Skip to main content

Full text of "Die Wiener Revolution 1848, in ihren socialen Voraussetzungen und Beziehungen :"

See other formats


Google 



This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct 

to make the world's books discoverablc online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 

to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 

are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. 

Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the 

publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying. 
We also ask that you: 

+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc 
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of 
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe. 

Äbout Google Book Search 

Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs 
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web 

at |http: //books. google .com/l 



Google 



IJber dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nu tzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .coiril durchsuchen. 



'■■^'•■^■■^'■■f-f'"t—t'-^"t"'f'''f'-'#-"l"^''^-#'" 

t* *?* 'P <t* 't^ ff* *!> '** X '** ^ *** *^ *** ^ *•* 




'^'•'^■'^■■^"•'^■•'^•■^■■f''^''^f'-'f''^"^''f'''#"'f 



bf'f'-f'f't-t'f'f't't-f'f'f-f' 



XTB 



DIE 



Wiener Revolutiotst 



1848. 



DIE 



Wiener Revolution 



'-• -t 



1848 



IN IHREN 



SOCIALEN VORAUSSETZUNGEN UND BEZIEHUNGEN 



VON 



ERNST VICTOR ZENKER. 




WIEN. PEST. LEIPZIG. 

A. HARTLEBEN 'S VERLAG. 

d897. 
ALLE RECHTE TORBEHALTEN. . 



K. n. k. Uorbaebdrsckerel Carl Fromm« In Wl«n. 



Vorwort 



Das kommende Jahr wird für Oesterreich ein 
Jubeljahr sein: mit seltenem Festgepränge wird der 
Tag begangen werden, an dem vor fünfzig Jahren 
Kaiser Franz Joseph I. den Thron des Reiches bestiegen 
hat. Oesterreichs Völker können auf eine lange, wechsel- 
volle und lehrreiche und stellenweise auch glückliche 
Epoche zurückblicken. Trotz künstlich aufgezüchtetem 
Classenhass und Racenhass ward es in den fünfzig 
Jahren doch auch in diesem Lande manchmal offen- 
bar, dass über allen Abgründen, die Völker und Stände 
trennen können, ein höherer Geist der Menschenbrüder- 
schaft, der Freiheit und des Fortschrittes schwebt. 
Ein Segen seiner Hand ist's, was über Oesterreich an 
Frucht und Blüthen ausgegossen ist. Vor fünfzig Jahren 
war der Geist der Freiheit, Gleichheit und Brüder- 
lichkeit leibhaftig bei uns eingekehrt und sass zu Wien 
am Throne, ein wildlockiger Knabe — vor fünfzig Jahren. 
Heute hat man seiner vergessen. Das Volk wird nicht 
die ruhmvollen und tragischen Erinnerungen des grossen 
Jahres 1848 feiern — und es thut gut daran, denn 
es müsste ein Trauerfest sein, dessen düstere Accorde 
übel zu den Jubelfanfaren passen würden, die künftiges 



■i. 



— VI — 

Jahr vom Ost zum Westen und vom Nord zum Süden 
des Reiches schmettern werden. 

Vieles, was die Revolution gewollt, blieb immer 
unerfüllt. Alles, was sie gegeben, ist heute in Frage 
gestellt. Alles zu wirken und nichts zu unterlassen, 
was Noth thut, um das Errungene zu erhalten und im 
Geiste der grossen Vergangenheit, nach den besseren 
Erkenntnissen der Gegenwart auszubauen, das wird 
die würdigste und schönste Gedächtnissfeier der denk- 
würdigen Ereignisse des Jahres 1848 sein. Wer seiner 
Zeit recht leben und für die Zukunft wirken will, muss 
die Vergangenheit erkennen — besser, als sie sich 
selbst erkannt hat. Das Geschlecht der Revolutionszeit 
erlitt ebenso an einer Ueberschätzung des rein poli- 
tischen Factors Schiffbruch, wie die Generation von 
heute durch die einseitige Betonung der wirthschaft- 
lichen Fragen politisch bankerott geworden ist. Das 
Facit ist in beiden Fällen das gleiche, die persönliche 
Freiheit geht zugleich mit der wirthschaftlichen ver- 
loren. Die Lösung der socialen Fragen kann nur am 
Herde glühender Begeisterung und reinen Mitgefühles 
erfolgen, aber mit dem Gefühle allein ward noch 
niemals ein gesellschaftliches Problem gelöst, wie 
die Revolution des Jahres 1848 schlagend beweist. 
Die Absichten der Männer jener Zeit waren gross und 
rein und edel, aber ihre Einsicht dürftig und gering, 
die grosse Zeit traf sie geistig nicht gerüstet. Sehen 
wir, dass uns die Zukunft besser gewappnet, besser 
vorbereitet finde. 

Als einen schwachen Beitrag zu diesem Zwecke 
lege ich dies Buch in aller Bescheidenheit in die Hände 
des Lesers. Möge es der wissenschaftlichen Erkenntniss 



— YII — 

der wahren socialen Voraussetzungen unserer vater- 
ländischen Geschichte dienen, möge es aber zugleich 
recht Viele an die Pflicht jener Pietät erinnern, ohne 
welche ein Geschlecht nie Anspruch auf politische 
Reife hat. Sollte dieser Zweck erreicht sein, dann 
dürfte ich mir wohl schmeicheln, einen wahrhaft pa- 
triotischen Beitrag zur Jubelfeier des Jahres 1898 ge- 
liefert zu haben. 

Darum sei dies Buch dem Andenken all der Braven 
gewidmet, welche vor fünfzig Jahren für Recht und 
Freiheit gestritten und gelitten und eine lasterhafte 
Gesellschaftsordnung niedergerungen, um — so viel 
an ihnen lag — auf der Freiheit Aller, die Wohlfahrt 
Aller zu begründen; es sei aber auch allen denen 
gewidmet, die jener Männer heute noch, nach fünfzig 
Jahren, in Däqjcbarkeit und Wehmuth gedenken und 
für die das grosse Sturm jähr immer noch mehr be- 
deutet, als eine blosse Verirrung der Massen, oder im 
besten Falle als eine verblasste Erinnerung aus der 
tollen Kinderzeit. 

Ernst Victor Zenker. 



Inhaltsverzeichniss. 



Seite 

Vorwort V— VII 

Erstes Buch: Die socialen Verhältnisse vor Aus- 
bruch der Revolution 1 — 106 

Erstes Capitel: Die landwirthschaftlichen Verhält- 
nisse 1—28 

Zweites Capitel: Die Lage des Gewerbes .... 28— 55 
Drittes Capitel: Die Lage ber Arbeiterclasse . . . 55 — 91 
Viertes Capitel: Vor dem Sturm 91—106 

Zweites Buch: Die socialen Kreignisse der Revo- 
lution 107—242 

Fünftes Capilel: Die sociale Bedeutung der März- 
tage 109-181 

Sechstes Capitel: Die Mairevolution und der Sieg 

der Demokratie 131—179 

Siebentes Capitel: Die Unruhen des August und 

September 179—225 

Achtes Capitel: Die Octoberrevolution. Schluss . .225—242 

Noten 248—289 

Noten zum ersten Capitel 245 — 254 

Noten zum zweiten Capitel 254—260 

Noten zum dritten Capitel . . , , . 260—271 



- X - 

Seite 

Noten zum vierten Capitel 271 — 272 

Noten zum fünften Capitel 272—275 

Noten zum sechsten Capitel 276 — 284 

Noten zum siebenten Capitel 284—287 

Noten zum achten Capitel 287—289 

Sachregister 290-293 

Namensregister 294—296 



ERSTES BUCH. 



Die socialen Verbflltnlsse vor Aasbrucb der Revolution. 



Erstes Capitel. 

t Die landwiTthschaftlichen Teihältnisse. 

So wenig man bisher die wirthschaf tlichen Antriebe 
der österreichischen Revolution von 1848 würdigte, 
und so wenig sich die stossenden und gestossenen 
Gruppen des wilden Parteilebens jener Zeit selbst 
dieser Antriebe bewusst waren, nach einer Richtung 
hin hat man den socialen Charakter dieser historischen 
Bewegung nie ganz verkannt. Dass die von Grund aus 
verrotteten Besitz- und Productionsverhältnisse der 
landwirthschaftlichen Bevölkerung eines der wichtigsten 
und kräftigsten Fermente für den grossen Gährungs- 
process gebildet haben, sahen zuletzt auch Jene ein, 
welche in einer Revolution durchaus nichts als das 
Werk einzelner Hetzer und Stänkerer erblicken wollen, 
welche immer nur das Rad der Mühle klappern hören 
und niemals die Wasser sehen, die Rad und Mühle 
in Bewegung setzen. Es war also eine nicht sehr weither- 
geholte Weisheit, wenn die alle Errungenschaften der 
Revolution verzehrende Reaction der folgenden Jahre 
sich ängstlich davor hütete, auch die den Bauern ge- 
machten Zugeständnisse rückgängig zu machen. Die 
Unhaltbarkeit der bäuerlichen Zustände des Vormärz 
und der damit verbundenen socialen Verhältnisse über- 

Zenker: Wiener Revolution. 1 



— 2 — 

haupt darf — selbst bei dem in derlei Dingen just 
etwas vergesslichen Volke von heute - — noch als so 
allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass wir uns 
hier wohl mit einer flüchtigen Skizze über einen 
Gegenstand begnügen können, der sich allerdings kaum 
in Bänden erschöpfen liesse. 

Die durch das Rechtsverhältniss der Grundherrlich- 
keit und Unterthänigkeit (nexus subditelae) bezeich- 
neten und in Oesterreich, ^) wie im übrigen Europa 
ehemals herrschenden Verhältnisse, waren die letzten 
Nachwirkungen der in ihrem Lebensmarke längst ver- 
dorrten wirthschaftlichen Organisation des mittelalter- 
lichen Lehenstaates. Das Rechtsverhältniss zwischen 
dem mittelalterlichen Lehensherrn und seinen Unter- 
thanen beruhte auf jener primitiven, ständischen Arbeits- 
theilung, welche uns in der Entstehungsgeschichte 
höherer socialer Gebilde ganz allgemein begegnet: 
der eine Stand, meist der dominirende, widmet sich 
den Aufgaben der Landesvertheidigung, dem Kriegs- 
handwerke, der andere der wirthschaftlichen Production, 
der Arbeit. Das Kriegshandwerk war edel, Sache der 
Adeligen; aber auch der Bauer war oft frei und 
keineswegs zu allen Zeiten jener Metöke und Helot, 
der er später geworden. Die Beziehungen der Stände 
zu einander beruhten auf Gegenseitigkeit, und selbst 
dort, wo der grosse Lehensbesitzer Parcellen seines 
Grundes seinen Dienstleuten als vorübergehendes oder 
erbliches Nutzeigenthum überliess — also ein neues 
Lehensverhältniss zweiten Grades schuf — und dafür 
gewisse wirthschaftliche Gegenleistungen in der Form 
von Naturalabgaben und Arbeit (Diensten) erhielt, war 
doch auch er seinen Mannen und Hörigen gegenüber 



— 3 — 

verpflichtet, und zwar zum Schutze gegen Feindesmacht. 
Der Edle schützte mit seinem Schwerte den die Scholle 
bebauenden Landwirth, und das Bedürfniss nach 
einem solchen Schutze war in der waffenklirrenden 
Zeit des Mittelalters so gross, dass sich oft auch freie 
Bauern in diesen Schutz flüchteten und um desselben 
willen den Adeligen ein Obereigenthumsrecht an ihrem 
Besitze freiwillig einräumten. Noch öfter kam es freilich 
vor, dass die grossen Grundherren kleine, freie Besitzer 
mit Gewalt in eine von ihnen abhängige Stellung 
brachten und sich über deren Besitz ein Obereigenthums- 
recht anmassten. Das ewig gleiche Schauspiel, dass der 
Starke den Schwachen, der Grosse den Kleinen aufzehrt, 
die ins Politische und Wirthschaftliche übersetzte 
Anthropophagie blieb also auch der frommen, vom 
Geiste des alles reglementirenden und regimentirenden 
Socialismus und vom Geiste der christlichen Kirche — 
um nicht zu sagen vom christlich-socialen Geiste — 
vollkommen beherrschten Zeit des Mittelalters nicht 
erspart; und so kam es, dass es in wenigen Jahr- 
hunderten neben dem feudalen Grossgrundbesitzer 
überhaupt keinen freien Bauer mehr gab. 

Hand in Hand mit diesem Entwickelungsprocess, 
war eine vollständige Verschiebung der Rechtsbezie- 
hungen zwischen Grundherren und Grundunterthanen 
vor sich gegangen, hatte sich das, was ursprünglich 
die natürlichste und passendste Wirthschaftsorgani- 
sation gewesen, in einen Apparat der ungeheuerlichsten 
Ausbeutung der Einen durch die Anderen umgewandelt. 
Aus dem Schutzherrn war der Bedrücker geworden, 
der alle Rechte im Staate ausschliesslich für sich recla- 

mirte, während der Bauer ebenso ausschliesslich alle 

1* 



- 4 — 

Lasten zu tragen hatte und obendrein dem Grundherrn 
mit Leib und Leben angehorte, als eine Sache, wie der 
Sklave jeder anderen Zeit. 

Es bleibt zum mindesten ein Zeugniss für die 
grössere Klugheit, wenn schon nicht für ein tieferes social- 
politisches Verständniss des sogenannten aufgeklärten 
Despotismus in Oesterreich, dass er die Sklavenketten 
des Bauernstandes etwas lockerte und wenigstens die 
Leibeigenschaft aufhob.^) Freilich, um aus den Hörigen 
wirklich Freie zu machen, dazu hätte eine Neuorgani- 
sation der landwirthschaftlichen Besitzverhältnisse 
überhaupt gehört, und um eine solche grundstürzende 
Revolution durchzuführen, um einen solchen Kampf 
auf Leben und Tod mit dem Grundadel aufzunehmen, 
dazu fehlte es den gekrönten Staatssocialisten des 
vorigen Jahrhunderts an der nöthigen Macht und 
vermuthlich auch an der ernsten Absicht. Man hatte 
dem übermüthigen Adel ein wenig die Faust gezeigt, 
man hatte durch einige geschickte Handgriffe den 
im Volke angesammelten Expansivgasen in einem 
sehr gefährlichen Augenblicke einen Ausweg ge- 
geben;^) in dem Momente, wo es sich zeigte, dass 
die phrygische Mütze mit der Cocarde die öster- 
reichische Grenze nicht zu überschreiten drohe, dass 
der Bundschuh nicht umgehe, in dem Momente legte 
man das Reformwerk wieder beiseite und zog es 
vor, den mächtigen Adel bei gutem Muthe zu er- 
halten, statt sich um den Bauern zu bekümmern, der 
trotz der nominellen Aufhebung der Leibeigenschaft 
seine fast ungemindert schwere Bürde weiter zu 
schleppen hatte, bis ihm ein Retter von anderer Seite 
erstand. Es zeugt aber klarer als tausend Ziffern, wie 



— 6 — 

schwer und stark auf dem Bauer der Druck gelastet 
haben musste, wenn er einen derartigen geistigen und 
moralischen Tiefstand erzeugen konnte, dass der 
österreichische Bauer, statt seinem Befreier im Augen- 
blicke der Bedrängniss durch eine Jacquerie zuhilfe 
zu eilen, diesen schmählich im Stiche liess und an 
seinen grimmigsten Feind verrieth. 

Doch wir eilen voraus. Augenblicklich stehen wir 
noch im Vormärz und haben vor allem die Rechts- 
formen zu betrachten, in welchen das Grundunter- 
thänigkeitsverhältniss — die Quelle allen Uebels — 
speciell in Oesterreich zum Ausdrucke kam.^) 

Der gesammte Grund und Boden theilte sich in 
Dominical- und unterthänige Gründe. Dominicalgründe 
oder herrschaftliche Gründe waren in der Landtafel, 
d. h. einem öffentlichen, bei dem Gerichtsstande des 
Adels erliegenden Buche und ebenso in einem Buche 
bei den Ständen der Provinz, dem Kataster oder 
Gültbuche eingetragen. Diese landtäflichen Güter waren 
in der für uns in Betracht kommenden Zeit fast aus- 
schliesslich in den Händen des Adels und der Geistlich- 
keit.'^) 

Die unterthänigen Gründe waren entweder „ein- 
gekaufte*' oder „uneingekaufte". Eingekaufte Gründe 
wurden diejenigen genannt, die aus dem Dominical- 
complexe herrührten, deren Nutzungseigenthum die 
ünterthanen ihren Gutsherren abgekauft hatten, die sohin 
rusticalisirt, d. h. aus der Dominical- in die Rustical- 
fassion und in das Grundbuch übertragen worden 
waren. Diejenigen Gründe dagegen, für deren Nutzungs- 
eigenthum die Herrschaft keinen Kaufschilling er- 
halten hatte, deren Nutzung den Ünterthanen viel- 



— 6 — 

mehr durch einen Erbpachtvertrag überlassen wurde 
und die ihre Dominicaleigenschaft nicht verloren 
hatten, wurden „uneingekaufte" Gründe und ihre 
Besitzer „Dominicalisten" zum Unterschiede von 
den „Rusticalisten" genannt. Die rechtlichen Folgen 
dieser Unterscheidung beider Kategorien und besonders 
die Vortheile, welche der Dominicalist in Bezug auf 
die Steuerlast vor dem Rusticalisten ehedem voraus 
hatte, waren im Vormärz längst (seit 1821) verschwunden. 
Eine wichtigere Unterscheidung, weil von prak- 
tischer Bedeutung für die aus dem Unterthansverbande 
entspringenden Leistungspflichten war die in „In- 
leute", „Grundholden" und „Unterthanen" im engeren 
Sinne. Die Ersteren besassen keinen Grund und Boden 
und unterstanden jener Grundobrigkeit, auf deren 
Gebiet sie wohnten. ,^Grundholden" besassen zwar eine 
unterthänige, d. i. in dem herrschaftlichen Grund- 
buche erscheinende Realität, unterstanden aber für 
ihre Person einem anderen Gerichtsstande, z. B. die 
Geistlichen. Die eigentlichen Unterthanen endlich unter- 
standen sowohl ihrer Person als ihrer Sache nach der 
„Grundobrigkeit". Diese letztere Kategorie unterschied 
sich nun mit Rücksicht auf das dem Unterthansver- 
bande zugrunde liegende oder doch angenommene 
Vertragsverhältniss in „Erbpächter" — denen das 
Nutzungseigenthum gegen Entrichtung einer im Ver- 
hältnisse zu dem jährlichen Ertrage stehenden Gegen- 
leistung an Geld, Naturalien oder Dienst überlassen 
war; in „Erbzinsleute" — die dem Grundherrn nur eine 
geringe, in keinem Verhältnisse zum jährlichen Ertrage 
stehende Abgabe zur Anerkennung des Obereigen- 
thumsrechtes zu entrichten hatten, und in „Boden- 



— 7 — 

zinsleute" — wenn das Eigenthum dergestalt getheilt 
war,dass die Substanz des Grundes sammt dem Nutzungs- 
recht des unter der Oberfläche liegenden Theiles dem 
Grundherrn, die erbliche Nutzung der Oberfläche — 
wofür der „Bodenzins'' zu entrichten war — aber 
dem Unterthanen gehörte. Endlich wurden die Unter- 
thanen nach der später zu erörternden Leistungs- 
pflicht, was aber keineswegs mit dem Umfange des 
Besitzes zu verwechseln ist, in Ganzlehner, Halb- und 
Viertellehner und Kleinhäusler eingetheilt. 

Der Inbegriff aller Gründe, die zu einem steuer- 
baren Hause unmittelbar gehörten und demselben in 
Grundbuch und Kataster angeschrieben waren, bildeten 
die „Bestiftung*', das Bauerngut Dasselbe unterlag 
dem „Bestiftungszwang", d. h. es durfte ohne höhere 
Bewilligung unter keinerlei Umständen, auch nur der 
kleinste Theil von demselben abgetrennt werden. Kein 
Unterthan durfte zugleich zwei steuerbare, für sich 
bestehende Häuser und Wirthschaften besitzen, ausser 
er hätte hierzu von der Landesstelle und den Land 
ständen die Bewilligung erhalten. Aber auch die Herr- 
schaft durfte die in ihr Grundbuch dienstbaren Rea- 
litäten nicht an sich ziehen und selbst nutzen, sondern 
musste, falls ein Unterthan ohne Erbfolger gestorben 
und dessen Besitz sonach an sie als Obereigenthümerin 
gefallen war, sofort wieder einen neuen unterthänigen 
Besitzer auf die betreffende Realität stiften. Im Rahmen 
des Bestiftungszwanges durfte der Bauer für sein Gut 
testamentarisch einen Erbnachfolger für den Todes- 
fall bestimmen; er durfte bei Lebzeiten sein Gut ohne 
obrigkeitlichen Consens mit Schulden belasten, doch 
durfte — bei Strafe der Abstiftung -— die Schulden- 



— 8 — 

last nicht zwei Drittel des liegenden Vermögens über- 
steigen. Die Bauern konnten — so weit es nicht zum 
Nachtheile der grundherrlichen Gerechtsame ausschlug 
— ihren Besitz verpfänden, vertauschen, verkaufen 
und nach Gutdünken benützen : sie konnten Wiesen in 
Felder, Felder in Weingärten umwandeln und um- 
gekehrt, und konnten auch — wie es in einem Jagd- 
patente vom Jahre 1786 mit unfreiwilliger, aber un- 
widerstehlicher Komik heisst — ihre an die Wälder 
grenzenden Gründe mit Planken und Zäunen um- 
geben, „ohne dass sie für jenen Schaden zu haften 
hätten, welchen sich das Wild durch das Springen 
hierüber zufügt''.^) 

Alle diese „Rechte'' waren natürlich rein nega- 
tiven Charakters und bedeuteten bloss die theilweise 
Beseitigung der gröbsten und unhaltbarsten Beschrän- 
kungen früherer Zeit An positiven Rechten entsprang 
dem Unterthänigkeitsverbande für den Unterthanen ab- 
solut keines, man wollte denn als ein solches den — 
bei den damaligen Verhältnissen der Armenpflege — 
rein illusorischen Anspruch auf die Armenversorgung 
im Falle der Verarmung oder Hilfslosigkeit, oder das 
„Klaubrecht'' von dürrem Holz im herrschaftlichen 
Walde gelten lassen. Umsomehr Pflichten und Lasten 
erwuchsen dem Landwirthe aus dem nexus subditelae. 

Diese Pflichten bestanden zunächst in gewissen 
Naturaldiensten (Robot) und in verschiedenen Ab- 
gaben, welche der Herrschaft zu leisten waren. 

Die Robot, der Frohndienst, war die vollkommen 
unabgeschwächte und unvermäntelte wirthschaftliche 
Erscheinungsform einer socialen Entwickelung, welche 
.als den einzigen gesellschaftserhaltenden Stand den 



der Krieger betrachtete, während die produeirenden 
Classen lediglich als Mittel zum Zwecke der Ernährung 
jener einzig Freien, und daher als diesen gehörig, 
hörig, eigen angesehen wurden. Der unwiderstehliche 
Geist der Entwickelung hatte zwar den Mächtigen das 
äusserliche Zugeständniss abgerungen, dass auch der 
ewig zinsende und steuernde Bauer ein Mensch mit 
Eigenbestimniungsrecht und nicht bloss ein hornloses 
Zug\-ieh sei, wie die fromme Geistlichkeit lehrte;') 
allein an der Thatsache, auf die es ankam, dass 
nämlich der Bauer zuerst für seinen Herrn und 
erst in zweiter Linie, so weit es ihm dieser gestattete, 
für sich produciren durfte, daran war durch die 
nominelle Aufhebung der Leibeigenschaft nichts 
geändert, und so blieb die Robot, das Zeichen der 
nach wie vor weiterbestehenden persönlichen Unfreiheit 
und Hörigkeit, mochte der zu seinem Luxus stets Geld 
bedürfende Adel immerhin sich gern zu zeitweiser 
oder dauernder Ablösung der Robot (Robotreluition, 
Robotabolition) durch Geld bereit erklären, mochte 
auch eine feile Juristerei die feine Distinction treffen, 
dass das Recht auf Robot kein persönliches, sondern 
ein dingliches sei und an Grund und Boden, nicht 
aber an der Person des Landwirthos hafte. In den 
wirthschaftlichen und socialen Verhältnissen änderten 
derartige Kunststücke nicht nur nichts, es scheint 
sogar, dass man mit Hilfe derselben nur neue Ketten 
für den frohndenden Bauer schmiedete. Wenn die Last 
des Dienstes nicht auf dem Unterthancn als Person, 
sondern auf seinem unterthänigen Besitz lastete, dann 
begründete der grössere Besitz für den Herrn nicht 
den Anspruch grösserer Leistungen; aber der Ujnstaad, 



— 10 — 

dass ein Unterthan, der zur Zugrobot verpflichtet 
war, gar keinen Zug hielt, konnte der Obrigkeit in 
ihrem Rechte auch nichts nehmen. Nach dem Gesetze/) 
mussten die zur Zugrobot verpflichteten Unterthanen 
die hierzu nöthigen Pferde und Ochsen halten, von 
welcher Verpflichtung sie das Nichtwollen oder Nicht- 
können keineswegs befreite. Man sieht also, dass die 
Robot gerade auf dem Schwachen am schwersten lastete, 
und den Reichen kaum bedrückte, gerade das Gegen- 
theil von dem, was die gewissen Laudatores temporum 
actorum uns von den socialen Wirkungen der „christ- 
lichen" Gesellschaftsorganisation glauben machen 
wollen. 

In Niederösterreich bestanden bezüglich der Ro- 
bot folgende allgemeine Grundsätze. Der Ganzlehner 
musste mit einem vierspännigen, der Halblehner mit 
einem zweispännigen Ochsen- oder Pferdezug frohnden; 
der Viertellehner, Kleinhäusler und Inmann hatten 
Hand- und Fussrobot (Gänge) zu leisten. Der Ganz-, 
Halb- und Viertellehner musste 104 Tage im Jahre, 
der Kleinhäusler (Batzenhäusler) je nach der Grösse 
des Besitzes 52 oder nur 26 Tage, der Inmann 12 Tage 
roboten. Der Robottag wurde mit 10 Stunden wirk- 
licher Arbeit gerechnet. Die Robot war von den Unter- 
thanen mit ihrem eigenen Pfluge oder Arbeitszeug 
zu leisten. Befreit von der Robot waren nur die alten 
Ausnehmer, verheiratete, jedoch bei ihren Eltern als 
Knecht dienende Bauernsöhne, verabschiedete Invaliden, 
die keine robotpflichtigen Häuser besassen, und press- 
hafte oder über 60 Jahre alte Inleute, so lange sie 
keinen robotsamen Grund hatten — also nur sehr 
wenige. 



— 11 — 

War schon die Robotverpflichtung ein Brandmal 
der Unfreiheit und zugleich ein Hinderniss jeder ge- 
sunden Entwickelung der landwirthschaftlichen Ver- 
hältnisse überhaupt,^) so bildeten die Abgaben, 
welche an die verschiedenen „Herrschaften" zu ent- 
richten waren, geradezu die Quelle sicheren Ruines 
für den Landwirth. Bei dem Erfindungsreichthum, 
welchen die Geldlüsternheit in den menschlichen 
Schädeln, selbst in solchen, die durch künstliche 
Zuchtwahl vieler Jahrhunderte nicht aufs Erfinden 
eingerichtet sind, zu wecken weiss, darf man sicher 
sein, dass es der Rechts- und Unrechtstitel gerade 
auf diesem Gebiete so viele gab, und dass die- 
selben von Land zu Land, ja oft von Herrschaft 
zu Herrschaft so wechselten, dass eine ausführliche 
Behandlung derselben den Rahmen dieses Buches weit 
überschreiten würde. Wir begnügen uns daher, die in 
Niederösterreich, also in den dem Reichscentrum 
zunächst gelegenen Gebieten, allgemein geltenden Be- 
stimmungen kurz zu beleuchten. 

Vor allem hatte der Unterthan dem Grundherrn 
den „Grunddienst'' zu entrichten, d. h. eine jährliche 
Abgabe für die Nutzung des Grundes und zur Aner- 
kennung des Obereigenthumsrechtes (Erbzins). Der 
Betrag des Grunddienstes war zumeist gering, war aber 
auch dann zu entrichten, wenn wegen Misswachs oder 
aus anderen Ursachen wenig oder gar nichts geerntet 
wurde. Eine weit grössere Last war das „Veränderungs- 
pfundgeld", welches bei jeder Besitzveränderung dem 
Grundherrn zu entrichten war. Es hatte die doppelte 
Form des „Mortuariums" und des „Laudemiums". Das 
Mortuar war eine Art Erbsteuer, die nur bei Besitz- 



— 12 — 

Veränderungen im Todesfall, und zwar in der Höhe 
von 5^0 von allem beweglichen und unbeweglichen 
Verlassenschaftsvermögen nach Abzug der Schulden 
dem Grundherrn zu leisten war. Das Laudemium 
wurde bei jeder Besitz Veränderung unter Lebenden 
als auch bei Erbschaften entrichtet, und zwar im Be- 
trage von 57o des gesammten unbeweglichen, in an- 
deren Besitz gelangenden Vermögens ohne Rücksicht 
auf die darauf lastenden Schulden. Wie für jede Ver- 
änderung, so war auch dafür dem Grundherrn ein 
Antheil zu entrichten, wenn jemand mit seinem Ver- 
mögen das Gebiet des Grundherrn verliess, um sich 
irgend anderswo anzusiedeln. Diese Abgabe, das Ab- 
fahrtsgeld genannt, betrug 57o des gesammten, schulden- 
freien, beweglichen und unbeweglichen Vermögens. 
Zu diesen Leistungen kamen dann noch eine Legion 
von Gebühren und Taxen, welche dem Grundherrn 
als Grundbuchführer bei jeder Gelegenheit zu ent- 
richten waren. 

Diese Abgaben waren vom wirthschaftlichen 
Standpunkte um so bedenklicher, als sie nicht aus 
dem Ertrage flössen und nicht die Besitzvermehrung 
trafen, sondern beständig den Grundstock, das Lebens- 
mark angriffen. Und doch erschöpften sie noch lange 
nicht die Litanei von Lasten und bildeten kaum den 
Schwerpunkt derselben. Die Grundherrschaft war nur 
Ein Herr, der Bauer hatte deren aber viele — wenig- 
stens dem Namen nach. - Da war auch noch die 
„Dorf her r schaff ' , die „geistliche Lehensherrschaft' ' 
und die „Vogteiherrschaft", die „Bergherrschaft'' und 
die „Zehentherrschaft". Eigentlich waren alle diese 
„Herrschaften" — mit einziger Ausnahme der Zehent- 



— 13 — 

herrschaft, welche sehr oft bei den Geistlichen ruhte 
— ein und dieselbe Person in ihren verschiedenen 
Beziehungen zum Unterthanen aufgefasst Wie aber 
die verschiedenen Eigenschaften des Obergottes Zeus 
oder Wodan, sein personificirter Muth, seine Weisheit, 
sein Zorn, seine Verschlagenheit, zuletzt als eigene 
selbständige Gottheiten dem schwachen Menschen- 
kinde erschienen und von ihm die duftenden Opfer 
verlangten, so traten auch die Sonderungen desjenigen, 
welcher für den Bauer mehr als Gott und Kaiser der 
„Herr" xax'iSo^iJi/ war, als eigene „Herrschaften" auf und 
forderten ihr Opfer mit olympischer Rücksichtslosig- 
keit. Den Namen „Grundherr" führte der Herr bloss als 
Obereigenthümer, und bloss aus diesem Rechtstitel zog 
er den Anspruch auf Robot, Grunddienst, Ver- 
änderungspfundgeld, Abfahrtgeld, Taxen und Gebühren. 

Erschien der Gewaltige als der Ordnungmacher, 
als die Polizei, dann hiess er „Dorfherrschaft" oder 
„DorfobrigkeiJ", als welche er neben dem Rechte der 
Gerichtsbarkeit in politischen und schweren Polizei- 
übertretungen der öffentlichen Sicherheits- und Markt- 
polizei und dem dazu gehörigen Rechte der Gewerbe- 
verleihung und der Schankgerechtigkeit auch noch 
den Anspruch auf die sogenannte „Mitwaide und das 
Blumensuchen" genoss, dessen wesentlicher Theil 
natürlich nicht das Blumensuchen, sondern die aus- 
giebige Mitbenützung der Gemeindetriften bildete. 

Trat der „Herr" als Kirchenpatron auf, so führte 
er den Namen „Geist;Jiche Lehensherrschaft" und übte 
als solche das Präsentationsrecht der Geistlichen, wie 
auch heute noch der Kirchenpatron. Unter anderen 
Rechten, die er in dieser Eigenschaft genoss, befand 



— 14 — 

sich auch der Anspruch auf den Ueberschuss der 
Kircheneinkünfte zu seiner Ernährung für den Fall, 
als er durch unvorhergesehene Unglücksfälle in Ar- 
muth gerathen könnte, ferner .das Aufsichtsrecht über 
das Gebaren und die Verwaltung des Kirchenver- 
mögens und dessen Einkünfte. Es ist übrigens zu er- 
wähnen, dass die „geistliche Lehensherrschaft'' die 
umschriebenste von allen, nur eine Art constitutioneller 
Herrschaft war, da die Geistlichkeit in frommer Ein- 
falt die Rechte des Lehensherrn mit Schranken um- 
geben hatte und das Patronatsrecht auch verloren 
gehen konnte, wenn der Patron z. B. seinen Lehens- 
pfarrer verwundete oder gar tödtete, wenn er sich die 
Güter seiner Lehenspfarre „gefährlich anmasste oder 
auf andere Art derselben Schaden zufügte" ^^) u. s.w. 
Um so unbeschränkter war dagegen die weltliche 
Lehensherrschaft, „die Vogteiherrschaff; das war im 
Mittelalter diejenige, welche den Unterthanen in allen 
Gefahren ihren Schutz verlieh, und dafür von diesen 
„Vogtholden" gewisse Abgaben zu fordern hatte, welche 
aber weder in den Gesetzen bestimmt, noch durch 
eine allgemeine Landesgewohnheit festgesetzt, sondern 
immer nur „durch besondere Rechtsverhältnisse und 
die gewöhnlichen Rechtstitel und Erwerbungsarten 
begründet sind".") Die Verpflichtung des Vogtherrn 
zum Schutze des Vogtholden hatte natürlich schon in 
Folge des Emporkommens der landesfürstlichen Vor- 
rechte aufgehört, dagegen bestand der Dienst, welcher 
für diesen Schutz zu entrichten war und der bald in 

m 

Naturalien, bald in Geld, bald auch in Robot bestand, 
weiter, auf Grund von „altem Herkommen und verjährtem 
Besitze", wie es in dem authentischen Commentar heisst. 



— 16 — 

Die „Bergherrschaft'' gewährte das Recht, von 
bergmässigen, d. h. zum Weinbaue benützten Gründen 
einen gewissen jährlichen Dienst zu fordern, den „Berg- 
dienst", der in einer Abgabe von Wein oder indem ent- 
sprechenden Geldrelutum bestand. Der Bergdienst war 
absolut nicht so hoch, betrug 2, 3, 4, 5 fl. C.-M., aber er 
war gleichwohl die ungerechteste und verhassteste aller 
Abgaben; denn er bedeutete ein „bis", ja ein „ter in 
idem" und war, da das Recht auf dem Grunde haftete, 
auch von solchen Gründen zu entrichten, auf denen 
schon seit Menschengedenken kein Wein mehr wuchs, 
wenn sie gleichwohl als bergmässig eingetragen waren ; 
„von der Verbindlichkeit, den Bergdienst zu zahlen, 
befreit nicht die Unfruchtbarkeit, minderes Erträgniss 
oder ein gänzliches Fehljahr, sondern nur wenn der 
Berggrund ohne Schuld des Bergholden gänzlich ver- 
ödet".^^) 

Last not least kam die „Zehentherrschaft", welche 
den Anspruch erhob, . von jedem Besitzer eines als 
zehentpflichtig eingeschriebenen Grundes (Zehent- 
holden) einen verhältnissmässigen Theil, meist den 
zehnten, von dessen Früchten jährlich einzuziehen. Das 
Zehentrecht war oft in geistlichen Händen; dort, wo 
aber — wie bei den zahlreichen geistlichen Stiften - 
der Grundherr ein geistlicher Herr war, fiel auch die 
Zehentherrschaft mit den anderen Herrschaften zu- 
sammen. Die Verbindlichkeit des Zehents hing dem 
Grunde wie das Bergrecht für ewige Zeiten an, mochte 
der zehentpflichtige Boden welche culturelle Wandlung 
immer durchgemacht haben. Auch schloss die Ent- 
richtung des Bergdienstes von einem zehentpflichtigen 
Weingarten die des Zehenten nicht aus, mochte auch 



— 16 - 

Berg- und Zehentherr eine und dieselbe Person sein, 
mochte auch der Weinberg längst keine Traube mehr 
tragen. In diesem Falle nahm die Herrschaft die 
Schätzung vor und der arme Hauer hatte 127o, 137o 
und mehr noch, berechnet nach dem Ertrage eines 
reichen Weingartens, für sein Grundstück abzuführen, 
welches vielleicht nur Futter für seine Schweine und 
Ziegen hergab. Wie drückend gerade der Zehent aber 
selbst unter normalen Verhältnissen sein konnte, 
rechnete nachmals dem constituirenden Reichstage 
während der Debatte über den Kudlich'schen Antrag 
der Tiroler Deputirte Dr. Pretis vor. Es gebe in 
Oesterreich, namentlich im Hochlande, sehr viele 
Gründe, die ihrem Besitzer nicht mehr als höchstens 
den vier- bis fünffachen Samen abwerfen. Die Besitzer, 
die fünf Hetzen Weizen säeten, ernteten im Durch- 
schnitte nicht mehr als zwanzig Hetzen, und von 
diesen zwanzig Hetzen mussten zwei als Zehent ab- 
gegeben werden. Da nun aber bei diesen zwanzig 
Hetzen schon die fünf Hetzen Samen mitbegriffen 
sind, die er bereits im vorigen Jahre verzehentet hatte, 
so verbleiben von einem Jahre zum anderen nur fünf- 
zehn Hetzen. Wenn der Bauer nun von diesen fünf- 
zehn Hetzen zwei dem Zehentherrn geben musste, so 
bedeutete das, dass er alle sechs bis sieben Jahre ein 
Jahr zum ausschliesslichen Vortheile des Zehentherrn 
sein Grundstück bearbeiten und dafür Steuern und 
Abgaben entrichten musste. 

Angesichts solcher Thatsachen darf man wohl 
fragen, woher kommt die durch den Glauben eines 
ganzen Zeitalters scheinbar sanctionirte Lehre, dass 
gerade die individuelle und freie Wirthschaft den 



- 17 — 

Schwachen an das Messer des Starken lieferte? War 
nicht vielmehr der Bauer durch den wirthschaftlichen 
Zwang bereits so ruinirt, dass das spätere System der 
Freiheit und Wahrheit seine Proletarisirung bloss an den 
Tag brachte? Keine wirthschaftliche und gesellschaftliche 
Organisation kann es natürlich verhindern, dass der 
Schwache leichter im Kampfe ums Dasein erliegt, als 
der Starke. So lange das Sigillum Salomonis nicht ge- 
lunden ist, welches diesen Unterschied zwischen Stark 
und Schwach an und für sich aufhebt, so lange wird 
die traurige Folgeerscheinung fortwähren; daran wird 
so wenig wie der Liberalismus der viel höherer, über- 
natürlicher Kräfte sich rühmende Socialismus etwas 
ändern können. Wenn aber eine Gesellschaftsciasse 
nicht dazu berufen ist, uns Predigten über den Schutz 
der Schwachen zu halten, so sind es jene Leute, welche 
die Abschaffung des trefflichen Unterthanenverbandes 
und der Zehentherrlichkeit ja doch noch immer nicht 
verschmerzt haben und heute gerade unter Ausnützung 
des socialistischen Windes mit geblähten Segeln diesem 
retrograden Ziele wieder zusteuern. Das Unterthänig- 
keitsverhältniss und der Bestiftungszwang — welcher 
den Bauer behinderte, Todtes vom Lebenden aus- 
zuscheiden — schützte den Schwachen in einer Weise, 
dass er auf seinen Hüben thatsächlich weder leben 
noch sterben konnte. Es gab für den Aermsten keine 
Hilfe und das reichste Jahr war für ihn das grösste 
Unglück; denn dann hatte er von seinem unfrucht- 
baren, schlecht bebauten Felde gerade so viel Grund- 
dienst, Bergrecht, Zehent und Vogteidienst zu leisten, 
wie ein anderer von dem gleich grossen, aber frucht- 
bareren und besser bestellten Acker. Und es hiess 

Zenker: Wiener Revolution. 2 



- 18 — 

I 

zum Jammer den Hohn gesellen, wenn man den Armen 
auf seinen Rechtsweg wies, denn der Richter über 
seine Sache war sein Gegner selbst. 

Das wesentlichste aller Vorrechte des grossen 
Grundadels war das der Gerichtsbarkeit, das dem 
Grundherrn zustehende Recht, alle Amtshandlungen 
rücksichtlich der in seinem grundherrlichen Bezirke 
liegenden unter thänigen Güter vorzunehmen und die- 
selben betreffende Streitigkeiten in erster Instanz zu 
entscheiden (dingliche Gerichtsbarkeit), sowie dem 
Unterthanen im politischen und Civilrechtswege „zu 
seinem Rechte zu verhelfen' ' (persönliche Gerichts- 
barkeit). In einer Zeit, in welcher der Grundherr die 
• Herrschaft (autoritas) schlechtweg, die Provinz aber 
' nur ein loser, kaum integrirter Verband einzelner 
kleiner, aber vollkommen selbständiger Localherr- 
schaften war, musste diese wirthschaftliche und po- 
litische Autorität des Territorialchefs als organisch 
und natürlich bezeichnet werden. In einer Zeit aber, 
wo der staatliche Centralismus bereits Anwälte, wie 
Maria Theresia, Josef IL und Franz besessen hatte, in 
einer Zeit, wo der Bauer dem Staate Steuern zu ent- 
richten und Kriegsdienste zu leisten hatte, bedeutete 
es einen heillosen Widerspruch, wenn die Gerichts- 
barkeit auf dem Standpunkte der alten Territorial- 
herrschaft belassen, die Rechtsprechung in erster In- 
stanz mit Ausnahme von Strafsachen dem Grundherrn 
überlassen wurde. War dieses Verhältniss dem modernen 
Rechtsgefühle schon in allen jenen Fällen unerträglich, 
wo der Herr über den „Ungehorsam des Unterthanen 
gegen die Herrschaft", oder gar wegen politischer 
Vergehen zu Gerichte sass, so bedeutete es wohl den 



— 19 — 

Gipfelpunkt der Ungerechtigkeit, wenn der Unterthan 
in allen ex nexu subditelae entsprungenen Streitig- 
keiten (Beschwerden über grundherrliche Abgaben, 
Grundbuchsgebühren, über den Grunddienst, Streitig- 
keiten über Naturaldienste und Robot etc.), in allen 
Streitigkeiten über dorfobrigkeitliche Rechte, Zehent- 
streitigkeiten (so weit es sich nicht um das Recht 
selbst handelte), Bergrechtstreitigkeiten, Streitigkeiten 
"zwischen weltlichen Vogtherren und Vogtholden, an 
denselben Grundherrn gewiesen wurde, gegen den er 
processiren wollte. Da sollte dann nicht selten der- 
selbe Beamte über eine Beschwerde entscheiden, über 
Verfügungen, die er selbst in anderer Eigenschaft ge- 
troffen hatte. In jedem Falle war aber der Richter 
zugleich die eine der interessirten Parteien. In welcher 
Weise da Recht gesprochen und dem Unterthanen 
überhaupt „zu seinem Rechte verholfen wurde' ^ lässt 
sich denken; der Anschaulichkeit halber möge dazu 
aber doch ein Zeitgenosse, der bekannte Reichstags- 
abgeordnete von 1848 Ernst Violand^) das Wort er- 
greifen. 

;,Hatte der Bauer eine Forderung, z. B. aus dem 
Titel des Kaufes u. dgl. gegen seine Herrschaft, glaubte 
er nicht verpflichtet zu sein, eine geforderte Abgabe 
wegen Vergleiches und Verjährung ferner zu leisten, 
so konnte er nicht gleich, wie ein anderer Mensch bei 
dem Civiljustizrichter klagen, sondern da ging noch 
eine Menge voraus. Der Bauer, welcher eine Forde- 
rung gegen die Herrschaft hatte, musste zuerst seine 
Klage an einem Amtstage bei der Kanzlei der Herrschaft 
zu Protokoll geben. Erhielt er binnen 30 Tagen keine 
erwünschte Erledigung, dann hatte er das Recht, eine 

2* 



— 20 — 

Protokollabschrift der Klage zu verlangen, und hierauf 
war er erst befugt, sich an das Kreisamt, eine landes- 
fürstliche politische Behörde zu wenden und daselbst 
seine Klage mit Behelfen anzubringen. Das Kreisamt 
sandte dann eine Abschrift des KlageprotokoUes und 
der Behelfe an die Herrschaft und lud sie mit dem 
Kläger zu einer angeordneten Tagsatzung. Bei dieser 
Tagsatzung war das Kreisamt verpflichtet, auf das 
Zustandekommen eines Vergleiches hinzuwirken. Kam 
der Vergleich nicht zu Stande, dann schickte erst das 
Kreisamt die Klage des Bauers an das Fiscalamt mit 
der Anfrage, ob es als durch das Gesetz bestimmter 
unentgeltlicher Unterthansadvocat die Angelegenheit 
des Unterthans im Rechtswege vertreten könne und 
wolle. Nahm sich das Fiscalamt der Klage des Unter- 
thans an, so begann endlich ein langwieriger Process, 
der bei den vielen Geschäften des Fiscalamtes ge- 
wöhnlich zwei bis drei Jahre, manchmal aber auch 
zehn Jahre und darüber dauerte und überdies sehr 
schlecht geführt wurde. Erklärte aber das Fiscalamt, 
die Sache des Unterthans nicht vertreten zu können, 
dann hatte der Bauer das Recht, sich einen gewöhn- 
lichen Advocaten zu bezahlen. Er konnte sich zwar 
jedesmal statt des Fiscalamtes eines Advocaten be- 
dienen, aber immer musste früher der kreisamtliche 
Vergleichsversuch vorausgehen, denn sonst hatte jede 
Gerichtsbehörde die Klage des Unterthans zurück- 
zuweisen, und, was wohl zu erwägen, bei der kreis- 
amtlichen Verhandlung durfte kein Rechtsfreund er- 
scheinen, und die Kreisämter bestanden durchgehends 
aus lauter Adeligen und Protectionskindern, welche 
von der Civiljustiz und den Gesetzen des österreichischen 



— 21 — 

Privat- oder bürgerlichen Rechtes nicht das Mindeste 
wussten. Jedesmal — eine Ausnahme wäre ein Wunder 
gewesen — wurde dem unwissenden Bauer, und wenn 
er offenbar Recht ^ehafet hätte, Unrecht gegeben und 
ihm stets zugeredet, ja nur einen Vergleich einzu- 
gehen/' 

Die ganze Gerichtsorganisation lief also darauf 
hinaus, das geringe, in den parteiischen Gesetzen 
den Bauern eingeräumte Recht auf alle Weise, durch 
Abschreckung, Zurede und endlich durch Verzögerung 
zu vereiteln. Das ganze Unterthanenverhältniss war 
ein Netz, welches den Bauer mit unzerreissbaren 
Maschen umstrickte und ganz seinem Vogtherrn 
preisgab. 

Bedurfte es zum vollständigen Ruin des Land- 
wirthes noch eines weiteren Factors, so war er durch 
die unerschwingliche Steuerlast und die ungleich- 
massige Vertheilung derselben mehr als reichlich ge- 
L^eben. Das franciscinische Katasterwerk und die damit 
verbundene Steuerreform^^) war ein grosses und ver- 
dienstvolles Werk, vielleicht das verdienstvollste der 
franciscinischen Regierung überhaupt. Sie legte der 
Besteuerung einen gleichheitlichen, auf Grund quali- 
tativer und quantitativer Schätzungen erhaltenen 
Massstab zugrunde und bestinmite die Steuer nicht 
mehr vom Rohertrage, sondern vom Reiner trägniss. 
Allein, dieses grosse Reformwerk war in der für uns 
in Betracht kommenden Zeit noch keineswegs ab- 
geschlossen und bloss in einem Kronlande, dem Erz- 
herzogthum Niederösterreich (seit 1834) thatsächlich 
in Kraft. In allen anderen Provinzen bestanden lieber- 
gangszustände, zum Theile auch noch die Besteuerung 



— 22 — 

vom Rohertrage. Die Steuereinhebungsbehörde war der 
Grundherr, und es lässt sich daher leicht vorstellen, 
wie es oft bei den geschilderten Gerichtsverhältnissen 
mit der Einhaltung der in de^ Hand des Grundherrn 
befindlichen Repartitionslisten bestellt war. Dazu kam 
die Höhe der Grundsteuer. Unter normalen Zuständen 
betrug sie 1840 in Niederösterreich 16 fl. 55 kr. C.-M. 
von 100 fl. C.-M. des Reinertrages, d. i. 177o^*); ^^ ^^" 
deren Provinzen stieg sie bis auf 247o oder noch 
höher. Kamen aber die Staatsfinanzen in eine jener 
zahllosen Verlegenheiten, welche die Geschichte Oester- 
reichs bis zum Vormärz aufzuweisen hat und von denen 
wir noch öfter werden handeln müssen — allsogleich 
warf man sich auf den Grundbesitz und legte ihm 
eine neue 10- bis Iby^ige Grundsteuer auf. Gewöhn- 
lich verschlang die Grundsteuer zusanmien mit den 
oben geschilderten Urbarialgiebigkeiten in Jahren 
mittelguter Ernte bis zu 707o des Reinerträgnisses. ^^) 

Nehmen wir den ganz gewöhnlichen Fall an, dass 
ein Sohn das Erbe seines Vaters in vollkommen 
intactem Zustande und in einem sehr günstigen Jahre 
übernahm. Derselbe hatte zunächst Laudemium und 
Mortuar im Mindestbetrage von 10% des Gesammt- 
besitzes oder — sehr günstig gerechnet — den Rein- 
ertrag eines ganzen Jahres zu entrichten, sodann im 
ersten Jahre gleich 707o des Reinerträgnisses an 
Urbarialgiebigkeiten und Steuern, so dass eine Ver- 
schuldung von Grund und Boden ganz unvermeid- 
lich war. 

Wen kann es wundern, dass unter solchen Ver- 
hältnissen, bei einem solchen System der Aus- 
beutung die kräftigsten Antriebe zur Production 



- 23 — 

wegfielen, und damit diese selbst unterbunden war? 
Von einer rationellen Landwirthschaft besteht im 
Vormärz Iceine Spur; bloss in Oberösterreich hatte 
man ernstere und ausgedehntere Versuche mit der 
Fruchtwechselwirthschaft gemacht, fast überall ander- 
wärts bestand die Dreifelderwirthschaft in unge- 
schwächter Alleinherrschaft; Dünger und Düngungs- 
methoden waren wenig bekannt, in Galizien blieb ein 
grosser Theil der Felder oft acht bis zehn Jahre un- 
gedüngt.^^) Die Viehzucht war unbedeutend, die Futter- 
pflege vernachlässigt, die Jagd ausschliessliches Recht 
der „Herren". Der Reichthum des Bodens harrte ver- 
geblich der Ausbeutung. Was die Ausnutzung des 
Bodens für Ackerbauzwecke betrifft, stand Oesterreich 
hinter allen bedeutenderen Ländern Deutschlands 
zurück;^**) nach dem Antheil des Ackerlandes vom be- 
bauten Land überhaupt verhielt sich Oesterreich zu 
Württemberg wie 11:14, zu Preussen wie 11:15, zum 
Königreich Sachsen wie 11 : 16*8. In Bezug auf die Er- 
giebigkeit wurde die landwirthschaftliche Production 
in Oesterreich gleichfalls von allen Ländern Deutschlands 
mit fast alleiniger Ausnahme des von der Natur so 
stiefmütterlich behandelten Preussen übertroffen. ^^) 

Ein schwer belastendes Zeugniss für die Mängel 
der landwirthschaftlichen Verhältnisse in Oesterreich 
bilden die Ausweise über den österreichischen Handel. ^^) 
Der Werth der Industriegegenstände betrug bloss 467o> 
der der Natur- und landwirthschaftlichen Producte 
dagegen 547o ^^^ Gesammteinfuhr, während in Frank- 
reich die letztere Kategorie von Producten bloss 
23-77o> in den Zollvereinsstaaten 30*47o von dem Werthe 
der Gesammteinfuhr ausmachte. Die eingeführten 



— 24 ~ 

Producte auf die Bevölkerung nach der Kopfzahl 
vertheilt, betrug der Werth des Verbrauches ein- 
geführter Natur- und landwirthschaftlicher Erzeug- 
nisse 

in Oesterreich 1 fl 20 kr. C.-M. pro Kopf 
in Frankreich 1 „ 31 „ „ „ „ 
im Zollverein 2 „ 41 „ „ „ „ 
Es wurde also nicht nur im Lande nicht genug 
producirt, sondern auch — trotz der für ein Agri- 
culturland ganz enormen Einfuhr — immer noch nicht 
genug eingeführt, d. h. die Einfuhr hätte, um in 
Oesterreich einen ähnlichen Verbrauch wie in Frank- 
reich und im Zollverein möglich zu machen, noch 
viel grösser sein müssen. Dazu ist zu bemerken, dass 
der grösste Theil der eingeführten Producte nicht 
etwa Colonialwaaren, sondern thatsächlich Gegenstände 
der heimischen Production waren; Oele, Vieh, Ge- 
treide und andere Felderzeugnisse repräsentirten zu- 
sammen einen Werth von 23,540.584 fl., also mehr als 
die Hälfte (51 7o) der eingeführten Natur- und land- 
wirthschaftlichen Producte und mehr als ein Viertel 
(27'47o) vom Werthe der Gesammteinfuhr überhaupt. 
Dieser Einfuhr stand eine nur geringe Ausfuhr gegen- 
über,**) welche das Gesammtbild nicht wesentlich zu 
ändern vermag. 

Und diesem Bilde entspricht genau das, was uns an 
düsteren Schilderungen der Armuth und des Elendes 
unter dem Landvolke aus jener Zeit überliefert 
ist. Die schwere Bürde der Steuern, die ungerechte 
Last der Urbarialgiebigkeiten, die ungezählten Robote, 
welche bei jedem Bau einer Strasse, Kirche, Kaserne 
oder dergleichen von den Bauern geleistet werden 



-- 25 — 

mussten, die Militäreinquartierungen ohne Ende, die 
Vorspanndienste bei Militärtransporten, von welchen 
oft der Zug nicht mehr heimkehrte und von denen 
die Herrschaften ausgenommen waren, all das bildete 
eine bleierne Riesenlast, welche den Landmann zu 
Boden drückte. „In manchen Provinzen, wie in Galizien, 
in Böhmen, waren viele Bauern des Jahres nur ein- 
oder zweimal im Stande, sich Fleisch als Leckerbissen 
zu verschaffen und das Elend der Riesengebirgs- oder 
sonstigen österreichischen Gebirgsbewohner ist nicht 
mit Worten zu beschreiben.''^^) Um vor dem Hunger 
einigermassen geschützt zu sein, mussten grosse Massen 
der ländlichen Bevölkerung neben der Landwirthschaft 
Hausindustrie treiben, und was war das für ein Leben, 
welches so errackert wurde? Eine amtliche Quelle, ^^) 
also ungetrübt von Sentimentalität für das „Land- 
gesindeP' — sagt: „In den böhmischen Grenzgegenden 
von Nachod bis Tetschen beschäftigt sich der vierte 
Theil der Bevölkerung wenigstens zeitweise mit der 
Spindel oder dem Spinnrade, und davon sind die Hälfte 
beständige Spinner, deren Zahl etwa 90.000 beträgt. 
Auf der Herrschaft Hohenelbe allein leben über 7000, 
auf der Herrschaft Nachod über 8000 Spinner. Bei 
den niedrigen Preisen der Leinwand und der wach- 
senden Concurrenz des für die Verwebung sich vortheil- 
haft zeigenden Maschinengarnes ist der Spinnlohn auf 
eine so niedrige Stufe gesunken, dass er nur noch 
2 bis 3 kr. täglich, manchmal auch weniger beträgt." 
Im böhmischen Erzgebirge, wo Hunger und Hunger- 
typhus zu Hause waren, war ein Mensch schon zu- 
frieden, wenn er täglich 4 bis 6 kr. verdiente. In 
Mähren gab es mit Robot gedrückte Häusler und 



— 26 — 

Inleute im Gebirge, welche sich bei Fleiss und Arbeit- 
samkeit täglich 2 kr. W. W. verdienten, das macht im 
Jahre 6 fl. Davon mussten sie leben, wenn^ sie 
nicht manchmal irgendwo nebenbei auf Taglohn um 
4 Groschen arbeiteten.^*) Ein gewisser Göhring,^*) ein 
Schriftsteller von ausgesprochen conservativer Ge- 
sinnung, ist entsetzt über die grenzenlose Unwissen- 
heit des galizischen Bauers, welcher er Schuld giebt 
an der Gleichgiltigkeit gegen alles, an „seiner Blind- 
heit für jedes Mittel, welches man ihm freundlich ent- 
gegenbrachte, damit er durch dasselbe sich aus seiner 
niedrigen, ihn entwürdigenden Lage emporhelfen 
möchte''. Wenn man die Schilderung liest, welche 
dieser Schriftsteller — weit entfernt, grau in Grau 
malen zu wollen — von der durchschnittlichen Lage 
und Lebensweise eines galizischen Bauers um 1840 
entwirft, so glaubt man sich unwillkürlich auf den 
Standpunkt der Naturvölker versetzt, und der Vergleich 
fällt dann noch immer nicht in allen Punkten zu 
Gunsten der galizischen Bauern aus. 

Man braucht keineswegs zu Berichten radicaler 
Zeitungen aus dem Sturmjahre zu greifen, um ein 
Bild grenzenloser Verarmung und Verelendung unter 
dem ländlichen Volke aufzudecken, welches an die 
Lage der irischen Pächter erinnert. 

Nachgerade Hessen sich diese Zustände auch seitens 
der Regierung nicht mehr als die besten der Welt 
hinstellen. Man merkte mit Entsetzen, in welchen 
Sumpf der Karren gerathen war, allein das ganze 
System erlaubte nicht die Anwendung der allein rich- 
tigen Reformmittel, und Halbheiten, wie das Robot- 
abolitionsdecret vom Jahre 1846, mussten eher provo- 



-- 27 — 

catorisch auf die verzweifelten Bauern wirken. Sie 
riefen nach Brot und man gab ihnen Steine. Denn was 
sollte das praktisch bedeuten, wenn eine allerhöchste 
Vorschrift von der „Beförderung des Zustandekommens 
freiwilliger Abfindungen zwischen den Grund- und 
Zehentherren und ihren Grund- und Zehentholden über 
die Natur alfr ohne und Naturalzehente'' schwatzte, 
während der Bauer keinen rothen Heller hatte, um 
sich abzufinden? 

Einer der reactionärsten und bornirtesten Chro- 
nisten des Jahres 1848-^) berichtet: „Der Bauer zeigte 
sich störrisch. Dankbarkeit ist nicht seine Sache. Das 
die Zehent- und Frohnsablösung betreffende Patent 
stiess auf keine erkenntliche Gesinnung, vielmehr auf 
das Bögehren, statt weniger als vorher, jetzt ent- 
schieden gar nichts mehr zu leisten. In den beiden 
Vierteln ob und unter dem Mannhartsberge musste 
man 1847 den Widerspenstigen, welche die Frohn- 
dienste verweigerten, mit militärischer Gewalt be- 
gegnen.'' Wie das Robotablösungspatent aber auch 
von den Adeligen aufgefasst wurde, bewiesen die Vor- 
fälle in Steiermark, im Cillier Kreis, wo die Bauern 
zur Abschliessung von Abolitionsverträgen durch 
Militärexecution und Stockprügel genöthigt wurden.*') 

Das meiste Verständniss für die Bedeutung und 
Grösse der Frage beweisen noch die galizischen Land- 
stände, die, um den Bauer für die politischen Pläne 
der Schlachta zu gewinnen, schon auf den Landtagen 
von 1842, 1843 und 1844 weitgehende Reformen unter 
bedingungsweiser Aufhebung der Robote begehrten 
und im Jahre 1845 sogar eine Commission zur Be- 
arbeitung dieses Planes einsetzten. Die Regierung 



— 28 



Untersagte es jedoch der Commission, sich mit dieser 
Frage zu beschäftigen; es sollte keinen anderen Aus- 
weg aus dem Labyrinthe geben als die Revolution. 



Zweites Capitel. 

Die Lage des Gewerbes. 

Die Entwickelung der österreichischen Industrie^ 
welche wir hier vor Augen haben, reicht in ihrem Ur- 
sprünge nicht über das XVIII. Jahrhundert zurück. 
Jene österreichischen Herrscher aus der Zeit der 
Gegenreformation, welche ihre Regentenpflicht darin 
erblickten, Oesterreich zu einer unbestrittenen Domäne 
des Katholicismus und Jesuitismus und den Staat zu 
einem willfährigen Werkzeug der römischen Curie zu 
machen, nahmen natürlich in ihres Herzens frommer 
Einfalt auf wirthschaftliche Hindernisse, welche etwa 
den Absichten der Gegenreformation im Wege standen^ 
keine Rücksicht. Da aber nach dem natürlichen Laufe 
der Dinge die intelligentesten Bürgerkreise protestantisch 
und gleichzeitig die hervorragendsten Träger des Ge- 
werbefleisses waren, so wurde die Drangsalirung und 
massenhafte Auswanderung der Protestanten aus Oester- 
reich gleichbedeutend mit einer Schädigung des öster- 
reichischen Gewerbes in dessen tüchtigsten Vertretern. 
Was fähig war, verliess das Land, die träge, unfähige 
Masse blieb zurück. Es war eine Zuchtwahl im übelsten 
Sinne. Die von der Gegenreformation beabsichtigte 
Wirkung blieb auch nicht aus — eine tiefe Ruhe trat 



ein, die Ruhe des Friedhofes leider auch auf wirth- 
schaftlichem Gebiete. 

Unter unsäglichen Mühen mussten die Herrscher 
des XVni, Jahrhunderts gut zu machen trachten, was 
ihre allzu katholischen Vorfahren an dem ehemals 
blühenden Handwerke versündigt hatten. Josef I,, 
Karl VL, Maria Theresia und Josef IL richteten das 
Gewerbe durch eine freie Handhabung der Gesetze, 
welche der Gewerbefreiheit fast gleichkam und der 
individuellen Initiative, der Bethätigung des ünter- 
nehmunjrsgeistes, wie der Intelligenz freie Bahn liess, 
aus ihrer Bedeutungslosigkeit und Lethargie wieder 
empor. 

Durch die Ertheilung der „Befugnisse" wurden 
auch protestantische Handwerker — die man jetzt 
wieder herbeirief, denen aber die Zunft verschlossen 
blieb — mit allen Rechten zünftiger Meister aus- 
gestattet Fabrikanten und ihrem Arbeiterpersonale 
wurde vollste Religionsfreiheit zugesichert, die Er- 
theilung der Fabriksbefugnisse wurde nicht von der 
österreichischen Staatsbürgerschaft abhängig gemacht, 
grösseren Unternehmungen wurden Steuerfreiheiten, 
unverzinsliche Staatsvorschüsse u. dgL gewährt, und 
nicht nur den Unternehmern wurden Privilegien ertheilt, 
auch die Fabriksarbeiter und Lehrlinge genossen eine 
privilegirte Stellung, indem sie von der Militärpflicht 
befreit wurden. Ja der Staat ging damals so weit, bei 
zeitweiligen Stockungen im Industriebetriebe den Glas- 
arbeitern, Spinnern, Wehern etc. — um sie vor Noth 
zu bewahren — tägliche Provisionen, und zwar den 
Oesellen und Frauen je 5 kr., den Kindern je 3 kr. 
pro T&g aus Staatsmitteln zu gewähren. 



— 30 — 

Die österreichische Textilindustrie verdankt vor- 
wiegend diesen Begünstigungen ihr Entstehen und 
ihre Bedeutung. Die in Böhmen und Schlesien be- 
stehende Leinenmanufactur erfuhr besonders durch 
Josef IL lebhafte Förderung, nicht minder die Wollen- 
manufactur. Vor allem war es aber die Baumwollen- 
industrie, welche sich unter den protectionistischen 
Massregeln der Regierungen in Oesterreich zu grosser 
Bedeutung erhob. ^) Das Wiener Gewerbe erlangte bald 
einen guten Ruf, der selbst neben dem alten Renommee 
der Pariser und Londoner Industrie bestehen konnte, 
und es war gewiss kein Zufall, dass sich dieser Auf- 
schwung fast ausnahmslos an die ausser der Zunft 
stehenden Handwerkskreise knüpfte. 

Maria Theresia und ihr Sohn Josef IL Hessen, 
wie in jeder anderen, so auch in wirthschaftlicher 
Hinsicht keine Spur von Liberalismus erkennen und 
erwiesen sich wohl weit eher als Anhänger einer 
landesväterlichen Social- und Wirthschaftspolitik, wie 
sie Friedrich von Preussen zum hohen Muster erhoben 
hatte. Den damals angebahnten Entwickelungsprocess 
dem wirthschaftlichen oder politischen Liberalismus 
zuzuschreiben, ist — wenn man den Thatsachen nicht 
Gewalt anthun will — unmöglich, mag auch die Frucht 
des geförderten Industrialismus in letzter Linie wirk- 
lich der Liberalismus und dessen Sieg gewesen sein. 
Allein, die Regierung nahm der auf dem Welttheater 
sich vollziehenden wirthschaftlichen Revolution gegen- 
über keineswegs die Rolle eines unthätigen Zuschauers 
ein. Dem Grundsatze des Gehenlassens (laisser faire) 
huldigten höchstens die Zünfte. Diese mittelalterlichen 
Institute vermochten weder die individualistische 



— 31 — 

Richtung des Industrialismus aufzuhalten, noch ver- 
suchten sie es, den veränderten Bedingungen der Pro- 
duction sich anzupassen. Damals, wo der Gedanke und 
die Möglichkeit, den rasch aufkeimenden Gross- und 
Maschinenbetrieb der zünftlerischen Organisation zum 
Zwecke einer coUectivistischen Production zu ver- 
mählen, noch viel näher gelegen gewesen wäre, damals 
kam es den Zünftlern gar nicht in den Kopf, von den 
grossen Impulsen einer neuen Zeit etwas für ihre steril 
gewordene Einrichtung zu profitiren. Sie, die nachmals 
alle üebel auf das angeblich so verhängnissvolle 
Princip des laisser faire schoben, liessen in dem 
grossen Augenblicke, wo auch ihnen eine Frage an den 
Weltgeist frei stand, thatsächlich alles gehen, wie es 
wollte, überliessen die Neuerungen der Production gleich- 
müthig der individuellen Initiative, den ausser der 
Zunft Stehenden, den „befugten" Meistern und privi- 
legirten Fabrikanten, ohne zu merken, wie die Zunft 
allmählich auf das Niveau einer frommen Bruderschaft 
herabsank. 

Es war gewiss nicht diese Versumpfung der 
zünftigen Verhältnisse, was an der Neige des Jahr- 
hunderts eine neuerliche Stockung und Lähmung des 
gewerblichen Lebens verursachte; es war im Gegen- 
theile neben den traurigen Folgeerscheinungen der 
unablässigen Kriege vielmehr die reactionäre Wirth- 
schaftspolitik, die Kaiser Franz im Gegensatze zu 
seinen zwar nicht freisinnigen, aber aufgeklärten Vor- 
fahren betrieb, was das Gewerbe von seiner mühselig 
erklommenen Höhe wieder herabzog. Franz hasste den 
Industrialismus instinctiv als den Nährboden des 
Liberalismus und suchte ihm in offenem Widerspruche 



— 32 — 

ZU seinen Berathern, wo es nur möglich war, Fall- 
stricke und Fussangeln zu legen. Es war nur natür- 
lich, dass die alten Zünfte, die sich ganz unfähig er- 
wiesen hatten, den Entwickelungsprocess des Gewerbes 
aufzuhalten oder in ihre Bahnen zu lenken, jetzt über- 
müthig ihr Haupt erhoben und den Niedergang des 
Gewerbes als Folge der Verkennung ihres Werthes, 
ihre Wiedereinsetzung in die alte Monopolstellung aber 
als einzigen Ausweg aus dem irdischen Jammerthale 
hinstellten. Wiederholt versuchte man es während der 
Regierungszeit Franz I., mit der Einschränkung der 
Gewerbefreiheit dem Handwerke zu helfen. Immer 
wieder musste man das gesperrte Gewerbe freigeben. 
Die erste Etappe dieses Feldzuges wider die Frei- 
heit der österreichischen Industrie fällt in die Zeit 
der grossen finanziellen Calamitäten während der 
Coalitionskriege, in die Blüthezeit des Bancozettels 
und seiner nicht minder famosen Nachfolger. Es fehlte 
den leitenden Staatsmännern jener Zeit nicht an klaren 
Plänen und gutem Willen, um dem leider schon chro- 
nisch gewordenen, verrotteten Zustande der öster- 
reichischen Finanzen ein Ende zu machen, und der 
wohlgemeinten Projecte hierzu gab es nicht wenige.*'^) 
Aber von all den guten Vornahmen zur Tilgung der 
immensen Schuld, zur Einlösung des erbärmlichen 
Papiergeldes und der eines modernen Staates un- 
würdigen Kippermünzen, sowie zur Convertirung des 
Zinsfusses, von alledem kam nie etwas zur Ausführung. 
Man Hess es sich genügen, unter allen erdenklichen 
Namen Steuern und Zuschläge^) auszuschreiben, um 
deren Ertrag zur allmählichen Sanirung der finan- 
ziellen Lage zu verwenden, und man scheute vor 



— 33 — 

solchen Operationen umsoweniger zurück, als man von 
der Meinung ausging, „dass eine geringe Belastung 
ohnehin für ein Volk schädlich sei, indem sie dem 
Müssiggange Thür und Thor öffne und die Betrieb- 
samkeit erschlaffe''.^) Sobald natürlich die Steuern 
eingeflossen waren, wurden sie mit nichten ihrer Be- 
stimmung zugeführt, sondern vielmehr zu abermaligen 
Rüstungen verwendet; und falls sie hierzu nicht aus- 
reichten, schritt man ohne Furcht und Grauen zu 
neuerlichen Emissionen von Bancozetteln oder ähn- 
lichen Werthzeichen. 

Die Schwankungen von Cours und Zinsfuss in 
jenen Tagen dürften wohl einzig in der Geschichto 
dastehen und spotten allen Vorstellungen der kühnsten 
Phantasie. Der Werth der Bancozettel war von 177i> 
bis 1811 auf ein Fünftel gefallen und betrug an ein- 
zelnen Tagen des Jahres 1811 nur noch ein Zwölftel 
des Nominalbetrages. Aber auch die „Einlösungs- 
scheine" Wiener Währung, welche die Bancozettel- 
wirthschaft beseitigen sollten, waren trotz des Zwangs- 
courses schon im Mai 1812, d. i. also 3 Monate nach 
ihrer Emission, um mehr als 507o gefallen und stürzten 
allmählich bis auf ein Viertel ihres Nominales. Ihnen 
folgtan die „Anticipationsscheine'', welche nur bis 
zum Betrage von 45 Millionen begeben werden sollten, 
bald aber die immense Höhe von 500 Millionen er- 
reichten. Sie wandelten dieselben Bahnen der De- 
preciation, wie ihre Vorgänger. Solche Geldverhält- 
nisse machten natürlich eine jede geschäftliche Vor- 
aussicht unmöglich und griffen ebenso tief in das 
wirthschaftliche Leben des Volkes ein, wie die wieder- 
holten Zinsreductionen, die in den privatwirthschaft- 

Zenker: Wiener Revolution. 3 



— 34 — 

liehen Verhältnissen eine mächtige Verwirrung her- 
vorriefen. Es braucht nicht erst erwähnt zu werden, 
dass diesen Finanzkrisen des Staates zahlreiche Exi- 
stenzen zum Opfer fielen, und dass in erster Linie 
unter einer solchen unreellen Finanz- und Steuer- 
politik das Gewerbe zu leiden hatte. 

In einer hochamtlichen „Denkschrift über die 
inneren Zustände Oesterreichs*' aus dem Jahre 1806^) 
werden Handel und Industrie als in tiefsten Verfall 
gesunken, die Werkstätten des Fleisses als verlassen, 
der unbemittelte Gewerbsmann als verarmt und mit 
seiner Familie dem Hunger preisgegeben dargestellt 
„Eiji Geist des ünmuthes und der Gleichgiltigkeit 
gegen das öffentliche Wohl scheint sich auszubreiten," 
hiess es am Schlüsse. „Der offenste und gutmüthigste 
Volkscharaker, den es vielleicht giebt, fängt an ver- 
schlossener und (wenigstens in der Freude) minder 
theilnehmend zu werden. Geselligkeit und Frohsinn 
nehmen zusehends ab. Der Mensch isolirt sich, wenn er 
leidet. Der karge Erwerb verschafft höchstens dem 
Einzelnen sein nothdürftiges Auskommen, die Ehen 
werden täglich seltener. Seit dem Jahre 1802 hat die 
Zahl der jährlich geschlossenen Ehen in der Haupt- 
stadt stufenweise und mehr als um den vierten Theil 
ihres ehemaligen Belauf es abgenommen. Das Jahr 1802 
zeigt ein Maximum von 2965 in Wien geschehenen 
Trauungen. Im Jahre 1803 waren deren um 227 
weniger, im Jahre 1804 um 271 weniger als 1803, im 
Jahre 1805 abermals um 254 weniger als im Jahre 
1804 und das Total der im vorigen Jahre (1805) ge- 
schlossenen Ehen betrug nicht mehr als 2213; hin- 
gegen ist die Zahl der Gestorbenen im Jahre 1802 



- 3ö — 

14.522, 1803 14.385, 1804 14.035 und 1805 16.742. Be- 
darf es eines noch stärkeren Beweises von dem ab- 
nehmenden Wohlstande des Volkes? von seinem ge- 
sunkenen Muthe, von den Erwartungen, die es sich 
von der Zukunft macht?'' 

Es zeigt von der tiefen Abneigung des Kaisers 
gegen den Industrialismus, wenn er gerade den durch 
die fluctuirenden Finanzverhältnisse am schwersten 
getroffenen und zur Steuerleistung in erster Linie 
herangezogenen Stand mitten in dieser Krise in die 
Fessel eines Numerus clausus zu schlagen suchte, die 
Errichtung von Fabriken in Wien und den Vorstädten 
aber gänzlich einzustellen befahl (1802). 

Die Mitglieder der österreichisch-böhmischen Hof- 
kanzlei, an welche dieser Auftrag gerichtet war, wie 
die Rathgeber des Kaisers überhaupt, waren sicherlich, 
wie er selbst, frei von „manchesterlichen" Anwand- 
lungen jeder Art und empfanden die Zumuthung, ein 
sogenanntes „Liberalitätssystem" zu betreiben, geradezu 
als persönliche Beschimpfung und Verleumdung. Aber 
sie sahen klar genug, imi zu merken, dass es für die 
Dauer nicht angehe, der Kuh mit der einen Hand das 
Futter vom Munde wegzunehmen und mit der anderen 
Hand sie zu melken. Die Protection, welche die In- 
dustrie bei der österreichischen Regierung und Bureau- 
kratie überhaupt während der ganzen Zeit bis zur 
Revolution fand, hatte sehr nüchterne Anlässe und 
eine sehr brutale Moral. Irgendwoher musste der Staat 
seine Einkünfte nehmen. Bei der Landwirthschaft waren 
sie nicht zu holen, wie wir gezeigt haben, und eine 
Besserung, eine grössere Steuerkraft auf dieser Seite 
wäre nur durch eine vollständige Revolution der agra- 



— 30 — 

Tischen Verhältnisse zu erzielen gewesen, an die man 
auch nicht in den kühnsten Träumen dachte. Es blieb 
also der österreichischen Regierung nichts übrig, als 
ihre Mittel bei der Industrie und beim Handel zu 
suchen und zu holen und dieselben deshalb vor über- 
flüssigen Beschränkungen zu bewahren. 

Die genannte Hofkanzlei bemühte sich daher, dem 
Kaiser die wesentlichen Nachtheile klar zu machen, 
die aus der Durchführung seiner Anordnungen ent- 
springen mussten; wie es eine Menge von Gewerben 
und Fabriken gäbe, die nur in der Hauptstadt ge- 
deihen könnten, dass demnach die Verweisung der 
Fabriken auf das flache Land der Vernichtung von 
mehr als zwei Drittel der Fabriken überhaupt gleich- 
käme; es wird darauf hingewiesen, dass die in Wien 
herrschende Theuerung aus anderen Quellen, als 
aus der Ueberfüllung der Stadt mit Fabriken und 
Gewerben entspringe, dass jene Meister, die weniger 
erfüllt von ihren Innungsvorzügen nur mit dem Ge- 
deihen ihres Gewerbes beschäftigt wären, den grössten 
Nachtheil erleiden würden, „dass überhaupt der amt- 
liche Einfluss, das Verordnen und jeder Zwang im 
Erwerbsfache die gefährlichste aller Klippen sei" u. s. w. 

