfen ist fortan mehr ein Stammcharakter als ein nationaler auf- 
geprägt ; nicht die Nation der Gallier als solche sendet ihre Heere aus, 
sondern einzelne Stämme führen Krieg, theils von mittelitalischen 
Städten zu Hülfe gerufen, theils ihrem unstäten Hange folgend , der 
Beute wegen in grösseren Schaaren umherschweifend brechen ein und 
ziehen ebenso rasch wieder fort, je nachdem ihre Leidenschaft befriedigt 
ist oder das römische Schwert allzustark ihre Reihen lichtete. Dies ist 
der allgemeine Charakter dieser zweiten Periode. 

So zog angeblich dreiundzwanzig Jahre nach der Einnahme Roms 
eine gallische Freibeuterschaar, nachdem die Ruhe im Inneren wie nach 
Aussen wieder hergestellt war, ohne äussere Veranlassung , zum zweiten 
Male aus ihren Sitzen und brach in Mittelitalien ein. In der allgemeinen 
Noth, die allen Parteizwisten Schweigen auferlegte , ernannte der Senat 
den M. Furius Camillus zum Dictator. Da dieser wusste, dass die 
furchtbarste Gewalt des Feindes in ihren Schwertern lag , die in kräf- 
tigem kunstlosem Schwünge Schultern und Köpfe spalteten, Hess er dem 
grössten Theil seines Heeres Helme ganz von Eisen anfertigen , damit 
die Schwerter abglitten oder zersprängen; er bezog darauf ein ver- 
schanztes Lager und hielt sich ruhig, bis er sah, dass die Gallier theils 
auf der Plünderung begriffen, theils im Lager sich ohne Maass und Ziel 
berauschten. Noch in der Nacht gab er Befehl zum Kampfe und richtete 
ein grosses Blutbad an, die XJebrigen entrannen nach Apulien. So be- 
richtet Plutarch aus Claudius schöpfend und setzt das Schlachtfeld an den 
Anio. Aber schon Livius sah die Unrichtigkeit der Chronologie ein , da 
er wohl wusste, dass das Treffen am Anio zehn Jahr später entschieden 
wurde. Da er aber die angebliche Grossthat dieses Jahres für die Römer 
nicht aufgeben will, lässt er sich, wie er sagt, durch mehrere Schrift- 
steller, die er aber nicht nennt, zu dem Glauben bestimmen , dass unter 
M. Camillus im Albanischen mit den Galliern gekämpft sei. Tausende 



1 Polyb. 2, 18, 4. 



122 II* ^^ gallischen Kriege bis zur etruskischen und samnitischen Alliance. 

von den Barbaren seien in der Schlacht^ Tausende nach Eroberung ihres 
Lagers getödtet, während die übrigen nach Apulien entrinnend vor den 
Römern sich gesichert hatten ^ 

Schon dieser Schlachtbericht von. ihm ist verdächtig; denn er lässt 
nicht leicht eine Gelegenheit vorübergehen , sein , freilich eminentes, 
Talent Schlachten zu schildern anzuwenden, und mit sichtlichem Ver- 
gnügen weilt er länger als oft nöthig bei denselben ; wenn er sich dieser 
Vorliebe nun bei den gallischen Kriegen ganz besonders hingibt , so ist 
es höchst befremdend, bei diesem wichtigen Treffen, sich mit'den we* 
nigen dürren Worten zu begnügen. Aber auch Polybios widerspricht 
ihm ; erst dreissig Jahre nach der Einnahme Roms zeigten sich die gal- 
lischen Scharen dem zitternden Italien wieder^; ebenso weiss auch Dio- 
dor nichts von diesem Feldzuge und seine Autorität Fabius ; leicht aber 
liegt die Vermuthung nahe, dass der von Lucius Furius Camillus über 
die Gallier im Albanischen davongetragene Sieg zu dieser mit Recht 
von Niebuhr' »unredlich« genannten Sage Anlass gab. 

Erst im Jahr der Stadt 393 oder nach dem ausdrücklichen Zeug- 
nisse des Polybios^ 30 Jahre nach dem Brennuszuge, zogen neue 
Schwärme von Galliern aus und wurden eine wahre Landplage für Mit- 
tel- und Unteritalien. Der Schrecken ihres Namens und die Erinnerung 
ihrer vorigen Anwesenheit verursachte zu Rom grosse Angst und Be- 
stürzung und bewog den Senat, einen Dictator ernennen zu lassen. Die 
Wahl fiel auf T. Quintius Fennus. Auf die Nachricht, dass das feind- 
liche Heer sich wieder nach Latium gewandt und sich beim dritten 
Meilenstein am rechten Ufer des Anio gelagert habe", nahm er der ge- 
sammten streitbaren Mannschaft der Republik den Fahneneid ab und 
schlug am lin]^en Ufer des Flusses sein Lager auf. Eine Brücke lag 
zwischen beiden in der Mitte, aber keine von beiden Theilen brach sie 
ab, um keine Furcht an den Tag zu legen. Dennoch fielen häufig kleine 
Gefechte vor , wegen ihrer Besetzung , aber wer sich ihrer bemächtigen 
würde, liess sich bei den ungleichen Streitkräften nicht voraussehen. 
Entschieden aber wurde dieser thatenlose Feldzug durch den vielbe- 
sungenen Zweikampf des T. Manlius mit einem riesigen Gallier, der 
höhnend auf die Brücke trat , und Roms tapfersten Krieger forderte. 
Manlius, ein Abkömmling des Retters des Capitols, Sohn des Lucius 
Manlius, den er in kindlicher Pietät* vor der Anklage des Tribunen 



1 Liv. 6, 42. Plut Cam. 40 ff. Dionys. exe. 23. — 2 1. c. — 3 1. c. II. p. 665. — 
4 Polybios nimmt bekanntlich ein Jahr später als Dionys für die Einnahme der 
Stadt, daher gelten die 30 Jahre bei ihm nur 29 für uns. ~ 5 Liv. 7, 9 ff. — 
6 Liv. 7, 5. 



§. 8. Gemeinsamer Krieg der Tiburter und Gallier gegen Rom. 394. 123 

M. Pomponius gerettet hatte, nahm mit Genehmigung des Dictators die 
Forderung an ; mit einem kurzen Stossdegen ^ und einem kleinen Schilde 
drang er dicht an seinen Gegner heran , wich geschickt einem furcht- 
baren Hiebe desselben aus, der ihn sonst zerschmettert hätte und durch- 
bohrte ihm , sich unter dessen Schild schmiegend , Leib und Weichen, 
so dass er hinstürzend einen weiten Baum bedeckte. Er ehrte den Ge- 
fallenen^ indem er sich jeder Misshandlung enthielt, nur dass er ihm 
das reiche goldene Geschmeide vom Halse riss und es sich frohlockend 
zum Zeichen des Sieges umhing. Der Dictator fügte, ihn ehrend, einen 
goldenen Kranz als Geschenk hinzu und erhob vor öffentlicher Ver- 
sammlung seine Tapferkeit mit grossen Lobsprüchen. Der gefeierte 
Held erhielt von den Soldaten anfangs im Scherz den Beinamen ToK 
quatus, der in der Folge seinen Nachkommen verblieb. Erschreckt ver- 
liessen die Gallier in der nächsten Nacht ihr Lager und zogen nach Ti- 
bur und von da, nach einem mit den Tiburtern abgeschlossenen Schutz- 
und Trutzbündnisse reichlich von ihnen durch Zufuhr unterstüzt, nach 
Campanien. Vereinzelt stehen Florus und Orosius* da mit ihrem Be- 
richte eines grossen über die Feinde erfochtenen Sieges. Dies ist der, 
einzelne Plünderungen abgerechnet, thatenlos vergangene Feldzug vom 
Jahre 393 u. c. 361 v. Chr. 



§. 8. 

Oemeinsamer Krieg der Tiburter und Gallier gegen Bom. 394. Doppel- 
sieg der Homer. 

Diese Heerfahrt hat man als sagenhaft verwerfen wollen. Zwar war 
-Roms Heldenzeit hereingebrochen , aus welcher zahllose Sagen roman- 
tischer Ritterthaten den späteren Römer erfreuten — eine Zeit wie das 
Mittelalter der Deutschen. Da man sich in Rom durch bürgerliche Ver- 
dienste nur geringe , durch geistige Bemühungen gar keine Auszeich- 
nung erwerben konnte, und da die ganze Einrichtung auf Krieg be- 
rechnet war, darf es uns nicht wundern, dass die römischen Jahrbücher 
neben den inneren Zwistigkeiten unaufhörlich von auswärtigen Kriegen 
reden ; zwar denkt man auch unwillkührlich bei Manlius' Zweikampf an 
Arthur und Roland, an Pyrrhusund den Mamertiner, an Gottfried von 
Bouillon und den Saracenen. Allein schon das Fortleben des Namens 
Torquatus weisst jeden Zweifel an diesen Feldzug zurück. Auch des 
Polybios Angabe kann nicht dagegen geltend gemacht werden, denn für 

1 Liv. 7, 10 ff. — 2 Flor. 1,13. Oroa* 3, 6, ' 



124 11* I^ic gallischen Kriege bis zur etruskischen und samnitischen AUiance. 

die Einzelheiten dieses Zeitalters^ als eines dunkeln hat er nicht dasselbe 
Gewicht, welches wir ihm über die Zeiten, die den seinigen näher liegen, 
einräumen. 

Der gallische Krieg des folgenden Jahres wurde wieder in gewohn- 
ter Weise mit Einfällen in Latium eröffnet (394 u. c. 360 v. Chr.). 
Herbeigerufen von den Tiburtem zu Hülfe gegen Rom , waren sie mit 
Freuden der erwünschten Einladung gefolgt und richteten nun unter 
deren Anfahrung grosse Verwüstungen im Gebiete von Lavici , Tuscu- 
lum und Alba an. Zwar war der plebejische Consul Poetelius Baibus 
gegen Tibur geschickt, allein man hatte nicht auf einen gallischen Krieg 
gerechnet; desshalb wurde ein Dictator ernannt und zwar Q. Servilius 
Ahala. Dieser liess das consularische Heer in seiner beobachtenden 
Stellung bei Tibur und bildete ein neues aus der waffenfähigen Bevöl- 
kerung Roms, die auch jetzt wieder aufgeboten wurde. Kühner wie im 
vorigen Jahre drangen die Gallier auf demselben Wege , den ihre Vor- 
fahren vor dreissig Jahren betreten hatten, bis in die östliche Nähe Borns 
vor und lieferten unweit des collinischen Thores eine blutige Schlacht. 
Lange wogte der Kampf hin und her, aber die Römer fochten im Ange- 
sichte der Ihrigen, das Herz von Ehrgefühl und Verzweiflung entflammt, 
muthig gegen den Feind, doch erst nach langer Anstrengung neigte sich 
der schwankende Sieg auf ihre Seite. Gross war der Verlust auf beiden 
Seiten, die Gallier aber eilten in wilder Flucht dem rettenden Tibur zu, 
wo Poetelius sie erreichte und sie zugleich mit den zur Hülfe ausgerück- 
ten Tiburtern, den Sieg vollendend, in dieThore hineinjagte*. 394 u. c. 

Wahrscheinlich blieben einzelne Haufen Gallier in Tibur zurück 
und betheiligten sich an dem nächtlichen missglückten Handstreich auf 
Rom im folgenden Jahre ^. Bedeutender aber ist der gallische Krieg im 
Sommer 396. 

§. 9. 

Gallifloher Krieg vom J.^886. Sieg des Dietators C. Sulpicius Feticua 

bei Fedum. 

Von einem Zuge nach dem südlichen Italien zurückkehrend, da 
das praenestinische Gebiet Schauplatz des Krieges wurde , drangen sie 
396 (358 V. Chr.) bis Fedum vor. In dieser drohepden Gefahr schloss 
Rom mit Latium Bündniss und Waffenstillstand und griff zur Dic- 
tatur. Diese Würde erhielt als ehrendes Zeichen seiner Kriegeskunst 
der im Lager ergraute C. Sulpicius Feticus; sogleich zog dieser die 



1 LW. 7, 11. - 2 Liv. 7, 12. 



§. 10. Gallischer Krieg vom Jahre 404 u. s. v. 125 

Kerntruppen aus beiden consularischen Heeren an sich und schlug dem 
Feinde gegenüber sein Lager auf, das er mit starken Befestigungen um- 
gab. Als er sah, dass die Gallier vertrauend auf ihre Uebermacht , die 
nothwendigsten Vorschriften des Krieges, wie die Verschanzung des La- 
gers und Zufuhren an Lebensmitteln, überaus nachlässig erfüllt hatten, 
und er zugleich ihren bei jeder Zögerung erschlaflfenden Geist kannte, 
beschloss er den Krieg in die Länge zu ziehen und setzte eine grosse 
Strafe darauf, wenn sich Jemand ohne sein Geheiss mit dem Feinde ein- 
liesse. Aber seine Untergebenen von Kampflust brennend wussten den 
weisen Plan ihres Feldherrn nicht zu würdigen und murrten ungedul- 
dig über die gebotene ünthätigkeit. Endlich entschloss er sich die 
Schlacht anzunehmen und zog durch eine sinnreiche List den schon ver- 
lorenen Sieg wieder auf seine Seite : Er liess gegen tausend Trossknechte 
reich bewaffnet ihre Saumthiere besteigen und hundert ßeisige zu ihrer 
Führung aufsitzen , mit dem Befehl , sich im Dunkel der Nacht ins Ge- 
birge zu werfen und in den Wäldern zu verbergen , am folgenden Mor- 
gen aber auf ein gegebenes Zeichen hervorzubrechen. Als nun die 
Schlacht entbrannte, erkannten die Soldaten bald die Weisheit ihres ge- 
tadelten Führers , vor der Wucht des gallischen Angriffes gingen beide 
Flügel schon einer gänzlichen Auflösung entgegen, als plötzlich jene 
scheinbare Reiterei hervorbrach. Als die Gallier den neuen Feind er- 
blickten und ihn schräg den Berg hinab auf ihr Lager zureiten sahen, 
gaben sie entmuthigt die gewonnenen Vortheile der Schlacht auf und 
flohen den schützenden Wäldern zu, wodurch sie eine entsetzliche 
Niederlage erlitten. Ein prächtiger Triumph, den auch die Fasten be- 
zeugen, krönte den glücklichen Erfolg des geschickten Feldherm*. Un- 
ter der Beute fand man jenes gallische Gold, das als heiliger Schatz mit 
Quadersteinen vermauert auf dem Capitol niedergelegt wurde. 396. 
(358 V. Chr.) 

§. 10. 

Gallischer Krieg vom J. 404. Sieg des Consuls M. Fopilius Laenas. Die 

Gallier überwintern im Albanergebirg. L. Furius Camillus nöthigt die 

Gallier zum Büekzug. 406. Zweikampf des M. Valerius Corvus. Einbruch 

transalpinischer und eisalpinischer Gallier in Etrurien. 448. 

Seitdem genoss Latium für einige Zeit Ruhe vor den Galliern, 
welche wahrscheinlich ihre Züge mehr nach Unteritalien ausdehnten. 
Aber unter dem Consulate des M. Fapilius Laenas wagten sie es wieder^ 



1 Liv. 7, 12—15. 



i26 II* I^^c gallischen Kriege bis cur etruskischen und samnitischen Alliance. 

Latium heimzusuchen (404 u. c. 350 y. Chr.). Da dessen College im 
Amte L. Cornel. Scipio an schwerer Krankheit daniederlagt wurde ihm 
der gallische Krieg ausserordentlich übertragen. Da die Gallier auch 
diesmal dem römischen Heere an Macht vielfach überlegen waren^ 
nahete er sich ihnen mit Vorsicht und liess , bevor er einen Entschei- 
dungskampf herbeiführe, auf einer Anhöhe , so nahe er sie dem Feinde 
besetzen konnte, einen Wall aufwerfen. Als jenes wilde und kämpf be- 
gierige Volk , welches schon beim Anblicke der römischen Feldzeichen 
in der Feme seine Scharen ausgebreitet hatte, jetzt sah, dass sich der 
Heereszug nicht in die Ebene herabliess, sondern theils durch seine hohe 
Stellung, theils durch den Wall sich schützte, so hielt es sie für verzagt 
und furchtsam und nahm zugleij^h die Gelegenheit wahr sie anzugreifen, 
welche mit Befestigungsarbeiten beschäftigt waren. Der Angriff ge- 
schah in gewohnter Weise unter furchtbarem Kriegsgeschrei. Die Tri- 
arier setzten ihre Schanzarbeiten fort, während die übrigen Cohorten 
dem feindlichen Andrang sich entgegenstellten. Schon die höhere Stel- 
lung bewirkte, dass ihre Geschosse nicht wirkungslos niederfielen; 
leicht wurden daher die Gallier in das Thal zurück geworfen ; sie stürz- 
ten über einander hin und richteten unter sich selbst eine grössere Nie- 
derlage an als das Geschoss der Römer, da in jähem Gewühle sehr Viele 
zertreten wurden. Aber eine frische Schaar trat den Siegern in der 
Ebene entgegen , welche mit Erfolg die ermüdeten Bömer angriff und 
den Consul die Schlacht zu verlassen nöthigte, dem die linke Schul- 
ter mit einer gallischen Mataris durchstochen war. Schon hatte die Ab- 
wesenheit desselben die Linien zum Weichen gebracht , als er verbun- 
den in das Treffen zurücksprengte und in Keilen die feindlichen Beihen 
durchbrechen liess. So aus einander geworfen fielen die Grallier ohne 
Befehl und Führer über ihre eignen Leute her , ergossen sich über die 
Ebene und eilten ihrem Lager vorbei ins albanische Gebirge , wohin sie 
Popilius wegen der Abmattung seines Heeres nicht verfolgen konnte. 
Beich war die Lagerbeute, der Consul überliess sie seinen Soldaten und 
begnügte sich mit einem Triumphe, den seine im Treffen erhaltene 
Wunde noch etwas verzögerte *. Dennoch war der Blrieg nicht beendet; 
das verödete Albanergebirg gewährte den Galliern sichern Schutz und 
war jedem feindlichen Andrang unnahbar. Aber der harte Winter und 
Mangel an Lebensmitteln bewog sie bald ihre Lagerstätte zu verlassen 
und so streiften sie von Neuem über die Ebenen und Seegegenden. 
L. Furius Camillus, Sohn des Siegers über Veji erhielt die gefahrliche 
Ehre, diesen Krieg zu endigen, da der Senat es nicht wagte, ihm wegen 



1 Liv. 7, 23. 24. 



§. 10. Gallischer Krieg vom Jahre 404 u. s. w. 127 

seines bekannten Stolzes einen Dictator vorzusetzen. Auch hier wurde 
die gesammte waffenfähige Mannschaft zur Aushebung gezogen und bald 
stand ein furchtbares Heer von zehn Legionen, jede zu 4200 Mann zu 
Fuss und 300 zu Ross kampfgerüstet da. Zwei Legionen Hess er der 
Stadt zur Besatzung zurück, mit vier Legionen hiess er den Praetor 
L. Pinarius (denn sein College Appius Claudius war mitten unter den 
Kriegesrüstungen gestorben) die Seeküste decken, welche eine grie- 
chische Piratenflottille unsicher machte, während er selbst mit vier Le- 
gionen in das pomptinische Gebiet hinabzog. ^ Er wählte, weil er sich in 
der Ebene nicht ohne dringende Noth schlagen wollte , und durch Ver- 
wehrung der Plünderungen die Feinde, die nur vom Baube lebten, hin- 
länglich zu beschäftigen glaubte, einen schicklichen Platz zum Stand- 
lager. Der Schlacht ging auch hier ein Zweikampf vor-aus, den die 
patriotische Sage wunderbar ausgeschmückt hat. Ein riesiger Gallier 
forderte einen Römer zum Zweikampfe heraus und der junge M. Valerius 
Corvus nahm die Forderung an. Während des Kampfes setzte sich ein 
(vielleicht abgerichteter) Rabe auf seinen Helm und fuhr bei jedem 
Gange dem Gallier mit Schnabel und Krallen ins tiesicht, bis dieser an 
Sehkraft lind Besinnung geschwächt von Valerius erlegt wurde. Als 
der Sieger die Spolien zu sich nehmen wollte, erhob sich um den Leich- 
nam eine mörderische Schlacht, in der die Gallier aufs Haupt geschlagen 
wurden, so dass sie sich nach Livius* Bericht über das Volsker- und Fa- 
lernergebiet , nach Apulien und dem oberen Meere zu, zerstreuten. 
Offenbar übertreibt hier Livius ; denn Camillus wurde nicht einmal ein 
Triumph zu Theil und dazu bespricht auch Polybios diesen Feldzug. 
Muthig seien Roms Krieger, berichtet er , den hereinbrechenden Fein- 
den entgegengerückt, zur Schlacht aber sei es nicht gekommen, weil die 
Gallier erstaunt über den Anzug der Römer und getheilt durch innere 
Zwiste in der Nacht heimlich Flüchtlingen ähnlich von dannen gezogen 
seien*. Immerhin jedoch nöthigte L. Camillus die Gallier zum Rück- 
zug und ward mit Recht als ihr Sieger gefeiert sogar im fernen Grie- 
chenland^. 

Es ist das letzte Mal, dass ein gallisches Heer Latium betreten hat. 
Die Chronologie dieses Feldzuges steht fest; das Jahr 405 u. c. haben 
alle Quellen. Polybius* setzt ihn 12 Jahr nach der Schlacht am Anio, 
welche 393 erfolgte. Endlich das ausdrückliche Zeugniss des Anna- 
listen : Id (der Zweikampf des Valerius) factum est annis qtcadringen' 
tis quinqtiepost JRomam conditam. — Gellius. N. A. 9, 11. 



1 Polyb. 2, 18. Die übrigen Quellen sind Liv. 7, 25 ff. Valer. Max. 3, 2, 6.; 
Gellius, N. A. 9, n . Sm'dasv. KikroL — 2 Plut. Cam. 22. Vgl. Niebuhrl. c. III. p. 84 ff. 



128 ^^' ^1® gallischen Kriege bis zur etruskischen und samnitischen AUiance 

So lernten zwar auch die Gallier die Tapferkeit des römischen Vol- 
kes fürchten und ehren, da sie dieselbe in mehreren Schlachten zu ihrem 
Nachtheile erprobt hatten , allein zu Rom haftete lange viel tiefer der 
Schrecken vor ihnen , der sich stets bis zur Angst steigerte , wenn die 
Nachlicht einlief, dass ein gallisches Heer die Grenze feindlich über- 
schritten. Galt es gegen Latiner und Etrusker, so zogen sie muthigund 
sieggewohnt in die Schlacht, da sie zu gut sich ihrer Ueberlegenbeit in 
der Kriegführung bewusst waren , um vor solchen Feinden je den Ge- 
danken der Furcht aufkommen zu lassen ; mit den Galliern aber war es 
anders ; so oft sie naheten , erging der Befehl an Jeden , der im Stande 
war , die Waffen zu führen , sich zu stellen ; ein Dictator trat an das 
Buder des Staates, leitete die Angelegenheiten und legte nicht eher 
seine Würde. nieder, als bis das Vaterland keinen Feind mehr auf seinem 
Boden trug. Als Born daher einige Jahre später den grossen Kampf mit 
Samnium und Etrurien um die Oberherrlichkeit Italiens aufnahm , traf 
es zwar politisch aber unrühmlich Vorkehrungen um sich gallischer 
Seits vor Störungen zu sichern und Bündnisse zwischen den italischen 
Stämmen und den keltischen zu hintertreiben. Dass aber Rom den Frie- 
den anbot, und nicht Gallien, dass vielmehr Rom denselben mit grossen 
Summen erkaufen musste, sieht jeder unbefangene leicht, wenn er er- 
wägt, dass ein Friede nur den Römern Vortheile zusichern, den Galliern 
offenbar aber Schaden bringen musste, da er den Streifereien ausserhalb 
der südlichen Grenze ein Ende setzte. Dreizehn Jahre. nach dem letz- 
ten Kriege oder 418 u. c. (336 v. Chr.) kam dieser Friede zu Stande. 
Vergleichen wir Livius unter demselben Jahre, so finden wir nur eine 
entfernte dunkle Andeutung desselben; er ist viel zu sehr Römer, als 
dass er ein solches , die Grösse seines Vaterlandes wenig ehrendes Er- 
eigniss in sein Werk aufnehmen mochte und begnügt sich damit *, es 
habe sich das Gerücht eines neuen gallischen Einfalls verbreitet, der 
Senat habe Kundschafter entsandt, die aber Alles in tiefster Ruhe ge- 
funden hätten. So folgt Livius hierin dem römischen Annalisten, den 
ebenderselbe patriotische Stolz beseelte, während er den Polybios ver- 
lässt, dessen Bericht er wohl kannte. 

Man hat Livius dadurch zu rechtfertigen und seine innere Ueber- 
einstimmung darzuthun gesucht, dass drei Jahre später trotz des angeb- 
lichen Friedensschlusses abermals ein Gerücht von einer gallischen De- 
monstration sich erhoben habe (421); allein dasselbe ergab sich als ge- 
halllos , obwohl diese Schreckensnachricht ganz Rom unter die Waffen 
brachte, und selbst Handwerker, die man gewöhnlich als untauglich 



1 Liv. 8, 17. exphraiarea mi»»i attulerunt, quieta omnia apud Galloi esse. 



§. 10. Gfkllischer Krieg vom Jahre 404 u. s. w. 129 

zurückwies, den Legionen einreihete ' . Hätte der Sache auch eine wahre 
Begebenheit zu Grunde gelegen, so konnte der einfallende Schwärm mit 
demselben Rechte einem transalpinischen Stamme angehören , der von 
Wanderlust ergriffen und ohne durch bindende Verträge gehemmt zu 
sein , sein kaltes Heimathland gegen das freundlichere Klima Italiens 
zu vertauschen wünschte. Bringen wir dazu die summarische Darstel- 
lung bei Polybios in Anschlag, von Verhältnissen, die er in seinem 
pragmatischen Gange nicht füglich übergehen kann , so ist Niebuhrs * 
Vermuthung, Polybios habe es für überflüssig gehalten einen grundlosen 
Allarm zu erwähnen, eine evident gewisse. Zudem finden wir auch später 
die kurzen Notizen des Polybios sowohl historischen wie chronologischen 
Inhalts in Betreff der gallischen Kriege als genau und sorgfaltig. 

Dreissig Jahre später (449 u. c.) brachen wieder neue gallische 
Schaaren aus dem Mutterlande jenseits der Alpen in Italien ein und 
suchten sich dort niederzulassen. Da die cisalpinischen Kelten nicht 
Lust zeigten, ihre Länder mit den Ankömmlingen zu theilen , wandten 
sie die Strömung von sich ab nach MittelitaUen und schlössen sich in 
grosser Anzahl dem Zuge dahin an. Auch die Etrusker wussten sich 
der gefahrlichen Gäste zu entledigen , welche sich dann auf die Länder 
der römischen Bundesgenossen warfen und sich furchtbaren Verheerun- 
gen überliessen. Reich war die Beute, die ihnen zu Theil ward, aber 
sie wurden ihrer nicht froh : kaum waren sie mit derselben hinter den 
Apenninen , als sie sich über die Theilung nicht einigen konnten ; sie 
zückten ihre Schwerter gegen ihre eigenen Stammesgenossen und rieben 
als der feurige italische Wein , im Uebermass genossen , ihnen vollends 
die Besinnung geraubt, sich* grösstentheils gegenseitig auf. So lautet der 
ächte und wahre Bericht bei Polybios^; Livius* verlässt auch an dieser 
Stelle , die ihm für Rom nicht günstig genug lautete, den von seinem 
Vorbilde betretenen Weg und hält sich an die Annalisten, aus denen er 
folgende Darstellung schöpfte : Die feindlichen Schwärme kamen nur bis 
Etrurien , wo sie von den Einwohnern eine Strecke Landes, um sich 
anzusiedeln , begehrten. Aus altem Hasse gegen Rom , bewogen diese 
die Gallier aus Feinden ihre Verbündete zu werden , indem sie ihnen 
eine Summe Geldes und zwar im Voraus auszahlten. Kaum war diese 
in ihreii Händen als die Gallier den eingegangenen Vertrag läugneten, 
nur für Etruriens Sicherheit habe man sich verpflichtet und nur gegen 
Abtretung einer Strecke Landes wolle man gegen Rom kämpfen. Allein 
da die Etrusker die Gallier als Nachbaren in so unmittelbarer Nähe 



1 Liv. 8, 20. — 2 Niebuhr 1. c. III. p. 197. — 3 Polyb. 2, 19. — 4 Liv. 
10, 10. 

Contzen, Wanderungen der Kelten. 9 



130 m« Unabhäiigigkeitskampf der Völker Mittelitaliens u. s. w. 

scheueten^ zogen sich diese über die Appenninen in ihr Heimathland 
zurück. Von dieser Erzählung des Livius gilt Aehnliches, wie oben ; er 
will keinen Makel in diesem Heldenzeitalter auf seine Stadt kommen 
lassen und nimmt^ wo er verschiedene Berichte findet, den glimpflichen 
entweder in sein Werk auf oder lässt ein Stillschweigen auf der Sache 
ruhen. Wohl aber hat Polybios hier die Wahrheit berichtet, denn im 
folgenden Jahr rächten die Römer durch einen Einfall in Etrurien das 
den Bundesgenossen zugefügte Unrecht. 



Gapitel III. 

Vnabhangigkeitskftmpfe der italischen Völiierscliafteii und der 
Gallier gegen Rom bis zum zweiten punischen Kriege. 



§. 11. 

Charakter dieser Periode. 

Während der dreissig letzten Jahre hatten sich die Verhältnisse für 
Rom äusserst günstig gestaltet. Die alte Scheidewand, welche die 
Stände dort so lange getrennt hatte, war gestürzt; siegreich war das 
Volk aus dem zweihundertjährigen Kampfe hervorgegangen ; eine völ- 
lige Verschmelzung der Patricier und Pleb'ejer und ein Gleichgewicht 
der Verfassungsformen, ohne welches Rom nie seine bewunderungs- 
würdige Grösse erlangt hätte, war das Endergebniss des Kampfes. Wie 
aber die Zwietracht im Innern Roms Feinde ermuthigt und gestärkt 
hatte, so gingen aus der Eintracht fortan ihre Niederlagen hervor. Im- 
mer mächtiger war desshalb Roms Grenzgott vorangeschritten , Latium 
kannte schon die ewige Stadt als sein Haupt an , vergebens suchte sich 
Etrurien des immer fühlbarer werdenden Einflusses zu erwehren ; zwar 
erhob es sich oft gegen denselben , allein der Aufstand geschah meisten- 
theils nur von einzelnen, oft kleinen Städten, selten in Masse, wodurch 
die Anlage von Colonien und die Unterdrückung des Landes erleichtert 
wurde. Als Rom aber durch Campanien und Lukanien mit dem kriege- 
rischen Bergvolke der Samniten in feindliche Berührung gekommen 
war, schätzte es den neuen Gegner nicht unter seinem Werthe, sondern 
erkannte richtig, dass ein heisser Krieg entbrennen würde, zu dem der 
ZündstoflT schon lange aufgehäuft lag , indem entschieden werden sollte. 



§. 25. Der dritte samnitische Krieg. Schlacht bei Sentinum. l^f 

ob Italien fortan von Rom oder Samnium seine Befehle zu holen hätte *► 
Cemüthigen konnte man ein streitbares, freies, seit uralten Zeiten durch 
seine Verfassung und einfachen Sitten ausgezeichnetes Volk nicht, es 
musste ein Vernichtungskrieg geführt werden. So geschah es denn auch ; 
ohne ritterlichen Sinn, den Krieg handwerkmässig betreibend — man 
denke nur an die schmachvolle Hinrichtung des edlen Pontius, die 
prinzipielle Verwüstung und Verödung des eroberten Landes — siegte 
E.öm, unterstützt durch den lockern Bund der samnitischen Eidgenos- 
senschaft selbst. Auch der Charakter der gallischen Kriege wird in die- 
sem Zeitraum ein anderer, leider zu spät; diese tragen fortan selten 
mehr das Gepräge von Beutefahrten ; in der von Born angefangenen all- 
mähligen Unterwerfung Italiens sehen die Gallier auch ihre Freiheit 
bedroht und untergraben ; immer mehr naht auch ihnen die Stunde des 
Verderbens und die bisherige OflFensive geht nach und nach in verzwei- 
felte Defensive über. Darum stehen sie dann mehr aus eigener Bewegung 
auf und schliessen sich mit den Umbrern der grossen samnitisch-etru&- 
kischen Coalition an, bis sie, da in Italien v bis zu den Apenninen nur 
Boms Wort gilt, auf sich beschränkt, den Kampf mit mehr Muth als 
Glück fortsetzen , eine Zeit lang durch Hannibals Genie wieder Sieger 
nach seinem Falle gedehmüthigt , so dass zwei ihrer besten Stämme Se- 
nonen und Bojer gänzlich verschwinden, endlich römische Provinz. 
Dies ist der allgemeine Charakter des Zeitraumes, an dessen Darstellung 
wir gelangt sind. 

§. 12. 
Der dritte samnitische Krieg. Schlacht bei Sentinum. 

Der folgende gallische Krieg fällt in den dritten samnitischen und 
hängt mit demselben so wesentlich zusammen, dass Trennung ihrer Ge- 
schichte die Deutlichkeit und den inneren Zusammenhang, der nicht 
weniger von Belang ist , als die Kenntniss der einzelnen Fakta selbst, 
vernichten müsste. 

Als der grosse Feldherr Papirius Cursor in einem lange schwanken- 
den Kampfe bei Longula den Kern des samnitischen Heeres niederge- 
hauen hatte , wurden die Samniten nach mehren kleinen ebenfalls un- 
glücklichen Gefechten gezwungen (450 u. c), die Waffen niederzulegen 
und Frieden einzugehen, in dem sie Koms Oberhoheit anerkannten und 
ihreiu Einfluss über Lukanien aufzugeben versprachen. Da aber nur die 
Noth sie zu den verhassten Bedingungen getrieben hatte, waren diese 



1 Samnis Momanusve imperio Italiam regat, decernanius, Liv. S, 3, 

9* 



132 I^I* Unabhängigkeitskampf der Völker Mittelitaliena u. 8. w. 

selbstverständlich nur für eine kurze Zeit in Kraft. Ungesckwächt an 
Muth nahmen sie daher nach 6 Jahren (456j, als ihr Land sich von den 
harten Schlägen erholt hatte, den Fehdehandschuh öiit Lukanien wieder 
auf und überzogen mit Heeresmacht dasselbe um ihre frühere Herr- 
schaft wiederzugewinnen. Die Lukan^r wandten sich nach Rom um 
Hülfe, welches bereitwillig die Vermittlungsrolle gegen die Samniter 
übernahm, deren Zurückweisung den dritten samnitischen Krieg ent- 
zündete*. Der Feldzug des ersten Jahres (456) war glücklich für die 
Römei;; zwei tüchtige bewährte Männer, die beiden Consuln L. Corne- 
lius Scipio und Cn. Fulvius standen an der Spitze, der Eine in Etrurien, 
das sich erhoben hatte, der Andere in Samnium befehligend. Scipio 
traf das etruskische Heer bei Volaterrae, unweit des tyrrhenischen 
Meeres ; er lieferte demselben eine Schlacht , die auf beiden Seiten blu- 
tig und lange unentschieden war. Als er am folgenden Morgen den 
Kampf erneuern wollte, fand er das feindliche Lager leer; in der Nacht 
waren seine Inhaber entflohen , ohne ihm länger den Sieg und den 
Wahlplatz streitig machen zu wollen. Eine furchtbare Verwüstung des 
Landes folgte dem Kampfe. Jedenfalls aber ist Cn. Fulvius ein bedeu- 
tenderer Feldhewr; \delleicht wegen seiner plebejischen Abkunft be- 
gnügt sich Livius mit der kurzen Erwähnung seiner Siege und deren 
glücklichen Folgen, während er dem lange nicht so wichtigen Feldzuge 
Scipios weit grössere Aufmerksamkeit schenkte. Mehrere Züge von 
seiner strategischen Geschicklichkeit, liegen uns auf bewahrt in Fron- 
tins^ Strategematikon. Er besiegte das samnitische Heer bei Bovianum, 
ein Ereigniss , das ihm die beiden Haupstädte Samniums in die Hände 
spielte : Bovianum und Aufidena. Ein ehrenvoller Triumph lohnte ihm 
sein ruhmvolles Wirken. 

Im folgenden Jahre (457) kam die Schreckensnachricht, dass die 
Samniter und Etrusker mit vereinten Kräften den Krieg weiter zu füh- 
ren beschlossen und gewaltige Küstungen angestellt hätten ®. In dieser 
Noth sah man nur in Q. Fabius Maximus einen bewährten Helfer, und 
der einstimmige Ruf des Volkes erging an ihn , die gefthrliche Würde 
eines Consuls zu übernehmen. Nach langem Sträuben willigte der alte 
Held ein und bat die Comitien ihm zum CoUegen seinen berühmten 
Freund P. Decius Mus zu geben. Man willfahrte seinem Wunsche und 
beide Feldherrn wandten die ganze Wucht des Krieges auf Samniuoi, 
da Etrurien geschreckt um Frieden bat. Um den Feind in Ungewiss- 
heit zu lassen , zogen sie auf verschiedenen Heerstrassen in sein Land 
ein, Decius in den Südwesten vom Sidicini sehen , Fabius nördlicher 



1 Liv. 10, 11. 12. — 2 Frontin. Strat. 1, 6. 11. — 3 Liv. 10, 14 ff. 



§.12. Der dritte samnitische Krieg. Schlacht bei Sentinum. 133 

vom Seranischen aus , ersterer dabei zugleich eine Unterdrückung des 
apulischen Aufstandes beabsichtigend. Mit grosser Vorsicht und nach 
genauer Erkundigung betrat Fabius das gebirgige , trefflich zur Aufstel- 
lung eines Hinterhaltes geeignete Abruzzenland und vermied daher 
glücklich eine gefahrliche Stelle am Tifernusfluss ^ wo ihm ein feind- 
liches Corps während des Ueberganges in den Rücken fallen wollte. 
Wenige Tage darauf kam es zur Schlacht, die vielleicht zum Nachtheile 
der Römer ausgefallen wäre, wenn nicht L. Scipio mit den Hastaten 
der ersten Legion zur rechten Zeit den Samniten in den Rücken gefal- 
len wäre. In der Meinung, das andere consularische Heer sei im An- 
züge gaben die Sajnniter den Kampf auf und flohen mit Zurücklassung 
von 3400 Todten und 23 Feldzeichen, ehe sie ihren verderblichen Irr- 
thum entdeckt hatten. Auch <lem Decius hatte das Glück bei seiner 
Combination unterstützt; im rechten Momente traf er das apulische 
Heer bei Maleventum , wie es sich mit den Samniten vereinigen wollte 
und vereitelte dasselbe durch einen ihm leichten Sieg, der den Apulern 
zweitausend Todte kostete. Seit diesem Augenblicke erhob sich im Ge- 
birge der furchtbarste Krieg, der zugleich auf eine unmenschliche und 
vernichtende Weise geführt wurde. Gleich jenen höllischen Colonnen, 
welche die Franzosen gegen ihre Landsleute in der Vendee ausschick- 
ten, durchzogen die Consuln fünf Monate lang das unglückliche Sam- 
nium und brannten alle Städte nieder, deren sie habhaft werden 
konnten ^ 

Die Geschichte des folgenden Jahres (458) verläuft in ähnlicher 
Weise günstig für Rom^. Die Consuln L. Volumnius und Appius 
Claudius führten denKrieg glücklich weiter; drei wichtige Festungen 
fielen in Samnium, wo der Proconsul Decius befehligte, Murgantia> 
Ferentinum und Romulea, deren Eroberung sich neben Decius auch 
Fabius und Volumnius rühmten. Unterdessen hatte sich Egnatius Gel- 
lius mit den Umbrem und Etruskern zu einem entscheidenden Schlage 
in Etrurien zu vereinigen gewusst. Die mächtigsten Städte daselbst: 
Perusia , Clusium * , Volsinii und Rusellae * waren aufgestanden. Auf 
diese Nachricht eilte der Con^ul Appius Claudius aus dem nördlichen 
Samnium auf der geradesten Strasse nach Etrurien mit zwei Legionen 
und 12000 Mann Bundesgenossen; nicht lange nachher folgte Volum- 
nius ihm ebendahin , während Decius in Samnium zurückblieb. Die 
vereinten consularischen Heere erfochten einen herrlichen Sieg über 
Gellius ; wird derselbe auch durch einige etwas übertriebene Zahlen ver- 
dächtigt, so erhellt doch hinlänglich seine Bedeutung daraus, dass Vo- 



1 Liv. 10, 15. — 2 Liv. 10, 16. — 3 Liv. 10, 30. — 4 Liv. 10, 37. 



134 m« Unabhängigkeitskampf der Völker Mittelitaliens u. 8. w. 

lumnius nach Samnium zurnckkehite und Appius der Bellona einen 
Tempel gelobte*. 

Ungeschwächt an Muth wenn auch nicht an Kraft setzten dem- 
nach die Samniter den Kampf fort, sie verheerten Campanien bis an den 
Liris und die Anwesenheit des Consuls war nöthig, sie von dort zu ver- 
treiben. Am Vulturnus* erreichte Volumnius das beutebeladene samni- 
tische Heer, überfiel es mit seinen ermüdeten Soldaten und erfocht 
einen glänzenden Sieg, der Rom von grosser Furcht errettete ; die ganze 
Beute, sämmtliche Gefangene, der feindliche Feldherr nebst 2500 Sam- 
niten fiel in seine Hände. 

So glücklich endete das Jahr 458, wiederum war eine Coalition ge- 
sprengt , zwei wichtige Schlachten hatten Boms Ueberlegenheit wieder 
glänzend bewährt ; das folgende Jahr aber, denkwürdig durch den Ein- 
fall der Gallier, war das bedeutendste des ganzen Krieges. 

Als die Samniter und Etrusker ihre ausserordentlichen Antrengun- 
gen an der Tapferkeit der Römer scheitern un-d in dem fast fünfzigjäh- 
rigen Kampfe nur Nachtheil erzielt sahen, beschlossen sie noch ein 
Volk in den gewaltigen Kampf hineinzuziehen, vor dem selbst das 
stolze Rom gebebt, an das es nur mit Unruhe zu denken wagte — die 
Gallier ; Egnatius Gellius trat mit ihnen in Verbindung und brachte sie 
mehr durch Darstellung des Zustandes Italiens Rom gegenüber als durch 
Geldsummen dahin, dass sie ein Heer zu schicken versprachen. Frei- 
lich gerieth man bei dieser Nachricht zu Rom in grosse Bestürzung, Hess 
aber den Muth nicht sinken , vielmehr betrieb man mit grösstem Eifer 
die Kriegesrüstungen; zwar wurde die Stadt* durch Wunderzeichen 
mehrfach geängstigt, aber durch glückliche Deutung der Priester wieder 
beruhigt. So soll die Statue der Victoria aus Erz, die auf dem Forum 
stand, neben ihrer Basis atifrecht stehend mit dem Antlitz dahin gerich- 
tet, von wo man die Feinde erwartete, gefunden worden sein; ein Altar 
auf dem Capitol soll drei Tage nacheinander zuerst Blut, dann Honig, 
endlich Milch ausgeströmt haben. Zur Versöhnung der beleidigten Gott- 
heiten und Abwendung drohender Gefahren ordnete der Senat zwei all- 
gemeine Bettage an und spendete da?u dem Bedürftigen Weihrauch 
und Wein. Die Frage nach der Besetzung der consularischen Würde 
war bald erledigt. Aller Augen waren auf Q. Fabius gerichtet, ihn und 
seinen ei-probten Kriegsgeföhrten P. Decius hielt man nur für iahig, die 
furchtbaren Feinde zu schlagen ; an diese bewährten Männer erging da- 
her der Ruf des Volkes, noch einmal die Legionen zum Siege zu fuhren 
und die Bürger dem Verderben zu entreissen. Das Heerwesen gestal- 



1 Liv. 10, 19. — 2 Liv. 10, 20. — 3 Zonar. 8, 1. vgl. Liv. 10, 23. 



§. 12. Der dritte samnitische Krieg. Schlacht hei Sentinum. 135 

tete sich demnach also : L. Volumnias hatte noch nicht seinen Triumph 
gefeiert, sondern den Befehl über sein Truppencorps in Samnium ver- 
längert erhalten, daher waren auch seine Legionen nicht aufgelöst wor- 
den. Appius Claudius stand als Praetor mit seinem vorigen Heere in 
Etrurien. Zu den vorhandenen Truppen hob Fabius 4000 Mann Fuss- 
trupipen und 4Ö0 Reiter aus, die er selbst nach Etrurien führte nach 
Aharna, einem umbrischen Orte nordöstlich von Vulsinü, in dessen 
Nähe das Lager des Appius sich befand. Dies geschah im Winter, wo 
die neuen Consuln ihr Amt angetreten hatten. Bei seiner Ankunft liess 
er sogleich das stark verschanzte Lager des Praetors aufheben, entliess 
denselben und führte die Soldaten, um ihren Muth zu heben, unauf- 
hörlich manovrirend in massigen Märschen umher , da er wohl wusste, 
•dass die Gallier erst spät, wenn die Sonne den Schnee des Gebirges ge- 
schmolzen hatte, einbrechen konnten. Gegen Anfang des Frühlings 
aber kehrte er nach Rom zurück, wo Decius die Rüstungen besorgt 
hatte, und übergab den Oberbefehl , zufrieden, durch diese Recognosci- 
rung den Muth der Truppen gehoben zu haben, an L. Scipio. 

Die Grösse des Heeres war unterdessen bedeutend gestiegen ; die 
Bundesgenossen hatten eine weit grössere Anzahl als Rom selbst ge- 
stellt, unter anderen die Campaner * tausend Reiter , eine Truppengat- 
tung, die sehr willkommen war, da man die Furchtbarkeit der gallischen 
Reiterei wohl kannte ; nur gegen Samnium liess man ein kleines Be- 
obachtungscorps zurück unter Volumnius , hinlänglich genug , da man 
am Ende des vorigen Jahres zwei Militairkolonien zu Minturnae und , 
Sinuessa gegründet hatte ; alle übrigen Truppen zog man zusammen um 
sie in Etrurien zu verwenden, so dass das römische Heer beim Auszuge 
sich auf 80 — 90000 Mann belaufen mochte. 

Vergegenwärtigen wir uns zuvörderst die Stellungen der einzelnen 
Truppentheile; Volumnius befehligte in Samnium; von Etrurien, das 
mit Umbrien der Kriegsschiuplatz war, war der südliche Theil ganz 
besetzt; Veji hatte stets eine starke Besatzung; um aber, wenn das 
eigentliche Heer unter den Consuln sich na^ch Umbrien vorgewagt hätte, 
mit Rom eine Communikationslinie zu schaiFen und zugleich die . etrus- 
kischen Städte vom Abfall abzuhalten, legte Fabius eine starke Abthei- 
lung unter Cn. Fulvius an den Abhang der Berge bei Asisium zwischen 
Hispella und Perusia, während Posthumius Megellus bei Falerii eine 
feste Stellung einnahm. Die Vorhut war ziemlich weit vorgeschoben ; 
«ie* lag bei Camerinum , einer alten und bedeutenden Stadt Umbriens, 
aus einer Legipn von dem früheren Heere des Appius gebildet, das Fa- 



1 Liv. 10, 26. 



136 11^* UnabhäDgigkeitskampf der Völker Mittelitäliens u. 8. w. 

bius unter Scipio zurückgelassen hatte. Im Ganzen waren also drei 
Heere geschaffen , eines in Samnium unter Volumnius; , das zweite in 
Etrurien unter L. Scipio; das dritte aber führten die Consuln selbst 
nach dem Kriegesschauplatze. 

Gegen Ende des Frühjahres erschienen endlich die Gallier, ver- 
stärkt durch ihre Brüder jenseits der Alpen. Sie zogen durch Umbrien 
und warfen sich auf die römische Legion, die Scipio zur Vertheidigung 
des Camertiner Passes dort aufgestellt hatte ; nach tapferem Kampfe fiel 
sie bis auf den letzten Mann und jetzt ergossen sich die keltischen ßei- 
termassen, des Feindes Kopf an der Lanze über die geöffneten Fluren*. 
Dennoch aber hatten sich die consularischen Truppen durch geschicktes 
Manövriren mit L. Scipio zu vereinigen gewusst, worin die Zwietracht 
der Feinde, die verschiedene Lager beziehen mussten^, sie glücklich 
unterstützte. Auch Volumnius war nicht unthätig geblieben, er brachte 
den Samniten am Tifernus eine empfindliche Niederlage bei und rückte 
in Eilmärschen sodann nach Etrurien, wo auch er sich mit den Consuln 
vereinigte. Erwähnt wird dieser Zug nicht, doch sagt Polybios, dass bei 
Sentinum mit sämmtlichen Legionen gekämpft* und Livius, dass die 
Abwesenheit des Volumnius von den Samniten nach der Tifernusschlacht 
zu neuen Verheerungen benutzt wurde*. 

Jetzt fassten die Consuln einen raschen Entschluss: kühn über- 
stiegen sie die Apenninen , ohne sich an den seitwärts stehenden Feind 
zu kehren und schlugen in der Mitte Umbriens bei Sentinum ihr La- 
ger auf. Ganz von ihrer Heimath die Gallier abzuschneiden wagten sie 
nicht, aus Furcht, es möchte ihnen deren Verzweiflung verderblich 
werden *. Jetzt aber brachen die Gallier , die ihr Land bedroht glaub- 
ten, auf und wandten sich mit der sämmtlichen Bundesmacht gegen den. 
kecken Feind , in dessen Nähe sie ein verschanztes Lager aufschlugen. 
Ihre Vorkehrungen für die Schlacht waren einfach : Gallier und Sam- 
niten wollten den eigentlichen Kampf in fier Feldschlacht führen, wäh- 
rend die Etrusker und Umbrer im Sturme das feindliche Lager nehmen 
sollten. Aber die Ueberläufer verriethen den Consuln den Plan und 



J So Livius 1. c. Aber er setzt diese Niederlage in das Gebiet von Clusium, weil 
diese Stadt, vor Zeiten den Umbrern angehörig , von dem umbrischen Stamme der 
Camerten Camars hiess. Strab. 5 , p. 228. Cic. pro Balbo 20. Liv. 9, 36. Frontin. 
1. c. 1, 2, 2. Silius S, 461. vgl. C. O. Müller, Etrusker Bd. 1. S. 103. Livius ver- 
wechselt nun dieses Camars mit Camarinum; denn Clusium hatte sich an dem 
Kriege gegen Rom betheiligt, während das umbrische Camerinum für Hom Partei 
ergriffen hatte (Liv. 10, 26.). Ein Sieg der Gallier bei Clusium hätte auch das unge- 
deckte Rom bedroht. Vgl. Niebuhr, im a. B. Bd. 3. S. 441. — 2 Liv. 1. c. — 
3 Polyb. 2, 19. — 4 Liv. 10, 31. — 5 Frontin. 1. c. 2, 6. 



§. 12. Der dritte samnitische Krieg. Schlacht bei Sentinum. 137 

eilig erhielt der Propraetor Fulvius den Befehl , mit seiner Streitmacht 
eine Bewegung gegen Etrurien zu machen , um wo möglich die etrus- 
kischen Truppen von der Wahlstatt zur Vertheidigung der Heimath ab- 
zurufen. Diese Diversion erreichte ihren Zweck; auf die Nachricht von 
dem Einfalle der römischen Reserve eilte ein grosser Theil der etrus- 
kischen Contingente den bedrohten Punkten zu. 

Als der Tag der Entscheidung gekommen war, stellten sich die 
Gallier auf den rechten Flügel auf, gedeckt durch eine zahlreiche Rei- 
terei und tausend Streitwagen S eine Waffe, welche in der Schlacht die 
leichte Beweglichkeit der Reiterei mit dem festen Standhalten des Fuss- 
Volkes vereinigte ; den linken Flügel nahmen die Samniten mit den zu 
rückgebliebeneh Etruskem und Umbrern ein; während anderseits Fa- 
biüs den rechten, Decius den linken Flügel befehligte. Eine glückliche 
Vorbedeutung trug nicht wenig dazu bei, den Muth der Römer zu 
steigern. Eine Hindin auf der Flucht vor einem Wolfe stürzte sich 
zwischen die feindlichen Heere und wandte sich den Galliern zu, welche 
sie niederwarfen , während der Wolf den Römern zufloh , die ihn ak 
ihr geheiligtes Thier jubelnd empfingen und ihm ihre Reihen öffneten. 

Fabius eröffnete die Schlacht ; er führte die Vordertruppen in den 
Kampf gegen Samniten, die Reserve unter L. Scipio und C. Marcius 
zurückhaltend, bis das erste Treffen seine Kräfte erschöpft hatte. Allein 
er fand einen kalten nachhaltigen Widerstand und die Schlacht stand 
lange ohne Entscheidung. Ebenso heiss ward auf dem Flügel des De- 
cius gestritten und bald brachte der Ungestüm des gallischen Angriffes 
die Legionen zum Wanken. Als aber vollends die Streitwagen an dem 
Kampfe theilnahmen und besonders die römische Reiterei in Verwir- 
rung brachten , entstand eine allgemeine Flucht, die selbst den Consul 
mit sich fortzureissen drohete. Da rief dieser den Oberpriester M. Li- 
vius heran und Hess sich und die Feindesschaaren den Todesgöttern 
weihen : alsdann stürzte er in den dichtesten Haufen der Gallier und 
sank tapfer streitend unter ihren Schwertern. Hierdurch kam die 
Schlacht zum Stehen ; begeistert von dem Heldentod des geliebten Feld- 
herrn sammelten sich die fliehenden Soldaten und warfen sich auf den 
Feind , der nun langsam und in dichten Haufen zurückwich. Unter- 
dessen hatte Fabius auf dem rechten Flügel gesiegt und entsandte die 
Reserve unter Scipio dem bedrohten linken zu Hülfe. Das gab den Aus- 
schlag, die Gallier im Rücken gefasst von der treffllichen campanischen 
Reiterei mussten sich auflösen , so dass die Niederlage der Feinde jetzt 
allgemein wia.rd. Wohl starben neun Tausend Römer an diesem Tage 



1 Vgl. Caesar 4, 33. 



138 ^^^* Unabhängigkeitskampf der Völker Mittelitaliens u. s. w. 

den Tod für ihr Vaterland, aber die Gallier hatten einen Verlust von 
fünfundzwanzig Tausend Todten und acht Tausend Gefangenen zu be- 
klagen , die Trümmer eilten in die Heimath zurück , ohne sich weiter 
um die Fortführung des Krieges zu kümmern , womit auch die grosse 
Coalition der Italiker gesprengt war. Von den Samniten erreichten nur 
fünf Tausend unter steter Verfolgung durch die Abruzzen ziehend ihr 
Vaterland wieder * . 

So endigte der grösste und bedeutendste Feldzug in der älteren rö- 
mischen Geschichte; auch nach Griechenland drang die Elunde von 
dem blutigen Kampfe auf den Gefilden Sentinums : Duris von Samos ^ 
erwähnte in seinem Werke, dass hunderttausend Gallier gefallen seien. 

Das Ende des dritten samnitischen Krieges ist hinlänglich bekannt. 
Da der Stifter des grossen Bundes Egnatius Gellius auf der Flucht er- 
schlagen war, so lösete sich die Coalition auf; Etrurien war bald be- 
zwungen , Samnium aber bot seine letzten Kräfte auf zu neuen Ver- 
suchen der Rettung und mit wechselndem Erfolge wui'de der Krieg 
fortgesetzt. Eine Niederlage im Hirpinerlande bei Aquilonia (461.) von 
dem jüngeren Papirius rächte der grosse samnitische Imperator Pontius 
durch einen glänzenden Sieg über den Consul Q. Fabius Gurges (462). 
Dies ist die letzte ausgezeichnete WafFenthat der Samniter ; ihre Aus- 
sicht auf Erfolg wird immer schwächer , zumal nachdem Pontius von 
den Römern gefangen und zu ihrer grössten Schmach unedelmüthig hin- 
gerichtet war. Nun setzte der Consul Curius Dentatus die Unterwer- 
fung des Landes (464) fort, bis die Samniter den Frieden anzunehmen 
gezwungen wurden , der unter Anerkennung der römischen Hoheit ge- 
währt wurde. 

§. 13. 

Die Senonen von den Etruskern zu Hülfe gerufen, belagern Ariminum. 
Kiederlage der Römer. Feoialenmord. Völlige Verwüstung SenogaUias 
durch den Consul Dolabella. Ezstirpation der Senonen. Römisclie Colo)iie. 
Erhebung der Bojen; ihre Niederlage am See Vadimon. 469. Abermalige 

Niederlage der Bojen im J. 470. 

Etrurien aber gährte noch immer fort und blieb auch nach dem 
Unglück von Sentinum der Heerd neuer Bewegungen , aber Mangel an 
Einheit zerstörte jedes sichere Auftreten der Städte, anderseits hatte 
sich auch der römische Einfluss schon so sehr geltend gemacht, dass 
auch tief bis in den Norden hinein jede freie Bewegung in der Wurzel 
erstickt ward. Am unzugänglichsten den Hörnern trotz vielfacher Nie- 



1 Liv. 10, 27—30. — 2 Diod. 21, fr. 8. 



§. 13. Die Senonen von den Etruskern zu Hülfe gerufen belagern Ariminum u. s. w. 1 39 

derlagen erhielten sich neben den Seestädten Vulsinii , während sogar 
das früher im Hasse gegen Rom so beharrliehe Tarquinii sich mehr nach 
Latium als nach Etrurien hinneigte. 

Zehn Jahre nach den vorher geschilderten Ereignissen entbrannte 
der Krieg abermals; die Senonen Hessen sich zur Theilnahme bewegen 
und wandten sich zuerst nach Arretium , das von den Cilniem regiert 
Koms Politik sich angeschlossen hatte. Sogleich sandten die Römer ein 
Heer nach Etrurien ab, zwei Legionen mit einem Bundesgenossencon- 
tingent, unter Anführung des Praetörs L. Caecilius Metellus , um die 
befreundete Stadt zu entsetzen. Die Consuln des Jahres 469 konnten 
nicht dahin ohne Schaden abgehen, Unteritalien hatte eine drohende 
Stellung angenommen , daher stand der eine Consul Cn. Domitius Cal- 
vinus in Lukanien, wohin er den Thuriern zu Hülfe geschickt war 
gegen die Lukaner nach dem bekannten römischen System , die 
Schwachen gegen die Mächtigen zu unterstützen. Sein College P. Cor- 
nelius Dolabella beobachtete Vulsinii. 

Die erste Waffenthat nach Eröffnung der Feindseligkeiten * endete 
günstig für die Senonen; sie griffen bei Arretium das römische Hülfs- 
heer an und erkämpften einen glänzenden Sieg über dasselbe ; der Prae- 
tor selbst blieb, mit ihm 13000 Römer, sieben Kriegstribunen und die 
Blüthe der römischen Ritterschaft , eine grosse Anzahl Gefangene fiel 
den Feinden in die Hände, Der Unfall beugte die Römer nicht, ein 
neues Heer unter dem Cpnsularen M'. Curius zog nach dem Schauplatze 
des Krieges , mit ihm zugleich eine Gesandtschaft an die Senonen , um 
die Gefangenen gegen entsprechende Entschädigung loszukaufen. Im 
Lande dort herrschte aber eine sehr erbitterte Stimmung gegen Rom, 
die Schlacht bei Sentinum hatte fast in jedem Hause Trauer wegen des 
Verlustes der Väter oder Brüder geschaffen ; willig fand daher bei der 
Ankunft der Gesandten Britomaris, ein junger edler Senone, dessen 
Vater auch vor zehn Jahren erschlagen war, bei seinen Landsleuten 
Gehör, die Fremden dem gemeinsamen Schmerze und der Rache zu 
opfern. Man kehrte sich nicht an den geheiligten Charakter der Fetia* 
len , hieb sie nieder und zerstreute ihre Glieder um die Mauern von 
Arretium ^. 

Livius weicht hier von Polybios' und Appians Anordnung ab , in- 
dem er jene Verletzung des Völkerrechts als vor dem Unglück des Me- 
tellus geschehen annimmt und den Gesandten ganz andere Motive, näm- 
lich Friedensvorschläge ' unterschiebt. Allein abgesehen von der Un- 

1 Polyb. 2, 19. — Liv. ep. XI. Oros. 3, 22. — 2 Appian. Celtic. 9 p. 83 ff. 
(ap. Fulv, Ursin. p. 343. 351.). — 3 Cum redivivum contra Romanos bellum moUren- 
tur, Romani ad exorandoa Oallos misere legatos, Oros. 3, 22. 



140 I^I* Unabhängigkeitskampf der Völker Mittelitaliens u. 8. w. 

Wahrscheinlichkeit , dass das mächtige Rom sich zu einer solchen De- 
müthigung^ den Frieden zu erflehen, herabgelassen habe, gilt doch des 
Polybios Zeugniss schon desshalb mehr, als der Bericht des Livius, den 
wir aus der Parallelstelle bei Orosius kennen, weil Dionys v. Halikar-' 
nass, aus dem Appian schöpfte, mit ihm übereinstimmt. 

