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Full text of "Dr. C. Landberg's "Studien" geprüft von C. Snouck Hurgronje"

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Hurgronje,  Christian  Snouck 
Dr.  C.  Landberg 's  "Studien" 


,  J 
602 


D\  C.  LANDBERG'S  „STUDIEN" 


GEPRÜFT  VON 


J)\  C.  SNOUCK  HURGRONJE. 


COMMISSIONS- VERLAG 

VON 

E.  J.  BRILL    —  LEIDEN. 

188  7. 


D^  C.  LANDBERG'S  „STUDIEN 


?5 


GEPRÜFT  VON 


D\  C.  SNOUCK  HUKGRONJE. 


COMMISSTONS-VERLAG 

VON 

E.  J.  BRILL.  —  LEIDEN. 

188  7. 


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C_5 


(Landberg,    Proverbes   et  Dictons  I:  120,  vgl.  Burckhardt,  Man- 
ners  and  Customs,  N°.  591). 


Herr  Landberg  hat  vor  ein  paar  Wochen  eine  höchst 
eigenthümliche  Gabe  ')  mit  milder  Hand  an  seine  Fachgenos- 
sen vertheilt.  Der  halb  deutsche,  halb  lateinische  Titel  seiner 
Gritica  macht  uns  begierig  zu  sehen,  in  welcher  von  diesen 
beiden  Sprachen  das  Buch  selbst  abgefasst  sein  mag :  da  über- 
rascht unser  Auge  eine  französische  Vorrede!  Darauf  bespricht 
der  Verf.  in  deutscher  Sprache  eine  Textausgabe  D-  H.  Mül- 
lers, in  französischer  Sprache  zwei  resp.  von  de  Goeje  und 
Houtsma  herausgegebene  arabische  Texte,  sodann  folgt  ein 
deutscher  Aufsatz  über  meine  y> Mekkanische  Sprichwörter  und 
Redensarten'^  welcher  mehr  als  ein  Drittel  des  ganzen  Buches 
einnimmt,  und  nach  des  Verf.  eigner  Aeusserung  (S.  88:  »ich 
habe  daher  auch  nur  Studien  über  sein  Buch  ,  keine  eigent- 
liche Gritica  gemacht")  eigentlich  gar  nicht  in  dasselbe  hinein 
gehört.  Französische  Mittheilungen  über  schwedische  Preis- 
aufgaben und  über  den  nächsten  Orientalistencongress  bilden 
den  Schluss  dieses   Sammelsuriums. 

Herr   Landberg   scheint  eine  Vorliebe  für  das  Veröffentli- 
chen  Ister  Bände,   resp.   Lieferungen,  zu  haben:  die  Vorrede 


1)   Critiea  arahica  von  Dr.  Carlo  Graf  von  Landberg,  N°.  I,  Leiden  1887. 


zum  ersten  Bande  seiner  ,)Proverhes  et  dictons  du  peuple 
arabe'\  mit  welchem  er  1883  in  Leipzig  in  absentia  in  der 
Philosophie  promovirt  hat,  eröffnet  den  Lesern  die  Aussicht 
auf  baldige  Fortsetzung  dieser  sprachlichen  Studien  in  14 
neuen  Bänden.  Statt  dieser  hat  dann  aber  Landberg  1886 
das  erste  Fascikel  seiner  y>Prhneurs  Arabes"  und  jetzt  wie- 
der die  erste  Lieferung  seiner  y^Critica'''  erscheinen  lassen. 
Schon  dieser  Umstand  macht  es  erklärlich,  dass  ich  auf  den 
gastfreien  Vorschlag  des  Verf.,  eine  etwaige  Erwiderung  für 
eine  folgende  Nummer  zu  schreiben,  nicht  eingehen  kann; 
meine  Ablehnung  der  ÄiL^A»  hat  aber  auch  noch  andere  Q-ründe, 
welche  sich  aus  dem  Nachfolgenden  von  selbst"  ergeben  wer- 
den. Was  ich  zu  sagen  habe ,  lege  ich  also  ohne  jegliche  Ver- 
mittlung  den   Sachverständigen  vor. 

Herr  Landberg  hat  den  Vortheil  gehabt,  ziemlich  lange 
im  muslimischen  Orient  zu  leben,  länger  als  dies  gewöhnlich 
den  wenigen  Orientalisten  vergönnt  ist,  welche  überhaupt 
reisen  können.  Er  übertreibt  zwar,  wenn  er  hie  und  da  sei- 
nen Aufenthalt  im  Orient  auf  neun  Jahre  ansetzt,  denn  zwi- 
schen Anfang  und  Ende  dieser  Periode  liegt  doch  ein  nicht 
ganz  unbedeutender  Zeitraum,  den  L.  in  Europa  verbrachte. 
Auch  macht  es  einen  Unterschied  aus,  ob  man  mit  ziemlich 
dürftigen  Kenntnissen  des  Arabischen  in  den  Orient  kommt, 
oder  ob   man   vorher   eingehende    Studien    gemacht  hat,  und 


also  von  Anfang  an  über  gute  Instrumente  zur  Beobachtung 
sprachlicher  und  ethnographischer  Verhältnisse  verfügt-  Es 
bleibt  aber  die  Thatsache  bestehen ,  dass  L.  mehrere  Jahre  in 
Syrien  gelebt,  Egypten  zu  wiederholten  Malen  besucht,  und 
sich  dort  energisch  mit  dem  Studium  der  arabischen  Sprache 
befasst  hat.  Daher  war  denn  auch  der  erste  Band  seiner  Pro- 
verbes  den  Arabisten  Europa's  eine  höchst  willkommene  Er- 
scheinung; namentlich  die  erstmalige  Lektüre  desselben  übt 
eine  anregende  "Wirkung  aus  Wer  das  Buch  durchstudirt  oder 
auf  die  Dauer  benutzt,  wird  etwas  enttäuscht:  viele  Sprich- 
wörter ,  auch  solche ,  bei  deren  Besprechung  der  Verf.  seine 
Vorgänger  nicht  erwähnt,  sind  nur  der  Form  nach  neu;  vie- 
les Grammatische  hatte  schon  Spitta  ebenso  behandelt  wie 
Landberg;  vieles  Lexicographische  war  ebenfalls  schon  be- 
kannt, z.  B.  durch  Dozy,  dem  Landberg  so  viele  Vorwürfe 
macht,  dass  man  wenigstens  sollte  erwarten  können,  auch 
seine  Verdienste  da  anerkannt  zu  sehen,  wo  Landberg  von 
ihm  Gesagtes  wiederholt.  Zieht  man  von  den  316  Seiten 
seiner  Dissertation  dasjenige  ab,  was  Andere  schon  vor 
ihm  gesagt  hatten,  so  bleibt  ein  kleiner  Band  übrig,  der  sehr 
nützliche  Beiträge  zur  Kenntniss  des  syrischen  Dialectes  und 
einiges  über  die  Sitten  der  Syrer  enthält,  dessen  Inhalt  aber 
der  etwas  prahlerischen ,  in  endlosen  Wiederholungen  sich 
gefallenden  Introduction  nicht  entspricht.    Je  mehr  Bewunde- 


rung  man  für  das  unverkennbare  Talent  des  Verf.  der  iPro- 
verhes'''  gewonnen  hat,  um  so  lebhafter  bedauert  man,  dass 
der  fruchtbaren  Entwicklung  dieser  Begabung  eine  Eigen- 
schaft im  Wege  steht,  welche  den  Dilettanten  vom  wissen- 
schaftlichen Forscher  unterscheidet:  die  maasslose  Ueberschätz- 
ung  eigner  Kräfte  und  Kenntnisse.  Vielleicht  mit  hiedurch 
verursacht  ist  Landberg's  ungemeine  Neigung  zum  Generali- 
siren,  welche  sich  gleichfalls  schon  in  seinen  Proverhes  dem 
aufmerksamen  Leser  zeigt.  Schon  die  Worte  »überall",  »nir- 
gends", »im  ganzen  Orient",  »alle  Araber",  »kein  Araber" 
u.  dgl.,  welchen  wir  auf  Schritt  und  Tritt  begegnen ,  zeugen 
davon.  Solche  allgemeine  Urtheile  sind  im  gewöhnlichen  Ver- 
kehr Zeichen  des  Mangels  an  Erfahrung ,  oder  auch  einfache 
lapstis  linguae\  wer  aber  in  wissenschaftlichen  Schriften  sich 
davor  nicht  zu  hüten  weiss,  entbehrt  der  Schulung,  und  hat 
keinen  Anspruch  auf  das  Vertrauen  seiner  Leser,  Ich  muss 
gestehen,  dass  mein  Glaube  an  die  Eichtigkeit  vieler  allzu 
bestimmt  formulirter  und  generalisirender  Urtheile  Landberg's 
in  seinen  Proverhes  schon  bedenklich  erschüttert  war,  als  ich 
nach  Arabien  reiste.  Als  ich  nun  in  Erfahrung  brachte ,  dass 
z.  B.  ein  Sprichwort,  von  welchem  Landberg,  Proverhes ,  In- 
iroduction,  S.  XI,  mit  besonderem  Nachdruck  betont,  dass 
es  der  ungebildeten  Menge  unbekannt  sei,  in  Dschidda  und 
Mekka  allgemein  bekannt  ist  und  von  völlig  Ungebildeten  oft 


gebraucht  wird,  als  ich  an  Ort  und  Stelle  constatirt  hatte, 
dass  nahezu  alles ,  was  er  über  Mekka  mittheilte ,  falsch 
war,  und  manche  auf  das  ganze  arabische  Sprachgebiet  sich 
beziehende  Mittheilung  im  Hidschäz  nicht  zutraf  ^) ,  da  verlor 
Landberg  für  mich  gänzlich  die  Würde  eines  lA^Ä^,  mit 
welcher  er  sich  einstweilen  selbst  bekleidet  hatte. 

lieber  den  Zweck  meiner  Reise  nach  Arabien  habe  ich 
mich  wiederholentlich  geäussert;  in  meinem  Buche  oMekka- 
nische    Sprichwörter",    S.    1    folgendermaassen :   »  .  .  .  .  beab- 

» sichtigte  ich die  Beobachtung  des  vom  Islam  beherrschten 

-»häuslichen  und  gesellschaftlichen  Lebens  an  einem  Funkte,  ivo 
•»die  muslimische  Cultur  von  europäischen  Einflüssen  am  ivenig. 
y>sten  berührt  ist  und  gar  nicht  von  Europa  controllirt  wird. 
»Zugleich  wollte  ich  mit  eignen  Augen  sehen,  welche  Wir- 
»kungen  der  Islam  von  jenem  Centrum  aus  auf  die  Länder 
»ausübt,  woher  jährlich  Pilger  dahin  zusammenströmen,  na- 
»mentlich  in  Bezug  auf  die  ostindische  Inselwelt."  Durch 
Landberg's  Brille  gelesen  heisst  dies  (Critica,  S.  54):  »sein 
»Zweck  war  nur  Hidjäz  zu  besuchen,  um  da  insbesondere  mit 
»indisch-holländischen  (!)  Pilgern  zu  verkehren."    Ganz  abge- 


1)  In  Bezug  auf  eine  von  seinen  sprachlichen  Neuigkeiten  giht  er  dies  zu; 
Critica,  S.  69:  »Im  ersten  Band  meiner  Prov.  et  Dict.  habe  ich  Unrecht  ge- 
habt, überall  n.inn  zu  schreiben".  Er  hatte  dies  aber  nicht  nur  geschrieben, 
sondern  ausdrücklich  die  Ansicht,  dass  diese  Regel  nicht  ausnahmslos  gelte, 
als  falsch  hingestellt  {Proverbes,  S.  1). 