In einem der zahl- und endlosen Schriftstücke, 
welche über diesen Gegenstand hin- und hergeschickt 
wurden, kam aber auch der wahre Grund der von 
dem Kaiser intentirten Gewerbesperre zum klaren Aus- 
drucke. Es heisst da^) nämlich zur Beschwichtigung 
des Kaisers, es „könne ohne Ungerechtigkeit gegen 
einen ganzen, seiner Bestimmung nach so schätzbaren 
bürgerlichen Stand die untere Gewerbsclasse für die 
öffentliche Ruhe nicht für bedenklicher als andere 



Stände gehalten werden, da auch diese Classe ihre 
Anhänglichkeit an Fürst und Vaterland während der 
feindlichen Invasion erprobt habe''. Auch wurde auf 
den Vortheil der Beschäftigung „des in jeder Haupt- 
stadt befindlichen Gesindels" hingewiesen, „welches 
erst nach Entfernung der Fabriken und Gewerbe 
wirklich furchtbar werden dürfte, und bei so vielen 
Reizen zum Erwerbe auf keinen Fall sich so leicht 
wegschaffen Hesse". Der Grund der reactionären 
Wirth Schaftspolitik des Kaisers lag also keineswegs 
in der Fürsorge für den Gewerbestand, sondern in 
der Furcht vor den des politischen Freisinns ver- 
dächtigen Fabrikanten und in der Angst vor den Massen 
der Arbeiter. 

Alle Vorstellungen und Beschwichtigungen ver- 
fingen nicht bei Franz. Derselbe erklärte, die ver- 
schiedenen „unaufgeforderten" behördlichen und hof- 
kanzleilichen Gutachten „dienten zu keinem Gebrauche" 
und bestand auf der Gewerbesperre, und erst der un- 
ausweichliche Bankerott von 1811 brachte über An- 
trag der Bancohofdeputation die Aufhebung des Ver- 
botes, neue Gewerbe und Fabriken in dem Umkreise 
von 'zwei Meilen um die Residenz zu errichten und 
die Bewilligung dazu zu ertheilen. Der Bankerott 
scheint der besseren Einsicht der Staatsräthe vorüber- 
gehend den Sieg über die Abneigung des Kaisers gegen 
die Industrie verschafft zu haben. 

Schon im Jahre 1822 wiederholte Kaiser Franz 
auf Grund verschiedener Beschwerdeschriften aus den 
Kreisen der Handelstreibenden das Verbot neuer Ge- 
werbeverleihungen, eine Massregel, welche nach aber- 
maligem heissen Bemühen der Hofstellen zu Gunsten 



- 38 — 

einer leidlichen Gewerbefreiheit im Jahre 1827 wieder 
aufgehoben wurde. Abermals waren es die Folgen 
einer die Production und den Handel empfindlich 
schädigenden Finanzpolitik gewesen, welche den An- 
hängern der Zunft — diesmal vorwiegend Mitgliedern 
der Kaufmannschaft — Anlass zu erneutem Sturm 
wider die Gewerbefreiheit geboten hatten. 

Das Jahr 1831 endlich brachte eine neuerliche 
Gewerbesperre. Die Zünfte suchten diesmal mit be- 
sonderem Nachdrucke die illiberale Gesinnung des 
Kaisers in ihrem Sinne auszubeuten, und weitere ra- 
dicale Massregeln gegen die Befugnisse zu erwirken, 
wozu ihnen die in Folge der Cholera entstandene Ge- 
werbestörung einen willkommenen Anlass geboten 
haben dürfte. Es schien diesmal ein förmlicher Ge- 
neralsturm gegen das sogenannte Liberalitätsprincip 
geplant, und obwohl die Anhänger dieses Principes 
im Anfange Sieger zu bleiben schienen, machte der 
Kaiser doch urplötzlich Miene, einen letzten ent- 
scheidenden Schritt in der seit drei Decennien ob- 
schwebenden Frage zu thun, der wohl kaum zu Gunsten 
der Gewerbefreiheit ausgefallen wäre. 

In einem Handschreiben vom 17. August 1832 
trug der Kaiser der Hofkammer auf, da der Wunsch 
nach Beschränkung der liberalen Commercialgrund- 
sätze immer lauter werde, „diesen Gegenstand in reife 
Prüfung und Berathung nehmen zu lassen und nach 
Einvernehmung der Unterbehörden die reif erwogenen 
gutachtlichen Anträge zu stellen: ob und bei welchen 
Handels- und Gewerbsclassen eine dergleichen Be- 
schränkung allenfalls einzutreten hätte?'' Diesem Auf- 
trage zufolge traf die allgemeine Hofkammer sofort 



— 39 — 

alle Vorbereitungen zu einer umfassenden Einver- 
nehmung der Länderstellen, der Kreisämter und der 
als Gewerbebehörden erster Instanz fungirenden herr- 
schaftlichen Obrigkeiten. An alle diese Behörden wurden 
Fragebogen versendet, sowie auch an die Handels- 
gremien und an die 82 Wiener Zünfte. Das Resultat 
dieser ersten österreichischen Gewerbeenquete war erst 
im Jahre 1834 zu übersehen und wurde am 5. Januar 
1835 dem Kaiser überreicht. Derselbe dürfte die Denk- 
schrift jedoch nicht mehr studirt haben, denn er starb 
schon wenige Wochen später (am 2. März 1835) und 
damit hatte denn der dreissigjährige Krieg um das 
sogenannte Liberalitätsprincip in Oesterreich vorläufig 
ein Ende erreicht und auch das Project eines ein- 
heitlichen Gewerbegesetzes, mit dem Franz in den 
letzten Lebenstagen noch hervorgetreten, war und blieb 
unverwirklicht, vielleicht zum Segen, vielleicht zum 
ünheile der gewerblichen Entwickelung in Oesterreich. 

Wir mussten es uns leider hier versagen, auf die 
oft sehr interessanten Einzelheiten dieser wechselvollen 
Gewerbepolitik in den ersten drei Decennien unseres 
Jahrhunderts näher einzugehen. Noch weniger möchten 
wir über dieselbe ein Urtheil fällen, das bei dem Um- 
stände, dass wir über alle Vorkommnisse nur höchst 
einseitig unterrichtet sind, auch kaum gerecht und 
recht ausfallen könnte. Dagegen setzt uns das ge- 
botene Materiale in den Stand, einige Schlüsse auf die 
thatsächlichen Verhältnisse des österreichischen Ge- 
werbes zu ziehen, welche vortrefflich zum Verständniss 
des Kommenden hinüberleiten. 

Was aus dem langwierigen und wechselvollen 
Kampfe der Handwerkerzünfte und Kaufmannsgremien 



-^ 40 — 

um Einschränkung der Gewerbeverleihung ganz un- 
zweifelhaft hervorgeht, ist eine thatsächliehe Misslage 
des Gewerbestandes und vorwiegend des städtischen 
Handwerkes während des ganzen Zeitraumes. Der. 
Zunftgeist und Brotneid mag ja vieles in dunkleren 
Tönen gemalt haben, als es in Wirklichkeit aussah, 
aber auch die Schilderungen der Gegenpartei lassen 
den Zustand der Gewerbe und den Wohlstand in den 
gewerbetreibenden Kreisen keineswegs als besonders 
rosig erscheinen. 

Wir haben weiter oben die Lage in diesen Kreisen 
um das Jahr 1806 an der Hand einer hochamtlichen 
Denkschrift geschildert. Manches an den Verhältnissen 
hatte sich seither geändert, vielleicht auch gebessert; 
die Gesammtlage der österreichischen Industrie war 
besonders im Hinblick auf den Activhandel gewiss 
eine tröstlichere geworden, allein ein Blick auf die 
Ergebnisse des österreichischen Aussenhandels beweist 
rasch, wie sehr Oesterreich in seiner Production noch 
vom Auslande abhängig war; und die Richtigkeit dessen, 
was die Hofkammer in ihrer Einbegleitung zu den 
Ergebnissen der obengedachten Enquete im Jahre 1835 
aussprach, dass Oesterreich an einer grell in die Augen 
springenden Unterproduction litt, unterliegt nicht dem 
geringsten Zweifel. Wohl war seit den napoleonischen 
Kriegen der Friede eingekehrt, aber die ewige Finanz- 
misere bestand fort und fuhr fort, alle Verhältnisse 
der Industrie und des Handels im Labilen, ewig 
Schwankenden zu erhalten. Wohl war von Staatswegen 
so manches zur Förderung der Gewerbe geschehen, 
aber auch die Steuerlasten waren unaufhörlich ge- 
stiegen. In Wien war die Häusersteuer von 745.895 fl. 



— 41 — 

Bancozettel im Jahre 1810 auf 1,333.833 fl. C.-M. im 
Jahre 1832, d. i. im Verhältnisse von 3:23;') die 
Erwerbsteuer war in der gleichen Zeit von 284.251 fl. 
Bancozettel auf 758.501 fl. C.-M. = 3 : 34, der Betrag der 
Bürgertaxe nebst der Gewerbs- und Befugnisstaxe von 
18.481 fl. Bancozettel auf 161.111 fl. C.-M. = 3: 112 ge- 
stiegen. Dazu kamen, wie die erwähnte Einbegleitungs- 
note ausdrücklich hervorhebt, eine Menge von öffent- 
lichen und Privatabgaben, die beim Antritte des Gewerbes 
zu entrichten waren und viele geschickte, aber mittel- 
lose, arbeitende Hände an dem Antritte selbständiger 
Unternehmungen hinderten. 

„Nachdem der Gewerbsmann sich durch den drei- 
fachen Recursinstanzenzug durchgearbeitet, für Agenten 
und leider hie und da bei den Unterbehörden sich ein- 
geschlichene ungebührliche Auslagen für die Gewerbs- 
antritts- und. Incorporirungstaxen, für die Einrich- 
tungen der Gewerbslocalitäten, Herbeischaffung der 
Werkzeuge, Maschinen und Vorräthe, Wohnungsein- 
richtungen u. dgl. sein oft sauer erworbenes und er- 
spartes Geld aufgezehrt hat, ist er gehalten, nebst dem 
Unterhalte für Lehrjungen und Gesellen und den fort- 
laufenden Betriebsanlagen, nebst den. Beiträgen für 
die Zunftauslagen und verschiedenen Gewerbesteuern, 
auch die jährliche Erwerbssteuer zu bezahlen, welche 
für sein Gewerbe bemessen isf 

Einer der Krebsschäden des kleinen Gewerbes 
waren die Formen des Gesellen- und Lehrlingswesens, 
welche dem Gewerbe einen gesunden Nachwuchs zu 
verschaffen und tüchtige Meister zuzuführen nicht ge- 
eignet waren. Die Ausbildung der Lehrlinge war in 
den Vierziger Jahren vollkommen vernachlässigt, und 



— 42 — 

der Wiener Magistrat bricht in die Klage aus: „Die 
Lehrlinge lernen nichts mehr, weil von ganzen Classen 
von Gewerbetreibenden nur mehr einzelne Artikel 
erzeugt werden und es zur Maxime geworden ist, sich 
ausschliessend oder doch grösstentheils mit Lehrjungen 
zu behelfen." Aber nicht bloss die Arbeitstheilung, 
welche in diesem Falle nicht die Wirkung der Ge- 
werbefreiheit, sondern geradezu die der Gewerbe- 
unfreiheit ^) war, sondern auch die ausgesprochene Ver- 
nachlässigung der Meister verschuldete diese mangel- 
hafte Ausbildung des nachwachsenden Handwerker- 
geschlechtes. Die amtliche Commission, welche im 
Jahre 1835 den Entwurf eines Gewerbegesetzes vor- 
bereitete, klagt, wie wenig in den Handwerken auf 
die Ausbildung der Lehrlinge geachtet wird; „sie sind 
dem harten und rohen Verfahren der Meister und Ge- 
sellen, die meistens in gleicher Roheit aufgewachsen, 
ausgesetzt, auf ihre Ausbildung im Gewerbefache selbst, 
dem sie sich widmen, wird wenig oder gar nicht ge- 
sehen, sie werden häufig zur Aushilfe in gewissen 
mechanischen Verrichtungen, zu häuslichen und knech- 
tischen Arbeiten verhalten". Die vielgerühmte tech- 
nische üeberlegenheit der Handwerker war schon in 
den Vierziger Jahren eine Legende, und die Maschinen- 
industrie hatte leichtes Spiel, das verrohte und plumpe 
Handwerk aus dem Sattel zu heben. Was man auch 
sagen mag, so ganz ohne eigenes Verschulden hat das 
Handwerk seinen goldenen Boden nicht verloren, mögen 
die von aussen auf dasselbe einstürmenden Umstände 
auch noch so ungünstig gewesen sein und mag auch be- 
sonders das Aufkommen des Maschinenbetriebes^) so 
manches, was noch Leben hatte, dem Tod geweiht haben. 



— 43 — 

Ein Uebelstand, welchen das Handwerk gleich 
wie die Grossindustrie bitter zu beklagen hatte, war 
der Mangel ausreichender Communicationswege. Wohl 
hatten sich auch in dieser Hinsicht die Verhältnisse 
etwas gebessert. An Commercialstrassen wurden von 
1813 bis 1832 im Ganzen 1,817.032 Klafter oder 
454 Meilen in den verschiedenen Provinzen erbaut, 
die Zahl der Postanstalten und Postcurse hatte be- 
trächtlich zugenommen; aber was besagen diese 
Ziffern gegenüber der Thatsache, dass die Entwicke- 
lung des Eisenbahnnetzes gar nicht vom Flecke 
kommen wollte; obwohl gerade Oesterreich einer der 
ersten Staaten war, welcher den Eisenbahnbetrieb 
eingeführt hatte, betrug um 1 840 die Länge des öster- 
reichischen Bahnnetzes doch nur 144Ä;m oder nicht 
einmal zwei Fünftel des gleich alten französischen und 
nur ein Neuntel des bloss um drei Jahre älteren eng- 
lischen Bahnnetzes. ^^) Die Dampfschiffahrt auf der 
Donau war erst im Entstehen begriffen, und wenn man 
die grossen Schwierigkeiten bedenkt, die gerade dieses 
Verkehrsmittel naturgemäss zu überwinden hatte, so 
begreift man, dass von dieser Seite die österreichische 
Industrie in den Vierziger jähren noch sehr wenig 
Förderung zu erfahren hatte. ^^) 

Umgekehrt ist von der zurückgebliebenen Ent- 
wickelung der Verkehrswege ein Rückschluss auf den 
primitiven Zustand der österreichischen Industrie an 
der Wende der Dreissiger- und Vierziger] ahre erlaubt. 
Es waren alte üebel, an denen sie krankte, der atro- 
phische Zustand war chronisch, und das ist bei der 
Beurtheilung der künftigen Erscheinungen wohl im 
Auge zu behalten. Denn wie auf anderen Gebieten 



— 44 — 

fehlte es auch hier kurz vor der Katastrophe nicht 
an wohlgemeinten Versuchen einer thätigen Umkehr 
— man studirte, wie die Enquete von 1835 zeigt, ein- 
gehend die gewerblichen Fragen, man dachte an ein 
einheitliches Gewerbegesetz, man veranstaltete in den 
Jahren 1835, 1840 und 1845 in Wien grosse Gewerbe- 
ausstellungen — allein, das alles konnte nicht Zu- 
stände beheben, deren Veranlassung tief in dem ge- 
sammten Gehaben des Staates steckte. 

Eine andere, nicht minder bedeutsame Thatsache, 
über welche wir aus der oben berührten Geschichte 
der österreichischen Gewerbepolitik bis 1835 Kenntniss 
erhalten, ist die eines tiefen Risses, der bereits damals 
durch die Gesellschaft im Hinblicke auf die Gewerbe- 
frage ging. Auf der einen Seite standen die zünftigen 
Handwerker, die Vertreter einer absterbenden Gesell- 
schafts- und Productionsform, auf der anderen Seite 
die befugten Meister und Fabrikanten, die Kinder und 
Werkleute einer neuen Zeit, die Jünger neuer An- 
schauungen. Und damit nach einer altösterreichischen 
Tradition der Widerspruch auch nicht ohne Antheil 
bliebe, stand auf Seite dieser letzteren, später die Führer- 
schaft des Liberalismus und der Demokratie bilden- 
den Elemente die Regierung und die gesammte höhere 
Bureaukratie, die Metternich'sche, den Liberalismus 
als Vorläufer der Anarchie hassende Bureaukratie. 

In der mehrfach erwähnten Enquete traten die 
Meinungsverschiedenheiten dieser beiden Lager auf 
gewerblichem Gebiete mit unerbittlicher Consequenz 
einander feindlich gegenüber. 

„Wäre es nach dem Willen der Zünfte und Gre- 
mien gegangen'' — sagt Reschauer *-) das Resultat 



— 45 — 

der Enquete zusammenfassend — „die Gewerbegesetz- 
gebung hätte nicht nur um ein paar Jahrzehnte, 
sondern bis in die Mitte des XVIL Jahrhunderts, etwa 
bis in die Tage Kaiser Ferdinands III. hinein, zurück- 
reformirt werden müssen. Denn aus den Voten der 
auf dem Standpunkte der Zünfte stehenden Behörden 
geht klar und unzweideutig hervor, dass sie alle seit 
Karl VI. bis in die Dreissigerjahre dieses Jahrhunderts 
herein im österreichischen Gewerbewesen vorgenomme- 
nen Reformen auf das Abfälligste beurtheilen und als 
verderbenbringend nicht nur für den Handwerkerstand, 
sondern auch für das Beste des Staates betrachten. 
Die Gegner des Liberalitätssystemes tragen gar kein 
Bedenken, selbst auf solche Beschränkungen anzu- 
tragen, welche die Möglichkeit eines schwunghaften 
Gewerbebetriebes ausgeschlossen und Oesterreich dazu 
verurtheilt hätten, ein ärmlicher Agriculturstaat zu 
bleiben; sie sind so naiv, es offen herauszusagen, dass 
die Industrie ein für die Ruhe des Staates gefähr- 
liches Element sei und daher nicht gepflegt werden . 
sollte; sie rathen auf eine solche Einschränkung der 
Thätigkeit der Fabriken, welche den industriellen 
Grossbetrieb geradezu unmöglich gemacht hätte. Es 
ist sicher kennzeichnend, dass selbst das mährisch- 
schlesische Gubernium und das Brünner Kreisamt, 
welche sich doch am Beginne der Dreissiger jähre über 
die Bedeutung der Tuchmanufactur für Brunn und 
Mähren schon hätten klar sein können, den Antrag 
stellten, dass Fabriksunternehmungen, deren Fabrikate 
auch von zünftigen Meistern erzeugt werden, unter 
allen Umständen nur zünftig betrieben werden sollen. 
Es tritt uns überhaupt aus dem Gutachten der An- 



— 46 — 

hänger der Beschränkungen die gewiss interessante 
Erscheinung entgegen, dass man in der Mitte der 
Dreissiger jähre von der Entwickelungsfähigkeit des 
Fabrikswesens nicht nur in den Reihen des Hand- 
werkerstandes, sondern auch bei einem Theile der 
^ureaukratie noch nicht einmal eine Ahnung hatte. 
Da will man auf grossen Gebieten des Erwerbslebens 
ausschliesslich das Handwerk gelten lassen und fordert, 
dass sich der Eigenart, den Interessen desselben alles 
Uebrige unterordnen oder mindestens anbequemen 
müsse; als ob eine andere Organisation der Arbeit als 
die handwerksmässige gar nicht denkbar wäre, wird 
alles als Missstand und Uebel hingestellt, was dieser 
Organisation abträglich zu sein scheint In zahlreichen 
Gewerbszweigen, wo die Grossindustrie heute längst 
schon Wurzel gef asst und der kleine Unternehmer schon 
seit langem schwer genug zu kämpfen hat, um sich 
der Concurrenz derselben gegenüber zu behaupten, 
existirte damals eine Massenproduction eben noch 
. nicht. Der zünftige Meister hatte damals fast nur den 
Wettkampf mit dem Befugten, der ja auch nur ein 
kleiner Unternehmer war, zu bestehen. Auch über- 
ragte selbst die grosse Mehrzahl der fabriksmässig 
befugten und der mit Fabriksprivilegien ausgestatteten 
Unternehmer das Niveau grösserer Gewerbetreibender 
im heutigen Stile keineswegs. Es ist daher erklärlich, 
dass die Anhänger der Beschränkungen, in der 
Täuschung befangen, dieses für die Gewerbetreiben- 
den so überaus günstige Verhältniss werde ewig fort- 
dauern, in keinem ihrer Gutachten die Nothwendigkeit 
betonen, durch die möglichste Steigerung der tech- 
nischen Leistungsfähigkeit, durch rechtzeitige Vor- 



— 47 — 

kehrung für Befriedigung erhöhter Creditbedürfnisse 
den Handwerkerstand auf die schweren Kämpfe vor- 
zubereiten, welche ihm nahezu in allen Geschäfts- 
zweigen bevorstehen sollten, welche Kämpfe er auch 
in der That, schon von der Mitte der Vierziger jähre 
angefangen, mit täglich steigender Heftigkeit zu führen 
hatte. Die Sicherheit und Zuversicht, mit der das 
Handwerk in dieser Beziehung in den Tag hineinlebte, 
hat ihm weit grösseren Nachtheil gebracht, als selbst 
die schwersten Missgriffe der Gesetzgebung. In den 
zünftlerischen Gutachten kommt überhaupt nicht ein 
Wörtlein vor, welches auf Sinn und Verständniss für 
die Nothwendigkeit eines zeitgemässen Fortschrittes 
im Gewerbewesen schliessen Hesse. Dass nur der 
strebsame, fleissige Handwerker ein Recht habe zu 
existiren und von der Gesetzgebung des Staates zu 
fordern, dass ihm die Existenz nicht unmöglich gemacht 
werde, davon lesen wir in diesen Gutachten nichts; 
dieselben bewegen sich vielmehr in einem Gedanken- 
gange, als ob ihre Urheber aus dem blossen Besitz- 
titel eines Gewerbebefugnisses, für den gewerblichen 
Unternehmer das Recht ableiten wollten, sich sein 
bürgerliches Auskommen vom Staate garantiren zu 
lassen. Das Handwerk und das Kaufmannsgewerbe wird 
in allen diesen Gutachten wie eine privilegirte Ver- 
sorgungsanstalt hinzustellen gesucht und vom Staate 
gefordert, dass er alles, was diesen Charakter beein- 
trächtigt oder gar aufhebt, aus Gesetzgebung und 
Verwaltung beseitige.'' 

„Kaum weniger extrem wie die Gegner sind auch 
die Anhänger des Liberalitätssystemes, welche gleich 
der Hofkammer wohl nur im Hinblicke auf die aller 



— .48 — 

Welt bekannten Gesinnungen des Kaiser Franz Anstand 
nehmen, sich bei diesem Anlasse schon für die Ein- 
führung einer, wenn auch beschränkten Gewerbefreiheit 
in Oesterreich zu erklären. Wäre es nach dem Willen 
dieser Partei gegangen, dann würde das Gesetz vom 
20. December 18ö9 vielleicht schon Mitte der Dreissiger- 
jahre erlassen worden sein. Der Hofkammer fällt es 
natürlich leicht, den rein monopolistischen Tendenzen 
der Zünftler gegenüber das allgemeine Interesse, den 
Nutzen und Vortheil der Consumenten zur Geltung 
zu bringen. Das Ziel, welches ihr vorschwebte, war 
ein hohes und schönes, aber das unbeugsame Fest- 
halten an demselben hätte ihr auch die Verpflichtung 
auferlegt, sich dafür einzusetzen, dass die Masse der 
gewerblichen Bevölkerung Oesterreichs jener geistigen 
Bildungsstufe allmählich zugeführt werde, die sie unter 
der Herrschaft einer, wenn auch beschränkten Ge- 
werbefreiheit schon im Interesse ihrer Selbsterhaltung 
hätte einnehmen müssen.'' 

Diese beiden Parteien bestanden also auf gewerb- 
lichem Boden schon vor der Zeit, welche den eigent* 
liehen Gesichtskreis unserer Betrachtungen bilden soll. 
Es ist ein grosser, wenn auch traditioneller Irrthum, 
anzunehmen, es habe in der Revolutionszeit in Fragen 
der Zunft und ihres Bestandes nur ein Herz und einen 
Sinn gegeben. Die ganze Geschichte der bürgerlichen 
Reaction bleibt unter diesem Gesichtspunkte einfach 
unverständlich. Ebenso wäre es ein grosser Fehler, an- 
zunehmen, dass diese beiden Parteien bloss durch zwei 
Meinungen getrennt gewesen seien; wenn Reschauer 
meint, der zünftige Meister habe damals fast nur den 
Wettkampf mit dem Befugten, der ja auch nur ein 



- 49 — 

kleiner Unternehmer war, zu bestehen gehabt, so ist das 
in doppelter Hinsicht irrig. Auch wenn der befugte 
Meister oder Decreter nur ein kleiner Meister war, so 
war er doch schon vermöge seiner grösseren wirth- 
schaftlichen Freiheit und Beweglichkeit an und für 
sich im Concurrenzkampfe mit dem zünftigen Meister 
im Vortheile; es war ein Kampf mit derselben Aus- 
sicht, wie wenn eine Schaar mittelalterlich gepanzerter 
Eisenreiter einer modernen, in Plänklerschwärme sich 
auflösenden und mit dem Repetirgewehre ausgerüsteten 
Truppe Widerstand leisten wollte. 

In einer Denkschrift der allgemeinen Hof kammer*^) 
wird der ganze Leidensweg, den ein Mensch zu machen 
hat, um es zum Meister zu bringen, geschildert; die 
langen erniedrigenden Lehrjahre, die kargen Gesellen- 
jahre, der Wanderungszwang, die grossen Auslagen 
für den selbständigen Antritt eines Gewerbes; und 
wenn der werbende Geselle endlich so weit ist, bei 
der Behörde oft mit Hilfe wucherischer Winkelagenten 
einzuschreiten, so sieht er sich, wie die Hofkammer 
ohne Umschweif erklärt, allen Angriffen der Zunft 
preisgegeben, die, je geschickter der Bittwerber und 
je isolirter er dasteht, insoferne er nicht der Sohn 
oder Verwandte eines Mi4;meisters ist, desto heftiger 
alle Mittel aufbietet, um einem Concurrenten entgegen- 
zuarbeiten, von dem ihr Brotneid und Monopolgeist 
Beeinträchtigung ihres Erwerbes besorgt. Sie verfolgen 
ihn durch drei Recursinstanzen, die ihnen nach dem 
herrschenden Verfahren offen stehen und verviel- 
fältigen dem Bittwerber, so viel sie können, seine Aus- 
lagen auf Agentengebühren, Stempel, Taxen, Porto u. s. w. 
Sie verzögern durch Einstreuungen aller Art die de- 

Zenker: W iener Revolution. ^ 



— 60 — 

finitive Verleihung, so dass in der Regel ein Jahr und 
darüber zwischen den Verhandlungen verstreicht. 
Wälirend dieser Zeit verliert der Bewerber nicht selten 
sein Brot bei dem Meister und erhält nicht anderswo 
sein Unterkommen. Hat er nun auch in letzter Instanz 
seine Gewerbsbefugniss rechtskräftig erlangt, so findet 
er sein Spargeld gewöhnlich so erschöpft, dass er sein 
Gewerbe kaum anders als mit Schulden anfangen kann. 
Auch hier verfolgt noch der Brotneid den Anfänger, 
es wird alles aufgeboten, Kunden von ihm abzuziehen, 
und die Noth, in welche manchmal diese Leute ge- 
rathen, giebt dem vorherrschenden Geiste des Gewerbs- 
monopoles erwünschten Stoff an die Hand, mit trium- 
phirenden Gründen gegen die Vermehrung der Be- 
fugnisse aufzutreten. Die Denkschrift schliesst: „Es 
wäre in der That bei einer solchen Lage der Dinge 
zu verwundern, wie die Industrie in dem österreichi- 
schen Staate dennoch einen solchen Aufschwung nehmen 
konnte, dass Erzeugnisse mancher Zweige derselben 
selbst im Auslande einen lohnenden Absatz und eine 
immer steigende preiswürdige Anerkennung finden, 
wenn nicht die freien und unzünftigen Beschäftigungen, 
bei welchen solche hemmende Verhältnisse entweder 
gar nicht oder wenigstens im minderen Grade ein- 
treten, und welche gerade diejenigen sind, bei denen 
die Verbesserung des Gewerbsbetriebes eine höhere 
Stufe erreicht und der Absatz sich erweitert hat, dem 
vaterländischen Gewerbsfleiss einen Ausweg eröffnet 
hätten, um sich emporzuschwingen.'' 

Diese hochamtlichen Ausführungen beweisen, dass 
die Concurrenz, welche der zünftige Meister von Seite 
des unzünftigen oder „Decreters" auszuhalten hatte. 



— Ol — 

keineswegs ein Kampf mit gleichen Chancen war, und 
so erklärt es sich auch, dass die Zahl der nicht- 
zünftigen Gewerbebetriebe in den Vierzigerjahren in 
Wien sich rapid und beängstigend vermehrte, natürlich 
auf Unkosten der zünftigen. 

Ein anderer Irrthum wäre es, mit Reschauer zu 
glauben, die Grossindustrie hätte damals — wir stehen 
etwa zur Zeit des Regierungsantrittes Ferdinand I. — 
noch nicht hemmend und schädigend in die Sphäre 
des Handwerkes eingegriffen. Wenn uns in der oben- 
erwähnten Gewerbeenquete bereits wiederholt die 
Klage entgegentönt, das Handwerk könne die Con- 
currenz der Fabriken nicht aushalten, „viele Meister 
und Befugte müssten sich als Gesellen verdingen und 
einige von ihnen durch Arbeiten als Taglöhner ihr 
Brot verdienen, während die Schwächlicheren und Ge- 
brechlicheren den Versorgungshäusern anheimfielen",**) 
so lag darin leider keine Uebertreibung. Es ist vielmehr 
das unser Jahrhundert erfüllende, markerschütternde 
Lied von der Proletarisirung des Mittelstandes unter 
dem alles verzehrenden Einflüsse der Grossindustrie. 

Nur sehr schwer lassen sich für solche Entwicke- 
lungs- oder besser gesagt Zersetzungsprocesse ziffern- 
mässige Beweise erbringen; hie und da ist es aber 
doch möglich, den inneren Zusammenhang hierher- 
gehöriger Thatsachen direct zu erweisen. Während 
z. B. die Baumwollenspinnerei in Niederösterreich am 
Beginne des Jahrhunderts im fabriksmässigen Be- 
triebe einen kolossalen Aufschwung nahm, starben die 
selbständigen Meister immer mehr, und zwar er- 
schreckend rasch aus. Am Ende des vorigen Jahr- 
hunderts schätzte man in Niederösterreich die Zahl 

4* 



— £2 — 

der Handspinner noch auf mehr als hunderttausend, 
während man daselbst im Jahre 1811 kaum noch acht- 
tausend zählte. So weit war unter dem Einflüsse der 
Massenindustrie der Umwandlungsprocess der alten 
selbständigen Handwerker in Lohnarbeiter also schon 
im Jahre löli gediehen. 

Seine unheilvollen Spuren lassen sich jedoch schon 
viel früher deutlich erkennen. Während in Wien von 
1728 bis 17^0, also in etwa 50 Jahren die Zahl der 
,, Gewerbetreibenden" (Meister und Befugte) bloss im 
Verhältnisse von 22 : 23 anwuchs, vermehrten sich die 
Fabriken im Verhältnisse 1 : 6. Die Metall- und mehr 
noch die Textilindustrie zog sich schon damals immer 
mehr und mehr in die Fabriken.*'^) 

In dem eben zu betrachtenden kritischen Zeit- 
räume von 1835 bis 1847 machte der Umwandlungs- 
process des Gewerbes erschreckend rasche Fortschritte 
und nahm ganz unvorhergesehene Dimensionen an. 
Die kleinen Meister wurden von den grossen abhängig, 
indem sie überhaupt nicht mehr für eigene Rechnung, 
sondern für die Rechnung anderer arbeiteten. Aus 
den selbständigen Meistern wurden Stückmeister und 
Sitzgesellen. Im Jahre 1845 ist es bereits nichts Ausser- 
gewöhnliches mehr, dass einzelne grosse Handwerks- 
meister — besonders der Bekleidungsbranche — in 
Wien^®) ausser ihren Gesellen noch dreissig bis vierzig 
Meister ausser dem Hause beschäftigen, welche meist 
Familienväter sind und - da sie nicht selbst genug 
Kunden haben — für den grossen Meister nach dem 
Stücklohn arbeiten. In Wien nahmen die Fabrikanten 
von dem Jahre 1837 bis zum Jahre 1841 um 1647© zu, 
die selbständigen Gewerbe hingegen blpss um 7'87o» 



- Ö3 — 

Mit diesen Angaben stimmt überein, was sich 
S. Becher^') nicht erklären konnte, dass nämlich die 
Zahl derjenigen, welche sich dem Gewerbe widmeten, 
in fast allen deutschen und slavischen Provinzen 
während des Zeitraumes von 1834 bis 1840 auffällig 
abgenommen habe, und zwar in den beiden Oester- 
reich, Steiermark, Kärnten, Krain, Böhmen, Mähren, 
Schlesien und Galizien zusammen um nicht weniger 
als 8700 Köpfe oder 8-5«/^. 

Damit soll nicht gesagt sein, dass die Wiener In- 
dustrie, so weit sie in handwerksmässigem Betriebe 
stand, nicht auch ihre tröstlichen Partien besessen 
hätte. Die Wiener Gold- und Silberarbeiter erfreuten 
sich eines guten Rufes, ihr Gewerbe beschäftigte 
etwa sechshundert Meister und erforderte einen jähr- 
lichen Verbrauch von 7,000.000 fl. C.-M., d. i. etwa 
doppelt so viel, als die berühmte Mailänder Gold- und 
Silberindustrie verarbeitete.*^) Auch die halbseidenen 
Wiener Shawls genossen einen gewissen Ruf im Aus- 
lande und konnten auf dem Weltmarkte selbst die 
Concurrenz der französischen Waare aushalten. Auch 
dieser Industriezweig ernährte zahlreiche Meister in 
Wien, obwohl auf diesem Gebiete bereits der fabriks- 
mässige Betrieb den Kleinbetrieb zu ersticken drohte. 
Endlich war auch die Erzeugung musikalischer und 
physikalischer Instrumente eine Art Wiener Specialität 
von gutem Renommee. Allein, diese vereinzelten Licht- 
punkte — die sich ja vielleicht noch um einige wehige 
vermehren Hessen — können nichts an dem düsteren 
Gesammtbilde ändern, welches das Wiener Handi)^erk 
bot. Gerade jene Industriezweige, wo das Handwerk 
am wenigsten die Concurrenz des Gross- und Massen- 



— 54 — 

betriebes zu fürchten hat, die Luxus- und Mode- 
industrie lag in den Vierziger] ahren noch so gut, wie 
in den Windeln. ***) Die übrigen Gewerbezweige litten 
unsäglich unter dem Drucke der herrschenden Theue- 
rung und allgemeinen Verarmung und unter dem 
vollständigen Mangel der für das Handwerk uner- 
lässlichen Creditgelegenheit. Dieser Mangel machte 
sich umsomehr fühlbar, als gerade das kleine Gewerbe 
in Wien damals die weitestgehenden Credite gewähren 
musste.^®) 

Wie übel es damals dem sogenannten Mittelstande 
in Wien erging, zeigt der Umstand, dass bei Ein- 
bringung der landesfürstlichen und städtischen Erwerbs- 
steuer das Zwangsverfahren von Jahr zu Jahr mehr 
überhand nahm. Von den 30.000 Erwerbssteuerpflich- 
tigen, welche im Jahre 1845 in Wien im höchsten Falle 
existirten, musste zur Einbringung der ersten Rate bei 
17.469 die einfache Militärexecution, bei 9554 die 
doppelte oder verschärfte Execution und bei 7009 Rück- 
ständigen der letzte Grad, die Pfändung — zur Ein- 
bringung der zweiten Rate bei 18.378 die einfache, 
bei 10.566 die verschärfte Militärexecution, bei 8011 Rück- 
ständigen die Pfändung angewendet werden, während 
vor dem Jahre 1820 kaum gegen 100 bis 200 Gewerbs- 
leute auch nur der erste Grad der Execution in 
Antrag kam.*') 

Im Jahre 1847 war die Noth des Handwerker- 
standes bereits so hoch gestiegen, dass sich viele An- 
gehörige desselben nicht mehr das Werkzeug zum 
selbständigen Betriebe eines Gewerbes anschaffen 
konnten. Es wurde in diesem Jahre der „Wiener 
Kreuzerverein zur Unterstützung der Gewerbsleute' ^ 



55 — 



gegründet, der durch Anschaffung von Arbeitsmateriale 
und Werkzeug, Zuwendung von Darlehen u. s. w. Be- 
dürftigen zu Hilfe kommen sollte. Im folgenden Re- 
volutionsjahre traten verarmte Gewerbetreibende in 
Massen an die Gemeinde mit der Bitte um Unter- 
stützungen heran, um ihr Gewerbe fortführen zu 
können.*^) Der Ausbruch der Revolution mag ja an 
solchen Verhältnissen vieles mitverschuldet haben; 
allein, der Niedergang des Gewerbes war ein schon 
lange deutlich erkennbarer Process, und kein social- 
politisches Genie hätte ihn in letzter Stunde aufzuhalten, 
seine traurigen Consequenzen zu verhindern vermocht. 



Drittes Capitel. 

Die Lage der Arbeiterclasse. 

Das von den Ideen des Socialismus befangene 
Denken hat sich an den agitatorischen Lehrsatz ge- 
wöhnt, dass die materielle Lage der Grossindustrie 
und die Lage der von ihr abhängenden arbeitenden 
Classen im umgekehrten Verhältnisse stehe, so dass 
jeder Grad der Verbesserung auf der einen Seite eine 
entsprechende Verkürzung auf der anderen Seite be- 
dingen müsse. Wenn es für die Ungiltigkeit dieser 
Anschauung überhaupt eines Beweises bedürfte, so 
wäre er in den Verhältnissen vor 1848 zu finden. 
Das Handwerk hatte allerdings dem Aufstreben der 
Grossindustrie, d. h. des Massen- und Maschinenbetriebes 
gegenüber nicht Stand halten können, die selbstän- 
digen Meister sanken zu lohnarbeitenden herab, und 
die Lage dieser Arbeiter war — wie sofort zu zeigen — 



— 66 — 

eine trostlose, jeder Beschreibung spottend elende. 
Auch die Lage der grossen Industrie war keineswegs 
eine glänzende. Man muss sich eben hüten, einen be- 
sonders günstigen Einzelfall, wie etwa die relativ gute 
Situation der österreichischen Baumwollenindustrie im 
Vormärz, zu verallgemeinern, obwohl sich in der 
kritischen Zeit* auch auf diesem Felde Stagnation und 
Missbehagen fühlbar machte. Die Fabrikanten litten 
unter den Folgen einer offenbaren Ueberproduction 
der vorhergehenden Jahre, sie hatten Noth — zumal 
bei dem schwunghaft betriebenen Schleichhandel — 
ihre Producte an den Mann zu bringen. In den 
Hauptabsatzgebieten wurde die österreichische Pro- 
duction durch die englische Concurrenz geschlagen. 
Gleichwohl haben wir es hier mit der Standartleistung 
der österreichischen Industrie zu thun. 

Schon die übrigen Zweige der Textilindustrie be- 
fanden sich keineswegs in einer gleich günstigen Lage. 
Die Leinenindustrie z. B. hatte gar keinen günstigen 
Markt; da in den Hauptabsatzgebieten für Oesterreich: 
in der Türkei, Griechenland, Aegypten etc. wenig 
Nachfrage nach Leinengeweben bestand. Die Fabri- 
kation suchte daher, um das Ausland durch Wohlfeil- 
heit zu schlagen, ihre Zuflucht in der Verschlechterung 
der Qualität bei äusserlich gutem Aussehen; dadurch 
wurde zwar augenblicklich ein Erfolg erzielt und der 
Export erhöht ; mit der Zeit wurde dadurch der öster- 
reichische Markt aber empfindlich geschädigt, der 
Export vermindert und das Renommee der österreichi- 
schen Leinenindustrie zugrunde gerichtet. 

Die Papierindustrie, welche um diese Zeit in 
England, Frankreich und Deutschland auf einem hohen 



F "' 



Niveau stand, konnte in Oesterreich schon deshalb 
nicht prosperiren, weil die daselbst bestehenden Censur- 
verhältnisse jede Entwickelung des Zeitungswesens und 
Buchhandels ausschlössen; aus dem gleichen Grunde 
ging die Buchdruckerei, eine Kunst, welche in Wien 
eine ihrer ältesten Pflegestätten gefunden hatte, 
auffällig zurückJ) Die in Wien seit 1804 bestehende 
Staatsdruckerei machte den Privatunternehmungen 
eine unerträgliche Concurrenz und war trotzdem selbst 
ein ganz unbedeutendes Institut. 

Die Porzellanindustrie konnte trotz des fast uner- 
schwinglich hohen Schutzzolles die Concurrenz mit 
dem ausländischen Erzeugnisse auch nicht im Ent- 
ferntesten aufnehmen, und auch hier machte eine 
staatliche Fabrik in Wien der Privatindustrie empfind- 
liche Concurrenz, ohne dies durch eigene finanzielle 
oder künstlerische Erfolge rechtfertigen zu können. 
Die ganze Thon- und Steingutindustrie lag noch in den 
Windeln, die Ziegelerzeugung litt unter der geringen 
Bauthätigkeit. 

Die Rübenzuckerfabrikation war einer jener Zweige, 
auf welche sich die österreichische Industrie mit den 
grössten Hoffnungen geworfen hatte. Seit dem Jahre 1830, 
in welchem in Böhmen die erste Runkelrübenzucker- 
fabrik entstand, wuchsen ähnliche Institute in grosser 
Zahl förmlich aus dem Boden. '^) Allein, die Production 
war trotz des geringen Zuckerconsums vollkommen 
unzureichend, und mehr als ein Drittel des heimischen 
Bedarfes wurde trotz des hohen Schutzzolles durch Im- 
port^) gedeckt, während Export überhaupt nicht stattfand 
Die Metall- und besonders die Eisenindustrie 
besass gewiss in Oesterreich die glücklichsten natür- 



- Ö8 — 

liehen Voraussetzungen und war auch thatsächlich 
unter allen Industriezweigen bereits am weitesten auf 
der Entwickelungslinie des modernen Industrialismus 
zur Centralisation vorgeschritten. Das Aerar allein er- 
zeugte beinahe den vierten Theil des gesammten Roh- 
und Gusseisens und beinahe den fünften Theil des ge- 
sammten raffinirten Eisens; sodann kamen 15 grosse 
Privatunternehmer, welche zusanmien mit dem Staate 
mehr als ein Drittel der Gesammtproduction an sich 
hielten. Trotz dieses fortgeschrittenen Entwickelungs- 
processes der Grossindustrie zeigte die Montan- und 
Eisenindustrie in den Vierziger jähren einen unleug- 
baren Rückgang. Im Allgemeinen war die Rohproduct- 
erzeugung günstiger, die Eisen- und Metallwaare 
dagegen ungünstiger situirt. Der früher ziemlich be- 
trächtliche Verkehr mit Draht aus unedlen Metallen 
und den daraus erzeugten Waaren war theilweise 
geradezu eingegangen, *) die Waffenfabrikation lag im 
Argen und deckte lange nicht den eigenen Bedarf,-') 
und die Maschinenfabrikation hatte in Oesterreich 
noch kaum recht Boden gefasst Bis zum Jahre 1825 
wurde noch der gesammte Maschinenbedarf vom Aus- 
lande her bestritten, aber auch 1841 war noch ein 
Drittel der im Industriebetriebe verwendeten Dampf- 
maschinen nach der Anzahl und die Hälfte der Kraft, 
nach ausländisches Fabrikat. Die Locomotiven und 
Dampfboote wurden noch vorwiegend vom Auslände 
eingeführt, während sich die heimischen Fabrikate da- 
neben nur schüchtern geltend zu machen suchten. Bei 
den sonstigen Maschinen und Maschinenbestandtheilen 
überwog der Import den Export um das Sieben- 
fache. ^•) 



— 69 — 

Dieser kurze Ueberblick erhebt keinen Anspruch, 
ein erschöpfendes Bild der Grossindustrie in Oester- 
reich um die Mitte der Vierzigerjahre zu geben. Aber 
er reicht aus, um zu zeigen, dass die Lage der In- 
dustrie nicht viel besser war als die des Gewerbes, 
eine Thatsache, an welcher nichts dadurch geändert 
wird, dass einer oder der andere der damaligen In- 
dustriellen seither Besitzer von vielen Millionen ge^ 
worden ist. Es ist daher nicht statthaft, das Elend der 
Arbeiterclasse ausschliesslich aus der fortschreitenden 
Centralisation der Production zu erklären, wie man 
das so gern thut; man wird vielmehr für die unge- 
sunden Zustände in beiden Lagern eine gemeinsame 
Erklärung zu suchen haben. 

Wenn irgendwo, so zeigt sich hier unverkennbar 
und unwiderleglich, dass es ebensowenig angehe, künst- 
liche Scheidewände zwischen politischen und wirth- 
schaftlichen Erscheinungen aufzurichten, als — wie es 
heute so oft geschieht — den politischen Factor ein- 
fach als irreale Grösse abzuthun. Derselbe Geist, 
welcher das Gewerbe künstlich vor Concurrenz zu be- 
wahren suchte, glaubte auch die Industrie am besten 
im künstlichen Schutze hoher Prohibitivzölle zu fördern, 
unbekümmert darum, dass im Gewerbe dadurch die 
„Störerei", im Handel der Schmuggel, in beiden eine 
ruinöse Stagnation gezeitigt wurde. Dieser Geist, welcher 
vor einer agrarischen Reform ängstlich zurückscheute, 
obwohl er dieselbe längst als unerlässlich erkannt 
hatte, war der Geist der politischen Reaction, die 
Furcht vor der freien Bewegung, vor dem Verkehre, 
vor dem Fortschritte. Die allgemeine sociale und poli- 
tische Lage war es, was den emporstrebenden Indu- 



— 60 - 

strialismus unbarmherzig niederhielt. Die nichts- 
würdigen Formen der landwirthschaftlichen Pro- 
duction verursachten die entscheidenden Gleich- 
gewichtsstörungen, indem, wer immer von der 
bäuerlichen Scholle sich losringen konnte, in die 
Stadt ging und sich den Gewerben widmete. Das 
bürgerliche Gewerbe vermochte aber eine solche 
UeberfüUung umsoweniger zu ertragen, als es selbst 
in seinen Existenzkampf mit der Grossindustrie ge- 
treten war. Die Folge war einer jener grossen 
Proletarisirungsprocesse weiter Kreise, wie sie jeder 
grossen Revolution vorangehen. Den Massen derjenigen, 

k 

welche ihre wirthschaftliche Selbständigkeit verloren 
hatten, blieb nichts übrig, als in die grossen Fabriken 
und Industriestätten zu strömen. Da aber die Industrie 
mitten unter einem geldarmen, verelendeten, arbeits- 
unlustigen und consumschwachen Volke selbst dar- 
niederlag, des stärksten psychologischen Antriebes 
zur Entfaltung inmitten jener politischen Depression 
entbehren musste und obendrein selbst als politisch 
suspect mit einer Art Acht zu kämpfen hatte, so war 
sie nicht im Stande, die ihr zuströmenden Menschen- 
massen auch menschenwürdig zu ernähren, und jenes 
Massenelend zu verhindern, das uns im Beginne der 
Vierzigerjahre gerade an den Stätten der grossen In- 
dustrie in erschütternden Bildern entgegentritt. 

Es ist uns leider keine authentische Darstellung 
der socialen Verhältnisse des Proletariates überliefert, 
dazu war das socialpolitische Verständniss der Zeit 
selbst zu schwach entwickelt, was nicht wenig zur 
Verschärfung der Zustände beitrug. Wir müssen uns 
also begnügen, uns aus losen Ueberlieferungen ein leid- 



— Gl — 

liches Gesammtbild zu schaffen, welches die Trieb- 
kräfte der proletarischen Bewegung des Jahres lö4s 
zu erklären hinreicht. 

Einen Zug von symptomatischer Bedeutung für 
die traurige Lage der arbeitenden Classen bildet die 
in der fraglichen Zeit geradezu erschreckend überhand- 
nehmende Frauen- und Kinderarbeit in den Fabriken. 
So weit aus den uns noch zugänglichen Daten hervor- 
geht, bildeten die erwachsenen Männer nicht einmal 
.■)0% der Fabriksarbeiter. Im Nachstehenden geben 
wir das Verhältniss der männlichen, weiblichen und 
kindlichen Arbeitskräfte in sämmtlichen 647 öster- 
reichischen Fabriken der Papier- und Baumwollen- 
branche') um das Jahr 1845. Es kamen von den 
36.124 in Betracht gezogenen Arbeitern auf je lOüO in 
N ieder Österreich : 399 Männer, 448 Weiber, 153 Kinder, 



Oberösterreich : 


378 


99 


356 


>> 


266 


»» 


Steiermark : 


393 


» 


500 


» 


107 


V 


Kärnten u. Krain : 


271 


»> 


514 


w 


215 


V 


Küstenland : 


453 


W 


333 


» 


214 


99 


Tirol : 


367 


»> 


500 


» 


133 


>> 


Böhmen : 


454 


>> 


416 


» 


130 


» 


Mähren u. Schle- 














sien: 


510 


»> 


335 


» 


155 


>> 


Galizien : 


648 


W 


242 


M 


110 


» 


Lombardei: 


473 


>> 


365 


» 


162 


99 


Venedig: 


520 


>> 


369 


»> 


111 


» 



Ueberhaupt: 433 Männer, 420 Weiber, 147 Kinder. 

Wie man sieht, lagen die Verhältnisse in Nieder- 
österreich, zumal in den zahlreichen dort befindlichen 
Baumwollenspinnereien, ganz besonders und unter dem 
Durchschnitte ungünstig. Eine hochofficiöse Darstellung 



— 62 — 

der Verfassung und Einrichtung der Baumwollen- 
spinnereifabriken in Niederösterreich/) welche bestimmt 
war, die Kinderarbeit in den Baumwollenspinnereien 
vor denr Forum der Sittlichkeit und Hygiene zu recht- 
fertigen und eher als einen Segen für die Kinder 
hinzustellen, giebt ein wohl kaum nach der arbeiter- 
freundlichen Seite hin outrirtes Bild: 

„In neuerer Zeit," sagt der Verfasser, „werden 
keine Kinder unter zwölf Jahren angenommen, und 
geschieht es ausnahmsweise, so ist es aus Mitleid 
gegen ganz verwahrloste Kinder, die um Arbeit betteln. 
— In Bezug auf das Alter dieser Kinder erheischt das 
eigene Interesse der Fabriksunternehmer, vorzüglich 
solche aufzunehmen, welche bereits das zwölfte Jahr 
erreicht haben, weil jüngere durch Leichtsinn, Unvor- 
sichtigkeit und Ungeschicklichkeit zu oft Schaden ver- 
ursachen. Indessen sind sie vorzüglich durch den 
Umstand, dass beide Eltern in der Fabrik arbeiten, 
ihre Kinder also ohne Aufsicht physisch und moralisch 
verderben würden, gezwungen, Ausnahmen zu ge- 
statten und besonders in dem. letztgenannten Falle 
auch eine geringe Zahl Kinder von neun Jahren auf- 
zunehmen." 

Nach diesem Officiosus wäre die Kinderarbeit 
eine den Eltern und Kindern seitens der Fabriks- 
unternehmer gewährte Gnade, eine Art moralisches 
Opfer gewesen. So gering war das Verständniss der 
intelligenten Kreise für das Interesse der Aermsten. 
DieZahlder Kinder unter zwölf Jahren schätzt der Ver- 
fasser der Schrift ^) für sehr gering, bloss auf den zwanzig- 
sten Theil der Kinder überhaupt; das gäbe nach seinen 
eigenen Angaben immer noch etwa 130 bis 150 Kinder 



— 03 — 

unter zwölf Jahren in Niederösterreich. Die Arbeitszeit 
dieser Kinder betrug nach demselben Gewährsmanne 
circa 12 bis „höchsten»'* la Stunden täglich, und auch 
das findet er sehr wenig, die Beschäftigung für den 
Körper höchst förderlich, und wenn man seine Schil- 
derung dieser Kinderarbeit liest, fühlt man sich an 
die utopistischen Zukunftsbilder gewisser socialistischer 
Träumer erinnert, welche die Kinder blumenbekränzt 
und feiertägig gekleidet zur Arbeit, wie zu Spiel und 
Tanz ziehen lassen. Der jährliche Verdienst eines 
solchen Kindes betrug nach dem Resume der Schrift 
etwa 100 fl. C.-M., nach den sehr eingehenden 
authentischen Tabellen aber, die am Schlüsse angeführt 
sind, bloss 75 fl. C.-M. im Mittel. Der wöchentliche 
Verdienst schwankte von -'0 kr. bis zu 3 fl. C.-M. Die 
sanitären Verhältnisse findet unser Gewährsmann — 
trotz der am Schlüsse von ihm angeführten Morbilitäts- 
und Mortalitätstafeln, die eine beständige Zunahme der 
Erkrankungsfälle nachweisen — gleichfalls höchst zu- 
friedenstellend, und die Erkrankungen, welche dennoch 
vorkamen, sucht er^^) auf Anlässe zurückzuführen, die 
nicht in der Arbeit, „sondern in den sogenannten Er- 
holungsstunden" und in gastrischen Anlässen zu suchen 
sind; es klingt so, als ob die Arbeiter zu viel freie 
Zeit und zu üppige Nahrung gehabt hätten. „Kinder, 
die an körperlichen Uebeln und an scrophulöser Ab- 
zehrung leiden und oft sterben,'' meint Knolz,'^) 
„bringen den Keim dieser Krankheiten grösstentheils 
mit, was leicht erklärbar ist, wenn man weiss, von 
welchen krankhaften Eltern diese Kinder abstammen 
und in welcher Verwahrlosung sie ihre frühesten 
Jahre verleben." Der officiöse Gewährsmann hat an 



- C4 — 

dieser Stelle bereits vergessen, dass die Eltern dieser 
kindlichen Arbeiter nach seinen eigenen vorher- 
gegangenen Angaben Arbeiter derselben Fabriken 
waren, deren Verhältniss er eben noch als die glück- 
lichsten und geordnetsten hingestellt hat 

Wohlfahrtseinrichtungen für ihre Arbeiter kannten 
die damaligen Unternehmer kaum dem Namen nach; 
eigene Wohnräume, schlecht und recht waren das 
einzige, was man noch allenfalls als Wohlfahrtsein- 
richtung gelten lassen könnte; „vormals,'* sagt unser 
Gewährsmann in seinem unbeabsichtigten Humor, ^^) 
„vormals suchten die Fabriksunternehmer durch Er- 
richtung von Kranken- und Sparcassen für die Zukunft 
ihrer Arbeitsleute Sorge zu tragen. Die Beweglichkeit 
dieser Menschen aber, die gern von einer Arbeit zur 
anderen wandern, liess diese Vorsicht unbeachtet und 
somit erfolglos/' Von höherem Alter und festem Be- 
stände waren die bei den Bergwerksunternehmungen 
eingerichteten Bruderladen, welche für die Fälle von 
Krankheit, Invalidität und Tod wenigstens das Nöthigste 
vorsorgten. 

Eine Arbeiterschutzgesetzgebung — wenn man 
dem Worte auch nur seine primitivste Auffassung lässt 
— eine Fabriksgesetzgebung, welche wenigstens in 
Bezug auf die Kinderarbeit einigermassen Wandel 
geschaffen hätte, gab es natürlich nicht. Die einzige, 
damals zu Recht bestehende Vorschrift war ein Ca- 
binetschreiben vom 20. November 1786, welches be- 
stimmte, dass die Kinder in den Fabriken jede Woche 
wenigstens einmal gewaschen und gekämmt werden 
müssen, und zweimal im Jahre vom Arzte zu visitiren 
seien. Herz, was willst Du noch mehr? Ein Hofdecret 



— 65 — 

vom 11. Januar 1842 setzte zwar das zwölfte Lebensjahr 
als jenes Minimalalter fest, unter welchem in der 
Regel Kinder nicht in Fabriken zur Arbeit zugelassen 
werden durften; der zweite Abschnitt hob jedoch diese 
Bestimmung sofort wieder auf, indem er auch aus- 
nahmsweise die Zulassung von Kindern mit zurück- 
gelegtem neunten Lebensjahre gestattet, wenn sie vor 
ihrer Aufnahme drei Jahre an einer Schule Unterricht 
empfangen hatten; dieses Decret setzt weiters als 
Maximalarbeitszeit für Kinder von 9 bis 12 Jahren 
10 Stunden und von 12 bis IG Jahren 12 Stunden 
täglich fest, und verbot für beide Kategorien die Nacht- 
arbeit. Gegen diese Bestimmung protestirten die Fa- 
briksunternehmer, „weil die Industrie zu sehr beein- 
trächtigt würde, wenn man allgemeine Vorschriften 
über die Arbeitszeit erlassen wollte*'.^') In der That 
scheint man sich an dieses Hofdecret wenig gehalten zu 
haben, und später wurde die Klage laut, in den Kattun- 
druckereien wären Kinder von sieben und acht Jahren 
beschäftigt worden. Zu verwundern war dies nicht; 
gingen doch die ärarischen Fabriken in der miss- 
bräuchlichen Anwendung der Kinderarbeit mit schlech- 
testem Beispiele voran. In der Tabakfabrik zu Sedlitz 
waren von 430 Arbeitern: 67 Kinder unter 14 Jahren, 
96 Kinder zwischen 14 und 16 Jahren, also 163 Per- 
sonen (d. i. nahezu 38%) in unerwachsenem Stande, 
und die Wiener Staatsdruckerei beschäftigte weit mehr 
Lehrlinge als Gehilfen.^*) 

lieber den sichersten Gradmesser der äusseren 
Lebensverhältnisse unter den arbeitenden Classen 
fliessen leider die authentischen Quellen noch spär- 
licher als über andere Punkte. Wir haben in Nach- 

Zenker: Wiener Berolution. •'> 



— Ge- 
stehendem eine Liste von Löhnen verschiedener Ar- 
beitsbranchen auf Grund vereinzelter und zufälliger 
Angaben für Wien und Umgebung aufzustellen ver- 
sucht. Es erhielt um das Jahr 1847 in Wien (respective 
Umgebung) in Gulden und Kreuzern C.-M. 



ein Seidenweber lö») 
Kattundrucker 



»» 



»> 



Formstecher 



11 



j> 



11 



11 



11 



11 



11 



11 



11 



„ Schriftsetzer »b) . 

„ Baumwollenspinner "*•) 
„ Leinen weber ^ . 
„ Vergolder *'«) . . . 
„ Schneidergeselle *^0 
„ Maurergeselle i^«) . 
eine Baumwollen- 
spinnerin ^^) . . 
detto ein Kind . 
Seidenarbeiterin ^^•) 
Seidenwinderin und 
Spulerin «'') . . 

Kleidermacherin ^^^) 
Weissnäherin **") 
Heimarbeiterin . . 
bei einer Madame . 
Stickerin ^*») 
Heimarbeiterin . . 
auswärts . . . . ^ 
Modistin ^^) . . . 
Handschuh- 
macherin *»p) . . . 
Arbeiterin in 
Druckereien ^^*0 . . 
Arbeiterin in der 
Tabakfabrik ^^O . . 



Pro Tag Pro Woche 

Min. Max. Mittel Min. Max. Mittel 

—.40 —.60 — 2.— 6.— — 
5^ •j'^ 

— — — ö.— 7.— — 

— — — 4.— 12.— 7.— 
— — 2.- 10.— 5.25 

-.20 -.24 — — — — 

— — — ^.- 11.— - 



— .*o 


1. — 


wam^m 




•BH^ 




—.25 


— 


-.48 




— 






-^ 




1.— 


5.— 


2.39 


— 




— 


—.20 


3.- 


1.26 


— 




— 


1.36 


3.— 


— 


— . 




— 


— .48 


1.— 


— 


— 


— 


— 


10.- 


12.— 




—.10 


-.20 


_. 






_ 


—.12 


—.16 


— 


— 




— 


-.40 


-.50 


^_ 


—^ 




— 


-.30 


-.40 


— 


— 


— 




— ^ 


^— 


-~^ 


1.30 


3.— 


- i 


—.12 


—.50 


-.40 


— 


— 




— .91 




— 


1.36 


2.48 





— 67 — 

Nach dieser Lohnliste, die allerdings wenig An- 
spruch auf Vollständigkeit erheben kann, betrug um 
1847 der mittlere Verdienst eines Arbeiters in der 
Woche etwa 5.22 fl. C.-M., einer Arbeiterin 2.58 fL, 
der mittlere Wochenlohn überhaupt etwa 3.57 fl. C.-M. 
Die ministerielle „constitutionelle Donauzeitung" ^^) gab 
im Jahre 1848 folgende Lohnsätze für Wien an: Es 
verdient ein Arbeiter im Tage von 24 kr. bis 1.20 fl. C.-M., 
im Jahre von 183 bis 220 fl. C.-M; eine Arbeiterin im 
Tage von 10 kr. bis 30 kr. C.-M., im Jahre von 90 bis 
110 fl. C.-M. 

Das gäbe einen mittleren Wochenlohn von 5.12 fl. 
für den männlichen Arbeiter und 2 fl. für die Ar- 
beiterin, oder 3.36 fl. überhaupt, also ein womöglich 
noch ungünstigeres Verhältniss. Wenn wir aber auch 
den höheren früheren Satz als den richtigen gelten lassen 
wollen, so stellt sich derselbe immer noch niedrig im 
Vergleiche mit dem mittleren Wochenlohne in England, 
welcher zur gleichen Zeit etwa 5.50 fl. C.-M. (11 Shilling) 
oder in Frankreich, der sogar 6.50 fl. (16.68 Francs) 
betrug. Der niedrigste Taglohn in Wien war nach der 
amtlichen Statistik in den Jahren 1844 bis 1847: 24 kr.; 
das war jedoch der Verdienst eines Mannes, während 
der weibliche Minimalverdienst sowohl nach unserer 
Liste als nach der oben citirten officiösen Quelle nur 
10 kr. betrug. In Paris war der Mindest verdienst einer 
Arbeiterin (75 Centimes) 17 kr. C.-M. und der eines Ar- 
beiters (1.25 Francs) 29 kr. C.-M.") 

Dass bei solchen Löhnen die Lebenshaltung der 
arbeitenden Classe eine äusserst traurige, mitunter 
geradezu menschenunwürdige sein musste, ist an und 
für sich einleuchtend, um wie viel mehr, wenn man 



— 68 — 

erfährt, dass in den Vierziger jähren alle Lebensmittel 
beständig im Preise stiegen, und dass besonders in den 
Jahren 1846 und 1847 diejenigen Artikel, welche den 
Grundstock der Nahrung der Armen ausmachen, Hülsen- 
früchte und Kartoffeln, auf eine schwindelnde Preishöhe 
gestiegen waren. In nebenstehender Darstellung geben 
wir ein anschauliches Bild der Preisschwankungen in 
dem Decennium 1838 bis 1847, wofür sich die genauen 
Zahlen zur Erläuterung im Anhange") finden: 

Wenn man bedenkt, dass im Jahre 1847 der 
mittlere Wochenlohn einer Person nur 3.57 fl. C.-M. be- 
trug, während ein Hetzen Kartoffeln allein 2.08 fl. kostete, 
so tritt einem das Elend der unteren Classen schon 
in greifbareren Zügen vor Augen. 

Wenn wir im Nachfolgenden ein zahlenmässiges 
Bild der mittleren Lebenshaltung der Bevölkerung 
Oesterreichs und speciell Wiens zu geben versuchen, 
so sind wir uns des geringen descriptiven Werthes 
solcher Darstellungen bewusst. Es ist selbstverständlich, 
dass diese mittlere Linie eine irreale Grösse ist 
und dass sich besonders die Lebenshaltung jener 
Classen, auf welche es uns hier ankommt, in einem 
viel tieferen Niveau bewegte. Allein, den einen Vor- 
theil gewähren ähnliche Berechnungen doch, den eines 
exacten Vergleiches mit anderen Ländern und anderen 
Verhältnissen nämlich. Das ist es aber, auf was end- 
lich alles ankommt und wodurch der Tadel vermieden 
wird, den Ferdinand Lassalle in einer berühmt ge- 
wordenen Stelle gegen diese Methode, den Grad des 
Wohlstandes zu bestimmen, erhoben bat. 

Der äusserste Rand dessen, was zu dem noth- 
wendigsten Lebensunterhalte gehört, meint er, könne 



























































1 




















1 




















j 




















/ 




















/ 




















/ ; 




















/ / 
















1 


1/ 




















/; / 




















p / 




















1 / , 




















1/ / 




















p / 




















1* / 












/ 








'/ 
















,/ 


1 
















f 


i 












/ 


V 


,' 


/F 








,, 




// 


V 


\\ 




/•y/ 










^^^ 






\.\ 




'/ 






■f 




^0^^ 




\" \ 




r'/ 








/- 




'\ 




\ 


"S^ 










/ 










\ \ 


' /i 




u 


ifl .B'-ia iH 


.1 » 


,1 ,< 


,■.: » 


„V 


f,/ 4. ,. 


^1 1. 














\ 









- Uülaeiifrüchie 



— 70 — 

sich in verschiedenen Zeiten allerdings ändern und es 
könne sonach kommen, dass, wenn man verschiedene 
Zeiten miteinander vergleicht, die Lage des Arbeiter- 
standes in einem späteren Zeitpunkte — insofern das 
Minimum der gewohnheitsmässig nothwendigen Lebens- 
bedürfnisse etwas gestiegen ist — sich scheinbar gegen 
die Lage des Arbeiterstandes in dem früheren Jahr- 
hundert gebessert habe. Das beweise aber nicht, dass 
sich der Arbeiter in dem späteren Zeitpunkte wirklich 
besser befinde als in dem früheren. „Alles menschliche 
Leiden und Entbehren hängt nur von dem Verhält- 
niss der Befriedigungsmittel zu dfen in derselben Zeit 
bereits vorhandenen Bedürfnissen und Lebensgewohn- 
heiten ab. Alles menschliche Leiden und Entbehren 
und alle menschlichen Befriedigungen, also jede mensch- 
liche Lage bemisst sich somit nur durch den Vergleich 
mit der Lage, in "welcher sich andere Menschen der- 
selben Zeit in Bezug auf die gewohnheitsmässigen 
Lebensbedürfnisse derselben befinden. Jede Lage einer 
Classe bemisst sich somit immer nur durch ihr Ver- 
hältniss zu der Lage der anderen Classe in derselben 
Zeit.'' 

Es ist zuzugeben, dass allerdings praktisch auf 
dieses allgemeine Verhältniss alles ankonmit; deswegen 
ist es aber doch nicht die einzig bezeichnende Formel 
für das Problem in seiner theoretischen Fassung. Man 
muss auch die Zahl derjenigen in Rechnung ziehen, 
welche ein gewisses Bedürfniss befriedigen können. 
Es ist ja ohne Zweifel richtig, dass jede Besserung 
der Lebensführung in den arbeitenden Kreisen oft 
sogar in ursächlicher Verbindung von einer Steigerung 
des Luxus in den vermögenden Classen begleitet ist, 



— 71 — 

da im Menschen die inegalitäre Tendenz, das bestehende 
Verhältniss zu den unteren Classen nicht abschwächen 
zu lassen, tief eingewurzelt ist. Es fragt sich aber 
inuner, wie viele den Luxus mitmachen können, da 
es doch gewiss einen grossen Unterschied bildet, ob 
bloss Einer oder zehn, oder hundert von Tausend ein 
gewisses Luxusbedürfniss befriedigen können, möge 
der Abstand von denjenigen, welche begehrend zusehen 
müssen, wie gross immer sein. , 

Auf diese Formel und auf den Vergleich mit gleich- 
zeitigen Verhältnissen des übrigen Europa kommt es 
uns bei den nachfolgenden Betrachtungen hauptsäch- 
lich an. Das ist auch der Grund, warum wir auf jene 
Artikel nur wenig Werth legen, in welchen der indi- 
viduelle Verbrauch zu ungleichmässig ist, um den 
Schluss zu erlauben, inwieweit auch die unteren und 
untersten Classen an diesem Verbrauche participiren. 

Das gilt vorzüglich von dem Fleischconsum, der 
in Oesterreich und ganz besonders in Wien schon 
damals sehr gross und nicht viel geringer als der von 
heute war, den aller anderen Grossstädte aber weit 
hinter sich Hess. Nach übereinstimmenden Angaben'*^) 
dürfte sich der Gesammtfleischverbrauch pro Jahr und 
und Kopf anfangs der Vierziger jähre auf 130 bis 
150 Wiener Pfund (73 bis 84% gegen SS^/^kg von 
heute) belaufen haben, während der durchschnittliche 
Consum pro Jahr und Kopf in Berlin bloss 113 Pfund, 
in London 107 Pfund, in Cöln 106 Pfund, in Breslau 
93 Pfund, in Magdeburg 89 Pfund, in Paris gar nur 
86 Pfund betrug. Es wäre gleichwohl ein heilloser 
Irrthum, wollte man aus diesen Ziffern etwas über die 
Lage der untersten Classen in Wien ableiten, da ge- 



— 72 — 

rade beim Fleisch der Ueberconsum in den oberen 
Gesellschaftsschichten ein derart grosser sein kann, 
dass selbst bei einem auffallend starken Unterconsum 
auf der anderen Seite der Durchschnitt immer noch 
ein relativ sehr günstiger zu sein vermag. 

Bezeichnender für die relative Lage der con- 
sumirenden Classen ist ein Vergleich des Zucker- und 
Kaffeeverbrauches in Oesterreich mit dem anderer 
Länder, weil in diesem Falle die Durchschnittsziffer 
viel weniger durch einen individuellen Mehrverbrauch 
auf einer Seite als durch das Hinzutreten neuer 
Consumenten zu den alten bestimmt wird. Wenn wir 
z. B. hören, dass der durchschnittliche Consum an 
Zucker pro Kopf in Oesterreich bloss 3*6 englische 
Pfund (2"94 Wiener Pfund) betrug, der in Gross- 
britannien (ohne Irland) aber 21*3 englische Pfund, so 
ist die Erklärung doch höchst wahrscheinlich nicht 
darin zu suchen, dass man in England den Thee 
sechsmal so süss wie in Oesterreich trank, sondern 
eher darin, dass in England sechsmal so viel Per- 
sonen überhaupt Zucker consumirten als in Oesterreich. 
Darin liegt also die social- und culturhistorische Be- 
deutung dieser Ziffern. So schwankend die Angaben auch 
über diesen Punkt sein mögen, das eine geht aus ihnen 
unwiderleglich hervor, dass in der Mitte der Vierziger- 
jahre der grössten Mehrheit der österreichischen Be- 
völkerung der Genuss des Zuckers fremd war, und 
dass Oesterreich in dieser Beziehung auf dem Niveau 
Irlands, Russlands und der Türkei stand und nicht 
nur hinter dem übrigen Deutschland, England, Frank- 
reich und der Schweiz, sondern auch hinter Belgien 
Dänemark, Spanien und Portugal zurückstehen musste. ^^) 



— 73 — 

Der Kaffee verbrauch lässt keineswegs auf günstigere 
Verhältnisse schliessen. Die Angaben ''^*) für die ein- 
zelnen Länder schwanken zwar wieder bedeutend; ge- 
rade in Bezug auf Oesterreich sind sie jedoch ziemlich 
übereinstimmend^ und man wird kaum viel irre gehen, 
wenn man den jährlichen Kaffee verbrauch auf V2 Wiener 
Pfund pro Kopf veranschlagt, eine lächerlich kleine 
Ziffer, die wieder nur dadurch zu erklären ist, dass in 
Oesterreich der Kaffeegenuss noch ein Vorrecht der 
wohlhabendsten städtischen Kreise war. In Belgien und 
den Niederlanden wurde 14- bis 17mal, im übrigen 
Deutschland und der Schweiz 8- bis 9mal so viel con- 
sumirt. Hinter Oesterreich blieben nur die Türkei, 
Russland und Portugal zurück. Dazu kommt, dass in 
vielen Ländern der Kaffeeconsum wesentlich durch den 
landesüblichen Theegenuss beeinflusst wird. Wollte man 
auch diesen mit in Anschlag bringen, so würde Oester- 
reich bezüglich seiner Consumtion noch weiter zurück- 
treten und auch Russland noch den Vorrang geben 
müssen. 

Der Bierconsum^^) in Oesterreich war ein relativ 
hoher: Im Durchschnitte der sechs Jahre 1841 bis 1846 
1972 Wiener Mass pro Kopf, wenigstens höher als in 
Preussen (12 bis 13 Quart = O'/g bis lOVg Wiener 
Mass), wenn er gleich kaum die Hälfte des englischen 
Consums (48 englische Quart = 38 V2 Wiener Mass) 
ausmachte. Für die Städte gestaltete sich natürlich der 
Durchschnitt weitaus grösser und so kamen in Wien 
für die gleiche Zeit jährlich auf den Kopf etwa 
90V2 Wiener Mass (128 i gegen 140 ^ im Jahre 1890), in 
Niederösterreich auf einen Kopf noch 46 Mass. Es ist je- 
doch zu beobachten, dass speciell in Niederösterreich und 



— 74 — 

ganz besonders in Wien der relative Bierverbrauch 
in den letzten Jahren auffällig, um nahezu 20 Mass 
pro Kopf herabging (von 100 auf 8O74 Mass). 

Der Branntweinverbrauch war im Grossen und 
Ganzen gleich dem Sachsens und Preussens; auf den 
Kopf entfiel die unerfreulich hohe Menge von 6 Mass. 
Dieses ungünstige Mass wurde aber hauptsächlich 
durch den riesigen Consum Galiziens zuwege gebracht, 
in welchem Lande auf den Kopf durchschnittlich 
13V3 Mass entfielen. Mit Ausscheidung von Galizien 
stellte sich der Durchschnittsconsum an Branntwein 
für Oesterreich auf rund 2 Mass pro Kopf. Die stetige 
Verminderung des Branntweinconsums in den Vierziger- 
jahren — eine an und für sich sehr erfreuliche That- 
sache — dürfte jedoch, da sie sich besonders in 
Galizien fühlbar machte, kaum auf die wachsende 
Erkenntniss von der Gefährlichkeit des Alkoholgenusses, 
sondern auf die zunehmende Unmöglichkeit zurückzu- 
führen sein, sich auch nur dieses Genussmittel zu be- 
schaffen.^^) 

Alles weist darauf hin, dass der Kreis derer, 
welche an den Genüssen des Lebens theilnehmen 
konnten, in den Vierzigerjahren sich eher verengerte 
als erweiterte. Selbst der Tabakgenuss, heute eine auch 
in den untersten Classen allgemein eingebürgerte Sache, 
war damals nur dem kleineren, wohlhabenderen Theile 
zugänglich. In Oesterreich (ohne Venedig und Lom- 
bardei) war erst jeder vierte, in Niederösterreich (dem 
Lande der stärksten Raucher) jeder dritte Mann über 
19 Jahre ein Raucher. Eine Vergrösserung dieses 
Kreises hat in dem Decennium ISStJ bis 1847 nicht 
stattgefunden.^) 



— iO — 



Zur äusseren Lebenshaltung gehören auch die 
Wohnungs Verhältnisse, ja mehr als die Nahrung wirkt 
das „Heim'' auf die moralische Haltung des Indi- 
viduums wie der Familie, und nicht umsonst blickt 
die moderne Socialpolitik so sehnsüchtig gerade nach 
einer befriedigenden Lösung der Wohnungsfrage in den 
Städten aus. 

Die Wiener Verhältnisse lagen in Folge der histo- 
rischen und baulichen Entwickelung der Stadt seit 
jeher schlecht. Schon aus den Siebzigerjahren des 
vorigen Jahrhunderts datiren die Klagen über die 
schlechten Wohnungsverhältnisse und die Vorschläge 
zur Sanirung derselben durch Auflassung der Festung 
und Verbindung der Stadt mit den Vorstädten. ^^) 
Schon damals gab es aber auch — nil novi sub sole 
— gut gesinnte Socialpolitiker, welche gleich stark im 
Hasse gegen „die dummen Aufklärer, die Gemeinplätze 
von Despotismus der Fürsten, von Menschenrechten, 
von allgemeiner Naturfreiheit, von politischer Sklaverei" 
wie gegen die Fabrikanten waren, welche „durch das 
Anhäufen der Arbeiter gemeinschaftlich mit dem fremden 
Abenteurervolk, dem Glücksrittergesindel, dem Spionen- 
geschmeiss, den Bettlerlegionen, dem Kuppler- und Nego- 
ziantencomplot, die wöchentlich zu allen Thoren 
Wiens einbrechen, das Leben der Hauptstadt ver- 
theuern" — und diese Sorte von Socialpolitikern er- 
blickte die Lösung der Wohnungsfrage nicht in 
der baulichen Entwickelung der Stadt, sondern in der 
Verminderung der Volksmenge — utile cum dulci — 
durch Verlegung der Fabriken und Ausweisung ge- 
schäftsloser und „nutzloser" Fremder aus Wien. Diese 
Leute blieben leider, wie immer, im Rechte. 



— 70 — 

In den Jahren 1811 und 1812 war die Wohnungs- 
noth in Wien so gross, dass zahlreiche arme Familien 
in Ställen, Scheunen wohnen, oder von Wien weg- 
befördert werden mussten; und im Jahre 1816 war 
die Theuerung des Miethzinses so gestiegen, dass 
Wohnungen, welche früher 50 bis 60 fl. gekostet haben,, 
auf 200 bis 300 fl. und solche von 700 bis 1000 fl. 
in der Grösse von 6 bis 7 Zimmern auf 4000 bis 6000 fl. 
stiegen. Die Wohnungsverhältnisse in Wien und den 
Vorstädten besserten sich in den folgenden Jahren nur 
sehr wenig, wozu die aus den allgemeinen Verhält- 
nissen wohl erklärliche, abnorm geringe Bauthätigkeit 
und Baulust in erster Linie beitrug. In den zwanzig 
Jahren von 1827 bis 1847 wuchs die Bevölkerung von 
Wien um 123.131 Personen, d. i. um 42-57o, während 
die Häuser bloss um 900, d. i. um ll'47o zunahmen. 
Der durchschnittliche Jahreszuwachs in jener Zeit be- 
trug an Personen 6156 oder 27o, an Häusern nur 45 oder 
O'bl^ Q. Die ganze Bauthätigkeit Wiens in den Jahren 
1843 bis 1848 beschränkte sich auf 202 Neu- und 
205 Um- und Zubauten.^) Unter solchen Umständen 
mussten natürlich die Miethzinse unerträglich hohe, 
die Wohnungsverhältnisse vom socialen Standpunkte 
höchst bedauerliche bleiben. 