Dem Frevel an die Gesandten folgte die Strafe auf dein Fasse 
nach; der Consul Dolabella verliess seine Stellung bei Volsinii und 
fasste den kühnen Entschluss , statt das Heer der Gallier anzugreifen, 
in einem raschen Flanken marsch sich in das Land der Senonen zu wer- 
fen, das seiner tapfersten Vertheidiger entblösst war ; dort rächte er zu- 
gleich das Jahr 364 ; die ganze männliche Bevölkerung erlag dem römi- 
schen Schwe-rte, Weiber und Blinder wurden für die Knechtschaft auf- 
bewahrt, das Land planmässig verheert wurde zur Oede und Wüste ge- 
macht, da ummauerte Städte nirgends eine Belagerung nöthig mach- 
ten *. Auf dieses Ereigniss bezieht sich auch die oben^ erwähnte Nach- 
richt des Suetonius, wonach Livius Drusus das bei der Eroberung 
Roms gegebene Lösegeld wieder auffand und nach Bom zurückbrachte *. 

Wuthentbrannt über die Nachricht von diesem Unglück kehrte das 
senonische Heer von der Belagerung Arretiums in die Heimath zurück 
und griff das consularische Heer verzweiflungsvoll an ; allein es erlitt 
eine furchtbare Niederlage ; es war ein Vernichtungskampf, der den Un- 
tergang des ganzen Stammes, mit Ausnahme sehr Weniger herbeiführte. 
Eine römische Colonie wurde zu Sena an der Küste des adriatischen 
Meeres gegründet, um die Unterwerfung Senogallias zu vervollständigen 
und die Einöde zu bewachen. 469 u. c. 285 v. Chr. 

Diese furchtbare Bache aber rief die Nachbaren der Senonen, die 
Bojer unter die Waffen ; für ihr eigenes Land fürchtend als auch aufge- 
regt durch die Vorstellungen der überlebenden Senonen verbanden sie 
sich mit den Etruskern und zogen geraden Weges auf Bom los. Am 
See Vadimon zogen ihnen die consularischen ^ Heere entgegen und lie- 
ferten den AUiirten eine Schlacht. Auch hier scheiterte der Muth und 
.der Ungestüm der Gallier an der römischen Kriegskunst, vertilgend 
räumten die Legionen unter ihnen auf, so dass nur Wenige die Hei- 
math wiedersahen und die Nachricht der völligen Vernichtung des gal- 
lischen und etrudkischen Heeres überbrachten ; von den Senonen ent- 
ging Niemand dem Tode; als der Sieg der Bömer entschieden war. 



1 (^xovi^ 6h xaru xiofias artcx^arovs {ot KikroCj. Polyb. 2, 17. — 2 Vgl. Note 
75 im 2. Tbl. — 3 Vgl. über ihn eine scharfsinnige Bemerkung in Pighius' Annalen 
unter diesem Jahr. — 4 Polyb. 2, 20. Nach Appian der Consul Domitius, nach 
Florus 1, 13, Dolabella; 'wahrscheinlich kämpften die consularischen Heere vereint. 



§.14. Falisker und Bojer kämpfen gegen die Homer u. s. w. 141 

legten sie im Schmerz der Verzweiflung die Hand an sich selbst, was. 
die Sieger als ein göttliches Strafgericht darzustellen nicht ermangelten. 
Auch diese Niederlage beugte weder den Math der Etrusker noch 
der Bojen, letztere erliessen in ihrem Lande einen Aufruf an Jung und 
Alt, den Kachekampf fortzuführen und ein starkes Heer kehrte im fol- 
genden Jahre (470) nach Etrurien zurück, wo die Seestädte im Westen 
den Freiheitskrieg ununterbrochen fortsetzten. Populonium war der 
Hauptwaffenplatz ^ Hier lauerten zehntausend Bojer im Hinterhalt 
auf den heranrückenden Consul Q. Aemilius Papus; allein vorsichtig 
und wachsam entging dieser der Gefahr , auf dem Marsche überrascht 
zu werden ; als er eben von der Höhe hinab in die Ebene rücken wollte, 
erkannte er aus den Vögelschwärmen , die aus dem Walde aufflogen, 
dass in demselben irgend etwas vorgehen müsse und die Kundschafter, 
die ausgeschickt wurden , berichteten , dass der Feind dort im Hinter- 
halt läge; er wusste bald darauf die Bojer zur Schlacht zu bewegen, 
welche entscheidend war, sie erlitten eine solche Niederlage, dass 
45 Jahre dazu gehörten, bevor die geschlagenen Wunden sich schlös- 
sen , und baten um Frieden , der ihnen gewährt wurde , da Rom seine 
sämmtlichen Kräfte auf Unteritalien zu verwenden gezwungen war und 
sie in der Heimath jenseits der Apenninen anzugreifen für jetzt noch 
zu fern lag; zu grösserer Sicherheit wurde 486 eine zweite Colonie ge- 
gründet, im früheren Gebiete der Senonen, Ariminum. 

§• 14, 

Falisker und Bojer kämpfen gegen die Bömer. 516. Niederlage und Sieg des 
Consuls F. Valerius Falto. Die Bojerfürsten Ates und Galates rufen Trans- 
' alpiner zu Hülfe. Blutiger Zwiespalt unter den Galliern. 

Fünfundvierzig Jahre vergingen, bevor die Gallier es wagen konn- 
ten, feindlich ihre Grenze zu überschreiten; als aber der Nachwuchs 
der Gefallenen kräftig emporgeblüht war^ voll Muth und Thatendurst, 
den er nur im Kampfe mit Rom stillen zu können glaubte, und keine 
Augenzeugen der furchtbaren römischen Kriegeskunst*, wie sie sich 
bei Sentinum und am Vadimon bewiesen hatte, am Leben waren, fand 
der Aufruf zum abermaligen Rachekampfe bei der bojischen Jugend ein 
williges Gehör. Um diese Zeit brach ein Krieg aus zwischen den Falis- 
kern und Rom; da es fast unbegreiflich wäre, wie, da während des 
ersten punischen Krieges ganz Italien ruhig war , nach demselben eine 
ziemlich unbedeutende etruskische Gemeinde sich gegen die siegge- 



1 Front. Strat. 1, 2. — 2 Polyb. 2, 21. 



1 42 lU. Unabhängigkeit skampf der Völker Mittelitaliens u. 8. w. 

krönte Stadt auflehnen konnte , lässt . sich die Sache leicht daraus er» 
klären , dass Falerii sich mehr auf die Gallier als auf eigene Kraft ver- 
liess. Indessen ist dieser Feldzug so unbedeutend^ dass Folybios deiner 
nicht einmal Erwähnung thut, obgleich er nicht ohne eine Niederlage 
der Römer endigte. Denn von den Consuln des Jahres 516 (238 v. Chr.) 
Tib. Sempronius Gracchus und P. Yalerius Falto zog der letztere g^gen 
die Verbündeten , kämpfte aber im Anfange unglücklich , indem er in 
der ersten Schlacht mit dem Siege 3500 der Seinigen einbüsste. Jedoch 
glich er diese Schande wenige Tage später (der ganze Krieg dauerte nur 
sechs) wieder aus, ohne das von ßom ihm entgegengesandte Hülfsheer 
unter Genucius Cipus abzuwarten ; diese zweite Schlacht ■ war ent- 
scheidend; mehr aber durch die geschickte Führung der Tribunen, als 
des Feldherrn war der Sieg errungen; 14000 Feinde bedeckten die Erde, 
2000 fielen als Gefangene in die Gewalt der Sieger. Um den Italikern 
ein abschreckendes Beispiel zu geben , wurde Falerii zerstört , während 
die Trümmer des gallischen Heeres sich über die Apenninen zurück- 
zogen *. 

Sempronius war glücklicher gewesen; die Ligyer hatten sich, un- 
bekannt aus welcher Ursache mit Bom verfeindet und es zum Kriege 
gereizt, wahrscheinlich wegen Theilnahme an etruskischen Unruhen 
oder räuberischen Einfallen in römisches Bundesgenossengebiet,*Piraterie 
und dgl. Man darf indess night glauben, dass Sempronius zu ihrer Züch- 
tigung abgesandt, sie im eigentlichen Ligurien, im transpadanischen 
Gallien aufgesucht habe , sondern ihrem Charakter als Bergvolk gemäss 
hatten sie sich, wie Niebuhr richtig erkannt hat, nach der Schlacht am 
Vadimonsee in den Apenninen bis Gasen tino und Arezzo ausgebreitet*. 
Unter grossen Verwüstungen ihres Gebietes verliess er dasselbe. 

Aber die Bojer verzagten nicht nach diesem Unglück, obwohl der 
Krieg im folgenden Jahre (517) an ihren Grenzen und bisweilen in- 
nerhalb derselben geführt wurde; denn beide Consuln L. Corn. Lentu- 
lus Caudinus und Q. Fulvius Flaccus thaten verheerende Strei^üge in 
ihr Land, ohne irgendwie von den Feinden beeinträchtigt zu werden, 
so lange sie vereint ihre Legionen operiren liessen. Als aber Lentulus 
in der Hoffnung, grösserer Vortheile habhaft ;u werden, sich mit seinem 
Heere von Fulvius getrennt hatte, benutzten die Gallier seine Al^wesea- 
heit und wagten einen heftigen Sturm auf das Lager des letzteren, der 
nur mit der grössten Anstrengung konnte zurückgeschlagen werden. 
Schnell zogen die Consuln. ihre Heere wieder zusammen, zumal da auch 



1 Liv. ep. XIX. Zonaras 8, 18 (Pariser Ausg. I. p. 4(10.). — 2 Niebuhr» 
Vorträge I, II, 2, p. 51. 



§. 15. Die Lex de agro Oallico et Ficeno viritim dividendo u. s. v. 143 

die sichere Nachricht eintraf > dass die bojischen Fürsten Atas und Ga- 
lates^ um den Krieg mit grösserem Nachdrucke führen zu können , mit 
ihren Landsleuten jenseits der Alpen unterhandelt und die Hülfe eines 
grossen Schwarmes sich zu verschaffen gewusst hätten y anfangs heim- 
lich^ später offen^ als sie die gahrende, Born feindliche Stimmung ihres 
Vaterlandes bemerkt hatten. An der Spitze des neuen Heerhaufens 
zogen sie nach Ariminimi , der römischen Pflanzstadt an ihrer Grenze, 
sandten aber um den Schein zu retten Boten an die Consuln und for* 
derten das ihnen entrissene Gebiet zurück ; da diese nicht aus eigener 
Machtvollkommenheit handeln konnten und zugleich auch Zeit zu stär- 
keren Büstungen zu gewinnen suchten, verwiesen sie die Gallier an den 
Senat, der ihnen jedoch eine abschlägige Antwort zugehen Hess. Schon 
trafen sie daher Anstalten mit der Belagerung Ariminums den Krieg zu 
eröffnen, als ein blutiger Zwiespalt unter den Bojen und ihren Hülfs- 
truppen ausbrach , der sogar den Führern Ates und Galates das Leben 
kostete*. Gebrochen an innerer Kraft kehrten beide Theile in ihre 
Heimath zur grössten Freude der Bömer zurück , die bei der Nachricht 
von diesem Ereignisse sich gegen die Ligurer wandten und mehrere 
feste Plätze derselben theils im Sturm iheils durch friedliche Vermitt- 
lung gewannen. Den ersten Triumph über dieselben feierte Q. Fabius 
Maximus Verrucosus^, als Consul im Jahre 521 (233 v. Chr.). 

§. 15. 

Die Lex de agro Gallico et Ficeno viritim dividendo des Tribunen C. Fla- 
minius. 522. Grosse Rüstungen der Galller gegen Rom. Gaesaten. Schlacht 

belTelamon. 529. 

Den ersten Anstoss zu dem folgenden im Jahre 529 der Stadt (225 
V. Chr.) ausbrechenden gewaltigen Kriege gab die lex de agro Gallico 
viritim dividendo^ des Volkstribunen C. Flaminius im Jahre 522, welche 
wie Polybios nicht unrichtig hinzusetzt, die erste Ursache der nachheri* 
gen Bewegungen im Innern Roms und später ein willkommenes Mittel 
bei den demagogischen Unternehmungen einzelner Ehrgeizigen waren. 
Die sogenannten picentischen Felder waren bisher Staatsdomäne ge- 
wesen, deren Ertrag aber nur Einzelne bereichert hatte; trotz aller Ge- 
genanstrengungen des Senates setzte Flaminius seinen Antrag nach der 
Lex Hortensia durch ein Plebiscit durch, dass der ager Gallictis Picentis 
römischen Colonisten nach gleichen Loosen übergeben werde. Es ge- 



1 Polyb. 2, 21. — 2 Plutarch v.Fab. 2.-3 Cic. Quaest. Acad. 4, 5. Polyb. 
1. c. Valer. Max. 5, 4, 5. Liv. ep. XIX. 



144 -f-fJ« Unabhängigkeitskampf der Völker Mittelitaliens u. s. w. 

schah , wurde aber von den Galliern als eine Demonstration aufgenom- 
men und rief durch das ganze Land Aufregung und Entrüstung her- 
vor, indem man diesen Schritt der Römer als einen Friedensbruch 
ansah. 

Acht Jahre hintereinander rüsteten sich die Gallier, um der immer 
mehr um sich greifenden Macht der Römer im Norden ein Ziel zu 
setzen ; richtig die Lage der Dinge beurtheilend schlössen sich die bei- 
den mächtigsten Staaten der Cisalpiner, Bojer und Insubrer fest anein- 
ander und suchten , um den Schlag um so sicherer zu führen, auch die 
kleineren Stämme zur Theilnahme zu bewegen. Keiner derselben wies 
diese Nationalangelegenheit von sich, nur die Cenomanen weigerten 
sich beizutreten und hielten sich geblendet von. den listigen Vorspiege- 
lungen der römischen Gesandten von der Sache ihres Vaterlandes fern ; 
sie spielen überhaupt, beiläufig bemerkt, eine höchst unrühmliche fast 
niederträchtige Rolle ; zwar versprachen sie ihren Landsleuten neutral 
zu bleiben, allein man traute ihnen nicht und beim Auszug der vereinig- 
ten Heere 529, sah man sich genöthigt, ein starkes Detachement an der 
Grenze zurückzulassen, eine Massregcl, welche der spatere Verlauf 
durchaus nicht als unnöthig bewährt hat. Gleichfalls abgewiesen von 
den Venetern, wandte man sich mit Erfolg an die Gaesaten, die von 
jetzt an, vielleicht auch schon früher, auf Seite ihrer italischen Brüder 
gegen Rom die Waffen tragen. Ihr Name ^ bezeichnet sie zwar als Mieth- 
volk , ein Charakter , der auch ihren sämmtlichen Zügen aufgeprägt ist, 
allein überwiegende Spuren bei den Alten belehren ups , dass sie be- 
stimmte Wohnsitze hatten und als Volk neben anderen gallischen Völ- 
kern gegolten haben. Polybios' und Strabons^ Aussagen haben jedenfalls 
mehr Gewicht als die von Plutarch und Orosius ^ ; namentlich verdient 
letzterer nicht die grosse Autorität, die man seinen Worten beimisst : 
.... Oessatorum, quod nomen non gentis, sed mercenariorum Gallarum 
est , er verwechselt offenbar die vielen gallischen Söldner, die bei jedem 
bedeutenden Kriege oft auf beiden Seiten kämpfend sich befanden, mit 
den Gaesaten, abgesehen davon dass er ziemlich spat nach diesen Ereig- 
nissen, an deren Darstellung wir jetzt stehen, lebte; denn er schriebin 
den letzten Regierungsjahren des Kaisers Honorius. 

Durch die glänzenden Geschenke der (Jallier geblendet und aufge- 
regt durch die Hoffnung auf noch grösseren Gewinn, den ein glück* 



1 Gaesatae, rcttaarai, ihre Waffe ffaeswn, yniaov [vgl. Armstrongs gal Wör- 
terb. 8. V.] gaü = a spear, a tveapoUf thls ü an ancient wordf which, though not tnuch 
in use among fhe Gals, is found in several derivatives, — 2 Polyb. 2, 22. Strab. 5, 
p. 2!«. 217. — 3 Plut. Marceil. 3. Oros. 4, 13. 



§.15. Die Lex de agro Gallico et Piceno viritim dividendo u. ä. w. 145 

lieber Krieg ihnen unfehlbar bringen würde , sagten die gaesj^tieehen 
Könige Konkolitanos und Aneroestes den Gesandten ihren Beistand zu 
und niemals, sagt Polybios, überstieg ein glänzenderes und furchtbare- 
res Heer die Alpen. 

Während so die Gallier aus allen ELräften die Rüstungen betrieben, 
schwebte Rom bei dieser Nachricht in grosser Angst und Bestürzung; 
man befragte in dieser Noth die sibyllinischen Bücher , erhielt aber die 
furchtbare Erwiederung, noch zweimal werde Roms Boden von den 
Galliern in Besitz genommen werden. Um diese Prophezeiung wenigstens 
dem Scheine nach zu erfüllen , griff man auf Anrathen des Priestercol* 
legiums zu einem brutalen Mittel * ; unter grossem Pompe und feier- 
lichen Ceremonien senkte man zu Rom in dem volkreichsten Viertel, 
dem Forum boarium, ein gallisches Menschenpaar lebendig in eine Gruft 
hinab , die man darauf mit grossen Steinen verschloss , um die Besitzer- 
greifung Roms damit anzudeuten. Nachdem durch diese Feier die ängst- 
lichen Gemüther beruhigt waren, legte man sich mit allem Eifer auf die 
Vorbereitung zum Kriege ; an alle unterworfene Völker Italiens erging 
die Weisung , ihr Contingent zu stellen , so dass in kurzer Zeit ein 
furchtbares Heer marschfertig dastand ; allein die Grösse desselben, wie 
wir sie bei Orosiiis von Fabius angegeben finden, erweckt doch einiges 
Misstrauen: 800000 Mann zu Fuss und 80000 zu Ross; auch die Ueber- 
sicht bei Polybios wird mit Recht in Zweifel gezogen, da die Zahlen bei 
ihm theils verschrieben, theils mehrere Völker gar nicht genannt sind ; 
nach ihm stellte Rom 150000 Mann Fusstruppen und 23000 Reiter auf. 
Auch die Grösse des gallischen Heeres wird verschieden angegeben, 
Polybios erwähnt 50000 Mann zu Fuss und 200T)0 Mann zu Ross 
und zu- Wagen, während Diodor^ im Ganzen von 200000 Soldaten 
spricht. 

Grosse Schwierigkeiten, wie in keinem anderen gallischen Feld- 
zuge, treten uns bei der Verfolgung dieses Krieges entgegen'. Die 
Quellen sind sämmtlich, mit einziger Ausnahme des Polybios, auf den 
wir ganz allein hingewiesen sind , ganz unergiebig , indem sie sich mit 
der oft noch undeutlichen Angabe der Schlachten und des Endes be- 
gnügen, oihne uns einen Blick in das innere Getriebe und die leitenden 
Pläne zu gestatten. Dies gilt vorzüglich von Diodor, Orosius uifd Zo- 
naras ; auch bei Polybios vermissen wir hier die lichtvolle , klare Dar- 
stellung ; den Märschen und Stellungen , bei deren Schilderung er als 



1 Oros, 4, 13. — Cass. Dion ap. Vales. p. 774. Liv. epit. — 2 Diod. 25, 
fragm. 11. — 3 Vgl. über diesen Krieg die scharfsinnige Abhandlung von Kospatt 
im Index lect. der Akademie zu Münster vom Sommer des Jahres 1855. 

Contzen, Wanderungen der Kelten. 10 



146 I^^- Unabhängigkeitskampf der Völker Mittelitaliens u. s. w. 

ehemaliger Feldherr mit Vorliebe verweilt , schenkt er diesmal nur we- 
nig Aufmerksamkeit und überlässt es seinem Leser ^ sich das Meiste zu 
combiniren. 

Die Consuln des Jahres 529 waren C. Attilius Regulus und L. Ae- 
milius Fapus; von diesen ging ersterer nach Sardinien ab, das abzufal- 
len drohete und von Neuem sich gegen Rom aufgelehnt ; letzterer nach 
Ariminum , wo der Anzug der Gallier erwartet wurde ; ausserdem stand 
ein Praetor, dessen Name nicht erwähnt wird, in Etrurien; auch seinen 
Standort kennen wir nicht; endlich Cenomanen und Veneterhaufen 
lagen an der Grenze, um unedel die Abwesenheit der Insubrer zu einem 
verheerenden Einfall zu benutzen. 

Als die Gaesaten gegen Ende des Frühjahres 529 bei den Insubrem 
und Bojen eintrafen, hatten auch diese ihre Rüstungen beendet und 
ein prachtvolles Heer, furchtbar wegen seines tiefen Hasses wälzte sich 
nach Etrurien. Drei Wege boten sich dar zum Einbrüche in Mittel- 
italien; der eine zog sich am Gestade des tyrrhenischen Meeres hin, 
durch eine Landschaft voll von Sümpfen , nur mit grosser Mühe zu ge- 
brauchen ; ihn wählte einige Jahre später Hannibal zu seinem berühm- 
ten Eilmarsche ; die Gallier können ihn aber schwerlich benutzt haben, 
nicht nur wegen der angekommenen Gaesaten, sondern auch wegen der 
ausseroi deutlichen Schwierigkeiten, die er darbot ; musste doch Hanni- 
bal, als er auf diesem Wege vordrang, seine gallischen Hülfstruppen in 
die Mitte nehmen , um sie vom Desertiren abzuhalten, weil die Ueber- 
windung der Schwierigkeiten ihnen unmöglich schien. Dazu hatten 
auch die Römer nicht einmal _ sün die Möglichkeit eines solchen Unter- 
nehmens gedacht und keine Truppen dahin gesandt. Eine zweite Strasse, 
gleichfalls nicht ohne Anwendung in der Kriegsgeschichte, lief über 
Placentia , Parma , Mutina nach Bonopia , von da längs der adriatischen 
Meeresküste nach Pisaurum und Ankona. Endlich die dritte, welche 
wahrscheinlich , wie aus dem Verlauf erhellen wird , die gewählte ist, 
führte durch die Engpässe von Faesulae nach Florentia. 

Folgen wir nun dem Gange der Begebenheiten, wie sie bei Poly- 
bios vorliegen, so stossen wir auf einen inneren Widerspruch. Die Gal- 
lier Hessen nämlich den Consul bei Ariminum stehen und ergossen sich 
plündernd über ganz Etrurien bis nach Clusium. Dort vernahmen sie, 
dass der genannte Praetor in Eilmärschen ihnen folge und zogen wieder 
zurück ihm entgegen, aus Furcht, von zwei römischen Heeren einge- 
schlossen zu werden, und trafen ihn zwischen Arretium und Faesulae 
gegen Sonnenuntergang; als aber die Nacht einbrach, zündeten sie, um 
den Praetor zu überlisten viele Wachtfeuer an und legten ihre sämmt- 
lichen Fusstruppen, mit denen sie in tiefster Stille abmarschirt waren. 



§. 15. Die Lex de agro Gallico et Piceno viritixn dividendo u. s. w. 147 

in einen Hinterhalt ; die Eeiterei blieb zurück , uin am folgenden Tage 
durch verstellte Flucht den Praetor zu unvorsichtiger Verfolgung zu be- 
wegen; die List gelang vollständig; als die Römer von den Feinden nur 
die Reiterei erblickten, die sich dazu noch unordentlich fortbewegte, 
glaubten sie, dass das gallische Heer aus Furcht den Rückzug angetre- 
ten habe und setzten unvorsichtig ohne die Gegend zu erfunden in 
stolzer Siegesfreude den Flüchtigen nach; als sie aber den Hinterhalt 
passirt waren, schwenkte die Reiterei plötzlich um und stürzte sich auf 
ihre Verfolger, zugleich brach aus den Wäldern das gallische Fussvolk 
hervor und 6000 Römer mit dem Praetor fielen, der Rest flüchtete sich 
auf einen- Hügel. Zum Glück für sie kam der Consul Aemilius über die 
Apenninen hferbei , er wu«ste nichts von der stattgefundenen Schlacht, 
sondern wollte sich mit dem praetorischen Heere verstärken ; es gelang 
ihm , die Ueberbleibsel desselben an sich zu ziehen ; dennoch wollte er 
sich zu keiner Schlacht entschliessen. Aber auch die Gallier hatten seine 
Ankunft erfahren ; auf den Rath ihres Königes Aneroestes beschlossen 
sie, den Rückzug anzutreten, um ihre reiche Beute zu retten, dann 
noch einmal wiederzukehren und die Entscheidung der Waflen zu 
suchen. 

Bevor wir nun weiter gehen , ist Folgendes zu berücksichtigen : 
Faesulae, wohin sich die Gallier gegen den nachrückenden Praetor 
wandten, war drei Tagereisen von Clusiiwn entfernt; und Polybios be- 
geht hier den verwirrenden Fehler, den Zwischenraum nur eine Tagereise 
gross anzunehmen. Um diesen Widerspruch aufzulösen, schliessen wir 
uns Rospatts scharfsinnig. entwickelter Conjectur an, nach welcher sich 
der Gang der Ereignisse also gestaltet : Der Praetor stand mit seinem 
Heei'e bei den Engpässen von Faesulae, deren geschickte Vertheidigung 
jedem Feinde leicht den Eingang in Etrurien wehren konnte; allein es 
geläng den Galliern, demselben eine starke Niederlage beizubringen, 
die ihnen den versperrten Weg frei machte; in verheerendem Zuge er- 
reichten sie dann beutebeladen Clusium, wo ein nochmaliger Wider- 
stand sie zum Kampfe zwang ; es waren die Trümmer des praetorischen 
Heeres nebst anderen Truppen, welche um die Nähe Roms zur Deckung 
der Hauptstadt gezogen waren; auch hier wurden sie geschlagen- und 
mit Ausnahme einiger Gehörten, die sich auf einen Hügel retteten, ver* 
nichtet; die Gallier folgten ihnen zwar, griffen sie jedoch vom Kampfe 
ermattet ' nicht an, sondern begnügten sich damit, den Hügel zu uni- 
schliessen, um ihr Entweichen zu verhindern. Diese Darstellung wird 
dadurch ganz besonders unterstützt, dass Polybios sagt , die Schlacht sei 
bei OaiaoXa geschlagen, worin man mit Unrecht Faesulae gesehen hat, 
da es vielmehr ein Ort ist zwischen Clusium und der Meeresküste. An- 

10* 



1 48 I^^* Unabhängigkeitskampf der Völker Mittelitaliens u. s. w. 

derseits hätte auch schwerlich die folgende Schlacht bei Telamon in 
der Gegend von Populonium geliefert werden können. Gerade zur rech- 
ten Zeit erschien , um uns an Polybios wieder anzuschliessen , der Con- 
sul Aemilius ; als er das Heer des Praetors nicht mehr an seinem frühe- 
ren Orte fand 9 g^^S ^^ ^^ Eilmärschen nach Clusium und traf in der 
Nacht nach dem unglücklichen Treffen ein. Nachdem er mit sich die 
bedrängten Römer auf dem Hügel vereinigt hatte, folgte er dem gal- 
lischen Heere , das bei dem Anblicke des consularischen um die Beute 
zu retten , seinen Kückzug bereits angetreten hatte. Die Gallier zogen 
längs der Meeresküste , wenig beschränkt und unbeirrt durch den ver- 
folgenden Consul, und hätten unversehrt ihr Land wieder erreicht, 
wären sie nicht auf einen neuen Feind gestossen, den sie nicht erwartet 
hatten. Es war der Consul C. Attilius Regulus, der nach glücklicher 
Beendigung des Krieges heimkehrte von Sardinien und durch widrige 
Winde gezwungen war , in Pisae zu landen. Er hatte beabsichtigt sich 
mit dem Heere seines Collegen zu vereinigen ; als er aber vernahm, dass 
die Gallier in grosser Heeresmacht die Apenninen überstiegen hätten, 
trat er mit Zurücklassung des sümmtlichen Gepäckes in Eilmärschen 
den Weg nach Rom längs der Küste an , ohne zu wissen , dass er den 
Feinden entgegen zog. Bei Telamon stiessen seine Vordertruppen auf 
sie, nahmen einige von ihnen gefangen und führten sie vor den Consul, 
der erst jetzt von dem ganzen Vorgange genaue Kunde erhielt. 

Telamon liegt am Meere südwestlich von Clusium. Da die Gallier 
wegen ihrer unermesslichen Beute nur langsam weiter ziehen konnten 
und soviel wie möglich über Berge zu dringen vermieden , ist es erklär- 
lich, dass sie einen solchen Umweg wählten , um an die Meere&küste zu 
gelangen und wahrscheinlich die Via Cassia bis zum See von Vulsinii 
benutzten und von da sich nordwestlich über Saturnia nach Telamon 
wandten. 

Als der Consul Attilius das gallische Heer zwischen den consula- 
rischen in einer so verhängnissvollen Lage erkannte, traf er alsbald 
seine Vorkehrungen zur Schlacht. Während er seine Fusstruppen lang- 
sam nachrücken licss , bemächtigte er sich an der Spitze seiner Reiterei 
einer nicht unbedeutenden Anhöhe, die den Weg beherrschte. Weit 
entfernt den wahren Vorgang der Sache zu ahnen, glaubten die Gallier, 
während der Nacht habe L. Aemilius, gewillt die Feindseligkeiten zu 
eröffnen, einige Abtheilungen seines Heeres dorthin gesandt; sie such- 
ten die wichtige Position wiederzugewinnen und hier entspann sich der 
erste Kampf. Bald erkannten sie ihren Irrthum und bereiteten sich, da 
auch Aemilius aus dem Getümmel des Kampfes auf die angekommene 
Hülfe von Attilius schloss, auf die Schlacht vor. Wie Polybios bezeugt. 



§. 15. Die Lex de agro Gallico et Piceno viritim dividendo n. 8. w. 149 

thaten sie in dieser furchtbaren Lage Alles , was man von den geüb- 
testen Truppen und Feldherrn in einem ähnlichen Falle nur immer 
hätte erwarten können ; sie bildeten eine doppelte Fronte ; Gaesaten und 
Insubrer stellten sich dem Consul Aemilius entgegen, die Bojer dem At- 
tilius , während der Tross und die Beute auf einem nahen Hügel sich 
befand, wohlvertheidigt durch eine starke Besatzung. Im barbarischen 
Uebermaass von Muth warfen die Gaesaten ihre Kleider ab und traten 
in die erste Reihe; zu spät nahmen sie wahr, dass der brutale Trotz, der 
in ihrem Vaterlande sehr passend war, bei Römerheeren durchaus übel 
angebracht sei. Unterdessen währte der Kampf um den Hügel fort, 
doch blieben die Römer im Besitze desselben , obwohl Attilius fiel und 
sein Kopf dem gallischen Könige gebracht wurde. Darauf führte Aemi- 
lius seine Legionen in die Schlacht, die jetzt allgemein wurde. Furcht- 
bar war der Kriegsruf der Gallier, der weit den schneidenden gellenden 
Klang der Trompeten übertönte ; schön sahen auch die Gaesaten aus ; 
grosse, kräftige Gestalten nackt, in jeder Hand die Gäsa, reich beladen 
mit kostbaren Ketten und Spangen. Ihnen sandte Aemilius die Veliten 
entgegen, welche sie mit Wurfgeschossen überschütteten und sie nicht 
einmal zum Kampfe kommen Hessen; die nackten Leiber boten dazu 
ein sicheres Ziel und bald lag die prachtvolle Schaar damiedergestreckt 
oder befand sich auf der Flucht die übrigen Reihen verwirrend. Besser 
hielten sich die Insubrer und Bojer , sie stritten mit Muth und Ver- 
zweiflung weiter, bis die römische Reiterei die ungeheuren Massen vom 
Hügel herab kommend .auseinander sprengte und den Sieg entschied. 
Den meisten Nachtheil hatten den Besiegten ihre schlechten Schwerter 
gebracht, die ungestählt nach jedem Hiebe sich zurückbogen und nur 
zum Schlagen , nicht zum Stasse eingerichtet waren , während die rö* 
mischen , mit scharfer Spitze versehen blitzschnell sich in des Feindes 
Brust senkten. 

Die Niederlage war furchtbar, den Boden bedeckten 40000- Todte 
und 10000 Gefangene nebst der reichen Beute wurden gemacht; unter 
denselben befand sich auch Konkolitanos , bestimmt den Triumphzug 
des Consuls zu verherrlichen ; Anaroestes aber gab sich mit wenigen Ge- 
treuen den Tod, als er die Schlacht verloren sah. 

Aemilius streifte darauf bis zum Bojerlande, von dem er einen 
Theil seinen Soldaten zur Plünderung überliess und kehrte dann nach 
Rom zurück, wo er triumphirend einzog. Abweichend von Polybios 
verlegt Orosius^ den Entscheidungskampf nach Arretium und Zonaras 
schreibt einen grossen Theil des Sieges einem starken bei nächtlicher 



1 Polyb. 2, 22—31. Oros. 4, 13. Zonar. 8, 20 (Par. Ausg. I, p. 403). 



150 m* Unabhängigkeitskampf der Völker Mittelitaliens u. s. w. 

Weile ausgebrochenen Ungewitter zu. Beide aber können nicht gegen 
Polybios überwiegend auftreten, der als nächster Zeitgenosse den wahren 
Hergang gewiss genau erfahren hat. 



§. 16. 

Xiinfall der SÖmer in das Ijand der Bojer. 690. Niederlage des Consnls 
Flaminius im Transpadanisohen ; treuloser Friedensbruch; dessen Sieg über 
die Insubrer am Fadus. 531. Der Consul M Marcellus besiegt ein Gkiesaten- 
beer bei Clastidium. 532. Soipio schlägt die Insubrer. Erste Erwähnung der 

Germanen in der Geschichte. 

Dennoch war der Krieg nicht beendet; um den errungenen Sieg zu 
vervollständigen gingen die Consuln des folgenden Jahres (530) T. Man- 
lius Torquatus und Q. Fulvius Flaccus nach Gallien ab und brachen, in 
der Meinung, die Gallier aus dem cispadanischen Fluren leicht ver- 
treiben zu können, in das Gebiet der Bojen ein. Letztere ergaben sich 
zwar, allein der Feldzug verlief, ohne eine denkwürdige That aufweisen 
zu können , weil die Jahreszeit ungewöhnlich regnerisch und eine Pest 
unter den Truppen verheerend ausgebrochen war*. • 

Besserer Erfolg würde im folgenden Jahre 531 erzielt; der Consul 
C. Flaminius Nepos drang in das Land jenseits des Fadus, dort wo die 
Addua in denselben mündet, brachte aber das römische Heer in grosse 
Verlegenheit; jenseits des Flusses wurden die Legionen plötzlich ange- 
griffen und mit ziemlichem Verluste geschlagen , so dass der Consul um 
Frieden bitten musste, der ihm unter der Bedingung, das Land der In- 
subrer sofort zn räumen, auch gewährt wurde. Er zog sich zu den Ce- 
nomanen zurück, welche ihn mit Freuden aufnahinen ; als aber'seine Trup- 
pen sich hinlänglich von den Mühsalen des Marsches und des Kampfes 
erholt hatten, fiel er mit den Cenomanen hinterlistig, ohne sich an den 
geschlossenen Frieden zu kehren, verheerend und plündernd in das Ge- 
biet der Insubrer ein , zerstörte ihre Städte und zerstreute rings umher 
die Bewohner. Da sahen denn die gallischen Fürsten ein, dass an 
dauernde Freundschaft mit Rom nicht zu denken , sondern dass es auf 
ihre Vertreibung und Vertilgung gleich den Senonen abgesehen sei ; sie 
rüsteten daher mit aller Kraft und um auch das Volk auf die Todesge- 
fahr des Vaterlandes aufmerksam zu machen, trugen sie aus dem Mi- 



] Folyb. 2, 31. Der Vollständigkeit wegen, ohne jedoch darauf Gewicht au 
legen , führen wir den abweichenden Bericht von ürosius und Zonaras bei : Nach 
ihnen überschritten die Consuln den Fadus, was jedoch erst im 'folgenden Jahre ge- 
schah und besiegten die Insubrer in einer heftigen Schlacht , in der 23,000 Gallier 
fielen und 5000 gefangen wurden. 



§. 16. Einfall der Römer in das Land der Bojen u. s. w. 151 

nerven tempel ihre grössten Heiligthümer , welche die » unbeweglichen cf 
hiessen, weil sie nur in den drohendsten Gefahren ihre geheiligte Stätte 
verliessen. Bald stand daher ein ansehnliches Heer von 50000 Mann 
kampfgerüstet da, bereit Blut und Leben zu opfern für die bedrängte 
Heitnath^ 

Zu Rom kümmerte man sich wenig, ob der Friede gehalten wurde 
oder nicht, aber man hatte kein Zutrauen zu dem Feldherrntalente des 
Consuls ; auch sein College P. Durius Philus besass nicht die Eigen- 
schaften, die ein so schwerer Krieg erforderte; dazu fehlte es an un- 
günstigen Vorbedeutungen nicht , die wahrscheinlich erfunden waren, 
um Flaminius von tollkühnen Unternehmungen abzuhalten ; so wollte 
man einen picenischen Fluss blutig fliessend gesehen haben, man sprach 
von drei Monden, die in der Gegend von Ariminum erschienen ; endlich, 
was den Ausschlag gab war : dass die bei der Consulwahl achthabenden 
Vogelschauer die Ernennung besagter Consuln für fehlerhaft und unter 
schlimmen Zeichen geschehen erklärten ^. Daher schickte der Senat als- 
bald den Befehl an die Consuln, sofort heimzukehren, ihr Amt nieder- 
zulegen und keine Bewegung gegen den Feind sich zu erlauben. Dies 
erhaltene ßegierungsschreiben Hess Flaminius so lange unerbrochen,. bis 
sein AngriiF die Feinde erst aus dem Felde geschlagen und ein Streifzug 
ihr Land verheert hatte. 

Ein bedeutender Haufe Cenomanen hatte sieh den consularischen 
Heeren angeschlossen , war aber selbst den Römern , wie es Verräthern 
gewohnlich zu ergehen pflegt, wegen ihres Abfalles von ihren Lands- 
leuten verdächtig; als die Consuln daher an den Padus gekommen 
waren , Hessen sie die gallischen Hülfstruppen hinüberziehen und sich 
am rechten Ufer aufstellen , brachen dann die Brücke ab , theils um vor 
einem plötzlichen Ueberfall sich zu sichern , theils um den Muth der 
Truppen zu steigern , die sich abgeschnitten von der Möglichkeit einer 
Flucht auf ihre Tapferkeit angewiesen sahen* Ohne die genialen An- 
ordnungen seiner Tribunen hätte Flaminius schwerlich gesiegt; denn 
er stellte die Schlachtordnung so nahe am Flusse auf, dass der Haupt- 
vortheil der römischen Streitart, durch Zurückziehen der Manipeln die 
Reihen, wenn sie zurückgedrängt wurden, etwas weiter nach hinten 
wieder neu wieder aufzustellen, oder es den Cohorten möglich zu 
machen, nicht auf einmal , sondern nach und nach zurückzugehen ganz 
.verloren ging. Eine geringe Niederlage musste daher die ganze Ver- 
nichtung des römischen Heeres bewirken, weil bei einer Unordnung der 
Glieder im Treflen die Römer in den Fluss geworfen worden wären. Die 



t Polyb. 2, 32 ff. — 2 Plut. v. Marcell. 4. 



^52 in. Unabhängigkeitskampf der Völker Mittelitaliens u. s. w. 

Tribunen aber wussten aus dem schlechten Zustande der gallischen Be- 
waffnung einen entscheidenden Vortheil zu ziehen ^ sie liessen die erste 
Schlachtreihe der Principes mit den Hasten der Triarier aufziehen und 
befahlen ihnen, wenn die Gallier ihre grossen Schwerter daran zerhauen 
und verbogen hätten , die Lanzen fortzuwerfen und den Stossdegen zu 
gebrauchen. Diese weise Taktik verfehlte ihren Zweck nicht, sondern 
verschaffte den Römern einen herrlichen Sieg ; der Tag endete mit dem 
Tode von 8000 und der Gefangenschaft von 1 6000 Galliern. Darauf 
erbrach Flaminius das Schreiben des Senates und kehrte mit reicher 
Siegesbeute heim ; das Volk , durch dessen Gunst er sich zu seinen 
Würden emporgeschwungen , gewährte ihm zwar einen Triumph , holte 
ihn aber nicht feierlich ein auf Veranlassung des Senates , der ihm die 
Lex agraria vom Jahre 52 1 nicht verziehen hatte , ja er musste sich nach 
seinem Einzüge sogar seines Amtes begeben , so tief haftete der Hass 
des Adels gegen den Mann des Volkes. 

Gebeugt baten die Gallier um Frieden , bereit denselben um den 
höchsten Preis zu erkaufen; allein der Consul des Jahres 532 (222 
V. Chr.), der im punischen Kriege so berühmt gewordene M. Marcellus, 
brennend vor Begierde sich auch im Kriege gegen die Gallier Lorbeeren 
zu pflücken, wusste glänzend die Vortheile hervorzuheben, die den 
Römern aus einem fortgesetzten Kampfe erwachsen mussten ; beredt 
auseinandersetzend, wie leicht die geschwächte Nation jetzt zu unter- 
werfen sei, auf wie viele Schwierigkeiten man aber stossen würde, wenn 
eine rüstige, streitbare Jugend jenseits der Apenninen wieder aufge- 
wachsen, bewog er bald den Senat, dass er die Gesandten mit abschlägi- 
gem Bescheide wieder heimziehen liess. Daher suchten die Insubrer von 
der wegen der Jahreszeit gebotenen Waffenruhe den möglichst besten 
Gebrauch zu machen und verwandten sie theils zur Befestigung ihrer 
Flecken, von denen besonders Acerrae im Transpadanischen unweit der 
cenomanischen Grenze stark besetzt und reichlich mit Lebensmitteln 
versehen ward, theils zur Anwerbung eines Gaesatenheeres, welches 
auch 30000 Mann stark unter Anführung seines Fürsten Virdomarus 
erschien. 

Auf diese Nachricht eilten die vereinten consularischen Hewe unter 
M. Marcellus und Cn. Cornelius Scipio Calvus über den Fadus und be- 
gannen das feste Acerrae einzuschliessen und ein verschanztes Lager zu 
beziehen , auf welches die Gallier keinen Sturm wagten. Um aber die 
Bömer zu bewegen , ihre Stellung zu verlassen und zugleich um einen 
verheerenden Einfall in die cispadanischen Colonien zu machen , brach 
Virdomarus mit 10000 seiner tüchtigsten Soldaten, meist Beiterei auf 
und durchzog verwüstend das Gebiet der Anamaren, die sich bereits 



§. 16. Einfall der Römer in das Land der Bojen u. s. w. 15$ 

dem römischen Einfluss zum Nachtheil ihrer Stammesgenossen hinge- 
geben hatten. Sobald Marcellus von diesem Streifzuge Kunde erhielt, 
Hess er seinen Collegen mit dem gesammten schwerbewaffiaeten Fuss- 
volk zurück und dem dritten Theil der Reiterei, nahm seinerseits nur 
6000 Mann Leichtbewaffnete und die übrigen Reiter und marschirte in 
Eilmärschen den Gaesaten nach, die er erst bei Clastidium^ einholte, 
einem anamarischen, nicht lange vorher von den Romern eroberten Orte 
unweit des Padus. Da er seinen Gegner bereit fand , eine Schlacht an- 
zunehmen, säumte auch er nicht, eine Entscheidung herbeizuführen und 
stellte seine Reiterei in Schlachtordnung auf. Muthig sprengte alsdann 
die römische Reiterei gegen die vielfach überlegene feindliche ein, 
welche jedoch erst nach langem Widerstände geworfen wurde und auf 
verwirrter Flucht ihr eignes Fussvolk niederritt, oder in den Fluss trieb, 
dessen Gewässer Vielen den Tod brachte. 

Verherrlicht wird dieser Sieg durch den angeblichen Zweikampf 
Marcells mit dem feindlichen Könige. Im Gewühle der Schlacht ge- 
wahrte Virdomarus, heisst es bei Plutarch * , den römischen Feldherrn 
und sprengte hoch zu Ross weit seinen Kriegern voran , mit laut her- 
ausforderndem Rufe die Lanze schwingend. Es war eine hohe Gestalt, 
angethan mit köstlicher Rüstung, blitzend in Gold, Silber und Pui-pur. 
Kühn nahm der Consul die Forderung an und warf, als die Rosse gegen- 
einander rannten, seinen gewaltigen Gegner mit einem Lanzenstiche 
durch den Panzer , vom Pferde auf die Erde , wo er ihm den Todesstoss 
gab und die Spolien frohlockend sich zueignete. Als aber die Gallier 
ihren Führer erschlagen sahen, lähmte Furcht ihre Glieder und sie such- 
ten durch die Flucht einem gleichen Schicksal zu entrinnen , Sieg und 
Schlachtfeld den Römern überlassend. 

Indessen ist dieser Zweikampf schwerlich etwas anderes als eine 
erdichtete Zugabe, um den erfochten ^n Sieg patriotisch in dieser Weise 
zu feiern. Denn zuvörderst weiss Polybios nichts von dem Erzählten ; 
schwerlich hätte er aber trotz seiner Kürze ein entscheidendes Ereigniss, 
aus dem ein so überwiegender Vortheil erwuchs , übergangen. Ausser- 
dem wissen wir aus Properz*, dass Virdomarus nicht zu Pferde, sondern 
zu Wagen kämpfte, wie es im transalpinischen Gallien gebräuchlich 
war*. So fiel er also nicht im Zweikampf von der Lanze des Consuls, 



i Polyb. 2, 34. Plut. v. Marcell. 6 if . — 2 Plutarch. 1. c. S. 
3 Claudius Eridanum traiectos arcuit hostes 
Belgica, cui vasta parma relata ducis 
Virdumari. Genus hie Rheno gestabat ab ipso, 
Nobilis e tectis fundere gaesa rotis. 4, 39. 
4 Caes. 5, 14. 4, 37-38. 



ä 



154 in. Unabhängigkeitskampf der Völker Mittelitaliens u. s. w. 

sondern entweder im Schlachtgetümmel oder auf der Flucht , wo seine 
prächtige Rüstung Marcells Aufmerksamkeit erregt haben wird. Das 
Capitol zeigte aber noch lange nachher die herrliche Wehr des gallischen 
Fürsten, was Gelegenheit geboten haben mag, in patriotischer Dichtung 
den Sieg des grossen Feldherrn zu verherrlichen. 

In Folge dieser Niederlage fiel das belagerte Acerrae und die Gal- 
lier sahen sich genöthigt, zum Schutze ihrer Hauptstadt Mediolanum^ 
eiligst den Rückzug anzutreten. Scipio folgte ihnen und liess sich in 
der Hitze der Verfolgung bis Mediolanum fortreissen , wo er die ver- 
zweifeltste Gegenwehr fand. Hier kam es nochmals zu einer blutigen 
Schlacht, deren Ausgang bereits für die Gallier ein glücklicher zu wer- 
den drohte, als diese ohne ihren Vortheil zu verfolgen von der Hitze er- 
mattet zu kämpfen aufhörten, um dem ermüdeten Körper einige Er- 
holung zu gönnen. Schnell ersah Scipio diesen günstigen Augenblick; 
es ordneten sich auf sein Geheiss die wankenden Reihen und wurden 
zum abermaligen Angriff geführt in die offenen Glieder der Feinde, 
welche nach kurzem Kampfe die Waffen fortwarfen , sich in die Apen- 
ninen retteten und ihre Hauptstadt den nachrückenden Römern preis- 
gaben. Mediolanum musste sich ergeben und die übrigen Plätze der In- 
subrer folgten dem Beispiele der Hauptstadt , da das Heer vollständig 
aufgerieben war. In dem Frieden mussten die Besiegten Roms Ober- 
herrlichkeit anerkennen und einen grossen Theil ihres Gebietes abtre- 
ten, in welchem römische Colonien angelegt wurden zur Sicherung der 
gewonnenen Vortheile. So gingen die Römer zwar langsam. Schritt vor 
Schritt, aber mit furchtbarer Sicherheit voran ; systematisch wurde jeder 
eroberte Landstrich romanisirt, nicht nur durch Aufdrängung der latei- 
nischen Sprache, sondern besonders im Anfang durch Ansiedelung nach 
Seneca's bekanntem Ausspruch Ubi Romanus vicit, ibi habitai. In diese 
Zeit fallt die Gründung von Placentia im Cispadanischen und von Cre- 
mona im Transpadanischen K 

In diesem Kriege haben wir die älteste Erwähnung des Namens 
der Germanen in einem Fragmente der capitolinischen Fasten : 
nM. Claudius M. I. M.'N. Marcellus a. DXXXII. Cos. de Galleis In- 

m 

subribus et Germaneis^ K, Marl, isque spolia opi{ma) rettuUi duce ho- 
stium Vir(dumaro ad Cla)stid{ium interfecto). Graev. thes. ant. Rom. 
vol. 11, p. 227. 

1 Vellej. 2. — 2 ,,Ich kann nicht bejahen noch verneinen , ob daa Stück, wor« 
auf das er steht, später eingesetzt ist oder nicht, so oft ich auch das Denkmal unter- 
sucht habe. Abgebrochen ist der Stein beim r, das ist gewiss; ob aber die Ergän- 
zung neu ist oder das abgebrochene Stück wieder angefügt , wage ich nicht zu ent- 
scheiden**. Niebuhrs Vorträge I, II, p. 50. 



§. 17. Hannibal u. s. w. 155 

Doch kämpften schwerlich ächte Germanen mit den Gaesaten bei 
Clastidium gegen die Römer; denn zuvördert ist das Germaneis in der 
Inschrift mit Insubribtis dem BegriflFe Gaüeis untergeordnet. Nimmt 
man auch Germaneis als für sich bestehend an und trennt es von GaU 
leis Insubribtis , so hätte doch schwerlich Polybios vergessen , einige er- 
läuternde Worte über die fremde Nationalität hinzuzufügen. Noch 
klarer entwickelt sich das Gesagte, wenn man die Stelle der capitoli- 
nischen Fasten , welche doch ebenfalls auf älteren Nachrichten beruht, 
mitLivius vergleicht. Bei ihm * finden wir kleine germanische Völkchen, 
die an den Alpen und dem ßhodanus ansässig waren , und ihre Natio- 
nalität in Vermischung mit den Kelten schon halb verloren hatten, ge- 
nannt — die Semigermani f die man am Besten mit den Germaneis der 
Inschrift identificirt. Dass diese aber Kelten sind , folgt klar aus dem 
Gange von Livius' Erzählung, nicht nur weil er die keltischen Veragrer 
als Bewohner der penninischen Alpen kennt ^, als auch weil bojische 
Wegweiser dem Hannibal auf seinem Zuge über das Gebirg behilflich 
waren, welche dieselbe Sprache redeten mit den Alpen Völkern * , wenn 
auch in abweichender Mundart. Diese Halbgermanen aber konnten füg- 
lich von den Einen als Germanen , von den Andern als Kelten ange- 
sehen werden. Jedenfalls aber bildeten die Germanen einen so ge- 
ringen Bestandtheil des gallischen Heeres , dass auch Diodor sie uner- 
wähnt Hess. 



Capitel IV. 



Der punisch-galiische Krieg und die letzten Regungen des na- 
tionalen Unabliängiglieitsstrebens der Gallier. 



§. 17. 



Hannibal. Die Bojer treten mit ihm in Verbindung* Niederlage des Fraetors 
T. Manlius Torquatus. Hannibal in Italien. Siege am Ticinus» an der 
Trebia. Die Insubrer erklären sich für ihn. Zug durch die Niederungen des 

Arno. Siege am Trasimen und bei Cannä. 

Die folgenden gallischen Kriege ruhen sämmtlich auf Hannibals 
berühmten Zügen in Italien , deren wir mit einigen einleitenden Bemer- 
kungen gedenken müssen. Mit der Eroberung von Sagunt, dem Seiten- 
stücke zur Wegnahme Sardiniens von den Römern, entzündete sich 



1 Liv. 21, 38. — 2 Liv. 21, 32. — 3 Liv. 21, 29. 



j56 1^- ^^^ punisch-gallische Krieg u. s. w. 

abermals der gährende lange aufgehäufte Stoff. Hannibal hatte damit 
seinen Zweck erreicht und konnte jetzt seinen grossen Plan, den er 
lange in seiner Brust genährt , zur Ausführung bringen : den Krieg 
nach Italien hinüberzutragen und den Erbfeind seines Vaterlandes auf 
eignem Boden zu bekämpfen. Zu Lande über Spanien und Gallien 
wollte er dahin ziehen, obwohl dieser Weg über furchtbare Gebirge und 
durch das Gebiet wilder und barbarischer Völkerschaften führte, die 
nicht geneigt waren , einen Fremden durch ihr Land ziehen zu lassen, 
ohne eine Gelegenheit zu verlieren sich mit seiner Beute zu bereichem. 
Hannibal aber vereinte mit dem Genie eines^ grossen Feldherm zu- 
gleich die Berechnung und Klugheit eines weisen Staatsmannes. Bei 
einem Kriege leidet das Land am Meisten, welches zum Schauplatze der 
Kämpfe gemacht wird ; denn es ist genöthigt, sowohl die feindliche Ar» 
mee wie die seinige zu unterhalten, ist allen Schrecken der Verwüstung 
ausgesetzt, so dass die Einfalle eines auswärtigen Feindes oft grosse Un- 
geschicklichkeiten mächtiger Nationen verrathen. Dazu hatte Hanni- 
bal sich mit grosser Sorgfalt von dem damaligen Zustande Italiens unter- 
richtet und erfahren, dass, wenngleich die römischen Aufgebote, wie 
das vom Jahre 529 , eine furchtbare Zahl ergäben , doch viel von dieser 
vermeintlichen Macht aus uneinigen Völkerschaften bestehe ; eine Menge 
abgesonderter Stämme war zwar zu einem Körper vereinigt, die meisten 
aber hassten das Land, welches sie aneinanderkettete. Jeder Schritt 
also, den ein Angreifer innerhalb Italiens thun konnte, war geeignet, 
den Bömem Hülfsmittel zu entziehen und sie sich zuzuwenden ; gross 
war Borns Macht , wenn sie in einiger Entfernung konnte angewandt 
und von einer Hand regiert werden ; aber entzweit durch die Gegen- 
wart eines Feindes verlor sie bald ihre Stärke und brachte leicht durch 
die Empörung einiger eroberter Länder eine Kraft hervor, die mit 
glücklichem Erfolg gegen Bom selbst gebraucht werden mochte. We- 
nige auffallende Beispiele, dass Roms gefürchtete Legionen auch konn- 
ten besiegt werden, waren im Stande, die Missvergnügten um den 
glücklichen Angreifer zu schaaren und die Treue der Bundesgenossen 
zu erschüttern. Endlich wurde auch wenig gewagt, wenn man es mit 
dem in Aussicht stehenden Gewinn verglich , denn eine einzige Armee 
wurde gegen einen mächtigen Staat aufs Spiel gesetzt , und wenige Sol- 
daten, die man leicht ersetzen konnte, wurden einem Unternehmen auf- 
geopfert, das, wenn es Erfolg hatte, Carthago zur Weltbeherrscherin 
machen konnte ; wenn es aber misslang, dem Feinde eine tiefere Wunde 
schlug, als es hier hervorbrachte^. 



1 Vgl. Diod. 26, fr. 51. 



§. 17. Hannibal u. s. w. J57 

Dies hat Hannibal wohl bedacht; er liess* daher zur Deckung 
Afrikas ein Heer von 14000 Spaniern dahin abgehen; in Spanien da- 
gegen liess er ein gleich grosses Heer von afrikanischen Truppen nebst 
einer Flotte von 55 Schiffen zurük und übergab seinem Bruder Has- 
drubal den Oberbefehl über sämmtliche Streitkräfte bis zum Ebro. Die 
Bömer dagegen^ ohne Hannibals grossen Plan zu ahnen ^ beschlossen die 
Carthager in Spanien und Afrika anzugreifen und schickten deshalb 
von den Consuln des J. 537 (218 v. Chr.) den Tiberius Sempronius 
Longus nach Sicilien, um von da nach Afrika überzusetzen , und den 
P. jCornehus Scipio nach Spanien. Den Marsch, den Hannibal ihren 
Plan durchkreuzend durch ein unwirthliches Land , unwegsame Gegen- 
den und feindliche Stämme unternahm und in fünf Monaten glücklich 
vollendete, gehört zu den grössten Thaten in der Geschichte , die je ein 
Feldherr entwarf und ausführte. Mit 90000 Mann zu Fuss und 12000 
zu ßoss war er von Neukarthago aufgebrochen ; als er aber nach seinem 
Zuge über die Pyrenäen und durch das südliche Gallien an die Rhone 
gekommen war, sah er sein Heer auf 50000 Fusstruppen und 9000 Rei- 
ter zusammengeschmolzen. Hier war auch Scipio eingetroffen, hatte ' 
aber erst in Massilia erfahren , welchen Fortgang Hannibals Pläne be- 
reits genommen hatten. Er eilte zwar herbei, konnte aber den üeber- 
gang über die Rhone nicht mehr hindern : Reiterschaaren , die er aus- 
sandte, stiessen bereits auf dem linken Ufer des Flusses auf die Numi- 
der; daher hielt er es nicht für rathsam, da Hannibal schon einige 
Märsche über ihn gewonnen hatte, ihn weiter zu verfolgen, schiffte seine 
Truppen wieder ein und kehrte nach Italien zurück , um ihn, sobald er 
die Alpen herabkäme, anzugreifen. 

Unterdessen waren die Bojer in Italien nicht ruhig geblieben, son- 
dern im geheimen Einverständniss mit dem Feinde zum Aufstande be- 
reit, wieder zu offener Bewegung losgebrochen. Wie gesagt, hatten die 
Römer, um ihre Eroberungen in Gallien zu sichern, zwei neue Colonien 
Cremona im Transpadanischen und Placentia im Cispadanischen ange- 
legt ; als sie daher Hannibals Plan erkannten, sandten sie in grosser Eile 
12000 Colonisten hin und beendigten glücklich vor Eröffnung des Feld- 
zugs die Befestigungen. Daraus sahen die Bojer und Insubrer, dass es 
unwiderbringlich um ihre Freiheit geschehen sei , wenn sie solche Boll- 
werke in ihrem Lande duldeten , ergriffen , während eine Gesandschaft 
unter dem bojischön Fürsten Magalos* zu Hannibal abgingt, um sich 



1 Polyb. 3, 32. — 2 Fälschlich leitet Gesenius {Monum. Phoen.) seinen Namen 
von VÄ3?tt [carrago) ab. Vielmehr ist das gallische magalus das brittische maglus (spä- 
ter mailf maelf piier^ iuvenis, set-vus,' irisch mufft wovon mogdn, itivenisi hero. Ausführ- 
liche Belehrung gibt Glück a. a. O. S. 50. Anm. 1. — 3 Polyb. 3, 44, Liv. 21, 29. 



] 58 ^^' ^^^ punisch-gallische Krieg u. 8. vr. 

2u Führern durch die Bergschluchten der Alpen und ihr Volk zur Theil- 
nahine jeder Gefahr anzubieten, die Waffen und jagten die römischen 
Colonisten von Placentia nach Mutina zurück. Als sie darauf auch die 
Belagerung von Mutina begannen und gegen das Völkerrecht die römi- 
schen Abgeordneten, welche in ihr Lager gekommen waren , zurückbe- 
hielten , um ihre eigenen Geiseln wiederzugewinnen , zog der Praetor 
T. Manlius Torquatus mit einem grossen Heere voll Erbitterung def be- 
lagerten Stadt zu Hülfe. Sein Weg führte ihn durch grosse unwirthbare 
Wälder , die er ohne Kunde eingezogen zu haben , sorglos durchziehen 
wollte. Allein er fiel in einen Hinterhalt und vermochte sich nur mit 
einem grossen Verluste in die freie Ebene zu retten. Hier nahm er ein 
festes Lager, welches die Gallier nicht zu bestürmen wagten und als 
dieses Zögern die Soldaten ermuthigte, begann man den Zug von Neuem. 
So lange sich der Marsch durch die Ebene bewegte , liess kein Feind 
sich blicken, sobald aber der wildverwachsene Forst sie aufnahm wurde 
der Nachtrab angegriffen und fast gänzlich aufgerieben; achthundert 
Mann wurden in der allgemeinen Verwirrung und Bestürzung erschla- 
gen und sechs Feldzeichen genommen. Erst im Freien konnten die 
Römer ihren Zug sichern , verdankten ihre Rettung nur der Hülfe der 
befreundeten Cenomanen. Ein verschanztes Lager bei Tanetum am Pa- 
dus bot ihnen dann die Mittel, sich auf einige Zeit zu behaupten. Als 
die Kunde dieses Ereignisses nach Rom gelangte, schickte der Senat 
den Praetor C. Attilius mit einer Legion und 5000 Mann Bundestrup- 
pen an den Padus, der ohne Widerstand zu finden den. Ort seiner Be- 
stimmung erreichte und das Heer des Bedrängten an sich zog^. 

Hannibal hatte in fünfzehn Tagen die Alpen überstiegen und viel 
früher als Scipio Italiens Boden betreten. Dieser war nach Pisae gesegelt 
und hatte sich, um seine Kräfte zu stärken , mit den Truppen der bei- 
den Praetoren vereinigt ; darauf ging er über den Padus, in der Absicht, 
eine entscheidende Schlacht zu wagen , um die übrigen Gallier zu ver- 
hindern der Einladung Hannibals Folge zu leisten. Auch diesem war 
viel an einem baldigen Kampfe gelegen , nicht nur um den zahlreichen 
Verstärkungen, die Scipio erwartete, zuvorzukommen, sondern auch 
wegen des Eindruckes , den ein Sieg auf seine neuen Bundesgenossen 
machen musste. 