sehen  davon ,  dass  letztere  Species  von  Pilgern  mir  völlig  unbe- 
kannt ist ,  wird  man  zugeben ,  dass  Herr  Landberg  in  der  Lese- 
kunst noch  Fortschritte  zu  machen  hat.  Ich  wollte  nur  hervor- 
heben, dass  der  Hauptzweck  meiner  Reise  nicht  die  Förderung 
sprachlicher  Studien  war,  weil  man  mir  sonst  mit  vielem  Rechte 
hätte  vorwerfen  können ,  dass  ich  keine  reichere  Ernte  von  Da- 
ten über  allerlei  andere  arabische  Dialecte  ausser  dem  mekka- 
nischen  heimbrachte.  Mekka  wäre  nämlich  zur  Sammlung  sol- 
ches Materials  ein  sehr  geeigneter  Ort,  weil  es  dort,  ausser  den 
zahllosen  fremden  «Gästen",  bedeutende  Kolonien  von  Syrern , 
Egyptern,  Hadhraral's  u.  s.  w.  gibt,  sodass  man  jeden  Tag  die 
verschiedensten  Dialecte  und  Nüancirungen  beobachten  kann. 
Es  klingt  etwas  komisch ,  Herrn  Landberg  sagen  zu  hören  (Cri- 
tica,  S.  54),    »dass  Snouck  nur  den  Mekkadialect  kennt";  ich 
glaube  doch ,  dass  ich  die  ausgezeichneten  Hülfsmittel  für  die 
Kenntnis  der  Sprache  Qairo's,  welche  wir  Spitta  verdanken,  or- 
dentlich benutzt  habe;  auch  kenne  ich  verschiedene  Arbeiten 
über  den  syrischen  Dialect.  Wenn  man  mit  dieser  Vorbereitung 
ein  Jahr  lang  fast  nichts  Anderes  als  Arabisch  hört  und  spricht, 
so  darf  man  wohl  beiläufig  (und  ich  habe  dies  nur  höchst  selten 
gethan)  über  die  Dialecte  Syriens  und  Egyptens  ein  Wort  mitre- 
den.   Mir  liegt  die  Absicht  fern ,  mit  Herrn  Landberg  im  Selbst- 
lobe zu  wetteifern ;  aber  die  Beschränkung  meiner  Bekanntschaft 
mit  Modernarabisch  auf  den  Dialect  Mekka's  lasse  ich  doch  nur 


9 

fast  in  gleichem  Maasse  gelten ,  wie  die  der  seinigen  auf  den 
Dialect  der  Syrer.  Bleibt  der  Unterschied ,  dass  ich  über  einen 
andern  Dialect  als  den  mekkanischen  fast  nie  ein  Wort  gesagt 
habe,  ohne  meine  Autoritäten  zu  nennen,  während  L.  immerfort 
über  alle  Araber  und  alle  arabische  Länder  spricht,  als  hätte 
er  die  Wundermacht ,  sich  zu  vertausendfältigeu.  Ich  sah  mich 
aus  den  oben  angegebenen  Gründen  genöthigt ,  nur  den  eigent- 
lichen Mekkadialect  zum  Objecto  meiner  sprachlichen  Beobach- 
tung zu  machen,  das  Studium  der  andern  dort  gesprochenen 
Dialecte  aber  nur  insofern  zu  treiben ,  als  sich  mir  zufällig  die 
Gelegenheit  dazu  darbot.  Wie  die  Sprache  Mekka's  sich  ent- 
wickelt hat ,  welchen  fremden  Einflüssen  dieselbe  immerfort  aus- 
gesetzt ist,  welche  Umstände«  ihr  trotzdem  einen  eignen,  im 
Wortschatz  und  in  der  Grammatik  ziemlich  stark  ausgeprägten, 
Charakter  erhalten  haben,  das  alles  habe  ich  in  kurzem  S.  2 
meiner  Sprichwörter  angedeutet;  vergl.  auch  meinen  dem- 
nächst in  den  y) Abhandlungen  der  Gesellschaft  für  Erdkunde'"' 
in  Berlin  zu  veröffentlichenden  Vortrag.  Wenn  die  von  Land- 
berg formulirte  Frage  «wo  man  am  besten  Arabisch  spreche" 
wirklich  eine  Frage  wäre ,  und  wenn  man  zu  deren  Entschei- 
dung wirklich,  wie  er  jetzt  ')  (Critica,  S.  55)  will,  die  schul- 


1)  Alles  gänzlich  gegen  die  von  Landberg  selbst  in  der  Introduction  zu 
seinen  Proverbes  et  Dictons  aufgestellten  Grundsätze ,  welche  durch  seine  neueste 
Offenbarung   -abrogirt"  zu  sein  scheinen. 


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massige  Schriftsprache  als  Maassstab  anzuwenden  hätte,  so  hätte 
ich  das  Recht,  mein  Scherflein  zur  Lösung  dieses  Problems 
beizutragen ;  jeder  vorurtheilsfreie  Sachverständige  würde  mir 
zugeben,  dass  man  in  diesem  Falle  den  Dialect  Mekka's  dem 
syrischen  und  dem  egyptischen  vorziehen  müsste.  Wenn  ich  nicht 
irre,  wird  aber  Landberg  mit  der  Anwendung  dieses  ebenso 
weinig  ästhetischen  als  wissenschaftlichen  Criteriums  ziemlich 
allein  stehen.  Die  Frage ,  »wo  man  am  besten  Deutsch  spreche" 
(gleich  darauf  wirft  Landberg  diese  Frage  zusammen  mit  der 
andern,  wo  »die  deutsche  Sprache  am  schönsten  klingt",  Cri- 
Uca,  S.  55) ,  sollte  er  nicht  zum  Vergleiche  heranziehen ,  da 
hier  die  Schriftsprache  sich  in  ganz  anderm  Maasse  als  dort, 
unter  dem  Einflüsse  der  modernen  Bedürfnisse  entwickelt  hat. 
Landberg's  wie  immer  mit  grossem  Selbstvertrauen  geäusserte 
Ansicht  über  das  beste  Deutsch  wird  höchsi  eigenthümlich  be- 
leuchtet durch  das  Deutsch,  welches  er  selbst  in  seinen  Criiica 
schreibt.  Sätze  wie  die  auf  S.  9,  2;  S.  17;  »5e(^t«wsprache" 
(S.  56);  »^JJjjLj  von  ^C>^.\^i  entstanden"  (S.  63);  ^)beweisst"  (S. 
67),  »um  zu  bewiesen"  (S.  82) ;  »grossen  Handel  mit  Europeer" 
(S.  81);  »alle  diesen  ijjJtJl-Wörter"  (S.  83),  y>die  alte  Aussprachen 
(S.  67);  »was  mit  der  iCjjc  keine  Bedingung  ist"  (S.  83);  »ich 
kenne  nur,  dass"  (S.  86);  »Jungeselle"  (S.  83)  u.  s.  w.  können 
zur  Noth  als  Nachlässigkeitsfehler  gelten ,  zumal  auch  die  fran- 
zösischen Aufsätze  nichts  weniger  als  fehlerfrei  sind;  aber  »alte 


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Poesien'^  (S.  8)  für  »Gedichte",  »gute  Verfasser'''  für  »Schrift- 
steller" (S,  75)  sind  arge  Schnitzer  für  einen  Gelehrten ,  der  in 
Deutschland  studirt  hat  und  seit  langer  Zeit  in  Deutschland 
lebt.  Oder  sind  das  Proben  eines  solchen  »Naturproduktes", 
wie  es  bei  Landberg  (S.  88)  heisst,  »dessen  Würdiging  keine 
Abstufungen  hat"  ? !  Wir  können  darin  nur  Beweise  eines  sel- 
tenen Mangels  an  Selbsterkenntniss  sehen;  solche  Erscheinun- 
gen legen  einem  die  Frage  nahe:  sollte  vielleicht  das  Selbst- 
bewusstsein,  mit  welchem  Landberg  sprachliche  Fragen  auf 
arabischem  Gebiete  entscheidet,  in  ähnlichem  Yerhältniss  zu 
seinen  Sachkenntnissen  stehen .  wie  auf  deutschem  ?  Die  Ant- 
wort wird  uns  um  so  schwieriger,  als  Landberg  in  den  Gritica 
noch  allerlei  andere  Eigenschaften  unverhüllt  zeigt,  welche  in 
den  Proverbes  noch  nicht  so  deutlich  hervortraten,  welche  aber 
den  Werth  seiner  wissenschaftlichen  Thätigkeit  leider  sehr  be- 
einträchtigen. 

Zunächst  fällt  uns  die  bedenkliche  Schwäche  seines  Ge- 
dächtnisses auf.  Einige  Aeusscrungen  in  der  Introduciion 
zu  den  Proverbes  lauten  dahin ,  dass  der  Verf.  mit  seiner 
Reise  nach  Syrien  nicht  in  erster  Linie ,  geschweige  denn  aus- 
schliesslich,  sprachliche  Untersuchungen  beabsichtigte;  S.  VIII: 
y>je  ne  prenais  ces  legons  que  dans  le  but  de  bien  connaitre  la 
•»langue  et  les  habitiides  du  peuple  chez  leqiielf  habitais^^  '^  seine 
Aufzeichnungen    machte    er    nur    y>pour   (son)  propre   usage" 


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(S.  XLYI);  die  Förderung  unserer  Sprachstudien  durch  die 
Veröffentlichung  dieser  Beiträge  verdanken  wir  dem  Zufalle, 
der  Landberg  mit  Spitta  zusammenbrachte  (S.  VII) ;  er  selbst 
hatte  nnuUement  Vintention  de  publier  un  jour  les  rhultats  de 
y>{ses)  ^ticdes'''  (S.  VIII).  Das  wären  also  zum  Zwecke  der  eignen 
Belehrung,  in  Ermangelung  brauchbarer  Hilfsmittel  gemachte 
Notizen,  welche  ursprünglich  nur  dazu  dienen  sollten,  Herrn 
Landberg  die  orientalische  Welt  vertrauter  7,u  machen.  Was 
ihn  eigentlich  dorthin  geführt  hatte,  ging  die  Leser  seiner 
Sprachstudien  nichts  an ;  beiläufig  hören  wir  (S.  XLIV,  Anm.), 
dass  er  in  Qaidä  vier  Jahre  mit  archäologischen  Ausgrabungen 
beschäftigt  war.  Jetzt  erfahren  wir  plötzlich  aus  den  Critica 
(S.  55),  dass  Landberg  ^während  langer  Jahre  im  ganzen 
y>  Orient  {sie!)  herumgewandert  ist^  nur  um  die  Dia- 
y>lekte  zu  studiren^\ 

In  der  oben  citirten  Iniroduction  verbreitet  sich  Landborg 
über  die  Frage ,  wie  viel ,  oder  vielmehr :  wie  wenig  von  der 
schulmässigen  Aussprache,  Grammatik  u.  s.  w.  je  zur  lebenden 
Sprache  gehört  haben  mag.  Die  damals  von  ihm  vertretenen 
Ansichten  über  das  Verhältniss  der  officiellen  Xiti  zur  leben- 
den Sprache  scheint  er  seitdem  aufgegeben  zu  haben.  Mit 
grossem  Nachdruck  hatte  er  dort  das  sehr  frühe  Verschwin- 
den des  vl;^'  ^^^  ^®^  lebenden  Sprache  betont;  im  heutigen 
Arabisch  seien  nur  noch  kleine  Ueberreste  des  v'/^^  vorhanden; 