Wir schliessen diesen kurzen Ueberblick über die 
mittlere Lebenshaltung mit der nochmaligen Ver- 
sicherung, dass wir derlei Zahlen für nicht mehr 
halten, als sie sind; aber das geht auch aus ihnen 
mit grausamer Bestimmtheit hervor, dass das Mittel- 
mass der Lebensführung in Wien und Oesterreicli 
schlechter war als fast in allen Ländern Europas, 
dass sich die Verhältnisse gegen das Ende der Vier- 



— 77 — 

ziger jähre zu, wenn möglich, noch allgemein ver- 
schlechterten, und dass die Verhältnisse der arbei- 
tenden Massen, die natürlich unter der gezeichneten 
Mittellinie lagen, unsäglich traurige, elende gewesen 
sein müssen. 

Die ministerielle „Donau-Zeitung" aus dem Jahre 
1848,*^) deren Angaben in Bezug auf Durchschnitts- 
löhne wir schon oben citirt, versuchte das Budget 
einer Arbeiterfamilie mit etwa 3 bis 5 Kindern zu 
entwerfen. „Verheiratete geben ihr Verdienst zu- 
sammen, jedoch ist in diesem Falle der Verdienst des 
Weibes nur die Hälfte vom Erwerbe der ledigen 
Frauensperson, da erstere mit den häuslichen Arbeiten 
beschäftigt ist." Demnach beliefen sich auf Grund 
obiger Durchschnittslöhne die Einnahmen von Mann 
und Weib jährlich auf 230 bis 275 fl. C.-M. Unser 
Gewährsmann rechnet nun 

Miethe für eine Familie .... 30 bis 40 fl. C.-M. 

Wäsche reinigen 5 „ (> „ „ 

Brennmateriale 8 „ 10 „ „ 

Kleidung und Wäsche (meist ab- 
getragen beim Trödler gekauft) 30 „ 40 „ „ 
Fussbekleidung 8 „ 10 „ „ 



Zusammen . . 81 bis 106 fl. C.-M. 
Dies von dem Verdienste von . .230 „ 275 „ „ 



abgerechnet, verbleiben also . .149 bis 169 fl. C.-M. 
oder täglich 24 bis 27 kr. C.-M. zur Verköstigung und 
für die sonstigen Bedürfnisse des Lebens. Unser Ge- 
währsmann meint nun : „Einer Familie (worunter fünf 
Kinder) kostet ein selbst zubereitetes Mittagsessen 
mindestens 13 kr., wenn man nur 17.2 Pfund Fleisch 



— 78 — 

rechnet. Es bleibt ihr also täglich 6 bis 9 kr." Aber 
nicht einmal das ist wahr,*®) denn das Pfund Rind- 
fleisch kostete nach amtlichen Angaben vor 1848 
mindestens 10 kr., ein Mittagsessen war also unter 
20 bis 25 kr. gar nicht herzustellen. Für Brot und 
sonstige Mahlzeiten blieb der guten Familie also auch 
nicht ein rother Heller. Einigermassen besser war der 
ledige Arbeiter daran, der seine Mittagskost entweder 
vom Arbeitgeber gegen massige Entlohnung oder in 
der Garküche um 6 bis 8 kr. C.-M. erhielt. Aber auch 
ihm dürfte für sonstige Neben auslagen und für die 
Freuden des Lebens im bescheidensten Masse nicht 
viel geblieben sein. 

Wir finden also hier unsere Vermuthung, dass 
den unteren Classen jeder Genuss des Lebens versagt 
blieb, aus einem nichts weniger als arbeiterfreund- 
lichen Munde bestätigt, und dabei muss man nicht aus 
dem Auge lassen, dass es so gut, wie der hier an- 
geführten Familie, keineswegs allen ging; Familien 
mit einem jährlichen Einkommen von '^^50 fl. C.-M. 
waren ja wieder die Glücklichen unter den Elenden, 
wie viele hatten weniger als das zu verzehren, und 
wie gross mag die Zahl derjenigen gewesen sein, 
welche arbeitslos waren und überhaupt nichts hatten, 
wovon zu leben war? 

Die Geschichte hat uns leider keine Zahlen über 
die Arbeitslosen und Armen jener Zeit aufbewahrt. 
Wohl aber liegen uns Schilderungen des Jammers in 
den tiefsten Gesellschaftsschichten der österreichischen 
Reichshauptstadt vor, Schilderungen, welche den be- 
kannten Elendbildern von Whitechapel nichts an er- 
schrecken der Grauenhaftigkeit nachgeben. Ein Kenner 



— 79 — 

der Wiener Volksverhältnisse, der bekannte demokrati- 
sche Abgeordnete Ernst Violand, sehreibt:*®) 

„Die Folge der furchtbaren Zustände der ab- 
hängigen Arbeiterclasse war, wenigstens in Wien, wie 
ich aus eigener Anschauung weiss, grenzenlose Immo- 
ralität und sittliche Verwilderung. Ganze Vorstädte, 
wie Thury, Liechtenthal, Altlerchenfeld, strozzischer 
Grund, Margarethen, Hundsthurm, neue Wieden, Fünf- 
und Sechshaus, wimmelten von ausgehungerten, zer- 
lumpten Arbeitern, und Abends erfüllten die unglück- 
lichen Mädchen der Fabriken in dem jugendlichsten, 
selbst Kindesalter die Glacien und den Stadtgraben, 
um für einige Groschen jedem dienstbar zu sein. Im 
Jahre 1845 oder 1846 zogen sie sogar mit jungen Fa- 
briksarbeitern, den sogenannten Kappelbuben, welche 
auf die Annäherung der Polizei zu achten hatten, in 
den Strassen der inneren Stadt herum und scheuten 
sich nicht, zur grösseren Bequemlichkeit ihres hori- 
zontalen Nebengewerbes Bänke und Polster mit sich 
zu nehmen. Auch nächtliche Anfälle und Beraubungen 
auf den Glacien kamen damals fast täglich vor. Dieses 
Wegelagererwesen bestand durch fast einen ganzen 
Winter, welcher damals sehr streng war, und welcher 
die Arbeiterbevölkerung eben deshalb, und weil sie 
die Heizung nicht erschwingen konnte, zu solchen ver- 
zweifelten Gewaltthätigkeiten nöthigte. Das schauder- 
volle Elend dieser Fabriksklaven, namentlich im Winter, 
ging in das Unglaubliche, und doch waren sie über- 
glücklich, wenn sie nur nicht ihren Verdienst ver- 
loren; denn dann blieb ihnen nichts übrig als zu 
verhungern oder zu stehlen. Es gab viele brotlose 
Menschen, welche fast ohne jede Bekleidung sowohl 



— 80 — 

im Sommer als im Winter, sich des Tages hindurch in 
den Unrathscanälen aufhielten und des Nachts, um 
frische Luft zu schöpfen und etwas zu erwerben und 
zu geniessen, Einbrüche und Raubanfälle begingen und 
sich dann im Prater oder in elenden Kneipen herum- 
trieben. Ich besuchte einst zur strengen Winterszeit 
einen Polizeicommissär in seinem Amte und gewahrte 
daselbst im Vorzimmer vielleicht zwanzig solcher 
Troglodyten, welche eben zusammengefangen worden 
waren. Sie hatten bloss ein zerlumptes Hemd und 
leinene Unterbeinkleider an dem von Schmutz und 
Unrath wie mit einer Kruste überzogenen Körper. 
Ueberall sah ihnen das Fleisch hervor, die Füsse, um 
sie zu erwärmen, waren mit Fetzen umwickelt und 
jede Kopfbedeckung fehlte. Ich hatte in Wien noch 
niemals Leute in einem ähnlichen Aufzuge erblickt, 
aber in Folge meiner Erkundigung erfuhr ich von 
dem Polizeicommissär, dass noch gar viele derart 
unglückliche Menschen in den Canälen steckten, von 
denen man gar nicht begreifen könne, wie sie ein 
solches Leben auszuhalten im Stande wären.' ^ 

Ein anderer Zeitgenosse erzählt in seiner ano- 
nymen Schilderung der socialen und politischen Zu- 
stände Oesterreichs,^") dass um 1847 die Zahl der 
directen Bettler an sich bis zum Erschrecken gross 
sei, dass der Stand des socialen Elendes aber noch 
viel grösser und schaudererregender erscheine, wenn 
man auch die Legionen von indirecten Bettlern hin- 
zuzählt. „Diese Classe von Unglücklichen und Be- 
dürftigen," ruft er aus, „ist in Oesterreich so zahl- 
reich und bemitleidenswerth wie irgendwo und vielleicht 
aus dem Grunde noch beklagenswürdiger, weil sie auf 



— 81 — 

einem so überaus reichen Grund und Boden im tiefsten 
Elend schmachten und ringsum babylonische Ueppig- 
keit, Schwelgerei und sinnlose Verschwendung sehen 
und noch überdies die traurige, herzabdrückende 
üeberzeugung haben, dass ihre reichen Landsleute 
ebenso rücksichtslos in ihrer Freigebigkeit wie in 
ihrem ganzen Leben sind und theils aus wirklichem 
Mitleid, theils aus Ehrenzwang und Prahlsucht dahin 
das meiste Almosen werfen, wo das lauteste Hilfs- 
geschrei ertönt und wo die ausgeübte Wohlthätigkeit 
am glänzendsten in die Augen springt, ja, wo sie mit 
Namen und Ziffern durch Zeitungen und Journale 
ausposaunt wird. Der Fremde kann sich kaum einen 
Begriff machen, mit welcher Unverschämtheit und be- 
drohlichen Keckheit der Bettel in den Umgebungen 
Wiens, zumal in den Gebirgsgegenden getrieben wird. 
Es ziehen da Truppen rüstiger Bursche, die in Folge 
jahrelanger Bekanntschaft von den Bauern schon 
Spitznamen bekommen haben, und ganze Bettler- 
familien unter verschiedenen Vorwänden von Ort zu 
Ort, erpressen durch Furcht den Beitrag, welchen das 
Gefühl versagt, und unterlassen es nicht, den frucht- 
tragenden Bäumen und Feldern ihre diebischen Be- 
suche zu machen. Ja, der Bettel wird so systematisch 
betrieben, dass selbst faule Handwerksbursche jeden 
Freitag ihre Arbeit einstellen, bettelnd sich das Doppelte 
ihres gewöhnlichen Erwerbes verschaffen und somit 
eine von Almosen abhängige Existenz einer durch 
Arbeit errungenen vorziehen. Der so als Gewerbe be- 
triebene Bettel ist an sich ein Krebsgeschwür der Ge- 
sellschaft ; er vererbt sich thatsächlich von den Eltern 
auf die verwahrlosten Kinder, die als Säuglinge auf 

Zenker: Wiener Revolution. v 

I 



- 82 — 

die Wanderschaft mitgenommen werden, um mehr 
Mitleid anzuregen, später aber sich selbst überlassen 
sind und wie das wilde Vieh aufwachsen, um sonach 
selbst das Geschäft der Eltern am Bettelstabe fort- 
zusetzen." 

Wie der Arbeiter wohnte, schilderte Anton Langer 
in folgender ergreifender Weise :''^) „In einer weit- 
entlegenen Vorstadt, nahe an der Linie, vielleicht, ja 
sehr häufig ausserhalb der Linie, erhebt sich ein 
niedriges Gebäude. Elende, kleine, niedere Zimmer, 
deren Atmosphäre von aufgehängter Wäsche, dem aus 
der Küche hineinschlagenden Rauch, durch unreine 
kleine Kinder u. s. w. vergiftet, nasse Wände, ge- 
brochene Fenster, durch die der Wind hereinpfeift, 
ein Plafond, der bald den Staub herunterfallen lässt, 
wenn ein Wagen vorbeirasselt, bald wieder den Regen 
durchsickern lässt, elende, zerbrochene Möbel, ein 
Tisch, ein paar Stühle, ein, höchstens zwei Betten, das 
ist der Palast des braven Mannes, der als unterstes 
Glied im Staate, auch zugleich das breiteste, festeste 
ist. Und für, diese elende Baracke — ich hätte bald 
gesagt Wohnung — zahlt er 60, 70, auch 80 fl. C.-M. 
Zins. Zusammengepfercht mit Weib, Kind, häufig auch 
mit Bettgehern, kann er sich kaum bewegen, wohin er 
sein Auge wendet, leuchtet ihm das Bild seines Elends 
entgegen, es fehlt ihm die Ruhe im Hause, die Freude 
am Hause; ist's ein Wunder, wenn er aus diesem 
Fegefeuer ins Branntweinhaus flüchtet. In dieser un- 
reinlichen, übelriechenden, von Ungeziefer wimmelnden 
Wohnung soll er schlafen, sich ausrasten von den 
Mühen des vergangenen, stärken zu den Mühen des 
kommenden Tages. Bei Tagesanbruch muss er auf, denn 



— 83 — 

eine Stunde, oft mehr vergeht, bis er von seiner 
Wohnung zu dem Orte seiner Arbeit gelangt. Ebenso 
lange braucht der von der Arbeit Ermüdete, bis er 
heimgelangt. Woher soll ihm des Lebens Freudigkeit 
kommen? Und dennoch dieser kaum erschwingliche 
Zins? Ein Dritttheil seines Lohnes zum wenigsten 
muss der Arbeiter täglich für den Zins erübrigen, ein 
Dritttheil seines blutigen, sauren Verdienstes an einen 
Hausherrn geben, der es nicht der Mühe werth findet, 
seinen rauchenden Herd, seine beschädigten Mauern 
ausbessern zu lassen, der dem armen Arbeiter unnach- 
sichtlich sein Bisschen wegnehmen und pfänden lässt, 
wenn er seine paar Kreuzer nicht pünktlich dem Zins- 
ungeheuer in den Rachen wirft. Man denke sich nun 
noch, dass eine Krankheit hinzukommt, dass des Ar- 
beiters Weib, seine Kinder oder gar der Vater selbst 
aufs Krankenlager kommen. Wie soll ein Mensch in 
solch einem elenden Loche gesund werden ? Ein bisschen 
reine Luft, ein bisschen Wärme hätten Menschen ge- 
rettet. Allein, in solchen Wohnimgen muss der Mensch 
zugrunde gehen. Alljährlich fordert die Brustwasser- 
sucht zahlreiche Opfer aus dQn Arbeitern. Ich will 
nicht sagen, dass die elenden Wohnungen daran Schuld 
sind, aber dass sie einen grossen Theil dazu beitragen, 
wird jeder Mediciner bestätigen.' ' 

Es entsteht die Frage, was that der Staat zur Be- 
kämpfung solcher Armuth, und was thaten die Arbeiter 
selbst, um einer solchen Verelendung der Ihrigen vor- 
zubeugen oder entgegenzuarbeiten? 

Der rein kirchliche Charakter der Armenpflege, 
wie er sich im Mittelalter herausgebildet hatte, hielt 
in Oesterreich länger an als anderwärts. Erst Josef IL 



— 84 — 

führte in den deutschen und slavischen Provinzen 
die Pfarr-Arnieninstitute ein, welche zwar an die alte 
Pfarreintheilung anknüpften, sich aber mehr zu Orts- 
armeninstituten ausbildeten, in welchen die von der 
Gemeinde frei erwählten Armenväter unter Vorsitz 
des Pfarrers, gegen öffentliche Rechnungslegung die 
Armen versorgten. Nach der Josephinischen Gesetz- 
gebung begründete der zehnjährige Aufenthalt in 
einer Gemeinde den Unterstützungswohnsitz in der- 
selben. Die kirchlichen und mit der mittelalterlichen 
Handwerksorganisation zusammenhängenden, durch die 
modernen Verhältnisse also längst überholten „Bruder- 
schaften" (welche obligatorische Kranken- und Be- 
gräbnisse assen für die Gesellen gewesen) wurden 
sämmtlich aufgehoben, und für Niederösterreich wurde 
es den ehemaligen Mitgliedern freigestellt, in einen 
an Stelle der aufgehobenen Bruderschaften begründeten 
Centralverein zu treten, welcher den Namen „Institut 
zur thätigen Liebe des Nächsten" führte. Das Vereins- 
vermögen der Bruderschaften^^) wurde eingezogen und 
zur Hälfte dem Schulfonds, zur anderen Hälfte dem 
genannten Institute zugewiesen. Dieser „Landesbruder- 
schaftsfonds", welcher von der niederösterreichischen 
Statthalterei verwaltet wurde, sollte also eigentlich 
einen Landesarmenfonds bilden, und das „Institut zur 
thätigen Liebe des Nächsten" eine Art Centralstello 
für die Pfarrarmeninstitute sein. 

So schön gedacht diese Einrichtungen auch waren, 
zu einer segensreichen Entfaltung ihrer Kräfte fehlte 
die erste Voraussetzung, eine wirthschaftlich freie und 
wenigstens im Allgemeinen auch wirthschaftlich ge- 
sicherte Gemeinde. Unter den von uns (im ersten Capitel) 



— 85 — 

geschilderten Verhältnissen war die Gemeinde für die 
Uebernahme einer so wichtigen und auch kostspieligen 
Mission aber ganz ungeeignet, es wären ihr denn die 
Mittel zur Armenpflege von einem Landes- oder Reichs- 
armenfonds zugeflossen. Das war aber bei der Finanz- 
lage des Staates eine ganze Unmöglichkeit, obwohl es 
an Anläufen hierzu nicht gerade fehlte. Um 1816, als 
in Folge von Krieg, Missernten und Staatsbankerott 
die Verarmung in bedrohlicher Weise um sich griff 
und es in Wien zu höchst unliebsamen Demonstrationen 
der Arbeitslosen kam, wurde in Regierungskreisen die 
Frage einer allgemeinen Armensteuer, ja sogar einer 
Luxus- oder Junggesellensteuer ernstlich erwogen. Allein, 
es mag dem Fürsten Metternich angesichts der er- 
schöpften Steuerkraft des Landes nicht rathsam 
geschienen haben, zu neuen Steuern zu schreiten, und 
so begnügte er sich denn, die Privatwohlthätigkeit 
aufzurufen, damit diese „wenigstens zum Theile und 
allmählich leiste, was der Staat jetzt zu leisten nicht 
vermag".^) Zugleich wurden die Vorschriften über 
die Bildung von Vereinen, welche bisher das Vereins- 
wesen nahezu ganz unterbunden hatten, freier gehand- 
habt und das Entstehen von Privat- Wohlthätigkeits- 
vereinen auf jede mögliche Weise begünstigt. 

Es giebt wohl keinen eclatanteren Beweis für die 
Trostlosigkeit der vormärzlichen Zustände als die 
Thatsache, dass trotz dieser Begünstigung des humani- 
tären Vereinswesens von oben in Wien — auf diesem 
classischen Boden der Privatwohlthätigkeit — bis 
1848 kaum 30 humanitäre Vereine erstanden.^*) Ein 
im Jahre 1817 unter dem Protectorate des Kaisers 
und unter persönlicher Führung des Kanzlers stehen- 



— 86 — 

der „Verein zur Unterstützung der Nothleidenden 
Wiens" war schon nach wenigen Wochen genöthigt, 
seine Thätigkeit einzustellen. Es giebt eben Verhält- 
nisse, welche so verfahren sind, dass sie jede evolutio- 
näre und charitative Besserung ausschliessen, und 
solcherart wären die Zustände des Vormärz. Im 
Jahre 1847, als die Noth am höchsten war, erstanden 
die humanitären Vereine in etwas grösserer Zahl, aber 
sie konnten das Unvermeidliche nicht verhüten. Damals 
entstand als Ausfluss der zerrütteten Vermögenslage 
der Kleingewerbetreibenden der „Wiener Kreuzerverein 
zur Unterstützung der Gewerbsleute", welcher arbeits- 
losen, bedürftigen Personen ohne Unterschied des Ge- 
schlechtes und der Confession durch Anschaffung von 
Arbeitsmaterialien und Werkzeugen, Zuwendung von 
Darlehen Hilfe leistete. Im gleichen Jahre wurde in 
Folge der abnormen Nothlage der „Allgemeine Wiener 
Hilfsverein" (jetzt: Wiener Hilf s- und Sparverein) ge- 
gründet, welcher sogenannte Rumfordsuppe, Brot, Salz, 
Erdäpfel, Mehl u. dgl. an Arme verabreichte. Am 
17. Mai 184.7 fand die Eröffnung der von dem Vereine 
errichteten Rumforder Suppenanstalt statt, in welcher 
anfänglich täglich 6000 Portionen ausgetheilt wurden. 
Auf dem Principe der Gegenseitigkeit und Selbst- 
hilfe begründete Associationen kannten die Gewerbe- 
treibenden Wiens nicht, obwohl die genossenschaft- 
liche Idee iu England zu jener Zeit bereits grosse 
Triumphe feierte, obwohl in Frankreich der radicalste 
Vertreter der genossenschaftlichen Socialreform, P. J. 
Proudhon, bereits seine epochale Lehrthätigkeit begonnen 
hatte, und auch in Deutschland V. A. Huber als ein be- 
geisterter Apostel der Genossenschaft aufgetreten war. 



— 87 — 

Aber nicht bloss die Erwerbs- und Wirthschaftsorgani- 
sation, auch die Kampf- und Widerstandsassociation 
war den arbeitenden Classen in Oesterreich terra in- 
cognita, und wir treffen in dem ganzen weiten Reiche 
keine Spur einer gewerkschaftlichen Organisation zu 
einer Zeit, wo in England der Trade-Unionismus 
bereits mehrere grosse Revolutionen durchgemacht 
und mächtige Triumphe errungen hatte. Aber selbst 
an Vereinen zur gegenseitigen Unterstützung besassen 
die Arbeiter nur wenig. 

In Wien bestand das „Versorgungsinstitut der 
Handlungsdiener" seit 1795 als einziger derartiger 
Verein, wenn man von dem doch kaum hierher ge- 
hörigen „Pensionsinstitut der herrschaftlichen Livree- 
* 

diener in Niederösterreich'' (seit 1794) absieht. Die 
älteste wirkliche Arbeiterorganisation in Wien ist die 
der Buchdrucker und Schriftgiesser. ^*) Schon seit 1760 
bestand in der Trattner'schen Officin eine „zum Besten 
der Gesellen errichtete Gasse", in welche allwöchent- 
lich jeder ledige Geselle einen Kreuzer, jeder ver- 
heiratete Geselle zwei Kreuzer einzahlen musste. Ausser- 
dem flössen in diese Gasse noch die Aufding- und 
Freisprechgelder, sowie gewisse Strafgelder ; aus dieser 
Gasse sollten die kranken Grehilfen wöchentlich l fl. 
erhalten; bei Todesfällen wurde ein Begräbnissgeld 
von 6.45 fl. gezahlt, und die Witwe eines verstorbenen 
Mitgliedes bezog ein halbes Jahr hindurch 1 fl. pro 
Woche. Die Verwaltung führte Trattner selbst. Schon 
am Ende des vorigen Jahrhunderts beabsichtigten 
die Gehilfen, die Trattner'sche Gasse in eine allgemeine 
Gasse für sämmtliche Buchdruckergehilfen Wiens um- 
zuwandeln, stiessen hierbei aber auf Widerstand, ob- 



~ 88 — 

wohl sich die Regierung dem Projecte nicht abgeneigt 
zeigte und der Idee nach die Bildung einer allgemeinen 
Gehilfencasse billigte. Dagegen entschied sie, dass 
Trattner die vorhandenen Fonds für die beabsichtigte 
Gesellencasse nicht herauszugeben habe. Somit blieb 
alles beim Alten. Die Verhältnisse am Beginne des 
Jahrhunderts waren einer Coalition der Arbeiter — 
wäre es auch nur zu einem so harmlosen Zwecke, wie 
die Gründung einer Krankencasse gewesen — ent- 
schieden ungünstig. Ein Versuch, den im Jahre 1835 
ein Gehilfe (nachmals Druckereibesitzer) Johann Fried- 
rich machte, im Vereine mit seinem Principale Maus- 
berger einen Krankenverein zu gründen, wurde von 
der Regierung zurückgewiesen, da — wie hochdieselbe 
meinte — keine Nothwendigkeit für einen solchen 
Verein vorliege. 

Im Jahre 1837 gründete das Personal der Staats- 
druckerei eine Vereinscasse, die auch bewilligt wurde, 
und der jedes Mitglied der Anstalt angehören musste. 
Der wöchentliche Beitrag belief sich auf 3 kr. C.-M. Da- 
gegen bekam jedes erkrankte Mitglied aus der Gasse ein 
Vierteljahr hindurch 2 fl. C.-M. pro Woche, wenn es 
in häuslicher Pflege blieb und 1 fl. C.-M., wenn es in 
Spitalverpflegung war. Ausserdem war mit dieser Gasse 
eine „Fremdencasse" verbunden, aus welcher jeder 
in Wien angekommene fremde Setzer — soferne er 
nirgends einen Platz fand — einen Hilfsbeitrag von 
12 kr. C.-M. erhielt. Bei Todesfällen oder Unglücks- 
fällen wurden nach Ermessen Unterstützungen von 
der Anstalt bewilligt. Aehnliche Hauscassen hatten 
einige andere grössere Wiener Officinen, wie die Me- 
chitharisten. 



— 89 — 

Auch in Linz begegnen wir schon im Jahre 1824 
einem Versuche einer Kranken- und Sterbecasse der 
Buchdrucker, den die Principale gemeinsam mit den 
Gehilfen gemacht hatten, doch blieb die Gasse ohne 
jede Bedeutung und scheint ganz willkürlich verwaltet 
worden zu sein. Besser prosperirte eine Kranken- und 
Invalidencasse, welche die Innsbrucker Setzer im 
Jahre 1826 gründeten und die nach segensreichem 
Wirken erst Ende der Fünfziger jähre einging. Das 
war alles, was vor den Vierzigerjahren an Ansätzen 
zu einem Hilfscassenverein der Typographen und zur 
Arbeiterorganisation in Oesterreich überhaupt vor- 
handen war. 

Zu Beginn des Jahres 1842 regten die Setzer 
Franz Engstier, Josef Senhofer, Johann Bartl und 
Franz Schwarz endlich die Gründung eines allgemeinen 
Unterstützungsvereines für erkrankte Buchdrucker- 
und Schriftgiessergehilfen Wiens an; die Statuten 
wurden nach dem Muster anderer, damals bestehender 
Krankenvereine den Bedürfnissen der Typographen 
angepasst, der Landesregierung vorgelegt und von 
dieser am 5. Novembei* 1843 genehmigt. Der neue 
Verein fasste zum erstenmale die Arbeiter einer 
Branche ohne Rücksicht auf die einzelnen Arbeits- 
stätten zusammen, wenn auch am Tage der Gründung 
(1. August 1842) nur 105 von den 560 in Wien be- 
schäftigten Buchdrucker- und Schriftgiessergehilfen 
dem Vereine beitraten. Aber er gewährte zum ersten- 
male eine feste Norm für die Unterstützung der Be- 
rufsgenossen aus eigenen Mitteln unter eigener Ver- 
waltung und eigener Controle. Es bleibt ein in social- 
historischer Hinsicht äusserst charakteristischer Zug, 



— 90 — 

dass es die Principale waren, welche die dem Vereine 
gegenüber vollkommen indifferenten Gehilfen ver- 
mochten, dem Vereine beizutreten (nicht etwa aus 
Idealismus, sondern nur, weil ihnen dadurch ihre 
früheren Verpflegspflichten den Kranken gegenüber 
abgenommen oder erleichtert wurden). Erst als einige 
Officinen erklärten, nur solche Gehilfen anzustellen, 
welche dem Unterstützungsvereine angehörten, traten 
diese in grösserer Zahl hinzu, und im Jahre 1844 
zählte der Verein 380, im Jahre 1845 bereits 516, im 
Jahre 1847 551 Mitglieder, so dass der Verein jetzt 
thatsächlich eine Organisation der gesammten Ge- 
hilfenschaft genannt zu werden verdiente. 

Das war der einzige ernst zu nehmende Ansatz einer 
Arbeiterorganisation vor dem Jahre 1848; dieselbe war 
aber weit davon entfernt, eine Kampfesorganisation zu 
sein, und hätte es auch nicht sein dürfen, da die 
blosse Verabredung der Arbeiter, unter einem gewissen 
Lohne nicht arbeiten zu wollen, mit strengen Strafen 
bedroht war. Die Mitglieder fühlten aber auch gar 
nicht das Bedürfniss, mehr als einen Unterstützungs- 
verein zu besitzen; ein Solidaritätsgefühl zwischen 
ihnen, den Arbeiteraristokraten, und den anderen Ar- 
beitern gab es damals nicht. Die Buchdrucker hatten 
eigentlich wenig Grund zur Klage und vertrugen sich 
mit ihren Principalen aufs beste; wie es Anderen ging, 
das war Sache der Anderen. 

Der Gedanke der solidarischen Selbsthilfe in jeder 
Form war den besitzlosen Classen jener Zeit voll- 
kommen fremd, und so siechten diese Classen, ohne die 
Segnungen des Individualismus zu kennen, an den 
Folgen der Verkehrtheit hin, dass der alles bevor- 



— 91 — 

mundende Staat gerade die Schwächsten allein sich 
selbst und ihrem Verderben überliess. 



Viertes Capitel. 

Vor dem Sturm. 

Fern sei es von uns, die Macht politischer oder 
auch nationaler Ideen zu unterschätzen. Es haben 
Völker, deren sociales Gleichgewicht nach keiner 
Richtung hin gestört war, zum Schwerte gegriffen, 
um einer religiösen Vorstellung willen, die recht un- 
praktisch war, so alle wirthschaftlichen und socialen 
Kreise störend, wie nur möglich. Es haben sich Völker 
für die mitunter recht vage Idee der nationalen Freiheit 
in Kriege gestürzt, auch ohne dass ihre wirthschaft- 
liche Unabhängigkeit bedroht gewesen wäre. Die Fälle 
stechen in der Geschichte so zahlreich hervor, dass 
man, ohne der Geschichte Gewalt anzuthun, und ohne 
getrennte Begriffe absichtlich zu verwirren, den Satz 
nicht aufrecht erhalten kann, es gebe im Leben der 
menschlichen Gesellschaft keinen anderen direct 
treibenden Factor als den wirthschaftlichen. 

Auch für die Revolution des Jahres 1848 waren 
Triebfedern thätig, welche mit materiellen Inter- 
essen keinen unmittelbaren Zusammenhang hatten. Die 
deutsche Einheit, eine damals noch ziemlich unfass- 
bare Idee, war gewiss ein kräftiger Impuls zur und 
während der Revolution, und die Idee der persönlichen 
Freiheit, welche den besseren Bürger und Studenten 
erfasst hatte, weil er sich mündig fühlte und der 



— 92 — 

■ 

Curatel eines unfähigen Staates müde geworden war, 
diese Idee war wohl eine der unmittelbarsten Veran- 
lassungen, welche eben diese Bürger und Studenten 
am 13. März zum Ständehause führten. Allein, es ist 
doch mehr als fraglich, ob dies allein — auch wenn 
es sich mit den politischen Aspirationen der Stände 
vereinte — hingereicht hätte, den Metter nich 'sehen 
Staat umzustossen. Die Masse des kleinen Bürgerthums, 
und besonders des Wiener Kleinbürgerthums, ist wenig 
„idealpolitisch'' veranlagt. Diese ewigen „Fretter" — 
wie der Volksmund sie nennt — sind umsoweniger 
geeignet, den Ausweg aus ihrer Misslage im grossen 
socialen Bogen, durch Aufklärung, individuelle Freiheit 
u. s. w. machen zu wollen, als mit ihrer permanenten 
Noth ein ziemlich brutales Genussbedürfniss verbunden 
ist. Sie wollen rasch und ausgiebig „gerettet" sein. Es 
ist ihnen einerlei, ob die Reaction oder die Revolution, 
Pfaffen oder Liberale ihnen diese Rettung bringen, sie 
folgen jedem, von dem sie dieselbe erhoffen, mit Tem- 
perament; sie sind heute hündisch devot nach oben, 
morgen brüske Demokraten, übermorgen hartgesottene 
Reactionäre und Vincentiusbrüder, aber alles und 
immer radical. Von „Constitution" und „Pressfreiheit'' 
hatten diese Leute so gut wie keine Vorstellung, aber 
sie forderten dieselben angesichts der schussfertigen 
Grenadiere, weil sie von diesen Einrichtungen eine Bes- 
serung ihrer elenden Lage erhofften. 

So ähnlich war es mit den Arbeitern. Von der 
„deutschen Einheit" hatten diese Leute kaum etwas 
gehört, und wenn sie etwas gehört hatten, so war es bei 
dem Umstände, dass sie doch nur zum geringsten Theile 
Deutsche waren, höchst unwahrscheinlich, dass sie sich 



— 93 — 

für das Zustandekommen des Frankfurter Parlamentes 
hätten erschiessen lassen. Was diese Leute zu den 
Fahnen der Universität führte, war nicht „Deutschland" 
und nicht die „Constitution*', das war der Hunger, 
der nach einem Leben hoffnungsloser Resignation 
sturzbachgleich überschäumende Groll und die endlich 
einmal aufsteigende Erwartung, es werde nun auch 
für sie, die wahrhaft Enterbten der Gesellschaft, der 
Tag einer gerechteren Vertheilung kommen. 

Aber selbst die Studenten und die Intelligenz waren 
nicht ausschliesslich durch idealpolitische Momente an 
die Revolution geknüpft, wie man gewöhnlich glaubt. 
Es soll den braven Jungen damit nichts von ihrem 
Verdienste geraubt werden, aber auch bei ihnen hatte 
der Hunger einen guten Theil der Begeisterung ver- 
ursacht Das Intelligenz- und Studentenproletariat der 
Vierziger] ahre war nicht viel weniger trostlos als das 
Bürger- und Arbeiterproletariat. Alle Laufbahnen waren 
durch das grenzenlose Protectionswesen verschlossen, 
die Advocatie von zünftlerischen Schranken umhegt, 
die Laufbahn des Literaten missachtet, gefahrvoll und 
aussichtslos u. s. w. 

Füster, der die Studenten Verhältnisse genau kannte, 
giebt ein ergreifendes Bild von dem Elend der Stu- 
denten, wie es kurz vor Ausbruch der Revolution zu 
Tage trat. „Ich habe zwar oft von der Armuth gehört, 
die unter Studenten herrschte," erzählt er,^) „hätte sie 
mir aber nie so gross vorstellen können. Es übersteigt 
diese Armuth jeden Begriff; nur die hoffnungsvolle 
Jugend, die in sich eine unversiegbare Quelle des 
Muthes hat, kann sie ertragen. Nicht wenige Studenten 
gab es, welche wochenlang keine warme Speise ge- 



— 94 - 

nossen, deren einzige Nahrung Brot und Wasser war. 
Die armen Menschen verdarben sich ohne Verschulden 
die Gesundheit für ihre ganze Lebenszeit. Von anderen 
Entbehrungen in Kleidung, Wäsche u. dgl. nicht zu 
sprechen, erwähnen wir der Wohnungen vieler armer 
Studenten: finstere, feuchte, im Winter nicht geheizte 
Kellerlöcher, alles eher als Menschenwohnungen zu 
nennen, waren ihre Behausungen. Wenn die Collegien 
und die öffentlichen Bibliotheken ihnen nicht ein Asyl 
gewährten, würden sie im Winter vor Kälte zugrunde 
gehen müssen. Wir kannten einen Studenten, der gar 
kein Quartier hatte, sondern im Winter in den Heu- 
schobern, Wagenremisen und Scheunen weit ausser der 
Stadt wohnte, und im Sommer, wenn es nicht regnete, 
unter freiem Himmel schlief. Wer all dieses Elend an- 
gesehen, hätte blutige Thränen über die namenlose 
Armuth vieler Studenten weinen müssen. Die meisten 
Armen fand man verhältnissmässig unter den Juden. 
Den jüdischen Studenten standen die gewöhnlichen 
Erwerbsquellen der Studenten, die sogenannten In- 
structionen, das Lectionengeben, wegen des Religions- 
vorurtheiles nicht in dem Masse offen als den christ- 
lichen Studenten, von denen übrigens auch nicht sehr 
viele reichlich damit versehen waren." 

Gewiss war es der unleidliche geistige Druck, 
welcher einen ebenso mächtigen Gegendruck der 
spannkräftigen, jugendlichen Gemüther, eine Explosion 
des Freiheitsgeistes hervorrief, gewiss war es die un- 
sägliche Erniedrigung Deutschlands, was den Geist 
der alten Burschenschaft unter den Studenten wieder 
erweckte; aber nicht in letzter Reihe war es der „Ma- 
gister artis, ingeniique largitor, venter", der die Flamme 



— 95 — 

der Empörung auch bei den Studenten himmelhoch 
aufschlagen liess und sie zu begeisterten Priestern der 
Revolution prädestinirte. 

Für die grossen Massen des Volkes aber war die 
Revolution in der That nichts anderes als ein Act 
socialer Nothwehr, eine unbewusste Selbsthilfe aus 
wirthschaftlichen Verhältnissen, die, hervorgegangen 
aus einer nur die brutalsten Interessen einiger Fa- 
milien verfolgenden Politik, so eng verwachsen mit 
dem ganzen socialen Organismus dieses Staatsunholdes 
waren, dass allerdings auch dem einfachsten Kopfe 
der Ruf verständlich war: Wenn es hier anders werden 
soll, muss vor allem das herrschende politische System 
gestürzt werden. 

Dass die wirthschaftlichen Leiden, an denen das 
Volk krankte, chronisch waren und nicht erst von 
den letzten Jahren, ihren Missernten, Geschäfts- 
stockungen etc. datirten, wie so oft gesagt wurde, haben 
wir im Vorhergehenden hoffentlich klar auseinander- 
gesetzt. 

Die Symptome eines ungewöhnlichen Grades der 
Armuth traten in Wien besonders, aber auch ander- 
wärts, vor allem in den grossen Industriecentren 
schon seit dem Beginne der Vierziger jähre immer 
kenntlicher und fühlbarer zur Schau, wenn auch die 
grosse Mehrheit der Gebildeten und Ungebildeten die- 
selben unterschätzte, indem sie sich tröstete, es handle 
sich um vereinzelte und vorübergehende Fälle. Diese 
waren freilich wie vom Schlage gerührt, als mit dem 
Ausbruche der Revolution das Elend und die Armuth 
aus den Quartieren der Vorstädte herabstieg und aus 
den Schlupfwinkeln hervorkroch, und wie ein hässlicher 



— 96 — 

Riesenpolyp seine tausend Arme über das leichtlebige, 
tanz- und liederfrohe Wien der „Backhendlzeit" aus- 
streckte. Und doch hatte seit Jahren vernehmliches 
Donnergrollen und unheimliches Wetterleuchten das 
Herannahen des Ungewitters angezeigt. 

Im Jahre 1844: kam es in Böhmen zu grossen Ar- 
beitertumulten. In Prag klagten die Arbeiter, sie würden 
bei den Lohnauszahlungen betrogen und durch die 
Einführung einer neuen Druckmaschine ausserdem im 
Lohne gedrückt. Am 16. Juni kam es zu grossen 
Krawallen, die Arbeiter demolirten die Maschinen und 
durchzogen, 1600 Mann stark, mehrere Tage hindurch 
unbewaffnet, aber demonstrativ die Strassen Prags. 
Endlich gelang es, die Demonstranten zu umringen 
und in eine Kaserne zu treiben, von wo sie bald 
wieder ohne Strafe entlassen wurden. Minder glimpflich 
gingen die gleichzeitigen Arbeiterexcesse im nörd- 
lichen und nordöstlichen Böhmen ab. In den Kattuu- 
druckereien war eine neue (Perotine-) Maschine ein- 
geführt worden, welche viele menschliche Arme ausser 
Arbeit setzte; der Lohn sank, die Arbeitszeit wuchs, 
die Entlassenen rangen mit dem Hunger, und ihre 
Noth steigerte sich umsomehr, als eine Missernte alle 
Lebensmittel vertheuerte. In den Gegenden von Leit- 
meritz und Königgrätz, Reichenberg, Böhmisch-Leipa u. a. 
kam es daher zu Zusammenrottungen der Arbeiter, 
welche die Abschaffung der genannten Maschinen 
forderten und — als diesem Wunsche nicht willfahrt 
werden konnte — die Fabriken stürmten und die Ma- 
schinen vernichteten. Ein Trupp von etwa tausend 
Arbeitern zog mit Weib und Kind nach Prag, um bei 
dem böhmischen Oberburggrafen Erzherzog Stefan 



— 97 — 

Vorstellungen zu erheben. In Prag wurde aber gegen 
die waffenlos und friedlich anrückende Massendepu- 
tation die gesammte Polizei- und Militärmacht auf- 
geboten, und der Polizeidirector Hess ohne viel zu 
fragen in die wehrlose Masse hineinschiessen. Die 
Angegriffenen erfasste die Wuth der Verzweiflung; 
sie machten Miene zum Kampfe. Da sie aber einsahen, 
dass sie ohne jegliche Waffe das Opfer ihrer Gegner 
wären, flohen sie eilends aus der Stadt, zerschlugen 
hier und dort noch eine Fabrikseinrichtung und zer- 
streuten sich endlich. 

Ein Schrei der Entrüstung ging durch die ge- 
bildete und gesittete Gesellschaft über dieses Vorgehen 
der Behörden gegen die Arbeiter. Es wurden Samm- 
lungen eingeleitet, welche freilich nicht einmal hin- 
reichten, um den Darbenden über die grösste Noth 
hinwegzuhelfen, und welche es nicht verhindern konnten, 
dass in den Fabriksgegenden und im Riesengebirge 
Tausende am Hungertyphus starben. Die hohe Re- 
gierung Hess in aufgedungenen Journalen — die an- 
deren durften darüber überhaupt nicht schreiben — 
die Sache so darstellen, als ob an allem nur die 
Juden schuld wären ; 2) damit hoffte man vielleicht die 
Bewegung auf ein anderes Object abzuleiten. Es wurde 
auch eine Commission eingesetzt, welcher nicht allein 
das Geschäft der Strafe gegen die Rädelsführer, son- 
dern auch die Untersuchung der Lage der Arbeiter 
und der Quellen ihres Elendes oblag. Damit war man 
im Vormärz in Oesterreich jederzeit sofort zur Hand, 
und wenn sich sociale und politische Gebrechen durch 
die Einsetzung von Hofdeputationen, Conferenzen und 
Commissionen heilen Hessen, so wäre es wohl nie zur 

Zenker: Wiener Revolution. • 



— 98 — 

Revolution gekommen. Aber auch die Prager Com- 
mission kam — wie alle ihresgleichen — nie über das 
in Oesterreich so hoch in Ehren stehende Stadium des 
Studiums hinaus. Schon in dem darauffolgenden Jahre 
1845 hegte man in Wien Besorgniss, es könnte zu ähn- 
lichen Soenen kommen, da die Weber und Shawlfabri- 
kanten mehr als die Hälfte ihrer Arbeiter zu entlassen 
genöthigt waren. Die Regierung forderte daher den 
Bürgermeister auf, zu berichten, „ob wirklich gegrün- 
dete Besorgnisse für die öffentliche Ruhe wegen Ueber- 
handnehmen der Erwerbslosigkeit obwalten". Die 
Polizei soll sogar im Interesse der öffentlichen Ruhe 
und Ordnung eine behördliche Lohnregulirung für 
Gesellen und Lehrlinge oder eine obligatorische Be- 
schränkung in der Aufstellung von Maschinen in Vor- 
schlag gebracht haben. •^) Die Regierung ging jedoch 
darauf nicht ein und begnügte sich, den Bürgermeister 
anzuweisen, er möge den Fabrikanten zu Gemüthe 
führen, dass sie im Staate eine ehrenvolle und meist 
gewinnreiche Existenz gefunden haben, dass sie sich 
daher aufgefordert fühlen dürften, so viel in ihren 
Kräften liegt, beizutragen, dass der öffentlichen Ver- 
waltung keine Verlegenheiten bereitet werden. 

Im Jahre 1846 rumorte es an mehreren Punkten 
des Reiches. In Böhmen, und zwar an verschiedenen 
Orten, in Prag, Pilsen, Komotau, Eger und anderwärts^ 
waren neuerliche Arbeitertumulte ausgebrochen, welche 
gewaltsam niedergeschlagen werden mussten. 

Auch der Polenaufstand des Jahres 1846 deckte 
die socialen Wunden des Landes auf. Der Adel suchte 
das Volk in den Kampf für die nationale Wiedergeburt 
Polens mitzureissen; allein, die nationale wie die 



— 99 — 

sociale Kluft zwischen der polnischen Schlachta und 
dem ihr unterthänigen ruthenischen Bauer war eine 
unüberbrückbare; und da der Adel bei der Robot- 
aufhebung nur mit halbem Herzen war, ja der Eman- 
cipation des geknechteten Bauernstandes geradezu 
feindselig gegenüber stand, erhob der ruthenische 
Bauer seine Sense sogar gegen den Adel. Unter den 
masurischen Bauern nahm der Aufstand unter der 
Führung Szela's direct socialistische Formen an; Szela, 
einer jener fanatischen slavischen Socialreformatoren, 
deren Horizont der primitive CoUectivismus der slavi- 
schen Dorfgemeinde bildet, wollte nichts Geringeres 
als die Macht des Adels brechen und den Besitz des- 
selben zum Eigenthume der Bauerngemeinde machen. 
Die Jacquerie ging in dem Blutbade mitunter, in welchem 
der polnische Aufstand selbst erstickt wurde. ^) 

Im Jahre 1847 kam es, wie bereits erwähnt wurde, 
auch auf dem flachen Lande von Niederösterreich zu 
blutigen Zusammenstössen zwischen dem Militär und 
den Bauern, welche die weitere Leistung der Frohn- 
dienste verweigerten. Dieses Jahr, mit seiner über den 
ganzen Continent und über England reichenden Krise 
fand den Landmann, den Handwerker, den Fabrikanten, 
den Arbeiter, alle, alle in dem trostlosesten Zustande; 
Missernten hatten mangelnde Nachfrage nach Manu- 
factur- und Fabrikserzeugnissen zur Folge, Gewerbs- 
leute und Fabrikanten konnten ihre Waare nicht los- 
bringen und stellten den Betrieb ein, Massen von 
Menschen wurden arbeitslos."^) Der Erwerb wurde ge- 
ring, die Lebensmittelpreise schössen, wie wir früher 
gezeigt haben, fieberhaft in die Höhe. In dieser Zeit 
mehrten sich in Wien die Symptome einer abnorm 

7* 









— 100 — 

zunehmenden Armuth immer auffallender. Der Strassen- 
und Massenbettel nahm in erschreckender Weise über- 
hand, die öffentliche Sicherheit war in dem Masse ge- 
fährdet, dass Raubanfälle auf offener Strasse nicht 
selten waren, die sogenannten „Kappelbuben'* oder 
„Strawanzerbuben'', Bursche, welche durch Hunger 
und Arbeitslosigkeit eben auf die Wege des Verbrechens 
getrieben wurden, bildeten den Schrecken der Glacien 
und Stadtgräben, das Laster ging beim Tage bloss. 
Der harte Winter des Jahres 1847 steigerte die Notli 
ins Riesenhafte, Ungeheuerliche. 

Unter dem Eindrucke des massenhaft über die 
Strassen schleichenden Jammers, der ungestüm an die 
Thore der Reichen pochenden Armuth, wurde von 
etwas klarer sehenden Industriellen und Geschäfts- 
leuten der schon erwähnte Verein zur Ausspeisung 
der Armen mit Rumfordersuppe, Brot u. dgl. be- 
gründet. Allein, das karge Almosen brachte die Hun- 
gernden erst recht zum Bewusstsein ihres namenlosen 
Elends und weckte noch mehr das Bestialische in dem 
Wesen dieser Aermsten, so dass es im März 1 847 wiederholt 
in Fünfhaus, Sechshaus und Gaudenzdorf zu gefähr- 
lichen „Brotrummeln" und Plünderungen von Bäcker- 
und Fleischerläden seitens des Proletariates kam. 

Der damalige Bürgermeister Czapka wies in einer 
geheimen Vorstellung an die Regierung auf die „beun- 
ruhigenden Symptome einer Arbeiterbewegung'' und 
auf eine „drohende sociale Gefahr" hin. Allein, die 
Regierung wusste sich ebenso wenig Rathes wie der 
Bürgermeister. Man ordnete an der Wien und im 
Prater Erdarbeiten an, bei welchen 15.000 Brotlose 
Beschäftigung fanden; aber diese Arbeiten waren 






— 101 - 

ganz überflüssig und zwecklos, konnten daher nur von 
ganz kurzer Dauer sein und nur ganz vorübergehende 
Hilfe bringen. Es war bloss eines der ungeschickten 
Auskunftsmittel in der augenblicklichen Verlegenheit» 
wie sich derer die österreichischen Regierungen seit 
jeher gern zu bedienen pflegen. Dann und wann 
vermochte wohl eine beunruhigende Erscheinung die 
hohen Behörden aus ihrer Lethargie für Augenblicke 
aufzurütteln; sobald aber der erste Schreck über- 
standen war, legte man ruhig wieder die Hände in 
den Schoss, und suchte sich von der Grundlosigkeit 
der Aufregung zu überzeugen. 

Die Frage, ob man sich in den massgebenden 
Kreisen der Beamtenschaft über die Tragweite und 
Folgen der bestehenden Krisen klar war, muss ent- 
schieden bejaht werden. Aus den zahlreichen, zum 
Theile auch im Vorhergehenden angeführten hoch amt- 
lichen Denkschriften und Vorstellungen geht unzwei- 
deutig hervor, dass man sich über die Unhaltbarkeit 
der wirthschaftlichen Zustände keinen Täuschungen 
hingab und das Bedürfniss nach Reformen lebhaft 
empfand. Aber die lächerliche Angst der Hofkreise 
jener Zeit vor Reformen ist ja geradezu sprichwörtlich 
geworden. Reform und Revolution war für sie gleich- 
bedeutend, und deshalb musste es eben zu dem Ge- 
fürchteten kommen, weil das Vernünftige zu allen 
Zeiten unterblieb. Eine andere, weit schwierigere Frage 
ist die nach dem Stande der Ideen über sociale Re- 
formen, welche im Volke selbst verbreitet waren. 

Der vollständige Mangel einer politischen Jour- 
nalistik,^) welche in der Lage gewesen wäre, breite 
Kreise über die thatsächlichen Verhältnisse zu unter- 



— 102 — 

richten und mit den Ideen des Auslandes in Verbin- 
dung zu setzen, sowie die aus den bestehenden Censur- 
verhältnissen erwachsende Schwierigkeit, sich aus 
Büchern über den Stand der socialen Ideen des übrigen 
Europa au fait zu halten — das allein lässt schon 
von vornherein eine besonders extensive und inten- 
sive Verbreitung der socialistischen Ideen in Oester- 
reich ausgeschlossen erscheinen. Freilich, Violand') will 
glauben machen, „dass fast niemand etwas mit Klarheit 
über die Bestrebungen des Socialismus in Frankreich 
wusste. Das Wort Socialismus hatten die wenigsten 
Oesterreicher je einmal gehört. Höchstens diejenigen, 
welche zu den Gebildeten gehörten, kannten den 
Ausdruck, aber nicht seinen Begriff. Man meinte, dass 
Socialismus im Grunde nichts anderes sei als Com- 
munismus, von dem man aber auch nichts wusste, und 
von dem man sich bloss ganz abenteuerliche Vor- 
stellungen machte. Gewiss hielt man aber die socialen 
Bestrebungen für nichts anderes als ein lächerliches 
Product menschlicher Verrücktheit oder Schlechtigkeit, 
und die Reden und Ansichten Enfantin's und Bazard's, 
welche man in der Geschichte der zehn Jahre von Louis 
Blanc fand — welches Werk, obgleich verboten, doch 
sehr viel gelesen wurde und ausserordentlich viel 
Gutes für die Freiheit wirkte — erregten gewaltiges 
Lachen, und es fiel gar niemandem ein, dass das von 
diesen Männern, wenngleich irrig angestrebte Ziel 
ein erhabenes sei, dass, wenn auf irgend eine Weise 
dem socialen Elende nicht abgeholfen werde, die ganze 
Gesellschaft mit sich selbst in den furchtbarsten, zer- 
störendsten Kampf gerathen müsse; es fiel gar nie- 
mandem ein, dass die sociale Frage allein die der 



— 103 — 

Zukunft sein werde, und dass demnach die vollste 
Anerkennung jenen gebühre, welche sich, wenngleich 
irrend mit allem Eifer und mit allem Muthe bemühten^ 
dieselbe glücklich zu lösen'*. 

Diese Behauptungen sind wenigstens in Bezug auf 
die gebildete Classe entschieden übertrieben. Der 
Bücherschmuggel wurde, wie männiglich bekannt, ge- 
rade im Vormärz äusserst schwunghaft betrieben, und 
so gut wie Louis Blanc's Geschichte der zehn Jahre, 
bekam man in Oesterreich auch seine „Reform der 
Arbeit", auch Proudhon's „Widersprüche der National- 
ökonomie'', Lamennai's „Worte eines Gläubigen'* u. a. in 
die Hand. Und wenn man diese Bücher selbst nicht 
erlangen konnte, so verschlang man doch Meissner's 
und Herwegh's, Börne's und Heine's Schriften, und 
sog aus diesen die Ideen des französischen Socialismus 
ein, gleichgiltig, ob dies in schulgerechten Formen 
geschah oder nicht. Wir haben im Laufe dieser Schrift 
wiederholt die anonyme Broschüre eines Oesterreichers, 
offenbar eines Wieners, über die „socialen und politischen 
Zustände Oesterreichs mit besonderer Beziehung auf 
den Pauperismus" (Leipzig 1847) citirt, welche unver- 
kennbar unter dem Einflüsse der christlich-socialen 
Ideen Saint-Simon's und Lamennai's steht; die zahl- 
reichen Wiener Journalisten des Jahres 1848 — allen 
voran Freiherr v. Stifft — zeigten sich mit den Ideen 
Saint-Simon's, Fourier's und Cabet's, Louis Blanc's und 
Proudhon's wohl vertraut, und ganz besonders die viel- 
verbreitete Idee des Phalanstere scheint auch in 
Oesterreich sich bereits vor 1848 gewisser Popularität 
erfreut zu haben, weil sonst die zahlreichen unmittelbar 
nach dem Ausbruche der Revolution auftauchenden 



— 104 — 

Projecte zur Gründung von Gemeinöfen, Arbeiter- 
kasernen u. s. w. nicht leicht erklärlich wären. 

Allerdings dürfte diese Kenntniss der socialistischen 
Ideen nicht sehr tief gedrungen sein, und zumal jene 
Schichten, welchen der Socialismus eigentlich helfen 
will, ganz unberührt gelassen haben. Das zeigte sich 
eclatant darin, dass — als die Demokratie triumphirte 
und die freie Presse die Arbeiterfrage so gut es ging 
zu erörtern begann, die Anwälte der Arbeiterschaft 
durchaus den bürgerlichen Kreisen angehörten. Die 
Wiener Arbeiter besassen im Jahre 1848 nicht nur 
keinen Albert und Proudhon, die wenigen Leute^ 
welche sie der Publicistik stellten, wie Sander und 
Hillisch, wurden an Kenntniss der sogenannten socialen 
Frage wohl von dem ersten besten Pariser Ouvrier 
himmelhoch überragt. Mit einem Worte die Wiener 
Arbeiterschaft, und selbstverständlich mehr noch die 
des übrigen Oesterreich, trat vollkommen unvorbereitet 
in den socialen Kampf ein. Sie besass nicht nur keine 
Organisation, sie besass auch nicht den Begriff und 
die Ahnung von dem Werthe einer Organisation, sie 
hatte kein Ziel, kein utopistisches Ideal, in Folge dessen 
wohl keine socialen Vorurtheile, aber leider auch kein 
Programm. Dass dem so war, ist kein Wunder ; eine Presse 
welche die socialistischen Ideen auch nur hätte kriti- 
siren und bekämpfen dürfen, wurde nicht geduldet, 
ein Coalitionsrecht der Arbeiter, durch welches diese 
auch in intellectuellen Verkehr zueinander getreten 
wären, wurde aufs entschiedenste perhorrescirt, an 
einen Verkehr zwischen dem Proletariate und den ge- 
bildeten Classen, durch welche eine geistige Be- 
fruchtung der Arbeiter durch die letzteren hätte be- 



- 105 — 

werkstelligt werden können, war noch weniger zu 
denken; eine socialistische Agitation, wie sie zu gleicher 
Zeit in der Schweiz oder in den deutschen Rhein- 
gegenden florirte, hätte die österreichische Re- 
gierung zuverlässig im Blute der Tollkühnen ertränkt, 
welche sich erdreistet hätten, in Oesterreich etwa 
Filialen des Communistenbundes zu errichten;®) den 
directen Import der deutschen und französischen sociali- 
stischen Ideen durch wandernde Gesellen wusste man 
durch Wanderverbote nach der Schweiz und Frankreich 
zu verhindern, und die fast ausnahmlos crasse Unbildung 
der Arbeiter schloss auch jene Mittel und Wege, sich 
über die sociale Frage zu unterrichten, aus, welche 
die Gebildeten im Volke gewählt hatten. So kam es, 
dass die Abschliessung des österreichischen Proletariates 
von den gesellschaftlichen und wirthschaftlichen Reform- 
bestrebungen des übrigen Europa eine vollständige war. 
Es ist notorisch, dass auch nicht eine einzige von 
den wegen der böhmischen Arbeiterunruhen von 1844 
in Untersuchung gezogenen Personen in der Schweiz 
gewesen oder im Besitze einer socialistischen Druck- 
schrift betroffen wurde. Die vollkommene Unabhängig- 
keit dieser Unruhen von der in einigen Theilen Deutsch- 
lands und der Schweiz betriebenen socialistischen Agi- 
tation ist vollständig ausser Zweifel gestellt.^) Diese 
Arbeiterrummel waren nicht das Werk äusserer Ein- 
flüsse und nicht der Ausfluss kalter Ueberlegung oder 
fanatischer Begeisterung, sondern die spontane Gegen- 
wirkung auf einen alle Grenzen übersteigenden ma- 
teriellen Druck und weiter nichts. Mit der naiven 
Logik der Naturmenschen kehrten sich die Arbeiter 
gegen die Maschinen, welche die nächste Ursache ihres 



— 106 — 

Unglückes geworden, und zertrümmerten sie in der 
Meinung, damit die Wurzel des Jammers ausreissen 
zu können. Keine Ähnung dämmerte in diesen Leuten 
von dem grossen wirthschaftlichen Hintergrunde, den 
die vor ihren Sinnen sich abspielenden Vorgänge 
hatten, keine Ahnung von den socialen und politischen 
Verhältnissen, welche mit den wirthschaftlichen Zu- 
ständen verknüpft sind, keine Ahnung davon, wie dem 
Hunger und zugleich der tiefen socialen und politi- 
schen Erniedrigung abzuhelfen wäre. 

Und in diese Nacht hinein blitzte der Feuerschein des 
13. März; Adel, Bürger, Student und Bauer, Deutsche, 
Slaven, Magyaren und Italiener sprengten die Fesseln, 
vereinigten ihre Stimme zu dem Rufe nach Befreiung 
aus einer allen gleich unerträglichen Lage zu einem 
Accord, und es wäre nur unnatürlich gewesen, wenn 
in diesen Accord nicht auch ein verwandter Ton aus 
den tiefsten Kreisen der Gesellschaft hineingeklungen 
wäre, wenn am 13. März 1848 nicht auch die Arbeiter 
die Freiheit erkannt und in ihrem Dienste die Erlösung 
von allem Jammer gesehen hätten. Für Viele, welche 
freudig zum Ständehause gezogen waren, wirkte es 
freilich ernüchternd, als sie sahen, dass auch die Be- 
wohner der äussersten Vorstädte den grossen Moment 
für sich reclamirten, und manch Einer hätte wohl schon 
damals viel lieber auf die Glorien der März tage 
verzichtet, als dass er sie jetzt mit dem „Fabriks- 
gesindel" theilen musste. An die Arbeiter hatte nie- 
mand gedacht und als man ihrer vor dem Stände- 
hause ansichtig wurde, waren nur wenige stark genug, 
ihre Nähe nicht als Störung zu empfinden. 



ZWEITES BUCH. 



Die socialen Ereignisse der Revolution. 



Fünftes Capitel. 

Sie sociale Bedeutung der Märztage. 

Alle Schichten der Gesellschaft waren mit Zünd- 
stoffen erfüllt; der sociale Zustand war, auch wenn 
man von den Anlässen rein nationaler und politischer 
Natur ganz absehen wollte, ein unhaltbarer geworden, 
es bedurfte nur eines äusseren Anlasses, um die alles 
verschlingende Krise zum Ausbruche zu bringen, und 
dieser Anlass war die Kunde von der Pariser Februar- 
revolution. 

Auf diese Nachricht hin, welcher bald neue Bot- 
schaften von dem in Deutschland allerorten aus- 
brechenden Sturme folgten, reckte sich in Wien 
nicht bloss die politische Revolution riesengross empor, 
der Februarsturm rüttelte auch den schwerbeweglichen 
Besitz auf, indem er den Schleier hinwegfegte, welcher 
die Fäulniss einer schwindelhaften und ruinösen 
Finanzwirthschaft so lange verhüllt hatte. Die Panik 
der Börse theilte sich dem Publicum mit; mit einem- 
male schienen alle Besitzverhältnisse gefährdet, drohten 
sie in der papierenen Sintf luth unterzugehen, mit welcher 
der Staat unter Zuhilfenahme der Bank in bisher ganz 
uncontrolirter Weise und daher auch in unbekanntem 
Masse den Geldmarkt überschwemmt hatte. Das Bürger- 



— 110 — 

thum wurde von plötzlicher Unruhe erfasst,man drängte 
sich zu den Gassen der Bank, um ihre Noten in Silber 
umzuwechseln, das Metall, welches im Umlaufe war, 
wurde noch mehr dem Verkehre entzogen, und der 
Werth des Papiergeldes noch weiter her abgedrückt; 
die Sparcassen wurden bestürmt von Leuten, die ihre 
Einlagen in Sicherheit bringen wollten, ehe der Staat 
— wie man fürchtete — seine grosse Hand darauf 
legte; die Geschäftsthätigkeit im Grossen zog sich mit 
einem Schlage zurück, im kleinen Verkehre begannen 
sich die Stockungen des Geldumlaufes fühlbar zu 
machen; alle Schärfen der bestehenden wirthschaft- 
lichen Verhältnisse drohten doppelt fühlbar zu werden. 
Hatte das besitzende Bürgerthum, obwohl der 
weitaus wichtigste Stand der Gesellschaft, rechtlich 
aber in der zurückgesetzten Stellung, die ihm eine 
veraltete Gesellschaftsgliederung anwies, schon längst 
jene politischen Reformen gefordert, welche das 
Gleichgewicht zwischen seiner factischen socialen Be- 
deutung und deren rechtlicher Anerkennung bewirken 
sollten, Freiheit der Presse und der Wissenschaft und 
Theilnahme des Bürgerthums an der ständischen Ver- 
tretung, so vermehrte sich dieses Programm nunmehr 
durch einen neuen Punkt, durch das Verlangen nach 
Veröffentlichung des Staatshaushaltes. Der nieder- 
österreichische Gewerbeverein, in welchem der grosse 
Besitz, und der juridisch-politische Leseverein, in 
welchem die Intelligenz vertreten war, diese beiden 
Körperschaften waren es auch, welche dem Sturme als 
Wettervögel voranflogen. Die Demonstration der Bürger 
und Studenten am 13. März vor dem Ständehause und 
alles, was darauf und daraus folgte, war ihr Werk. Es 



— 111 — 

waren die Märztage pur et simple die sociale Re- 
volution der städtischen Bourgeoisie. 

Es konnte jedoch nicht ausbleiben, dass diese Be- 
wegung, wie sie von allem Anfange an durch die Un- 
zufriedenheit aller Stände unterstützt und gefördert 
wurde, auch die Erwartungen aller Stände weckte und 
die Sehnsucht aller Kreise nach socialen Reformen 
nährte. So kam es, dass schon am 13. März unter den 
Stürmen der Herrengasse die Bauernfrage ihr Haupt 
erhob und dass der Ruf nach Aufhebung der Robot 
noch an diesem Tage zu den Fenstern des Landhauses 
emporhallte. Aber auch die Arbeiter waren erschienen, 
um — wo schon niemand an eine eigene Arbeiterfrage 
dachte — doch wenigstens die alte Gesellschaft mit 
über den Haufen werfen zu helfen. 

„An diesem Tage*' — erzählt ein Augenzeuge') — 
„schon zeitig früh, bemerkte ich in der Herrengasse, 
in welcher sich das Ständegebäude befindet, einzelne 
Arbeiter stehen, und ein Riesenmensch, mit einem an 
allen Seiten geflickten Rocke, der ihm sicher nicht an- 
gemessen und für ihn gemacht worden war, bewegte 
sich, die schmutzige Kappe kühn auf ein Auge ge- 
drückt, mit geballten Fäusten, mit leuchtendem Blicke 
und rückwärts gebogener Haltung, ganz schlagfertig, 
wie zum Kampfe herausfordernd, mit Riesenschritten, 
obgleich bedächtig mitten durch die Strasse gegen das 
Ständegebäude hin. In den rückwärtigen Taschen 
musste er eine Menge Steine als Munition tragen, denn 
sein Rock war straff am Rücken gespannt, und man 
sah ihm an, dass er sich Gewalt anthat, um nicht von 
der Last der Taschen rückwärts gezogen zu werden. 
An seiner Seite humpelte eilig, um mit ihm gleichen 



— 112 — 

Schritt zu halten, ein kleiner, untersetzter, schmieriger, 
schon ziemlich bejahrter Mensch mit einem langen 
Rock und mit umgeschlagenen, zu langen Aermeln 
daher. Er war voll bepackt, jede Tasche stand weit 
von ihm, und die hinteren Rocktaschen schlugen fest 
auf die Waden. Als ich diese Leute in diesem Aufzuge 
sah, dachte ich gleich, dass auch die Vorstädte nieder- 
steigen würden, und wirklich so war es.'' 

Agitatoren und Studenten hatten am vorher- 
gehenden Abend die Vorstädte davon verständigt, dass 
es nunmehr „losgehen" werde und dass man sich in 
der inneren Stadt treffen werde. '^) Ein Theil der Ar- 
beiterschaft hatte diesen Ruf vernommen und war ihm 
gefolgt; ein anderer Theil erfuhr von den Vorgängen 
erst, als die Demonstration in der Herrengasse be- 
reits begonnen hatte; alsogleich stellten die Leute die 
Arbeit in den Werkstätten ein und suchten mit eisernen 
Stangen und ähnlichen improvisirten Waffen versehen 
von Thury, Liechtenthal, Altlerchenfeld, strozzischem 
Grund, Margarethen, Hundsthurm, neuer Wieden, Fünf- 
und Sechshaus her gegen die Stadt zu ziehen und den 
Studenten zu Hilfe zu eilen. 

Panischer Schrecken bemächtigte sich der Be- 
völkerung, als sie das „FabrikengesindeP' in vollem 
Anzüge wider die Stadt erblickte. Rasch wurden die 
Stadtthore geschlossen und Geschütze auf die Basteien 
geführt, um einem Sturm auf die Thore wirksam be- 
gegnen zu können. Nur einem kleinen Theile der an- 
rückenden Schaar, einigen hundert Arbeitern war es 
gelungen, schon vorher die Thore zu passiren und in 
die Herrengasse zu gelangen. Hier wirkte ihr ver- 
zweifelter Kampfesmuth, ihre kalte Todesverachtung 



— 113 — 

ohne Zweifel entscheidend auf die Stimmung der an- 
gesammelten erregten Massen.'^) Ohne die Dazwischen- 
kunft dieser Verzweifelten, welche im Kampfe nichts 
als ein des Lebens unwerthes Leben zu verlieren hatten, 
wäre die Bewegung vielleicht über eine loyale Mani- 
festation nicht hinausgekommen. Die Ankunft der Ar- 
beiter entflammte aber den Muth und das Vertrauen 
der Studenten, und riss sie zu den Thaten hin, die 
der Demonstration ihren bekannten, von den Land- 
ständen nicht erwarteten Fortgang gaben. 

Es lässt sich nicht sagen, was an jenem Tage ge- 
schehen wäre, wenn es all den heranrückenden Arbeiter- 
schaaren gelungen wäre, in die Stadt zu dringen und 
sich an dem Kampfe zwischen Volk und Militär zu 
betheiligen. Allein, das Gros derselben kam zu spät 
und fand die Thore bereits geschlossen. Mit der Wuth 
der Verzweiflung versuchten sie die Thore zu berennen, 
beim Schottenthor gelang ihnen das auch, doch hielt 
sie das Militär an dem weiteren Vordringen zurück. 
Beim Burgthor brannten sie die Spaliere nieder, zer- 
trümmerten die Gaskandelaber und legten Feuer an, 
um die Thore zu verbrennen. Als sie die Fruchtlosig- 
keit ihrer Bemühungen erkannt hatten, kehrten sie 
in die Vorstädte zurück, um hier dem einmal er- 
wachten und nicht mehr zu bändigenden Kampfesmuth 
einen Ausweg zu schaffen. Wie Kinder, welche dem 
Gegenstande, an den sie sich gestossen, grollen, 
fielen sie über die Mauthhäuser, die äusseren Wahr- 
zeichen der verhassten und unerträglichen Verzehrungs- 
steuer, her und demolirten sie, zertrümmerten in den 
Fabriken die Maschinen, welche ihnen den Lohn ver- 
kürzten, legten Brand in die Häuser der Fabrikanten, 

Zenker: Wiener Bevolation. 8 



— 114 - 

welche ob ihrer Härte gegen die Arbeiter berüchtigt 
waren ; dagegen brachten sie den wegen ihrer Mensch- 
lichkeit und Leutseligkeit in gutem Rufe stehenden 
und beliebten Fabrikanten Ovationen dar, schützten 
deren Häuser vor Brand und Plünderung, und sahen 
überhaupt strenge darauf, dass die Acte rächender 
Volksjustiz nicht von anderen zu Raub und Diebstahl 
missbraucht würden. 

Der Hauptherd dieser elementaren Vorgänge 
scheinen die vor der Mariahilferlinie gelegenen fabriks- 
reichen Vorstädte Fünfhaus und Sechshaus gewesen 
zu sein. 

In Mariahilf wurde das Liniengebäude gestürmt 
und in Brand gesteckt, die Beamten vertrieben und 
wie es heisst, ein Finanzwächter sogar in die Flammen 
geworfen, in denen er umkam; auch zahlreiche Bäcker-, 
Fleischer- und Krämerläden sollen das Opfer der ent- 
fesselten Volkswuth geworden sein. Vor der Linie 
schaarten sich grosse Rotten von Proletariern zu- 
sammen, um den Krieg in die Fabriken zu tragen. In 
Sechshaus wurden zwei Kattundruckfabriken gestürmt, 
in einer Branntweinfabrik die Fässer angebohrt; das 
Gemeindehaus, in welchem sich das Polizeicommisariat 
befand, wurde demolirt; viele Häuser wurden in Brand 
gesteckt, und als sich der Abend über Wien senkte, 
da kündete der grelle Feuerschein aus den Vorstädten 
den Bewohnern der Stadt, dass sich das ebenso ver- 
achtete als gefür<5htete „Fabriksgesindel" auf dem 
Kriegspfade gegen die vermeintlichen Urheber seines 
Unglückes befinde. Wie zur Verstärkung des furcht- 
baren scenischen Effectes hatten die Arbeiter auf dem 
Glacis die Gasleitungsrohre aufgerissen und das aus- 



— 115 — 

strömende Gas entzündet, so dass Wien von einer 
Waberlohe umgeben war. 

Schrecken erfasste Bürger- und Hofkreise, und 
unter dem Eindrucke dieser Schreckensbilder wurde 
auch die allgemeine Bewaffnung der Bürger und Stu- 
denten noch am Abende des 13. März eingeräumt. Die 
Regierenden glaubten offenbar, das Bürgerthum werde 
durch das hinter ihnen auftauchende rothe Gespenst 
geängstigt und eingeschüchtert über die Bändigung 
des Proletariates die Verfolgung der eigenen Wünsche 
vergessen. Am 14. März forderte eine Kundmachung des 
niederösterreichischen Regierungspräsidenten Johann 
Talatzko Freiherrn v. Gestieticz alle Haus- und Fa- 
milienväter, alle Inhaber von Fabriken und Werk- 
stätten, zu einem einträchtigen und gemeinnützigen 
Zusammenwirken auf, um die herrschenden Unruhen 
zu beseitigen, durch welche „die wünschenswerthe Ge- 
staltung der Dinge gehindert oder doch vielleicht ver- 
zögert werden könnte*'. 

Allein, das Bürgerthum liess sich durch diese 
schmeichlerischen Syrenenklänge nicht verlocken und 
unternahm gegen die Arbeiter nicht mehr, als dass 
es diese von dem Werke der Zerstörung abzubringen 
suchte, welches das wirthschaftliche Elend — wie man 
bald sah -— nur vermehrte statt es lindern zu können. 
Die Studenten verhielten sich den Ausschreitungen des 
Proletariates gegenüber ganz passiv; das Gefühl der 
Solidarität mit den Unterdrückten war bei diesen be- 
geisterten Jünglingen stärker als das der Furcht vor 
der entfesselten bete humaine; vielleicht auch ahnten 
sie schon an jenem Tage, dass die Schaaren dieser 
Arbeiter, deren ganzes Leben ein verzweifelter Kampf 

8» 



— 116 — 

war, dereinst die allzeit schlagfertigen Reserven der 
Freiheit sein würden. In der That wurde durch die aus- 
gesprochen arbeiterfreundliche Haltung der Studenten 
in den Märztagen jenes merkwürdig innige Band ge- 
flochten, welches während der ganzen Revolutionszeit die 
akademische Legion mit der Arbeiterschaft verknüpfte, 
und welches der Aula ihre denkwürdige und gefürch- 
tete Bedeutung verlieh. 

Allerdings ging die Beruhigung der Vorstädte 
nicht ohne Gewalt ab; hunderte von Brandlegern und 
Zerstörern mussten dingfest gemacht werden, einige 
wurden im Handgemenge auch verwundet und sogar 
getödtet. Es währte aber auch mehrere Tage, bis sich 
die empörten Volksmassen beruhigen Hessen. Am 
14. März* berannte eine aus Fünf haus kommende Rotte 
von etwa 50 Personen das Pfarrgebäude von Mariahilf, 
drang in die Wohnung des Pfarrers und zerstörte die 
vorgefundenen Documente und Papiere, bis Grenadiere 
erschienen und die Masse zerstreuten. In Fünf- und 
Sechshaus dauerte an diesem Tage der Kampf gegen 
die Fabriken, und besonders gegen solche, in welchen 
die Perotine stand, fort. Von hier zog sich der Aufruhr 
nach Meidling, Liesing, und Nachmittags traf eine 
Masse von mehr als zweitausend Arbeitern in Mödling 
ein, um hier ihr Werk fortzusetzen. Dem Bürgermeister, 
der sie erwartete, antwortete der Führer der Rotte mit 
Entschlossenheit und Ruhe: „Seit sechs Wochen haben 
wir keine Arbeit und kein Brot; die Maschinen sind 
daran schuld; wir kommen, sie zu zerstören, wenn Sie 
uns daran hindern wollten, so haben wir Helfershelfer 
in Mödling, die sogleich Feuer legen werden, und 
Tausende stehen uns von einer anderen Seite zu Ge- 



— 117 — 

böte. Leisten sie uns aber keinen Widerstand, so wird 
ausser den Maschinen nichts beschädigt werden."^) 
Der Schwärm stürmte hierauf die Fabriken der Firmen 
E. Steiner und Rosenberg, zertrümmerte die Maschinen 
mit einer Art System, alles in Ruhe und Ordnung, 
ohne dass irgend etwas entwendet wurde. Die Bürger- 
schaft verhielt sich demgegenüber ruhig und begegnete 
der aus Wien herbeigeeilten Nationalgarde sogar feind- 
selig. Der Bahnhof der Wien-Gloggnitzer Bahn, wie 
auch der Meidlinger Bahnhof waren tagelang von 
Plündererrotten umkreist und gefährdet. 

Es brauchte lange Zeit, Gewalt und Ueber- 
redung, um die Arbeiter wieder ihrer ruhigen Be- 
schäftigung zuzuführen. Das galt natürlich nur für 
einen Theil, denn ein anderer Theil hatte sich durch 
die Zerstörung der Fabriken und Werkstätten selbst 
brotlos gemacht. Viele Unternehmer, Gewerbe- und 
Handelsleute waren ruinirt und Tausende von sehnigen 
Armen zur Unthätigkeit verurtheilt. Das war die erste, 
unmittelbar in die Empfindung tretende wirthschaft- 
liche Folge der Märztage. Während in der Stadt 
Bürgerthum und Universität im Genüsse ihrer ver- 
meintlichen Errungenschaften schwelgten, herrschte 
in den Vorstädten Bestürzung und Verzweiflung. 

Die Regierung aber war rathlos für den Einen 
wie für den Anderen. Sie wusste ebenso wenig, was in 
politischer Beziehung an die Stelle des Gestürzten 
zu setzen wäre, als was für die vom Fabrikanten bis 
zum letzten Arbeiter herab tief aufgewühlten Verhält- 
nisse des Erwerbes zu thun wäre. Die Abschaffung der 
Verzehrungssteuer auf die noth wendigsten Lebensbedürf- 
nisse war eine gute, aber doch keineswegs ausreichende 



— 118 — 

oder auch nur ausgiebige Massregel. Da man nichts 
besseres wusste und in dem rottenweisen Herumziehen 
der beschäftigungslosen Arbeiter eine imminente 
Gefahr erblickte, griff man zu dem alten Aushilfsmittel 
der öffentlichen Erdarbeiten, einem geradezu verhäng- 
nissvollen Auskunftsmittel, wie wir noch sehen werden. 
„Vor der Hand*' konnte man sich indes damit helfen 
und Tausende von Arbeitern gegen einen billigen 
Lohn bei der Gumpendorferlinie, am Brünnlfeld oder 
im Prater bei zwecklosen Erdarbeiten unterbringen. 