Am Ticinus massen sich zuerst die beiden Heere, jedoch nur mit 
der Reiterei , die auf einem Recognoscirungszuge zusammenstiess ; die 
spanische und numidische bewährte auch hier ihren alten Ruhm und 
warf die römische, wodurch das ganze nördliche Ufer des Padus für 

1 Liv. 21, 25-26. 



^. 17. Hannibal u. s. w. 159 

Scipio verloren ging *. Auch. Bojer sollen sich mit zahLreicher Reiterei 
unter ihrem Anführer Crixus , der im Zweikampf von Scipio's eigner 
Hand fiel , am Kampfe betheiligt haben ; verbürgt ist diese Nacl^richt 
jedoch nur von Silius*. 

Als Sempronius diese Unglücksbotschaft erhielt — er lag damals 
mit der Flotte vor Lilybaeum — eilte er rasch mit derselben nach den 
bedrohten Gegenden zurück, während das Landheer unter den Tribunen 
in einzelnen Abtheilungen bei Ariminuin an einem bestimmten Tage 
eintreffen sollte*. Dort übernahm Sempronius wieder den Oberbefehl 
und vereinigte sich mit seinem CoUegen. Dieser war in Folge des er- 
littenen Unfalles aus den transpadanischen Ebenen fortgezogen, na- 
mentlich wegen der in seinem Heere dienenden Gallier, deren Ab- 
neigung er blutig erfahren hatte. Sie hatten nämlich lange eine günstige 
Gelegenheit abgewartet, um über die Römer herzufallen, tödteten dann 
viele und verwundeten nicht wenige, worauf sie etwa 2000 Mann zu 
Fussund 1200 Reiter zu Hannibal übergingen, der sie freundlich auf- 
nahm und reichlich beschenkte-*. 

Seit der Niederlage am Ticinus wich Scipio dem Feinde immer 
vorsichtig aus und bemühte sich auch seinen Mitfeldherrn zu gleichen 
Massregeln zu bewegen ; allein da dieser durch seine Truppen das Gleich- 
gewicht der Armeen wieder hergestellt sah , entschied er sich , bestärkt 
durch einige glückliche Vorpostengefechte, für eine Schlacht. Hannibal 
war dem Scipio bis zur Trebia gefolgt und merkte bald den kampf- 
lustigen Sinn des Consuls ; er hatte eine Ebene vor sich , durch welche 
der genannte Fluss beide Heere abtheilte ; da er#iicht Lust hatte, seine 
Afrikaner durch das in der Winterzeit kalte Wasser zu führen, wünschte 
er die Römer auf seine Seite zu ziehen, wo ihm auch das waldbewachsene 
Ufer Gelegenheit bot einen Hinterhalt zu bilden. Um sie hinüberzu- 
locken, schickte er seine Reiterei über den Fluss, mit dem Befehle sich 
vor den feindlichen Linien zu zeigen und angegriffen sich in schein- 
barer Flucht zurückzuziehen. Die List gelang, hitzig verfolgten die Le- 
gionen die karthagische Reiterei , bis sie dieselbe in Unordnung über 
die Trebia setzen sahen. In der Meinung einen Vortheil gewonnen zu 



1 Polyb. 3, 64. 65. Liv. 21, 44 — 46. Appian. Hannib. 5.-2 Silius 
lt. 4, 148 ff, Cnarw« ist zu schreiben nicht Chrixus] der Name kommt vom kymr. 
crich , jetzt crych <=^ crix , lat. crispus (über kymr. ch ^^ x Tgl. Zeuss , Gramm, 
celt. I. p. 147.). Ein ähnlicher Name Crixsim, Crixsia findet sich auf einer Lyoner 
Inschrift (bei Boissieu 507, XXXIV. — 3 Nichts griff die römischen Soldaten mehr 
an, als in Colonnen auf der Heerstrasse zu marschiren. Daher löste Sempronius sein 
Heer auf und band es durch einen Eid, zur bestimmten Zeit in Ariminum ein- 
zutreffen. — 4 Polyb. 3, 67. 



IgO I^- ^^^ punisch-gallische Krieg u. s. w. 

haben, Hess sich Sempronius verleiten sein Heer an das entgegengesetzte 
Ufer in der Ebene aufziehen zu lassen , wo Haunibal schon seine Trup- 
pen forinirt hatte , obwohl er nur den Kückzug seiner Beiterei decken 
zu wollen schien. Als er aber sah , dass die Schlacht allgemein wurde, 
liess er seinen Hinterhalt, der oberhalb des Kampfplatzes an einem der 
zahlreichen Arme der Trebia versteckt lag , den Römern in den Rücken 
brechen, welche nun auf allen Punkten geschlagen theils im Felde, 
theils beim Versuche über den Fluss zu geben fielen oder gefangen ge- 
nommen wurden. Nur die Legionen des Mitteltreffens , weiche's Sem* 
pronius selbst befehligte, schlugen sich 10000 Soldaten an der Zahl 
durch und entkamen nach Placentia. Hannibal hatte in diesem Treffen 
besonders die Gallier in die Schlacht geführt , von ihnen bedeckte die 
grösste Zahl den Kampfplatz^. 

Die Folgen dieses Sieges waren für ihn von grosser Bedeutung; 
noch nicht hatten es die Insubrer gewagt, sich für ihn zu erklären, son- 
dern nach Beendigung der Schlacht die Gunst des Siegers zu geniessen 
aber nicht das Schicksal der Ueberwundenen zu theilen gewünscht; da- 
her warteten sie ruhig ab , nach welcher Seite sich die schwankenden 
Wagschalen neigen würden und als sie die glänzende Ueberlegenheit des 
carthagischen Feldherrn über die römischen erkannt hatten , sank ihre 
Unentschiedenheit und sie folgten zuversichtlich dem Beispiele der Bo- 
jer. Zugleich sicherte Hannibal , da er zu entfernt von seinen Hülfs- 
quellen war, sich Winterquartiere am Padus durch die Einnahme von 
Clastidium, einer Stadt, wichtig als Festung und wegen der grossen, 
reichlich versehenen ]||agazine, welche die Römer zur Versorgung ihrer 
Truppen dort angelegt hatten. 

So war der punische Krieg für Rom zugleich ein gallischer gewor- 
den, was man dort auch wohl zu würdigen wusste; noch einmal wurde 
die Stadt mit dem Schrecken früherer Zeiten heimgesucht und wiederum 
suchte man die aufgeregten Gemüther durch geheiligte Ceremonien zu 
beruhigen ; dahin gehört besonders die Feier des sogenannten Ver sa- 
crum (Liv. 22, 10); anderseits zögerte der Senat nicht, die nöthigen 
Gegenanstalten zu treffen ; vne aus einem Traume erwachend und sich 
im Gefühle ihrer erprobten Kraft der Kleinmüthigkeit schämend be- 
fahlen die Römer nicht nur frische Werbungen, um die geschlagenen 
Lücken zu ersetzen , sondern Hessen auch den Consul Scipio , der das 
feste Cremona zu seinem Winterlager ausersehen , zu seiner früheren 
Bestimmung nach Spanien abgehen, rüsteten 60 Penteren aus und sand- 
ten Truppen nach allen Plätzen, wo sie einen Abfall der Bundesgenossen 



1 Polyb. 3, 73flf. Liv. 21, 52. 



§. 17. fiannibal u. s. w. 161 

oder den Andrang der Feinde erwarteten. Keichliche Magazine wurden 
in Ariminum und Arretium angelegt, kurz die weisesten Vorkehrungen 
getroffen , um dem Feinde , den man zu achten anfing , kräftig zu be- 
gegnen. 

Ohne sich mit der Eroberung Placentias aufzuhalten beschloss Han- 
nibal, nachdem seine Truppen durch die gebotene Ruhe sich erholt 
hatten , gleich im Frühjahr in Etarurien einzubrechen ; denn er fühlte, 
dass er die Freundschaft seiner neuen Bundesgenossen nicht auf eine zu 
harte Probe stellen dürfe und dass sie mehr für eigene Zwecke kämpfen 
wollten und musste auch wünschen, dass der Aufstand gegen Kom sieh 
über ganz Italien veirbreite. 

Zu Consuln für das Jahr 537 (217 v. Chr.) waren gewählt Cn. Ser- 
vilius Gerainus und C. Flaminius Nepos , letzterer der bekannte Tribun 
und tollkühne Feldherr vom Jahre 531 in Gallien. Flaminius nahm 
«einen jStandx)rt zu Arretium, um die Apenninenpässe zu bewachen und 
Etrurien zu -decken , während Servilius zu Ariminum an der grossen 
fiaminischen Strasse sich festsetzte , um einen Marsch längs der adria- 
tischen Meeresküste zu verhindern ; nach seiner Ankunft traf hier die 
Besatzung von Placentia ein, welche nach Hannibals Aufbruch auf 
Schiffen den Padus hinabfahrend sich leicht nach Ariminum hinbewegen 
konnte. Dieser war in der That im Anfange des Frühjahres über die 
Apenninen nach Ligurien gezogen und nahm von da seinen Marsch auf 
Etrurien durch die Niederungen und Moorgründe des Arno ^ in denen er 
drei Tage und vier Nächte mit den uner messlichen Schwierigkeiten, die 
ihm der über seine Ufer getretene Fluss verursachte, zu kämpfen hatte 
und viele von seinen Leuten und Pferden einbüsste. Besonders litten 
die Gallier , die er in def Mitte marschiren Hess ; entkräftet von dem 
Wachen, da in den alles bedeckenden Gewässern keine trockene Stelle 
zu finden war, wo sie ihre anhaltender Arbeit ungewohnten Körper 
hätten hinstrecken können, konnten Viele sich weder aufrecht halten, 
noch wenn sie gefallen waren , aus den Schlünden wieder erheben , so 
dass sie, wenn sie aus Ueberdruss muthlos niedergestürzt waren, zwischen 
den gleichfalls umherliegenden Packthieren starben; Hannibal selbst 
verlor ein Auge. Bei Faesulae verliess er diese Niederungen zum Er- 
staunen der Bömer, die den Zug nicht im Bereich der Möglichkeit ge- 
glaubt und kein Heer dorthin abgesandt ; von Faesulae begab er sich 
hinter Florentia in das Thal des oberen Arno, wo er seinen Truppen die 
wohlverdiente Ruhe gönnte. So stand er bereits im Herzen von Etru- 



1 Polyb. 3, 77- 79. Liv. 22, 2. 3. vgl. P. Vettori , Viaggio di Annihah per la 
Toscana, Ncipoli 1780. 8. 

Contzen, Wanderungen der Kelten. j^ | 



162 IV. Der punisch-gallische Krieg u. s. w. 

rien^ ehe Flaminius Anstalten machte ^ ihn zu verfolgen, da er wähnte^ 
der Feind würde sich vor Arretium legen. Allein Hannibal that es 
nicht 9 spndem drang in verheerendem Zuge auf der Strasse nach Rom 
weiter, und jetzt erst folgte ihm Flaminius in übereilter Geschwindig- 
keit, die sein Verderben ward. Hannibal verliess hei Cortona das obere 
Arnothal und zog an den Ufern des trasimenischen Sees fort, den er 
zur Linken liess , während sich die Gebirge steil zur Rechten erhoben. 
Hier kam es zur Schlacht* ; begüngstigt durch den ungewöhnlich stark 
aufsteigenden Nebel , der sogar die Spitzen der Anhöhen deckte, gelang 
es ihm, den unbesonnen in den Engpass einrückenden Consul zu über- 
flügeln und die Legionen niederzuhauen. Der Verlust der Römer beUef 
sich auf 1 5000 Mann, welche theils durch das Schwert fielen, theils von 
den Gewässern des Sees verschlungen wurden. Auch der Name der 
Gallier wird mit Auszeichnung in diesem Gefechte genannt: ein in- 
subrischer Reiter Dukarius, den Silius* wieder in seiner* vielfach her- 
vortretenden Vorliebe für diesen Stamm zu einem Bojerfürsten macht, 
erkannte in der Schlacht den Consul , sprengte auf ihn zu und durch- 
rannte ihn mit der Lanze, die treulose Verwüstung seines Heimathlandes 
rächend. Die Früchte dieses Sieges waren nicht so glänzend , wie die 
der vorigen, denn die Etrusker erhoben sich nicht gegen Rom und viele 
Städte schlössen die Thore ; ihre Kraft war durch die früheren Kriege 
geschwächt und zu oft hatten sie erfahren , wie schwer der strafende 
Arm der Römer auf dem Nacken Besiegter ruhete. Daher zog Hannibal 
weiter , Rom vorbei , in Gegenden , um mit Carthago und Macedonien 
Verbindungen unterhalten zu können. 

Seit der Schlacht am Trasimen finden wir die Gallier wenig er- 
wähnt ; der andere Consul Servilius kämpfte in kleinen unbedeutenden 
Gefechten glücklich mit ihnen und eroberte eine Stadt*. Erst im Jahre 
538 , denkwürdig durch die Catastrophe bei Cannae greifen sie wieder 
rühmlich ein in den Gang der Geschichte. Die Römer ernannten den 
Q. Fabius Maximus zum Dictator , der weise eine Hauptschlacht ver- 
mied, da durch den Verlust derselben ganz Italien den Muth, gegen Rom 
aufzustehen erhalten konnte. Doch war das Volk und selbst der Senat 
nicht geneigt, die Wirkung der verzögernden Massregeln abzuwarten, 
welche Fabius consequent verfolgte. Daher wurden die Legionen, deren 
jede zugleich auf 5000 Mann zu Fuss und 300 zu Pferd erhöht war, auf 
acht vermehrt, zu denen die Bundesgenossen an Fussvolk dieselbe Zahl, 
an Reiterei aber das Doppelte zu stellen hatten , so dass ein Heer von 
80000 Fusstruppen und 6000 Reitern kriegsgerüstet dastand, an dessen 



1 Polyb. 3, 84 ff. Liv. 22, 5 ff. — 2 Silius 5, 645. — 3 Liv. 22, 9. 



§. 17. Hannibal u. s. vt. 163 

Spitze, neben den Consuln des vorigen Jahres als ünterfeldherrn, C. Te- 
rentius Varro, ein Mann von kühnem und unerschrockenem Geiste, und 
der besonnene L. Aemilius Paulus standen. 

Hannibal befand sich in Apulien in der Nähe des Aufidus und 
hatte das reichlich mit Lebensmitteln versehene Cannae erobert. Dort- 
hin folgten die Consuln, vom Senate mit dem Befehle eine Schlacht zu 
wagen versehen^ allein in zögernden Märschen , weil bei dem wechseln- 
den Oberbefehl Aemilius die Taktik des Fabius zu befolgien wünschte, 
bis Varro, als man unweit des Feindes sich befand, sich für die Schlacht * 
entschied. Der Aufidus macht hier eine weite bogenförmige Biegung 
und umarmt die nicht allzugrosse Ebene, in welche Varro mit den Trup- 
pen hinabstieg. Hannibal stand am rechten Ufer des Flusses; kaum sah 
er die Bewegung des Feindes , als er über den Aufidus zog und eine für 
jeden andern Feldherrn ungünstige Stellung einnahm, die aber sein Genie 
wegen der numerischen Ueberlegenheit der Eömer zu seinem Vortheil 
auszubeuten verstand. Die Stellungen waren folgende: Da die Ebene 
für das gewaltige römische Heer zu schmal war, um wie es die römische 
Disciplin erheischte , den Legionen die Längenausdehuung zu geben, 
wurden diese in einer der Fronte weit überlegenen Tiefe aufgestellt; sie 
bildeten unter Servilius das MitteltreflTen , während die Reiterei der 
Bundesgenossen unter Varro den linken Flügel , die römische Ritter- 
schaft unter Aemilius Paulus den rechten einnahm. Da lOOOO Mann 
im Lager zurückblieben, um während der Schlacht das karthagische La- 
ger zu überfallen^, belief sich das römische Heer auf 76000 Mann. 
Dieser furchtbaren Macht hatte Hannibal nur 40000 Mann zu Fuss ent- 
gegenzustellen, aber seine Reiterei übertraf an Stärke und Gewandtheit 
bei Weitem die römische; sie war 10000 Pferde stark; die reguläre gal- 
lische und spanische stellte er auf den linken Flügel gegen die römischen 
Ritter; die numidisehe gegen die Bundesgenossen auf den rechten! 
Durfte er nun auch hoflPen , hier die Uebermacht zu gewinnen , so hatte 
er dennoch gegen die Legionen , deren Tüchtigkeit er wohl kannte und 
deren fast doppelt so grosse Uebermacht sie hier noch gefährlicher 
machte, sich auf einen harten Kampf gefasst zu machen. Desshalb 
theilte er den Kern seines Fussvolkes, seine Afrikaner, welche er schon 
nach der Trebiaschlacht mit dem römischen Pilum, schwerem Schilde 
und dem Stossdegen bewaflfnet hatte, in zwei Theile, deren jede sich der 



1 Am Ausführlichsten und Klarsten erzählt dieselbe Polyb. 3, J07 — 117; nicht 
so genau, oft unwahr Li v. 22, 40—50. Weit hinter beiden steht Appian. Hannib. 
17-25. Vgl. die Darstellung im',,PÄiVo%w«'* XI. Bd. 1. Heft. p. 101 ff. — 2 Polyb. 
1. c. 117. 

II* 



154 IV. Der punisch-gallische Krieg u. 8. w. 

Fitigelreiterei zugesellte, während der Zwischenraum der Flanken von 
den Spaniern und Galliern ausgefüllt wurde, welche er halbmondförmig 
gegen die römischen Reihen vorschob. 

Die gallische und spanische Reiterei eröffnete .den Kampf gegen 
die römischen Ritter und trieb sie in die Flucht; schwenkte sodann im 
vollen Galopp hinter der feindlichen Armee um und kam de» auf dem 
rechten Fitigel kämpfenden Numidern zu Hülfe , die noch in schwan- 
kendem Gefechte erst durch diese unerwartete Verrinigung die Bun- 
desgenossen zum Weichen brachten, und sie verfolgten. Hasdrubal aber 
wandte sich mit den gallischen und spanischen Rejtem gegen die Le- 
gionen selbst , welche die gallischen Fusstruppen besiegt und hitzig in 
keilförmiger Ordnung dem fliehenden Feinde gefolgt waren. Da war 
der Augenblick gekommen, wo die Aufstellung Hannibals sich bewähren 
sollte. Denn als die Römer, in der Meinung, gesiegt zu haben jetzt das 
feindliche Centrura zu durchbrechen suchten und dabei wegen des 
schmalen • Raumes ganz zusammengedrängt waren , fassten die zur Re- 
serve stehenden schwerbewaffneten Afrikaner die Legionen in die Flan- 
ken, während Hasdrubal ihnen in den Rücken fiel. Da war die Schlacht 
verloren und an Rettung nicht zu denken, 45000 Römer mit dem hoch- 
herzigen Consul Aemilius Paulus bedeckten die Ebene. Einen grossen 
Theil des Sieges dankte Hannibal den Galliern , nicht nur ihre treff- 
liche Reiterei, sondern auch dae Fussvolk hatte viel zum Erfolg beige- 
tragen und 4000 von ihnen blieben auf dem Schlachtfelde. 

§. 18. 

Vernichtung von 26000 Römern im Iiitanawald. Erfolge der Bomer in 
Iberien. — Hasdrubals Niederlage amMetaurus. Mago's zwe^'äliriger Aufent- 
halt in Italien. Schlacht bei Zama. 553. 

Von nun an wird die Theilnahme der Gallier am punischen Kri^e 
schwächer, obwohl sie sich nicht ganz von Hannibal zurückziehen ; er- 
wähnt werden sie in seiner unmittelbaren Nähe nur noch bei der Ein- 
nahme von Tarent*, an der sie sich mit 2000 Mann betheiligten. In 
der That war ihre Gegenwart auch nöthiger im nördlichen Italien. 
Denn Rom war endlich nach so gewaltigen Schlägen zur Einsicht ge- 
kommen, dasa das Hauptmittel seiner Rettung darin bestehe , entschei- 
denden Schlachten auf italischem Boden auszuweichen und Hannibal, 
den bei nur etwas gleichen Verhältnissen kein römischer Feldherr in der 
Feldschlacht zu bestehen vermochte, nur genau zu beobachten. Städte 



1 Liv. 25, 9. Polyb. 8, 32. 



§. 18. Vernichtung von 25000 Kömern im Litanawald u. 8. w. 165 

und Staaten strafte es grausam und suchte dem Feinde auf jegliche 
Weise die Mittel, den Krieg zu unterhalten, zu entziehen, während es 
sich selbst in Sicilien und Spanien neue Hülfsquellen öffnete und sie 
den Karthagern dort verschloss. Daher wurde , um ihn auch an Streit- 
kräften zu schwächen, ein Heer von 25000 Mann unter dem Eraetor 
L. Fosthumius nach Gallien gesandt, worauf die Bojer eilends dahin 
zurückkehrten. — Es war ein grosser umfangreieher Wald, wegen seiner 
Ausdehnung von den Kelten Litana genannt * , durch den der Praetor 
ziehen musste. Am Wege durch denselben hatten letztere rechts und 
links die Bäume so eingesägt, dass sie sich noch aufrecht erhielten, aber 
beim leisesten Stosse einstürzten. Ohne Verdacht zu schöpfen zog das 
römische Heer längs der Strasse fort in den Waldpass , als die Bäume 
plötzlich krachend über Boss und Mann zusammenschlugen und ein ent- 
setzliches Blutbad anrichteten. Kaum zehn Mann entkamen , denn was 
der tückische Wald verschonte, wurde von den Galliern , die denselben 
umstellt hatten, niedergehauen. So theuer als möglich verkaufte der 
Praetor sein Leben und kämpfte muthig weiter, bis auch er unterlag. 
Hocherfreut verfertigten die Bojer aus seiner Hirnschale einen Pokal 
und verzierten ihn mit eingelegtem Golde, damit er an festlichen Tagen 
dem Priester als heiliges Gefäss diene. Zu Rom aber war die Bestürzung 
wegen dieser Niederlage so gross, dass alle Kaufläden mehrere Tage lang 
geschlossen blieben und der Senat, welcher nach der Schlacht bei Cannae 
nicht verzweifelt hatte, jetzt der Aufmunterung des Consuls T. Sempro- 
nius bedurfte, um sich wieder zu fassen und die Bache für diese Tücke 
der Zukunft anheimzustellen. 

Hannibals Aussichten aber wurden von Jahr zu Jahr düsterer. Ab- 
gesehen davon , dass das eigne Vaterland sein Verdienst unterschätzte 
und ihn hülflos in fremdem Lande Hess, war der römische Senat der un- 
geheuren Kühnheit Hannibals, Italien zum Schauplatz des Krieges zu 
machen, mit einer besser berechneten entgegengetreten. Die Bömer, 
welche gleich im Anfang des Krieges den Kampf nach Iberien und 
Afrika versetzen wollten, waren auf der pyrenaeischen Halbinsel als 
Befreier von dem Joche der Karthager freudig und willkommen aufge- 
nommen ; denn die Herrschaft Karthagos daselbst war drückend und 
jung, die Völkerschaften zwar gedemüthigt aber ungebrochen und Boms 



1 Liv. 23, 24. S, J, Front strateg, 1, 16. -^ Litanus, das in den gallischen 
Namen Litano-'hrigaf Smertu-litanm u. s. w. vorliegti kymrisch litana jetzt llydarif 
bedeutet latus , am/plus, spatiosus. Das von Livius gebrauchte Wort vastus d, Silva 
eratvasia, Litanam Galli vhcanV*) ist daher nicht in dem Sinne von wüst, son- 
dern umfangreich {apatiosm) zu nehmen. Gründlich handelt darüber Glück a. a. O. 
S. 85 ff. 



\QQ IV. Der punisch-gallische Krieg u. s. w. 

heillose Politik unbekannt. Grossen Anklang fanden daher die dahin 
gesendeten Scipionen namentlich bei den jüngst Unterworfenen, und 
nur mit ungeheuren Anstrengungen gelang es den Karthagern den gross- 
ten Theil Spaniens wiederzugewinnen. Die beiden Scipionen fanden 
543 ihren Tod, ihnen folgte im Commando P. Corn. Scipio. 

Hannibal , der diese Verhältnisse würdigte und auf grösseres An- 
schliessen der italischen Völker an ihn und nicht auf das Auftreten der 
Körner in Iberien gerechnet hatte , suchte daher nach der Schlacht bei 
Cannae noch andere Mächte in den Krieg zu verwickeln; so ausser dem 
Könige Hieronymus von Syrakus , noch Philipp, den Herrscher Mace- 
dpniens; namentlich von letzterem erwartete er Verstärkungen; diese 
blieben leider aus, thcils weil Philipp zu unentschlossen war, theils weil 
ihn die Römer in Griechenland zu beschäftigen wussten. So wurde 
Hannibals Lage schlimmer, je länger der Krieg dauerte, wenn er auch 
noch wohl einige glückliche Erfolge zu erreichen im Stande war. Auch 
die Treue seiner südlichen Bundesgenossen in Italien wurde von Tag zu 
Tag zweifelhafter und unsicherer, wogegen Rom ihm eine Stadt nach 
der andern fortnahm, wie Syrakus, Capua und Tarent. Die Hauptent- 
scheidung aber erfolgte in Iberien, wo der junge Scipio durch einen 
kühnen Schlag Neukarthago eroberte und fast die ganze pyrenaeische 
Halbinsel unter die Waflfen brachte. Aber ein noch grösseres Unglück 
stand Hannibal bevor , das war der Fall seines ihm an Talent wenig 
nachstehenden Bruders Hasdrubal. Dieser hatte Mittel gefunden, den 
Truppen Scipios in Spanien zu entgehen und war schon vor der Erobe- 
rung Neukarthagos nach Appian mit einem Heere von 48000 Mann zu 
Fuss, 8000 Reiter und 1 5 Elephanten aufgebrochen durch Biscaja längs 
der Nordseite der Pyrenäen. Geschickt überwand er alle Schwierig- 
keiten , wusste im südlichen Gallien viele Stämme zum Anschluss an 
sein Heer zu bewegen und erreichte Italien ohne erheblichen Verlust 
innerhalb zweier Monate. Allein was er durch die Schnelligkeit seines 
Marsches gewonnen hatte , büsste er wieder ein durch die Belagerung 
von Placentia , das schon damals den Versuchen seines Bruders getrotzt 
hatte. Sobald die Römer die Ankunft Hasdrubals erfahren hatten, 
schickten sie den einen Consul M. Livius Salinator gegen ihn aus nach 
Ariminum mit zwei Legionen Bundestruppen unti vier aus den Sklaven 
gebildeten (vol^nes) , während sein College Claudius Nero den Hanni- 
bal von der Vereinigung mit seinem Bruder abhalten sollte. Hasdrubal 
merkte endlich, welchen Fehler er begangen, hob die Belagerung auf 
und sandte Numider und Gallier zu seinem Bruder mit Briefen, welche 
Umbrien als den schicklichsten Vereinigungspunkt bezeichneten. Allein 
beinahe am Ziel ihrer Reise wurden sie vom Consul Cl. Nero aufgefan- 



§.18. Vernichtung von 25900 Römern im Litanawald u. s. w. 167 

gen, der jetzt einen kühnen Entschluss fasste. Da Hannibal von drei 
römischen Heeren umstellt war, zog Nero die Blüthe seiner Truppen 
aus seinem Heere und führte sie in Eilmärschen zu seinem CoUegen, um 
mit ihm vereint den einen Bruder zu schlagen , ehe der andere Nach- 
richt von seiner Annäherung erhalten hätte. Hasdrubal errieth die An- 
kunft des andern Consuls-aus den Trompetensignalen, obwohl das feind- 
liche Lager selbst nicht vergrössert war und zog sich, in der Meinung 
Hannibal sei geschlagen eilig wieder zurück, bis er durch die nach- 
rückenden Consuln zur Schlacht gezwungen wurdp. Er bewährte hier 
am Metaurus unweit von Sena sich als würdigen Sohn Hamilkars, seine 
Stellung war vortrefflich, seine spanischen und afrikanischen Soldaten 
voll Muth , Erfahrung und Gewandtheit und der Sieg wurde ihm nur 
durch eine geschickte Bewegung des Consuls Nero entrissen , der mit 
einigen Cohorten die Feinde umging und ihnen in den Rücken fiel ; da 
war die Schlacht entschieden ; Hasdrubal aber sprengte , um sein Heer 
nicht zu überleben, in eine römische Cohorte hinein, wo er den Helden- 
tod starb. Ein grosser Theil der Schuld dieser verlorenen Schlacht ruht 
auf den Galliern , nicht nur fehlte eine grosser Theil von ihnen bei den 
Fahnen , sondern auch diejenigen, welche theilnahmen am Kampfe, er- 
schlafften und Hessen sich gefangen nehmen oder lösten sich in wilde 
Flucht auf; hätten sie ihre Schuldigkeit gethan und dem Consul Nero, 
gegen den sie aufgestellt waren, den nöthigen Widerstand geleistet , so 
hätte sich schwerlich die schwankende Wagschale den Bömern zuge- 
neigt*. Dieses Ereigniss fällt in das Jahr 547. (207 v. Chr.) 

Von dieser Zeit an zog Hannibal seine sämmtlichen Streitkräfte 
zusammen und beschränkte sich, obwohl er den Muth nicht aufgab , auf 
das südliche Lukanien und Bruttium , um eine günstige Zeit für seinen 
Bacheplan abzuwarten. Hier vertheidigte er sich mit seinen geringen 
Hülfsmittelif wie ein Löwe, den kein Römer in seinem Feldlager zu be- 
lästigen wagte. Er erwachte zu neuen Hoffnungen, als sein Bruder 
Mago, der nicht im Stande gewesen war, etwas Beträchtliches in Spa- 
nien auszurichten, 549 den Befehl erhielt, nach Italien zu segeln und 
noch einmal zu versuchen, seinen Bruder zu verstärken. Da er aber 
einige Zeit mit fruchtlosen Versuchen verlor, Neukarthago zu bestürmen, 
und das Gerücht sich verbreitete, dass Scipio den Krieg nach Afrika 
hinüberzuspielen suche, erhielt er einen Gegenbefehl, in Genua zu lan- 
den und, um die Macht der Römer zu theilen oder sie zu Hause zu be- 



1 Gallos CiscdpinoB Liguresquq, qui mit proelio non affUissent aut inter caeäem 
effugüsent, uno agmine abire sine eerto duce^ sine signis, sine ordine ullo aut imperio, 
Liv. 27, 4J9. Polyb. XI. fr. 2. Appian. Hannib. 62. 



\ gg IV. Der punisch-gallische Krieg u* s. w. 

schäftigen, die Fackel des Krieges in Ligurien und Gallien zu entzün- 
den. Mit 12000 Mann zu Fuss und 2000 zu Ross erschien er unver- 
muthet an der ligustischen Küste * , eroberte Genua und plünderte es, 
V'^on da fuhr er mit der Flotte an die Küste der Alpenligurer hin , um 
sie für seine Zwecke zu gewinnen ; der Zufall begünstigte ihn hiebei, 
denn die ligustischen Ingauner führten gerade Krieg mit dem Bergvolke 
der Epanterier ; er half der stärkeren Partei der Ingauner, besiegte rasch 
jene und schloss mit dem dankbaren Volke ein Bündniss, das ihm auch 
Hülfe zu seinen Unternehmungen bereitwillig zusagte. Darauf wandte 
er sich an die Gallier und trug seine "Wünsche , dass auch .sie sich mit 
frischen Kräften an dem Kriege gegen Kom betheiligen möchten in einer 
Versammlung vor^. An gutem Willen fehlte es diesen zwar nicht, allein 
sie fühlten sich durch die Nähe zweier römischen Heere, — eines stand 
unter Spurius Lucretius in Gallien, das andere unter M. Livius in 
Etrurien — in der Ausführung ihrer Pläne zu sehr gehemmt. Ein niu- 
thigerer Geist beseelte die Ligurer, sie versprachen ein Hülfsheer zu 
stellen und erbaten sich nur für die Aushebungen die Zeit von zwei Mo- 
naten ; dennoch entzogen sich die Gallier nicht der Sache des Vaterlan- 
des ; im Verborgenen unterstützten sie den karthagischen Feldherrn und 
liessen ihm Geld und Lebensmittel in reichlichem Maasse zufliessen, 
ohne dabei heimliche Werbungen zu verhindern. Bald sah er sich- an 
der Spitze eines bedeutenden Heeres und drang in Gallien ein , wo er 
zwei Jahre hindurch zweien römischen Heeren ohne zu weichen , aber 
mit abwechselndem Glücke kämpfend gegenüberstand, so dass selbst 
Etrurien von Rom abzufallen drohete und viele vornehme Etrusker zu 
ihm ins Lager kamen'. Allein im Jahre 551 (203 v. Chr.) verlor er 
eine blutige Schlacht gegen den Praetor P. Quintilius Varus.und den 
Proconsul M. Cornelius Cethegus im Gebiete der insubrischen Gallier; 
doch erst als seine Soldaten ihn mit durchbohrtem Schenkel sinken und 
beinahe verblutet aus dem Kampfe wegtragen sahen, wandte sich das 
Glück, das bisher auf Magos Seite gestanden hatte *. Dieser musste in 
Folge seiner Niederlage Gallien aufgeben und trat in der Stille der 
nächsten Nacht den Rückzug zu den befreundeten Ingaunem an; dort 
trafen ihn Gesandte von Karthago, mit dem Befehle möglichst bald nach 
Afrika zurückzukehren ; er gehorchte und schiffte seine Truppen ein, 
starb aber auf der Fahrt an der erhaltenen Wunde. Auch Hannibal 
musste den sechszehnjährigen Schauplatz seines Ruhmes verlassen ; sel- 
ten, sagt Livius**, mag wohl Einer, der sein Vaterland der Verbannung* 



1 Liv. 28, 46. — 2 Liv. 29, 5. Appian 1. c. 54. — 3 Liv. 29, 36. — 4 Ltmguia 
certatnen ßitsset, ni vulnere ducis concessa victoria esset. Liv. 30, 18. — 5 Li». 30, 20. 



§. 19. H^milkar bewegt die Bojer zum Kriege. 169 

wegen verliess ^ trauriger von dannen geschieden sein als er , der aus 
Feindesland zurückwich. Ihn begleiteten auf seiner Heimfahrt starke 
Haufen von Ligurern und Galliern , treu ihrem Hasse gegen Rom und 
der Liebe und Hochachtung für die gefallene Grösse , und zwar in 
solcher Anzahl, dass sie den dritten Theil seines Heeres auf den Gefilden 
von Zama bildeten *. Hier erblich sein Stern und sank vor dem in ju- 
gendlichem Glänze aufsteigenden Scipios. 

§. 19. 

Hamükar bewegt die Bojer zum Kriege. Vernichtung eines praetorisohen 
Heeres. 653. Eroberung von Flacentia. Grosse Niederlage der Bojen, In- 
subrer und Cenomanen. Die Insubrer locken ein römisches Heer in einen 
Hinterhalt und erschlagen 6600 Mann. 655. Qrosse Niederlage der Bojen 
am Mincius durch den Consul Cn. Cornelius Oethegus. 657. Fortsetzung 
des ICrieges im J. 558. Sieg des Bojenfürsteu Carolamus über den Consul 
M4 Marcellus. Qrosse Niederlage der Insubrer bei Comum und der Bojen im 

Lande der Laeven. 

Auch nach dem grossen Siege bei Zama , der Roms Weltherrschaft 
zuerst begründete, gährte Gallien noch immer fort, namentlich die Bo- 
jer liessen sich durch keine Niederlage abschrecken , sondern kämpften 
hochherzig und heldenmüthig weiter mit der Macht der Verzweiflung, 
da sie wussten, dass die Römer einen Vertilgungskrieg mit ihnen führ- 
ten. Ein unternehmender Karthager Namens Hamilcar^ war von Mago 
bei seiner Abfahrt zurückgelassen , der sich bald das Vertrauen der Gal- 
lier zu gewinnen wusste ; er fachte den unter der Asche fortglimmenden 
Funken wieder zur lodernden Flamme an und bewog die ohnehin kampf- 
muthigen Bojer zu verheerenden Streifereien ausserhalb ihrer Grenzen. 
Aber auch die Bömer, wenn auch vielfach anderwärts beschäftigt, ge- 
dachten der im Litanawalde erschlagenen Legionen des Fosthumius und 
noch in demselben Jahre , in welchem der grosse karthagische Feldherr 
der römischen XJebermacht erlag (553), sandte der Consul P. Aelius 
Paetus Catus den Befehlshaber der Bundesgenossen C. Oppius mit zwei 
Legionen und ausserdem vier Cohorten seines eigenen Heeres in das 
Gebiet der Bojen, um sie zu züchtigen^. Dieser ging in Eilmärschen 
dahin ab, während der Consul auf offener Strasse sich verheerend durch 
die bojischen Länder nach Ligurien begab, um das durch Hamilkar 
entstandene Bündniss der Ligurer mit den Galliern zu brechen ; es ge- 
lang ihm auch die Ingaunen auf seine Seite zu ziehen und den Fein- 



1 Appian. de bell. Pua. 40. Liv. 30, 33, Diod. 26 fr. 25. ^ 2 Liv. 31 , 10. — 
3 Liv« 31, 2. 



170 1^* ^^c punisch-gallische Krieg u, 8. w. 

den einen starken Bundesganossen abwendig zu machen; dafür räch* 
ten sich die Bojer durch die Vernichtung des C. Oppius und seines 
Heeres. 

Dieser hatte, — es war gerade zur Zeit der Reife — durch einige 
glückliche Erfolge und eine sehr vortheilhafte Stellung bei Mutilum in 
Sicherheit gewiegt , seine Truppen aus dem Lager geführt , ohne die 
Gegend näher zu erkunden , weil er sie bei der Aemte der gezeitigten 
Feldfrüchte zu verwenden gedachte. Plötzlich brachen die Bojer aus 
einem Hinterhalt hervor, warfen sich auf die in den Saatfeldern be- 
schäftigten Soldaten und hieben siebentausend von ihnen sammt ihrem 
unvorsichtigen Führer nieder ; die übrigen, welche die Furcht ins Lager 
trieb , retteten sich in der folgenden Nacht über unwegsame Waldge- 
birge zum Consul, der nach diesem Ereignisse nicht länger in dem auf- 
geregten Lande zu verweilen wagte. 

Den unermüdlichen Bemühungen Hamilkars gelang es im folgen- 
den Jahr die drei Hauptstämme Bojer, Insubrer uhd Cenomanen zu 
einer Confoederation zu bewegen, der auch viele ligustische Stämme bei- 
traten. Unter seiner Anführung überfielen sie 40000 an der Zahl Pla- 
centia, das zwei grossen Feldherm widerstanden hatte , plünderten die 
Stadt und äscherten sie ein nach einem grossen Blutbade ; von da ging 
der Marsch über den Padus gegen Cremona , so dass die Einwohner 
kaum Zeit hatten , nachdem sie das Unglück der Nachbarstadt vernom- 
men , die Thore zu schliessen und Eilboten an den Praetor L. Furius 
PurpureOj der mit 5000 Mann in Ariminum stand, abzuordnen. Dieser 
zu schwach berichtete schnell nach Rom und erhielt zur Hülfe das Heer 
des Consuls C. Aurelius Cotta*. 

Die Schlacht*, die hier geschlagen wurde, gehört zu den grösseren; 
sie ging für die Gallier verloren und der Tag endigte mit dem Tode von 
35000 Mann; auch Hamilkar, mit ihm drei gallische Oberbefehlshaber 
lagen unter den Erschlagenen und wohl konnte Rom ein dreitägiges 
Dankfest anordnen; der Praetor aber zog triumphirend in die Stadt 
ein*. 554. 

Die Freude der Römer über diesen Sieg wurde indess bald durch 
die Nachricht einer nicht unbedeutenden Niederlage getrübt. Da der 
Consul des Jahres 555 L. Cornelius Lentulus verhindert war, in seine 
Provinz Gallien zu gehen, vertrat ihn dort beim Heere der Praetor 
Cn. Baebius Tamphilus; dieser liess sich von den Insubrem unvorsich- 



1 Liy. 31, 10. — 2 Liv. 31, 21. 22. — 3 Bei Livius stossen wir hier auf einen 
innern Widerspruch , indem er in dem insubrischen Kriege von 557 nochmals den 
Tod Hamilkars erzählt. Liv. 32, 30. Also hatte er verschiedene Berichte vorliegen. 



§.19. Hamilkar be^yegt die Boj er zum Kriege. 171 

tig in einen HiiHerhalt locken und verlor dort 6600 Mann, zu einer 
Zeit, wo der Krieg längst beigelegt schien. Zwar eilte Lentulus auf 
diese Nachricht sogleich nach Gallien und hiess den Praetor unter har- 
ten Vorwürfen und Verweisen sein Amt niederzulegen , aber auch er 
vermochte mit dem entmuthigten Heer keine s^länzenden Erfolge zu er- 
zielen in dem unruhigen Lande, sondern sah sich am Ende seines Jahres 
genöthigt, nach thatenlosem Verweilen unverrichteter Sache abzu- 
ziehen*. Dasselbe Loos theilten seine Nachfolger im Commando, der 
Consül des J. 556 S. Aelius Paetus Catus und der Praetor C. Helvius'': 
beide richteten nichts Denkwürdiges aus und vermochten nur mit der 
grössten Mühe die verscheuchten Colonisten von Placentia und Cremona 
dazu, ihre Wohnungen wieder zu beziehen. 

Ein kräftiges Vorgehen gegen die Gallier war um diese Zeit un- 
möglich, weil der Krieg gegen Philipp v. Macedonien alle entbehrliche 
Mannschaft verlangte; als aber der gewandte Consul T. Quintius Fla- 
mininus den unversöhnlichen Röraerfeind gedemüthigt hatte, wurden 
energische Schritte gethan und die gallische Frage mit allem Eifer 
betrieben. Beide Consuln des Jahres 557, Cn. Cornelius Cethegus 
undQ. Minucius Rufus, zogen mit ihren Legionen in die Padusgegenden; 
letzterer wandte sich nach Ligurien , kämpfte dort nicht ohne Erfolg 
und zog von da in das Gebiet der Bojen. Cornelius aber hatte einen 
schwierigeren Stand, Bojer, Insubrer und Cenomanen hatten ihre Streit- 
kräfte vereinigt, weil verlautete, auch die Consuln hätten ihre Truppen 
vereinigt und wären im Anzug. Als aber die Kunde erscholl , dass der 
eine Consul im Bojischen senge und brenne, entstanden sogleich Miss- 
helligkeiten : die Bojer forderten für die Bedrängten die Hülfe der ver- 
einten Heeresmacht. Als die Insubrer aber sich weigerten, den Bundes- 
genossen zu lieb ihr Eigen thum aufzuopfern, zogen die Bojer ihr Land 
zu schützen ab, während sich die Insubrer mit den Cenomanen am Ufer 
des Mincius lagerten , fünf Meilen "vom Lager des römischen Consuls. 
Dieser wusste die Treue der Cenomanen zu erschüttern und sie auf seine 
Seite zu ziehen , so dass , als er zur Schlacht ausrückte , die treulosen 
Bundesgenossen plötzlich die Schwerter gegen ihre eigenen Landsleute 
kehrten, welche von zwei Heeren eingeschlossen 35000 Mann durch 
den Tod und 5700 durch Gefangenschaft einbüssten. Auf die Bojer 
machte die Nachricht von dieser Niederlage einen solchen Eindruck, 
dass sie nicht in offener FeldschlacKt den Legionen des Consuls Minu- 
cius entgegenzutreten wagten, Führer und Lager verliessen und den 
seit längerer Zeit glücklich geführten kleinen Krieg begannen. Da Mi- 



1 Liv. 32, 7.-2 Liv. 32, 26. 



172 ^^' I)6r punisch-gallische Krieg u. 8. w. 

nucius so die Hoffnung aufgeben musste ^ mit einem Schlage die Sacke 
zu entscheiden^ fing er in echt römischen Sinne ein Verheerungssystem 
an, verwüstete die Felder, brannte die Ortschaften nieder und erstürmte 
die Festen, bis der Winter seinem Laufe ein Ziel setzte. Beide Consuln 
zogen reich mit Beute beladen heim , ordneten ein viertägiges Dankfest 
an und triumphirten, wenn auch gegen den Willen des Volkes xind des 
Senates*. 

Im folgenden Jahre 558 entbrannte der Krieg wieder mit gleicher 
Heftigkeit. Sobald die Jahreszeit es erlaubte, zogen die Consuln L* Fu- 
rius Purpureo, ein Mann, der mit grosser Erfahrung in der Führung des 
Krieges eine klare Kenntniss der Fadusgegenden verband, und M. Clau- 
dius Marcellus, der Sohn des Siegers bei Clastidium nach Gallien. 
Während L. Furius in langsamen Märschen durch Umbrien sich den 
Bojen näherte, rückte Marcellus rasch durch Etrurien vor; kaum hatte 
er aber die bojische Grenze überschritten, so griff ihn, als er durch seine 
von dem Marsch eines ganzen Tages ermüdeten Soldaten auf einer Anhöhe 
ein Lager schlagen liess, Carolamus, ein Fürst der Bojen an und erschlug 
ihm an 3000 Leute, unter ihnen viele ausgezeichnete Männer, die beiden 
Befehlshaber der Bundesgenossen und zwei Tribunen. Das Lager ward 
jedoch von den Römern unverdrossen vollends befestigt und behauptet; 
mehrere Stürme wurden mit Erfolg zurückgeschlagen und dadurch die 
Legionen vom Untergang gerettet. Des langen Aufenthaltes überdrüs- 
sig und einer geordneten Belagerung unfähig verliefen sich die Bojer 
in ihre kleinen Festungen und Flecken, ein Umstand , der dem Marcel- 
lus Zeit gab, seine Truppen über den Padus zu führen in das Gebiet 
von Comum , wo ein grosses Heer von Insubrern sich gelagert hatte ; 
hier kam es zur Schlacht, die anfangs den Galliern günstig nach schwan- 
kendem Kampfe sich für die Bömer entschied ; die Folgen dieses Sieges 
waren bedeutend: er vernichtete die Blüthe der insubrischen Jugend 
(40000 waren gefallen nach Valerius v. Antium), und zwang die Haupt- 
stadt des Landes Comum nebst achtundzwanzig Festungen kleineren 
Banges zur Uebergabe. 

Unterdessen war es dem andern Consul L. Furius gelungen nach 
einem grossen Umwege durch offene und sichere Gegenden sich mit 
seinem Amtsgenossen zu vereinigen; sofort rückten Beide verheerend 
im Gebiet der Bojen vor bis zur Stadt Felsina, die sich sammt der Be- 
satzung ergeben musste; die streid>are Mannschaft aber war in die 
Waldungen gezogen, immer den römischen Legionen , welche die Rich- 
tung nach Ligurien nahmen, im Bücken; als die Bojer aber die Hoff- 



J Liv. 32, 29—31. 33, 22—23. 



§. 20. Die letsten mörderischen Schlachten u. s. w. 1 73 

nting, sie unYermuthet zu überfallen durch die Schnelligkeit des Marsches 
vereitelt sahen^ setzten sie eilig auf Schiffen über den Padus und machten 
plündernde Einfalle in das Gebiet der Laeven ; hier trafen sie auf das 
römische Heer und es entspann sich eine mörderische Schlacht, die ver- 
nichtend für dieBojer ausfiel; 'mehr nach Mord als nach Sieg begierig, 
sagt Livius, fochten die Römer, so dass sie dem Feinde kaum einen Bo* 
ten seiner Niederlage entkommen liessen. Ein Triumph krönte die Er- 
folge der siegreichen Feldherren, die eine ungeheure Beute heim- 
brachten*. 

§. 20. 

Die letzten mörderischen Schlachten. Sieg des Consuls C. Valerius Flaccus 
beim Litana^vv-alde. 659. Unentschiedene Schlacht bei Mediolanun^ 660. 
Die B<:ijer greifen das Iiager des Consuls Tib. Sempronius an. S[rieg in Iii- 
grurieiv XTnentschiedene Schlacht bei Mutina. 561. Geinraltthat des Consuls 
Ij. Quintius Flamininus. 662. Das bojische Heer wird in einer grossen 
Schlacht durch den Consul Scipio Ifasica vernichtet. 663. DieBojer ergeben 
sieh. Neue römische Colonien. Ausssug der Bojerreste zum Felsosee. Die 
Inaubrer» Cenomanen und Veneter huldigen Born. Die beiden letzten Wan- 
derungen transalpinischer Qallier nach Italien. 671. 676. Bomanisirung des 

cisalpinischen Qalliens. 

Die letzten Versuche und Kämpfe der Gallier sind entsetzlich 
■durch die vielen mörderischen Schlachten , die besonders die hochher- 
mget. freiheitsliebenden Bojer den Römern liefern, an denen aber auch 
jBugleich das Volk verblutet. Zwar schlägt ihnen die überlegene römische 
Kriegeskunst Niederlage auf Niederlage; allein der Senat weiss diese 
Siege riöhtig zu schätzen , und würdigt sie selten eines Triumphes , er 
sieht die gelichteten -Legionen, die nach jedem Feldzug heimkehren und 
1>etrachtet die angeblichen Siege eher als glimpfliche Verluste. Fallen 
aber musste doch endlich das kleine Grallien gegen das mächtige S.om, 
dessen Hand sich bereits nach den Kronen mächtiger Reiche ausstreckte 
und die blühendsten Herrschaften gedemüthigt hatte. Fragen wir nach 
der Ursache, warum das erschöpfte, einer langen Erholung bedürftige 
Land nach so empfindlichen Schlägen nicht den Frieden nachsuchte, 
um später -desto furchtbarer wieder loszubrechen , so ist dieselbe wohl 
weniger in dem unüberlegten Hasse und dem übermässigen Freiheits- 
drange zu suchen, als in dem weithinreichenden Einflasse des grossen 
Hannibal, der, wenn auch aus der Heimath vertrieben, immer gegen Rom 
thätig blieb und getreu seinem Schwur die Seele des grossen Völker- 
bundes war , dessen Glieder leider durch Zwietracht gelahmt , einzeln 



1 Liv. 33, 36—37. Oros. 3, 20. 



j^74 1^* ^^^ punisch-galliflche Krieg u. 8. w. 

den Legionen erlagen*. Er behielt gewiss Italien im Auge und auf sein 
Wort, dessen Name schon Kriegsheere aufwog, scheint es, haben die 
Gallier gebaut und den Krieg fortgeführt. Die Erfüllung scheiterte 
durch die Verhältnisse, in denen er, verfolgt von Land za Land, ver- 
strickt lag. . . 

• Die Römer ahnten dieses und beschlossen um jeden Preis den Bo- 
jen dasselbe Schicksal angedeihen zu lassen, was sie den Senonen be- 
reitet hatten. Daher zog im folgenden Jahre 559 der Consul L. Valerius 
Flaccus durch Etrurien in ihr Land und traf ein feindliches Heer beim 
Litanawalde, das er in einer blutigen Schlacht besiegte, 8000 Gallier 
bedeckten den Kampfplatz ; die übrigen gaben den Krieg auf und ver- 
theilten sich auf ihre Festungen und Dörfer zum Einzelkriege. Der Rest 
des Jahres verlief thatenlos für den Consul, er verwandte ihn dazu , die 
Cölonisten von Flacentia und Cremona zu decken , die mit der Herstel- 
lung ihrer zerstörten Mauern beschäftigt waren *. 

Als die Zeit der Comitien herannahete, kehrte er nach Rom zurück. 
Er wurde jedoch als Froconsul abermals mit dem gallischen Kriege be- 
traut y ZU dessen kräftigerer Führung ausserdem die Consuln Tib. Sem- 
pronius und P. Cornelius Scipio Africanus mit ihren Heeren abgingen. 
Valerius zog über den Padus ohne Widerstand zu finden, verwüstend 
bis Mediolanum ; hier hörte er, dass ein starkes gallisches Heer von In- 
subrem unter den Waffen sei, welche von den Bojen unter ihrem 
Fürsten Dorulacus aufgewiegelt und unterstützt waren. Er bewog beide 
vereinte Heere eine Schlacht anzunehmen^ die zwar unentschieden blieb, 
aber gallischer Seits mit dem Verlust von 10000 Mann endigte. 560. 

Bedeutendere Ereignisse trugen sich um dieselbe Zeit am rechten 
Fadusufer im Lande der Bojen zu. Hier hatte der König des Volkes 
Namens Bojorix, vermuthlich von Hannibals Planen in Kenntniss ge- 
setzt, einen Aufstand in Masse erregt und die ganze Nation zum neuen 
Kriege aufgewiegelt; sie stand in mehreren Lagern an der Grenze« 
festen Entschlusses, jeden Fussbreit Landes nur mit Blut zu verkaufen. 
Der Consul Tib. Sempronius war zuerst nach seinem Standorte aufge- 
brochen; als er aber bei seinem Einzüge die Stärke und das grosse 
Selbstvertrauen der Bojen wahrnahm, schickte er einen Eilboten an 
Scipio mit der dringenden Aufforderung, in Eilmärschen zu ihm zu 
stossen , er wolle bis zu seiner Ankunft durch Zögern den Kampf hin- 
ausziehen und einer Schlacht auszuweichen suchen. Dies mochten die 
Bojer gemerkt haben und als sie zwei Tage schlachtgerüstet vor dem 
römischen Lager gestanden , ohne den Consul zum Ausrücken bew^;en 

J Liv. 34, 61. 36, 7.-2 Liv. 34, 22. 



§. 20. Die letzten mördenschen Schlachten u. s. w. 175 

zu können , griffen sie am dritten Tage durch sein Zaudern ermuthigt, 
sein Lager auf drei Seiten zugleich an. Sofort erhielten die beiden Le- 
gionen den Befehl durch die zwei Hauptausgänge hervorzubrechen, 
fanden aber den Weg mit dichten Haufen der Feinde verschlossen ; auf 
beiden Seiten ward mit aller Anstrengung gekämpft, um den Ausgang 
und Eingang zu erzwingen : Leib an Leib , weniger mit dem Schwerte 
als mit der Faust und dem Schilde, bis der Centurio Q. Victorius und 
der Tribun C. Attinius die Adler den Fahnenträgern entrissen und sie 
in den wogenden Schwärm der Feinde schleuderten, ein Mittel, das 
den Bömem schon oft den schwankenden Sieg gesichert hat. lieber der 
Anstrengung ihre Feldzeichen wiederzugewinnen , gelang es den Solda- 
ten der zweiten Legion, sich einen Weg ins Freie zu bahnen. Schon 
fochten diese draussen vor dem Walle, während die vierte Legion noch 
immer in den Engen des Einganges kämpfte , als sich ein anderer Lärm 
auf der Rückseite des Lagers erhob: die Bojer waren in das quästorische 
Thor eingebrochen und hatten den Quästor L. Posthumius, beide Be- 
fehlshaber der Bundesgenossen und über zweihundert Soldaten erschla- 
gen. Daher schickte der Consul eine Gehörte ab, welche die Gallier in- 
nerhalb des Walles niederhieb und sie zurückdrängte , zugleich brach 
.die vierte Legion durch zwei Gehörten verstärkt aus dem Lagerthor und 
nun wurde der Kampf an drei Punkten mit ungemeiner Erbitterung 
weiter geführt, ohne dass sich der Sieg auf die eine oder die andere 
Seite hingeneigt hätte. Als aber die Mittagssonne ihre Strahlengluth 
über die'' Streiter auszugiessen begann und versengend auf die weichen 
fleischigen Körper, der Gallier niederbrannte, liessen diese, ermattet von 
der Anstrengung nach und zogen von unerträglichem Durste gepeinigt 
und von den Kömern verfolgt ins Lager zurück. Jetzt gab auch der 
Gonsul das Zeichen zum Bückzug , aber in der Hitze des Kampfes und 
der Freude des Sieges folgte ein grosser TheiLder Legionen seinem Bufe 
nicht, sondern setzte den Galliern nach, in der Hoffnung, des feind- 
lichen Lagers Herr werden zu können ; aber sie büssten ihren Ungehor- 
sam : plötzlich wandten sich die Verfolgten um , fielen wüthend über 
sie her und trieben sie unter grossem Verluste von dannen ; so wechselte 
auf beiden Seiten Sieg und Verderben und keine Partei konnte sich 
ersteren zuschreiben ; allein die Bojer, von denen angeblich 11000 neben 
5000 Römern gefallen waren, räumten dem Gonsul das Schlachtfeld und 
zogen sich tief in das Innere ihres Landes zurück , während dieser in 
dem festien Placentia sich gegen derartige UeberfäUe sicher zu stellen 
suchte bis zur Ankunft Scipios. Beide wagten keine entscheidende 
Schritte mehr zu thun , obwohl Livius verschiedenen Berichten folgend 
noch von verheerenden jungen in das Innere der Grenzländer spricht. 



176 IV. Der püniach-galliBche Krieg u. B. w. 

deren Zuverlässigkeit er jedoch selbst zu bezweifeln scheint *. Während 
die Comitien abgehalten wurden , blieben die Heere unter dem Procon- 
sul Valerius Flaccus in den festen Pflanzstadten überwinternd zurück. 
(560 n. R. 194 v. Chr.) 

Während die Bojer so mit Gut und Blut für die Sache ihres Vater- 
landes einstanden, waren auch die Ligurer ihrem hochherzigen Beispiele 
gefolgt und den ländersüchtigen Bestrebungen der Bomer mit den Waf- 
fen entgegengetreten. Die ganze Gegend von Pisae bis Placentia war 
von den Schrecknissen des Krieges durchtobt und mit Blut und Brand 
bedeckt. Sobald es die Jahreszeit erlaubte zogen die neuen Ck^nsuln 
Q. Minucius Thermus und L. Cornelius Merula der eine gegen die Li- 
gurer, der andere gegen die Bojer. Diese wichen vorsätzlich einer 
Schlacht aus und begannen in gewohnter Weise ihren Guerillakrieg, in 
der Hoffnung, die römische Macht zu theilen und sie einzeln zu schlar 
gen. Dafür rächte sich Merula dadurch, dass er das platte Land mit 
Feuer und Schwert verheerte. Ohne Vorsicht, wie in Freundesland 
nahm er darauf seinen Marsch nach Mutina. Die Bojer aber zogen ihm 
in aller Stille auf Seitenwegen nach, gingen bei nächtlicher Weile über 
sein Lager hinaus und besetzten einen Waldpass , den der Consul pas- 
siren musste. Da jedoch nicht alles mit der nöthigen Stille abgethan 
war, schöpfte dieser Verdacht und schickte am folgenden Morgen ein 
Beitergeschwader ab, um die Wege zu erkunden. Als ihm die Starke 
der Feinde und ihre Lage gemeldet war, liess er das Gepäck des ganzen 
Heeres in die Mitte zusammentragen und um dasselbe herum einen Wail 
durch die Triarier aufwerfen; mit den übrigen Truppen rückte er 
schlachtfertig auf die Feinde zu; das thaten auch die Bojer als sie ihren 
Hinterhalt entdeckt und ein Linientreffen unvermeidlich sahen. Etwa 
gegen 'acht Uhr Morgens erfolgte der Zusammenstoss; Merula bewiess 
sich als einen sehr mittelmässigen Feldherm und nur der Erfahrung 
seiner Offiziere und der Tapferkeit seiner Soldaten hatte er es zu ver- 
danken, dass er nicht schmählich in die Flucht geschlafen wurde. Der 
linke Flügel unter dem Proconsul Sempronius war bald überwältigt, er 
musste aus dem Treffen geführt und durch die zweite Legion ersetzt 
werden ; auch am rechten Flügel musste ein Wechsel der Kämpfer ein- 
treten ; noch nie hatten die Bojer mit solcher Hartnäckigkeit gestritten, 
heiss brannte wiederum die Sonne auf sie hernieder , dennoch schlugen 
sie in dicht geschlossenen Gliedern , die müden Leiber auf den Schild 
gelehnt mit der Kaltblütigkeit erfahrener Soldaten jeden Angriff mutfaig 
ab und wichen nicht von der Stelle. In dieser Noth gab Merula dem 



1 Liv. 34, 46. 47. 



§. 20. Die letzten mörderischen Schlachten u. s. w. }77 

C. Livius Salinator , der die Beiterei der Bundesgenossen commandirte^ 
den Befehl^ im stärksten Galopp gegen sie einzusprengen und in ihren 
Beihen eine Lücke zu hauen ; wohl brachte der furchtbare Beitersturm 
Unordnung und Verwirrung in die bojischen Schaaren , allein die wan- 
kenden Glieder schlössen sich wieder, indem ihre Führer Jeden nieder- 
stiessen, der Miene machte zu fliehen. Nur mit der alleräussersten An- 
strengung und bedeutendem Verluste an Menschen vermochte der Con- 
sul den Galliern einige Vortheile abzuringen; entscheidend war die 
Schlacht nicht, wenn die Bömer auch im Besitze des Kampfplatzes blie- 
ben, und kein Triumph krönte den Erfolg des Consuls , denn der Tag 
endigte mit dem Tode von mehr als 5000 Soldaten und vieler höheren 
Offiziere, anderseits zogen sich die Bojer mit einem Verluste von an- 
geblich 14000 der Ihrigen zurück, was nicht recht zu glauben ist*. 

Gegen die Ligurer richtete der Consul Minucius nichts Denkwür- 
diges aus , sondern entrann gegen Ende des Jahres nur mit vieler An- 
strengung der Gefahr seines Lagers beraubt und in einen Gebirgspass 
eingeschlossen zu werden^. Die Schlacht bei Mutina fällt 561 n. E. 
193 V. Chr. 