13 

sogar  die  Bann  Fahm,  deren  Dialect  als  der  «beste"  gelte,  wen- 
den denselben  nur  ausnahmsweise  an.  y>Des  savantfi  Mecquois  que 
yifai  beaucoup  friquentes  ni'ont  assur^  que  la  trihu  qui  a  Vunani- 
yttniU  est  considirde  par  les  habitants  du  Hegdz  comme  Üant  celle 
y>qui  parle  Varabe  U  ijlus  classique,  les  j«45_yj,  ne  se  sert  de 
ylTräb  que  par  exception^\  (S.  XXIX).  Dieselbe  Beobachtung 
habe  Landberg  bei  allen  Beduinen  gemacht,  mit  denen  er 
gesprochen.  Ich  kann  diese  Behauptung  zum  Theil  bestätigen, 
muss  sie  aber  auch  etwas  näher  beleuchten.  Fast  alle  mekkani- 
schen  Gelehrten  erkennen  den  Fehm  den  Vorzug  der  Sprach- 
reinheit zu;  fast  keiner  von  ihnen  ist  aber  je  mit  einem  leib- 
haftigen Fehmi  zusammengekommen.  Die  geltende  Ansicht 
über  die  Fehm  hat  gewiss  ihre  Begründung ;  wie  dieselbe  aber 
jetzt  gang  und  gäbe  ist ,  zeigt  sie  die  unverkennbaren  Eigen- 
thümlichkeiten  einer  Legende.  Dies  bemerkt  man  nicht ,  wenn 
man  in  Syrien  dann  und  wann  einen  Mekkaner  einfängt ;  um  so 
klarer  wird  es  aber ,  wenn  man  l-  Jahr  zu  den  Studenten  der 
mekkanischen  Moschee  zählt,  wie  ich  dies  gethan  habe.  Ge- 
wöhnlich erzählt  man,  dass  die  Bern  Fehm,  obgleich  sie  da- 
mals noch  Ungläubige  waren ,  dem  Propheten  irgend  eine 
besondere  Ehre  erwiesen  hätten,  während  die  Benj  Kelb  die 
Gesandten  Muhammeds  schmählich  zurückwiesen.  Darauf  habe 
der  Prophet  ein  *cO  gesprochen ,  und  infolge  dessen  seien  die 
Fehm  von  Allah  mit  der  schönsten  Aussprache  des  Arabischen 


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ausgestattet  worden,  während  die  Kelh  dazu  verdammt  wur- 
den, zu  bellen  wie  die  Hunde.  Und  so  blieb  es  'Ä^  U^  ^i,l. 
Diese  Legende  wird  in  verschiedenen  Formen  erzählt,  und 
wenn  jemand  behauptet,  er  habe  mit  FehmVs  gesprochen, 
die  sich  gar  nicht  durch  K:>La5  auszeichneten,  so  wird  sein 
Fall  als  Ausnahme  abgefertigt.  Auch  mir  wurde  immer  auf 
meine  diesbezügliche  Frage  geantwortet,  vom  I'^rab  sei  bei 
den  Fehn  so  wenig  wie  bei  irgend  einem  andern  Stamme  die 
Rede. 

Jetzt  gibt  uns  aber  Landberg  {Critica,  S.  56)  auf  einmal 
die  idyllische  Erzählung  seiner  Begegnung  mit  einem  Mädchen 
aus  dem  Fehmstamme,  in  Dschidda,  und  zwar  -»vor  einigen 
Jahren",  jedenfalls  bevor  er  die  oben  citirte  Introduction  schrieb. 
Er  citirt  einen  von  ihr  gesprochenen  Satz  mit  vollständigem 
1  rab  und  setzt  hinzu:  i)So  sprach  sie  es  aus,  genau  so  ivie  ich 
«es  hier  geschrieben  habe,  mit  allen  Vokalßnessen  der  klassi- 
T> sehen  Sprache''\  War  nun  diese  wunderbare  Begegnung  1882 
Landberg's  Gedächtnisse  entschwunden,  oder  hat  die  Erinne- 
rung an  »das  reizende,  natürliche  Mädchen"  ihre  Sprache 
nachträglich  etwas  klassischer  erscheinen  lassen  als  sie  war? 
Auf  alle  Fälle  wäre  Herrn  Landberg  bei  seinem  flüchtigen 
Besuche  Dschidda's  das  Glück  besonders  hold  gewesen;  denn 
die  mir  bekannten  Dschiddäwl's  und  Mekkäwi's  wissen  von 
der  Existenz  solcher  Mädchen  nicht. 


15 

Ich  will  noch  ein  weiteres  Beispiel  geben,  das  zugleich  be- 
zeichnend ist  für  den  Leichtsinn,  mit  welchem  Landberg  Per- 
sonen beurtheilt.  Auf  dem  Orientalistencongresse  in  Wien  habe 
ich  mein  von  L.  besprochenes  Buch  mit  einem  Vortrage  bei 
der  semitischen  Section  eingeführt.  In  diesem  Vortrage  be- 
kämpfte ich  die  von  diesem  und  jenem  (u.  a,  auch  von  Land- 
berg) ausgesprochene  Ansicht,  dass  fast  alle  arabischen  Ge- 
lehrten mit  Geringschätzung  auf  die  Volkssprache  und  die 
volksthümlichen  Sitten  herabsehen.  Zur  Erhärtung  meines 
Widerspruchs  berief  ich  mich  auf  die  von  Burckhardt  heraus- 
gegebene Sprichwörtersaramlung,  welche  von  einem  egypti- 
schen  Gelehrten  herrührt;  ferner  auf  meine  persönliche  Er- 
fahrung mit  dem  jungen  egyptischen  Gelehrten  Abd  er-Eahim 
Efendl  Ahmed.  Letzterer  benutzte  seine  ehemalige  Professur 
am  Dar  el-'ulmn  in  Qairo ,  welche  ihn  mit  jungen  Leuten  aus 
ganz  Egypten  in  Berührung  brachte ,  zum  Sammeln  der  Sprich- 
wörter und  Redensarten  seiner  Heimath ;  Collegen  und  Schü- 
ler förderten  seine  Bemühungen ,  und  vor  ein  paar  Jahren  hat- 
ten sie  ungefähr  1500  Sprichwörter  zusammengebracht.  Der 
junge  Mann  stellte  mir  auf  meine  Anfrage  die  ganze  Samm- 
lung zur  etwaigen  Herausgabe  zur  Verfügung;  im  Frühjahr 
1886  arbeiteten  wir  einige  Wochen  täglich  von  frühmorgens 
bis  Mitternacht  am  Commentar.  Da  ich  einstweilen  für  die 
endgiltige   Bearbeitung   keine  Zeit  erübrigen  konnte,  machte 


16 

ich  in  "Wien  die  Faehgenossen  mit  der  Sachlage  bekannt, 
theilte  die  nöthigen  Personalia  über  meinen  egyptischen  Freund 
mit,  und  zollte  ihm  die  ihm  zukommende  Ehre.  Letzteres  um 
so  lieber,  als  ich  ihn  während  unseres  Zusammenseins  als  einen 
tüchtigen  Gelehrten  hatte  kennen  lernen,  der  sich  aufs  leb- 
hafteste für  das  volksthümliche  Wesen  in  seiner  Heimath  inte- 
ressirte.  Herr  Landberg  sass  während  meines  Vortrags  neben  mir 
und  schien  aufmerksam  zuzuhören.  Einige  Monate  später  rich- 
tete er  brieflich  an  mich  die  Frage,  wer  denn  der  Abd  er-Eahim 
Efendi  Ahmed  sei ,  den  ich  ein  paar  mal  in  meiner  Mekkani- 
schen Sprichwörtersammlung  citire  ?  Abermals  habe  ich  dann 
Herrn  Landberg  dasselbe  mitgetheilt  wie  früher.  Jetzt  bezeich- 
net er  (Critica^  S,  85)  in  unverschämter  "Weise  meinen  Freund 
als  )->den  in  Cairo  als  sehr  Ignorant  ivohl  bekannten  Oheregyp- 
ter^\  "Wer  die  Bedeutung  der  "Worte  »Freundschaft"  und 
»Neid"  in  der  muhammedanischen  Gesellschaft  kennt,  be- 
greift, wie  leicht  sich  Landbei'g  ein  solches  Gutachten  aus 
Qairo  bestellen  konnte ,  zumal  mein  Egypter  wegen  der  schö- 
nen Stellung,  die  er  jetzt  einnimmt,  viele  Neider  hat.  Zu  weit 
geht  es  aber ,  wenn  Landberg  ein  Sprichwort ,  welches  ich  in 
Mekka  von  Dutzenden  von  Egyptern  gehört  habe ,  von  Mek- 
kanern aber  nur  mit  dem  Zusätze:  »wie  die  Egypter  sagen", 
mit  den  "Worten  abfertigt  (Critica,  S.  86) :  r<Müd  ahsan  min  läS 
»ist   violleicht   auch  eine  Specialität   Abd  er-RahIm  Efendi's, 


17 

denn  in  Egypten  ist  es  gänzlich  unbekannt".  Ein  solches 
Urtheil  wirft  die  Beschuldigung  der  Ignoranz  auf  seinen  Ur- 
heber zurück  ^). 

Ob  es  bloss  Ignoranz  ist,  wenn  Landborg  zu  wiederholten 
Malen  aus  meinen  Worten  etwas  anderes  herausliest,  als  sie  ent- 
halten, mitunter  sogar  das  Gegentheil  davon ,  das  wage  ich  nicht 
zu  entscheiden.  S.  74 — 75  sagt  er:  «JL^-L  (lies:  J-woi-b)  und  8.4.Jb 
sind  doch  nicht  synonym" ,  während  ich  in  der  angeführten 
Stelle  nur  mitgetheilt  habe,  dass  beide  Wörter  in  Mekka  in  der 
Bedeutung  »sehr,  äusserst"  vorkommen.  Was  Landberg  a.  a.  0. 
weiter  über  diese  Wörter  und  über  (j^Li-  sagt ,  gilt  alles  für 
Mekka  nicht  —  yon  anderen  Ländern  habe  ich  nicht  gesprochen. 
Dass  y>mä  suftuh  marrah  sonst  überall  »ich  habe  ihn  einmal  ge- 
^) »sehen"  heissen  würde""  (Critica,  S.  75)  ist  mir  wirklich  neu. 
»Die  IVte  Form  des  Zeitwortes  (Jotsl)  ist"  {Critica,  S.  67) 
»doch  nicht  so  selten  wie  Snouck  mit  Spitta  annimmt".  Ich 
habe,  S.  28  meiner  »Sprichwörter",  nur  die  bekannte  That- 
sache    erwähnt,     dass    im    Neuarabischen     »der    IV^e    Stamm 


1)  Derselbe  Leichtsinn  hat  dem  Verf.  der  Critica  (S.  75)  die  Worte  in 
die  Feder  gegeben:  »Dass  die  Mekkaner  die  schlimmsten  Teufel  der  Welt 
»sind,  weiss  jedes  Kind  ausserhalb  Hidjäz".  Jedes  Kind  urtheilt  allerdings  ebenso 
oberflächlich  wie  Dr.  Landberg,  und  hat  die  gleiche  Neigung  zum  General isireu. 
Jeder  besonnene  Beobachter  aber ,  der  die  Mekkaner  in  der  ruhigen  Jahreszeit , 
ausserhalb  der  Pilgergeschäfte,  kennen  lernt,  bemerkt,  dass  sie  besser  sind  als 
ihr  Raf.  Vgl.  meine  »Sprichwörter",  S.  72  und  meinen  in  Berlin  gehaltenen 
Vortrag. 