Es braucht kaum erst hervorgehoben zu werden, 
dass auch in der Provinz die Bewegung, die sich wie 
ein Waldbrand von Wien aus fortpflanzte — die un- 
teren Classen ergriff; in Prag gab es bis spät in den April 
hinein Arbeiterrummel, in Graz und Linz Arbeiter- 
excesse. Stürme auf die Mauthen und Linienämter, wohl 
auch auf Bäcker- und Fleischerläden; die Bewegung 
war eine allgemeine, aber sie trat auch überall in 
gleich primitiver Form auf und war mehr gegen die 
in die Sinne fallenden Symptome, als gegen die Ur- 
sachen gekehrt, die man nicht kannte, und über die 
man nicht nachdachte. 

Besonders aber war es die bäuerliche Bevölkerung, 
welche bei den Botschaften, welche aus Wien kamen 
und den Anbruch des Freiheitsmorgens verkündeten, 
wie aus schweren Träumen erwachte. Wie die Arbeiter 
in den Städten, erhofften die Bauern am Lande von 
der jungen Freiheit zunächst die Beseitigung des- 
jenigen, dessen ungerechten Druck sie sinnlich am 
stärksten empfanden. Ohne sich vorläufig gegen das 
Unterthansverhältniss selbst zu kehren, aber auch 
ohne sich in rechtliche Weiterungen einzulassen, lehnten 



— 119 — 

die Bauern klipp und klar die Leistung von Robot 
und Zehent ab, stellten sie einfach ein. Nicht überall 
kam es aus diesen Anlässen, wie im Mürzthal in Ober- 
steieif an einigen Orten Krains und Böhmens, sowie 
auch an einzelnen Punkten Niederosterreichs zu aus- 
gesprochenen Bauer nunruhen; aber die Weigerung der 
Bauern, Robot zu leisten und ihre directe Forderung 
nach Aufhebung derselben war ganz allgemein. 

Die Regierung antwortete auf diese Forderungen 
mit einem Hofkanzleidecrete vom 27. März, durch 
welches zur Beförderung des Robot- und Zehent- 
ablösungsgeschäftes gestattet wurde, „dass die Obrig- 
keiten diejenigen Rustical- und Domesticalgrundstücke, 
welche sie als Entgelt für die abgelösten Robot- und 
Zehentschuldigkeiten von ihren Unterthanen über- 
nehmen, wenn sie solche nicht in eigener Benützung 
behalten können oder wollen, wieder an Unterthanen 
veräussern dürfen, ohne dabei an die Beschränkungen 
der Grundzerstückungsvorschriften gebunden zu sein'\ 
Dieselbe Ausnahme sollte auch den Unterthanen zu 
Statten kommen, wenn sie, um sich die zur Robot- 
und Zehentablösung nöthigen Geldmittel zu beschaffen, 
ihren Rustical- oder (emphyteutischen) Dominicalgrund- 
besitz an andere Unterthanen veräussern wollten. In- 
dem die Regierung an dem von dem früheren Regime 
überkommenen Gedanken der Robot- und Zehent- 
ablösung festhielt, kam sie in die wunderliche Lage, 
dieses Decret für eine zeitgemässe Massregel zu halten, 
obwohl dasselbe als den Preis der Befreiung von einer 
unerträglichen Last, die Verschleuderung des Besitzes 
festsetzte und offenbar die Bereicherung der Stärksten 
auf Kosten der Schwächsten bedeutete. Man kann nicht 



— 120 — 

oft genug darauf hinweisen, dass nicht die wirthschaft- 
liehe Freiheit, sondern gerade das zähe, eigensinnige 
Festhalten an den überlebten, mittelalterlichen Formen 
der Wirthschaft dem Volke die tiefsten Wunden soialug^ 
Wunden, welche so brandig waren, dass sie später 
allerdings auch die freie und gesunde Luft einer neuen 
Epoche nicht mehr gänzlich heilen konnte. 

Die österreichische Regierung — und auch die Regie- 
rungen des Jahres 1848 verleugneten keinen Augen- 
blick die altangestammten Erbübel des alten öster- 
reichischen Herrschaftssystems — die österreichische 
Regierung der ersten Revolutionsperiode hütete sich, 
präjudicirliche Massregeln zu treffen und radicale 
Entscheidungen zu fällen; sie befolgte vom ersten Tage 
an, wo die Absicht einer gewaltsamen Niederwerfung 
der Wiener Revolution gescheitert war, eine dila- 
torische Taktik, um im geeigneten und sehnsüchtig 
erhofften Momente den Rückzug antreten zu können, 
ohne das Odium des Wort- und Treubruches auf sich 
nehmen zu müssen. Man liess sich daher schrittweise 
die Concessionen abringen und erhielt so die Revolu- 
tion in Permanenz. 

Es war nur natürlich, dass das oben citirte Decret 
niemand für eine Erfüllung des laut geäusserten Wun- 
sches nach Aufhebung der harten, auf den Grundbesitz 
drückenden Lasten hielt. Die Länder trachteten daher 
im eigenen Wirkungskreise weiter zu gehen. Am 
11. April machte ein kaiserliches Patent auf Antrag 
der niederösterreichischen Stände das Zugeständniss, 
dass vom 1. Januar 1849 an Stelle aller auf Grund 
und Boden haftenden, aus dem Obereigenthums- und 
Zehentrechte entspringenden Natural- und Arbeits- 



— 121 — 

leistungen eine Geldleistung zu treten habe, welche 
durch ein von den niederösterreichischen Ständen . aus- 
zuarbeitendes Gresetz bestimmt werden solle. Bis dorthin 
sollten, sofern keine freiwilligen Uebereinkommen über 
die Ablösung des Naturaldienstes zu Stande kommen, 
die Naturalgiebigkeiten bis zum Schlüsse des Jahres 
in der bisherigen Art pflichtmässig geleistet werden. 

Der steierische Landtag forderte gleichfalls, dass 
vom 1. Januar 1849 an alle auf Grund und Bo- 
den haftenden, aus dem Obereigenthums- oder Zehent- 
rechte entspringenden, sowie die denselben gleich- 
gehaltenen wie immer Namen habenden Natural- und 
Arbeitsleistungen in eine billige Geldentschädigung um- 
gewandelt würden ; diesem Wunsche wurde für Steier- 
mark gleichfalls durch ein kaiserliches Patent vom 
11. April entsprochen. Am 15. April fand jedoch unweit 
Mürzzuschlag eine Bauernversammlung statt, der etwa 
600 Grundbesitzer beiwohnten, und in welcher eine 
definitive Regelung des grundherrlichen und bäuer- 
lichen Verhältnisses peremptorisch gefordert wurde.^) 

Auch die Tiroler Stände forderten, da die Robot 
im Lande nicht bestand, die Ablösung des Zehents. 

Die galizischen Stände waren, wie schon berichtet, 
bereits früher besonders eifrig für die Regelung der 
landwirthschaftlichen Verhältnisse eingetreten. In der 
Adresse der Galizianer, welche am 6. April über- 
reicht ward, wurde u. a. ausdrücklich „die Befreiung der 
bisherigen Grundholden von den Frohnen und Unter- 
thansschuldigkeiten, sowie die Ertheilung des Eigen- 
thums der Rusticalgebühren an die bisherigen Grund- 
holden im ganzen Lande'' gefordert. Am 17. April 
erschien das kaiserliche Patent, welches für Galizien 



— 122 — 

die Aufhebung aller Roboten und sonstigen Leistungen 
vom 15. Mai 1848 angefangen decretirte. Die Grund- 
herren wurden zur Entschädigung dafür der aus dem 
grundherrlichen Verhältnisse entspringenden und auf 
ihnen ruhenden Lasten enthoben, welche Erleichterung 
als einem Drittel des Robotverlustes gleichkommend 
berechnet wurde ; für die beiden anderen Drittel sollte 
die Grundherrschaft mit ihren Entschädigungsansprü- 
chen theil weise an den Unterthan, theilweise an den 
Staat gewiesen werden. Es gab aber in Galizien zahl- 
reiche Grundherren, welche ihren Unterthanen die 
Robot ganz schenkten. 

In ähnlich friedlichem Sinne suchten die Provinzial- 
landtage von Krain, Mähren und anderen Ländern die 
Frage im eigenen Wirkungskreise zu lösen; allein, eine 
definitive Lösung lag in allen diesen Entscheidungen 
nicht und konnte in ihnen nicht liegen, weil die Rege- 
lung jedes einheitlichen Gesichtspunktes entbehrte 
und weil vor allem die rechtliche Existenz und Macht- 
befugniss dieser ständischen Provinzialvertretungs- 
körper durch die Revolution vollkommen in Frage 
gestellt war und ihre Beschlüsse daher keine bindende 
Kraft besassen, später vom constituirenden Reichstage 
auch angefochten wurden. Die Schritte, welche zur Rege- 
lung der Grundbesitzfrage im März und April gethan 
wurden, bildeten bei allem guten Willen, eben weil sie 
nicht radical genug waren, eben nur eine Anweisung 
der Bauern an die radicalen Parteien. Die Revolution 
musste naturgemäss weitergehen und ging weiter. 

Auch in Wien und selbstverständlich auch in 
anderen Hauptstädten von ähnlicher gesellschaftlicher 
Structur gewann unmittelbar nach den Märztagen 



— 123 — 

neben den scheinbar alles dominirenden politischen 
Problemen, auch die sociale Frage greifbarere For- 
men, körperliche Umrisse, und zwar war es die 
Arbeiterfrage, die sich vorerst in den Vordergrund 
schob. Waren schon vor dem Ausbruche der Revo- 
lution in Wien viele Arbeiter ohne Beschäftigung, weil 
zahlreiche Fabrikanten in Folge der Geschäftsstauung 
ihren Betrieb eingestellt oder herabgemindert hatten 
so nahm in Folge der Bewegung die Zahl der Arbeits- 
losen rapid überhand; waren es doch die Arbeiter 
selbst, welche durch die unvernünftige Zerstörung von 
Maschinen und Fabriken zahlreiche Unternehmer ge- 
zwungen hatten, ihren Betrieb einzustellen. Die Masse 
dieser Arbeitslosen wurde durch einen starken Zuzug 
aus den gewerblichen Hilfsarbeitern verstärkt, welche 
durch den Ruin zahlreicher kleiner Geschäfte erwerbs- 
los geworden waren. 

Wie die Regierung wenigstens provisorisch für 
die Beschäftigung dieser für die Ruhe der Gesellschaft 
äusserst gefährlichen Massen sorgte, wurde bereits ge- 
sagt. Es wäre schwer, aus vielen Möglichkeiten eine 
herauszufinden, welche verbindlicher in principieller, 
gefährlicher in praktischer Hinsicht, verderblicher 
für die Arbeiter selbst hätte sein können, als es 
die nutzlosen und zum Theile auch wirklich zweck- 
losen Erdarbeiten im Prater und an der Wien waren. 
Man hatte das Wenigste zu gewähren versucht und 
man hat das Meiste gegeben, das „Recht auf Arbeit" 
garantirt, oder wie sich schon nach wenigen Tagen 
zeigte, das mit dem „Rechte auf Arbeit" gleich- 
bedeutende „droit ä la paresse". Der Unfug und 
Müssiggang, der bei den Erdarbeiten getrieben 



— 124 — 

wurde, war so auffällig, dass er auch seitens der Zeit- 
genossen von keiner Seite ernstlich in Abrede ge- 
stellt wurde. Die Verlockung, gegen einen ansehn- 
litjhen Taglohn im Prater in Gesellschaft müssig zu 
gehen, war natürlich gross und entzog den industriellen 
Unternehmungen und Gewerben noch mehr Arbeits- 
kräfte, während der Staat und die Stadt zu einem 
wirthschaftlich ganz unproductiven Zwecke Unsummen 
verausgabte, ohne dass der angestrebte nächste Zweck 
auch nur in irgend einem Punkte erreicht wurde. 

Die sociale und politische Gefahr, welche man von 
Seite der Arbeiter fürchtete, war damit nicht nur nicht 
beseitigt, sondern eher gesteigert, wie ja die August- 
rummel nachträglich schlagend bewiesen. 

Es ist klar, dass diese Vorgänge, die schon im 
April ziemlich scharf zu Tage traten, auch auf die in 
der Arbeit verbliebenen Arbeiter und auf ihr Ver- 
hältniss zu den Unternehmern nicht ohne Einfluss 
bleiben konnten. Auch wenn die Nachricht, dass in. 
Paris die Arbeitszeit auf zehn Stunden herabgesetzt 
worden sei, nicht in die breiten Massen gedrungen, 
wäre — die Wiener Zeitungen des Jahres 1848 brachten 
wenig thatsächliche Nachrichten und die sociale Be- 
wegung in Wien war ganz originärer Art — die blosse 
Einsicht von der gesteigerten Bedeutung der Arbeiter- 
schaft auf der einen Seite, die Furcht vor weiteren 
Ausschreitungen auf der anderen Seite, musste For- 
derungen und Concessionen in Bezug auf die Arbeits- 
bedingungen zur nothwendigen Folge haben. 

Die Wien-Gloggnitzer Eisenbahngesellschaft setzte 
die tägliche Arbeitszeit in ihrer Maschinenfabrik und 
in ihren Werkstätten unmittelbar nach den Märztagen 



— 125 — 

„in Anerkennung des ruhmwürdigen Benehmens ihrer 
Arbeiter'' auf zehn Stunden herab und die übrigen 
Eisenbahndirectionen folgten sofort diesem Beispiele. *) 
Die öffentliche Meinung, welche diesen Schritt in der 
dankbarsten Weise aufnahm, bildete bald einen hin- 
reichenden Druck, um auch zahlreiche Fabriksbesitzer 
zu der gleichen Concession zu vermögen. Wo die Fa- 
brikanten nicht aus eigenem, freiem Willen und besserer 
Einsicht gewährten, traten die Arbeiter fordernd 
auf mit Petitionen, die entweder an die Unternehmer 
oder an die Regierung gerichtet waren. So machten 
Anfangs April die Seidenzeugweber eine Eingabe beim 
Ministerium, dass dieses den Fabrikanten im Gesetzes- 
wege die Erhöhung und Feststellung des Lohnes und 
die Abschaffung gewisser Missbräuche anordne. Ein- 
zelne Fabrikanten besserten in der That den Lohn 
um 10% auf, die Mehrzahl scheint jedoch hart ge- 
blieben zu sein.') Die Kattundrucker und Form Stecher 
stellten als Forderungen auf: Einschränkung des Lehr- 
lingsunfuges, so zwar, dass immer nur auf fünf Ar- 
beiter ein Lehrling komme, und bessere Ausbildung 
der Lehrlinge; Herabsetzung der Arbeitszeit auf zehn 
Stunden, Bestimmung des Arbeitslohnes nach dem 
Ausmasse der geleisteten Arbeit, jedoch so, dass der 
wöchentliche Verdienst nicht unter 7 fl. C.-M. beträgt, 
Festsetzung eines Verhältnisses zwischen der Zahl der 
Maschinen (Perrotinen) und der Handdrucker (es sollte 
ebenso viel Waar e durch Handdrucker als auf der Perrotine 
erzeugt werden) und endlich Fürsorge für die Kranken 
und Invaliden, Errichtung eines Gremiums u. s. w.^) 
Es ist ganz selbstverständlich, dass gerade jene 
Arbeitergruppe, welche einzig und allein schon im 



— 126 — 

Vormärz eine Fachorganisation zuwege gebracht 
hatte, dass die Buchdrucker gleichfalls mit ganz be- 
stimmten und decidirten Forderungen an die Prin- 
cipale hervortraten. In einem am 1. April beschlossenen 
Promemoria wurde verlangt: Erhöhung des Lohnes 
für Setzer, Drucker und Schriftgiesser nach dem Mass- 
stabe eines Wochenverdienstes von 7 bis 8 fl. C.-M., 
Beschränkung in der Aufnahme von Lehrlingen, so 
dass auf vier Subjecte nur ein Lehrling käme, Ab- 
schaffung der weiblichen Arbeiter bei den Maschinen und 
bei der Manipulation, Regelung der Maschinenarbeit und 
Feststellung eines Verhältnisses zwischen Hand- und 
Schnellpressen (3 : 1), zehnstündige Arbeitszeit und 
Sonntagsruhe. Die Typographen setzten in dem gleich- 
zeitig den Principalen wie dem Ministerium des Innern 
vorgelegten Promemoria eine Präclusivf rist fest, binnen 
welcher die Forderungen erfüllt sein müssten. Diese 
Frist wurde von den Principalen zwar nicht ein- 
gehalten, auch hatte es mit der Erfüllung des ganzen 
Wunschzettels seine guten Wege, allein, der Annahme 
des von den Typographen aufgestellten Preistarifes — 
wohl des ersten in Oesterreich — wagte sich die Mehr- 
zahl nicht zu widersetzen, und auch in Prag, Brunn 
und Pest setzten die Druckergehilfen ähnliche Lohn- 
tarife durch. ^) 

In den ersten Tagen des April ertrotzten sich die 
Arbeiter der Nordbahn und Staatsbahn eine Ver- 
minderung der Arbeitszeit ; fast gleichzeitig begehrten 
und erhielten auch die Arbeiter der Salm'schen Eisen- 
giesserei unter den Weissgärbern Herabsetzung der 
Arbeitszeit. Mitte April gährte es abermals unter den 
Nordbahnarbeitern, welche durch die Prager Arbeiter 



— 127 — 

aufgestachelt, die Wahl ihrer Vorgesetzten, Antheil am 
Gewinne, Lohnerhöhung u. s. w. begehrten. Man sieht^ 
die Forderungen schritten aufwärts, und nicht immer 
war es auch dem humansten Unternehmer möglich^ 
die Wünsche seiner Arbeiter zu erfüllen. 

Schwieriger vielleicht noch gestalteten sich die 
Verhältnisse in den handwerksmässigen Betrieben ; 
selbst wenn die Meister die gute Absicht hatten, den 
Wünschen der Gesellen Rechnung zu tragen, so war 
ihnen das durch die Ungunst der Wirthschaftslage 
nichts weniger als leicht gemacht. Allein, die Gesellen 
waren nicht minder energisch, Ende März und Anfangs 
April hielten sie zunftweise oder auch gemeinsame 
Versammlungen in grosser Zahl ab, in welchen die 
Postulate und Beschwerden formulirt wurden; mit 
fliegenden Fahnen zogen sie vor die Innungshäuser 
und drohten wohl auch mit dem Strike, im Falle 
ihre Wünsche nicht Erfüllung fänden. Der Tenor der 
Forderungen war ähnlich demjenigen der Fabriks- 
arbeiter; so verlangten die Maurer beispielsweise 
humanere Behandlung durch die Poliere, Aufnahme 
zur Arbeit für längere Dauer (nicht mehr wie bisher 
von Tag zu Tag) und 14tägige Kündigung, Gleich- 
stellung des Taglohnes für sämmtliche Arbeiter, Ver- 
kürzung der Arbeitszeit und Erhöhung des Lohnes^ 
Verwaltung der die Gesellen betreffenden Angelegen- 
heiten der Innung durch die Gesellen selbst u. s. w. 
Die Schneider verlangten gleichfalls Verrechnung der 
Gelder ihrer Innungsfonds durch die Gesellenschaft, 
Herabsetzung der Arbeitsdauer, Erhöhung des Lohnes 
auf 1 fl. C.-M. pro Tag und Abstellung der gewerbs- 
mässigen Verfertigung von Kleidern durch Frauen- 



— 128 — 

Zimmer. Aehnliche Forderungen stellten die Bauarbeiter, 
Tischler, Schmiede- und Bäckergehilfen und andere Hand- 
werksarbeiter; die wichtigsten ihrer Wünsche fanden 
auch, wenngleich nicht ohne Widerstreben, Erfüllung, 
und mit fliegenden Fahnen und Fackelzügen begrüssten 
die Gesellen dann in der Regel die Nachgiebigkeit 
ihrer Meister und den Sieg ihres solidarischen Vor- 
gehensJ") Nicht selten freilich ging auch die Sache 
nicht so glatt ab, und dann kam es wohl auch zu Auf- 
läufen und stürmischen Scenen, wie bei den Tischlern, 
welche im Unmuthe darüber, dass ihre Petition nicht 
Gehör fand, von ihrer Herberge in die Vorstädte 
zogen und die Gesellen zwangen, sich ihnen anzu- 
schliessen und die Petition durchzudrücken, was denn 
auch nach einigen gewaltthätigen Auftritten in Breiten- 
feld, Alsergrund und Landstrasse in wenigen Tagen 
gelang. 

Versuchen wir das, was von Seite der Arbeiter- 
schaft zu Beginn der Bewegung gefordert wurde, in 
allgemeinen Sätzen zusammenzufassen, so erhalten wir 
folgendes sociale Programm der Arbeiterbewegung 
in den Märztagen: 

1. Lohnerhöhung, Festsetzung eines Minimallohnes, 
unter Aufrechterhaltung des Accordsystems. 

2. Herabminderung der Arbeitszeit auf höchstens 
zehn tägliche Arbeitsstunden (eine Maximalarbeitszeit, 
die damals in Wien so ziemlich allgemein eingehalten 
wurde). 

3. Einhaltung einer Kündigungsfrist. 

4. Einschränkung des Lehrlingsunwesens und Für- 
sorge für die bessere Ausbildung der Lehrlinge. 

5. Einschränkung der Frauenarbeit. 



— 129 - 

6. Feststellung eines Verhältnisses zwischen Hand- 
und Maschinenarbeit. 

7. Fürsorge für Kranke und Invalide. 

8. Autonome Verwaltung der Hilfsfonds durch die 
Arbeiterschaft. 

9. Humane Behandlung der Arbeiter durch Unter- 
nehmer und Vorgesetzte.^^) 

Dies waren die Programmpunkte, welche der Ar- 
beiterschaft und ihren Freunden in den ersten Wochen 
und Monaten der Revolution mehr oder minder klar 
vor Augen schwebten. An eine Organisation der 
Arbeit oder gar an eine Neuorganisation der Gesell- 
schaft dachte eigentlich niemand; was da verlangt 
wurde, glaubte man auf dem Boden der Humanität 
und Gerechtigkeit 'erreichen zu können. Und in der 
That, wie bescheiden, wie altväterlich, wie conservativ, 
fast möchte ich sagen, wie reactionär nimmt sich dieser 
radicalste Wunschzettel aus dem Jahre 1848 aus, wenn 
man ihn neben dem Desiderar einer modernen Ar- 
beiterpartei hält? Und gleichwohl bedeutete dieses 
Programm zu seiner Zeit eine Revolution der Wirth- 
sch^ftsverhältnisse, welche nicht geringer war als die 
politische Revolution, die sich eben vollzog, ja mehr 
die genaue Durchführung dieses Programmes wäre 
gleichbedeutend mit dem Ruin zahlreicher Unternehmer, 
gewiss aber mit dem Ruin der meisten kleinen Meister 
aus dem Gewerbestande gewesen. 

Diese kleinen Meister hatten schon vor dem Ausbruch 
der Revolution einen harten Kampf um ihren Bestand 
zu kämpfen gehabt, der Sturm des März hatte viele 
von ihnen einfach hinweggefegt; eine grosse Zahl 
musste, um ihr Gewerbe nur weiter zu betreiben, den 

Zenker: Wiener Revolution. ^ 



- 130 — 

Staat oder die Commune um Hilfe anflehen. Man er- 
wäge selbst, was es für Viele unter solchen Umständen 
bedeutete, wenn die Arbeit obendrein im Preise stieg. 
Es war gewiss nicht bloss die Hartherzigkeit, welche 
die meisten Meister dazu trieb, sich die Zugeständ- 
nisse von den Gesellen erst abtrotzen zu lassen. Am 
1 7. April fand im Odeonsaale eine von kleinen Bürgers- 
leuten ungeheuer besuchte Volksversammlung statt, 
in welcher eine an das Ministerium des Innern zu 
richtende Petition beschlossen wurde, welche die 
257„ige Herabsetzung des Miethzinses und die Be- 
zahlung desselben nicht im vorhinein, sondern erst 
nach Ablauf des Quartales forderte. ' Der Magistrat 
best-and darauf, dass der Georgi-Miethzins gezahlt 
werde wie bisher; „Recht muss Recht bleiben in allen 
Lagen der Gesellschaft, damit wir nicht allesammt 
untersinken in bodenlosen Abgrund' \ Die Behörde 
musste den Widersetzlichen mit gerichtlichen Schritten 
drohen, aber sie sprach auch die Erwartung aus, dass 
die Hausherren Billigkeit üben werden, insbesondere 
gegen ärmere und rücksichtswürdige Miethparteien. 
Das geschah auch thatsächlich in vielen Fällen. 

Allein, welch düsteres Bild der Verarmung, der 
Noth, die weit in die bürgerlichen Kreise hineinreicht, 
tritt hier aus dem schimmernden Dunstkreis hervor, 
welcher die Märztage umgeben hatte. Es war eitel 
Freude, Wonne, Stolz und Zuversicht in den Herzen und 
Köpfen nach dem Sturze des alten Regimentes. Das 
leichtsinnige Wienerthum reichte der echten Begeiste- 
rung die Hand, und in seligem und fröhlichem Ge- 
niessen strichen die ersten von den jungen Blüthen 
eines frühen Lenzes bekränzten Wochen dahin, die 



— 131 — 

gedankenlos glücklichen Flitterwochen der Freiheit. 
Das konnte aber nicht immer so bleiben. Handel und 
Gewerbe stockte, die im Kasten aufbewahrten Spar- 
pfennige waren bald verzehrt, vielleicht auch ver- 
jubelt, und der Bankerott eines grossen Theiles des 
Bürgerthums war eines Tages eine nicht mehr hinweg- 
zuleugnende Thatsache. Da fragte man sich dann ge- 
legentlich auch wieder, was die bisherigen „Errungen- 
schaften" gefruchtet hätten, und bitterer Unmuth zog 
wieder in das Herz der politischen Kinder. 

Mitten in dieser gährenden Situation erschien die 
octroyirte Charte vom 25. April. Das brachte das Rad, 
welches einen Augenblick still gestanden, wieder in 
Schwung. 



Sechstes Capitel. 

Die Mairevolution und der Sieg der Demokratie. 

Wie wenig radical, wie wenig verhetzt, wenn man 
will, in Wirklichkeit, wie wenig revolutionär das Volk 
von Wien und Oesterreich war, bewies die Thatsache, 
dass sich die öffentliche Meinung nicht sofort gegen 
die schwächste Seite der Charte vom 25. April kehrte. 
Sie war eine octroyirte Verfassung, und in einem 
wirklich revolutionären Volke würde ein Sturm des 
Unwillens sie hinweggefegt haben, sie mochte so gut 
oder so schlecht sein, als sie nur wollte. In Wien 
dachte an dieses wesentliche Moment gar niemand, und 
selbst der einzige publicistische Vertreter eines ent- 
schiedenen Radicalismus in jenem Zeitpunkte, Leopold 

9* 



— 132 — 

Hafner in seiner „Constitution" sah über dieses Ge- 
brechen hinweg und liess sich nur auf eine Kritik 
des Inhaltes ein. Ja, in Wien herrschte am Tage der 
Verkündigung der Verfassung sogar Jubel, und 
die Bedenken stellten sich erst nachher ein. Eine 
um so unverzeihlichere Gewissenlosigkeit war es, ein 
Volk, das so gutmüthig ist, sich nach einer erfolg- 
reichen Revolution, ohne Murren eine Charte octroy- 
iren zu lassen, förmlich zu verhöhnen und zu mysti- 
ficiren. 

Die Aprilverfassung war keine Magna Charta liber- 
tatum, und kein modernes Grundgesetz vom Volke 
selbst, oder im Einvernehmen mit dem Volke gegeben; 
sie bot nicht viel mehr als die Verbriefung dessen, 
was die Stände vor dem März vergeblich gefordert 
hatten, die ständische Gesellschaftsordnung in einem 
längst altmodisch gewordenen parlamentarischen Ge- 
wände. Von der Befreiung des Grundes enthielt die 
Aprilverfassung kein Wort, und alle die lasterhaften 
socialen Verhältnisse, welche durch die Grundunter- 
thänigkeit geschaffen wurden, sollten sonach fort- 
bestehen. Den bisherigen Provinzialständen wurde durch 
die Charte ihre alte Einrichtung und Wirksamkeit aus- 
drücklich erhalten. Der Reichstag sollte aus zwei 
Häusern, dem Senat und der Abgeordnetenkammer be- 
stehen. Ersterer, aus 200 Mitgliedern zusammengesetzt, 
von denen 50 durch den Kaiser ernannt, 150 aber von 
den „bedeutendsten Grundbesitzern'' aus ihrer Mitte 
gewählt werden sollten, wäre recht eigentlich eine 
Kammer des Adels, und zwar des Grundadels geworden, 
auf deren Zusammensetzung die Besitzer grosser in- 
dustrieller Etablissements und die grundbesitzende 



— 133 — 

städtische Bevölkerung nur wenig, die bäuerliche Be- 
völkerung aber gar keinen Einfluss hätte üben können. 
Die Abgeordnetenkammer hätte allerdings demgegen- 
über einen wenigstens im Vergleiche mit unserem Ab- 
geordnetenhause*) noch immer sehr liberalen Cha- 
rakter besessen, indem sie wenigstens das famose 
Curiensystem nicht kannte; allein, die Verfassung 
schwieg sich vollständig darüber aus, wie weit oder 
wie eng die Grenzen des activen Wahlrechtes für die 
zweite Kammer gesteckt werden sollten und verschob 
diese Frage auf eine erst versprochene provisorische 
Wahlordnung. 

Diese mit Rücksicht auf den Zeitpunkt höchst ver- 
unglückte Verfassung, die vor dem März wahrschein- 
lich als ein grosser Fortschritt mit dankbaren Händen 
entgegengenommen worden wäre, konnte ausser den 
Anhängern des ständischen Altliberalismus, den Mit- 
gliedern des Grundadels und des wohlhabenden Bürger- 
thums eigentlich niemanden befriedigen: die unteren 
Schichten der Bevölkerung vom kleinen Bürger an- 
gefangen bis zum Arbeiter nicht, weil sie sich in der 
Erwartung eines hohen Census vom Wahlrechte schon 
ausgeschlossen sahen, die Bauern nicht, weil die Grund- 
frage nicht gelöst, sondern auf den ersten Reichstag 
verschoben war, den Kleinbürger nicht, weil die „Con- 
stitution" nicht, wie er, wenn auch mit Unrecht, er- 
wartet hatte, eine Zauberformel zur Erhaltung seiner 
bürgerlichen Existenz enthielt. Dazu kam, dass die In- 



*) Dass unsere dermalen geltende Verfassung noch um einige 
Nuancen reactionärer ist als die April Verfassung vom Jahre 1848, 
die ihr vielfach zum Modell diente, bildet keine Rechtfertigung für 
die letztere. 



— 134 — 

telligenz, die Studenten und das gebildete, politisch 
aufgerüttelte Bürgerthum, in jedem Zuge der octroy- 
irten Verfassung einen Charakter der Reaction er- 
kannten; das Zweikammersystem, der Census, das ab- 
solute Vetorecht des Monarchen, das alles widersprach 
zu grell den durch die Revolution einmal anerkannten 
Principien der Freiheit und Rechtsgleichheit. 

Die Aufnahme der Charte war also eine unfreund- 
liche und die Stimmung gegen sie wurde um so un- 
freundlicher, je länger sich das Volk mit ihrem In- 
halte beschäftigte. Die provisorische Wahlordnung vom 
9. Mai suchte zwar etwas in demokratischere Bahnen 
einzulenken, indem sie von einem Wahlcensus absah 
und das Wahlrecht für die Abgeordnetenkammer bloss 
an die freie Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte 
mit Ausschluss des Dienst- und des wöchentlichen oder 
täglichen Lohnverhältnisses knüpfte. Damit war aber 
die ganze Arbeiterschaft ihrer politischen Rechte mehr 
als es durch irgend einen Census hätte geschehen 
können, weil principiell und an und für sich beraubt. 
Das war einer der unglücklichsten Schachzüge der an 
Abderitenstreichen so reichen Regierungspolitik des 
Jahres 184 8. 

Der Unwille gegen die Aprilverfassung wuchs von 
Stunde zu Stunde und wurde in der Presse und auf 
der Aula kräftig genährt. Die conservativere Gruppe 
der Altliberalen, die im juridisch-politischen Leseverein 
ihren Brennpunkt fanden, löste sich von dem Strome 
los, und eine radicalere Richtung drängte unter neuen 
Devisen vorwärts über die octroyirte Charte hinweg 
zu freieren Zielen. Das Programm brauchte nicht 
doctrinär entwickelt zu werden, es war gegeben. Man 



— 135 — 

war gegen das Zweikammersystem, folglich nur eine 
Kammer; man war gegen den Census, folglich: all- 
gemeines, gleiches Wahlrecht; man war gegen das ab- 
solute Vetorecht des Monarchen, folglich : Souveränität 
des Reichstages; man hatte endlich gesehen, was bei 
einer octroyirten Verfassung herausschaue, folglich: 
Einberufung eines constituirenden Reichstages. Die 
Regierung selbst hatte die Principien der Demokratie 
entwickelt. 

Das war auch das politische Programm, unter 
welchem sich die Mairevolution vollzog. 

Ich muss die äusseren Hergänge der Maitage als 
bekannt voraussetzen und gehe hier nur noch einmal 
die groben Umrisse nach. 

Die Regierung und die der Regierung sich be- 
dienenden Factoren hielten die durch die Aprilver- 
fassung den besitzenden Classen gemachten Con- 
cessionen für hinreichend, dass diese sich mit ihnen 
zur Niederwerfung des hauptsächlich auf die Studenten 
und Proletarier sich stützenden Radicalismus ver- 
bünden würden. Man wollte versuchen, der Heerde der 
Bewegung, der akademischen Legion, des Studenten- 
comites und des Centralcomit^s der Studenten und 
Nationalgarde ledig zu werden und verschmähte es 
nicht, zur Erreichung dieses Zieles den bis dorthin 
unbekannten Ciassengeist heraufzubeschwören. Allein, 
so ganz wollte das Exempel beim erstenmale noch 
nicht stimmen. Einige Compagnien der vorwiegend 
von reichen Leuten bewohnten Bezirke, besonders 
die Stadtgarden gaben sich dazu her, auf die Auf- 
lösung des Centralcomites hinzuarbeiten und so für 
die Regierung die Kastanien aus dem Feuer zu holen. 



— 136 — 

Allein, das ..Gros der Bevölkerung, die Vorstadtgarden, 
Studenten und Arbeiter bildeten eine geschlossene 
Phalanx für dieses revolutionäre Institut; sie waren 
es auch, welche am Nachmittage des 15. Mai die Sturm- 
petition in die kaiserliche Burg veranstalteten mit 
dem Rufe: Zurücknahme der octroyirten Charte vom 
25. April, Einberufung einer constituirenden Ver- 
sammlung in einer Kammer auf Grund des allgemeinen 
Wahlrechtes ohne Census und kaiserliche Anerkennung 
des Fortbestandes des Centralcomites. 

Alles wurde bewilligt, die radicale Richtung hatte 
gesiegt, der Versuch, die für politischen Fortschritt 
kämpfenden Gruppen durch das Classenbewusstsein 
zu trennen, war vorläufig misslungen. Zwar gab es 
neben dem Adel eine kleine Gruppe von Bürgerlichen, 
welchen der aristokratische Zug der Charte besser zu- 
gesagt hätte und die in ihrer Ruhe aufgescheucht 
durch den trotzigen Schritt der Demokratie die „Er- 
rungenschaften' ' des 15. Mai mit nichts weniger als 
freundlichen Blicken verfolgten. Allein, sie trauten sich 
einstweilen nicht mit der Meinung und Opposition 
hervor. 

Da trat der Umschwung ein, hervorgerufen durch 
die bekannte „Spazierfahrt" des Kaisers nach Inns- 
bruck am 17. Mai. In demselben Augenblicke, wo man 
in Wien diese Nachricht vernahm, stand in der „Wiener 
Zeitung'' zu lesen: „Des Kaisers Abreise wäre die 
Flucht Ludwig XVI. und der letzte Tag seines Hier- 
seins wäre der erste Tag der Republik! Der Kaiser 
kann nicht nur in Wien bleiben, er muss hier bleiben!" 
Die „Wiener Zeitung" war damals nicht so sehr Amts- 
blatt als das Organ der gemässigten altliberalen Kreise, 



— 137 — 

der Männer vom Gewerbeverein und juridisch-politi- 
schen LesevereinJ) Was sie da, offenbar in Unkennt- 
niss der Vorgänge in der Hofburg schrieb, war also 
die Anschauung der oberen Bürgerclassen. „Der letzte 
Tag seines Hierseins wäre der erste Tag der Re- 
publik/' Man kann sich denken, mit welchen Gefühlen 
diese Kreise die Nachricht von der thatsächlichen 
Plucht des Kaisers aufnahmen. Man hielt die Republik, 
welche sich der beschränkte Unterthanenverstand des 
Yormärzlers mit allen Schrecknissen der Anarchie, des 
Communismus und der Gütervertheilung auszumalen 
gelernt hatte, für unmittelbar bevorstehend, und als 
in den Vormittagsstunden gar die Nachricht in die 
Stadt drang, zwei radicale Journalisten hätten in 
Gumpendorf die Arbeiter haranguirt, gegen die Stadt 
zu ziehen und eine provisorische Regierung einzusetzen, 
da begann der conservative Sinn der Besitzenden, die 
kurz vorher noch für Freiheit, Gleichheit und Brüder- 
lichkeit brennende Begeisterung zu löschen; eine 
entsetzliche Panik trat ein. Mit scheelen Gesichtern 
blickte man nach den Urhebern des vermeintlichen 
Unglückes, . nach den Studenten und Arbeitern, 
unter denen zahlreiche Verhaftungen vorgenommen 
wurden. Die gesammte, der Aristokratie, Clerisei und 
Spiessbürgerei dienstbare Presse schrie im ungestümen 
Chorus: „Weg mit den Errungenschaften des Mai! 
Meder mit der Demokratie! Fort mit der einen 
Kammer!'' Eines dieser Blätter erklärte seinen Lesern, 
die Sturmpetition sei nichts anderes, als wenn sich in 
einem Dorfe einige Hundert vereinigten, dem Richter 
die Gemeindecasse abzunehmen und das Geld unter 
sieh zu vertheilen. Das zog, das wirkte. Das Bürger- 



— 138 — 

thum, wenigstens das wohlhabende, war bald voll- 
ständig verschüchtert, der Verkehr stockte, die Börse 
blieb am 18. ganz geschlossen, der Geldmarkt machte 
den Eindruck heilloser Verwirrung und Verzagtheit,, 
die bedeutendsten Werthpapiere, die ohnedies nicht 
besonders günstig gestanden, erlitten einen weiteren 
rapiden Sturz, '^) auf die Gassen und Banken entstand 
ein Run,^) und die Lage der Nationalbank war so 
kritisch, dass die „Donau-Zeitung'' — also das Organ 
der Regierung — der Bank den Rath gab, sofort ihre 
Zahlungen einzustellen, die - Zeit und den Plan, in 
welchen die Zahlungen erfolgen sollten, genau zu be- 
stimmen und so einen untrüglichen Nachweis ihrer 
Solvenz vor aller Welt zu liefern. 

Die Anhänger der Aprilverfassung hatten sich 
unter dem Eindrucke der Flucht des Kaisers stark 
gemehrt und ihr Muth, ihre Energie war bedeutend 
gestiegen. Das Gentralcomite löste sich thatsächlich 
auf, und damit schien einer der Hauptherde der demo- 
kratischen Revolution erloschen. Nun galt es noch den 
Kampf gegen die Universität und die Legion, um die 
Wiedereinsetzung der April Verfassung möglich zu 
machen. Der Adel und die höhere Bourgeoisie waren 
sich vollkommen dessen bewusst, dass dies nicht so 
leichten Spieles durchführbar sei; es war daher für 
den Fall des Kampfes alles vorbereitet; vorher wurde 
das Aufruhrgesetz proclamirt und ein Plakat, welches 
die Verkündigung des Standrechtes aussprach, für alle 
Fälle gedruckt. 

Am 26. Mai wurde die Auflösung der akademi- 
schen Legion proclamirt und die Sperrung der Aula 
versucht. Wie dieses unverhohlene Hervortreten der 



- 139 — 

Reaction der privilegirten Stände beantwortet wurde, 
ist wohl bekannt. Die Arbeiter stellten sofort in den 
Werkstätten die Arbeit ein, um in hellen Schaaren 
gegen die Stadt zu ziehen; in den Schriftgiessereien 
wurden Kugeln statt Lettern gegossen ; auf den Bahnen 
wurden die Schienen aufgerissen, um den Zuzug von 
Militär zu verhindern. Vergeblich versuchten es Beamte 
und Pfaffen, die Arbeiter durch das Versprechen 
grosser Geldsummen zu bewegen, gegen die Studenten 
zu kämpfen oder doch wenigstens ihnen nicht zu Hilfe 
zu ziehen.^) 

Die armen Arbeiter blieben aber fest und 
zogen kampfbereit, mit Krampen und Spaten bewaffnet, 
in die Stadt nach der Universität. Die Barricaden 
wuchsen aus der Erde, zwei Tage und zwei Nächte 
glich Wien einem Feldlager; Studenten, Vorstadt- 
garden, d. h. die kleinen Bürger und Gewerbetreiben- 
den und Proletarier bildeten wieder eine Kette, vor 
deren drohendem Anblicke die reactionäre Coalition 
der oberen Classen, ohne einen Schuss zu wagen, in 
sich zusammenbrach und widerspruchslos die gefor- 
derten Garantien gewährte, d. h. die Einsetzung des 
„Ausschusses der Bürger, Nationalgarden und der 
akademischen Legion zur Wahrung der Volksrechte 
und zur Erhaltung der Ordnung und Sicherheit in 
Wien und dessen Umgebung" (Sicherheitsausschuss), 
die Zurückziehung der Truppen aus Wien, die Bestrei- 
tung der Thorwachen gemeinsam durch Militär und 
Garden, die Ausfolgung von 36 Kanonen an die 
Nationalgarde und als Bürgschaft für die Erfüllung 
dieser Forderungen die Stellung von Geiseln (Hye, 
Hoyos, CoUoredo und Montecucolli). 



— 140 — 

Alles wurde bewilligt Die Demokratie hatte einen 
vollen, unblutigen Sieg errungen. 

Das war die Mairevolution, unstreitig der Höhe- 
punkt der Wiener Bewegung des Jahres 1848. Eine 
grosse Epoche ward auf den Wiener Barricaden des 
Mai geboren, aber der grosse Moment fand ein kleines 
Geschlecht. In Wien war thatsächlich die Republik, 
aber leider ahnte dies niemand.*^) Der Kaiser hatte 
fluchtartig seine Residenz verlassen, das Ministerium 
ohne Vertrauen bei Hofe und ohne Vertrauen beim 
Volke war einflusslos und sah seine Tage gezählt, der 
constituirende Reichsrath war noch nicht einmal ge- 
wählt, das Militär, in Folge der Ereignisse in Italien 
ohnedies in wenig achtunggebietender Stärke, hatte sich 
zurückziehen müssen. Der seit dem 20. Mai erwählte 
provisorische Gemeindeausschuss war schon durch den 
Umstand, dass er aus dem engherzigsten Census her- 
vorgegangen war, ein wenig populärer Machtf actor, und 
die zahllosen Reibungen, die zwischen ihm und dem 
Sicherheitsausschuss schon in den ersten Zeiten fühlbar 
wurden, brachten den Gemeindeausschuss nach den 
Gesetzen der Volkslogik bald in den Ruf, die reactio- 
närste und volksfeindlichste Institution zu sein, wodurch 
er zur Einflusslosigkeit verurtheilt war. Der Sicherheits- 
ausschuss dominirte allein über den Trümmern mit 
unbeschränkten Vollmachten; in seiner Zusammen- 
setzung das treue Abbild des Volkes, das ihn auf den 
Barricaden gezeugt, das ihn liebte, mit aller Macht 
ausgestattet hatte und wie eine geschlossene Phalanx 
umgab, war er die einzige Behörde von factischer 
Geltung, ein revolutionäres Tribunal, in dessen Hand 
das Schicksal die Lose OesterreitJhs gelegt hatte. 



— 141 — 

Und was that der Sicherheitsausschuss? Es ist 
nicht unsere Aufgabe, hier die politische Seite dieser 
Frage zu erwägen; wir müssen uns bloss mit der 
socialen Thätigkeit des Ausschusses bekannt machen. 
Die Institution war berufen, ein Wohlfahrtsausschuss 
im eminentesten Sinne zu sein, und es muss gesagt 
werden, dass sich« der Sicherheitsausschuss alle Mühe 
gab, dies auch zu sein, und dass es den in ihm ver- 
sammelten meist jungen Männern gewiss nicht an 
Muth und Ausdauer und redlicher Begeisterung fehlte. 
Man weiss nicht, soll es ein Glück oder Unglück ge- 
nannt werden, dass den Männern des Sicherheits- 
ausschusses hingegen ein klar vorgezeichneter Plan 
vollständig fehlte; der Gedanke eines Wohlfahrtsstaates, 
auch nur in den verschwommenen Umrissen, wie er 
den Männern von 1792 vorschwebte, die Organisation 
der Arbeit und des Wirthschaftslebens überhaupt, wie 
sie die provisorische Regierung in Frankreich eben 
mit geringem Erfolge versucht hatte, solche Ideen 
lagen ihnen fern, es ist schwär zu sagen, ob aus Un- 
kenntniss oder aus Ueberzeugung. 

Das einzige sociale Princip, welches der Sicher- 
heitsausschuss aussprach, war der Grundsatz, dass der 
Staat verpflichtet sei, allen Arbeitsuchenden eine Arbeit 
zu verschaffen oder „falls dies unmöglich wäre, ihnen 
den gewöhnlichen Taglohn auch ohne Arbeit zu geben''. 
Und in Consequenz dieses Satzes setzte der Ausschuss 
eine Art officieller Lohnliste und Arbeitsordnung'*) 
für die bei den öffentlichen Arbeiten Beschäftigten 
fest. Den Gedanken, der in der staatlichen Anerkennung 
eines Rechtes auf Arbeit lag, auszudenken, fiel keinem 
ein: und so wird es ganz unmöglich sein, in die reiche 



— U2 — 

Thätigkeit des Sicherheitsausschusses nachträglich 
einen Plan zu bringen. Dieselbe löste sich in unge- 
zählte Einzelfälle und Interventionen auf; hier galt es 
Arbeitslose zu beschäftigen, dort Streit zu schlichten, 
und ein andermal wieder Ruhe und Ordnung aufrecht 
zu halten. Keine Nacht verging ohne Arbeiterscandal 
und Katzenmusiken, und der Sichei^eitsausschuss war 
die oberste Polizeibehörde. Zahllose Klagen und Be- 
schwerden liefen ein, mit den Bäckern, Fleischern und 
Krämern waren die kleinen Leute sehr unzufrieden, 
und diese Unzufriedenheit konnte leicht gefährliche 
Formen annehmen. Der Sicherheitsausschuss musste 
den Schuldigen strenge zu Gemüthe führen, im Mass 
sich nicht zu vergreifen, die Zuwage nicht allzu reich- 
lich zu bemessen u. s. w. Er war das allgemeine 
Schiedsgericht erster und letzter Instanz. 

Der Obmann des Sicherheitsausschusses war der 
bekannte Demokrat Dr. Fischhof, ein Mann, der die 
allgemeine Achtung und Liebe, die ihn bis ans Grab 
begleitete, in reichstem Masse verdiente ; ein säcularer 
Geist war er freilich nicht, ja nicht einmal ein führen- 
der Geist, und das machte sich am Sicherheitsausschusse 
ftxhlbar. 

Die Seele dieses Ausschusses war ein Student 
Willner, aus Znaim in Mähren stammend, 20 Jahre 
alt, Hörer der Rechte und wegen seiner Beliebtheit 
und seines Einflusses bei den Arbeitern allgemein der 
Arbeiterkönig genannt. „Er besass einen für sein Alter 
bewundernswerthen Scharfblick, ein wahrhaft geniales 
Organisationstalent, natürliche, ausgezeichnete, zum 
Innersten der Seele dringende Volksberedtsamkeit voll 
Gefühl und Kraft und das beste, trefflichste Herz. Er 



— 143 • — 

dachte Tag und Nacht nur an die Befestigung und 
Sicherung der Freiheit und an seine Arbeiter, für die 
er in jedem Augenblicke sein Leben gelassen hätte. 
Er war nicht zu nachsichtig gegen sie, und doch 
liebten und ehrten sie diesen Jüngling wie ihren 
Vater, denn er war gerecht Oft wenn er die Arbeiter 
strenge tadelte und doch bei jedem strafenden Worte 
seine Liebe und Theilnahme für sie hervorleuchtete, 
da vergossen die Wüthendsten Thränen und ver- 
sprachen ernstlichst Ruhe, Ordnung und Fleiss, und 
dann konnte er sich selbst nicht mehr halten und 
mitten unter ihnen trat ihm das Wasser in die Augen. 
Er leitete die Arbeiter wie seine Kinder, und viele 
folgten ihm fast unbedingt. Oft donnerte er gegen 
sie, aber überall war er auch ihr Schützer und 
wärmster Vertheidiger. Dieser zwanzigjährige Willner 
war in socialer Beziehung eine der Hauptpersonen der 
Wiener Revolution, denn von ihm gingen fast alle 
wichtigen Pläne aus, die bezüglich der Arbeiter ins 
Leben traten. Nur während des Bestandes des Sicher- 
heitsausschusses zeigte er seine hohe Thätigkeit und 
geistige Kraft, dann zog er sich wieder wie früher 
bescheiden zurück, und man hörte fast nichts mehr 
von ihm, denn ihm war es nicht darum zu thun, aus 
Eitelkeit oder Egoismus eine Rolle zu spielen, und 
sein Herz war fast gebrochen, da er ungeachtet aller 
Anstrengung sein Ziel: das Glück, die Freiheit und 
die Hebung des Proletariates nicht erreicht hatte.' ' 

Diese Charakteristik des Studenten Willner aus 
der Feder eines der hervorragendsten Radicalen der 
Wiener Revolution und Mitglieder des Sicherheits- 
ausschusses stammend,') ist sie nicht zugleich eine 



— 144 — 

Charakteristik des Sicherheitsausschusses selbst? Viel 
Begeisterung, viel guter Wille und Entschlossenheit, 
wenig praktische Einsicht und keine Klarheit 

Schon Ende Mai bildete sich aus je 7 Mitgliedern des 
Sicherheits- und des Gemeindeausschusses ein „Arbeiter- 
comite", welches sich zum Grundsatze gemacht hatte: 
1. Die Beschäftigung und Sorge für den Lebensunter- 
halt der arbeitenden Massen ; 2. im Nothf alle Vorschlag 
von Bauobjecten und Betreibung ihrer Angrif fnahme ; 
3. Ventheilung der Arbeitskräfte im Einverständnisse 
mit der bauleitenden Behörde; 4. zweckmässige Ver- 
wendung der Arbeiter nach ihrer speciellen Befähi- 
gung und 5. Einleitung zeitgemässer Massregeln, um 
das Zuströmen der auswärtigen Arbeiter möglichst zu 
hemmen. 

Von diesen Absichten wurde wenig verwirklicht. 
Das Arbeitercomite beabsichtigte auch auf den Arbeits- 
plätzen gemeinsame Wohnhäuser und grosse Gemein- 
küchen für die Arbeiter zu errichten. Thatsächlich 
wurden in der Nähe der Arbeitsplätze Bretterbarraken 
als eine Art Massenquartiere errichtet und die Nah- 
rungsmittel gemeinsam bestritten, aber so viel uns 
bekannt, auf die eigene Initiative der Arbeiter und 
nicht auf die des Comites. Das Comite setzte sich auch 
mit der Regierung wegen Ueberlassung von Arbeiten 
an die Arbeitslosen bei den Bahnbauten am Semme- 
ring, bei den Heereslieferungen u. s. w. in Verbindung 
Es wurden ihm auch Versprechungen aller Art ge- 
macht, aber nicht eingelöst. 

Neben dem Sicherheitsausschusse und Gemeinde- 
ausschusse spielte das Ministerium der öffentlichen 
Arbeiten, seit den Maitagen eingesetzt, eine blosse 



~ 145 — 

Statistenrolle. Der Hofrath Andreas v. Baumgar tner, 
welcher dieses Portefeuille hatte, hat weder vorher 
noch nachher einen anderen Eindruck als den eines 
durchaus mittelmässigen Kopfes gemacht, den der 
Zufall der Carriere an einen Platz setzte, so reich an 
Pflichten, Verantwortung und socialen Aufgaben. Nach 
Arbeit riefen tausende Kehlen, hier waren die Werk- 
stätten verwaist, dort drängten sich Schaaren Müssiger 
und Hungernder zu den öffentlichen Arbeiten, aber 
nirgends herrschte ein weiser Geist, eine ordnende 
Hand. Das Arbeitsministerium begnügte sich zu thun, 
was auch der Sicherheitsausschuss und der Gemeinde- 
ausschuss that — es schickte die Leute zu den nutz- 
losen Erdarbeiten in den Prater, am Tabor und bei 
der sogenannten Wienflussregulirung. Kein Wunder, 
wenn sich in Folge dieser plan- oder geistlosen Politik 
die Zahl der bei den öffentlichen Arbeiten Beschäftigten 
erschreckend mehrte. Anfangs Mai betrug die Zahl 
derselben 6000 bis 7ü00, Ende Mai bereits über 
20.000.5) 

Eine solche Erscheinung war natürlich nicht ge- 
eignet, irgend einem Theile der producirenden Kreise 
aus dem Zustande tiefster Zerrüttung aufzuhelfen. Es 
ist eine unbestrittene Thatsache, dass nicht allein die 
mangelnde Nachfrage die ganz abnorme Stagnation 
in Industrie und Handel in den Sommermonaten des 
Jahres 1848 herbeiführte, sondern weit mehr der Mangel 
an Arbeitskräften.^) Alles rannte zu den öffentlichen 
Bauten und gab sich dort lieber mit 25 kr. zufrieden, statt 
bei schwerer Fabriksarbeit 30 oder 40 kr. zu verdienen. 

Am härtesten traf dieses schwindende Angebot 
von Arbeitskraft natürlich wieder die Handwerks- 

Zenker: Wiener Rerolntioa. i^ 



— 146 — 

meister und die kleinsten unter ihnen. Die Gewerbe- 
stockung nahm in diesem Kreise erschreckend über- 
hand, und es verging fast keine Sitzung des Gemeinde- 
ausschusses, in welcher nicht Handwerker um com- 
munale Beiträge zur Weiterführung ihrer Gewerbe 
angesucht hätten. Anfangs Mai gab der Kaiser 
100.000 fl. zur Auslösung der Pfänder in den Wiener 
Versatzämtern her; unter dem Kleinbürgerthum riss 
eine furchtbare Verarmung ein. Dazu stiegen die Brot- 
und Fleischpreise, man schrie über Gewichts Ver- 
kürzung durch die Bäcker, über Missachtung der 
Zuwagsvorschriften bei den Fleischhauern, man sprach 
davon, dass sich Bäcker und Fleischer auf Kosten 
der armen Consumenten bereichern wollten ; wenn aber 
nicht alles trügt, befanden sich die Fleischer selbst in 
der bedrängtesten Lage, war unter ihnen selbst die 
Massenverarmung eingerissen.^^) Der Gemeindeausschuss 
ward mit Petitionen überschüttet, die Brot- und Fleisch- 
satzung aufzuheben, allein er wagte es nicht, daran zu 
rühren und vielleicht noch ein Gewerbe in den Abgrund 
zu stossen. 

Die Verhandlungen des Gemeindeausschusses be- 
weisen, dass in dieser Körperschaft genug Leute die 
richtige Ahnung hatten, dass der Brennpunkt der 
socialen Frage in der vor ihren Augen sich abspielen- 
den Proletarisirung des Handwerkerstandes liege; 
diesen Leuten fehlte es auch nicht an der Einsicht 
in die Mittel, welche diesen Process verhindern konnten, 
allein, es gebrach ihnen am Muthe, ihre Ansicht gleich 
unerschrocken den reactionären Wünschen des einen, 
den radicalsten Anschauungen des anderen Theiles der 
Handwerkerschaft entgegenzusetzen. 



- 147 - 

Der alte Kampf der franciscinischen Epoche 
zwischen Zünftlerthum und Gewerbefreiheit, der unter 
der Asche immer fortgeglommen, schlug wieder zu 
hellen Flammen empor. Es ist einer der grössten In'- 
thümer, in dem sich die Chronisten des Jahres 1848 
allesammt befinden, anzunehmen, dass die Forde- 
rung nach Aufhebung des Zunftwesens und Frei- 
gebung der Gewerbe eine so populäre und allgemeine 
gewesen sei, dass sie gar keinen Widerspruch ge- 
funden hätte. Es wäre ganz unnatürlich gewesen, wenn 
dieselben Leute, welche noch in der Mitte der Dreissiger- 
jahre alle Hebel in Bewegung gesetzt hatten, um 
eine neue, vollkommene Sperre des Gewerbes beim 
Kaiser zu erwirken, nun auf einmal für Aufhebung 
der Zünfte und für unbedingte Gewerbefreiheit 
geschwärmt hätten. Es war auch gar nicht zu er- 
warten, dass die Besitzer zünftiger Gewerbe für die 
Freigebung des Gewerbes sich begeistern sollten. Der 
Besitz eines solchen Gewerbes war ja ein Vermögen, 
welches der Frau oder den Kindern vererbt, welches 
verkauft oder belehnt werden konnte, und die Frei- 
gebung des Gewerbes kam daher factisch einer Ent- 
eignung des einen Theiles der Gewerbetreibenden 
selbst gleich. Der Ruf nach Gewerbefreiheit kam von 
dieser Seite niemals. Dieser Ruf ging ausschliesslich 
von den höheren Classen der Gesellschaft, welche 
der liberalen Doctrin huldigten, von den Industriellen, 
der Intelligenz und von den durch die Zunft be- 
hinderten und tyrannisirten Arbeitern, vor allem aber 
von den ausser der Innung stehenden Gewerbetreiben- 
den aus. Die Gegner der Zünftelei bildeten zwar die 
erdrückende Majorität, aber die Gegner der Gewerbe- 

10* 



— 148 — 

freiheit waren die eigentlichen autochthonen Vertreter 
des Gewerbes selbst, das „grundgesessene Wiener thum" 
wie man zu sagen pflegt, und das ist im Auge zu be- 
halten für das Verständniss der politischen Vorgänge 
des August und des October. Das zünftige Bürgerthum 
bog in dem Augenblicke, wo die liberale Doctrin in 
Gewerbefragen unüberwindlich schien, vom revolu- 
tionären Wege ab, und schloss sich dem Strome der 
durch die Ereignisse des März und Mai Enttäuschten 
an. Dieser Zuwachs war aber für die Gegenrevolution 
um so gewichtiger, als er mit dem Zuwachs eines 
grossen Theiles der Nationalgarde identisch war. 

Der Gemeindeausschuss wagte, wie gesagt, nicht in 
dieser heiklen Frage offen Farbe zubekennenund wälzte 
die Last auf den künftigen Reichstag ab. Er beschloss 
am 27. Juni^') zunächst eine Art Enquete über die Frage 
der Reorganisation der Zünfte und Innungen zu veran- 
stalten, bei welcher den Innungen, Gremien, sowie den 
gewerblichen Arbeitern Gelegenheit geboten werden 
sollte, ihre Ansichten und Wünsche auszusprechen; 
die allenfalls wünschenswerthen Abänderungen der 
Gewerbegesetzgebung sollten dann in einem Gesammt- 
elaborate dem Reichstage unterbreitet werden. Der 
Gemeindeausschuss hatte jedoch das Pech, den reactio- 
nären Elementen ebenso wenig Vertrauen einzuflössen, 
wie den radicalen. Die Zünftler scherten sich nicht 
um den Gemeindeausschuss und vereinigten ihre 
Petitionen bei einem eigens ins Leben gerufenen 
„Central-Gremiums- und Innungscomite*' in Wien, '^) 
welches dem Reichstage eine gegen die Freigebung 
der Gewerbe gerichtete, die gänzliche Abschaffung 
des Hausirhandels und Aufhebung der bisher frei- 



— 149 — 

gegebenen Beschäftigungen fordernde Generalpetition 
überreichte. Fast gleichzeitig liefen an den kaum noch 
constituirten Reichstag ähnliche, auf die Erhaltung des 
Innungswesens, die Beschränkung des Zwischenhandels 
u. dgl. abzielende Massenpetitionen aus Salzburg, ^^) 
Oberösterreich ^*) und aus Brunn ^•'') ein, wo am 
26., 27. und 28. Juli ein von Gewerbetreibenden 
Mährens, Schlesiens, Böhmens und Galiziens beschickter 
Gewerbetag sich versanunelt hatte. Es ist gewiss kein 
Zufall, dass diese zünftlerische Bewegung zur selben 
Zeit (15. Juli bis 15. August) auch ausserhalb Oester- 
reichs auf dem in Frankfurt a. M. tagenden und aus 
ganz Deutschland beschickten „Congress deutscher 
Handwerker" zum kräftigen Durchbruch kam. An die 
Nationalversanmilung wurde eine Adresse gerichtet, 
welche von reactionären Forderungen strotzte: Ein- 
schränkung der Concurrenz im Inneren durch unbe- 
dingtes Verbot des Hausirhandels mit Handwerks- 
erzeugnissen und durch ausschliessliche Berechti- 
gung des Handwerkerstandes zum Handel mit seinen 
Erzeugnissen; Einschränkung der Concurrenz nach 
aussen durch Auflage hoher Einfuhrzölle auf aus- 
ländische Gewerbeerzeugnisse, Ausfuhrzölle auf Roh- 
producte, die in Deutschland selbst benöthigt werden, 
Ausfuhrprämien für Handwerksartikel, Beschränkung 
der Zahl der Fabriken u. s. w. 

Das Frankfurter Parlament that mit der Adresse 
des Handwerkercongresses dasselbe, was der consti- 
tutionirende Reichstag in Wien mit den an ihn ge- 
richteten G^werbepetitionen that; sie wurden ad acta 
gelegt. Aber damit war die Frage nicht aus der Welt 
geschafft, und Klarsichtigeren konnte es nicht ent- 



- « ,."***<#<* -"IN 

• • • •* - " w 



— 150 — 

gehen, dass durch diese Frage sich ein neuer Herd 
der Reaction in den Reihen der Bürger gebildet habe. 

Wohl fehlte es auch nicht an positiven Bestrebungen, 
die Gewerbefrage im fortschrittlichen Sinne, auf dem 
Wege freier Association oder durch eine eingreifende 
Reformarbeit zu lösen, allein die Versuche waren ver- 
einzelt und misslangen zum grössten Theile, trugen 
wohl auch schon bei der Geburt den Keim des Miss- 
lingens in sich. Von diesen Versuchen einer socialen 
Reform des Gewerbestandes verdient einer ganz be- 
sonderer Erwähnung, nicht nur wegen der Person, 
von welcher der Plan ausging, und welche im Sep- 
tember fast die Veranlassung zu einem blutigen Eclat 
geworden wäre, auch wegen der Idee selbst, welche 
diesem Projecte zu Grunde lag. 

Gegen Ende April erschien im Centralcomite ein 
kleines, blasses, buckliges Männlein von ungefähr 
50 Jahren; er nannte sich August Swoboda und soll 
ein zugrunde gegangener Uhrmacher gewesen sein. Er 
entwickelte vor dem Präsidenten des Centralcomites 
einen Plan, durch dessen Verwirklichung er der all- 
gemein einreissenden Verarmung der kleinen Fabri- 
kanten und Handwerksmeister einen Damm setzen 
wollte. Swoboda erklärte, dass es zu spät sei, den 
Arbeitslosen ein Almosen zu geben; es sollte vielmehr 
die Arbeitslosigkeit so viel als möglich verhindert 
werden, indem den Arbeitgebern die Möglichkeit 
verschafft würde, ihren Geschäftsbetrieb aufrecht zu er- 
halten. Er wolle daher eine Leihanstalt errichten, 
welche kleinen Fabrikanten und Meistern bloss auf 
Bürgschaft ihres Fleisses hin eine bestimmte, in Raten 
rückzahlbare Summe auf eine gewisse Zeit vorstrecken 



sollte, und zwar ohne Zinsen, gegen blosse Entrichtung 
einer Schreibegebühr, durch welche die Regieauslagen 
gedeckt werden sollten. Zu diesem Zwecke sollte die 
Leih anst alt so viele Anweisungen auf einen bestimmten 
Einheitsbetrag (50 oder loo fl. C.-M.) anfertigen, als 
Häuser in Wien sind, jede von diesen Anweisungen 
von je einem Hausbesitzer als Biirgen unterfertigen 
und den Betrag auf dessen Haus intabuliren lassen. 
Die Staatsverwaltung oder Regierung sollte einerseits 
die Hausbesitzer dazu verhalten, dass sie die Bürgschaft 
für je eine solche Anweisung übernehmen, andererseits 
durch ein Gesetz diese Bons als ein vom Staate aner- 
kanntes Tauschmittel gleich dem Gelde erklären, 
welches an Zahlungstatt anzunehmen jeder Staats- 
bürger verpflichtet sein sollte.'^) 

Swoboda, der mit seinen fünfzig Jahren dennoch ein 
echter Feuerkopf gewesen sein mag, war überzeugt 
dass aus dieser Operation für die Gewerbetreibenden, 
unendlicher Segen und für die Hausbesitzer keine Ge- 
fahr entspringen werde, da jeder, der ein Darlehen 
erhalte, es sicher und ehrlich zurückzahlen werde. 
Daran dürfe man umsoweniger zweifeln, als der 
Fleiss des Schuldners bei Aufnahme einer Anweisung 
durch Bürgen nachgewiesen sein müsse, und da durch 
die interesselose Unterstützung das Geschäft des Be- 
treffenden imfehlbar aufblühen müsse. Man dürfe nicht 
auf das hinweisen, was früher einmal war; früher 
hätten sich die Leute durch Schulden nur um so tiefer 
ins Elend gebracht, weil sie Zinsen dafür zahlen 
mussten. Ohne Zins ständen sie mit den reichen Unter- 
nehmern auf gleicher Stufe und würden ebenso wenig 
wie diese zugrunde gehen. Sollte übrigens dennoch 






— 152 — 

der ihm ganz unmöglich scheinende Fall eintreten, dass 
entliehene Gelder nicht zurückgezahlt würden, so meinte 
Swoboda, wären die Armeninstitute — welche durch 
das Leihinstitut ausserordentlich viel ersparen würden 
— berufen, den gewiss nur unbedeutenden Ausfall der 
Leihanstalt zu decken. Die Intervention des Staates, 
die Bürgschaft der Hausbesitzer, die grundbücherliche 
EiAverleibung und endlich der Zwangscours der Bons 
sei nur deshalb nöthig, um der Anstalt und den von 
ihr emittirten Papieren allgemeinen Credit zu geben, 
und sie so zu grossen, wohlthätigen Actionen zu be- 
fähigen. 

Die Galerien klatschten dem Vortrage Swoboda's 
stürmischen Beifall, das Centralcomite wies ihn aber 
mit seinem Projecte an den Magistrat; dieser wies 
Swoboda gleichfalls ab und verwarf seinen Plan als 
unpraktisch. 

Wir glauben, der Magistrat habe daran sehr wohl 
gethan, allein damit ist der kleine, blasse, bucklige 
Swoboda für die Geschichte doch noch nicht abgethan. 
Die Aehnlichkeit der Swoboda'schen Leihanstalt mit 
der Proudhon' sehen Volksbank (Banque du Peuple) 
springt grell in die Augen. Die Anweisungen Swo- 
boda's wären trotz der Intervention des Staates und 
des Leihinstitutes nichts anderes gewesen, als die 
Arbeitsbons der Proudhon' sehen Bank, ein directer 
Austausch von Product gegen Product. Wie bei Prou- 
dhon, war es auch hier nicht auf eine blosse Credit- 
gelegenheit abgesehen, sondern direct darauf, dem 
Capital seine Rentenfähigkeit zu nehmen und es da- 
durch aus der individuellen Occupation zu reissen und 
zu einem Allen frei zugänglichen Collectivgut der Ge- 



» ,1. * » 

; V : -J • • : • 



— 153 — 

Seilschaft zu machen. Man vergesse nicht den Zeit- 
punkt, in welchem Swoboda mit seinem Plane hervor- 
trat. Es war die Zeit der grossen Versammlung, welche 
den Nachlass des Hauszinses forderte, die Zeit, in 
welcher man die Entrichtung eines Miethzinses nicht 
nur praktisch verweigerte, sondern auch theoretisch, 
als etwas nicht zu Recht bestehendes, als eine Aus- 
beutung des Volkes durch die reichen Hausbesitzer 
hinstellte. Swoboda hat von dieser Stimmung zu pro- 
fitiren gesucht und die Durchführung seiner Leih- 
anstalt an das Giro der Hausherren geknüpft; aber das 
war nicht wesentlich, im Grunde wäre die Durch- 
führung seines Projectes mit der Vernichtung der 
Rente und des Zinses überhaupt gleichbedeutend ge- 
wesen, und das ist es, was vor allem an Proudhon er- 
innerte. 

Woher aber hatte Swoboda die Anregung zu seiner 
Idee geschöpft? Aus den Schriften Proudhon's? Möglich! 
An eine directe Entlehnung von Proudhon ist jedoch schon 
deshalb nicht zu denken, weil dieser seinen Versuch 
einer Banque du Peuple erst volle zehn Monate später, 
im Februar 1849 machte; selbst die Agitationsschriften, 
welche Proudhon seinem Unternehmen voranschickte, 
fallen in eine spätere Zeit als die ist, in welcher Swo- 
boda mit seinem ersten Projecte hervortrat, und es 
ist ausserdem mehr als fraglich, ob diese Schriften 
und Artikel, welche zumeist im „R^presentant du 
Peuple" erschienen, jemals in Wien gelesen wurden. 

Es ist also sicher, dass Swoboda, wenn er schon 
im Allgemeinen mit den Gedanken Proudhon' s ver- 
traut war, diese doch aus den ihn umgebenden Ver- 
hältnissen heraus in ganz unabhängiger, selbständiger 






— 154 — 

Weise entwickelte, so dass wir zuletzt den grossen 
Meister auf einer Bahn sehen, die sein gelehriger 
Schüler schon zehn Monate früher in Wien betreten 
hatte. Und wer war dieser merkwürdige Mann, der 
auf dem Pflaster von Paris vermuthlich ein führender 
Geist der Revolution, eine Berühmtheit ersten Ranges 
geworden wäre? Die Geschichte kennt ihn nicht, die 
geschwätzigen Chronisten des Jahres 1848 wissen von 
ihm nicht mehr als den Namen, und es wird wohl nie 
mehr mit voller Sicherheit zu eruiren sein, welches 
seine Vergangenheit war. Im Herbste tauchte er mit 
einem neuen socialpolitischen Projecte auf und wurde 
der mittelbare Anlass zu den Septemberunruhen, dann 
verschwand er vollständig von der Bildfläche. 

Auch auf dem Wege der societären Wirthschaft 
strebte ein Theil der Handwerker sich selbst vor dem 
Ruine zu bewahren. Die Tischler hatten unter der 
Führung Franz Schneider's eine Association gegründet 
und in der Bäckerstrasse eine grosse Vereinsniederlage 
eröffnet, in welcher 27ü Tischler ihre Waaren ausstellten. 
Dürftigeren Mitgliedern wurden die Rohstoffe an- 
gekauft. Die Mittel von 3000 fl. zur Gründung dieser 
Niederlage streckte ein Menschenfreund, ein Herr 
Leistler, dem Schneider zinsenfrei vor; die Verkaufs- 
halle hat in den ersten Jahren einen Geschäftsumsatz 
von 170.000 bis 200.000 fl. gehabt; sie hat also glän- 
zend florirt, die Wirren der Windischgrätz' sehen Re- 
volution sogar überdauert und hat zahlreichen Ge- 
werbetreibenden über eine schwere Zeit hinausgeholfen. ^') 
Es war dies die erste Erwerbs- und Wirthschafts- 
genossenschaft Oesterreichs und eine der ältesten Roh- 
stoff- und Verkaufsgenossenschaf ten in deutschen Landen 



— 156 -- 

Überhaupt. Ob ihr Beispiel und ihr Erfolg in Wien selbst 
während des Jahres 1848 Nachahmung weckte, ist uns 
leider unbekannt. 

Neben der Gewerbefrage und mehr noch als diese 
stand die Arbeiterfrage, oder richtiger gesagt, die Frage 
des Massenproletariates im Vordergrunde des öffent- 
lichen Interesses. Die Zustände, welche allmählich, be- 
sonders aber angesichts des Sieges des Proletariates 
unter den Arbeitern bei den öffentlichen Erdarbeiten 
einrissen, zeigten, wie die staatliche Fürsorge, welche 
die anerkannten Grenzen der Armenpflege überschreitet, 
unbedingt das Gegentheil dessen, was sie erreichen 
will, herbeiführt. Den Satz, dass aus der Anerkennung 
des Rechtes auf Arbeit, mit eherner Consequenz die 
des Rechtes auf Faulheit folge, demonstrirten die 
Wiener Erdarbeiter ohne Philosophie und Socialwissen- 
schaft auf praktischem Wege schon vierzig Jahre vor 
Xiafargue. Es ist eine vollkommen unbestrittene und 
auch von den eifrigsten Freunden der Arbeiter nicht 
geleugnete Thatsache, dass bei den öffentlichen Ar- 
beiten die ärgste Demoralisation einriss. Die zweck- 
lose Arbeit war an und für sich nicht geeignet, den 
Eifer anzuspornen, die Controle, meist von jungen 
Technikern ausgeübt, war natürlich eine äusserst laxe, 
und, wie die Dinge standen, hätten sich die ans Nichtsthun 
gewöhnten Arbeiter auch um die strengste Controle 
nicht gekümmert. Die Arbeitsstätten wurden eigent- 
lich Stätten des Nichtsthuns und der Ausgelassenheit. 
Das „freie Leben'', welches da geführt wurde, reizte 
— wie schon mehrfach erwähnt — die Leute, massen- 
haft ihre gewerbliche oder Fabriksarbeit zu verlassen 
und zu den öffentlichen Arbeiten zu gehen, um hier 



— 156 — 

nichts zu machen. „Diese aus ihren Diensten Ent- 
laufenen waren eingefleischte Nichtsthuer. Sie brachten 
die furchtbarste Unordnung hervor, denn nicht nur, 
dass sie gar nichts, absolut nichts arbeiteten, wobei 
sie erklärten, dass sie sich ihre Hände nicht verderben 
könnten, da sie sonst in der Zukunft für ihr Gewerbe 
für immer untauglich würden, so erwachte in ihnen 
auch bald wieder die Sehnsucht nach ihrem früheren 
grossen Lohn, und sie murrten über die ganze gesell- 
schaftliche Einrichtung und verbreiteten überall Miss- 
vergnügen, ja sie neckten, ja sie drohten sogar jenen 
mit Prügeln, welche arbeiten wollten. Wenn man zur 
Zeit des Einflusses dieser Leute auf die Arbeitsplätze 
im Prater oder beim Bründlfeld in der Währingergasse 
kam, so entsetzte man sich wirklich über den Anblick, 
der sich darbot. Fast alles stand in Gruppen und ver- 
trieb sich die Zeit mit Gesprächen. Hin und wieder 
sassen welche in guten Kleidern mit einem Buche in 
der Hand, und wehe dem Aufseher, der sie zur Arbeit 
hätte anhalten wollen. In den benachbarten SchenkenL 
waren stets eine Menge, welche tranken und Karten 
spielten. Den Arbeitern selbst wurde endlich dieser 
Zustand unerträglich, denn das Herumstehen durch 
die ganze Woche war ihnen zu langweilig und viele 
fragten, warum man sie nicht lieber gehen Hesse und 
ihnen bloss täglich die 25 kr. gebe, da ohnehin nichts 
gearbeitet werden könne, indem sie die Anderen nicht 
arbeiten Hessen." Dies eine Schilderung der Zustände 
aus der Feder des erzradicalen Violand. ^®) 

Nach und nach fasste das Proletariat die öffent- 
lichen Arbeiten gar nicht anders mehr auf denn als 
einen Prätext auf Kosten des Staates, oder besser ge- 



— 157 — 

sagt der Commune Wien — denn sie trug die Kosten 
der öffentlichen Arbeiten — zu leben. Ja, man kam 
sogar auf den Einfall, ein gutes Geschäft zu machen, 
indem sich zahlreiche Personen an verschiedenen 
Orten zugleich zur „Arbeit'' eintragen Hessen und 
mehrfachen Taglohn bezogen. War eine solche mo- 
ralische Verkonminiss und Verlotterung der arbeitenden 
Classen schon an und für sich zu beklagen, so bildeten 
diese herumlungernden und herumstreifenden, ewig 
über die politischen Verhältnisse raisonnirenden Trupps 
von Müssiggängern auch eine ernste Gefahr für die 
Ruhe und Ordnung der Stadt; und in der That rissen 
lie zeitgemässen Katzenmusiken nicht ab ; schon Anfangs 
Funi kamen ernstliche Ruhestörungen häufig vor, und 
Plünderungen bei Bäckern, Fleischhauern und anderen 
Lebensmittelhändlern kamen auf die Tagesordnung.^'-^) 
Diese Gefahr wurde noch erhöht durch den massen- 
haften Zuzug fremder Arbeiter aus der Provinz, welche 
gekötert durch den im Vergleiche mit ihren Löhnen 
verlockenden Lohn von 25 kr., zu Tausenden nach 
Wien kamen und hier das stärkste Ferment unter den 
Arbeitermassen bildeten. 

Der Gemeindeausschuss, welcher die Wirkungen 
dieser Zustände auf die städtischen Finanzen am 
schwersten empfand, erklärte daher schon am 30. Mai, 
dass die Gemeinde nur für die heimischen Arbeiter, 
aber nicht auch für die fremden zu sorgen verpflichtet 
sei und genehmigte einen Antrag, welcher auf die 
Ausweisung aller fremden Arbeiter abzielte. Rück- 
wirkende Kraft auf die bereits zugewanderten und 
aufgenommenen Arbeiter sollte dieser Beschluss nicht 
haben, indes suchte man auch diese Elemente durch 



— 158 -- 

die Gewährung eines ansehnlichen Reisegeldes zur 
Rückreise in ihre Heimat zu bewegen. 