Unverdrossen setzten die Bömer den Kampf gegen die Gallier fort, 
indem ihnen die Erschöpfung des Landes keinen Zweifel an die bevor- 
stehende Unterwerfung desselben Hess. Und in der That war die Macht 
der Bojen in den beiden letzten Schlachten so geschwächt und ihr Muth 
durch das Ausbleiben Hannibals so tief herabgestimmt, dass, als die bei- 
den Consuln des Jahres «56 2 L. Quintius Flamininus und Cn. Domitius 
Ahenobarbus die Feindseligkeiten wieder eröflneten, sie sich ruhig ver- 
hielten, und ihre Obrigkeit mit dem vornehmsten Adel im römischen 
Lager erschien , um der mächtigen Stadt zu huldigen, fünfzehnhundert 
an der Zahl ^. Der Consul aber verscherzte bald durch sein gewaltthä- 
tiges Benehmen das Vertrauen der Besiegten, besonders durch jene völ- 
kerrechtswidrige Handlung, die erst unter Cato's strenger Censur ihre 
Ahndung fand. In der nächsten Umgebung des Flamininus war ein 
Jüngling Namens Philippus, von hoher körperlicher Schönheit, zu dem 
der Consul in einem widernatürlichen Verhältnisse stand und den er zu 
einer Zeit von Bom mit sich genommen, wo die Eröfihung der blutigen 
Gladiatorenkämpfe bevorstand. Da Philippus diesem Schauspiele lei- 
denschaftlich ergeben war, tadelte er seinen Herrn häufig , ihm den Ge- 
nuss der blutigen Augenweide entzogen zu haben. Daher sann dieser 
nach, wie er seinem Lieblinge dafür eine Entschädigung zu bieten ver- 
möchte, wozu sich die Gelegenheit bald fand. Als er eines Tages zu 



1 Liv. 35, 4—6. — 2 Liv. 35, 42. — 3 Liv. 35, 40. 

C o n t z e n , Wanderun§fen der Kelten. 1 2 



178 IV, Der punisch-galHsche Krieg u. 8. w. 

Placentia mit jenem zu Tische sass, meldete ihm der Lictor, ein vor- 
nehmer Bojer wünsche vorgelassen zn werden , um sich mit den Seini- 
gen unter römischen Schutz zu stellen. Da fuhr ihm eine unmensch- 
liche Idee durch den Sinn ; sich erinnernd an das unnatürliche Ver- 
langen des Jünglings wandte er sich an ihn mit der Frage, ob er eines 
Menschen Tod zu sehen wünschte , welche Philippus begierig bejahte. 
Als daher der Bojer eintrat, ward ihm ein blutiger Willkomm, mit 
durchbohrter Brust sank er tödtlich getroffen von des Consuls eigner 
Hand zu Boden*. 

Ein so rohes und brutales Auftreten war nicht geeignet den Besiegten 
Zutrauen zu ihren neuen Herrschern zu erwecken ; von Verzweiflung ge- 
trieben, boten sie daher alles auf, um die Legionen aus ihrem Lande zu 
verjagen. Ihr Heer war stärker als je, 50000 Krieger standen unter den 
Waffen, nur Kinder und Greise waren heimgeblieben. Dem P. Corne- 
lius Scipio Nasica wurde die Führung des Krieges übergeben, während 
dessen Amtsgenosse M'. Acilius Glabrio zum gleichzeitigen syrischen 
Kriege abging. Jener übernahm die Legionen von Domitius und führte 
sie in das Land der Bojen zur Schlacht, welche die Macht derselben 
vollständig vernichtete und ihnen Freiheit und Vaterland raubte. 

Die Stätte dieses Unglücks , sowie die genaueren Umstände , von 
denen der Kampf begleitet war, wissen wir nicht ; nur so viel lässt sich 
festsetzen, dass derselbe gegen die Gallier entschied, welche 28000 
Todte und 3400 Gefangene* zu beklagen hatten, während römischer Seits 
angeblich nur 1500 gefallen waren. Zwei Tage nach dieser Niederlage 
ergab sich das gesammte Volk dem Consul , der sich huldigen liess und 
heimkehrend einen prächtigen Triumph feierte mit der stolzen Aeusse- 
rung im Senate, nur Greise und unmündige Kinder von jedem Ge- 
schlechte unter den Lebenden zurückgelassen zu haben*; zugleich 
schleppte er eine ungeheure Beute aus dem eroberten Lande fort nach 
Rom*. 563 n. R. 191 v. Chr. 

In dem Frieden war bedingt worden, dass die Bojer die Hälfte 
ihres Gebietes an römische Colonien abtreten sollten und im Jahre 565 
zogen dreitausend römische Bürger unter der Führung der Triumviren 
L. Valerius Flaccus, M. Attilius Seranus und L. Valerius Tappus* nach 
Bononia, der bojischen Hauptstadt und wandelten sie in eine römische 
Colonie um. Um den Besitz der Länder um so mehr zu sichern und al- 
len Erhebungsversuchen vorzubeugen, erhielten ebenfalls Placentia und 



1 Liy. 39, 42. — 2 Die Zahlen sind Yon Valerius aus Antium, yon dem sogar 
Livius gesteht : In augendo {numero) non alius intemperanttor est. 36 , 3S. — 3 Liv. 
36, 40. — 4 Liv. 1. c. 41. — 5 Liv. 37, 2. 46. 47. 57. 



§. 20. Die letzten mörderischen Schlachten u. s. w. 179 

Cremona neue Verstärkungen , deren sie in der That auch sehr bedürf- 
tig waren. So hatten die Bojer das Schicksal der Senonen über sich 
heraufbeschworen, es blieb ihnen nur die Wahl sich zu unterwerfen 
oder das Land, das sie in zweihundertjährigen Kämpfen zu schützen 
gewusst, zu veidassen und eine neue Heimath zu gründen. Sie wählten 
das Letztere und wanderten aus den Gegenden aus, die in ihrer jetzigen 
Knechtschaft sie an die Freiheit ihrer Väter erinnern musste. Das Jahr, 
in welchem dieser Auszug geschah und der "Weg , den sie einschlugen, 
ist nicht zu ermitteln ; sie liessen sich oberhalb Fannoniens zwischen 
den Norikern und der Donau nieder um den See Felso (Plattensee) *. 
Das Nähere darüber ist bereits oben besprochen worden. Jm Jahre 571 
musste auch Farma und Mutina Colonisten aufnehmen , und ausdrück- 
lich setzt Livius hinzu : dass unter sie das Land vertheilt sei , welches 
jüngst noch den Bojen und vorher den Etruskern gehört habe^. 

So traurig endete ein tapferes freiheitliebendes Volk, welches jnit 
112 Tribus sich in dem eroberten Tuskergebiet niedergelassen, ein Opfer 
der grossartigen Folitik Roms. Es ist zwar die Bestimmung der Kömer 
einen grossen Theil der Völker der Erde zu vereinigen , allein die Art 
und Weise, wie sie diesen Zweck erreichen verwundet das Gemüth; 
weder Lug und Trug noch List und Frechheit haben sie gespart, auch 
die Gallier unter ihre Herrschaft zu bringen und ungeheure Mordfeste 
haben ihnen Gehorsam gelehrt. Dies sahen auch die Insubrer ein und 
betheiligten sich nicht an den ehrenvollen Kämpfen der Bojen, sondern 
unterwarfen sich bereits nach der letzten Niederlage bei Mediolanum. 
Ihnen folgten die Cenomanen, deren Verräthereien den Untergang der 
cisalpinischen Gallier beschleunigt hatten; sie allein waren von den 
Nachtheilen des Krieges unberührt geblieben, kein Schlag hatte sie ge- 
troffen und ein thatenloser fast beständiger Friede hatte ihnen einen 
ziemlichen Wohlstand gesichert. Der Ruf ihrer Beichthümer erregte 
die Habgierde des Fraetors L. Furius, der mit einem Heere unweit 
ihrer Grenzen stand und er suchte sie durch Neckereien zum Aufstand 
ÄU bewegen, um einen Grund zu haben, über sie herfallen zu können. 
'Allein sie hüteten sich mit dem mächtigen Rom anzubinden und setzten 
seinen Versuchen keinen Widerstand entgegen. Zuletzt nahm er ihnen 
die Waffen fort; auch diese Demonstration hätte nur den Erfolg, dass 
sie sich beim Senate darüber beklagten, welcher, wenig geneigt die per- 
sönlichen Absichten des Fraetors zu begünstigen, sie zu ihrem Bechte 
verhalf, und ihren Quäler entfernte^. Ebenso ergaben sich ohne 



1 Piin. 3, 24. Polyb. 2, 35. Strab. 5, p. 212. 213. 216. — 2 Liv. 39, 55. — 
3 Liv. 39, 3. Diodor nennt den Praetor M. Fulvius. Diod. 26 fr. 48. 

12* 



180 IV. Der punisch-gallische Krieg u. s. w. 

Schwertstreich die Veneter, nur die Ligurer kämpften muthig weiter, 
bis ihre fast völlige Vernichtung und Erschöpfung sie den Frieden 
nachsuchen liess, den sie auf Kosten ihrer Freiheit erkauften. 

Ehe wir diesen Abschnitt schliessen, sind noch zwei unbedeutende 
Einfälle aus dem transalpinischen Gallien zu erwähnen , von Leuten, 
die, weil sie ohne Bewilligung der Versammlung auswanderten , vom 
eignen Volke zur Rückkehr in die Heimath verurtheilt wurden. Im 
Jahre 571 zogen 12000 Abenteurer über die Alpen und begannen sich 
im Gebiete der Veneter niederzulassen, dort , wo später Aquileja erbaut 
wurde ; sie belästigten ihre Nachbaren nicht durch die Saubereien, son- 
dern erlaubten sich nur in Ermangelung von Arbeitswerkzeugen diese 
mit Gewalt von jenen sich zu verschaffen. Bei der Ankunft des Consuls 
M. Claudius Marcellus ergaben sie sich zwar, mussten aber nicht nur 
die geraubten Gegenstände zurückgeben , sondern auch die Waffen aus- 
liefern. Eine Beschwerde beim Senat zu Rom hatte keinen Erfolg, ihnen 
wurde sogar bedeutet , sich sobald wie möglich aus dem Lande zu ent- 
fernen und ihre früheren Wohnsitze wieder aufzusuchen, eine Mass- 
regel, welcher das Stammvolk jenseits der Alpen seine vollständige Bil- 
ligung e^theilte** Nichtsdestoweniger zog vier Jahre später (575) ein 
zweiter Haufe von 3000 Mann über die Alpen nach Italien^ ebenfalls 
in friedlicher Absicht und bat den Consul Q. Fulvius Flaccus um Wohn- 
sitze, um als römische Unterthanen sich in dem fruchtbareren Lande 
anzusiedeln. Allein ihr Gesuch fand keine Berücksichtigung; sie er- 
hielten den Befehl, sofort .heimzukehren, und die Anstifter dieses Zuges 
zur Strafe zu ziehen, worauf sie die schon in Besitz genommenen 
Strecken räumten*. 

Dies sind die letzten Regungen des nationalen Unabhängigkeits- 
strebens, welche sich geltend machten. Nicht lange nach6r trug das cis- 
alpinische Gallien ein römisches Gepräge; denn mit denselben durch- 
greifenden Massregeln kämpfte Rom weiter, bis die Unterwerfung der 
Padusländer physisch wie moralisch vollendet war. Die ursprüngliche 
Bevölkerung schwand immer mehr zusammen, da ein grosser Theil der- 
selben in Schlachten den Tod gefunden und die kraftvollen Elemente 
den römischen Heeren einverleibt und im' Dienste Roms aufgerieben 
wurden ; die schwächeren Bestandtheile fügten sich leichter in die Be- 
formen, zumal da sie die Vortheile erkannten, welche geduldiger Ge- 
horsam in Aussicht stellte. Die durchgreifendste Wirkung aber hatten 
1) die vielen Colonien, 2) die Verdrängung der Volkssprache. Durch 
die Colonien wurden die fremden Sitten und Anschauungen verbreitet 



1 Liv. 39, 22. 54. 55. — 2 Liv. 40, 53. 



§. 20. Die letzten mörderischen Schlachten u. s. w. 181 

und mit den einheimischen in Verbindung gebracht, welche die natio- 
nale Färbung derselben verwischten und dem gallischen Volksthum in 
immer steigendem Grade die Lebenskraft entzogen. Das Nationalbe- 
wusstsein offenbart sich aber am Mächtigsten im Bedürfniss einer Sprache 
und wo ein Volk seine Sprache verloren hat, hat es das Bewusstsein 
seiner nationalen Einheit verloren , es hört auf ein Volk zu sein und 
geht unter in dem mächtigen Geiste einer fremden Nation , der es sich 
assimilirt. Abgesehen davon, dass es die Sieger in Gallien nicht an 
Gelegenheit fehlen liessen , die Unterworfenen durch Freundschaft zu 
sich zu erheben, was zu einem eifrigen Studium in der lateinischen 
Literatur veranlassen musste, gingen sie tiefer, indem sie das einhei- 
mische Rechtsverfahren aufhoben und dafür den Formen des römischen 
Gerichtswesens Geltung verschafften , wobei die genaue Kenntniss der 
lateinischen Sprache erforderlich war. (Vgl. Augustin. de civit. Dei 1 9, 7.) 
So machte die Bomanisirung des Landes in kurzer Zeit sehr grosse 
Fortschritte und das Keltenthum trat immer mehr in den Schatten , bis 
zuletzt wenig echt Gallisches mehr in die Augen fiel. 



Zweiter Abschnitt. 

Die Gallier in Griechenland. 



Capitel V. 

Die Gallier in Makedonien. 

§. 21. 
Folitischer Himmel Griechenlands im Allgemeinen lun Ol. 125. 

Während das jugendliche Rom in seinen unzähligen Kämpfen er- 
starkend mit jedem Jahre der künftigen Macht und Grösse entgegen- 
reifte, hatte Griechenland längst die Höhe seines Ruhmes erstiegen und 
schritt , seitdem der grösste Theil seiner Kraft in langen und blutigen 
Kämpfen verzehrt, seitdem die alte erhabene Gesinnung verschwunden 
war, unaufhaltsam seinem Untergange entgegen. Dennoch war der alte 
Sinn nach Freiheit nicht ganz erloschen , er lebte fort in den Besseren 
der Nation und wich auch nicht, als Philipp auf der Ebene von Cha- 
ronea die Säulen aufrichtete, auf denen die Herrschaft seines Volkes 
über Griechenland ruhen sollte. Als aber des Tansanias Mordstahl die 
Brust des Königs tödtlich getroffen, wurde unter den Hellenen, als 
diese Freudenbotschaft ihre Städte durcheilte, der Drang nach Unab- 
hängigkeit wieder wach und erregte die Gemüther, das verhasste Joch 
abzuwerfen. Aber Alexander, des grossen Vaters grösserer Sohn, unter- 
drückte mit Leichtigkeit alle Bewegungen, denn ein schlachtfertiges 
gefürchtetes Heer stand ihm zur Seite, und bald beugten sich die auf- 
ständischen Staaten vor der Hoheit des jungen Königs. Ebenso erfolg- 
los verlief der Versuch des heldenmüthigen Agis, die fremde Herrschaft 
abzuschütteln, als Alexander mit der Ausführung der Gründung eines 
persisch-makedonischen Reiches beschäftigt die besten Streitkräfte nach 
Persien an sich gezogen und der zum Reichsverweser eingesetzte Anti- 
pater vollauf zu thun hatte, die Unruhen in Thrakien zu dämpfen; al- 



§.21. Politischer Himmel Griechenlands im Allgemeinen um Ol. 125. 183 

« lein die Schlacht bei Megalopolis yernichtete alle Hoffnungen der Va- 
terlandsfreunde : Agis verlor Sieg und Leben ; die Gährung in Griechen- 
land dauerte jedoch fort, Krieg gegen Makedonien wünschte man 
überall und im Stillen rüstete man sich zu einem entscheidenden Schlage. 
Da kam plötzlich Allen unerwartet die Nachricht von Alexanders Tode, 
und neue Hoffnungen erwachten in den unzufriedenen Gemüthem ; da 
viele Umstände zusammentrafen , welche die gehegten Erwartungen zu 
begünstigen schienen , so entzündete sich der lamische Krieg. Als aber 
Griechenlands Unstern den Tod des talentvollen Anführers der vereinig- 
ten Hellenen Leosthenes herbeigeführt hatte, scheiterte auch dieses un- 
ter schönen Hoffnungen begonnene Werk und abermals sah sich 
Griechenland der Willkür des Siegers preisgegeben ; namentlich musste 
Athen diese fühlen : seine ausgezeichnetsten Bürger, unter ihnen De- 
mosthenes, Hess Antipater auf den Tod verfolgen, er führte die Ver- 
bannten zurück und rissnach ungeheuren Erpressungen das Gebäude der 
Demokratie nieder und führte die Oligarchie ein, an deren Spitze seine 
ergebensten Freunde traten; am bittersten aber war der Befehl Munychia 
einer makedonischen Besatzung zu öffnen. Aehnliche Strafen ver- 
hängte er über die anderen am lamischen Kriege betheiligten Staaten, 
ausgenommen über die Aetoler, die sein Arm nicht erreichen konnte. 

Nach dem lamischen Kriege entstand ein furchtbares Parteigewühl 
unter den Feldherrn und Anverwandten Alexanderß und erschütterte 
zweiundzwanzig Jahre lang Europa und Asien. In diesen sogenannten 
Diadochenkämpfen kam nochmals die Gelegenheit, die Freiheit zu er- 
ringen , allein die Kraft der Städte war gebrochen und sie wurden der 
Spielball in den Händen der ehrgeizigen Fürsten. Den Verlauf dieser 
Kriege zu verfolgen , würde uns zu weit führen und wir beschränken 
uns darauf, von den durch sie veränderten Verhältnissen der bedeuten- 
deren Staaten in wenigen Zügen ein Bild .zu entwerfen. 



§. 22. 

Verhältnisse der bedeutenderen Staaten Qrieehenlands um OL 125. Make- 
donien unter Ftolemaios Keraunos. Epeiros unter Fyrrhos. Thessalien 
grösstentheils frei. Aetoliens Blüthe. Böotien frei. Athens Schicksale. 
Megara fi*ei. Antigonos Gonnatas' Uebergewicht im Peloponnes. Städtebund 
in Aßhfua. Sparta und Arges frei. Arkadien unter Antigonos. Korinth. 

Makedonien hatte gegen das Ende der 124. Olympiade vielfach 
die Herrscher gewechselt ; zuletzt war durch Seleukos' Sieg über Lysi- 
machos in Grossphrygien es diesem zugefallen , allein als er es in Besitz 
nehmen wollte, fiel er in der Mitte seines Heeres durch den meuchle- 



184 V. Die Gallier in Makedonien. 

Tischen Dolch seines Gastfreundes Ptolemaios Keraunos*. Dieser ein 
Sohn des Königs Ptolemaios Lagi von Aegypten hatte den Hof seines 
Vaters verlassen, der nicht ihm, dem Erstgeborenen , sondern dem jün- 
geren Bruder Ptolemaios Philadelphos des Reiches Nachfolge zuzuwen- 
den gedachte und beim Könige Lysimachos*, sodann bei Seleukos als 
Gastfreund sich aufgehalten , der ihm zur Wiedererlangung seines Erb- 
theils behülflich zu sein versprochen hatte '. Verrätherei mag den letz- 
teren schon längs umgeben haben und Ptolemaios konnte daher nur mit 
Hülfe des durch Gold gewonnenen Heeres eine That wagen, die ihm 
die Krone Makedoniens auf den Scheitel drückte. Vergebens suchte 
Antigonos Gonnatas, der Sohn des berühmten vormaligen Königs des 
Landes Demetrios, den Thron seines Vaters zu erobern ; vom Peloponnes, 
über dessen grössten Theil er im Besitz der königlichen Würde herrschte, 
kam er eilends mit einer Flotte an Thrakiens Küste, allein eine See- 
schlacht entschied gegen ihn. Ebenso wusste jener die Kinder 
der Arsinoe seiner Schwester , und der Gemahlin des Lysimachos , die 
sich in die feste Stadt Kassandria geworfen hatte , auf immer zu ent- 
fernen*. Antiochos, Sohn des Seleukos, konnte den Tod seines Va- 
ters nicht rächen, die Angelegenheiten des grossen syrischen Reiches 
nähmen seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Pyrrhos aber, der 
König von Epeiros wurde für seine etwaigen Ansprüche dadurch abge- 
funden j dass er zur Heerfahrt nach Tarent von Ptolemaios auf zwei 
Jahre 5000 Streiter zu Fuss, 4000 zu Ross und 50 Elephanten erhielt; 
so wusste der Usurpator sich geschickt seiner Feinde zu entledigen, nur 
mit dem Könige von Griechenland Antigonos Gonnatas dauerte die 
feindselige Stimmung fort, der es nicht verschmerzen konnte, dass Ma- 
kedonien ihm entrissen war. 

Griechenland war gegen Ende von Ol. 124. fast ganz frei gewor- 
den. Um mit dem Norden zu beginnen , so blühte Epeiros zu Ansehen 
und M&ht heran, nachdem Pyrrhos sich zum alleinigen Herrscher des 
Landes gemacht und seinen Nebenbuhler Neoptolemos beim Festgelage 
hatte niederhauen lassen ^. Der That wenn auch nicht dem Namen nach 
war auch Thessalien frei, obwohl es Makedoniens Oberhoheit anerkannte; 
dennoch befand es sich in keiner erfreulichen Lage ; der Adel neigte 
sich zu den makedonischen Machtinhabem , wie es ihr Vortbeil ihnen 
anrieth, während die Städte in der Folge ätolisch wurden. TIfessaler 
werden indess von Polybios* als Bundesgenossen der Makedonier in der 



1 Appian. Syr, 63. p. 128. ed. H. Steph. Justin. 17, 2. — 2 App. 1. c. — 3 Pau- 
san. 10, 19. Memn. 10. — 4 Memnon 1. c. — 5 Plut. Pyrrh. 5.-6 Polyb. 4, 
9. — 9, 3S. 



§. 22. Verhältnisse der bedeutenderen Staaten Griechenlands um Ol. 125. 185 

Reihe anderer selbständigen Staaten und Völker genannt. Aetolien tritt 
erst um diese Zeit kräftig in die Geschichte Griechenlands ein und ge- 
winnt bald Ansehen unter den übrigen Staaten, seine Selbstständigkeit 
hatte es bisher zu schützen gewusst, ja sogar mit Glück kleine Erobe- 
rungen in den benachbarten Gebieten unternommen. Doch erst als der 
furchtbare Demetrios den Scepter Makedoniens verloren hatte, war 
seine Macht gesichert und in Akamanien , dem südwestlichen Thessa- 
lien und im ozolischen Lokris befestigt*. Erst Kom vermochte nach 
langen Kämpfen seine Kraft zu brechen. Lokris und Phokis genoss auch 
einige Ruhe, seitdem der harte Druck des Antigonos aufgehört. Auch 
Böotien hatte in den letzten Decennien sehr viel gelitten, beim Sturze 
des Demetrios wurde auch Theben wieder frei , Demetrios musste alle 
Truppen an sich ziehen und so auch die Kadmea entblössen ; vielleicht 
glaubte er auch die Böoter sich durch Aufhebung seiner Herrschaft als 
Bundesgenossen zu gewinnen, da sie nur schwierige und unsichere Un* 
terthanen waren. In der That bewiesen sie sich auch dankbar, indem 
sie seinem Sohne nach seiner von Ptolemaios Keraunos erlittenen Nie- 
derlage an ihrer Küste Ankerplätze gaben. Athen hatte jedenfalls unter 
allen griechischen Staaten das meiste Ungemach erduldet : es war mehr- 
mals belagert, mehrmals zur Aenderung seiner Verfassung gezwungen 
worden und sah seine Festungswerke von fremden Söldlingen besetzt, 
die erst nach Demetrios' Sturze Ol. 123, l konnten wiedergewonnen 
werden ; wie sehr es herabgekommen , zeigt der Umstand , dass es beim 
Einbruch der Gallier nur 1500 Mann zu den Thermopylen schicken 
konnte; doppelt so^ viel Mannschaft sandte einst bloss Megara gegen 
Mardonios nach Böotien; nur Attika kannte Athens Oberhoheit an und 
einige Inseln; sogar Salamis konnte nicht behauptet werden*. Megara 
war frei, denn es sandte Hülfstruppen gegen die Gallier; hätte es unter 
Antigonos gestanden, musste es diesem folgen, der auch ein Hülfs- 
corps dahin abgehen liess. 

Im Peloponnes herrschte Antigonos, nur Sparta hatte sich noch 
unter kein Joch gebeugt und keiner der makedonischen Fürsten hatte 
es den Druck einer fremden Besatzung empfinden lassen , um den zwar 
alten aber immer noch rüstigen Löwen nicht zu reizen. Als aber Anti- 
gonos mit der Flotte und dem bedeutendsten Theil des Heeres zum 
Kampfe gegen Ptolemaios Keraunos ausgezogen war, begannen die Pe- 
loponnesier einen seltsamen Freiheitskampf, der gegen die Aetoler als 
Bundesgenossen des Antigonos gerichtet unglücklich ausfiel, aber vielen 



1 Justin 24, 1. vgl. Paus. 10, 21. — 2 Paus. 1, 26. Plut. Demetr. 46. 51. Pyrrh. 
12. Polyaen. 4, 11, 1. 4, 7, 5. Diod. 18, 18. 



Igg V. Die Gallier in Makedonien. 

makedonischen Epimeleten ihre Zwingherrschaft entriss. Bedeutsamer 
war das Entstehen eines neuen achäischen Bundes, den vier kleine 
Städte vorläufig in beschränktem Umfange aufrichteten : Dymai, Fatrai, 
Fharai und Tritaia*. Argos war ebenfalls unabhängig, aber eine Beute 
der wildesten Parteizwiste. Arkadien war noch grösstentheils unter der 
Herrschaft des Antigonos, wenn auch einige Städte , unter ihnen wahr- 
scheinlich Megalopolis sich frei gemacht hatte; denn Spartas plündern- 
der Einfälle wegen konnte Megalopolis sich nicht der Erhebung Grie- 
chenlands gegen die Gallier anschliessend, üejber.den meisten anderen 
Staaten schwebt ein gewisses Dunkel , nur hie und da von ungewissen 
Lichtstreifen erhellt, so haben wir nur sehr dürftige Nachrichten über 
Messenien und Elis. Von ersterem wissen wir nur, dass es OL 125, 2 
gegen. seinen Erbfeind Sparta kämpfte*, weaishalb es wahrscheinlich frei 
geworden war. Sikyon wurde erst lange nach dieser Zeit frei durch 
Aratos , stand aber nicht unter Antigenes , sondern unter Tyrannen. 
Korinth hatte ähnliche Schicksale und Herren gehabt wie Athen ; Poly- 
sperchon , Ptolemaios von Aegypten , Kassander, Demetrios Poliorketes 
hatten um seinen Besitz gerungen ; von letzterem kam es auf seinen Sohn 
Antigenes Gonnatas, der es seinem Stiefbruder Krateros*, dem Sohne 
des Feldherm gl. N. unter Alexander und der edlen Fhila*, zur Ver- 
waltung anvertraute. So waren zur Zeit der gallischen Invasion in Grie- 
chenland Ol. 125 die meisten Staaten wieder frei geworden, als ein Un- 
gewitter an ihrem Himmel heraufzog , welches an den Tag legen sollte, 
ob sie für das errungene Gut auch Blut und Leben einzusetzen bereit 
wären. Das waren die Gallier. 



§. 23. 

Quellen. Pannonische Kelten. Tektosdgen. Ausgangspunkt der in 

Griechenland einbrechenden Gallier. 

Nur von drei Schriftstellern, dazu ziemlich später Zeit, ist der aus- 
führliche Bericht des gallischen Zuges nach Griechenland erhalten : von 
Diodor, Pausanias und Justin. Aus dem Verlaufe ihrer Erzählung und dem 
übereinstimmenden Grange der Begebenheiten lässt sich mit Sicherheit ent- 
nehmen, dass sie sämmtlich ein Quellen werk vor sich hatten wiewohl 
nicht in Abrede gestellt werden kann , dass einige unbedeutendere Züge 
auch aus anderen Schriftstellern hergenommen sind. Der Umstand aber. 



1 Polyb. 2, 41. — 2 Paus. 8, 6. — 3 Paus. 4, 2H. — 4 Diod. 19, 74. 20, 37. 
103. Plut. Demetr. 51. 53. — 5 Vgl. Niebuhrs kl. Sehr. 225 ff. 



§. 23. Quellen. 187 

dass ein Werk zugleich von Dreien benützt wurde, die von einander un- 
abhängig, zu verschiedener Zeit und Stelle schrieben, berechtigt zu dem 
Schluss, dass dasselbe aus der Feder eines bedeutenden Historiographen 
floss, dessen Ruf als geschichtliche Autorität schon fest begründet gewesen 
sein muss; es ist Timaios von Tauromenion, welches W. A. Schmidt* 
klar und bündig nachgewiesen hat. 

Den Faden unserer Erzählung knüpfen wir an die Skordisker wie- 
der an, wo wir ihn im allgemeinen Theile abbrachen. Kurz bevor die 
pannonischen Kelten in neuen Schwärmen, nachdem sie in wiederhol- 
ten Raubzügen lUyrien und Pannonien durchtobt hatten , weiter nach 
Süden vordrangen und Paeonien, Makedonien und Griechenland über- 
. schwemmten, müssen sie bedeutenden Zuzug aus ihrem Stammlande, dem 
transalpinischen Gallien, erhalten haben, ^jreil wir mehrere neue Völker- 
namen unter ihnen antreflfen : Voturer, Ambituer, Teutobodiaken, Tek- 
tosagen, Trokmer und Tolistobojer*. Von ihrem Hinübergange nach 
Pannonien finden wir nur sehr dunkle Spuren, etwas Bestimmtes haben 
wir nur von den Tektosagen, von den drei ersten Stammen kennen wir 
nur den Namen , während die drei letzten erst in Kleinasien historisch 
sicher auftreten. Sämmtliche aber lehnen sich an die Tektosagen, denen 
wir einige Zeilen widmen müssen. 

In ganz verschwommener Gestalt lässt Pausanias die in Griechen- 
land und Makedonien einbrechenden Gallier vom äussersten Ende Eu- 
ropas herkommen, wo sie an einem unbeschiffbaren Meere gewohnt 
hätten^, eine Nachricht die wir sonst nur noch bei Kallimachos in sei- 
nem Hymnos auf Delos finden , der etwas deutlicher als Pausanias das 
Abendland als die Stammsitze des neuen Feindes nennt ^. 

Viel deutlicher und als eigentliche Quelle für den Zug neuer <5al- 
lierscharen nach Pannonien zu betrachten ist Strabon*; es. entstanden 
Unruhen, berichtet er, bei den Volcae Tectosages, deren Gebiet 



l De foniibus veterum auctorum in enarrandis expedüionihus a Gallis in Mace^ 
doniam atque Graeciam susceptis. Scripsit Dr, Guil, Ad, Schmidt. Beralini 1 834. — 
2 Liv. 38, 16. Plin. 5, 32. Polyb. 5, 53. 77. 78. Strab. 12 , p. 566. -— 3 Ol ^k T«- 
Xarai ovroi vifjLOVJui jrjs EvQcSnrjg tcc ea/ttra inl O^aXaaai^ nokkrji xai ig tu nigaru 
ov TzXcjffKp, Starke, an* s Fabelhafte streifende Worte , die an Timaios hinlänglich 
erinnern. Paus. 1, 3. — 4 Kallimachos lässt sich also aus: 

Kai vv 7T0T€ ^vvog Tis Iksvaertti afxfxtv aeS-Xog 

"YcfraTov, onnor. av ot fjikv i(f ^EXX'^veaaiv fidxaiQocv 

BttQßuQixriv xal Ktliov avceajTjacivTeg ^^qtjci 

^Oipiyovoi Turiveg a(p ianigov iaxaTObivTog 

^P(6a<avjai. Hym. in. Del. v. 171. 

5 Strab. 4 p« 187i ^EoixnOi ^k xal dwaarevaaC nore xal evavffQtjaai toOovtov, 
wcfjs ardatwg ifineaovarjg i^eXdaai noXv nXijd^og ^f iavTCJv ix r^g oixeCag, 



Igg V. Die Gallier in Makedonien. 

wir oben bezeichnet haben als westlich gegen die Garumna ; in Folge 
derselben verliess eine grosse Volksmenge die Heimath , zog über den 
Rhein und siedelte sich in Dlyrien und Pannonien an , während, wah»- 
scheinlich auf dem Marsche, eine starke Colonie im herkynischen Walde 
zurückblieb, die noch zu Caesars * Zeit fortbestand und von ihm ander- 
weitig erklärt wurde , da er den inneren Zusammenhang der keltischen 
Bewegungen nicht kannte. 

In Pannonien nahmen die Tektosagen, um der Deutlichkeit wegen 
dem natürlichen Laufe der Begebenheiten etwas vorzueilen, Theil an 
den Einfällen in Makedonien, Griechenland und Asien , wurden aber 
nach dem Zuge gen Delphi von der Strafe des zürnenden Gottes bis 
nach Gallien zurückgetrieben und so lange von ihm mit Unglück ge- 
schlagen , bis sie ihre tempelräuberischen Verbrechen gesühnt und das 
aus dem Tempel erbeutete Gut geopfert hatten. Darauf kehrte ein 
grosser Theil der Tektosagen, welche die wilden Beutefahrten ihrer 
pannonischen Stammbrüder liebgewonnen hatte , wieder nach lUyrien 
zurück, plünderte auf dem Rückwege von Gallien die Istrier und 
siedelte sich in Pannonien * an, wo wir sie aus den Augen verlieren. 

Dies ist der verworrene, unwahrscheinliche und mit anderen histo- 
rischen Thatsachen im Widerspruch stehende Bericht Justins^. Abge- 
sehen davon, dass hier Justin auf die Plünderung des delphischen Tem- 
pels anzuspielen scheint, ein Ereigniss, das, wie wir unten zeigen wer- 
den , entschieden auf einem Irrthum beruht , ist einerseits der schnelle 
Zug der Tektosagen nach dem fernen Gallien und ihre gleich schnelle 
Rückkehr durch feindliche Völker nach Pannonien unglaublich, ander- 
seits die Beraubung der Istrier schwerlich* anders als von den pannoni- 
schen Kelten möglich. Wahrscheinlich ist die Sage von dem Tolosazuge 
durch den. Gleichklang der Namen Tektosagen , durch den Reichthum 
der Tolosaner und besonders den Reichthum ihres Haupttempels ent- 
standen. Wir unterlassen es Justin rechtfertigen zu wollen , da wir bei 
dem Schweigen der besten Schriftsteller nur Hypothese auf Hypo- 
these stützen müssten ; zwischen allerlei Möglichkeiten schwankt Die- 
fenbach *. 

Nach dieser nicht unnöthigen Abschweifung wenden wir uns zu 
der Präge nach dem Ausgangspunkte der in Makedonien einbrechenden 
Gallier zurück; dass sie aus Pannonien kamen, beweisen ausser den be- 
stimmten Aussagen von Trogus in den uns erhaltenen Prologen und 



1 Caes. B. G. 6, 24. — 2 Pannonien kann hier nicht scharf von Illyrien ge- 
schieden werden, man denke nur an das »ava/jil^v Strabons f). 313. — 3 Just. 
32, 3. -. 4 Celtica 2, 1, p. 263 ff. 



§. 24. Die Gallier um Ol. 125. den Griechen noch ziemlich unbekannt. 189 

Justins * noch der Umstand , dass sie geschlagen wieder nach Eannonien 
zurückgingen und von da Hülfe erhielten, Ereignisse, die unten wei- 
ter zur Sprache kommen werden. 

Nach diesen einleitenden Bemerkungen wenden wir uns zur Dar- 
stellung der Sache selbst. 



§. 24. 

Die Gallier um Ol. 125. den Griechen noch zleinlioh unbekannt. Erster Ein- 
fall der Gallier in Griechenland unter Kambaules. Ol. 124, 4. Zweiter Ein- 
fall in Faionien, ThraMen und Makedonien. Die Gallier unter Belgios in 
Makedonien. Niederlage und Fall des Königs Ftolemaios Keraunos. 

Sosthenes. 

Um diese Zeit waren die Gallier in Griechenland wenig bekannt 
und hatten, wenig Aufsehen erregt; und die keltische Gesandtschaft, 
welche den siegreich von seinem Getenzuge heimkehrenden Alexander 
begrüsste, war eine neue ungewohnte Erscheinung. Die griechischen 
Schriftsteller reden von den Ereignissen nicht , nur einige eminente 
Geister trug Wissbegi^rde zur Kenntniss von Nationen, die weniger im 
Bereiche merkantilischer Zwecke lagen, wie Thukydides und Aristo- 
teles; die Meisten verschmäheten es, sich um das zu kümmern, was 
unter den verachteten Barbaren vorging. So hielt man es auch für un- 
nöthig, Anstalten zum Schutze und zur Abwehr gegen die Gallier zu 
treffen und wurde desshalb auch von ihnen überrascht. Die make- 
donischen Könige aber müssen die blutigen Vorgänge in ihrer nordöst- 
lichen Nachbarschaft wohl gewürdigt haben , wenigstens lässt sich diess 
mit Sicherheit von Kassander behaupten, der lieber einen friedlichen 
Weg einschlug, als er mit den Kelten in feindliche Berührung zu kom- 
men drohte, indem er den verdrängten Autariaten nicht ihr früheres 
Gebiet wieder erobern half, sondern ihnen zu eignem Schaden, um Colli- 
sionen zu vermeiden , neue Sitze anweisen liess. Ftolemaios Keraunos 
aber, der die Lage der ihn umgebenden Verhältnisse nicht durchschaute, 
hielt seine keltischen Nachbarn für ein unbedeutendes Räubervolk, un- 
schädlich dem Starken, und wies daher bei ihrem Anzüge zu seinem 
Verderben fremde angebotene Hülfe ab. 

Wohl aber hatten stets die Gallier ihr Augenmerk auf den griechi- 
schen Süden gerichtet; vor Alexanders Waffenruhm hatten sie gezittert 
und nicht gewagt, sein Land verheerend zu durchziehen ; als er aber in 



1 JRepetitae inde Gallorum origines , gut Illyricutn oecuparant atque ut ingressi 
Cfraeciam Brenno duce Delphis vidi deletique sunt. Trog. Prol. 24. — Justin. 24, 4, 



190 ^* ^^® Gallier ia Makedonien. 

der Blüthe seiner Jahre den Leidenschaften erlegen war, entstanden all* 
mählig auf die Kunde seines Ablebens Reibereien mit Kassander, wie 
wir oben bereits 4^rgethan haben. Als Lysimachos Thrakien be* 
herrschte, hatten sie sich ebenfalls ruhig verhalten und dahin keine 
grossartigen Baubzüge unternommen ; sie kannten also die Macht des 
Königs und wussten, dass er zu Alexanders bedeutendsten Führern ge- 
zählt hatte. Als aber Alexanders väterlicher Thron unter furchtbaren 
Wirren so oft seinen Herrn wechselte, als Lysimachos durch Seleukos, 
Seleukos hinwieder durch * Ftolemaios Keraunos umgekommen war, 
säumten sie nicht länger und sahen, dass der rechte, langersehnte Augen- 
blick erschienen war. 

Zu drei verschiedenen Malen haben sich keltische Schaaren gegen 
Griechenland in Bewegung gesetzt. Der erste Einfall geschah unter 
Kambaules, der mit einem kleinen Heere aus Fannonien aufbrach, aber 
sich nur bis Thrakien wagte, die üebermacht der Griechen scheuend^; 
Pausanias, welcher uns diese Nachricht mittheilt, vergisst zwar hinzu- 
zufügen, ob Kambaules sich mit den Seinigen in Thrakien niedergelas- 
sen oder wieder von dannen gezogen sei , scheint aber letzteres anzu- 
nehmen , da er weiter berichtet , dass der zweite Zug gerade auf An- 
rathen der Gefährten von Kambaules unternommen sei. Aus dieser An- 
gabe dürfen wir zugleich einen Schluss ziehen über die Natur und 
Chronologie des Kambauleszuges ; er war weniger auf Raub und Erobe- 
rung berechnet, zumal da keine Erwähnung eines Treffens geschieht, 
als auf Erforschung der Gegenden , um vorbereitende Resultate für ein 
grösseres Heer zu erzielen, anderseits scheint der Zwischenraum bis 
zum folgenden Kriege nur ein Jahr zu betragen, eine Vermuthung, 
welche durch die fliessende keinen Zeitraum erwähnende Darstellung 
des Fausanias zur Genüge bestätigt wird. Ol. 124, 4. — 281 v. Chr. 

Im folgenden Jahre zog ein furchtbares gallisches Heer — und 
dieses ist die zweite Expedition — gegen Griechenland heran ; der gal- 
lische König Akichorios , der uns hier mit seinem nationalen Namen 
Brennus wieder entgegentritt*, theilte sein Heer in drei Theile, er 
selbst wandte sich gegen Rieonien , ein zweiter Haufe unter Kerethrios 
nach Thrakien , während ein dritter unter Belgios geraden Weges sich 
gegen Makedonien in Bewegung setzte '. Die Marschrouten der Trop- 



1 Pausan. 10, 19, 4. — 2 Fausanias und Diodor stossen sich an die Namen 
Brennus und Akichorios und machen zwei Personen daraus, w&hrend* beide nur 
einem Träger angehören. Vgl. oben S. 110. Note 1. Die Formen Akichorios und 
Kichorios dürfen uns nicht befremden ; Diodors nachlässige Schreibart ist bekannt. — 
3 Paus. 10, 19, 4 ff. vgl. 1,4. Diod. fragm. 22. — Excerpt. de virtut. et Titiis 
p. 562 ed. Wesseling. Justin. 24, 4 ff. 



§. 24. Die Gallier um Ol. 125. den Griechen noch ziemlich unbekannt. 19t 

pen können wir nur vermuthungsweise verfolgen , schwerlich aber wird 
ein einiger Plan unter den drei Horden gewaltet haben , wie Thierry * 
meint, nach welchem Kerethrios längs des aegaeischen Meeres, Akicho- 
rios über Epeiros in Makedonien eindringend sich mit Belgios vereinen 
sollten. Denn schon an der lockeren Disciplin , die im Sturme der Lei- 
denschaften und von der Willkür der Führer ohne grosses Bedenken 
unter die Füsse getreten wurde , musste einerseits ein geordneter Feld- 
zugsplan Schiffbruch leiden, anderseits ging w9,hrscheinlich Kerethrios 
nach Hause zurück , wenigstens meldet uns die Geschichte nichts von 
einer stattgefundenen Vereinigung seiner Schaaren mit denen des 
Belgios. 

Dieser schlug also den Weg nach Makedonien ein und verbreitete 
weithin mit seinen auf steten Eaubzügen verhärteten Scharen Furcht und 
Entsetzen um sich herum ; nur Ptolemaios blieb unerschrocken bei der 
nahenden Gefahr, die er nicht zu ermessen wusste und wies voll von 
stolzem Selbstvertrauen ein Hülfsheer von 20000 Mann zurück, die ihm 
der König Dardaniens zur nachhaltigeren Bekämpfung der furchtbaren 
Feinde anbot ; ebenso, unsinnig übermüthig trat er den gallischen Ge • 
sandten entgegen , welche gegen Erlegung einer Geldsumme ihm den 
Abzug versprachen; »Geissein müsst ihr stellen, Führer und Waffen 
ausliefern, ehe an Frieden zu denken ista, herrschte er ihnen zu. 
Lächelnd über des Königs Thorheit verliessen ihn die Abgeordneten 
und kehrten zu ihrem Führer zurück, der sogleich aufbrach, um ihn 
diese Verachtung bitter entgelten zu lassen. 

Ptolemaios Hess nicht lange auf sich warten und rückte ihm mit 
einem nicht gar grossen Heere tollkühn entgegen , anstatt wie ihm die 
Freunde weise riethen, erst die nöthigen Verstärkungen an sich zu 
ziehen, und die bekannte Hitze der Feinde verrauchen zu lassen; er 
folgte ihnen nicht, indem er Nachkommen der siegreichen unüberwind- 
lichen Phalangen Philipps und Alexanders in die Schlacht zu führen 
glaubte. Wo diese geliefert wurde, ist nicht zu ermitteln; sie entschied 
aber gegen die Makedonier; Ptolemaios hatte nach asiatischer Sitte 
einen Elephanten bestiegen und am Kampfe theilgenommen ; als aber 
der gallische Ungestüm die furchtbare Phalanx durchbrochen hatte, 
scheute das verwundete Thier und warf seinen königlichen Beiter ab; 
er wurde ergriffen und von den Barbaren in Stücke gehauen; sein 
Haupt, vom Rumpfe getrennt, schmückte die Lanze eines der wilden 
Kämpen^. Nur Wenige retteten sich durch die Flucht, die Meisten 



1 Hist. des Gaulois I, p. 139. — 2 Memnon Heracleot. ap. Fhot. cod. 
224. c. 15. 



] 92 V. Die Gallier in Makedonien. 

wurden niedergehauen, der Gefangenen aber wartete ein grässliches 
Loos; die kräftigsten und schönsten fielen den Göttern zum Opfer, 
während die übrigen den Wurfgeschossen der Soldaten ihre Brust zum 
Ziele bieten mussten^ 

Ueber Makedonien brach jetzt eine traurige wirren volle Zeit her- 
ein ; in offner Feldschlacht hatte das unglückliche Land dem Eeinde 
kein Heer entgegenzustellen, einzige Rettung boten die befestigten 
Städte, an deren Mauern die Wuth der mit der Belagerung nicht ver- 
trauten Gallier zerschellte ; diese gaben sich auch, ihrer Ungelenkigkeit 
bewusst, keine Mühe damit, sondern zogen vorüber und durchtobten 
das flache Land. Was aber die allgemeine Noth zum höchsten Gipfel 
trieb, das war die Anarchie und das dabei nie fehlende auch dem Vater- 
land zu lieb nicht aufgegebene ehrgeizige Streben Vieler nach der 
Krone ; zuerst setzte sie sich ein Bruder des gefallenen Ptolemaios Ke- 
raunos Namens Meleagios, der mit ihm aus Aegypten gekommen sein 
mag, aufs Haupt, allein er trug die schwere glänzende Bürde nur zwei 
Monate; ebenso untüchtig bewies sich Antipater*, ein Bruderssohn 
Kassanders, zum Wohl des Landes zu wirken ; nur fünfundyierzig Tage 
hat er den königlichen Namen geführt. Ihn verdrängte ein junger durch 
grosse Kriegestugenden ausgezeichneter Makedonier Namens Sosthenes ; 
durch kleinere Erfolge kühn gemacht hatte er um seine Fahnen die ver- 
sprengten Phalangiten geschaart, bis er sich stark genug fühlte, den 
durch ßaub und Mord abgestumpften Galliern offen entgegenzutreten ; 
eine Schlacht entschied zu seinem Gunsten, Belgios musste weichen und 
zog sich wahrscheinlich zu Akichorios in Paeonien zurück, um mit 
ihm vereint nachhaltiger die völlige Vernichtung des Landes betreiben 
zu können und dies ist die natürlichste Erklärung des dritten Zuges 
von Paeonien aus nach Griechenland, während Justin kurzsichtig dem- 
selben nur Beutegier und Neid des Brennus Akichorios unterlegt*. 
Sosthenes aber war der gefeierte Held des Tages ; Antipater musste ihm 
weichen, jener jedoch begnügte sich damit, den Titel eines Oberfeld- 
herm zu tragen*. 



1 Diod. excerpt. Vales. p. 316. — 2 Porphyr, ap. Scalig. p. 63. — 3 Justin. 
24, 6. — 4 Multis nobilibus regnum Macedoniae adfectantibus ignobiUa ipse praeponi' 
tur, Justin. 24, 5. Nach Justin war also Sosthenes yon niederem Stande , das Ge« 
gentheil versichern: Euseb. (Chron. Armenic. p. 331} und Dexipp. ap. Syncell. 
p. 517. 



§. 25. Neue Rüstungen der Gallier gegen Griechenland. 193 



Gapitel VI. 

Die Katastrophe bei Delphi. 



§. 25. 



Neue Büstungen der Oallier gegen Griechenland. Grösse des gallischen 
Heeres. Einbruch in Makedonien. Dritte Expedition unter wAJdchorios. Sein 
Sieg über Sosthenes. Büstungen der Hellenen. Die Hellenen unter Kallip- 
pos besetzen die Thermopylen. ITebergang der Gallier über den Spercheios. 
Sieg der Hellenen bei Thermopylae, Kydias. Standlager der Gallier bei 
Herakleia. Vereitelter Versuch, den Oeta zu übersteigen. Grausamkeit 
gegen die Einwohner von Kaliion. Verrath der Herakleioten und Ainianer. 
Die Hellenen lösen sich auf. Akichorios theilt sein Heer und zieht gegen 
Delphi. Seine List zur Ermuthigung seiner Schaaren. Massregeln der del- 
phischen Priester. Musterung der Quellenberichte über die Vorgänge bei 
Delphi. Erfolgreiche Plänkeleien der Phoker. Erdbeben. Nächtliche Kälte. 
Bückzug der Gallier. Nächtliches Blutbad der GkOlier unter sich. 

wAkichorios' Tod. 

Als Akichorios die Lage der Dinge durchschaut hatte , beschloss er 
heimzukehren und nach mächtigen Rüstungen das von Belgios ange- 
fangene 'Werk in dem ausgesogenen Makedonien fortzusetzen ; dem 
Bückzug schloss sich Belgios selbst mit seinen durch Beute und Ge- 
fangenen bereicherten Truppen an^ Zu Hause angekommen liess jener 
alle Minen spielen und wandte alle möglichen Kunstgriffe an , um die 
Hülfe der einzelnen Fürsten und die Gewogenheit der leitenden Volks- 
Tersammlungen sich zu gewinnen; listig wusste er den habgierigen Sinn 
seiner Landsleute durch die eroberten Schätze zu blenden und durch 
aufregende Erzählungen von Kostbarkeiten , die in den Tempeln aufge- 
häuft lägen ^^ sie in Feuer und Flammen zu setzen. Anderseits verfiel 
er auf ein originelles Mittel^ die Griechen lächerlich zu machen und in 
den Augen seines Volkes zu erniedrigen : er umgab sich in der Volks- 
versammlung mit den grössten und kräftigsten seiner Krieger^ prächtig 
im vollen reichen WafiTenschmucke anzusehen^ alsdann liess er gefangene 
Griechen hereinführen, deren unansehnliches Aeussere, viefach noch 
dazu entstellt, gegen die hohen imposanten Gestalten der Gallier einen 
lächerlichen Eindruck machen musste^ und in der That verfehlten diese 



1 IlQO£l-&€iV ^k (OS ^^^ 7^*' *EXXd^a ov^k rore iS'U^^Tjaav xal 6 ^evtSQog ovrat 
aroXos inavTiX^ev eis jrjv oixHav, Paus. 10, 19, 4. — 2 Paus. 10, 19, 5. — 
3 Polyaen. 7, 35. 

G o D t z e n , Wanderangen der 'Kelten . \ 3 



•Y» 



i'9a 



W. Biet Katastrophebj^i Delpii; 



Spiegelfechtereien ihren Zweck nicht bei dem leicht entzündbaren Cha- 
rakter seines Volkes, eifrig wurde gerüstet und Jeder -.drängte sich dazu, 
an einer Expedition theilnehn^p zu können, die Rühm und reiche Beute 
verhiess, sodass bald ein furchtbares Heer dastand ; über die ©rosse des- 
selben herrschen unter, den Alten verschiedene * Äpg^^^'^ 5 nach Pau- 
sanias belief sich das Fussvolk auf 152000 Mann, während 61200 Reiter 
mitzogen; letztere Zahl überrascht uns im ersten Augenblicke, wird 
abejf leicht wahrscheinlich , wenn wir bedenken , dass allein der Tross 
zwei Drittel der Reiterei ausmachte nach der diesen Öallierüeigenthüm- 
liehen Einrichtung der Trimarkisia\^ Jeder. Reiter hatte nemlich hinter 
der Linie zwei berittene Dieser; fiel sein Ross, so bi^dhte der ein€\, 
dann der andere das seinem fiel er, , so trat ^ni&r,' diann der anclere an 
seine Stelle; «o redücirt sich 'die Reiterei" auf 20400 Mann. Dies Ver- 
hältniss von eins zu. drpi möchte jedoch schwerlich ^ wie,Schorij^ thut, 
^auch auf das Fussvolk angewendet werden können ; vielmehr möchte 
hifer dasselbe sich^ie^ins zu zwei gestalten; denn wie r^Äririgteich' sehen 
werden, trennte sich ein Häufe voii 2000 Mann von Akichorios auf 
dem Marsche nach Griechenland^ und Livius sägt deutlicn'ron den Ab- 
gehenden, kaum die Hälfte von ihnen sei bewaffnet gewesen'. Wen- 
den wir dies Zählehve'rhältniss an, so erhalten wir etwa 7'tfOOÖ 'Mann 
-Linie, ein Ergebnisse womit Justin annäherurigsweiise übereinstimmt; 
denn dieser erzählt, mit 650Ö0 Mann auserlesenen '>Tnippön> also cihne 
•Tri)ss, habe sich Brennus dem delphischen Temperge?näheri;'so mag die 
gesaitnmte reguläre Kriegsmacht der iQallier 9 OOOÖ Mann betragen haben. 
Zur B^sobützung* ihre» Landes selbst blieben l'SÖOO Mahn smrück. 

Üfvauf faälü^m wälzte sieh jetzt die verderbenbringende > Woge Mar 
kedönien zu; als man aber nach 'Dardanien gekommen waf'v löste sieh 
ein Haufe, von 20000 Mann unter Arifähruiig ä äös l.eönnonos und Eu* 
tarios vom HaüptHeer- ab> und wandte sich dtem Osten " «air, wo wir sie 
unten wiederfinden werden *^ die übrigen setzten ihren Marsch fört und 
drangen abermals in Makedonien ein; nochmals mudst^^das' Unglück* 
Hebe «Land alle Schrecknisse des Krieges kosten ; alles, Wds der ifcozige 



\ [pausan.^ 10^ 19, 6. — ^ Gesch. Grieqhejilan^s p^, 32('*,Ai^'t 3^' E? berieht 
sich. auf die. bei|Lani^te ErzähluQfi^ Folyaens 4, 6, 17,. wq di& Gallier fQrdie ^gen An- 
tipater geleistete Hülfe 100 Talente statt 30 fordern, indeni sie audh für den Waffen- 
Ib&^ii Hänfen EaKnting ' verlehigteti . All^ii der ig^miethet^ Ti^iifp{]^ ^b^ eine wandernde 
Colonie {laXq ywai^lv xal rotg naial anrjTovv Polyaen. 1. c,), während der Zug der 
Gallier nach Griechenland nichts weHer war , als ein Unternehmen auf Raub und 
Fldnderüng. Dioa; i^^Qi;22: äp.M^i> tft: 4^2 — '3'i^>/fM »i viffinß'fniUibus 
hominum, quam däeeM ummtaWdivt, lÄv, -38, f6. -^^ 4 Xiiv; 1: c.'^Suidas t. v.'l^rlawm 
vgl. dazu die Note von Küster. 



N 



§. 25. Neue K.ü8tungen d?r Gallier gegen Griechenland. 195 

Ein&ll Übrig gelassen , fiel der Vernichtung anheim ; da ermannte sich 
nochmals Sosthenes und stellte sich mit iSeiiier siegreichen Schaar dem 
mächtigen Feinde in offner Feldschlacht entgegen^ aber er erlag der feind- 
lichen Uebermacht, nach tapferem Kampfe fiel er und seine Truppen 
suchten ihr Heil hinter festen Mauern. Doch blieb sein aufopferndes 
Beispiel nicht ohne Wirkung; die Einwohner fassten Muth und be- 
^nnen , mit Verzweiflung und Wuth im Herzen, einen Guerillakrieg, 
sie wairfen sich über einzelne wild und zügellos dahinstürmende Haufen 
und vernichteten sie , so dass durch die Rache der Einwohner , durch 
Mangel an Lebensmittel die gallischen Schaaren ^ bedeutend zusammen- 
zuschmelzen an^^ngen. Als aber Akichorios das Land rein ausgebeutet 
«ah , wandte er sich nach dem noch von keiner gallischen Schaar be- 
rührten Thessalien und li-ess auch hier seine Leute ungestört ihren 
Lüsten fröhnen; der Aufenthalt währte länger daselbst, als er, den es 
mächtig zu den ungeheuren delphischen Tempelschätzen hinzog, be- 
rechnet hatte ; der Kampf mit den muthigen Bergbewohnern, dazu noch 
mit heftiger Erbitterung geführt, tödtete ihm nicht nur manchen Krie* 
ger, sondern verzögerte auch seinen Marsch, so dass er erst gegen das 
Ende des Herbstee Delphi erreichte , wiewohl er möglichst weiterzu- 
kommen sich bemühete , um mit frischen Kräften das jedenfalls wohl» 
t«rtheidigte Nationalheiligthum in seine Gewalt bringen zu können. 

Unterdessen war Griechenland auf die Vorgänge in Makedonien 
und Thessalien aufmerksam geworden , mit bangen Ahnungen erfüllt j 
die unmenschliche Wildheit der Barbaren zeigte jedoch den Staaten die 
Noth wendigkeit einer Vereinigung zur Abwehr und ein Aufruf erging 
an alle Hellenen, sich für die gemeinsame Sache des Vaterlandes zu be- 
waffnen ; dieses hatte trefflichen Erfolg, ganz Hellas trat zusammen und 
bildete einen Bund, aber die Peloponnesier mit Ausnahme der Einwoh- 
ner von Patrai* hielten sich von dem allgemeinen Ausbruche der Vater- 
landsliebe fern , theils wegen des von Antigenes Gonnatas ausgeübten 
Druckes , theils weil nach ihren engherzigen Begriffen das Vaterland 
am Isthmos seine Grenze hiben mochte ; sie begnügten sich daher den- 
selben 55U befestigen , da die Gallier keine Schiffe hatten , um eine Lan- 
dung versuchen zu können, Anstalten, welche der König Antigenes 
wahrscheinlich durch ein starkes Heer unterstützte. Desto grösser waren 
die Anstrengungen der übrigen Hellenen, deren Contingente. zu diesem 
Kriege Tansanias uns folgendermassen angibt^ : Die Aeteler stellen das 
bedeutendste, dessm Stärke jedoch durch einen Schreibfehler im Texte 
einerseits, durch die Gleichgültigkeit des Schriftstellers selbst anderseits 



1 Diod. 22, ed. r3. -^ 2.Pausan. 7, 6. -— 3 Pausan. 10, 20, 3. 

13* 



196 VI. Die Katastrophe bei Delphi. 

nicht zu ermitteln ist; sie sandten heisst es bei ihm 7000 HopUten und 
90 Leichtbewaffnete ; dazu vergisst er die Grösse der Beiterei beizu- 
fügen; Aetolien aber^ das damals in seine Glanzperiode eintrat^ konnte 
offenbar mit leichter Mühe 12 — 15000 Krieger hinschicken; Böotien 
stellte 10000 Hopliten: und 500 Eeiter, Fhokis 3000 Mann zu Fuss und 
500 zu Boss, Lokris 700 Mann zu Fuss, Megaris 400. Sehr bescheiden 
trat Athen, das trotz seiner Schi/väche nicht hinter dem erhabenen Bei- 
spiele der andern Staaten zurückstehen wollte, dem Bundesheere mit 
1500 Truppen unter Anführung des Kalli^pos bei ; gleichwohl wurde aus 
zarter Rücksicht für die ehemalige Grösse der Stadt der Oberbefehl ein- 
stimmig dem athenischen Strategen übertragen. Wichtiger als der kleine 
Haufe , der zum Landheer stiess , war die Bemannung der athenischen 
Flotte, welche später die erspriesslichsten Dienste geleistet hat. Da aber 
auch die Könige Antigonos und Antiochos fürchteten, dass die am 
griechischen Himmel aufziehende Wolke des Verderbens sich auch über 
ihre eigne Häupter entladen könne, sandten beide ein Hulfsheer, wo- 
durch sich die griechischen Streitkräfte zu 30000 Mann steigerten. 

Sofort entvickelte Kallippos seine Feldherrnthätigkeit ; in Eil- 
märschen führte er seine Truppen zu den Thermopylen, besetzte sie und 
zugleich den steilen über den Oeta gehenden Bergpfad, auf welchem die 
beiden Castelle Rhoduntia und Tychios sich befanden, während die 
Flotte in der Bai von Malis ankerte. Es war in der That auch hohe Zeit, 
denn Akichorios näherte sich bereits dem Engpasse und war nur wenige 
Meilen vom Spercheiosfluss* mehr entfernt. Dorthin schob Kallippos 
einen starken Vorposten vor, um die Brücke abzubrechen und dem 
Feind den Uebergang zu erschweren. Als dieser schwer und langsam 
herangekommen war, die Brücke zerstört und das jenseitige Ufer besetzt 
fand, gebrauchte Akichorios eine List, um dasselbe zu gewinnen, welche 
ihm nicht misslang : er traf scheinbare Anstalten mit den Waffen in der 
Faust hinüberzudringen , Hess jedoch während dessen einen starken 
Haufen an einer entlegenen Stelle heimlich den Spercheios durch- 
schwimmen, ein Unternehmen , das die einbrechende Dunkelheit be- 
günstigte. Daher zogen die Griechen ab und begaben sich zum Haupt- 
lager zurück, während Akichorios rasch die Brücke von den lunwohnen- 
den Völkern erneuern und seine Truppen hinübersetzen liess. Darauf 
zog er gegen Herakleia weiter , fand aber die Thore geschlossen und die 
Mauern wohl besetzt, daher musste das flache Land seine Wuth fühlen» 
er durchplünderte es in gewohnter Weise und liess Jeden über die 

1 Er entspringt auf dem Tymphrestos , durchfliesst in östlichem Lauf das (Ge- 
biet der Ainianen und föUt dann in den innersten Winkel des Sinus Maliacus ; er hat 
von seinem raschen Lauf (anigx^) ^®° Namen ; an seinem rechten Ufer lag Herakleia. 