2 


18 

y>meistens  von  dem  Uten  verdrängt  worden  ist".  Was  hat  nun 
damit  die  von  Landberg,  S.  67  ff.  gegebene  Liste  IV^ß''  Stämme 
zu  thun  ?  Yieles  von  ihm  Angeführte  kommt  gar  nicht  in  Be- 
tracht, da  man  nur  das  Participium  gebraucht;  andere  Bei- 
spiele  kommen  in  meiner  Sprichwörtersammlung  vor  {^^^) , 
welche  auch  noch  die  von  Landberg  nicht  genannten ;  ^;yjoi 
und  ^;j*w«'  enthält.  Hätte  ich  diesen  Gegenstand  eingehender 
besprechen  wollen,  so  hätte  ich  noch  andere  Formen  aufge- 
führt ,  welche  man  in  Mekka  gebraucht ,  und  welche  Landberg 
unbekannt  zu  sein  scheinen,  z.  B.  (^Jooi  in  ^^f  Ljtjs^'  L«, 
»j^  Laj'-^-*:}  ^  d.  h.  »wir  haben  heute  nicht  Zeit  genug  ge- 
»habt",  »werden  morgen  nicht  Zeit  genug  haben".  Einige 
von  Landberg's  Beispielen  gehören  zu  den  technischen  Ter- 
mini (v-.ÄS5i) ,  viele  zu  den  feierlichen  Redensarten.  Als  «Ver- 
besserung" oder  »Ergänzung"  meiner  Aussage  ist  die  ganze 
Ausführung  unpassend.  Zwei  weitere  Beispiele  dieses  »Miss- 
verstehens" findet  man  Critica  S.  83 — 85.  Ich  hatte  nämlich 
behauptet,  dass  die  Araber  auf  die  Jungfrauschaft  an  und  für 
sich  weniger  Werth  legen,  als  viele  glauben.  Wer  meine 
Aeusserung  im  Zusammenhang  liest,  wird  sehen,  dass  ich 
meinte:  ein  Araber,  der  die  Wahl  hat  zwischen  der  Ehe  mit 
einer  Jungfrau  oder  mit  einer  jungen  Wittwe,  resp.  geschie- 
denen Frau ,  wird  nur  selten  erstere  wegen  der  ä.LXj  vorziehen. 
Diese   Angabe   stammt   bei  mir  nicht  aus  einer  Offenbarung, 


19 

sondern  aus  fast  täglich  wiederholten  Gesprächen  mit  Mek- 
kanern über  diese  Gegenstände,  welche  den  meisten  nahe  am 
Herzen  liegen.  Wenn  man,  ohne  danach  zu  suchen,  vielfach 
in  Gesellschaften  gesessen  hat,  wo  Ehen  geplant,  diesbe- 
züglicher Rath  ertheilt,  allgemeine  Betrachtungen  über  den 
Gegenstand  angestellt  wurden ,  so  darf  man  schon  etwas  mehr 
Werth  auf  seine  Beobachtungen  legen,  als  wenn  man,  wie 
Landberg  dies  vorzuziehen  scheint,  die  Dirnen  als  Autoritäten 
betrachtet  für  die  Frage ,  was  die  Männer  von  der  ä  .LiCj  halten. 
Landberg  verdreht  nun  ausserdem  meine  Aussage  dahin,  dass 
ich  gesagt  hätte,  ein  Mann  der  eine  vermeintliche  Jungfrau 
geheirathet  hätte,  würde  sich  leicht  über  eine  Enttäuschung 
hinwegsetzen,  oder  auch  eine  sogenannte  Jungfrau,  die  ihre 
Jungfrauschaft  verloren  hätte,  würde  ungefähr  ebenso  beliebt 
sein  wie  eine  unversehrte  virgo;  —  so  was  ist  mir  gar  nicht 
eingefallen.  Die  Araber  sagen  vielfach:  eine  junge  iC_j^  ist 
eine  bessere  Frau  als  eine  Jsj ,  denn  sie  hat  einige  Erfahrung , 
sie  weiss  schon,  dass  sie  mit  des  Gatten  Glück  nicht  spielen 
kann ,  ohne  sich  selbst  grosser  Gefahr  auszusetzen ,  u.  s.  w.  • 
die  Jungfrau  weiss  loch  nichts ,  bedarf  noch  der  Dressur ,  und 
die  meisten  geben  ihren  Launen  nach  bis  es  dem  Manne 
zu  viel  wird.  Andere  ziehen  es  vor  (gerade  so  wie  bei  den 
Sklaven) ,  selbst  ihre  Gattin  von  Anfang  an  zu  erziehen.  Die 
erste  Ansieht  findet  aber  die  meisten  Anhänger;  die  physische 


20 

s.Lji^    tritt   bei    der  Entscheidung  ganz   in  den  Hintergrund. 

Landberg  hat  seinen  lebhaften  Verkehr  mit  orientalischen 
Weibern  hier  am  unrechten  Orte  an  den  Haaren  herbeigezo- 
gen ;  auch  fragt  sich ,  ob  es  nicht  besser  wäre ,  die  Prahlerei 
mit  solchen  Heldenthaten  jungen  Milchbarten  zu  überlassen 
und  solche  Details  aus  unserem  Privatleben  soviel  als  möglich 
von  der  Wissenschaft  fern  zu  halten. 

Ich  bin  mit  Landberg  einverstanden,  wenn  er  sagt,  dass 
man  in  wissenschaftlichen  Werken  alles,  auch  das  Schmut- 
zigste, beim  Namen  nennen  darf;  eigentlich  wird  dieser  Grund- 
satz schon  längst  von  allen  vernünftigen  Gelehrten  befolgt, 
und  ist  es  sehr  überflüssig ,  so  einfache  Dinge  so  oft  zu  wieder- 
holen, wie  dies  L.  thut  {Introduction  zu  den  ProverheSf 
S.  VIII — IX  und  XVI).  So  durch  und  durch  gemeine  Witze 
wie  der  über  die  arrüre-pens^e  der  Engländer  und  den  Nach- 
theil der  egyptischen  Eseltreiber  (Critica,  S.  60)  nützen  aber 
der  Wissenschaft  nichts,  und  zeugen  nur  von  dem  ungebil- 
deten Geschmack  desjenigen,  der  sie  aus  der  Kneipe  in  die 
Litteratur  bringt  i). 

Das   letzte   «Missverständniss",  welches  ich  anführen  will , 


1)  Beiläufig  sei  bemerkt,  dass  Landberg's  Ausdruck:  »zu  ihrem  eignen 
Nachtheil"  beweist,  dass  er  die  Bedeutung  des  Wortes  t'ujen  uicht  ganz 
erfasst  hat.  Dieser  Witz  gemahnt  uns  an  gewisse  eigenthümliche  Empfehlungen 
von  Büchern  in  BriU's  «Catalogue  Periodique",  wie  1,  M°.  22  v  . . .  .  de  pre- 
ceptes  qul  feront  rouf/ir  plus  d'un  Orient alisitt" !  I 


21 

ist  Landberg's  Entrüstung  (Critlca,  S.  85)  über  die  «mekka- 
nische  Sprachexcentricität",  der  zufolge  die  Form  ^xiU-=>  nur 
mit  dem  Artikel  vorkäme,  während  ich  dies  grado  von  der 
andern  Form  iÜUj>  ausgesagt  habe,  und  ^JU=>  von  mir  aus- 
drücklich als  «Bezeichnung  einer  (bestimmten  oder  unbestimm- 
ten) Anzahl"  erwähnt  wurde.  Dass  xiLxs  auch  mit  einem  Zahl- 
wort gebraucht  werden  kann,  gilt  für  Mekka  nicht]  vom 
Landberg'schen  «ganzen  Orient"  habe  ich  nicht  gesprochen. 
Im  Vorhergehenden  haben  wir  nun  gesehen ,  dass  unser 
Kritiker  Sätze  kritisirt ,  die  er  nicht  verstanden  hat ;  wir  wollen 
jetzt  zeigen,  dass  er  auch  in  selbstbewusstem  Tone  über  Dinge 
redet ,  von  welchen  ihm  die  Kenntniss  der  Anfangsgründe  ab- 
geht. Landberg  nennt  mich  (S.  54)  »einen  vorzüglichen  Ara- 
bisten  und  einen  der  besten  Kenner  des  islamitischen  Rechtes"; 
an  einigen  Stellen  seiner  Critica  glaubt  der  Grossmeister 
aber  doch  mir  ein  wenig  Privatunterricht  im  fiqh  ertheilen  zu 
müssen.  S.  33  meiner  Sprichwörter  habe  ich  einen  mekkani- 
schen  Theebesuch  und  die  Sitten,  welche  in  solchen  Gesell- 
schaften beobachtet  werden,  beschrieben.  Da  fiel  nun  Herrn 
L.  folgender  Passus  auf:  »Jeder  trinkt  wenigstens  drei  Gläser: 
»qänün  kMe  =  so  ivill  es  die  Sitte.  Weiss  die  Zudring- 
»lichkeit  des  Gastherrn  ihn  zu  bereden,  dass  er  ein  viertes 
»trinkt,  so  muss  auch  das  fünfte  folgen,  denn  die  Gesammt- 
»zahl  muss,  der  sunnah  gemäss,  ungerade  (witr)  sein".    Ob- 


22 

gleich  nun  thatsächlich  diese  Sitte  geuaucr  beobachtet  wird  als 
hundert  gesetzliche  Bestimmungen ,  so  wird  doch  kaum  ein  Leser 
glauben ,  ich  hätte  hier  ein  Gesetz  beschrieben.  Landberg  citirt 
nur  den  zweiten  Satz,  urgirt  das  Wort  y^muss^\  übersetzt  dann 
meine  Worte  ins  Arabische,  und  ruft  in  vollem  Vertrauen  auf 
sein  i3L^>l  aus:  »was  die  Sunna  lehrt,  ist  nicht  ein  »muss" 
sondern  ein  ^^av^>I"  (Critica,  S.  71).  Wenn  diese  Bemerkung 
richtig  wäre ,  so  wäre  sie  jedenfalls  hier  nicht  am  Platze ;  sie 
ist  aber  falsch  und  beweist  nur,  dass  Landberg  nie  ein  fiqh- 
buch  gelesen  hat,  und  die  zwei  ganz  verschiedenen  Bedeu- 
tungen des  Wortes  xÄ*-  in  der  juristischen  Terminologie  nicht 
kennt.  Die  sunnah  =  sunnat  an-nabl  ist  eine  von  den  vier 
Quellen  oder  Grundlagen  des  Gesetzes  (Qurän ,  Sunnah ,  Igmä' , 
Qijäs) ;  aus  jeder  von  diesen  vier  Quellen  werden  Bestimmungen 
jeder  Art,  also  Gebote,  Anempfehlungen,  Erlaubnisserthei- 
lungen,  Abmahnungen  und  Verbote  hergeleitet.  Diese  fünf 
Categorien  haben  eine  und  dieselbe  Bedeutung  und  Kraft, 
gleichviel  aus  welcher  Quelle  sie  geflossen  sind.  Aus  der  Sun- 
nah ,  wie  man  dieselbe  in  den  hadlth-hvichevn  documentirt  fin- 
det, geht  also  hervor,  dass  diese  Handlung  (jr>3  =  i»,c>l^, 
jene  &.Ä*«  =  ^yXLn  =  i_,/«»5^Ä.<*ve  ist,  andere  —Ly>,  »jX^  oder 
|.!j=>  sind.  Wenn  ein  Imperativ ,  sei  es  im  Qurän  oder  in  der 
Sunnah,  vorkommt,  so  haben  die  Juristen  die  Frage  zu  beant- 
worten :  ist  dies  ein  Befehl  ohne  Weiteres ,  sodass  die  befohlene 