Diese Verfügungen des Gemeindeausschusses hatten 
aber ebenso wenig Wirkung, wie eine Massregel des 
Sicherheitsausschusses, durch welche derjenige, der 
seinen Arbeitsherrn ohne zulänglichen Grund verlies?, 
um sich bei den Erdarbeiten zu melden, mit einer 
Strafe bedroht wurde. Der Sicherheitsausschuss ver- 
schloss sich überhaupt dem Ernste der durch die 
Uebermassen müssiggehender Arbeiter geschaffenen 
Lage keineswegs, aber er war zu schwach, um ernst- 
liche Mittel zur Abhilfe zu finden. Gleich dem Ge- 
meindeausschusse hatte auch er von allem Anbeginne 
die Meinung vertreten, entweder müssten für die 
fremden Arbeiter die Provinzen aufkommen, oder die- 
selben müssten Wien verlassen. Die Dominien wurden 
angewiesen, Arbeitern, welche nach Wien zu ziehen 
beabsichtigten, die Pässe zu verweigern. Der Sicher- 
heitsausschuss hatte auch wiederholt beschlossen, sich 
an die Handwerker und Fabrikanten in den Städten 
und an die Landwirthe zu wenden und sie aufzufor- 
dern, wenn sie Arbeiter brauchten, an das Arbeiter- 
comite heranzutreten; Personen, die sich weigerten, 
eine solche industrielle oder landwirthschaf tliche Arbeit 
anzunehmen, sollten von den Erdarbeiten ausgeschlossen 
werden und keine Unterstützung erhalten. Die Durch- 
führung dieser wohlgemeinten Massregeln war aber 
zum Theile schon durch den ganzen Apparat aus- 
geschlossen, und auf der anderen Seite hatte der Aus- 
schuss nicht Macht und Muth genug, um diese Aus- 
führung missliebiger Massregeln unter den Arbeitern 
wirklich durchzusetzen. Er war wohl der Dictator der 



— 159 — 

Arbeiter, aber seine Herrschaft über diese Classen er- 
innerte sehr an das alte Scherzwort: „Ich habe Einen 
gefangen, aber er lässt mich nicht los!'' Der Sicher- 
heitsausschuss war der Niederschlag des Sieges der 
radicalen Partei, und die Armee dieser Partei, welche 
die Schlachten des Mai geschlagen, waren die Arbeiter. 
Auf die Zusammenhaltung dieser Armee mussten die 
Radicalen eifersüchtig achten, und als die Regierung 
für den italienischen Krieg die Werbetrommel rührte 
und neben den Aufnahmebuden am Glacis, wo man 
sich zu den Arbeiten meldete, auch eine Werbebude 
für Italien aufschlagen liess, da bemühte sich consequen- 
terweise eben derselbe Sicherheitsausschuss, der den 
Zuzug fremder Arbeiter zu verhindern suchte, nun- 
mehr mit allen Kräften der Ueberredung die Arbeiter 
davon abzuhalten, dass sie sich auf den italienischen 
Kriegsschauplatz verlocken, als „Kanonenfutter" miss- 
brauchen lassen. Damit begab sich selbstverständlich 
der Ausschuss seiner Unabhängigkeit. 

Es liegt sehr nahe, dass es an Ideei> zur Ver- 
besserung des Loses dieses Lumpenproletariates, das 
sich da auf den Glacien und Strassen herumtrieb, nicht 
fehlte. Vernünftige neben aberwitzigen und tollen Ein- 
fällen tauchten in der Presse und in Flugblättern auf. 
Der Gedanke, die Arbeiterfrage durch Gewinnst- 
betheiligung zu lösen, findet sich in der Wiener ra- 
dicalen Presse des Jahres 1848 wiederholt. Versuche 
scheinen damit keine gemacht worden zu sein. Ein 
Steckenpferd der Wiener „Socialreformer" des Jahres 
1848 waren die sogenannten „Gemeinöfen'', eine Art 
Verpflegs- und Verköstigungsgenossenschaft, welche in 
Schottland von den Besitzern der Factoreien zu Gunsten 



— 160 — 

ihrer Arbeiter verwirklicht worden waren, eine Ein- 
richtung, die sich vielleicht aber auch die Gemein- 
kücheh der Prager Juden zum Muster genommen haben 
dürfte. Mehrere Arbeiterfamilien sollten einen Verein 
bilden, um die Nahrungsmittel zu en gros-Preisen zu 
kaufen und gemeinsam zu verkochen. Bei den Erd- 
arbeiten waren diese „Gemeinöfen'' thatsächlich ein- 
gerichtet und bewährten sich. Ob auch in Fabriken 
etwas Aehnliches zu Stande kam, ist uns unbekannt. 

Auch die Idee der Productivgenossenschaft wurde 
zur wirthschaftlichen Hebung der Erdarbeiter vor- 
geschlagen. Ein gewisser Wild empfahl die Gründung 
eines Institutes, bestehend aus einer Anzahl von Erd- und 
Bauarbeitern, einigen technisch und mercantil gebildeten 
Personen, welches durch ein bedeutendes Anlagecapital 
in den Stand gesetzt werden sollte, als Bauunternehmer 
aufzutreten. Die aufgeführten Bauten sollten „Institutö- 
schatz" bleiben und die einlaufenden Zinsen verwendet 
werden, um die Mitglieder des Institutes zu erhalten 
und mit ^Wohnung und Kost zu versorgen, um neue 
zinstragende Bauobjecte in Angriff zu nehmen und 
neue Mitglieder in das Institut aufnehmen zu 
können. 

Neben solchen allenfalls discutablen Vorschlägen 
kamen auch die absonderlichsten heraus. Es war ein 
Mitglied des Sicherheitsausschusses, welches auf die 
Idee verfiel, die arbeitslosen Fabriksarbeiter in ihrem 
Fache zu beschäftigen und den hierdurch entstandenen 
Waarenvorrath durch eine Lotterie im Auslande ab- 
zusetzen. Der Gemeindeausschuss, welcher natürlich die 
Kosten dieses Experimentes zu tragen gehabt hätte, 
lehnte den Vorschlag als undurchführbar ab. 



- 161 — 

Ein Beamter, Namens Abi, machte den Vorschlag, 
Armencolonien, nach dem Beispiele der holländischen 
zu Drenthe, Friesland, Overyssel u. a. zu gründen. Der 

» 

Staat solle das bisher noch nicht rationell bewirthete, 
aber bebaubare Land mittelst öliger Hypothekarnoten 
ankaufen und Arbeitslosen als Colonisten übergeben. 
Dieselben hätten binnen zehn Jahren, während welcher 
sie steuerfrei wären, das Capital sammt einer r)%igen 
Verzinsung zurückzuzahlen. 

Der Setzer Hillisch, einer der wenigen Arbeiter, 
welche im Jahre 1848 eine führende Rolle spielten, 
empfahl dringend die Errichtung eines „communalen 
Pensionates für Arbeiterinnen*', ein sehr an das 
Phalanstere erinnerndes Institut, obwohl Hillisch kaum 
mit den Ansichten Fourier's vertraut gewesen sein 
dürfte. 

Es zeigen aber all die genannten Vorschläge einen 
mehr oder weniger socialistischen oder collectivistischen 
Grundgedanken, ein Gedanke, der sicherlich kein Im- 
port war, sondern aus den socialen Verhältnissen von 
selbst natürlich emporgesprossen war. Es waren die- 
selben Erscheinungen wie die des französischen 
Socialismus, aber in einem viel früheren Entwicke- 
lungsstadium. Dass die socialistischen Keime in Oester- 
reich nicht zu der unheimlichen Höhe des französiscYien 
Socialismus gediehen, war vorzüglich zwei Umständen 
zu danken. 

Fürs Erste absorbirte das politische Interesse^ die 
Schaffung des Rechtsstaates die führenden Geister der 
Revolution derartig, dass sie an die Einrichtixxig eine^ 
Wohlfahrtsstaates noch gar nicht denken koxxivtew 
während die Arbeiter selbst den Ideensclxaitx ^^1 

Zenker: Wiener Rcvolntion. - 



— 162 — 

Revolution in keinerlei Weise zu bereichern in der 
Lage waren. 

Der wichtigere Grund dafür, dass der Socialismus 
in Wien nicht mächtiger in die Halme schoss, war 
wohl der, dass die unselige Kluft des Classenhasses 
zwischen Bürgerthum und Arbeiterschaft sich in jener 
Zeit noch nicht aufgethan hatte. Die Arbeiter über- 
liessen sich fraglos und unbedingt vertrauend der 
Führung der Studenten und demokratischen Bürger- 
schaft, und Hessen sich darin durch die grossdeutsche 
Nebenströmung nicht irre machen, während Bürger 
und Studenten in der ehrlichsten, selbstlosesten und 
opferwilligsten Weise für ihre Brüder Arbeiter sorgten 
und auf Mittel zur Verbesserung ihrer Lage sannen. 
Die Arbeiter und die Studenten bildeten eine rührende 
Waffengemeinschaft; im September, als ein Angriff 
des Militärs auf die Legion unvermeidlich schien, 
stellten sich die Arbeiter vor die Studenten, um diese 
mit ihren Leibern zu decken. „Wenn Unsereins fällt, 
ist's kein Schade," sagten sie, „aber um die braven 
jungen Herren Studenten, denen wir die Freiheit zu 
verdanken haben, wäre es ewig schade.'' Hatten die 
Arbeiter der Bewegung des Bürgerthums durch ihr 
Auftreten erst Nachdruck verliehen, so dankte es ihnen 
die bürgerliche Demokratie, indem sie ihnen mit 
grosser Hartnäckigkeit die Gleichheit der politischen 
Rechte und vor allem das Wahlrecht erwirkte, indem 
sie einen Staat auf der breitesten, volksthümlichsten 
Grundlage zu schaffen bereit war, in welchem nach 
ihrer Meinung für das sociale Elend der unteren 
Classen kein Platz mehr gewesen wäre. Die Wahnidee, 
dass die Interessen des Arbeitsgebers und des Arbeits- 



— 163 — 

nehmers unter allen Umständen einander ausschlössen, 
war damals noch nicht den Köpfen der Arbeiter ein- 
geimpft, die Gesellen sahen vielfach von der strengen 
Forderung einer Lohnerhöhung ab, ja willigten sogar 
ruhig in Lohnverminderungen, weil sie einsahen, dass 
die Meister nicht in der Lage wären, bei höheren 
Löhnen den Betrieb fortzusetzen, und dass die wirth- 
schaftliche Existenz ihrer Meister mit der ihrigen 
aufs engste verknüpft sei. 

Die Mairevolution hatte allerdings in einem Theile 
der Bürgerschaft eine unüberwindliche Furcht vor den 
Arbeitern hervorgerufen und unter dem Eindrucke 
dieser Ereignisse war es auch, wo der Geselle Sander 
in die poetische Klage ausbrach: 

Wie lang hat Deutschland erst gerungen, 
Von Nacht und Druck sich zu befrei 'n; 
Nun ist es endlich denn gelungen. 
Wir konnten froh und glucklich sein. 

Doch kaum zum Leben auferstanden 
Vom Leibes- und vom Geistestod, 
Umfängt man uns mit neuen Banden, 
Vergebens rufen wir nach Brot. 

Wir haben fröhlich ausgegeben 
Den letzten Kreuzer für den Wein, 
Bei dem wir jubelnd Hessen leben, 
Den ersten Freiheits-Sonnenschein. 

Nun kann man uns nicht weiter nützen. 
Arm, ohne Arbeit, heisst es: „fort!" 
Und keine Hand will uns beschützen. 
Für uns giebt's keinen Heimatsort. 

Wird denn dem Armen nie erscheinen 
Ein Tag zu mindern seine Noth? 
Wie, sollten wir denn ewig weinen, 
Giebt^s denn für uns kein Morgenroth?! 

11* 



— 164 — 

Allein, Sander selbst — gewisi^ der bedeutendste 
Mann, den die Arbeiterbewegung des Jahres 1848 in 
Wien ans Lieht gebracht hatte — war nicht ein Ver- 
treter des Classenhasses und Classenkampfes, und das 
Gros der Arbeiterschaft wäre auch gar nicht in der 
Lage gewesen, den Kampf gegen die Bourgeoisie auf- 
zunehmen. Dazu fehlte es ihr an Intelligenz, an mate- 
rieller Kraft, an einer Presse und einer Organisation. 

Was die Arbeiterpresse^®) jener Zeit betrifft, so 
ist von ihr nicht viel Bemerkenswerthes zu sagen. 
Zeitungen von Arbeitern für Arbeiter, wie des Druckers 
Hillisch, „Oesterreichische Typographia*', die später als 
„Arbeiter-Zeitung'' (noch später als „Oesterreichische 
Arbeiter-Zeitung'') forterschien und das Organ des 
„Ersten allgemeinen Arbeitervereines" war, ferner 
Hueber's „Oesterreichisches Buchdrucker-Organ" oder 
die erst in den October fallende ephemere „Arbeiter- 
Zeitung" vom Arbeiter Schmidt herausgegeben — 
diese Zeitungen waren absolut nicht geeignet, das 
Interesse der Arbeiterschaft zu wahren, ihr Bildungs- 
niveau zu heben, ihrer Bewegung eine Richtung zu 
verleihen. Aber auch die von Nichtarbeitern heraus- 
gegebenen, aber für Arbeiter bestimmten Blätter, wie 
„Das Wiener Allgemeine Arbeiter-Blatt" von dem radi- 
calen Journalisten und Mitarbeiter der „Constitution" 
C. Grütaner (einem Sohn des Frankfurter Abgeordneten) 
und dem Gesellen F. Sander, zeitweise auch unter der 
Mitredaction L. Häfner's herausgegeben, oder der von 
den Studenten Rülke und Waldeck geleitete „Arbeiter- 
Courier" und das von Dr. Witlacil geschriebene, nur 
in einer Nummer erschienene Arbeiterblatt „Concordia" 
unterschieden sich durch gar nichts von dem grossen 



— 1G5 — 

Haufen der radicalen Gassenblätter, von ihrem Phrasen- 
drusch, ihrem Schwulst, ihrer Leere an thatsächlichem 
Inhalt. So waren es denn die grossen und einfluss- 
reichen radicalen Journale, Schwarzer's „Allgemeine 
Oesterreichische Zeitung'', L. Häfner's „Constitution'', 
allenfalls noch der „G'radaus", welche die Arbeiter- 
frage in sachlicher Weise erwogen, und den Vorhang 
von den Elendsbildern des Vormärz wegzogen, auf 
praktische Reformen drangen und dem socialen Denken 
der sogenannten gebildeten Classen nicht weniger als 
dem der arbeitenden einen Inhalt zu geben sich be- 
mühten. 

Die Männer, welche die geistige Führung des 
Volkes in diesen Blättern übernahmen, L. Hafner, 
Freiherr v. Stifft, Dr. Hermann Jellinek, Sigmund 
Engländer, waren nichts weniger als Sterne erster 
Ordnung an dem Himmel der socialen Geschichte, 
aber sie überragten immer noch thurmhoch das 
geistige Durchschnittsniveau ihrer Wiener Zeitge- 
nossen. Strenge genommen war keiner von ihnen 
Socialist; sie waren vielmehr liberale Socialreformer, 
die es ebenso glühend ehrlich mit der Hebung des 
Arbeiterstandes meinten, wie der socialistische Kasernen- 
staat ihrem Denken und Hoffen ferne lag. 

Leopold Hafner gebührt das Verdienst, in seinem 
Blatte „Die Constitution" zum erstenmale die wirth- 
sghaftlichen Verhältnisse der unteren Classen schonungs- 
los ans Licht gezogen und die Aufmerksamkeit der 
öffentlichen Meinung von den rein politischen und 
nationalen Fragen auf die socialen Uebelstände hin- 
gelenkt zu haben. Selbst ein Kind des Volkes, ein 
Proletarier, hatte er als Jurist die ganze Aussichts- 



— 166 — 

losigkeit aller arbeitenden Stände, besonders aber des 
geistigen Proletariates, in überreichem Masse an sich 
selbst erfahren. Er hatte die Beamtenlaufbahn gegen 
den Literatenberuf eingetauscht und, als auch dieser 
ihn nicht ernährte, sich auf den Huthandel verlegt. ^^) 
In dem Comptoir seines Geschäftes war es, wo Hafner 
am 22. März ganz allein die erste Nummer seiner 
„Constitution*' schrieb und ihr das Leitwort „Freiheit 
und Arbeit*' gab. Das Blatt erregte ungeheueres Auf- 
sehen, es hatte mit der Erörterung der wirthschaft- 
lichen Fragen und der scharfen Betonung seines 
arbeiter freundlichen Standpunktes eine ganz neue Saite 
angeschlagen, und die Arbeiter waren es besonders 
welche bald Hafner als den Mann ihres Vertrauens, 
betrachteten und diesem Blatte dadurch den gefürchteten 
Einfluss verliehen. 

Hafner hat sein Programm in zwei offenen Briefen 
an die Arbeiterschaft klar und erschöpfend auseinander 
gesetzt „Meine Herren!'* spricht er die Arbeiter in der 
„Constitution" vom 6. April an: „Sie überhäufen mich 
mit Besuchen und Zuschriften — Beweise Ihres Ver- 
trauens, welche mich stolzer machen, als das von irgend 
einem Minister mir geschenkte Vertrauen es je ver- 
mögen würde. Sie geben mir die Ueberzeugung, dass 
Ihre Einsicht nicht hinter jenen aufgeklärten Arbeiter- 
bevölkerungen Frankreichs, Englands und des deutschen 
Vaterlandes steht, Ihre Besonnenheit aber allen diesen 
als Muster dienen könnte. Einsicht und Besonnenheit 
sichern Ihnen die Freiheit, welche wir nicht einer 
Beamten- und Adelskaste abgerungen haben, um ihren 
ausschliesslichen Genuss dem sogenannten Mittelstande 
zu überlassen! Meine Herren! Ich bin arm wie Sie, 



- 167 — 

und wie Sie habe ich gelitten unter dem Drucke ge- 
knechteter Verhältnisse. Das Gift falscher, gemeiner 
Seelen hat mein Herz verbittert und reizbarer gemacht 
gegen jede Bedrückung, gegen jede Verletzung der 
angeborenen Menschenrechte. Meine Sympathien weilen 
bei Ihnen, und es wird der schönste Tag meines Lebens 
sein, der Hochzeitstag eines kurzen, verkümmerten 
Daseins, wenn mein Rath, mein Wort, meine That das 
Geringste zur Anerkennung Ihrer Rechte, die nicht 
länger unbeachtet bleiben sollen, wird beigetragen 
haben. Der Geist Gottes schwebt sichtbar durch die 
Welt und offenbart ein neues Evangelium von der 
Freiheit Aller und von Bruderliebe. Auf diesen Gott 
vertrauen Sie und zu diesem Gotte beten Sie, damit 
er Ihnen die Kraft und die Mässigung verleihe, ohne 
welche Sie unmöglich die Opfer bringen können, welche 
die gegenwärtige, neu sich gestaltende Lage des Vater- 
landes und aller Industrien Ihnen wie jedem Staats- 
bürger auferlegt. Entfernen Sie aus ihrer Mitte jene 
aufrührerischen, liederlichen Menschen, welche nicht 
Arbeit verlangen, sondern Genuss, ohne Mühen. Lassen 
Sie Ihr schönes, unter des Himmels Schutz gestelltes 
Unternehmen nicht schänden durch Ausartungen, 
welche den Fabriksherren wie die Fabriksarbeiter in 
ein gemeinsames, grenzenloses Elend stürzen würden.'^ 
Einige Tage später schrieb Hafner in seinem 
Blatte : „Einen bedauerlichen Mangel von aller poli- 
tischen oder nur humanen Bildung beurkundet die 
Intoleranz, mit der eine grosse Zahl der Wiener 
Spiessbürger die Arbeiter Gesindel und ihre Forde- 
rungen aufrührerische Excesse nennen. Derartige 
Aeusserungen sind um so thörichter, als das Proletariat 



- 168 — 

von Tag zu Tag mächtiger anwächst, als unter dieser 
Classe mindestens ebensoviel gesunder Menschenverstand 
vorhanden ist, als in allen übrigen Classen, und als dieser 
gesunde Menschenverstand die Ideen des Proletariates, 
wenn es sich in der Constitution unberücksichtigt 
findet, natürlich einer abermaligen Umänderung dieser 
Staatsform zuwenden müsste. Wir haben in unseren 
Märztagen die Revolution des Bürgerstandes (fran- 
zösische Julirevolution) gemacht; sollen wir aber nun 
der Proletarierrevolution (Pariser Revolution 1848) 
entgehen (sie würde leider nicht den sanften Charakter 
von 1848, sondern jenen von 1789 annehmen) — so 
ist es dringend nothwendig, dass die Regierung die 
ungeheuere politische Wichtigkeit des Arbeiterstandes 
in den drohenden Fingerzeigen unserer Zeiten erkenne 
und augenblicklich für Arbeits- und Arbeiterverhält- 
nisse ein eigenes Ministerium ernenne/' Hafner war 
also der erste, der (schon am 10. April) die decidirte 
Forderung nach einem Arbeitsministerium stellte, wie 
er der erste war, welcher die Gefahren einer socialen 
Revolution erkannt hatte und schon am 30. März da- 
vor gewarnt hatte: „Arbeitsmangel in Wien ist eine 
drohendere Thatsache als eine Erklärung der Republik 
in Venedig.'* 

Wenn Hafner mehr die radicale Demokratie ver- 
körperte, so war Freiherr v. Stifft das, was man 
einen Christlich-Socialen nennen möchte, nicht mit der 
scheusslichen Bedeutung, die dem Worte heute in 
Oesterreich anhaftet, sondern in dem guten Klange, 
den das Wort in England hat oder im edlen Sinne 
eines Saint-Simon, mit dem Stifft auch that sächlich 
manche Ideengemeinschaft hatte, wie er denn über- 



— 169 — 

haupt den Ideen des französischen Socialismus noch 
am nächsten stand. Seine Enttäuschung über die Revo- 
lution und seine Arbeiterfreundlichkeit führte ihn — 
und so viel ich weiss, ihn allein — im October zu 
einer ausgesprochen feindseligen Haltung gegen die 
Bourgeoisie als Classe. v. Stifft ist der typische Revo- 
lutionär : Declassirter und daher der grimmigste Feind 
aller jener gesellschaftlichen Vorrechte, in deren 
Genuss er selbst aufgewachsen war. Für Stifft war 
die politische Ueberzeugung Religion; wie bei jedem 
echten Revolutionär fiel bei ihm das Ideal der höchsten 
gesellschaftlichen Potenz mit dem Gottesideale fast zu- 
sammen. Er diente beiden mit gleicher Inbrunst und 
Unentwegtheit. Oft bevor der rothe Publicist an die 
Arbeit einer seiner glänzenden radicalen Artikel ging, 
konnte man ihn in irgend einer Kirche auf den Knien 
liegend in tiefes Gebet versunken sehen. Sein Ver- 
hältniss zu der Egeria der Wiener Revolution, zur 
Baronin Pasqualati (Madame Perin) war durch 
gemeinsame mystisch-spiritistische Neigungen ebenso 
wie durch politische Ideengemeinschaft bedingt. 

Dr. Hermann Jellinek — vor der Revolution an ver- 
schiedenen Zeitschriften in Deutschland, besonders den 
„Grenzboten'', bienenemsig thätig, nach dem März 
Hauptmitarbeiter der „Allgemeinen Oesterreichischen 
Zeitung'' und nach dem August des „Radicalen" — 
war der Vertreter der durch die deutsche Philo- 
sophie Hegel's und Feuerbach's, wie durch den fran- 
zösischen Socialismus eines Fourier und Proudhon be- 
einflussten Geistesrichtung in der Wiener Publicistik 
des Jahres 1848. In dem Jargon der Hegel'schen 
Philosophie hatte Jellinek vor dem Jahre 1848 in 



— no - 

mehreren Schriften ein System der gesellschaftlichen 
Entwickelung gelehrt, welches auf der Idee des sou- 
veränen Individuums und dem „grossen Dogma der 
menschlichen Brüderschaft und Gegenseitigkeit*' auf- 
gebaut war, und dem damals in gewissen Theilen 
Deutschlands stark verbreiteten Anarchismus eines 
Marr, Hess und Grün am nächsten kam.^*) In dem 
gleichen Tone und aus dem gleichen Gesichtspunkte 
behandelte Dr. Jellinek die Wiener Ereignisse des 
Jahres 1848, von wenigen verstanden, von den meisten 
verlacht und verspottet. Am 27. November wurde der 
arme Doctrinär unter dem Vorwande der standrecht- 
lichen Behandlung von den Soldaten des Windisch- 
grätz' ermordet. 

Wenn Hafner, Stifft und Jellinek drei unter- 
einander grundverschiedene Typen des idealpolitischen 
Charakters bilden, so ist Sigmund Engländer der 
Repräsentant der wissenschaftlichen Ueberlegung und 
Realpolitik. 

Ist er auch davon überzeugt, dass die Gesellschaft 
gänzlich reformirt werden müsse, so ist für ihn doch 
das Project der Socialisten und Communisten ein Un- 
ding. Die Bestrebungen nach Einführung einer Ge- 
sammtwirthschaft, Aufhebung des Privateigenthums, 
des Geldes, Abschaffung des Handels und der freien 
Concurrenz, die unklaren Organisationspläne der 
Socialisten mit ihrem Wunsche nach einem Kasernen- 
leben vergleicht Engländer zutreffend mit dem Wunsche, 
dass alle Poren eines Menschen durch ein einziges 
grosses Schweissloch, alle Adern und Aederchen durch 
einen einzigen Blutcanal ersetzt würden. „Jeden 
Blutstropfen wollen sie controliren, dass er nicht 



— 171 — 

schneller rolle als bei einem Anderen, und auf ihrem 
Wege käme man dahin, dass endlich Genie zu haben 
das höchste Verbrechen wäre." „Der Staat ist ein 
Natur gewächs, nichts willkürlich Erfundenes, sondern 
etwas nothwendig Organisirtes, unser einziges Bestreben 
muss dahin gerichtet sein, den Staat in einen natur- 
gemässen Zustand zu bringen, ihn von seinen Ver- 
zerrungen zu befreien/' Die Massen haben nur das 
eine allgemeine, unbehagliche Gefühl der Unzufrieden- 
heit und den Wunsch nach einem besseren Zustande, 
aber keine bestimmten Ziele, und eben darin liegt die 
sociale Gefahr. Aber eben darum ist es Aufgabe der 
Wissenschaft, den unklaren Wünschen der unteren 
Volksclassen einen festen Boden zu schaffen.*"') 

Das sind überraschende Ansichten, doppelt über- 
raschend, wenn sie mitten am Höhepunkte revolutio- 
närer Gährung gesprochen und vernommen werden; 
das sind Worte, welche alles, was zu jener Zeit in 
ähnlichem Sinne gesprochen und geschrieben wurde, 
an Klarheit und Bestimmtheit übertreffen und that- 
sächlich die Quintessenz dessen enthalten, was auch 
heute noch die wissenschaftliche Sociologie über prak- 
tische Politik zu sagen hat. Nicht trotz, sondern weil 
Engländer der ernsteste Denker der Wiener Revolu- 
tion war, wurde er auch ihr heiterster Witz- und 
Spottvogel, der Herausgeber der berühmten „Katzen- 
musik'' („Charivari"). Kein Anderer als er von 
seiner hohen Warte wäre in der Lage gewesen, auf 
die Schwächen und Tollheiten der bewegten Massen, 
Parteien und Personen herabzublicken, mit ihnen sein 
heiteres Spiel zu treiben und nach gleichem Masse 
rechts und links die Hiebe seiner Pritsche zu vertheilen. 



— 172 — 

So sehen wir, wie auch in Wien alle Richtungen 
des socialen Denkens vertreten waren, wenngleich oft 
nur im Keime, obwohl der Same nachweisbar nicht 
seit Jahren durch thätige Agitatoren oder durch eine 
freie Presse ausgestreut worden war. So einträchtig 
das Auftreten der unter der Fahne des Radicalismus 
und der Demokratie marschirenden Elemente, so be- 
scheiden der Umfang der socialpolitischen Ideen sein 
mochte, es waren dennoch die Ansätze zu all den 
grossen Parteiungen bereits damals deutlich zu er- 
kennen, welche erst in kommenden Decennien in aus- 
gebildeter Individualität auf den Kampfplatz zu treten 
berufen waren. So consequent wirken zu allen Zeiten 
und an allen Orten auch die Gesetze der geistigen Ent- 
wickelung. 

Wenn schon die Publicistik deutlich erkennen 
liess, wie unselbständig die der Emaucipation zu- 
strebenden unteren Schichten des Volkes waren, wie 
den Arbeitern von der ehrlich demokratischen und 
liberalen Bourgeoisie erst die Zunge gelöst werden 
musste, so geht das aus einem kurzen Blicke auf das 
Vereinswesen noch brutaler hervor. 

Vor dem März hatte es in Wien bloss eine einzige 
Arbeiterassociation, die der Buchdrucker gegeben, 
welche sich mit einer Trade-Union vergleichen liess, 
und es blieb auch nach dem März und nach dem Mai 
dabei; der „Allgemeine Unterstützungsverein für die 
Buchdrucker- und Schriftgiessergehilfen Wiens' ' er- 
weckte im Jahre 1848 keine Nachahmung unter den 
Gehilfen anderer Gewerbe, vermuthlich deshalb, weil 
die ruhige Sparthätigkeit mitten in den politischen 
Stürmen der Revolution den Arbeitern zu kleinlich. 



— 173 — 

ZU nichtssagend dünkte. Dagegen machte die Organi- 
sation der Typographen selbst bedeutende Fort- 
schritte. 

Wir haben gesehen, dass der Ausschuss der Buch- 
druckergehilfen bald nach den Märztagen von den 
Principalen das Zugeständniss eines Lohntarifes er- 
wirkte. Ueber die weiteren, in dem Promemoria auf- 
gestellten Forderungen wurde noch weiter gemarktet, 
obwohl es leicht abzusehen war, dass sich bei dem 
damaligen Stande der Revolution auch hierin die 
Principale der organisirten Gehilfenschaft gegenüber 
nicht allzu standhaft würden erweisen können. 

In einer Versammlung der Buchdrucker vom 
14. Juli konnte bereits berichtet werden, dass die 
Principale einer Regelung des Verhältnisses zwischen 
der Zahl der Lehrlinge und der Gehilfen zugestimmt 
hatten, und zwar sollte auf drei Gehilfen ein Lehrling 
kommen, durch vier Jahre sollte aber überhaupt kein 
Lehrling zur Erlernung des Druckes an der Hand- 
presse aufgenommen werden. Die Gehilfen erklärten 
sich dagegen in einer Versammlung einverstanden, 
dass die Principale Druckmaschinen aufstellten, so viel 
sie wollten, doch sollten sie sich verpflichten, nicht 
nur die dermalen arbeitslosen, sondern auch jene Ar- 
beiter, welche in Hinkunft durch die Einführung von 
Maschinen brotlos werden sollten, durch eine anstän- 
dige Beschäftigung zu versorgen; sowohl Setzern wie 
Druckern sollte bei unverschuldetem Arbeitsmangel 
eine Vergütung durch die Principale gegeben werden. 
Endlich wurde die Aufhebung der Sonn- und Feier- 
tagsarbeit gefordert. Dazu Hessen sich die Druckerei- 
besitzer herbei; weiters erklärten sie auf ein be- 



— 174 — 

stimmtes Verhältniss der Zahl der Handpressen und 
der Maschinen nicht eingehen zu können, verpflichteten 
sich jedoch, conditionslose Drucker, welche nach Wien 
zuständig wären, zu versorgen, respective unter- 
zubringen, der Ausschuss der Druckergehilfen wurde 
anerkannt und einem aus Unternehmern und Gehilfen 
zusammengesetzten Schiedsgerichte wurde beigestimmt. 
Das waren die grossen Erfolge der Organisation der 
Typographen, und nicht zum geringsten Theile das 
Verdienst eines Mannes, der seine Vergangenheit 
als einfacher Setzer nie vergessen, der alles daran- 
setzte, dem Typographenstande eine dauernde, feste, 
auf der geistigen Vervollkommnung begründete Or- 
ganisation zu geben, Carl Scherzer's. 

Am 30. April schon forderte Scherzer in einer 
Versammlung der Buchdrucker und Setzer dieselben 
auf, einen Typographenverein nach dem Muster des 
juridisch-politischen Lese Vereines zu gründen, in welchem 
die fachlichen Angelegenheiten besprochen, aber auch 
allgemein wissenschaftliche und politische Themata 
discutirt werden sollten; er stellte auch den Antrag, 
zur Vertretung der Berufsinteressen ein eigenes Journal 
unter dem Titel „Die freie Presse'' herauszugeben. 
Beide Anträge wurden angenommen. Aus dem Journal 
wurde nichts. Der „Typographenverein" wurde zwar 
ins Leben gerufen; es ist uns jedoch über seine 
Thätigkeit nicht viel mehr bekannt, als dass es in 
einer Versammlung des Vereines in der zweiten Hälfte 
Juni sehr heiss herging, und dass der Antrag gestellt 
war, falls die Besitzer den oben erwähnten Forde- 
rungen der Arbeiter sich zu widersetzen wagten, in 
Strike zu treten. Ob es diese Drohung war, was die 



— 175 — 

Besitzer zur Nachgiebigkeit bewog, ist uns unbekannt» 
ebenso was weiter aus dem „Typographen verein** 
wurde. Er scheint um die gleiche Zeit eingegangen 
zu sein, denn Ende Juni liess Scherzer abermals 
einen Aufruf ergehen, der zur Gründung eines „Lese- 
vereines für Buchdruckergehilfen" aufmunterte. Etwa 
300 Gehilfen erklärten sich bereit, dem neuen Verein 
beizutreten, was weiter geschehen, ist uns gleichfalls 
unbekannt. 

Weitaus die bedeutendste Erscheinung des Ar- 
beitercoalitionswesens im. Jahre 1848 war der „Erste 
allgemeine Arbeiterverein*', der sich am 24. Juni im 
Gasthause zum Fürstenhof in der Beatrixgasse festlich 
constituirte. Seine Gründer, sein Präsident, aber auch 
seine Seele war Friedrich Sander, „der Gesell**, wie er 
sich immer mit einem gewissen Stolze nannte. Wir 
wissen von seinem Leben vor und nach der Revolution 
wenig mehr, als dass er Ende der Zwanzigerjahre ge- 
boren, *^^) Schuster geselle war, und Reisen im Auslande 
gemacht hatte, die ihm reiche Erfahrungen über die 
Lage der arbeitenden Classen eingetragen hatten. Nach 
dem März trat er in Häfner's Constitution auf als der 
Verfasser kleiner, aut die Arbeiterverhältnisse bezug- 
habender Artikel und feuriger Gelegenheitsgedichte. 
Auf seine lebhafte Agitation hin war der „Erste all- 
gemeine Arbeiterverein'* ins Leben gerufen worden 
und zählte bald an 2000 Mitglieder; der Zweck des 
Vereines war, für die Arbeiter gleiche Rechte und 
gleiche Freiheiten mit denen aller übrigen Staats- 
bürger durch gesetzliche Mittel und durch die Selbst- 
bildung und Selbstveredlung der Arbeiter zu erringen. 
Die Mitglieder pflegten deshalb in ihren Versamm- 



— 170 — 

lungen und Zusammenkünften die politische Discussion 
ebenso wie die Uebung im Gesänge, im Turnen, Tanzen, 
J)eclamiren, Fechten, Exerciren u. s. w. Die Vereins- 
abende zerfielen dementsprechend auch in eine musi- 
kalisch-declamatorische Akademie und in eine poli- 
tische Discussion. Von socialistischen Reformen des 
Staates war im Arbeitervereine keine Rede,^^) seine 
Tendenzen gingen über die Erreichung der demo- 
kratischen Freiheit nicht hinaus. Die Vereinsmitglieder 
trugen als Erkennungszeichen einen kleinen Bienen- 
stock aus weissem Metall, das Symbol des Arbeits- 
fleisses, am Hute. 

Der „Erste allgemeine Arbeiterverein'' war aus- 
schliesslich eine Coalition von gewerblichen Hilfs- 
arbeitern, von Handwerksgesellen; daneben gab es 
auch einen Sanmielpunkt der Fabriksarbeiter, den 
„radicalen liberalen Verein'', der etwa Ende Juni 
entstand und bald über 800 Mitglieder zählte; er war 
noch mehr als der „Arbeiterverein" im rein politischen, 
demokratischen Fahrwasser. Sein Vorsitzender und sein 
Macher war Dr. Chaises, jene von den Gegnern der Re- 
volution so viel gelästerte, viel verhöhnte, und wie mir 
scheint nicht immer mit Unrecht angegriffene Per- 
sönlichkeit, welche man am ehesten den Marat der 
Wiener Revolution nennen könnte. „Die Thätigkeit, 
welche er in Organisirung seiner Arbeiter entwickelte, 
geht in das Unglaubliche, und durch dieselbe brachte 
er es dahin, dass der Einfluss seines Vereines einer 
der bedeutendsten wurde. Die neu eintretenden Mit- 
glieder umgab er, bevor sie förmlich aufgenommen 
wurden, durch mehrere Tage fortwährend von Früh bis 
in die Nacht und hielt ihnen ordentliche Vorlesungen 



— 177 -- 

Über die Demokratie wie ein Privatdocent seinen 
Schülern. Aber dafür war auch eine Einheit unter 
ihnen, welche in Verwunderung setzte. Einer hatte die- 
selben Ansichten wie der Andere. Den Chaises selbst 
verehrten sie wie ihren Herrn und Meister, unbedingte 
Gewalt übte er über sie, und Alle, so wie er selbst 
waren mit gleicher Berserkerwuth gegen die Beamten- 
welt, das Pfaffenregiment, gegen alle Halben, vor- 
züglich aber gegen den Gemeinderath der Stadt Wien 
erfüllt. Den Autoritätsglauben für irgend etwas an- 
deres als die Richtigkeit seiner Aussprüche riss er 
seiner entschlossenen kraftvollen Garde von Acht- 
hundert für immer aus der Brust. Das Höchste, was 
sie nach und nach gegen den Monat October hin an- 
strebten, war die rein demokratische Republik, ob- 
gleich sie sich mit diesem Wunsche nicht überall her- 
vorwagten und unter Fremden nur von der demo- 
kratischen Monarchie sprachen, aber recht gut wussten, 
dass, wenn die Demokratie siegen solle, die Monarchie 
untergehen müsse. Von der demokratischen Republik, 
welcher man übrigens vor der übrigen Bevölkerung 
zu jener Zeit noch kaum erwähnen durfte, erwarteten 
sie nicht nur volle Gerechtigkeit, sondern als bei dem 
freien gleichen Rechte Aller zur Regierung sich von 
selbst verstehend, auch Arbeit und Brot. Von So- 
cialismus oder gar Communismus wussten sie kein 
Wort, wenigstens wurden darauf bezügliche Ideen in 
ihrer Mitte nicht gehört.*) Die Ansichten dieses Clubs 



*) Man wird nicht irre gehen, wenn man die Richtung, in 
welcher Chaises' Club sich bewegte, eine unklare oder gar nicht 
bewusst anarchistische nennt. Dass diese Anschauung im Jahre 1848 
in Wien einen ziemlich grossen Boden hatte, beweist die Rede des 

Zenker: Wiener Revolution. 12 



— 178 ~ 

wurden durch seine Glieder, wie natürlich, unter alle 
übrigen Fabriksarbeiter verbreitet und begierig auf- 
genommen, so dass dieser Club als der Gesinnungs- 
repräsentant aller Fabriksarbeiter angesehen werden 
konnte." 2«) 

Neutitscheiner Abgeordneten, des Apothekers Johann Faschan k, 
in der Adressdebatte des Reichstages am 29. Juli. Er sagte: ,,Wir 
sitzen hier in Anerkennung der Revolution und müssen sie aner- 
kennen. Mithin kann ich sprechen: Ich bin kein Aristokrat, De- 
mokrat, ich bin Gegner jeder Art Autokratie, Aristokratie, Demo- 
kratie, Plutokratie und wie überhaupt alle Arten von Kratien und 
Herrschaften heissen mögen. Denn kein Mensch ist berechtigt zu 
herrschen über Andere, er ist nur berechtigt zu herrschen über das 
Thier. Wir haben keine andere Souveränität als die Souveränität 
der Vernunft, und der Monarch ist nur das bildliche Symbol der 
Vernunft auf dem Throne. (Gelächter.) Die Herren mögen lachen 
wie sie wollen, das was ich aber gesagt habe, wird die Zukunft 
istets als richtig erweisen.'* In der Sitzung vom 21. August sagte 
der Mann in seiner etwas verworrenen Weise: „Wir stehen gegen- 
wärtig auf einem Punkte, die imposanten Errungenschaften der 
Freiheit dankbar anzunehmen, die uns das wucherische Albion 
vorenthalten und die aufopfernde Liebe Frankreichs gegeben hat. 
Dass wir schon deshalb dankbar sein sollen, weil sie uns gelehrt 
haben, den Menschen nicht als eine physische Statue, sondern als 
eine moralische Person zu befreien und die Mittel zu finden, wie 
man die menschliche Gesellschaft am zweckmässigsten organisiren 
kann. Das Geld, welches als Vorrecht einer privilegirten, vorzüglicli 
begünstigten Classe dasteht, ist der eigentliche Dämon des ganzen 
Volkes, denn es ist nicht ein Mittel zur Erziehung und zum Wohle 
der Menschlieit, sondern es ist vielmehr ein Autokrat, und zwar 
der furchtbarste Autokrat, und die Menschen sind dessen Sklaven. 
Dieses hat die Franzosen zu dem unglückseligen Ausspruche des 
Louis Blanc und seiner Consorten veranlasst, der da sagt: „Der 
Mensch habe ein Reclit auf die Arbeit.'' Das ist falsch, der Mensch 
hat die Pflicht zu' arbeiten, aber das Recht auf die Mittel zur 
Arbeit'' Faschank vertritt sodann den Standpunkt des CoUectiv- 
besitzes ganz in der Weise von Proudhon. 



— 179 — 

Neben diesen beiden grossen und einflussreichen 
Arbeiterverbindungen bestand noch ein Arbeiterverein 
„Concordia" unter der Leitung eines gewissen Dr. Wit- 
laöil, der jedoch ohne Bedeutung gewesen zu sein 
scheint. 

Den meisten Einfluss von allen diesen Vereinen 
hat poch Chaises^ radicaler Arbeiterverein besessen, 
eine grosse Rolle hat das Vereinswesen jener Zeit über- 
haupt nicht gespielt. 



Siebentes Capitel. 

Sie TJnralieii des August und September. 

Der Höhepunkt der Revolution war mit den Mai- 
tagen erreicht ; die Demokratie hatte einen vollen Sieg 
errungen, denselben aber wie ein schlechter Feldherr 
nicht auszunützen verstanden. Sie erschrak über sich 
selbst, wie ein Mensch in einer Mondnacht erschrickt, 
wenn er plötzlich seinen eigenen Schatten vor sich 
riesenhaft einherschreiten sieht. Die Demokratie war 
nicht stark genug, ihren Erfolg und ihre Grösse zu 
ertragen; sie stand rathlos da, bis sich der Gegner 
aufgerafft, gerüstet und gesammelt hatte, und als sie 
«ich mit Todesverachtung auf diesen Gegner warf, da 
war es längst zu spät, da war der Kampf ein nutz- 
loses Martyrium geworden. Dieser Rückgang der 
Demokratie zeigte sich erschreckend deutlich an zwei 
Ereignissen des Juli, welche eigentlich bestimmt waren, 
den Sieg der Demokratie zu krönen: an dem Re- 
gierungswechsel und an dem Zusammentritte des con- 
stituirenden Reichstages. 

12* 



— 180 — 

Der Reichstag stellte sich gar bald vermöge seiner 
Structur und vermöge der Geschäftsordnung, die er 
sich gegeben hatte, als arbeitsunfähig heraus. Der Re- 
gierung aber war von der Hofpartei die Aufgabe zu- 
gedacht worden, die Dinge in Wien so lange hinzu- 
halten, bis sich die antirevolutionären Elemente ge- 
sammelt hatten und die Stunde zum Losschlagen für 
sie gekommen erachteten. Wohl nur die wenigsten Mit- 
glieder der Regierung, ja mit Ausnahme von Wessen- 
berg und Latour vielleicht keiner der Minister 
wusste im Anfange etwas von der wenig ehrenvollen 
Rolle, die ihnen zugedacht war. Einige, wie Doblhoff, 
Hornbostel, waren gemässigte, aber ehrliche Liberale. 
Andei-e freilich merkten bald ihren Beruf und passten 
ihm ihre Gesinnung an, besonders rasch und geschickt 
fügte sich aber der „Barricaden-Minister'* Dr. Bach in 
seine fluchwürdige Rolle, diese elendeste Figur der 
modernen österreichischen Geschichte. 

Indem man Ernst v. Schwarzer das Portefeuille 
der öffentlichen Arbeiten übertrug, suchte man geschickt 
das Odium eines unvermeidlichen Zerwürfnisses mit 
den Erdarbeitern und dem Sicherheitsausschusse und 
aller daraus entspringenden Consequenzen auf einen 
Vertreter der radicalen Journalistik abzuwälzen. 
Freilich hatte sich Schwarzer vom Anbeginne an in 
seinem Blatte, der „Allgemeinen österreichischen Zeitung' ' 
gegen die öffentlichen Erdarbeiten, als eine Quelle der 
Demoralisation der Arbeiterschaft, ausgesprochen, und 
seine Berufung auf die Ministerbank wurde deshalb 
von den Radicalen selbst, besonders aber von den 
radicalen Blättern nichts weniger als freundlich begrüsst. 
Trotzdem fuhr auch den reactionären Adels- und 



— 181 — 

Bürgerkreisen bei seiner Ernennung gelinder Schrecken 
in die Glieder, denn man fürchtete, er werde der 
„österreichische Louis Blanc und Proudhon'' sein. 
Schwarzer hatte nun freilich mit den beiden grossen 
französischen Socialpolitikern so gut wie nichts gemein, 
nicht die Tendenzen und auch nicht die geistigen 
Fähigkeiten. Er war keineswegs ein bahnbrechendes 
Genie, der gute Schwarzer, aber klare Einsicht in die 
Verhältnisse und ehrlicher Wille, das, was er für recht 
erkannt, auch durchzusetzen, kann ihm nicht abge- 
sprochen werden. Er besass den Muth, zu einer Lohn- 
reduction der Erdarbeiter zu schreiten, obwohl er 
wissen konnte, was die Folge dieses Unterfangens sein 
musste, und das war fürwahr kein kleines Wagniss. 
Schwarzer stieg bald wieder vom Ministerstuhle herab 
und dürfte es kaum bedauert haben; hatte er doch während 
der kurzen Zeit seiner Ministerschaft genug Einblick 
gewonnen, um zu wissen, wohin der Curs ging, und 
um jene nicht zu beneiden, die der grossen Krise 
an leitender Stelle entgegen gingen, ohne festen Halt 
nach oben und ohne das Vertrauen des Volkes. 

Die Zahl derjenigen, welche sich ursprünglich in 
den revolutionären Strom geworfen hatten oder von 
den Wellen des Unmuthes und der Begeisterung hatten 
mitreissen lassen, nunmehr aber Sehnsucht nach dem 
festen Lande empfanden, vermehrte sich von Stunde 
zu Stunde. Das eigentlich bürgerliche Element der 
Gesellschaft ist vermöge seiner wirthschaftlichen Seins- 
bedingungen, wenn auch nicht so stabil wie der Bauer 
auf seiner Scholle, so doch immer noch conservativer 
als die grossen f luctuirenden Massen ; das Bürgerthum 
liebt die Bewegung, es lebt von ihr, aber es fürchtet 



— 182 — 

und hasst die Katastrophen, die Krisen, die Ausnahms- 
zustände. Wie die Revolution seit jeher ihre Avant- 
garde im Bürgerthum hatte, hat und haben wird — 
denn auch die proletarische Revolution wird erst dann 
Erfolge haben, wenn sich ihr ein grosser Theil der 
Bourgeoisie aus politischen und taktischen Gründen an* 
schliessen wird — so kann auch die Gegenrevolution in 
einem bestimmten Zeitpunkte immer auf die Hilfe de& 
Bürgerthums rechnen. Dieser Zeitpunkt war im 
Juli 1848 bereits gekommen. 

Die allgemeine Wirthschaftslage war eine trost- 
lose. Die Finanzen des Staates lagen mehr denn je im 
Argen; der Krieg im Süden des Reiches verschlang 
grosse Summen, während die Eingänge durch neue 
Verfügungen, wie die theilweise Aufhebung der Ver- 
zehrungssteuer, Herabsetzung der Salzpreise, mancher 
Zölle u. s. w. vermindert wurden oder unter der Un- 
einbringlichkeit der Steuern in Folge von Erwerbs- 
Störungen, Geschäftsstockungen und auch blosser Renitenz 
litten. Die Finanzgebarung des Vierteljahres März, 
April und Mai 1849 blieb hinter dem Voranschlage 
um ganze 13,897.015 fl. zurück und endete mit einem 
unbedeckten Erfordernisse von 15,840.810 fl. C.-M., was 
mit dem aus der Gebarung vom 1. November 1847 
bis 1. März 1848 übrig gebliebenen unbedeckten Rest 
von 744.297 fl. ein Gesammtdeficit von 16,585.107 fl. 
gab.*) Der Staat sah sich in dieser Calamität, die sich 
im Sommer mit den zunehmenden Kriegskosten noch 
verschlimmerte, genöthigt, den Credit der Nationalbank 
in reichstem Masse zu beanspruchen; die Mittel der 
Bank schmolzen in Folge dessen rapid zusammen, so 
dass zu Zeiten das Verhältniss der Baarmittel zu dem 



- 183 — 

Banknotenumlauf gleich 1 : 9 war;*) ein Ausfuhrverbot 
auf Gold und Silber war natürlich keineswegs ge- 
eignet, den Zudrang zu den Gassen der Bank zu ver- 
mindern; die Einstellung der Baarzahlungen war unver- 
meidlich, und damit war den allgemeinen Greditverhält- 
nissen ein neuer, empfindlicher Schlag versetzt. Das Silber 
und Gold zog sich noch mehr aus dem Verkehre zurück, 
um einem entwertheten Papiergelde Platz zu machen; 
auch andere Institute, besonders aber die erste öster^ 
reichische Sparcasse wurden geradezu in Frage 
gestellt. Dazu kamen dann die häufigen Coursschwan- 
kungen und wiederholten Börsenderouten in Folge der 
politischen Ereignisse. 

Es ist leicht einzusehen, wie schwer Handel und 
Gewerbe, welche ohnedies unter den schon oben ge- 
schilderten Verhältnissen seufzten, durch diese Finanz- 
lage zu leiden hatten. Geschäftsleute, welche im Aus- 
lande Credit genossen, hatten für denselben ausser dem 
vereinbarten Zins noch 20 bis 257o Agio zu bezahlen; 
zahlreiche Fabrikanten mussten, da ihnen der aus dem 
Auslande bezogene Rohstoff um 20 bis 25% theuerer 
kam, ihren Betrieb einstellen. Die geschäftlichen und 
gewerblichen Creditverhältnisse kamen in Folge der 
übel renommirten Finanzlage des Staates und der 
grossen Geldinstitute in arges Schwanken, und jede 
Veröffentlichung eines Monatsausweises über die staat- 
liche Finanzgebarung erzeugte neue Muth- und Trost- 
losigkeit in der Geschäftswelt. Wie immer und überall 
sah der naive Mensch auch in diesem Falle in dem 
Symptom die Ursache, und die Geschäfts- und Finanz- 
welt kehrte sich mit Unwillen von der Oeffentlichkeit 
der Finanzverwaltung, dieser Grundsäule des Consti- 



— 184 — 

tutionalismus ab, die man im März so eifrig begehrt 
hatte. 

Es ist, wenn auch hergebracht, so doch irrig zu 
glauben, dass die grosse Reaction nach dem Sturme 
des Jahres 1848 nicht ebenso gut wie die von heute 
ihre Kraft aus den Tiefen des Volkes geschöpft hätte, 
sondern bloss von oben betrieben worden wäre. Die 
Gesetze der gesellschaftlichen Bewegung dürften 1848 
bereits dieselben gewesen sein wie heute, die Schuld, 
sie nicht erkannt zu haben, liegt bloss darin, dass 
man die Wiener Revolution allzu einseitig von der 
politischen und gar nie von derwirthschaftlichen Seite be- 
trachtet hat. Es soll ja nicht geleugnet werden, dass 
die ihres allmächtigen Einflusses beraubte Hof- und 
Adelspartei durch die Siege der Armee in Italien, 
durch die Niederwerfung Prags durch Windischgrätz 
und durch die contrerevolutionäre Bewegung der Süd- 
slaven im Rücken der Magyaren sicher gemacht, im 
August bereits ihr Haupt zu erheben und zur Ent- 
scheidung zu drängen wagte. Allein, diese Reaction 
wäre ohnmächtig gewesen, wenn nicht im Volke selbst 
der Abfall von der Revolution bereits in erschrecken- 
dem Masse eingerissen wäre. Vielleicht nicht voU- 
bewusst, vielleicht nicht gerade so scharf geschieden, 
wie dies leider heute der Fall ist, standen sich 
die besitzenden und besitzlosen Classen gegenüber, 
wie die Augustrummel, aber noch viel mehr die 
Octobertage zeigten. Die Ereignisse der October- 
revolution müssen jedem, der den vom Mai bis zum 
August sich abspielenden socialen Scheidungsprocess 
nicht beachtet, einfach unverständlich bleiben. Dass 
sich die Wiener Demokratie mit Bravour zu schlagen 



— 185 — 

verstand, hatte sich am 6. und 7. October gezeigt. 
Auch besass sie in Bern einen anerkannten und be- 
währten militärischen Führer; allein, die sociale Zer- 
klüftung in der Stadt, die geheimen Sympathien des 
grössten Theiles der Bürgerschaft mit den „Ruhe- und 
Ordnungmachern" machten Wien zu jedem Offensiv- 
stoss unfähig; die Vereinigung der Cernirungstruppen 
wäre zu verhindern, die Herstellung der Verbindung 
mit der Armee Meszaros noch in der Mitte October 
ein Spiel, das Bombardement Wiens unmöglich ge- 
wesen, wenn nur die Bauern, auf welche die Demo- 
kratie mit Sicherheit gerechnet hatte, den Wienern 
durch eine allgemeine Jacquerie zu Hilfe gekommen 
wären. Statt dessen begrüssten die Bauern überall die 
„Kaiserlichen" auf das wärmste und rührten kein 
Glied, als der Löwe der Aula sein furchtbar rührendes 
Gebrüll erhob. Das Räthsel löst sich ganz einfach 
darin, dass die Bauern durch die Aufhebung der Grund- 
unterthänigkeit, die geschäftige Agitatoren als ein Ge- 
schenk der kaiserlichen Gnade hinstellten, bereits zu 
jenen Elementen gehörten, welche etwas zu verlieren 
hatten, dass die Reactionspartei es verstanden hatte, 
diese unter Umständen gefährliche Hilfstruppe der 
städtischen Demokratie auf ihre Seite, auf die Seite 
der Saturirten zu bringen. Bewandert auf den Pfaden 
der Politik, hatte man es daher ganz gern gesehen, 
als sich der Reichstag unmittelbar nach seinem Zu- 
sammentritte mit der Frage der Grundbefreiung be- 
schäftigte. 

Die bäuerliche Bevölkerung hatte ihre Sympathien 
ganz den Siegern des Mai zugekehrt und war in das 
demokratische Lager gegangen, als die Charte vom 



— 186 -- 

25. April ihre Hoffnungen enttäuscht und sie, statt sie 
von der Grundunterthänigkeit, wie auch von den daraus 
entspringenden Diensten zu befreien, auf die ganz von 
feudalen Majoritäten beherrschten Provinzialstände 
vertröstet hatte. Die Bauern wurden noch schwieriger, 
als sie erfuhren, dass die ungarische Reichsversammlung 
die Grundunterthänigkeit bereits aufgehoben hatte und 
dass selbst der galizische Bauer bereits seit 15. Mai 
frei und entlastet sei. Die Wahlen in den Reichstag 
fielen daher, trotz der heftigen Gegenagitation des 
Adels, der Geistlichkeit und der Bureaukratie, in allen 
bäuerlichen Bezirken demokratisch aus; es waren 
auch zahlreiche Vertreter des Bauernstandes (70 von 
383) erschienen, und alle hatten sie die gebundene 
Marschroute bekommen, den Bauern die bürgerliche 
und wirthschaftliche Freiheit zu erwirken. 

In gleicher Weise hatte sich die öffentliche Meinung 
Wiens längst für die Aufhebung aller auf der land- 
wirthschaftlichen -Bevölkerung ruhenden Beschrän- 
kungen ausgesprochen. 

Der Sohn eines Bauern, das jüngste Mitglied des 
Reichstages, war es, das in der dritten Sitzung des 
Hauses am 26. Juli den Gegenstand vor das Parlament 
brachte. Der Abgeordnete von Bennisch in Schlesien, 
Hans Kudlich, damals noch Student und kaum 25 Jahre 
alt, aber bereits eine der populärsten Erscheinungen 
der Wiener Revolution, stellte in dieser Sitzung den 
Antrag, die hohe Reichsversammlung möge erklären: 

„Von nun an ist das Unterthänigkeitsverhältniss 
sammt allen daraus entsprungenen Rechten und Pflichten 
aufgehoben; vorbehaltlich der Bestimmungen, ob und 
wie eine Entschädigung zu leisten sei.'' 



— 1«7 — 

Dieser Antrag des Abgeordneten Hans Kudlich 
wurde mit allgemeiner Begeisterung aufgenommen und 
jubelnd unterstützt, und das Haus fasste den BeschlusSy 
den Antrag nicht erst einer Commission zuzuweisen» 
sondern bereits in einer der nächsten Sitzungen in 
VoUberathung zu ziehen. Da sich jedoch der Antrag 
Kudlich's in seiner allgemeinen Form wenig zur par- 
lamentarischen Verhandlung eignete und die Ansicht 
auftauchte, der Aufhebung der Grundunterthäjiigkeit 
müsste die Einsetzung und Organisirung landesfürst- 
licher Gerichte vorangehen, solle nicht auf dem Lande 
ein gefährlicher Stillstand aller Rechtspflege, ja selbst 
Rechtslosigkeit einreissen, so legte der Abgeordnete 
Kudlich in der Zwischenzeit einen Verbesserungsantrag 
vor, der auch in der sechzehnten Sitzung des con- 
stituirenden Reichstages vom il. August zur Ver- 
handlung kam. Dieser verbesserte Antrag Kudlich' s 
— der übrigens noch eine ganze Reihe von Variationen 
durchzumachen hatte — lautete: 

„Die Reichsversammlung wolle beschliessen : 1. Dass 
die Einschränkung der persönlichen Freiheit durch 
das Band der Unterthänigkeit aufzuhören hat 2. Dass 
Robot und Zehent, sowie alle anderen, die Freiheit 
des bäuerlichen Grundbesitzes beschränkenden, nicht 
privatrechtlichen, sondern aus dem Verhältnisse der 
Grundherrlichkeit, Bergherrlichkeit, Vogteiherrlichkeit, 
Schutzobrigkeit, Dorfobrigkeit und des Lehensbandes 
entspringenden Lasten nicht mehr zu leisten sind. 
3. Dass eine aus den Vertretern aller Provinzen ge- 
wählte Commission mit Zuziehung des Ministeriums 
mit thunlichster Beschleunigung über die etwaige Ent- 
schädigung und über die Einführung der neuen Ge- 



— 188 - 

richtsverfassung Gesetzentwürfe auszuarbeiten habe. 
4, Dass die Gerichtsbarkeit und politische Geschäfts- 
führung bis zur Einführung der neuen Gerichtsver- 
fassung von den Patrimonialgerichten inzwischen noch 
ausgeübt werden soll. 5. Dass darüber zur Beruhigung 
des Landvolkes eine feierliche Proclamation zu er- 
lassen sei." 

Kudlich motivirte mit kurzen, allgemeinen, aber 
zündenden, begeisterten Worten seinen Antrag; be- 
zeichnend für den ganzen Ideenkreis jener Zeit ist es, 
dass man in der gewaltigen Rede, die von düsterer 
Schönheit und unheimlich glühender Freiheitsliebe 
erfüllt ist, jeden ökonomischen Standpunkt vermisst. 
Nicht den hungernden und darbenden Bauer führt er 
der Versammlung vors Auge, sondern den Sklaven, 
der „gebückt auf Robot einherschreitet und die Hände 
des Gutsherrn leckt'^ den Bauer, „an dessen Wiege 
schon die feilen Lehrer und Pfaffen hocken, um seine 
geistigen Fähigkeiten mit Beschlag zu belegen und 
einen so festen Ring um sein Hirn zu schmieden, dass 
selten ein freier, kühner Gedanke in ihm entstand, 
noch seltener aber über die Lippen drang und wohl 
nie die Hand zur freien, kühnen That spornte''. Als 
Consequenz der Menschenrechte forderte Kudlich die Auf- 
hebung der Unterthanslasten ; er warnte, es darauf 
ankommen zu lassen, dass sich die Bauern mit Gewalt 
— wie es von vielen Seiten her drohte — ihre Rechte 
selbst nehmen würden. Es sei Gefahr im Verzuge, Ge- 
fahr für die Ruhe des Staates, aber auch Gefahr für 
die Freiheit, für den Reichstag; nur der freie Mann 
kann Wächter der Freiheit sein und deshalb müsse 
man den Bauern zum freien Manne machen.^) 



— 189 — 

„Meine Herren!" — schloss Kudlich diese Rede, 
die denkwürdiger ist und grossartiger, als alle rhe- 
torischen Machwerke Cicero's zusammengenommen 
— „Meine Herren! Freiheit und Recht treten heute 
vor die Schranken dieses Hauses, und sie fordern 
Anerkennung, und an ihrer Hand führen sie eine 
Schaar von Millionen als Sklaven misshandelter, ge- 
drückter, seit Ewigkeit geplagter Unterthanen, die auch 
unsere Rrüder, die Menschen sind. Freiheit und Recht 
fordern heute Anerkennung von Ihnen, und die armen 
Geplagten fordern, dass Sie den Druck und die Lasten 
wegnehmen, damit sie aufgerichtet neben uns als 
Freiheitswächter stehen können. Meine Herren! Die 
ganze Geschichte Oesterreichs tritt heute vor uns und 
fordert Genugthuung, damit die Unbilden der alten 
Zeit durch die Anerkennung der neuen Zeit aus- 
geglichen werden ; sie fordert die Anerkennung Oester- 
reichs, dass das Volk Oesterreichs gerechter war als 
seine früheren unbeschränkten Herrscher. Meine Herren ! 
Was Sie heute aussprechen sollen, ist kein Paragraph 
der Geschäftsordnung! Das ist die Thronrede des 
österreichischen Volkes. Heute soll der Geist laut 
werden, der in dieser Versammlung wohnt, damit die 
Völker wissen, worauf sie bauen können. Deswegen, 
meine Herren, sprechen Sie ein gerechtes Wort, sprechen 
Sie ein menschliches Wort, ein grosses, ein entschei- 
dendes Wort, ohne kleinliche Rücksichten, ein Wort, 
bei dem es sich um etwas Grosses handelt Sprechen 
Sie ein Wort, das als Friedensbote mit dem Oelzweige 
des Friedens hinfliegen wird in die Hütte des Ge- 
drückten und* Armen, das den Völkern verkünden wird : 
Es hat sich bereits ein Punkt gebildet, an dem die 



- 190 - 

werdende Zukunft sich zu krystallisiren anfängt. 
Sprechen Sie ein Wort, das die Freiheit im Stande sei 
zu begründen in den Eichenherzen unserer Bauern, die 
trotz des jahrhundertlangen Druckes und Quälens 
noch immer ein ehrenfester, Vertrauen einflössender 
Kern geblieben sind. Sprechen Sie ein Wort zu den 
armen Gebeugten, damit sie aus diesem Donnerschall 
wissen, was Freiheit ist. Sprechen Sie ein Wort, das 
nicht bloss ein Wort des Friedens sein soll, sondern 
ein Donnerwort in die Paläste der Grossen, die noch 
immer auf unsere Schwäche und Unentschiedenheit 
fort lossündigen.'' 

Auf diese Rede folgte eine grosse 39 Sitzungen 
erfüllende Debatte,^) in welcher fast alle Mitglieder des 
Hauses einmal oder öfter das Wort ergriffen und weit 
mehr als 100 Amendements beantragt wurden. Im 
Laufe der Debatte vereinigte sich Kudlich mit den 
übrigen Antragstellern zu einem Compromissantrage, 
der aber gleichfalls nicht die definitive Formulirung 
für die Beschlussfassung abgab. Das Vorgehen des 
Präsidiums war in diesem Falle so ungeschickt, als 
nur immer das eines Anfängers ohne Erfahrungen im 
parlamentarischen Leben sein kann. Statt alle Amen- 
dements zu sammeln, nach Gegenständen zu gruppiren, 
und auf Grund einer mit den Antragstellern zu 
pflegenden Vereinbarung auch gegenstandsweise zur 
Debatte zu bringen, stellte man jedes Amendement 
nach der Reihenfolge zur Begründung und Discussion, 
um dann nachträglich erst zu den Compromissanträgen 
zu greifen und diese neuerlich zur Discussion zu 
bringen. Die Debatte gewann dadurch den Charakter 
einer Obstructionsdebatte, obwohl wir nicht glauben, 



— 191 — 

dass wirklich ernstliche Verschleppungs versuche gemacht 
wurden, wie Violand*) meint Die kleinlichsten stili- 
stischen Abänderungsvorschläge nahmen ungebührlich 
viel Zeit in Anspruch, zahlreiche Wiederholungen er- 
müdeten Redner und Hörer, der üeberblick ging ganz 
verloren und der Reichstag verschwendete eine kost- 
bare Zeit, die für die (Jeschichte Oesterreichs leider 
unwiderbringlich verloren ist. In der Eingebung 
düsterer Ahnungen machte Schuselka den Reichstag 
darauf aufmerksam, dass man einer ernsten Zeit ent- 
gegen gehe; „wir wissen nicht, ob wir in einer so 
wichtigen Frage mit solcher (Jewalt werden auftreten 
können, wie wir es jetzt noch zu thun im Stande 
sind. Trachten wir also, dass wir dieaen grossen 
Grundstein der Freiheit legen, und wenn wir sonst 
gar nichts vollbringen könnten als dies, so wiirde die 
Creschichte uns segnen, dass wir das Landvolk gänzlich 
frei gemacht haben." 

Es muss aber auch gesagt werden, dass sich der 
Reichstag seiner hohen Mission in dieser Frage vollauf 
bewusst war, und dass er sich in jenen Tagen auf eine 
Höhe erhob, die er später leider nie mehr erreichte. 
Die Gluten der Begeisterung für Freiheit und Gleichheit 
schlugen unbehindert durch Nationalitätenhader und 
staatsrechtliche Meinungsverschiedenheiten zu einer 
mächtigen Flamme zusammen, welche Jahrhunderte 
altes Unrecht hinwegbrannten. Trotz ihrer Regellosig- 
keit und trotz vereinzelter Stimmen, aus welchen nur 
schlecht verhohlenes Missbehagen herausklang, gehört 
diese Debatte doch zu den grossartigsten, welche die 
parlamentarische Geschichte kennt ; sie war das Hoch- 
gericht, bei welchem die volkserwählten Geschworenen 



— 192 — 

das vernichtende Verdict über die sociale und wirth- 
schaftliche Ordnung der vorangegangenen Zeit fällten. 
Nicht Eine Stimme wagte es, sich zu erheben, um 
offen das alte System, die Grundunterthänigkeit selbst 
zu vertheidigen. Und so wagte es denn auch die spätere 
Zeit der Reaction nicht, an diesem Urtheile zu rütteln. 

In sachlicher Hinsicht drehte sich die Debatte 
vorwiegend darum, ob mit der Aufhebung der Grund- 
unterthänigkeit auch zugleich eine Entscheidung des 
Reichstages über die Entschädigungsfrage gefällt werden 
sollte. 

Der radicalste Theil wollte alle Lasten und 
Dienste sofort und ohne jede Entschädigung aufge- 
hoben wissen. Er machte dafür die Ungerechtigkeit 
dieser Abgaben und die Unmöglichkeit einer Entschädi- 
gung geltend, weil die Bauern die Ablösungssumme 
nicht hätten; die Ablösung sei aber auch wirthschaft- 
lich ganz unzweckmässig, weil für die Bauern das 
Geld höheren Werth habe als die Naturalleistuhg; 
die Dienste gegen Geld ablösen, hiesse dem Feinde 
die Munition ausliefern, sagte der mährische Abge- 
ordnete Bittner. Der Beweis, dass die aus der ünter- 
thänigkeit entspringenden Dienste und Abgaben ein 
Eigenthum des Grundherrn bilden, sei nicht zu er- 
bringen; auch dürfe man das Eigenthum nicht bloss 
auf einer Seite respectiren, während auf der anderen 
Seite die furchtbarste Rechtsverletzung und Nicht- 
achtung des Eigenthums stattgefunden hatte und gut- 
geheissen wurde. 

Die Mehrheit der Abgeordneten war im Princip 
für die Entschädigung, indem sie sich auf das histo- 
rische Recht, die Gerechtigkeit und die Opportunität 



— 193 — 

berief. Das Eigenthum als solches müsse geschützt 
werden, um kein Präjudiz für die Confiscation über- 
haupt zu schaffen, auch würden die Tabulargläubiger, 
unter denen sich Waisen und Sparcassen befänden, sowie 
die Gemeinden, welche Herrschaftsrechte geniessen, durch 
eine Grundbefreiung ohne Entschädigung am härtesten 
betroffen werden. Zahlreiche Radicale stimmten nur 
für die Entschädigung, um nicht das Ganze und die 
Hauptsache zu gefährden, da das Ministerium aus der 
Entschädigung eine Cabinetsfrage gemacht hatte; mari 
scheute sich, eine Ministerkrise heraufzubeschwören, 
deren Ausgang unabsehbar gewesen wäre. Kudlich 
selbst hatte in seinem Antrage die Frage offen ge- 
lassen. 

Unter denen, welche für eine volle und billige Ent- 
schädigung eintraten, waren die Meinungen wieder sehr 
getheilt darüber, ob die Entschädigung für alle aufzu- 
hebenden Lasten oder bloss für die aus sogenannten Pri- 
vatverträgen fliessenden Abgaben festgesetzt werden 
sollte; ob die Entschädigung vom Bauer oder vom 
Staate, oder vom Lande, oder vom Bauer, Gutsherrn 
und Staate gemeinsam geleistet werden sollte; Einzelne 
wollten, dass bezüglich der Bauernwirthschaften, die nicht 
aus mehr als 5 oder 9 Metzen Grund bestehen, gar 
keine Entschädigung geleistet werden sollte. Andere 
verlangten, dass die Patrimonialgerichtsbarkeit bis 
zur Einführung landesfürstlicher Gerichte einstweilen 
auf Kosten und unter Verantwortlichkeit des Staates 
weitergeführt werde u. s. w. Einzelne unbeugsame 
Föderalisten forderten, dass die Entscheidung über 
die Fragen überhaupt nur den Provinziallandtagen 
zustehe und eingeräumt werden solle. 

Zenker: Wiener Revolution. '3 



— 194 — 

In der Sitzung vom 29. August sollte man zur 
Abstimmung schreiten. Es lagen im Ganzen 159 Fragen 
vor. Es wäre einfach unmöglich gewesen, ohne chao- 
tische Verwirrung herbeizuführen, über jede dieser 
Fragen einzeln abzustimmen. Man versuchte deshalb 
die Angelegenheit durch ein Compromiss zu verein- 
fachen, und thatsächlich gruppirte sich die über- 
wiegende Mehrheit der Antragsteller um zwei Collectiv- 
anträge, deren einer durch Kudlich, der andere durch 
Lasser vertreten war. 

Der Antrag Kudlich's lautete in seiner letzten 
Form: 1. Soll die Unterthänigkeit (nexus subditelae) 
sammt allen dieselbe betreffenden Gesetzen aufgehoben 
werden? 2. Soll alle Robot und jeder Zehent, sowie 
auch alle aus dem Unterthänigkeitsverbande, dem 
Obereigenthum, der Dorf- und Schutzobrigkeit, aus 
dem Weinbergrechte, aus der Vogteiherrlichkeit, dem 
bäuerlichen Lehensverbande entspringenden, oder ihnen 
ähnlichen Natural-, Geld- und Arbeitsleistungen und 
Lasten des Haus- und Grundbesitzes, einschliesslich 
aller Besitzveränderungsgebühren von nun an auf-, 
hören? 3. Soll für alle diese aufgehobenen Lasten gar 
keine Entschädigung geleistet werden ? 4. Soll es einer 
Commission überlassen werden, vorzuschlagen, für welche 
dieser Lasten eine Entschädigung, für welche derselben 
keine zu leisten sei? 5. Soll für die nicht auf Privatver- 
trägen beruhenden Lasten die Entschädigung vom Staate 
geleistet werden? 6. Sollen für diese Commission aus je- 
dem Gouvernement drei Mitglieder des Reichstages ge- 
wählt werden ? Ist darüber eine Pr oclamation zu erlassen ? ' * 

Der Collectivantrag Lasser's lautete: „1. Ist die 
Unterthänigkeit und das schutzobrigkeitliche Ver- 



— 195 — 

hältniss sammt allen, diese Verhältnisse normirenden 
Gesetzen aufgehoben? 2. Ist Grund und Boden zu 
entlasten? Werden alle Unterschiede zwischen Do- 
minical- und Rusticalgründen aufgehoben? 3. Sind 
alle aus dem ünterthänigkeitsverhältnisse entsprin- 
genden, dem unterthänigen Grunde anklebenden Lasten, 
Dienstleistungen und Giebigkeiten jeder Art, sowie 
alle aus dem grundherrlichen Obereigenthum, aus der 
Zehent-, Schutz-, Vogt- und Weinbergherrlichkeit und 
aus der Dorfobrigkeit herrührenden, von den Grund- 
besitzungen oder von Personen bisher zu entrichten 
gewesenen Natural-, Arbeits- und Geldleistungen mit 
Einschluss der bei Besitzveränderungen unter Leben- 
den und auf den Todesfall zu zahlenden Gebühren 
von nun an aufgehoben? 4. Kann für alle aus dem 
persönlichen ünterthanenverbande, aus dem Schutz- 
verhältnisse, aus dem obrigkeitlichen Jurisdictions- 
rechte und aus der Dorfherrlichkeit entspringenden 
Rechte und Bezüge keine Entschädigung gefordert 
werden, wogegen auch die daraus entspringenden 
Lasten aufzuhören haben? 5. Ist für solche Arbeits- 
leistungen, Natural- und Geldabgaben, welche der Be- 
sitzer eines Grundes als solcher dem Grund-, Zehent- 
oder Vogtherrn zu leisten habe, baldigst eine billige 
Entschädigung auszumitteln ? 6. Sind die Holzungs- 
und Weiderechte, sowie die Servitutsrechte zwischen 
den Obrigkeiten und ihren bisherigen Unterthanen 
entgeltlich, das dorfobrigkeitliche Blumsuch- und 
Weiderecht, sowie die Brach- und Stoppelweide unent- 
geltlich aufzuheben? 7. Hat eine aus Abgeordneten 
aller Provinzen zu bildende Commission einen Gesetz- 
entwurf auszuarbeiten und der Reichsversammlung 

13* 



— 196 — 

vorzulegen? Hat dieser Gesetzentwurf zu enthalten 
die Bestimmungen a) über die entgeltliche Aufhebung 
der in emphyteutischen oder sonstigen über Theilung 
des Eigenthums abgeschlossenen Verträgen begrün- 
deten wechselseitigen Bezüge und Leistungen ? h) Ueber 
die Aufhebbarkeit von Grundbelastungen, die etwa 
im § 3 nicht angeführt sind, c) Ueber die Art und 
Weise der Aufhebung und Regulirung der im § 6 
angeführten Rechte? d) Ueber den Massstab und die 
Höhe der zu leistenden Entschädigung und über den 
aus den Mitteln der Provinzen zu bildenden Fonds, 
aus welchem durch Vermittelung des Staates die Ent- 
schädigung zu leisten kommt? e) Ueber die Frage, ob 
für die nach § 2 und nach § 7 aufzuhebenden, jedoch 
im § 4 und 5 angeführten Giebigkeiten und Lei- 
stungen eine Entschädigung und welche zu entrichten 
sei? 8. Haben die Patrimonialbehörden die Gerichts- 
barkeit und die politische Amtsverwaltung provisorisch 
bis zur Einführung landesfürstlicher Behörden auf 
Kosten des Staates fortzuführen?'* 

Am 30. August schritt man zur Abstimmung. Die 
Majorität entschied sich dafür, dass erst der Lasser- 
sche, dann der Kudlich'sche CoUectivantrag zur Ab- 
stimmung komme. Die ersten drei Fragen des Lasser- 
schen Antrages, das allgemeine Princip der Grund- 
befreiung betreffend, wurden einstimmig und unter 
unbeschreiblichem Jubel bejaht. Die Linke gedachte 
nunmehr die Abstimmung über die weiteren Punkte 
des Lasser'schen Antrages, welche die Entschädigungs- 
frage betrafen, zu verhindern, indem sie die Ver- 
sammlung durch Absentirung beschlussunfähig zu 
machen suchte. Das gelang ihr jedoch nicht. Sie 



— 19T — 

kehrte daher in den Saal zurück und setzte wenig- 
stens durch, dass nicht sogleich über die Lasser'schen 
Fragen, sondern vorher über das Entschädigungs- 
princip abgestimmt werde. Die dem Hause vorgelegten 
Fragen lauteten: „Ist für einige der aufgehobenen 
Lasten eine Entschädigung zu leisten, für andere nicht?" 
„Ist gar keine Entschädigung zu leisten?'' und „Ist 
für alles Entschädigung zu leisten?" Das Haus ent- 
schied sich für die erste Frage und nahm sodann die 
noch übrigen Punkte des Lasser'schen Antrages mit 
Majorität an. Hierauf wurde bei neuerlicher Ab- 
stimmung der Antrag Lasser's auch in seiner Gesammt- 
heit mit Majorität genehmigt. 