§. ,25. Neue Rüstungen der Gallier gegen Griechenland. 197 

Klinge springen y der unvorsichtig oder mit der Bebauung des Ackers 
beschäftigt seinen Anzug erwartet hatte. Ohne einen Sturm auf die 
Stadt zu wagen, bewegte er sich weiter und rückte, als er das griechische 
Heer in seiner nächsten Nähe hörte, zum Kampfe gegen die Thermo- 
pylen heran. Hier, wo das Meer mit seinen Sümpfen auf der einen, 
das steile Oetagebirge auf der anäeren Seite nur einen schmalen Steg 
gelassen hat, hielt er und verspottete die verbündeten Truppen, die seine 
Schaaren aufzuhalten gedächten ; als er aber diesen den Befehl gab, 
gegen den Hohlweg loszustürmen , sah er an seinen Kriegern ein ähn- 
liches Schauspiel, wie es vordem Xerxes erlebt hatte ; unbewegt in dicht 
geschlossener Phalanx, den Schild in der Linken, der sich wie eine 
eherne Mauer um sie herumzog, standen die muthigen Hellenen da; 
Schaar auf Schaar, die heranwogte, um den Lanzen wald zu durch- 
brechen, prallte zurück, die schlechten Waffen, der unbeholfene manns- 
hohe Schild, die ünerfahrenheit der Feinde selbst unterstützte die Grie- 
chen, während die athenische Flotte mit ungeheurer Anstrengung sich 
durch den Schlamm zum Meeresufer hinarbeitend, die feindlichen Flan- 
ken mit Geschossen angriff; dennoch kämpften die Gallier mit barbari- 
schem Muthe weiter , obwohl sich hohe Leichenhaufen vor' ihnen auf- 
thürmten; sogar Sterbende, die mit klaffenden Wunden den Wurfpfeil 
in der Brust den Tod erwarteten, rafften ihre letzte Kraft zusammen, 
um das Geschoss aus der Brust reissend es gegen den Feind zu schleu- 
dern , der in die Tragweite desselben gerieth. Endlich sah Akichorios 
das Vergebliche eines fortgesetzten Sturmes ein und gab das Zeichen 
zum Rückzug , der aber in voller Verwirrung angetreten grosse Opfer 
kostete; denn in dem furchtbaren Gedränge stürzten sie übereinander 
hin und wurden im jähen Gewühle zertreten, oder fielen ins Meer, wo 
sie unrettbar verloren in die Sümpfe sanken, welche sie aufnahmen und 
sich über sie schlössen, so dass zu dem Verluste der Schlacht beträcht- 
licher Schaden hinzukam ; auf griechischer Seite waren nur 40 Todte zu 
betrauern. 

Der Ruhm des Tages gebührte den Athenern, unter denen sich be- 
sonders der junge Kydias durch seine Tapferkeit hervorthat, wohl war 
es sein erster und letzter Waffengang, allein die Athener ehrten sein 
Andenken dadurch , dass sie den Schild ihres gefallenen Mitbürgers in 
dem Tempel des Zeus Eleutherios zu Athen aufhängten ^ 



1 Die dazu gehörige Inschrift hat uns Fausanias 10, 21, 3 aufbewahrt: 
TfiT fiäXa drj no&iovüa viav Hi Kvi(ov rißriv 

jianXg agi^rilov tpiotos ayaXf^ct dU\ 
^Ag <fi« T^j sr^fifTor; Xaiov nots tttj^w ttEivtv 
Mvr inl Tov ralatav fjx(uiaa$ ^ov^os^Aorfg,' 



198 VI. Die Katastrophe bei Delphi. 

Ohne sich um die Bestattung 'seiner Todten iü jbekmjrinern,» zog 
sich Akichorios in Folge der Niederlage nach Herakleia zurück/ wo er 
den Belgios ^ in einem stark befestigten Standlager zurückgelassen haftte 
zur Bewachung der geraubten Schätze^ und gönnte dott seineu Truppen 
sechs Tage Kühe. Am siebenten liess er die Feindseligkeiten wieder 
beginnen nnd suchte durch List das zu erlangen, was die Waffen nicht 
hatten bewirken können ; er suchte über den Oeta zu steigen j um den 
Hellenen in den Rücken zu fallen, zumal da ein dem Gerüchte nach 
reich beschenkter Pallastempel auf dem Wege über demselben lag ; al- 
lein er stiess hier auf ein ziemlich starkes Besatzungsheer unter dem 
syrischen Strategen Telesarchos, das ihm den Weg verlegte und ihn 
nach grossem Verluste zur Umkehr nöthigte. Dennoch verlor «Akicho- 
rios den Muth nicht; er war ein sehr erfinderischer Kopf und mit allen 
Eigenschaften begabt, die von einem tüchtigen Feldherrn verlangt wer- 
den können und hat sich überhaupt auch als solchen bewiesen^. Da er 
wusste, dass die (Aetoler die Seele des hellenischen "Heeres seien, 
schickte er, um sie von demselben zu trennen, eine starke Heeres- 
abtheilung von 40000 Mann zu Fuss und 800 zu Boss unter Anführung 
des Kombutis und Orestorios durch Thessalien über das Gebirge n'ach 
dem nordöstlichen Aetolien. Mit verheerender Wuth brachen sie ein 
und hauseten in entmenschter Weise in dem wehrlosen Lande ; Kaliion 
besonders hat es empfunden; hier fiel alles, was in ihre Hand kam, un- 
ter ihrem Schwerte, ^as zarte Kind an der Mutterbrust, wie der hülf- 
lose Greis, während die Jungfrauen ihren entsetzlichen Lüsten dienen 
mussten, die noch an todi;en befriedigt wurden; die Greuel stiegen so 
hoch, dass Viele freiwillig Hand an sich selbst legten, um der schauder- 
haften Grausamkeit zu entgehen. Dieses Mordfest hatte den gewünsch- 
ten Erfolg, die Verzweiflung im Herzen kehrten die Aetoler heim , um 
die übrigen Städte zu vertheidigen , welche noch von den Barbaren un- 
berührt geblieben waren, anderseits erhob sich ganz Aetolien : Greise 
und Frauen ergriffen die Waffen und stürtzten sich auf die Raubzügler; 
als dazu eine Schlacht gegen diese entschied ^ zogen sie sich unter steter 
Verfolgung des furchtbar gereizten Volkes zum Spercheios zurück , wo 
ihnen nur die Nähe des Lagers bei Herakleia und eine starke Geld- 
busse ' einige Ruhe verschaffte, nachdem die Hälfte von ihnen der ae- 
tolischen Bache erlegen war. Sie nahmen keinen Theil an dem Ddphi- 



1 Paus. 10, 23, 2. Pausanias yerwechselt hier abermals den Brennus und Bel- 
gioS) weil er der irrigen Ansicht ist, Brennus und Akichorios seien zwei verschiedene 
Personen. — 2 jjv ov6ko Bg^pvog ovra navitt aavvttost ovtt. amigutq ilx^v, tos av ttg 
ßtxQßttgos, aoiflafjtttxajg noXsfiCovg i^ivgeZv, Paus. 10, 20, 4. — 3 Paus. 10, 18 extr. 



§.25. Neue.BüdtttUgi»! der Gallier gegen Ginechenland. \Q^ 

züige selbst) ii^^ei^n atieaseja^^Kur Näöhibilt/.dft AMcb^rios unterdessen in 
Phokid eingerückt war* ' Di<?ser hatte näinlich den Weg über das Ge- 
birge, geftinden; auf Anstiften: 4«r..He?akl^ioten und Ainianen, welche 
i>iqhit:b©seeU'vt)i3/der. aufopfernden Vaterlandsliebe der Helleneja,.dKirph 
dieWrir)Vte|!«a.th an dfex Sache der Frisibeit die überlästigen Raubkorden 
emlferojenzu kennen geglaubt, hatte ein zweitier Ephlaltts, ihm.de;rl bü^r 
qu^:nereni \üti gaaagbärern Fusspfad geageigt i, auf dem, einst Hydw-ixes 
djeh Gxiecihen iti den Rücken gefellen war; ein diphter Nebel, der tom 
Meej:!e[8«llstieg u^nd das Gebirge uu^hüUte, kam den Galliern trefflich ^u 
S|at1^i^,-sbda^Sf sie von den Phokern, welche den südlichen Pass bewUoh- 
ten, erst in unmittelbarer Nähe erblickt wurden ; Angst und Bestürzung 
bejpoäjQhtJglter sich der tapferen Vaterlandsverthieidig^r bei dJ^eser Träuer- 

. bot^cbaft uȊ yon ^iw'ei Seiten von dies Feindes Ueberma'cht eingeschlos- 
sefi'w^en siä rettungslos verloren gewesen..,; hätte sich nicht die athie- 
ni^ciie Flptte abermals durch den.Mperesächlamm mit unsäglicher Mühe 
^Siuif G^ist^de hingearbeitet uud 'das Heer aufgenommen« Aber die Folge 
war, da's^ sich die Hellenen auflösten und jeder Haufe unter seinem 
Strp[tegen in die 'bedrohte Heimath zurückeilte. 
.-: : In Besitz, diieser wichtigen Strasse theilte Akichorios seine Truppen, 

^jum ii^tht in* der Herbeischaffung von Lebensmitteli?, auf hemmende 

(Schwierigkeiten zu stossen; an der Spitze von 65Ö00 Mann zu Fuss 
wellti&er/s^lbßt gegen Delphi ziehfen, während Belgios die. Nachhut bil- 
dQi^d : ebendabin aber auf einem. anderen Wege und hach Vereinigung 
mit den nach Aetolien gesandten Truppen eintreffen sollte. Letzterer 
vermochte seine Aufgabe nicht zu losen; als er gewartet hatte bis zur 

. A^ikUnft von Orestorios und Kombütis, erschienen in seinem Rücken 
ZiUgleich die racheschnaubenden Aetoler., welche uhterstützt durch ge- 
nause £euntnlss des von Gebirgsketten durchzogenen Landes ihm sehr 
yieleci Schaden zufügten; eine offene Feldschlacht yei*mled das tapfere 

, A^tplerhäuflein, seitdem stürzte sich unvermuthet auf Nachzügler, hieb 
sie nieder und floh dann in das sichere Weichbild der Gebirge zurück. 
Sokorinte Belgios nur. in kleinen Tagemärschen das Land durchgehen, 

. während Akichorios ohne auf bedeutend eti Widerstand zu stossen, belebt 
d^rch die Aussicht auf . unermessliphen Gewinn schnell dem ersehnten 
^iel0 näher kam, zumal da auch die Führer des ihn begleitenden thes- 
salisi^faen, Raubgesindels^ ihn aufmerksam madbtten, "v^elch' ;grosse.G[e- 
fahr ihm längerer Verzug bereiten könnte, um seine Truppen zu grös- 
serem Muthe anzutreiben, gebrauchte er folgendes Mittel : Als ihm von 



. . ü J/mianum et Thessatorum dueesi gut se (ndpraedae sfocieiatem iünxertint, ^mpu- 
tari moros iubent, Justin 24, 7. (Nach Schoms.U.c, p. 3&« gl&nzender. JElmendatioa.) 



.»•-A* 



i' ^ >^^ \^ 



200 VI. Die Katastrophe bei Delphi. 

Weitem die hohen Statuen auf den Zinnen des Tempels goldig umstrahlt 
vom Sonnenlichte entgegenblitzten ^ liess er einige gefangene Hirten 
herbeiführen und sie durch einen DoUmetsch fragen , ob jene Standbil- 
der von edlem Metalle seien. Zu seinem Verdrusse vernahm er zwar, 
dass sie aus Erz gegossen nur mit einem dünnen Ueberzug von Gold be- 
kleidet wären^ bedrohte sie aber mit dem Tode , wenn sie ilavon andern 
verlauten liessen^ vielmehr sollten sie das Gegentheil versichern. Dar- 
auf berief er seine untergebenen Führer zusammen und legte ihnen die 
falsche Aussage der abgerichteten Gefangenen -vor , die sich bald wie 
ein Lauffeuer unter die Soldaten verbreitete und sie zum raschen Vor- 
dringen* ermuthigte. 

Es war gegen Ende der Herbstzeit , als die Barbaren in Fhokis er- 
schienen; die Emdtezeit war bereits vorüber und hatte die Speicher 
reichlich gefüllt, so dass Lebensmittel und Wein imUeberfluss sich dar- 
boten ; als aber die bestürzten Einwohner ihr Eigenthum zu retten such- 
ten, erging an sie der wohlberechnete Befehl von den delphischen 
Priestern, denen die thierische Trunkliebe der Feinde nicht unbekannt 
war, nichts fortzuschaffen, eine weise Massregel, die durch trefflichen 
Erfolg gekrönt wurde*. Denn als Akichorios in die üppig versehene Ge- 
gend einrückte, vermochte sein Feldherrnwort nichts über seine Leute, 
aufgelöst ergossen sie sich über die Dörfer und Villen und feierten in 
ihrer Weise einen Tag und eine Nacht hindurch eines ihrer vateriän- 
dischen Feste, so dass sie am folgen den Morgen meist noch in trunkenem 
Zustande dem Tempel sich näherten. Dieses vielbesungene Heiligthum, 
zu dem der Hellene in allen wichtigen und entscheidenden Augen- 
blicken des Lebens, wo menschliche Klugheit sich aus den verschlun- 
genen Irrgängen nicht mehr herauszufinden vermochte, wallte, lag* am 
südlichen Abhänge des Farnass; die ringsum majestätisch sich thürmen- 
den Felsen und Berggipfel, der Wiederhall, den man von allen Seiten 
vernahm*, gaben dem Orte unbewusst ein höheres. Ansehn und erfüll- 
ten das Gemüth mit geheimnissvollem Schauer. 

Bis hieher ist der Quellenbericht wahrscheinlich und glaubwürdig, 
jetzt aber verlässt er seinen natürlichen einfachen Charakter, wird trübe 
und entstellt und ohne Sichtung nicht brauchbar. Folgen wir dem Pau- 
sanias und Justin, so brach, als Akichorios sich zum Sturme anschickte, 
ein furchtbares Erdbeben aus , begleitet von tosendem Donner , der im 



1 Polyaen. 1, 35. — 2 Just. 24, 7. — 3 Vgl. die bekannten Beisebesohreibun- 
gen von Clarke Vll. p. 240 ff. Gell p. 183. Dodwell 1, p. 174. II, p. 507. Stuart 
(Antiq. of Athens) IV, c. 5. Kruse II, 2 p. 33. Besonders Leake II, p. 551 ff. Ul- 
richs Reise in Griechenl. I, p. 25 ff. Thiersch , Abb« 4er k. ba^ersch^n Aka4« ▼« 
Jahre 1840 p. 1. ff. — 4 Justin. 24, 6. 




§. 25. Neue Rüstungen der Gallier gegen Griechenland. 201 

Gebirg von doppelter Wirkung war, und zuckenden Blitzen , geschleu- 
dert, um gleichsam die Frevler zu verzehren. Gewaltige Felsstücke ris* 
sen sich los und donnerten ins Thal hinab, ganze Haufen der entsetzten 
Barbaren zermalmend ; der Götter Hand sollte aber auch sichtbar wal- 
ten ; Heroen verliessen ihre olympischen Sitze und stiegen herab , ihr 
HeiHgthum zu schützen: Hyperochos, Laodokos, F3rrrhos, zu ihren 
Häupten schwebten drohend drei lichte Gestalten in prächtigem Waf- 
fenschmucke, Apollo mit den jungfräulichen Göttinnen Athene und Ar* 
temis, dem gefährdeten Gotteshause Hülfe bringend, wie sie durch ihres 
Priesters Mund versprochen hatten*. So werden die Gallier von den 
Göttern vernichtet und die Griechen vollenden den Sieg, indem sie die 
moralisch vernichteten Schaaren niederhauen und Keinen die Heimath 
wieder erreichen lassen. Reinigen wir diese Berichte von den ihnen 
anhaftenden Fabeln , so wird sich der Verlauf des Krieges folgender- 
massen gestalten. Als Akichorios den entfesselten Trieben seiner Solda- 
ten hatte weichen müssen , hatte er den rechten Augenblick verfehlt, 
weil mittlerweile die Fhoker zur Yertheidigung ihres Heiligthumes 
sich aufgerafft; gehoben und begeistert durch das Vertrauen auf die 
Hülfe des Gottes, für den sie stritten, und unterstützt durch die genaue 
Kenntniss der Gegend, war bald ein Heer von 3500 Mann zusammen, 
zu denen, seit der Zauber von der Unüberwindlichkeit der Gallier ge- 
wichen war, aus den benachbarten Staaten Freiwillige hinzuströmten. 
Aus ihren Hinterhalten und Verstecken fielen sie dem durch die 
Schluchten ziehenden Feinde in die Flanken und richteten starke Ver- 
heerungen und Verwirrungen in seinen Beihen an, während andere Ab- 
theilungen auf den Höhen gewaltige Felsblöcke lösten und sie donnernd 
in das Thal schleuderten, die ganze Glieder zermalmend niederrissen. 
Als die Nacht einbrach, zogen sich die Griechen nach der festen Stadt 
Delphi zurück ; den Galliern verstrich sie furchtbar , denn es trat eine 
heftige Kälte ein, in den Lüften wogte ein Schneesturm und ein harter 
Frost lähmte ihre Glieder, zumal da sich auch ein bittrer Hunger ein- 
stellte, da sie die Vorräthe ohne an die Zukunft zu denken mit Gier auf- 
gezehrt hatten; und kaum erhob sich das leuchtende Tagesgestim über 
die beschneiten Bergkuppen, als die rastlosen Griechen wieder auf dem 
Kampfplatz erschienen und einen heftigen AusfaU auf den immer muth- 



1 Ohuciuntur eHam aaepe formae, qua» reapse nullae sunt, speeiem autem 
offeruntj quod oontigisse, Brenne dicüur eiuaque Gallicia copiis , cum fano ApoUinis 
Delfhici nhfarium heUum intulisaet. Tum enim haecfatam esse Pythiam : 

Ego provideho rem istam et albae virgines 
Ex quo factum, ut et vidererUur virgines ferre arma contra et nivß Gallorum ohrueretur 
exereitus, Cic. de Divinat. 1^ 37. 



202 VI. Die Katastrophe bei Delii^i. 

loser werdenden Feind machten^ der mit einer Niederiage desselbeti 
endete, nachdenr Akichorios eine nicht unbedeutesode Wunde erhaken 
hatte. Daher gab dieser den Angriff auf den Tempel auf und liess den 
Rückanig antreten, nachdem auf seinen Befehl alle Verwundete erwürgt 
waren, um dem Feinde nicht in die Hände zu kommen. Wiederum 
nach unablässigem Kampfe sank die Naoht auf diCiSttreiliendein hinab; 
allein die Gallier erschöpft von den grossen Mühen d^s Tages sollten 
nicht lange die Erquickung des Schlafes geniessen , geg^n Mittemaoht 
erhob sich in ihrem Lager ein blinder Lärm, der Feind nahe heran; 
schlaftrunken griffen die müden Krieger zu den Waffen und da sie wsh 
bereits angegriffen wähnten, kehrten sie das Schwert gegen einander 
und richteten ein furchtbares Blutbad an, welches erst die aufgehende 
Sonne beendigte. So gross war die Verwirrung gewesen, dass sie weder 
ihre eigenen hohen Gestalten, noch die heimathlichen Klange ihrer 
Muttersprache erkannt hatten. Basch verbreitete sich die Nachricht von 
den verhängnissvollen Vorgängen dieser Mordnacht unter die Griechen, 
die darin den strafenden Arm des rächenden Gottes erkannten und mit 
desto grösserem Eifer die Niederlage des Feindes fortsetzten. Aber auch 
ausserhalb des Kämpfes waren sie thätig, denselben zu vernichten, sie 
entfernten die Heerden aus seinem Bereiche und überliessen ihn der 
furchtbarsten Hungersnoth, so c^ss ebenso Viele durch Mangel und Ent- 
behrungen umkamen, als durch das Schwert selbst ^ 

Erst als die Gallier mit Belgios, der wegen der unausgesetzten 
Neckereien der Aetoler nur langsam hatte weiterziehen können, sich 
vereinigt hatten , :&ssten sie Muth, bewegten sich sicherer weiter nach 
dem verschanzten Lager bei Herakleia und gönnten sich einige Buhe. 
Akichorios aber, der es nicht ertragen konnte , . dass ein so glänzend be- 
gonnenes Unternehmen unter seiner Führung gescheitert sei, beschlostf. 
seinem Leben ein Ende zu machen , obwohl seine im Kampfe erhaltene 
Wunde bei einiger Pflege leicht sich schliessen konnte ; er berief seine 
Unterfeldherrn zu sich , legte seine Würde in Belgios' Hände ^ nieder. 
und gab ihnen den Bath, alle Verwundete zu tödten, die Wagen zu ver-. 
brennen und dann so schnell wie möglich in ihre Heimath zurücksu- 
kehren ; darauf liess er Wein hereinbringen , trank davon im Uebermass 
und zückte sodann den Dolbh gegen« die (^gne Brust. Sobald Belgios 
ihn zur Erde bestattet hatte, liess er alle Verwundete niederhauen und 
zog dann weiter gegen den Spercheios, den er trotz der Gegenaüstalten 
der Griechen , welche die Brüdke abgebrochen und das linke Ufer be- 
setzt hatten, mit Gewalt überschritt. Jenseits desselben trennte man~ 



I Paus. 10, 22. 23. Justin. 1. c. ff. — - 2 Diod. fragra. 22, 16. ..^ 



§. 26. Widerlegung der Nachrichten Diodors. 203 

sich, jBin Iheil j^ng nach Pai^noüien zurück^ ein zweiter dmng erobernd 
ia Thrakien ein^ während ein dritter in Griechenland und Makedonien 
verblieb und.das gewohnfe liebgewonnene Leben fortsetzte. Unten wer- 
den wir 8r€[ wiederfinden. ' ^ 

r » •• • " , . • - 

•■ '. • r ■ §• 26. 

Widerleg^g der Nacbtriehten Diodors , JuBtins und Fausanias' über die 
gänzliche^ Vernichtung d^^ Qallier. Das Gold von Tolosa und die daran sich 
knüpf emde Sage von der Mnnahme des delphischen Tempels. Plünderung 
des delpÜischki , ftnfpels durcA die Skordis^er. Belphiaügler in Make- 
donien. Anti^onof Öonnatas* gewinnt durch Hülfe umherschweifender GaJt- 
lier die makedonische Krone und vernichtet einen zweiten in Makedonien 

einbrechenden Gallierhaufen. Chronologisches. 

Es sind am Schlüsse dieses Abschnittes lioch zwei nicht unwich^ 
tige/ Punkte zu. besprechen: 1) die Nachrichten von der angeblich 
ganzKchen Vernichtung 4er Gallier, 2) das' sogenannte Gold von Tolosa. 

Gänzlich umgekommen seien die Galliet erzählen Diodor, Fau- 
sanias und Justin ^ £s kann durchaus, nicht in Abrede gestellt werden, 
dass die gallischen Reihen durch bedeutende Verltiste gelichtet waren ; 
ein tapferes Häuflein, kämpfend füf eine gute Sache, getragen von dem 
Bewusstsein durch und für einen Gott zu fetreit^n, gereizt durch un- 
menschliche Grausamkeiten und muthentflammt ;durch den G'edaibken: 
ati die hülflosen Seinigen vergisst bald seine geringe An;zahl und zieht 
beherizt dem übermachtigen Feiiid entgegen, siegesfrtodig^ weil auch die 
zerklüftetete Natur im Bunde ist; betrachtet man dagegen das pracht- 
volle schwer heranziehende und durch Erfolge' kühn gemachte Bttr- 
barenheer, geleitet von einem einsichtigen Ffihrer, so wird es Xiivör- 
derst sehr unwahrscheinlich, anzuiiehmen, dass' es einem Häuflein vott 
etwa 5000 Majin gänzlich erlegen. Man sieht, dass die Farben zu-^eU« 
aufgetragen sind zu einem Gemälde, bei welchem Dankbarkeit und Pie-' 
tat zwar, aber auch Patriotismus und eitle Ruhmsucht den Pinsel 
fahren. Diese Unwahrscheinlichkeit wird durch positive Gründe un- 
terstützt, indem jeder der genannten Schriftsteller sich in einen Wider- 
spruch verwickelt dadurch, dass er des Timaios Werk verlässt und bei 
der Verfolgung seiner Arbeit andere Öuellen benutzt, ohne dass ihm 
seine früheren Aussagen lebendig vor Augen schweben. Um mit Pau- 
sanias zu beginnen, so erzählt* er, wie die Aetoler den Galliern wegen 
ihrer gegen Kallion verübten Greuel eine statke Geldbusse auferlegen. 
Sicherlich hätte sich das schwergereizte Volk nicht mit einer solchen 



1 Diod. fragm. 22, 13. 16. Jusitin. 24, 7. 8. 27, 2. Paus. 10, 23. 



204 VI. Die Katastrophe bei Delphi. 

Bestrafung der unmenschlichen Baubhorden begnügt , wenn es sich 
stark genug gefühlt hätte^ eine Vemichtungsschlacht gegen die Barbaren 
zu wagen. 

Was zweitens Diodor angeht^ so gehört seine kurze Notiz über 
Apollodoros hieher. Als nämlich Sosthenes gefallen und so der make- 
donische Thron erledigt war, erhob sich wiederum ein vielfaches Bingen 
um denselben , aus welchem nach der gewöhnlichen Weise dieser Zeit 
durch Verrath und Treulosigkeit Antigenes Gonnatas als Sieger hervor- 
ging. In dieser Anarchie machte sich der durch seine Grausamk^t be- 
rüchtigte Apollodoros zum Tyrannen von Kassandreia , dem früheren 
Fotidaia ; er schaarte die Haufen der -in Makedonien herrenlos nach 
Beute abenteuerlich umherschweifenden Gallier um sich und nahm sie 
in seine Dienste. Konnte er aber mit den Resten eines aufgelösten zer- 
^rengten Heeres ein solches Unternehmen bewerkstelligen , so dürfen 
wir auch annehmen, dass die Marodeure in bedeutender Anzahl und 
ansehnlicher Masse noch vorhanden waren, zumal da er die eroberte 
Stadt auch gegen den mächtigen Antigenes behauptete ^ 

Was endlich Justin angeht, so widerlegt sich der gedankenlose 
Epitomator selbst und zwar am Triftigsten^. 

Das aber müssen wir bei allen Dreien als der Wahrheit gemäss be- 
richtet anerkennen, dass das Heiligthum zu Delphi yen den Händen 
der Qallier unberührt blieb, wie sehr sich auch anderweitige Belegstel- 
len vom Gegentheil bei den Alten finden *. Diese bewegen sich jedoch 
fast sämmtlich um das sogenannte Gcdd von Telosa, der Hauptstadt der 
Tektesagen in Gallien. Diese Stadt war weitberühmt wegen ihrer Beich- 
thümer, welche das Gerücht als die aus Delphi hergeschleppten Tem- 
pelschätze bezeichnete. Als aber die zürnende Hand ApoUo's schwer auf 
ihnen ruhete und eine Fest unter sie wüthen liess , habe man , wie der 
einem subjektiven Pragmatismus huldigende Timagenes* erzählt, die 
heiligen Geräthe zur Entsühnung des Volkes in einen Teich unweit To- 
losas versenkt. Bei der Eroberung der Stadt durch den Consul Q. Ser- 
viUus Caepie im Jahre Boms 648 plünderte dieser nicht allein den über- 



1 Diod. 22, 19. "On 6 avrog !dnolX6^wQOs Faldtas evgeav xal rot/rote onla 
di4ovg xal 6togealg tifi'^aas SogvtpoQoig ixQV'^o Ttiaxolg, — 2 Justin 32, 3. GalH hello 
adoersus Delphos infeliciter gesto , in quo maiorem vim numinum quam hostiuYn aen- 
serant, amisso Brenne ducepars in Asiam, pars in Thradam extorres fugerant Inde 
per eadem veatigiOf qua venerant, antiquam patriam repeüvere. Ihn bestätigen theil- 
weise Polyb. 4, 46. Appian. 111. 5. Athen. 6 p. 234. Soholiastes ad Callim. 1. c. 
Memnon 1. c. — 3 Valer. Maxim. 1, 1, 18. Justin. 32, 3. Aurel. Vict. 1, 73. Gel- 
liuB 3, 9. Cic. de nat. Deor. 3, 30. Oros. 5, 15. Athen. 6 p. 234. Cass. Dion 34, 97. 
Piod. 5, 32. V^l. Strab. 4 p. 1S8. — 4 Strab. 1. e. 



§. 26. Widerlegung der Nachrichten Diodors, JustmB und PauBanias. ^205 

aus reichen Tempel daselbst^ sondern Hess auch das versenkte Gold aus 
dem Teiche wieder zu Tage fördern^ so dass er eine Beute von 1500 
Talenten machte. Aber schon Poseidonios hat die Möglichkeit der Her- 
kunft der versenkten Schätze aus Delphi schlagend widerlegt. Zur Zeit 
der gallischen Invasion sei der Tempel unmöglich mehr im Besitze einer 
so ungeheuren Geldsumme gewesen ^ nachdem er im heiligen Elriege 
von den Fhokem geleert sei^ und wäre auch etwas genommen ^ sei es 
unter so Viele vertheilt worden ^ Daher erklärt man am Leichtesten die 
unermessliche Beute Caepio's aus der Plünderung des reichen Tempels 
zu Tolosa ^ so wie auch überhaupt aus dem Goldreichthum der Tekto- 
sagen und aus ihrer Gewohnheit^ ihre Schätze in Seen aufzubewahren. 
Als daher später die Bömer Herren des Landes wurden , verpachteten 
sie^ wohlbekannt mit dieser Sitte, die Teiche, die man dann abliess und 
mit grossem Gewinnste untersuchte. Da nun aber, wie man wusste, 
auch Tektosagen sich dem Raubkrieg gegen Griechenland angeschlossen 
hatten, glaubte man die gefundenen Gold- und Silberbarren nur durch 
eine Erstürmung des delphischen Heiligthumes deuten zu können, ohne 
darauf zu kommen, dass, wenn sie wirklich Tempelgut waren, sie ebenso 
gut aus den geweihten Stätten Thessaliens und Makedoniens entnommen 
sein konnten. 

Den übrigen Aussagen der Schriftsteller liegt jedoch historische 
Wahrheit unter; denn im Jahre 1 14 v. Chr. wurde der delphische Tem- 
pel wirklich von den Skordiskem geplündert, nach Appians ausdrück- 
lichem Zeugnisse * , und dieses Ereigniss , das auch nicht von den Rö- 
mern ohne Beachtung blieb, sondern durch einen blutigen Krieg ge- 
ahniiet ward, mag Anlass zu der Sage von der Plünderung des del- 
phischen Tempels gegeben haben. Die Chronologie des ersten Delphi- 
zuges unter Akichorios steht fest, er fallt in das zweite Jahr der 125. 
Olympiade, 279 v. Chr. *. 

Am Schlüsse dieses Abschnittes müssen wir noch einmal der in 
Makedonien umherschweifenden Delphizügler gedenken. Da aber die 
Begebenheiten nach der Katastrophe bei Delphi , wie sie bei dem ge- 
dankenlosen Justin weitergeführt werden , in ganz verworrener Gestalt 
vorliegen , weil er theils die wild bewegten Verhältnisse am politischen 
Himmel- Makedoniens nicht zu überschauen vermag , anderseits aber in 
Widersprüche mit früheren Behauptungen fallt, die er dann durch 
schnell erdichtete Thatsachen dem Leser verbergen will, so müssen 
wir mit Vorsicht zu Werke gehen und um das Verständniss nicht zu 



1 Appian. Ulyr. 5.-2 Paus. 10, 23, 9. 



206 VI. Die Katastrc^he bei DelplH. -' 

erschweren^ auf den inneren Zusammenbang der Ereignisse Bücksicht 
nehmen. 

Nach des Sosthenes Tode wurde die makedonische Krone der Ge- 
genstand der Wünsche von fünf Bewerbern ; die ältesten Ansprüche 
hatte Antigonos Gonnatas; er befand sich noch in Griechenland im Be* 
sitE einer starken Seemacht und vieler Städte des Peloponnes^ immerhiH 
jedoch in einer demüthigeliden Stellung den Königen von Aegypten 
und Syrien gegenüber ; ausser ihm rüstete sich Antiochos , Syriens Kö- 
nig ^ den Besitz seines Heimathlandes zu gewinnen, dessen Herrschaft 
ihm Ptolemaios Keraunos geraubt hatte. Im Lande selbst aber kämpf- 
ten drei Fraetendenten, Ptolemaios^ Aridaios und Antipater, warschein* 
lieh des Kassander Neffe. Von den drei Letzteren war dieser zwar so 
glücklich^ seine beiden Gegner zu verdrängen * , erfreute sich derer* 
rungenen Würde jedoch nicht lange. Buhig hatte Antigonos seinen 
Anstrengungen aus der Feme zugesehen in der Absicht, über den Sieger 
herzufallen, der seine besten Kräfte wider seine Nebenbuhler verbraucht 
haben musste ; als daher der Erbfolgestreit beendet war, erschien er mit 
seiner Flotte in Makedonien und zwang den Antipater nochmals das 
Waffenglück zu versuchen. Zuf&llig schweifte ein starker Grallierhaufe, 
der mit Weib und Kind ausgezogen war, um Beute zu machen oder sieh 
niederzulassen, in dem unbeschützten Lande umher; Antigonos hörte 
davon, unterhandelte mit ihrem Führer Bedorios und gab ihm das Ver«^ 
sprechen gegen Hülfeleistung seinen Leuten für den Kopf ein Gold- 
stück zu zahlen , welches er durch Geissein erhärtete. Bald war Anti* 
pater mit ihrer Hülfe bewältigt, aber nun forderten die Barbaren den 
gleichen Sold für jedes Weib, für jedes Kind; Antigonos aber nicht ge- 
willt dreifachen Sold zu zahlen , zugleich besorgt für das Leben seiner 
Geissein half sich durch eine List ; er Hess dem trotzigen Haufen seine 
Bereitwilligkeit erklären , auf ihre Forderung einzugehen und lud die 
Führer ein zur Empfangnahme zu erscheinen ; und da sie kamen , be- 
fahl er sie zu verhaften und nicht eher wieder herauszugeben, als ihre 
Untergebenen die Geissein in Freiheit gesetzt und den bedungenen Lohn 
ein Goldstück für den Soldaten angenommen hätten. So rettete er sich 
aus dieser Verlegenheit*. 

Antiochos aber konnte den Verlust seinem väterlichen Beiches nicht 
verschmerzen , er rüstete sich daher mit aller Macht das Verlorene wie- 
der zu gewinnen, aber auch Antigonos blieb nicht upthätig, er traf sorg- 
fältig die grössten Gegenanstalten und sah sich um nach Bundesgenos- 
sen ; Nikomedes König von Bithynien trat zu ihm, des Antiochos Hülfs- 



1 Dexipp. ap. Syncell. p. 514. --2 Polyaen. 4, 6, 18. 



§. 26. Widerlegung der NachTichten Diodox;^, Juatins und Pausanias. 207 

vCüker werden nickt genannt*. Dieser beschloss erst den Nikomedes siji 
zttditigen und .wandte >sich mit seiner ganzen Seemacht gegen ihn^ al- 
lein > es Icam^ zukeinier bedeutenden Schlacht; denn Antigonos zog seinen 
Bundesgenossen zu HüHe^ wie wir aus den vereinzelten aber glaubi- 
würdtgen Angaben aus Trogus' Prologen^ schliessen dürfen und besiegt^ 
seinen Gegner zur See'^ was den Frieden zur Folge hatte. Dazu muss 
ten beide Konige auch duxoh die gallische Gefahr bewogen werden^ denn 
während Leonnorios und Lutaribs im Begriffe waren nach Asien hin^ 
tiberzusetzen 9 wie wir unten näher besprechen werden^ hatte sich eine 
andere Horde wieder den Grenzen Makedoniens genähert. Daher eilte 
Antigonos schnell mit der Flotte aus Asien nach Makedonien heim , um 
dkib Barbaien ^ deren. Zahl Justin auf L5000 Mann zu Fuss und 3000 zu 
Boss anschlägt^ zu vertreiben. Woher sie gekommen sind^ lässt. sich mit 
Sicherheit nicht ermittein , sie wären entweder ein umherschweifender 
Trupp von Delphizuglern'/ oder aus. dem neu entstandenen keltischen 
Reiche in Thrakien, keiriesweges jedoch von Fannonien, von wo Justin 
sie herleitet; denn man erkennt leicht die lose verschlungenen Fäden 
seines Gewebes; in seipe früheren Aussageii verstrickt, von Timaios 
verlassen, sucht ör sich, um seine Erzählung vom ganzlichen Unter* 
gange der Brennusschaaren nicht aufzuheben durch diese Erdichtung 
herauszuziehen. Die eingebrochenen Gallier waren bereits bis zur Küste 
vorgedrungen, als sie des Königs^ Ankunft vernahmen, sie schickten da- 
her Gesandte an ihn, um einen Kauffrieden anzubieten ; er verschmähete 
denselben , zog aber die Abgeordneten an seine Tafel , wo er sie durch 
die ihn umgebende Pracht und den Werth des Tafelaufsatzes zwar blen- 
dete, aber auch ihre Lüsternheit gewaltig erregte; zugleich zeigte er 
ihnen sein Heer, seine Elephanten und seine stark bemannte Flotte, um 
sie zu schrecken; doch verfehlte er gänzlich seinen Zweck, denn die Ge- 
sandten schilderten den Ihrigen, was sie gesehen, und steigerten ihre 
Beutelust zu einer solchen Höhe, dass sie noch am Abend aufbrachen, 
um in der Nacht den , wie sie meinten , nichtsahnenden König zu über- 
fallen; allein dieser, mit dem Charakter des Raubgesindels wohl ver- 
traut hatte seine Massregeln getroffen und sein Heer theils auf die Flotte 
theils in einen nahen Wald gelegt. Erstaunt ein leeres Lager zu finden 
und' es der Furcht vor ihren Waffen zuschreibend plünderten sie es und 



1 Kttttt öh rovg avTovg xQovovg ""AvTioxtp t^ 2!€X€vxov xttl livTiyovü} t.(p ^rif^tj- 
tgiov fjteyaXiov ixaTigojS^iv atgaravfjitt'tüiv KviinaqaTaaaofJi^vüiv xivsltai 6 noXsfjiog 
xttl xQovov Ovxvhv xitT^TQtyjiV Gwe/ud/fi^ cF^ T^ f^^v o 77\g Bi&vvCttg ßaaiXevg ' 
Nixofji^3r]g , ^ivTio/q) (f^ noXXol €T€qoi. Memnon l. c. 18. — 2 Bellum, quod inter 
AHtfgonum Gonatam et Antiochum , Seiend ßlium, in Adia . gestum est. Trogi prol. 
24. — 3 Dh)genes Laert. 4, 39. vgl. Droysen Hellenismus, 2. Tbl. p. 174. Anm. 1^6. ]* 



'208 ^^* ^® Katastrophe bei Delphi. 

gingen dann vom Baube schwer an's Ufer^ um sich der Schiffe zu be- 
mächtigen; da erhoben sich plötzlich die Makedonier^ eingeschlossen 
zwischen zwei Heeren wurden sie gänzlich vernichtet; diurch diese 
glänzende Waffenthat säuberte der König sein Land von der furcht- 
baren Geissei und sein Name wurde von den anwohnenden Völkern ge- 
priesen ^ Diesea Ereigniss fallt Ol. 125^ 2, denn Trogus und Justin 
setzen diese Niederlage vor den Uebergang nach Asien , der nach der 
pünktlichen chronologischen Angabe des Tansanias Ol. 125^ 3 geschah. 
Und in der That stimmt hiermit alles überein ^ Eusebios' Kanon setzt 
den Begierungsanfang des Antigonos wirklich Ol. 125^ 2, während 
fälschlich Porphyrios die Dauer der vorhergehenden Anarchie 2 Jahr 
und 2 Monat ansetzt und des Königs Rückkehr nach Makedonien Ol. 
126, 1^ 

Hiemit schliessen wir diesen Abschnitt und wenden uns zur Dar- 
stellung der Wanderung nach Asien, zugleich in den dritten Abschnitt 
die Geschichte des gallothrakischen Reiches einbegreifend. 



1 Justin. 25, 1. 2. — 2 Vgl. Fröhlich, Annales regum Syriae\ ad annum 278 
a. Chr. n. ; Niebuhr, die armenische Uebersetzung des Eusebius p. 222. Anmerk. 
zur Tafel. 



Dritter Abschnitt. 

Die Gallier in Asien. 



Capitel VII. 

Das gallothrakische Reich am Ilaimos. 

,§; 27". 

Quellen über dleaen Abschnitt. Hieronymos von Kardia. Demetrlos von 
Byzaaz. Nymphis von Herakleia. Duris von Samos. Eratosthenes. 

Was zuvörderst die Quellen dieses Abschnittes anbelangt, so ist 
uns kein gleichzeitiger Schriftsteller für die Diadochenzeit erhalten, 
welcher theils bis in das Einzelne hinein die Entstehung des galatischen 
Reiches in Asien verfolgte, theils ihm im Laufe seiner Arbeit eine 
längere Aufmerksamkeit zuwandte; unsere Quellen sind daher nur Be- 
arbeitungen und Zusammenstellungen viel späterer Zeit oder einzelne 
Andeutungen, Notizen, Anekdoten, die auf dem weiten Trümmerfelde 
der alten Litteratur zerstreut umherliegen. Nur auf die Quellen ersten 
Banges schien es nothwendig etwas näher einzugehen, um die Grund- 
läge des Ganzen einigermassen zu sichern, jedoch nur in beschränkter 
Weise, so dass nur die Koryphäen unter ihnen besprochen werden sol- 
len ; die sekundären Quellen zu charakterisiren möchte zu weit führen, 
zumal da auch in neuerer Zeit des Trefflichen so Vieles auf diesem Ge- 
biete erschienen ist. 

Ich beginne mit Hieronymos aus Kardia; schon seinem politischen 
Auftreten nach gehörte er zu den bedeutenderen Erscheinungen der da- 
maligen Zeit; durch innige Freundschaft an seinen grossen Landsmann 
Eumenes gekettet leitete er mehrmals mit seltenem Scharfsinn Unter- 
handlungen mit Antipater*, begleitete seinen Freund auf seinen be- 



1 Diod. 18, 42. 50. 
C n t z e n , Wanderungen der Kelten. j[ 4 



210 VII. Das gallothrakische Reich am Haimos. 

• 

Rühmten Zügen nach dem oberen Asien und verliess ihn nicht eher , als 
bis das feile Heer seinen edlen Führer dem Äntigonos überliefert hatte. 
Dieser aber, der von des Mannes tüchtigem Geiste gehört hatte, 
wünschte ihn für sich zu gewinnen, er erzeigte sich ihm daher sehr 
gnädig und übertrug ihm eine Statthalterschaft in Asien * ; welche er 
nach des Äntigonos Tode mit einer Harmostie von Böotien vertauschte» 
Er verkehrte überhaupt in seinem thatenreichen Leben genau und viel 
mit den Diadochen und Epigonen, die ihn hoch in Ehren hielten, na- 
mentlich mit den Antigoniden ; auch dem Pyrrhos stand er nicht fem, 
so dass der gelehrte Sevin die Behauptung aufstellte , Hieronymos habe 
eine besondere Biographie dieses Königs geschrieben*. Er lebte bis in 
die Zeiten des Äntigonos Gonnatas hinein, denn sein Werk enthielt 
noch den Tod von dessen grossem Gegner Pyrrhos'. Seine Arbeit 
scheint denselben Titel getragen zu haben , wie die des Nymphis : IleQt 
^ke^dvÖQOv y,at twv diadox^'^ '^^^ ^^^ ^Eniyoviov*' und die bedeu- 
tende Rolle, die er gespielt hat, lässt seinen Verlust sehr schmerzlich 
bedauern. 

Etwas später als Hieronymos blühete Demetrios von Byzanz, der 
nach Diogenes von Laerte 1 3 Bücher über den Uebergang der Galater 
nach Asien verfasste * ; ein zweites Werk behandelte die Geschichte des 
Antiochos und Ptolemaios nebst einem Ueberblicke der damaligen Ver- 
hältnisse Libyens in acht Büchern ; letzteres bewegte sich besonders um 
den kyrenaischen Aufstand Magas', des Bruders von Ptolemaios und 
um den Krieg, den Magas in Gemeinschaft mit seiner Gemahlin Apama 
und seinem Schwiegervater Antiochos gegen Aegypten gefuhrt hat. Er 
scheint als gleichzeitiger Schriftsteller einen tiefen Blick in die verwirr- 
ten politischen Verhältnisse Asiens gethan und sie klar überschaut zu 
haben, weil er schwerlich sonst ein so umfangreiche» Werk hätte schaffen 
können. Nach ihm hat zuerst Eratosthenes den Galliern die Hülfs- 
mittel seiner unermesslichen Gelehrsamkeit zugewandt ; er schrieb über 
sie nicht weniger als 40 Bücher, in denen er jedoch mehr wegen der 
ihm näher liegenden Kunde der Verhältnisse seiner Vaterstadt die asia- 
tischen Gallier geschichtlich verfolgt haben wird , als die europäisdien^ 
wie dieses auch schon aus dem Titel des Werkes rakaviKÜ ersichtlich 
ist, der im anderen Falle KelTind gelautet haben würde. 

Auch die Schriften des Herakleioten Nymphis, der um OL 130 
blühete, sind verloren; Zeitgenosse der wirrevollen den ganzen Orient 



1. Flav. Joseph, contra Apion. 1. 23. — 2 Widerlegt von Schmidt '(2e fontt- 
biis ete, p. 27. — 3 Pausan. 1, 9, 10. — 4 Diodor bezeichnet ihn gewöhnlich ala 
lov rrjv Ti5v diiaSox^v lüTogiav yc/goffora, — 5 Diog. Laert. 5 p. 366. 



§.27. Quellen Ober diesen Abschnitt. 211 

erschütternden Vorgänge zahlt er jedenfalls zu den bedeutendsten Histo- 
rikern; von seiner Geistestüchtigkeit legt das grosse Ansehen in seiner 
Vaterstadt Zeugnias ab, wie das Zutrauen seiner Mitbürger, die ihn zum 
Chef einer Gesandtschaft an die gefürchteten Galater machten, wo er einen 
klaren Blick in die schwebenden Verhältnisse zu thun nicht ermangelt 
haben wird. Drei Schriften sind es besonders, die er herausgab: selten 
genannt wird sein IleQmXovg Idatag ^ wie auch seine zweite Arbeit 
liegt jike^dvÖQOv y,alTÜv /l ladoxfov TLal rijv ^ETttyoviav^ in 24 Büchern. 
Sein Hauptwerk ist die Geschichte seiner Vaterstadt : Tleql "^HQaxkelag 
ßißXia ly^. Ihn haben vorzüglich benutzt Polybios und Memnon. Von 
der übrigen zahlreichen Masse / nennen wir noch Duris von Samos, 
der zur Zeit des Ptolemaios Philadelphos blühete. Sein Hauptwerk trug 
den Titel ^Ellrivixd*' beginnend mit Ol. 102, 3. Da um diese 'Zeit Ma- 
kedonien noch gar nicht oder sehr wenig in den Gang der Ereignisse 
eingreift, so hat schon Vossius richtig vermuthet, es seien die Maxedoviycd 
von ihm dasselbe Werk mit dem ersteren, wahrscheinlich war ihr ge- 
meinsamer Titel ^laTOQiai. Aus den beiläufig einfiiessenden Bemerkun- 
gen bei Athenaios und Andern ]ässt sich mit ziemlicher Sicherheit die 
Anlage des Werkes folgern*; ein richtiges Urtheil über seine Glaub- 
würdigkeit zu fällen, ist schwierig: während Cicero ihn lobt®, spricht 
sich Dionysios von Halikarnass minder günstig über ihn aus'^. Das 
Dürftige, was wir von ihm noch haben, berechtigt uns, ihm vorzuwer- 
fen, dass er nach dem Geschmacke seiner Zeit kleinliche Dinge und 
anekdotenartige Charakterzüge aufnahm, es in Zahlenangaben nicht 
sehr genau nahm und so sich mehr durch Anmuth der Erzählung als 
durch tiefe Forschung ausgezeichnet haben mag. Wir sind daher meis- 
tentheils auf vereinzelte Andeutungen und zerstreute Angaben be- 
schränkt und oft genöthigt durch folgerechte Oombinationen festen Bo- 
den zu schaffen. 

§. 28. 

Die 20000 Qallier unter 17 Fürsten in ThraMen. Iieonnorios und Iiutarioa. 
Byzanz muss sich dureh hohe Tribute loskaufen. Zug der Qallier nach der 
Fropontis. Die Qallier setzen nach Asien über und retten dem Nikomedea 

sein Beich. Vertrag der 17 Fürsten. 

» Während der wildverheerende Strom der Gallier unter Akichorios 
sich über Hellas ergoss, schlug der 20000 Mann starke Haufe, der sich 



i Athen. 13, p. 596. — 2 Aelian. bist. an. 17, 3.-3 Vgl. Weichert, Leben 
des Apollonios von Khodos. — 4 Diod. 5, 60. — 5 Vgl. Clinton , fasti Hellen. 3 
p. 496 ff. — 6 Cic. ad Attic. 4, 1. — 7 Dionys. de comp. verb. 7. 

14* 



212 ^^^* ^^ gallotbrakische Reich am Haimos. 

im Därdanerlande vom Hauptheer getrennt hatte ^ die Richtung nach 
Osten ein und drang durch Thrakien gegen Byzanz vor. Siebenzehn 
Führer standen an der Spitze derselben , von denen die Geschichte uns 
nur den Namen der beiden vornehmsten , des Leonnorios und Lutarios 
aufbewahrt hat. Auch hier traten sie in gewohnter Weise auf, sie rangen 
in .blutigem Kampfe die Geten und Triballer nieder* und durchtobten 
beutegierig nach Sieger Art das unglückliche Land nach allen Rich- 
tungen ; brennende Dörfer und Städte bezeichneten ihren Weg. Na- 
mentlich musste das reiche Byzanz, um Ruhe vor den Schrecklichen zu 
haben, sich zu hohen Tributen bequemen, nachdem das WaiFenglück 
dem mächtigen Freistaat abhold gewesen war; so sehr gebrandschatzt 
und bedrängt wurde die Stadt, dass sie ihre Bundesgenossen^ um Hülfe 
angehen musste; die Herakleioten sandten 1000 Goldstücke. Darauf 
zogen die Gallier südwärts weiter, die Küste der Fropontis entlang und 
behandelten die reichen Handelsstädte in gleicher Weise wie Byzanz ; 
Lysimacheia am thrakischen Chersones fiel durch List in ihre Hände. 
Hier am Hellespont vernahmen sie die verlockendsten Berichte von der 
Fruchtbarkeit der lachenden Fluren Asiens und dem Reichthum der 
Einwohner. Lüstern geworden nach dem Besitze des herrhchen Landes, 
das sie vom Hellespont aus in reizender Anmuth vor sich liegen sahen, 
fassten sie den Beschluss hinüberzuziehen und wandten sich zuerst an 
Byzanz mit der Bitte , Schiffe zur Ueberfahrt zu leihen. Byzanz lehnte 
das Anersuchen ab , ebenso zauderte der Strateg der Seeküste ; daher 
ging Leonnorios unwillig über diese feindselige Haltung wieder rück- 
wärts bis Byzanz und begann sein altes Spiel , während Lutarios blieb, 
eine günstige Gelegenheit abwartend, seine Absicht durchzusetzen. 
Diese kam bald ; denn es erschien eine makedonische Gesandtschaft von 
Antipater, dem nicht lange nachher von Antigonos Gonnatas verdräng- 
ten Könige Makedoniens und landete mit zwei grösseren und drei klei- 
neren Schifien am Hellespont in der Nähe von Lutarios, mehr um ihn 
zu beobachten als mit ihm zu unterhandeln. Die Fahrzeuge aber liess 
der gallische Anführer in Beschlag nehmen und benutzte sie freudig, 
seine Truppen an das andere Ufer zu bringen , was ihm in. wenigen 
Tagen gelang. Dies wichtige Ereigniss geschah im Winter des Jahres 
279auf278^ 

Um diese Zeit brachen die Wirren um die Krone Makedoniens 
aus, schritten jedoch einer raschen Lösung entgegen; Antigonos hat 



1 "Dasfugatis Getarum THballorumque copiis bei Justin 25, 1 geht auf sie, nicht 
auf Kommontorios. — 2 Liv. 38, 16. Memnon 19. — 3 T(ß 6^ Ire* t^ iiftin^ 
/Iri^oxkiovg icQ/ovros ig rriv ^AaCav dtußnCvovai, Pausan. 10, 23, 9, 



§. 28. Die 20000 Gallier unter 17 Fürsten in Thrakien. 213 

den Antipater verdrängt und zieht gegen Antiochos seinem bithynischen 
Bundesgenossen mit der Flotte zu Hülfe. Während in den Gewäflsern 
des Pontos gekämpft wird, war Leonnorios wieder Tor Byzanz zu neuen 
Verheerungen und Brandschatzungen erschienen. Als aber der Friede 
geschlossen wurde zwischen den streitenden Mächten, kam eine Ge- 
sandtschaft des Königs von Bithynien Nikomedes zu ihm, der nach des 
Antigonos glücklichem Beispiele ihm glänzende Anerbietiungen machte, 
wenn er in seinem Heere dienen wolle; Zipoites von Thyana, unter- 
stützt von einer grossen Partei in Bithynien selbst war gegen Nikome- 
des in Empörung und trachtete nach der Krone ; am Bande des Verder- 
bens wandte Nikomedes sich an die kriegerischen Gallier , welche auf 
die gestellten Bedingungen einginge!n und sich von ihm an das andere 
Gestade d& Bosporos von Byzanz aus setzen liessen ; dort vereinigtet! 
sie sich mit Lutarios, der nach Ilion gezogen war, das ihm als Eaubburg 
dienen sollte, aber bald den unbefestigten Platz verlassen hatte, um ein 
abenteuerliches, umherschweifendes Leben fortzusetzen *. Der Vertrag 
mit den siebenzehn Fürsten lautete, dass sie immer Freunde und Bun- 
desgenossen des Nikomedes und seiner Nachkommen sein. Niemanden 
ihre Waffen leihen, ausser mit Zustimmung des Königs, immer- nur 
seinen Freunden helfen, namentlich den Byzantiern, Herakleioten, 
Chalkedoniern , Kieranern und Tianern und immer seine Gegner be- 
kämpfen wollten. So kamen die Gallier nach Asien , zwar nur 10000 
streitbare Männer, die aber bald das entnervte Asien mit dem Schrecken 
ihres Namens anfüllen sollten. Hier verlassen wir sie und wenden uns 
nochmals nach Thrakien, wo ein neues gallisches Reich kräftig Wurzel 
zu treiben begann. 



§. 29. 

Trümmer des grossen gegen Delphi ausgezogenen Gallierheeres gründen 
ein Königreich am Haimos. Kommontorios erster König. Baubzüge. By- 
zanz ihnen tributpflichtig. Verhältnisse des gallothrakiBchen Beiches; 
Grens^n. Die getische Steppe. Blüthe und Verfall des Beiches. Handels- 
krieg der Byzantier und Bhodier. Kavaros, letzter König von Tyle. 

Wie wir oben bemerkten, blieben bedeutende Gallierhaufen von 
dem Unglück bei Delphi verschont; nach dem Tode des Akichorios finden 
wir zwei keltische Befehlshaber genannt, welche die Flüchtigen aus dem 



1 'Hyrioiava^ ^k rovs ralartes mqatta&ivxag ix t^s EvQtonrjg avaßrjvcci fxkv 
dg Tiji' noXiv ö^ofiivovg igvfiatoe, TiaQo. XQW^ ö^ixXmeiv cfia to «Tf/jjfeaTov. Strab« 
12 p.,594. 



21^4 ^^^* ^^^ gallothrakische Reich am Haimos. 

unsichern Lande fortführen : Bathanatios^ geht nach Fannonien zurück, 
während Kominontorios sich mit dem grössten Theil der noch übrigen 
Truppen nach Thrakien wandte^; einzelne kleinere Haufen hatten sich 
bereits in Makedonien von der Masse losgelöst und es vorgezogen , in 
Baub und Plünderung das herrenlose Land zu durchschwärmen ; einen 
solchen nahm der Tyrann von Kassandreia ApoUodoros in Sold. 

Kommontorios stiess bei der Eroberung des Landes nicht auf grosse 
Schwierigkeiten ; Kerethrios hatte die Unterwerfung schon ziemlich 
angebahnt, Leonnorios und Lutarios sie beinahe vollendet ; die unbe- 
deutenden Ueberreste der vormals so glänzenden Herrschaft des Dro- 
michaites, Geten und Triballer mussten bald gegen die zahlreicheren 
Schaaren des neuen Feindes, der, ebenso consequent wie seine Vorgän- 
ger, die gleichsam ererbten Vortheile verfolgte, erliegen. Um die 
Grundlage der neuen Regierung zu sichern und dem unterjochten Volk 
seinen natürlichen Halt zu entziehen , mussten die thrakischen Eupatri- 
den auswandern , sie boten den Diadochen ihre Dienste an und wir fin- 
den sie wieder in den Heeren der Ptolemaier und Seleukiden'. Kom- 
montorios wurde in dem neu organisirten Staate der erste König, nahe 
am Haimos erbaute er seine Hauptstadt, die er Tyle nannte*. 

Von hier aus begannen die alten Baubzüge die benachbarten Völ- 
ker und Städte zu erschrecken ; alles was in dem Bereiche ihrer Waffen 
lag, rafften sie fort und erlaubten sich die furchtbarsten Brandschatzun- 
gen und Erpressungen ; persönliche Sicherheit war nur hinter den 
Mauern zu finden. Namentlich Byzanz, die Königin der Pontosstädte, 
gerieth in traurige I^age , schon hart mitgenommen von Leonnorios und 
Lutarios , musste es von Neuem unerschwingliche Lasten auf sich neh- 
men , die mit unerschütterlicher Frechheit eingetrieben wurden ; denn 
wenn die Aecker in Frucht standen , kamen jene raubend und sengend 
und nur mit neuen Tributen konnte man sie los werden; um ihr Gebiet 
frei zu halten, zahlten die Byzantier 3000, 5000 oft sogar 10000 Gold- 
stücke, was zuletzt in eine regelmässige jährliche Abgabe von 80 Talen- 
ten verwandelt wurde , welche bis zum Untergang des gallothrakischen 
Reiches gezahlt worden ist. 

Leider wissen wir nur Weniges von den Verhältnissen dieses 



1 Athen. 6. p. 234. — 2 Polyb. 4 , 46. ^ExCvriaav fxlv S/ua roig ttsqI Bq4wov 
ix T^f olxiCctg {pl niQi Kofiovx6Qiov),^ia(fvy6vxEs iSk tbvneqi ^€X(fovgx(viiwovxaX 
TTCiQayiVofitvoi ttqos top *EXXr^anovTOv, tig ^kv r^v *Aol(tv ovx iniQaicS&riaav, avtov 
dkxttjifjLUVttv. Vgl. Justin. 32, 3: extorres in Thraciam fUgeranU — 3 Athen. 13 
p. 593. Polyb. 5, 65. Polyaen. 4, 16. >- 4 Polyb. 4, 46. Andere Form ist Tylis 
Eustath. ad. II. ß, 295. Steph. Byz. s. h. v. 



§. 29. Gründung des gallischen Königreichs am Haimos. 215 

Seiches und seiner politischen Bedeutung^ allein sehr wahrscheinlich 
genossen die übrigen reichen Städte an der Proppntis und dem Bos- 
poros keine glücklichere Lage zu den Galliern ; zwar waren sie stark um- 
mauert, so dass jene sie weder ernstlich zu bedrohen noch zu belagern 
vermochten , aber ausserhalb ihrer Mauern besassen sie nicht unbedeu- 
tende Ländergebiete, von deren Erhaltung zugleich der Fortbestand 
ihres Handels abhing, so dass sie gewiss ebenfalls, um Buhe zu haben^ 
tief in den Staatsseckel hineinzugreifen genöthigt sein mochten. 