23 

Sache  als  ivdgib  gelten  miiss ,  oder  darf  man  es  als  Anempfeh- 
lung auffassen,  ist  es  v_jlXjL!1  ^^Xc  ^^^.^.^a^  sodass  die  bezeich- 
nete Handlung  als  eine  sunnah,  d.  h.  eine  vom  Gesetze 
anempfohlene  Handlung  zu  bezeichnen  ist  ')?  Ein  bedeuten- 
der Prozentsatz  der  gesetzlichen  »wmss"  beruht  ausschliesslich 
auf  der  Sunnah;  ein  nicht  weniger  bedeutender  Theil  der 
stinan  (Plur.  von  »eine  sunnah")  beruht  auf  dem  Qurän,  Dass 
übrigens  das  wür  zu  den  sunan  ~)  gehört  und  nicht  wügih  ist , 
habe  ich  vor  einigen  Jahren  in  meiner  Besprechung  des  van  den 
J5err/'schen  Handbuches  (1 :  40  des  Separatabdrucks)  gezeigt , 
und  dabei  dieselbe  Tradition  citirt,  welche  Landberg  a.  a.  O. 
mittheilt ! 

Die  Frau  hatte  ich ,  in  ihrem  Verhältniss  zu  ihrem  ivall  mit 
dem  arabischen  Terminus  xaJ^  bezeichnet.  Darüber  heisst  es 
nun,   Critica^  S.   76 — 77:   »iC^J^o  für  L^-Jlc  (C^^y*^^  muss  speci- 


1)  Es  ist  eigentlich  überflüssig,  für  so  bekannte  Sachen  Beispiele  zu  citiren; 
dass    die   Auffassung   eines  _^t  in  der  Sunnah  bald  ein  u-*— >ij,  bald  eine 

smma/i  enthält,  erhellt  aus  Bä§ürl  (Qairo,  1272)  II:   l'>t,    t*.A  u.  s.  w.  Vergl. 

auch  die  zahllosen  Stellen,  wo  es  von  einer  Handlung  heisst:  L>»_i>-  ry**^. 
iuJ>5i  ,.«^  O^^  cy*  d.  h.  »sie  wird  (von  den  Gelehrten  unserer  Schule) 
«als  eine  sunnah  anempfohlen,  damit  wir  nicht  allzu  schroff  den  Schulen  ge- 
»genüber  stehen ,  die  sie  als  iv<iyih  betrachten". 

2)  Die  Unbekanntschaft  Landberg's  mit  der  Terminologie,  die  er  hier  be- 
spricht, erhellt  auch  aus  dem  Gebrauche  des  "Wortes  .-*w.,S>l  im  Gegensatz 
zum    gesetzlichen    »muss'".    Kein  faqih   würde  den  Gebrauch  dieses  Ausdrucks 

statt  _ifct  giitheissen.  .«>*o'  hat  in  diesem  Zusammenhang  den  Beige- 
schmack des  nach  menschlichem  Ermessen  Fürgutbefundenen. 


24 

•»fisch  mekkanisch  sein ,  detin  weder  die  *äJ  noch  die  anderen 
y>Dialecte  kennen  dieses  Wort".  Ja,  wenn  »die  '\xl  und  die  an- 
deren Dialecte"  gleichbedeutend  wäre  mit  Landberg's  man- 
gelhafter kenntniss  von  denselben!  Bägüri  (Qairo,  1272)  zählt 
(II:  Ivv)  die  Fälle  auf,  wo  der  hükim  ex  officio  als  wall  fuugi- 
ren  muss;  darunter  auch  den  Fall,  wo  der  natürliche  wali 
selbst  das  betreffende  Mädchen  heirathen  will ,  und  kein  ande- 
rer wall  im  gleichen  Grade  der  Blutsyerwandtschaft  vorhanden 
ist ;  ic>-.LXil  j.  &J  ^^Lm*w*  "^^  xÄ-^i^  ioLXi^.  An  einem  andern 
Orte  sagt  er  (II :  'vf,  1.  13) :  .c^^ß  »^j^  -ii>  Lf^^ß  ^  ^'j 
v_.»>«^;,il  ^n  .Lxi!  «.so  ^5  *-^J  J3.=>.  Dass  übrigens  das  Verbum 
^•i  in  diesem  Sinne  die  Frau  zum  directen  Objecto  hat,  ist 
bekannt.  Will  man  Beispiele?  Bägüri  II:  Ut*'  unten:  qI  ^ 
ä^LO  _^j  ^.sbül;  II:  Ivf,  4  o-fii^^^j  »iWS  ^^L  yÜÜt  ^^ 
U^:dw;  ibid.  1.  7—8:  ^.^^Vi  v^^V  o'^  *^'^  ^  "^^^  (VV- {*•"  O^ 
öjiLjCji  Jo  ^  .^uX-JI.  Beispiele  mit  ^^  sind  mir  niemals  vor- 
gekommen ;  ich  wage  es  aber  nicht,  über  die  Möglichkeit  ihres 
Vorkommens  »in  der  iotJ  und  den  anderen  Dialecten"  zu  ent- 
scheiden. 

Man  wird  es  mir  verzeihen,  wenn  ich  jetzt  die  Frage,  ob 
die  saggädah  {Criiica,  S.  65)  wirklich  eine  iU/*o>  iCc^j  sei  oder 
nicht,  unerörtcrt  lasse.  Dass  »die  Gewohnheit  des  Propheten", 
einen  Gebetteppich  zu  gebrauchen  ).in  allen  (sie)  Samäil- 
büchern  und  HadU-\G%.\csi  erwähnt"  wird,  wie  Landberg  glaubt, 


25 

macht  nur  auf  solche  Leser  Eindruck,  welche  mit  Landberg 
die  Unbekanntschaft  mit  dem  Inhalte  aller  dieser  Bücher  thei- 
len.  Die  Andern  wissen,  dass  man  aus  der  Tradition  bewei- 
sen kann ,  dass  der  Prophet  angeblich  allerlei  Sachen  gekannt 
und  beurtheilt  hat ,  die  erst  lange  nach  seinem  Tode  aufgekom- 
men sind.  In  einigen  Fällen  wird  die  Sache  dadurch  aufge- 
klärt, dass  zwei  Eeihen  von  Ueberlieferungen  zwei  einander 
diametral  gegenüberstehende  Ansichten  vertreten;  in  andern 
Fällen  (wie  in  dem  der  saggadah)  verbürgt  uns  die  bis  in  späte 
Zeiten  hineinragende  Meinungsverschiedenheit  der  Gelehrten 
Hn  casu  bis  in  Ghazzäll's  Zeit  von  mir  conslatirt)  die  Unecht- 
heit  der  Tradition. 

Von  Landberg's  maasslosem  Dünkel  haben  wir  jetzt  Be- 
weise genug ,  und  es  wäre  mir  kaum  übel  zu  nehmen ,  wenn 
ich  darauf  verzichtete,  auf  die  y>Studien''^  eines  so  unkritischen 
Kritikers  näher  einzugehen.  Da  ich  aber  wohl  kaum  ein  zwei- 
tes Mal  mir  durch  solche  Dinge  meine  Zeit  werde  rauben  lassen, 
so  will  ich  diesmal  etwas  genauer  mit  ihm  abrechnen. 

Das  Hauptgravamen,  welches  er  gegen  meine  Sprichivör- 
ter  anführt,  ist,  dass  die  von  mir  gelieferten  Beiträge  dem 
Inhalte  und  der  Form  nach ,  sprachlich  und  sachlich ,  zu  wenig 
«specifisch  Mekkanisches"  bieten.  Schon  auf  der  ersten  Seite 
seines  Aufsatzes  {Critica,  S.  54)  findet  sich  diese  Bemerkung, 
welche  sich  dann  jeden  Augenblick  wiederholt.    Aus  der  "Weise 


26 

nun,  wie  Landberg-  diese  negative  Qualificirung  anwendet, 
ergibt  sich  gar  bald,  dass  er  sich  unter  dem  Ausdruck  »speci- 
fisch  mekkanisch"  ')  entweder  gar  nichts  oder  etwas  ganz  Un- 
mögliches gedacht  hat.  Zu  einigen  (nicht  gerade  sehr  vielen) 
der  von  mir  aufgeführten  Sprüche  bemerkt  Landberg,  dass 
dieselben  in  Egypten,  oder  in  Syrien,  oder  »im  ganzen  Orient" 
bekannt  sind ;  die  Thatsache ,  dass  Landberg  oder  Andere  diese 
Ausdrücke  schon  früher  und  anderswo  gehört  (obgleich  in  den 
meisten  Fällen  nicht  besprochen)  haben,  macht  dieselben  nach 
seiner  Ansicht  zu  »unechten"  oder  »nicht-specifischen"  Mek- 
kanem.  Dieses  Urtheil  spricht  Lbg,  sogar  in  solchen  Fällen 
aus,  wo  das  von  mir  Mitgetheilte,  sei  es  in  der  Anwendung 
(z.  B.  N"s.  3,  44,  64)  oder  in  der  Form  (z.  B.  N^s.  8,  20,  62, 
74),  sich  von  dem  von  ihm  selbst  Beobachteten  wesentlich  un- 
terscheidet. Wo  dies  nicht  der  Fall  ist ,  habe  ich  selbst  meis- 
tens die  allgemeine  Verbreitung  des  betreffenden  Sprichwortes 
hervorgehoben;  dies  diente  mir  dann  meist  zur  Anknüpfung 
von  ethnographischen  Beschreibungen  oder  sprachlichen  Be- 
merkungen im  Commentar.  Mit  meinen  ethnographischen  und 
linguistischen  Mittheilungen  verfährt  Landberg  in  gleicher 
Weise;  jeder  Brauch,  jede  Sprachform,  welche  ich  als  mekka- 
nisch   aufführe,    verliert   nach    Landberg's    Richterspruch  den 


1)  An  einem  Orte  schreibt  l-bg,  statt  dessen :  »echt  mekkanisch"",  Critica,  S.  85. 