Man schritt sodann zur Erledigung des Kudlich- 
schen Antrages. Die vier ersten Punkte wurden als durch 
die gefassten Beschlüsse für bereits erledigt erachtet. 
Das Schwergewicht des Kudlich'schen Antrages ruhte 
sonach im 5. Punkte, welcher die Pflicht der Ent- 
schädigung dem Staate zuschob. Bei der Einzelab- 
stimmung wurde dieser gleich den übrigen Punkten 
mit grosser Majorität angenommen, bei der zweiten 
Abstimmung gelang es der Rechten aber, einige ga- 
lizische Bauern zu gewinnen, und so kam es, dass die 
Gesammtheit der drei restlichen Punkte mit 152 gegen 
148 Stimmen abgelehnt wurde. Die Linke schäumte 
vor Entrüstung und verlangte eine neuerliche Ab- 
stimmung, die Rechte verliess aber das Haus und 
machte es beschlussunfähig. Es blieb bei der früheren 
Abstimmung. Die noch übrigen Einzelamendements 
wurden entweder als durch die gefassten Beschlüsse 
erledigt betrachtet oder von den Antragstellern selbst 
zurückgezogen. 



— 198 — 

Am 7. September legte die Regierung dem Hause 
die Redaction der Beschlüsse vor; dieselben wurden 
mit dem Zusätze genehmigt, das Ministerium möge 
die „bestimmende Fertigung Sr. Majestät veranlassen 
und sohin dieselben in gesetzlicher Form zur un- 
gesäumten Kundmachung bringen''. Die Sanction und 
Publication erfolgte auch thatsächlich noch am selben 
Tage. 

Die Nachricht von der grossen That des Reichs- 
tages, von jener That, welche diesem kurzen Parlamente 
einen dauernden Platz in der Geschichte wahren wird, 
wurde vom Volke und besonders von den Bauern wie 
etwas Selbstverständliches quittirt. Die lange und 
fruchtbare Arbeit der Jesuiten und Dragoner hatte 
den Sinn für Dankbarkeit aus dem Herzen des 
österreichischen Bauern verdrängt, und so kam es, 
dass das grosse Ereigniss in ganz Oesterreich weder 
durch Bergfeuer noch durch PöUerschüsse, weder 
durch Reden und Umzüge, noch durch Gottes- 
dienste und Dankeswallfahrten gefeiert wurde. Man 
hatte dem Volke die Sache so dargestellt, als ob 
die Aufhebung des Unterthanen Verhältnisses vor- 
wiegend der Gnade des Kaisers zu danken sei. Das 
Verdienst der Linken des Reichstages und vor allem 
des muthvoUen und begeisterten Antragstellers Hans 
Kudlich wurde möglichst in den Hintergrund und 
dafür das vorgebliche Verdienst Lasser' s in den Vor- 
dergrund gerückt. 

Es bedurfte der Aufforderung eines radicalen 
Blattes, der „Bauernzeitung" (Beiblatt zu Mahler's 
„Freimüthigen" am 13. September), um den Bauern 
zum Bewuöstsein zu bringen, dass sie ihren muthigen 



— 190 — 

Vertretern im Reichstage Dank schuldig wären. Am 
24. September fand zu Ehren Kudlich's ein grosser 
Fackelzug statt, zu welchem aus weiter Ferne Bauern- 
deputationen entsendet worden waren. Es war eine 
imposante Kundgebung, bei der viel gesprochen wurde. 
Kudlich selbst hielt vom Balcon des Hotel Munsch 
aus jene berühmte, wildlockige Ansprache an die 
Bauern, in welcher er diesen die denkwürdigen Worte 
zurief: „Seid wachsam! Und wenn der Löwe der Aula 
wieder ruft bei nahender Gefahr, so lasst die Flammen- 
zeichen leuchten von Berg zu Berg! Ihr werdet 
kommen! Ihr werdet kommen und nicht dulden, dass 
man die Studenten überfalle und über ihre Leichen 
schreitend die junge Freiheit vernichte." 

Die Bauern jubelten natürlich den Worten zu; 
hatten sie doch das Patent, das ihnen die Robot ab- 
nahm, in der Tasche und brennende Fackeln in den 
Händen, und wurden mit Auszeichnung behandelt und 
mit Ehren überhäuft. Sie hatten auch Bärenmuth, 
damals am Mehlmarkte, wo keine Croaten ihnen gegen 
über standen und Windischgrätz nicht in Sicht war. 
Unter den Männern der Revolution gab es freilich 
sehr viele, welche auf diesen Muth und auf diese Be 
geisterung der Bauern keinen Pfifferling gaben und von 
der Demonstration am Mehlmarkte hinweg freudlosen 
Auges in eine düstere Zukunft blickten. Anderen 
stählte der Bauernaufzug immerhin den Muth und die 
Hoffnung, und den Reactionären jagte er vielleicht 
doch eine gelinde Angst ein; allein, die Dinge waren 
zu weit gediehen, als dass sie durch eine Demon- 
stration, wie die vom 24. September, auch nur hätten 
aufgehalten werden können. 



— 200 — 

Die Arbeiterfrage hatte, wie es nicht anders 
möglich war, um jene Zeit längst einen tiefen Riss in 
der Bevölkerung erzeugt, welcher die Todeswunde der 
Freiheit zu werden drohte. 

Schon Ende Juni wetterleuchtete es von ferne. 
Man hatte aus Versehen den Arbeitern auf einem 
Platze auch für einen Feiertag, an welchem nicht 
gearbeitet worden war, den Lohn ausgefolgt. Sogleich 
erschienen die Arbeiter von den übrigen Plätzen und 
begehrten, dass ihnen überhaupt an Sonntagen 
und Feiertagen, wie auch an Regentagen der Xiohn 
bezahlt werden solle. Selbst Radicale sahen das Un- 
vernünftige dieser Forderung ein.^) Die Arbeiter waren 
aber äusserst schwierig; Agitatoren suchten auf den 
Arbeitsplätzen am Bründlfeld, in Gumpendorf, in der 
Wiedener Vorstadt und anderwärts die Arbeiter auf- 
zureizen, und drohten jenen, die sich zufrieden zeigten, 
mit Todschlag.') Man suchte zu vermitteln; ohne Er- 
folg. Zwischen der gemässigten Bourgeoisie und den 
Arbeitern kam es zu heftigen Auseinandersetzungen, 
die Stimmung wurde eine sehr verbitterte. Keine Nacht 
verging ohne Katzenmusik, die oft ganz Unschuldigen 
gebracht wurde, Bäcker und Fleischer kamen in 
ernstliche Bedrängniss, die Nationalgarde musste Tag 
und Nacht in Dienst stehen, um Ausschreitungen der 
Arbeiter zu verhindern. Dadurch wurde aber die 
Stimmung des Bürgerthums, welches nie für den 
permanenten Waffendienst geschwärmt hat, und sich 
seinem bürgerlichen Berufe entzogen fühlte, noch un- 
freundlicher gegen die Arbeiter, ja man fürchtete schon 
damals einen Conflict zwischen Garden und Ar- 
heitern. 



Eines Tages zog eine Rotte von etwa hundert 
Arbeitern, um eine Lohnerhöhung zu ertrotzen, vor 
den Sitzungssaal des Sicherheitsausschusses; eine De- 
putation erschien vor der Versammlung und ver- 
langte die Erhöhung des Taglohnes auf 36 kr., während 
von unten herauf ungestümes Schreien der Genossen 
scholl. Der Präsident des Ausschusses, Dr. Fischhof, 
suchte dem Sprecher zunächst in eindringlicher Weise 
die Unerfüllbarkeit seiner Wünsche klar zu machen; 
als der Arbeiter aber nunmehr mit allgemeinen Ex- 
zessen der Arbeiter drohte, Hess ihn Fisehhof ver- 
haften. 

Der Sicherheitsausschuss befand sich in einer 
peinlichen Situation, ähnlich wie der Reichstag im 
October. Er war für die Aufrechterhaltung der Ord- 
nung verpflichtet. Hätte er den drängenden Garden 
die Erlaubnisa zu einem Angriffe auf die Arbeiter 
gegeben oder den eigenmächtigen Angriff auch nur 
nachträglich gebilligt, so wäre sein Vertrauen im Pro- 
letariate unwiderbringlich verloren und er selbst der 
Rache des eifersüchtigen Gemeindeausschusses preis- 
gegeben gewesen. Im anderen Falle wäre der Sicher- 
heitsausschuss vollkommen in die Arme des Pro- 
letariates und auf die Bahnen des Pariser Wohlfahrts- 
ausschusses gedrängt worden. Da er nun zu dem 
einen wie zu dem anderen gleich wenig Lust ver- 
spürte, suchte er zwischen Garden und Arbeitern zu 
vermitteln. Ausschussmitglieder und Studenten eilten 
auf die Arbeitsplätze und suchten beschwichtigend 
zu wirken; allein, die Arbeiter wollten auch auf die 
Studenten nicht hören. Der Tumult und die Er- 
bitterung wuchsen von Stunde zu Stut^de, '^^°^ '^*^ ^^ 




— 202 — 

Tag, die Arbeiter bewaffneten sich so gut es ging, die 
Situation war äusserst kritisch geworden. Da ver- 
suchte der Sicherheitsausschuss ein Letztes. Er con- 
signirte die gesammte Garde sammt ihren Geschützen 
auf den Glacien, einige beherzte Studenten gingen 
unter die Arbeiter und stellten ihnen die Gefahren 
eines Kampfes vor Augen. Die Arbeiter, welche sich 
die Gewalt des Bürgerthums nicht so gross vor- 
gestellt hatten, wurden stutzig und wichen der sicht- 
lichen Uebermacht. Sie Hessen es zu, dass die Rädels- 
führer verhaftet wurden; Andere entflohen, man hat 
wissen wollen, dass es hauptsächlich Czechen gewesen 
seien. Die Aufseher über die Arbeiter erhielten nun- 
mehr strengen Befehl, solche Personen, die nicht Ar- 
beiter waren und welche sie nicht genau kannten, von 
den Plätzen abzuweisen; die Arbeiter wurden puri- 
ficirt, so viel es sich thun Hess, und seit diesen, den 
sogenannten Juniunruhen war es thatsächlich auf den 
Arbeitsplätzen wieder ruhig geworden, obwohl ein 
geheimer Groll gegen den Gemeinderath und die 
Stadtgarden den Arbeitern seit jenen Tagen nicht mehr 
aus der Brust zu reissen war. Die allgemeinen Zustände 
auf den Arbeitsplätzen änderten sich freilich um 
nichts. 

Als mit dem Amtsantritte des neuen Ministeriums 
Herr v. Schwarzer das Portefeuille der öffentlichen 
Arbeiten übernahm, konnte man gewärtig sein, dass 
in den ganz unhaltbaren Verhältnissen dieses Ressorts 
eine einschneidende Veränderung eintreten müsse. 
Schwarzer zeigte in der That den festen Willen und 
die redlichste Absicht, den bei den Erdarbeiten ein- 
gerissenen Missbräuchen ernstlich zu steuern und die 



- 203 — 

ganze Institution auf jenes Mass und jene Form zurück- 
zuführen, in welcher allein sie intendirt war und sein 
konnte. 

Einer seiner ersten Schritte war, dass er sich an 
den Sicher heits-, wie an denGemeindeausschuss mit einem 
Erlasse wendete, in welchem er die Einsetzung eines 
provisorischen Centralcomites für Arbeiterangelegen- 
heiten unter oberster Leitung des Ministeriums anzeigte. 

Die Aufgaben dieses Centralcomites sollten sein, 
Erhebungen über den Stand und Zustand, sowie über 
die Zuständigkeit der verwendeten und der Verwendung 
bedürftigen Arbeiter zu pflegen, diese Daten evident 
zu halten, weiters Erhebungen über Nothwendig- 
keit, Anzahl, Umfang und Reihenfolge der öffentlichen 
Arbeitsobjecte, Fürsorge für die Beschaffung der hierzu 
erforderlichen Geldmittel zu pflegen, die oberste Ueber- 
wachung der Ausführung dieser Arbeiten und der 
dabei zu beachtenden Grundsätze in technischer, öko- 
nomischer und disciplinarer Hinsicht zu üben, und 
endlich die Herbeiführung eines den Anforderungen 
des Staates und der Gesellschaft möglichst entsprechen- 
den normalen Zustandes der Arbeitsangelegenheiten 
überhaupt anzubahnen. 

Dem Centralcomite traten Mitglieder des Gemeinde- 
ausschusses und des Sicherheitsausschusses bei, freilich 
mit grosser Hingebung für die Sache die letzteren 
schon deshalb nicht, weil das neue Comite unter der 
Leitung des Ministeriums stand und dadurch die 
souveräne Stellung des Sicherheitsausschusses wesent- 
lich erschüttert wurde. Ueber die Thätigkeit des 
Centralcomites ist uns nichts bekannt geworden, wahr- 
scheinlich wurde eine solche nicht entfaltet. 



— 204 — 

Am 2. August Hess der Arbeitsminister an die 
Arbeiter bei den öffentlichen Bauten, welche zu ihren 
erlernten Gewerben zurückkehren wollten, die Auf- 
forderung ergehen, sich bei dem Comite zu melden, 
da man dem Gewerbe und der Industrie durch Staats- 
mittel aufhelfen werde. Es meldete sich fast niemand. 
Bald darauf ordnete der Minister die Ausweisung der 
Fremden von den Arbeitsplätzen an. Die Ausführung dieser 
Massregel wurde mit der Behauptung hintertrieben, es 
seien keine Fremden da, weil alle vor dem 13. März 
Zugewanderten als Zuständige zu betrachten seien, oder 
man besässe überhaupt kein Recht, Fremde auszuweisen, 
weil die Kosten der Bauten aus der Staatscasse 
bestritten würden, in welche alle Provinzen ein- 
zahlen u. s. w. 

Als diese Versuche, den krankhaften Zudrang zu 
den Erdarbeiten zu unterbinden, scheiterten, schritt 
Schwarzer zu einer radicaleren Massregel, nämlich zu 
einer Lohnreduction. Es wurde am 18. August zunächst 
der Abzug an dem Lohne der Weiber und Kinder vor- 
genommen, und zwar wurde der erstere auf 15 kr., 
der letztere auf 10 kr. herabgesetzt; eine ähnliche 
Lohnreduction für Männer sollte etwas später er- 
folgen. 

Wir wollen gleich hier die socialpolitische Seite 
dieser verhängnissvollen Massregel beleuchten. Es gab 
unter den Demokraten des Jahres 1848 nur die eine 
Meinung, dass diese Verfügung des Arbeitsministeriums 
eine Provocation war, um einerseits dem weiteren Um- 
sichgreifen des Proletariereinflusses ein Ende zu machen, 
andererseits des Sicherheitsausschusses sich zu entledigen, 
die Demokratie zu compromitliren u. s. w. Schwarzer 



wurde von deu Einen als das eingeweihte, von den An- 
deren als das seiner Mission unbewusste Werkzeug 
der reactionären Partei bezeichnet. Es ist schwer, nach 
50 Jahren über die Motive einer Handlung etwas Be- 
stimmtes aussprechen zu wollen, über welche keine 
Documente vorliegen. Eben deshalb ist es aber auch 
die Aufgabe des Geschichtsschreibers, insolange die 
bekannten natürlichen Gründe zur Erklärung einer 
Sache hinreichen, auch wirklich sich damit zu be- 
gnügen und auf Combinationen, welche auf dem Boden 
der Parteileidenschaft aufgesprossen sind, zn ver- 
zichten. Schwarzer hat durch keine seiner Handlungen 
vor oder nach seiner Ministerschaft bewiesen, dass 
er sich als Werkzeug der Reaction missbrauchen 
lasse; er hat vielmehr bewiesen, er allein, dass er sieh 
nicht an ein Ministerportefeuille klammere; auch 
seine Feinde von rechts und links waren nicht im 
Stande, nur das geringste gegen ihn vorzubringen, 
was einen so schweren Verdacht rechtfertigen könnte. 
Schwarzer hat aber auch im Vollbewusstsein der Conse- 
qnenzen jene Massregel getroffen. „Wenn jemand be- 
hauptet, eine solche Massregel ginge ohne Aufregung 
vorüber, zumal bei einem so demoralisirten Zustande 
eines grossen Theiles gerade dieser Arbeiter, der liegt 
noch in der Wiege der Erfahrung," heisst es in einem 
unmittelbar nach den Excessen in der „Allgemeinen 
Oesterreichischen Zeitung" erschienenen, offenbar von 
Schwarzer selbst herrührenden oder doch inspirirten 
Artikel 

Was Schwarzer vorschwebte, war ein heute von 
der Wissenschaft unangefochten acceptirter Grundsatz, 
dass die den Armen und Arbeitslosen zu bietende 




— 206 — 

Öffentliche Hilfe nie über das den localen und zeit- 
lichen Verhältnissen entsprechend abgeschätzte Exi- 
stenzminimum hinausgehen dürfe, um nicht auf solche, 
welche noch arbeitsfähig sind und Arbeitsgelegenheit 
haben, als Verlockung zu wirken. Es war ein 
unverantwortlicher und nur durch die socialpolitische 
Unreife zu entschuldigender Fehler des Sicherheits- 
ausschusses, dass er den Lohn für die Nothstands- 
arbeiten statt zwischen Existenz- und Lohnminimum, 
höher als die bei derlei Arbeiten üblichen Löhne fest- 
setzte. In der That haben die Gegner der Schwarzer- 
schen Massregel, weniger das Wesen derselben, als den 
Zeitpunkt, in welchem sie durchgeführt wurde, ihre 
Form u. s. w. bemängelt. An solchen Kundgebungen 
posthumer Weisheit hat es ja nie gefehlt. Weit eher 
könnte man sagen, dass es verfehlt war, die Mass- 
regel zuerst auf die Weiber und Kinder zu erstrecken, 
und ihr dadurch etwas ausgesucht Hartes zu verleihen. 
Allein, gerade auf diesem Wege hoffte Schwarzer die 
Arbeiter an die neue Ordnung der Dinge allmählich 
zu gewöhnen. Jedenfalls hätte — von Aeusserlichkeiten 
abgesehen — was Schwarzer that, jeder andere 
Arbeitsminister, der nicht auf socialistischem Boden 
stand, thun müssen; das, wozu die fanatischen Stadt- 
garden die ministerielle Verfügung missbrauchten, 
das hat natürlich Schwarzer nicht zu verantworten. 
Die Massregel wurde vom 19, August auf den 
Arbeitsplätzen of ficiell publicirt. Sie wurde zwar mit 
Murren, aber ohne ernste Demonstration aufgenommen, 
und der 19. und 20. August verliefen ruhig. Am 
21. August zogen die Arbeiter wie gewöhnlich zur 
Arbeit und nahmen eine neuerliche Publication,^) in 



— 207 — 

welcher die Massregel vom 18. August vollständig 
aufrecht erhalten wurde, mit Ruhe hin; erst gegen 
8 Uhr wurden sie zu einer Sturmpetition animirt; 
die Stimmung wurde besonders in dem Momente eine 
gereizte, als man erfuhr, dass auch die Männer 
demnächst eine Lohnreduction erfahren sollten. Die 
Arbeiter rotteten sich zusammen und zogen gegen die 
Stadt. Das Ministerium setzte sich bei der Kunde von 
dem Herannahen der Arbeiterschaaren mit allen revo- 
lutionären und regulären Behörden in Verbindung 
und forderte sie auf, alles, was in ihrem Wirkungs- 
kreise liege, vorzukehren. Man suchte die Arbeiter 
von der Stadt fernzuhalten; es kamen aber dennoch 
viele in die Stadt und begaben sich in die Aula. Die 
Legion, wie auch die Vorstadtgarden standen auf der 
Seite der Arbeiter; sie suchten sie gleichwohl zu be- 
schwichtigen und erreichten es auch, dass trotz aller 
Feindseligkeit der Stadt- und Municipalgarden es an 
diesem und dem folgenden Tage zu keinem ernsteren 
Conflicte kam. 

Am 23. August veranstalteten die Arbeiter im 
Prater eine Farce, bei welcher der Minister schlecht 
wegkam, wie solche aber damals nicht selten aufgeführt 
wurden. Man führte einen Esel in Procession herum, 
auf welchem eine Puppe mit einem Fünfkreuzerstück 
im Munde sass, der Minister Schwarzer, der den Ar- 
beitern 5 kr. abgezogen hatte. Sch>Hrarzer wurde dann 
in effigie verbrannt, und als man sich durch dieses 
Autodafe genügend in Stimmung gebracht hatte, 
suchte man in Massen gegen die Stadt zu ziehen. Das 
war der Moment, den die spiessbürgerlichen und gegen 
das Proletariat feindseligen Stadt- und Municipalgarden 



-- 208 — 

benützten, um das Spiel zum Aeussersten zu treiben. 
Am Eingange der Jägerzeile (Priaterstrasse) stiessen die 
Arbeiter auf die Garden. Man weiss nicht, von welcher 
Seite die Feindseligkeiten eröffnet wurden, genug, die 
Garden feuerten wiederholt in den aus meist unbe- 
waffneten Männern, Weibern und Kindern bestehen- 
den Knäuel, sie hieben noch in die Fliehenden ein 
und schonten selbst Kinder nicht. Zahlreiche Leichen 
und Hunderte von Verwundeten bedeckten das Pflaster. 
Bürger hatten Bürgerblut vergossen; die Revo- 
lution war geschändet, die Partei des Rückschrittes 
konnte sehen, dass ihre Stunde gekommen sei. Als die 
brutalen Männer der „Ordnung" in die Leopoldstadt 
zurückkehrten und ihre noch blutigen, aber mit Blumen 
bekränzten Säbel und die den Arbeitern entrissenen 
Fahnen triumphirend schwangen, wurden sie an den 
Fenstern von Damen mit Lebehochs und Tücher- 
schwenken begrüsst. Das Bürgerthum hatte lange mit 
Widerwillen Arbeiterfreundlichkeit geheuchelt, es hatte 
lange den patrizischen Aristokratenstolz unterdrückt, 
und mit dem „Gesindel", das ihm die politische 
„Freiheit" erkämpft hatte, brüderlich verkehrt. Jetzt 
hörte der Zwang, die unnatürliche Verbrüderung auf; 
man wollte den Arbeiter wieder in die ihm vermeint- 
lich gebührenden socialen Grenzen zurückgewiesen 
wissen, und gab sich gar keine Mühe, die brutale 
Gewalt, mit welcher man im Prater den Anfang 
gemacht hatte, zu rechtfertigen. Man bekannte offen 
seine Sympathien mit dem Militarismus und betonte 
rücksichtslos den Gegensatz zu den Demokraten, den 
Studenten, deren Legion sich neutral verhalten hatte, 
und den Vorstadtgarden. 



— 209 — 

Die Verhimmlichung der brutalen Gewalt hat in 
Wien sogar ihren classischen Dichter gefunden. Ein 
Grillparzer musste es sein, welcher den Kampf der 
Geister und Meinungen verächtlich hinter die Moral 
des Commissstiefels setzte, weil der erstere ihm, dem 
Typus des griesgrämigen Spiessbürgers, mitunter einmal 
die Nachtruhe störte. Darum wünschte er den Sieg 
der Armee in Italien, damit die Partei der militärischen 
Disciplin endlich auch in Wien „Ruhe und Ordnung" 
mache. 

Glück auf, mein Feldherr, führe den Streicli! 

Nicht bloss um des Ruhmes Schimmer, 

In Deinem Lager ist Oesterreich, 

Wir Andern sind einzelne Trümmer. 

Aus Thorheit und .aus Eitelkeit 

Sind wir in uns zerfallen, 

In denen, die Du führst zum Streit, 

Lebt noch Ein Geist in Allen. 

Dort ist kein Jüngling, der sich vermisst 

Es besser als Du zu kennen, 

Der, was er träumt und nirgends ist 

Als Weisheit wagt zu benennen u. s. w. 

»Wie tief musste das österreichische und Wiener 
Bürgerthimi stehen, wenn selbst ein Grillparzer nicht 
das Infamirende eines solchen Glaubensbekenntnisses 
empfand. Einige Monde später dachte vielleicht auch 
er über den Geist der Soldatesca anders — wir nehmen 
das zur Ehre seines Gedächtnisses an — ; im August 
konnte man aber die militärische Unterdrückung der 
Arbeiter- und Studentenherrschaft kaum mehr er- 
warten. Gewiss hat der Hof und Adel alles gethan, 
um den Gang der Geschichte rückläufig zu machen, 
aber die Bourgeoisie lief diesen beiden Factoren 
förmlich den Rang ab. Angeborene Bedientenhaftigkeit 

Zenker: Wiener Revolution. 14 



— 210 — 

(Bediententreue nach oben, Bedientenhochmuth nach 
unten) einerseits, das berechtigte Bedürfniss nach wirth- 
schaftlicher Consolidirung, und die unberechtigte heil- 
lose Furcht vor dem „Communismus" andererseits, das 
war es, was dem Bürgerthum in den Gliedern lag. 
Sie fragten gar nicht mehr um die politischen „Er- 
rungenschaften'', der wirthschaftliche und sociale 
Kaufpreis, um den sie dieselben erstehen sollten, war 
ihnen viel zu hoch. 

Die kleinen Vorstadtbürger, meist zu Sitzgesellen 
herabgesunkene oder bereits ganz ruinirte Handwerker 
und die Studenten, hielten treu zu den Arbeitern und 
zur Demokratie. Aber die Ereignisse des 28. August 
enthüllten ihnen den ganzen Ernst der Situation. Die 
Flitterwochen der Revolution mit ihren. Illusionen 
waren vorüber, und ein tiefer Pessimismus riss jetzt 
ein. Der Sicherheitsausschuss hatte in der ganzen An- 
gelegenheit eine erbärmliche Rolle gespielt; er hatte, 
als das Ministerium ihm die Executive entriss, nicht 
den Muth, die Arbeiter, die unbedingt auf seiner Seite 
gestanden wären, aufzurufen, und sich in einen Kampf 
mit der Regierung einzulassen. Er wollte, wie gesagt, 
ebenso wenig ein Wohlfahrtsausschuss werden als der 
Reichstag zwei Monate später die Rolle des Convents 
übernehmen wollte; ob dies zum Heile und Segen 
Oesterreichs geschah, haben wir nicht zu untersuchen. 
Der Sicherheitsausschuss liess daher die furcht- 
baren Vorgänge des August einfach geschehen, und 
besass nur noch den Muth des Selbstmörders. Am 
24. August löste er sich noch zur rechten Zeit, ehe 
die Regierung die Auflösung verfügen konnte, selbst auf. 
Damit war die Revolution entschieden; die Demokratie 



sah zwar thränenden Auges, aber die Hände in den 
Taschen zu, wie ihr berufenes Organ verschwand, und 
auch sie wagte kein Wort, keine That, um sich diese 
ureigenste Institution der Revolution zu erhalten. Das 
Spiel war verloren. 

Minister Schwarzer gab unmittelbar nach dem 
traurigen Ereignisse im Prater die Demission, führte 
aber eine kurze Zeit noch seine Geschäfte weiter. Die 
unbedingt gut zu heissenden Massregeln gegen das 
Unwesen bei den öffentlichen Arbeiten konnten jetzt 
mit grösserem Nachdruck und Erfolg durchgeführt 
werden. Die Zahl der Erdarbeiter war bald auf die 
Hälfte reducirt, und wenigstens die crassesten Miss- 
bräuche wurden abgeschafft. 

Der in der Arbeiterfrage erfolgte Umschwung 
machte sich aber auch sonst fühlbar. Viele Zugeständ- 
nisse, welche die Arbeitsgeber an ihre Gesellen nach 
der März- und Mairevolution gemacht hatten, wurden 
nun auf einmal zurückgenommen. Selbst die Drucker- 
principale versuchten, an den gern achten Zugeständnissen 
zu quängeln; der Lohntarif behagte ihnen nicht, ge- 
wisse Dinge wenigstens sollten „dem freien Ueberein- 
kommen zwischen Herrn und Gehilfen überlassen 
bleiben". 

In den Versammlungen der Drucker wurde die 
Frage lebhaft erörtert. Man beschloss die Gründung 
eines „Gutenbergvereines", wie solche auch in 
Deutschland bestanden, um einen Anschkiss an die 
grosse Organisation der Typographen Deutschlands zu 
finden. Allein, die constituirende Generalveräaninilung 
fand erst am 2l. October, wenige Tage vur der Ein- 
nahme Wiens durch Windischgrätz statt. 



— 212 — 

Auch unter den übrigen Arbeitern gährte es.* Der 
Arbeiterverein plante, um die Arbeiterverhältnisse in 
Wien zu ermitteln, ein „Arbeiterparlament", eine Ver- 
sammlung von Arbeitern, zu welcher jede Branche 
drei Delegirte hätte entsenden sollen, einzuberufen. 
Das Programm dieser Enquete war: 1. Gleichstellung 
der politischen Rechte des Arbeiters mit den anderen 
Ständen. 2. Einsetzung eines Arbeit er minister iums, in 
welchem auch Arbeitnehmer und Arbeitgeber als 
Unterstaatssecretäre vertreten sein sollen. 3. Freies 
Niederlassungsrecht. 4. Vollkommene Gewerbefreiheit. 
5. Feststellung einer kürzeren Arbeitszeit. G. Bildungs- 
anstalten für die arbeitende Bevölkerung. 7. Errichtung 
von Kranken- und Invalidencassen mit staatlicher Bei- 
hilfe. 8. Einführung von Gewerbeschiedsgerichten. 
9. Aufhebung des Passzwanges. 10. Unbeschränkte 
Heiratserlaubniss. II. Ueberreichung des Ergebnisses 
des Arbeiterparlamentes an den hohen Reichstag mit 
der Forderung, die Wünsche und Bedürfnisse der Ar- 
beiter Oesterreichs zu berücksichtigen und ihnen ge- 
recht zu werden. 

Das „Arbeiterparlament" fand leider wegen der 
dazwischen getretenen Octoberereignisse nicht statt, und 
somit kam es auch nicht dazu, dass einem öster- 
reichischen Parlamente schon im Jahre l«4:8 ein klares 
socialpolitisches Programm der Arbeiterschaft über- 
reicht werden konnte. 

Es verdient, wenn auch nur als historische Pi- 
kanterie, in einem Buche über die socialen Bewegungen 
des Jahres 1848 vermerkt zu werden, dass im Sommer 
des Jahres Michael Bakunin und Karl Marx in Oester- 
reich weilten. Bakunin war zum Slavencongress in 



— 213 — 

Prag erschienen und bildete hier während des Pfingst- 
aufstandes mit einigen anderen slavischen Revolutio- 
nären eine Art Generalstab, der den höchsten Wider- 
stand zu organisiren sich bemühte. '-') Von einer eigentlich 
socialistischen Agitation Bakunin's in Prag ist nichts be- 
kannt geworden. Der Vater des Actionsanarchismus, oder 
wie er es nannte, des „Araorphisraus", befand sich 
damals in Bezug auf seine Anschauungen selbst noch 
in einem sehr amorphen Zustande: ^r hatte kaum die 
ersten Keime der Proudhon'schen Lehre in sich auf- 
genommen, und pendelte einstweilen noch von der 
deutschen Demokratie zum knutenlüsternen Panslavis- 
mus hin und her. 

Ebenfalls in kritischer Zeit weilte Karl Marx in 
Wien, nachweisbar vom 28. August bis 7. September.*") 
Marx hatte wohl gehofft, für seine Ansichten hier einen 
der Agitation zugänglichen Boden zu finden, sah sich 
hierin aber bitter enttäuscht. Schon das freundliche 
Zusammengehen eines Theiles des Bürgerthums mit 
dem Proletariate war ganz und gar nicht nach seinem 
Geschmacke. In einer am 28. August abgehaltenen 
Versammlung des demokratischen Vereines sprach er 
das bis dorthin in Wien kaum gehörte Wort aus, 
dass es sich bei dem Augustrummel um weiter 
nichts als um einen Kampf zwischen Bourgeoisie und 
Proletariat handle. Dr. Hermann Jellinek polemi- 
sirte gegen ihn, aber Marx war nicht so leicht zu 
bekehren, und in der „Neuen Rheinischen Zeitung" 
liess er sich über die Unreife der Wiener Revolutions- 
männer nicht besonders liebenswürdig aus. In den 
ersten Tagen des September sprach Marx wiederholt 
im „Arbeitervereine". Er hielt einen Vortrag über 



— 214 — 

.„Lohnarbeit und CapitaP'. Alle Revolutionen seien 
sociale; das Capital bestehe nicht aus Geld, sondern 
aus Rohstoffen, Productionsinstrumenten etc. Die Be- 
hauptung, dass die Interessen des Capitalisten und des 
Lohnarbeiters dieselben seien, sei falsch. Mit der Theilung 
der Arbeit wachse die Concurrenz unter den Arbeitern, 
es sinkt der Lohn; noch viel mehr durch das Ma- 
schinenwesen. Die Productionskosten bestimmen den 
Arbeitslohn. (?) Die Civilisation vermehre nicht das 
Wohlbefinden der Arbeiter, im Gegentheile, es wachsen 
die Steuern und die Lebensbedürfnisse u. s. w. 

Schon aus diesem kurzen Berichte geht hervor, 
dass sich Marx bemühte, die Wiener Arbeiter für seine 
Lehre zu gewinnen; aus der ungelenken Wiedergabe 
des Vortrages durch den Präsidenten des Arbeiter- 
vereines^') ist aber auch zu ersehen, dass Marx hier 
einen sehr schlechten Boden vorfand. Ziemlich ent- 
täuscht mag er Wien — vermuthlich gleich nach dem 
7. September — verlassen haben. Wenn man ihm den 
Vorwurf machte, er habe bei den gleich zu schildern- 
den Septemberunruhen die Hand im Spiele gehabt, so 
war das eine purblanke Erfindung. Marx hatte um 
diese Zeit zuverlässig Wien bereits verlassen. 

Auch die Genesis dieser Septemberunruhen, dieses 
Wetterleuchtens vor dem grossen Ungewitter des Oc- 
tober, ist in erster Linie in wirthschaftlichen Ver- 
anlassungen, in der von Tag zu Tag beängstigender 
um sich greifenden Verelendung des Handwerker- 
standes, des Kleinbürgerthums zu suchen. 

Wir haben die traurige Lage des kleinen Ge- 
werbes und ihre Voraussetzungen wiederholt geschil- 
dert; durch die Vorgänge in Südungarn, durch die 



— 215 ~ 

Scheidewand, welche sich in Folge der politischen 
Vorgänge zwischen Wien und jenem Hauptabsatz- 
gebiete der Wiener Industrie aufthürmte, wurde der 
letzteren ein neuer empfindlicher Schlag versetzt. Im 
Gemeindeausschusse mehrten sich die Ansuchen von 
Gewerbetreibenden um Gewährung von Vorschüssen 
oder Unterstützungen zur Fortführung ihrer Gewerbe. 
Im Auftrage und unter Leitung des Ministeriums 
bildete sich ein Comite, welches sich die Aufgabe 
stellte, mittellose Gewerbsleute durch Zuwendung 
von Rohstoffen, Abnahme von Producten und nöthigen- 
falls auch durch Zuwendung von Barmitteln zu unter- 
stützen. Das Finanzministerium setzte für diesen Zweck 
^ine Summe von 500,000 fl. aus, die jedoch vorder? 
hand nicht in Angriff genommen wurde; überhaupt 
scheint sich das Comite in seiner Thätigkeit nicht über- 
stürzt zu haben. 

Und doch drängte die Noth unabweislich, dem 
Handwerke mussten Creditquellen eröffnet werden, 
sollte es nicht verdorren und verschmachten. Man 
hatte wiederholt in der Presse und auf der Tribüne 
die Heranziehung des Credites der Nationalbank für 
das Kleingewerbe angeregt. Otto Hübner verlangte,'^) 
dass die Bank Fabrikanten und Gewerbsleuten Dar- 
lehen auf ihre Producte und Waaren gewähre. That- 
sächlich wurden von Seite der Bank 4,000.000 fl. zu 
diesem Zwecke bestimmt, *') ob aber auch wirklich 
verwendet, ist nicht bekannt. Ende August machte ein 
Th. Iwan dem Gemeindeausschusse den Vorschlag zur 
Errichtung eines gewerblichen Creditinstitutes auf 
Grund einer von der Nationalbank aufzunehmenden 
Anleihe von 500,^^00.000 fl. Der Vorschlag wurde mit 



— 216 — 

Rücksicht auf die bekannte Finanzlage der National- 
bank als unausführbar ad acta gelegt. 

Auch der Reichstag hätte mehreremale Gelegenheit 
gehabt, sich zu einer That für die Gewerbetreibenden 
aufzuraffen, da die demokratischen und liberalen Ab- 
geordneten wiederholt mit praktisch durchführbaren 
Projecten hervortraten. In der Sitzung vom 23. August 
stellte der Abgeordnete Latzel den Antrag, die Reichs- 
versammlung erkläre Volksbanken, zusammenhängend 
mit den zu errichtenden landesfürstlichen Behörden 
für nothwendig und fordere sachkundige Männer zur 
Ausarbeitung entsprechender Pläne auf. Der Antrag- 
steller sagte in der Motivirung, dass mit der 
Nationalbank nur einige, verhältnissmässig wenige, 
meist durch grossen Besitz, mindestens aber durch 
ausgedehnten Credit begünstigte Personen in directem 
Verkehr stünden; alle übrigen, die immense Majorität 
sei von dieser Handvoll von Millionären abhängig, 
sie seien die Zinsholden dieser Wenigen. Die Zeit, wo 
die Reichen Anstalten für Reiche gründeten, um sich 
noch mehr zu bereichern, sei hoffentlich für immer 
vorbei; Gemeinnützigkeit für die grosse Menge Be- 
sitzloser und wenig Besitzender sei die Losung des 
Tages und der Zukunft, und daher sei e& Aufgabe 
des Reichstages, billigen, raschen und jedem zu- 
gänglichen Credit zu schaffen. Latzel wollte, dass 
diesen Anstalten das Vermögen der Witwen und 
Waisen, der Kirchen und Stifte anvertraut werde, und 
wollte sie daher in engste Verbindung mit den zu er- 
richtenden landesfürstlichen Behörden bringen. Er 
nahm dieselben zunächst für die Landwirthschaft in 
Anspruch; durch die Zuführung von Capital an die 



— 217 — 

Landwirthscliaft werde man am besten im Stande 
sein, der progressiven Vermehrung des Proletariates 
Schranken zu setzen; sodann sollten die Volksbanken 
aber auch dem Handel und Gewerbe zugute kommen. 

Allein, die Versammlung war auf socialpolitischem 
Gebiete des Gehens und Stehens unkundig wie ein 
kleines Kind; sie zeigte wenig Lust, an eine Frage zu 
tasten, welche nach der Meinung der Mehrheit ganz 
unberechenbare Folgen für die wirthschaftlichen und 
finanziellen Zustände hätte haben können. Und so 
kam es denn nicht einmal zu der von Latzel ge- 
wünschten platonischen Erklärung, dass der Reichstag 
die Schaffung neuer Creditanstalten für das Volk für 
nothwendig erachte. 

Angesichts der Unfähigkeit und Willenlosigkeit 
des Reichstages und Gemeindeausschusses, Hilfe zu 
schaffen, darf es nicht Wunder nehmen, dass ein aus 
der Mitte des Volkes selbst auftauchender Plan zur 
Geldbeschaffung eifrig aufgegriffen und blindgläubig 
hingenommen wurde. Der uns schon bekannte August 
Swoboda hatte unmittelbar nachdem sein erstes 
Project vom Sicherheitsausschusse und Gemeindeaus- 
schusse zurückgewiesen worden war, sich an den 
Entwurf eines neuen Projectes zur Begründung eines 
„Privatdarlehen Vereines ohne Hypothek" gemacht.^*) 
Das neue Project war eigentlich nur eine Modification, 
und zwar eine Verschlechterung des ersten, indem 
die früher geforderte Sicherstellung der Antheilscheine 
auf den Realbesitz jetzt weggelassen erschien. Der 
Finanzplan Swoboda's war diesmal noch gewagter; 
er dachte sich einen Verein aller nothleidenden Ge- 
werbsleute, welcher 200.000 Stück „Actien'' ä 20 fl. C.-M. 



— 218 — 

mit der Benennung „Actien der Wiener Gewerbe- 
männer" ausgeben und zu deren Ankauf das Publicum 
einladen sollte; jede Actie sollte zu 57o verzinst werden. 
Durch den Verkauf der 200.000 Actien wäre dem 
Vereine ein Capital von 4,000.000 fl. zugeflossen; dieses 
sollte dazu verwendet werden, um Gewerbetreibenden 
zum Fortbetriebe ihres Geschäftes, zur Tilgung ihrer 
Schulden u. s. w. Vorschüsse zu gewähren. Die Rück- 
zahlung des Capitales sollte an den Verein in monat- 
lichen Raten von 27o des dargeliehenen Betrages er- 
folgen. Eventuell dem Vereine erwachsende Verluste 
sollten auf alle Mitglieder gleichmässig repartirt 
werden, also Solidarhaft. Der Verein seinerseits sollte 
allmonatlich so viele, durch das Los getroffene Actien 
zurückzahlen, als die eingelaufenen Gelder erlaubten: 
Auf diese Weise hoffte Swoboda in vier Jahren und 
zwei Monaten die ganze Summe zurückgezahlt zu 
haben. 

Swoboda's felsenfester mutualistischer Glaube, 
der in diesem Project fast noch mehr als in dem 
ersten hervortritt, verleitete ihn zu der Erwartung, 
dass die „Actien der Wiener Gewerbemänner*' allge- 
meinen Courswerth bekommen würden, und er scheint 
nicht Wenige gefunden zu haben, welche sich gleich ihm 
derselben schmeichlerischen Hoffnung hingaben. Dass 
natürlich die kleinen Gewerbetreibenden, welche nichts 
als die Einschreibegebühr von 10 kr. riskirten und auf 
allerlei Darlehen hofften, in Massen herandrängten, 
kann nicht Staunen erwecken. Es scheinen sich aber 
auch Leute gefunden zu haben, welche ihr Geld in 
Swoboda'schen Actien anlegten, und Andere, welche 
solche Actien übernahmen. Als nun gar die Minister 



— 219 — 

Doblhoff und Hornbostel als Privatpersonen, in der 
Meinung, einen wohlthätigen Zweck zu unterstützen, 
grössere Beträge zeichneten und dies öffentlich bekannt 
wurde, hielten Viele dies für einen Act staatlicher 
Garantie und traten gleichfalls mit kleineren Beträgen 
bei. Man sagt, dass die Zahl der an dem Vereine 
Interessirten schliesslich 40.000 betragen habe.*'^) Freilich 
fehlte es auch nicht an öffentlichen Warnungen vor 
dem „Schwindel", als den man das Swoboda'sche 
Unternehmen vielfach ansah. Swoboda wurde durch 
das Ministerium auf das Eindringlichste verwarnt und 
darauf aufmerksam gemacht, dass er durch seinen 
Verein sich und viele Andere ins Unglück stürze, und 
am 29. August erklärte Handelsminister Hornbostel in 
öffentlicher Reichstagssitzung, er bedauere, dass dieser 
Privatdarlehensverein entstanden sei, er habe den 
Gewerbsleuten ein Versprechen gemacht, das schwer 
in Erfüllung gehen dürfte, da die Basis, auf der er 
beruht, unsicher sei. 

Das war damals aber schon zu spät. Die Weiter- 
gabe der „Actien der Wiener Gewerbemänner" stiess, 
wie zu erwarten, bald auf unüberwindliche Schwierig- 
keiten, sie sanken rapid im Werthe und wurden um 
Spottpreise losgeschlagen. Darüber entstand begreif- 
liche Aufregung. Der arme Swoboda bot nun alles auf, 
um eine Garantie für sein Unternehmen, für den Cours 
der Papiere zu erlangen. Er verlangte zuerst, dass 
der Kaiser diese Garantie übernehmen möge,*®) und 
als dies kurzweg zurückgewiesen wurde, die Erregung 
unter den in ihren Hoffnungen Getäuschten aber 
bereits ihren Siedepunkt erreicht hatte, wendete er 
sich an den Gemeindeausschuss mit dem Ersuchen um 



jä 



— 220 — 

Garantirung der von ihm ausgegebenen Actien; es 
war am 11. September, also just an jenem Tage, wo 
die Trauerfeier für die im August gemordeten Arbeiter 
von den demokratischen Vereinen abgehalten wurde 
und die Massen sich ohnedies in erregtester Stimmung 
befanden. 

Vor dem Berathungssaale des Gemeindeausschusses 
und auf den Galerien drängten sich Tausende von 
Menschen. Der Ausschuss — der angesichts des Auflaufes 
nicht den Muth hatte, das Gesuch schlankweg abzu- 
lehnen — überwies dasselbe einem Comite zur Unter- 
suchung und Prüfung.*'') Dieser Beschluss rief jedoch 
auf den Galerien furchtbare Erbitterung hervor; 
man schrie und tobte, sprang von der wenig über 
dem Niveau des Saales liegenden Galerie in den Be- 
rathungsraum, suchte mit Drohungen den Gemeinde- 
rath zur sofortigen Annahme des Gesuches zu be- 
wegen, und trieb ihn, als dies nicht gelang, einfach 
auseinander. Der tobende Haufe, zumeist aus Hand- 
werkern und kleinen Fabrikanten bestehend, welche 
den Vorstadtgarden angehörten, stürzte sich hierauf'®) 
auf den Judenplatz zum Palais des Ministers des 
Innern, drang bis in die Zimmer des Ministers und 
plünderte, als man diesen nicht fand, alle Räume. 
Ein Theil der Stadtgarden, welcher sich aus den wohl- 
habenden Bürgerclassen recrutirte, trat auch hier 
wieder dem anderen aus der armen Bürgerschaft be- 
stehenden Theile der Nationalgarde feindlich gegen- 
über. 

Tags darauf erklärte die Regierung in einer Kund- 
machung, dass der Staat sich in eine Privatangelegen- 
heit nicht einmischen könne, dagegen wolle er, damit 



— 221 — 

die Geschäftsleute durch die bereits ausgegebenen 
Actien nicht Schaden leiden, eine Commission zur ge- 
nauen Untersuchung und Hintanhaltung aller ferneren 
Umtriebe des Vereines einsetzen. Das genügte den 
aufgeregten Massen nicht ; es kam zu neuen Tumulten, 
welche den \2. und 13. September erfüllten, und mitten 
unter welchen der Ruf nach Wiedereinsetzung des 
Sicherheitsausschusses ertönte, der ein tausendfaches 
Echo fand. 

Diesen Augenblick hatte die Partei des gewalt- 
samen Widerstandes nur abgewartet, um — entgegen 
den klaren Maizugeständnissen, nach welchen das Militär 
nur über Requisition des Nationalgardeobercommandos 
interveniren durfte — die Truppen ausrücken und 
gegen die Aula, den vermeintlichen Herd jeder Un- 
ruhe, marschiren zu lassen. Drohend standen sich 
einige Stunden hindurch Militär und Volk mit schuss- 
fertigem Gewehre gegenüber, und es wäre gewiss schon 
am 13. September zu dem blutigen Zusammenstoss 
gekommen, der erst zwei Wochen später erfolgte, 
wenn der Putsch gelungen wäre, und der Reichstag, 
der sich in Permanenz erklärte, nicht die sofortige 
Zurückziehung der Truppen durchgesetzt hätte. 

Unter dem Eindrucke dieser Ereignisse beschloss 
der Reichstag einhellig über Antrag der Abgeordneten 
Brestel, Goldmark und Genossen, dem Ministerium 
einen Credit von zwei Millionen Gulden zu dem Zwecke 
zu eröffnen, um durch zinsfreie Vorschüsse wenigstens 
im ersten Jahre den Gewerbetreibenden der Stadt 
Wien in ihrer bedrängten Lage aufzuhelfen, jedoch 
seien die vom Minister bereits zu dem gleichen Zwecke 
angewiesenen 500.000 fl. in diese zwei Millionen ein- 



— 222 - 

zurechnen. Ein Theil dieser Summe wurde dazu 
verwendet, um sofort die im Besitze der Gewerbe- 
treibenden sich befindlichen Swoboda'schen Actien 
gegen Erlag eines Schuldscheines an die Staatsver- 
waltung zu 207oigen Theilbeträgen einzulösen, was 
wohl nicht wenig zur Beruhigung der Massen beitrug. 

Pillersdorf als Referent des Finanzausschusses 
empfahl diese staatliche Hilfe für die Gewerbetreibenden 
mit der Gewissens- und Rechts Verwahrung, dass er 
kein Anhänger der Lehre sei, dass der Staat die 
Verpflichtung habe, für Arbeit und Erwerb zu sorgen ; 
er glaube, der Staat leiste seinen Verpflichtungen Ge- 
nüge, wenn er die Hindernisse beseitigt, welche dem 
Erwerbe und Verdienste entgegenstehe, und wenn er 
jedem die Mittel erleichtert, nach seinen Kräften, nach 
seinen Fähigkeiten und nach seinen Neigungen Arbeit 
und Erwerb zu suchen. ^^) 

Ein Beweis aber, wie mächtig der Einfluss der 
Swoboda'schen Idee — wenigstens der ursprünglichen 
Idee eines hypothecirten Volksanlehens war, geht daraus 
hervor, dass in derselben Sitzung des Reichstages 
vom 13. September der Abgeordnete Neuwall diese 
Idee aufnahm und an den Handelsminister die An- 
frage stellte: 

„Nachdem das Volk selbst, ich möchte sagen, 
instinctmässig die Richtung angedeutet hat, in welcher 
ihm Hilfe zukommen kann, dasselbe aber allein weder 
den rechten Weg zu finden, noch die Mittel zur Verfol- 
gung desselben herbeizuschaffen im Stande ist, frage 
ich das Ministerium, ob es einem Anstände oder Be- 
denken unterliegen könne, die Stadt Wien selbst auf- 
zufordern, einen Theil ihres Realvermögens als Hy- 



pothek zur Begründung einer Leih- und EsconipTe- 
bank für kleine Handel- und Gewer betr ei beude in 
Wien zu widmen, und auf dieser Basis durch Ausgabe 
von Actien, unter Garantie, Ueberwachung und Leitung 
der Stadtgemeinde selbst, dem drohenden Ruine der 
Wiener Bürger, denen der Staat schun seit fiülier für 
unendliche Opfer, jetzt aber Oesterreich für die er- 
langte Freiheit den Dank schuldet, zuvovzukommen 
und den vielfältigen bedauerlichen Aufregungen und 
Ruhestörungen durch Unterstützung und inü^Hchste 
Zufriedenstellung der Wiener Bürger den wirksanisleu 
Damm entgegenzusetzen?" 

Handelsminister Hornbostel erwiderte, die äiadt 
Wien habe allerdings ein nicht unbedeutendes Ver- 
mögen in Liegenschaften, dasselbe sei jedoch niolit 
ohne Belastung. Die Stadt Wien wäre in diesem 
Jahre sogar bemüssigt gewesen, ein Darlehen von dei- 
Nationalbank aufzunebmeu, um die Nothstandsbaulen 
fortführen zu können und um gegen die Bauunter- 
nehmer ihre Verpflichtungen einhalten zu können. Ob 
die Stadt Wien in der Lage sei, eine solche Bank ins 
Leben zu rufen, könne er für sich allein nicht aus- 
sprechen, er sei aber gern bereit, diese Frage an die 
Gemeindevertretung zu richten. Er wolle keinesfalls 
in Abrede stellen, dasa eine solche Bank, wenn sie in 
geeigneter Weise ins Leben gerufen würde, von der 
grösaten Nützlichkeit und von den erapriPs^ti^■l1F;t^■ 
Folgen sein dürfta Das Ministerium werde es si 'ii /i 
Pflicht machen, alles vorzukehren, um eine üuUJ 
Bank baldmöglichst ins Leben gerufen zu 
diese Bank von Privaten zu errichten c 
einigung mit der Nationalbank ins Leb 






k 



— 224 — 

sei, ob sich die Stadt Wien dabei betheiligen werde, 
das alles lasse sich jetzt nicht beantworten, aber das 
Ministerium werde alles daran wenden, dass ein 
solches Institut überhaupt zu Stande komme. 

Die politischen Ereignisse der kommenden Zeit 
haben dieses von dem redlichen Hornbostel gewiss 
aufrichtig gemeinte Versprechen, sowie tausend andere 
illusorisch gemacht 

Ebenfalls noch am 13. September fragte derselbe 
Neuwall den Kriegsminister, ob man denn nicht den 
Handwerkern und kleinen Fabrikanten wenigstens 
dadurch helfen könne, dass man die erforderlichen 
Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände für die 
Armee in Wien oder in den grösseren Provinzstädten 
im Einvernehmen mit den betreffenden Innungen auf 
Grund von Normalpreisen den Gewerbetreibenden 
übergebe? Latour erklärte sich in Hinkunft bei Be- 
stellungen für die Armee bereit, das Handwerk zu 
berücksichtigen. Die kommende Aera der Reaction 
hat dieses Versprechen ihres Märtyrers aber nicht 
eingelöst; dieselbe Partei, welche heute ein Patent auf 
den Gewerbeschutz genommen zu haben scheint, hat 
in der Zeit ihrer unbedingten Herrschaft in den 
Fünfziger] ahren an die Handwerker nicht gedacht 
und sich bei den Armeelieferungen vielmehr in Ge- 
schäfte eingelassen, welche die schmutzigste Corruption 
zeitigten, wie der Process Richter-Eynatten nachträg- 
lich enthüllte. 

In der constituirenden Reichsversammlung fehlte 
es aber an Anregungen und Plänen zu einer ver- 
nünftigen Gewerbereform keineswegs, und wenn dem 
guten Willen besonders der Mitglieder der Linken 



} 



nicht die rettende That folgte, so lag die Schuld wahr- 
lich nicht an dem Reichstage, sondern an jenen Leuten, 
welche die Thätigkeit der ConstitUünte planmässig 
lahmlegten, wie an den Ereignissen, welche be- 
greiflicherweise den Blick von den kleinen Schmerzen 
eines Standes ablenkten, an den Ereignissen, welche 
die natürliche und unerlässliche Voraussetzung für 
die Lösung jedes anderen wirthschaftlichen und socialen 
Problems, die Freiheit in Frage stellten. Waren doch 
die betroffenen Stände in jener traurigen, aber grossen 
Zeit auch gross genug, ihren Classenstandpunkt, ihr 
kleines Sonderinteresse in den Hintergrund zu stellen, 
so oft die Fahne der Freiheit, der Freihfit, die für 
Alle galt, entrollt wurde. 



Achtes Capitel. 
Die Ootobenevolution. ScMuss- 

Die Octoberrevolution war keine Prngrammrevo- 
lution wie die des März oder Mai; da gab es nichts 
durchzusetzen, da galt es nicht noch eine sociale 
Scheidewand niederzureissen ; die Octoberrevolution 
war ganz einfach ein den Massen des Volkes aufgezwun- 
gener Kampf um die Freiheit, vm die Erhaltung alles 
dessen, was bisher errungen worden wur. Ob nun dii' 
Herausforderung zu diesem blutigen Waffentanz aus- 
drücklich in dem Kriegsplane der vereinigten rBBC- 
tionären Parteien gestanden, oder ob der gewal 
Widerstand, welchen das Volk am (S, Octobei 
marsche der deutschen, gegen die Ungarn 



A 



— 226 — 

dirten Grenadiere entgegensetzte, bloss als guter An- 
lass aufgegriffen wurde, um das am 13. September 
durch die Wachsamkeit des Reichstages vereitelte 
Spiel noch einmal zu wagen, das kann an der histori- 
schen Beurtheilung der Thatsachen wenig ändern. 
Jedenfalls war von Seite der Hof- und Adelspartei 
alles zum Schlagen vorbereitet, und man Hess sich 
mit um so grösserem Vergnügen provociren, als man 
sich der Bundesgenossenschaft der eigentlichen Bour- 
geoisie und eines Theiles der Nationalgarde sicher 
glaubte, vielleicht auch versichert hatte. 

Thatsächlich kämpften am 6. October die Leopold- 
städter und Stadtgarden an der Seite des Militärs 
gegen das Volk, die Arbeiter, Studenten und Vorstadt- 
garden. Gleich als die Nachricht von den blutigen 
Vorgängen bei der Taborbrücke einlangte, besetzten 
die Garden des Kärntnerviertels den Stephansthurm, 
um zu verhindern, dass die grosse Glocke geläutet 
und die Stadt rechtzeitig allarmirt werde; die Folge 
dieses Versuches, welcher übrigens missglückte, war 
der blutige Zusammenstoss der genannten reactionären 
Garden mit den demokratischen Wiedener Garden am 
Stephansplatze, welcher den unmittelbaren Anlass zu 
dem mörderischen Kampfe zwischen Militär und Volk 
am Graben und zu jener grenzenlosen Erbitterung 
der siegreichen Volksniassen bildete, die einige Stunden 
später zur Lynchjustiz an dem Kriegsminister Latour 
führte. ') 

Nach der blutigen Lehre, welche die reactionären 
Garden am 6. October erhalten hatten, zogen sich 
diese wohl von der activen Bekämpfung der demo- 
kratischen „Partei in Waffen'* zurück; ein Theil ver- 



lieas, dem Vorbilde des Hofea folgend, den heissen 
Boden Wiens, und überliess das Feld den Siegern 
des G. October, d. i. den vereinten Studenten, Klein- 
bürgern und Arbeitern. Der zurückbleibende Theil 
suchte wenigstens durch passiven Widerstand den 
Gang der Ereignisse in einem für die Demokratie 
möglichst ungünstigen Sinne zu beeinflussen. Wie 
lähmende Bleigewichte hängte sich diese Bourgeoisie 
an alle Entsehliessungen des ohnedies wenig actions- 
fähigen Nationalgardeober commandos und des Ge- 
meinderathes; sie verstand es zu vereiteln, dass die 
Demokratie den von ihr selbst kaum so glänzend er- 
warteten Sieg ausnützte und zur Offensive griff, sie 
stand jeder energischen Massregel des Obercommandos 
breitspurig im Wege und wusste es zu hintertreiben, 
dass die Gernirungsbestrebungen der kaiserlichen 
Truppen durch energische Ausfälle, wie sie im Plane 
des kriegserfahrenen Revolutionsgenerales Bem lagen, 
gestört würden;') sie war es auch, welche im ent- 
scheidenden Augenblicke die bedrohten Punkte dem 
anstürmenden Militär fast kampflos preisgab. 

Die radicale Partei suchte zwar den Bestrebungen 
der revolutionsmüden Bourgeoisie entgegenzuarbeiten, 
so gut es ging; es wurde nach dem blutigen Zer- 
würfnisse am (!. October eine scheinbare Aussöhnung 
herbeigeführt, der Flucht der reichen und wohlhabenden 
Familien aus Wien, dem Austritte der Beamten aus der 
Nationalgarde u. s. w. wurde nicht nur nictta in den 
Weg gelegt, derselbe wurde sogar getÖrderti '^'^^ allem 
aber wurden die grossen Arbeiter- und 'Proletarier- 
massen, welche den Grundpfeiler »i^^ -ad^*^*^^^ Partei 
bildeten, bewaffnet und, so gut ^ * .^g, 'i»^^ mobüe 



— 228 — 

Corps organisirt. Selbst ein so berufsmässiger Denun- 
ciant wie Wenzel Dunder,^) der sieh schon vor dem 
Falle Wiens in seiner Eigenschaft als Nationalgarde- 
officier, als einer der wüthendsten „Ruhe und Ord- 
nung"-Heuler hervorthat, konnte nicht umhin, die 
musterhafte Haltung dieser neugeschaffenen Volks- 
wehr anzuerkennen. „Die Physiognomie der Stadt war 
dieselbe wie in den früheren Tagen, mit dem Unter- 
schiede bloss, dass man in den Strassen immer mehr 
und mehr Bewaffnete, sowie eine geringe Anzahl von 
Weibern und Kindern sah. Das Flüchten aus der Stadt 
ging in Massen fort, unter den Zurückbleibenden 
herrschte jedoch der beste Geist. Sie wollten bewaffnet 
für ihre Rechte stehen und mit denselben fallen. Unter 
den ungeheueren Mengen, die grösstentheils zur niederen 
Classe gehörten und heute (11. October) vollständig 
mit Gewehr und Schiessbedarf versehen waren, wurde 
durchgängig keine Aeusserung der Roheit, der Gesetz- 
losigkeit vernommen. Sie fügten sich Alle freudig und 
bereitwillig jedem noch so gefährlichen Commando, 
das sie nach ihrer Ansicht zur Vertheidigung der 
gesetzlichen Errungenschaften berechtigte.*' Der erste 
Wiener Arbeiterverein wendete sich in einer Adresse 
an den Reichstag, um demselben zu versichern, dass der 
Verein für die Aufrechterhaltung sowohl der Freiheit, 
als auch der gesetzlichen Ordnung glühe, und einem 
anarchischen Zustande durchaus nicht das Wort reden 
werde, und dass es den Arbeitern nicht um Raub und 
Plünderung zu thun sei. 

Freilich, je näher die Gefahr rückte, je unver- 
meidlicher der Kampf schien, je heisser die begeisterte 
Kampfeslust auf der einen Seite entflammte, je offen- 



i 



— 229 - 

kundiger die Sympathien mit den Bedrängern auf der 
anderen Seite wurden,^) desto schwieriger wurde die 
Stimmung des „Volkes" gegen die „Reichen", desto 
schroffer die Kluft, welche sich zwischen den beiden 
socialen Lagern gebildet hatte, und rauhe Schlacht- 
rufe des Classenkampfes wurden laut. Reichthum schien 
gleichbedeutend mit Feigheit und Verrath an der 
Freiheit und war deshalb in den Octobertagen just 
keine Empfehlung; indes wurde mit der „Heiligkeit 
des Eigenthums" ein förmlicher Cult getrieben, und 
praktische Verletzungen des Eigenthumsr echtes kamen 
im October weniger vor als im März. 

Eine sociale Geschichte der Octoberereignisse hat 
nichts weiter zu registriren, als diese schon durch die 
vorangegangenen Ereignisse entstandene sociale Kluft 
innerhalb der Bevölkerung, eine Kluft, welche aller- 
dings das Grab der gemeinsamen Freiheit werden 
sollte. Die Wiener Demokratie war nach dem Siege 
vom 6. October von der frohen Zuversicht erfüllt, 
Wien werde sich halten können; freilich rechnete sie 
dabei auf die Einigkeit im Bürgerthume, auf die Dank- 
barkeit der Landbevölkerung und auf die Hilfe der 
Ungarn. Alle diese Hoffnungen sollten bitter enttäuscht 
werden. 

Zahlreiche volksthümliche Abgeordnete und Publi- 
cisten, auch Hans Kudlich selbst zogen auf dem 
Lande umher, um die Bauern zu bewegen, dass sie 
ihren bedrohten Brüdern und Vorkämpfern in Wien 
bewaffnete Hilfe brächten. Allein, die Bauern kamen 

— einige kaum nennenswerthe Ausnahmen abgerechnet 

— nicht, es lebte in diesen verknechteten Seelen nichts 
mehr vom Geiste Stefan Fadinger's. Die Bauern be- 



— 230 — 

nützten höchstens die Gelegenheit, um ihr Getreide 
theuer nach Wien zu verkaufen, das war der Dank 
für die Befreiung von Robot und Zehent. Man hat immer 
gesagt, der Reichsrath hätte den Landsturm aufbieten 
müssen, dann wäre der Bundschuh gegen Wien ge- 
tragen worden. Allein, es ist mehr als fraglich, ob die 
Bauern dann zahlreicher gekommen wären; der Reichs- 
tag war für sie Hekuba. Die Bauern zogen es vor, 
das was ihnen der Reichstag als Recht erwirkt hatte, 
noch einmal kniefällig als Gnade aus der Hand des 
Kaisers sich geben zu lassen,^) und empfingen die 
gegen Wien anrückenden Truppen an den meisten 
Orten* wie Erlöser und Erretter. Sie waren ja saturirt 
und hatten an der Revolution weiter kein Interesse. 
So im Inneren durch die reiche und revolutions- 
müde Bourgeoisie gelähmt, von aussen durch die 
Bauern im Stiche gelassen, war der Kampf der Wiener 
Kleinbürger, Studenten und Arbeiter der That der 
dreihundert Spartiaten vor Thermopylae vergleich- 
lich. Dort wo das Volk wirklich kämpfte, schlug es 
sich mit Todesverachtung und das Militär hatte einen 
schweren Stand, wie an dem Hauptangriffspunkte an 
der grossen Barricade in der Praterstrasse. Allein, an 
den meisten Stellen rückten die Truppen kampflos vor 
und wurden von den Vertheidigern von gestern als 
Verbündete von heute begrüsst, bejubelt. Wien fiel 
nicht durch die Kriegskünste des Banus und des 
Grandseigneurs Windischgrätz, sondern durch den 
socialen Zwiespalt, der im Volke herrschte. Mit Wien 
fiel aber die Freiheit und mit ihr die Aussicht auf 
sociale Reformen und auf eine Besserung der wirth- 
schaftlichen Lage der unteren Stände. 



I 

i 



— 231 — 

Versucht man die Summe dessen zu ziehen, was die 
kurze Zeit des Sturmes und Dranges mit Bezug auf 
die sociale und wirthschaftliche Befreiung dieser 
unteren Stände hervorgebracht, so mag es, gemessen 
mit dem Massstabe des augenblicklichen Erfolges, 
vielleicht gering sein. Aber Ideen, einmal gesäet in 
fruchtbares Erdreich, kann man auch mit eisernen 
Spitzen nicht ausjäten, sie wurzeln sich unausreissbar 
fest und es drängt und treibt, bis die Saat der Ge- 
danken auf dem Boden der Wirklichkeit aufgegangen. 

Die Rückwärtsbewegung der kommenden Jahre 
schien unaufhaltsam, sie holte in Oesterreich weiter 
aus, als in anderen Staaten. Man brach nicht nur mit 
den verhassten Formen, welche an die Revolution 
erinnerten, man räumte mit den Sachen selbst auf, 
und auch das Vernünftigste, auch das Segensreichste 
musste verschwinden, bloss deshalb, weil es eine Frucht 
der Revolution war. Man schüttelte nicht nur den 
Constitutionalismus ab und legte auf das blosse Prin- 
cip den grossen Fluch, man trieb nicht nur den Reichs- 
tag auseinander in dem Momente, wo er nach langen 
Irrfahrten und unseligen Zerwürfnissen, aufgerüttelt 
durch das abschreckende Schicksal Wiens, auf dem 
besten Wege war, sich über eine organische, lebens- 
kräftige, den Seinsbedingungen aller Völker Rechnung 
tragende Verfassung zu einigen; man räumte auch mit 
den von der constituirenden Reichsversammlung be- 
reits festgestellten Grundrechten auf, welche die staats- 
bürgerliche und sociale Gleichstellung aller Mitglieder 
der Gesellschaft decretirten, alle Standesvorrechte und 
Adelsprivilegien abschafften, das Recht der Coalition, 
die Freizügigkeit und Freiheit der Person und des 



— 232 — 

Vermögens, die Untheilbarkeit des Eigenthums in 
Ober- und Untereigenthum, die Freiheit des Glaubens 
und der Lehre gewährleisteten und das Verhältniss 
des Staates zu den einzelnen Religionsgesellschaften 
in liberalstem Sinne festsetzten, kurzum jene Basis 
schufen, auf welcher ein freier und moderner Gesell- 
schaftsbau sich hätte erheben können. 

Allein, die Paragraphen der Grundrechte sollten 
nach einem prophetischen Worte Fischhof' s nur die 
Grabsteine sein, auf denen die Inschrift zu lesen : „Hier 
ruhen die Wünsche der österreichischen Völker." 
Allerdings wagte man den geistigen Bau des Jahres 
1848 nicht so mit einem Streiche zu fällen; noch war 
ja Ungarns Widerstand nicht gebrochen, das Klein- 
bürgerthum Wiens riss mit wildem Ungestüme an 
seinen Fesseln und blickte sehnsüchtig nach den un- 
garischen Schlachtfeldern, um bei dem entscheidenden 
Victoria der Magyaren sich mit erneuten Kräften 
wieder zu erheben; aber auch ein guter Theil der 
Bourgeoisie, welcher aus blasser Furcht vor der 
Pöbelherrschaft sich der sogenannten Partei der Ruhe 
und Ordnung angeschlossen hatte, erkannte jetzt zu 
spät, dass in dem Blutbade, welches Windischgrätz 
über Wien brachte, nicht nur die gefürchtete und ver- 
hasste „Partei des Umsturzes'', sondern die Freiheit 
Aller ersäuft wurde. Zudem erfüllte das bestialische 
Treiben der Soldatesca, das feige Denunciantenthum 
in einem gewissen Theile der Bevölkerung das bessere 
Bürgerthum mit Entsetzen und Ekel. Es wäre kaum 
rathsam gewesen, so lange in Ungarn Nike sich nicht 
auf Seite der russischen Truppen geneigt hatte, diese 
Bourgeoisie durch nackten Absolutismus zum Aeusser- 



— 233 — 

sten zu reizen. Sie musste allmählich und langsam 
mit Zucker und Peitsche dahin gebracht werden, allen 
Coquinerien der Reaction bis zur namenlosen Erbärm- 
lichkeit des Concordates sich zu fügen; sie musste 
durch die Gestattung, nein, durch die künstliche Auf- 
züchtung eines wahnsinnigen Speculations- und Unter- 
nehmungsschwindels erst blind und stumpf für die 
freien Regungen •) der Seele, für die Bedürfnisse eines 
modernen Gesellschaftsmenschen gemacht werden. 

Deshalb rüttelten auch die octroyirten Grundgesetze 
und die papierene Constitution vom 4., respective 
7. März 1849') an dem Principe des freien Erwerbes 
nicht, ja sie machten sogar einige Zugeständnisse, wie 
Lehrfreiheit, Pressfreiheit, Petitions- und Associations- 
recht, welche der socialen Bedeutung äes Bürger- 
thums Rechnung tragen sollten. Dieselben kamen 
natürlich nie zur praktischen Durchführung und fielen 
schon vor dem Staatsstreiche in Vergessenheit. Da- 
gegen hielt man an der wirthschaftlichen Begünstigung 
gewisser Classen der Bürgerschaft fest; die Banquiers, 
Fabrikanten und Grosshändler galt es auf Kosten des 
kleinen Mannes bei gutem Muthe zu erhalten, um sie 
zu Helfershelfern für die finanzielle Luderwirthschaft 
der Regierung zu gewinnen und mit dem herrschenden 
politischen Systeme zu versöhnen. 

Ebenso wenig wie die haute bourgeoisie, die man 
corrumpirte, um sie willfährig zu machen, durfte man 
die Bauern zu Feinden des inaugurirten Systemes 
machen. Deshalb wagte es die Contrerevolution auch 
nicht, an dem Reichstagsbeschlusse über die Aufhebung 
der Grundunterthänigkeit zu rütteln. Mittelst kaiser- 
lichen Patentes^) vom 4. März 1849 wurden unter aus- 



— 234 — 

drücklicher Anerkennung der Rechtsgiltigkeit des Ge- 
setzes vom 7. September 1848 die nöthigen admini- 
strativen Verfügungen für die Grundentlastung und 
besonders für die Ermittelung der durch den Reichs- 
tag nicht festgesetzten, aber zugesicherten „billigen 
Entschädigung" getroffen. Die Robot und Robotgelder 
der Inleute und Kleinhäusler wurden ohne Entschädi- 
gung aufgehoben. Für die Durchführung der Grund- 
entlastung wurden in jedem Kronlande eigene Com- 
missionen bestellt. Für die Ermittelung der Ent- 
schädigung wurden als Grundsätze aufgestellt, dass 
die Leistungen in Bodenfrüchten und anderen landwirth- 
schaftlichen Erzeugnissen nach den Katastralpreisen, 
die Preise der Arbeitsleistungen (Robot) mit einem 
Dritttheile des Werthes der freien Arbeit berechnet 
werden. Von dem Werthausschlage aller durch das 
Gesetz vom 7. September 1848 aufgehobenen Leistungen 
wurde der Werth der Gegenleistungen, die von dem 
Berechtigten an den Verpflichteten zu entrichten waren, 
in Abzug gebracht. Von dem auf solche Weise er- 
mittelten Werthe wurde ein Dritttheil für die Steuer, 
die der Berechtigte von diesen Bezügen zu leisten 
hatte, in Abzug gebracht und die nunmehr ver- 
bleibenden zwei Dritttheile bildeten das Mass der den 
Berechtigten gebührenden Entschädigung. Von diesem 
Werthanschlage hatte der Verpflichtete die Hälfte zu 
entrichten, die andere Hälfte wurde als eine Last de& 
betreffenden Landes aus Landesmitteln aufgebracht» 
Ueberstieg die Entschädigungssumme 407o ^^^ Rein- 
ertrages der entlasteten Grundstücke, so war der Mehr- 
betrag aus Landesmitteln zu bestreiten. Der Ver- 
pflichtete hatte also nicht weniger als ein Dritttheil 



der zur Ablösung bestimmten und behördlich ein- 
geschätzten Schuldigkeiten und nie mehr als '20% vom 
Reinertrage der betreffenden Grundstücke zu leisten. 
Die Grundentlastung wurde also in einem leidlich 
liberalen Sinne aufrechterhalten und auch in liberaler 
Weise, wenngleich nicht ohne Bevorzugung einzelner 
Provinzen ausgeführt. In Böhmen, Mähren und Schle- 
sien wurde dieselbe bereits im Juni 11^49 nach einer 
für den Bauer äusserst günstigen Bewerthung und in 
weitestem Umfange vorgenommen, denn die ungari- 
schen Truppen standen drohend unter (JÖrgey's Führung 
an der Grenze Mährens, und es galt das Landvolk 
unempfindlich für die Reize der Revolution zu machen. 
Freilich, als diese Gefahr verschwunden war, fand man 
plötzlich, es müsse das Entlastungsgesetz mit un- 
parteiischer Strenge gehandhabt werden, uns es wurden 
dessen Bestimmungen in Böhmen und Mähren nach- 
träglich zu Gunsten des Adels abgeändert. In den so- 
genannten Erbländern wurde das Entlastungsgeschäft 
später in Angriff genommen und nicht in dem Um- 
fange wie für Böhmen und Mähren gewährt, indem 
der geistliche und Schulzehent von der Ablösung aus- 
geschlossen wiurden. Aber auch nach verschiedenem 
Massstabe wurde die Entschädigung durchgeführt, 
während in Böhmen und Mähren die Entlastungs- 
summe von einem Bauerngute sich durchschnittlich 
auf 350 n, stellte, wurde sie in Ungarn, obwohl der 
ungarische Reichstag die Unterthänigkeit und dl<? aus 
ihr entspringenden Lasten unbedin<;i und unfiu^^eUlicli 
aufgehoben hatte, für eine liauernsässi;^^' ' ' ' 
Session durchschnittlich auf "Ou fl. bere'.l' 
Strafe für die politischen Sünden ^^^ un " 



J 



— 236 — 

Volkes. Umgekehrt wurde in Galizien, wo das Ent- 
lastungsgesehäft erst im Jahre 1853 aufgenommen 
wurde, die zarteste Rücksicht gegen die Bauern geübt, 
um nicht blutige Aufstände wie die des Jahres 1846 
wiederkehren zu sehen. Das war seit jeher so im 
schönen Oesterreich, dass man die Störrischen und 
Nimmersatten durch Brocken beruhigte, die aus dem 
Fleische der Friedlichen oder der Besiegten geschnitten 
waren. 

Es darf und soll auch nicht verschwiegen werden, 
dass eine so grundstürzende Umwälzung, wie die vom 
Reichstage durchgeführte Bodenreform, selbstverständ- 
lich nicht gleich in der ersten Zeit aus Wüsteneien eitel 
Paradiese schuf. Sowohl der Bauer, als der Adelige 
war so wenig für den geänderten, vollkommen selbst- 
ständigen Wirthschaftsbetrieb vorbereitet, beide standen 
in allgemeiner und fachlicher Ausbildung so tief unter 
dem erforderlichen Niveau, dass schon aus individuellen 
Gründen für viele das Aufhören der alten Gebunden- 
heit dem wirthschaftlichen Ruine gleichbedeutend 
war. Die Folgen waren aber auch allgemeiner Natur; 
vor allem steigerte die Grundentlastung die allgemeine 
Nachfrage nach Geld noch in hohem Masse. Die kleinen 
Grundbesitzer mussten ihr Bargeld auf die Ablösung 
verwenden, die Grossgrundbesitzer brauchten, um den 
Verlust der vielen unentgeltlichen Arbeitskräfte zu 
ersetzen und eine rationelle Wirthschaft einführen 
zu können, gleichfalls Geld; die Bodenrente und der 
Zinsfuss stieg in Folge dessen enorm, was auf Handel 
und Gewerbe seine Rückwirkungen hatte. Allerdings 
stieg auch, da die Zwangsarbeit aufhörte, die Nach- 
frage nach Arbeit, und der Arbeitslohn und die 



— 237 — 

steigende Wohlhabenheit und die damit zunehmende 
Verbrauchsfähigkeit der Landbewohner stattete wohl 
auf der anderen Seite der gewerblichen Production 
wieder ab, um was dieselbe durch die Vertheue- 
rung des Greldes und des Arbeitslohnes geschädigt 
worden war. 

Jedenfalls geht es nicht an, eine sociale Reform, 
welche Millionen erst zu Menschen gemacht, nach den 
kleinen Vortheilen und Nachtheilen abzuwägen, welche 
sie Einzelnen und einer kurzen Generation gebracht. 
Die Befreiung des Bodens und seiner Bebauer von uner- 
träglichem, tausendjährigem Zwange ist eines der un- 
vergänglichsten Verdienste der Revolution, und hätte 
der constituirende Reichstag auch weiter nichts ge- 
schaffen als dies eine Gesetz vom 7. September, es 
müsste ihm für ewige Zeiten ein gesegnetes Andenken 
gewahrt bleiben in der Geschichte der österreichischen 
Völker. 