. Fragen wir nach der Ausdehnung des Beiches von Tyle, so diene 
zur Antwort Folgendes : Polybios ergeht sich zwar nicht in bestimmten 
Ausdrücken , aber eben , weil er der besiegten Thraker im allgemeinen 
Sinne, ohne beschrankenden Zusatz gedenkt, dürfen wir annehmen, 
dass sich die neue Herrschaft über das ganze Land erstreckte mit Aus- 
nahme der befestigten Seestädte ; schon aus der Lage der Hauptstadt ist 
dies ersichtlich ; der Haimos wird die Mitte des Beiches gebildet haben, 
weil man die Besidenz schwerlich an die Grenze gesetzt haben wird; 
mag dieses im Anfang der Eroberung auch weniger beachtet sein, .so ist 
darin doch nicht die Absicht zu verkennen, auch nach Norden hin sich 
auszubreiten. Was die südöstliche Küste Thrakiens angeht, so war sie 
weniger ihren Angriffen ausgesetzt, hier rangen, um Einfluss zu ge- 
winnen grössere Mächte, Syrien und Aegypten. Eifersüchtig wegen des 
raschen Umsichgi-eifens des ägyptischen Einflusses in Kleinasien und 
besorgt, dass derselbe sich auf die Seestädte des Hellespontes verbreiten 
werde, dachte Antiochos IL (Theos) ernstlich dai*an , seine Politik den- 
selben durch das Schwert aufzudringen ; in seinem Heere dienten viele 
thrakische Eupatriden, die um zwei Abkömmlinge ihres Königshauses 
Dromichaites und Tiris geschaart, ihm hier von grossem Nutzen waren ; 
in kostbarem blitzenden Waffenschmucke erschienen sie zum Kampf; 
als nun Antiochos Kypsela am Sinus Melas zu belagern begann und die 
Einwohner von ihren Landsleuten in der Muttersprache angerufen ver- 
nahmen, wie einträglich der Dienst bei den Seleukiden sei, ergaben sie 
sich dem Könige und wurden seine Freunde. Aus dieser Erzählung Po- 
lyuens * folgt, dass nicht bis hierhin der Einfluss der Gallier reichte. G«hen 
wir in der Zeit ein wenig weiter, so finden wir, dass die Verhältnisse, 
' wenn auch eine bedeutende Aenderung erleidend, doch in ihrer Hal- 
tung gegen die Kelten diesdben bleiben ; denn die Ptolemaier sandten 
eine mächtige Flotte nach der thrakischen Küste , um eine ägyptische 
Küstenherrschaft dort zu begründen , welche bald ausser Lysimacheia 
noch Maroneia und Abdera umfasste*; so versichert Polybios und ihn 



1 Polyaen. 4, 16. — 2 Polyb. 5, 34, 



216 ^^* ^^ gallothrakische Beich im Haimos. 

bestätigt die Inschrift von Adnle * ; dort heisst es nach Aufzahlung der 
Landschaften^ die »der grosse König Ptolemaios« von seinem Vater ererbt 
habe : » Er zog aus nach Asien mit Heeresmacht zu Fuss und zu Boss und 
Seegeschwader und troglodytischen und aithiopischen Elephanten» die 
sein Vater und er zuerst in jelien Gegenden erjagten und in Aegypten 
zum ELriegsgebrauche ausrüsteten; er machte sich dann zum Herrn aller 
Länder diesseits des Euphrates und Kilikiens , Famphyliens , Joniens, 
des Hellespontes ^ Thrakiens« u. s. w. Mussten die Ftolemaier in so 
grosser Ferne diese Städte als des Reiches verlorene Posten betrachten, 
so sind dieselben doch nie in den Besitz der Gallier gelangt; denn um 
Ol. 133 hatten sie ägyptische Statthalter und als einen solchen nennt 
uns Teles den berühmten aus seiner Vaterstadt vertriebenen Spartaner 
Hippomedon \' 

Genauer lässt sich die südöstliche Grenze des thrakischen Kelten- 
reiches nicht ermitteln; erfolgreicher muss das Auftreten der Gallier 
nach Nordost hin gewesen sein; hier lagen Salmydessos, ApoUonia, 
Mesembria, Städte einerseits bei weitem nicht im Besitz einer Macht 
wie Byzanz , anderseits viel näher dem Weichbild der gallischen 
Hauptstadt. 

Einzeln^chrichten haben wir direkt keine über Contributionen und 
Raubzüge, allein wenn der mächtige Freistaat von Byzanz ihnen nicht 
entgehen konnte, warum sollen sie sich eines besseren Looses erfreut 
haben ? 

Aber bevor sie nach dieser Seite Eroberungen zu machen im Stande 
waren, mussten sie das von den 1 7 Fürsten begonnene Werk vollenden : 
die Zertrümmerung des Reiches der Geten, welche hierhin sich über 
den Haimos zurückgezogen hatten ; wenn wir uns an das Frühergesagte 
zurückerinnern , so waren die Triballer durch den Andrang der Skor- 
disker aus ihren Sitzen vertrieben und gegen die Geten gedrängt ; diese 
dem Sturme nachgebend waren grösstentheils über die Donaii gezogen 
und hatten neue Sitze zwischen der Donau und dem Tyras (Dniester) ein- 
genommen S« ihre Abkömmlinge, die Daken, sassen dann nach Westen 
zu am linken Ufer des Flusses, beide Völker aber grenzten zusammen 
in den Umgebungen der Stromschnellen. Diese Geten fühlten im Nord- 
ost zuerst die wüthige Tapferkeit dex neuen Feinde und erlagen ihr, ihr 
Land wurde z^r Einöde , der Namen der gotischen Steppe (iQfifiia 
rettSv)^ bezeugt die gelieferten Schlachten und Niederlage, die erst 



1 Monum. Adulitan. ap. Chishull, Antiquitt. Asiatic. p. 79. Vgl. Wolf und 
Buttmanns Museum II, p. 105 ff. — 2 Teles ap. Stobae. flor. 2, 72. ed. Lips. - 
3 Strab. 7 p. 294. 295. — 4 Strab. 7 p. 305. 306. 



§. 28. Gründung des gallischen Königreichs am Haimos. 217 / 

von dem gewaltigen Boirebistes an den Bojen geröcht wurde. Die 
Ueberbleibsel zogen zu den Daken. Die berühmte Inschrift von Olbia* 
lehrte dass sich bis dahin der Schrecken ihres Namens und ihre Raub- 
züge verbreiteten; aus derselben lässt sich zugleich auch die Folgerung 
ziehen , datss^ da sie die Geten nicht erwähnt , die doch früher Olbia's 
Grenznachbaren waren und doch vor Olbia den Sturm der Gallier hät- 
ten erfahren müssen , diese bereits vernichtet waren , als das Psephisma 
zu Ehren des Protogenes gegeben wurde, und so ist es erklärlich, war- 
um Strabon, Diodor, Jornandes u. A. die weite Kluft zwischen dieser 
Katastrophe und dem neuen Erblühen des dakogetischen Reiches unter 
Boirebistes stillschweigend übergehen. 

Kurz nur ist die Blüthe des gallothrakischen Reiches gewesen, 
denn unter Kavaros Ol. 141 fiel es in Trümmer ; die innere Geschichte 
kennen wir gar nicht, nur einmal wendet sich Polybios auf längere Zeit 
zu demselben, jedoch leider nur bezugsweise und zwar vom Standpunkt 
der byzantischen Geschichte aus: es gab Anlass zu dem berühmten 
Handelskriege, der zwischen Byzanz und Rhodos ausbrach. Wenn wir 
in Erwägung ziehen, was Polybios^ sagt, dass die Byzantier in Ge- 
meinschaft mit den Galliern den Handel der Hellenen nach den Pon- 
tosländern nicht nur an sich zu ziehen, sondern auch ihn, wenn nicht 
gänzlich zu vernichten, doch* völlig gewinnlos zu machen vermochten, 
so verdienen sie keinen Tadel, wenn sie durch die drückende Schwere 
des Tributes sich genöthigt sahen , von den durch den Bosporos segeln- 
den Schiffen einen Zoll zu begehren und dadurch ihre alten Rechtsver- 
hältnisse zu brechen, zumal da sie bei den Hellenen vergeblich um Bei- 
steuer umhergesandt hatten. Im Anfange wurde der Krieg nicht ohne 
Jlrbitterung geführt; Bundesgenosse der Rhodier war Prusias, Bithyniens 
staatskluger Herrscher, dfer die Stadt von der Landseite angriff, während 
die Rhodier die Seeseite unter Xenophantos einschlössen; doch dauerte 
dieses nicht lange; denn einerseits waren die Byzantier von unkrie- 
gerischer Sinnesart, mehr zu heiterem Lebensgenüsse als zu harten er- 
müdenden Wachdiensten aufgelegt, viel lieber aus alter Gewohnheit 
die Weinhäuser besuchend*; musste ja ihr eigner Feldherr Leonidas 
bei einer Belagerung durch Antiochos II. Theos hinter den Zinnen 
Schenken aufschlagen lassen , um die braven Republikaner zusammen- 
zuhalten und die gefährdeten Mauern nicht zu entblössen*. Anderseits 



1 Wiener Jahrb. Bd. 20. 1822. — Koppen, OlbUches Psephisma zu Ehren des 
Protogenes. Bdckh, Corp. inscr. Nr. 2058. W. A. S. Schmidt, Olb. Pseph. zu 
Ehren des Prot, im Rhein. Museum für Philol. 1836. p. 357 ff. p. 571 ff. mit treff- 
lichem Commentar. ^— 2 Polyb. 4, 38. — 3 Vgl. Meineke , Menander p. 26. — 
4 Dämon bei Athen. 10 p. 442. Aelian. v. h. 3, 14. 



218 VII. Das gallothrakische Reich, im Uaimos. 

litt auch der Handel^ alle Betriebsamkeit wurde gelähmt und gerieth in 
Stocken ; als nun endlich ihr mächtiger Bundesgenosse y auf den sie zu- 
versichtlich gehoflft hatten , der König der Taurosländer Achaios keine 
Hülfe sandte und auch Kavaros besorgt wegen Verkleinerung des Tri- 
butes sich in's Mittel schlug y trugen sie den Bhodiern den Frieden an, 
welcher den Zustand vor dem Kriege wieder hervorrief*. 

unter eben diesem Kavaros wurde das gallothrakische Beich aufge- 
löst; eine allgemeine Schwäche muss eingetreten 8ein> welche die Thra- 
ker benutzten und rachevoll in den gänzlichen Untergang verwandel- 
ten. Forschen wir nach der Ursache des Falles eines so kräftigen und 
kriegerischen Volkes, so ist diese nicht weit zu suchen ; Polybios* schil- 
dert uns den König als einen Mann von friedfertiger Sinnesart , fast 
mehr Hellene als Gallier, der nicht wohl zum Lenker eines Staates sich 
eignete, der durch Waflfengewalt gegründet auf Waffen ruhete; mit 
seinem echt königlichen, hochsinnigen Gemüthe hätte er jeden anderen 
Staat zu beglücken vermocht ; dazu suchte er den Frieden zu schirmen, 
schützte die Kaufleute und sorgte dafür, dass ihre Schiffe unbelästigt 
ihre Strasse ziehen konnten. Diese Unthätigkeit nach Aussen hatte aber 
schlimme Folgen, er ergab sich einem verweichlichenden schlaffen Le- 
ben, liess sich von den Netzen eines niedrigen Schmeichlers, des Chal- 
kedoniers Sostratos, umstricken, und zog es vor den Lüsten zu huldigen, 
als nach seiner Altvordern Weise im heissen Lanzensturm sich heimisch 
zu fühlen. linxilis rex, talis grex. Natürlich konnte ein Beispiel von 
oben herab gegeben nicht ohne schädliche Einwirkung auf das Volk 
-bleiben, es ahmte das Wesen des Herrschers nach und gewann es lieb. 
Da waren die Gallier zum Untergang reif, sie erlagen bis auf geringe 
Ueberbleibsel, die allmählig mit dem siegenden Stamme verschmölze]}. 
Viel mag der friedliebende Sinn des Königs zum Sturze des Beiches von 
Tyle beigetragen haben, aber weit verderbenbringender war die Ein- 
richtung, dass fremden Staaten Freiheit der Werbungen gestattet war, 
welche das Mark des Landes zwar mit Gold aufwogen, aber ihm seine 
besten Kräfte raubten. Alle gallischen Söldner, welche um diese Zeit 
in den Heeren der grossen wie kleinen Fürsten dienten, kamen sämmt- 
lich aus Gallothrakien *. . Dazu waren die Zeiten sehr stürmisch ; nie 
ruheten die Waffen , Eifersucht und Ländergier lassen nie den Frieden 
aufkommen, nur Ermattung und gegenseitige Schwäche vermag ihn auf 
kurze Zeit herbeizuführen. Denn ein Zusammenhang unter den Beichen 
aus dem Hause Alexanders ist nie vorhanden gewesen; nicht in Ein- 
tracht, nicht in dem Streben nach Einem Ziele , nur in Zwietracht und 



1 Polyb. 4, 47 ff. — 2 Polyb. 8, 24. — 3 Vgl. Justin. 25, 2. 



§. 29. Gründung des gallischen Königreichs am Haimos. 219 

Zerstörung bat sich die Politik der Könige bewegt. Die Gedanken an 
das grosse Beich Alexanders blieben zu lebendig ; aber die kriegsgeüb- 
ten Trappen des grossen Makedoniers , mit denen er eine halbe Welt 
bezwungen, waren verschwunden, wildes Gesindel geneigter zum Baub 
als zum Kampf war an ihre Stelle getreten mit zweifelhafter Treue ; 
leicht bewegt von Gold und Launen gingen sie von dem Einen zum An- 
dern. In Thrakien aber fanden die kriegenden Mächte stets schlagfer- 
tige, kriegserfahrene- Mannschaft, geborene Soldaten, von Jugend an 
mit dem Waflfenhandwerk vertraut , sie bilden daher meist das Eliten- 
corps der Armeen, besonders der syrischen. So entblöste sich das Reich 
seiner eignen Vertheidiger , ohne den am innersten Lebensmark fres- 
senden Krebsschaden zu beachten; denn die Sache nahm gegen den 
Verfall der königlichen Herrschaft nur noch mehr überhand, so dass sie 
denselben noch beschleunigte, während man durch weise Gegenmass- 
regeln ihn vielleicht noch aufzuhalten im Stande gewesen wäre. 

Jedoch darf man nicht diese Zerstörung des Reiches wörtlich ver- 
stehen ; wohl hat das Volk grosse Verluste erlitten und nur ein kleiner 
Rest seiner vorigen Grösse ist zurückgeblieben, aber so mit Stumpf und 
Stiel, i§eq>d'dQf] wie Polybios sagt , wurde es nicht ausgerottet ; manche 
spätere galatische Söldner gehören dem thrakischen Reiche oder seinen 
Trümmern an , Mischungen und Verschmelzungen mit dem siegenden 
Stamme werden vorgegangen sein, wie sich aus Strabon mit hoher Wahr- 
scheinlichkeit entnehmen lässt*. Endlich erinnern an sie viele Namens- 
änklänge, Gallicum, Gallipolis, Gallos; von vielen Spuren der Art ist 
jedoch zu bemerken, dass wir nicht genau wissen, welcher Zeit sie an- 
gehören , sie können ebensogut aus Kassanders Zeit stamn^en , oder von 
Kambaules herrühren. 

Die Zeit des Unterganges wird nicht sicher bezeichnet , nur so viel 
scheint gewiss , dass es zur Zeit des Mithridates , dessen Herrschaft sich 
über die Nordküste des Pontes bis über Olbia hinaus erstreckte * , nicht 
mehr existirt habe. Doch das Hin- und Herziehen der Völker in jenen 
Gegenden und in jenen Jahrhunderten lässt wohl mit Recht einen viel 
früheren Sturz voraussetzen ; mit grosser Wahrscheinlichkeit setzt daher 
Schmidt^ in seiner scharfsinnigen Arbeit über das olbische Fsephisma 
das verhängnissvolle Jahr in das dritte oder vierte der 141. Olympiade 
(214—213 V. Chr.) 

Die Soldzüge der Gallothraken , welche entweder gar keine oder 



1 Meffrj/ußQivä 6k rd te ^IkXvQixa xal rd GQqxia xal oaa tovtois dvafJiifAixTat 
rmv Kskrixüiv ^ rivaiv aXlfov , fi^XQ*" tiJ? jEXAaJoff. Str. 7 p. 289. — 2 Niebuhr, 
kl. Sehr. I, p. 390. -^ 3 Rhein. Museum 1S36. p. 595. 



220 VIII. Die Oalater in Kleinasien bis zu ihrer Niederl age durch Antiochos I. 

nur vereinzelte oder vorübergehende Ansiedlungen zur Folge hatten/ 
gehören ihrer weitläufigen Auseinandersetzung nach nicht hieher, weil 
sie ein zu tiefes Eingehen in die Geschichte des Hellenismus erfordern. 
Alle, auch die geringsten Notizen hat Wernsdorf * gesammelt ; in prag- 
matischem Zusammenhang mit den gleichzeitigen Begebenheiten sind 
diese Soldzüge zu finden in dem klassischen Werke von Droysen*. 



Capitel Vm. 

Die Galater in Kleinasien bis zu ihrer IVIederlage durch 

Antiochos I. Soter. 



§. 30. 



Wirren und Erbfolgestreitigkeiten in Bithynien. Raubzüge der Gkdater 
durch Kleinaaien. Eroberung von Milet. Drei edle Jungfrauen geben sich 
den Tod. Einnahme von Ephesos durch Verrath. Ungeheure Beute der Oa- 
later. Ariamnes. 

Ueber Bithynien war gegen das Ende der 125. Olympiade eine 
wirrenreiche Zeit hereingebrochen. Der König des Landes Nikomedes 
einerseits hatte sich die Feindschaft des syrischen Königes Antiochos I. 
zugezogen, weil sein Vater Zipoites kurz vor seinem Tode verbündet mit 
Antigonos Gonnatas ein syrisches Heer in heimlichem üeberfalle ver- 
nichtet hatte?. Nach diesem Verluste rüstete Antiochos eine neue Streit- 
macht gegen des Zipoites Sohn Nikomedes , der gegen den furchtbaren 
Feind bei den benachbarten Staaten um Hülfe nachsuchte; die Stadt 
Herakleia am Pontos sagte sie zu gegen Abtretung von Tics , Kieron 
und der thynischen Lande. Um aber den misslichen Zustand des Niko- 
medes auf die höchste Spitze zu treiben, erhob sich als Kronpraetendent 
sein Bruder Zipoites und riss die den Herakleioten versprochene thy- 
nische Landschaft an sich; endlich begünstigte diesen auch das Volk*. 
So sah sich Nikomedes in einer bedeutenden Gefahr, als plötzlich die 
Gallier vor Byzanz erschienen und, wie bereits oben beleuchtet, hin- 
über geführt wurden; diese kämpften indess nur gegen Zipoites, der 
Krieg gegen Antiochos ward anderweitig entschieden. 



1 Gottl. Wernsdorf, de repuhlica Gdkitarum Itber singularis. Norimhergae 
1743. ->- 2 Joh. Gust. Droysen, Geschichte des Hellenisnms 2. Thl. Hamburg 
J843. — 3 Memnon 15. — 4 Memnon 17. 



§. 30. Wirren und Erbfolgestreitigkeiten in Bithynien. 221 

Die Galater bewältigten bald des Königs Bruder und brachten ^ 
die aufrührerischen Gemüther schnell zur Kühe ; zur Belohnung erhiel- 
ten sie indess nicht, wie Justin sagt, die Hälfte des Reiches, sondern 
nur die Beute der Besiegten nach Memnons bestimmtem Zeugnisse*. 

Nachdem ihre Dienste in dieser Weise von dem bithynischen Kö- 
nige vergütet waren, begannen sie wieder ihr gewohntes Baubleben und 
machten ganz Kleinasien erzittern vor dem Schrecken ihres Namens. 
Nach und nach müssen ihre Schaaren durch Zuzug aus dem Reiche von 
Tyle , theils durch versprengte Delphizügler sich verstärkt haben , sie 
theilen sich in drei Horden: Tolistobojer , Trokmer und Tektosagen* 
und verloseten förmlich Kleinasien bis^um Tauros gleich einer reichen 
Beute, so dass die Trokmer die Küsten des Hellespontes, die Tolisto- 
bojer Aiolis und Jonien, die Tektosagen die inneren Länder zu ihrem 
Raubreiche wählten. 

Bald zahlte ihnen Kleinasien hohen Tribut, den sogar die mäch- 
tigen Seleukiden nicht weigerten® ; doch darf man dieses nicht von re- 
gelmässigen Abgaben verstehen, man bequemte sich aus Feigheit und 
Trägheit zu Opfern, um momentan verschont zu werden. Wie weit sich 
diese abenteuerlichen Beutefahrten erstreckten , lässt sich nur aus zufal- 
ligen zerstreuten Nachrichten erkennen ; eine Schaar kam nach Milet, 
wo der Ruf ihrer Gräuelthaten drei edle Jungfrauen bewog , den Tod 
der Schande vorzuziehen ; ein rührendes Epigramm hat uns die Kunde 
ihrer hohen That erhalten : 

Lass uns trauern, Milet geliebteste Stätte der Heiraath, 
Weigernd die Forderung keltischer roher Gewalt ! 



1 Memnon 1. c. t»"/? 6h x^Q^S ingaTTjae, triv 6k alXipf XiCav tc5v rakarcav iav^ 
joTg 6ittvetfiafjifv(ov. — 2 Trocmi heissen sie bei Livius und Plinius , TQoxfioi bei 
Strabon und Appian, Tqvixfioi bei Ptolemaios, Tgo^fxoi bei Memnon. Tectosagea bei 
Caesar und Plin. Ttxroaayeg bei Strab. und Memn. Tectosagi bei Liv. — 'Tolisto- 
högii nach Handschriften des Plinius 5, 42; —hog%\%\. falsch; ToXiaro-ßfoyioi hei 
Strabon und Eratosthenes bei Stephanos von Byzanz, sowie auch auf einer Inschrift : 
jOLICTOBlU(y^a>v) , bei Franz (fünf Inschriften und fünf Städte in Kleinasien. 
Berlin 1840. S. 21.) Diefenbach (Celtic. 2, 1, p. 261) vermuthet in der ersten Hälfte 
des Namens eine Clansbenetinung und hält die Form Tolostoboji^ contrahirt aus 
Tolosato-, für die richtigere, da man auch den Namen in Galatien als Tolaartt x^Q^ 
bei Ptol. 5, 6. (7.) wiederfinde. Allein diese Annahme beruht auf Irrthümern. Denn 
einmal heisst Toulouse nicht Tolosato , sondern Tolösa , wovon Tolösates (die Be- 
wohner von Tolosa) abgeleitet ist, wie Desumates vofl Desuvia , Raoennates von Ra- 
venna, Dünate^ von Dünum, Ein Form toloato aus Tolosato ist daher ein Unding. 
Dann steht bei Ptolemaios nicht Tolaaia x^Q^ > sondern Tokaata xo>q(ov {castel- 
lum), Ueber die keltische Ableitung ,,st** vgl. Zeuss Gramm, celt. I, p. 761. Bei- 
spiele sind Mo laste, Vinastes, Veteston, Segeste u. s. w. Diefenbachs Hypothese 
fällt daher zusammen. — 3 Liv. 38, 16. 



222 VIII. Die Galater in ILleinasien bis zu ihrer Niederlage durch Antiochos I. 

Drei jungfräuliche Töchter der Stadt, die diesem Verhängniss 
Gallischer Zwangsherrscbaft beugte der eherne Mars. 

Denn nicht fügen wir uns unrechtlichem Bunde, des Werbers 
Brautlied hören wir nicht, besser dem Hades vermählt*. — 

. Auch iJphesos ward nicht verschont; die Galater eroberten die 
Burg durch Verrath , des Befehlshabers Tochter ward zur Verrätherin ; 
sie versprach den Feinden, das Thor zu öflFnen, wenn sie zum Lohn da- 
für die goldenen Binge und Spangen erhielte ; die eingelassenen Feinde 
warfen ihre Armbänder über sie zusammen und erdrückten die feile 
Dirne damit?. Ist diese Erzählung wahrscheinlich der ähnlichen von 
den Sabinern nachgebildet, so zeigt doch der Kern der Geschichte, dass 
auch Ephesos von dem neuen Elemente der Zerstörung zu leiden hatte. 
Nur der Tauros schien Schütz zu gewähren, denn bis Themisonion 
drang das Raubgesindel. Bei der Annäherung der Tektosagen verliessen 
die Einwjohner dieser Stadt aus Entsetzen ihre Wohnungen und flüch- 
teten mit Weib und Kind in eine Höhle auf dem Gebirge. Sie stellten 
Götterbilder vor den Eingang und glaubten nur durch deren Schutz ge- 
rettet worden zu sein*. 

So schweiften die Galater ein wahres Bäuberlehen führend unstat 
in Kleinasien umher , zwar nicht ohne einen gewissen politischen Ein- 
fluss ; denn die pergamenischen Fürsten konnten ungestört ihre Unab- 
hängigkeitsideen und Eroberungsgelüste verfolgen, begünstigt durch 
die allmählig eintretende Schwäche der Nachbarländer, während die 
Volksherrschaft der Städte den feindseligen Bestrebungen der grossen 
Machtinhaber gegenüber sich hob und kräftigte*. 

Ungeheuer und unberechenbar war der Raub und die Beute, welche 
aus diesen Zügen zusammenfloss ; einen Blick dahin lässt uns das Leben 
des einzigen Galaterhäuptlings Ariamnes thun, der so viel zusammenge- 
schleppt hatte, dass er seine gesammten Stammesgenossen ein ganzes 
Jahr hindurch prachtvoll zu bewirthen vermochte *. 



1 Anthol. Graec. 3, 23. 29. 

''£iiXOjbi€&* , (o MCXrjre, (f£Xrj TTaxQl, tojv ad-efiiatoav 

Ttfv avofiov FaXattov vßQiv ttvatvofievae. 
JlttQ^evixal TQiaaal nokii^Ti^eg, ae 6 ßiaarog 

KiXrmv eis tavTriv fioiQav iTQ€\f/€v uiQijs' 
Ov yccQ IfiiCvafjLiv alfi« to ^vaaeßhs oucT* vfiEvaCov 
Nvfiif>i0Vf aXX* *Ai'^T]V xri^efiov evgdf^e&tt. 
Vgl. Hieronym.' adv. Jovian. I. (ed. Marianus Victorius tom. II. p. 344. H.) Quü 
valeat silentio praeterire Septem Milesim virgines , quae Gallorum impetu cuncta vat- 
tante, ne quid indeeens ab hostibus sttatinerent, turpiiudinem ftigenmt. — 2 Klitophon 
ap. Plut. Par. min. 15. — 3 Paiisan. 10, 32, 5. -— 4 Twv ßamXimv rrfV rtSv no* 
X«av 6rifA0itQ(tTiKV a<ffX(Tv anov^aCoVTtov {raXtiriti) fxitXXov ai'tTjv fßeßaiew avrt- 
xa&iataf4€voi Totg inh^^fjuivoig. Memnon 20. — 5 Phylarch, ap. Athen. 4, p. 150. 



§.31. Sieg des'Xönigs von Syrien Antiochos I. über die Galater. 223 

§. 31. 

Sieg des Königs von Syrien Antiochos I. über die Galater. Prunkender 
Soblachtbericht Xiukians. List des syrischen Feldherrn Theodotas von Bho- 

dos. Anfänge des nachherigen Galatiens. 

Eine allgemeine Lähmung scheint die Konige Asiens befallen zu 
haben vor diesen schrecklichen Horden, bis sich Syriens Fürst An- 
tiochos I. ermannte und seine Länder von dieser Landplage zu befreien 
sich rüstete. Er schloss daher Frieden mit Antigenes Gonnatas und ent- 
sagte seinen Ansprüchen auf die makedonische Krone; ebenso fand er 
sich mit Nikomedes ab, um unbehindert den Galatern sich zuwenden 
zu können. Die einzige Quelle über diesen Krieg ist Lukianos ^ , aber 
auch er gibt weiter nichts über denselben als einen echt rhetorisch aus- 
geschmückten Schlachtbericht. Mit Uebermacht zogen die Galater dem 
zagenden Könige entgegen und stellten sich ihm in dichtgeschlossener 
Phalanx gegenüber in einer Tiefe von 24 Mann, dessen erste Reihe von 
geharnischten Kriegern gebildet wurde, während die in der Mitte und 
an den Enden stehenden ihre hohen Schilde vorstreckten, die wie eine 
eherne Mauer die Phalanx umblitzten; mitten aus der Schlachtreihe 
standen ausserdem bereit hervorzubrechen 80 vierspännige Sichel wagen 
und doppelt so viele zweispännige Streitwagen, während eine starke 
Reiterei von 20000 Mann auf beide Flügel hin vertheilt das Mitteltref- 
fen schirmte. Dieser trefflich gerüsteten Heeresmasse gegenüber, welche 
der Ruf ihrer Tapferkeit an Furchtbarkeit verdoppelte , fühlte sich der 
König schwach und nicht gewachsen ; muthlos wollte er das Schlachten- 
glück nicht erproben, sondern dem gefürchteten Feinde lieber einen 
ehrenvollen Frieden antragen, als den scheinbar ungleichen Kampf 
wagen, der zu seinen Ungunsten ausfallen musste, zumal da er nur kurze 
Zeit gehabt hatte zu rüsten und der grösste Theil seines Heeres aus 
Leichtbewaffneten bestand. 

Allein der König besass einen sehr erfahrenen in mancher Schlacht 
bewährten Feldherrn in Theodotas von Rhodos , der ihm jedes Unter- 
handeln abrieth und das Herz mit der Hoflnung des Sieges erfüllte ; im 
Heere waren nämlich 16 Elephanten, die dem Feinde verborgen gehal- 
ten erst dann in den Kampf sollten geführt werden, wenn das Handge- 
menge allgemein geworden wäre; hinter jeden Flügel stellte Theodotas 
vier dieser Thiere auf, während er die übrigen acht gegen die Wagen 
anwenden wollte, indem er die Wirkung der Elephanten auf die Pferde 
wohl kannte. Und sein weise entworfener Plan sicherte den Sieg. Denn 



1 Lucian. Zeuxis S if. De lapsn inter salut. 9. 



224 VIII, Die Galater in ILleinasien bis zu ihrer Niederlage durch Antiochos I. 

als in wildem Ungestüme die galatischen Reiter und Wagenlenker in die' 
syrischen Reihen einsprengten und grosse Verwirrung anrichteten, 
fahrte Theodotas seine Elephanten in den Kampf; wüthend drangen 
diese Ungeheuer in die Reihen der Gallier ein und verbreiteten 
Schrecken und Entsetzen. Die Rosse der Feinde wurden scheu und 
warfen ihre Reiter ab, die Sichelwagen richteten sich gegen die eignen 
Leute und was sich nicht durch die Flucht rettete, fand seinen Tod un- 
ter den Füssen der Elephanten , unter den Schwertern der ermuthigten 
Soldaten. Die Niederlage der furchtbaren Galater war entschieden, die 
Sieger aber stimmten auf dem Schlachtfelde den Päan an und bekränz- 
ten frohlockend ihren König; mit feuchtem Auge wies dieser gerührt 
auf die Elephanten hin und sprach : t) Schämen wir uns , o Soldaten, 
dass wir diesen sechszehn Thieren unsere Rettung verdanken ! Denn 
hätte ihre ungewohnte Erscheinung nicht den Feind erschreckt, was 
wäre aus uns geworden. « Aus Dankbarkeit liess er Münzen mit Ele- 
phantenemblemen schlagen \ 

So erzählt Lukianos; allein jedenfalls ist der Sieg nicht so glänzend, 
als seine rednerische Schilderung uns glaubhaft machen will , wie dieses 
aus den Folgen desselben hervorgeht; denn die Galater blieben nach 
wie vor ihrem schweifenden Leben getreu und betrachteten das Land 
bis zum Tauros als ihrer Plünderung preisgegeben , geschweige denn, 
dass sie Asien verlassen hätten ; dazu erhält die Erzählung einige nicht 
unerhebliche Verstösse ; wenn Lukianos sagt , die Galater hätten noch 
keinen Elephanten gesehen , so ist das unrichtig , denn Ftolemaios Ke- 
raunos ritt auf einem solchen; der glänzende Aufzug von 20000 gehar- 
nischten Rittern in stählernen Panzern sticht wunderbar ab gegen die 
früheren Berichte von der schlechten Bewaffnung der Gallier über- 
haupt; endlich woher die Streit- und Sichelwagen? 

Doch lässt sich gegen den Sieg selbst nichts einwenden, er wurde 
durch Münzen gefeiert, nur so viel darf man behaupten, dass er zu be- 
deutend und seinen Einzelheiten nach nicht historisch genau von dem 
Samosaten dargestellt ist. Auch die Frage ist schwer zu ermitteln , ob 
Antiochos in Folge dieses Sieges den Namen Soter abgenommen habe^ 
wie Appian behauptet*, weil dieser Beiname bereits in der sigeischen, 
offenbar vor dieser Galaterniederlage verfassten , Inschrift Erwähnung 
findet. 

Doch vereinigten sich die Fürsten Kleinasiens endlich und ver- 
ständigten sich über die zu treffenden Massregeln , um einige Buhe zu 



1} Als Lokal der Schlacht vermuthet Droysen nach Plin. 5, 30 Apameia Dameia 
in Kataonien 1. c. 2, p. 663. — 2 Appian. Syr. 65. p. 130. 



§• 32. Die damalige Politik Aegyptens. 225 

erkaufen; namentlieh erkannten die Nothwendigkeit derselben die 
Herrscher von Bithynien und Syrien und liessen sich zu Opfern bereit- 
willig finden ; schon hatten die Barbaren in der Landschaft zwischen 
den Quellen des Sangarios und dem Halys sich festgesetzt'^ man trat 
ihnen dazu einen Theil des bithynischen und einige Striche des phry- 
gischen Landes nach dem Halys zu ab ^ und schloss Verträge mit ihnen. 
Dies ist der Anfang des späteren Galatiens. 

So hatten sich die Ankömmlinge zwar einen schönen Landstrich 
ertrotzt 9 ihr wilder Sinn schien aber nicht auf so enge Grenzen be- 
schränkt werden zu können ; denn kurz nachher kehrten sie die Waf- 
fen , ohne sich an heilig beschworene Verträge zu halten , gegen An- 
tiochos und Nikomedes^ nach einer vereinzelten Notiz bei Trogus*, 
Darum hatten ihre Beutefahrten auch kein Ende , vielmehr waren sie 
mächtiger als je. Antiochos aber^ der nur durch einen Kranz von festen 
Städten hoffen konnte, ihre wilden Angriffe abzuwehren, legte vorsorg- 
lich Festungen an und zwar an den Strassen, die aus Phrygien nach den 
reichen Küstenstädten führten. 

Nach der Berechnung von Humfr. Prideaux geschah dieses im 
dritten Jahre nach der Einwanderung der Gallier. , 



Capitel IX. 

Weitere Schicksale der Galater bis zu ihrer Berührung mit 

den Römern. 



§. 32. 

I>ie damalige Politik AegypteuB, Ptolemaios 11. Fhüadelphos. Feindliche 
Stimmung zwischen Aegypten und Syrien. Auflstand desMagas vonK^ene. 
4000 GaUothraker auf der öden ITilixiaeL Der erste syrische Krieg. Ol. 129. 
Tapferkeit der Qalater. Niederlage der Aegjrpter ajn schwarzen Meer. 

Friede. 

So lagen die Galater zwar wie eine unorganische Masse in die Mitte 
Kleinasiens hineitigewälzt da, doch bildeten sie in einer Zeit, wo kaum 
ihr Gesammtstaat seine dürftigsten Grenzen erreicht hatte, bereits eine 



1 Sedem autem sibi ipsis circa Hcdyn ßumen ceperunt Liv. 1. c. — 2 Ilokkrfy 
in€l&6vr€g ;|fa»^crr av&ig «vextoQffOttP ual rrjs atgid-eCfffis avrotg an€tifivovTO iriv 
virp Takaxiav xaXovfiävtiv, Memnon. L c. -?*- 3 Ut Galli, . . bellum cum Anfioeho et 
Bühynie geeserinU Prol. 25. 

Contzen, Wanderangen der Kelten. 1 5 



226 IX* Weitere Schicksale der Galater bis zu ihrer Berührung mit den Körnern. 

Machte die sich sogar bei den benachbarten Grossmächten Syrien und 
Aegypten vielfach als Bundesgenossin erstrebt sah. 

Bei den jetzt folgenden Zeiten , die das Seleukidenreich aas seinen 
Fugen zu heben drohen, müssen wir nothwendig länger verweilen, 
theils um den leitenden Faden nicht zu verlieren, theils auch weil diese 
Periode die Verhältnisse Kleinasiens und die für die Galater ungemein 
günstig wirkenden Zustände am Klarsten verdeutlicht. 

Werfen wir einen kurzen Bückblick auf die damalige Politik Aegyp- 
tens, so war Ptolemaios II. Fhiladelphos mit Uebergehung seines älteren 
Bruders Ptolemaios Keraunos zur Herrschaft gelangt. Dieser hatte, wie 
bekannt, sich anderweitig für den Verlust der Krone zu entschädigen 
gewusst und sich durch Seleukos' Mord den Weg zum Throne Make- 
doniens gebahnt. Um seine Herrschaft zu sichern und die beiden 
Hauptbewerber Antigonos Gonnatas und Antiochos von Makedonien 
fern zu halten^ verwandte sein Bruder Ptolemaios Philadelphos einer- 
seits seinen ganzen Einfluss in Griechenland, um Antigonos zu beschäf- 
tigen, während der syrische König anderseits durch Einfalle in das süd- 
liche Syrien dorthin seine Aufmerksamkeit lenken musste. Als aber 
Keraunos in der Schlacht gegen die Gallier Sieg und Leben verloren 
hatte> verstiess Philadelphos, um Ansprüche auf die Seestädte Thrakiens 
und Kleinasiens zu gewinnen , seine erste Gemahlin Arsinoe und hei- 
rathete seine leibliche Schwester gleichen Namens , die Wittwe des von 
Seleukos in der Ebene von Koros geschlagenen und gefallenen Lysi- 
machos, welche von ihrem Gemahle Kassandreia^ und die Pontosstädte 
Herakleia, Tios und Amastris^ zum Geschenk erhalten hatte. Diese 
Vermählung ging ziemlich nahe vor 266 vor sich '. So herrschte zwischen 
diesen Mächten eine höchst bedenkliche Stimmung, die nur eines ge- 
ringen Anstosses bedurfte , um zum Ausbruche zu gelangen ; und bald 
sollten diese feindlichen Gelüste Befriedigung erhalten. Magas, der 
Halbbruder' von Ptolemaios Philadelphos, Statthalter von Kyrene, der 
eine Tochter des Antiochos Namens Apama zur Gemahlin hatte ^, em- 
pörte sich gegen seinen Bruder und zog gegen ihn zu Felde, aber in 
seinem Bücken erhob sich der Beduinenstamm der Marmariden und 
nöthigte ihn zu eiliger Bückkehr ; Ptolemaios aber konnte seinen Sieg 
nicht verfolgen , er hatte in seinem Heere eine Schaar von 4000 gallo- 
thrakischen Söldnern, die auf Hochverrath sann. Noch zur rechten Zeit 
entdeckte er es, liess sie umzingeln und auf eine öde Insel in der seben- 
ny tischen Nilmündung bringen*. 

1 Justin 24, 3.-2 Memnon 7. ^ 3 Vgl. Droysen, Zeitschrift fttr Alterthums^ 
Wissenschaft 1843. Heft I. — 4 Porphyr, ap. Euseh. Gräec. p. 1S5. — 5 Hieraof 
bezieht sich das räthselhafte Orakel bei Callimach. 1. c. 185: 



§.32. Die damalige Politik Aegyptens u. s. w. 227 

Als Antiochos aber sah, dass dieser Krieg dem Könige von Aegyp- 
ten wenig Nachtheil gebracht hatte, so mstete er selbst, um das süd- 
liche ihm entrissene Syrien wiederzugewinnen ; allein Ptolemaios kam 
ihm zuvor, siegreich durchsegelte seine glänzende Seemacht, während 
Antiochos sich mit aller Macht auf Aegypten zu werfen. suchte, das 
aegaeische Meer und vereitelte alle feindlichen Bestrebungen der Syrer ^, 
denn bis in den Pontes kamen aegyptische Schiffe; hier hatten die Ein- 
wohner von Tios ein Bündniss mit Aegypten geschlossen, wogegen je- 
doch die Könige von Pontos und Kappadokien Mithridates und Ario- 
barzanes auf Antiochos' Seite standen, denen sich ebenfalls Galatien an- 
geschlossen hatte. Besonders die Galater thaten sich hier sehr hervor ; 
die Aegypter wai'en ausgestiegen entschlossen eine Schlacht zu liefern, 
wurden aber geschlagen ; in wilder Verfolgung drangen die Galater den 
Fliehenden nach, bis an das Meer, nahmen ihnen die Anker ihrer 
Schiffe und gründeten auf dem ihnen zum Lohne ihrer Tapferkeit ge- 
gebenen Gebiete eine Stadt, welche sie nach -ihrem Siege Ankyra nann- 
ten^. Doch machte Ptolemaios diese Niederlage wieder gut durch die 
Eroberung von Damaskos;'da aber kam das Unglück bei Kos im gleich- 
zeitigen chremonideischen Kriege; Antigenes Gonnatas mit der Belage- 
rung von Athen beschäftigt, inmitten der höchsten Bedrängniss, Make- 
doniens beraubt, von einer ägyptischen Flotte, die bei Salamis stationirte 
unter Patroklos, beobachtet, war auf die Nachricht, eine neue ägyptische 
Hülfsflotte segele heran , dieser entgegengeeilt und hatte sie vernichtet. 
Dieser Sieg .veränderte bald die Lage der Dinge, Ptolemaios sah sich 
bald auf mehreren Punkten angegriffen, Damaskos ging verloren, Mä- 
gas von Kyrene suchte das Ungück seines Bruders für sich auszubeuten^ 
Timstände, die den Frieden rathsam erscheinen Hessen. So endete der 
erste sogenannte syrische Krieg, kurz vor Antiochos' I. Soters Tode, der 
Ol. 129, 4 oder 261 v. Ghr. erfolgte. 



ttl (T inl Ne^k(t) 
ii' nvQi Tohs (fOoäoiTCcg a7ronvfvGdvT«g iöovoai 
xiCaovjtti ßaütX^og tc^d^Xin ttoXXcc xafxovrog 
iaao/bitveti. Vgl. Fausan. 1, 7. 
In ihrem Exile scheinen sie eine Siedelung gegründet zu haben, weil angeblich ihre 
Nachkommen unter Ptolemaios Philopator dienen : awrixO^^i 6h SQCixcüv x«l FaXa- 
TtSv nXijd-ogy ix fjhv t(ov xaxoCxtüv xal raiv iniyovcov iig TiaaaQaxoatovg. Polyb. 
5, 62. — I Pausan. 1,7. — 2 Steph. Byz. v. BfQeiTxai und '^yxvgce. 



15 



22S I^' Weitere Schicksale der Galater bis zu ihrer Berührung mit den Römern. 



§. 33. 

Bithynischer Erbfolgestreit zwischen Zeilas und Tiboites, den Söhnen des 
Nikomedes. Zeilas König von Bithynien durch tolistobojische Qalater. 

Gering war zwar die Mitwirkung der Galater in diesem. Kriege, 
eine bedeutendere Rolle wurde ihnen im bithynischen Erbfolgestreite 
zugewiesen. Ruhig und unangefochten von den Seleukiden hatte Niko- 
medes furchtbar zugleich durch seine gallischen Freunde geherrscht; 
ein Beweis davon gibt die Gründung des prachtvollen Nikomedeia im 
Jahre 264*. Als er starb*, hatte er das Reich nicht seinem ältesten. 
Sohne aus erster Ehe Zeilas, sondern einem jüngeren, Tiboites bestimmt, 
von den arglistigen Ranken* seiner zweiten Gemahlin , die ihren Sohn 
mit dem königlichen Reife geschmückt zu sehen wünschte , zu diesem 
ungerechten Schritte verleitet. Zeilas^ dem wahrscheinlich nach dem 
Leben getrachtet wurde, war nach Armenien geflüchtet und harrte dort 
des günstigen Augenblickes , sein gutes Recht zur Geltung zu bringen. 
Als die Todesnachricht daher bei ihm eintraf, eilte er herbei und unter- 
stützte seine Ansprüche durch ein tüchtiges Heer, dessen grössten Theil 
tolistobojische Galater bildeten. Allein Nikomedes hatte , um der Ver- 
nichtung seines letzten Willens vorzubeugen ausser den Städten Byzanz, 
Herakleia und Tios noch die Könige von Aegypten und Makedonien zu 
Vormündern des königlichen Erbprinzen eingesetzt ; auch die Bithynier 
waren gegen Zeilas, erhoben sich für das Testament und vermählten die 
königliche Wittwe mit dem Bruder des Verstorbenen. So entstand dann 
ein blutiger Bürgerkrieg, in wechselvollen Kämpfen wurde gestritten, 
deren genaue Kenntniss uns jedoch abgeht^. Das Ende derselben- we- 
nigstens war für Zeilas günstig, denn die Herakleoten des steten Rau- 
fens müde traten als Vermittler auf, der Kronpraetendent erreichte 
seinen Zweck*, während Tiboites nach Makedonien ging, ohne jedoch 
sich seiner Ansprüche zu begeben. Aegypten scheint es verschmäht zu 
haben, die ihm übertragene Rolle zu versehen , zumal da die pontischen 
Küstenländer nur sehr schlecht zu dauernden Eroberungen sich eigne- 
ten ; vielmehr suchte es dadurch in Bithynien Einfluss zu gewinnen, 
dass es den Zeilas als rechtmässigen Herrscher des Landes anerkannte, 
und ebendahin scheint Ptolemaios die Freistaaten am Pontos gebracht 



1 Euseb. Chron. Graec. p. 351. Athen, h, p. 20. — 2 Ol. 132, 2 oder 3 ftllt 
sein Tod nach Sevin, M6m. de l'Acad. des inscr. XV, p. 34. — 3 Memnon's kurze 
Worte darüber lauten : av^vatg S^ fjuix^ig xnX fieraßoltug iKareQoi anoxQUOafjitvoi 
ro TiXivratov xaT^aTtjauv tig öiaXvasig. Memn. 22. — 4 Phylarch. ap. Athen. 2, 
p. 58. 



§. 34. Antiochos II. Theos feindliche Gesinnung gegen Aegypten u. s. w. 229 

zu haben. Bevor die Galater heimkehrten , durchzogen sie nach ge- 
wohnter Weise verheeren^ und plündernd das Gebiet von Herakleia. 



§. 34. 

Antiochös' n. Theos feindliche Gesinnung gegen Aegypten. Zweiter syii» 
scher Krieg. Friede. Antiochös verstösst seine Gemahlin Uacdike und hei» 
rathet Berenike , Tochter Ftolemaios' II. Die furchtbaren Scenen im syri- 
sehen Königshause. Berenike und Antiochös ermordet. Neuer Krieg der 
Seleukiden mit Aegypten. Antiochös Hieraz und Seleukos n. Erster Bru- 
derkrieg. Theilnahme der Qalater auf Seiten des Antiochös Hierax. 
Schlacht bei Ankyra. Friede zwischen den Brüdern. Aufstand der Stra- 
tonike. 239 V. Chr. 

Auf Antiochös I. folgte sein gleichnamiger Sohn Antiochös II. 
mit dem Beinamen Theos. Auch er erbte die feindselige Gesinnung 
gegen Aegypten und beschloss die entrissenen Kronlän der Syriens wieder 
Zugewinnen. Aber auch er musste wieder die Ueberlegenheit seines 
Feindes fühlen und dieser sogenannte zweite syrische Krieg führte ihn 
an den Rand des Verderbens*. Die überlegene Flotte Aegyptens war 
mit entscheidendem Erfolge Äur völligen Eroberung der Küstenland- 
schaften am aegaeischen Meere verwandt, wie die vielen ägyptischen 
Colonien, in Kilikien, Pamphylien und Lykien beweisen; dies er- 
streckte sich fast bis Byzanz, denn Ephesos musste eine aegyptische 
Besatzung einnehmen, befehligt von Ptolemaios' eignem Sohne ^, Milet 
erhielt einen von Aegypten abhängigen Tyrannen Timarchos^, beide 
Städte aber standen mit einander in Verbindung durch das in der Mitte 
liegende Magnesia, das Kallikratidas von Kyrene durch einen glück- 
lichen Handstreich eroberte*, während diese Besatzungen an der Flotte, 
welche an der nahen Insel Samos die gelegenste Station fand , den ge- 
eigneten Haltpunkt hatten*. Der Krieg musste daher für Syrien un- 
glückselig enden , bis gegen Ende desselben einige günstige Umstände 
den Antiochös nieder- Hoffnung fassen liessen; der Einfluss Make- 
doniens, das ebenfalls im Besitze einer glänzenden Seemacht eine Art 
Hegemonie im ägaeischen Meere beanspruchte, sowie auch besonders der 
Abfall seines Sohnes in Ephesos und des Timarchos in Milet machten 
den König von Aegypten zur Nachgiebigkeit geneigt, er schlöss Frieden 
mit dem Seleukiden , indem er seine Tochter Berenike mit reichen Ge- 
schenken nach Pelusium brachte und sie jenem zur Frau gab^. Dies 
geschah zwischen 250 und 247. 

1 Theocrit. 17, 86. — 2 Trogi prol. 26. — 3 Appian. Syr. 65. — 4 Polyaen. 
2, 27. ~ 5 Vgl. Droysen 1. c. p. 289 ff. — 6 Polyb. ap, Athen. 2, p. 45. — Hiero- 
nym. comment. in Daniel. 12, 5. 



230 ^^* Weitere Schicksale der Oalater bis zu ihrer Berührung mit den Römern. 

Daher verstiess Antiochos seine erste Gemahlin Laodike^ Tochter 
des Achaios^ die ihm bereits zwei Söhne geboren hatte : Seleukos und 
Antiochos, und entzog diesen dadurch die Ansprüche auf die Nach- 
folge. Aber diese Ehe wurde eine reiche Saat der Zerstörung für Syrien ; 
denn da Antiochos II. wohl nicht mit Unrecht fürchtete, die Politik der 
Lagiden suche sich hinterlistig in sein Haus einzuschleichen, rief er 
Laodike zurück an sein Hoflager, das sich in der IJähe von Ephesos be- 
fand, während Berenike mit ihrem neugeborenen Sohne zu Antiochien 
in Syrien weilte. Kachedürstend folgte sie der Einladung ihres könig- 
lichen Gemahles ; um nicht noch einmal als ein Opfer der Politik zu fallen, 
vergiftete sie dann ihren Gatten, während eine bestochene Amme den Sohu 
der Berenike zu Antiochien ermordete und dem Kinde die junge Mutter 
trotz der heiligsten Schwüre kurz darauf nachsandte ^. Diese scheuss- 
lichen Unthaten riefen alsbald den dritten syrischen Krieg hervor. Pto- 
lemaios III. Euergetes bot alles auf, um den grauenvollen Mord seiner 
Schwester und seines Neffen zu rächen Lange Rüstungen zu einem 
entscheidenden Schlage gingen dem Kriege vorher; von zwei Seiten 
scheint Syrien angegriffen zu sein ; während die ägyptische Flotte Kili-, 
kien , Pamphylien , Lykien und Karien eroberte , bemächtigte sich das 
Landheer, vom Könige selbst geführt, der Länder diesseits des Euphra- 
tes und drang sogar bis Baktra vor*. Eine Empörung^ in Aegypten 
hemmte den Siegeslauf^, Ptolemaios kehrte heim, nachdem er den Spar- 
taner Xanthippos zum obersten Satrapen der eroberten Länder einge- 
setzt hatte. Ol. 134, 4. 

So war Seleukos II., mit dem Beinamen Kallinikos, der seinem er- 
mordeten Vater in der Herrschaft nachgefolgt war, auf Ly dien, Gross- 
phrygien und die südöstlichen Satrapien seines Reiches beschränkt» al- 
lein die Eroberungen des Lagiden waren mehr dem Scheine nach glän- 
zend und blendend , in der Wirklichkeit aber sehr unsicher ; Seleukos 
brauchte nur jenseits des Tauros zu erscheinen , um sofort einen allge- 
meinen Abfall von der aufgedrungenen Herrschaft hervorzurufen , und 
die Gründung von Kallinikon zeigt, dass er 242 bereits so weit am 
Euphrat Besitz ergriffen hatte, dass Xanthippos ausser aller Verbindung 
mit Aegypten sich befand. Jetzt tritt Justin* mit seinem gedankenlosen^ 
abgerissenen Berichte ein : Seleukos habe nach Ptolemaios* Abzug eine 
grosse Flotte gegen die abgefallenen Städte gerüstet, der Sturm aber 
habe sie ihm zerschellt, mitleidig über sein Unglück hätten sich die 



1 Phylarch. ap. Athen. 13, p. 593. Hieronym. 1. c. 11, 6. Plin. 1, 12. Valer. 
Max. 9, 10, 3. n, U, 6.. Justin. 27, 1. Polyaen. 7, 50. — 2 Inschrift Yon Adule 
bei Chishull 1. c. - 3 Justin. 27, 1. — 4 Justin. 27, 2. 



§. 34. Antiochos' II. Theos feindliche Gesinnung gegen Aegypten u. s. w. 231 

Städt^e ihm wieder unterworfen und ihn unterstützt ; vermuthlich habe 
darauf der König gegen Euergetes eine Schlacht gewagt ^ aber sie ver- 
loren und sich nach Antiochien zurückziehen müssen; jetzt habe er 
seinen Bruder Antiochos zu Hülfe gerufen und vor der Macht der ver- 
einigten Brüder sei Ptolemaios gewichen und ein Waffenstillstand von 
10 Jahren geschlossen. 

Mit diesen dürren Worten schildert Justin die wichtigen folgen- 
schweren Ereignisse mehrerer Jahre und drängt darin die buntesten 
und wechselvollsten Thatsachen zusammen. Um den leitenden Faden 
in der Hand zu behalten , >müssen wir wenigstens in allgemeinen Um- 
rissen versuchen^ diese Trümmer in Zusammenhang zu bringen*. 

Während Seleukos in Asien um den Besitz seiner Kronländer rang 
und Ptolemaios sich bald wieder auf Phoinikien und Koilesyrien be- 
schränkt sah;, hatte Antiochos , Seleukos' Bruder, ob seiner räuberischen 
Gesinnung Hierax genannt, nicht zufrieden mit den Satrapien Klein- 
asiens das königliche Diadem sich um die Stirn gelegt, eine Eigen- 
mächtigkeit, die grimmige Zwietracht in das Haus der Seleukiden tra- 
gen musste. Diese wusste Ptolemaios dadurch weislich zu nähren, dass 
er ihm das ohnehin schwer zu behauptende Kilikien überliess^. Ausser 
dem Könige Aegyptens gewann er sich die Freundschaft seines Oheims 
mütterlicher Seits, des Alexander, d^r in Sardes befehligte und ihm 
diese überaus wichtige Stadt, den Schlüssel zum vorderen Asien, über- 
lieferte * und zwar durch den Einfluss der Laodike. Ptolemaios aber, 
unbekannt, aus welchen Gründen, verhielt sich unthätig gegen die 
energischen Schritte des Königs im Morgenlande*, so dass dieser sein 
ganzes Reich bis auf Parthien und Baktrien, die sich jetzt ablösen, 
wiedergewann. 

Jetzt wandte er sich nach Kleinasien zurück, um seinen Bruder zur 
Pflicht zurückzuführen und die Taurosländer wiederzugewinnen, indem 
er zugleich auf die günstige Stimmung der Städte hoflTen mochte. Jetzt 
bricht eine schreckliche Zeit über Syrien herein , die der gegenseitigen 
Zerfleischung und der bittersten Zwietracht, von der Ptolemaios still er- 
freut grössere Erfolge erwarten durfte, als von seinen Waffen. An- 
tioehos hatte in Galatien Werbungen anstellen lassen und ein starkes 
Hülfsheer von dort erhalten; vertrauend auf seine Uebermacht rückte 
er dem Könige nach Lydien entgegen, wurde aber von ihm in zwei 
Schlachten aufs Haupt geschlagen ; doch waren die Früchte des Sieges 



1 Vgl. die meisterhafte Darstellung von Droysen 1. c. p. 354 ff. — 2 Niebuhr, 
Kl, Sehr. p. 277. — 3 Euseb. Armen, p. 346. — 4 »Und Jahre steht er ab von dem 
Könige des Nordens«, Daniel 11,8.^ 



232 IX> Weitere Schicksi^la der Oalater bis zu ihrer Berührung mit den Bömem. 

verbal tnissmässig geringe zwar ergaben sieb dem Könige die grosseren 
Seestädte, allein «Sardes und Epbesos hielten sicb^. Nacb diesen Siegen 
wandte sieb Qeleukos gegen Mitbridates von Fontos, zu dem Antiocbos 
Hierax sieb bingeflücbtet , wie es scb^int. Denn der pontiscbe König 
hatte eine Tochter aus dem Seleukidenbause gebeiratbet und Gross* 
pbrygien zur Mitgift erbalten*; besorgt lun dieses Land und in der 
Hofinung durch Unterstützung des flüchtigen Königssobnes die Sicher- 
heit des Besitzes zu fördern y erhob er sich für diesen und bewog auch 
die Galater sich dem Kampfe anzuschliessen. BereitMdllig sagten sie 
ihre Hülfe zu, gerne halfen sie an dem Werke der Zerstörung, nachdem 
sie mit Lust in den Streit geschaut, der das Herrenthum in Asien ver- 
nichtete und dem Schwerte die höchste Geltung gewann ; konnten sie 
doch ungestörter dem Saub und der Verheerung leben, wenn keine 
mächtige Hand sie gebieterisch in die engen Schranken ihres Landes 
zurückwies und mussten sie doch in dem furchtbaren E^ampfe , der Sy- 
rien durchbrauste, von einem Ende bis zum andern, der. Parthien und 
Baktrien zur Unabhängigkeit erhoben hatte, selbst eine günstigere Stel- 
lung annehmen ! Daher ergriffen sie mit Freuden die Gelegenheit , das 
Ihrige an der Zertrümmerung der Seleukidenmacht beizutragen und 
bildeten den Kern des Heeres, das Antiocbos Hierax zusammen brachte» 
Bei Ankyra kam es zu einer gewaligen Schlacht; das siegesmutbige^ 
tapfere Heer des Seleukos erlag der Uebermacht der Feinde ; ergeben 
seinem Könige hatte es das Uebermöglicbe geleistet und Wunder der 
Tapferkeit verrichtet, denn der verhängnissvolle Tag endete mit dem 
Tode von 20000 Syrern^; Seleukos selbst glaubte man unter denTodten, 
und geraume Zeit blieb er verschwunden ; seine Gemahlin Pysta aber 
fiel gefangen in des Feindes Hand *. Allein sie hatte ein dürftiges Ge- 
wand umgeworfen und Niemand erkannte die Königin. Als Sklavin 
nach Khodos verkauft gab sie sich zu erkennen und wurde unter den 
schmeichelhaftesten Ehrenbezeugungen von da nacb Antiocheia ge- 
bracht, wo der König sich wieder gezeigt hatte. Antiocbos Hierax aber 
bewies wenigstens, dass seine Bruderliebe noch keinen Schiffbruch ge- 
litten, denn bei der Todesnachricht des Seleukos entkleidete er sich 
seines Purpurs, legte Trauergewänder an und verschloss sich in seinem 
Pallaste; als er aber die Bettung seines Bruders und dessen erneute 
Rüstungen vernahm, brachte er sofort Dankopfer den Göttern und be- 



1 Euseb. Ami. p. 346. Porphyr, ap. Euseb. Graec. p. 1S6. — 2 Justin. 3S, 5. 
Euseb, Armen, p. 345. — 3 Trogi prol. 27. Euseb; Arm. p. 346. Porphyr, l. c. 
p. 186. — 4 Polyaen. S, 61. Phylarch ap. Athen. 13, p. 593, der sie Mysta 
nennt. 



§. 34. Antiochos II. Theos feindliche Geainnung gegen Aegypten u. s. w. 233 

fahl seinen Städten ein Gleiches zu thun^ Die Schlacht bei Ankyra 
fallt 241. 

Das Benehmen der Galater nach diesem durch sie erfochtenen Sieg 
lässt uns einen klaren Blick in ihre Politik thun und liefert einen un-^ 
widerleglichen Beweis des Obengesagten. Denn sobald das Gerücht von 
dem Tode des Seleukos sich verbreitete, wandten sie sich gegen Antio- 
chos in feindseliger Gesinnung, um auch den letzten Seleukiden zu ver- 
nichten, und die letzte Schranke zu beseitigen, die ihren Baubfahrten 
in den Weg treten könnte*. Nur ein hoher Tribut vermochte die Bar- 
baren zufrieden zu stellen. 

« 

Seleukos musste nach diesem harten Schlage die Taurosländer auf- 
geben und zog gegen Süden, um die gewonnenen alten Grenzpunkte 
Orthosia und Damaskos zu einem Einfalle in Aegypten zu benützen, 
und jetzt war der Moment gekommen, wo er mit seinem Bruder Unter- 
terhandlungen anknüpfen musste, die auch Antiochos nicht abschlug, 
nicht nur, weil Seleukos ihn als König anzuerkennen versprach, als 
auch weil er seine Kräfte gegen die aufstrebende pergamenische Dy- 
nastie verwenden musste. Dieser Frieden kam nach Droysen 239 zu 
Stande. 