27 

Anspruch  auf  dieses  Bürgerrecht ,  sobald  dieselben  sich  auch 
ausserhalb  Mekka's  zeigen.  Wenn  diese  Sitte  awcÄ  :n  Syrien, 
jene  auch  in  Egypten,  diese  sprachliche  Erscheinung  auch 
bei  irgendwelchen  Beduinen,  jene  in  der  klassischen  Sprache 
oder  »in  der  ganzen  arabischen  Welt"  vorkommt,  so  hören 
sie  damit  auf  specifisch  mekkanisch  zu  sein.  Seltsame  Methode ! 
Wenn  man  dieselbe  folgerichtig  anwendet,  so  darf  man  als 
mekkanisehe  Sitten  nur  solche  aufführen,  welche  mit  den  dor- 
tigen Heiligthümern  unlöslich  verknüpft  oder  durch  locale  Ver- 
hältnisse bedingt  sind ;  mekkanisehe  Sprachformen  gibt  es  dann 
aber  überhaupt  nicht.  Von  allen  ethnographischen  und  linguis- 
tischen Eigenthümlichkeiten  der  Mekkaner  lässt  sich  ja  keine 
einzige  a  priori  als  ausschliessliches  Eigenthum  der  heiligen 
Stadt  vindiciren ;  diese  findet  sich  auch  in  Jemen ,  jene  in 
Hadhramaut,  andere  in  Egypten,  Syrien,  in  Indien  oder  im 
Sudan,  Für  die  Entscheidung  der  Frage,  ob  etwas  in  diesem 
exclusiven  Sinne  specifisch  mekkanisch  sei,  ist  es  natürlich 
gleichgiltig ,  ob  die  weitere  Verbreitung  einer  Erscheinung 
schon  vor  der  Abfassung  meiner  Sprichwörtersammlung  bekannt 
war,  ob  sie  jetzt  zum  ersten  Male  von  Landberg  für  seinen 
»ganzen  Orient"  in  Anspruch  genommen  wird,  oder  ob  sie  in 
der  Zukunft  in  irgend  einem  Theile  jener  Welt  beobachtet 
werden  wird.  Statt  einer  Beschreibung  des  Lebens  der  heu- 
tigen Mekkaner  müsste  man  dann  etwa  sagen :  Die  einheimi- 


28 

sehe  Bevölkerung  der  heiligen  Stadt  besteht  aus  einem  qurai- 
^itischen  Kern  (die  zahlreichen  Scherife ,  einige  Ueberreste  an- 
derer altmekkanischer  Geschlechter),  aus  higäzenischen,  egyp- 
tischen ,  jemenischen,  centralarabischen ,  syrischen,  maghribi- 
nischen,  indischen,  türkischen  und  malaiischen  Elementen, 
welche  sich  bis  zu  einem  gewissen  Grad  immerfort  dem  Kern 
assimilirt,  aber  auf  die  Gestaltung  der  Gesellschaft  auch  selbst 
bedeutenden  Einfluss  ausgeübt  haben ;  dazu  kommt  noch  ,  dass 
verschiedene  Sklavenrassen,  namentlich  abyssinische,  stark  auf 
die  Entwickelung  dieser  Gesellschaft  einwirken.  Die  Sitten  und 
die  Sprache  der  heiligen  Stadt  haben  natürlich  den  hier  kurz 
skizzirten  Entwickelungsgang  der  Bevölkerung  mitgemacht,  und 
zeigen  einen  dementsprechenden  Charakter.  Einzelheiten  davon 
zu  beschreiben  müssen  wir  uns  versagen  ,  weil  die  speciösch- 
mekkanischen  religiösen  Bräuche  in  der  Hagg-litteratur  genü- 
gend beschrieben  sind,  und  alles  Uebrige  fragmentarisch  auch 
in  andern  Ländern  vorkommt,  wenngleich  manches  bisher  noch 
nicht  nachgewiesen  wurde. 

Die  absurde  Auffassung,  welche  zu  dem  hier  angedeuteten 
Resultate  führen  müsste,  kann  aber  nur  bei  solchen  aufkom- 
men ,  denen  die  allgemeinsten  Begriffe  von  der  Geschichte 
Mekka's  und  von  wissenschaftlicher  Methode  fehlen.  Ausser- 
dem habe  ich  in  der  »Einleitung"  zu  meiner  Sprichwörtersamm- 
lung und  in   meinem  in   Wien  auch  vor  den  Ohren  Landberg's 


29 

gehaltenen  Vortrag  ')  ziemlich  genau  den  Begriff  der  Speci- 
fisch-mekkanisehen  definirt.  Mekka  ist  bekanntlich  in  hervor- 
ragendem Sinne  eine  Fremdenstadt.  Die  Nationalitäten ,  welche 
den  grössten  Beitrag  zum  jährliehen  Pilgerbesuche  liefern  ,  sind 
in  der  heiligen  Stadt  durch  kleine  Kolonien  vertreten,  deren 
Mitglieder  zum  Zwecke  des  Handels  oder  des  Studiums  einen 
grossen  Theil  ihres  Lebens  in  Mekka  wohnen.  Es  leben  hier 
also  Syrer ,  Egyptor  ,  Türken  ,  Indier  ,  Afghanen  ,  Malaien  , 
welche  ihre  eigne  Sprache  und  ihre  Sitten  ziemlich  unverändert 
behalten.  Wenn  nun  die  Bevölkerung  gänzlich  oder  haupt- 
sächlich aus  diesen  Elementen  bestünde ,  so  könnte  man  kaum 
von  mekkanischem  Wesen  reden.  Ein  bedeutender  Theil  dieser 
Ansiedler  assimilirt  sich  aber  der  um  den  quraisitischen  Kern 
herum  entstandenen  eigentlichen  Bevölkerung.  Wer  ein  in 
Mekka  geborenes  Mädchen  heirathet  oder  eine  in  Mekka  er- 
zogene Sklavin  zur  Concubine  hat,  dessen  Kinder  sprechen 
eine  Sprache  und  befolgen  Sitten,  die  sich  von  denen  aller 
Premdenkolonien  als  mekkanisch  unterscheiden,  trotzdem  dass 
jede  Kolonie  auf  die  Entwickelung  derselben  eingewirkt  hat. 
Die  einzelnen  Bestandttheile  dieses  mekkanischen  Wesens  er- 
klären sich  theilweise  aus  dem  constituirenden  Elemente  der 
Scherife  und  den  durch  diese  zahlreiche  Familie  vermittelten 
Einfluss    der   Beduinen;   theilweise  aus    der   Wechselwirkung 


1)   Vgl.  auch  meinen  Anfang  März   1887  in  Berlin  f^ehaltenen   Vortrag. 


30 

aller  obengenannten ,  im  Laufe  der  Zeit  hinzugekommenen , 
fremden  Ingredienzien.  Wer  mit  der  nöthigen  Vorbildung  aus- 
gerüstet einen  Monat  in  Mekka  lebt ,  unterscheidet  stets  leicht 
den  Mekkaner  vom  Fremden.  Die  Sprache  und  Sitten  aller 
Mekkaner  ist  selbstverständlich  nicht  so  uniform ,  wie  Landberg 
{Critica,  S.  58)  infolge  von  Mangel  an  Verständniss  der  deut- 
schen Sprache  aus  meinen  Worten  herausgelesen  hat ;  nur  gibt 
es ,  wie  ich  in  meinem  Buche  bemerkt  habe ,  keinen  absoluten 
Gegensatz  zwischen  einer  Sprache  der  Ungebildeten  und  einer 
solchen  der  Gebildeten  (wie  Landberg  dies  früher  für  seinen 
ganzen  Orient  behauptet  hatte),  sondern  allmähliche  Uebergänge 
und  Abstufungen.  Alles  dies  verhindert  nicht,  dass  man  mit 
ein  wenig  Uebung  die  Species  »Mekkaner"  von  den  übrigen 
arabisch  redenden  Einwohnern  Mekka's  sicher  unterscheiden 
kann.  Zu  den  Merkmalen ,  welche  die  differentia  specifica  bil- 
den, gehört  nun  auch  das,  was  ich  in  meinem  Buche  über 
die  Lebensweise  und  die  Sprache  der  ahl  makkah  mitgetheilt 
habe.  Dr.  Goldziher  hat  meine  Absicht  denn  auch  richtig  ver- 
standen; in  seiner  Anzeige  meines  Buches  (Oesterr.  Monatschr. 
für  den  Orient,  15  November  1886,  S.  210)  sagt  eru.  a. :  »Nicht 
»alle  Sprichwörter  sind  ausschliesslich  mekkanisch ;  bei  der  durch 
»den  Verfasser  hervorgehobenen  bunten  Zusammensetzung  der 
»Gesellschaft  in  Mekka  ist  wohl  Manches  von  aussen  her  hin- 
»eingetragen   worden;  ebenso   wie  auch  anzunehmen  ist,  dass 


31 

«von  Mekka  durch  die  hier  aus  allen  Landen  des  Ostens  zusam- 
»nien-  und  wieder  von  hier  ausströmenden  Muslims  manches 
»witzige  Wort  exportirt  wird."  Ganz  richtig ;  da  es  nun  nicht 
genügt  im  Allgemeinen  qualitativ  die  Zusammensetzung  einer 
solchen  Gesellschaft  zu  kennen,  so  habe  ich  versucht  die  ge- 
nauere, quantitative  Analyse  ein  wenig  zu  fordern.  Das  zwei- 
bändige Werk,  welches  ich  über  Mekka  zu  veröffentlichen 
gedenke,  wird  lo  einen  geschichtlichen  Ueberblick  und  2°  eine 
Skizze  der  socialen  und  politischen  Verhältnisse  im  heutigen 
Mekka  enthalten.  Ob  ich  die  Hoffnung  Landberg's  (CrUica, 
S.  87)  dadurch  erfüllen  oder  ihm  eine  neue  Enttäuschung  berei- 
ten werde,  ist  mir  gleichgiltig.  Ich  schreibe  ja  nicht  für  Leute, 
die  schon  voraus  alles  besser  wissen ,  als  Einer ,  der  an  Ort  und 
Stelle  die  Dinge  beobachtet  hat.  Es  amüsirt  mich,  wenn  Land- 
berg ,  wie  er  dies  an  verschiedenen  Stellen  seiner  Critica  thut , 
wohlwollend  bestätigt,  dass  meine  Beobachtung  der  Wahrheit 
entspreche ,  als  ob  dies  von  seinem  Gutachten  abhinge ;  es  amü- 
sirt mich  noch  mehr,  wenn  er  hie  und  da  den  mekkanischen 
Sprachgebrauch  »verbessert".  So  soll  das  Oppositum  von  ra- 
zälah  nicht  muruwwah  sondern  lutf  sein  (Critica,  S.  60),  ob- 
gleich ich  versichern  kann ,  dass  in  Mekka  das  Oppositum  von 
lutf  (oder  häufiger:  latäfah)  d.  h.  »Bildung,  feine  Manieren, 
Liebenswürdigkeit"  nur  chusünah  =  »Rohheit,  Ungezogen- 
heit" lautet;  dem  »Anstände"  =  muruwwah  steht  die  »Gemein- 


32 

heit"  =  razälah  gegenüber.  So  ist  auch  mein  Sprichwort  N°.  3 
nicht  nach  Landberg  zu  verbessern,  da  ich  es  sehr  häufig,  und 
zwar  immer  ohne  Artikel,  gehört  habe. 