Um so bedauerlicher ist es, dass der Reichstag 
nicht auch an die legale Lösung der ihm zugedachten 
Gewerbereform gekommen ist. Vielleicht wäre auch 
sie aus den Trümmern der gestürzten Revolution 
gerettet worden, wie das Grundentlastungsgesetz, und 
hätte uns vor socialen Krisen bewahrt, die heute ein 
unübersehbares Unheil über die zum zweitenmale be- 
freite Gesellschaft zu bringen drohen. Die Absichten 
der Volksmehrheit über die Neugestaltung der Ge- 
werbeverhältnisse waren während der Revolution un- 
zweideutig auf die Einführung voller Gewerbefreiheit 
unter gleichzeitiger Neuorganisation des Gewerbestandes 
gerichtet. Nun kann wohl eine Regierung die erstere, 
unmöglich aber eine nothwendigerweise auf der freien 



— 238 — 

Initiative ruhende Neuorganisation des Gewerbestandes 
decretiren. Sollte die soeialreformatorische Saat, welche 
die Revolution ausgeworfen hatte, aufgehen, so wäre 
es — wie die Dinge nach 1848 nun einmal lagen — 
nothwendig gewesen, dass zunächst eine an die früheren 
Verhältnisse anknüpfende obligatorische Incorporation 
aller Gewerbe vorgenommen, und zugleich das heran- 
wachsende Geschlecht durch eine möglichst breite 
Volksbildung, sowie auch durch gründliche Fach- 
bildung für die Zeit der Gewerbefreiheit vorbereitet 
wurde. In diesem Sinne riethen auch der Magistrat 
der Stadt Wien, wie die neugeschaffenen Handels- und 
Gewerbekammern ein.'**) Allein, der Regierung, welche 
sich auf den Feudaladel, das Militär und die Pfaffen 
stützte, war es doch nicht um sociale Reformen zu 
thun. Sie stellte zunächst einmal die unleidlichen 
und haltlosen zünftigen Verhältnisse, wie sie im 
Vormärz bestanden, wieder her, womit sie wohl auch 
einem guten Theile der Gewerbetreibenden nach Wunsch 
und Willen handelte, und that alles Erdenkliche, um 
die heranwachsende Generation der Gewerbetreibenden 
in der Concordatsschule für den Struggle of life 
kampfesunfähig zu machen. Als aber trotz der Rück- 
kehr zur Zunft das Gewerbe immer mehr und mehr auf 
der schiefen Bahn abwärts glitt, gab man nach einigen 
missglückten Experimenten die volle Gewerbefreiheit, 
d. h. man warf die Blinden und Lahmen ein- 
fach ins Meer und rief ihnen zu: „Schwimmt!" So 
richteten die Socialpolitiker der Concordatsregierung 
das Kleingewerbe zugrunde, wie sie die Geld- 
bourgeoisie corrumpirt hatten. Es waren das genau 
dieselben Leute, welche heute von Entrüstung über 



I 
J 



— 239 - 

die Schädlichkeit des mobilen Capitales und von 
socialreformatorischen Plänen für das Gewerbe triefen; 
und es scheint fast, als ob das Handwerk thatsächlich 
nach dem Recepte der Fünfziger jähre ToUends todt 
curirt werden sollte. 

Es erübrigt noch, einen Blick auf die Arbeiter- 
frage zu werfen. Die Revolution war in dieser Hin- 
sicht überreich an Anregungen : Maximalarbeitszeit, 
Minimallöhne, Schiedsgerichte, Gewerbeinspectoren, 
Arbeitsministerium, Coalitionsrecht, Kranken- und In- 
validitätsversorgung, sociale und politische Gleich- 
berechtigung, das waren die Wünsche, die auf aller 
Mund lagen, das war ein Programm, welches im 
Wesentlichen auch heute noch den festen Säulenbau 
bildet, auf welchen sich die mitunter recht kunstvoll 
verworrene und von socialistischem Beiwerk über- 
ladene Architektonik der sogenannten Arbeiterfrage 
lehnt. Was aber der Arbeiterbewegung der Revolution 
von 1848 ihre grosse, paradigmatische Bedeutung 
verlieh, das war eben ihr naiver Charakter; aus un- 
abweislichen Bedürfnissen hervorgegangen, strebte 
sie die Befriedigung dieser Bedürfnisse, die Lösung 
der offenen Fragen auf dem geradesten Wege mit 
den natürlichsten Mitteln an. Kein Dogma und keine 
krause Doctrin trübte den Blick, keine Scheidewand 
erhob sich zwischen den bürgerlichen und zwischen 
den proletarischen Freiheitskämpfern, und selbst nach 
dem unseligen August fand der Classenhass eigentlich 
keinen fruchtbaren Boden bei der Arbeiterschaft. Die 
Gefahr, welche im October die gemeinsame Freiheit 
bedrohte, vereinte wieder Bürger, Studenten und Ar- 
beiter; nur die Feinde der Freiheit, die Vertheidiger 



— 240 — 

der wirthschaftlichen Ausbeutung in den verschieden- 
sten Jacken, sie allein und nicht ein Stand oder eine 
Classe waren der Gegenstand des Hasses. 

Nach der Niederlage der Revolution waren es 
ganz besonders die Arbeiter, welche die eherne Faust 
der Sieger auf ihrem Nacken zu spüren hatten. In 
Massen wurden sie zusammengefangen, und Unge- 
zählten von ihnen wurde der Lohn für ihre Theil- 
nahme am Widerstände der Demokratie im Stadt- 
graben mit Pulver und Blei gezahlt. Die Forderungen 
der Arbeiter wurden im Blute erstickt. Eine blosse 
Prüfung derselben wäre wie ein hochverrätherisches 
Unterfangen erschienen; einen Punkt „Arbeiterfrage" 
gab es auf dem socialreformatorischen Programm 
der Contrerevolution nicht. 

Es blieb einer späteren Zeit vorbehalten, den 
Arbeitern wenigstens wieder das Papagenoschloss vom 
Munde zu nehmen und in die Discussion über ihre 
gerechten Forderungen einzutreten. Vieles von dem, was 
den Arbeitern des Jahres 1848 als äusserster Wunsch 
in nebelhafter Form vorgeschwebt, mag heute erfüllt 
sein, allein, die Saat des Jahres 1848 ist auch hier 
noch nicht in ihrer ganzen Fülle aufgegangen. Wäre 
auch jeder einzelne Punkt jenes ersten socialpoli- 
tischen Programmes längst überholt und überboten, 
der Geist der Solidarität aller Classen muss erst aus 
den Gräbern der „alten Achtundvierziger" wieder 
auferstehen, damit ihr Vermächtniss erfüllt werde zum 
Segen Aller. 

Vielleicht ist gerade jetzt der Lauf der Dinge in 
Oesterreich danach, diese Solidarität aller arbeitenden 
Classen auch auf einer anderen als der utopistischen 



— 241 — 

Grundlage des Social ismus früher als anderwärts zu 
erzeugen; sind es nicht gerade die Stätten der Ver- 
wesung, wo am ersten sich das neue Leben regt? 
Vielleicht wird die gemeinsame Knechtung wie ehedem 
die Reihen der Kämpfer wieder schliessen und zuletzt 
auch die Verächter der sogenannten bürgerlichen 
Freiheit überzeugen, dass gesunde Socialreformen nur 
auf dem Boden der politischen Freiheit gedeihen* 
können und dass der Kampf, den die Arbeiterschaft gegen 
die sogenannten bürgerlichen Freiheitsparteien führte 
nur das Interesse der unverbesserlichen Feinde des 
Volkes fördert; denn der Nachfolger der freien 
bürgerlichen Gesellschaft ist nicht etwa die Social- 
demokratie, sondern allüberall die Pfaffen- und Adels- 
herrschaft, bei welcher sich zwar das vielgelästerte, 
wucherische und ausbeuterische Grosscapital sehr wohl, 
der Arbeiter aber sehr übel zu befinden pflegt. 

Ruimus in servitium. 

Gerade diejenigen Classen der Bevölkerung, welche 
im Jahre 1848 die Kerntruppen der Freiheit bildeten, 
das gesammte Kleinbürgerthum, die alte Vorstadt- 
demokratie — ja — so schwer es kommt, es muss gesagt 
sein — ein erschreckend grosser Theil der Arbeiter- 
schaft steht an den Blasbälgen der Reaction und 
facht das Feuer an, in welchem die Fesseln ihrer und 
unser aller Knechtschaft geschmiedet werden. Dieselben 
socialen Gruppen, welche einst die Vorkämpfer der 
Freiheit waren, schaufeln seit Jahr und Tag gar 
emsig an dem Grabe der bürgerlichen Freiheit. Das 
Grab ist fertig, und nach einem alten Wahrwort 
stürzen die, welche es gemacht, selbst hinein. Es wird 
aber die Freiheit aus diesen Gräbern sich neue 

Zenker: Wiener Re voluti on . jg 



— 242 — 

Kämpfer mit Donnerschall erwecken, welche das Werk 
des socialen Friedens unbeirrt durch Classenhass 
und Racenhass dort aufnehmen werden, wo es unseren 
Vorkämpfern im Jahre 1849 durch Dragoner und 
Grenadiere abgeschnitten wurde, nämlich bei den 
einzig und allein aus dem freien Willen und den 
wahren .socialen Bedürfnissen der Völker Oesterreichs 
entsprossenen Grundgesetzen und bei dem unvergleich- 
lichen Verfassungsentwurf des constituirenden Reichs- 
tages, der allein die Basis einer gesunden volksthüm- 
lichen, von Nationalitätenhader, Adels- und Pfaffen- 
herrschaft freien Societät auf österreichischem Boden 
bilden kann. 



Noten. 



16» 



Uoten zum ersten Capitel. 



1) Nur in den lombardisch-venezianischen Gebieten gab e 
eine Gutsunterthänigkeit im Vormärz nicht mehr, da dieselbe schon 
während der früheren französischen Regierung daselbst aufgehoben 
worden war. — 2) Eine gelinde Besserung — wenigstens im Sinne 
einer gesetzlichen Regelung der schrankenlosen Bedrückung — hatte 
schon Leopold I. durch das Robotpatent vom Jahre 168Ö versucht, 
welches die gesetzlichen Grenzen der bäuerlichen Leistungen fest- 
setzte. In den weiteren Robotpatenten von 1717 und 1738 wurden 
den Herrschaften alle willkürlichen Eingriffe in das Vermögen der 
Unterthanen strenge untersagt. Unter Maria Theresia wurde ein 
strenges Verbot der Einziehung von Rusticalgründen seitens der 
Grundherren bei Strafe des doppelten Werthes erlassen, und den 
Kreisämtern die Aufsicht und Controle über das Unterthanenwesen 
sowie die Entscheidung von ünterthanenbeschwerden in erster 
Instanz überwiesen. Mit Patent vom Jahre 1769 wurde die Voll- 
ziehung der von der Grundobrigkeit verhängten 'körperlichen 
Züchtigung von der vorhergängigen, kreisämtlichen Bestätigung 
abhängig gemacht. Am 4. October 1771 wurde die Urbarialhof- 
commission errichtet „zur standhaften Behebung der von voriger 
Zeit her zwischen den Grundobrigkeiten und ihren Unterthanen 
über die Robote und andere dahin einschlagende Schuldigkeiten 
obwaltenden Streitigkeiten, dann der aus einigen Orten daraus er- 
folgten Verminderung der Frohndienste und anderen dahin ein- 
schlagenden Schuldigkeiten'', auch wurde genau das Ausmass der 
Unterthansschuldigkeiten an Abgaben und persönlichen Diensten 
festgesetzt. Am 1. September 1781 erliess Joseph II. zwei Patente 
für die deutsch-böhmischen Erbländer, das Unterthan- und das 
Strafpatent, von denen das erstere den Bauern die Rechtsverfolgung 



— 246 — 

gegen die Grundobrigkeit zu erleichtern, das andere die Strafgewalt 
der Herrschaften in gebührende Schranken zu verweisen suchte 
und diese an die Aufsicht und Genehmigung der Kreisämter 
knüpfte. Die wichtigste Bestimmung des Unterthanpatentes vom 
1. September 1781 war jedoch die Aufhebung der Leibeigenschaft 
in jenen Ländern ^Böhmen, Mähren, Krain, Galizien), wo sie noch 
bestand. Der Bauer wurde dadurch persönlich frei und es blieb 
bloss jene Gutsunterthänigkeit zu Recht, wie sie bereits seit dem 
17. Jahrhundert in den meisten österreichischen Erbländem bestand. 
Jeder Unterthan Wurde berechtigt, sich gegen eine blosse Anzeige 
zu verehelichen, unter Beobachtung der Conscriptionsvorschriften 
aus dem Territorium der betreffenden Herrschaft wegzuziehen und 
sich innerhalb des Landes überall niederzulassen. Durch ein 
weiteres Patent vom 1. September 1781 wurden die Obrigkeiten 
aufgefordert, den ünterthanen, welche das Eigenthum ihrer Grund- 
stücke erwerben wollen, dasselbe gegen billige Ratenzahlungen ein- 
zuräumen, worauf den Besitzern das Recht zustand, über ihr Eigen- 
thum bei Lebzeiten und letztwillig zu verfügen und dasselbe bis 
zu zwei Dritteln des Werthes ohne obrigkeitlichen Consens zu belasten. 
— 3) Im Beginne des 18. Jahrhunderts kam es anlässlich der 
erneuten Steuererhebungen unter den vollständig erschöpften 
Bauern nicht selten zu heftigem Widerstände und sogar feu Aufstand. 
Zu förmlichen Revolten kam es auf den Besitzungen des Klosters 
Brück in Mähren, ferner in Oberösterreich, Steiermark (wo der 
Oberlandescommissär Graf Wolfgang Friedrich v. Wurmbrand von 
den wüthenden Bauern ermordet wurde). In Kärnten und Tirol war 
die Stimmung um jene Zeit (1703 bis 1704) eine so schwierige, dass 
man „eine allgemeine Empörung der erschöpften Ünterthanen fast 
unvermeidlich" hielt (A. Jäger, Tirol im Jahre 170", S. 82). In 
Vorarlberg kam es in der gleichen Zeit besonders unter den 
Bauern des Montafoner- und Klosterthales zu thatsächlichen Con- 
flicten mit den Behörden, und es soll eine bis in den Yintschgau, 
das mittlere Etsch- und Ober-Innthal reichende Bauernverschwörung 
bestanden haben, welche einen Anschluss an die Schweizer Eid- 
genossenschaft anstrebte. Der Successionskrieg und die ewigen 
Türkenkriege, welche zu immer neuen Belastungen des Bauern- 
standes führten, konnten den Geist der Empörung, welcher am Be- 
ginne des Jahrhunderts überall sich regte, in den kommenden Jahren 
nicht besänftigen. Im Gegentheile kam es gegen das Ende der 



247 - 



Regierung Carl VI. überall zu erneuten und haftigerim BaiiHrn- 
reTolten, so 1717 bis 172Ö bei Wilhering in Oberöplcrrpieh und 
St. Valentin in Kiederöelerreieh, 1722 im Ennsbergprtlial, welche 
Widereetzlichkeiten sieb bis in die Secbzlgerjabre liinz^igcn, 1734 
im SalzkammergDte, 1133 bis ITSS in Oberliarnten (dneli eo]! der 
Anhang dieser Empörung aucli bis Tirol gereicht halinn), 1~'6H im 
steierischen Enna- und Palten thale und der Umgebung von Graz u. ü, w. 
Man wird also im Interesse der gesehiehtliehen Wahrbeil gut daran 
thun, für die „Bauernbefreiung" der späteren Jahre nielit aviBBcliliess- 
lieh ideale und etwas mehr nüchterne Motive als ausschlaggebend 
anzunehmen. — 4) Die naeh(olgende Skizze geht im Wesentliuben 
aul F. V. Hauer's „l^raktische Darstellung des Unterihai 
In Niederösterreich" (naeli der von Joh. Heinr. Edlem v. I 
bearbeiteten dritten Auflage li erausgegeben und mit den 
Normalien vermehrt von W. S. Ritter v. Pauly, Wipn 1848) 
zurück. — 6) In Böhmen, Mähren, (Jalizien besass dfr Adel das 
suBschiiessende Recht auf den Besitz der HerrsciiafiL-ii <Güti?r mit 
Unterthanen, adeliger Güter); Hotdeerete vom 9. April iHia, S. De- 
cember Igl4 u. b. Wohl durften auch Unadelige Staatsgüter kaufen 
und einige Stfldte sogar adelige Güter erwerben, doch betrug der 
gesammte in HSnden ITnadeliger befindliche Besitz vun Herr- 
schaften keine 5%. Vgl. „Der Fortschritt und das conservative 
Princip in Oesterreich" von Dr. S. Leipzig 1844, S. GH. — (i| Hauer 
a. a. O., S. 34. Derlei Verfügungen des „Aun[tärutig''knisers", die 
einfach Selbstverständliches wie eine Gnade gewähren, pliarakteri- 
siren treffender als ganze Folianten, auf welchen fih- moderne 
Henschen unzugänglichen Begriff sb ahnen die Rechts^n^^i'liauungen 
Jener Zeit sich bewegten, und wie lächerUch es ist, aul <iieser Seile 
ernste socialreformatorische Absichten vorauszusetzeTi . — 7) Ein 
katholischer Priester — wer sollte das glauben? — der (.Iraner 
Archidiacon Johann Lyczni gab im Jahre 1707 in diT Universi- 
tätsdruckerei zu Tjmau ein Buch heraus „Iter oeconniii. duixiena 
stationum ... ad Urbaria etc. formanda directum", in weloheiii er 
von dem unterthänigen Bauern in der folgenden aiitfrliau-lipheni 
aber seiner Zeit offenbar sehr plausiblen Weise spticlit; „SubdVU In 
pagiB, qui proprio ruatici, laboribuB agrestibus ut iuwieiuuirt »«»»*" 
dicuntur. Inde natum etiam de iis proverbium : 

Rusticus est quasi Rind, 

Nisi quod sibi cornua desint." — 



— 248 — 

8) Resolution vom 6. November 1773^ vgl. Hauer a. a. O., 
S. 44 ff. — 9) Natürlich konnte von einem rationellen Wirthschafts- 
betriebe auch nicht auf den von Robotern bewirthschafteten Herr- 
schaftsgütern die Rede sein, da die erzwungene Arbeit des Ro- 
boters in qualitativer wie quantitativer Beziehung hinter der des 
freien Taglöhners zurücksteht. H. Kudlich (Rückblicke und Er- 
innerungen. Wien, Pest, Leipzig 1873, Bd. I, S. öO) sagt: „Die 
Herrschaften hatten oft nicht so viel Nutzen von der Robot, als der 
Unterthan Schaden davon trug. Alle Robotarbeit war schlecht. Die 
Bauern hielten sich eigens schlechtes Geschirr für die Robot. Sie 
hielten kleine Wagen und kleines Vieh aus dieser Rücksicht. Die 
Robot verhinderte deshalb den ökonomischen Aufschwung auf herr- 
schaftlichen und bäuerlichen Gründen." Nach Flotow (Anleitung 
zur Fertigung der Ertragsanschläge I, 80) sind vier Frohntage und 
drei Taglöhnertage an Werth gleich; nach Jakob (lieber die Arbeit 
leibeigener und freier Bauern 181ö, S. 21) kommt die Arbeit zweier 
Taglöhner der von drei Fröhnern und die Leistung eines Hof- 
pferdes der zweier Frohnpferde gleich. „In der Regel" — sagt 
Röscher (System der Volks wir th seh aft I, 79) — „ist die Hoffnung 
nicht bloss ein humanerer, sondern auch ein stärkerer Sporn. 
Wendet man aber einmal Zwang und Furcht an, so wirkt ein 
starker Zwang ohne Frage mehr, als ein schwacher. Wo man das 
Züchtigungsrecht des Frohnherrn abgeschafft hat, da ist der 
technische Werth der Frohnden regelmässig kleiner geworden." 
Es war also ein innerer Widerspruch, die Leibeigenschaft ab- 
zuschaffen, die Robot aber fortbestehen zu lassen, und die Land- 
wirthschaft musste dadurch mehr geschädigt als gefördert werden» 
— 10) Siehe Hauer a. a. O., S. 3ö4 ff. — 11) Ibidem S. 357. — 
12) Ibidem S. 368. - 13) Ernst Yioland, die sociale Geschichte 
der Revolution in Oesterreich. Leipzig 18W), S. 33 ff. — 14) Kaiser- 
liches Decret vom 23. December 1817. — 15) Tegoborski, M. L. de. 
Des Finances et du Credit public de PAutriche, de sa dette, de 
«es ressources financieres et de son Systeme d'imposition. Paris 1843 
tome lor, p. 162. — 16) Diese Schätzung aus der Schrift: „Oester- 
reich im Jahre 1840 von einem österreichischen Staatsmanne'% 
Leipzig, wird von Tegoborski angezweifelt ; die gleiche Schätzung 
(70 bis 80%) findet sich aber auch in einem Aufsatze der durch 
und durch antirevolutionären „Revue österreichischer Zustände", 
Leipzig 1842 bis 1844, Bd. I, S. 41. Spätere, aus der Revolutions- 



— 249 



zeit stammende Angaben beziffern den Gesammtbetrag viel höher, 
auf 80 bis 100% (Constitution Nr. 11 vom 3. April 1848, S. 127). 
Auf die Frage „was zahlt ein österreichischer Bauer?'' giebt Amt- 
mann Franz v. Mörl in der radicalen „Constitution" (Nr. 31 vom 
27. April 1848, S. 476 ff.) durch den Mund eines niederöster- 
reichischen Bauern folgende detaillirte und in mehrfacher Hinsicht 
lehrreiche Darstellung: „Ich besitze eine Halblehen wirthschaft, wozu 
14 Joch Aecker und 172 Joch Weinland, nebst etwas Wiesen- und 
Gartenland gehört, so dass ich in Summe 17 Vs Joch Grund besitze, die 
nach meinem Steuerbogen einen jährlichen Reinertrag von 83.28 fl. 
C.-M. abwerfen sollen. Jeder weiss^ dass der Reinertrag im Steuerbogen, 
besonders was das Weinland anbelangt, viel zu hoch angesetzt ist, 
aber ich will ihn doch als richtig annehmen. Von dieser meiner 
kleinen Wirthschaft muss ich nun jährlich Folgendes zahlen und 
leisten : 

1. An Grund- und Haussteuer und Domesticalbei- 

trag laut Steuerbücheis 12.13 fl. C.-M. 

2. Für Kreisauslagen vom Gulden 1 kr — .11 „ „ 

3. Für Militär, Vorspann und Einquartierung rechne 

ich über Abzug der Vergütung, die ich erhalte, 

nur noch 1.18 »» v 

4. Im Winter müssen wir auf der Landstrasse 

Schnee schaufeln, wofür wir dem Pächter be- 
zahlen — .48 „ „ 

ö. An Zugrobot zur Kirche, Pfarrschule jährlich . 
wenigstens ein Zugtag (bei grösseren Bau- 
lichkeiten noch viel mehr), das macht ver- 
werthet 2.24 „ „ 

6. Zu den Gemeindeauslagen muss ich jährlich bei- 

tragen (in manchen Gegenden steigt dieser Be- 
trag bis zu 5 fl. C.-M.) —.36 „ „ 

7. Die Gemeinderobot muss ich mit dem Zuge 

leisten, da trifft mich mit Inbegriff des Weg- 
machens jährlich wenigstens dreimal die Reihe, 
den Zugtag ä 2*24 fl. gerechnet, macht .... 7.12 „ „ 

8. Weiters habe ich beizutragen theils in Kömern, 

theils im Gelde für den 

Schullehrer (ohne das Schulgeld zu rechnen) . 2.03 „ „ 

Feldhüter —.30 „ „ 



; 



— 260 — 

Nachtwächter —.24 fl. C.-M. 

Viehhirten 4.34 „ „ 

Rauchfanger — .04 „ „ 

Für die Sicherheitswache !•— >» »» 

Zur Armenversorgung — .30 „ „ 

9. Zur Herrschaft habe ich zu zahlen an Haus- 
und Grunddienst — .18 „ „ 

An Zehent (wobei ich nur den zehnten Theil 

des Reinertrages rechne) 8.12 „ „ 

Für Zugrobot (die bei uns noch sehr billig für 
immerwährende Zeiten abgelöst ist, zahle 

ich jährlich) 7.— „ „ 

An Laudemium (Veränderungsgeld), wo ich den 
Reinertrag nur zu ö% capitalisire und auf 
1 ö Jahre eine Veränderung rechne, entfällt 

auf 1 Jahr 5.43 „ „ 

An Todesfallsgeld (Mortuar) nur die Hälfte vom 
Laudemium, ohne Rücksicht auf sonstige 
Taxen und die bedeutenden Stempelge- 
bübren, entfällt auf 1 Jahr 2.51 „ „ 

Meine Zahlungen und die zu Geld angeschlagenen 

Leistungen machen jährlich eine Summe von . 57.51 fl. C.-M. 

Mir bleibt also von meinem Reinertrage 83.28 fl. C.-M. 

nur mehr . 25.37 fl. C.-M. 

Ich zahle also beinahe 70%." Das ist noch ein relativ günstiger 
Fall, und doch erscheinen auch hier die von T^goborski an- 
gezweifelten 70'Vo vom Reinertrage. lieber die Verhältnisse in 
Schlesien giebt dasselbe Blatt etwas später (Nr. 43 vom 11. Mai, 
S. 632) folgende ziffermässige und kaum anzuzweifelnde Dar- 
stellung (unterschrieben von einem gewissen Dr. Wilh. Müller): 
„Nehmen wir einen Bauer der Grossherrlitzer Herrschaft, 
dessen Grundbesitz 30 Joch Aecker beträgt. Ein solcher hat des 
Jahres folgende Abgaben: 108 bis 144 zweispännige Rossrobottage, 
26 Fussrobottage, 2 Tage Schafwalchen oder Schafbaden, 3 Jagd- 
tage, 4 Klafter Holz zu schlagen, 6 Nachtwachen beim herrschaft- 
lichen Schlosse, 1 Stück Garn zu spinnen, 1 Gans, 9 Hühner, 
1 Schock Eier als Ehrungen der Obrigkeit zu leisten, 7^5 kr. C.-M. 
Spinngeld, 1.44 fl. C.-M. Grundzins, 23.24 fl. C.-M. an landesfürst- 



— 251 — 

liehen Steuern zu bezahlen. — Ein Grossgärtler mit 3 bis G Joch 
Grund und Boden hat jährlich 156 Fussrobottage, 3 Stück Hühner 
oder Gänse, 3^5 kr. C.-M. Spinngeld, ein halbes Stück Garn zu 
spinnen, 1*22/5 fl. C.-M. Grundzins und 6 fl. C.-M. Grundsteuer zu 
entrichten. — Ein Häusler, der nicht einen Fuss breit Landes sein 
eigen nennen kann, robotet der Herrschaft des Jahres 52 Tage. 
Der gewöhnliehe Kaufpreis einer Bauemwirthschaft von obiger Be- 
schaffenheit ist 2400 fl. C.-M. und der einer Grossgärtnerei 
600 fl. C.-M., so dass man von ersterer einen Reinertrag von 
120 fl. C.-M. und von letzterer einen von 30 fl. C.-M. in den alier- 
günstigsten Fällen erwarten kann, da sich selten Grund und Boden 
zu 50/0, sondern meistens nur zu 3% verzinst Veranschlagt man 
nun die oben angegebenen Frohnden zu dem Preise von 20 oder 
10 kr., je nachdem es Zug- oder Handrobottage sind, so machen: 

144 Zugrobottage 48.— fl. C.-M. 

28 Fassrobottage • • 4.40 „ „ 

2 Tage Schafbaden —.20 „ „ 

3 Jagdtage — ,30 „ „ 

4 Klafter Holz schlagen ä 45 kr 3.— „ „ 

1 Stück Garn spinnen 1. — „ „ 

1 Gans 1. — „ „ 

9 Hühner 3. — „ „ 

1 Schock Eier —.50 „ „ 

Spinngeld -.71/5 „ „ 

Grundzins 1.44 „ „ 

Landesfürstliche Steuer 23.24 „ „ 

Zusammen . 87 -351/5 fl. C.-M. 

Und für einen Gärtier: 

156 Fussrobottage 36.— fl, a-M. 

3 Stück Hühner . . 1.— „ „ ; 

Spinngeld —.31/5 „ „ 

V2 Stück Garn spinnen — .30 „ „ 

Grundzins I.2V5 „ „ 

Grund- und Haussteuer 6.— „ „ 

Zusammen . 44.36 fl. C.-M. 

„Hierzu müssen noch die übrigen Leistungen, als: Strassen- 
gelder zum Baue der Bezirksstrassen, als Schulgeld, die Gaben zu 
dem Krankenhause des Kreises, die Leistungen an den Pfarrer, die 
Militäreinquartierung und Abgaben zur Bestreitung der Gemeinde- 



V 



— 252 — 



bedürfnisse geschlagen werden. Thut man dies, so erhöhen sich die 

Abgaben des Bauers mit HO Joch Aecker von 87.35V2 fi- C.-M. 

mindestens auf 100 fl. und die eines Gärtiers von 44.86 fl. G.-M. 

auf 50 fl. Zieht man diese 100 fl. G.-M. von dem Reinertrage von 

120 fl. ab, so erübrigt der thätige Bauer noch 20 fl. C.-M. zum 

Unterhalte für sich und seine Familie; der Gärtier aber, dessen 

reines Einkommen auf 60 fl. C.-M. angenommen wurde, erwirth- 

schaftet nichts, sondern muss noch von dem Verdienste seines 

Weibes und seiner Kinder zur Bestreitung die ihn drückenden 

Lasten zusetzen.'' — Die „Allgemeine Oesterreichische Zeitung" 

(Nr. 142, vom 22. August 1848) nimmt an, dass dort, wo noch das 

Feudal verhältniss besteht, der Bauer von 100 fl. durchschnittlich zu 

zahlen hat: 

An Feudalabgaben 24^ „ 

Kirchen-, Schul- und Gebäudesteuer 10 „ 

Grundsteuer . . 13 „ 

Naturentrichtungen an den Staat (Einquartierung) ... 4 „ 

ungesetzliche Entrichtung an Beamte 8 ., 

Zusammen . 54"/ ^ 
Das ist wohl die allergünstigste Berechnung die wir finden. 
Dr. Jellinek berechnet im selben Blatte (Nr. 137 vom 17. August, 
S. 1068), dass der Bauer in Oesterreich vom Reinertrag 69% Ab- 
gaben zu entrichten habe. Aus alledem geht wohl hervor, dass 
der Ansatz der Gesammtlasten mit 70% keineswegs als exor- 
bitant anfechtbar ist. — 17) Tegoborski a. a. O., I, S. 19. Vgl. 
über den Zustand der österreichischen Landwirthschaft auch die 
Artikel: „Die österreichische Monarchie in Bezug auf ihre materi- 
ellen Kräfte und ökonomischen Verhältnisse" in der „Gegenwart" 
(Leipzig, 11. Bd., S. 811 bis 886). — 18) 






Land 



Verhältniss des 
bebauten Bo- 
dens zum un- 
bebauten in 
Procenten der 
Gesammtfläche 



Hiervon waren 



Ackerland 



Wiesen, 

W«in-, 

Ob)>t- und 

G«»mU«e- 

gBrten 



Weideland 



Wald 



in Procent di«r bebauten Fliehe 



Oesterreich 
Württemberg . 
Preussen . . 
Königr. Sachsen 



84-7 
99-6 
92-0 
96-5 



33-9 
43-2 
45-7 
51-4 



18-0 
17-3 
14-8 
14-8 



14-2 
7-8 

16*4 
2-2 



339 
31-7 
221 
31-6 



— 263 — 

Die Zahlen sind für Oesterreich nach Springer, für Preussen 
nach Förster und v. Weber (vgl. T^goborski a. a. O., I, 
S. 115), für Württemberg und das Königreich Sachsen nach Die- 
terici [Statistische Uebersicht der wichtigsten Gegenstände des 
Verkehres und Verbrauches im deutschen Zollvereine, zweite Fort- 
setzung, Berlin, Posen und Bromberg 1844, S. 271 und S. 272) be- 
rechnet, und beziehen sich auf die Zeit kurz vor 1840. — 19) Es 
betrug die Production an Weizen und Roggen in Oesterreich 
(nach Springer) pro Quadratmeile 18.797*5 Wiener Metzen = 
21.000 preussische Scheffel. Die Production an Weizen und Korn 
in den Ländern des Zollvereines betrug um die gleiche Zeit (1840) 
nach Dieterici (a. a. O., S. 281): 

14.400 preussische Scheffel pro Quadratmeile 

» jf 11 » 

11 11 11 11 

11 11 11 11 

11 11 11 11 

11 11 11 11 

11 11 11 11 

11 11 11 11 

11 11 11 11 

w 11 11 11 11 

• 11 11 11 11 

11 11 11 11 

11 11 11 11 

20) Der Werth der jährlichen Gesammteinfuhr (nach Abzug 
der Edelmetalle) betrug im zehnjährigen Durchschnitte von 1831 

bis 1840 . 85,737.489 f l. C.-M, 

hiervon waren Industriegegenstände, und zwar: 
Rohstoffe, Halbfabrikate, Fabrikate, Kunstgegen- 
stände u. s. w 39,329.017 fl. C.-M. 

Natur- und landwirthschaftliche Producte . . 46,408.472 „ „ 
(vgl. L. V. Tegoborski, Uebersicht des österreichischen Handels 
in dem elfjährigen Zeiträume 1831 bis ltj41. Wien 1844, S. 16 ff.). - 
21) Dieselbe betrug mit Rücksicht auf die landwirthschaftlichen 
Producte im jährlichen Durchschnitte des genannten Decenniums 
19,666.187 fl. C.-M. von einer Gesammtausfuhr von 70,021.829 fl., 
d. i. 21*9%. Die Mehreinfuhr der Natur- und landwirthschaftlichen 
Erzeugnisse betrug sonach immernoch 26,742.000 fl. (Tegoborski^ 



In 


Luxemburg . . 14.400 


11 


Preussen .... 15.700 


^ 


Bayern .... 20.000 


11 


Kurhessen . . . 20.000 


j» 


Oesterreich . 21.000 


11 


Königr. Sachsen 22.000 


a» 


Lippe ..... 22.000 


?> 


Grhrzth. Hessen 22.400 


11 


Nassau 23.000 


11 


Thüringen . . . 26.000 


11 


Frankfurt . . . 31.500 


11 


Baden 32.600 


11 


Württemberg . . 34.20) 



- 264 — 

Uebersicht, S. 16 ff.). — 22) Ernst Violand, Die sociale Geschichte 
der Revolution in Oesterreich. Leipzig 1860, S. 36. — 23) Der 
officielle ^^Bericht über die dritte allgemeine österreichische Ge- 
werbeausstellung in Wien 1835", II. Bd., S. 316. — 24) Rede 
des Abgeordneten Bittner im constituirenden Reichstag 1848 an- 
lässlich der Debatte über den Kudlich'schen Antrag. Siehe ,,Ver- 
handlungen des österreichischen Reichstages nach der stenogra- 
phischen Aufnahme", I. Bd., S. 565. — 25) Göhring, „Der Bauern- 
stand in Galizien." — Revue österreichischer Zustände. Leipzig 
1842, I. Bd., S. 196 ff. — 26) Dr. H. Meynert, Geschichte der 
Ereignisse in der österreichischen Monarchie während der Jahre 184s 
und 1849 und ihre Ursachen und Folgen. Wien 1863, S. 95. — 
27) „Verhandlungen des österreichischen Reichstages'', I. Bd., 
S. 64G. 



ÜToten zum zweiten CapiteL 

1) Der Anstoss hierzu ging von der im Jahre 1719 gegrün- 
deten „kaiserlichen privilegirten Orientalischen Compagnie" aus, 
durch welche sich Wien rasch zu einem Baumwollenmarkte ersten 
Ranges aufschwang. Schon einige Jahre später begegnen wir in der 
Nähe von Graz der ersten „landesbefugten" Barchent- und Ganevas- 
iabrik; auch in Böhmen nahm die BaumwoUenmanufactur, zumal 
die Kattun druck erei einen raschen Aufschwung. Namentlich war 
es aber Niederösterreich, das an dem Emporkommen dieses In- 
dustriezweiges hervorragend betheiligt war. 1723 hatte die Orien- 
talische Compagnie in Schwechat bei Wien eine Fabrik errichtet, 
und 1726 wurde ihr für 15 Jahre das Privileg ertheilt, in Ober-, 
Nieder- und Innerösterreich BaumwoUwaarenfabriken, Spinne- 
reien, Webereien etc. zu errichten. Noch im gleichen Jahre begann 
die Schwechater Fabrik ihre Arbeit, aber sie prosperirte nicht in 
der gehofften Weise, denn ihr wiederholt erneuertes Monopol 
wurde nicht geachtet, und ungehindert entstanden in Oesterreich 
zahlreiche, zum Theile noch heute bestehende Goncurrenzunter- 
nehmungen wie in Schwechat, Pottendorf, Trumau, Friedau, Ketten- 



— 25Ö — 

hof, Ebreichsdorf, St. Polten etc. Die Kriege der theresianischen 
Epociie waren der Industrie überhaupt nichts weniger als günstig; 
trotzdem nahm die Baumwollenmanufactur durch die Förderung 
der Kaiserin in Böhmen eher zu als ab, und in Niederösterreich 
zählte man am Ende des Jahrhunderts über 100.000 Handspinner. 
2) Tegoborski, Des Finances et du Credit public de PAutriche etc., 
tome I, eh. 2. — 3) 1806 eine Bancozettel-Tilgungssteuer, verbunden 
mit Erhöhung des Salz- und Tabakspreises, des Post- und ZoU- 
tarifes, sowie mit der Verpflichtung zur Repunzirung allen Silbers ; 
1810 eine lO'Yoige Vermögenssteuer zur Dotirung der Ein- 
lösungsscheine etc. T^goborski, a. a. O. — 4) Beer, Die Finanzen 
Oesterreichs im 19. Jahrhunderte. Wien 1877, S. 9. - 5) Siehe 
Dr. A. Fournier, Gentz und Cobenzl. Wien 1880, S. 234 ff. — 
6) Vgl. zu diesem Gegenstande: H. Reschauer's „Geschichte 
des Kampfes der Handwerkerzünfte und der Kaufmani^sgremien 
mit der österreichischen Bureaukratie". Wien 1882. — 7) Der Ver- 
hältnissberechnung liegt die Annahme zu Grunde, dass im Durch- 
schnitt des Jahres 1810 429*5 fl. Bancozettel » 100 fl. C.-M. waren. 
Vgl. T^goborski, 1. c. I, S. 14. — 8) Da es jedem gestattet war, 
auch zünftige Gewerbe gegen blosse Anmeldung zu treiben unter 
der Bedingung, dass man bloss einen einzigen oder mehrere ein- 
zelne Artikel dieses Gewerbes erzeuge, so riss im Handwerke eine 
Arbeitstheilung ein, wie sie bei* voller Gewerbefreiheit nirgends 
eintrat (Reschauer, a. a. O., S. 204). — 9) Die Aufstellung der 
ersten Dampfmaschine fällt in Oesterreich in den Beginn des 
Jahrhunderts, die grossen Fortschritte in der Verwendung der 
Dampfmaschine gehören aber dem dritten Decennium an. Im Jahre 
1841 gab es in ganz Oesterreich 231 Dampfmaschinen (Schiffs- 
maschinen und Eisenbahnlocomotiven nicht eingerechnet) mit 
2939 Pferdekräften; bis 1852 hatten sich diese auf 671 Maschinen 
mit 912S Pferdekräften vermehrt. Auf Niederösterreich entfielen 
im Jahre 1841 im Ganzen 56 Dampfmaschinen mit 758 Pferdekräften, 
dieselben hatten sich bis 1852 auf 136 Maschinen mit 1563 Pferde- 
kräften vermehrt, was einem jährlichen Durchschnittszuwachs von 
6*7 Maschinen und 1174 Pferdekräften gleichkommt. Zur Illustration, 
wie sich der Maschinenbetrieb auf die einzelnen Industriezweige 
vertheilte, diene nachstehende Uebersicht über die im Jahre 1841 
in der österreichischen Monarchie in Verwendung gestandene 
Dampfmaschine : 



256 — 



Industriezweig 



Dampf- 
maschine 



Pferde- 
kräfte 



Bergbau 

Steinmetzarbeiten 

Porzellan- und Emailfabriken 

Hochofengebläse 

Streck- und Walzwerke 

Stahlwaaren-, Schrauben- und Nägelfabriken 

Geschütz- und Gewehrfabriken 

Münzprägung . 

Flachsspinnereien 

Baumwollspinnereien 

Schafwollspinnereien 

Schafwollwaaren- und Tuchfabriken . . . 

Seidenspinnereien 

Kattundruckereien . 

Appretur und Mange 

Lederfabrikation 

Papierfabriken 

Buchdruckereien 

Maschinenfabriken 

Holzschneidewerke 

Wasserhebungsanstalten 

Fluss- und Hafenräumung 

Mahlmühlen 

Oelpressen 

Kerzenfabriken 

Rohr- und Rübenzuckerfabriken 

Cichorienkaffee- Erzeugung 



Zusammen . 



Ungarn und Siebenbürgen . 



32 
1 
2 

10 
2 
4 

3 

2 

1 

35 

19 

40 

1 

11 

6 

1 

4 

3 

5 

5 

9 

4 

9 

4 

2 

14 
2 



231 



473 
2 

6 

122 

66 

40 

28 

28 

8 

657 

170 

515 

8 

138 

54 

10 

02 

13 

25 

26 

158 

32 

195 

28 

22 

115 

8 



2939 



8 



80 



— 267 — 

10) Nachfolgende Tabelle giebt einen Vergleich der Entwickelung 
des Eisenbahnnetzes in Oesterreich mit dem der anderen Staaten 
nach dem Stande des Jahres 1840: 



Land 



Betriebs- 
eröffnung der 
ersten Eisen- 
bahn 



Länge des 
Eisenbahn- 
netzes im 
Jahre 1840 
in Kilo- 
metern 






•H 1 Q 



\4 



a> 



© ^ c? ;s 

42 Ä ä S 

Ö ^ S 

w ^ 'S 



Grossbritannien und 
Irland 



! Oesterreich-Ungarn 



Frankreich 



Deutschland 



Belgien 



1825 

1828 
1828 
1835 
1835 



1348 
144 
497 
640 
336 



90 
12 

41 1/2 
108 

67 



11) Vgl. zu diesem Punkte zwei — im Lobe der öster- 
reichischen Verhältnisse natürlich weit überhaltene — Aufsätze in 
der „Revue österreichischer Zustände", Leipzig 1842, I. Bd., und 
zwar „Das österreichische Eisenbahnwesen", S. 147 ff. und „Oester- 
reichs Donau-Dampfschiffahrt", S. 227 ff. — 12) Geschichte des 
Kampfes der Handwerkerzünfte etc., S. 103 ff. — 13) Reschaueri 
a. a. O., S. 173 f. — 14) Ibid. S. 108 u. a. a. O. — 16) Der Be- 
rechnung liegen zu Grunde das „Verzeichniss deren hier in Wien 
befindlichen Handwercker, Gewerb und Professionen, und mit wass 
für einem Quanto selbe in dass Jährliche Mitleyden gezogen, auch 
ein und anderer Profession Anzahl vermehrt werden könnte" aus 
dem Jahre 1728, und „der k. k. Residenzstadt Wien Ck>mmercial- 
schema". Wien 1780. Wir haben nach diesen beiden Quellen mit 
Zugrundelegung der heute üblichen Gewerbeeintheilung nach- 
folgende Tabelle entworfen. 



Zenker: Wiener Kerolatlon. 



17 



— 258 — 



Gewerbe 



1728 
Zahl der 






03 



1780 
Zahl der 






•1-4 M 



Der Leibes- und Krankenpflege 
(Leichenbestattung) 

Der Steine und Erden 

Der Metalibe- und Verarbeitung 
(ohne Instrumente, Werkzeuge, 
Maschinen etc.) 

Zur Erzeugung von Instrumenten, 
Werkzeugen, Maschinen und Appa- 
raten 

Chemische Industrie, Erzeugung von 
Mischungen etc 

Textilindustrie 

Papier- und Lederindustrie und Ta- 
peziererarbeit 

Gewerbe der Holz- und Schnitzstoffe 
des Rohres und der Borsten . . . 

Gewerbe der Nahrungs- und Genuss- 
mittel 

Gewerbe der Beherbergung und Ver- 
köstigung (ohne Gastwirthe) . . . 

Bekleidungsgewerbe 

Reinigungsgewerbe 

Baugewerbe 

Graphische Gewerbe und Künstler- 
betriebe 

Kunst- und Handelsgärtnerei . . . 

Gewerbe der Leucht- und Heizstoffe 
(Seife und Wachs) ....... 

Zusammen Industrialgewerbe . « 



5 

7 



19 



11 

2 

15 

11 

8 

15 

3 

11 

1 

5 

4 
2 



93 
96 



225 

92 

24 
223 

167 

j 206 

! 

i 252 

I \ 

I 

I 105 
I 606 
15 
80 

80 
110 

42 



121 



2416 



2 

8 



46 



2 

25 

11 

10 

9 

2 

14 

2 

6 

8 



54 
123 



585 

112 

21 
550 

136 

196 

192 

41 

255 

23 



134 
42 



154 



2464 



— 259 — 

Da unter den Gewerben des Jalires 1728 „20 Seidenfabrik a- 

tores", unter denen des Jahres 1780 120 Fabriken verschiedener 

Branchen sich befinden, und da weiters die Gärtner und Wachszieher 

im Jahre 1780 nicht angeführt sind, so erhält man mit Abrechnung 

dieser Ziffern folgende Vergleichsangaben: 

Zahl der 
Gewerbezweige Gewerbetreibenden 

Im Jahre 1728 .... 116 2214 

im Jahre 1780 .... 154 2344 

Eine ausführliche Behandlung des Verhältnisses zwischen 
„Handwerk und Grossindustrie in Wien 1700 bis 1850" von 
S. Mayer siehe im „Wiener Communalkalender und Städtischen 
Jahrbuch 1889". Wien, S. 231 bis 276. — 16) So — um nur einige 
Beispiele zu führen — der Hof- und bürgerliche Schlossermeister 
F. Gohde, der Männerschuhmacher Demmer, der Hofsattler 
F. N. Koller in Wien, die alle je 30 bis 40 Stückmeister, ausser 
ihren Gesellen beschäftigten. Vgl. „Bericht über die dritte allge- 
meine österreichische Gewerbeausstellung in Wien 1845", S. 276, 
601, 890 u. z. a. — 17) Statistische Uebersicht der Bevölkerung 
der österreichisch-ungarischen Monarchie. Stuttgart und Tübingen 
1841, S. 362. — 18) Vgl. den „Bericht über die dritte allgemeine 
österreichische Gewerbeausstellung, S. 289 und 298. — 19) Die 
Bijouterie- und Emailarbeiten, sowie die feinen Metallwaaren 
standen in Wien noch weit hinter den ausländischen, namentlich 
französischen Erzeugnissen zurück, die Leder- und Lederwaaren- 
erzeugung war einer der unvollkommensten Gewerbszweige in 
Oesterreich überhaupt [Bericht 671]. — 20) „Es existirt in Wien 
kein bedeutenderes Geschäft, bei dem nicht Cavaliere durch lange 
Zeit Schulden hätten, welche erst nach vielfachem Angehen bezahlt 
werden" [Violand, Die sociale Geschichte der Revolution in 
Oesterreich, S. 26 f.] „Was die Grossen von den ärmeren Zünften 
an nöthigen Arbeiten beziehen, das nehmien sie nur zu häufig 
auf jahrelangen Credit, und bedenken nicht, dass der gemeine 
Mann das .baare Geld so nöthig hat .wie das . tägliche Brot, um es 
ohne Unterlass umkehren und zu den erforderlichen Zinsen 
bringen zu können. Man verlange z. B. in Wien bei was immer 
für einem Gewerbsmann, der ein etwas ansehnliches Gescliätt 
betreibt, seine Contobücher einzusehen, und man wird staunen und 
fichaudem, wie niederträchtig die arbeitende Classe von dem Ze\\r' 

17* 



— 260 — 

Stande und vornehmlich von der Adelswelt behandelt wird. Es 
gehört wahrlich zum hohen Tone, sich seine Equipage oder auch 
nur einen Frack anzuschaffen, ohne ihn zu bezahlen oder ohne 
sich über Jahr und Tag mehr als die Hälfte des Betrages gewaltsam 
abnöthigen zu lassen. So soll der erste Kleidermacher in der 
Residenz über eine halbe Million Schulden einzufordern haben, von 
denen er in zehn Jahren kaum mehr als 10.000 fl. erzwingen mag*' 
[Sociale und politische Zustände Oesterreichs mit besonderer Be- 
ziehung auf den Pauperismus. Leipzig 1847, S. 151]. — 21) Rück- 
blicke auf die Gemeindeverwaltung der Stadt Wien in den Jahren 
1838 bis 1848 von Carl Weiss, Wien 1875, S. 34 f. — 22) Vgl. die 
„Aemtlichen Verhandlungsprotokolle des Gemeindeausschusses der 
Stadt Wien vom 25. Mai bis 5. October 1848, s. 1. e. a. S. 11, 16, 
28, 48 u. a. v. a. O. __ 

IToten zum dritten Gapitel. 

1) 1792 gab es in Wien 28 Druckereien, 1804 waren diese 
auf 24 gesunken, und im Beginne der Vierziger] ahre gab es nur 
noch 21. — 2) Im Jahre 1845 gab es in der Monarchie (mit 
Ausschluss von Ungarn und Italien) 100 Runkelrübenzuckerfabriken. 

— 3) 1839 betrug die eingeführte Quantität über 480.000 Wiener 
Centner, und bis 1844 stieg sie noch um 25%, während ein Export 
überhaupt nicht stattfand. — 4) Siehe Bericht über die dritte all- 
gemeine österreichische Gewerbeausstellung, S. 268 ff. — 5) Die 
Einfuhr an Waffen war von 1835 bis 1844 von 24.841 fl. auf 
36.837 fl., d. i. um 48% gestiegen, während die Ausfuhr in der 
gleichen Zeit von 40.648 fl. auf 31.260, d. 1. um 23% gefallen war. 

— 6) Es betrug in Gulden C.-M. 

Einfuhr Ausfuhr 
an Maschinen und Maschinenbestand th eilen 

• 1835 120.414 42.203 

1836 92.657 39.787 

1837 298.073 53.994 

1838 344.897 45.752 

1839 350.674 49.232 

1840 346.S77 47.439 

1841 343.756 36.832 

1842 351.094 45.951 

1843 306.710 68.762 

1844 365.696 53.780 

(Steigung 2030/0) (Steigung 27%). 



— 261 — 



)) 



»» 



Ausserdem wurden Maschinen und Maschinenbestandtheile, 
welche im Umfange der zu dem österreichischen ZoUverbande ge- 
hörigen Länder noch unbekannt waren, dann welche Einwanderer 
mit sich brachten, sowie auch Modelle von Maschinen überhaupt 
eingeführt : 

1841 im Werthe von 77.636 fl. 

1842 „ „ „ 98.333 

1843 „ „ „ 45.340 

1844 „ „ „ 183.451 „ 

Vergleiche über den Stand der Industrie den Artikel ,,Die 
österreichische Monarchie in Bezug auf ihre materiellen Kräfte und 
ökonomischen Verhältnisse" in der „Gegenwart". Leipzig, XI. Bd., 
S 811 bis 886. -— 7) Die Angaben über die Papierfabriken sind 
dem officiellen „Berichte über die dritte allgemeine österreichische 
Gewerbeausstellung in Wien 1845 (Tab. zu S. 712), diejenigen über 
die Baumwollspinnereien den amtlichen „Tafeln zur Statistik der 
österreichischen Monarchie" (1846) entnommen. Des Interesses 
halber geben wir hier die Rohziffern. Es waren also in sämmtlichen 
österreichischen Papiermanufacturen und Baumwollspinnereien 



«•-4 



beschäftigt 



u 

fl 



«•-4 



fl 
\4 



s 



N a 

es 



Niederösterreich . . . . 
Oberösterreich . . . . 

Steiermark 

Kärnten und Krain . . 

Küstenland 

Tirol 

Böhmen 

Mähren und Schlesien . 

Galizien 

Lombardie 

Venedig 

Zusammen . . 



70 


4.274 


4.809 


1.640 


26 


446 


421 


314 


13 


373 


475 


102 


8 


107 


203 


85 


2 


185 


136 


87 


36 


1.296 


1.768 


469 


211 


5.306 


4.863 


1.522 


36 


201 


132 


61 


24 


235 


88 


40 


162 


3.024 


2.335 


1.037 


69 


1.086 


771 


233 



647 



16.§33 



16.001 



5.590 



10.723 

1.181 

950 

395 

•408 

3.633 

11.691 

394 

363 

6.396 

2.090 



38.124 



— 262 — 

8) ^^Darstellung der Verfassung und Einrichtung der Baum- 
wollenspinnereifabriken in Niederösterreich" von Dr. J. J. Knolz, 
Wien 1843. — 9) Knolz, 1. c. S. 14. — 10) Knolz, 1. c. S. 24. — 
11) Ibidem. — 12) Knolz, 1. c. S. 27. — 13) Ibidem, S. 30. — 
14) Die Constitution Nr. 13 vom 5. April 1848, S. 15ö. — 15) aj Consti- 
tution Nr. 20, S. 289; nach Nr. 14, S. 169 ff. gar nur 2 bis 3 fl. C.-M. 
Vgl. ausserdem: Constitutionelle Donauzeitung Nr. 27 vom 30. April, 
S. 235. — bj Hoger, Die Geschichte eines österreichischen Arbeiter- 
vereines. Wien 1892, S. 67 und 69; Constitution Nr. 27, S. 413. — 
cj Berechnet nach den Detailangaben bei Knolz, J. J. Darstellung 
der Verfassung und Entwickelung der Baumwollspinnereifabriken 
in Niederösterreich. Wien 1843. — dj Constitutionelle Donauzeitung 
Nr. 29 vom 30. April, S. 235. — e) Bericht über die dritte allge- 
meine österreichische Gewerbeausstellung. Wien 1846, S. 700. — 
f) Constitutionelle Donauzeitung Nr. 19. vom 12. April. Wochen- 
lohn mit Verpflegung 5 bis 10 fl. W.-W., d. i. 2 bis 4 fl. C.-M. — 
gj Constitution Nr. 45 vom 13. Mai, S. 16. — hj Knolz, a. a, O. 

— ij Constitution Nr. 46 vom 15. Mai. — kj „Gradaus" vom 30. Juli; 
nach der Constitution vom 15. Mai hätte der Wochenlohn 3 fl. C-M.» 
betragen. — IJ Allgemeine österreichische Zeitung Nr. 68 vom 
2. Juni, S. 736. — mj Constitution Nr. 46 vom 15. Mai, S. 659. 
Allgemeine österreichische Zeitung Nr. 63 vom 2. Juni, S. 736. — 
nj Constitution Nr. 46 vom 15. Mai, S. 659. — oj Ebenda. — 
pj Constitution Nr. 46 vom 15. Mai, S. 658, femer Allgemeine öster- 
reichische Zeitung Nr. 63 vom 2. Juni, S. 736. — gj Constitution, 
Nr. 46 vom 15. Mai. — rj Angabe von Kees aus dem Jahre 1842. 

— 16) Constitutionelle Donauzeitung Nr. 29 vom 30. April 1848, 
S. 233 f. — 17) Vgl. die Lohnliste in Louis Blanc's „Reform der 
Arbeit". — 18) Durchschnittsmarktpreise der wichtigsten Nahrungs- 
mittel in Wien während des Decenniums 1838 bis 1847 in C.-M. Siehe 
Tab. S. 263. — 19) Es giebt mehrere Schätzungen des Fleischconsums 
in Wien aus jener Zeit. — Dieterici [Statistische Uebersicht der wich- 
tigsten Gegenstände des Verkehres und Verbrauches im preussischen 
Staate und im Zollvereine in dem Zeiträume von 1837 bis 1839. 
Erste Fortsetzung, Berlin 1842, S. 157] berechnet den Verbrauch an 
Rindfleisch pro Kopf auf 151 Pfund, und meint, es wird „die Total- 
fleischconsumtion exclusive Fische, Wildpret und Geflügel mit 
300 Pfund pro Kopf wahrscheinlich noch unterschätzt sein. T^go- 
borski (De Finances II, 28) berechnet nach den Ergebnissen der 



— 263 — 



vi 



Getreide 



0) 



e 

o 



OD 

Cd 



OQ 



<M 



Hülsenfrüchte 



OD 

'S 



o 



OQ 



09 

•pH 



CS 

»H 

o 

M 

••-4 



niederosterreichische Metzen in Gulden und Kreuzer 



1838 


222 


1-34 


1-53 


1-22 


1-7 


246 


3-26 


3-35 


2-22 


1839 


265 


23 


219 


1-43 


124 


3-56 


336 


4-4 


2-32 


1840 


316 


2-17 


2 43 


161 


1'36 


417 


346 


424 


2-46 


1841 


36 


2 


215 


1-41 


1-30 


3 63 


3-11 


3-58 


2-44 


1842 


3-29 


1-57 


2-40 


1-48 


128 


412 


3-40 


5-20 


3 


1843 


2-51 


2-2 


228 


131 


1-23 


6-22 


6-24 


617 


3-42 


1844 


2-36 


1-36 


22 


1-10 


112 


411 


361 


4-32 


314 


1846 


3 11 


302 


210 


1'31 


1-22 


4-22 


3-57 


4*45 


3-17 


1846 


4-24 


3-9 


2-46 


212 


149 

1 


5-61 


6 


618 


8-31 


1847 


6 52 


425 


411 


3-4 


27 


7-67 


716 


8-53 


4-36 



1-58 

1-55 

223 

220 

219 

3-1 

236 

219 

3 

310 



Jahr 



Reis pro 
Centner 



Kartoffel 
pro Metzen 



Rindfleisch 
österr. Pfund 



Wein 



Bier 



pro Mass in Krz. 



1838 
1839 
1840 
1841 
1842 
1843 
1844 
1846 
1846 
1847 



14-47 
15-23 
1610 
16-20 
1438 
15 10 
18-49 
1827 
1817 
18*84 



0-38 

0-49 

0-63 

0-41 

1-7 

1-8 

0-46 

041 

1-12 

28 



0-9 
0-9 
09 
0-9 
0-9 

09V4 
09 

9V2 

010 

0-10 



93/,. 

6 ■ 

7^/4- 
6 . 

43/,. 

972- 
10 

10 ■ 

7^4- 



48 


7V4-8'/4 


4S 


TV4-8'/« 


48 


7'/4-8'/4 


48 


7V4-8V4 


48 


7 -8'/, 


42 


7V4-8V4 


14 


7V4-8»/4 


15 


8 -83/« 


13 


8 -8'/« 


12 


8 -8'/4 



— 264 — 

Schlachtsteuer den Consum an Fleisch im Decennium der Vierziger- 
jahre auf 121 Pfund pro Kopf, setzt aber hinzu, dass sich der Consum 
nach seiner Meinung höher herausstellen würde, wenn das Fleisch 
nicht nach dem Stück, sondern nach dem Gewicht versteuert würde ; er 
glaubt nicht zu irren, wenn er den Jahresconsum auf 130 Pfund pro 
Kopf veranschlagt. —20) Nach Gül ich „Geschichtliche Darstellung des 
Handels, der Gewerbe und des Ackerbaues der bedeutendsten handel- 
treibenden Staaten unserer Zeit** (Statistische Tafeln 182) betrug um 
1 842 der Consum an indischem Zucker in Grossbritannien (ohne Ir- 
land) 21*3, Belgien 8*2, in den Niederlanden 8, in Deutschland (ohne 
Oesterreich) 7*5, Dänemark 7, in der Schweiz 6, in Frankreich 6"1, 
in Portugal ö, in Spanien 3*7, in Irland 3*5, in Schweden und Nor- 
wegen 2*7, in Russland 1*8, in Oesterreich 1*7, in Italien 1*7, in 
der Türkei 0*54 englische Pfund pro Kopf. Es ist hier jedoch nur 
die Consumtion an indischem Rohrzucker, nicht die an Runkel- 
rübenzucker berücksichtigt. Der jährliche Verbrauch an letzterem 
wird (in dem officiellen Berichte der dritten allgemeinen öster- 
reichischen Gewerbeausstellung, S. 1007) mit wenigstens 600.000 
Centner, d. i. 74 Millionen englische Pfund veranschlagt; 
hierzu die 65 Millionen englische Pfund von in Oesterreich con- 
summirtem Rohrzucker, ergiebt einen Gesammtconsum von 139 Mil- 
lionen englische Pfund oder pro Kopf 3*6 englische Pfund = 
2*94 Wiener Pfijnd. Nach dieser Berechnung würde sich also der 
Zuckerverbrauch in Oesterreich zwischen den Spaniens und Irlands 
(ersteres mit 3*7, letzteres mit 3*5 englische Pfund) gestellt haben. 
Nach der Berechnung von Dieterici (1. c. zweite Fortsetzung, 
S. 125, dritte Fortsetzung, S. 206 und vierte Fortsetzung, S 171) war 
der durchschnittliche Verbrauch in den Jahren 1840 bis 1847 in 
Grossbritannien 19*19, in den Niederlanden 9*82, in Dänemark 8*24, 
in Belgien 5*97, in Frankreich 5*62, im Zollverein 4*78, im übrigen 
Deutschland 3*98, in der Schweiz 3*68, in Schweden 2*79, in Russ- 
land 2*46, in Spanien 2*05, in Italien, Portugal, Griechenland und 
der Türkei je 2, und in Oesterreich nur 1*68 Zollpfund pro Kopf. 
Den Rübenzuckerconsum veranschlagt Czörnig für 1847 in Oester- 
reich mit 144.538 Metercentnern oder 0*39 Pfund pro Kopf, so dass 
sich der Gesammtconsum Oesterreichs an Zucker auf die Höhe 
desjenigen von Italien. Portugal, Griechenland und der Türkei 
stellte. Nach Dieterici hätte allerdings eine Steigung des Consums in 
Oesterreich stattgefunden, und zwar von 1*26 Pfund (1840 bis 1842) 



— 265 — 

auf 1*67 (1845) und 2*12 Pfund (1847), also etwa 68%; das entspricht 
aber nicht der Wahrheit. Nach der oben citirten amtlichen Angabe 
betrug 1844 der Gresammtconsum 3 Wiener Pfund, während Czörnig, 
aus dem Dieterici seine Angaben schöpft, den Gresammtverbrauch für 
1847 nur auf 2*12 Pfund pro Kopf veranschlagt. Sonach hätte eher 
ein beträchtlicher Rückgang stattgefunden. Die irrige Berechnung 
Dieterici 's dürfte daher rühren, dass er bei den Ziffern für 
1840 bis 1845 den Rübenzuckerrerbrauch nicht berücksichtigte. — 
21) Für den Kaffeeconsum liegen für den Beginn der Vierzigerjahre 
(also etwa 1840 bis 1842) abermals zwei Berechnungen vor, die sich 
nicht ganz decken, eine von Gülich (1. c. Statistische Tafeln 182) 
und eine von Dieterici (zweite Fortsetzung, S. 147). Wir geben 
die beiden Tabellen nach Umrechnung in Wiener Pfund nach- 
stehend nebeneinander wieder: 

Nach Gülich Nach Dieterici 
Wiener Pfund 

Belgien 7*696 8*33 

Niederlande 6 48 8*33 



Deutschland \a.ai7 ^'^^ 

Zollverein J ^^^ 208 

Schweiz 4455 0*83 

Dänemark 4*4 

Grossbritannien 1*215 



|0'i 



'83 
Irland 0186 

Spanien 1 134 

Italien 1134 83 

Schweden und Norwegen . . 0*81 

Frankreich 729 666 

Oesterreich 0'64 083 

Türkei 0397 

Portugal 0*243 

Russland 0*162 

Tegoborski (De Finances II, S. 167) veranschlagt den 
österreichischen Consum nach dem Import gar nur mit 0*8 Wiener 
Pfund; wenn man dazu jedoch die 6 Millionen Pfund rechnet» 
welche nach demselben Autor auf dem Schmuggelwege nach Oester- 
reich eingeführt werden, so gelangt man zu einer Angabe, welche 
sich mit der Gülich 's und Dieterici 's so ziemlich treffen dürfte; 
der durchschnittliche Kaffeeconsum dürfte also i/j Wiener Pfund 



— 266 — 



nicht sehr überschritten haben. — 22) Der Bierconsum betrug 
während der Jahre 1841 bis 1846 in den einzelnen Provinzen und 
grösseren Städten Oesterreichs in Mass: 



In 



1841 



1842 



1843 



1844 



1845 



1846 



Niederösterreich . . . 

Wien 

Oberösterreich . . . 

Linz 

Steiermark 

Graz 

Kärnten 

Krain 

Laibach 

Küstenland 

Tirol 

Innsbruck . . ^ . . 

Böhmen 

Prag 

Mähren und Schlesien 

Brunn ^ 

Galizien 

Lemberg 

Ueberhaupt . . 



I 



60 
100 
53 
736 
12 
79 

7-8 

18 

4-5 

33 
118 
16 
37 
2-6 
52 



43-95 
96-03 
45-39 
71-51 
11-52 
69-87 

\ 708 

2113 
0-21 
5-84 

34-40 
13065 
16-08 
37-63 
3-60 
55-47 



39-48 

84-66 

45-58 

66-76 

13-03 

66-04 

11-84 

271 

18-94 

021 

571 

30-62 
103-60 
15-57 
27 75 
5-38 
58 05 



4412 
88-66 
44-93 
66-31 
14-09 
73-41 
18 75 

379 
23-28 

0-48 

6 

3093 
11413 
16-39 
3ß-76 
607 
6116 



48-56 
93-88 
49-76 
72-48 
16-05 
7541 
19-79 

3-76 
6075 

04 

5-78 
62-15 
31-42 
12314 
17-48 
47 68 

6-46 
60-75 



40-09 
80-72 
4212 
66-40 
13-40 
64-21 
1711 

3-54 
29-30 

0-33 

6-72 
69 01 
30 48 
130 26 
1507 
3915 

667 
46 62 



20 



19-74 



18-61 



19-58 



20-62 



1802 



23) Der Branntweinconsum betrug in Preussen (Dieterici 
1. c, dritte Fortsetzung, S. 365, und vierte Fortsetzung, S. 337) 
6'7 Quart = 6V2 Wiener Mass, in Sachsen (ebenda, fünfte Fort- 
setzung, S. 325), 5-68 Quart = 6V2 Wiener Mass, in Baden 3-7 Quart = 
4 Wiener Mass, und in Württemberg 0-6 Quart = 3/4 Wiener Mass 
pro Kopf. In Oesterreich betrug der Branntweinconsum pro Kopf 
in Mass: 



— 267 — 



In 



1841 



1842 



1843 



1844 



1845 



1846 



A SS 

OD 

^ CQ 

S E 



Niederösterreich 
Oberösterreich 
Steiermark . . 
Kärnten . . . 



Krain 



• • • • 



Küstenland . . 

Böhmen . . . 
Mähren und 

Schlesien . . 

Galizien . . . 



1-73 



2-38 



0-87 



153 



107 



3 20 



8-56 



15-93 



1-07 



170 



0-89 



} 



1-70 



0-84 



2-90 



6-73 



15-33 



0-63 

1-78 
0-64 
318 
0-36 
0-70 
1-57 



520 



15-92 



0-96 
1-38 
86 
2 99 
0-58 
0-62 
217 



110 



208 



0-76 



4 34 



58 



42 



2-52 



631 



14-94 



6-37 



9-48 



1-07 



1-53 



0-77 



557 



0-43 



0-47 



2-51 



6-31 



8-71 



1-09 



1-81 



0-79 



3-22 



086 



068 



2-48 



6-58 



13-38 



Ueberhaupt . . 



6-9 



6-83 



637 



643 



4 91 



4-61 



6-00 



In Tirol . . . 



1-50 



136 



204 



1-63 



24) Nach den „Tafeln zur Statistik der österreichischen 
Monarchie" — auf Grund derer auch die vorstehenden Consumtions- 
tabellen für Branntwein und Bier gebildet sind — kamen bei Ver- 
gleichung des Tabakabsatzes mit der männlichen Bevölkerung vom 
19. Jahre aufwärts, und bei der Annahme, dass ein Schnupf er 
jährlich 12 Pfund und ein Raucher 18 Pfund bedarf, auf 1000 Männer : 



268 — 



a) Raucher: 



In 


Im Jahre 


1838 1839 1840 1841 1842 


1843 1844 1»45 


1846 1847 


Niederösterreich 


356 


365 


r 

376 


358 


363 


!■■■ ■ 

376 


350 


367 


379 


356 


Oberösterreich 


312 


319 


349 


334 


347 


354 


360 


367 


382 


386 


Steiermark • . 


195 


194 


209 


182 


189 


205 


205 


213 


208 


210 


Kärnten und 














1 








Krain . . . 


215 


221 


190 


225 


223 


225 


224 


239 


247 


260 


Küstenland . . 


138 


125 


177 


146 


144 


148 


133 


145 


152 


1 
141 

1 


Tirol 


248 


269 


295 


319 


333 


352 


358 


377 


379^ 


367 

1 


Böhmen . . . 


263 


2T6 


296 


279 


282 


283 


293 


300 


307 


299 


Mähren und 




















1 

i 


Schlesien . . 


291 


307 


327 


317 


314 


313 


318 


331 


344 


331 


Galizien . . . 


186 


178 


187 


179 


199 


198 


312 


229 


197 


165 


Dalmatien . . 


30 


28 


31 


35 


30 


28 


31 


28 


33 


47 


Im Durch- 






















schnitte . . . 


240 


245 


260 


251 


258 


262 


266 


279 


276 


262 


Lombardie . . 


63 


54 


60 


59 


56 


64 


67 


70 


73 


73 


Venedig . • , 


21 


21 


21 


22 


24 


26 


29 


30 


31 


31 


Im Durch- 






















schnitte . . . 


39 


39 


43 


43 


42 


47 


49 


52 


54 


54 

■ ■■ 1 ■ ' 


Im Haupt- 






















durchschnitte 


192 


195 


209 


202 


207 


211 


216 


226 


224 


214 



269 — 



bj Schnupfer: 





In 


I m J 


a h r e 








1838 


1839 


1840 


1841 1842 


1843 


1844 


1845, 1846 


1847 






Niederösterreich 


138 


134 


129 


118 


113 


103 


92 


98 


101 


95 




• Oberösterreich 


71 


68 


69 


60 


59 


53 


51 


53 


57 


67 




1 

{ Steiermark . . 


36 


36 


88 


34 


34 


35 


34 


35 


34 


341 


Kärnten und 


1 

1 
























Krain . . . 


30 


30 


28 


29 


29 


29 


28 


28 


28 


29 




1 
Küstenland . . 


' 72 

1 


72 


96 


74 


74 


73 


65 


71 


76 


74 




Tirol 


238 


244 


260 


262 


269 


262 


268 


286 


301 


293 




1 Böhmen . . . 


83 


80 


85 


79 


80 


78 


80 


80 


81 


79 






Mähren und 


























Schlesien . . 


28 


28 


30 


27 


27 


26 


26 


26 


26 


25 






Galizien . . . 


16 


16 


18 


17 


18 


17 


18 


18 


21 


28 






Dalmatien . . 


15 


15 


15 


15 


17 


15 


14 


15 


14 


15 






Im- Durch- 


























schnitte . . . 


62 


62 


65 


61 


61 


58 


58 


60 


62 


63 






Lombardie . . 


25 


84 


85 


85 


85 


85 


84, 82 


82 


80 






Venedig . . . 


199 


110 


112 


107 


106 


107 


106 


102 


104 


122 






Im Durch- 


























schnitte . . . 


96 


96 


97 


95 


94 


95 


94 


91 


92 


99 






Im Haupt- 


























durchschnitte 


70 


70 


73 


69 


69 


67 


66 


67 


69 


71 





— 270 — 

25) Ueber die Wohnungsverhältnisse in Alt-Wien vgl. die 
Denkschrift „Wien 1848 bis 1888" (Wien 1888): Karl Weiss, Die 
bauliche Neugestaltung der Stadt. I. Bd., S. 240 ff. — 26) Es war der 





im 
Jahre 


Stand der 


Zuwachs an 




Häusern 


Bewohnern 




Häuser 


Bewohner 


absolut 


% 


absolut 


% 




1827 


7856 


289.382 








^ 




1830 


8037 


317.768 


181 


2-3 


28.386 


9-8 




1834 


8223 


326.363 


186 


23 


8.585 


2 6 




1837 


8264 


333.582 


41 


0-6 


7.229 


2-2 




1840 


8385 


356.869 


121 


1-3 


23.287 


6-9 1 




1843 


8586 


373.236 


201 


2-4 


16.367 


4 5 




1847 


8756 


412513 


170 


1-9 


39.277 


10-5 




Ueberhaupt 


900 


11-4 


123.131 


42-5! 

1 

1 

1 



Bauthätigkeit in Wien: 





Jahr 


Neubauten 


Neu- und Zu- 
bauten 


Zusammen 






1843 


38 


42 


80 






1844 


58 


34 


92 




1845 


38 


42 


80 




1846 


36 


48 


84 : 




1847 


32 


39 


71 






Zusammen . . 


202 


205 


407 





27) „Constitutionelle Donauzeitung" Nr. 29 vom 30. April 1848. 
— 28) Vgl. die Lebensmittelpreise in Note 18 zum dritten Capitel. — 
29) Die sociale Geschichte der Revolution in Oesterreich von Ernst 
Yioland. Leipzig 1850, S. 45 ff. — 30) Sociale und politische Zu- 
stände Oesterreichs mit besonderer Beziehung auf den Pauperismus. 
Leipzig 1847, S. 280 f; und 243 ff. — 31) Kasernen für die Arbeiter» 



— 271 — 

Ein Wort an die Minister der Arbeit. Von Anton Langer, 
Nationalgardist. Wien 1848. — 32) In Niederösterreich bestanden 
damals 652 solche Vereine mit einem Gesammtvermögen von 
1,565.209 fl., in Wien allein 121 Bruderschaften. Vgl. zu diesem 
Abschnitte die äusserst lehrreiche Abhandlung über „Gesellschaft- 
liche Wohlthätigkeitspfiege" von Friedrich v. Radler in der ge- 
nannten Denkschrift „Wien 1848 bis 1888". I. Bd. ~ 33) Hof- 
kanzleidecret vom 3. Januar 1817. — 34) Die wichtigsten vormärz- 
lichen humanitären Vereinsgründungen sind: 1829: ein Vere'n, 
welcher die „Versorgungs- und Beschäftigungsanstalt für erwachsene 
Blinde" gründete; 1830: der „Central verein für Kleinkinder- Warte- 
anstalten Wiens und Umgebung"; 1837: Erster allgemeiner St. Annen- 
Kinderspitalverein ; 1841: „St. Josephs-Kinderspitalverein" ; 1843: 
„Verein zur Beförderung der Handwerke unter den inländischen 
Israeliten" und israelitische Kinderbewahranstalt; 1844: Wiener 
Schutzverein für Rettung verwahrloster Kinder; 1845: Kleinkinder- 
bewahranstalt in Oberdöbling; 1847: „Erster Verein zur Bekleidung 
dürftiger Schulkinder" ; „Theresien-Kreuzerverein zur Unterstützung 
armer israelitischer Kinder"; Wiener Kreuzerverein für Unter- 
stützung der Gewerbsleute; Allgemeiner Wiener Hilfsverein; Central- 
verein für Krippen (die erste Krippe wurde jedoch erst 1849 ge- 
gründet. — 35) Höger, Aus eigener Kraft! Wien 1892. 



ÜToten zum vierten GapiteL 

1) Füster Dr. Anton, Memoiren vom März 1848 bis Juli 1849. 
Beitrag zur Geschichte der Wiener Revolution. Frankfurt a. M. 1850. 
I. Bd., S. 45 f. — 2) „Einiges über die Arbeiterunruhen in Böhmen". 
Revue österreichischer Zustände. Leipzig 1845. III. Bd., S. 21 ff. 
— 3) Weiss Karl, Rückblicke auf die Gemeindeverwaltung der Stadt 
Wien (1838 bis 1848), S. 173. —4) M. Szeps, Das „Jahr 1848 und 
der galizlsche Bauer" im „Concordiakalender" für das Jahr 1861. 
Wien, S. 46 bis 49. — 6) Weiss Karl, Rückblicke auf die Ge- 
meindeverwaltung der Stadt Wien, S. 74 f. — 6) Vgl. Geschichte der 
Wiener Journalistik von E. V. Zenker. I. Bd., Wien und Leipzig 
1892, S. 92 ff. — 7) Die sociale Geschichte der Revolution in 



— 272 — 

Oesterreich, S. 63 f. — 8) In den Dreissiger- und Vierzigerjahren 
lebte in Ungarn, Galizien und der Bukowina der älteste deutsche 
Socialist, Ludwig Gall, der vorher in Deutschland agitatorisch und 
publicistisch für seine socialistischen Ideen gewirkt hatte; davon, 
dass er diese Thätigkeit auch auf österreichischem Boden fort- 
gesetzt hätte, existirt keine Spur. Auch Wilhelm Marr, der älteste, 
anarchistische Agitator und Führer der jungdeutschen Bewegung 
in der Schweiz, lebte anfangs der Vierziger] ahre zwei Jahre in 
Wien; er war aber damals kaum zwanzig Jahre und noch nicht 
der socialistische Agitator von später. — 9) Dr. Georg Adler, Die 
Geschichte der ersten socialpolitischen Arbeiterbewegung in Deutsch- 
land mit besonderer Rücksicht auf die einwirkenden Theorien. Ein 
Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der socialen Frage. Breslau 1885, 
S. 109. 