Jetzt konnte Seleukos seinen Zug nach Osten antreten , um seine 
zersplitterte Macht wieder zu vereinigen und die aufrührerischen Sa- 
trapen Parthiens und Baktriens zur Pflicht zurückzuführen (238^. 
Diese Heerfahrt scheint jedoch erfolglos gewesen zu sein, weil die neu 
entstandenen Seiche fortbestehen. Dazu nöthigten ihn Unruhen in 
seinem Bücken, sein Bestreben aufzugeben und den Heimweg anzu- 
treten. Denn kurz vor diesem Zuge hatte Stratonike, die von De- 
metriosH. verstossene Königin Makedoniens, die Tochter Antiochos' I., 
ihn desshalb zum Kriege gegen ihren Gemahl, allein vergebens, aufzu- 
reizen gesucht. Sie hatte sich rachevoll nach Antiochien am Orontes zu- 
rückgezogen und diese Stadt zur Empörung gegen ihren königlichen 
NeflTen getrieben. Doch dämpfte dieser bald den thörichten Aufstand 
und eroberte die Stadt, wobei die Königin ihren Untergang fand. 

§. 35. 

Neue Raubzüge der Galater. XTebersicht der G^chlchte des pergamenischen 
Beichee bis auf Attalos. Attalos besiegt die Galater. Ol. 137. Bie Galater in 

festen Grenzen. 

So schien denn endlich nach so reichen Wirren und Unruhen eini- 
ger Friede Kleinasien Erholung gestatten zu wollen ; allein kaum hatten 



1 Plutarch. de amore frat. 15. (tom. X, p. 61. H.). — 2 JuBtin. 27, 2. 



234 IX* Weitere Schicksale der Galater bis zu ihrer Berührung mit den Römern. 

sich beide Brüder versöhnt , als die Galater ihres üebergewichtes und 
der Schwäche ihrer Nachbarstaaten wohlbewusst , sich abermals in ver- 
heerendem Strome über das unglückliche Land ergossen und ihr Er- 
pressungssystem wieder begannen , die Könige und die festen Freistaa* 
ten bedrohend. Denn nicht eher verliessen sie ein Land oder das Weich- 
bild einer Stadt, als bis ihre unsinnigen Forderungen befriedigt waren. 
Dem jungen Könige des pergamenischen Reiches Attalos war es vorbe- 
halten, sie zu züchtigen, denn er war es, der kühn und selbstvertractend 
es wagte, ihnen den Tribut zu verweigern. 

Dieses Beich*, dessen Keime unter der sorgsamen Hand weiser 
Regenten herilich emporgeblüht, hatte zum Gründer den Fhiletairos 
einen Eunuchen und Sohn einer paphlagonischen Tänzerin *. Er war 
der Wächter von Lysimachos' Kronschätzen gewesen und schloss sich 
nach dessen Tode dem Sieger Seleukos an. Als nach dessen Ermordung 
und dem Uebertritt des makedonischen Heeres zu Ftolemaios Keraunos 
neue verwickelte Verwirrungen sich entspannen, benutzte Fhiletairos 
diese zu seinem Vortheile und scheint mit seinem Schatze sich eine 
tüchtige Söldnerschaar geworben zu haben , durch deren Hülfe er die 
Herrschaft über die Stadt Fergamos behauptete und sie in Frieden 
i 9 Jahre besass ; doch wuchs seine Macht in dieser geraumen Zeit nicht, 
sondern blieb auf Fergamos und dessen nächste Umgebungen beschränkt. 
Ol. 129, 2 (263 v. Chr.) starb er und die Gewalt ging über an Eu- 
menes L, dem Sohne seines Bruders gleichen Namens*. Dieser scheint 
kühner aufgetreten zu sein, als sein vorsichtiger Oheim, und die kleine 
Ländermasse seines Reiches zu vermehren getrachtet zu haben * , doch 
wusste Antiochos I. ihn und seine aufstrebenden Fläne in die gebüh- 
renden Schranken zurückzuweisen*. Nach zweiundzwanzigj ährigem 
Wirken starb er Ol. 134, 4. (241.) und nun ergriff Attalos I. die Zügel 
der Regierung, der wieder ein Brudersohn des Vorigen war®. Seine 
Herrschaft bestand aus dem Gebiete zwischen dem elaitischen und dra- 
myttenischen Meerbusen. 

Als die glorreichste That nun dieses Fürsten nennt Fausanias^ den 
Sieg über die Galater , die er wahrscheinlich durch Gallothraken be- 
kämpfte®. Um die Grösse und die Bedeutung dieses Sieges zu würdi- 



1 Vgl. Meier , das pergamenische Reich , in der Encyklopädie von Ersch und 
Gruber s. h. v. — 2 Antigon. ap, Athen 13, p. 577. — 3 Ktesikles ap. Athen. 10, 
p. 445. — 4 Auf ihn ist wahrscheinlich die confuse Notiz Justins zu beziehen: Hex 
Bithynu8 Eumenea .... qimsi vacantem Asiae possessionetn invasurua victorem An- 
tiochum Gallosque aggreditur. 27, 3. — 5 Strab. 13, p. 624. — 6 Strab. 1. c. — 
7 Miyiarov 6i kattv ol t(ov i(yy(ov* FaXarag yag ig jr^v yipf, tjv ht xctl vw ^otcr«, 
avatpvydv rivayxaaep ano ^aktioarjg, Pausan. 1, 8, 1. — 8 Polyb. 5, 77. 111. 



* §. 35. Neue Raubzüge der Galater u. s. w. 235 

gen, ist ausser dem Gesagten zu beachten ^ dass die Barbaren seitdem in 
hellen Haufen über den Bosporos strömten und die in Schlachten um- 
gekommenen Stammesgenossen reichlich ergänzten ^ Schon früher hatte 
der junge pergamenische Dynast Vortheile über die Baubschaaren Ga- 
latiens davongetragen^ und erwartete daher auch jetzt siegesheiter und 
unverzagt den Kampf , den er auf die Dauer der Zeit doch einmal aus- 
fechten musste^ wollte er vor den lästigen Besuchern Ruhe haben. 
Durch glückliche Zeichendeutung wusste er auch seine Truppen mit 
ähnlichem Geiste zn beseelen. Denn als er vor der Schlacht die nöthi- 
gen Opfer verrichten liess , soll er geschickt durch Gummi am Einge- 
weide die Inschrift : » Baoilitog vUf] a angebracht haben ^. Zwar 
schmückte er sich erst nach dem Siege mit dem königlichen Diadem^ 
doch dürfen wü: an der Unverdächtigkeit der Erzählung um so weniger 
zweifeln, als sie auch bei Frontin vorkommt*, der einmal irrig statt des 
Attalos den Eumenes nennt*. 

Das Lokal der Schlacht wird nicht angegeben, sie mussindess nicht 
weit von Pergamos geliefert sein, wie dies aus einer vereinzelten Notiz 
bei Trogus Porapejus folgt * ; auch einer genauen Zeitbestimmung er- 
mangeln wir; Niebuhr setzt den Kampf mit Clinton Ol. 137, 4. (229 
V. Chr.) ; nur so viel lässt sich mit Bestimmtheit sagen , dass dieses Er- 
eigniss vor Antiochos' Hierax Tode, also vor 228 geschah. Attalos er- 
focht einen glänzenden Sieg über die Galater und zeigte der erstaunten 
kleinasiatischen Welt, dass die Gefürchteten nicht unbesiegbar seien. 
Unwahrscheinlich ist jedoch Niebuhrs Behauptung, Attalos habe als 
Verbündeter deß Seleukos in den Galatem die Verbündeten des An- 
tiochos Hierax uiid überhaupt nur einen galatischen Söldnerschwarm ^ 
besiegt. Allein wenn schon aus den Folgen hervorgeht , dass die G a - 
laternation zum Kampf ausgerückt war, so tritt bekräftigend das 
wichtige Zeugniss des Polybios hinzu '^. Denn der Sieg zwang nach 
Pausanias die Galater die Küstengegend zu verlassen und sich auf be- 
stimmte Grenzen zu beschränken und begründete zugleich die Wichtig- 
keit des bis dahin so unbedeutenden pergamenischen Beiches; denn im 
Hochgefühle seines jGlückes fühlte sich Attalos berechtigt der zugleich 
vergrösserten Herrschaft den höheren Titel eines Königthumes zu ver- 
leihen. Lange aber erhielt sich das Andenken dieses Sieges; noch Pau- 



1 ralajiov Ol TioXlol vavalv ig r^ Uolav diaßavreg rä nagad^aXciaaia iUtjld- 
row. Paus. 1, 4, 5. — 2 AÜalus eos rex saepe fudii fugavitque. Liv. 38, 17. — 
3Polyaen. 4, 19. — 4 Frontin. 2, 13, 1. — öFrontin. 1, 11, 15. — 6 ütque QalliPergamo 
ab Mtalo Zielam Bithynum ocdderint, Prol. 27. — 7 Nixriaag (naxv ralaiag, o 
ßaQvrarov xal fjtaxifiiOTatov t^og r^v tot« xar« rr^v jioCav , T«VTijr dqxhy i^oiij- 
Caro xal TorajigdoTov avrov l(f«if«y ßnaiHa. Polyb. 18, 24. 



1 



236 I^* Weitere Schicksale der Oalater bis zu ihrer Berührung mit den Röihem. 

sanias sah auf dem pergamenischen Königsschlosse erbeutete galatische 
Waffen und Rüstungen und ein Gemälde S auf dem der junge Fürst 
dargestellt war , wie er sein Heer ordnete , ermuthigte und zum Si^e 
führte. Da indessen auch Eumenes II. häufig gegen die Galater zu 
kämpfen hatte ^ so lässt sich nicht mit Sicherheit behaupten ^ dass die 
Spolien aus diesem Kriege herstammten. Mit grösserer Gewissheit las-> 
sen sich in den herrlichen Darstellungen des sterbenden Fechters, des 
borghesischen Fechters Denkmale zur Verewigung seines Sieges nach- 
weisen , Werke , die unter den kunstreichen Händen eines Isogonos, 
Pyromachos , Stratonikos entstanden ^. Auch Athen wies solche Erin- 
nerungen auf; an der südlichen Mauer der Akropolis waren vier Bild- 
werke, drei davon verherrlichten zwar Grossthaten aus Attikas Vorzeit, 
eine aber versinnbildete die Niederlage der Galater in Mysien. Endlich 
gehören hieher die Orakel der Seherin Phaennis, wahrscheinlich wie 
die kallimachischen : post eventum ; aufbewahrt von Suidas und Pau« 
sanias ^. 

Diese Niederlage drängte die Galater von den Küstenländern in 
das Innere Kleinasiens zurück und beschränkte sie auf einen Land- 
strich, der in einer Längenausdehnung von etwa 50 Meilen von Nord- 
osten nach Südwesten , eingeschlossen im Westen von Bithynien und 
Phrygia epiktetos , südlich von Phrygia Magna und gegen Osten von 
Kappadokien und Pontes. Eine genaue Abmarkung ihres Gebietes läjsst 
sich nicht geben , da die Grenzen fast beständig wechseln , jenachdem 
sich die Erfolge ihrer Waffen gestalten. 

Nach Strabon ' sassen sodann die Trokmer im Osten des Landes an 
der Grenze von Kappadokien und Pontes, mit der Hauptstadt Tavium; 
im Westen die Tolistobojer, anstossend an Bithynien und Phrygia epi- 
ktetos , mit der Hauptstadt Pessinus, während die lektosagen den mitt- 
leren Streif des Landes bewohnten um das adoreiische Gebirge mit der 
Hauptstadt Ankyra. 

.§. 36. 

Der zweite Bruderkrieg zwischen Seleukos und Antiochos. Niederlage des 
IjetBteren. Krieg des Antiochos Hierax gegen Attalos von Fergamos. Zeilas, 
XÖnig von Bithynien, von Galatem niedergehauen. Niederlagen des Antio- 
chos von Attalos. Sein Tod. ElnfaU der Galater in die Fontoslander. 

Nicht lange nach diesen Vorgängen brach abermals ein Krieg aus 
zwischen den Brüdern im syrischen Königshause , der furchtbare Ver- 

1 IltpyafÄrivoig 6k eari fikv axvXa anh ralaT<»Pf ^ffrt dk yQaiprj tö f^yov ro 
w^off FaXarag if/ovaa, Pausan. 1, 4, 6, — 2 Plin. 34, 8. — 3 Suidas v. "ArraXog, 
Pausan. 10, 15, 2. -^ 4 Strab. 12, p. 390. Vgl. Plin. 5, 32. Solin. 42 und dazu den 
Comm. Y. Salmas. 



$. 36. Der zweite Bruderkrieg zwischen Seleukos und Antiochos u. s. w. 237 

wirrung im Reiche hervorrief unJ" so ünstat in den einzelnen Folgen 
war, dass die Menschen gestern Sieger, heute besiegt kaum wussten, wo- 
hin sie entweichen sollten, und die Städte dem gehorchten wem von 
den beiden Königen sie eben wollten. Nur Einer zog hauptsäch- 
Keh Nutzen davon und das war der neue König von Pergamos, Attalos, 

Antiochos Hess, nach steter Vergrösserung seines Landes trachtend, 
keine Kühe über das zerrüttete Reich* kommen. Galatien, das selbst 
keinen Antheil am Kriege nehmen konnte, unterstützte ihn willig mit 
Miethssoldaten, da der kriegerische Sinn seiner Bürger, jeder längeren 
Müsse Feind, durch reichlichen Sold sich blenden Hess, und so benutzte 
der König , als er im Geheimen auch von Aegypten Hülfe erhielt, im 
Einverständniss mit den Herrschern von Kappadokien und Pamphylien 
die Zeit, wo sein Bruder Seleukos im Osten beschäftigt war, um das 
Waffenglück nochmals zu versuchen; doch erzielte er keine Erfolge, 
sondern erlitt sogar in Mesopotamien von den talentvollen Feldherrn 
seines Bruders Andromachos und dessen Sohne Achaios eine bedeutende 
Niederlage * ; er entfloh nach Armenien, entging nur durch List der Ge- 
fangenschaft ^ und gelangte glücklich nach Magnesia, wo eine aegyp-. 
tische Besatzung lag, wahrscheinlich kam jetzt ein Friede zu Stande 
zwischen den Brüdern, dem auch Aegypten nicht fern gebUeben zu 
sein scheint^. 

Aber Antiochos' rauflustiger Charakter, von Aegypten genährt, 
konnte die Ruhe des Friedens nicht lange ertragen, doch musste er sich 
nach anderen Verbündeten umsehen. Ihm selbst war nnr Lydien ge- 
lassen, die Könige ^ron Kappadokien und Pontos waren nicht geneigt, 
neue bittere Erfahrungen zu machen ; namentlich mochte Ersterer die 
Theünahme an dem vorigen Unternehmen wieder gut zu machen wün- 
schen. Daher wandte Antiochos sich wieder an Galatien und zugleich 
an Bithynien. Die galatischen Häuptlinge gewann er leipht, indem er 
ihnen vorspiegelte, auch das verhasste Pergamos zu züchtigen, während 
er den Herrscher von Bithynien Zeilas durch die Bande des Blutes an 
sich kettete, indem er mit dessen Tochter sich vermählte*. Jetzt senkt 
sich auf den inneren Zusammenhang der Begebenheiten ein dichtes 
Dunkel ; wir sehen bei Zeilas galatische Fürsten zum Mahle geladen, er 
hatte sie aber treulos und auf Verrath sinnend herbeigelockt, um sie 
während des Schmauses zu ermorden. Jene aber merkten den falschen 
Sinn des Königs und bereiteten ihm selbst das innen drohende Schick- 
sal: er fiel unter ihren Schwertern**. Wahrscheinlich hatte er nicht auf 



1 Polyaen. 4, 16. — 2 Justin. 27, 4.-3 Vgl. Polyb. 5, 67. — 4 Euseb. 
Arm. p. 346. Porphyr. 1. c. p. l86. — 5 Athen. 2, p. 58. Trog. Prol. 27. 



238 I^* Weitere Schicksale der Galater bis zu ihrer Berührung mit den Römern. 

ihre hohen Forderungen eingehen wgllen. Zeilas' Sohn und Nachfolger 
Prusias brach daher alle Verbindung mit Antiochos ab. Dennoch verlor 
dieser den Muth nichts seine Thätigkeit aber richtete er nicht mehr 
gegen seinen Bruder Seleukos^ sondern gegen den König von Fergamos. 
Er erlitt aber von Attalos Ol. 137, 4. (229.) zwei Niederlagen^, deren 
Nachtheile er jedoch bald durch neue Hülfe aus Galatien ausglich. An 
dem See von Koloe * in Lydien wagte er nochmals gegen Attalos eine 
Schlacht, die ebenfalls verloren ging und ihn dem Verderben nahe 
brachte. Denn er musste flüchten und wandte sich nach Thrakien, wo 
ihn Ftolemaios Euergetes gastfreundlich aufnehmen hiess , in der Ab- 
sicht ihn als Staatsgefangenen aufzubewahren und später gegen Seleu- 
kos zu gebrauchen. Aber Antiochos entfloh , die Absicht des Königs 
durchschauend, nach einer thrakischen Feste. Sein erfinderischer Kopf 
wusste ihn, wie Eusebios schreibt, auch hier bald die rechten Wege 
finden zu lassen , er machte nochmals den Versuch , sein Reich wieder- 
zugewinnen , verlor aber in Karien Sieg und Leben. Allein die Unzu- 
länglichkeit dieser Angaben hat Droysen hinreichend widerlegt*; viel- 
mehr fiel Antiochos in die Gewalt umherschweifender räuberischer Gal- 
lothraken, die ihn erschlugen*; sein Ende hat eine etwas fabelhafte 
Färbung ; eine Hetäre hilft ihm seine Fesseln brechen , er besteigt sein 
Schlachtross und wird auf der Flucht ausgeplündert und ermordet ; aber 
sein edles Pferd rächt seinen Tod, indem es sich mit seinem Mörder in 
einen jähen Abgrund stürzt*. 

So herrschte in Kleinasien ein wildbewegtes Leben , welches Atta- 
los glänzend für sich ausbeutete, indem der grösste Theil Kleinasiens bis 
zum Tauros ihm gehorchte. Allein auch die Galater werden schwerlich 
es versäumt haben, die Lage der Dinge zu ihrem Vortheile zu benutzen, 
aber die Quellen dieses Zeitraumes fliessen zu spärlich, als dass wir die 
Veränderungen ihrer Grenzen genau zu verfolgen vermöchten. Dass sie 
wenigstens keine Gelegenhenheit sich entschlüpfen liessen , ihr Gebiet 
auszubreiten , zeigt deutlich der Einfall in die Fontosländer , als Ario- 
barzanes gegen 258 gestorben war und seinem unmündigen Sohne Mithri- 
dates IV. die Herrschaft hinterlassen hatte. Dieser Kaubzug® erstreckte 
sich sogar bis Amisos und brachte die Stadt in die äusserste Gefahr. So 



1 Zielae ßliam nuptüa sibi copulavU, deinde Ol. 137, 4. in Lydia bis armis motis 
debellattis et. Tum etiam circa Coloam certavit cum AUalo; denique Ol. 13S, 1. At- 
ialum in Thraciam usque fugiem poat pugnam in Carla patratam fsita excesnK 
Porphyr. 1. c. — 2 Colam ist zu lesen nach der venetianischen Hdschr. Choloe fin- 
det sich nicht; einen See Kolorj nennt Strab. 13 , p. 626. 627. ~ 3 L. c.ll. p. 425. 
Anm. 37. — 4 Polyb. 5, 74. — 5 Justin, l. c. und Aelian. v. h. 6, 44 , der unrich- 
tig Antiochos I. nennt. — 6 Memnon 24. 



§. 37. Seleukos III. Keraunos. 239 

wechselten oft die Grenzen, jenachdem ihre Nachbaren Sieger oder 
Besiegte waren ; erst als Born auch nach Asien hin seine mächtige Hand 
ausstreckte und Zwietracht säend die reichen Länder ihrem sicheren 
Verfalle entgegen reifen Hess , sind wir im Stande , genauer die Ge- 
schichte Galatiens zu verfolgen. 



§. 37. 

Seleukos HE. Keraunos« Antiochos der Grosse. Seine Kämpfe um die Ein- 
heit des Reiches. Eumenes n. von Fergamos. Galater kämpfen auf der 
Seite des Antiochos bei Magnesia gegen die Bömer. . 

£in Jahr nach seinem Bruder stieg auch Seleukos Kallinikos ins 
Grab. Er hinterliess zwei Söhne Alexander und Antiochos; ersterer be- 
stieg zwar als Seleukos III. Keraunos den Thron , regierte indess nur 
drei Jahre, die er unter grossen Rüstungen gegen das pergamenische 
Reich zugebracht zu haben scheint. In der That zog er gegen Endades 
dritten Jahres, begleitet von Achaios, Andromachos, seines Oheims 
Sohne gegen Attalos zu Felde, allein auf der Heerfahrt selbst traf ihn 
der Mordstahl eines Galaters Apaturios und eines Hellenen Nikanor* 
(Ol. 139, 1. 224 V. Chr.). Ihm folgte in der Regierung sein befähig- 
terer Bruder Antiochos der Grosse , der von Babylon herbeieilend vom 
Heere als König ausgerufen wurde*, während Achaios mit Glück und 
Gewandtheit den Krieg gegen Attalos führte und ihn bald auf sein frü- 
heres Territorium beschränkte*. 

Antiochos begann von nun an ein mühseliges Kämpfen und Ringen, 
um das Reich wieder zu seinem alten Glänze zu erheben > die vielen 
Unabhängigkeitsgelüste zu unterdrücken , welche die Festigkeit seiner 
Herrschaft untergruben und die neuen Fürstenthümer zu vernichten^ 
die an den Marken und im Herzen seines Landes sassen. Dahin ge- 
hören die Kriege mit Molen, der sich in Babylon, mit seinem Vor- 
wandten Achaios , der sich in Kleinasien festgesetzt hatte , endlich mit 
Aegypten, dem Erbfeind seines Hauses, welches Koilesyrien, Karien, 
Lykien und einen grossen Theil Kilikiens von Syrien widerrechtlich 
an sich gerissen hatte. An Galatien dachte der Seleukide noch nicht, 
sowie denn auch die Galater von diesen neuen Kämpfen ziemlich unbe- 
rührt bleiben , denn sie treten nur als Söldner auf, die wahrscheinlich 
nur Ueberbleibsel des von den Geten zerstörten gallothrakischen Reiches 
waren. 



1 Appian. Syr. 66. Trog. Prol. 27. — 2 Hieronym. ad Dan. XI. — 3 Polyb. 
4, 48. 



240 IX. Weitere Schicksale der Galater bis zu ihrer Berührung mit den Römern. 

Den Faden , der uns durch diese stürmische Epoche zu der ver- 
hängnissvollen Berührung mit Rom leitet^ haben wir in der Geschichte 
des pergamenischen und makedonischen Reiches zu suchen. Gemein- 
sames Interesse brachte baljJ Rom und Pergamos näher. Philipp V. war 
mit Hannibal in Unterhandlung getreten, und hatte anderseits so viel 
Einfluss in Griechenland und besonders in Thrakien gewonnen, dass At- 
talos für seine Sicherheit besorgt wurde. Namentlich hatte Philipp einen 
Vertrag mit dem grossen karthagischen Feldherrn geschlossen, der dahin 
lautete , dass Rom und Italien an Hannibal , Griechenland und die be- 
nachbarten Inseln an Philipp überlassen werden sollten*. So war es na- 
türlich, dass Rom und Pergamos, um die Macht Hannibals und Philipps 
nicht durch Vereinigung zu einer unbezwinglicben Höhe zu steigern^ 
durch ein enges Bündniss und Aneinanderschliesseu sich zu sichern 
suchten. Auch für die spätere Zeit hat sich Pergamos stets an Rom an- 
geklammmert und diesem in den Kriegen gegen Syrien , Makedonien 
und Galatien die erspriesslichsten Dienste geleistet. Dieses tritt na- 
mentlich in der folgenden Zeit hervor , als Attalos gestorben und ihm 
sein ältester Sohn Eumenes II. (197.) gefolgt war. Eumenes war ein 
Mann von grossem Geiste, klarem, durchdringendem Verstände und 
ungemeiner politischen Gewandtheit; er blieb der Politik seines Vaters 
treu und Rom hat an ihm einen unwandelbaren Bundesgenossen gehabt. 
Während der letzten Jahre hatte Antiochos das Seleukidenreich wieder 
bedeutend gehoben; Achaios und Molon waren vernichtet, er herrschte 
bis an die Küste Kleinasiens und sogar Thrakien gehorchte ihm; lange 
konnte daher ein Zusammenstoss mit Rom nicht mehr ausbleiben» Dies 
sah der König wohl ein und suchte daher die nöthigen Vorkehrungen 
zu treffen , um dem Sturm nachhaltig zu begegnen ; um keinen Feind 
im Rücken zu haben , vermählte er die eine seiner Töchter mit Ptole- 
maios, eine zweite mit Ariarathes IV. von Kappadokien^; Eumenes 
aber wies seinen verführerischen Antrag zurück, die dritte zu ehe- 
lichen, indem er, ohne sich von dem äusseren Glänze blenden zu lassen, 
wohl den Kern der Sache erkannte. Vielmehr suchte er den bereits 
glimmenden Funken der Eifersucht anzuschüren und wünschte den 
Krieg zwischen Rom und Syrien*, da letzteres im Frieden nur noch 
starker werden musste. Seine Bemühungen blieben nicht ohne Erfolg 
und bald war der Krieg entztlndet; denselben zu verfolgen liegt zu ferne 
und wir beschränken uns auf die Bemerkung, dass eine Schaar Galater 
bei Magnesia mitkämpfte auf Antiochos Seite*, herbeigelockt dArch 



1 Polyb. 5, 105. 7, 9. 13. Liv. 23, 33 ff. — 2 Appian. Syr. — 3 Liv. 35, J3. — 
4 Liv. 38, 38 ff. Appian. Syr. 76. Justin. 31, 7. . 



§. 38. Kriegeslustiger Sinn des Consuls Cn. Manlius u. s. w. 241 

hohen Sold. Aber gerade dieser Umstand sollte für Galatien von grosser 
Bedeutung werden , indem er den Römern einen wenn auch nichtigen 
Vorwand in die Hand gab , ihre über Antiochos gewonnenen Vortheile 
in Asien weiterzuführen. 



Gapitel X. 

Cn. Manlius Vulso's lleerrahrt gegen Galatien bis zur völligen 
Unterwerrung dieses Landes durch die Römer. 



§• 38. 

Kriegeslustiger Sinn des Consuls Cn. Manlius. Manlius beschliesst, ohne 
die Gt^iehmigung des Senates einzuholen, gegen Galatien zu ziehen. Atta- 
los, Bruder des Eumenes von Fergamos schickt Hülfe. Eroberung von Cu- 
balluni. Priester der Kybele prophezeien dem Manlius den Sieg. Büstungen 
der Galater. Sieg des Consuls über die Tolistobojer auf dem Olympos. Blu- 
tige Bache der gallischen Fürstin Chiomara an einem römischen Centurio- 
nen. Niederlage der Tektosagen und Trokmer auf dem Magababerg. Die 

Galater bitten um Frieden. Friede zu Ephesos. 

Auf L. Cornelius Scipio, wegen seines Sieges bei Magnesia Asiati- 
CU8 genannt 9 war im Consulate Cn. Manlius Vulso gefolgt (565 u. c. 
189 V. Chr.) ein Mann voll Begierde sich mit ßuhm zu bedecken und 
wo möglich den seines Vorgängers zu verdunkeln*^ im üebrigen durch 
schlechte Mannszucht übel berüchtigt. Wahrscheinlich war es Eumenes 
oder Einer seiner Brüder, der den kriegeslustigen Sinn des Consuls 
durchschauend seine Aufmerksamkeit auf die Galater lenkte, welche die 
erbittertsten Feinde des pergamenischen Königshauses geworden waren, 
seitdem Attalos den Zauber der Unüberwindlichkeit ihren Heeren abge- 
streift und niemals trotz Verträgen und Freundschaftversicherungen in 
Fortsetzung der Feindseligkeiten geruht hatten. Dazu kam, dass ein 
Krieg gegen die Galater den Consul in ganz Kleinasien beliebt machen 
musste; es war wohl keines der Länder diesseits des Tauros, welches 
den entfesselten Raubhorden nicht gern eine derbe Züchtigung ge- 
wünscht hätte, und dieses um so mehr, da nach der Besiegung des mäch- 
tigen Seleukiden Niemand die Kraft zu besitzen schien , nachhaltig den 
verwüstenden Strom in sein Bette zurückzudämmen. 

Manlius war leicht dafür gewonnen und nach Römerart nie um 
einen Vorwand verlegen, wenn es galt , eine Lieblingsidee zu verwirk- 
lichen, traf er seine Massregeln für eine Heeresfahrt gegen Galatien, die 
er auf eigene Faust, ohne die Genehmigung des Senates dazu einzuholen, 

ContzeSf Wanderungen der Kelten. 1 6 



^42 ^' ^°> Manlius Vulso's Heerfahrt gegen Galatien u. s. w. 

ZU unternehmen beschloss* ; äusserlich von der Ansicht bestimmt, wie 
er später wenigstens zu seiner Rechtfertigung anführte, dass eine gegen 
Antiochos erlassehe Kriegserklärung ohne Weiteres auch gegen die ge- 
richtet sei, welche ihm Hülfstruppen geschickt hätten. 

Der heue Consul war im Anfange des Frühlings 189 nach Ephesos 
gekommen, hatte hier von seinem Amtsvorgänger das Heer übernommen 
und diesem alsbald seine Absicht mitgetheilt, es gegen die Galater zu 
führen, eine Ankündigung, die mit grosser Freude aufgenommen wurde, 
da eine grosse Beute in Aussicht stand.. Da sich K6nig Eumenes gerade 
in Rom befand, wandte er sioh an dessen Bruder Attalos, ihn mit 
Mannschaft und seiner genauen Kenntniss des feindlichen Landes zu 
unterstützen, ein Wunsch, auf den dieser bereitwillig einging. Denn 
er kehrte sogleich nach Pergamos zurück und brachte in kurzer Zeit ein 
Heer von 1000 Mann zu Fuss und 200 zu Ross zusammen, welches er 
dem Consul, der bereits von Ephesos aufgebrochen w^r, bei Magnesia 
am Sipylos zuführte , während er seinem Bruder Athenaios den Befehl 
zurückgelassen, die Rüstungen weiterhin mit Eifer zu betreiben und 
dann mit allen entbehrlichen Truppen nachzurücken ; in Folge dessen 
vermehrte Athenaios das römische Heer noch um 1000 Mann Fusstrup- 
pen und 300 Reiter, befehligt von einem Kreter Leusos und einem 
Makedonier Korragos. 

Die Tolistobojer, im Westen Galatiens wohnend, verhielten sich 
anlUnglich ruhig gegen den anrückenden Feind und der Consul zog un- 
belästigt weiter bis ZUm Sangarios, wo er ein Castell Cuballum einnahm 
und ein verschanztes Lager bezog. Plötzlich erschien unter grossem 
Lärm ein starker Haufe galatischer Reiter , die durch ihren unerwarte- 
ten Angriflf nicht nur die römischen Vorposten in Verwirrung brachten, 
sondern auch Einige niederhieben ; doch die römische Reiterei kam bald 
zu Hülfe und verscheuchte die Feinde, deren Viele den Tod fanden. 
Vorsichtig gemacht durch dieses Ereigniss rückte der Consul nur in ge- 
ordnetem, schlagfertigem Zuge weiter , nachdem er die feindliche Ge- 
gend vorher hatte sorgsam erforschen lassen. Er Hess darauf eine 
Brücke über den Sangarios schlagen und seine Truppen am anderen Ufer 
fortmarschiren. Hier kamen ihm die Priester der Kybele aus Pessinus 
entgegen mit ihren Insignien geschmückt und weissagten ihm , dass die 
Göttin die Römer im Kriege leiten und ihnen den Sieg nebst der Ober- 
herrschaft des Landes verleihen werde ^. 

In Gordium, wo Manlius ein Lager aufschlagen liess, erfuhr er von 
befreundeten Völkerschaften Näheres über die Zurüstungen der Feinde; 



1 Polyb. 32, It). Vgl. Liv. 38, 45. 48. — 2 Liv: 3S, 18. Suidas s. v. Falloi. 
i 



{. 38. Kriegeslustiger Sinn des Consuls Cn. Manilas u. s. w. 243 

die Tolistobojer hatten sich auf den Olympos zurückgezogen und die 
Tektosagen den Magaba besetzt ^ während die Trokmer mit Zurücklas- 
sung ihrer Weiber und Kinder bei dem zurückbleibenden Theile der 
Tektosagen^ mit bewaffneter Mannschaft den Tolistobojen Hülfe zu 
bringen beschlossen hatten. An der Spitze der einzelnen Stämme stan- 
den Ortiagon, Combojomarus * u'tad Gaulotus ^ welche diesen Feldzugs- 
plan entworfen , um den Feind durch die Langwierigkeit des Krieges 
zu ermüden und zurückzutreiben , und die einzelnen Lagerplätze auf 
lange Zeit mit Lebensmitteln gefüllt hatten , wobei sie die meiste Wir- . 
kung von dem Froste und Hunger erwarteten. Allein sie machten sich 
eines grossen Fehlers schuldige der ihnen Verderben brachte : sie hatten 
sich wenig mit Wurfwaffen versehen, in der Meinung, dass die unebene 
Gegend ihnen hinlänglich Steine darbieten werde. Hingegen hatte der 
Consul einen ausserordentlichen Vorrath von Wurfspiessen, Pfeilen und 
Bleikugeln herbeischaffen lassen und brach dann gegen den Olympos auf, 
wo er in einer Entfernung von etwa 5000 Schritt ein Lager aufschlug. 
Als er am folgenden Tage mit 400 Reitern in Begleitung des Attalos 
näher heran ritt, um die Beschaffenheit des Gebirges und die Stellung 
des feindlichen Lagers zu beobachten , stürzten plötzlich einige Schwa- 
dronen Reiter aus demselben hervor und trieben die Römer in die Flucht, 
tödteten viele von den Fliehenden und verwundeten noch Mehrere. Am 
dritten Tage versuchte er abermals die feindlichen Verschanzungen aus 
der Nähe zu besichtigen, und brach mit der sämmtlichen Reiterei auf; 
und weil sich Niemand von den Galatern sehen Hess , so ritt er unge- 
fährdet um den Berg herum. Da bemerkte er, dass auf der südlichen 
Seite bis zu einer gewissen Höhe ziemlich schräge Hügel, gegen Norden 
aber steile, fast senkrechte Felsen den Berg hinanliefen und dass es drei 
Wege gäbe , die hinaufführten , einen in der Mitte , wo Erdreich vor- 
herrschend war, und zwei minder zugängliche, auf der südöstlichen und 
nordwestlichen Seite. Daher beschloss er den Berg in engeren Kreisen 
zu umschUessen und schlug noch an demselben Tage das Lager am Fusse 
desselben auf. Als am folgenden Tage bei der Opferung günstige Zeichen 
sich herausstellten, brach er in drei Colonnen zum Sturme auf; den 
grössten Theil seines Heeres führte er selbst dahin, wo der Berg in 
massigen Windungen sich erhob, sein Bruder Lucius Manlius sollte auf 
der schrägen, südöstlichen Seite hinanziehen, mit Sicherheit vorrrücken, 
und wenn er auf gefahrliche Stellen stiesse, nicht seine Kräfte im 
Kampf mit der Ungunst der Natur verschwenden, sondern sich mit ihm 
zu vereinigen suchen , während C. Helvius mit der dritten Abthei- 



1 So bei LiT. zu lesen, statt Cetmhohmarus, Vgl. Glück a. a. O. S. 22. 

16* 



244 ^« ^^* Manlins YuIso'b Heerfahrt gegen Galatien u. s. w. 

lung allmählig ganz unten um den Berg herumziehen und dann auf der 
Nordwestseite hinaufmarschiren sollte. Die Beiterei liess er in der 
Ebene, die den Anhöhen zunächst lag, nebst den Elephanten. 

Die Gralater, welche die Zugänge auf beiden Seiten für unnahbar 
hielten, schickten nach der Südseite etwa 4000 Mann ab, um einen am 
Wege liegenden Hügel zu besetzen ; sofort befahl der Consul den Sturm 
und sandte die Veliten und die kretischen Bogenschützen ab ; während 
er das schwerbewaffnete Fussyolk nachrücken liess. Das Gefecht be- 
gann mit Würfen aus der Ferne, anfanglich ohne Ausschlag, weil den 
Galatern der günstige Standpunkt, den Bömern die Mannichfaltigkeit 
ihrer Wurfgeschosse zu Statten kam. Bald aber neigte sich das Glück 
zu den Bömern. Denn die langen, aber für die. grossen Körper zu 
schmalen Schilde der Galater boten diesen wenig Schutz ; dazu hatten 
sie zur Waffe nur das Schwert, das sie aber, weil es nicht zum Handge» 
menge kam, nicht gebrauchen konnten ; so waren sie also das Ziel der 
Pfeile und Wurfspiesse und wussten nicht, da sie ohne zu sehen woher, 
verwundet wurden, wie sie ihre Wuth gegen den Feind auslassen soll- 
ten^ Sie flohen daher in grösster Unordnung wieder nach dem Haupt- 
lager zurück und verliessen die Stätte ihrer Schmach, welche die Sieger 
alsbald besetzten. 

Zu derselben Zeit wandten sich L. Manlius und C. Helvius, nach;- 
dem sie die schrägen Höhen hinauf marschirt und in eine Gegend, wo 
man nicht weiter konnte, gekommen waren, gegen die Seite des Berges^ 
wo der einzige Aufweg war und folgten , beide in massiger Entfernung 
den vorrückenden Truppen des Consuls. Schon kam dieser dem Lager 
nahe, wo die Galater, welche sich hinter ihrer Verschanzung nicht 
sicher glaubten, vor dem Walle gerüstet und bewajBiiet dastanden. Al- 
lein sie wurden , da ein Hagel von Geschossen auf sie einflog und desto 
seltener ein Pfeil fehlte, je dichtgedrängter sie standen , bald hinter 
ihren WalL zurückgetrieben. Mit gleichem Erfolge drang man den 
Fliehenden nach, so dass sich bald Schrecken und Furcht des Lagers 
bemächtigten; getroffen von den wohlgezielten Wurfwaffen, welche 
jeden Nahekampf unmöglich machten, stürzten bei der Erstürmung 
ihrer Verschanzungen zahllose Galater ; die Uebrigen , den sichern Tod 
vor Augen sehend, rannten blind aus den Lagerthoren, weder jähe 
Felsen, noch steile Klippen scheuend und Viele stürzten in die unge- 
heuren Abgründe oder gaben vor Mattigkeit ihren Geist auf. Zur rech- 
ten Zeit trafen nun auch L. Manlius und C. Helvius ein , welche um 
den Sieg zu vervollständigen zur Verfolgung des Feindes abgesandt 
wurden; ihnen stand darin die Beiterei bei. Die Zahlenberichte in Be- 
treff der Getödteten schwanken; nach Claudius^ der von zwei auf dem 



{. 38. Kriegeslustiger Sinn des Consuls Cn. Manlius u. s. w. 245 

Olympos geschlagenen SicUachten redete blieben 40000 Mann^ während 
der bekannte Valerius von Antium nur von lOOOO Gefallenen spricht*. 
Gross aber war die Menge der Gefamgenen^ weil die Tolistobojer mit 
Weib und Kind^ Jung und Alt zum Krieg hinausgezogen waren. Der 
Buhm des Tages aber wurde einstimmig dem Attalos zuerkannt^ welcher 
in allen Beschwerden und Gefahren sich durch ungemeine Besonnen«^ 
heit und persönliche Tapferkeit hervorgethan hatte. 

Von den Tolistobojen wandte sich der Consul zu den Tektosagen 
und schlug bei Ankyra ein Lager auf. Hier war es , wo eine edle Gal- 
lierin Chiomara den Angriff eines römischen Centurionen auf ihre 
Keuschheit blutig rächte. Sie war die Gemahlin des Fürsten Ortiagon 
und nicht so glücklich gewesen , sich wie ihr Gemahl durch die Flucht 
der Gefangenschaft entziehen zu können. Einem römischen Centurionen 
zur Aufsicht übergeben erregte sie durch ihre Schönheit in demselben 
schnöde Begierden , der ihr dann , als sie sich ihm nicht gutwillig er- 
geben wollte , Gewalt* anthat. Um den Unwillen der Entehrten zu be- 
schwichtigen , machte er ihr Hoffnung zur Flucht, aber nicht als Lieb- 
haber unentgeltlich , sondern erst nachdem sie durch ein attisches Ta- 
lent seinen habsüchtigen Sinn zu befriedigen versprochen hatte. Damit 
aber Niemand von seinen Mitsoldaten den schimpflichen Handel er- 
führe, erlaubte er der Fürstin Einen ihrer gefangenen Sklaven an die 
Ihrigen zu entsenden und bestimmte zugleich einen Ort am Flusse, wo 
sich zwei Verwandte mit dem Golde einfinden und ihre Herrin abholen 
sollten. In der Morgendämmerung führte der Centurio den Sklaven 
durch die Posten. In der Nacht darauf erschienen die beiden Verwand- 
ten, ebenso der Eömer mit der Fürstin, an dem festgesetzten Orte. 
Während dieser das Gold empfing und es nachwog, befahl jene den bei- 
den Galatem in ihrer Sprache, das Schwert zu ziehen und den feilen, 
unedlen Feind niederzuhauen ; &ie Hess darauf das Haupt vom Körper 
trennen und trug es, in ihr Gewand gewickelt fort, ohne auf der Flucht 
von streifenden feindlichen Haufen belästigt zu werden. Ehe sie aber 
ihren Gemahl ans Herz drückte, warf sie ihm ihre blutige Trophäe vor 
die Füsse und gestand ihm ihre Schändung, als er eine solche That mit 
ihrem weiblichen Charakter nicht vereinigen konnte. Gross war aber 
ihr Buhm unter ihrem Volke, der ihr verblieb bis zum Tode*. 

Hier bei Ankyra kamen Abgeordnete der Tektosagen zum Consul 
in's Lager , mit der Bitte , nicht eher aufzubrechen , als bis er mit ihren 
Fürsten gesprochen hätte , denen unter jeder Bedingung der Frieden 



1 Liv. 38, 23. — 2 Liv. 38, 24. Folybios sah sie noch in Sardes und hatte 
eine Unterredung mit ihr. 



246 ^« Cn. Manliu8 Vuho's Heer&hrt gegen Galatien u. s. w. 

lieber sein verde ^ als der Krieg. Manlius bestimmte Zeit und Ort der 
Verhandlung und fand sich zur gesetzten Frist selbst ein^ aber kein Ga- 
later erschien; nur die früheren Gesandten kehrten wieder mit der Ent- 
schuldigung^ dass ihre Fürsten wegen eingetretener religiöser Bedenk- 
lichkeiten nicht hatten erscheinen können^ doch würden sich die Häup- 
ter der Nation einfinden mit derselben Vollmacht ausgerüstet. Auch der 
Consul versprach einen Stellvertreter , in der Person des Attalos zu 
schicken. Am andern Tage fanden zwar Besprechungen Statt, man kam 
aber nicht zum Abschluss y wegen Abwesenheit des Manlius. Mit Vor- 
bedacht hatten die Galater die Sache in die Länge gezogen , theils um 
Zeit zu gewinnen , theils um den Consul in Sicherheit einzuwiegen und 
ihn bei der nächsten Unterredung zu überfallen. Zu diesem Zwecke 
lasen sie aus ihrer Beiterei tausend bewährte Streiter aus und hätten ihre 
Absichtauch wohl erreicht, wenn nicht 600 römische Reisige zufällig 
Futter sammelnd in der Nähe sich aufgehalten hätten. Als nun der 
Consul mit einer Bedeckung von 500 Eeitem aia folgenden Tage nach 
dem Ort der Zusammenkunft aufbrach, sah er die Galater unweit des 
bestimmten Ortes in stürmender Eile auf sich zusprengen ; er liess daher 
Halt machen und hielt ohne zu weichen den ersten Angriff muthig aus 
und begann, als er die überlegene Menge der Feinde sah, in bester Ord- 
nung sich zurückzuziehen; dennoch wäre er verloren gewesen, da die 
Beihen der Bömer sich allmählig auflösten und niedergehauen wurden, 
wenn nicht jene zur Deckung der Fouragirung commandirten 600 Rei- 
ter zu Hülfe gekommen wären. Gleich wandte sich das Glück; im 
ersten Angriff wurden die unedlen Feinde geschlagen ; nur Wenige ent- 
kamen ; keine Gefangene wurden gemacht , sondern wer auf der Flucht 
eingeholt wurde, fiel unter dem Schwerte der zornentbrannten Römer*. 
Noch glühend vor Rache kamen diese am folgenden Tage mit dem gan- 
zen Heere bei dem Feinde an , der sich streitgerüstet am Fusse des Ma- 
gaba aufgestellt hatte. Die Kerntruppen desselben, Tektosagen und 
Trokmer bildeten das Mitteltreffen, 50000 Mann stark, auf dem linken 
Flügel standen die Hülfstruppen des Ariarathes, 4000 Kappadoker und 
Morzer, wahrend die Reiterei wegen des unebenen Bodens hatte absitzen 
müssen und zu Fuss kämpfend den rechten Flügel einnahm. Auch hier 
übte der Consul erfolgreich dieselbe Strategik ,. die ihm den Sieg gegen 
die Tolistobojer gesichert hatte ; er schickte die leichten Truppen in's 
Vordertreffen und stellte die schwerbewaffneten Legionen als Reserve 
auf; alsda n n liess er, in vier Abtheilungen, mit zweien gegen die fänd- 
liche Mitte und zweien gegen die Flügel hervorbrechend die Schlacht 



i Liv. 38, 25. Folyb. legat. 34, p. 837. 



§. 38. Kriegeslustigev Sinn des Consuls Cn. Manilas u. s. w. 247 

eröfEhen. Als die Veliten ihre Wurfgeschosse gegen die unbeweglichen, 
in dichten Haufen zusammengedrängten Qalater "verbraucht hatten , zog 
der Consul sie zurück und schob die Legionen vor; gleich beim ersten 
AngrijBT wankte das feindliche Centrum, ermüdet von langem Stehen 
und durch Wunden abgemattet, und floh dem Lager zu ; auf dem Fusse 
dxangen die Sieger nach und eroberten die feindlichen Verschanzungen ; 
ob der reichen Beute, die sie vorfanden, standen sie von der Verfolgung 
ab. Auf den Flügeln aber hielten die Galater länger den feindlichen 
Angrijff aus und wichen erst erneutem Andränge der Römer. Doch war 
der Sieg vollständig, das prächtige Heer war zersprengt , das reiche La- 
ger nebst vielen Gefangenen in der Gewalt der Sieger, überhaupt dem 
Lande eine Wunde geschlagen, mit deren Heilung viele Jahre vorüber- 
gehen konnten*. Manlius aber, der bald die Wiiiterquartiere bezog, 
sah sich von allen Seiten durch Gesandte wegen der Züchtigung der ge- 
fürchteten Barbaren beglückwünscht und reichlich durch Ehrenge- 
schenke bedacht. War der Sieg der Römer über Antiochos glänzender 
und glorreicher, als der über die Galater, sagt Livius*, so war letzterer 
für die Bundesgenossen erfreulicher, als jener. Denn erträglicher war 
jenen das königliche Joch gewesen, als die Unmenschlichkeit der rohen 
Barbaren und die stete üngewissheit und Furcht, wo sie auf den Flügeln 
des Sturmwindes einfallen würden. Nur der römische Senat eingedenk 
seiner verletzten Würde und des eigenmächtig unternommenen Krieges 
war anderer Meinung und wollte ihm anfangs den Triumph versagen ; 
und wirklich bestätigen einige Schriftsteller gegen Livius, dass er zu 
diesem Schritt sich habe hinreissen lassen *. 

Der Consul beschied die galatischen Gesandten nach Ephesos, um 
die Friedensbedingungen entgegenzunehmen, welche sehr milde für die 
Besiegten ausfielen ; sie mussten geloben, sich ruhig zu verhalten und 
die Feindseligkeiten gegen Eumenes einzustellen ; im Uebrigen blieb 
ihnen der ungeschmälerte Besitz der Freiheit und ihres Landes, ein 
merkwürdiger Contrast gegen Antiochos, der um seine gesammten klein- 
asiatischen Länderstrecken gestraft war. 



1 Liv. 1. c. Flor. 2, 11. Aurel. Vict. de vir. ill. 59. Appian. Syr. 81. — 2 Liv. 
38^ 37. — 3 Flor. 2,11. Hiemit bringt man am Besten die Nachricht Appiana, der be- 
deutend von Livius in der Erzählung dieser Heerfahrt abweicht, in Verbindung, dass 
die Galater durch List von den Körnern besiegt seien ; nichts ahnend seien sie nach 
einem Festgelage (ßtßvOfiivovs) von der Uebermacht der Körner überfallen und nie- 
dergemacht , so dass der römische Senat mit Kecht Bedenken tragen musste, eine 
solche unrühmliche That noch durch einen Triumph zu verherrlichen. 



248 ^* ^^* Manlius Vulso's Heerfahrt gegen Oalatien u. s. w. 

§. 39. 

Oalatien Schauplatz des Kampfes zwischen den Konigen von Kappadokien 
und Pontes. Galatisch-pergamenischer Krieg. Benehmen der römischen 
Gesandten und ihre geheimen Instructionen. Wechselnde Erfolge der krieg- 
führenden Parteien. Sieg des Königs von Pergamos. Krieg der Trokmer mit 

dem König Ariarathes von Kappadokien. 

Kaum hatte sich Galatien etwas von den harten Schlägen erholt, 
als ein neues Unglück wieder über das Land hereinbrach : es wurde der 
Schauplatz eines erbitterten Kampfes zwischen den Königen von Pon- 
tes und Kappadokien , Phamakes und Ariarathes ; da Galatien sich je- 
doch einer wesentlichen Betheiligung des Kampfes enthielt, sondern 
Roms Vermittlung nachsuchte, übergehen wir denselben und wenden 
uns zum Kriege gegen Pergamos, der etwa dreizehn Jahre nachher 
Kleinasien mehrere Jahre erschütterte. 

Was die Galater bewog, gegen Eumenes die Waffen zu ergreifen, 
wissen wir nicht, wie überhaupt über den ganzen Krieg nur spärliches 
Licht sich verbreiten lässt. Ersteres ist um so auffallender, als wir kurz 
vorher noch galatische Reiterei in nicht unbedeutender Anzahl in dem 
Heere des Königs finden , das unter seiner eignen Anführung den Rö- 
mern gegen Perseus von Makedonien zu Hülfe zog. Auch darüber geben 
die Quellen keinen Aufschluss , in welches Verhältniss Galatien zu Eu- 
menes im Lauf der Zeit getreten war ; so viel lässt sich aus Livius' An- 
gabe nur muthmassen, dass der König einen überwiegenden Einfluss 
über die Barbaren gewonnen hatte. Jedenfalls war aber der ausbrechende 
Krieg ein bedeutender, wie nicht nur die starken Ausdrücke beweisen, 
deren sich Polybios ^ie Livius bedienen * , sondern auch der Umstand 
klar zeigt, dass Eumenes sich den Schutz der Römer zu erbitten ge- 
nöthigt sah und seinen Bruder Attalos nach Italien abgehen liess. 

Unter Anführung zweier Fürsten des Adrerta und Solovettius 
drangen die Galater verheerend in die pergamenischen Kronländer ein 
und scheinen nicht unbedeutende Erfolge erkämpft zu haben ; denn als 
der Winter herannahete, schloss Eumenes einen Waffenstillstand mit 
seinen Feinden, die in ihr Land zurückzogen, ohne jedoch von der wei- 
teren Verfolgung des Krieges abzustehen. Als der Frühling des Jahres 
167 erschien, eröffneten sie wieder nach gewohnter Weise den Kampf 
und drangen bis Synnada in Grossphrygien vor, während Eumenes, 
kaum von einer Krankheit genesen , in Sardes ein Standlager errichtet 



1 raXttTixri TiiQCajaaig Polyb. leg. 93. — Gallicua tumuUtts ; Oaüorum defe^ 
ctionenif quae nuper in ff enti motu facta erat. Liv. 45, 19i 34. 



§. 39. Galatien Schauplatz des Kampfes u. s. w. 249 

hatte, üin diese Zeit trafen Attalos und römische Gesandte^ an deren 
Spitze Licinius stand, ein und begaben sich ins galatische Lager. Lici- 
nius hatte aber geheime Aufträge vom Senat, die Galater zum fortge- 
setzten Kriege anzutreiben und keine Versöhnung zwischen den Geg- 
nern aufkommen zu lassen. Er wusste daher den Attalos geschickt zu 
beseitigen , indem er ihm vorstellte , seine Gegenwart würde die erhitz- 
ten Geifiüther der Feinde noch mehr reizen und jeder Verhandlung 
hemmend in den Weg treten und begab sich allein zu den galatischen 
Häuptlingen. Die Unterredung verfehlte ihren Zweck nicht; er brachte 
dem jungen pergamenischen Prinzen die Nachricht, das Ansehen der 
mächtigen Stadt und seine eignen Bitten seien vollständig an der Hals- 
starrigkeit des wilden Feindes gescheitert. Zwar verwundert sich Li- 
vius, der den hinterlistigen Auftrag des römischen Gesandten nicht 
kennen will, dass das sonst so gewichtige Wort des Senats , welches bei 
zwei grossen Königen Antiochos und Ptolemaios nicht der nöthigen 
Wirksamkeit entbehrt habe, auf die Barbaren ohne allen Eindruck ge- 
blieben wäre ^ , allein die feindselige Gesinnung des Senates gegen Eu- 
menes, der doch so erspriessliche Dienste ihm geleistet, leuchtet klar 
aus der Beleidigung hervor, die dem Könige kurz nachher zugefügt 
wurde. Denn ajs dieser wahrscheinlich den heillosen, Zwiespalt säenden 
Charakter des Licinius argwöhnend, selbst sich aufmachte nach Italien, 
um trotz seiner schwankenden Gesundheit persönlich seine Beschwerden 
dem Senate vorzutragen, fasste man zu Bom schnell den Beschluss, dass 
es fortan keinem Könige mehr gestattet sei, nach Bom zu kommen, eine 
Kränkung, die sich schnell verbreitete und den Muth der Galater nicht 
wenig erhöhte. Der Krieg wurde daher eifrig fortbetrieben , allein wie 
es scheint mit wechselndem Glücke. Die ersten Erfolge scheinen die 
Galater davongetragen zu haben, wenigstens lässt sich dieses aus einer 
Erzählung des Bnetors Folyainos^, die man am Besten hierhin bezieht, 
entnehmen. Eumenes leitete wegen seines kränklichen Zustandes den 
Krieg von der Sänfte aus, in welcher er sich stets dem Heere nach- 
tragen liess ; einst auf der Flucht vor den nachsetzenden Feinden ge- 
brauchte er folgende List, um nicht in ihre Hände zu fallen. Als er 
nämlich bemerkte, wie langsam seine Diener vorankamen, liess er sich 
auf einen Hügel tragen, der abseits vom Wege lag; wie dieses seine 
Verfolger bemerkten, wagten sie nicht vorzudringen, in der Meinung, 
der König habe unerwartet Hülfe gefunden , welche bei jener Anhöhe 
im Hinterhalte sich befände und kehrten wieder heim. 

Bald nachher jedoch scheint Eumenes energisch aufgetreten zu 



1 LIt. 45. 34.-2 Folyaen. 4, 8, 1. 



250 X. Cn. Manlius Vulso's Heerfahrt gegen Qalatien u. s. w. 

sein ; seine echt königliche Freigebigkeit verschaffte ihm bald ein tüch- 
tiges Söldnerheer , mit dem er nicht nur sein Königreich rettete und 
sein Land von den wilden Barbaren säuberte, sondern sogar ganz Qala- 
tien sich unterwürfig machte. Diese Nachricht findet sich in einem 
Fragmente Diodors*, das sich aller Wahrscheinlichkeit gemäss auf die- 
sen Krieg bezieht. So scheiterte hier Borns Politik an Eumenes' Glücke, 
suchte aber den Sieg des Königs seiner Früchte zu entkleiden ; denn als 
kurz darauf eine galatische Gesandtschaft in Rom erschien und Unab- 
hängigkeit sich erbat, willfahrte man gern ihrem Wunsche, die Beding- 
ung daran knüpfend, für die Zukunft besser den früheren, Manlius ge- 
gebenen Versicherungen nachzukommen*. 

Dennoch schien das unruhige Volk gar keinen Frieden aufkommen 
lassen zu können ; denn um dieselbe Zeit entspann sich ein Zwist zwi- 
schen den Trokmern und dem Könige Ariarathes VI. von Kappadokien. 
Erstere hatten versucht sich einer angrenzenden kappadokischen Land- 
schaft zu bemächtigen und, als das Unternehmen vereitelt worden , sich 
nach Rom gewandt, um ihren Gegner dort in schlechtes Licht zu bringen. 
Der Senat begnügte sich einen Unterhändler in der Person des M. Ju- 
nius nach Kleinasien abgehen zu lassen , um über die streitigen Punkte 
zu entscheiden und diesem gelang es auch den Frieden wiederherzu- 
stellen*. Nähere Nachrichten fehlen uns über diesen Vorgang; viel- 
leicht waren es galatische in Kappadokien ansässige Kauöeute, die den 
Streit hervorriefen , wie aus einer Erzählung Strabons * hervorzugehen 
scheint: Ariarathes habe den Mela, einen Bergfluss , der sich in den 
Euphrat ergiesst, durch Bollwerke aus seinem natürlichen Laufe ge- 
bracht, und sein Gewässer über die benachbarten Fluren strömen lassen, 
wodurch er viele kykladenartige Inseln sich geschaffen. Auf diesen 
habe er einen grossen Theil seines Lebens an kindischen Spielen und 
Tändeleien sich ergötzend zugebracht, bis der Mela jene hemmenden 
Bauten zertrümmert und sein früheres Flussbett wieder eingenommen 
habe, aber mit einer solchen Wogenmasse, dass der Euphrat ob des 
grossen Andranges habe austreten müssen, weit und breit die um- 
liegenden Gegenden in verheerendepi Laufe überfluthend. Dadurch sei 
den Galatern ein sehr grosser Nachtheil erwachsen und die Forderung 
von ihnen an den König ergangen, ihnen 300 Talente Schadenersatz zu 
zahlen, auf seine Weigerung sei Roms Vermittlung nachgesucht. 

Ist diese Beziehung und diese Erzählung richtig, so lässt sie sich 
dennoch nicht auf Galatien selbst anwenden, weil der Euphrat erst ganz 



.1 Diod. excerpt. Peiresc. p. 318. — 2 Polyb. 31, 2. — 3 Polyb. legat. 108. 
p. 938. — 4 Strab. 12, p. 538. 



§. 40. Bückblick auf die Oalater. 251 

Kappadokien überfiuthen musste^ ehe er Gralatien berühren konnte^ was 
jedoch aus dem Kieis der Wahrscheinlichkeit liegt; desshalb vermuthet 
Wernsdorf*, galatische in Kappadokien ansässige Kaufleute seien die 
durch den Schaden getroffenen Trokmer^ deren Volk sich der Gefähr- 
deten angenommen und sie durch Eroberung einer Landschaft zu ent* 
schädigen gesucht habe. 

S. 40- 

Kückblick auf cLie Galater. Verfall in Sitte und Religion. Kührende Treue 
der Fürstin Camma. Erster mithridatischer Krieg. Verrätherisoher Ueber- 
fall des Mithridates auf die galatischenEdeln. Galatien königlich pontische 
Provinz. Verschwörung des Toredorix gegen das Leben des Mithridates. 
Galatien durch Frieden von Dardanos wieder frei. Zweiter und dritter 
mithridatischer Krieg. Galatien auf Seiten der BÖmer. Mithridates' Tod. 

Seit dieser Zeit verliefen mehr denn fünfzig Jahre, ehe wir die Ga- 
later in neue Fehden und Kriege verwickelt finden; welche Folgen a.ber 
dieser gezwungene Frieden für ihr Land und Volk nach sich zog, lässt 
sich nicht genau ermitteln; gewiss aber nur nachtheilige, wie es bei 
einem Staate , dessen Gesammteinrichtungen nur auf Krieg berechnet 
waren , nicht anders sein konnte. Dass in diesem Zeitraum nach und 
nach sich bereits eine gewisse Abweichung in Sitte und Beligion geltend 
gemacht hatte, dass die Tetrarchen asiatisches Wesen liebgewannen, 
lässt sich aus den gleichzeitigen Berichten der Alten zur Genüge er- 
kennen« AUmählig gaben die Galater den Cultus ihrer nationalen Gott- 
heiten auf und nahmen den der unterworfenen Bevölkerung ihres Lan- 
des, der Phrygier und Hellenen, an. So finden wir einen Galater Bro- 
gitaros als Priester der Kybele^, einen andern, Dytoites als' Priester der 
Ma in Comana', ebenso galatische Frauen im Dienste ausländischer 
Gottheiten*. Zu Tavion befand sich eine kolossale Statue des Zeus 
und Ankyra zeichnete sich aus durch die dort zu Ehren des Asklepios 
gefeierten Spiele. 