Dass  ^y>  keine  Pluralfei7fZM«y  ist  (Critica  ,  S.  64),  wusste  ich 
schon ;  in   Mekka  wird   es   als  Plural  zu  iw!>  gebraucht ;  eine 
Frau  kann  es  dort  nur  dann  bezeichnen,  wenn  man  seine  Gat- 
tinn    (-en)    unbestimmt   andeuten    will,    ebenso    wie   das   Wort 
Uä£U>;  dass  letzteres  Wort  und  o^'   J^'   auch  in  Mekka 
die  Gattinn  (-en)  bezeichnen,  hätte  Landberg  (vgl.  Critica  a.  a, 
0.)  aus   meinem  Buche  (S.  85)  entnehmen  können,  wenn  er  es 
»durchstudirt"  (Critica,  S.  86)  hätte.   Man  sagt  'lI£j  jj^!  und 
ÜJLc ,  nicht  aber  liS^^l  oL^jy^  sagt  man  in  Mekka  nicht ,  wenn 
man  die  Weiber  einer  Familie  meint,  trotz  Landberg's  Offen- 
barung (Critica,  S.  65)  über  die  »ganze  arabische  Welt.''  Trotz- 
dem  dass   8-.>Ui  feminini  generis  ist  (auch  dies   war  mir  be- 
kannt), wird  in  Mekka  im  Sprichworte  N°.   19   (vgl.   Critica, 
S.  69)  düduh  und  batnuh  gesagt.  Landberg  verbessert  sogar  das 
Sprachbewusstsein  der  Mekkaner  (Critica,  S.  69),  welche  immer 
noch   die  'äjdln  von   »Wiederkehrenden"  verstehen.   Aber  die 
armen  Mekkaner  sind  eben  nach  Landberg's  Ansicht  auch  keine 
Araber   (Critica,  S.  72),    denn   sie   sprechen    wirklich   ebMln; 
auch  gebrauchen  sie  sehr  häufig  den  Ausdruck     ^  nJiLi   •!> 
Q^s,    was    nach    Critica,    S.   76    auf  keinen    Fall    sein   kann, 
woher  denn  auch  das  ganze  Sprichwort  N°.  50   »nicht  richtig 


83 

zu  sein  scheint."  Bis  aber  Landberg  den  Mekkanern  seine  Cri- 
^ica  geschickt  haben  wird ,  werden  sie  so  sprechen  und .... 
vielleicht  auch  noch  nachher.  Die  Mekkaner  werden  dann  zu- 
gleich aus  der  Mittheilung  Critica,  S.  81  (>>ich  habe  nie  anders 
als  zanbür  gehört")  ersehen ,  dass  der  Kenner  des  ganzen  Orients 
das  Hagg;  nicht  gemacht  hat ,  weil  er  sonst  zumhür  hätte  hören 
müssen.  Die  Frage,  ob  der  Kinderlaut  dahha  arabisch  mit  oder 
ohne  »  (welches  »  in  solchen  Worten  in  statu  absoluto  bekannt- 
lich nur  orthographisches  Rudiment  ist)  geschrieben  werden 
sollte  (Critica,  S.  85),  werde  ich  in  einer  besondern  Abhandlung 
besprechen,  sobald  ich  emeritirt  und  kindisch  geworden  bin. 
Nein,  ich  fürchte  wirklich,  mein  Mekkabuch  wird  Landberg 
kaum  gefallen.  Denn  es  wird  auf  weitere  Kreise  von  Lesern 
berechnet  sein ,  wie  ich  das  in  meinem  Vortrage  in  Wien  schon 
angekündigt  habe.  Gerade  desshalb  habe  ich  einiges  sprachliche 
und  ethnographische  Detail,  welches  sich  in  einem  solchen 
Werke  nicht  wohl  unterbringen  lässt ,  in  meiner  Sprichwörter- 
sammlung den  Fachgenossen  vorgelegt;  nicht-Arabisten  wäre 
es  sonst  zu  speciell  geworden.  Mein  Zweck  war  also  ein  anderer, 
als  der,  welchen  Landberg  (Critica,  S.  86—87)  mir  in  liebens- 
würdiger Weise  zumuthet:  «dass  (ich)  ä  tout  prix  etwas  für 
den  Congress  verfassen  wollte". 

Nicht  genug  specifisch  Mekkanisehes !  So  lautet  Landberg's 
Orakel ,  mit  welchem  er  seine  » Studien"  anfängt  und  sehliesst, 

3 


34 

Man  weiss  jetzt,  was  dieses  Urtlieil  in  seinem  Sprachgebrauche 
besagt,  oder  vielmehr,  wie  nichtssagend  es  ist.  Wollte  man 
aber  den  Begriff  der  Specifischen  ungefähr  so  auffassen,  wie 
Landberg  denselben  anwendet ,  auch  dann  hätte  er  durch  seine 
Schrift  seinen  Richterspruch  nichts  weniger  als  begründet. 
Dreissig  von  meinen  siebenundsiebenzig  Sprüchen  erwähnt  er 
mit  keinem  Worte ;  von  vielen  andern  führt  er  zwar  die  Num- 
mern auf,  bespricht  dann  aber  Sachen,  die  er  mit  ebenso  viel 
Recht  an  irgend  ein  Wort  des  Textes  des  Hamdänl  oder  des 
Ibn  al-faqlh  als  an  meine  Mittheilungen  hätte  anknüpfen  kön- 
nen. Einige  Male  (z  B.  S.  62—63,  S.  77—78)  wird  eine  ganze 
Seite  darauf  verwendet  eine  von  mir  erörterte  Frage  wieder- 
zukäuen ,  um  dann  meine  Vorsicht  zu  loben ,  weil  ich  mit  non 
liquet  geschlossen  habe.  Einmal  gibt  Landberg  (S.  79—81) 
eine  Ausführung  über  die  Zukunft  des  Islams,  über  welche  ich 
mir  weder  in  meiner  Sprichwörtersammlung  noch  sonst  ein 
positives  Urtheil  auszusprechen  erlaubt  habe.  Landberg  äussert 
das  Seinige  in  gewohnter  Weise ,  mit  der  bequemen  Hinzufü- 
gung, dass  wer  die  Sache  anders  betrachtet  «den  Islam  und 
>idie  Mohammedaner  nur  in  seinem  europäischen  Arbeitszimmer 
»studirt  hat."  Wer  sich  nie  mit  Geschichtsforschung  abgegeben 
hat,  ist  immer  geneigt,  in  naiver  Weise  seine  subjectiven 
Eindrücke  in  der  Form  objectiver  Urtheile  oder  gar  von  Pro- 
phezeiungen wiederzugeben.    Wenn  sich  solche  Orakel  auf  Ge- 


35 

genstände  beziehen ,  welche  den  Meisten  vertraut  sind ,  so  nennt 
man  die  Propheten  politische  Kannengiesser.  Handelt  es  sich 
um  den  nur  Wenigen  bekannten  Orient,  so  bedenkt  das  grosse 
Publicum  nicht  immer ,  dass  dort  wie  hier  sehr  viel  dazu  gehört 
um  nicht  durch  Subjectivität  oder  Einseitigkeit  falsch  zu  ur- 
theilen,  und  dass  die  gleichen  Beobachtungen,  bei  der  Be- 
schränktheit menschlichen  Wissens ,  zu  verschiedenen  Beurthei- 
lungen  der  Verhältnisse  führen  können,  ohne  dass  desshalb 
eine  von  zwei  Autoritäten  unfähig  zu  sein  braucht  So  naiv 
generalisirende  Urtheile  wie  die  Landberg'schen  werden  aller- 
dings nicht  viel  Unheil  stiften! 

Wie  gesagt,  von  den  Nummern  aus  meiner  Sammlung, 
welche  Landberg  aufführt,  besjyricht  er  nur  ganz  wenige.  Wo 
er  aber,  sei  es  über  den  Spruch  selbst,  oder  über  den  Com- 
mentar  eine  Bemerkung  gibt,  macht  diese  sehr  häufig,  ohne 
dass  Landberg  selbst  es  bemerkt,  sein  allgemeines  Urtheil 
über  mein  Buch  zunichte-  Wo  er  ganze  Sprüche  als  anderswo 
bekannt  und  daher  nicht  )iecht  mekkanisch"  bezeichnet  (ver- 
hältnissmässig  sind  die  Fälle  nicht  zahlreich) ,  führt  er ,  wie 
oben  schon  hervorgehoben  wurde,  sehr  oft  solche  dabei  an, 
die  in  der  Form  oder  in  der  Anwendung  bedeutend  von  den 
»mekkanischen"  abweichen.  Aehnlich  macht  er  es  mit  meinen 
Angaben  über  den  Sprachschatz ,  die  Grammatik  und  die  Sitten 
der    Mekkaner;   jeden   Augenblick   hebt  er  selbst  Specifisches 


36 

hervor  und  vergisst  dadurch  den  Plan  seines  Aufsatzes.  S.  62 — 63 
zeigt  er ,  dass  dübuh  etc.  und  iaictvak  in  andern  Ländern  anders 
behandelt  werden ,  S.  64  charakterisirt  er  meine  Mittheilungen 
über  die  mekkanischen  Bezeichnungen  der  »Gattinn"  und  über 
den  adjecti vischen  Gebrauch  von  oi>,  iüb-,  ry^=^  als  speci- 
fisch  ')j  S.  65  hebt  er  eine  Bedeutung  von  ^^z«  hervor,  durch 
welche  sich  Mekka  vom  »ganzen  Orient"  unterscheidet,  und 
lenkt  die  Aufmerksamkeit  auf  meinen  Nachweis  über  die 
Jois-formen  tertia  ^  oder  ^ ,  S.  70  ist  ihm  die  mekkanische  Be- 
schränkung der  Bedeutung  von  ja  hahibl  ebenso  neu ,  wie  o'^  in 
der  Bedeutung  »Theetopf"-,  S.  71  wundert  es  ihn ,  dass  «».-^^Lo 
in  Mekka  gebraucht  wird ,  wie  es  gebraucht  wird ,  und  er  ver- 
spricht Nachweise  über  das  Vorkommen  von  ^5.  in  dieser  Be- 
deutung auch  ausserhalb  Mekka's  zu  geben;  diese  Nachweise 
müssen  aber  noch  erscheinen  ''').  Ebendaselbst  ergänzt  er  seine 
frühere  Angabe  über  die  Wörter,  welche  in  Syrien  undEgypten 
»Kleider"  bezeichnen,  dahin,  dass  auch  das  von  mir  als  mek- 
kanisch  erwähnte  Wort  .^o'j^*  dort  diese  Bedeutung  hat.  Das 


1)  Die  Redensart  N°.  9  nennt  er  ein  »sonderbares  Sprichwort" ;  wohl  weil 
sie  in  seinem  »ganzen  Orient"  unbekannt  ist? 

2)  Die  Bedeutung  »Aufseher,  Wächter",  welche  Landberg  dem  Worte  ,^\ 
in  der  von  mir  citirten  Stelle  Chron.  der  Stadt  Mekka  ITI:  l'lv  beilegen 
will,  ist  in  diesem  Zusammenhang  unmöglich,  da  von  einem  laugst  verstorbe- 
nen Sultan  die  Rede  ist.  Landberg  hätte  die  Stelle  nachschlagen  sollen,  bevor 
er  sie  übersetzte! 