ÜToten zum fünften CapiteL 

1) Ernst Violand, Die sociale Geschichte der Revolution in 
Oesterreich. Leipzig 1850, S. 77 f. — 2) Wenn K. Weiss (Geschichte 
der Stadt Wien, Wien 1883, II. Bd., S. 634) behauptet, am 10. und 
11. März hätten in Gumpendorf und Gaudenzdorf förmliche Arbeiter- 
versammlungen stattgefunden, in welchen „fremde, nach Wien ge- 
kommene Elemente die Hauptrolle übernahmen", so entbehrt das 
eben jedes thatsächlichen Beweises, und dürfte auf die ehedem 
gang und gäbe Ansicht zurückzuführen sein, dass die Revolution 
nur das Werk fremder Hetzer und Aufwiegler gewesen seji. — 
3) Aus der Gefallenenliste des 13. März geht hervor, dass die Ar- 
beiter in der vordersten Linie standen. Ausser 6 Personen, deren 
Stand nicht angegeben ist, nennt die Liste unter 30 Gefal- 
lenen folgende Arbeiter und Handwerksgesellen, und zwar: 
Schuhmachergeselle Wittmann, Essigsieder Fürst, Tischlergeselle 
Sambek, Strumpfstricker Langer, Hausknecht Laser, Taglöhner 
Gebhard, Maurer Parasol, Bandmachergeselle Taubenberger, Fleisch- 
hauerknecht Zettel, Zeugmachergeselle Wagner, Schmiedgeselle 
Schmaleck, Taglöhner Donhart, Drechslergeselle Köpl, Bindergeselle 
Reininger, Shawlweber Bauer, Kellner Mayer, Tischlergeselle 



— 273 ~ 

Littera, Bäckergeselle Riss, Webergeselle Hirschmann, Schuhmacher 
Eppinger, Taglöhner Güstro und Weber Kaiina; ausserdem nennt 
die Todtenliste noch drei Frauen, darunter eine Pfründnerin und 
ein Zimmermannsweib. Es gehörten also genau 2 Drittel der Ge- 
fallenen unzweifelhaft dem Arbeiterstande an. (Meynert Dr. H., 
Geschichte der Ereignisse in der österreichischen Monarchie 
während der Jahre 1848 und 1849. Wien 1853, S. 131.) — 4) Nach der 
berichtigenden Darstellung eines angesehenen Mödlinger Bürgers 
im „Humoristen" und in der Constitution (Nr. 3 vom 23. März 
S. 21 f.). — 5) Constitutionelle Donauzeitung Nr. 25 vom 26. April, 

5. 196. — 6) Die Constitution Nr. 2 vom 22. März, S. 16, und 
Violand a. a. O., S. 82 f. — 7) Die Constitution Nr. 14 vom 

6. April, S. 173 f., und Nr. 19 vom 12. April, S. 277 f. — 8) Con- 
stitution Nr. 26 vom 20. April, S. 394 ff. — 9) Karl Höger, Aus 
eigener Kraft! Die Geschichte eines österreichischen Arbeitervereines 
seit 60 Jahren. Wien 1802, S. 73 ff. — 10) Vgl. Constitutionelle 
Donauzeitung Nr. 19 vom 12. April, S. 72, Nr. 9 vom 9. April, 

5. 72, Die Constitution Nr. 10 vom 1. April 119 f., Nr. 14 vom 

6. April, S. 173 f., Nr. 17 vom 10. April, S. 242, Nr. 19 vom 
12. April, S. 273 f. u. a. a. St. — 11) Auf dem Wege von Flug- 
schriften wurden ähnliche Programmpunkte in der Arbeiterfrage 
au^estellt. Ich citire zunächst aus meiner Geschichte der Wiener 
Journalistik, II. Bd., Das Jahr 1848. Wien 1893, S. 47 f., folgende 
Flugschriften: „An meine Brüder Arbeiter" von L. Schick. 
Anfangs April. — „Offener Brief eines Arbeiters an seine 
Kameraden." Wien bei Tendier & Co. 11. April 1848. Mayer, 
Arbeiter unterzeichnet. Der Verfasser dürfte jedoch in Wirklichkeit 
kaum Arbeiter gewesen sein. Seine Tendenz ist, die Arbeiter von 
übermässigen Lohnforderungen abzuhalten. — „An die Fabriks-, 
Gewerks- und Handwerksgesellen und Arbeiter Wiens" 
von Prof. Dr. J. N e u m a n n, gezeichnet 31. März, gleicher Tendenz, 
wie die vorher genannte Broschüre. — »Die Menschenrechte 
derArbeiter" von Brunner, Arbeiter, stellt folgendes Programm 
auf: 1. Festsetzung der Arbeitszeit auf 10 Stunden, 2. Gleichstellung 
des Tag- oder Wochenlohnes für Alle, die dasselbe Gewerbe treiben, 
3. Errichtung von Sonntagsschulen aus Staatskosten über gewerb- 
liche Gegenstände, 4. Versorgung der Arbeitsinvaliden auf Staats- 
kosten. — „An die gesammten arbeitenden Volksclassen 
in Wien und der Umgebung" von Dr. WitlaCil, enthält nebst 

Zenker: Wiener Revolntion. 18 



— 274 — 

den eben erwähnten Forderungen noch folgende : Arbeitsministerium, 
Arbeitsgesetz, das Recht und Pflichten der Arbeiter bestimmt, all- 
gemeines Wahlrecht, Einkammersystem, Arbeiterlegion, Grewerbe- 
freiheit, Reform des Zunft- und Innungswesens, Zollfreiheit, Ar- 
beiterauskunftsbureau, Gewerbeschule, öffentliche Werkstätten für 
Arbeitslose, Abschaffung der Verzehrungssteuer, öffentliche Gemein- 
küchen und Schlaf hallen, Leihbanken für Arbeiter, wechselseitige 
Unterstützungs- und Versicherungsvereine, öffentliche Lehrstellen 
u. s. w. — „Kasernen für die Arbeiter, ein Wort an den Mi- 
nister der Arbeiter" von Anton Langer tritt für sanitäre billige 
Wohnungen ein. — Ausser den hier angeführten Schriften hatte ich 
Gelegenheit, noch einen ganzen Wust von Flugblättern und Bro- 
schüren einzusehen, welche sich mit der Arbeiterfrage befassen, aber 
in der oberflächlichsten und phrasenhaftesten Weise, so: L. Eng- 
länder, „Die wahre Lage der unteren Volksclassen, geschildert 
von einem Manne aus dem Volke". Wien 1848. — Hochleitner Joh., 
Ein gutes Wort für Dienstmädchen und alle dienenden Personen. 
Wien s. a. — Kasper Dr. P., Die Werkstätte; dies Büchlein gehört 
dem Arbeiter. Wien 1848. — Rossi Carl, Oesterreichs freie Arbeiter. 
Ein Wort über ihren gegenwärtigen Zustand und ihre künftige 
bessere Lage (Der Schauplatz unseres commerciellen und camera- 
listischen Lebens. Wien 1848, 3. Heft) verlangt die Einsetzung 
landesfürstlicher Commissäre, welchen die Functionen eines Ge- 
werbeinspectors und Friedensrichters zwischen Arbeitern und 
Arbeitsgebern obliegen sollte; eine im Vergleiche mit den eben 
citirten Schriften leidlich sachverständige Abhandlung. — Reform 
und Princip der Arbeit, des Lohnes und der Frauenrechte 
(anonym), Wien 1848. — Auch die im April 1848 (nach der Vor- 
rede sogar 1847) verfasste, wenn auch auf dem Titelblatte nach 
dem folgenden Jahre signirte Schrift von A. v. Hummelauer: Von 
den Ursachen des Zustandes der arbeitenden Olasse und den 
Mitteln, denselben den Erfordernissen des geselligen Seins ent- 
sprechend zu verbessern. Ein Beitrag zu einer künftigen Organi- 
sation der Arbeit, Klagenfurt 1849 — muss hierher gerechnet 
werden. Diese Schrift — eine der besten der ganzen Zeit — ent- 
wickelt ein reiches socialpolitisches Programm, unter anderem : staat- 
liche Feststellung eines Minimallohnes, Vermeidung von Productions- 
monopolen; Errichtung von Pensions- und Lebensversicherungs- 
anstalten für die arbeitende Classe durch Abgabe einer Quote be- 



— 276 — 

rechnet nach dem Arbeitslohn von Seite der Unternehmer; Ein-' 
führung einer Assecuranz zur Ausgleichung der Schwankungen in 
dem Preise der unentbehrlichsten Lebenserfordernisse von Seite der 
Arbeiter; Errichtung von Sparcassen, Verbreitung landwirthschaft- 
licher und gewerblicher Bildung, Arbeiterschutzmassregeln in 
hygienischer und moralischer Hinsicht u. s. w. Es ist uns unbe- 
kannt, ob diese in vieler Hinsicht vortreffliche Schrift auch in 
Wien gelesen und verbreitet war. 



ÜToten zum sechsten Gapitel. 

1) Vgl. E. V. Zenker, Greschichte der Wiener Journalistik 
II. Bd.: Das Jahr 1848. Wien und Leipzig 1893, 2. Cap. Die Mai- 
revolution. — 2) Nachfolgend die Course an der Wiener Börse 
während der zweiten Hälfte des Mai: 



Letzte No- 1 
tirungen | ^5^ 
Vor dem 

lö. I 



16. 



Staatsschuldver- 
schreibungen 
zu 5% . . •. . 

Staatsschuldver- 
schreibungen 
zu 21/2% . . . . 

1834er Staatslose zu 
500 fl. C.-M. . . 

1 839er Staatslose z u 
250 fl. C.-M. . . 

Wiener Stadt- 
Banco-Obliga- 
tionen zu 272%) 

Bankactien . . . 

Kaiser Ferdinands- 
Nordbahn . . . 

Wien - Gloggnitzer 
Eisenbahn . . 



67—68 

33 V2 
540 

171 V2 

50 
1000 

81-82 

75 



17. 



18 



19. 



20. 









CG 

u 



00 






653/, 


643/4 


62 




58 


571/2 


33 


^^^" 




2 

< 




28V2 


' ■'■ 


505 


490 





475 


485 






155 


tu 
'S 

.s 


150 




50 


50 


50 




2 


49 


49 


960 


905 


820 




780 


830 


80 


79 


77 




72 V2 


75 


74 


75 


72 




70 


72 

1R* 



21. 



es ! 

'4^ I 

o 

02 



276 — 



1 


Letzte No- 


m 














1 


tirungen 
vor dem 


15. 


16. 17. 

1 


18. 


19. 


20. 


21 


• 


j 


15. 




1 












Oesterr. Donau- j 


-1 






Börse 
jr Ab- 
aisers 










Dampfschiff- 


( 












bc 




fahrts- Gesell- 
schaft . . . 
i Pester Bahn 
Mailänder Bahn 


410-425 
48 
51 


410 
47 
50'/2 


425 

47 
50 


420 
46 

48 


War keine 
in Folge d( 
reise des K 


415 
45 
47 


415 


SonntE 












26. 






1 
1 




22. 


23. 


24. 


25. 


27. 


29. 


30. 


31 










1 


28. 










Staatsschuldver- 





















schreibungen 










»o 
M 










zu 5'Y^, .... 


61-/4 


60 


61 


59 


59 


62 


04 


Staatsschuldver- 




















schreibungen 












A 










zu 21/2% • • . 






30 V3 


— 




CO 

03 







— 




1 1834er Staatslose zu 




















500 fl. C.-M. . 


— 


— 






QO 

.pH 




600 


— 




1839er Staatslose zu 

1 












« 








i 250 fl. C -M. .1 




— 


155 






150 


155 






Wiener Stadt- 










/4^ 










Banco-Obliga- 










W 

^ 










tionen zu 2'/2% 


49 


49 


49 


49 



^ 


49 


49 


49 


' Bankactien . . 


905 


900 


910 


882 


•pH 


870 


910 


920 




1 Kaiser Ferdinands- 


















Nordbahn . . . 


81 


80 


8IV4 


78 


& TO'/j 


83 


f^ß \ 


1 Wien - Gloggnitzer 










.pH 






1 


' Eisenbahn . . . 


79 


77 


78 


75 


S 


76 




^2 


; Oesterr. Donau- 










00 






1 


Dampfschiff- 










CO 

.pH 










fahrts-Gesell- 










• 










' Schaft 


430 


435 


439 


446 


CO 


425 


460 


450 




! Pester Bahn . . . 

t 


50 


47 


49 


48 


Vom 


— 




— 




Mailänder Bahn 


i 


52 


50 


63 


52 




— 


1 









— 277 — 



3) Einlagen und Rückzahlungen bei der Ersten österreichischen 
Sparcasse vom 15. bis 20. Mai: 





Tag des 
Mai 


Ein] 


lagen 




Rückzahlungen 






Parteien 


C.-M. 


Parteien 


C.-M. 






fl. 


kr. 


fl. 


kr. 






15. 


146 


13.463 


46 


524 


82389 


12 






16. 


102 


7.260 


48 


486 


56.315 


42 






17. 


115 


8.123 


45 


483 


71.497 


31 




18. 


41 


3.532 


18 


1097 


144.288 


53 




19. 


78 


6.041 


41 


832 


97.853 


32 






20. 


160 


10.781 


57 


932 


103.780 


28 





4) Ein Geistlicher versuchte in Gaudenzdorf, wie die keines- 
wegs radicale ,,Constitutionelle Donauzeitung" versichert (S. 450), 
den Arbeitern 30.<>00 fl. zu bieten, wenn sie gegen die Studenten 
zögen; ein Magistratsrath soll den Arbeitern 25.000 fl. geboten 
haben; die Arbeiter nahmen ihn gefangen und führten ihn unter 
den Rufen: „Hängt ihn auf!" zur Universität; ein Pfarrer Wie- 
singer — vielleicht der unlängst verstorbene Albert Wiesinger? — 
suchte die Arbeiter mit 27.000 fl. zu bestechen; ohne Erfolg. — 
ö) Violand E., Die sociale Geschichte der Revolution in Oester- 
relGh. Leipzig 1850, S. 115: „In Wien war nun die Republik, 
obgleich dies leider niemand erkannte; ^enn hätte dies nur jemand 
erfasst und im Sicherheitsausschusse darauf hingewiesen, so würde 
die Zukunft sicher eine andere Gestalt angenommen haben." — 6) Diese 
Arbeiterordnung vom 28. Juni stellt als Lohn bei einer Tagesarbeit 
von 10 Stunde» fest: für einen Mann 25 kr. C.-M., für Weiber 
20 kr., für junge Leute von 12 bis 16 Jahren 10 kr. Kinder unter 
12 Jahren dürfen überhaupt nicht zu den Arbeiten zugelassen 
werden. An Sonn- und Feiertagen giebt es keine Arbeit, aber auch 
keinen Lohn. Bei schlechtem Wetter erhält jede Person 6 kr. Zur 
Aufrechterhaltung der Ordnung und Solidarität sollten die Arbeiter 
auf den Bauplätzen eigene Ehrengerichte bilden u. s. w. — 7) Vio- 
land a. a. O., S. 122 f. Was weiter mit Willner geschah, weiss ich 
nicht zu sagen. Das sonst so geschwätzige „Biographische Lexikon" 
von Wurzbach kennt den Namen Willner nicht Kein Wunder! — 



— 278 — 

8) Allgemeine Oesterreichische Zeitung vom 30. August 1848. — 

9) Im „Gradaus" vom 28. und 30. Juli polemisiren mehrere Ein- 
sender über diesen Punkt. Mehrere Meister hatten behauptet, der 
Grund der allgemeinen Arbeitsstockung liege nicht in der Ab- 
lenkung der Arbeiter von den Industriestätten, sondern im mangeln- 
den Absatz; ein Webermeister Badorf erklärte im Namen vieler, 
dass der Verfasser eines früheren Artikels, der das Gegentheil be- 
hauptete, bei ihm, Badorf, sofort für eine Million Gulden Waare 
kaufen könne, wenn er wolle. Der Aufgeforderte ging mit einem 
Ausländer, der Einkäufe machen wollte, in die industriellen Vor- 
städte, fand aber nirgends Waarenvorräthe; 60 Webereien standen 
leer, in den Knopffabriken arbeiteten statt 60 bloss 10 Menschen 
u. s. w. Der „Gradaus'' war, was zu beachten ist, ein ultraradicales 
Blatt. — 10) Der „Gradaus" vom 10. August berichtet, von 
104 Fleischhauern seien zwei Drittel beinahe ganz verarmt. Beim 
Gemeindeausschusse kamen die Fleischhauer wiederholt um ein 
Darlehen zur Gründung einer Fleischcasse ein, um es den Mit- 
gliedern des Berufes zu ermöglichen, ihr Gewerbe fortzuführen. 
Erst nach wiederholter Weigerung wurden 60.000 fl. vom Ge- 
meindeausschusse gegen gesetzliche Sicherheit gewährt „Aemtliche 
Verhandlungsprotokolle des Gemeindeausschusses," S. 16 und 28. — 
11) Winter sagte in der Sitzung des Gemeindeausschusses vom 
27. Juni, die häufig vorkommenden Innungsangelegenheiten fänden 
meist eine unbefriedigende Lösung und die Bittsteller mussten meist 
abgewiesen werden, da die bestehende Gewerbegesetzgebung keine 
hinlänglichen Bestimmungen enthält, und jedes neue Gesetz früher 
vom Reichstage ausgehen müsse. Er machte daher den Vorschlag^ 
sämmtliche Innungen aufzufordern, ihre Desiderien, die Regelung 
der Innungsverhältnisse betreffend beim Gemeindeausschusse ein- 
zugeben, um deren sorgfältige Prüfung mit Zuziehung der Betheiligten 
im Commissionswege einzuleiten und die eventuellen wünschens- 
werthen Abänderungen der Gewerbegesetzgebung in einem Gesammt- 
elaborate dem Reichstage zu unterbreiten. Friedmann bemerkte 
hierzu, die Innungsstreitigkeiten würden wegfallen, wenn sich das 
Ministerium entschliessen würde, Schiedsgerichte einzuführen. 
Der Antrag Winter's wurde mit einem von Hornbostel gestellten 
Amendement, dass zu den Verhandlungen die Altgesellen und die 
Arbeiter beizuziehen seien, angenommen. Vergleiche über alles, was 
sich auf den Gemeindeausschuss bezieht : „Aemtliche Verhandlungs- 



— 279 — 

Protokolle des Gemein^eausschusses der Stadt Wien vom 25. Mal 
bis 5. October 1848" (s. 1. e. a.). Das diesbezüglich an die In- 
nungen und Gremien versandte Schriftstück siehe: Reschauer, 
Geschichte des Kampfes der Handwerkerzünfte etc., S. 207. 
In der Sitzung des Gemeindeausschusses vom 6« Juli referirte 
Winter namens der Gewerbesection ; er sei immer und immer 
wieder auf das ewige Zerwürfniss zwischen den Kategorien 
„Meister" und „Befugte'' gestossen. Niemand könne in Abrede 
stellen, dass diese Anomalie in einer künftigen Gewerbeordnung 
aufhören müsse; man solle daher baldmöglichst eine Uebergangs- 
periode schaffen. Der Hauptgrund der bloss einfachen Befugniss- 
erwirkung liege darin, dass die Bewerber die Einverleibungstaxe 
bei den Innungen so wie die Gewerbstaxe nicht zahlen können 
oder wollen. Winter beantragte daher, die gesammten Meister- 
innungen anzugehen, die Einverleibungstaxen zu ermässigen oder 
ganz nachzulassen; ein gleiches beantragte er rücksichtlich der 
magistratischen Gewerbetaxen; die Befugnissertb eilungen sollten 
aufhören und fürder sollten nur Meisterrechte verliehen werden. 
Von der Anfertigung eines Meisterstückes sei abzusehen, und ebenso 
soll die Verleihung aller jener Beschäftigungen, welche in zünftige Ge- 
werbe eingreifen, einstweilen sistirt werden. Der Referent sagte: 
Jeder Staatsbürger solle sein Gewerbe auf die ihm zweckdienlichste 
Art ausüben, ohne dass Privilegiumsurkunden, welche höchstens noch 
für Raritätensammler Interesse haben dürften, ihn daran hindern 
können. „Von den Eingaben der Innungen verspreche ich mir sehr 
wenig, denn dieselben werden eher eine Gewerbsbeschränkung, 
ein Zurückgehen in den Zustand des XIV. Jahrhunderts beantragen, 
als sich auf jenen Standpunkt stellen, von welchem die Gewerbe- 
gesetzgebung in unseren jetzigen Verhältnissen ausgehen muss." Der 
Gemeindeausscbuss ging über diese Anträge der Section zur Tages- 
ordnung über, „da durch den Reichstag ohnehin eine durch- 
greifende Reform aller Innungs- und Gewerbeverhältnisse bevor- 
stehe". (Aemtliche Verhandlungsprotokolle des Gemeindeausschusses, 
S. 19 ff.). — 12) Die Petition, die das„Gentral-Gremiums- und Innungs- 
comite" am 8. August 1848 dem Reichstage überreichte, erhob zunächst, 
„gestützt auf die Erfahrung über die in früheren Zeiten bestan- 
denen Gewerbsverhältnisse" im vorhinein Protest gegen eine allge- 
meine Freigebung der Gewerbe; dieselbe wäre ein „Vernichtungs- 
system", da hierdurch jeder Gewerbsinhaber um das für das Ge- 



~ 280 — 

werbe ausgelegte Vermögen plötzlich beraubt sein würde. Die 
Denkschrift beruft sich hierauf auf die aller Orten und allezeit mit 
der Gewerbefreiheit gemachten traurigen Erfahrungen und auf die 
Petita des Frankfurter Handwerkercongresses, und fährt dann fort: 
),Eine auf Zwang begründete kastenmässige Zunftverbindung suchen 
wir nicht, aber das Zusammenwirken gleicher Gewerbsgenossen zu 
einem allgemein wohlthätigen Zwecke, zur gegenseitigen Ausbildung- 
und Vervollkommnung der Gewerbe. Da es in dem hohen Ministerial- 
erlasse vom 9. Juni d. J. heisst, i^yd^ss die erste Bedingung eines 
gesicherten Erwerbes und fortschreitenden Wohlstandes in der Er> 
haltung der Sicherheit des Persons- und Eigenthumsrechtes liege"" — 
die Freigebung aber gerade das G«gentheil erzielen würde, so sehen 
wir uns alle insgesammt zur folgenden Bitte veranlasst: 1. Dass 
keine Freigebung der Gewerbe stattfinde; 2. dass die sohinige 
Zurücklegung aller Personalgewerbe nicht mehr unbedingt, sondern 
bedingt geschehe; 3. dass der Hausirhandel gänzlich und ins- 
besondere in den Städten eingestellt sei; 4. dass die bisher frei- 
gegebenen Beschäftigungen aufgehoben werden und entweder 
gegenseitig zu eigenen Innungen zweckmässig sich verbinden, oder 
in jene Gewerbskategorien eingereiht werden, aus denen sie ent- 
standen sind; 5. dass eine Gewerbepolizei (Aufsicht) aus den 
Innungsmitgliedem jeden Faches creirt werde, und 6. dass nur 
eine Gewerbsbehörde für Wien und die Umgebung bestehe, und 
die vielen Dominien in Zukunft durchaus keine Gewerbe mehr ver- 
leihen dürfen." Zum Schlüsse enthält die Petition die Drohung, „dass 
ein so gewaltsamer Umsturz durch Freigebung der Gewerbe das 
Fortbestehen des Staates, die Aufrechterhaltung der Ruhe und 
Sicherheit ganz gefährden und einen Bürgerkrieg hervorrufen 
würde". Reschauer, Geschichte des Kampfes der Handwerker- 
zünfte, S. 208 ff. — 13) Ibid., S. 210. — 14) Die im August 1848 
dem Reichstage überreichte „Petition sämmtlicherGewerbsinhabungen 
und Innungen Oberösterreicbs an den hohen Reichstag in Wien" ist 
ein völkerpsychologisches Document; grob und dumm, eingegeben 
von dem Geiste masslosester Selbstsucht, welche, wo sie sich 
verkürzt glaubt, gleich über Anarchie und Oommunismus klagt 
erinnert dieses Schriftstück mit jedem Worte an den Volkscharakter 
der „biederen" Oberösterreicher. Die Petition möchte vor allem, 
dass neben den aus dem gleit^hen allgemeinen Wahlrechte hervor- 
gegangenen Vertretern des Volkes auch noch besondere Vertreter 



— 281 — 

des oberösterreichischen Gewerbes sitzen und verwahrt sich gegen 
die Freigebung der Gewerbe; das wäre ein „Unsinn", ein „Act, 
welcher den Communismus provocirt." „Weg mit den egoistischen 
Schwindeleien des Engländers, der keinen Mittelstand, sondern 
nur Reiche und Bettler kennt!" „Weg mit dem überspannten 
Freiheitsschwindel der Franzosen, die mit der scheinbaren Wahrung 
der Menschenrechte nur Menschenrechte zerstören." Die Freigebung 
der Gewerbe wäre „das Riesenthor, durch welches nur die Zer- 
störungswuth, der Communismus, ungehindert eindringen und nur 
Uebles zu Tage fördern würde". Die Petition spricht die Ueber- 
zeugung^aus, „dass das Fortbestehen der Innungen (Zünfte^, sowie 
ihre zeitgemässe Regelung unerlässliches Bedürfniss, eine Hilfe 
gegen die grässlichen Laster der Anarchie ist und sein wird". Zum 
Schlüsse wird gefordert: „1. Keine Freigebung der Gewerbeverleihung 
und Hintanthaltung aller in dieser Beziehung stattgefundenen bureau- 
kratischen bisherigen Missgriffe und Bevormundungen. 2. Aufrecht- 
erhaltung der bestehenden Innungs verbände, als Associationsrecht 
und Ausdehnung derselben auf alle Gewerbe. 3. Ehemöglichstes 
Aufhören des Hausirhandels durch Juden und Christen. 4. Ver- 
tretung am Reichstage, sowie auf den Landtagen nach Massgabe 
der Gewerbebevölkerung gegenüber der unrechtmässigen Ueber- 
flügelung von Seite des Bauernstandes durch freie Wahl von Seite 
des Gewerbestandes. 5. Alsogleiche Aufträge an die Landesregie- 
rungen, die gegenwärtig im Zuge befindlichen Gewerbsverleihungen 
einzustellen." Reschauer a. a. O., S. 211 ff. — 15) Der Brünner 
Gewerbetag vom 26., 27. und 28. Juli stellte folgende Anträge, welche 
im Wege einer Petition dem Reichstage übermittelt wurden, und 
welche ein farbensattes Bild der gewerbepolitischen Ansichten geben, 
die ein grosser Theil des Bürgerthums damals für durchführbar hielt : 
„1. Zweckmässige Beschränkung der sich übermässig ausbreiten- 
den grossen Fabriken, mit ihren endlosen Maschinen, die sich mit 
dem Erzeugnisse des kleinen Gewerbefleisses in den Städten und 
auf dem flachen Lande in massenhafter Arbeit befassen. 2. Ein- 
schränkung der masslosen Ertheilung von Gewerbe- und Handels- 
befugnissen. 3. Beschränkung der gemischten Waarenhandlungen 
mit Rücksicht auf die Oertlichkeit. 4. Hintanhaltung des Klein- 
verkaufes solcher Gewerbeartikel in jenen Orten durch eigene 
Handelsleute, wo sie allein oder besonders von dem kleinen Gre- 
werbefleisse erzeugt werden; wohl aber Zulass des Ankaufes im 



— 282 — 

Grossen zu anderweitigen Speculationen. />. Vertretung des kleinen 
Gewerbefleisses durch die obersten Gewalten des Staates und der 
Provinz. 6. Abstellung des Hausirhandels überhaupt. 7. Aufhebung 
der Werkstätten der verschiedenen Militär- und anderen grossen 
Körperschaften im Staate, welche Erzeugnisse des kleinen Gewerbe- 
fleisses liefern. 8. Abstellung der Licitationen für das k. k. Aerar 
und Ueberlassung der Lieferung der von ihm benöthigenden (sie!) 
Kleingewerbeartikel an die Zünfte unter ihrer Garantie auf Grundlage 
adjustirter Ueberschläge. 9. Verbesserung des Schulwesens mit beson- 
derer Rücksicht auf die kleinen Gewerbe. 10. Herstellung der Zünfte, 
wobei die im gleichen oder ähnlichen Hauptmateriale arb|itenden 
kleinen Gewerbsleute zu einer und derselben Zunft gerechnet werden 
sollen,, mit Rücksicht auf die Oertlichkeit. 11. Jeder Gewerbsmann 
ist zu verhalten, seinen Namen oder sein Zeichen, insoweit es 
thunlich ist, auf sein Erzeugniss zu setzen. 12. Ertheilung eigener 
Vorschriften zur besonderen corporativen Verfassung der besonderen 
Gewerbe. 13, Geschworenengerichte bei Streitigkeiten der Gewerbs- 
leute in Ansehung ihres Gewerbes. 14. Gesetze über Unterstützung 
arbeitsunfähiger oder verunglückter Meister und Gesellen. 16. Be- 
rücksichtigung der Persönlichkeit des eine Concession zum Ge- 
werbsbetriebe Suchenden. Er soll den vorgeschriebenen Schulbesuch, 
seine Lehr- und Wanderjahre, sein von der Innung approbirtes 
Gesellenstück und sein gutes moralisches Verhalten gehörig nach- 
weisen. 16. Er muss das bestimmte Alter von 25 Jahren erreicht 
haben, bevor er Meister werden kann. 17. Bei der Ertheilung des 
Meisterrechtes ist auf das Verhältniss der Consumtion zur Pro- 
duction durch die Zunft zu sehen. 18. Ein das Meisterrecht aspi- 
rirendes Individuum hat ein Meisterstück zu verfertigen, welches 
gangbar und leicht verkäuflich ist, den Werth nicht übersteigt, und 
es ist ihm von der Zunft aufzugeben und von derselben zu be- 
urtheilen. 19. Die Meisterprüfungen sind von den Innungen vor- 
zunehmen, und Zeugnisse über die abgelegte Prüfung zu ertheilen. 
20. Mehr als ein Gewerbefach soll niemand betreiben. 21. Zur Er- 
langung des Meisterrechtes und zum Betriebe des Gewerbes wird 
ein angemessener Betriebsfonds erfordert. 22. Jene kleinen Gewerbs- 
leute, welche vom Lande in die Städte und von kleineren Städten 
in grössere übersiedeln und da ihr Gewerbe betreiben wollen, haben 
sich einer neuen Prüfung der betreffenden Stadtzunft zu unter? 
ziehen. 23. Städte, sowie mehrere Gemeinden zusammen auf dem 



— 283 — 

Lande können Zunftläden haben, und jeder Gewerbetreibende muss 
einer Zunft angehören. 24. Die in grossen Fabriken mit Maschinen 
oder in Staatsanstalten erzeugten Kleingewerbeproducte sollen bloss 
im Wege des ausländischen Handels in Verkehr gebracht werden, 
sonach die auf den Ortsbedarf berechneten Gewerbe nicht beein- 
trächtigt werden. 25. Einführung einer angemessenen Besteuerung 
der Fabriken in Kleingewerbeerzeugnissen, sowie auch der Bau- 
und anderen grösseren Unternehmungen, mit Rücksicht auf die- 
jenigen Vortheile, welche dieselben gegenüber dem einfachen Ge- 
werbsmanne aus den Maschinen, dem in einer Hand angesammelten 
Capitale und der Masse unselbständiger, in ihrem Dienste stehender 
Arbeiter, und endlich der Begünstigungen durch die Zollvor- 
schriften und Privilegien, unter welchen letzteren namentlich des 
freien Niederlagsrechtes dermalen geniessen, zum Schutze des kleinen 
Gewerbefleisses. 26. Einschränkung der furchtbar wachsenden Macht 
des Capitales im Betriebe von Grewerben. 27. Verpflichtung der 
Fabrikanten, sich bloss solcher Arbeiter zu bedienen, welche von 
dem Gremium der Kleingewerbe angenommen und freigesprochen 
worden sind, so dass diese zu den Fabrikanten in dasselbe Ver- 
hältniss treten, in welchem die Lehrlinge und Gesellen zu den 
Meistern der zünftigen Gewerbe stehen. 28. Aufhebung ausschliess- 
licher Privilegien, als Störungen des Gewerbefleisses, dagegen Be- 
lohnung vom Staate, wenn die Erfindungen von allgemeinem Nutzen 
sind. 29. Die Gewerbeinhaber sollen in der Erzeugung und im 
Verschlusse streng auf die ihnen zustehenden Artikel beschränkt 
werden. 30. Ueberlassung des Gewerbebetriebes der Witwe und Vor- 
sorge von Seite der Zunft, derselben einen tauglichen Gehilfen zu 
geben. 31. Einzelnen Frauenspersonen, oder solchen, die sich sammt 
ihren Kindern mit Arbeiten beschäftigen, soll es nur zustehen, sich 
mit Nähartikeln zu beschäftigen, die nicht schon Sachen der Frauen - 
Schneider sind, und in den anderen Artikeln steuerfrei. 32. Die 
Aufnahme von Lehrjungen und die Ueberwachung derselben von 
Seite der Meister und Gesellen ist den Zünften zur strengen Pflicht 
gemacht. 33. Einführung von Gewerbevereinen in den Städten zur 
Abschaffung zünftiger Missbräuche und Regulirung des Lohnes 
der Hilfsarbeiter. 34. Da Handelsbefugnisse nicht bloss von der 
persönlichen Geschicklichkeit, sondern auch vom Credite abhängen, 
so soll in den Städten und grösseren Märkten, sowie auch auf den 
Dörfern ein angemessener Handelsfonds ausgewiesen werden. 35. Sollen 



. I 



— 284 — 

an jene, welche sich um ihre Selbständigkeit bewerben, keine 
Decrete, Befugnisse und Patente ertheilt werden, um sie dadurch 
den Meisterprüfungen zu entziehen." Vgl. Naske Alois, Die ge- 
werbepolitische Bewegung in Oesterreich und ihre Schlagworte- 
Brunn 1896, S. 7 ff. — 16) Die sociale Geschichte der Revolution 
in Oesterreich, S. 92. — 17) Siehe: Protokolle der allgemeinen 
öffentlichen Enquete über die Lage des Kleingewerbes in Nieder- 
österreich, abgehalten von der Handels- und Gewerbekammer in 
Wien 1873 und 1874. Wien 1874. Aussage des Experten Fr. Schneider, 
S. 434. — 18)Violand, Sociale Geschichte der Revolution in Oester- 
reich, S. 126 ff. — 19) Amtliche Verhandlungsprotokolle des Ge- 
meindeausschusses u. s. w., S. 6. — 20) Vgl. E. V. Zenker, Ge- 
schichte der Wiener Journalistik. II. Bd., das Jahr 1848, S. 44 ff.y 
und Höger, Aus eigener Kraft, S. 117 ff. — 21) Ueber die Bio- 
graphie Häfner's vgl. meine Geschichte der Wiener Journalistik. 
II. Bd., S. 26 ff. — 22) Dr. Georg Adler, Die Geschichte der 
ersten socialpolitischen Arbeiterbewegung in Deutschland, mit 
besonderer Rücksicht auf die einwirkenden Theorien. Breslau 1885, 
S. 121 und 332 ff. — E. V. Zenker, Der Anarchismus. Jena 1895, 
S. 87 ff. -— 23) S. Engländer, Die politische Bildung der unteren 
Volksclassen („Constitutionelle Donauzeitung" Nr. 64 vom 4. Juni; 
Nr. 70 vom 10. Juni und Nr. 76 vom 17. Juni). — 24) Zur Bio- 
graphie Sander's vgl. den Aufsatz an „Meine Freunde und Collegen", 
womit er die erste Nummer des von ihm redigirten „Wiener All- 
gemeinen Arbeiter- Blattes" (vom 22. Mai 184^) einleitete. — 26) Vgl. 
Violand E., Die sociale Geschichte der Revolution in Oesterreich, 
S. 148 ff. — 26) Nach den Angaben Violand's a. a. O., S. 14ö ff. 



ÜToten zum siebenten Capitel. 

1) Es betrugen im 
Monate März die laufenden Einnahmen . . . 10,324.671 fl. C.-M. 

(gegenüber dem Voranschlag 

— 2,652.262 fl.) 

die laufenden Ausgaben .... 12,535.231 fl. C.-M. 
(gegenüber dem Voranschlag 

— 31.752 fl.) 



— 285 — 

für ausserordentliche Zwecke . 1,278.430 fl. C.-M. 

Unbedecktes Erforderniss 3,4ö9.190 fl. C.-M'. 

Monat April die laufenden Einnahmen . . . 6,766.194 fl. C.-M. 

(— 6,220.640 fl.) 
die laufenden Ausgaben . . 10,267.474 „ „ 

<- 2,299.610 fl.) 

Unbedecktes Erforderniss . 3,511.280 fl. C.-M. 
Monat Mai die laufenden Einnahmen . . . 7,039.758 fl. C.-M. 
(— 6,937.075 fl.) 

die laufenden Ausgaben .... 13,986.583 fl. C.-M. 
(4- 1,418.500 fl.) 

für ausserordentliche Zwecke . 1,894.515 „ „ 
Unbedecktes Erforderniss . 8,840.340 fl. C.-M. 
2) Nach den Ausweisen der priv. österreichischen National- 
bank war 

der Silbervorrath der Banknotenumlauf 



Ende Februar 


. 65,058.351 fl. 


C.-M. 


214,146.440 


fl. ( 


::;.-M 


. — 1:3 


„ März . . 


. 53,156.185 „ 


>» 


189,392.665 


>» 


>» 


= 1 :4 


„ April . . 


. 35,032.030 „ 


>» 


184,201.760 


»» 


>» 


= 1:5 


„ Mai . . 


. 21.940.147 „ 


M 


177,810.520 


»» 


»» 


= 1 :8 


„ Juni 


. 20,022.773 „ 


»> 


181.375.890 


»» 


»» 


— 1 :9 


„ Juli . . 


. 26,356.941 „ 


>» 


194,683.936 


»» 


» 


— 1 :7 


„ August . 


. 32,236.098 „ 


»» 


202.7V0.153 


>» 


»» 


= 1 : 6-3 


„ Septembc 


jr 33,026.516 „ 


»» 


203,321.041 


» 


» 


= 1 :6-l 



3) Kudlich sagte selbst von dieser seiner Rede nach 25 Jahren 
(Rückblicke und Erinnerungen. II, S. 113): „Wenn ich heute in 
den stenographischen Protokollen meine damals gesprochenen 
Reden wieder nachlese, so erscheinen dieselben nicht sowohl des 
Inhaltes, sondern hauptsächlich der Form wegen ganz fremdartig. 
Alle diese Gefühlsäusserungen verdienen nicht den Namen von 
Reden. Sie bilden nicht ein logisch zusammenhängendes Bauwerk, 
sondern gleichen eher regellos aneinander gereihten, oft recht 
schönen, manchmal packenden Sätzen. Sie bilden Bausteine unor- 
dentlich durcheinander geworfen, aus denen allerdings eine ge- 
schickte besonnene Hand ein harmonisches Ganze hätte zusammen- 
setzen können. Sie enthalten sehr viel poetisch-rhetori- 
sches Gepräge und vermeiden wie absichtlich alles Pro- 
saisch-Sachliche! Sie verrathen eine Anlage zur Beredtsamkeit, 
die durch weitere Uebung und Schulung, durch die läuternde Er- 



— 286 — 

fahrung des Lebens ein befriedigendes Resultat geliefert haben 
würde. Vielleicht wäre aus dem Anfänger ein Redner geworden, 
wenn er sieh nicht gezwungen gesehen hätte, die Arena des Par- 
lamentes mit den Wohnungen der Kranken und Siechen zu ver- 
tauschen." — 4) Vgl. die „Verhandlungen des österreichischen 
Reichstages nach der stenographischen Aufnahme". Wien 1848/49,. 
I. und IL Band. — 5) E. Violand a. a. O., S. 181. — 6) A. Füster, 
Memoiren vom März 1848 bis Juli 1849. Beitrag zur Geschichte der 
Wiener Revolution, Frankfurt am Main 1850, L, S. 226; Violand 
a. a. O., S. 135 ff. u. a. — 7) Violand a. a. O., S. 129 f. — 
8) Die Kundmachung lautete: „Das Ministerium der öffentlichen 
Arbeiten hat im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern 
den Beschluss gefasst, von der mit dem Erlasse vom 18 d. M. 
verfügten Ermässigung des Taglohnes bei öffentlichen Arbeiten, 
und zwar auf 15 kr. C.-M. für Weiber und auf 10 kr. C.-M. für 
Personen unter 15 Jahren in keinem Falle abzugehen. Fleissigen 
Personen ist durch die eingeführte Accord arbeit noch immer die Ge- 
legenheit geboten, sich einen höheren Taglohn zu verdienen ; dagegen 
musste die Ermässigung eintreten, um die Geldmittel nicht unnützer- 
weise zu erschöpfen, welche nothwendig werden dürften, um in der 
herannahenden strengen Jahreszeit noch für die Arbeiter Vorsorgen zu 
können. Es wurde auch angeordnet, dass die Ingenieure auf allen 
Bauplätzen die Bildung von Partien von minder geübten und 
schwächeren Arbeitern beiderlei Geschlechtes möglichst begünstigen 
und bei Bemessung des Accordlohnes darauf Rücksicht nehmen, 
dass fleissige Arbeiter sich mindestens den Betrag des früheren 
Taglohnes verdienen können. Arbeiterinnen mit einer grossen An- 
zahl Kinder können überdies noch durch Brotbetheilung einer 
weiteren Unterstützung theilhaftig werden. Wien, am 21. August 1848. 
Der Minister der öffentlichen Arbeiten Schwarzer." — 9) Michail 
Bakunin's Socialpolitischer Briefwechsel mit Alexander Jw. Herzen 
und Ogarjow. Mit einer biographischen Einleitung, Beilagen und 
Erläuterungen von Professor Michail Dragomanow. Autorisirte 
Uebersetzung aus dem Russischen von Dr. Boris Minzes. Stuttgart 
1895, S. LVIII. — 10) Vgl. über die Anwesenheit Marx' in Wien 
den „Radicalen" vom 30. August und vom 26. September; „Die 
Constitution" Nr. 133 vom 1. September und Nr. 130 vom 5. Sep- 
tember; „Neue Rheinische Zeitung" vom 5. und 6. September u. ö. 
— 11) Constitution vom ö. September. — 12) „Allgemeine Oester- 



— 287 — 

reichisehe Zeitung" Nr. 94 vom 5. Juli, S. 387. — 13) Verhand- 
lungen des österreichischen Reichstages, II. Band, S. 102. Aussage 
des Finanzministers Krauss. — 14) Die äusserst seltenen „Statuten 
des Privatdarlehenvereines ohne Hypothek von August Swoboda, 
Präsident des Comites" (Wien 1848, Mechitaristendruckerei) sind 
vom 27. Mai datirt — 15) Violand a. a. O., S. 154. — 16) Ver- 
handlungen des österreichischen Reichstages. II, S. 353. — 17) Amt- 
liche Verhandlungsprotokolle des Gemeindeausschusses. Sitzung 
vom 11. September. — 18) Verhandlungen des österreichischen 
Reichstages. II. Bd., S. 405. — 19) (Siehe Note 18.) 



Soten zum achten Capitel. 



1) Siehe die authentische Darstellung dieser Vorgänge in der 
erzreactionären Druckschrift über die Wiener Octoberrevolution 
von W. G. Dun der (Wien 1849): „Blutiger Kampf der Stadt- und 
Vorstadtgarden vor und in dem Stephansdome", S. 109 ff. — 
2) Dunder a. a. O., S. 523, erzählt eine recht bezeichnende Geschichte: 
Der Rittmeister Martinitz und Adjutant Berger der Nationalgarde- 
Cavallerie, die sich nur aus den reichsten Bürgerkreisen recrutirte, 
waren zu Bem ins Belvedere beschieden, wo ein Kriegsrath wegen 
eines geplanten Ausfalles gehalten wurde. Bem hatte die Schreib- 
tafel in der Hand und verlas die §tärke aller Corps. Als die 
Reihe an die Cavallerie kam, fragte er Martinitz in gebrochenem 
Deutsch: „Wie stark ist Nationalgardecavallerie?" — „Vierhundert 
Garden," war die Antwort. Bem notirte sich diese Zahl freudig 
lächelnd und sagte : „Ah bravo, und alle zum Einhauen in der 
Schlacht?" — „Zur Schlacht? nemlehet!" sprach Berger und 
Martinitz bemerkte: „Zur Schlacht nicht Einen!" — „Ah, ah, bloss 
zur Parade," erwiderte Bem mit Geringschätzung, Martinitz er- 
widerte aber: „Nicht bloss zur Parade, auch zum Dienste, wir sind 
jedoch Bürger, werden Haus, Hof und unsere Familien beschützen. 
In einer Schlacht haben wir nichts zu thun." — In der That ver- 
weigerten diese berittenen Garden, wie überhaupt die sogenannten 
Elitegarden in der Nacht vom 23. October, vielleicht in einem 
kritischen Augenblick die Theilnahme an einem Ausfalle (vgl. 
Dunder a. a. O., S. 627 ff. — 3) A. a. O , S. 271 f. — 4) Einzel- 



— 288 — 

fälle beweisen zwar nichts, aber als lUustrationsfaetum — wenn 
schon als nichts anderes — als classisches Beispiel, wie ver- 
worfen das Spiessbürgerthum in Wien war, möchte ich hier 
folgenden Fall, nach dem gewiss nicht anzuzweifelnden Berichte 
Dunder's (S. 719 ff.) anführen: Der Nationalgarde-Oberlieutenant 
Weissenberger, ein reicher Bürger, hatte am 27. October dem 
Feldmarschall Windischgrätz eine Depesche der türkischen Bot- 
schaft zu überbringen. Windischgrätz, vielleicht um den simplen 
Bürgersmann auszuholen, oder zum Herold seiner Grossmuth in 
Wien zu machen, lud Weissenberger zu Tische. In der That 
erzählte der elende Verräther, als das Grespräcli auf Wien kam — 
wie Dun der mittheilt — unumwunden die Lage Wiens und er- 
klärte auf die Frage, ob sich Wien standhaft vertheidigen würde, 
er habe sich „leider" von dem Muthe und der Kampflust der Be- 
völkerung überzeugt und bedauere, dass solche keinem edleren 
Zwecke geweiht sei. Leider sei die „ungebildete" Bevölkerung durch 
Wühler verhetzt, von Vorurtheilen gegen den Fürsten eingenommen 
und halte ihn für den ärgsten Aristokraten und Reactionär, was 
freilich demjenigen unmöglich sei, der einmal, wie er nun, das 
Glück genossen, den Fürsten zu sprechen. Windischgrätz, der 
es liebte, den hohen Olympier mit einem huldvoll lächelnden und 
einem strengen Auge zu spielen, erklärte, er sei nur gekommen, 
um die „wahre Freiheit" zu schützen; jeder Kanonenschuss, den 
er gegen Wien richte, thue seinem Herzen wehe u. s. w. „Durch 
die Huld des Fürsten tief ergriffen, weinte Weissenberger, und 
nicht mehr mächtig weiter zu sprechen, erfasste er die Hand des 
Fürsten, um solche zu küssen, worin ihn jedoch Letzterer abhielt, 
ihn (sie!) herzlich mit der rechten die Hand schüttelte, mit der 
linken aber ihm freundliche Backenstreiche gab. Weissenberger 
kann das Bewusstsein hinnehmen" — fügt Dun der, ein gewesener 
herrschaftlicher Güter director, hinzu — „dass er als bürgerlicher 
Oberlieutenant und Bürger einer der grössten Städte Europas mit 
Würde seine Mission vollendet habe!" Dass waren also die Begriffe, 
welche die Wiener Bourgeoisie von Würde und von Bürgerehre 
hatte. Windischgrätz wusste genau, wie er mit dieser Canaille 
umzugehen hatte ; durch ein paar freundliche Backenstreiche waren 
sie gewonnen, das „Arbeitergesindel" und die „fremden Wühler" 
liess er niederschiessen, damit ward „Ruhe und Ordnung" sofort 
hergestellt. — 5) Im Orte Frainspitz empfing der Kaiser am 



— 289 — 

12. October eine Deputation von vielen Gemeinden und ge- 
ruhte ihnen zu versichern, dass die constitutionellen Freiheiten, 
welche die allerhöchste Sanction bereits erhalten hatten, nach der 
in Höchst Ihrem Manifest vom 8. October erneuert ausgedrückten 
Willensmeinung ohne irgend eine Schmälerung vollkommen 
aufrecht bleiben/' — 6) Vgl. Walter Rogge, Oesterreich von 
Vilägos bis zur Gegenwart. Wien und Leipzig 1872, I. Band, 
S. 82 ff. — 7) Eine allerdings mangelhafte und etwa aus den 
„Verhandlungen des österreichischen Reichstages" (IV. u. V. Band) 
zu ergänzende Zusammenstellung der auf constitutionellem Wege 
verfassten Grundrechte, siehe bei Violand, a. a. O. S. 265 ff. — 
8) Walter Rogge, a. a. O. S., 341 ff. - 9) Abdruck Violand, a. a. 
O. S., 269 ff. — 10) Reschauer Heinrich, Geschichte des Kampfes 
der Handwerkerzünfte und der Kaufmannsgremien mit der öster- 
reichischen Bureaukratie. Wien 1882, S. 217 ff. 



Z e n ke r , Wiener Revolution 



19 



Sachregister. 



Abfahrtsgeld 12, 13. 

Abgaben der Bauern, Höhe derselben 

22, 248, 24», 250, 251, 252. 
Ablösung der Robot, siehe Robot. 
Abstiften, Abstiftung 7. 
Aecordarbeit 125, 1«8, 286. 
Actien der Wiener Gewerbemänner 

218, 219. 
Adelsbesitz 5, 247. 
Anarchismus, anarchistische Regungen 

im Jahre 1848 : 170, 177, 272. 
Anticipationsscheine 88. 
Arbeit, Recht auf 128, 141, 155. 
Arbeiterauskunftsbureau 274. 
Arbeiterclasse, die Lage der 55 — 91. 
Arbeitereomite 144, 158. 
Arbeiterfrage, Programm derselben im 
März 1«4, 125, 126, 127, 128, 129, im 
Jahre 1848: überhaupt 239. 
Arbeiterkasemen 104, 270, 274. 
Arbeiterorganisation vor 1848 : 87, 88, 89, 

90. 
Arbeiterparlament 21?. 
Arbeiterpresae während der Revolution 

164, 165. 
Arbeiterschutzgesetzgebung 64, 65, 275. 
Aibeitemnmhen in Böhmen 1814 und 

1846 : 96, 97, 98, 105, 271. 

— in Wien 1845 und 1847: 98, 100. 

— in Wien während der Märztage 113, 
114, 115, 116, 117. 

— in Prag, Graz nnd Linz während der 
Märztage 118. 

— in Wien im Juni 157, 200, 201, 202. 

— im August 207, 208. 
Arbeiterverein, Erster allgemeiner 175, 

17«, 212, 213, 214, 228. 

Arbeitslohn, siehe Lohn. 

Arbeitslose 78, 79, 80, 81, 32, 85, 99 öffent- 
liche Werkstätten fflr Arbeitslose 274. 

Arbeitsordnung vom 28. Juni 1848: 141, 
277. 

Arbeitstheilung im Handwerke 43, 255. 

Arbeitszeit fttr Kinder 63, 65; Maximal- 
arbeitszeit 125, 126, 128, 239. 

Armencolonien 161. 



Armenpflege vor 1848: 8, 63, 84, 85. 
Armuth der bäuerlichen Bevölkerung 
24 ff. 

— der städtischen Arbeiterclassen 78, 79, 
80, 81, 82, 83, 85, 95, 100. 

Association, wirthschaftllche 86, 87, 88, 
89, 90, 150, 154, 160. 

Augustunrohen 201 — 211. 

Ausschuss der Bfirger, Nattonalgarden 
nnd der akademischen Legion ZTir 
Wahrung der Volksrechte und zur Er- 
haltung der Ordnung und Sicherheit 
in Wien nnd dessen Umgebung, siehe 
Sicherheitsansschnss. 

Bancozettel 32, 33, 41, 255. 

Bangue du penple 152, 153. 

Bankerott des Staates 1811 : 37. 

Batzenhäusler 10. 

Bauernaufstand in Galizien 1846 : 98, 99 

Bauernaufstände im XVIII. Jahrhundert 

in Oestereich 246, 247. 
Bauemnnmhen in Niederösterreich im 
Jahre 1847 27, 99. 

— während der Märzrevolution 118, 119. 
Baumwollspinnerei in Oesterreich 254, 

255 
Bauthätigkeit in Wien 1848 bis 1847: 76, 

270. 
Befugniss 29, 38, 47, 50. 
Befugte Meister 81, 44, 46, 48, 49. 
Bergdienst 15. 

Bergherrschaft 12, 15, 187, 195. 
Berghold 15. 
Bergrecht 15, 17, 194. 
Bestiftang 7. 
Bestiftungszwang 7, 17. 
Bierconsum in Oesterreich vor 1848: 73, 

74, 266. 
Blumensuchrecht 13, 195. 
Bodenzins 7. 
Bodenzinsleute 6. 
Börsenconrse in Wien vom 15. bis 81. Mai 

1848: 138, 276, 276. 
Bourgeoisie, die Wiener, ihr Verhältniss 

zur Märzrevolution HO, 111, 112, 115. 



— 291 — 



Bourgeoisie, die Wiener, ihr Verhältniss 
zur Mairevolution 136, 1S7, 138, 148. 

— zur weiteren Entwicklung der Revo- 
lution 181, 183, 183, 184, 200, 208, 209. 

— zur Octoberrevolution 286, 227, 229, 
230, 287, 288. 

Branntweinconsum in Oesterreich vor 

1848: 74, 266, 267. 
Bruderladen 64. 

Oentralcomitä für Arbeiterangelegen- 
heiten 203, 204. 

— der Studenten und Nationalgarde 135 
136, 138, 150, 152. 

Central- Gremiums- und Innungscomiti^ 

148, 279. 
Comit^ zur Unterstützung mittelloser 

Gewerbsleute 215. 
Communications- und Verkehrsmittel 43, 

257. 
Concordia, Arbeiterverein 178. 
Congress deutscher Handwerker in 

Frankfurt am Main 149, 280. 
Consum, mittlerer in Oesterreich vor 

1848: 71, 72, 78, 74. 

— an Fleisch 71, 72, 262, 264. 

— Kaffee 72, 73, 265. 

— Zucker 67, 72, 264, 265. 

— Bier 73, 74, 266. 

— Branntwein 74, 266, 267. 

— Tabak 74, 267, 268, 269. 

Credit für das Kleingewerbe 47, 150, 151, 
152, 215, 216, 217, 221, 222. 

Creditgew&hrung seitens des Handwer- 
kes 54, 259, 260. 

Dampfmaschinen, Einführung derselben 

in Oesterreich 255, 256. 
Decreter 49, 50. 

Dienste 2, 6, 14, 15, 186, 195, 245. 
Dominicalgründe 5, 119, 195. 
Dominicalist 6. 

Donaudampfschiffalirtsgesellschaft 43. 
Dorfherrschaft, Dorfobrigkeit 12, 13, 

187, 194, 195. 
Dreifelderwirthschaft 23. 

Bhen, Statistik der, von 1802 bis 1806 : 34. 

Einlösungsscheine 33. 

Eisenbahnen in Oesterreich vor 1848: 43, 

257. 
Enquete über die Gewerbefrage (1882 

bis 1834) 38, 39, 40, 44, 45, 51. 
— über die Frage der Reorganisation 

der Zünfte und Innungen (Juni 1848) 

148. 
Erbpacht, Erbpächter, Erbpachtvertrag 6. 
Erbsteuer 11. 
Erbzins 11. 
Erbzinslente 6. 
Erdarbeiten, öffentliche 101, 118, 123, 

145, 146, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 

180, 202, 204, 211. 



Fabriken, Zunahme der 52, 53. 

Fabriksbefugniss, Einschränkung der- 
selben 29. 

Februarrevolution, Pariser 109. 

Finanzielle Krisen am Beginne des Jahr- 
hunderts 82. 33, 34, 37. 

— im Jahre 1848 : 138, 182, l83, 284, 285. 
Fleischconsum in Wien 71, 72, 262, 264. 
Flugschriften über die Arbeiterfrage 273, 

274, 275. 
Frauenarbeit in Fabriken 61, 128, 261. 
Frohnde, Frohndienst 8, 27, 121, 245, 

248, 251. 
Fruchtwechselwirthschaft 23. 

Oanzlehner 7, 10. 

Gebühren i2, 13 

Gefallenenliste des März 272, 273. 

Gemeindeausschuss, provisorischer 140, 

14 t, 145, 146, 148, 157, 158, 160, 201, 

203, 215, 217, 219, 220, 260, 218, 279, 

284, 287. 
Gemeinküchen, Gemeinöfen 104, 144, 

159, 160, 274. 
Gerichtsbarkeit 18. 

— dingliche 18. 

— persönliche 18. 

— politische 13. 
Gesellenwesen 41. 

Gewerbe, Lage des, vor 1848 : 28 - 55. 
Gewerbeausstellung 1835: 44, 254. 

— 1840 und 1845: 44. 
Gewerbefreiheit 29, 32, 88, 42, 48, 147, 

148, 212, 237, 238, 255, 274, 279, 280, 

281. 
Gewerbegesetzentwurf von 1885 : 39, 42, 

44. 
Gewerbeinspector 274. 
Gewerbepolitik Franz I. 32, 85, 36, 37, 

88, 89. 
Gewerbetag zu Brunn am 26. bis 28. Juli 

1848: 149, 281. 
Gewerbeverein, niederösterreichischer 

110, 137. 
Gewinnbetheiligung 159. 
Grossindustrie, Lage der, vor 1848: .56, 

57, 58, 59. 

Verhältniss zwischen Grossindustrie 

und Handwerk 51, 52, 63, 55, 259. 
Gründe, bergmässige 15. 

— Dominical 5, 119, 195. 

— eingekaufte 5. 

— herrschaftliche 5. 

— robotsame 10. , 

— Rustical- 5, 119, 195 245. 

— uneingekaufte 5, 6.. 

— unterthänige 5, 195 

— z ehe nt Pflichtige 15. 

Grundbuch 5, 6, 7. 

Grunddienst U, "i^» ^''^» ^> ^''^' 
Grundentla»hin« •• Berathungen des 
Reichstage^ üblr dieselbe 186^198; Ge- 
setz vf\-^ 1 scptetabet 1848 : 198, 284, 

^^^ 5^tetxt ^^"^^ '^' ^'^^'^ ^^^'' ^^*' 



292 — 



DurcbfÜhrung der Grundentlastang 

334. SS5, SSff, 237. 
Grundherr, Grundherrlichkeit 8, 3, 4, 6, 

7, 8, 11, 18, 13, 15, 18, 19, 22, 87, 

128, 187, 198, 195, 245. 
Grundhold 6, 27, 181. 
Grandobrigkeit 6, 245, 246. 
Grundrechte, Die 231, 232, 289. 
Grunduntertban, Grundunterthänigkeit, 

siehe Unterthan, Untertfalnigkeit. 
Grundzins 250, 251. 
Gültbuch 5. 
Gutenbergrerein 211. 

Balblehner 7, 10, 249. 

Handel (Anssenhandel) 23 f., 40, 253. 

Handelsgremien 89, 44, 148, 855, 279, 

289. 
Handwerk, Rfickg^ang desselben, in den 

Dreissiger- und Yierzigerjahren 40, 41, 

42, 43, 44, 49, 50, 51, 58, 53, 54, 55; 

Lage des Handwerkes während der 

Revolution 123, 129, 180, 145, 146, 

183, 214, 215. 
Handwerkerzünfte, siehe Zunft. 
Hausindustrie 25. 
Hausirhandel, Abschaffung desselben 

148. 149, 280, 281, 288. 
Herrschaft 6, 10, 12, 18, 16, 16. 18, 20, 

25, 89, 193, 245, 246, 247, 218, 250, 

251. 
Hörig,' Hörigkeit 9. 

Industrie, die österreichische, im XVII. 
Jahrhundert 28, im XVIII. Jahrhun- 
dert 29 f., im Beginne des XIX. Jahr- 
hunderts 32, 40, 43, 66, 57, 58, 59, 
260, 261 ; Wiener Industrie 80, 63, 54, 
25». 

Indu5trialismus und Liberalismus 30, 
31. 

Inmann, Inlente 6, 10, 26, 234. 

Innung, siehe Zunft. 

Jagdpatent vom Jahre 1786 < 8. 
Jagdreoht 23. 

Xaffeeconsum in Oesterreich 72, 78, 265. 

Kataster 5, 7; franciscinischer 21. 

Kaufinannsgremien, siehe Handelsgre- 
mien. 

Kinderarbeit in den Fabriken 61, 62, 63, 
64, 65, 261, 262. 

Klaubrecbt 8. 

Kleinhäusler 7, 10, 834. 

Krankencassen 64, 818, 239. 

Irfindtafel 5. 

Landwirthscbaft, Stand derselben in 

Oesterreich 23 f. 
Laudemium 11, 12, 22, 250. 
Lebenshaltung in Wien und Oesterreich 

in den Vierzigerjahren 68, 71, 72, 73, 

74, 76, 76, 77, 88, 262, 268, 864, 265, 

266, 267, 268, 269, 870. 



Lebensmittelpreise in Wien 1837—1847 

68, 69, 262, 863. 
Lehensherrschaft und Lehensrecht 187, 

194, geistliche Lehensherrschaft 13, 14, 

weltliche Lehensherrschaft 12, 14. 
Lehrlingswesen 41, 42, 125. 126, 128. 
Leibeigenschaft, Aufbebung derselben 4, 

9, 846, 248. 
Leihanstalt des Swoboda 150, 151, 152, 

163. 
Leihhanken fElr Arbeiter 274. 
Leseverein, Juridisch-politischer 110,134, 

137, 174. 
— für Buchdruckergehilfen 175. 
Liberalitätsprincip, Das, in der Gewer- 
begesetzgebung 35, 38, 39, 45, 47. 
Lohnbewegung nach der Märzrevolution 

124, 125, 126, 127, 128. 
Lohntarif für Buchdrucker und Schrift- 

giesser 126, 211. 
Lohnverhältnisse in Wien um 1845 : 66, 

67, 68, 262. 

Maschinen, Ein- und Ausfuhr 58, 260, 

261. 
Maschinenbetrieb in der Industrie 42. 
Maximalarbeitszeit, siehe Arbeitszeit. 
Minimallohn 125, 128, 239, 274. 
Ministerium der öffentlichen Arbeiten 

144, 145, 168, 202, 203, 204, 807, 218, 

215, 239, 271, 274. 286. 
Mitweide (Weiderecht) 13, 195. 
Mortuarium 11, 22, 250. 

Hattonalbank 109, 110, 138, 182, 188, 215, 

216, 2«S, 285. 

Naturslabgaben, Katuraldienst, Giebig- 
keiten 2, 6, 8, 19, 120, 181, 194, 195. 

Nexus subditelae 8, 8, 19, 194. 

Nothstandsbauten, öffentliche, im Vor- 
märz 101, während der Revolution 
118, 183, 145, 206, 2«3. 

Nutzungseigenthum 2, 5, 6. 

Obereigenthum, Obereigenthumsrecht 3 

6, 7, 11. 18, 120, 121, 194, 195, 232. 
Obrigkeit 10, 39. 
Octoberrevolntion 885—880. 
Organisation der Arbeit 46, 129, 141, 274. 

Patironat, Kirchenpatronat 18, 14. 

Pauperismus, siehe Armuth. 

Pensionat, communales, für Arbeiterin- 
nen 161. 

Presse, Die, und die sociale Frage 164, 
165. 

Privatdarlehensverein ohne Hypothek 
817, 818, 819, 887. 

Productivgenossensohaft 160. 

Protectionistische Gesetzgebung für die 
Industrie im 18. Jahrhundert 30, 31. 

Baucher, Zahl derselben in Oesterreich 
268. 



— 293 — 



ReicLstag, constituirender 140, 14<}, 149, 
179, 180, 185, 186, 187, i>»8, 191, 194, 
198, 199, 201, 210, 212, 216, 217, 221, 
S22, 224, 225, 288, 2S0, 2S1, 234, 286, 
2S7, 254, 278, 279, 280, 281, 286, 287, 
289. 

Robot' 8, 9, 10, 13, 14, 19, 24, 26, 27, 
119, 181, 188, 187, 188, 194, 199, 830, 
234, 245, 248, 849, 850, 251. 

— Eintheilnng der Robot 10 ; allgemeine 
Bestimmimgeii der Robotleistung für 
Niederösterreich 10 ; -mrtbschafUicher 
WerUi der Robot 248 ; Befreiung von 
der Robot 99, 111 ; RoboUblOsnng 26, 
87, 119, 120, 121 ; Robotreluition 9 ; 
Robotabolition 9, 26, 27 ; Robotpatente 
von 1680, 1717, 1738:245; Robotabo- 
litionndecret von 1846 26, 27: Hof- 
kanzleidecret (Robotabolition betref- 
fend) vom 27. März 1848 ffir Nieder- 
österreich und Steiermark 120, 121; 
für Gallzien vom 17. April 1848: 181, 
122. 

Rusticalffründe 5, 119, 195, 215. 

Rusticalist 6. 

Schiedsgerichte, gewerbliche 174, 212, 
289, 278. 

Schnupfer, Zahl derselben in Oesterreich 
5{69. 

Schuldenmacherei in Wien 54, 859, 860. 

Septemberunruhen 214—282. 

Sicherheitsausschnss 139, 140, 141, 142, 
143, 144, 145, 158, 159, 1^0, 180, 201, 
202, 208, 204, 806, 210, 217, 221, 277. 

Sitzgesellen 52, 259. 

Socialistische Ideen vor 1848: 101, 108, 
103, 104, 105, 852. 

Sonntagsruhe 126, 178, 277. 

Sparcasse, Erste österreichische 183, 277; 
Run auf die Sparcassen 110, 138, 277. 

Standard of life in Oesterreich zu Be- 
ginn der Vierzigerjahre, siehe „Mitt- 
lere Lebenshaltung^'. 

Steuern. Armensteuer 85; Befugrnisstaxe 
41 ; Erwerbsteuer 41, 54 ; Grundsteuer 
21, 22 ; Häusersteuer 40 ; Yerzehmngs- 
stener 113, 117, 182—274 ; Steuerbemes- 
sung 22; Steuerrückstände in Wien 
1820 bis 184.5; 54; Steuerreform fran- 
ciscinische 22. 

Studentenelend in Wien 98, 94. 

Stückmeister 58, 259. 

Sturmpetition vom 15. BIail848: 136, 187* 

Tabakconsum 74, 267, 268, 869. 
Taxen 12. 13, 41, 879. 
Typographenverein 174, 175. 

Unterthan, Unterthänigkeit, Unterthänig- 
keitsverband , Unterthänigkeitsverhält- 



niss etc. 2, 3, 5, 6, 7, 8, 10, 11, 13, 
17, 18, 19, 80, 118, 119, 122, 132, 186, 
187, 192, 194, 195, 233, 235, 245, 246, 
247, 248. 

Unterthan, Aufhebung der Unterthänig- 
keit, siehe Grundentlastung; Patent 
vom 7. September 1848: 198, 234, 237. 

Unterthans- und Strafpatent von 1781 : 
215, 846. 

Urbarialgiebigkeiten 11, 22, 24, l^b. 

Veränderungspfundgeld 11, 13, 194. 

Vereinswesen, humanitäres vor dem 
Jahre 1848 : 81, 871 ; Vereine im Jahre 
1848 : 178, 178, 174, 175, 176, 177, 178, 
179, 274. 

Verfassung, octroyirte, vom 25. April 
1848 1 ISl, 132, 183, 134, 135, 136, 138, 
185, 186; octroyirte Verfassung vom 
7. (4.) März 184» : 233. 

Versicherungsanstalten für Arbeiter 274 
275. 

Viehzucht vor 1848 : 23. 

Viertellehner 7, 10. 

Vogteiherrschaft, Vog^iherr 12, 14, 19, 
21, 187, 194, 195. 
i Vog^eidienst 17. 

Vogthold 14, 19. 

Volksbank, die Volksbank Proudhons 152 ; 
Vorschläge zur Gründung von Volks- 
banken in Oesterreich 816, 217, 222, 
223. 

^Vanderungszwang 49. 
Wanderverbot 105. 

Wohlfahrtseinrichtungen in Fabriken 64. 
Wohnhäuser, gemeinsame 144. 
Wohnungsverhältnisse in Wien 75, 76, 

82, 83, 270. 
Wirthschaftsgenossenschaften 86, 87, 160. 

Zehent 15, 16, 17, 27, 119, 121, 187, 194, 
830, 250; Grösse des Zehents 16; Ze- 
hentablösung 119, 180, 121. 

Zehentherr, Zehentherrschaft 12, 15, 16, 
87, 180, 121, 195. 

Zehenthold 15, 27. 

Zuckerconsnm in Oesterreich vor 1848 : 
78, 264, 265. 

Zunft 30, 81, »2, 38, 39, 41, 44, 45, 49, 
147, 148, 238, 855, 257, 874, 278, 27», 
280, 881, 282, 283, 289. 

Zünftlerei, zünftleriache Bewegung im 
Vormärz 32, 38, 44, 45, 46, 47, 48; 
während der Revolution 147, 148, 149, 
880, 281, 282, 283, 284. 

Zünftige Meister 29, 44, 45, 46, 48, 49, 50. 

Zwischenhandel, Einschränkung dessel- 
ben 149. 



Namensregister. 



Abi 16] 

Adler Dr. Georg 272, 284. 
Albert A. M., franzönacher 
104. 



Socialist 



Bach, Dr. Alexander, Justizminister 180. 

Badorf, Weber 278. 

Bakunin Michael, 212, 213, 286. 

Bartl Johann, Setzer 89. 

Bauer, Märzgefallener 272. 

Baumgartner, Andreas v., Minister der 
öffentlichen Arbeiten 145. 

Bazard, französischer Socialist 102. 

Becher S., Dr., Statistiker 58. 

Beer, Dr. Adolf 255. 

Bern Josef, Revolutionsgeneral 185, 227, 
287. 

Berger, Adjutant der Nationalgarde 287. 

Bittner, Pt. Johann, Abgeordneter 192, 
254. 

Blanc Louis, französischer Socialist 
102, 103, 178, 181, 262. 

Börne Ludwig 103. 

Brestel, Dr. Rudolf, Abgeordneter 221. 

Brunner, Arbeiter, Verfasser einer Flug- 
schrift 273. 

Oabet, französischer Socialist 103. 

Chaises, Dr. Adolf 176, 177, 179. 

Oobenzl, Graf L. 255. 

Colloredo, Graf 139. 

Czapka, Ignaz von, Bürgermeister von 

Wien 100. 
Czömig, Karl Freiherr von, Statistiker 

264, 265. 

Dcmmer, Schuhmacher 259. 

Dieterici, Dr. C. J. W., Statistiker 253, 

262, 264, 265, 266. 
Doblboff, Anton Freiherr von, Minister 

des Innern 180, 219. 
Donhart, Mär/gefallener 272. 
Dragomanow, Michael, Schriftsteller 286. 
Dunder, W. ß., Schriftsteller 828, 287, 

288. 



Enfantin, französischer Socialist 102. 

Engländer, L. 274. 

Engländer, Sigmund Dr., Schriftsteller 
165, 170, 171, 284. 

Engstier, Franz, Setzer 89. 

Eppinger, Märzgefallener 273. 

Eynatten, A. F. Freiherr von, Feld- 
marschalllieutenant 224. 

Faschank, Johann, Abgeordneter 178. 

Ferdinand III., deutscher Kaiser 45. 

Ferdinand I., Kaiser von Oesterreich 51. 

Feuerbach, Ludwig, Philosoph 169. 

Fischhof, Dr. Adolf, Abgeordneter^ 
Präsident des Sicherheitsausschusses 
142, 201, 232. 

Flotow, Nationalökonom 248. 

Förster, Statistiker 253. 

Fourier, Charles, französischer Socialist 
103, 161, 169. 

Foumier, Dr. A. 255. 

Franz I., Kaiser von Oesterreich 18, Sl, 
32, 37, 39, 48. 

Friedmann, Mitglied des Gemeindeaus- 
schusses 278. 

Friedrich, Johann, Buchdrucker 88. 

Friedrich der Grosse, König von 
Preussen 30. 

Fürst, Märzgefallener 272. 

Füster, Dr. Anton, Professor, Abgeord- 
neter 93, 271, 286. 

Oall, Ludwig, deutscher Socialist 272. 

Gebhard, Märzgefallener 272. 

Gentz, Friedrich von, Publicist 255. 

Göhring, Schriftsteller 26, 254. 

Görgei, Arthur, General 235. 

Gohde, F., Schlossermeister 259. 

Goldmark, Dr. Josef, Abgeordneter 281. 

Grillparzer, Franz 209. 

Grün, Karl, Socialist 170. 

Qrützner, C, Journalist 164. 

Gfilich, Gustav von, Nationalökonom 

264, 265. 
Güstro, Märzgefallener 273. 



— 295 — 



fner, Leopold, Journalist 1S2, 164, 
165, 166, 167, 168, 170, J75, 284. 

Hauer, F. von, niederösterreichischer 
Reg^emngssecretär 247, 248. 

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Philo- 
soph 169. 

Heine, Heinrich 103. 

Herwegh, Georg 108. 

Herzen, Iw., Pauslavist 286. 

Hess, Moses, Socialist 170. 

Hillisch, Josef Hermann, Setzer 104, 
161, 164. 

Hirschmann, Märzgefallener 273. 

Hochleitner, Johann 274. 

Höger Karl, Arbeiterführer 262, 271, 273, 
284. 

Hombostel, Theodor, Handelsminipter 
180, 219, 223, 224, 278. 

Hoyos, Graf, Nationalgarde-Obercomman- 
dant 1S9. 

Huber, Victor Aime, Socialreformer 86 

Hueber, C. Ph., Setzer 164. 

Habner, Otto 215. 

Hummelauer, A. von, 274. 

Hye, Dr. Anton von, Professor 139. 

Jäger, A. 246. 

Jakob, NationalOkonom 248. 

Jellinek, Dr. Hermann, SchrifiBteller 165 

169, 170, 213, 252. 
Josef I., deutscher Kaiser 29. 
Josef II., deutscher Kaiser 18, 29, 30, 83, 

245. 
Iwan, Th. 215. 

Kaiina, Märzgefallener 273. 

Karl VI., deutscher Kaiser 45, 247. 

Kaspar. Dr. P. 874. 

Kees, St. von, Kameralist 262. 

Knolz, Dr. J. J., Landesprotomedikus 

63, 262. 
Köpl, Märzgefallener 272. 
Koller, J. N., Sattler 259. 
Krauss, Freiherr von, Finanzminister 287. 
Kremer, Joh. Heinrich Edler von 247. 
Kudlich, Hans, Abgeordneter 16, 186, 

187, 188, 189, J90, 193, 194, 196, 197, 

198, 199, 229, 248, 254, 285. 

Iiafargue, Paul, französischer Socialist 

155. 
Lamennais, H. F. R. de 103. 
Langer, Anton, Schriftsteller 82, 271, 274. 
Langer, Märzgefallener 272. 
Laser, Märzgefallener 272. 
Lassalle, Ferdinand 68. 
Lasser, Dr. J. Ritter von, Abgeordneter 

194, 196, 197, 198. 
Latour, Theodor Graf, Kriegsminister 

180, 224, 226. 
Latzel, Josef, Abgeordneter 216, 217. 
Leistler 154. 

Leopold I., deutscher Kaiser 245. 
Littera, Märzgefallener 273. 
Lyczni, Johann P. 247. 



Mahler, Moritz, Journalist 198. 

Maria Theresia, Kaiserin 18, 29, 30, 245. 

Marr, WUhelm, Socialist 170, 272. 

Martinitz, Rittmeister der Nationalgarde 
287. 

Marx, Dr. Karl 212, 213, 214, 286. 

Mansberger, Buchdrucker 88. 

Mayer, Arbeiter, Verfasser einer Flug- 
schrift 278. 

Mayer, Märzgefallener 272. 

Mayer, Sigmund, Schriftsteller 259. 

Meissner, Alfred, Dichter 103. 

Meszaros, Lazar, ungarischer Kriegs- 
minister 185. 

Metternich Fürst Lothar, Kanzler 44, 85, 
92. 

Meynert, Dr. Hermann, Historiker 254 
273. 

Minzes, Dr. Boris, Schriftsteller 286. 

Montecucolli, Graf 139. 

Mörl, Franz von, Amtmann 249. 

Müller, Dr. Wilhelm 250. 

Haske, Alois 284. 
Neumann, Dr. J. Professor 273-. 
Neuwall, Albert Ritter von, Abgeord- 
neter 222, 224. 

Ogarjow, russischer Schriftsteller 286. 

Parasol, Märzgefallener 272. 
Pauly, W. S. Ritter von 247 
Perin, Madame Caroline (Pasqualati). 

Präsidentin des I. Demokratischen 

Wiener Frauenvereines 169. 
Pillersdorf Franz, Freiherr von, Minister 

und Abgeordneter 222. 
Pretis, Dr. Johann, Abgeordneter 16. 
Proudhon, Pierre Joseph, französischer 

Socialist 86, 103, 104, 152, 153, 169, 

178, 181, 212. 

Hadler, Dr. Friedrich von 271. 
Reininger, Märzgefallener 272. 
Reschauer, Heinrich, Schriftsteller 44, 

48, 51, 255, 257, 279, 280, 281, 289. 
Richter, Franz 224. 
Riss, Märzgefallener 273. 
Rogge, Walter, Historiker 289. 
Röscher, Wilhelm, Nationalökonom 248. 
Rossi, Karl 274. 
Rülke, Z., Student und Journalist 164. 

Saint-Simon, französischer Socialist 103, 

168. 
Sambeck, Märzgefallener 272. 
Sander, Friedrich, Obmann des ersten 

Arbeitervereines 104, 168, 164, 175, 

284. 
Scherzer, Karl, Buchdrucker 174, 175. 
Schick, L., Schriftsteller 273. 
Schmaleck, Märzgefallener 272. 
Schmidt, Arbeiter 164. 
Schneider, Franz, Tischler 154, 284.