In Ueppigkeit und Pracht im Aeussem standen die Frauen ihren 
Männern nicht nach ; das einfache Gewand von Wolle wich köstlichen 
Purpurgeweben und eine feinere weichere Lebensweise den fi*üheren 
starren Formen. Dennoch behielten sie inmitten des asiatischen Lebens 
eine gewisse Tugendstrenge bei und Hessen keinen Makel auf den Spiegel 
ihrer Hausehre fallen. Ein rührendes Beispiel erzählt uns Plutarch'von 
der schönen Camma in dieser Hinsicht. Sie war die Priesterin der Ar- 



1 Wernsdorf , de rep. Galat. p. 197 seq. — 2 Cic. de harusp. resp. 28. — 
3 Strab. 12, p. 558. — 4 Plut. de virt. mul. p. 257. Folyaen. strat. 1, 8, 39. 



252 X* ^^' Manlius VuIbo's Heerfahrt gegen Galatien u. 8. w. 

temis und zugleich Grattin des Tetrarchen Sinatos. Bei einem glänzen- 
den religiösen Aufzuge sah sie ein Edler des Landes Sinorix und ent- 
brannte, getroffen von ihrer hohen Schönheit und holden Anmuth für 
sie in unerlaubter Liebe; jene aber wies entrüstet jeden seiner ver- 
führerischen Vorschläge zurück, mit denen er ihr genaht war, bis er, 
als seine Leidenschaft den höchsten Grad erreicht hatte , ihren Gatten 
meuchlings erdolchen liess , den er als das grösste Hinderniss zu seinem 
Glücke betrachtete ; da er reich und mächtig war , entging er den Hän- 
den der Gerechtigkeit und blieb ungestraft. Gamma aber trug den har- 
ten Schlag, der sie getroffen, mit Starkmuth und Ergebung; man sah 
sie weder weinen noch klagen, aber sie entsagte jedem Verkehr mit der 
Aussenwelt und lebte selbst ihren nächsten Verwandten unzugänglich 
nur ihrer Trauer und dem Dienste der Göttin. Nach einigen Monaten 
wagte es Sinorix wieder, ihr mit den Versicherungen seiner Liebe zu 
nahen und entschuldigte die rasche That durch sein allzugrosses Ver- 
langen nacAi ihrem Besitze. Unbeugsam zuerst sah sie sich, um Ruhe 
vor den Ihrigen -zu haben, welche nicht aufhörten , ihr die Vorzüge der 
glänzenden Verbindung anzupreisen, zur Nachgiebigkeit genöthigt. Als 
nun der zur Heirath bestimmte Tag erschien, eilte Sinorix umgeben 
von einem glänzenden Gefolge zum Artemistempel. Dort erwartete ihn 
ruhig und ergeben die schöne Frau und führte ihn zum Altare hin , er- 
griff dann einen mit Wein gefüllten Fokal, trank nach üblicher Libation 
ein Weniges und reichte ihn darauf dein Tetrarchen. Freudetrunken 
nahm ihn der junge Mann und leerte ihn auf einen Zug. Aber das Ge- 
tränk war vergiftet; ausbreitend ihre Hände zum Bilde der jungfräu- 
lichen Göttin rief sie : » Dank dir , hochgeehrte Artemis , dass du mir 
gestattet in deinem Heiligthume jenen Frevler zu züchtigen*. Dir aber. 
Verruchtester aller Menschen, mögen die Verwandten die Erde statt 
des Ehebettes aufschütten' ! « Gegen Abend verschied das hochherzige 
Weib, bewundert von ihrem ganzen Volke. 

Wir wenden uns zurück zur politischen Geschichte Galatiens. Erst 
als die grossen mithridatischen Kriege begannen über Kleinasien eine 
irrsalreiche Zeit heraufzuführen, tritt auch Galatien wieder auf den 
Schauplatz der Weltbegebenheiten. Mithridates V. nämlich, König der 
Fontosländer hatte von den Römern wegen des Beistandes, den er ihnen 
im dritten punischen Kriege und gegen Aristonikos, den Elronpraeten- 



1 XaQiv oldd aoi, (a noXvrtfiE !kQT€fiig, ort fjioi nagiffx^e ir rtp <r(ß l€Q0 Slxag 
vnkq Tov avdgos Xaßflv aöCxtog Jt' ifik avaiQi&ivrog. Polyaen. 1, 8, 39. — 2 J^ol dk 
t» nuVTtav ttvoattarare otv&Qfonaiv rdtpov avtl •9'tiXtifAOv naQaaxsvaCitaaav ot nqog- 
r^xovTis. Plut. de yirt. mul. 1. q* 



§. 40. Mithridates. , 253 

denten von Pergamos^ geleistet^ Grossphrygien und die ehrende Benen- 
nung eines Freundes und Bundesgenossen erhalten. Als er aber starbt 
hatte der Senat seinem Sohne Mithridates VI. während seiner Minder- 
jährigkeit Fhrygien genommen und es für freies Land erklärt, ihm 
ebenso Kappadokien entrissen und es dem Ariarathes gegeben. Sobald 
aber der Beraubte die Zügel der Regierung in die Hand nahm, beschloss 
er alle Kräfte aufzubieten, um die Eömer aus Asien zu vertreiben. Zu 
diesem Zwecke suchte er zuerst seine eigene Macht zu befestigen und 
unterwarf sich die meisten der umliegenden kleinen Herrschaften ; er 
eroberte Paphlagonien, und theilte es mit seinem Freunde NikomedesII. 
von Bithynien, stiess in Kappadokien mit eigener Hand den König Aria- 
rathes , feinen Neffen, nieder und gab das erledigte Königthum einem 
seiner Söhne. Da stiftete Nikomedes, der mit eifersüchtigem Auge den 
Erfolgen des pon tischen Herrschers gefolgt war und eine allzugrosse 
Gebietserweiterung desselben zum Nachtheile seines kleinen Landes 
fürchtete, einen Jüngling von königlichem Ansehen an sich für den 
Bruder des ermordeten Ariarathes auszugeben und sandte ihn nach 
Bom, um seine vermeinten Bechte geltend zu machen ; seine Aussagen 
bestätigte Laodike , die vertriebene kappadokische Königin , die gleich- 
falls sich nach Bom, dem obersten Gerichtshofe der Völker, begeben 
hatte. Vergebens liess sich, um den Praetendenten zu entkräften, Mi- 
thridates durch seinen Statthalter Godrios beim Senate vertreten, er 
musste Kappadokien und Paphlagonien räumen , da L. Cornelius Sulla 
in Asien erschien, um den Befehl des Senates mit einem Heere zu unter- 
stützen, und den Ariobarzanes, welchen die Kappadoker auf den Thron 
gehoben hatten, in der Herrschaft befestigte. Kaum hatte er iiber Asien 
verlassen, als Mithridates mit Hülfe des armenischen Königs Tigranes 
den Ariobarzanes wieder verjagte ; dann wandte er sich gegen Bithynien, 
eroberte es und entsetzte den König Nikomedes IH. Fhilopator seiner 
Würde, welche er seinem eignen Bruder Sokrates verlieh. Allein die 
Vertriebenen wandten sich nach Bom und flehten um Hülfe, welche 
ihnen bereitwillig ertheilt ward; sogleich erging an den siegreichen Kö- 
nig der Befehl, die Länder zu räumen ; Manius Aquilius ward mit dem- 
selben an den Propraetor von Kleinasien L. Cassius gesandt, welcher 
die vertriebenen Fürsten in ihre -Länder wieder einsetzte, ohne dass der 
König von Pontos ihm entgegentrat. Seitdem unternahm Nikomedes 
heimlich vom Senate dazu ermuntert, dem die neidetiswerthe Macht des 
pontischen Herrschers verdächtig schien , plündernde Einfälle in Pon- 
tos und führte grosse Beute hinweg, ohne dass Mithridates sich dessen 
erwehrt hätte ; klagend wandte er sich nach Bom , aber man achtete 
nicht seiner Beschwerden. Da schien dem König der rechte Zeitpunkt 



254 X. Cn. Manlius Vulso's Heerfahrt gegen Galatien u. s. w. 

gekommen^ seinen grossen Plan auszuführen, den er im Vertrauen auf 
seine Macht als auch auf die Unterstützung der gegen die römische Ver- 
waltung erbitterten Asiaten gefasst hatte, die Völker des Orients zu 
einem grossen Bunde zu vereinen, um von den verhassten Bomern 
Asien zu säubern ; um so günstiger zur Ausführung dieses Planes war 
der Augenblick, je verwickelter die Verhältnisse Italiens waren, wo der 
furchtbare Bundesgenossenkrieg entbrannt war ; er vertrieb daher aber- 
mals die Könige von Kappadokien und Bithynien, schlug die ihnen zu 
Hülfe ziehenden Statthalter Q. Oppius und Manius Aquillius* nicht 
nur zurük, sondern nahm sie auch gefangen und überlieferte sie einem 
schimpflichen Tode. In kurzer Zeit war er Herr von ganz Vorderasien, 
das ihm als seinem Retter huldigte, bis zum jonischen Meere. STicht zu- 
frieden mit diesen Erfolgen schickte er seinen Feldherrn Archelaos, 
nachdem er 80000 Römer, die sich in Kleinasien aufhielten, der Volks- 
rache zum Opfer gebracht, mit einem grossen Heere und der Flotte nach 
Griechenland und rief alle Hellenen auf dem Festland und den Inseln 
zur Freiheit auf. Sogleich erhoben sich Athen , Böotien und Achaja, 
die Treue der übrigen Landschaften schwankte ; ein furchtbarer Völker- 
bund drohte den Römern, welche kaum aufathmend vom Bundesgenos- 
senkrieff sich wieder in die Wirren des ersten Bürgerkrieges gestürzt 
sahen. (J. der Stadt 666, 88 v. Chr.) 

Aber bald nahete der Rächer. Nach Vernichtung der marianischen 
Partei setzte Sulla mit einem ergebenen Heere nach Griechenland über 
und eroberte mit stürmender Hand am ersten März 87 Athen. Arche- 
laos, der pon tische Feldherr, musste den Peiräeus räumen und sich zu- 
rückziehen ; bald aber erschien er wieder mit einem grossen Heere , un- 
ter dem auch Galater erwähnt werden , und zog von Thessalien nach 
Böotien , wo Sulla durch Muth und Geistesgegenwart zwei glänzende 
Siege bei Chaironeia und Orchomenos über ihn erfocht,^ Asien dann be- 
drohte und den König von Pontos durch gewandte Unterhandlungen 
zum Frieden von Dardanos (84.) nöthigte, in dem dieser Herstellung 
des Besitzstandes wie vor dem Kriege , Verzichtleistung auf Bithynien 
und Kappadokien , Auslieferung von 70 wohl gerüsteten Schiffen und 
Zahlung von 2000 Talenten versprechen musste*. Durch diesen Frie- 
denschluss erhielt auch Galatien seine Freiheit wieder, das während des 
Krieges alle Schrecknisse eines zügellosen Despotismus durchgemacht 
hatte. In den ersten Jahren des Krieges hatte es immerhin einen gewis- 
sen Schein von Freiheit beibehalten, indem ihm der König seine 



1 Appian. Mithrid. p. 179. seq. Justin. 37, 4. 38, 2 ff. Vellej. 2, 18. Memnon 
ap, Phot. c. 33. — 2 Plut. Sulla 17. Appian. 1. c. p. 207. Liv. ep. 83. 



§. 40. Mithridates. 255 

Tetrarchen gelassen und es mehr als verbündetes, denn als unterworfenes 
Land .behandelt hatte. So hob er in der bekannten Rede bei Justin die 
Verdienste der Galater schmeichelnd hervor und pries sich glücklich den 
Körnern ein Volk entgegenstellen zu können, aus deren Gewalt sich die 
stolze Republik durch Gold habe loskaufen müssen*. Nach Verlust 
jener beiden grossen Schlachten aber glaubte er Grund gefunden zu 
haben, an der Treue und Zuverlässigkeit seiner galatischen Unterthanen 
zweifeln zu müssen und beschloss sich blutig für den Verrath an den 
Tetrarchen zu rächen.. Er lud sie daher sämmtlich zu einem grossen 
Gastmahle ein, zu dem die Nichtsahnenden mit ihren Frauen und Kin- 
dern erschienen; in nächtlicher Weile aber, als die Becher fröhlich 
kreiseten, liess sie der argwöhnische Despot von seinen Soldaten über* 
fallen und sämmtlich niedermetzeln, ohne der unschuldigen Weiber und 
Kinder zu schonen. Nur dreien gelang es sich einen Weg durch die 
feindlichen Schwerter zu bahnen und dem Tode zu entrinnen; Einer 
von ihnen ist der später oft genannte Dejotaros. Selbst Sulla missbilligt 
diese Grausamkeit. Galatien seiner Fürsten beraubt musste sich ergeben 
und erhielt nach furchtbaren Brandschatzungen einen pontischen Sa- 
trapen Eumachos zum königlichen Statthalter^. 

Diese That rief eine allgemeine Erbitterung unter den GaJatern 
hervor; ein Tetrarch der Tosiopen Toredorix trat an die Spitze der un- 
zufriedenen Edelen des Landes und zettelte eine Verschwörung gegen 
das Leben des pontischen Königs an. 

Hochherzig wollte er, wann Mithridates an einem bestimmten Tage 
seiner Gewohnheit gemäss auf einem/ziemlich hohen Gerüste seinen ^ 
Unterthanen Recht spreche , sich auf ihn stürzen und ihn mit sich in 
die Tiefe ziehen. Der Zufall wollte, dass der König diesmal von seiner 
Gewohnheit abging und die Recht suchenden Parteien in seine Woh- 
nung zur Entscheidung berief. Dorthin eilten die Verschworenen, zu- 
sammmen wollte man auf den Tyrannen eindringen und ihn in Stücke 
hauen; allein der Anschlag misslang gänzlich; Mithridates stets auf 
seiner Hut, und des tödtlichen Hasses der Galater gegen ihn wohl be- 
wusst, nahm sie gefangen und liess sicx hinrichten mit Ausnahm eines 
Einzigen, Namens Bepolitanos, den er wegen seiner seltenen Schönheit 
liebgewonnen hatte ^. Galatien selbst blieb nach diesen blutigen Vor- 
gängen nicht lange in seiner Gewalt, sondern die drei jenem nächtlichen 
Blutbade entronnenen Tetrarchen schaarten das Landvolk um sich und 
verjagten nach mehreren glücklichen Erfolgen den verhassten Eumachos 



1 Justin. 38, 4.-2 Appian. Mithr. p. 200. 206. 209. 210. — 3 Plut. de virt. 
mul. p. 259. («/.) 



256 X. Cn. Manlius Vulso's Heerfahrt gegen Galatien u. s. w. 

aus dem Lande *^ das nach dem Frieden zu Dardanos seine völlige auch 
von Mithridates anerkannte Selbstständigkeit und Unabhängigkeit wie- 
dergewann^. Nichts blieb diesem als erpresstes gallisches Baubgut. 

Der zweite mithridatische Krieg (83 — 8i v. Chr.) hat Galatien we- 
nig erschüttert, nur die nordöstlichen Grenzpunkte wurden von ihm 
berührt. Der nach Lorbeeren des Krieges lüsterne Propraetor Asiens 
Murena besetzte von Eom heimlich dazu ermuntert Kappadokien und 
drang verheerend nach der .unredlichen Wegnahme Komanas in das 
pontische Gebiet ein. Als die darüber in Bom vorgebrachten Klagen 
des Königs unbeachtet blieben, griff dieser gereizt zu den Waffen, be- 
siegte seinen ehrgeizigen Gegner am Halys und eroberte ganz Kappa- 
dokien. Nicht lange darauf erhielt Murena von Sulla die Weisung, 
Fehden mit dem pontischen Könige zu vermeiden ; der Friede ward da- 
her wieder hergestellt und durch ein glänzendes Festmahl , das Mithri- 
dates dem Murena und seinen Unterfeldherm gab, die Freundschaft 
zwischen beiden Parteien befestigt*. 

Bei weitem wichtiger und thatenreicher war der dritte mithrida- 
tische Krieg, der sieben Jahre später entbrannte (74 — 64). Während 
dieser Zeit hatte der König kräftig für Landheer und Flotte gerüstet, 
den missvergnügten Bosporos unterjocht und mit seinem Schwiegersohne 
dem armenischen Könige Tigranes einerseits und dem Haupt der spa- 
nisch-römischen Bepublikaner Q. Sertorius in Dianium anderseits auf 
die Grundlage des Besitzes von Kappadokien und Bithynien ein enges 
Waffenbündniss abgeschlossen. Als nun Nikomedes III. von Bithynien, 
sein Schwager, starb und die Körner zu Erben seines Beiches einsetzte, 
eröffnete Mithridates unterstützt von dreien Unterfeldherrn des Sertorius 
in der Führung des Heeres und an der Spitze von 156000 Mann nach 
römischer Weise disciplinirter Truppen den Krieg durch die Besetzung 
Bithyniens. In diesem Lande, das man bereits zu romanisiren ange- 
fangen hatte, ward er überall mit Freudensbezeugungen empfangen, 
Stadle und Landschaften huldigten ihm als Befreier und Erlöser von 
den schamlosen Erpressungen der römischen Staatspächter. Der Consul 
M. Cotta, welcher Bithynien wieder erobern sollte, ward bei Chalkedon 
an einem Tage zu Wasser und zu Lande geschlagen (74.) und müsste in 
Unordnung zurückweichen*. 

Galatien wird in diesem Kriege wenig erwähnt , es stand aber auf 
Seiten der Bömer und war, wie es scheint, gegen etwaige Angriffe der 



1 Appian. 1. c. p. 200. — 2 Appian. 1. c. p. 210. 222, Vellej. 2, 23. Oros.O, 2. 
Memnon 37. — 3 Appian. 1. c. p. 214. Memnon 37. — 4 Sallust. fragm. 
bist. p. 240. 



§. 40. Mithridates. 257 

pontischen Feldherrn wohl auf seiner Hut; eine bedeutende Waffen- 
macht scheint an den Grenzen gelegen zu haben^ denn Eumachos^ der 
vertriebene königliche Statthalter wagte es nicht in Galatien einzudrin- 
gen^ sondern zog nach Phrygien^ wo er an den dort an$ässigen römischen 
Familien blutige E.ache nahm^ sogar Pisidien^ Isaurien und Kilikien 
verheerend durchtobte ^ bis ihm der galatische Tetrarch Dejotaros ent- 
gegentrat und ihn zum Rückzug zwangt. Auch Mithridates selbst war 
durch den Consul L. Licinius LucuUus nach mehreren Niederlagen zu- 
rückgeworfen mit bedeutendem Verluste. Der siegreiche römische Feld- 
herr drang in der Verfolgung des Königs in Pontes vor und schlug bei 
Kabeira ein neu gesammeltes Heer desselben bis zur Vernichtung, ein 
Sieg, der nicht nur die Hauptfesten des Landes Amisos und Herakleia 
zum Falle brachte, sondern auch den Mithridates nöthigte, bei seinem 
Schwiegersohne, Tigranes von Armenien, Schutz und Hülfe zu suchen. 
(72.) Während sich der Schauplatz des Krieges nach Pontes zog, zeigte 
sich die Hülfe Galatiens sehr erspriesslich für das römische Heer^ 
welches, oft bittem Mangel am Nöthigen leidend, von hier aus bereit- 
willig durch grosse Getreidesendungen unterstützt wurde. Ebenso diente 
zahlreiche galatische Reiterei unter den Truppen des Consuls, die im 
Felde tüchtige Dienste leistete. N.ur durch eine auf ihre Habsucht und 
Beutelust berechnete List entkam Mithridates in Kappadokien ihren 
Händen, als er sich auf der Flucht nach Armenien befand : er liess sich 
seine Schätze auf Maulthieren nachführen und als er seine Verfolger 
nahe hinter sich hörte, streute er seine Kostbarkeiten rings auf die 
Wege umher und entkam so noch mit genauer Noth, während die Ga- 
later die Verfolgung aufgaben und begierig die umherliegenden Kost- 
barkeiten aufsammelten *. 

Im Jahre 70 brach Lucullus nach Armenien auf, um den Tigranes 
zu bekriegen , der die Auslieferung seines Schwiegervaters verweigert 
hatte. Nach zwei glänzenden Siegen über die beiden vereinigten Könige 
bei Tigranokerta und Artaxata machte er bereits Anstalten ganz Ar- 
menien zu unterwerfen, als unter den Legionen eine Meuterei ausbrach, 
welche seine Pläne vereitelte. Die beiden Könige Hessen diese Um- 
stände nicht unbenutzt, Tigranes drang in Armenien vor und Mithri- 
dates eroberte sein Reich mit leichter Mühe wieder und schlug ein rö- 
misches Heer unter Tragirius, einem Legaten des Lucullus gänzlich. 
Wie bekannt erhielt dieser darauf zum Nachfolger im Oberbefehl zuerst 
den Acilius Glabrio und als dieser als unfähig zur Führung eines solchen 
Krieges sich erwies, nach der Lex Manilia den Pompejus (66.), der mit 



1 Appian. 1. c. p. 222. Oros. 6, 2. — 2 Appian. p. 227. Memnon. 46. 

C n 1 1 e n , Wanderungen der Kelten. 1 7 



258 X. Cn. Manlius VuUo's Heerfahrt gegen Galatien u. s. w. 

entschiedener Ueberlegenheit an Mannschaft und Kriegeskunst den 
König bald in die Enge trieb. Er schlug ihn in Kleinarmenien unweit 
des Euphrat durch einen nächtlichen Ueberfall und nöthigte ihn zur 
Flucht nach Kolchis. Bald darauf starb der grosse Köinerfeind , verlas- 
sen von seinem Heere, das vor der Grösse seiner Plane zitterte, und 
schandlich verrathen von dem liebsten seiner Söhne Pharnakes, zu Panti- 
kapaion auf dem taurischen Chersones (63). Merkwürdig ist die Art 
seines Todes. Um seine Person hatte er stets ein galatisches Leibwächter- 
corps, dessen Treue er sich durch grosse Summen Geldes erkaufte. Als 
er den Verrath seines Sohnes und den Abfall des Heeres vernahm, na^nn 
er Gift, das er immer in seinem Schwertknopfe bei sich trug und for- 
derte seine beiden Töchter Nyssa und Mithridatis , die bei ihm waren, 
auf, ein Gleiches zu thun; sie folgten willig und starben vor seinen 
Augen. Bei ihm selbst hatte es nicht die gehoffte Wirkung, er liess da- 
her den Anführer seiner Leibwache, Bitoites zu sich kommen, der ihm 
auf sein Geheiss das Schwert ins Herz stiess ^ . 



• §. 41. 

Pompejus' Siegeslauf durch Asien. Belohnungen der Galater. König Bejo- 
taros. Bürgerkrieg zwischen Caesar und Fomp^us. Qalatien kämpft für 
Pompejus, Schlacht bei Fharsalos. Dejotaros Begleiter des flüchtigen Pom- 
pejus. Krieg des Phamakes. Caesar straft den Dejotaros wegen seiner Theü- 
nahme am Kriege und entzieht ihm die von Pompejus geschenkten Iiänder. 

Während Mithridates noch an der Nordküste des Pontos hinzog 
und neue Streitkräfte um sich zu schaaren suchte, hatte Pompejus seinen 
Siegeslauf durch Asien begonnen, durch einen Machtspruch das morsche, 
in sich zusammengesunkene Seleukidenreich aufgehoben, Hioinikien 
und Palaestina, dessen Hauptstadt bei den Thronzwistigkeiten der bei- 
den makkabäischen Brüder Hyrkanos und Aristobulos nach dreimonat- 
licher Belagerung des Tempelberges besetzt wurde (63), erobert und 
rüstete schon gegen die peträischen .Araber , als Eilboten ihm den Tod 
des pon tischen Königs meldeten. Sofort eilte er mit den Legionen nach 
Amisos und liess die Leiche seines grossen Gegners in der Königsgruft 
zu Sinope beisetzen , worauf er dann die Angelegenheiten Asiens ord- 
nete ; er verband Bithynien die meisten Bezirke Paphlagoniens und des 
pontischen Landes zur Provinz Bithynien, die südlichen Küstenstriche, 
namentlich Kiükien und Pamphylien zur Provinz Kilikien und schlug 
Phoinikien zu Syrien, während Gross- Armenien unter Tigranes, Kap- 



1 Appian, l. c. p. 24S. 249. Oros. 6, 5. 



$. 4h Pompejus' Siegeslauf durch Asien u. s. w. 259 

padokien unter Ariobarzanes , der Bosporos unter Phamakes tind Pa- 
laestina unter Hyrkanos romisclie Lehensforstenthümer wurden. Grala- 
tien , das wahrend des ganzen dritten mithridatischen Krieges treu auf 
Seiten der Bömer ausgeharrt hatte ^ erhielt seine Selbstständigkeit und 
Verfassung bestätigt. Einer seiner Tetrarchen der sich besonders durch 
Eifer und Umsicht hervorgethan ^ Dejotaros^ empfing zur Belohnung 
ausser Bestätigung in seiner Tetrardiie noch Kleinarmenien und einige 
Landstriche um Phamakia und Trapeeunt^ und den königlichen Titel 
über diese aussergalatischen Länder^; ebenso die .Einzelstadt Mithri- 
dation', im Pontos^ angrenzend dem Gebiete der Trokmer. Die erwor- 
benen Länder^ namentlich Kleinarmenien y auf welches auch Phamakes 
ein begehrliches Auge geworfen hatte, suchte der neue König durch 
einen Kranz von Festungen zu schirmen , und baute an der Vollendung 
rüstig trotz seines bereits hohen Alters fort. Bei der Gründung eines 
dieser Grenzfesten überraschte ihn der Triumvir M. Crassus, als er 
lüstern nach Kriegesrahm und Beute im Jahre 55 gegen Parthien zog'. 
Ein anderes galatisches Castell , Sintoion , erwähnt Stephanos von By- 
zanz in Armenien , zwar ohne den Dejotaros zu nennen , das aber ohne 
Zweifel seinem Ursprünge nach in diese Zeit hineingehört*. Sein Ver- 
hältniss zu Rom blieb ein freundliches und er selbst gab sich alle Mühe, 
keine Spannung eintreten zu lassen ; gefällig und zuvorkommend unter- 
stützte er daher den Crassus in seinem unglücklichen Kriege mit Bei- 
terei, die sich trefflich im Felde bewährte, bis sie den Gluthen der 
Sonne und dem Schwerte der Feinde erlag*. Ebenso kam er dem Pro- 
praetor von Kilikien M. TuUius Cicero bereitwillig mit seiner Lokal- 
kenntniss zu Hülfe und leistete ihm nicht unwichtige Dienste®. 

Als wenige Jahre nachher (49) der unselige Bürgerkrieg zwischen 
den beiden Gewaltinhabern Caesar und Pompejus ausbrach, erinnerte 
sich Dejotaros dankbar des Guten , das ihm von der Hand des letzteren 
zugeflossen war und trat auf dessen Seite. Er kam, sagt Cicero^ theils 
auf seine Bitte als Freund, theils auf seine Vorladung als Bundesgenosse, 
theils auf seine Berufung, als ein Mann, der gewohnt war, dem Senate 
zu gehorchen^. Sechshundert Reiter unter seiner eignen Anfuhrung 



1 Strab. 13, p. 547. — 2 Strab. 13, p. 567. In den Handsohriften steht der 
barbarische Name BoyodiaTdgtfi , dem Pompejus Mithridation geschenkt habe , nach 
Fenzels und Coray's Conjektur verschrieben für driCoToiQf^. Doch kommt ein ähnlicher 
Name ^AdiaroQi^ Strab. 12, p. 542 sq. 558 vor. — 3 Appian. de hello Parth.p. 136. — 
4 ZCvroiovt (fQovQiov ^^QfÄSvtag, xrCafJia I\iknTtiv. Steph. Byz. 8. h. v. — 5 Appian. 
de bell. Parth. p. 145. — 6 Cic. ep. ad var. 15, 4. ad AJtic. 6, 1. — 7 Venitvel 
rogatus ut amicus, vel arcesdhis ui sodug, vel evoeaüis , ut is, qui senatui parere didi- 
cisset. Cic. or. pro Dcgot. 5. Vgl. Cic. l. c. 10. Appian. de bell. civ. 2, p, 472. 
Vellej. 2, 53, 

17* 



260 X* Cn. Manlius Vulso's Heer&hrt gegen Oalatien u. s. w. 

kamen nach ülyrien herüber nach Thessalonich ^ was für den Sitz der 
auswärtigen Bepublik galt und wo die beiden Consuln und der Senat 
sich befanden. Sein Beispiel blieb bei den übrigen Tetrarchen und den 
benachbarten Königen nicht ohne Nacheiferung. Tarkuudarios Kastor 
und Dorylaos rüsteten ebenfalls ein Fähnlein von 300 Beitem aus^ be- 
fehligt von Kastors Sohne und dem Tetrarchen Dorylaos selbst ^ Hülfe 
schickten auch Ariobarzanes von Kappadokien, Kotys von Thrakien und 
die grossen Freistädte Asiens. Wir gehen über die folgenden Ereignisse 
kurz hinweg. Im Anfange des Jahres 48 ging Caesar wie bekannt, 
nachdem er Italien , von den nach Epirus flüchtenden Pompejanern ge- 
räumt^ binnen 60 Tagen gewonnen und Iberien nach mehr kunstvollem 
als blutigem Kampfe besetzt hatte ^ von Brundusinm ans mit sieben 
Legionen unter Segel ^ landete glücklich an der Küste von Epirus und 
nahm in raschem Zuge Orlcum und ApoUonia. Darauf wandte er sich 
nach Dyrrhachium^ dem Hauptwaffenplatze des Pompejus^ während sein 
Unterfeldherr M. Antonius kühn und glücklich ihm mit fünf Legionen 
nachfolgte. Pompejus, der seinem Gegner unaufhaltsam entgegenrückte^ 
erreichte jedoch früher Dyrrhachium und nun sah sich Caesar gezwun- 
gen^ ihm gegenüber am Flusse Apsos ein verschanztes Lager zu be- 
ziehen. Mit wechselndem Erfolge wurde hier gestritten. Zuletzt nöthigte 
ihn ein ungünstiges Gefecht sich nach Thessalien zurückzuziehen , wo 
sein Legat Cn. Domitius gegen Metellus Scipio befehligte. Langsam 
folgte Pompejus, nachdem er Cato mit einigen Truppen zurückgelassen, 
vereinigte sich mit Scipio und stieg in die Ebene von Pharsalos hinab. 
Seinem eignen Urtheile zuwider, durch den Ungestüm der eiteln sieges- 
trunkenen römischen Jugend bewogen wagte er am 20. Juli 48 die ent- 
scheidende Schlacht dort, die mit Einem Schlage die Hoffnungen der 
Bepublikaner vernichtete: Caesars kleines, aber abgehärtetes und geüb- 
tes Heer erfocht einen glänzenden Sieg über das noch einmal so starke 
pömpejanische. Die Galater hatten auf dem rechten Flügel gekämpft 
und waren gleich dem ersten feindlichen Beitersturme erlegen. Nur 
von wenigen Getreuen umgeben flüchtete der Geschlagene nach Aegyp- 
ten und fand hier bei Pelusium statt der gastlichen Aufnahme durch 
Meuchelmord den Tod. Unter seinen Begleitern war auch Dejotaros' 
und wahrscheinlich auch die übrigen galatischen Edelen. Fompejus 



i Caes. b. civ. 3, 4. Appian. bell. civ. 2, p. 472. Vellej. 2, 53. 
2 Nam neque deiecto fatis acieque fugato 
Abstulerat Magno reges fortuna ministros. 
Terrarttm dommos ei sceptra Eoa tenentes 
£xul habet comites. Jubet ire in devia. mundi 
, Dejotarum, qui sparaa ducis vestigia legit. Lucan. Phars. 8, 206. 



§.41. Pompejas' Siegeslauf durch Asien u. 8. w. 261 

hatte zuerst die Absicht , sich zu den Parthem zu begeben ; zu diesen 
entsandte er den Dejotaros von Ephesos aus ^ der in Sklavenkleidern 
dann seine Reise fortsetzte aber später um keinen unbestimmten Hoff- 
nungen nachzustreben^ in sein Königreich zurückeilte*^ Er that darauf 
Alles ^ um sich die Gunst des Siegers wiederzugewinnen, dieser aber 
nicht gleich im Stande 'die asiatischen Angelegenheiten zu ordnen, legte 
ihm eine schwere Geldbusse auf und schob seine Bache auf spätere Zeiten 
hinaus^. Drei Tage nach dem Tode des unglücklichen Pompejus war er 
nämlich nach Aegypten geeilt, um den Erbfolgestreit zwischen dem 
Könige Ptolemaios und seiner älteren durch Anmuth und Geist ausge- 
zeichneten Schwester Kleopatra zu entscheiden. Während er hier sechs 
Monate lang Heer und Volk in Alexandrien bekämpfte, suchte der Kö- 
nig von Bosporos Pharnakes, Sohn des grossen Mithridates, Vortheile 
aus den bürgerlichen Unruhen zu ziehen und überfiel Kleinarmenien 
und Kappadokien. Die vertriebenen Fürsten Dejotaros und Ariobar- 
zanes baten den Cn. Domitius Calvinus um Schutz, welcher nach der 
Schlacht bei Pharsalos nach Asien abgeschickt war , um die bisher dem 
Pompejus ergebenen Provinzen in Besitz zu nehmen. Dieser erliess so- 
gleich den Befehl an Pharnakes ergehen , die widerrechtlich eroberten 
Länder zu räumen und unterstützte seine Aufforderung kräftig dadurch, 
dass er mit drei Legionen, von denen zwei dem Dejotaros gehörten," 
welche dieser schon seit mehreren Jahren gebildet, römisch bewaffnet 
und an römische Kriegeszucht gewöhnt hatte , gegen jenen aufbrach. 
Daher gab dieser Kappadokien auf, Kleinarmenien aber seinem König- 
reiche näher gelegen und leichter zu vertheidigen hielt er besetzt und 
wagte es sogar, ermuntert durch den Hinblick auf die gefahrvolle Lage 
Caesars vor Alexandrien und das kleine Heer des Domitius, diesem eine 
Schlacht zu liefern , worin er einen vollständigen Sieg davontrug und 
seinen Gegner zu eiligem Rückzuge nöthigte. Durch sein Glück stolz 
gemacht überfiel er dann an der Spitze seiner Truppen die pontischen 
Landschaften und verübte die unerhörtesten Grausamkeiten^. Nach 
Beendigung der Kämpfe im Orient eilte Caesar durch Syrien , Kilikien 
und Kappadokien an die Grenzen von Galatien und Pontes. Hier 
kam ihm Dejotaros in demüthig flehendem Zuge entgegen, ohne Zeichen 
seiner königlichen Würde und im Gewände der Beklagten und bat um 
Verzeihung, dass er in einem von Caesars Truppen unbeschützten 



1 — — — regem parere iubenti 
Ardua non piguit, positisque insignibus aulae 

Egreditur, famulo raptos indutus amictus. Luc. 8,239. Cic. proDejot. 5. 
2 Hirtius, bell. Alex. 34. Cic. 1. c. 9. — 3 Hirtius 1. c. 41. Dion 42, 46. 



262 ^« Ci^* Manlitts Vulso'« Heerfahrt gegen Galatien u. 8. w. 

Lande blosgestellt an der Spitze seiner Streitkräfte zu Fompejus ge< 
stossen sei; es sei nicht seine Sache gewesen, einen Streit zu beurthei* 
len, über welchen das römische Volk sich getheilt habe, sondern habe 
es für seine Pflicht gehalten der römischen Fahne zu folgen, wo sie er- 
richtet* würde, ohne auf die zu sehen, welche sie trügen. Caesar ver- 
warf zwar diese Entschuldigung und erinnerte ihn an die zahlreichen 
Begünstigungen, welche er ihm als Consul durch Staatsbeschlüsse er- 
wiesen habe; ein Bundesfürst der Kömer müsse wissen, welche die Con- 
suln der Stadt wären und wer den Staat verwaltet — Wahrscheinlich 
hatte es Dejotaros nur der eindringlichen Beredsamkeit des Brutus^ und 
der angelegentlichen Verwendung hochstehender Personen zu danken^ 
dass der Sieger verzieh und dem Bittenden die königliche Stirubinde 
wieder gab. Dann rückte er gegen Pharnakes nach Pontes. »Er kam, 
er sah, er siegte, a Pharnakes floh nach dem Bosporos zurück , wo ihn 
sein Statthalter Asander tödtete. Diesem erlag auch später Mithridates 
von Pergamos, dem Caesar das erledigte Königreich zuertheilt hatte. 



§. 42. 

Bache des Dejotaros. Nach Caesaars Tod reiset Dejotaros die genommenen 
Ifänder wieder an sieh. Die republikanische Beaction au Born. Krieg 
zwischen Antonius und Octavian« Amyntaa^ König von Oalatien. Iiänder- 
vertheüungen an galatisehe Tetrarehen. Bührendes Beispiel von Bruder- 
liebe eines Galaters. Amyntas' Tod. Galatien eine römische Provinz. — 

Vorige Verfassung GalatienB. 

Wenn auch Caesar dem Könige verziehen hatte , so war damit je- 
doch noch keinesweges ausgesprochen , dass er straflos ausgehen sollte. 
Schon bei Caesars Ankunft in Galatien waren mehrere Tetrarchen dea 
Landes zu ihm gekommen und mit bitteren Beschwerden und Anklagen 
gegen Dejotaros aufgetreten , der in der That auch fast sammtliche Te- 
trarchien an sich gerissen und die rechtmässigen Besitzer' verdrängt 
hatte. Caesar wünschte zuerst den Krieg gegen Pharnakes zu beendigen 
und verschob die Entscheidung so lange hinaus. Als er siegreich von. 
dieser Heerfahrt heimkehrte, nahm er die Anklage gegen Dejotaros 
wieder auf und beschied die klagenden Tetrarchen vor seinen Richter- 
stuhl, wobei wohl vorauszusehen war, dass er dem Könige wenig Scho- 
nung angedeihen lassen werde. Er fand ihre Beschwerden begründet, 
und nahm dem Angeklagten seine unrechtmässigen Besitzungen, deren 
eine nämlich die Tetrarchie über die Trokmer der obengenannte neue 



1 Hirtius 1. c. 67. — 2 Tacit. deorat. 21. Cio. ad Attic. 14, 1. (6, 7. ed. SehfiU.) 



§. 42. Rache des Dejotaros u. s. w. 263 

König von Bosporos Mithridates von Pergamos* erhielt; ebenso musste 
Dejotaros Kleinarmenien räumen und an Ariobarzanes von Kappadokien 
abtreten*. So suchte Caesar durch das Dazwischenschieben ihm ganz 
ergebener Könige den römischen Provinzen in Asien eine Schutzmauer 
gegen fremde und feindselig gesinnte zu bilden. 

Wuth und gekränkter Stolz erfüllte aber das Herz des Beraubten 
und er schwur seinem mächtigen Feinde blutige Rache , allein sein An- 
schlag scheiterte an einem Zufall. Damals bewirthete er den Dictator 
einige Zeit in seinem Pallaste und beschloss ihn durch gedungene Mör- 
der verrätherisch beim Austritt aus dem Bade zu erdolchen. Allein die 
Vorsehung wachte über das Haupt des grossen Mannes , er besuchte an 
jenem Tage nicht das Bad. Etwa zwei Jahre später erhob sein Schwie- 
gersohn, der tektosagische Tetrar ch Kastor Tarkundärios, unterstützt 
durch die Aussage des königlichen Arztes Pheidippos , die Klage wider 
jenen, dass-er damals bei Caesars Aufenthalte in Galatien die Absicht 
gehabt habe, seinen hohen Gast zu ermorden. Cicero, des Königs Gast- 
freund, übernahm es zwar ihn zu vertheidigen, allein seine Beredsamkeit 
übte nicht jene siegende , das Herz des Richters erobernde Gewalt frü- 
herer Zeiten ; Caesar schien so wenig von der Haltbarkeit und der inne- 
ren Kraft der Gründe überzeugt, dass er die Entscheidung bis zu dem 
Zuge nach Parthien verschob. 

Als er aber mit den grossartigsten Entwürfen beschäftigt den Ver- 
schworenen zum Opfer gefallen war und neue Wirren und Unruhen die 
römische Welt erschütterten, benutzte Dejotaros den günstigen Augen- 
blick und riss die genommenen Landschaften Kleinarmenien und Ga- 
latien wieder an sich. Bekannt ist, welchen Missbrauch M. Antonius, 
den planlosen Gang der republikanischen Reaction rasch für sich aus- 
beutend, mit Caesar's hinterlassenen Papieren trieb, wie er, um seine 
ehrsüchtigen Pläne zu verfolgen , alle Mittel der List und Verführung 
in Bewegung setzte und Alles, was ihm beliebte, für niedergeschriebene 
Anordnungen des Ermordeten ausgab. Ungemeines Aufsehen erregte 
es daher und warf den Schatten des Lächerlichen auf das Treiben des 
Antonius, als man eine Verordnung las, nach welcher dem Dejotaros 
sein Königreich Kleinarmenien wiedergegeben wurde, da man allge- 



I Dieser war von königlicher Abkunft und königlich erzogen ; angeblich Sohn 
eines Pergameners Menodotos, in der That aber des* grossen pontischen Königs Mi- 
thridates. Seine Mutter Tochter des Adobogion, einer Tetrarchenfamilie entstammt, 
war einst die Geliebte Mithridates' des Grossen. Der König selbst hatte ihn mit sich 
ins Feld genommen und mehrere Jahre um sich gehabt ; ebenso war er dem Caesar 
lieb geworden. Hirtius 1. c. 78. Strab. 13, p. 625. — 2 Dion 4J, 63. Strab. 12, 
p. 540. Cic. de divin. §. 29. u. bes. II. §. 77. Vgl. Dion 42, 49. 



264 ^« ^^' Manliu» Vulso's Heerfahrt gegen Galatien u. 8. w. 

mein wusste^ wie abhold Caesar dein galatischen Fürsten gewesen war. 
Bitter geisselt daher Cicero in der zweiten philippischen Bede^ die un- 
geheure Willkür des kecken Parteiführers. 

Dejotaros ging noch weiter; nicht zufrieden seinen vorigen Besitz- 
stand wieder erobert zu haben . beschloss er sich auch an seinen vorma- 
ligen Feinden zu rächen; das Gewicht seines Zornes sollte besonders 
sein Ankläger vor Caesar ^ sein Schwiegersohn Kastor empfinden; er 
rüstete wider ihn und nahm seinen Herrschersitz Gobeus ein und ihn 
selbst nebst seiner Gattin gefangen. Schonungslos liess er Beide um- 
bringen , schleifte dann die eroberte Feste und verliess unter grossen 
Verheerungen das Gebiet der Tektosagen ^. Ein Sohn der Ermordeten 
Dejotaros Philadel phos wird später als Dynast in Paphlagonien von 
Strabon erwähnt , dort besass er die Residenz des Morzeos Gangra im 
Südosten des Landes, zugleich noch ein Städtchen und ein Bergschloss^. 

Nicht lange nachher sah sich Dejotaros wieder in den Strudel der 
Bürgerkriege hin eingerissen. Im Jahre 43 entstand das zweite Trium* 
virat, ganz ähnlich demjenigen, welches vor 17 Jahren Caesar, Pompe- 
jus und Crassus unter sich geschlossen hatten. Die neuen nach Macht 
und Eache lüsternen Gewaltherren vertheilten wie vordem unter sich 
die Oberherrschaft des Staates, wie eine gemachte Beute: Antonius 
erhielt beide Gallien, Octavian Afrika, Sicilien und Sardinien, Lepidus, 
Spanien. Letzterer sollte für das nächste Jahr 42 das Consulat führen 
und zur Aufrechterhaltung des geheimen Bundes mit einem Heere in 
Kom bleiben, dagegen sollten die beiden anderen mit allen übrigen 
Truppen nach dem Osten aufbrechen, um die Republikaner, die sich 
um die Fahne von Brutus und Cassius geschaart , zu bekriegen. Zuvor 
aber wollten sie sich von den Angesehensten ihrer Feinde befreien und 
brachten desshalb vorläufig 100 Senatoren und 2000 Ritter auf die Pro- 
scriptionsliste , mit deren Vermögen sie zugleich die Ausgaben und den 
Aufwand des Krieges zu bestreiten hofften. Als die Raub- und Mord- 
lust der drei Schreckensmänner gesättigt schien^ schiffte sich Antonius 
mit seinem Heere zu Brundusium, Octavian zu Rhegium ein und Beide 
landeten zu Dyrrhachium. Brutus und Cassius hatten unterdessen ihre 
Provinzen Makedonien und Syrien behauptet und auch in Asien festen 
Fuss gefasst. Auf die Kunde von den Schreckensscenen zu Rom und 
dem Anzüge der beiden Gewalthaber veranstalteten sie die ausgedehn- 
testen Rüstungen ; auch an Dejotaros erging ihr Ruf, ein Hülfscorps zu 
stellen, allein er schlug ihre Aufforderung ab unter dem Verwände, 
sein junges Reich gegen seine lauernden Nachbaren vertheidigen zu 



1 Phil. 2, 37. — 2 Strab, 12, p. 56S. — 3 Strab. 12, p. 562. 



§. 42. Rache des Dejotaros u. s. w. 265 

müssen. Allein Brutus', seines ehemaligen Fürsprechers, Bitte und die 
grosse in Asien bereits angesammelte Macht der Republikaner bewogen 
ihn zur Nachgiebigkeit, und da er selbst wegen seines hohen Alters am 
Eüege nicht theilnehmen konnte , liess er einen starken Haufen unter 
Anführung seines Geheimschreibers Amyntas zum Heere des Brutus 
stossen ; seinem Beispiele folgten die übrigen Tetrarchen und benach- 
barten Dynasten, welche die ansehnliche Macht von 5000 Reitern hin- 
schickten ^ 

Zu Sardes vereinigten sich Brutus und Cassius, schifften sich zu 
Abydos mit einem Heere von 100000 Mann nach Europa ein und be- 
zogen in Makedonien in der. Ebene von Philippi ein getrenntes Lager. 
Bald trafen auch die Triumvim mit einem ebenso starken Heere ein ; 
Antonius lagerte sich dem Cassius, Octavian dem Brutus gegenüber. 
Nach wechselnden Vorpostengefechten wurde endlich von dem Unge- 
stüm der beiden Heere die erste allgemeine Schlacht hervorgerufen. Der 
Ausgang derselben blieb zweifelhaft, auf beiden Seiten wurde der rechte 
Flügel geschlagen ; Brutus, unter dem auch die Galater gekämpft hatten, 
brachte die Legionen des Octavian zum Weichen. Aber während er die 
Flüchtigen mit zu wenig Vorsicht verfolgte, brach Antonius in die 
Schaaren des Cassius ein und zerstreuete sie. Cassius glaubte die ganze 
Armee sei geschlagen und liess sich in der Bestürzung von einem seiner 
Freigelassenen tödten. Tief die Grösse seines Verlustes empfindend zog 
Brutus die getrennten Lagerstätten zusammen und beobachtete zwanzig 
Tage lang unerschütterlich den schon früher gewählten Grundsatz der 
Abwehr. Während dieser Zeit verliessen ihn die galatischen Hülfs- 
schaaren und gingen zum Feinde über, beredet von ihrem Führer 
Amyntas^. Bereits gedachten die Triumvirn bei steigendem Mangel an 
Lebensmitteln des Aufbruches, als die nicht mehr zu zügelnde Krieges- 
lust der Republikaner eine zweite Schlacht herbeiführte, die ihren völ- 
ligen Untergang zur Folge hatte. Brutus selbst, verzweifelnd an der 
Bettung der Bepublik, gab sich den Tod (42 v. Chr.) 

Um eben diese Zeit scheint auch Dejotaros gestorben zu sein, sein 
einziger Sohn war ihm bereits vorangegangen ; mit ihm erlosch daher 
sein Geschlecht. 

Während darauf Octavian um den Sieg zu verfolgen nach Italien 
zurückkehrte, zog Antonius nach dem Osten, um diesen wieder zu unter- 
werfen und das den Truppen versprochene Geld zu erpressen. Nach 
EphesQS berief er eine Versammlung und beschied dorthin die Abgeord- 
neten der Städte und Fürsten zur Verantwortung wegen des den Re- 



1 Appian. b. c. 4, p. 640. Cassius Dio 47, 24.-2 Cassius Dio 47, 48. 



266 ^* ^n* Manlius Vulso's Heerfahrt gegen Oalatien u. s. w. 

publikanem geleisteten Beistandes. Er legte ihnen eine schwere Geld- 
busse auf und begann darauf Böses und Gutes vergeltend Phrygien und 
Galatien zu durchziehen. 

Galatien scheint im Allgemeinen eine glimpfliche Behandlung er- 
fahren zu. haben. Amyntas' Verrätherei belohnte er durch Verleihung 
der königlichen Würde, einiger Tetrarchien Galatiens und einiger 
Landschaften in Lykaonien, Pamphylien* und Pisidien*. Die übrigen, 
südöstlichen Tetrarchien bekam nebst einigen pergamenischen Bezirken 
ein gewisser Kastor , von dessen Nationalität und geschlechtlicher Ab- 
kunft wir keine Kunde besitzen*. Seine Herrschaft scheint indess nur 
kurze Zeit gewährt zu haben^ denn nach etwa drei Jahren sehen wir den 
Amyntas als König von ganz Galatien. Endlich erhielt Adiatorix , des 
galatischen Tetrarchen Domnekleios Sohn, von Antonius die Stadt Hera- 
kleia, mit Ausnahme desjenigen Theiles, den die römischen eingewander- 
den Familien bewohnten ; er besass sie indess nur wenige Jahre ; angeb- 
lich auf des Antonius Befehl überfiel er in nächtlicher Weile die ange- 
siedelten Bömer und hielt ein furchtbares Mordfest, nur Wenige ent- 
rannen dem Tode. Aber als Octavian nach dem Seesiege bei Actium 
und der Eroberung Aegyptens heimkehrte und die Blutthat vernahm^ 
liess er den Adiatorix nebst Gattin und seinen drei Söhnen gefangen 
nehmen, um durch sie die Pracht des Triumphes zu erhöhen. Zu Bom 
hielt er dann Gericht, sprach über Adiatorix und seinen ältesten Sohn 
Dyteutes das Todesurtheil aus und befahl es gleich zu vollstrecken. Als 
nun die Verurtheilten von den Soldaten zu ihrer letzten Bestimmung 
abgeführt wurden, warf sich ihnen der jüngere Bruder in den Weg und 
gab sich in treuer aufopfernder Bruderliebe für des Vaters älteren Sohn 
aus. Zwischen beiden entstand darauf ein langer Streit der Liebe, indem 
Dyteutes das edelmüthige Todesopfer nicht annehmen wollte, bis er des 
Bruders dringenden Bitten und der Eiteren Entscheidung traurig nach- 
gab. So ging der jüngere Bruder für ihn mit dem Vater in den Tod; 
Dyteutes aber wurde gerettet. Zu spät, erst nach vollzogener Hinrich- 
tung erfuhr der Kaiser den schönen Wettstreit und ward gerührt ; er 
entliess daher die XJeberlebenden aus der Gefangenschaft und gab dem 
Dyteutes das einträgliche Amt eines Oberpriesters der Göttin Ma von 
Komana ^. 

Wir kehren wieder zu Amyntas zurück. Nach Kastors Tode riss er 
die Herrschaft von ganz Galatien an sich , das jetzt ein nicht unbedeu- 
tendes Königreich wurde, wahrscheinlich mit Bewilligung des Antonius. 



1 Cassius Dio 49, 32. — 2 Appian b. c. 5, p. 715. — 3 Cass. Dio 48, 33. — 
4 Strab. 12, p. 543. 562. 



§. 42. Rache des Dejotaros u. s. w. 267 

An diesen schloss er sich auch fest an, allein wie die Folge lehrte, nur 
in eigennütziger Absicht; dennoch leistete er ihm nicht unerhebliche 
Dienste, besonders gegen Sextus Pompejus. Als dieser seine Seemacht 
von Vipsanius Agrippa bei Mylae und Naulochos vernichtet sah, floh er 
nach Asien und suchte dort auf die Nachricht von Antonius' Unglück 
im Partherkriege, eine neue Herrschaft zu gründen. Er knüpfte daher 
Unterhandlungen mit dem parthischen Könige an und rüstete eine 
Streitmacht. Daher gab Antonius dem M. Titius, seinem Statthalter in 
Asien , Befehl Sextus' Unternehmungen zu beobachten ; als diese bald 
darauf eine gefahrdrohende Gestalt annahmen und Sextus bereits meh- 
rere Städte erobert hatte, zog M. Titius, unterstützt von 2000 galatischen 
Reitern des Amyntas, gegen ihn. Jener aber ergriff, von seinen Freun- 
den verlassen, von seinem eignen Stiefbruder verrathen die Flucht, doch 
Amyntas setzte ihm mit seiner Beiterei nach und zwang ihn, sich zu er- 
geben. Antonius soll, befragt über das Schicksal des Gefangenen, wi* 
dersprechende Befehle gegeben haben; Titius liess ihn zu Milet hin- 
richten* (35 V. Chr.). 

Als bald darauf der grosse Kampf zwischen Antonius und Octavian 
ausbrach, stiess Amyntas zwar mit 2000 Reitern zum Heere des Erste- 
ren, ging aber dann zu Octavian über*. Dafür zeigte sich dieser dem 
Verräther auch vor allen Königen und Fürsten Kleinasiens gnädig ; 
während diese hart für die Theilnahme am Kriege büssten, bestätigte er 
ihn in der königlichen Würde und seinem Reiche, wie auch in der 
schon von Antonius erhaltenen Erlaubniss, seine Herrschaft durch 
Kriege gegen die unbändigen Pisidier weiter auszubreiten und gab ihm 
endlich noch das rauhe Kilikieu. Dadurch wurde Amyntas der mäch- 
tigste Fürst von Vorderasien , er besass ganz Galatien , Pisidien , Lyka- 
onien, Pamphylien, Isaurien und Kilikien und setzte seine Eroberungs- 
versuche mit Glück fort; zu Isaura errichtete er seinen Königssitz', 
nachdem er den Räuberfürsten Andpater aus demselben vertrieben und 
dann getödtet hatte; er suchte denselben stark zu befestigen, kam damit 
aber nicht zur Vollendung. Denn als er nach der Einnahme des pisi- 
dischen Castelles Kremna zur Bezwingung des kleinen aber muthigen 
Bergvolkes der Homonaden vordrang und schon im Besitze der meisten 
Plätze auch ihren Dynasten getödtet hatte, fiel er in die Netze der Gat- 
tin desselben , welche ihn in einen Hinterhalt Itckte , dann gefangen 



1 Appian. b. c. 5, p. 749. 751. 752. Caas. Dio 49, 18. — 2 Vellejus 2, 84. 

Hierauf bezieht sich auch Horaz : 

Ad hunc frementes verterunt bis mille equos 
Oalli canentes Caesarem. Epod. 9, 17. 

3 Strab. 12, p. 569. 



268 ^' Cn. Manlius Vulso'a Heerfahrt gegen Galatien u. 8. w. 

nehmen und hinrichten liess (24 v. Chr.). Er war der letzte galatische 
König ^ Bis zu den letzten Jahren hatte nämlich Born festgehalten an 
der Maxime / wo möglich jenseits der italischen keine Besitzungen zu 
übernehmen, sondern jene zahllosen Clientelstaaten durch blosse poli- 
tische Suprematie in Ordnung zu halten. Dieselben durften sich weder 
in völliger Schwäche auflösen , noch aus ihrer halbfreien Stellung sich 
zur Unabhängigkeit entwickeln. Aber diese Beschützerrolle ward nicht 
nur den Herren ebenso unleidlich wie den Dienern , sondern es erwies 
sich auch das römische Protektorat mit seiner stets von vorne wieder- 
beginnenden Arbeit als innerlich unhaltbar ; die Römer zogen daher 
nach und nach, einen Systemwechsel anfangend und abgeneigt auch nur 
Mittelstaaten in der ihnen möglichen Abhängigkeit neben sich zu dul- 
den, die Lehensherrschaften eine nach der andern ein und machten sie 
zur Provinz. So fand es auch Augustus nach Amyntas' Tode nicht für 
zweckmässig, das Reich unter die hintcrlassenen Kinder zu theilen, 
sondern zog es ganz unter seine unmittelbare Herrschaft, so jedoch, dass 
er einige der späteren Eroberungen des Königs an die Pisidier und Ly- 
kaonier zurückgab^, alles Uebrige jedoch bei Galatien liess. M. Lol- 
lius war der erste Propraetor der neuen Provinz ^ Ol. 188, 4. — 24 
V. Chr. 

Unter den folgenden Kaisem wurde auch nocK Paphlagonien hin- 
zugeschlagen und dadurch die Provinz zu einer sehr grossen Ausdeh- 
nung gebracht , so dass sie vom Pontos gegen Süden bis in die Zweige 
des Tauros nach Pisidien reichte , gegen Osten von Kappadokien und 
Pontos und gegen Westen von Phrygien und Bithynien begrenzt wurde. 
In dieser Grösse hat sie Ptolemaios beschrieben. Unter Constantin zer- 
fiel die grosse Provinz in mehrere kleinere und nur das wirkliche Gala- 
tien blieb als eigene Provinz für sich. Die letzte Theilung erfuhr sie 
unter Theodosius I., und zwar in Galatia prima und Galatia secunda*'. 
Ersteres begriff* den nördlichen Theil oder die alten Sitze der Trokmer 
und grösstentheils auch die der Tektosagen , nebst einer Vergrösserung 
durch eine bithynische Landschaft auf der Westseite, mit der Haupt- 
stadt Ankyra. Galatia secunda oder bei Hierokles ^ auch salutaris ge- 
nannt, umfasste die Sitze der Tolistobojen mit der Hauptstadt Pessinus. 

So war auch dieses unter so furchtbaren Anfangen emporgeblühte 
Land dem mächtigeit'Arm der Römer erlegen , seine Nationalität aber, 
repraesentirt durch seine Sprache hat sich lange nachher noch erhalten ; 
noch zur Zeit des heiligen Hieronymus wurde sie gesprochen und zwar 



1 Strab. 1. c. — 2 Cass. Dio 53, 26. — 3 Euseb. chron. ad Ol. 188. — 4 Ma- 
lalas L. 13. sub Theodos. Magno. — 5 Hierocles p. 697. ed. Weeseling. 



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§. 43. Kache des Dejotaros u. s. w. 269 

sogar ohne grosse Abweichung von der des Mutterlandes *. Die frühere 
Verfassung wie bei ihren europäischen Brüdern war streng aristokra- 
tisch. Durch die Sprache zu einer Nation verbunden standen die drei 
Völkerschaften zwar selbstständig neben einander und hatten ihre eigene 
Verwaltung , allein sie besassen auch einen gemeinsamen Rechtsboden, 
dessen bindende Kraft sich über ganz Galatien erstreckte. Das war die 
Versammlung in dem sogenannten Drunemetos (Eichenhain), ein Name, 
den der Senat vom Orte , wo er tagte , von der griechischen Bevölke- 
rung des Landes erhalten haben mochte. Dieser hohe Rath bestehend 
aus dreihundert Edeln des Landes entschied in höchster Instanz und 
zog die schwersten Verbrechen vor seinen Richterstuhl; von seinen 
übrigen Funktionen. sind wir wenig unterrichtet, jedenfalls wird er auch 
die Leitung der Staatsangelegenheiten in seinen Händen gehabt haben. 
An der Spitze demselben standen die 1 2 Tetrarchen oder Vierfürsten des 
Landes, denen namentlich das Kriegswesen oblag; jede Völkerschaft, 
in vier Bezirke getheilt, hatte vier solcher Tetrarchen zum Oberhaupte ; 
ihnen waren untergeordnet ein Richter, der die unwichtigeren Civil- 
processe entschied und das Polizeiwesen versah, sowie einen Heerführer 
und TJnterheerführer*. 

Galatiens Boden zeichnete sich aus durch seine Fruchtbarkeit und 
erzeugte eine reiche Fülle von Lebensbedürfnissen. Stephanos von By- 
zanz nennt es den schönsten Theil von Phrygien * ; ergiebigen Fisch- 
fang boten die vielen Gewässer, Wein und Oliven die meisten Berge 
und zahlreiche edle Heerden weideten auf den Fluren. Was die unter- 
worfene Bevölkerung angeht, so bestand sie aus Phrygen und Hellenen ; 
letztere waren zu verschiedenen Zeiten eingewandert, hatten aber durch 
die Herrschaft Alexanders des Grossen und der Diadochen das Ueber- 
gewicht im Lande erhalten. Hauptsächlich im Westen desselben waren 
sie ansässig , und zwar in bedeutender Menge ; unterworfen traten sie 
ihren Siegern durch Verschmelzung näher und gewannen bald einen 
nicht unbedeutenden Einfluss; wenigstens machte sich ihre Sprache 
neben der keltischen geltend* und Galatien hiess sogar auch Gallo- 
graecien *. 



1 Unum €8ti quod inferimtts et promissiim in exordio reddimus , Galatas excepto 
sermone Grraeco , qtto omnia Orietis loquitur proprxam linguarn eandem paene hahere^ 
quam Treviros, nee referre^ si altqua exinde corruperint. Hieron ym. prooem. 1. 2. in 
Galatas. — 2 Strab. 12, p. 567. — 3 Steph. v. <Pqvyta, — 4 Hieronym. 1. c. — 
5 In hanc terram GaUi aliquando venientes cum Graecis sese misctierunt. Unde pri- 
mum ea regio Gallograecia post Galatia nominata est. Hieronym. 1. c. Vgl. Suidas v. 
FaXXoyQatxia. 



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Druck TOD Breitkopf and Hirtel in Leipiig.