37 

hätte  er  damals  nicht  vergessen  sollen!  S.  73  heisst  es,  dass 
meine  »lehrreiche  und  interessante  culinarische  Beschreibung 
»wenig  ganz  specifisch  (sie!)  Mekkanisches  bietet."  Schade» 
dass  die  Herren,  welche  den  ganzen  Orient  kennen,  das  alles 
nicht  früher  beschrieben  haben ;  dann  hätte  ich  etwa  schreiben 
können :  Ueber  die  Küche  der  Mekkaner  vergl.  man  Landberg's 
Omnia  scihilia  de  Oriente.  Daselbst  fällt  Landberg  die  mekka- 
nische  Aussprache  von  ^\  auf,  und  er  versucht  nachzuweisen , 
dass  die  Beschränkung  des  Gebrauches  von  ^^.^  in  Mekka 
noch  enger  ist  als  ich  glaubte.  S.  74  bespricht  er  meine  An- 
gaben über  die  mekkanischen  Worte  für  «Mensch",  »Men- 
schen", »Leute"  und  macht  dazu  eine  Mine,  als  wäre  ihm 
das  alles  schon  so  bekannt  gewesen^);  S.  74 — 75  zeigt  er, 
dass  die  Bedeutung  der  Ausdrücke  »^JLj,  |Jow:s:\iL,  (j^JL=>,  IiAj! 
sich  in  Mekka  anders  verhält  als  in  den  paar  Provinzen,  die 
für  ihn  den  »ganzen  Orient"  darstellen.  S.  76  erfahren  wir,  dass 
ghahänah ,  ein  in  Mekka  allgemein  übliches  Wort  für  Shawl , 
ihm  erst  durch  meine  Mittheilung  bekannt  wurde.  Etwas  naiv  ist 
sein  Glaube,  dass  die  Orientalen  erst  »heutzutage"  die  »Mode" 
kennen.  Qntb  ed-dln  gibt  schon  im  lO^en  Jahrhundert  der 
Hidschra  allgemeine  Betrachtungen  über  diesen  Gegenstand.  S. 
77  macht  Landberg  die  mekkanische  Bedeutung  von  ä-JL^  stutzig, 


1)    //In  Syrien  und  Hidjaz  wissen  wir  (seit  wann?),  wie  es  sich  damit  ver- 
hält." 


38 

und  er  constatirt  das  »Specifische"  von  düjän  als  Plural  von 
ddtvä  =  «Heilmittel".  Daselbst  behandelt  er  die  Erklärung 
der  Formen  ilen,  hatteti,  meten  u.  s.  w.,  als  wäre  das  eine 
längst  von  ihm  behandelte ;  dann  entsinnt  er  sich  aber  und 
verweist  auf  sein  noch  nicht  erschienenes  Buch.  Wenn  alles, 
was  ich  über  das  mekkanische  Picknick  gesagt  habe  »im  gan- 
»zen  muhammedanischen  Orient"  gilt  (S.  77),  so  wissen  die 
Muhammedaner  nichts  davon,  denn  viele  Tremde  habe  ich 
die  mekkanische  qelah  als  etwas  »Specifisehes"  besprechen 
hören.  Es  wäre  zu  viel,  sich  über  solche  Phrasen  länger 
aufzuhalten;  wenn  ich  die  zwei  täglichen  Concerte  der  Mu- 
sikanten des  Scherifs  und  deren  Benutzung  zur  Zeitbestim- 
mung in  Mekka  erwähne,  so  sagt  Landberg  (S.  72)  das  alles 
gelte  überall,  denn  anderswo  im  ^iganzen  Orient"  seien  an- 
dere Concerte!  S.  79  erwähnt  Landberg  ein  von  mir  mitge- 
theiltes  Sprichwort,  welches  »ohne  Commentar  schwer  zu 
»verstehen  wäre."  So  sehr  schwer  doch  nicht;  aber  ich  habe 
den  Commentar  ja  beigegeben.  S.  85—86  bemerkt  man,  dass 
fast  alle  mekkanische  Wörter,  welche  sich  auf  die  Sklaverei 
beziehen,  Herrn  Landberg  in  dieser  Bedeutung  neu  (also  wohl 
specifisch?)  sind.  Wie  man  aus  Goldziher's  oben  citirter  An- 
zeige ersehen  kann ,  hätte  Landberg  die  Liste  der  nach  seiner 
eignen  Definition  »specifisch  mekkanischen"  Erscheinungen  im 
Sprachgebrauch  und  in   der  Grammatik  bedeutend  vermehren 


39 

können.  Wir  wissen  aber,  dass  seine  Absicht  gerade  eine  Be- 
weisführung war,  welche  schon  durch  das  wenige  von  ihm 
selbst  Mitgetheilte  sich  als  verfehlt  erweist. 

Man  wird  es  verstehen,  dass  ich  keine  Lust  habe,  weiter 
über  Einzelheiten  mit  dem  Verfasser  der  Critica  zu  discutiren, 
z.  B.  meine  deutsche  Uebersetzung  der  N"s.  l  und  62  gegen 
seine  Einwendungen  zu  vertheidigen  ! 

Ich  komme  zu  Landberg's  Totaleindruck.  Nachdem  er  durch 
ganz  unnütze  Lobeserhebungen  meiner  arabischen  Sprach- 
kenntnisse ,  meines  feinen  Ohres  und  meiner  Studien  über  das 
muslimische  Recht  (welche  Landberg  weniger  als  irgend  je- 
mand beurtheilen  kann)  die  Erwartungen  seiner  Leser  hoch 
gespannt  hat,  beschliesst  er  die  Lektüre  meines  »in  lieux  com- 
muns  sich  bewegenden",  wenig  Interessantes  enthaltenden 
Buches  sichtbar  enttäuscht.  «Dessenungeachtet"  findet  er  meine 
Sprichwörtersammlung  yieine  anregende  Erscheinung''''  und  »ewe 

y>erfreuUche  Festgabe'''   (S.  87)   -Kweil  sie von  Dr.  Snouck 

y)komm{t)  und  weil  sie  die  heilige  Stadt  zum  Gegenstande  ha(ty\ 
Glaubt  er  mich  so  zum  Besten  zu  haben? 

Wollte  ich  dieses  ungeschickte  Compliment  mit  gleichwer- 
tiger Münze  zurückbezahlen,  so  müsste  ich  meinen  Totalein- 
druck etwa  folgendermaassen  beschreiben :  Wir  haben  jetzt  die 
Schwächen  Landberg's  kennen  gelernt;  sein  Gedächtniss  trügt 
ihn    in   erstaunlicher    Weise,    er  hat   nicht  immer   die  Sätze, 


40 

welche  er  zu  beurtheilen  glaubt,  gelesen  ;  er  spricht  mit  glei- 
chem Selbstvertrauen  über  Sachen ,  die  er  gar  nicht  versteht 
wie  über  solche,  mit  denen  er  sich  mehr  oder  weniger  abge- 
geben hat,  sein  kritisches  Talent  steht  unter  0,  er  generali- 
sirt  und  riisonnirt  de  omni  re  scihili  et  de  quibusdam  aliis] 
er  weiss  nicht  einmal  selbst,  dass  er  nicht  deutsch  schreiben 
kann ;  er  hat  eine  bedenkliche  Neigung  zu  unanständigen  Witzen. 
Diese  und  einige  andere  Eigenschaften  des  Verf.  waren  uns  theil- 
weise  schon  aus  seinen  früheren  Schriften  bekannt,  alle  bethä- 
tigen  sich  aber  hier  in  ganz  hervorragender  Weise.  Trotzdem 
sind  die  nicht  in  die  Critica  hineingehörenden  Studien  uns 
eine  willkommene  Erscheinung,  weil  sie  ....  von  Dr.  Land- 
berg kommen  und  . .  ? 

Nein,  ich  will  aufrichtiger  sein.  Schon  in  der  Vorrede  warnt 
uns  der  Verf.  selbst  vor  seinem  Buche  durch  die  Worte:  yic'est 
))lä  un  travail  sans  arrihre-pensie ^  sans  amertume  et  sans  parti- 
■npris'\  Solche  Dinge  sagt  kein  Gelehrter ,  wenn  er  die  neuesten 
Resultate  seiner  kritischen  Thätigkeit  bei  den  Lesern  einführen 
will.  Was  für  Gedanken  Herrn  Landberg,  der  jedes  kriti- 
schen Talentes  baar  ist ,  dazu  bewogen  haben ,  in  so  unge- 
schickter Weise  meine  bescheidenen  Beiträge  herabzuwürdi- 
gen, ist  mir  ganz  gleichgiltig.  Ich  bin  kein  Feind  der  »Con- 
troverse"  {Critica^  S.  89);  von  Herrn  Landberg  nehme  ich 
aber  hiermit  auf  sehr  lange  Zeit  Abschied.  Sprachtalent  und 


41 

Dünkel  allein  berechtigen  Einen  nicht,  mit  kritischen  Studien 
hervorzutreten;  dazu  gehören  vielmehr  Wahrheitsliebe,  Selbst- 
kenntniss  und  die  daraus  von  selbst  sich  ergebende  Selbstbe- 
schränkung und  Bescheidenheit.  Bis  sich  Landberg  etwas  mehr 
davon  zu  eigen  gemacht  hat,  werde  ich  seine  weiteren  Crltica, 
Studien  oder  wie  sie  sonst  heissen  mögen ,  als  pathologisch  in- 
teressante Erscheinungen  betrachten ,  mich  aber  natürlich  nicht 
wieder  auf  eine  Widerlegung  derselben  einlassen. 

Leiden,  2  April   1887.  D".  C.  Snouok  Hürgron.te. 


Nachtrag  zu  S.  IG.  Nach  dem  Erscheinen  der  Cri- 
tlca  habe  ich  meinem  Freunde  Abd  er-Rahim  Efendl  Ahmed 
geschrieben ,  ich  hätte  die  Redensart  (ji-^J  ,^  .-^>l  (jüU  von 
Egyptern  gehört ,  dieselbe  aber  nicht  in  seiner  Sammlung  an- 
getroffen; er  möchte  mir  mittheilen,  ob  er  den  Ausdruck  kenne, 
und  was  er  bedeute.  Seine  Antwort  erhielt  ich  erst ,  nachdem 
zwei  Bogen  dieser  Abhandlung  schon  abgedruckt  waren ;  er 
schreibt  mir  (1  Mai),  er  habe  von  Leuten  aus  Damiette  und  der 
Umgegend  gehört :  (ji'i  ^^  ^i-  ^L« ;  mit  (jiU  wollten  die 
Leute  »irgendwelche  Sache"  bezeichnen.  Mein  Egypter  fügt 
aber  hinzu ;  qX*j  JJLLI  !lX_P  qI  ^cHJ  J^-^  V^J^^J  l5*-^-^S 
Lo    \j<ji.JS    (J-»    Ä.>i^j^    c:<«wwäjJ    ijiLo    iU.ij     o^li    iik_Ji3    -*.3U    ^^mJü 


42 

-Jt  u^AäÜj  c^  i.>.Äi  y^^  s'ij-l  -^i:^  j.  'jiy''^"  ^Z  ^  '^;^'5 
Die  Redensart,  welche  ich  bisher  von  dem  »Ignoranten" 
nicht  gehört  hatte ,  ist  ihm  also  in  etwas  anderer  Form  wohl 
bekannt ,  und  über  die  Erklärung  derselben  hat  er  seine 
eigene  Ansicht.  Ich  kann  dem  nur  hinzufügen ,  dass  ich  die- 
selbe vielfach  von  nicht-damiettischen  Egyptern  gehört  habe, 
and  dass  alle,  welche  ich  über  die  Bedeutung  von  (jiLo  1)e- 
fragte,   mir  antworteten:    ^^^^   ^^   ^. 

Leiden,   4  Mai  1887.  C.  Sn.    11. 


^n*>'..i'; 


Soeben  erschienen: 

KITÄB  AL-MUWASSÄ 

OF 

ABU  'T-TAYYIB  MUHAMMED  IBN  ISHÄ( 
AL-WASSÄ 

EDITED  FROM  THE  MANUSCRIPT  OF  LEYDEN 


RUDOLPH  E.  BRUNNOW 

PH.  1). 
Mrk  6.—. 


PJ     Hurgronje,  Christian  Snouck 
6025      Dr.  C.  Landberg 's  "Studien" 
L352H87 


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